Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch: Mit Kommentar in Anmerkungen [2., verm. u. verbes. Ausg., Reprint 2023 ed.] 9783112695081, 9783112695074

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Allgemeines deutsches Handelsgesetzbuch: Mit Kommentar in Anmerkungen [2., verm. u. verbes. Ausg., Reprint 2023 ed.]
 9783112695081, 9783112695074

Table of contents :
Vorrede zur zweiten Ausgabe
Inhalt
Vorbericht
la. Einführungsgesetz z u m Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuche. Vom 24. Juni 1861. (G.S. S. 449.)
Ib. Spätere Einführung in neu erworbene Landestheile
II. Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches
Erstes Buch. Vom Handelsstande
Erster Titel. Bon Kaufleuten
Zweiter Titel. Von dem Handelsregister
Dritter Titel. Bon Handelsfirmen
Vierter Titel. Von den Handelsbüchern
Fünfter Titel. Bon den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten
Sechster Titel. Bon den Handlungsgehülfen
Siebenter Titel. Bon den Handelsmäklern oder Sensalen
Zweites Buch. Von den Handelsgesellschaften
Erster Titel. Bon der offenen Handelsgesellschaft
Zweiter Titel. Bon der Kommanditgesellschaft
Dritter Titel. Bon der Aktiengesellschaft
Drittes Buch. Bon der stillen Gesellschaft und von der Bereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung
Erster Titel. Bon der stillen Gesellschaft
Zweiter Titel. Bon der Bereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung
Anhang zum dritten Küche. Bon eingetragenen Genossenschaften
Viertes Buch. Von den Handelsgeschäften
Erster Titel. Bon den Handelsgeschäften im Allgemeinen
Zweiter Titel. Bom Kaufe
Dritter Titel. Bon dem Kommissionsgeschäfte
Vierter Titel. Bon dem Speditionsgeschäfte
Fünfter Titel. Bon dem Frachtgeschäfte
Fünftes Buch. Vom Seehandel
Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen
Zweiter Titel. Von dem Rheder und von der Rhederei
Dritter Met. Von dem Schiffer
Vierter Titel. Bon der Schiffsmannschaft
Fünfter Titel. Bon dem Frachtgeschäfte zur Beförderung von Gütern
Sechster Titel. Bon dem Frachtgeschäfte zur Beförderung von Reisenden
Siebenter Titel. Bon der Bodmerei
Achter Titel. Von der Haverei
Neunter Titel. Bon der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth
Zehnter Titel. Bon den Schiffsgläubigern
Elfter Titel. Bon der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt
Zwölfter Titel. Bon der Verjährung
III. Verordnung, betreffend die durch die Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs nöthig gewordene Ergänzung der Gesetze über die gerichtlichen Gebühren und Losten
Nachträge und Berichtigungen
Sachregister
Einführungs-Gesetze
Ergänzungs-Gesetze
Inhalt 2

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Allgemeines deutsches

Handelsgesetzbuch herausgegeben mit

Kommentar in Anmerkungen von

Dr. C. F. K-ch.

Iweite vermehrte und verbesserte Ausgabe.

Berlin, Verlag von I. Guttcntag. 1 8 68.

von Tritdrich Trommana

Vorbemerkung. In der neuen Ausgabe des Allgemeinen Landrechts ist an der Stelle der im Achten Titel des zweiten Theiles aufgehobenen Ab­ schnitte, betreffend den Handelsverkehr, das Allgemeine Deutsche Handelsgesehbuch eingereihet worden. Von vielen Seiten ist jedoch der Wunsch kund geworden, daß ein Separatabdruck des Handels­ gesetzbuches veranstaltet werden möchte, theils von Seiten der Be­ sitzer der vorigen Ausgabe des Allgemeinen Landrechts, theils von Seiten solcher Personen, welche sich bei dieser Bearbeitung des Han­ delsgesetzbuches betheiligen möchten, ohne genöthigt zu sein, das ganze Landrecht zu nehmen. Diesem Wunsche ist hiermit gern ent­ sprochen. Neisse, im Januar 1863.

Dr. «Koch.

Vorrede z u r zweiten Ausgabe.

Die vorliegende neue Ausgabe tritt als selbstständiges Werk auf, während die erste Ausgabe als ein Separatabdruck des Sie­ benten Abschnitts Achten Titels Zweiten Theiles der dritten Ausgabe des Allgemeinen Landrechts erschien. Die Folge der Ereignisse des denkwürdigen Jahres 1866 ist unter Anderem eine große Rührigkeit der Gesetzgebung gewesen, welche auch das Handelsrecht betroffen

IV

Vorrede zur zweiten Ausgabe.

hat. In die Herzogthümer Holstein und Schleswig ist das Han­ delsgesetzbuch ganz neu eingeführt worden, und in anderen neu er­ worbenen Landestheilen sind einzelne Nachhülsen eingetreten. Dazu ist die Rechtsprechung auf dem Gebiete des Handelsrechtes vorzugs­ weise ausgiebig gewesen und hat vielfach die Kritik herausgesordert. Diesen Umständen trägt die gegenwärtige Ausgabe Rechnung durch entsprechende Vermehrung und Verbesserung. Die Berücksichtigung der während des Druckes erschienenen Rechtsanwendungen und Bestimmungen hat einige Nachträge nöthig gemacht, um deren wohlwollende Beachtung gebeten wird. Die wichtigste der letzteren ist das Bundesgesetz vom 4. Juli 1868, be­ treffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs - und Wirthschafts­ genossenschaften (Bundesgesetzbl. S. 415). Dasselbe tritt an die Stelle des S. 390 eingeschalteten Preußischen Gesetzes vom 27. März 1867, betreffend die privatrechtliche Stellung der Erwerbs- und Wirthschastsgenossenschaften. Wesentlich wird dieses Gesetz in jenem wiederholt; die vorkommenden einzelnen Fassungsänderungen sind unerheblich. Von Belang ist nur das Verfahren, welches sie in den §§. 52—61 bei der Auflösung der Genossenschaft und der Ausein­ andersetzung der Genossenschafter mit Rücksicht auf die außerpreußi­ schen Bundesstaaten vorschreiben; das Preußische Gesetz konnte diese Bestimmungen entbehren. Die einzige sich nicht von selbst verste­ hende neue materielle Bestimmung im §. 63, betreffend die Berech­ nung der Verjährungsfrist bei kündbaren Forderungen, ist für Preu­ ßen gleichfalls nicht mehr Bedürfniß. Unter diesen Umständen konnte der Abdruck des ganzen Gesetzes erspart werden; die in den Nach­ trägen zu S. 390 angezeigten Aenderungen und Zusätze genügen dem Zwecke. — Noch besonders wird aus den sinnumkehrenden Druckfehler aufmerksam gemacht, welcher im Art. 53 unverbessert stehen geblieben ist; es muß S. 265 Z. 2 hinter „Anderen" das ausgelassene Wort „nicht" eingeschaltet werden. Neisse, im September 1868.

Dr, «Koch.

Inhalt. Vorbericht.........................................................................................................

Seite 1

la. Einführungsgesetz vom 24. Juni 1861...........................

7

lb. Spätere Einführung in neu erworbene Landestheile. 1. Verordnung, betreffend die Einführung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs in die Herzogthümer Schleswig und Holstein vom

5. Juli 1867

...................................................................................................

133

2. Instruktion des Iustizministers vom 31. August 1867........................

159

3. Allgemeine Verfügung des Justizministers vom 25. März 1868, be­ treffend die Führung des Schiffsregisters....................................................212

II. Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches. Allgemeine Bestimmungen (Artt. 1 — 3)............................................................... 221

Erstes Auch.

Vom Handelsstande. Erster Titel. Von Kaufleuten (Artt. 4 —11)

.

.......................................................................... 224

Zweiter Titel. Von dem Handelsregister (Artt. 12 —14)............................................................... 233

Dritter Titel. Von Handelsfirmen (Artt. 15 — 27)..................................

236

Vierter Titel. Von den Handelsbüchern (Artt. 28 — 40)..............................................

247

Fünfter Titel. .

255

...............................................

267

Von den Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten (Artt. 41 —56) .

Sechster Titel. Von den Handlungsgehülfen (Artt. 57 — 65)

Siebenter Titel. Von den Handelsmäklern oder Sensalen (Artt. 66 — 84).............................

273

Zweites Buch. Don den Handelsgesellschaften.

Seite

Erster Titel.

Von der offenen Handelsgesellschaft...........................................................................285 Von der Errichtung der Gesellschaft (Artt. 85—89)

285

Zweiter Abschnitt. Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander (Artt. 90—109)................................................................

288

Dritter Abschnitt. Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu dritten Personen (Artt. 110 —122) ..........................................................

300

Vierter Abschnitt. Von der Auflösung der Gesellschaft und dem Austreten einzelner Gesellschafter aus derselben (Artt. 123 —132) .

307

Fünfter Abschnitt. Von der Liquidation der Gesellschaft (Artt. 133 bis 145)........................................................................................................

316

Erster Abschnitt.

Sechster Abschnitt. Von der Verjährung der Klagen gegen die Ge­ sellschafter (Artt. 146—149) ........................................................................... 322

Zweiter Titel. Von der Kommanditgesellschaft.................................................................................325

Erster Abschnitt. Von der Kommanditgesellschaft im Allgemeinen (Artt. 150 — 172)...................................................................... ' ... 325

Zweiter Abschnitt. Von der Kommanditgesellschaft auf Aktien ins­ besondere (Artt. 173 — 206)......................................................................

334

Dritter Titel. Von der Aktiengesellschaft............................................................................................ 351

Erster Abschnitt.

Zweiter Abschnitt.

.

351

Rechtsverhältniß der Aktionäre (Artt. 216—226)

358

Allgemeine Grundsätze

(Artt. 207 —215)

.

Dritter Abschnitt. Rechte und Pflichten des Vorstandes (Artt. 227 bis 241)..........................................................

365

Vierter Abschnitt.

Auflösung der Gesellschaft (Artt. 242 — 248)

.

372

Fünfter Abschnitt.

Schlußbestimmungen (Art. 249)........................

378

Drittes Much. Von der stillen Gesellschaft und von der Vereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften für gemeinschaftliche Rechnung.

Erster Titel. Von der stillen Gesellschaft (Artt. 250 — 265)...............................................

380

Zweiter Titel. Von der Vereinigung zu einzelnen Handelsgesellschaften für gemeinschaftliche Rechnung (Artt. 266 — 270)............................................................................

388

Unljang zum dritten Wuche. Von eingetragenen Genossenschaften.............................

390

Instruktion zur Führung der Genossenschaftsregister........................................ 406 Spätere Einführungen des Gesetzes über dieselben: in Hannover............................

.418

in Kurhessen, Nassau, Frankfurt rc..................................................................... 427

in Holstein und Schleswig....................................................................

.

438

VH

Inhalt.

Viertes HLuch. Don den Handelsgeschäften.

E r st e r Titel.

©eite

Von den Handelsgeschäften im Allgemeinen.........................................................449

Erster Abschnitt.

Begriff der Handelsgeschäfte (Artt. 271 —277)

.

449

Zweiter Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte (Artt. 278 — 316).........................................'..........................................

465

Dritter Abschnitt. Abschließung der Handelsgeschäfte (Artt. 317 bis 323) . . . -....................................................................................... Vierter Abschnitt. Erfüllung der Handelsgeschäfte (Artt. 324—336)

502 511

Zweiter Titel. Vom Kaufe (Artt. 337 — 359)............................................................................

518

Dritter Titel. Von dem Kommisstonsgeschäfte (Artt. 360 — 378).........................................

549

Vierter Titel. Von dem Speditionsgeschäfte (Artt. 379 — 389)..............................................

569

Fünfter Titel. Von dem Frachtgeschäfte...................................................................................... .

581

Vom Frachtgeschäfte überhaupt (Artt. 390—421)

581

Zweiter Abschnitt. Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen ins­ besondere (Artt. 422 — 431)......................................................................

615

Erster Abschnitt.

Fünftes Wuch. Vom Seehandel. Erster Titel. 1. K.O. vom 25. September 1815, wegen Vermessung der Schiffe und der darnach zu regulirenden Abgaben................................................................628 2. K.O. vom 12. März 1823.

Dekoraüon der Flagge.................................. 628

3. Gesetz, betreffend die Organisation der Bundeskonsulate, sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln. Vom 8. November 1867

628

Allgemeine Bestimmungen (Artt. 432—449).....................................................

672

Zweiter Titel. Von dem Rheder und von der Rhederei (Artt. 450 — 477).......................

679

Dritter Titel. Von dem Schiffer (Artt. 478 — 527)................................................................

699

Vierter Titel. Von der Schiffsmannschaft (Artt. 528 — 556)

.

.........................................

734

Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft auf den Seeschiffen..............................................................................................................751

Fünfter Titel. Von dem Frachtgeschäfte zur Beförderung von Gütern (Artt. 557 — 664)

777

Sechster Titel. Von dem Frachtgeschäfte zur Beförderung von Reisenden (Artt. 665 — 679)

838

vni

Inhalt.

Siebenter Titel.

Seite

Von der Bodmerei (Artt. 680—701)

845

Achter Titel. Von der Haverei .

.

Erster Abschnitt.

Große (gemeinschaftliche) Haverei und besondere

Haverei (Artt. 702 — 735) Zweiter Abschnitt. Schaden durch Zusammenstoß von Schiffen (Zusatz 9 u. Artt. 736 — 741)

858 879

Neunter Titel. .

884

........

890

Von der Versicherung gegen die Gefahren der Seeschifffahrt Erster Abschnitt. Allgemeine Grundsätze (Artt. 782 — 809) . . Zweiter Abschnitt. Anzeigen bei dem Abschlüsse des Vertrages

903 903

(Artt. 810 — 815) Dritter Abschnitt. Verpflichtungen des Versicherten aus dem Ver­

919

sicherungsverträge (Artt. 816 — 823) ......... Vierter Abschnitt. Umfang der Gefahr (Artt. 824—857) . . . Fünfter Abschnitt. Umfang des Schadens (Artt. 858 — 885) . . Sechster Abschnitt. Bezahlung des Schadens (Artt. 886 — 898) .

922 926 945 959

Siebenter Abschnitt. Aufhebung der Versicherung und Rückzah­ lung der Prämie (Artt. 899 — 905) .......................

965

Von der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth (Artt. 742—756)

.

Zehnter Titel. Von den Schiffsgläubigern (Artt. 757—781)

Elfter Titel.

Zwölfter Titel. Von der Verjährung (Artt. 906 — 911)

968

III. Verordnung, betreffend die durch Einführung des Mgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs nöthig gewordene Ergänzung der Gesetze über die gerichtlichen Gebühren und Kosten. Vom 27. Januar 1862

972

Nachträge und Berichtigungen Sachregister

Vorbericht. I. An die Stelle der aufgehobenen §§. 475 bis 712 treten für den ganzen Umfang der preußischen Monarchie die Artt. 1 bis 378 des Allge­ meinen Deutschen Handelsgesetzbuchs. Dieses Handelsgesetzbuch ist ein zweites (das erste ist die Allg. Deutsche Wechselordnung) gelungenes Erzeugniß des Strebens der deutschen Nation nach einer möglichst einheitlichen Rechtsgesetzge­ bung in Deutschland. Die Grundlage desselben ist ein 1856 vollendeter Ent­ wurf eines Handelsgesetzbuchs für die preußischen Staaten, welches bezweck­ te, in dem ganzen Staate, in welchem drei verschiedene Rechtssysteme, das Allg. Landrecht, das Gemeine Recht und das französische Recht herrschen, zu­ nächst wenigstens das dringendste Bedürfniß für den Verkehr zu befriedigen und ein allgemein gültiges Handelsrecht festzustellen. Das Werk wurde 1850 begonnen. Juristische Kommissaren bereiteten einen Handelsrechtsentwurf vor und im Mai desselben Jahres wurden die verschiedenen Gesichtspunkte und Principien in Ministerial - Konferenzen mit kaufmännischen Sachverständigen aus verschiedenen Provinzen berathen. Die Sache erlitt jedoch durch die Aus­ arbeitung der Konkursordnung eine Unterbrechung und wurde erst im Anfang des Jahres 1856 bis zur Zusammenstellung eines vollständigen Entwurfs ge­ fördert, welcher demnächst durch Rechtsgelehrte und sachverständige Kaufleute begutachtet wurde. Der hieraus hervorgegangene Entwurf, welcher neben ei­ nem östereichischen Entwürfe der Nürnberger Versammlung vorgelegt wurde, behandelte die verschiedenen Materien des Handelsrechts in vier Büchern, von welchen enthielt: das erste Buch die Bestimmungen über die zum Handelsstande gehören­ den Personen und die auf den Handel bezüglichen persönlichen Rechts­ verhältnisse ; (Vom Handelsstande.) das zweite Buch von den Handelsgesellschaften; das dritte Buch von den Handelsgeschäften; das vierte Buch die den Seehandel betreffenden Vorschriften. Diesen Entwurf hat die Nürnberger Versammlung einstimmig zur Grundlage für die Konferenzen angenommen*); der Stoff jedoch, welcher den Gegenstand des zweiten Buches bildet, ist bei der zweiten Lesung in zwei Bücher vertheilt, dergestalt, daß die Lehre von den Handelsgesellschaften (von der offe­ nen Gesellschaft, der Kommanditgesellschaft, der Kommanditgesellschaft auf Aktien und der Aktiengesellschaft) im zweiten Buche, die Lehre von der stillen Gesellschaft aber, welche nicht als Handelsgesellschaft im Sinne des Handels­ gesetzbuchs angesehen und von der Kommanditgesellschaft unterschieden worden

*) Konf.-Protokolle S. 6. Koch, L. D. Haiidel^gcsepduch. 'Z. Xuft.

2

Vorbericht.

ist, sowie von der Vereinigung zu einzelnen Jrndelsgeschäften/ im nunmehri­ gen dritten Buche abgehandelt ist, während diejenigen Materien, welche im preußischen Entwürfe den Inhalt des dritten Buches bilden, im nunmehrigen vierten Buche abgehandelt sind *). Das Seerecht bildet nun das fünfte Buch. Ueber den Standpunkt, welchen dieser preußische Entwurf im Allge­ meinen und zum preußischen Allgemeinen Landrechte einnimmt, und über die benutzten Materialien giebt die Denkschrift, welche dem ursprünglichen Ent­ würfe der juristischen Kommissaren beigefügt ist, folgenden Ausschluß: „Die Revision der bestehenden Handelsgesetzgebung ist ein allgemein anerkanntes Bedürfniß, welches sich schon seit längerer Zeit, und neuerdings immer drin­ gender geltend macht. Die Vorschriften des Allgemeinen Landrechts, so große Anerkennung dieselben als erste vollständige Redaktion eines deutschen Par­ tikular -Handelsrechts für ihre Zeit verdienen, sind in vielen Beziehungen den Anforderungen der Gegenwart nicht mehr entsprechend. Wenn schon im All­ gemeinen das materielle Recht in den gegebenen Verhältnissen und Bedürfnis­ sen des Lebens seine Entstehung und seine Entwickelung findet, so ist vor­ zugsweise das Handelsrecht ein unmittelbares Erzeugniß des praktischen Ver kehrs. Dasselbe beruht seinem Ursprünge nach wesentlich auf den Gewohn­ heiten und Gebräuchen, die sich für die mannigfachen Gestaltungen der Ge­ schäfte und Verhältnisse bilden, welche durch die produktive Beweglichkeit des Handels fortwährend neu hervorgerufen werden. Die Gesetzgebung hat hier­ bei den Beruf, nachhelsend und befestigend zu wirken und die in Uebung be­ findlichen Normen auszuzeichnen, zu ordnen und zu fichten. Indem die Ge­ setzgebung so den entstandenen Handelsverhältnissen ihre rechtliche Natur und Grundlage sichert, hat sie zugleich die Aufgabe, der weiteren Entwickelung und Rechtsbildung den erforderlichen Raum zu gestatten, die Ausgleichung der etwa hervortretenden Abweichungen in den Gebräuchen und Rechtsgrundsätzen im Auge zu behalten und das Streben nach Herbeiführung einer Ueber­ einstimmung des Rechts der verschiedenen mit einander in Verkehr stehenden Handelsstaaten zu fördern. Faßt man den Beruf der Handelsgesetzgebung von diesem Standpunkte auf, so muß man anerkennen, daß die landrecht­ liche Gesetzgebung die an sie gestellten Anforderungen nicht vollständig erfüllt. Einerseits hat dieselbe verschiedene wichtige handelsrechtliche Verhältnisse nicht genügend beachtet und die bei den einzelnen Handelsgeschäften hervortretenden Eigenthümlichkeiten zu sehr den civilrechtlichen Bestimmungen untergeordnet; andererseits tritt sie der Ergänzung des geschriebenen Rechts durch die leben­ dige Praxis, sowie der Fortentwickelung desselben nach Maßgabe der Fort­ schritte des Verkehrs hemmend entgegen, indem sie der Zulässigkeit einer recht­ lichen Anerkennung der Regeln zu enge Grenzen zieht, welche faktisch in Uebung kommen und in der Handelswelt sich Geltung verschaffen. — Die Uebelstände, welche sich als unmittelbare Folge aus dieser für die Redaktion des Allgemeinen Landrechts maßgebend gewesenen Auffaffung ergeben, haben in der neueren Zeit um so mehr an Bedeutung gewonnen, je größer der Aufschwung ist, welchen bei dem gesteigerten Unternehmungsgeiste der Han­ del und die Industrie genommen haben, je umfassender, mannigfaltiger und

*) Ebd. S. 1166. — Lutz, Vorrede zu den Protokollen (Würzburg 1858) S. vi

Borbericht.

3

großartiger die Mittel und Anstalten sind, welche dem Zwecke des Verkehres dienen, und je näher und vielseitiger die verschiedenen Staaten unter einan­ der in Berührung und in Handelsbeziehungen stehen. — Unter diesen Um­ ständen hat es nicht fehlen können, daß vom Handelsstande eine durchgrei­ fende Reform immer dringender in Antrag gebracht worden ist. Tie Regie­ rung hat dieser wichtigen Angelegenheit schon seit längerer Zeit ihre volle Auf­ merksamkeit gewidmet; es sind vielfache Vorarbeiten unternommen, um die nöthigen Verbcfferungen herbeizusühren. Einzelne Materien, welche einer beschleunigten Abhülse vorzugsweise bedürftig und einer abgesonderten Be­ handlung fähig waren, sind durch Spezialgesetze geregelt worden. Im Uebrigen hat man die Ueberzeugung gewonnen, daß eine Reform nur dann ersprieß­ lich sein wird, wenn das gesammte Gebiet des Handelsrechts in den Bereich der Bearbeitung gezogen wird, da nur auf diese Weise die erforderlichen neuen Grundlagen gewonnen und die einzelnen Rechtsverhältnisie nach ihren Eigen­ thümlichkeiten vollständig ins Klare gestellt werden können. — Die angestrebte Verbesserung würde inzwischen nur unvollkommen erreicht werden, wenn die neue Handelsgesetzgebung sich auf die Landestheile, in welchen das Allgenleine Landrecht gilt, beschränken wollte. Abgesehen von bet Nachhülse, welcher die in den übrigen Landestheilen bestehende Gesetzgebung in Handelssachen eben­ falls bedarf, ist hauptsächlich ins Auge zu fassen, daß die Verschiedenheit der Gesetzgebung ein Heminniß des Handelsverkehrs ist und stets eine Unsicherheit desselben zu Folge hat. Die Nothwendigkeit einer einheitlichen Gesetzgebung ist in der Natur und deul Bedürfnisse des Handelsverkehrs begründet; die all­ gemeinen Bedingungen einer solchen Gesetzgebung sind bei der in den ver­ schiedenen Landestheilen rücksichtlich der Handelsangelegenheiten bestehenden wesentlichen Uebereinstimmung in den Gebräuchen und Anschauungen voll­ ständig vorhanden, und es hat sich der Wunsch nach einer Nechtseinheit in Handelssachen nicht nur für die preußischen Staaten, sondern für ganz Deutsch­ land bereits von kompetenten Seiten kund gegeben. Der gegenwärtige Ent­ wurf hat daher seine Ausgabe in einem weiteren Umfange aufgefaßt. Zwar bieten sich hierbei in anderer Beziehung mannigfache Schwierigkeiten dar, welche hauptsächlich aus der Verschiedenheit der in den einzelnen Territorien bestehenden Civilgesetzgebungen entstehen, an die sich die Handelsgesetzgebung anlehnen muß. Indessen sind diese Schwierigkeiten nicht unüberwindlich. Nur ist es aus diesem Grunde nothwendig gewesen, manche Sätze des Civilrechts in den Bereich des Entwurfs zu ziehen und nach dem Bedürfnisse einer all­ gemeinen Handelsgesetzgebung zu ändern. Einzelne Besonderheiten werden in dem Einführungsgesetze die erforderliche Berücksichtigung finden. Bei der Aus­ stellung des Entwurfs sind neben dem reichen wissenschaftlichen Material der neueren Zeit, die Gutachten, Erinnerungen und Anträge der Kaufmannschasten, so wie die in den Sammlungen der deutschen Gerichtspraxis niederge­ legten Entscheidungen der deutschen Gerichtshöfe und die in auswärtigen Staa­ ten eingeführten Handelsgesetzbücher beachtet und einer sorgfältigen Prüfung unterzogen worden. Unter letzteren ist zunächst das französische Handelsgesetz­ buch zu erwähnen. Dasselbe ist für die Rheinprovinz bestehendes Recht; es gilt, theils in ursprünglicher Gestalt, theils in Ueberarbeitungen, in großen und verkehrsreichen Ländergebieten, und es steht seinem Hauptinhalte die Ge­ währ einer langen Erfahrung jur Seite, wenn gleich im Einzelnen mehrfache

1 *

4

Borbericht.

Lücken und Mängel der Abhülse bedürfen. In gleicher Weise ist dio^ Benutzung des holländischen Handelsgesetzbuchs vom Jahre 1838 hervorzuheben, welches wegen der ausgedehnten Handelserfahrungen der holländischen Nation und ihres lebhaften Verkehrs mit Deutschland von hoher Wichtigkeit ist. Endlich ist unter dein benutzten Material noch das spanische Handelsgesetzbuch vom Jahre 1829, so wie die erste Abtheilung des Entwurfs eines allgemeinen Handelsgesetzbuchs für Deutschland von der durch das Reichsministerium der Justiz niedergesetzten Kommission, ingleichen der Entwurf eines Handelsgesetz­ buchs für Würtemberg vom Jahre 1839 und ein für Oesterreich über einzelne Materien des Handelsrechts im Jahre 1849 abgefaßter Entwurf zu erwähnen." II. Den ersten Anstoß zur Herbeiführung einer möglichst gleichförmi­ gen Gesetzgebung im Gebiete des Handelsrechts gab die Würtembergische Re­ gierung bei den Berathungen der Zollvereinsstaaten in der ersten GeneralZoll-Konferenz im Jahre 1836, und wiederholt im Jahre 1846. Das hatte keine Folge. Den ersten Versuch zu einem allgemeinen deutschen Han­ delsgesetzbuche machte das vormalige Reichsministerium der Justiz in Frankfurt. Im Dezember 1848 wurde eine Kommission zur Ausarbeitung eines Ent­ wurfes ernannt, welche auch die erste Abtheilung eines solchen vollendete und im Jahre 1849 zum Druck brachte. Der Umschwung der Verhältnisse brachte das Werk ins Stocken und auch die bei der folgenden Bundes - Central - Kom­ mission die Sache neu anregende Denkschrift Oesterreichs, welche die Berufung eines Kongresses zur Ausarbeitung eines Handels- und Privat-Seerechtes be­ antragte, hatte keine Folge. Die Angelegenheit ruhte, bis Bayern in der Bundestagssitzung vom 21. Februar 1856 die Niedersetzung einer Kommis­ sion zur Entwerfung und Vorlage eines allgemeinen Handelsgesetzbuches be­ antragte. Dieser Antrag wurde in der Sitzung vom 17. April 1856 zum Beschlusse erhoben und in Folge dessen erklärten sich die Regierungen von Oesterreich, Preußen, Bayern, Sachsen, Hannover, Würtemberg, Naflau, Mecklenburg und Hamburg zur Abordnung von Kommissarien (auf ihre Kosten) bereit. Zum Sitz der Konferenz wurde die Stadt Nürnberg gewählt. Dabei ließ jedoch die königl. preußische Regierung erklären, daß sie von den Kom­ missionsberathungen nur dann einen Erfolg erwarte, wenn denselben ausge­ arbeitete Entwürfe zu Grunde gelegt würden, daß sie selbst mit der Ausar­ beitung eines solchen Entwurfs beschäftigt sei, und daß daher von der Ein­ berufung der Kommission bis zu der nach einigen Monaten zu hoffenden Voll­ endung dieses Entwurfes noch Abstand gegeben werden möge. Darauf wurde eingegangen und nach einigen Zwischenverhandlungen in der Sitzung vom 18. Dezember 1856 das Zusammentreten der Kommission auf den 15. Jan. 1857 zu Nürnberg nebst den allgemeinen leitenden Punkten der Berathung, namentlich, daß, dem Vorgänge der Wechselrechts-Konferenzen entsprechend, die Beschlußfassung durch einfache Stimmenmehrheit stattfinden und jeder einzelne durch einen Bevollmächtigten in der Versammlung vertretene Staat eine Stimme haben solle, — beschlossen. Die Kommission trat an diesem Tage in Nürnberg zusammen und konstituirte sich. Kommissare hatten außer den obengenannten Regierungen noch abgeordnet: Baden, die großherzoglich und herzoglich sächsischen Häuser, Lübeck, Frankfurt, Bremen und Hamburg. Der österreichische Bevollmächtige legte einen Entwurf des Handelsgesetzbuches vor, und der preußische einen Gesetzentwurf, welcher neben dem Handels-

Vorbericht.

5

rechte auch das Seerecht und das Assekuranzwesen umfaßte. Die Kommission beschloß einstimmig, den preußischen Entwurf, jedoch unter fortwährender Beachtung des österreichischen, zur Grundlage der Berathungen zu nehmen, und bestellte den Geh. Justizrath Dr. Bischoff zum Referenten. Die Bera­ thungen selbst begannen am 21. Januar. Bis zum 2. Juli waren die drei ersten Bücher berathen. Nach kurzer Vertagung begann die zweite Lesung am 15. September 1857; vollendet am 3. März 1858. In den Mitgliedern der Kommission waren unterdessen theils Vermehrungen (Kurhessen, Großherzogthum Hessen, Braunschweig, A. Dessau-Köthen), theils Veränderungen eingetreten. In der Sitzung vom 30. Juni 1857 wurde Hamburg gewählt, um daselbst das Seerecht zu berathen. In Hamburg trat zu diesem Zwecke die Kommission am 26. April 1858 zusammen, und es wurde daselbst in der 177. bis 421. Sitzung die erste Lesung des Seerechts beendigt; die zweite und letzte Lesung in der 422. bis 547. Sitzung. Zur Schlußberathung trat die Kommission am 19. November 1860 wieder in Nürnberg zusammen, und nachdem man, wie bekannt, auf das 5. und 6. Buch, betreffend den kaufmän­ nischen Konkurs und die Bestimmungen über die Gerichtsbarkeit in Handels­ sachen, einstweilen verzichtet hatte, brachte die Kommission sodann in der 588. Sitzung vom 11. März 1861 den Entwurf eines allgemeinen deutschen Han­ delsgesetzbuches zum Abschlüsse, und mit Bericht vom 14. März bei der Bun­ desversammlung zur Vorlage *). Bemerkt mag noch werden, daß der Buch­ händler Korn in Nürnberg die Bundesversammlung um Verleihung des Ver­ lagsrechts für das deutsche Handelsgesetzbuch angegangen ist, daß er jedoch, zu­ folge Beschlusses vom 4. Juli 1861, den Bescheid erhalten hat: 1) daß die Bundesversammlung nicht bloß sich nicht veranlaßt gefunden habe, seinem Ge­ suche um Verleihung des Verlagsrechts für das allgemeine deutsche Handelsgesetz­ buch Folge zu geben, sondern auch den von ihm eigenmächtig veranstalteten, als authentisch bezeichneten Abdruck der Protokolle der HandelsgesetzgebungsKommission als solchen nicht anzuerkennen vermöge; 2) unter Vorbehalt des Rechts der höchsten und hohen Regierungen, amtliche Ausgaben der Protokolle der zu Nürnberg und Hamburg vereinigt gewesenen Handelsgesetzgebungs­ Kommission zu veranstalten, nur die von dem königl. Bayerischen Bezirks­ rath Lutz veranstaltete, resp, zu veranstaltende Ausgabe dieser Protokolle als authentisch anerkenne. III. Die preußische Staatsregierung und der Landtag sind mit der unveränderten Annahme und Einführung des so zu Stande gebrachten Allge­ meinen deutschen Handelsgesetzbuchs allen anderen deutschen Staaten voran­ gegangen. Welche von den übrigen deutschen Staaten darin nachfolgen wer­ den, ist nicht vorauszusehen. Aus der Abstimmung der einzelnen deutschen Re­ gierungen am Bundestage über das deutsche Handelsgesetzbuch (im Juni 1861) ist nur muthmaßlich auf den Umfang zu schließen, den das Gebiet dieser ge­ meinsamen Gesetzgebung zunächst haben wird. Für die unveränderte Ein­ führung und Ausschließung aller späteren einseitigen Abänderungen haben, außer Preußen, gestimmt: Oesterreich, Bayern, Sachsen, Würtemberg, Baden, Großherzogthum Hessen, Holstein - Lauenburg, Luxemburg, Lim*) Vergl. die Eint, der Motive zum Entwürfe des Einf.-Ges. zum Allge­ meinen Deutschen Handelsgesetzbuche, und Lutz, Vorrede zu den Konf.-Protokollen.

6

bürg,

Borbericht.

großherzoglich und herzoglich sächsische Häuser,

Oldenburg ,

Anhalt,

Schwarzburg, Lippe, Hessen - Homburg, Lübeck, Frankfurt, und nachträg­ lich Nassau. Abfällig stimmten: Hannover, beide Mecklenburg, Bremen und Hamburg. Jedoch haben demnächst (1865) Hannover, Bremen und 1866 auch Hamburg das Handelsgesetzbuch bei sich eingesührt. Rückständig blieben mit ihren Stimmen wegen mangelnder Instruktion: Kurheffen, Braun­ schweig, Liechtenstein, Reuß, Schaumburg-Lippe und Waldeck. Von diesen haben nachträglich Lippe-Detmold 1864, Waldeck und Kurhessen 1865, Liechtenstein 1866 das Handelsgesetzbuch angenommen. In Preußen ist das Handelsgesetzbuch, nachdem es von dem Hause der Abgeordneten ohne Umstände angenommen worden war, auch von dem Herrenhause in der Sitzung vom 1. Juni 1861, obgleich ein Mitglied (Götze) dagegen sprach und vor Ueberstürzung der beantragten Enbloc-Annahme warn­ te, indem die vage Definition der Handelssache, die Abweichung vom altdeut­ schen Rechte, die voraussichtlichen Kollisionen mit anderen Rechtsmaterien, na­ mentlich im Obligationenrechte, die zu vielen Kontroversen führen würden, — das Alles nicht für die vorgeschlagene Eile spräche, vielmehr zu erwägen sei, ob es nicht besser wäre, die Vorlage einer geeigneten Kommission zur Bera­ thung darüber zuzuweisen, in welchem Verhältnisse das neue Handelsgesetz­ buch zu dein mannigfaltigen individuellen Rechte stehe, — schließlich doch en bloc — fast einstimmig — angenommen und demnächst durch das Gesetz vom 24. Juni 1861 eingesührt worden. Dazu hat dann der Justizminister eine umfassende, durch wörtliche Ausnahme vieler Bestimmungen des H.G. B. unnöthig lang gewordene Instruktion, datirt vom 12. Dezbr. 1861 (J.M.Bl. S. 328 ff.), gegeben. — In die Herzogthümer Holstein und Schleswig ist das Handelsgesetzbuch durch die Verordnung vom 5. Juli 1867 (G.S. S. 1133) eingeführt, und der Justizminister hat dazu eine besondere Instruk­ tion vom 31. August 1867 (J.M.Bl. S. 275), betreffend die Führung des Handelsregisters und des Schiffsregisters und die Beeidigung der Handels­ mäkler, sowie die Beglaubigung und Aufbewahrung der Tagebücher derselben, erlassen. Diese Verordnungen sind als spätere Einführungen in neu erwor­ bene Landestheile hinter dem Einführungsgesetze I a unter I b eingeschaltet. IV. Hiermit wäre denn zwar ein gemeinsames Deutsches Handelsge­ setzbuch erstrebt, aber wer da glauben möchte, daß dadurch nun ein einheit­ liches Recht und eine gleichförmige Rechtsprechung in Handelssachen gesichert sei, würde sich hier eben so irren, wie viele sich darüber in den Erwartun­ gen von der Allg. Deutschen Wechselordnung geirrt haben. Die Einheit in der Rechtsprechung und Rechtsanwendung kann, wie ich schon zur Wechsel­ ordnung (mein Wechselrecht S. 2) gesagt habe, ohne ein einziges höchstes Ge­ richt für ganz Deutschland gar nicht erreicht werden und an die Errichtung eines solchen Gerichtshofes ist bei der Zerrissenheit Deutschlands noch lange nicht zu denken. Deutschland wird keine einheitliche Staatsregierung wieder­ sehen, es wäre denn es geschähe doch —.

la. Einführungsgesetz zum

Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuche. Vom 24. Juni 1861.

(G.S. S. 449.)

Wir rc. verordnen, unter Zustimmung des Landtags Unserer

Monarchie, was folgt:

Art. 1. Der in der Anlage enthaltene, aus der Berathung von Kom» missarien der Regierungen Deutscher Bundesstaaten hcrvorgegangene Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs erlangt in

dem ganzen Umfange der Monarchie mit dem

1. März 1862 Ge­

setzeskraft. Mit demselben Zeitpunkte sollen zugleich die nachfolgenden Ein­ führungsbestimmungen in Geltung treten :

Titel 1. Bestimmungen, die Ergänzung des Allgemeinen Deutschen Handelsgcsctzbuchs und die Abänderung bisheriger Gesetze betreffend.

1. Abschnitt. Bestimmungen für alle LandeStheile der Monarchie. Art. 2. Handelssachen sind die Rechtsangelegenheiten, welche eines der

folgenden Privatrechtsverhältniffe zum Gegenstand haben x): 1) Mit diesen Eingangsworten hat man eine Begriffsbestinnnung deS Aus­ drucks „Handelssache" geben wollen; sie enthalten jedoch keine Definition, viel­ mehr giebt der Art. 2 nur ein aus dem preußischen Entwürfe übernommenes Ver­ zeichnis; derjenigen Rechtssachen, welche als Handelsrechtssachen sowohl hinsichtlich der rechtlichen Beurtheilung als der prozessualischen Behandlung und Beweisfüh­ rung, sowie der Kompete'nzbestimmung angesehen werden sollen. Für Preußen soll oas Bedürfniß vorhanden gewesen sein, „durch ausdrückliche Gesetzeserklärung den Umfang des Begriffs „„Handelssache"" zur formellen Ergänzung des Han­ delsgesetzbuchs näher' zu bestimmen." (Mot. z. Einf.-Ges. S. 9.) Zunächst wegen der 'landrechtlichen Grundsätze in Betreff des Gewohnheitsrechts, wonach Rechts-'

S



EinsührungSgeseh

1) das Rechtsverhältniß, welches aus Handelsgeschäften (Artikel 271—273 des Handelsgesetzbuchs) zwischen den Betheiligten entsteht; 2) die Rechtsverhältnisse zwischen den Mitgliedern einer Handels­ gesellschaft, zwischen dem stillen Gesellschafter und dem Inhaber des Handelsgewerbes, sowie zwischen den Theilnehmern einer Bereinigung zu einzelnen Handelsgeschäften, oder einer Verei­ nigung zum Handelsbetriebe (Art. 10 des Handelsgesetzbuchs), sowohl während des Bestehens, als nach Auflösung des gesell­ schaftlichen Berhältnisses, imgleichen das Rechtsverhältniß zwigewohnheiten, welche den Vorschriften des A. L.R. entgegenstehen, sich nicht mehr ausbilden können. Diesen Grundsätzen soll durch den Art. 1 des H.G.B. für die Handelssachen derogirt sein und es soll dadurch für Preußen von großer Bedeutung werden, daß über den Umfang dieses Begriffs dem sonstigen bürgerlichen Rechte gegenüber kein Zweifel bestehe und das Gesetz sich ausdrücklich und speziell darüber ausspreche. (Ebd.) Allein jenem Grundsätze, daß gegen ein vorhandenes ausdrückliches Gesetz (contra legem) neue Rechtsgewohnheiten sich nicht ausbilden können, in Anwendung auf das H.G.B. also neue Handelsgebräuche, welche einer ausdrücklichen Vorschrift des Handelsgesetzbuchs derogiren, nicht entstehen können: diesem Grundsätze ist durch den Art. 1 des H.G.B. keineswegs derogirt. Darüber unten, Anm. 3^ zu Art. 1 des H.G.B. Wohl aber werden neue Ge­ bräuche in Handelssachen, wo das H.G.B. schweigt, entstehen und dem bürger­ lichen Rechte derogiren können. — Sodann ist die fragliche Begriffsbestimmung noch erforderlich für Preußen wegen mehrerer anderer Beziehungen, z. B. wegen der Bestimmungen in den Artt. 14, 47, 48, 50, 60, Ziffer 3, nach welchen sich prozessualische Vorschriften in Bezug auf die Zuständigkeit der Handelsgerichte, auf die Beweisregeln und auf die Personalexekution richten müssen und wonach sich der zulässige Zinsensatz bestimmt. — Ferner ist die möglichste Feststellung des Bereichs der „Handelssachen" nützlich, um eine Grundlage zu haben, auf welche sich die Beurtheilung der Frage: welche der verschiedenen, mit den Gesetzen deS allgemeinen bürgerlichen Rechts vermischten, Vorschriften über einzelne in den Be­ reich des Handelsrechts fallende Punkte durch die Einführung des H.G.B. für aufge­ hoben zu erachten sind, bezieht, da diese Frage sich nicht durch spezielle Bezeichnung der einzelnen Stellen ausreichend lösen läßt. (Ebd. S. 10.) — Endlich ist die Be­ griffsbestimmung auch aus dem Grunde nützlich, um über den Bereich der derogirenden Kraft der Handelsgebräuche — nämlich den Bestimmungen des allgemeinen bürgerlichen, beziehlich des A. L.R. gegenüber; denn diesen werden auch neu entstandene Handelsaebräuche derogiren — möglichst außer Zweifel gesetzt zu sein. Handelssachen sind, wenn eine Begriffsbestimmung versucht werden soll —, diejenigen Gerichtssachen der streitigen und nichtstreitigen Gerichtsbarkeit, welche aus Handelsgeschäften im Sinne des H.G.B., oder aus Handelsberechtigungen, z. B. das Recht zum Gebrauche einer Handelsfirma, entstehen. Eine Handels­ sache der unstreitigen Gerichtsbarkeit ist z. B. die Anmeldung der Errichtung einer Handelsgesellschaft, der Veränderung in der Firma rc. bei dem Handelsgerichte. Diese Definition würde den in den Motiven S. 10 und in dem Berichte der XV. Kommission des Herrenhauses über das Einf.-Ges. S. 4 undefinirt voraus­ gesetzten Begriff der Handelssachen decken oder vollständig treffen, indem dort ge­ sagt ist, daß unter den Begriff der Handelssachen, im Sinne des Handelsgesetz­ buchs, alle unmittelbar durch den Handel begründeten Rechtsverhältnisse des Prrvatrechtes fallen, die allgemein gewerblichen, sowie die polizeilichen und straf­ rechtlichen Vorschriften dagegen von diesem Begriffe ausgeschlossen sind. Nur ist der Ausdruck darin unkorrekt, daß der Begriff der „Handelssachen" mit dem Be­ griffe von Handelsrechts -Verhältnissen und Handelsgeschäften identifizirt wird. Unten, Anm. 1 zu Art. i des Handelsgesetzbuchs.

zum A. D. Handelsgesetzbuche.

9

schen den Liquidatoren oder den Vorstehern einer Handelsgesell­

schaft und der Gesellschaft oder den Mitgliedern derselben; 3) das Rechtsverhältniß, welches das Recht zuin Gebrauch einer Handelsfirma betrifft; 4) das Rechtsverhältniß, welches durch die Veräußerung eines be­

stehenden Handelsgeschäfts zwischen den Kontrahenten entsteht; 5) die Rechtsverhältnisse zwischen dem Prokuristen, dem Hand­

lungsbevollmächtigten oder dem Handlungsgehülsen, und dem Eigenthümer der Handelsniederlassung, sowie das Rechtsver­

hältniß zwischen einer dritten Person und demjenigen, welcher ihr als Prokurist oder Handlungsbevollmächtigter aus einem

Handlungsgcschäfte hastet (Art.55 des Handelsgesetzbuchs)");

6) das Rechtsverhältniß, welches aus den Berufsgeschäften des Handelsmäklers zwischen diesem und den Parteien entsteht; 7) die Rechtsverhältnisse des Seerechts, insbesondere diejenigen, welche aus die Rhederei, die Rechte und Pflichten des Rheders, des Korrespondentrheders und der Schiffsbesatzung, auf die

Bodmerei und die Haverei, auf den Schadenersatz im Falle des Zusammensstoßens von Schiffen, auf die Bergung und Hülfe­ leistung in Seenoth und auf die Ansprüche der Schiffsgläubiger

sich beziehen. Art. 3.

In Bezug aus die Börsen und die kaufmännischen Korporatio­

nen wird Folgendes bestimmt*2): 3 §. 1.

Die Errichtung einer Börse kann nur mit Genehmigung

des Handelsministers erfolgen2). 1a) (2. A.) M. s. unten die Anm. 95, Abs. 2 zu Art. 61 des H.G.B. 2) Das H.G.B. erklärt an mehreren Stellen (Artt. 311, 343, 376) die Börsenpreise für entscheidend, enthält aber über oie vorausgesetzten Börsen keine Vorschriften, wodurch der Art. 3, welcher in Bezug auf die Börsen und außerdem über die kaufmännischen Korporationen Anordnungen trifft, veranlaßt worden ist.

3) Die den örtlichen Einrichtungen (Börsen) in dem Handelsgesetzbuche bei­ gelegte Bedeutung (Anm. 2) hat es nicht gestattet, dieselben lediglich der Willkühr der Betheiligten zu Überlassen. Deshalb ist die Errichtung einer Börse an die staatliche Genehmigung geknüpft. So ist es auch bisher gewesen. Der Code de commerce Art. 71 schreibt die landesherrliche Genehmigung zur Errichtung einer Börse vor, und im Gebiete des A. L.R., wo es in dieser Beziehung an eurer ausdrücklichen Bestimmung fehlt, sind die Börsenordnungen der Kaufmannschaften zu Berlin, Königsberg, Danzig, Elbing und Stettin landesherrlich erlassen wor­ den. Der §. 1 stellt Mach nur einen hergebrachten Nechtsgrundsatz fest, nur daß die Ertheilung der staatlichell Genehmigung, den gegenwärtig bestehenden Ressortverhältnissell entsprechend, dem Handelsminister zugewiesen ist. (Mot. S. 10.) Der §. 1 hatte aber im Entwürfe noch den zweiten «Latz: „Der Handelsminister erläßt bei Ertheilung der Genehmigung zugleich eine Börsenordnung." Dieser Satz ist in den Kommissionen beider Häuser gestrichen und im Plenum nicht wie­ der hergestellt worden; dies ist auch dem damit übereinstimmenden ersten Satze

la.

10

§. 2.

Einführunx04). zipal" eingeschaltet werden: „die Familienglieder desselben oder den Prokuristen". Der Antrag wurde jedoch demnächst in der Versammlung nicht gestellt. (Prot. S. 4519.) 102) Nach einem Beschlusse der Versammlung in der XIII. Sitz, wurde der Fassungskommission überlassen, ob zu den unter i bis 5 aufgeführten Hauptfällen die selbstverständlich gleichrelevanten Gründe der Trunkenheit, der Unfähigkeit zum Dienste rc. aufzuuehmen wären. (Prot. S. 102.) Die Aufnahme ist unterblieben. Dagegen wurde in zweiter Lesung mit Stimmeneinhelligkeit als Ziff. 6 anzureihen beschlossen: „wenn er sich einem unsittlichen Lebenswandel ergiebt". (Prot. S. 964.) Dadurch ist die gewohnheitsmäßige Trunkenheit mit ge­ troffen. Die Unfähigkeit zum Dienste fällt entweder unter Ziffer 4 oder unter die Generalklausel des Art. 62, Abs. 2.

103) Z. B. Knechte, Packer, Küper, Markthelfer u. dergl. 103») Nach diesen Bestimmungen wird auch die Frage beurtheilt, inwiefern der Prinzipal einem Dritten für den Nachtheil, welcher durch die Nachlässigkeit solcher Personen in ihren Dienstverrichtungen veranlaßt wird, zu haften habe. Ein Kaufmann schickte einem Geschäftsfreunde mittelst rekommandirteu Schreibens auf der Post einen Wechsel zum Inkasso. Der Postschein wurde von dem Adres­ saten der von ihm mit der Abholung der Postsachen beauftragten Person ausgehändigt; diese verspätete die Abholung und darüber trat die Präjudizirung des Wechsels ein. Der Absender, nahm den Empfänger auf Ersatz des ihm hreraus entstandenen Schadens in Anspruch, wurde jedoch abgewiesen, in Erwägung, daß die verspätete, die Präjudizirung des Wechsels verursachende Abholung des rekommandirten Schreibens des Klägers nicht einem eigenen Versehen des Beklagten, sondern seines, mit Abholung der Korrespondenz beauftragten Handlungsgehülfen beizumessen sei, für den durch dessen Versehen verursachten Schaden der Beklagte aber nach Vorschrift des §. 53, l, 6 des A. L.R. nur subsidiarisch und auch nur in dem Falle verantwortlich sein würde, wenn der von ihm mit Abholung der Korrespondenz Beauftragte eine zu diesem Auftrage untüchtige Person gewesen wäre, und der Beklagte bei dessen Allswahl ein grobes oder mäßiges Versehen begangen hätte. Erk. des Obertrib. vom 7. November 1861 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XLIV, S. 63). 104) Zu diesem Art. wurde in zweiter Lesung folgende Zusatzbestimmung beantragt: „Für das Verhältniß zwischen dem Prinzipal "und seinem Prokuristen, so wie seinen Halldlungsbevollmächtigten sind die Bestimmungen über die Hand-lungsgehülfen maßgebend". Der Zusatz wurde abgelehnt, weil derselbe nicht in allen Fällen richtig sei, z. B. dann nicht, wenn em Freund, Verwandter aus Gefälligkeit eine Vollmacht übernommen habe; für die Fälle aber, in denen er zutrefsen würde, sei kein Bedürfniß für eine solche Bestimmung vorhanden, da alsdalln gewiß durch Verträge das Nöthige vorgesehen würde. (Prot. S. 965.) — Vergl. übrigens oben die Anm. 90 a. E.

Erstes Buch.

Siebenter Titel.

Von den Handelsmäklern re.

273

Liebenter Titel. Bon den Handelsmiiklern oder Sensalen'). Art. 66.

Die Handelsmäkler (Sensale) sind amtlich bestellte Vermittler für Handelsgeschäfte2). Sie leisten vor Antritt ihres Amtes den Eid, daß sie die ihnen

obliegenden Pflichten getreu erfüllen wollen3). Art. 67.

Die Handelsmäkler vermitteln für Auftraggeber3 a) Käufe und Verkäufe über Waaren, Schiffe^), Wechsel, inländische und auslän­

dische Staatspapiere, Aktien und andere'Handelspapiere, ingleichen Verträge über Versicherungen, Bodmerei, Befrachtung3), und Mie­ the von Schiffen, sowie über Land- und WassertransporteG) und

andere den Handel betreffende Gegenstände7). 1) Die Überschrift des Titels hieß impreuß. Entwürfe: „Von den Handels­ mäklern". In Erwägung jedoch, daß in Oesterreich und an manchen anderen Orten statt des Ausdrucks' „Mäkler" die Bezeichnung „Sensal" üblich ist, wurden die Worte „oder Sensalen" hinzugefügt. (Prot. S. 113.)

2) Nach einem Vorschläge sollte die Begriffsbestimmung dahin gefaßt werden: „Die Handelsmäkler sind öffentliche Beamte, welche am Platze Handelsgeschäfte vermitteln". Dagegen wurde eingewendet, daß die Mäkler keinesweges Beamte in dem Sinne seien, in welchem diese Bezeichnung in manchen Staaten herge­ bracht sei, daß durch diesen Aiisdruck also leicht der Irrthum erzeugt werden könne, als sollten den Mäklern die in solchen Staaten hergebrachten besonderen Rechte der Bemnten beigemessen werden. Ferner sei eS unthunlich, in den Art. die Worte „am Platze"' aufzunehmen, weil die Mäkler nicht ganz unbedingt auf den Platz in ihrer Geschäftsthätigkeit eingeschränkt werden könnten. (Prot.'S. 113.) 3) M. s. hierzu den III. Th. der Jnstr. v. 12. Dezember 1861, oben in der Anm. 23 zu §. 4, Art. 9 des Eins.-Gesetzes. Der §. 4, Art. 9 des Einf.-Ges. weist die Vereidigung der Mäkler für Preu­ ßen den Handelsgerichten zu. Das that auch der preuß. Entwurf, Art. 65, Abs. 2. In der Erwägung jedoch, daß nicht überall dte eidliche Verpflichtung der Mäkler durch die Gerichte vorgenommen zu werden Pflege, wurde beschlossen,' in dem Art. die Worte: „vor dem Handelsgerichte", zu streichen. (Prot. S. 113.) Es bleibt sonach bei der in einzelnen Staaten in dieser Hinsicht bestehenden Einrichtung.

3») Der Auftraggeber braucht nicht Kaufmann zu sein. Auch Personen, die nicht Kaufleute sind,' können kaufmännische Geschäfte durch einen Mäkler in der für Müklergeschäfte vörgeschriebenen Form gültig mit einander schließen. Dazu bedarf es einer schriftlichen Vollmacht für den AMier nicht. Pr. des Obertr. 105 b, v. 4. u. 11. März 1836 (Entsch. Bd. I, S. 9). 4) Unter dem Worte „Schiffe" sind auch „Schiffsparten" begriffen. (Prot. S. 114.) 5) Unter „Befrachtung" ist auch die theilweise Beladung eines Schiffes und nicht ausschließlich dessen volle Ladung begriffen; der Ausdruck „Befrachtung" ist also hier nicht bloß in den: letzteren Sinne, in dem er an manchen Orten ge­ bräuchlich, zu verstehen. (Prot. S. 114.)

6) Bei den Worten: „Land- und Wassertransporte", wurde bemerkt, daß ml einigeu Plätzen besondere Personen zur Bernrittelung zwischen dem Absender und dem Fnhrmanne vorkümen (Güterbestütter, Güterschaffner). An solchen Or-

Koch, A. D. Handelsgesetzbuch. 2. Ausl.

Itz

274

Erstes Buch.

Siebenter Titel.

Durch die übertragene Geschcistsvermittelung8*)*ist * *ein * * Handels7 mäkler noch nicht als bevollmächtigt anzusehen, eine Zahlung oder eine andere im Vertrage bedungene Leistung in Empfang zu neh­ men 9). Art. 68. Die Anstellung der Handelsmäkler geschieht entweder im Allgeten sei also die Vermittelung der Landfrachten nicht Sache der Mäkler. Aehnlich werde es auch an manchen Orten mit den Flußfrachten gehalten; so sei die Ver­ mittelung des Transportes auf der Oberelbe Sache der s. a. Procureurs, nicht der Mäkler. — In diesen örtlichen Einrichtungen wird durch den Art. 67 nichts geändert, weil derselbe — wie hervorgehoben wurde — augenfällig kein Privile­ gium für die Mäkler statuirt. (Prot.'S. 114.)

7) Gegen die im Laufe der Debatte geäußerte Ansicht, daß ein Mäkler auch Darlehen zu vermitteln berechtigt sei, wurde von keiner Seite ein Einwand erho­ ben. (Ebd.) — (2. A.) Für Preußen hat die Bestimmung einen Zusatz erhalten im Einführungsgesetz Art. 9 , §. 3. 8) Der Ausdruck „Vermittelung" ist nicht so zu verstehen, daß der Mäkler als Bevollnrächtigter beider Theile zu betrachterr sei, sich also von Beiden eine Renmneration versprechen lassen dürfe; vielmehr kommt der §. 22, Tit. 13, Th. I des A. L.R. in Anwendung, so daß der Mäkler den zweiten Auftrag nicht an­ nehmen darf. Erk. des Obertr. v. 21. Februar 1848 (Rechtsf. Bd. 111, S. 424). — Der zweite Satz hat nicht die Bedeutung, daß zu jeder Vermittelung zwei Mäkler erforderlich seien. Die gewöhnliche Voraussetzung des H.G.B. ist viel­ mehr, daß nur Ein Mäkler als Vermittler zwischen beiden Theilen thätig ist, wo­ bei es keinen Unterschied machen kann, ob nur der Eine oder ob beide Theile die Thätigkeit in Anspruch genommen haben. Artt. 73, 74, 80, 83. Getroffen wird, abgesehen von der nicht zutreffenden Anwendung des all. §. 22, durch jenen Satz nur die Untreue, z. B. die Uebernahme mehrerer Aufträge, deren einer nicht ohne Nachtheil des andern vollzogen werden kann, oder wenn bei Unterhandlung der Geschäfte eine Partei vor der anderen, es sei durch Verhehlung nachtheiliger Um­ stände oder Mängel, durch Aurühmuug fälschlich vorgespiegelter' Eigenschaften oder Vortheile, oder auf andere Weise begünstigt wird. Es wurde auch in Antrag gebracht, eine Bestimmung darüber aufzuuehmen, daß der Mäkler gegen beide Parteien die Verpflichtung zur Treue habe. Bei der Besprechung dieser Frage wurde wiederholt darauf verwiesen, der Mäkler sei nicht überall ein Mandatar beider Parteien, es könne also nicht überall davon gesprochen werden, daß er aus dem Mandate gegen beide Parteien Verpflichtungen habe; allerdings folge aber diese Haftung 'aus der Eigenschaft des Mäklers als eines amtlich verpflichteten Vermittlers; als solcher habe er namentlich gegen Jeden die Pflicht, über die that­ sächlichen Verhältnisse im Allgemeinen auf Befragen wahre Angaben zu mache«, auch wenn er zu dem Fragesteller tticht im Verhältnisse des Beauftragten stehe. Um hierauf hinzuweisen, wurde beschlossen, in das Gesetz die Bestimmung aufzunehmen, daß jedes Verschulden des Mäklers die dadurch beschädigte Partei be­ rechtige, Schadloshaltung von ihm zu fordern. (Prot. S. 131, 152.) Dies ist durch den Art. 81 geschehen. Was unter „Vernnttelung" des Kaufes oder Verkaufes (eines Grundstücks) zu verstehen sei, beruht nicht auf Rechtsbegriffen, sondern auf der Würdigung der thatsächlichen Verhältnisse jedes besonderen Falles. Erk. des Obertrib. v. 15. Ja­ nuar 1861 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XL, S. 129). 9) Diese Bestimmung ist aus dem §. 209 des österr. lith. Entwurfs aufgenommen. Ein Bedürfniß dazu war nicht vorhanden, da der Mäkler bloß Unterhändler sein soll, keinesweges aber Handlungsbevollmächtigter der einen oder der anderen Partei oder gar beider Parteien ist. Jtldeß sollte hiermit eine Belehrung des Publikums über die Rechte und Pflichtet: der Mäkler geboten werden. (Prot. S. 151.) Vergl. die vor. Anm. 8.

275

Von den Handelsniäklern oder Sensalen.

meinen für alle Arten von Maklergeschäften oder nur für einzelne Arten derselben 1 °).

Art. 69. Die Handelsmäkler haben insbesondere folgende Pflichten:

1) sie dürfen für eigene Rechnung keine Handelsgeschäfte machen, weder unmittelbar, noch mittelbar, auch nicht als Kommissio­

näre, sie dürfen für die Erfüllung der Geschäfte, welche sie ver­ mitteln, sich nicht verbindlich machen oder Bürgschaft leisten10 a), alles dies unbeschadet der Gültigkeit der Geschäften); 10) S. unten Art. 84 und die Anm. dazu.

10 a) (2. A.) Nach der Usance an der Berliner Börse vertreten schriftliche Erklärungen des Inhalts: Nach allen hiesigen Usancen kaufte (verkaufte) ich dato durch Sie . . . Ctr.

Roggen auf Lieferung per . . . a . . . die Stelle der Schlußscheme; der vereidete Mäkler wird, falls er in dergleichen Schlußscheinen nicht eine andere Person als Kontrahenten bezeichnet, trotz des für ihn nach Art. 69 zu 1 des Allg. D. H.G.B. bestehendell Verbotes, selbst als Kontrahent betrachtet; dergleichen Reverse begründen für den betreffenden Kontrahenten, sobald derselbe nicht rechtzeitig dem anderen Theile seine Kommittenten nennt, die Selbsthaftung; und pflegt — wenn bei derartigen Kauf- resp. Verkausgeschäften vor Eröffnung des Lieftrungstermins unter denselben Parteien auf dasselbe Quantum und zu demselben Termine das entgegengesetzte Geschäft auch zu einem niederen Preise abgeschlossen wird — usaucemäßlg die Lieferung der Waare zu unterbleiben, die Kaufpreise, so weit sie sich decken, werden gegen eiuallder aufgehobell, und wird nur die Differenz vergütet. — Sind diese Usancen durch ausdrückliche Bezugllahme voll beit Parteien zur Norm ihres Vertragesver­ hältnisses gentacht worden, so ist dasselbe aufrecht zu halten, da es allgemein an­ erkannt, daß in Ermangelung entgegeilstehender Prohibitivgesetze die Bertrags­ freiheit insoweit unbeschrankt ist. (P'rot. S. 5085.) Erk. des Obertr. vom 23. Mai 1867 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXVII, S. 232.) Vergl. unten Anm. 44 zu Art. 354. 11) Gegen die Position 1 wurden voll mehreren Seiten verschiedene Einwen­ dungen und Anträge erhoben, jedoch zu Reiuerhaltung des Jllstituts der Mäkler und zur Sichermlg der Unparteilichkeit iiiib Glaubwürdigkeit derselben, alle abge­ lehnt. (Prot. S. 119, 968.) Dieses Verbot hat sehr ausführlich auch das A. L.R. §§. 1322 — 1327. In der Ziff. 1 ist auch das Verbot, an denl Nutzell aus einem vermittelten Geschäfte Theil zu nehmen, enthalten, da der unmittelbare und mittelbare Betrieb voll Handelsgeschäften untersagt wird. (Prot. S. 123.) — (2. A.) Das Verbot umfaßt auch den Erwerb von Schiffsparteu. Erk. des Obertt. vom 1. Juli 1864 (I.M.Bl. S. 259). Civilrechtliche Folgen hat das Verbot nicht, da das verbotswidrige Geschäft gültig ist, es handelt sich nur um disciplinarische Einschreitung gegen den pflicht­ widrigen Mäkler, und es ist Sache der betreffenden Behörde, die rechte Mitte zu halten. (Vergl. Prot. S. 119.) Es versteht sich, daß die Disciplinarstrafe bis zur Entziehung der Konzession gehell kann. Vergl. §. 1328 des A. L.R. u. Einf.Gesetz vom 24. Juni 1861, Art. 9, §. 5. — Cs wurde als inkonsequent bezeich­ net , daß man verbotswidrigen Geschäften ihre Wirksamkeit belasse, aber der An­ trag , auszusprechen, daß beut Mäkler aus verbotswidrigen Geschäften kein Klage­ recht zustehe, wurde abgelehnt. (Prot. S. 119.) Junstisch inkonsequent ist dies allerdings, und deshalb wird auch das Verbot nicht wirksant sein. Denn da an manchen Orten, z. B. üt Hamburg, das Verfahren üblich ist, daß der Mäkler­ für Käufer, deren Verhältnisse dem großen Kausmanne nicht bekannt sind, diesem

gegenüber Bürgschaft leistet (Prot. S. 116), so wird wohl an solchen Orten hier-

18*

276

Erstes Buch.

Siebenter Titel.

2) sie dürfen zu keinem Kaufmanne in dem Verhältnisse eines Pro­

kuristen, Handlungsbevollmächtigten oder Handlungsgehülfen stehen ");

3) sie dürfen sich nicht mit anderen Handelsmäklern zu einem ge­

meinschaftlichen Betriebe der Mäklergeschäfte oder eines Theils derselben vereinigen; zur gemeinschaftlichen Vermittelung ein­

zelner Geschäfte sind sie unter Zustimmung der Auftraggeber

befugt; 4) sie müssen die Mäklerverrichtungen persönlich betreiben und dür­ fen sich zur Abschließung der Geschäfte eines Gehülfen nicht be­ dienen");

5) sie sind zur Verschwiegenheit über die Aufträge, Verhandlungen

und Abschlüsse verpflichtet, soweit nicht das Gegentheil durch die Parteien bewilligt oder durch die Natur des Geschäfts ge­

boten ist"); 6) sie dürfen zu keinem Geschäfte die Einwilligung der Parteien

oder deren Bevollmächtigten anders annehmen, als durch aus­ drückliche und persönliche Erklärung 15); es ist den Mäklern gegen auch die Disciplinarbehörde nicht einschreiten. — Uebrigens waren in Preu­ ßen schon nach bisherigem Rechte dergleichen verbotswidrige Geschäfte der Mäklergültig. Pr. des Obertr. 1973, v. 21* Januar 1848 (Entsch. Bd. XVI, S. 261 und Rechtsf. Bd. III, S. 298).

12) Diese Bestimmung ist nur mit Rücksicht auf den, dem Art. 84 im Abs. 2 gegebenen Zusatz, daß den Partikulargesetzen Vorbehalten bleibe, Abweichendes von diesem Titel zu verordnen, „wo dies die örtlichen Bedürfnisse erheischen", ange­ nommen worden. (Prot. S. 119.) Die Erinnerung 96 in dem Prot. über die XX. Sitz. S. 167 ff., 289 — 294, 1180. — (2. A.) Im Bereiche des A. L.R. ist die für Handesgesellschaften gebräuchliche oder vorgeschriebene Form auf civilrechtliche Gesellschaftsvertrüge unauwendbar. Denn die mündliche Vereinba-

Von der Errichtung der Gesellschaft.

287

Art. 86. Die Errichtung einer offenen Handelsgesellschaft ist von den Gesellschaftern bei dem Handelsgerichte, in dessen Bezirke die Gesell­ schaft ihren Sitz hat, und bei jedem Handelsgerichte, in dessen Be­ zirke sie eine Zweigniederlassung hat, behufs der Eintragung in das Handelsregister anzumelden ■*). Die Anmeldung muß enthalten : 1) den Namen, Vornamen, Stand und Wohnort jedes Gesell­ schafters; 2) die Firma der Gesellschaft und den Ort, wo sie ihren Sitz hat 4a); 3) den Zeitpunkt, mit welchem die Gesellschaft begonnen hat; 4) im Falle vereinbart ist, daß nur einer oder einige der Gesell­ schafter die Gesellschaft vertreten sollen, die Angabe, welcher oder welche dazu bestimmt sind, ingleichen, ob das Recht nur in Gemeinschaft ausgeübt werden soll5* ).* * 4 Art. 87. Wenn die Firma einer bestehenden Gesellschaft geändert oder der Sitz der Gesellschaft an einen anderen Ort verlegt wird, oder wenn neue Gesellschafter in dieselbe eintreten, oder wenn einem Ge­ sellschafter die Besugniß, die Gesellschaft zu vertreten (Art. 86, Ziff. 4), nachträglich ertheilt, oder wenn eine solche Besugniß ausgehoben nmg begründet keine Gesellschaftsrechte unter Nichtkaufleuten, und durch Eintrag gung in das Handelsregister läßt sich ein Surrogat für die schriftliche Abschließung nicht schaffen, weil die Gerichte einen Gesellschaftsvertrag über ein Unternehmen, dessen Gegenstand nicht Handelsgeschäfte sind, nicht eintragen. Erfolgte jedoch einmal eine solche Eintragung, so würde darum doch die Gesellschaft nicht als Handelsgesellschaft gelten töinieit.

4) Nach dem Entwürfe Art. 92 sollte dies „binnen 8 Tagen" geschehen. Diese Fristbestimmung wurde mit Rücksicht darauf, daß die schriftliche Abfassung der Gesellschaftsverrrage nicht verlangt wird, und daß eS hiernach an einem festeil Anfangstermine für die Berechnung der Frist fehlt, gestrichen. (Prot. S. 983.) Vergl. die folg. Anm. 6.

4 a) (2. A.) Handelsgesellschaften ist es nicht gestattet, die Firma auf ver­ schiedene Weise, sei es auch nur durch eine von dem anderen Gesellschafter nicht allgewendete Abkürzung, zu zeichnen. Verordnung des königl. Sächsischen Justiz­ ministeriums vom 29.' März 1862 (Siebenhaar, Archiv, Bd. XI, S. 434). 5) Bei dieser in zweiter Lesung angenommenen Fassung der Ziffer 4 ging mau von der Ansicht aus, daß in gllen denjenigen Fällen, in welchen über die Vertretung der Gesellschaft durch die offenen Gesellschafter nichts Besonderes ver­ abredet worden, und sonach die Regel Platz greife, daß alle offenen Gesellschafter die Gesellschaft vertreten dürsten, kem zureichender Grnnd vorhanden sei, eine be­ sondere desfallsige Eilltragung in das Handelsregister zu verlangen und im Unterlassungsfalle mit Strafen einzuschreiten. (Prot. S. 982.) Ueber die Eintragung: §§. 52 — 56, Th. I der Jnstr. v. 12. Dezember 1861 (oben, Anm. 10 zu Art. 4 des Einf.-Gesetzes).

288

Zweites Buch.

Erster Titel.

wird, so sind diese Thaisachen bei dem Handelsgerichte behufs der Eintragung in das Handelsregister anzumeldcn. Bei der Aenderung der Firma, bei der Verlegung des Sitzes

der Gesellschaft und bei der Aushebung der Vertretungsbefugniß rich­ tet sich die Wirkung gegen Dritte in den Fällen der geschehenen oder

der nicht geschehenen Eintragung und Bekanntmachung nach den Be­ stimmungen des Art. 25.

Art. 88. Die Anmeldungen (Artt. 86, 87) müssen von allen Gesellschaf­

tern persönlich vor dem Handelsgerichte unterzeichnet oder in beglau­ bigter Form eingereicht werden.

Sie sind ihrem ganzen Inhalte

nach in das Handelsregister einzutragen. Die Gesellschafter, welche die Gesellschaft vertreten sollen, ha­

ben die Firma nebst ihrer Namensunterschrift persönlich vor dem

Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeichnung derselben in beglau­ bigter Form einzureichen.

Art. 89. Das Handelsgericht hat die Betheiligten8a) zur Befolgung der

vorstehenden Anordnungen (Artt. 86 — 88) von Amtswegen durch

Ordnungsstrafen anzuhalten6 * ). *

Zweiter Abschnitt. Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander. Art. 90. Das Rechtsverhältniß der Gesellschafter unter einander richtet

sich zunächst nach dem Gesellschastsvertrage.

Soweit über die in den nachfolgenden Artikeln dieses Abschnitts berührten Punkte keine Vereinbarung getroffen ist, kommen die Be­

stimmungen dieser Artikel zur Anwendung.

Art. 91. Wenn Geld oder andere verbrauchbare oder vertretbare Sachen, oder wenn unverbrauchbare oder unvertretbare Sachen nach einer Schätzung, die nicht bloß zum Zwecke der Gewinnvertheilung ge­ schieht, in die Gesellschaft eingebracht werden, so werden diese Ge­

genstände Eigenthum der Gesellschaft7). 5a) Diese sind alle Gesellschafter, nicht bloß die im Art. 88, Abs. 2 bezeich­ neten Geschäftsführer; zur Anmeldung ist Jeder verpflichtet. 6) Wie dabei zu Verfahren, bestimmt das Einf.-Ges. Art. 5. Die im Ge­ setze fehlende Fristbestimmung wird durch die richterliche Aufforderung zur Anmel­ dung gegeben. 7) D. h. sämmtlicher Gesellschafter, mithin anch derjenigen, welche statt der

Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander.

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Im Zweifel wird angenommen, daß die in das Inventar der Gesellschaft mit der Unterschrift sämmtlicher Gesellschafter eingetrage­ nen, bis dahin einem Gesellschafter gehörigen, beweglichen oder un­ beweglichen 8) Sachen Eigenthum der Gesellschaft geworden sind ^). Vermögenseinlage ihre persönlichen Leistungen in die Gesellschaft bringen» vorbe­ haltlich der Werthsforderung des Einlegers bei Auflösung der Gesellschaft (Art. 143). In der Versammlung wurde darüber Bedenken erhoben, üb der Ausdruck „der Gesellschaft" nicht zu der Vermuthung Anlaß geben könne, als solle damit gesagt werden, daß die eingebrachten Vermögensstücke Eigenthum ber Gesellschaft in der Eigenschaft einer juristischen Person würden. Allein man hielt es nicht für geboten, statt „der Gesellschaft", „der Gesellschafter" zu setzen (ähnlich-wie im §. 1183 des österreich. bürg. G.B.), wie von einer Seite beantragt wurde, weil man darüber einverstanden war, daß der Ausdruck „Gesellschaft" hier so wie in den folgenden Artikeln nichts anderes bedeute, als die Gesammtheit der Gesell­ schafter nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauche, welcher niemals von einem Gesellschaftervermögen, sondern nur von Gesellschaftsvermögen spreche; weil ferner mit dem Art. nichts anderes gesagt werden wolle, als daß die eingeorachten Vermöaensstücke dem -E i g e n t h u m e und nicht bloß der Benutzung nach auf die Gesellschaft übergingen, so daß sie bei Auflösung der Gesellschaft nicht mehr in Natur, sondern nur ihrem Werthe nach zurückverlangt werden könnten; weil so­ nach in dieser Auffassung der in Frage stehende Ausdruck um so unverfänglicher sei, als der zu Art. 87 (des preuß. Entw., d. i. der Art. 111 des H.G.B.) ge­ faßte Beschluß feststelle, daß Handelsgesellschaften nicht als juristische Personen "zu betrachten seien. (Prot. S. 176.) Vergl. die Anm. zu Art. in. Ferner wurde hervorgehoben, daß 'die Fassung des Art. überhaupt Mißver­ ständnisse veranlassen könne. Der Art. mache den Ueberaang des Eigenthums von unverbrauchbaren und unvertretbaren Sachen davon abhängig, daß die Schä­ tzung derselben nicht bloß zu dem Zwecke geschehen sei, um einen Maßstab für die Gewinnvertheilung zu haben. Es werde nun voraussichtlich sehr oft Streit dar­ über entstehen, zu welchem Zwecke eine Schätzilng stattgehabt habe. Deshalb werde es besser sein, geradehin zu sagen, daß das Eigenthum aller in eine Gesellschaft eingeworfenen Sachen auf alle'Gesellschafter übergehe, soferne mcht ein Vorbehalt des Eigenthumes gemacht worden sei. Hiergegen' wurde eingewendet, daß die vor­ geschlagene Fassung das Prinzip des Art. u'm'kehre. Während nach dem letzteren nicht unbedingt eine Präsumtion dafür sprechen solle, daß unverbrauchbare und unvertretbare Sachen in das Gemeineigenthum übergingen, diese Frage vielmehr je nach den Umständen anders zu beurtheilen sei, wolle die erwähnte neue Fas­ sung unbedingt und bei allen Arten von Vermögensstücken einer solchen Präsum­ tion Raum geben; mit einer solchen werde aber zu weit gegangen. Der Art. wurde in der Fassung des Entwurfs beibehalten, indeß der Redaktionskommission anheimgegeben, zu erwägen, ob demselben bezüglich des Satzes über die Schä­ tzung nicht eine entsprechendere Fassung zu geben sei. (Prot. S. 177.) Die Fas­ sung ist jedoch unverändert geblieben. Praktisch steht nun die Sache so, daß es ausaedrückt werden muß, wenn die Schätzung bloß zum Zwecke der Gewinnver­ theilung geschieht; sonst tritt jene Präsumtion ein. Ist die Schätzung ganz un­ terblieben , so tritt gleichwohl die Vermuthung ein. (Vergl. Abs. 2 u. Art. 143 und die folg. Anm. 9.) Das A. L.R. I, 17, §. 201 u. §. 202 hat die entgegen­ gesetzte Vermuthung bei anderen als Handelsgeschäften. 8) Hervoraehoben wurde, daß die Bestimmungen über den Erwerb und das Aufgeben von Immobilien an und für sich nicht in ein H.G.B. gehörten, am wenigsten in ein solches, welches für so viele Einzelstaaten bestimmt sei, in denen über diese Angelegenheiten verschiedene Grundsätze und Formen beständen. Des­ halb wurde beantragt, die Worte „oder unbeweglichen" zu streichen. Dieser An­ trag wurde aber mit der Entgegnung abgelehnt, der Art. wolle nicht mehr sagen, als daß die vorbehaltene Einbringung von Immobilien in einen Gesellschaftsfonds, welche unter der im zweiten Absätze bezeichneten Voraussetzung zu präsumiren

Koch, A. D. Handelsgesetzbuch. 2. Ausl.

19

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Zweites Buch.

Erster Titel.

Art. 92. Ein Gesellschafter ist nicht verpflichtet, die Einlage über den ver­

tragsmäßigen Betrag zu erhöhen, oder die durch Verlust verminderte Einlage zu erßänicn1 °).

Art. 93.

Für die Auslagen, welche ein Gesellschafter in Gesellschastsangelegenheften macht, für die Verbindlichkeiten, welche er wegen derselben übernimmt, und für die Verluste, welche er unmittelbar durch seine Geschäftsführung oder aus Gefahren, welche von der­

selben unzertrennlich sind "), erleidet, ist ihm die Gesellschaft ver­ haftet. sei, einen Titel zum Eigenthumserwerbe, ähnlich dem Kaufverträge, und nicht etwa bloß ein Recht aus den Gebrauch im Gefolge habe, daß aber ne­ ben dieser Bestimmung alle Formvorschriften über Eigenthumsübertra­ gung rc. unbeirrt fortzubestehen hätten. (Prot. S. 176.) Vergl. §. 199, I, 17 A. L.R. Zur Ueberttagung des Eigenthums ist also nach wie vor die Tradition auf Grund jenes kaufsähnlichen Titels wesentlich nothwendig. (2. A.) Für Hol­ stein und Schleswig ist besonders vorgeschrieben, daß dle dort bestehenden gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzung des Eigenthumserwerbes an unbeweglichen Sachen durch die im Art. 91 ausgesprochene Präsumtion nicht abge­ ändert werden. Einf.-Verordnung vom 5. Juli 1867, §. 30 ((I b). Die beglaubigte Form dieses Besttztitels behufs der Eintragung in das Hhpothekenbuch wird dadurch hergestellt, daß die Gesellschafter notariell oder gericht­ lich erklären, wie der eine Gesellschafter das Immobile der Gesellschaft (und für welchen Preis) eingebracht und die Gesellschaft davon durch Uebergabe Besitz ge­ nommen habe. Dazu ist der Kaufstempel, nach Abzug des Antheils des Embringenden, zu verwenden, da dieser für seinen Antheil am Gesellschastsvermögen Miteigentümer bleibt. 9) Der Absatz 2, obgleich er besonders vom Inhalte des Absatzes 1 abgeschie­ den ist, enhält keinen Gegensatz zum ersten Absätze und will nicht mehr' sagen, als daß die Eintragung in das Inventar den Beweis der geschehenen Einbringung von Vermögensstücken in das Gesellschaftsvermögen bilde. (Prot. S. 177.) 10) In dieser Hinsicht kann den weigernden Mitgliedern von der Mehrheit keine Verbindlichkeit aufgelegt werden. Dies ist ein alter Rechtssatz. Vergl. §§. 190— 197, I, 17 des A. L.R. Der Anttag, das Prinzip des österr. bürg. G.B. §. 1189 (welcher mit dem §. 191 des A. L.R. a.a.O. übereinstimmt), daß ein Zwang zur Zahlung weiterer als der vertragsmäßigen Einlagen alsdann zu­ lässig, wenn der Gesellschaftszweck mit den vereinbarten Beiträgen unter verän­ derten Umständen nicht erreicht werden kann, aufzunehmen, wurde abgelehnt. (Prot. S. 178, 985.)

11) Die Worte: „oder aus Gefahren — unzertrennlich sind", wurden be­ anstandet und es wurde deren Stteichung beanttagt, weil das, was mit ihnen ausgedrückt werden solle, schon im Vorhergehenden mit begriffen sei, und sie über­ dies' in einem allzuauSgedehnten Sinne aus alle solche Schäden bezogen werden könnten, welche diePerson desGesellschafters beträfen. Hiergegen wurde jedoch eingewendet, es sei allerdings beabsichtigt, auch den aus Gefahren für die Person des Gesellschafters entstehenden Schaden mit dem Artikel zu treffen. Eine solche Bestimmung entspreche dem Gemeinen Rechte, nach welchem die Ge­ sellschaft allerdings für den Schaden des geschäftsführenden Gesellschafters weiter­ hafte, als der Mandant für den Schaden des Mandatars. Es wurde deshalb der Antrag abgelehnt und für die Beibehaltung des Entwurfs entschieden. (Prot. S. 986.) Vergl. A. L.R. I, 17, §. 227.

Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander.

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Bon den vorgeschossenen Geldern kann er Zinsen fordern, vom Tage des geleisteten Vorschusses an gerechnet ,2). Für die Bemühungen bei dem Betriebe12 13) der Gesellschafts­ geschäfte steht dem Gesellschafter ein Anspruch auf Vergütung nicht zu. Art. 94. Jeder Gesellschafter ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Gesellschaft den Fleiß und die Sorgfalt anzuwenden, welche er in seinen eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt14 Er haftet der Gesellschaft für den Schaden, welcher ihr durch sein Verschulden entstanden ist. Er kann gegen diesen Schaden nicht die Vortheile aufrechnen, welche er der Gesellschalt in anderen Fäl­ len 15) durch seinen Fleiß verschafft hat. Art. 95. Ein Gesellschafter, welcher seine Geldeinlage nicht zur rechten Zeit einzahlt, oder eingenommene Gesellschastsgelder nicht zur rech­ ten Zeit an die Gesellschastskasse abliefert, oder unbefugt16) Gelder aus der Gesellschastskasse für sich entnimmt, ist von Rechtswegen zur Entrichtung von Zinsen17) seit dem Tage verpflichtet, an welchem

12) Vergl. §. 225 des A. L.R. a. a O. 13) Dies ist das Prinzip des A. L.R. §. 228 nahme ist der Gegensatz des §.229 ebd., daß für gewöhnlichen Betriebe der Gesellschaftsgeschäfte nicht Kunst oder Wissenschaft erfordern, der gewöhnliche nicht aufgehoben.

14) Altes Recht.

a. a. O. Durch dessen Auf­ solche Arbeiten, die zum gegehören, und eine besondere Preis gefordert werden kann,

Vergl. A. L.R. I, 17, §. 211 ff. und die Anm. 30 dazu.

15) Stimmt überein mit dem bisherigen Rechte. Vergl. §. 215 a. a. O. und Art. 1850 des Code civil. Durch die Worte „in anderen Fällen" ist die Kom­ pensation von zugefügten Nachtheilen und erworbenen Vortheilen nur dann für unstatthaft erklärt, wenn sich die zu kompensirenden Vortheile und Nachtheile auf verschiedene Fälle beziehen, nicht aber alsdann, wenn bei einem und dem­ selben Geschäft Vortheile und Nachtheile gegenüberstehen. Denn jedes Geschäft muß als ein Ganzes aufgefaßt werden. Wenn es sich also fragt, ob durch ein Geschäft Nutzen erworben oder Schaden zugefügt worden sei, so kommt

es auf den Gesammtnutzen oder Schaden an. Demzufolge kann gar nie davon die Rede sein, daß ein und dasselbe Geschäft Schaden und Nutzen zugleich gebracht habe. Sein Gefammtresultat ergiebt sich erst nach Ausgleichung von Einbuße und Vortheil, und hierin liegt von selbst die Rechtfertigung der Kompensation. (Prot. S. 180.) 16) Der Art. hat nur die Aufgabe, zu bestimmen, welche Folgen denjenigen Gesellschafter treffen sollen, der unbefugt Geld entnimmt. Was Rechtens sei, wenn er befugter Weise, etwa mit EinwMigung der übrigen Gesellschafter, dies thut, ist zu bestimmen nicht Gegenstand des Art. Deshalb kann per argumen­ tum e contrario nicht geschlossen werden, daß er die für sich befugt entnom­ menen Gelder in allen Fällen zinsfrei nutzen könne. (Prot. S. 181.)

17) Zu sechs Prozent. Denn es sind hier kaufmännische Zinsen verstan­ den, welche nach anderweitigen Bestimmungen des H.G.B. immer zu 6 Prozent zu berechnen sind. (Vergl. Prot. S. 181, 182.)

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Zweites Buch.

Erster Titel.

die Zahlung oder die Ablieferung hätte geschehen sollen oder die Her­ ausnahme des Geldes erfolgt ist. Die Verpflichtung zum Ersätze des etwa entstandenen größeren Schadens und die übrigen rechtlichen Folgen der Handlung wer­ den hierdurch nicht ausgeschlossen "). Art. 96. Ein Gesellschafter darf ohne Genehmigung der anderen Gesell­ schafter weder in dem Handelszweige der Gesellschaft für eigene Rech­ nung oder für Rechnung eines Dritten Geschäfte machen, noch an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft als offener Gesellschaf­ ter Theil nehmen 18 19). Eine Genehmigung der Theilnahme an einer anderen gleichar­ tigen Handelsgesellschaft ist schon dann anzunehmen, wenn den übri­ gen Gesellschaftern bei Eingehung der Gesellschaft bekannt war, daß der Gesellschafter an jener Handelsgesellschaft als offener Gesellschaf­ ter Theil nehme, und gleichwohl das Aufgeben der Theilnahme nicht ausdrücklich bedungen worden ist20). Art. 97. Ein Gesellschafter, welcher den vorstehenden Bestimmungen zu­ widerhandelt, muß sich auf Verlangen der Gesellschaft gefallen lassen, daß die für seine Rechnung gemachten Geschäfte als für Rechnung der Gesellschaft geschlossen angesehen werden; auch kann die Gesell18) Wird ein größerer Schaden liquidirt, so fallen selbstverständlich die Zin­ sen hinweg. Die Zinsen sind nur das geringste Maß des Schadens. Die Ge­ sellschaft hat nur die Wahl zwischen den Zinsen oder dem höheren Betrage des nachweisbaren Schadens. Vergl. §. 224 des A. L.R. a. a. O.

19) Das Prinzip ist aus dem §. 636, II, 8 des A. L.R. beibehalten. Der Grund desselben ist, zu verhindern, daß ein Sozius dem Anderen Konkurrenz mache. Die Versammlung entschied sich jedoch dafür, daß das Verbot auf eine Theilnahme an anderen Geschäften als stiller Gesellschafter nicht auszudehnen sei. (Prot. S. 988.) 20) Den gleichen Satz hatte auch das A. L.R. §. 637, Tit. 8, Th. II, aber in Beziehung auf die „eigene Handlung" des Gesellschafters. Der Entwurf (Art. 101, Abs. 3) bezog die stillschweigende Genehmigung sowohl auf die Theil­ nahme als offener Gesellschafter an einer anderen gleichartigen Handelsgesellschaft, als auf den Betrieb von Geschäften in dem Handelszweige der neuen Gesellschaft. Hiergegen wurde das Bedenken erhoben, ob es angemessen sei, die in dem Satze enthaltene Regel aufzustellen. Kein Kaufmann werde daran denken, daß ein Ge­ sellschafter, der bisher ein Geschäft betrieben habe, dasselbe dann fortsetzen wolle, wenn er in eine Gesellschaft eingetreten sei, die sich mit gleichartigen Geschäften befassen wolle. Deshalb scheine es viel entsprechender zu sein, die Regel aufzu­ stellen , daß der Gesellschafter den bisherigen alleinigen Geschäftsbetrieb emzustellen habe, soferne dessen Fortsetzung ihm nicht ausdrücklich bewilligt werde. In Folge dessen sind die betreffenden Worte, welche sich auf den Alleinhandel bezogen, aus der Bestimmung gestrichen worden, so daß eine stillschweigende Genehmigung nur bei der Theilnahme an einer anderen gleichartigen Gesellschaft stattfindet. (Prot. S. 190 u. 988.)

Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander.

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schüft statt dessen den Ersatz des entstandenen Schadens fordern?'): alles dieses unbeschadet des Rechts, die Auslösung des Gesellschafts­ vertrags in den geeigneten Fällen herbeizuführen. Das Recht der Gesellschaft, in ein von dem Gesellschafter für eigene Rechnung gemachtes Geschäft einzutreten oder Schadensersatz zu fordern, erlischt nach drei Monaten, von dem Zeitpunkte an ge­ rechnet, in welchem die Gesellschaft von dem Abschlüsse des Geschäfts Kenntniß erhalten hat??). Art. 98. Ein Gesellschafter kann ohne die Einwilligung der übrigen Ge­ sellschafter keinen Dritten in die Gesellschaft aufnehmen ?3). Wenn ein Gesellschafter einseitig einen Dritten an seinem An21) Es findet hier also nur die Wahl zwischen dem Einen oder dem Anderen statt, worin diese Bestimmung von der ähnlichen im Art. 56, Abs. 3 erheblich abweicht. Der Vorschlag, hier die gleiche Bestimmung zu treffen und statt der Worte: „statt dessen" das Wort „außerdem" zu setzen,' wurde abgelehnt, insbe­ sondere auch deshalb, weil man die hier in Frage stehenden Verhältnisse mit den im Art. 56 entschiedenen nicht für vollkommen gleich hielt. (Prot. S. 189.) Die Frage: in welcher Weise darüber zu entscheiden: ob ein solches Geschäft für die Gesellschastskasse übernommen werden solle, oder nicht, ist identisch mit der Frage: ob überhaupt ein Geschäft für die Gesellschaft unternommen werden soll, oder nicht, und ist also nach den hierüber geltenden Vorschriften zu entschei­ den. (Art. 103.) Von selbst versteht sich aber — und dies ist in der Versamm­ lung allseitig anerkannt und darüber eine ausdrückliche Erklärung in diesem Sinne zu Protokoll verlangt worden —, daß bei Gesellschaftsbeschlüffen über die An­ wendung dieses Art. der Zuwiderhandelnde Gesellschafter keinerlei Stimmrecht hat. (Prot. S. 187, 188.) 22) Diese Bestimmung enthält gleichfalls eine erhebliche Abweichung von dem ähnlichen, im Art. 56 vorgesehenen Falle. Sie ist durch die Redaktionskommis­ sion hinzugefügt und dann nicht beanstandet worden. In der zweiten Lesung war der Versammlung zur Erwägung anyeim gegeben worden: ob durch die Fassung des Art. die Frage beantwortet sei: binnen welcher Zeit die Gesellschaft das Recht habe, derlei Geschäfte als für ihre Rechnung geschlossen zu betrachten? Denn es frage sich, ob die Gesellschaft dieses Recht bloß so lange, als res Integra sei, oder auch brs zur oder selbst nach Erfüllung des Geschäftes habe. Darauf wurde die Ansicht geltend gemacht, daß die Gesellschafter an keine Zeit mit ihrer desfallsigen Erklä­ rung gebunden sein sollten, daß aber hierüber nichts in das Gesetz aufzunehmen sei, weil sich diese Auffassung beim Mangel einer besonderen einschränkenden Be­ stimmung von selbst ergebe. '(Prot. S. 189, 190.) In dem Entwürfe aus zwei­ ter Lesung erschien dann aber der Art. mit dieser zusätzlichen Bestimmung, wobei es verblieben ist. Die darin festgesetzte Frist ist als eine Verjährung des Forde­ rungsrechts anzusehen, wobei mchts darauf ankommt: ob noch res Integra, oder das Geschäft schon erfüllt ist.

Weiter war die Versammlung der Meinung, daß die Frage: ob die Gesell­ schaft einer Session der Rechte des verbotswidrig handelnden Gesellschafters bedürfe, oder nicht, hier wie bei den Prokuristen offen zu lassen sei. (Prot. S. 190.) Oben Anm. 89 zu Art. 56. — (2. A.) Vergl. Th. I, Ttt. 17, §§. 233 ff. u. Anm. 40» dazu, und Tit. 13, §§. 155 — 157. 23) Das Gleiche sagt das A. L.R. I, 17, §.217. Ein Antrag zum ersten Absätze beizufügen: „oder sich bei Geschäften oder Verhandlungen der Gesellschaft durch einen Dritten vertreten zu lassen", fand keine Unterstützung, da der Satz an sich zu allgemein gefaßt und in dieser Allgemeinheit nicht gerechtfertigt, dage-

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Zweites Buch.

Erster Titel.

theile betheiligt oder seinen Antheil an denselben abttitt, so erlangt dieser gegen die Gesellschaft unmittelbar keine iHedjte-3a); er ist ins­ besondere zur Einsicht der Handelsbücher und Papiere der Gesellschaft nicht berechtigt2*). Art. 99. Wenn die Geschäftsführung in dem Gesellschastsvertrage einem oder mehreren der Gesellschafter übertragen ist25 * *),* *so* *schließen * * * 24 diese die übrigen Gesellschafter von der Geschäftsführung aus; sie sind be­ rechtigt, ungeachtet des Widerspruchs der übrigen Gesellschafter, alle gen insoweit, als er überhaupt innerlich berechtigt erscheine, ohnehin im Gemeinen Rechte enthalten sei. (Prot. S. 191.) 23 a) (2. A.) Nämlich ohne die ausdrückliche Einwilligung der übrigen Ge­ sellschafter. Vergl. A. L.R. I, 17, §tz. 216 —218. Es ist jedoch statthaft, daß die Gesellschafter eine solche ausdrückliche Einwilligung mit der Wirkung der Her­ stellung eines unmittelbaren Rechtsverhältnisses zwischen einem späteren Mitglied­ schafts - und Sozietätsantheils - Erwerber und den übrigen Gesellschaftern im Voraus und allgemein erklären. Erk. der Obertr. vom 21. Mai 1867 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXVI, S. 318, 320). 24) Der zweite Abs. ist eine neue Redaktion der §§. 217, 218 des A. L.R. a. a. O. Im Entwürfe (Art. 102) lautete derselbe: „Wenn ein Gesellschafter einseitig für seinen Antheil einen Dritten betheiligt, so erlangt dieser gegen die Gesellschaft keine unmittelbaren Rechte; er ist zur Einsicht der Handlungsbücher und Papiere der Gesellschaft nicht berechtigt." Der erste Satz wurde bis zu den Worten: „Dritten betheiligt" beanstandet. Es wurde hervorgehoben, daß mit diesem Satze vorzüglich die Fälle getroffen werden sollten, in denen ein Gesellschafter seinen Gesellschaftsantheil an einen Dritten, freiwillig oder durch ein richterliches Urtheil gezwungen, abtrete. Allein abgesehen davon, daß solche freiwillige Cessionen gewiß ganz selten seien, und daß der Fall richterlicher Adjudikation durch die Fassung des Entwurfes gar nicht getroffen werde, so müsse erwogen werden, daß die Bestimmung des Art. gewiß nur den Fall im Auge habe, der auch im R. R. vorgesehen fei, den Fall"nämlich, in welchem sich ein Gesellschafter zu sei­ nem Antheile einen Gesellschafter angenommen habe. Dieser Fall werde aber gleichfalls mit dem Entwürfe nicht getroffen. — Unter Anerkennung der Richtigkeit dieses Bedenkens wurde beschlossen, den Art. anzunehmen, der Redaktionskommission aber anheimzugeben, ob dem ersten Satze des Abs. 2 nicht eine allgemeinere Fassung zu geben, ob nicht statt: „für seinen Antheil" „an seinem Antheile", statt: „keine unmittelbaren Rechte" „unmittelbar keine Rechte", und vor „er ist zur Einsicht" noch das Wort „insbesondere" zu setzen sei. (Prot. S. 191.) Dies ist geschehen. Der zweite Absatz steht mit dem Verbote des er­ sten Absatzes nicht im Widersprüche, da man der Ansicht war, daß es wohl statt­ haft sei, einem Dritten Rechte auf den aus dem Gesellschaftsbetriebe zu erzie­ lenden Gewinn zu ertheilen, daß aber das Gesetz auch gerade solche Fälle im Auge habe und der zweite Absatz des Art. sich darauf beziehe. Deshalb wurde der Antrag auf Streichung dieses Absatzes zurückgezogen. (Ebd. S. 192.) 25) Ueber den Fall, wenn der Gesellschaftsvertrag darüber keine maßgeben­ den Bestimmungen enthält, trifft der Art. 102 Bestimmung. Zu diesem Falle gehört auch der Fall, wenn zwar ein zur Firmazeichnung und Geschäftsführung berechtigter N ichtgesellschafter (s. g. Komplementär) aufgestellt, aber nicht be­ stimmt'ist, daß derselbe ausschließlich dazu berechtigt sein solle. Daraus folgt, daß ein Gesellschafter zur Firmazeichnung (gegenüber der Gesellschaft) in diesem Falle neben dem Prokuristen berechtigt 'ist. (Vergl. Prot. S. 192 und

Art. 104.)

Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander.

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Handlungen vorzunehmen, welche.der gewöhnliche2«) Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt.

Art. 100. Wenn die Geschäftsführung mehreren Gesellschastem mit der ausdrücklichen Beschränkung übertragen ist, daß einer nicht ohne den andern handeln könne, so darf keiner allein Geschäfte vornehmen, es sei denn, daß Gefahr im Verzüge ist87).

Ist hingegen mehreren

Gesellschaftern die Geschäftsführung

ohne diese ausdrückliche Beschränkung übertragen, so darf jeder der­

selben allein alle zur Geschäftsführung gehörenden Handlungen vor­ nehmen.

Jedoch muß, wenn einer unter ihnen gegen die Vornahme

einer Handlung Widerspruch erhebt, dieselbe unterbleiben.

Art. 101.

■ Die im Gesellschaftsvertrage") einem oder mehreren Gesell­ schaftern geschehene Uebertragung der Geschäftsführung kann,

so

lange die Gesellschaft bauert29 26 ),27nicht 28 ohne rechtmäßige Ursache wi­

derrufen werden.

Die Beurtheilung, ob eine rechtmäßige Ursache vorliege, bleibt

dem Ermessen des Richters überlassen. Der Widerruf kann insbesondere in den im Art. 152, Ziffer 2

bis 5 bezeichneten Fällen für begründet erklärt werden 30).

Art. 102. Wenn im Gesellschaftsvertrage die Geschäftsführung nicht einem 26) Der gewöhnliche. Diese Beschränkung ist in der zweiten Lesung eingeschaltet worden. (Prot. S. 989.) Was zum gewöhnlichen Betriebe gehöre, oder als ein ungewöhnliches Unternehmen anzusehen sei, kann in einzelnen Fällen zweifelhaft sein. Darüber hat dann der Richter, der ja ein Sachverständiger sein soll, nach seinem freien Ermessen in Anbetracht des Geschäftsumfangs der betrof­ fenen Gesellschaft zu befinden. Im Allgemeinen hat man in der Versammlung unter ungewöhnlichen Unternehmungen solche Geschäfte verstanden, welche dem Zwecke der Gesellschaft fremd sind,' oder über ihren, durch das Gesellschaftsver­ mögen und verschiedene andere Umstände bestimmten Geschäftsbetrieb hinausgehen. (Prot. S. 202.) 27) Der Entwurf enthielt diese Ausnahme nicht. Es wurde aber hervorgehobeu, daß es im Interesse der Gesellschaft liege, daß, wenn Gefahr im Verzüge sei, jeder geschäftsführende Sozius ohne die Anderen handeln könne, wenn auch der Auftrag die vorausgesetzte Klausel enthalte. Man erkannte die Richtigkeit der Bemerkung an, und beschloß, die entsprechende Bestimmung in den Art. aufzuneh­ men. (Prot. S. 193, 194.)

28) Mit den Worten „im Gesellschaftsvertrage" soll ausaedrückt werden, daß eine nach Abschluß des Gesellschastsvertrages gegen die Bestimmungen desselben geschehene Geschäftsübertragung widerruflich sei. (Prot. S. 192.) ' 29) Die Worte, „so lange die Gesellschaft dauert", sind nicht überflüssig, denn es soll damit angedeuret werden, daß der zur Vertretung ermächtigte offene Gesellschafter damit noch kein unwiderrufliches Recht habe, auch die Liquidation zu besorgen. (Prot. S. 989.)

30) Die beiden Absätze 2.und 3 sind in der dritten Lesung in Antrag gekom­ men und ohne weiteres genehmigt worden. (Prot. S. 4519.)

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Zweites Buch.

Erster Titel.

oder mehreren Gesellschaftern übertragen ist, so sind alle Gesellschaf­ ter zum Betriebe der Geschäfte der Gesellschaft gleichmäßig3') be­ rechtigt und verpflichtet. Erhebt ein Gesellschafter gegen die Bornahme31 32) einer Hand­ lung Widerspruch, so muß dieselbe unterbleiben. Art. 103. Ein Beschluß der sämmtlichen Gesellschafter muß vor der Vor­ nahme von Geschäften eingeholt werden, welche über den gewöhn­ lichen") Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausge­ hen, oder welche dem Zwecke derselben fremd sind. Dies ist auch dann erforderlich, wenn die Geschäftsführung einem oder mehreren Gesellschaftern übertragen ist. Zur Fassung des Beschlusses ist Stimmeneinhelligkeit erforder­ lich 34).35 Ist diese nicht zu erlangen, so muß die Haltung, in An­ sehung deren Beschluß gefaßt werden soll, unterbleiben. Art. 104. Zur Bestellung eines Prokuristen ist, sofern nicht Gefahr im Verzüge ist, die Einwilligung aller geschäftsführenden Gesellschafter, und wenn keine solche ernannt sind, die Einwilligung aller Gesell­ schafter erforderlich. Der Widerruf der Prokura kann von jedem der zur Ertheilung derselben befugten Gesellschafter geschehen33). 31) Das A. L.R. I, 17, §§. 206, 207 hat das Prinzip des gemeinschaftlichen Betriebes, nach Art einer kollegialischen Verfassung. Das ist hier reprobirt: je­ dem Gesellschafter ist das Recht gegeben, zu thun, was der gewöhnliche Geschäfts­ betrieb mit sich bringt, ohne daß es einer Zustimmung der übrigen Gesellschafter in jedem einzelnen Falle bedarf, so lange kein Widerspruch erhoben wird. Der erste Absatz handelt sonach von der Thätigkeit der geschäftssührenden Gesellschafter innerhalb des gewöhnlichen, dem Zwecke und den Verhältnissen der Gesellschaft entsprechenden Geschäftskreises, und es ist hierbei unzweifelhaft, daß jeder Gesell­ schafter nach Gutbefinden handeln kann, ohne daß er zuvor der Zustimmung der übrigen Gesellschafter sich zu vergewissern eine ausdrückliche Rechtspflicht hat. Jedem geschäftsführenden Gesellschafter kommen also die Befugnisse der Prokura zu. Vergl. Art. 114 und die Amu. dazu. Dagegen ist auch bei solchen Geschäf­ ten jedem einzelnen Sozius unbenommen, das Widerspruchsrccht mit der Wirkung zu üben, daß ein beanstandetes Geschäft unterbleiben muß, nach der Regel: melior vox prohibentis (Abs. 2). (Prot. S. 201.) 32) „Gegen die Vornahme". Ist das Geschäft bereits abgeschlossen, so kommt der Widerspruch zu spät. Der Satz enthält zugleich das Prmzip der Stimmen­ einhelligkeit, welches im Art. 103, Abs. 3 nochmals ausdrücklich ausgesprochen ist. Das A. L.R. a. ci. £). §. 209 hatte das entgegengesetzte Prinzip der Mehrheits­ beschlüsse, welches auch der preuß. Entwurf (Art. 105) ausgenommen hatte, jedoch nach einer eingehenden ausführlichen Debatte verworfen wurde. (Prot. S. 197 ff.)

33) S. oben, Anm. 26 zu Art. 99 und Anm. 31 zu Art. 102. 34) Vergl. die vorige Anm. 32 zu Art. 102. 35) Der Art. 104 begreift selbstverständlich auch die Anstellung und Abberufung

Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander.

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Art. 105. Jeder Gesellschafter, auch wenn er nicht in dem Geschäftsbe­ triebe der Gesellschaft thätig ist, kann sich persönlich von dem Gange der Gesellschastsangelegenheiten unterrichten; er kann jederzeit in das Geschästslokal kommen, die Handelsbücher und Papiere der Gesell­ schaft einsehen und aus ihrer Grundlage eine Bilanz zu seiner Ueber­ sicht anfertigen3da). Ist im Gesellschastsvertrage ein Anderes bestimmt, so verliert diese Bestimmung ihre Wirkung, wenn eine Unredlichkeit3«) in der Geschäftssühmng nachgewiesen wird. Art. 106. Jedem Gesellschafter werden am Schluffe eines jeden Geschäfts­ jahres von seiner Einlage, oder wenn sich dieselbe beim Schluffe des vorigen Jahres durch Hinzurechnung seines Antheils am Gewinne vermehrt oder durch Abrechnung seines Antheils am Verluste ver­ mindert hat, von seinem Antheile am Gesellschaftsvermögen Zinsen zu Vier vom Hundert gutgeschrieben und von den während des Gevon Handlunasbevollmächtigten, da das Recht, das Handlungspersonale anzustellen, schon in der Prokura enthalten ist (Art. 42), und deren Befugnisse jedem geschäfts­ führenden Gesellschafter zukommen (Artt. 99, 100, 102,114). (Vgl. Prot. S. 204.) Der zweite Absatz ist eine Konsequenz des Prinzips der Stimmeneinhelligkeit.

35 a) (2. A.) Durch diese Bestimmung und durch die Artt. 130, 144, 145, 160 ist das allgemeine bürgerliche Recht des Gesellschafters auf Rechnungsablage gegen den admimstrirenden Sozius nicht ausgeschlossen. S. A.L.R.I, 17, §. 219 und die Anm. dazu. Ob in dem einzelnen' Falle Bilanz und Buchführung die Stelle der Rechnunaslegung vertreten könne, bleibt dem richterlichen Ermessen überlassen. (Prot. S. 196.) 36) Der Entwurf hatte das Wort „Betrug". Dieser Ausdruck wurde bean­ standet. Die Versammlung überließ es der Redaktionskommission, dafür einen Ausdruck zu setzen, welcher auch solche Unregelmäßigkeiten umfasse, die mit dem Ausdrucke „Betrug" nicht füglich belegt zu werden vermöchten. Daher kommt das Wort „Unredlichkeit". Uebrigens versteht sich von selbst, daß jeder Gesell­ schafter über die einzelnen Geschäfte, die er vorgenommen hat, auf Verlangen Aufklärung und Rechenschaft zu geben verbunden ist; daß ferner durch Aufstellung einer Bilanz und durch die Buchführung die gemeinrechtlich bestehende Pflicht der Rechnungslegung der Gesellschafter nicht unbedingt erledigt, sondern daß es Sache des richterlichen Ermessens ist, zu entscheiden, ob in einem beson­ deren Falle die Bilanz und die Buchführung die Stelle der Rechnunaslegung ver­ treten konnten; endlich daß selbstverständlich der Absatz 2 auch auf Den Fall An­ wendung finde, wenn auf Rechnungsablegung verzichtet worden. Deshalb hielt man dafür, daß kein Grund vorhanden sei, hier eine Bestimmung gemäß des Antrages eines Mitgliedes dahin aufzunehmen, daß jeder geschäftsführende Gesell­ schafter auf Verlangen der anderen Gesellschafter über die von ihm geführten Ge­ schäfte Rechnung zu legen schuldig sei, und daß der Absatz 2 auch bei einem Ver­ zichte aus die Rechnungslegung mit der Wirkung Anwendung finde, daß im Falle vorgekommener Unregelmäßigkeiten trotz eines solchen Verzichtes auch für alle be­ reits erledigten Rechnungsjahre, sowie für die Zukunft Rechnungslegung begehrt werden dürfe. (Prot. S. 195, 196.) Pergl. A. L.R. I, 14, *§§. 145 — 151;

II, 18, §§. 876, 877.

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Zweites Buch.

Erster Titel.

schäftsjahres ans den Antheil entnommenen Geldern Zinsen in dem­ selben Maßstabe zur Last geschrieben. Die dem Gesellschafter hiernach zukommenden Zinsen vermehren seinen Antheil am Gesellschastsvermögen. Bor Deckung dieser Zinsen ist kein Gewinn vorhanden, und der Verlust der Gesellschaft wird durch dieselben vermehrt oder ge­ bildet^). 37) Der dritte Absatz ist erst in der dritten Lesung hinzugekommen; der zweite Absatz hatte im Entwufe aus zweiter Lesung am Ende noch die Worte: „und bilden eine Schuld der Gesellschaft". Zuerst wurde ein Anttag, diese Worte wie­ der zu streichen, mit Stimmeneinhelligkeit-genehmigt, indem anerkannt wurde, daß diese Worte dahin mißverstanden werden könnten, als ob der Gesellschafterwegen der Zinsen einem dritten Gläubiger der Gesellschaft gleichstehe, während es stch nur darum handle, daß diese Zinsen im Verhältnisse der Gesellschafter zu ein­ ander den Gewinn der Gesellschaft vermindern, oder den Verlust derselben ver­ mehren. (Prot. S. 4520.) Die Redaktionskommission schlug vor, statt der zu streichenden Worte zu setzen: „sie vermindern den Gewinn oder vermehren den Verlust der Gesellschaft". Für die Nothwendigkeit des letzteren Zusatzes wurde geltend gemacht: Der Art. sei den früheren Verhandlungen zufolge mehrere sehr erhebliche Bestimmungeu auszudrücken bestimmt, welche aber, wenn der in Vor­ schlag gebrachte Zusatz nicht angenommen werden sollte, mcht deutlich aus dem Gesetze zu erkennen sein würden. Im ersten Abs. sei die Bestimmung enthalten, daß jedem Gesellschafter von seiner Einlage, beziehungsweise von demjenigen Be­ trage, welcher nach Abzug des früheren'Verlustes noch davon übrig sei, Zinsen gutgeschrieben, von den aus der Gesellschaftskasse entnommenen Beträgen dagegen Zinsen zur Last geschrieben werden sollten. Die Versammlung habe aber auch noch aussprecheu wollen, daß diese Zinsen, wenn sie nicht im Laufe des folgenden Jah­ res erhoben würden, im Falle nichts anderes ausgemacht worden, von Rechts wegen der Einlage des betreffenden Gesellschafters zuwachsen und fortan als eine Mehrung desselben angesehen werden sollten, somit flir die Folge auch gleich dem Einlagekapital verzinst werden müßten; ferner, daß Zinsen auch dann den Gesell­ schaftern gutzuschreiben seien, wenn mit Verlust gehandelt worden, daß also, wenn der Vortheil, welchen die Gesellschafter aus den während des Jahres eingegange­ nen Geschäften gezogen hätten, zur Deckung der Zinsen nicht Hinreiche? bloß da­ durch , daß den Gesellschaftern Zinsen gutgeschrieben werden müßten, ein Verlust der Gesellschaft begründet, beziehungsweise der schon außerdem vorhandene Ver­ lust vergrößert, und der etwa gemachte Gewinn dadurch vermindert werde; end­ lich daß auch dieser (durch die Zinsen begründete) Verlust beim Mangel ander­ weitiger Verabredung von den Gesellschaftern in ihrem Verhältnisse zu einander nach Köpfen zu tragen sei. Von diesen drei wichtigen Bestrmmungen finde im zweiten Absätze nur die erste ihren Ausdruck; die beiden letzterwähnten Bestim­ mungen würden dagegen ganz unterdrückt und vielleicht auch nicht einmal aus den übrigen Bestimmungen des Gesetzes gefolgert werden können, wenn der be­ antragte'Zusatz nicht angenommen werde. Ohne diesen Zusatz könne man nicht aus dem Gesetze erkennen, was doch die Abficht der Versammlung gewesen sei, daß, wenn z. B. am Schluffe des Gesellschastsjahres die Attiven und die Pas­ siven der Gesellschaft sich gegenseitig aufheben oder die ersteren schon von den letz­ teren überragt würden, dennoch der Anspruch auf Bezahlung von Zinsen für die Einlage nicht erlösche, sondern der eine Gesellschafter die seinem Anheile am Ver­ luste entsprechende Rate des Zinsenguthabens des anderen Gesellschafters dem Letz­ teren aus seinem Privatvermögen zu zahlen verpflichtet sei. Ein anderes Mit­ glied , welches der Sache nach hiermit einverstanden war, sprach stch dahin aus, der empfohlene Zusatz erscheine in seiner jetzigen Gestalt aus redaktwnellen Grün­ den nicht angemessen, da man in dem Falle, tocmt sich nach Berechnung der Zinsen ergebe, daß die Gesellschaft keinen Gewinn gemacht habe, nicht davon spre­ chen könne, daß die Zinsen den Gewinn vermindert hätten; in diesem Falle werde

Bon dem Rechtsverhältnisse der Gesellschafter unter einander.

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Art. 107. Am Schlüsse eines jeden Geschäftsjahres wird, auf Grund des Inventars und der Bilanz, der Gewinn oder der Verlust dieses Jah­ res ermittelt und für jeden Gesellschafter sein Antheil daran berechnet. Der Gewinn jedes Gesellschafters wird seinem Antheile am Gesellschastsvermögen zugeschrieben, der Verlust von demselben ab­ geschrieben. Art. 108. Ein Gesellschafter darf ohne Einwilligung der übrigen Gesell­ schafter seine Einlage oder seinen Antheil am Gesellschaftsvermögen nicht vermindern. Er darf jedoch, auch ohne diese Einwilligung, aus seinen An­ theil am Gesellschaftsvermögen die Zinsen desselben für das lehtverflossene Jahr, und soweit es nicht zum offenbaren Nachtheile der Ge­ sellschaft gereicht, Gelder bis zu einem Betrage entnehnien, welcher seinen Antheil am Gewinne des letztverflossenen Jahres nicht übttsteigtArt. 109. Der Gewinn oder Verlust wird, in Ermangelung einer anderen Vereinbarung, unter die Gesellschafter nach Köpfen tierttjeilt3 8). vielmehr durch die Zinsen bewirkt, daß die Gesellschaft keinen Gewinn mache. Es wurde deshalb vorgeschlagen, statt des von der Redaktionskommission beantragten Zusatzes folgenden neuen (dritten) Absatz zu dem Artikel anzunehmen: „Bor Deckung dieser Zinsen ist kein Gewinn vorhanden und der Verlust der Gesell­ schaft wird durch dieselben vermehrt oder gebildet". Dieser Vorschlag wurde denn schließlich auch von der Versammlung zürn Beschlusse erhoben. (Prot. S. 4632 bis 46 34.) Hierdurch erhält der Art. seinen ausfühlichen Kommentar. 38) Die Anwendung dieses Theilungsprinzips, im Falle des Verlustes, auf solche Gesellschafter, welche nur ihre Kenntnisse und persönliche Leistungen in die Gesellschaft einbringen, ist in den Verhandlungen nicht zuni bestimmten Ausdrucke gekommen. Von verschiedenen Seiten wurde vorgeschlagen, für die Theilung des Gewinnes ein anderes Prinzip festzustellen als für die Theilung des Verlustes. Ein Vorschlag war, festzustellen: „Bei einem Gesellschafter, der nur seine per­ sönlichen Leistungen in die Gesellschaft einbringt, wird im Verhältnisse zu seinen Mitgesellschaftern angenommen, daß sich sein Verlust aus den Richtempfang einer Vergütung fiir seine Bemühungen beschränken soll." Dies wurde damit unterstützt, daß das System des Entwurfs mit demjenigen in Widerspruch stehe, wel­ ches von allen neuen Legislationen befolgt worden sei, welcher Umstand allein schon zeige, daß es der Natur der Verhältnisse nicht entspreche. Wenn man sich den Fall denke, daß A, B und C zu einer Handelsgesellschaft zusammenträten und A 6000, B 3000 einschießen, C aber nur mit seinen besonderen Kenntnis­ sen dienen solle, daß sodann der ganze Fonds im ersten Jahre rein verloren gehe, so liege es nahe zu denken, Jeder habe nun das verloren, was er einge­ bracht; statt dessen stelle sich die Sache nach dem Entwürfe-so, daß C an A inei. 63 Zinsen 3180 zu zahlen habe. Von einem Anderen wurde der damit in der Sache übereinstimmende Vorschlag gemacht, zu bestimmen, daß der — Ge­ winn unter die Gesellschafter nach Köpfen, der Verlust aber nach Verhältniß der Antheile am Gesellschaftsvermögen zu Vertheilen sei. (Prot. S. 992—994.) Hierbei sind diejenigen, welche' Geld oder Sachen eingebracht haben, als aus-

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Zweites Buch.

Erster Titel.

dritter Abschnitt.

Bon dem Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu dritten Personen. Art. 110. Die rechtliche Wirksamkeit einer offenen Handelsgesellschaft tritt im Verhältnisse zu dritten Personen mit dem Zeitpunkte ein, in wel­ chem die Errichtung der Gesellschaft in das Handelsregister eingetra­ gen ist, oder die Gesellschaft auch nur ihre Geschäfte begonnen hat3 9). Die Beschränkung, daß die Gesellschaft erst mit einem späteren Zeitpunkte, als dem der Eintragung, ihren Anfang nehmen soll, hat gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung. Art. 111. Die Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwer­ ben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden^"). schließliche Eigenthümer des Gesellschaftsvermögens gedacht, woraus denn folgt, daß die Gesellschafter, welche nur ihre Geistes - und Körperkräfte eingebracht ha­ ben , im Falle des Verlustes für ihre Leistungen nichts erhalten, aber den übrigen Gesellschaftern nichts schuldig sind. Dies ist das, für andere als Handelsgesell ­ schaften noch jetzt geltende Prinzip des A. L.R. I, 17, §. 257. Schließlich wurde jedoch mit 10 gegen 7 Stimmen beschlossen, das Prinzip des Entwurfs anzu­ nehmen , sonach Gewinn und Verlust nach Köpfen zu Vertheilen. (Prot. S. 1026.) Somit werden die nur Dienste leistenden Gesellschafter für den Kopfantheil des Verlustes Schuldner der Uebrigen und erhalten für ihre Bemühungen gar nichts, während in dem Verluste auch die Zinsen stecken, welche den Uebrigen von ihren Einlagen berechnet werden müssen.

39) Dritten gegenüber haften also die Gesellschafter als solche von dem Zeit­ punkte an, wo sie ihre Handelsgeschäfte beginnen, mögen ste sonst unter sich ei­ nig sein, oder nicht. (2. A.) Der Betrieb der Sozietatsaeschäste kann auch mit Ausstellen oder Acceptiren eines Wechsels, welches unzweifelhaft zu den Handels­ geschäften eines Kaufmannes resp, einer Handelsgesellschaft gehört (Art. 274), be­ ginnen. Erk. des Obertr. vom 4. April 1865 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LVII, S. 300). 40) Dieser Rechtsgrundsatz wiederholt sich in Betreff der Kommanditgesell­ schaften unten Art. 164 und Art. 213 hinsichtlich der Aktiengesellschaften, und das Einf.-Ges. giebt im Art. 23 nähere Anweisung behufs Anwendmig und Ausfüh­ rung in den einzelnen Fällen. — Der Grundsatz, daß, weil die Firma der Name ist, unter welchem eine Handlungsaesellschaft ihre Geschäfte betreibt (A. L.R. §. 620), sie unter ihrer Firma auch vor Gericht klagen und verklagt werden könne, stand schon nach bisherigem Rechte fest. A. G.O. 1,2, §.38; Schles. Arch. Bd. V, S. 426 ff. (2. A.) Darnach ist auch angenommen und nach neuem Rechte unzweifelhaft, daß, wenn aus Geschäften, Die unter einer Finna abge­ schlossen worden, geklagt wird, es nicht des Nachweises bedarf, daß die jetzigen Inhaber der Firma auch die Inhaber derselben zur Zeit jenes GeschäftsabMusses gewesen sind. Erk. des Obertr. vom 25. Oktober 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LVII, S. 36). Vergl. oben, Anm.30 zu Art. 15. Kommt es auf einen, von der Person des Inhabers der Firma zu leistenden Eid an, so muß diese Per­ son hervortreten und es ist auch dann erst an der Zeit, sich als Inhaber der Firma zu legitimiren, wenn es sich zeigt, daß der aufgetretene Kläger als physi­ sche Person aiigesehen worden und nun behauptet wird, daß der Name des Klä­ gers eine Firma und die hervorgetretene, einen anderen Namen führende Person

Don dem Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu dritten Personen.

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Ihr ordentlicher Gerichtsstand ist bei dem Gerichte, in dessen Bezirke sie ihren Sitz hat. der Inhaber dieser Firma sei. Erk. dess. vom 14. Februar 1865 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LVIII, S. 158). Auch ein Einzeln-Kaufmann kann unter seiner, von sei­ nem eigenen Namen verschiedenen, Firma, ohne Bezeichnung des Inhabers der­ selben, klagen. Erk. dess. vom 13. Februar 1866 (Entsch. Bd. LV1, S. 282). Vergl. oben, §. 16 u. Einf.-Ges. §. 65, Abs. 2. — Aber daß die Handelsgesellschaft unter ihrer Firma auch Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigenthum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben und solche Erwerbungen auf ihren Namen, ohne Benennung der einzelnen Gesellschafter, in das Hypothekenbuch eintragen lassen kann (Einf.-Ges. Art. 23 , §. 1), ist eine außerordentlich wichtige Erweiterung der Anwendung jenes Grundsatzes, wodurch den längst gehegten und auf das Dringendste kund gegebenen Wünschen des Han­ delsstandes entsprochen und den beschwerlichsten Weiterungen und Verlegenheiten im Rechtsverkehre abgeholfen worden ist. Die Bestimmung des §. 199, I, 17 des A. L.R. war nicht so bestimmt, daß der Besttztitel von Grundstücken auf die Firma der Gesellschaft berichtigt werden konnte. Vergl. Anm. 19 dazu. In der That ist diese erweiterte Anwendung des Prinzips auf andere Gegenstände des Vermögens einer einen Eigennamen führenden Gesellschaft als auf Waaren, und auf andere Rechtsgeschäfte über Gegenstände des Gesellschaftsvermögens als bloße Handelsgeschäfte und Handelsprozesse, durchaus folgerichtig, und hätte schon längst nachgelassen werden sollen. Hierdurch ist in dem Wesen der Persönlichkeit der offenen Handelsgesellschaft und der Kommanditgesellschaft nichts geändert, da die Mitglieder persönlich die Träger des Gewerbes' smd und bleiben', namentlich hat einer solchen Gesellschaft nicht der Charakter einer juristischen Person beigelegt werden sollen. Ueber diese Frage hat in der Nürnberger Versammlung eine um­ fängliche und erschöpfende Diskussion wiederholt stattgefunden (Prot. S. 154 bis 161, 176, 214, 274 — 279, 373, 1001, 1134, 1135, 1139 — 1144, 4520) und eine wiederholte Erwägung hat zu dem Beschlusse geführt, der Handelsgesellschaft den Charakter einer juristischen Person abzusprechen. (Prot. S. 276.) Der ent­ sprechende Art. 87 des preußischen Entwurfes lautete: „Jede Handelsgesellschaft als solche hat selbstständig ihre Rechte und Pflichten und ihr besonderes Vermö­ gen; sie kann vor Gericht klagen und verklagt werden; sie kann auf ihren Na­ men Grundstücke und Forderungen erwerben." In den Motiven S. 47 war die Absicht ausgedrückt, daß den Handelsgesellschaften nicht der Charakter einer juri­ stischen Person beigelegt werden solle. In der Versammlung erhob sich jedoch lebhafter Widerspruch gegen diese Fassung; man wies nach, daß sie etwas anderes ausdrücke, als beabsichtigt wordeii, und sagte: „Der Entwurf drücke ganz ent­ schieden diejenige Ansicht aus, daß die Handelsgesellschaften als juristische Perso­ nen betrachtet werden müßten. Wenn er dies auch nicht mit ausdrücklichen Wor­ ten thue, so geschebe es doch durch eine Umschreibung. Die Motive hätten zwar die Absicht ausgedruckt, daß sie dies vermeiden wollten, allein, wenn es im ersten Satze des Art. 87 heiße, die Handelsgesellschaft habe „als solche selbststän­ dig", d. i. abgesehen von den Persönlichkeiten der Gesellschafter, „Rechte und Pflichten und ihr besonderes Vermögen", so werde ja gerade hiermit das Wesen der juristischen Person erfaßt, es liege in diesem Satze in der That die Definition der juristischen Person. Trotz aller Verwahrungen in den Moti­ ven werde die Praxis dann gleichwohl sagen, daß das Gesetz die Handelsgesell­ schaften als juristische Personen auffasse." Es wurde deswegen beantragt, aus dem Artikel jedenfalls den Passus: „als solche besonderes Vermögen; sie", zu streichen. (Prot. S. 156.) Die sehr ausführlichen Diskussionen bewegten sich demnächst um eine Fassung, durch welche jener Auffassung der Handelsgesellschaf­ ten als juristischer Personen vorgebeugt würde, und zu diesem Zwecke war die Versammlung auch darüber einig, daß die Artt. 87 — 90 keinesfalls ihre Stelle in dem ersten Titel des II. Buches finden könnten, vielmehr dort zu streichen seien, und daß es sich nunmehr nur noch darum handele, welche von den in diesen Artikeln enthaltenen Bestimmungen zunächst für die offenen Handelsgesell­ schaften anzunehmen und somit in den 2. Titel des n. Buches einzureihen seien,

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Zweite« Buch.

Erster Titel.

Art. 112. Die Gesellschafter hasten für alle Verbindlichkeiten der Gesell­

schaft solidarisch und mit ihrem ganzen Vermögen 41 * * ). **************** Eine entgegenstehende Verabredung hat gegen Dritte keine recht­

liche Wirkung. Art. 113. Wer in eine bestehende 42)43Handelsgesellschaft eintritt, haftet gleich den anderen Gesellschaftern für alle von der Gesellschaft vor

seinem Eintritte eingegangenen Verbindlichkeiten, es mag die Firma eine Aenderung erleiden, oder nicht *3), UM so der Beziehung derselben auf die Aktiengesellschaften vorzubeugen. (Prot. S. 274.) Es wurde aber auch die Absicht, selbst den Aktiengesellschaften juristi­ sche Persönlichkeit beizulegen, in der Nürnberger Konferenz von der Mehrheit ausdrücklich bekämpft (Prot. S. 1039, 1040, 1139 ff.), und hiermit ist auch die preuß. Gesetzgebung einverstanden. Oben, Anm. 36 zu §. 5, Art. 12 des Einf.Ges. Hieraus hat' sich diejenige Fassung und Stellung des Art., in welcher er im H.G.B. als Art. 111 (und 164) erscheint, entwickelt. Darnach ist die offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft als Spezies derselben aufzufas­ sen als ein aus dem Vermögen der Gesellschafter abgesonderter Fonds, welcher als das Betriebskapital für das Handelsgeschäft der Gesellschaft zu gelten hat und mit dessen Ausscheidung gewisse Wirkungen in Betreff der Dispositionsbe­ fugnisse, sowie in Betreff der Rechte derjenigen Gläubiger der Gesellschafter, die ihnen mit Rücksicht aus diesen Fonds, nämlich der Gesellschaft unter deren Ei­ gennamen (Firma), Kredit gegeben haben, verbunden sind. —- Aehnliche Ver­ hältnisse und Zustände finden sich bei der Rhederei und bei dem gewerkschaftlichen Bergbaue. (2. A.) Für Holstein und Schleswig s. m. die Zusätze zu Artt. 111, 164, 213 in der Emf.-Berordnung vom 5. Juli 1867, §§.31 — 34 (I b). 41) Vorbehaltlich des Regresses gegen die übrigen Gesellschafter. Die Re­ greßpflicht der Gesellschafter ist eine selbstverständliche und im Art. 93 auch an­ erkannt. Der Maßstab ergiebt stch aus allgemeinen Grundsätzen. (Vergl. Prot. S. 1002.)

42) In eine bestehende Handelsgesellschaft. Eine Ansicht ging dahin, daß die in dem Art. aufgestellte Regel auch auf den Fall auszudehnen sei, wenn Je­ mand in das Handelsgewerbe, welches bisher ein einzelner Kaufmann betrieben habe, eintrete und somit erst eine Handelsgesellschaft gebildet werde. Mehrere der Abgeordneten waren aber der Ansicht, daß bei dem Hinzutreten eines Gesell­ schafters zur Handlung eines Einzelkaufmannes nicht dasselbe Bedürfniß für die Bestimmung des Art. bestehe, wie bei dem Eintritte eines Gesellschafters in eine schon bestehende Sozietät. Der Antrag, diese Frage zu entscheiden, wurde jedoch vor der Abstimmung zurückgezogen. (Prot. S. 281, 283.)

43) Von einem Mitgliede wurde beantragt, die Bestimmung des ersten Ab­ satzes auf die Fälle zu beschränken, in denen dle Gesellschaft mit der alten Firma sortbetrieben werden solle, und demzufolge nach „Handelsgeschäft" einzuschalteu: „bei unveränderter Beibehaltung der Firma", und die Worte: „es mag die Firma eine Aenderung erleiden, oder nicht", zu streichen. Die Mehrheit der Versamm­ lung hielt jedoch die Bestimmung des Abs. 1 in einem absoluten Sinne für an­ gemessen , solange überhaupt die Voraussetzung desselben vorhanden sei, d. i. so lange die alte Gesellschaft fortbestehe. Bei dieser Frage sei der Name einer Hand­ lung mehr Nebensache, die Hauptsache sei das Geschäft, und wenn dieses dasselbe bleibe, habe die fragliche Haftung des neu eintretenden Gesellschafters Platz zu greifen. (Prot. S. 281, 1003.) — (2. A.) Vergl. übrigens wegen einer nicht passenden analogen Anwendung des Art. 113 auf den Käufer einer Firma oben, die Anm. 37, Abs. 2 zu Art. 23.

Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu dritten Personen.

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Ein entgegenstehender Vertrag ist gegen Dritte ohne rechtliche SBirtung44).45 46 Art. 114. Jeder zur Vertretung der Gesellschaft befugte Gesellschafter ist ermächtigt, alle Arten von Geschäften und Rechtshandlungen im Namen der Gesellschaft vorzunehmen, insbesondere auch die der Ge­ sellschaft gehörenden Grundstücke zu veräußern und zu belasten44). Die Gesellschaft wird durch die Rechtsgeschäfte, welche ein zur Vertretung der Gesellschaft befugter Gesellschafter in ihrem Namen schließt, berechtigt und verpflichtet; es ist gleichgültig , ob das Ge­ schäft ausdrücklich im Namen der Gesellschaft geschlossen worden ist, oder ob die Umstände ergeben, daß es nach dem Willen der Kon­ trahenten für die Gesellschaft geschlossen werden sollte44). 44) Mag er den: Dritten bekannt gewesen sein, oder nicht. Denn bezüglich des Antrages, die Zulässigkeit abweichender Vertragsbestimmungen abzuschneioen, wurde hervorgehoben, daß er ohnehin der Absicht des Entwurfes gemäß sei, da die Vorschrift' desselbeu ganz strenge gebietend laute. Von anderer Seite glaubte man dagegen, daß eine solche Auffassung zu weit gehe, und daß mehr nicht gerechtfertlgt sei, als die Wirkung solcher abweichender Verabredungen in der Weise einzuschränken, daß sie nur dann wirksam werden sollten, wenn sie dem dritten Kontrahenten bekannt, oder in das Handelsregister eingetragen und veröffentlicht gewesen seien. Demgemäß wurde der Vorschlag gemacht, in einem Zusatze zum Art. zu verordnen: „Eine entgegengesetzte Uebereinkunft hat Dritten gegenüber nur dann rechtliche Wirkung, wenn sie dem Dritten bekannt oder in das Handels­ register eingetragen und veröffentlicht ist". Dieser Antrag wurde aber abgelehnt, vielmehr wurde'beschlossen, in einem Zusatze zu dem Art. zu sagen, was der zweite Absatz enthält. (Prot. S. 283, 284.)

45) Es ist ein alter Grundsatz des Handelsrechts, daß, wenn der bekannt ge­ machte Inhalt des Sozietätskontrakts nicht ein Anderes bestimmt, jeder Gesell­ schafter in Absicht der gemeinschaftliche!: Angelegenheiten als Prokurist anzusehen ist. Vgl. A. L.R. II, 8, §. 633. Es ist auch die Absicht dieses Art. zu sagen, daß inoer Regel jeder Gesellschafter berechtigt sei, die Firma zu führen, und daß Ausnahmen hiervon nur alsdann beachtet werden solle::, wem: sie ins Handels­ register eingetragen und bekannt gemacht oder dem betroffenen Dritten bekannt ge­ wesen feie::. (Prot. S. 175.) Vergl. Art. 115 und die Anm. 48 dazu, auch Art. 117. Auf Anregung wurde auch anerkannt, daß mit diesen: Art. ebensowohl auf diejenigen Handlungen eines Gesellschafters abgezielt werde, welche dem Zwecke und dem Geschäftsbetriebe der Gesellschaft entsprechend sind, als auf diejeiügen, welche über dieselben hinausgehen. (Ebd. S. 213, 214 u. 4696.) — (2. A.) Ein Handlungsgesellschafter ist auf Grund der Artt. 114, 116 befugt, die Gesellschaft durch Vertrag einer schiedsrichterlichen Entscheidung zu unterwerfen. Die Grund­ sätze über die Nothwendigkeit von Spezialvollmachten (I, 13, §§. 99 — 107), so­ fern sie Rechtsgeschäfte mit Dritten betreffen, insbesondere der §. 101, erhalten in ihrer AiNvendung eü:e nothwendige Modifikation durch die allgemeiuen Vor­ schriften dieser Artt. 114, 116. Erk. des Obertr. vom 8. Mai 1866 (Entsch. Bd. LVI, S. 294). 46) Der Satz hatte schor: nach altem Rechte Geltung. In den: Erk. des Obertr. v. 4. Septeinber 1851 (Arch. f. Rechtsf. Bd. III, S. 248) ist entschieden: Wenn ein Handelsgesellschafter als solcher mit einem Dritten mündlich einen Spe­ ditionsvertrag abgeschlossen hat, so haften außer dem Befrachter auch die übrigen Gesellschafter' den: Spediteur als Korrealschuldner für das Ganze. Vorausgesetzt ist dort, daß der mündliche Vertrag von dem Spediteur erfüllt worden. Darauf

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Zweites Buch.

Erster Titel.

Art. 115. Die Gesellschaft wird durch Rechtsgeschäfte eines Gesellschafters nicht verpflichtet, wenn derselbe von der Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten, ausgeschlossen4^) (Art. 86, Ziff. 4), oder seine Be­ fugniß, die Gesellschaft zu vertreten, ausgehoben ist (Art. 87), sofern hinsichtlich dieser Ausschließung oder Aufhebung die Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen nach Art. 46 hinsichtlich des Erlö­ schens der Prokura die Wirkung gegen Dritte eintritt48 * *).* * * * * 47 Art. 116. Eine Beschränkung des Umfanges der Befugniß eines Gesell­ schafters, die Gesellschaft zn vertreten, hat dritten Personen gegen­ über keine rechtliche Wirkung; insbesondere ist die Beschränkung nicht zulässig, daß die Vertretung sich nur auf gewisse Geschäfte oder Ar­ ten von Geschäften erstrecken, oder daß sie nur unter gewissen Um­ ständen oder für eine gewisse Zeit oder an einzelnen Orten stattsinden sötte49).50 Art. 117. Die Gesellschaft wird vor Gericht von jedem Gesellschafter gül­ tig vertreten, welcher von der Befugniß, die Gesellschaft zu vertreten, nicht ausgeschlossen ist60). kommt es nach dem H.G.B. nicht mehr an, um einen mündlichen Vertrag über­ ein Handelsgeschäft rechtsverbindlich zu machen. Die Ausstellung und Acceptation eines Wechsels von Seiten des einen Sozius, um dadurch zu dem Besitze einer von dem anderen Sozius beizutreibenden Geldsumme zu gelangen, läßt sich als Besorgung der gemeinschaftlichen Gesell­ schaftsangelegenheiten nicht ansehen. Erk. des Obertr. vom 20. Dezember 1856 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XXIII, S. 170). 47) Schon nach altem Rechte war erkannt worden, daß, wenn in einem Sozietätsvertrage bestünmt ist, daß nur der eine Sozius zur Zeichnung der Firma berechtigt sei, ein von dem anderen Sozius gegebenes Wechselaccept für den Erste­ ren unverbindlich. Erk. des Obertr. v. 7. Aprll 1853 (Arch. f. RechtSf. Bd. VIII, S. 371). 48) Die Einrede des Dolus ist immer zulässig. (Veral. Prot. S. 213.) So war es schon nach altem Rechte. „Wenn daher," sagt oas Obertr., „ein solches Mitglied noch ferner im Namen und unter der Firma der Gesellschaft mit Dritten Verträge schließt, so können doch diese Dritten aus derartigen Verträgen gegen diejenigen anderen Mitglieder der Gesellschaft, welche der gesetzlichen Ver­ muthung einer von ihnen ertheilten Vollmacht (Prokura) durch ihren, jenen Drit­ ten ausdrücklich, wenn auch nur mündlich, eröffneten Widerspruch entgegengetre­ ten sind, keine Rechte herleiten." Erk. vom 3. Juli 1860 (Arch. f. Rechtsfälle

Bd. XXXVIII, S. 96).

49) Anwendung der Artt. 42 und 43 auf die geschäftsführenden Gesellschafter. Deren Vertretungsbesugniß beschränkt sich aber nicht auf solche Rechtsgeschäfte, welche mit dem Handelsbetriebe der Gesellschaft in Zusammenhang stehen; Ge­ schäfte in Beziehung aus Grundstücke sind nicht ausgeschlossen. (Prot. S. 4634 bis 4636.) — (2. A.) Der Art. 116 schließt jede Beschränkung, welche sonst bei anderen Vertretungen zulässig sind, aus. Anm. 45 a. E. zu Art. 114. 50) Gleich einem Prokuristen. (2. A. Daher kann jeder Handelsgesellschaf-

Von dem Rechtsverhältnisse der Gesellschaft zu dritten Personen.

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Zur Behändigung von Vorladungen und anderen Zustellungen an die Gesellschaft genügt es, wenn dieselbe an einen der zur Vertre­ tung befugten Gesellschafter geschieht51). ter, welcher nach Art. 117 zur Vertretung der Handelsgesellschaft berechtigt ist, Namens der Letzteren eine Vollmacht otteiit ausstellen. Nur muß er zu einer Prozeßvollmacht das auf die Einträge in dem Handelsregister sich stützende ge­ richtliche Attest beibriugen, daß er von der Vertretung der klagenden Firma nicht ausgeschlossen sei. Urth. des Oberappellationsgerichts zu Dresden, vom 20. März 1865. Siebenhaar, Archiv, Bd. XIV, S. 323. Der Grund dafür ist, weil die Bestimmung darüber: ob ein und welcher Gesellschafter zu einer Vertretung der Gesellschaft'befugt sei, bloß von der willkührlichen Vereinbarung der Bethei­ ligten im Sozietätsvertrage abhängt fArt. 86, Nr. 4] und eine Präsumtion da­ für, daß hierüber etwas n i ch t bestimmt sei, nicht anzunehmen. Dies ist richtig, eine solche Präsumtion besteht nicht, und die in der Berl. Börs.-Zeit. fSchles. Zeit. 1866, Wr. 601] laut gewordene Stimme, daß der Bescheid nicht für richtig zu halten, weil gerade die Präsumtion dafür spricht, daß jeder Ge­ sellschafter für sich allein die Gesellschaft vertreten könne, ist unbegründet, denn diese Präsumtion ist vom Gesetz nicht gegeben und willkührlich kann Niemand eine Präsumtion machen.) — Selbstverständlich ist es, daß die geschästsführenden Gesellschafter, toeuit sie die Gesellschaft nur gemeinschaftlich vertreten dürfen, auch die Vertretung vor Gericht nur gemeinschaftlich ausüben können, da die Prozeßführuug zu den Rechtsgeschäften gehört. (Prot. S. 1005.) — Klagen auf Erfüllung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft müssen in dem Gerichtsstände der­ selben gegen die Gesellschaft angebracht werden; die Klage ist jedoch wegen der solidarischen Haftung auch gegelt jeben einzelnen Gesellschafter in dessen Ge­ richtsstände zulässig. (Vergl. Prot. S. 215— 230.) Art. 112. (2. A.) Wird die Klage allein oder zugleich mit gegen die einzelnen Gesellschafter, als Solidarschuldner, auf Grund des Art. 112, gerichtet, so reicht eine von dem Sachwalter der Beklagten beigebrachte Vollmacht, welche von einem einzelnen Gesellschafter mit dem Zusätze„in Vertretung der Firma", auf Grund der Vorschrift Abs. 1, ausgestellt ist, zur Legitimation des Vertreters der Beklagten, beziehmtgsweise Mitbeklagten, nicht Hill. Urth. des OAGerichts zu Dresden, vom 6. Novem­ ber 1863 (Siebenhaar, Archiv, Bd. XIV, S. 102). Ganz richtig. Die Firma disponirt nur über dell Gesellschaftsfollds, nicht aber über das Sonder­ vermögen jedes einzelnen Gesellschafters. Gegen die Bestimmung des Abs. 1 wurde erinnert, daß die Fassung und gerade der Ausdruck: „gültig vertreten", so vielsagend sei, daß man z. B. durch lhn die Behauptung zu rechtfertigen versuchen werde, es sei ein Gesellschafter auch int Namen der übrigen Gesellschafter Eide zu leisten berechtigt. Die Versammlung erkannte aber an, daß mit der Bestimmung des Abs. 1 die Frage gar nicht be­ rührt werde, ob und inwiefern der eine Gesellschafter Eide in die Seele der an­ deren Gesellschafter oder für dieselben ableisten könne; und beschloß, dies aus­ drücklich im Protokolle zu erklären. (Prot. S. 215.) 51) Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die geschäftsführendell Gesellschafter gemeinschaftlich handeln sollen. Bergt A. G.O. I, 7, §. 34, und unten, Art. 144, Abs. 3 und die Aum. 103 dazu. Die Vorschriften des Entwurfs über dell Ort, wo die Zustellmrg gerichtlicher Erlasse an die Gesellschaft geschehen müsse, sind gestrichen worden, um es in die­ ser Beziehung bei den betreffenden Vorschriften der verschiedenen Gesetzgebungen zu belassen, uild weil überdies formale Vorschriften solcher Art in das Prozeßrecht gehörten. Dagegen sei hier die Beibehaltung des Satzes nothwendig, daß die (nach Maßgabe der betreffenden Prozeßgesetze bewirkte) Zustellung an einen geschäftssührenden Gesellschafter gegen die anderen Gesellschafter verbiltdlich sei. Äabei könne man nicht, wie eingewendet worden, behaupten, daß dieser Satz ent­ behrlich sei, weil derjellige, der Prozesse führen könne, auch Insinuationen an­ nehmen dürfe; denn es handele sich hier um Zustellungen, die möglicher Weise gegen den Willen eines solchen Berechtigten vorgenommen werden und dennoch

Koch, 2s. D. Handelsgesetzbuch. 3. 2sufl.

20

306

Zweites Buch.

Erster Titel.

Art. 118. Die Ertheilung, sowie die Aufhebung einer Prokura geschieht mit rechtlicher Wirkung gegen Dritte durch einen der zur Vertretung der Gesellschaft befugten Gesellschafter5a).

Art. 119. Die Privatgläubiger eines Gesellschafters sind nicht befugt, die

zum Gesellschaftsvermögen gehörigen Sachen, Forderungen oder

Rechte oder einen Antheil an denselben zum Behufe ihrer Befriedi­

gung oder Sicherstellung in Anspruch zu nehmen.

Gegenstand der

Exekution, des Arrestes oder der BeschlagnahmeÄ3) kann für sie nur

Dasjenige sein, was der Gesellschafter selbst an Zinsen und an Ge­ winnantheilen zu fordern berechtigt ist, und was ihm bei der Aus­ einandersetzung zukommt.

Art. 120. Die Bestimmung des vorigen Artikels gilt auch in Betreff der

Privatgläubiger, zu deren Gunsten eine Hypothek oder ein Pfand­

recht an dem Vermögen eines Gesellschafters kraft des Gesetzes oder

aus einem anderen Rechtsgrunde besteht.

Ihre Hypothek oder ihr

wirksam sein füllten, und um hierwegen jeden Zweifel zu beseitigen, sei der er­ wähnte Satz unentbehrlich. (Prot. S. 1006.) Jener Einwand gegen den Satz trifft auch nicht überall zu; denn es folgt nicht nach allen Prozeßgesetzgebungen, daß derjenige, der Prozesse führen kann, auch alle Insinuationen annehmen darf, z. B. in Preußen die Annahme der Zustellung der Erkenntnisse, welche einen Spezialauftrag voraussetzt. Dieser wird hier durch die Bestimmung des Abs. 2 erübrigt. — Auch die Worte des Entwurfs: „an den Firmaführer", sind ge­ strichen worden, da hiermit im Gegensatze zu geschäftsführenden Gesellschaftern nur ein Prokurist gemeint sein könne,' und eine Bestimmung über Zustellungen an diesen nicht hierher gehöre, umsoweniger, als die Aufnahme einer solchen gelegent­ lich eines früheren, ausdrücklich hierauf gerichteten Antrages nicht beliebt worden. (Bergt. Prot. S. 951 und 1006.)

52) Hierdurch wird der Art. 104, dessen Bestimmung sich nur auf das Ver­ hältniß der Gesellschafter unter einander bezieht, nicht berührt. Der Art. 118 ist für nothwendig erachtet worden, weil man rucht verlangen kann, daß der Dritte vor der Eingehung von Geschäften mit dem durch einen Geschäftsführer bestellten Prokuristen, oder der Richter vor Eintragung eines solchen Prokuristen in das Handelsregister sich vergewissere, ob der bestellende Sozius durch einstimmigen Be­ schluß, oder durch Gefahr im Verzüge, zur Aufstellung der Prokuristen berechtigt gewesen sei. Deshalb muß im Verhältnisse der Gesellschaft nach außen die von jedem einzelnen geschäftsführenden Gesellschafter erfolgte Bestellung eines Proku­ risten rechtliche Wirkung haben, zumal die Bestellung eines Prokuristen auch ein Rechtsgeschäft, und wenn ein von einem Gesellschafter bestellter Prokurist eine Zeit lang Geschäfte aller Art gemacht hat und nun auf einmal wegen eines angeblichen Mangels an den Befugnissen seines Bestellers, z. B. weil man das Vorhanden­ sein emer Gefahr im Perzuge bestreitet, nicht als Prokurist gelten soll, — dies viel bedenklicher ist, als wenn man Beschränkungen der Prokura oder der Vertretuugsbefugniß der Gesellschafter zulassen wollte. (Prot. S. 1006, 1007.) 53) Neben dem „Arreste" ist auch der „Beschlagnahme" deshalb Erwähnung gethan, weil beide Ausdrücke in den verschiedenen Staaten nicht gleichbedeutend gebraucht werden. (Prot. S. 4524.) Für das preußische Recht ist es eine Tau­ tologie, an welche aus dem angegebenen Grunde kein Anstoß zu nehmen ist.

Pfandrecht erstreckt sich'nicht auf die zum Gesellschaftsvermögen ge­ hörigen Sachen, Forderungen und Rechte oder auf einen Antheil an denselben, sondern nur auf Dasjenige, was in dem letzten Satze des vorigen Artikels bezeichnet ist. Jedoch werden die Rechte54)55 , welche 56 57 an den von einem Gesell­ schafter in das Vermögen der Gesellschaft eingebrachten Gegenstän­ den bereits zur Zeit des Einbringens bestanden, durch die vorstehen­ den Bestimmungen nicht berührt. Art. 121. Eine Kompensation zwischen Forderungen der Gesellschaft und Privatsorderungen des Gesellschaftsschuldners gegen einen einzelnen Gesellschafter findet während der Dauer der Gesellschaft weder ganz noch theilweise statt; nach Auflösung der Gesellschaft ist sie zulässig, wenn und in soweit die Gesellschastssorderung dem Gesellschafter bei der Auseinandersetzung überwiesen ist66). Art. 122. Im Falle des Konkurses der Gesellschaft werden die Gläubiger derselben aus dem Gesellschaftsvermögen abgesondert beftiedigt, und können aus dem Privätvermögen der Gesellschafter nur wegen des Ausfalls6 6) ihre Befriedigung suchen; den Landesgesetzen bleibt Vor­ behalten, zu bestimmen, ob und wie weit den Privatgläubigem der Gesellschafter ein Absonderungsrecht in Bezug auf das Privatver­ mögen derselben zusteht6 7). Vierter Abschnitt.

Von der Auflösung der Gesellschaft und dem Austreten einzelner Gesellschafter aus derselben. Art. 123. Die Gesellschaft wird aufgelöst: 54) Die „Rechte" sind zwar die im ersten Absätze bezeichneten, nämlich Hy­ pothek und Pfandrecht, jedoch, ist dabei anertannt worden, daß in denjenigen Län­ den« , in welchen das französische Recht gilt, das Gleiche, was hier von' Pfand­ rechten und Hypotheken bestimmt ist, auch vou den s. g. Privilegien gilt. (Prot. S. 4524.) 55) Bergl. Konkursordnung v. 8. Mai 1855, §. 98; A. L.R. I, 17, §§. 217, 218 und Anm. 45 zu §.71 ebd.

56) D. h. die Gesellschaftsglänbiger haben in dem Konkurse der einzelnen Gesellschafter nicht den ganzen Betrag ihrer Fordernngen, sondern nur den bei Bertheilung des Gesellschaftsfonds ungedeckt gebliebenen Theil derselben zu liquidiren das Recht. Dies ist von der Versammlung mit Stimmcneinhelligkeit aner­ kannt (Prot. S. 4523, 4524) und stimmt auch mit der Kork.-Ordn. §. 288, Abs. 2 u. 3 überein. Vergl. m. Anm. 83» dazu. 57) Die preußischen Landesgesetze enthalten dergleichen Bestimmungen nicht. Die Bestimmungen der Artt. 119 bis 122 sind erst ans Antrag der preußi-

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Zweites Buch.

Erster Titel.

1) durch die Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft66); 2) durch den Tod eines der Gesellschafter, wenn nicht der Vertrag bestimmt, daß die Gesellschaft mit den Erben des Verstorbenen fortbestehen soll5 9); 3) durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines der Gesellschafter60 * *)61 58 oder 59 durch die eingetretene rechtliche Un­ fähigkeit eines der Gesellschafter zur selbstständigen Vermögens­ verwaltung«'); 4) durch gegenseitige Uebereinkunst62); 5) durch Ablauf der Zeit, auf deren Dauer die Gesellschaft einge­ gangen ist63), sofern nicht die Gesellschafter dieselbe stillschweischen Regierung in der dritten Lesung ausgenommen (Prot. S. 4520 flg. u. 4638, 4639) und stimmen im Wesentlichen mit dem bisherigen preuß. Rechte überein. 58) Grundsatz des R.R. Die Auflösung geschieht ipso jure. L. 65, §. 1 D. pro socio (XVII, 1); §. 8 Inst, de societate (III, 26). In dem bisherigen Rechte war der Satz nicht ausgesprochen, es war selbstverständlich, daß die Kon­ kurseröffnung über das Gesellschaftsvermögen der Sozietät ein Ende machte. (2. A.) Für Holstein und Schleswig s. m. die Zusätze zu Art. 123, 170, 200, 242 in der Einf.-Verordnung vom 5. Juli 1867, §§. 35 bis 37 (I b). 59) Stimmt mit der L. 65, §. 9 D. pro socio (XVII, 2) überein. Nach dem A. L.R. II, 8, §§. 661, 662 war der Tod eines geschäftsführenden Gesell­ schafters nur ein Grund für den Erben, sowie für jeden der übrigen Mitglieder zum einseitigen Rücktritte nach vorheriger Kündigung.

60) Gleichfalls von Rechtswegen, ohne Unterschied, ob der Verarmte nur mit Diensten eingetreten ist, oder eine' Vermögenseinlage gemacht hat. Nach dem A. L.R. a. a. O. §. 667 hörte nur in Ansehung dieses Mitgliedes die Gesellschaft auf; von den übrigen Mitgliedern wurde dieselbe fortgesetzt. Der Satz war im Entwürfe nicht enthalten. Man war aber einhellig der Meinung, daß auch die Eröffnung des Konkurses gegen einen einzelnen Gesell­ schafter als ein Grund für die sofortige Auslösung der Sozietät gelten müsse, daß dies aber ausdrücklich im Gesetze zu sagen sei, weil nicht nach allen Gesetzgebun­ gen die Konkurseröffnung einen Einfluß auf die Dispositionsfähigkeit des Gemein­ schuldners habe, mit) somit nicht in allen Ländern davon gesprochen werden könne, daß der Fall der Konkurseröffnung gegen einen einzelnen Sozius in der rechtlichen Unfähigkeit rc. enthalten sei. (Prot. S. 231.)

61) Z. B. wegen Blödsinns, Irrsinns, Prodigalitätserklärung, Abwesenheit (Verschollenheit), in Preußen auch wegen Zuchthausstrafe (Str.G.B. §. 11, Abs. 2). Die Wirkung tritt gleichfalls von Rechtswegen ein.(Prot. S. 231, 232). Der Zeitpunkt ist der Tag der Bevormundung, beziehungsweise der Tag des Eintritts in das Zuchthaus (§. 11, Abs. 2 a. a. £).). — Das bisherige Recht kannte die­ sen allgemeinen Auflösungsgrund nicht; nur der einzelne Fall der Prodigalitätserklärung war, und ist bei anderen als Handelsgesellschaften noch jetzt, ein Aus­ schließungsgrund. I, 17, §. 274. 62) Dissensu; hoc ita est, si omnes dissentiunt. cio (XVII, 2).

L. 65, §. 3 D. pro so­

63) Vergl. A. L.R. I, 17, §. 277 und L. 65, §.6 D. eodem. In erster Lesung wurde hier der weitere Auflösungsgrund in dem Sinne eingeschaltet, daß „auch durch Eintritt der Resolutivbedingung, unter welcher eine Gesellschaft einaegangeu, deren Auflösung erfolge". Diese Worte wurden aber in der zweiten Lesung wieder gestrichen, da sie leicht zu Mißverständnissen Anlaß geben könnten; dabei jedoch bemerkt, daß der Satz: „durch Ablauf der Zeit" rc., sowohl den Fall der Verabredung eines bestimmten dies, als auch den Fall einer Verabredung,

Von der Auflösung der Gesellschaft rc.

309

gend fortsetzen; in diesem Falle gilt sie von da an als auf un­ bestimmte Dauer eingegangen64 * *); 6) durch die von Seiten eines Gesellschafters geschehene Aufkündi­ gung, wenn die Gesellschaft auf unbestimmte Dauer eingegan­ gen ist6 5). Eine auf Lebenszeit eingegangene Gesellschaft ist66) als eine Gesellschaft von unbestimmter Dauer zu betrachten. Art. 124. Die Aufkündigung einer Gesellschaft von unbestimmter Dauer seitens eines Gesellschafters muß, wenn nicht ein Anderes vereinbart ist, mindestens sechs Monate vor Ablauf des Geschäftsjahres der Gesellschaft erfolgen. Art. 125. Ein Gesellschafter kann die Auflösung der Gesellschaft vor AbWonach die Gesellschaft bis ;um Eintritte eines anderweiten Ereignisses dauern soll, in sich begreife. (Prot. S. 233 , 1007.)

64) Durch diesen im Entwürfe fehlenden Satz ist ein ganz neues Recht ge­ schaffen, welches der Absicht des Entwurfs nicht entspricht. Darnach wird durch stillschweigende Prolongation eine wesentliche Abänderung des ursprünglichen Ver­ trages bewirkt. Der in den Worten „insofern" rc. lieaende Gegensatz (das Forts­ bestehen der Gesellschaft auf unbestimmte Dauer) soll den Eintritt desselben Ver­ hältnisses bezeichnen, welches in dem Falle bestehe, wenn über die Dauer der Ge­ sellschaft von Anfang an nichts verabredet worden. (Prot. S. 232, 233, 1007.) 65) Renunziation, welche bei Sozietäten, die auf eine bestimmte Dauer eingegangen sind, vor der Zeit nicht zulässig ist, es sei denn aus einer erheblichen Ursache. Vergl. Art. 125; L. 14—16 pr., L. 65, §. 6 D. pro socio (XVII, 2); A. L.R. I, 17, §§. 270, 271. Die Renunziation wirkt die Auflösung der Gesellschaft nur bedingt, nämlich wenn sie rechtzeitig geschehen (Art. 124) und erst nach Ablauf oder vielmehr mit dem Ablaufe des Geschäftsjahres; sie ist formlos. (Vergl. Prot. S. 235, 1007.) 66) Nach dem Anträge eines Abgeordneten sollte hier das Wort „nicht" ein­ geschaltet werden, damit das Gegentheil von dem verordnet würde, was der Ent­ wurf enthielt. Es bestehe kein Grund, die Parteien zu beschränken, wenn sie ei­ nen GesMchaftsvertrag auf Lebensdauer eingehen wollten, ein solcher Vertrag ent­ halte an sich aar nichts Unstatthaftes. Die Bestimmung des Entwurfes bewirke, daß ein auf Lebensdauer geschlossener Gesellschaftsvertrag gegen die Absicht der Kontrahenten weniger bindend sei als einer, der auf zwei' Jahre geschlossen werde. Die Bestimmung des Entwurfes könne auch leicht umgangen werden und sei des­ halb ohne Werth, denn die Kontrahenten dürsten nur auf eine solche bestimmte Anzahl von Jahren sich verbinden, daß sie gewiß über ihre Lebensdauer hinaus­ gehe. Der Antrag wurde abgelehnt hauptsächlich aus Nützlichkeitsgründen, wozu noch komme, „daß' die Bestimmung des Entwurfs dem gemeinen Rechte entspreche". (Prot. S. 233, 234.) Dieser Hulfsgrund ist nicht richtig, wie die L. 1 pr. D. pro socio (XVII, 2) deutlich sagt: nur aus wichtigen Gründen kann einseitig renunziirt werden. L. 14 D. eodem. Aber dem A. L.R. I, 17, §. 289 entspricht die Vereitelung einer auf Lebenszeit geschlossenen Gesellschaft. Dabei wurde der Zweifel, ob der Schlußsatz nicht mit der Ziffer 2 in Wi­ derspruch stehe, dahin erledigt, daß dies keineswegs der Fall sei, da die Bestimmung der Ziffer 2 auch bei Gesellschaften Platz greifen. könne, die auf eine be­ stimmte kurze Frist eingegangen wären. So könne z. B. bei eurer auf 5 Jahre geschlossenen Sozietät die Bestimmung getroffen werden, daß dann, wenn inner­ halb der 5 Jahre einer der Gesellschafter stürbe, dessen Erben die Vertragszeit auszuhalten hätten. (Prot. S. 235.)

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Zweites Buch.

Erster Titel.

laus der für ihre Dauer bestimmten Zeit oder bei Gesellschaften von

unbestimmter Dauer ohne vorgängige Aufkündigung verlangen, so­ fern hierzu wichtige Gründe vorhanden sind.

Die Beurtheilung, ob solche Gründe anzunehmen sind, bleibt im Falle des Widerspruchs dem Ermessen des Richters überlassen.

Die Auflösung sonn67)68insbesondere ausgesprochen werden: 1) wenn durch äußere Umstände die Erreichung des gesellschaft­

lichen Zweckes unmöglich wird66); 67) Kann. Auch in diesen besonderen Fällen soll die Entscheidung dem richterlichen Ermessen darüber überlassen bleiben, ob eine erhebliche Ursache zur Auflösung der Gesellschaft vorliege, oder nicht. Für dieses Ermessen sollen die aufgezählten Fälle nur einen Leitfaden, nicht aber eine absolut gebietende (oder ausschließende, aber deshalb auch das richterliche Ermessen nicht beschränkende [(Sri. des Obertr. vom 1. November 1864, Arch. f. Rechtss. Bd. LVII, S. 53]) Vorschrift enthalten. Letztere, heißt es, lasse sich um so weniger festsetzen, als oft der Wortlaut eines oder des anderen der aufgezählten Fälle zutreffen und doch Jedermann sich sagen werde, daß der Vorfall ein geringfügiger sei. Es müsse deshalb die ganze Frage über die Zulässigkeit der beantragten Auflösung der Ge­ sellschaft dem Richter überlassen bleiben, von welchem man zu erwarten habe, daß er nicht willkürlich den vom Gesetze gebotenen Leitfaden außer Acht lassen werde. (Prot. S. 237.) Von der Regierung des K. Sachsen war zur dritten Lesung noch die Hinzu­ fügung als 6. Fall beantragt: „Wenn ein Gesellschafter den Vorschriften des Art. 96 zuwiderhandelt^ jedoch wieder zurückgezogen worden. Da die bezeichne­ ten Fälle nur leitende Beispiele für das Ermessen des Richters, so hat die Erin­ nerung den gleichen Werth, als wenn sie in das Gesetz ausgenommen worden wäre; der Richter kann auch in der Uebertretung des Art. 96 unter Umständen einen zureichenden Auflösungsgrund finden. — (2. A.) Das Prinzip, von wel­ chem der Richter bei Beurtheilung eines auf Art. 125 gestützten Antrages auf Auflösung einer Handelsgesellschaft sich leiten zu lassen hat, besteht, nach den ein­ zelnen im Gesetze angeführten Beispielen, darin, daß nur solche Thatsachen, welche erkennen lassen, daß die bei der Schließung des Gesellschastsvertrages wesentlich vorausgesetzten Erfordernisse oder persönlichen Eigenschaften fehlten oder nicht mehrvorhanden sind, dem einzelnen Gesellschafter das Recht geben, die Auflösung der Gesellschaft vor Ablauf der Zeit zu fordern. So heißt es in dem Urth. des Ober­ appellationsgerichts zu Dresden, vom 7. Oktober 1864 (Siebenhaar, Arch., Bd. XIV, S. 307). Juristischer ist es zu sagen: Das den Gesellschllftsvertrag umstoßende Prinzip ist Verletzung der Treue und Redlichkeit, oder Unmöglichkeit der Erfüllung. Denn die wesentliche Grundlage eines Gesellschaftsvertrages ist wechselseitige Treue und Redlichkeit. L. 3, §. 3 D. pro socio (XVII, 2); L. 22 C. ex quibus causis infamia (II, 12). Diese wird nicht allein durch Betrug und Arglist, sondern auch dadurch verletzt, wenn man sich seiner Unfähigkeit zur Erfüllung seiner Pflicht bewußt (Nr. 1 u. 5 des Art. 125), dennoch nicht die Verbindung aufgeben will. Die behauptete Verletzung hat der Richter nach den ihm vorgetragenen Thatsachen und seinem juristischen Ermessen im konkreten Falle festzustellen. 68) Dieser Fall war nach dem bisherigen Rechte ein voll Rechtswegen wir­ kender Auflösungsgrund (A. L.R. I, 17, §. 277; L. 58 pr., L. 63, §. 10 i. f. D. pro socio), und es wurde deshalb die Versetzung der Ziffer 1 in den Art. 123 beantragt. Man verwies aber darauf, daß bei Handelsgesellschaften der gesell­ schaftliche Zweck selten auf enge Grenzen eingeschränkt sei, und daß es deshalb nicht all Meinungsverschiedenheiten darüber fehlen werde, ob der Gesellschaftszweck noch erreichbar fei, oder nicht; es erscheine deshalb unmöglich, von einer ipso facto ein­ tretenden Auflösung der Gesellschaft zu sprechen. Hierauf wurde der Antrag ab-

Bon der Auslösung der Gesellschaft rc.

311

2) wenn ein Gesellschafter bei der Geschäftsführung oder bei der Rechnungslegung unredlich verfährt 9); 3) wenn ein Gesellschafter die Erfüllung der ihm obliegenden we­ sentlichen Verpflichtungen unterläßt70 * *);* 69 4) wenn ein Gesellschafter die Firma oder das Vermögen der Ge­ sellschaft für seine Privotzwecke mißbraucht7'"); 5) wenn ein Gesellschafter durch anhaltende Krankheit oder aus andern Ursachen7') zu den ihm obliegenden Geschäften der Gesellschaft unfähig wirb72). Art. 126. Hat ein Privatgläubiger eines Gesellschafters nach fruchtlos voll­ streckter Exekution jn dessen Privatvennögen die Exekution in das dem Gesellschafter bei dereinstiger Auslösung der Gesellschaft zukom­ mende Guthaben erwirkt/so ist er berechtigt, es mag die Gesellschaft auf bestimmte oder auf unbestimmte Dauer eingegangen sein, be­ hufs seiner Befriedigung nach vorher von ihm geschehener Aufkün­ digung die Auslösung der Gesellschaft zu verlangen73). Die Aufkündigung muß mindestens sechs Monate vor Ablauf des Geschäftsjahres der Gesellschaft geschehen. Art. 127. Wenn die Gesellschafter vor der Auflösung der Gesellschaft übereingekommen sind, daß, ungeachtet des Ausscheidens eines oder mehrerer Gesellschafter, die Gesellschaft unter den übrigen fortgesetzt werden soll, so endigt die Gesellschaft nur in Beziehung auf den Ausscheidenden; im klebrigen besteht sie mit allen ihren bisherigen Rechten und Verbindlichkeiten fort74). gelehnt, sodann aber der Redaktionskommission zu erwägen gegeben, ob nicht die Worte „durch äußere Umstände" entbehrlich seien. (Prot. S. 235.) Solche sind jedoch beibehalten. 69) Vergl. A. L.R. I, 17, §. 274.

70) Vergl. §. 273 a. a. O. 70») (2. A.) Die Ausschließung eines Sozii kann auch von der Liquidation (Art. 133) durch ein begründetes Mißtrauen der anderen Sozii gegen denselben gerechtfertigt werden, und ein solches findet in dem stattgefundenen Mißbrauche der Firmen seine Begründung. Erk. des Obertr. vom 1. November 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LVli, S. 53).

71) Z. B. durch langwierige Einsperrung, tadelswürdige Abwesenheit, Pro­ digalitätserklärung u. dergl. Vergl. §. 274 a. a. O. 72) Der Fall des folgenden Art. 126 tritt noch hinzu. ANM. 73.

Vergl. die folgende

73) Diese erst in der dritten Lesung auf Antrag der königl. Sächs. Regierung hinzugekommene Bestimmung statnirt einen besonderen Fall, tu welchem die Auf­ lösung der Gesellschaft verlangt werden kann, und tritt somit zu den im Art. 125 bezeichneten Fällen analog hinzu. (Prot. S. 4639.) 74) Das Prinzip, daß durch das Ausscheiden eines Mitgliedes die Gesellschaft

312

Zweites Buch.

Erster Titel.

Art. 128. Wenn die Auflösung der Gesellschaft aus Gründen gefordert werden darf, welche in der Person eines Gesellschafters liegen (Art. 125), so kann anstatt derselben auf Ausschließung dieses Ge« sellschafters erkannt werden, sofern die sämmtlichen übrigen Gesell­ schafter hieraus antragen76 * *).* * * * * * * * * * 75 Art. 129. Die Auslösung der Gesellschaft muß, wenn sie nicht in Folge der Eröffnung des Konkurses über die Gesellschaft geschieht76), in das Handelsregister eingetragen werden. Diese Eintragung muß selbst dann geschehen, wenn die Gesell­ schaft durch Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen war, been­ digt wird77). Gleich der Auflösung der Gesellschaft muß auch das Ausscheiden oder die Ausschließung eines Gesellschafters aus der Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen werden. Das Handelsgericht hat die Betheiligten zur Anmeldung dieser Thatsachen von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten 78). selbst nicht aufgelöst wird, sondern daß ebendieselbe ursprüngliche von den Uebrigen fortgesetzt werden kann, und dann nicht als eine neue, was sie nach Röm. Rechts­ ansichten in der That ist, zu betrachten, ist aus dem A. L.R. I, 17, §§. 269 ff., 291 ff. beibehalten. Der Art. 127 setzt jedoch voraus, daß die Uebereinkunft zur Fortsetzung der ursprünglichen Gesellschaft vor dem Ausscheiden des Gesellschafters, unter dessen Betheiligung, getroffen werde. (Vergl. Prot. S. 237, 238.) Dabei kommen zwei Punkte in'Betracht. Zuerst die Feststellung der Theilnehmung der zusammenbleibenden Sozien an dem durch das Ausscheiden des Einen vakant wer­ denden Antheile: dies ist Gegenstand der Uebereinkunft. Sodann die Sicherung des Ausscheldenden gegen Ansprüche der Gesellschaftsgläubiaer bei der Auseinan­ dersetzung. In dieser Hinsicht kommen die Vorschriften deS A. L.R. I, 17, §§. 300 bis 303 zur Anwendung.

75) Auch in diesem Falle bleibt zwischen den übrigen Gesellschaftern die So­ zietät mit der im Art. 127 angegebenen Wirkung bestehen. (Prot. S. 238.) 76) Hierdurch hat die Eintragung der Konkurseröffnung nicht ausgeschlossen werden sollen, vielmehr muß sie gleichfalls geschehen. Oben, Einf.-Ges. Art. 13 u. die Anm. 42 dazu. Das Gesetz setzt nämlich bei der Bestimmung: „wenn sie nicht — geschieht", die absolute Wirkung der Konkursproklamata voraus, weshalb die Bestimmung des letzten Absatzes auf die Fälle, in denen die Auflösung der Gesellschaft wegen Konkurses erfolgt, nicht passen würde, daher es genüge, aber auch allerdings — freilich unbeschadet jener absoluten Wirkung der Konrursproklamata — zweckmäßig sei, die Konkursgerichte in den Einführungsgesetzen zu instruiren, daß sie von den durch Konkurseröffnungen veranlaßten Auflösungen von Gesellschaften zu den Handelsregistern Mittheilung resp. Vormerkung zu machen haben. (Prot. S. 1008.) Dem ist durch das preuß. Einf.-Gesetz Art. 13 ent­ sprochen.

77) Die Eintragung in das Handelsregister nach Maßgabe des Abs. 2 fällt hinweg, wenn die Auflösung der Gesellschaft nicht wirklich erfolgt, sondern diese stillschweigend fortgesetzt wird. Art. 123, Ziffer 5. (Prot. S. 239.) 78) Der Entwurf enthielt diese Strafbestimmung nicht, sie wurde erst auf die Erinnerung eines Abgeordneten, daß überall, wo Einträge in das Handels-

Von der Auflösung der Gesellschaft rc.

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Dritten Personen sann79 * *)* die * * Auflösung der Gesellschaft oder das Ausscheiden oder die Ausschließung eines Gesellschafters aus der­ selben nur in sofern entgegengesetzt werden, als hinsichtllch einer sol­ chen Thatsache die Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen nach Art. 25 hinsichtlich des Erlöschens der Firma oder der Aende­ rung ihrer Inhaber die Wirkung gegen Dritte eintritt80).81 Art. 130. Wenn ein Gesellschafter ausscheidet oder ausgeschlossen wird, so erfolgt die Auseinandersetzung der Gesellschaft mit demselben auf Grund der Vermögenslage, in welcher sich die Gesellschaft zur Zeit des Ausscheidens oder zur Zeit der Behändigung der Klage auf Aus­ schließung befindet. An den späteren Geschäften, Rechten und Verbindlichkeiten nimmt der Ausgeschiedene oder Ausgeschlossene nur in sofern Antheil, als dieselben eine unmittelbare Folge dessen sind, was vor jenem Zeitpunkte bereits geschehen war8'). register angeordnet worden, z. B. bei den Einträgen über die Ertheilung und Er­ löschung von Prokuren rc., für den Fall der Unterlassung der Einträge, abgesehen von den civilrechtlichen Folgen, Ordnungsstrafen angedroht worden feien, und daß die Sachlage wohl hier dieselbe sei, — auch für die Nichtbefolgung der in diesem Art. enthaltenen Vorschriften beschlossen. (Prot. S. 239.) 79) Hier sollten nach dem Anträge eines Abgeordneten die Worte: „sowie den übrigen Gesellschaftern", eingeschaltet werden. Der Antrag wurde aber mit dem Vorbehalte, auf die angeregte Frage bei dem Abschnitte über die Liquidation zurückzukommen, fallen gelassen, nm zu bestimmen, von wann an die Auflösung der Gesellschaft gegen die Mitgesellschafter in Wirksamkeit trete. (Prot. S. 239.) Von diesem Vorbehalte ist kein Gebrauch gemacht worden. Der fragliche Zeit­ punkt muß daher in jedem einzelnen Falle mit Berücksichtigung der besonderen Umstände nach Ermessen des Richters bestimmt werden, wenn darüber Streit entsteht.

80) Auf die Fälle der Auflösung einer Gesellschaft durch Konkurseröffnung bezieht sich diese Bestimmung nicht. Vergl. oben, Anm. 76.

81) Anders als nach dem A. L.R. §§. 294 — 296 a. a. O. Der Abs. 2 dieses Art. erklärt die Gesellschafter auch für befugt, neue Geschäfte, wodurch der Ausscheidende verbindlich gemacht wird, einzugehen, wenn sie ohne solche die schwebenden Geschäfte nicht erledigen können. Daß dieses die Ansicht der Bestim­ mung des Abs. 2 sei, ist von der Versammlung ausdrücklich ausgesprochen. (Prot. S. 1008.) In dem Entwürfe fehlte das Wort „unmittelbar". Ein Abgeordneter machte darauf aufmerksam, daß die Bestimmung des Entwurfs leicht zu einer allzuweiten Auffassung Veranlassung geben könne. Die Worte: „als dieselben eine Folge da­ von sind", könnten Ursache sein, daß man mit ihnen auch solche neue Geschäfte für bezeichnet halte, welche durch frühere Geschäfte nur veranlaßt wurden, ohne zur Abwickelung der letzteren zu gehören. Er schlug deshalb vor, statt des Abs. 2 zu sagen: „Es ist jedoch der Gewinn oder Verlust, welcher sich bei Abwickelung der bereits vorher abgeschlossenen Geschäfte herausstellt, dem Ausscheideuden oder Ausgeschlossenen antheilig in Rechnung zu stellen". Die Versammlung erkannte den Sinn dieser veränderten Fassung als das an, was das Gesetz sägen wolle, daß nämlich neue Geschäfte, welche nur durch frühere veranlaßt worden, nicht als eine Folge der früheren zu betrachten seien, daß es jedoch statthaft sei, solche nme

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Zweites Buch.

Erster Titel.

Der Ausgeschiedene oder Ausgeschlossene muß sich die Beendi­ gung der laufenden Geschäfte in der Weise gefallen lassen, wie sie nach dem Ermessen der verbleibenden Gesellschafter88) am vortheilhaftesten ist. Jedoch ist er,'wenn eine frühere vollständige Auseinandersetzung nicht möglich ist, berechtigt, am Schluffe eines jeden Geschäftsjahres Rechnungsablage über die inzwischen erledigten Geschäfte, sowie die Auszahlung der ihm hiernach gebührenden Beträge zu fordern; auch kann er am Schluffe eines jeden Geschäftsjahres den Nachweis über den Stand der noch laufenden Geschäfte forbtrn88). Art. 131. Ein ausgeschiedener oder ausgeschlossener Gesellschafter muß sich die Auslieferung seines Antheils am Gesellschaftsvermögen84 * *)85 * *in* * * * * * 82 83 einer den Werth desselben darstellenden Geldsumme gefallen taffen; er hat kein Recht auf einen verhältnißmäßigen Antheil an den einzel­ nen Forderungen, Waaren oder anderen Vermögensstücken der Ge­ sellschaft8»). ' Geschäfte abzuschließen, welche mit der Abwickelung der Handlung in unmittelba­ rer Beziehung ständen; verwies jedoch den Fassungsvorschlag au die Redaktions­ kommission. (Prot. S. 246.) Diese hat darauf das Wort „unmittelbar" ein­ geschaltet. Daß auch an denjenigen Geschäften, welche von einem geschäftsführenden Ge­ sellschafter nach dem kritischen Zeitpunkte, aber vor erlangter Kunde von dem Ausscheiden, für Rechnung der Gesellschaft abgeschlossen worden, der Auöscheidende re. Antheil hat, ist nach den gemeinrechtlichen Bestimmungen über den Ein­ fluß des Todes des Mandanten, auf ein später vom Mandatar in gutem Glauben abgeschlossenes Geschäft selbstverständlich. (Ebd. S. 247.) 82) Die Worte: „nach dem Ermessen der verbleibenden Gesellschafter", sind statt des Ausdrucks des Entwurfes: „auf die der Gesellschaft Vortheilhafteste Weise", m der Absicht gesetzt worden, um dem Ausgeschiedenen jedes Stimmrecht bei der Wahl und jeden Einwand gegen eine vielleicht verfehlte Wahl abzuschneiden. (Ebd. S. 247.)

83) Ein Jahr muß derselbe sich unter allen Umständen ruhig Verhalten. Nach dessen Ablauf steht ihm der Rechtsweg offen wegen alles dessen, was ihm durch die Bestimmung des letzten Absatzes zugesichert ist, und es ist das von einem der Abgeordneten dieserhalb vermißte Klagerecht mit den Worten: „wenn eine frü­ here, vollständige Auseinandersetzung nicht möglich ist", offen gehalten; auch ist das in dem Fassungsvorschlage vor „Bettäge" befindliche Wort „entbehrlichen" ge­ strichen worden, um zu verhindern, daß mit diesem Worte der Ausgeschiedene nicht neuen Chitonen und Prozessen ausgesetzt werde. Daß dasselbe Wort sich int Art. 141 befindet und dort beibehalten worden ist, habe darin seinen Grund, daß bei Liquidation der Gesellschaft alle Theilhaber dabei gleich interessirt seien, daß die baaren Vorräthe vertheilt werden; dagegen seien m dem vorliegenden Falle die Interessen der Betheiligten einander gerade entgegengesetzt. (Prot. S. 245, 246.)

84) Der Ausdruck „Gesellschaftsvermögeu" soll nichts Besonderes , etwa eine juristische Person Poranssetzendes, sondern nur das im Gesellschaftsbetriebe befind­ liche Vermögen der Sozii bedeuten. (Prot. S. 248.)

85) Die im Entwürfe nicht enthaltene Bestimmung des Art. 131 ist in der ersten Lesung beschlossen worden. Nach gemeinem Rechte hat das Ausscheiden ei-

Bon der Auflösung der Gesellschaft rc.

315

Art. 132. Macht ein Privatgläubiger eines Gesellschafters von dem nach

Art. 126 ihm zustehenden Rechte Gebrauch, so können die übrigen neS Gesellschafters die Folge, daß über das Gesellschaftsvermögen eine förmliche Auseinandersetzung eintritt. Man erkannte aber das Bedürfniß an, auch das Ge­ gentheil d. i. ein Uebereinkommen darüber möglich zu machen, daß die Gesellschaft unter Festhaltung der bestehenden Aktiven und Passiven und ihres ganzen gewerb­ lichen Verkehrs fortgesetzt werde. Um dies zu ermöglichen, sei der Satz erforder­ lich , daß der ausgeschiedene Sozius seinen Antheil am Gesellschassvermögen nicht in Natur, durch Zuweisung der betreffenden Antheile an den einzelnen Aktiven verlangen könne, sondern daß dieser Theil geschätzt und ihm in Geld vergütet werde. Der Satz wolle aber nicht bestimmen, daß hie zurückbleibenden Gesell­ schafter das Recht hätten, den ausgeschiedenen Sozius im Falle veS Art. 130 ab­ zufinden und dabei z. B. ohne Weiteres die vorhandenen Werchpapiere nach dem zur Zeit des Austrittes eines Sozius bestehenden Tageskurse zu übernehmen und denselben von dem Gewinne aus einem etwaigen schon vorher geschehenen besseren Verkaufe derselben auszuschließett; sondern nur, daß der in Folge gebührender Rechnungslegung ausgemittelte Antheil deS Gesellschafters ihm ohne Verkauf und Theilung der Aktiva in Geld vergütet werde. (Prot. S. 247, 248.) Ueber den Fall, wenn eine Gesellschaft nur aus zwei Petsonen bestanden hat und eine ausscheidet, oder wenn aus einer aus. mehr als zwei Personen bestehen­ den Gesellschaft mehrere ausscheiden, und somit nur einer der Gesellschafter übrig bleibt, haben mehrere Berathungen und widersprechende Beschlüsse stattgefunden. In der ersten Lesung wurde beanttagt, zu verordnen, daß die Bestimmungen der Artt. 127—130 mutatis mutandis auch dann Anwendung zu finden hätten, wenn die Gesellschaft nur aus zwei Personen bestehe , oder, falls ihrer mehrere seien, das Geschäft nur von einem Gesellschafter fortgesetzt werde. Mehrere Stimmen gingen zwar dahin, daß, wenn überhaupt eine Bestimmung über diesen Fall im Gesetze nöthig wäre, besser das Gegentheil auszusprechen und demgemäß zu sagen sei, daß auf diesen Fall die angezogenen Artikel keine Anwendung fänden, weil bei demselben keine Gesellschaft übrig bleibe und sonach nicht von einer Fortsetzung derselben die Rede sein könne. Indeß wurde, weil es sich bei der fraglichen Be­ stimmung weniger um die Fortdauer der Gesellschaft als solcher, als vielmehr um die Fortdauer des von der Gesellschaft bisher betriebenen Geschäftes, nm die Fort­ dauer ihrer Firma, ihres Etablissements mit seiner ganzen Unterlage, mit Aktiven und Passiven, daß also die bleibenden Mitglieder im Besitze des bisherigen Ge­ schäftes blieben, handle, — der gestellte Antrag mit 12 gegen 4 Stimmen zum Beschlusse erhoben. (Prot. S. 249, 250.) Demgemäß brachte der Redaktions­ entwurf (Entw. aus erster Lesung) folgende Bestimmung: „Art. 126. Die Bestimmungen über das Ausscheiden und die Ausschließung von Gesellschaftern und deren rechtliche Folgen, sowie über die Auseinander­ setzung wegen des Gesellschastsvermögens (Art. 121 bis Art. 125 f entsprechend den Artt. 127—130 des H.G.B.s) finden auch in dem Falle Anwendung, wenn die Gesellschaft nur aus zwei Personen besteht oder nach dem Ausscheiden oder der Ausschließung mehrerer Gesellschafter das Geschäft der Gesellschaft nur von Einem derselben fortgesetzt wird". In der zweiten Lesung wurde die Frage wieder aufgenommen und nach eingehen­ der Besprechung mit 11 gegen 6 Stimmen beschlossen, diesen Art. wieder zu strei­ chen. — Zur dritten Lesung wurde von der künigl. Sächs. Regierung nochmals der Zusatz zu diesem Abschnitte beantragt (Nr. 152 der Zusammenstellung der Erinnerungen): „Die Bestimmungen über das Ausscheiden und die Ausschließung von Gesell­ schaftern und deren rechtliche Folgen, sowie über die Auseinandersetzung wegen des Gesellschaftsvermögens finden' auch in dem Falle analoge Anwendung, wenn nach dem Ausscheiden oder der Ausschließung eines oder mehrerer Gesellschafter die Handelsniederlassung der Gesellschaft nur von einem der früheren Gesell­ schafter fortgesetzt wird" ; dieser Antrag jedoch vor der Berathung wieder zurückgezogen. — Demnach ist

316

Zweites Buch.

Erster Titel.

Gesellschafter auf Grund eines einstimmigen Beschlusses statt der Auflösung der Gesellschaft die Auseinandersetzung und die Ausliefe­ rung des Antheils des Schuldners nach den Bestimmungen der vor­ hergehenden Artikel vornehmen; der letztere ist dann als aus der Ge­ sellschaft ausgeschieden zu betrachten 86 * *). Fünfter Abschnitt. Bon der Liquidation der Gesellschaft. Art. 133. Nach Auflösung der Gesellschaft8 6 •) außer dem Falle des Kon­ kurses derselben erfolgt die Liquidation, sofern diese nicht durch ein­ stimmigen Beschluß der Gesellschafter oder durch den Gesellschafts­ vertrag einzelnen Gesellschaftern oder anderen Personen übertragen ist87), durch die sämmtlichen bisherigen88)89 Gesellschafter oder deren Vertreter als Liquidatoren. Ist einer der Gesellschafter gestorben, so haben dessen Rechtsnachfolger einen gemeinschaftlichen Vertreter zu bestellen8»). Auf den Antrag8»8) eines Gesellschafters kann aus wichtigen Gründen die Ernennung von Liquidatoren durch den Richter erfolgen, das Ergebniß, daß das Gesetz anerkennt, es bleibe in dem fraglichen Falle keine Gesellschaft übrig und es müsse Liquidation eintreten. 86) Dieser in der dritten Lesung hinzugekommene Artikel ist eine Ausdeh­ nung der im Art. 131 enthaltenen Bestimmung auf den Fall des Art. 126. (Prot. S. 4641.) 86») (2. A.) Nach Auflösung der Gesellschaft wird derjenige, welcher als Verkäufer mit derselben einen Kauf geschlossen hat, von seinen Verbindlichkeiten dem einen Gesellschafter gegenüber nicht dadurch liberirt, daß er nach ihm bekannt gewordener Auflösung dem anderen Gesellschafter die Waare tradirt. Die solida­ rische Haftung der Gesellschafter (Art. 112) und die gegenseitige Vertretungsfähig­ keit (Art. 114) ist mit der Auflösung erloschen. Urth. des Oberappellationsgerichts zu Dresden, vom 26. November 1864 (Siebenhaar, Archiv, Bd. XIV, S. 103). — Vergl. Art. 137 u. die Anm. 94» dazu. 87) Insofern also eine solche Bestimmung fehlt, sind die bisherigen Gesell­ schafter sämmtlich als Liquidatoren in das Gesellschaftsregister einzutraaen. Art. 135; Prot. S. 1013, 1050; Instr. v. 12. Dez. 1861, §.57, Th. I (oben, Anm. 10 zu Art. 4 des Einf.-Ges.). — (2. A.) M. s. jedoch oben, Anm. 70» zu Art. 125. 88) Also nicht bloß die geschäftsführenden, und zwar in allen Fällen durch gemeinschaftliches Handeln. Art. 136. Die Befugniß jedes Einzelnen, die Uebriaen durch seine Handlung verbindlich zu machen, ist mit der Auflösung der Ge­ sellschaft erloschen; der Gesellschaftsfonds ist eine civilrechtliche communio ge­ worden.

89) Dieser Satz ist auch auf den Fall auszudehnen, wenn die Gesellschaft aus einem anderen Grunde als durch den Tod des Einen aufgelöst worden und noch vor beendigter Liquidation, sei es vor oder nach der Auflösung, einer der Gesellschafter gestorben ist. (Prot. S. 4529.)

89 a) (2. A.) Dieser Antrag kann schon vor Beginn der Liquidation gestellt werden, da das Gesetz in dieser Hinsicht keine Beschränkung enthält. Erk. des Obertr. vom 1. November 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LVli, S. 53).

Von der Liquidation der Gesellschaft.

317

Der Richter kann in einem solchen Falle Personen zu Liquidatoren

ernennen oder als solche beiordnen, welche nicht zu den Gesellschaf­

tern gehören. Art. 134. Die Abbemsung von Liquidatoren geschieht durch einstimmigen Beschluß allergo) Gesellschafter; sie kann auch auf den Antrag eines

Gesellschafters aus wichtigen Gründen durch den Richter erfolgen 90 91).92 Art. 135. Die Liquidatoren sind von den Gesellschaftern9*) beim Handels­ gerichte zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden; sie ha­

ben ihre Unterschrift persönlich vor dem Handelsgerichte zu zeichnen oder die Zeichnung in beglaubigter Form einzureichen.

Das Austreten eines Liquidators oder das Erlöschen der Boll-

90) Aller. Es kann also nicht etwa em Liquidator, welcher selbst Gesell­ schafter ist, durch Beschluß der übrigen Gesellschafter ohne seine eigene Zustim­ mung abberufen werden. (Prot. S. 4530.)

91) Die Bestimmung harmonirt mit dem Abs. 2 des Art. 133. Ist Ein­ stimmigkeit nicht zu erreichen, so kann jeder Einzelne die Entscheidung in die Hände des Richters legen, wodurch die Rechte aller Betheiligten hinlänglich gesichert wer­ den. In dieser Erwägung hat man die Bestimnmng dieses Art. zur Vervollstän­ digung des Gesetzes über den Gegenstand noch in dritter Lesung ausgenommen, damit insbesondere der Art. 104, Abs. 2 nicht zu irrigen Schlüssen führe. (Prot. S. 4529.) 92) Daß die Anmeldung von allen Personen ausgehen müsse, ist nicht vor­ geschrieben, weil man dies zu thun für bedenklich gefunden hat. Der preuß. Ent­ wurf (Art. 125), augenscheinlich ausgehend von dem Sonderrechte eines jeden Ge­ sellschafters , sich zu sichern, erklärte jeden Gesellschafter für befugt, eine Verän­ derung in dem Bestände oder Personale der Gesellschaft eintragen zu lassen. Dies wurde bei der ersten Lesung beanstandet; und wiewohl die Bestimmung durch den Antrag unterstützt wurde: zu bestimmen, daß einseitigen Anträgen eines Gesell­ schafters auf Eintragung einer Veränderung an der Sozietät nur nach vorherigem Gehöre der anderen Gesellschafter stattzugebeu rc., wurde doch die Streichung des §. 125 beschlossen (Prot. S. 240, 241), und der dem Art. 135 des H.G.B. ent­ sprechende Art. 133 des Entwurfs aus erster Lesung bestimmte: „Die Bestel­ lung der Liquidatoren ist von den gewesenen Gesellschaftern — anznmelden", womit Alle gemeint waren. In der zweiten Lesung aber wurde das Wort: „gewesenen" gestrichen und der entsprechende Art. 128"des Entw. aus der zwei­ ten Lesung im Eingänge so formulirt: „Die Liquidatoren sind von den Gesell­ schaftern ü. s. w." In dieser Fassung erscheint die Bestinunung schließlich in dein Art. 135 des H.G.B. Die Streichung des Wortes „gewesenen" im Art. 135 ist jedoch in Verbindung gebracht mit der Einschaltung des Wortes „bisherigen" hin­ ter „sämmtlichen" im Art. 133, Zeile 5. (Prot. S. 1050.) Daraus wird nicht klar, in welchem Sinne die Streichung des Wortes „gewesenen", mit Bezug auf die Frage: ob alle Gesellschafter, oder jeder derselben allein, die Anmeldung zur Eintragung macheil müssen, resp, können, geschehen ist. Die Jnstr. v. 12. Dez. 1861, Th.' I, §. 58 (Ann:. 10 zu Art. 4 des Einf.-Ges.) nimmt das Letztere an, fordert jedoch den Nachweis der betreffenden Thatsachen durch öffentliche Urkun­ den darüber: daß ein rechtlich begründeter Widerspruch der übrigen Gesellschafter ausgeschlossen erscheint. Dergleichen Urkunden würden sein: Erkenntnisse, Ver­ gleiche rc.

318

Zweites Buch.

Erster Titel.

macht eines solchen ist gleichfalls zur Eintragung in das Handelsre­ gister anzuinelden. Die Gesellschafter sind zur Befolgung dieser Vorschriften von Amtswegen durch Ordnungsstrafen anzuhalten. Dritten Personen kann die Ernennung von Liquidatoren, sowie das Austreten eines Liquidators oder das Erlöschen der Vollmacht

eines solchen nur in sofern entgegengesetzt werden, als hinsichtlich dieser Thatsachen die Voraussetzungen vorhanden sind, unter welchen nach Artt. 25 und 46 hinsichtlich einer Aenderung der Inhaber einer

Firma oder des Erlöschens einer Prokum die Wirkung gegen Dritte

eintritt. Art. 136. Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, so können sie die zur

Liquidation gehörenden Handlungen mit rechtlicher Wirkung nur in Gemeinschaft vornehmen, sofern nicht ausdrücklich bestimmt ist, daß sie einzeln handeln sönnen93).94 95

Art. 137. Die Liquidatoren haben die laufenden Geschäfte zu beendigen,

die Verpflichtungen der aufgelösten Gesellschaft zu erfüllen, die For­ derungen derselben einzuziehen und das Vermögen der Gesellschaft zu versilbern; sie haben die Gesellschaft gerichtlich und außergericht­

lich zu vertreten: sie können für dieselbe Vergleiche schließen und

Kompromisse eingehen. Zur Beendigung schwebender Geschäfte99) können die Liquidatoren auch neue Geschäfte eingehen"'). Die Veräußerung von unbeweglichen Sachen93) kann durch 93) Dieser dem Civilrcchtc angehörige, dem handelsrechtlichen Grundsätze über die HandlungSbefugniß der Gesellschafter entgegengesetzte Grundsatz ist erst nach einer wiederholten eingehenden Diskusston angenommen. (Prot. S. 1049—1052.) Vergl. oben Anin. 88. 94) Zu einem anderen Behufe nicht. Der Dritte muß fich also darnach erkundigen, ob die entsprechenden Voraussetzungen für das einzugehende neue Ge­ schäft vorhanden seien. Denn die bezüglich der Eingehung neuer Geschäfte hier gegebene Bestimmung bezicht sich nicht nur auf das Verhältniß der Liquidatoren zu den Gesellschaftern, sondern auch auf das Verhältniß zu Dritten. (Prot. S. 4531, 4532.) 94 a) (2. A.) Durch die Auslösung der Gesellschaft haben von Rechtswegen die Beziehungen, in welchen die Gesellschafter zu einander standen, aufgehört; die durch sie begründeten Rechtsverhältnisse sollen jedoch, während die Liquidation dauert, in derselben Lage fortbestehen, und gerade durch die Liquidation sollen sie abgewickelt werden. In den Liquidatoren erhält aber die Gesellschaft ihre Organe für die Wahrnehmung und Geltendmachung der aus dem Gesellschastsverhältnisse Herrührenden Rechte . *97 * *98 *******

Art. 138. Eine Beschränkung des Umfanges der Geschästsbesugnisse der Liquidatoren (Art. 137) hat gegen dritte Personen keine rechtliche Wirkung9T).

Art. 139. Die Liquidatoren haben ihre Unterschrift in der Weise abzuge­ ben, daß sie der bisherigen, nun als Liquidationsfirma zu bezeich­

nenden Firma") ihren Namen beifügen. Art. 140. Die Liquidatoren haben, selbst wenn sie vom Richter bestellt sind, den Gesellschaftern gegenüber 99)bei der Geschäftsführung den

von diesen einstimmig getroffenen Anordnungen Folge zu geben.

Art. 141. Die während der Liquidation entbehrlichen Gelder werden vor­ läufig unter die Gesellschafter vertheilt. Zur Deckung von Schulden der Gesellschaft, welche erst später

fällig werden, sowie zur Deckung der Ansprüche, welche den einzel-

schalten: „Don Schiften und Schiffsantheilen", wurde abgelehnt, weil die Gleich­ stellung der Schiffe mit den Immobilien, rücksichtlich der Veräußerung, in vielen Fällen'höchst mißlich sei, namentlich dann, wenn gerade günstige Verkaufsgele­ genheiten vorlägen, von denen zu befürchten sei, daß sie bis zur öffentlichen Ver­ steigerung nicht' mehr vorhanden wären, oder wenn in kleinen Häfen zu ungün­ stigen Jahreszeiten der öffentliche Verkauf vorgenommen werden solle. Der An­ tragsteller bemerkte, daß mit diesem Beschlusse eine partikularrechtliche Ausdehnung der Vorschrift des zweiten Absatzes von diesem Art. auf Schiffe und Schiffsan­ theile, falls solches den Verhältnissen einzelner Seestädte entsprechen möchte, nicht im Widerspruche stehen würde, indem eben nur die Aufstellung eines solchen Satzes als allgemeine Regel abgelehnt worden sei. Hieraus erfolgte von keiner Seite eine Aeußerung. (Pröt. S.251, 252.) 96) Wie sich diese Vorschrift zu den Bestimmungen der einzelnen Partikular­ gesetzgebungen über die Veräußerung von Mündelgütern rc. verhält, ist eine offene Frage. Von mehreren Seiten wurde bemerkt, daß nach ihrer Ansicht mit dem Abs. 2 die Vorschriften der einzelnen Partikulargesetzgebungen über diesen Gegen­ stand nicht berührt würden. (Prot. S. 1012.)' Indeß ist der Abs. 2 eine Spe­ zialvorschrift für das vorliegende Verhältniß, deren ZwÄ vereitelt werden würde,

wenn, gegen die allgemeine Regel, die allgemeinen civilrechtlichen Anordnungen den Vorzug haben sollten. Das Interesse der Mündel ist durch das gleiche In­ teresse der übrigen Betheiligten hinlänglich gewahrt. 97) In Uebereinstimmung mit dem Art. 43, betreffend die Prokura. Auch bei gerichtlich bestellten Liquidatoren findet keine Ausnahme statt. (Prot. S. 251.)

98) Z. B. Richter u. Comp. in Liquidation. 99) Das Verhältniß der Liquidatoren gegen Dritte wird also durch die le­ diglich für das innere Verhältniß der Liquidatoren zu den Gesellschaftern gegebene Bestimmung dieses Art. gar nicht berührt. (Prot. S. 252.) Hierdurch ist der Einwand des Dolus nicht ausgeschlossen.

320

Zweites Buch.

Erster Titel.

nett Gesellschaftern bei der Auseinandersetzung zustehen, sind die er­ forderlichen Gelder zurückzubehalten.

Art. 142. Die Liquidatoren haben die schließliche Auseinandersetzung un­ ter den Gesellschaftern herbeizuführen. Streitigkeiten, welche über die Auseinandersetzung entstehen,

fallen der richterlichen Entscheidung anheim.

Art. 143. Wenn ein Gesellschafter Sachen in die Gesellschaft eingebracht

hat, welche Eigenthum derselben geworden sind, so fallen dieselben bei der Auseinandersetzung nicht an ihn zurück, sondern er erhält den

Werth aus dem Gesellschaftsvermögen erstattet, für welchen sie ge­ mäß Uebereinkunft übernommen wurdenin0). Fehlt es an dieser Werth bestimmung, so geschieht die Erstattung nach dem Werthe, welchen die Sachen zur Zeit der Einbringung hatten'. 1288.) (2. A.) Das Obertr. ver­ steht unter der „anderweitigen Anschaffung" auch die Selbstproduktion. Erk. v. 15. Juli 1862 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LIV, S. 5).

3) Die Worte: „Waaren oder anderen", hielt mau gegen den Antrag auf Streichung beizubehalten für rathsam, obschon allerdings Waaren auch bewegliche Sachen feien; denn in diesem Ausdrucke liege eine populäre Diktion und'eine Hinweisung darauf, daß es sich besonders um solche Sachen handle, welche ge­ wöhnlich im Handel feilgeboten werden. (Prot. S. 1289.) (2. A.) Der Verkauf eines Pferdes durch einen Pferdehändler stellt auch dem Käufer gegenüber ein, der Schriftform nicht bedürfendes, Handelsgeschäft dar. Ver-gl. Art. 277, 317. Erk. des Obertr. vom 12. November 1863 (Archiv f. Rechtsf. Bd. Li, S. 213 u. Entsch. Bd. L, S. 356). 4) Die Bestimmung: „Kauf, um weiter zu veräußern", ist die vornehmste dieses Artikels; denn sie stellt das entscheidende Kriterium auf, welches den Kauf von beweglichen Sachen zu einem objektiven Handelsgeschäfte macht, dergestalt, daß nicht'ein mehrseitiger Betrieb solcher Geschäfte, nicht ein gewohnheitsgemäßer oder gewerbsmäßiger Betrieb, also nicht ein persönlicher Gesichtspunkt den ge­ wöhnlichen Kauf und das Handelsgeschäft des Kaufs unterscheidet, vielmehr der Kauf mit dem bezeichneten Merkmale ein Handelsgeschäft ist, wenn er auch nur einmal unter zwei Nichtkaufleuten vorkommt. - (Bergl. Prot. S. 513 u. 1288 ; Zusammenstellung der Erinnerungen zur dritten Lesung Nr. 254.) Aber ein we­ sentliches Merkmal dieses Kriteriums hat im Gesetze keinen Ausdruck gefunden, obgleich es anerkannt worden ist. Dies ist die Weiterveräußerung gegen Entgelt, eigentlich der Verkauf oder der Vertausch, auch wohl die Vermiethung; denn eine Verschenkung, welche z. B. bei milden Anstalten in großen Mengen vorkommt und deshalb auch einen Einkauf in großen Mengen voraussetzt, ist gewiß kein Handelsgeschäft: ein Wohlthäter, welcher verschenkt, handelt nicht. Es ist auch ausgesprochen, daß nur der Verkauf und zwar derjenige die Natur eines Han­ delsgeschäfts habe, welcher in Folge eines Spekulationskaufes, eines Kaufes in der Absicht, daran zu gewinnen, gemacht werde. (Prot. S. 1288. Vgl. S. 513.) Es ist jedoch gegen dieses Kriterium mit Recht gesagt worden, dasselbe liege le­ diglich in der Intention, welche jederzeit geändert werden könne, und sei äußer­ lich nicht erkennbar, folglich nicht geeignet, einen bestimmten Kauf als Handels­

geschäft zu kennzeichnen. Das gelte in noch höherem Maße von anderen Erwer­ bungen beweglicher Sachen. (Prot. S. 513.) Darauf hat man denn zugegeben, es verstehe sich von selbst, daß die Absicht zu spekulireu bei dem Abschlüsse des Kaufs erkennbar gewesen sein müsse.

Diese Erkennbarkeit liege aber keinesweges

Begriff der Handelsgeschäfte.

451

terschied, ob die Waaren oder anderen beweglichen Sachen in Natur oder nach einer Bearbeitung oder Verarbeitung-^) weiter veräußert werden sollen; 2) die Uebernahme einer Lieferung von Gegenständen der unter Ziff. 1 bezeichneten Art, welche der Uebernehmer zu diesem Zwecke anschafft6 * ); ***5 bloß in dem gewerbsmäßigen Betriebe solcher Käufe und Verkäufe, wie dies im Laufe der Diskussion als ein Grund dafiir behauptet worden, daß der Berkaus nicht als absolutes Haudelsgeschäst anzusehen sei; sondern könne auch z. B. darin liegen, daß der Verkäufer eine weit größere Menge einer Waare feilbiete, als er habe produziren oder für seinen Bedarf habe auschaffeu können, daß also die Menge der Waare auf einen Einkauf, um zu spekulireu, schließen lasse. (Prot. S. 1288.) — Es wird jedoch außer dem Falle des gewerblichen Handelsbetriebes nicht leicht sein, an den angedeuteten Erscheinungen'das nicht sinnlich wahrnehmbare Merkmal des objektiven Handelsgeschäftes, nämlich die mit der Anschaffung der in Rede stehenden Sachen verbunden gewesene Absicht, „dieselben weiter zu veräußern", und zwar um damit zu verdienen, zu erkennen und iimit wird nicht selten dar­ über streiten, ob das Kriterium, wonach ein bestimmter Kauf rc. nicht ein ge­ wöhnlicher Kauf , sondern ein Handelskauf sein soll, vorhanden sei, oder nicht, wenn dasselbe nicht ausdrücklich ausgesprochen worden ist. Eine ähnliche Bestim­ mung über das in Rede stehende entscheidende Merkmal eines Handelsgeschäftes findet sich in der Hamburgischen Handelsgerichtsordnung, aber nur für die Be­ grenzung der Kompetenz des Handelsgerichts, nicht um eigenthümlich kommerzielle Rechtsgruudsätze in dem betreffenden Falle auzuwenden, indem, Werin dieses ge­ schehen soll, dafür nicht die Kompetenzvorschrift, solldern die objektive Natur des Geschäfts als Richtschnur geuommell wird. Die charakteristischen Merkmale in dieser Hinsicht, nämlich in Hinsicht der Kompctenzbestimmung, sind alle äußer­ lich erkennbar, z. B. Kauf und Verkauf von Waaren in derjelligen Gestalt, in welcher sie im Großhandelsverkehre zirkulireli; Waarengeschäfte durch Mäklerschlußuote; Verkehr mit Wechseln und indossablen Papieren, mit Staats- nlld sonsti­ gen Werthpapieren, welche für den Handelsverkehr bestimmt sind; alle zilm Seeund Frachtverkehre gehörigen Geschäfte u. dergl. (Vergl. Zusammenstellung der Erinnerungen zur dritten'Lesung, Nr. 254.) ' Diese und ähnliche materielle mit) erkennbare' Kriterien dürsten alle als Kennzeichen des im H.G.B. ausgestellten Merkmals für die absoluten Handelsgeschäfte gelten. (2. A.) Vergl. oben, Anm. 20 zu Art. 10. 5) Die Worte: „in Natur — Verarbeitung" sind eingeschaltet, um den Fabrikanten mit zu begreifen. Um aber den bloßen Handwerksbetrieb, der nach dem Wortlaute mit betroffen wird, erkennbar auszuschließen, ist nach mehrereil Erörterungen schließlich die Bestimmung des Abs. 3, Art. 273 getroffen. (Prot. S. 51-3, 514, 1299, 1424.)

6) Die Gegenstände müssen zU dem Zwecke, um sie zu liefern, „angeschafft" werden, d. h. derjenige, welcher eine Lieferung unternehmen will, muß sie dazu ankaufen, ertauschen oder sonst von einem Dritten erwerben, wenn die Lleferung ein objektives Handelsgeschäft sein soll. In diesem Sinne hatte der preuß. Ent­ wurf Art. 212, Abs. 2 die nämliche hier- beibehaltene Fassung. Auf die Zeit der Anschaffung kommt nichts an; es ist gleichgültig, ob die Anschaffung erst nach abgeschlossenem Lieferungskontrakt geschieht, oder ob die Gegenstände in Voraus, behufs Uebernahme von Lieferungen, wozu sich später Gelegenheit finden möchte, allgeschafft silld. Diese Begriffsbestimmung wurde nicht allseitig gut gefmldeil. Ein Mitglied schlug die Fassung vor: ,;die'Uebernahme einer Lieferung von Waa ­ ren oder anderen beweglichen Sachen zu handelsgewerblichem Zwecke". (Protok. S. 519.) Hierdurch waren einerseits alle Arten der Anschaffullg der zu liefern­ den Waaren umfaßt, und andererseits wurde die Eigenschaft eines Geschäftes als eines Handelsgeschäftes davon abhängig gemacht, daß die Lieferung zll Handels-

452

Viertes Buch.

Erster Titel.

3) die Uebernahme7) einer Versicherung gegen Prämie»); zwecken statt habe, während der Entwurf nur von der Anschaffung zum Zwecke der Lieferung, also von der Intention des Liefernden bei der Anschaffung, sprach und es dahin gestellt sein ließ, welchen Zweck der Empfänger mit der Erwerbung beabsichtige. Ein Anderer aber schlug vor, folgende Fassung anzunehmen: „das Versprechen der Lieferung von Waaren oder anderen beweglichen Sachen, welche der Verkäufer zu diesem Zwecke anschafft, selbst produzirt oder fabrizirt (oder erzeugt)". Hierdurch war also zwar die Absicht, welche der Liefernde mit der Anschaffung ver­ bunden hatte, mit zum Merkmale des Begriffs gemacht, aber jede Art von An­ schaffung zu dem beabsichtigten Zwecke freigestellt worden. Zur Begründung des Vorschlages bemerkte der Antragsteller, es sei kein innerer Grund gegeben', die Lieferungsgeschäfte nur dann als kaufmännische Geschäfte zu bezeichnen, wenn der Liefernde die zu liefernden Waaren künftig erst kaufe, und nicht auch dann, wenn er sie selbst produzire. Aus dieser Unterscheidung, welche allerdings auch der Auffassung des französischen Rechts entspreche, seien schon mehrfache Uebel­ stände hervorgegangen. Allbekauut sei z. B. der Aufschwung, den in der jüngsten Zeit die Landwirthschaft genonunen habe; viele größere Gutsbesitzer hätten letzt auf ihrem Gute eine Sp'ritfabrik rc. Die Verwerthung der landwirthschastlichen Produkte werde in Folge hiervoll nicht selten in kaufmännischer Weise betrieben. Der Gutsbesitzer schließe z. B. uicht selten im Friihjahre mit einem Kaufmanne einen Lieferungsvertrag auf einen, seiner muthmaßlichen Produktion entsprechenden Betrag von Früchten, Wolle, Branntwein rc. ab, um den Vertrag mit seinen Produkten seiner Zeit zu erfüllen. Der Gutsbesitzer entnehme darauf oftmals eine beträchtliche Abschlagszahlung, die ihm wieder in seinem Geschäftsbetriebe zu Gute komme. Es sei nun nicht äbzusehen, warum ein solches Geschäft nickt für ein Lieferungsgeschäft geachtet werden solle, während es diesen Charakter erhalte, wenn der Gutsbesitzer die zu liefernden Produkte von seinen Nachbarn zusammenkaufe. Gleichwohl habe man bisher diese Geschäfte nicht als Handelsgeschäfte ansehen können, und in Folge hiervon hätten die Gutsbesitzer gegen den Kaufmann alle Vortheile der Beurtheckung des Geschäftes als eines Handelsgeschäftes gehabt, wäh­ rend man gegen sie, wenn sie z. B. bei hohen Preisen nicht hätten erfüllen wol­ len, auf dem langwierigen Wege des gewöhnlichen Civilprozesses habe auftreten müssen. — Man war jedoch mehrseitig der Meinung, daß man die beantragte Ausdehnung des Begriffes voll Handelsgeschäften nicht annehmen könne, da es kaum ein Mittel gebe, die Wirkuilgell eines solchen Verfahrens auf den großen Verkehr des Äaufiuannes mit dem Gutsbesitzer zu beschränken, wo es wohl am Platze sein möge, lind zugleich dieselben von den Heinen Bauern ferne zu halten, für welche sie wegen der damit verbundenen Spekulation verderblich werden könn­ ten. Man lehnte hierllach die Vorschläge ab und nahm die Redaktion des Ent­ wurfs an. (Prot. S. 516 — 518.) Bei der Klageaufstellung muß nun i) die Anschaffung der Gegenstände (Kauf, Eintausch, Allleihe rc.) vor oder nach Abschluß des Lieferungskontraktes, und 2) die Absicht des Liefernden dabei, daß er dieselben liefern wolle, behauptet werden. Dessen bedarf es in dem Falle nicht, weml auch die Abnahme (der Abkaus) nach Nr. 1 ein objektives Handelsgeschäft ist. Vergl. Anm. 11, Abs. 3. 7) Die Uebernahme, nicht auch das Nehlnen. Nur bei den Uebernahmen von Versicherungen auf Prämie, und zwar bei allen, was auch immer der Ge­ genstand derselben sein mag, trifft das Kriterium der Spekulation mit fremder Gefahr zu, uud in dieser' Spekulation» liegt der handelsrechtliche Charakter der Versicherullgen, weshalb man sie als Handelsgeschäfte betrachtet hat. Mit Rück­ sicht hierauf wurde der beantragte Zusatz: „soweit sie Gegenstand dieses Handels­ gesetzbuches siud", abgelehnt. Wenn man den beantragten Zusatz annehme, sagte man, so werde man genöthigt, alle diejenigen Arten von Bersichernngsgeschäften im Handelsgesetzbuche' zu behandeln und besondere Bestimmungen über dieselben aufzunehlnen, welcke man als Handelsgeschäfte angesehen wissen wolle, obschon hierzu nicht immer ein zureichender Grund vorhanden sein werde. (Prot. S. 1290.)

8) Versicherullgen, welche auf Gegeuseitigkeit beruhen, sind nicht Handelsge­ schäfte. Es giebt auch Versicherungsanstalten,' welche zwar auch auf Prämienzah-

Begriff der Handelsgeschäfte.

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4) die Uebernahme der Beförderung von Gütern oder Reisenden

zur See und das Darleihen gegen Verbodmung 9). lungen, aber im Grunde doch auf einer Art von Gegenseitigkeit beruhen, indem der sich schließlich ergebende Gewinn unter die Versicherten vertheilt wird. Diese sollten, nach der Meinung Einiger, nicht hieher gehören. Dagegen wendete man ein, bei. all en Uebernahmen von Versicherungen auf Prämie'treffe das Krite­ rium der Spekulation mit fremder,Gefahr zu.' Deshalb hatte die Erinnerung keine, Folge. (Prot. S. 1290.) (2. A.) Die auf Gegenseitigkeit beriihenden Versicherungsgesellschaften sind mithin als Handelsgesellschaften im Sinne des Handelsgesetzbuches nicht anzusehen und können solgeweise auf das Privilegium des Art. in keinen Anspruch machen, wonach Handelsgesellschaften unter ihrer Firma als sogenannte moralische oder­ juristische Personen im Sinne der Rechtstheorie Rechte' erwerben und Verbindlichkeften eingehen, Eigenthum und aridere dingliche Rechte an Grundstücken er­ werben, vor Gericht klagen und verklagt werden dürfen. Erk. des Obertr. vom 27. Mai 1805 (Arch. f. Rechtsf. Bd. lviii, S. 327). 9) Unten, Buch V, Tit. 5, 6 it. 7. — Die endgültige Feststellung dieses Satzes ist erst am Schlüsse der dritten Lesung geschehen. Im Entwürfe ans zweiter Lesung lautete derselbe unter Vorbehalt der endgültigen Feststellung: „die Geschäfte, welche sich auf die Rhederei, die Verfrachtung von Seeschiffen oder die Bodmerei beziehen". Die Redaktionskommission schlug zur Erledigung dieses Vor­ behalts folgende Fassung vor: „die Verfrachtung eines Seeschiffes zur Beförde­ rung von Gütern oder Reisenden und das Darleihen gegen Verbodmung". Zur Erläuterung des Vorschlages wurde bemerkt: Unter „Rhederei" habe man früher den Geschäftsbetrieb des Rheders verstanden. Diese Ausdrucksweise könne nicht beibehalten werden, da nach Seerecht mit deni Worte „Rhederei" das Verhältniß bezeichnet werde, welches dann vorliege, wenn mehrere Persoiien ein ihnen ge meinschaftlich gehörendes Schiff zum Erwerbe durch die Seefahrt verwendeten (Art. 456). Ferner sei der Ausdruck „sich beziehen" viel zu nnbestimnit (Art. 273, Abs. 1) und feine Beibehaltung ziehe die Gefahr herbei, daß eine Menge von Ge­ schäften unter die Handelsgeschäfte eüigereiht würden, bei deiien es äußerst gewagt sein würde, so weit zu gehen. Es sei zwar unbedenklich, alle in das Seerecht einschlagenden Geschäfte für Handelssachen int Sinne des Art. 1 zu erklären (vgl. den neuen preuß. Entwurf bezüglich der Handelsgerichtsbarkeit Art. 48, Nr. 6 bis 9); allein hierüber bedürfe es bei der Vollständigkeit des Seerechts keiner be­ sonderen Bestimnlung mehr, nachdem die Versammlung die Meinung ausgespro­ chen habe, daß alle Geschäfte, worüber das H.G.B. Bestimmungen'treffe', ohne Zweifel auch als Handelssachen anzusehen feien. Dagegen könne inan wegen der Konsequenzen , welche die Eigenschaft eines Geschäftes als Handelsgeschäft ucidj sich ziehe (Qualität des Kaufmanns, Solidarhaft, Sorgfalt eines ordentlichen Kauf manns, Zinsberechtigung u. a. m.), diese Eigenschaft' einzelnen Geschäften nur mit größter Vorsicht beilegen. Zwar werde man das Frachtgeschäft in feinen verschie­ denen Formen und Arten, ferner die Geschäfte, welche, wie der Ankauf der Aus­ rüstungsgegenstände re., zum Geschäftsbetriebe des Rheders gehörten, und zwar in Konsequenz des Art. 271, Abs. 1 und in Konsequenz des Umstandes, daß die Uebernahme einer Versicherung gegen Prämie zu den Handelsgeschäften gezählt worden, die Bodmerei auf Seiten des Bodmereigebers unbedenklich für Handels­ geschäfte erklären können. Dagegen erscheine es nicht angemessen, noch weiter zu gehen. Der Schiffervertrag und der Heuervertrag seien nicht als Handelsgeschäfte änzusehen. wenn man mcht Schiffer und Mannschaft zu Kaufleuten machen wolle; die Geschäfte des Schiffers als solchen könne man auch um deswillen nicht als Handelsgeschäfte ansehen, weil der Schiffer dabei nicht für eigene Rechnung, sondern im Namen der Betheiligten abschließe, und demnach für dre Entscheidung der Frage: ob ein Handelsgeschäft vorliege, oder nicht, der Inhalt des Vertrages und die'Eigenschaft desjenigen, für welchen das Geschäft abgeschlossen worden, maßgebend sei. Bei Verträgen über Bergung und Hülfeleistung liege keines von denjenigen Momenten vor, durch welche sonst die Eigenschaft eines Geschäfts als Handelsgeschäfts bedingt sei, man könne deshalb ebenso wenig diese, als den Rhe-

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Art. 272. Handelsgeschäfte sind ferner die folgenden Geschäfte, wenn sie gewerbemäßig9a) betrieben werden ^): dereivertrag, den Anstellungsvertrag des Korrespondentrheders u. dgl. für Han­ delsgeschäfte erklären. Bezüglich des Rhedereivertrages re. würde dies um so we­ niger thunlich sein, als bei der Rhederei in einer großen Zahl von Fällen geschäftsunerfahrene und dem Handelsverkehre ganz ferne stehende Personen in Frage kämen. Ebenso verhalte es sich mit der Veräußerung des Schiffs, soferne sie nicht unter den Geschäftsbetrieb eines Kaufmanns oder'Rheders als solchen falle, oder der Ankauf zum Zwecke der Wiederveräußerung geschehe; man könne z. B.

gewiß kein Handelsgeschäft annehmen, wenn die dem Handelsstande nicht ange­ hörigen Erben eines Rheders das Schiff einem Dritten verkauften, der es zer­ schlagen wolle, um das Material zu einem Hausbaue zu verwenden u. dgl. — Der Abg. für Bremen beantragte, zunächst die Fassung der Ziff. 4 in der Weise zu ändern, daß auch die Frachtgeschäfte, welche derjenige abschließe, der das Schiff für sich im Ganzen gechartert habe und dasselbe auf Stückgut anlege, oder zum Passagiertransport (Aüswanderertransport) verwende oder in anderer Weise weiter verfrachte, als Handelsgeschäfte erschienen, weil diese Geschäfte nicht als Verfrachtung eines Seeschiffs angesehen werden könnten und somit durch die jetzt vorgeschlagene Fassung nicht gedeckt würden. Sodann beantragte derselbe, auch die Rhedereigeschäfte, d. h. diejenigen, welche der Rheder mit Dritten schließe, aus­ drücklich für'Handelsgeschäfte zu erklären. Ilm einerseits dem ersten dieser Anträge entgegenzukommen, andererseits aber zu verhindern, daß auch schon die Befrachtmig eines Seeschiffs als solche als Handelsgeschäft angesehen werde, wurde statt: „die Verfrachtung — Reisenden", zu setzen beschlossen: „die Uebernahme der Be­ förderung von Gütern oder Reisenden zur See"; der zweite Antrag hingegen wurde mit Bezug auf die obigen Ausführungen abgelehnt. — Auch der Antrag, statt: „das Darleihen gegen Verbodmung"', zu setzen „Bodmereiverträge", um auch das Nehmen der Bodmerei als Handelsgeschäft zu bezeichnen, wurde wegen der Konsequenz der bei den übrigen Ziffern dieses Art. beobachteten Prinzipien für unzulässig gehalten und abgelehnt. (Prot. S. 5116 ff.)

9 a) Ein Mitglied der Versammlung regte an, ob es nicht angemessen sei, im Gesetze festzustellen, was in demselben unter dem Ausdrucke „gewerbsmäßig" verstanden werde, ob dazu erfordert werde, daß Jemand aus dem Betriebe eines solchen Geschäfts einen Nahrungszweig mache, oder ob es genüge, wenn das Ge­ schäft sehr häufig betrieben werde, oder wenn Jemand ein einzelnes Geschäft in vielen, längere Zeit hindurch fortgesetzten Handlungen erledige, z. B. wenn er den Verkauf eines selbstverlegten Bilches besorge. Darauf wurde nicht weiter einge­ gangen, da man die Äufstellung einer zutreffenden allgemeinen Begriffsbestim­ mung für unthunlich, den Ausdruck „gewerbsmäßig" für populär genug hielt, nm eitler richtigen Anwendung in einzelnen Fällen versichert sein zu können. (Prot. S. 1306.') — Der Ausdruck kommt in verschiedenen Bestimmungen öfter vor, namentlich dreimal im A. L.R. 1) im §. 266, I, 20; 2) im §. 310, II, 20, wiederholt in der Steuerordnung v. 26. Mai 1818, §. 114 (G.S. S. 102), und 3) im §. 706, II, 20. In allen drei Fällen ist der Begriff nicht definirt. Beim erstell Falle, betreffend die unerlaubte Geldleihe auf Pfänder, wird eine dreimalige hi einem Jahre, in dem zweiten Falle, betreffend die Schmuggelei, wird eine zweimalige Unternehmung des Geschäfts als Merkmal der Gewerbsmäßigkeit be­ zeichnet; im dritten Falle, betreffend die Medizinalpfuscherei, fehlt eine ähnliche Bestimmung. Eine Begriffsbestimmung ist versucht in dem Entwürfe des Straf­ rechts von 1829 bei der gewerbsmäßigen Begünstigung von Verbrechen im §. 110 des Allg. Theils; hier war das Kriterium, „daß sie in der Regel Jedem ohne Unterschied gewährt würde", und dies wurde in den Motiven Bd. I, S. 141, 142 für alle Fälle der Gewerbsmäßigkeit, mit oder ohne Gewinnsucht, als das allein unterscheidende Merkmal behauptet. (Goltdammer, die Materialien zuul Strafgesetzbuchs Bd. II, S. 305.) Das Kriterium ist unannehmbar. Das wahre Kriterium ist die Absicht, das betreffende Geschäft, wenn sich dazu Gelegen-

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1) die Uebernahme der Bearbeitung oder Verarbeitung beweglicher

Sachen für Andere, wenn der Gewerbebetrieb des Ueberneh-

mers über den Umfang des Handwerks hinausgeht heit findet, als Mittel zum Erwerbe des ganzen oder theilweisen Unterhalts, kor­ rekter ausgedrückt, als Mittel zum Vermögenserwerbe aebrauchen zu wollen. Die praktische Schwierigkeit liegt in der Feststellung der Thatsache, da die Absicht äußerlich nicht wahrnehmbar ist. Deshalb hatte das A. L.R., in richtiger Auf­ fassung der Sache und in der grundsätzlichen Geringschätzung des richterlichen Verstandes, gewisse Wiederholungen als Beweis für das Vorhandensein der Ab­ sicht, dem voraussichtlich einfältigen Richter vorgeschrieben. Daö H.G.B. hat ein besseres Vertrauen zur Urtheilskraft des Richters und stellt es dessen Ueberzeu­ gung anheim, ob Gewerbsmäßigkeit vorliege, oder nicht. Schon tue erste Unter­ nehmung kann eine gewerbsmäßige sein. 10) Hierdurch werden die bezeichneten Geschäfte, die an sich keine Handels­ geschäfte sind, subjektive Handelsgeschäfte. 11) Alsdann ist es Fabrikation. Den Begriff des Handwerksbetriebes hat man dahin definirt: „Handwerksbetrieb liegt vor, insoweit die Handarbeit den vor­ herrschenden Faktor der Wertherzeugung bildet". (Prot. S. 514.) Also ein Handwerker ist der, welcher mit der Hand wirkt, um ein Werk herzustellen. Auch dieses Merkmal ist nicht mehr minier unterscheidend, die Grenzen zwischen Handwerker und Fabrikanten verschwimmen öfter. Wie ist eö z. B. mit einem Schneider, welcher mit Maschinen zuschneidet und nähet, aber die Maschinen durch seine Kräfte in Bewegung setzt? Da könnte man die Bewegung und Be­ dienung der Maschine noch als „den vorherrschenden Faktor der Wertherzeugung" ansehen. Aber wenn er einen Schritt weiter geht und seine Körperkraft durch ein s. a. Lokomobile ersetzt? Man kann nur nach der Beschaffenheit des einzel­ nen besonderen Falles urtheilen. (2. A.) Das Obertr. hat in dieser Beziehung angenommen, daß die Feststellung darüber: ob der Betrieb eines Gewerbes über den Umfang des Handwerks hinausgehe und daher Handelsgeschäfte zum Gegen­ stände habe, nicht unbedingt auf den Nachweis des jährlichen Betriebes im Gan­ zen beschränkt sei; sie möglicher Weise auch bereits auf Grund einzelner Fälle er­ folgen könne. Erk. vom 14. Juni 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LVI, S. 70). — Den Vertrag, wodurch ein Fleischer von einem Gastwirthe Vieh .einkauft, hat dasselbe für ein Handelsgeschäft nicht anerkannt und daher bei einem Objekte von über 50 Thlr. ohne schriftliche Abfassung für unverbindlich erklärt. Erk. vom 15. März 1866 (Entsch. Bd. LVI, S. 302). Das Müllergewerbe kann namentlich in einzelnen Fällen Zweifel veranlas­ sen. Im Allgemeinen ist zu unterscheiden die Lohnmüllerei und die Handels­ müllerei. Die alte Lohnmüllerei, welche bekanntlich in dem Vermahlen des von Mahlgästen zuaeführten Getreides gegen Lohn besteht, geht über den Umfang des Handwerks nicht hinaus. Die in neuerer Zeit, erst nach Aushebung des Mahl­ zwanges entstandene s. g. Handelsmüllerei muß wohl ohne Zweifel zu den Han­ delsgeschäften gezählt werden. Denn sie besteht darin, daß der Müller, neben einer meistens unbedeutenden Lohnmüllerei, Getreide aufkauft und zu dem Zwecke vermahlt, um die Mühlenfabrikate en gros und en detail zu verkaufen. Zwi­ schen beiden Klassen findet sich eine Mittelklasse, die hauptsächlich Lohnmüllerei treibt, aber doch nebenbei, um die Mühle zu beschäftigen, auch gekauftes Getreide zum Verkaufe und Umtausche der daraus gewonnenen Fabrikate vermahlt. Diese Nebenbeschäftigung kommt in einem so sehr verschiedenen Umfange vor, daß sich kaum bestimmen läßt, wo das Gewerbe anfängt ein Handelsgewerbe zu sein. Der Verkauf oder Vertausch von Mühlenfabrikaten kann gar nicht entscheiden, denn jeder Müller verarbeitet sein verdientes Metzgetreide und macht dasselbe durch Verkauf der Fabrikate zu Gelde. Ein bisweilen vereinzelt vorkommender Ankauf von kleinen Getreidemengen kann den Müller auch noch nicht zu einem Kauf­ manne machen; denn ein Müller, welcher seine Mahlgäste nach deren Verlangen prompt bedienen will, muß in der Lage sein, einem Mahlgaste, der auf das Vermahlen seines zugeführten Getreides nicht warten kann, sofort Mehl dafür zu

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2) die Bankier- oder Geldwechslergeschäste; geben: das gehört zum Betriebe des Müllergewerbes. Bei dieser Klasse muß da­ her bei jedem Einzelnen im Fragefalle besonders festgestellt werden: ob sein Ge­ werbebetrieb als Handelsgewerbe zu betrachten sei, und dabei muß doch bestim­ mend sein: ob er Getreiüeeinkäufe macht, um das Mehl rc. davon zu verkaufen. Dieses festzustellen wird oft schwierig sein. Das Gesagte erinnert an die 'Produzenten, namentlich an die Landwirthe, welche ihre landwirthschaftlichen Erzeugnisse zu Ganz- oder Halbfabrikaten umaestalten und in dieser Gestalt verkaufen, also die Verarbeitung eigentlich für An­ dere unternehmen, und man könnte deshalb versucht sein, solche Landwirthe in die Kategorie der Nr. 1 zu bringen. Indeß ist der Grundsatz angenommen wor­ den, den Produzenten vom Gebiete des Handelsrechts auszuschließen. Dennoch kann ein Landwirth, welcher z. B. einen großartigen Betrieb von einer Zucker­ fabrik , Stärkefabrik rc. hat, aus anderen Gründen zu den Kaufleuten zu zählen sein, deshalb nämlich, weil ein solcher nur selten würde durchkommen können, wenn er zu seinen Zwecken nicht Ankäufe machte. Alsdann würde er als Kauf­ mann erscheinen. (Bergl. Prot. S. 1292.) (2. A.) Der Betrieb einer Fabrik ist an sich kein Handelsgeschäft (Art. 4). Der Fabrikant wird nur dadurch zum Kaufmanne, daß er Waaren oder andere bewegliche Sachen zur Bearbeitung oder Verarbeitung in seiner Fabrik einkauft oder'anderweitig anschafft (vergl. Anm. 2 a. E. zu Art. 271), oder gewerbmäßig die Bearbeitung oder Verarbeitung beweglicher Sachen für Andere übernimmt (Art. 272, Nr.'i). Verordnung des königl. Sächsischen Justizministers v. 21. Fe­ bruar 1852 (Siebenhaar, Ärch., Bd. XI, S. 431). Steinbruchs- und Kalkwerksbesitzer als solche gehören nicht zu den Kauf­ leuten und sind »nicht in das Handelsregister einzutragen. Denn die Veräuße­ rung selb st erzeugter Produkte gehört nicht zu den Handelsgeschäften. Der Produzent soll nach der Absicht des Gesetzes von dem Gebiete des Handels­ rechts ausgeschlossen sein. Hiergegen wurde zwar bemerkt, daß dies durchgängig nicht richtig sei, so z. B. gewiß nicht bezüglich der vielen großartigen Berg- und Hüttenwerke. Von einem anderen Mitglieoe wurde darauf hinaewiesen, daß man wohl unterscheiden müsse zwischen dem Falle, in welchem der Produzent lediglich zum eigenen Bedarfe seine landwirthschaftlichen Erzeugnisse zu Ganz- oder Halb­ fabrikaten, z. B. sein Getreide zu Mehl, seine Runkelrüben zu Mehliszucker um­ gestalte, und zwischen dem Falle, wo er seine Erzeugnisse gewerbmäßig für dritte Personen verarbeite. Im zweiten Falle und z. B. insbesondere bei dem groß­ artigen Betriebe von Runkelrübenzucker-Fabriken, welche die auf eigenen, aus­ gedehnten Landgütern erzeugten Runkelrüben verarbeiteten, sei der gewerbmäßiae Betrieb solcher Fabriken offenbar ein Handelsgeschäft und mache es fiir die Pro­ duzenten sehr Wünschenswerth, daß die Bestimmungen des H.G.B. auf dieselben augewendet würden. Deshalb wurde beantragt, hierüber eine Bestimmung auf­ zunehmen. Es machte sich jedoch die Erwägung geltend, daß man, wenn der Produzent im Allgemeinen hier erwähnt würde, weit über die richtige, dem Han­ delsrechte gesteckte'Grenze hinausgehe, indem dann jeder Oekonom rc. in das Handelsrecht gezogen würde, daß aber auf der anderen Seite eine sichere Unter­ scheidung zwischen großartiger und geringfügiger Produktion auszustellen ganz un­ möglich sei, und daß die Hauptfälle großartiger Produttion aus anderen Grün­ den unter das Handelsrecht fallen würden, weil die Produzenten, ohne zu ihren Zwecken Ankäufe zu machen, nur selten durchkommen könnten, so daß sie mit Rücksicht hierauf als Kaufleute erscheinen würden. Der erwähnte Anttag wurde hierauf nicht weiter verfolgt. (Prot. S. 1291, 1292.) (2. A.) Der Antrag, statt: „über den Umfang des Handwerks hinausgeht", zu setzen: „fabrikmäßig", fand keine Unterstützung, es wurde vielmehr gegen den­ selben bemerkt, der Fabrikbetrieb werde schon unter Ziffer 1 des Art. 271 begrif­ fen; hier seien dagegen solche Geschäfte bezeichnet, bei welchen die zu bearbeiten­ den Sachen nicht von dem Unternehmer angeschafft, sondern ihm übergeben und von ihm bearbeitet würden, bei welchen also dieselben Sachen zurückgegeben wür­ den, die der Unternehmer erhielt, bei welchen, wenn auch im Großen, um Lohn

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3) die Geschäfte des Kommissionärs (Art. 360)12), des Spediteurs und des Frachtführers, sowie die Geschäfte der für den Trans­ port von Personen bestimmten Anstalten 13); 4) die Bermittelung oder Abschließung 14) von Handelsgeschäften gearbeitet werde und bei denen der Ausdruck „Fabrik" nicht gebräuchlich sei, z. B. Färbereien, Bleichen, große Kattundruckereien, Appreturanstalten. (Prot. S. 530, 531.) Auch Walk- und Schleifmühlen, Glasschlcifereien rc., welche in großarti­ gem Umfange betrieben werden, gehören hierher. 12) Durch Allegirung des Art. 360 soll ausgedrückt werden, daß es sich hier nur um das kaufmännische Kommissionsgeschäft handle, damit die Ziffer 5 nicht irrthümlicher Weise auch auf solche Ünterhändler bezogen werden könne, welche an manchen Orten zwar gleichfalls Kommissionäre genannt würden, deren Geschäfte jedoch dem Handel völlig fremd seien. (Prot. S. 1293.) 13) Im Vorschläge (diese Bestimmungen sind erst in der zweiten Lesung aus der Versammlung hervorgegangen) hieß der letzte Satz: „sowie die Uebernahme des Transports von Personen". (Prot. S. 1264.) Diese Worte, also die ganze Bestimmung in Betreff des Personentransports wurde in der Erörterung zu strei­ chen beantragt, weil sie zu weit gehe, indem nach ihr jeder Lohnkutscher als Kaufmann und seine Geschäfte als Handelsgeschäfte angesehen werden müßten; weil ferner ein Bedürfniß für Aufnahme einer solchen Bestimmung selbst nicht einmal durch die Rücksicht auf großartigere, zum Transport von Personen be­ stimmte Unternehmungen begründet werde. Von anderen Seiten wurde aber die Meinung vertreten, die Worte, deren Streichung verlangt worden, seien aller­ dings im Hinblicke auf die vielen großen Unternehmungen unentbehrlich, welche zum Zwecke des Transp^es von Personen, namentlich von Auswanderern, ge­ gründet und so umfassend seien, daß sie nach allgemeiner Auffassung als Han­ delsunternehmungen angesehen würden. Selbst für minder großartige Unterneh­ mungen des Personentransportes, für Omnibus-, Droschken- und dergleichen Unternehmungen hielten mehrere Mitglieder die beantragte ^Bestimmung für an­ gemessen , da die ganze Einrichtung solcher Geschäfte, z. B. bezüglich der Billete, mit dem Wesen des Handels Zusammenhänge, mit den handelsrechtlichen An­ schauungen übereinstimme und die Anwendung der gewöhnlichen Civilgesetze, z. B. der Gesetze über die schriftliche Errichtung von Verträgen, unmöglich mache. — Um dem Bedenken, daß die Bestimmung zu weit gehe und and) die Lohnkutscher umfasse, abzuhelfen, wurden verschiedene Vorschläge gemacht. Darunter ging der eine dahin, die Worte einzuschalten: „in periodisch wiederkehrenden Fahrten". Dagegen machte sich die Meinung geltend, daß diese Fassung theils zu enge sein würde, indem sie auf den Seetransport nicht überall passe, theils immer noch zu weit wäre, indem sie auck) auf gewöhnliche Omnibusfahrten Anwendung leiden, also immer wieder ganz geringe Geschäftsleute treffen würde. Ein anderes Mit­ glied schlug dagegen aus demselben Grunde folgende Fassung vor: „sowie die Ge­ schäfte der für den Transport von Personen bestimmten Anstalten". Hiergegen

wurde zwar eingewendet, die Abgrenzung durch das Wort „Anstalt" sei viel zu unbestimmt, um nicht viele Streitigkeiten hervorzurufen; indessen war man an­ dererseits der Meinung, das gedachte Wort weise nicht nur auf einen größeren Umfang des Betriebes, sondern auck) auf eine mehr kaufmännische Betriebsart bin, und biete somit dem verständigen richterlichen Ermessen einen genügenden Anhaltspunkt. Demzufolge wurde bie Fassung angenommen und liegt als Gesetz vor. (Prot. S. 1293, 12*94.) Aus dieser Entstehungsgeschichte erhellet der Sinn, in welchem die Bestimmung getroffen worden ist; das verständige Ermessen des Richters, auf welches der Gesetzgeber sich beruft, wird in jedem vorliegenden Falle die Begrenzung zu finden und danach den Streit zu entscheiden wissen.

14) Die Worte „oder Abschließung" sind eingeschaltet, um das mögliche Miß­ verständniß zu entfernen, als solle die* „Vermittelung" lediglich auf die* Thätigkeit der Mäkler fick) beziehen und die Abschüeßuna von Verträgen in fremdem Namen (die Thätigkeit der Agenten) nicht mit umfassen. (Prot. 'S. 1295.)

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für andere Personen ,4a); die amtlichen Geschäfts der Handels­ mäkler") sind jedoch hierin nicht einbegriffen; 5) die Verlagsgeschäfte, sowie die sonstigen 1* 6*)17 *Geschäfte * 18 * 15 des Buch­ oder Kunsthandels; ferner die Geschäfte der Druckereien, sofern nicht ihr Petrieb nur ein handwerksmäßiger") ist. Die bezeichneten Geschäfte sind auch alsdann Handelsgeschäfte, wenn sie zwar einzeln, jedoch von einem Kausmanne im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerichteten Handelsgewer­ bes gemacht") werden. Art. 273. Alle einzelnen Geschäfte eines Kaufmannes, welche zum Be­ triebe seines Handelsgewerbes gehören19), sind als Handelsgeschäfte anzusehen. 14») (2. A.) Ein Kaufmann, welcher gewerbsmäßig, aber ohne Annahme des amtlichen Charakters eines Handelsmäklers, die Vermittelung oder Abschlie­ ßung von Handelsgeschäften für andere Personen betreibt, bedarf dazu nicht der polizeilichen Konzession oder Erlaubniß. Erk. des Obertr. vom 7. Septbr. 1865 (J.M.Bl. S. 226). 15) Die Bestimmung unter Ziffer 4 soll sich nicht auf die verpflichteten Mäkler beziehen, von welchen man nicht sagen kann, daß sie mit ihren Funktio­ nen ein Gewerbe treiben, sondern hauptsächlich nur auf die an manchen Orten vorkommenden nicht verpflichteten Vermittler, welche theils Agenten, theils un­ eigentlich Kommissionäre genannt zu werden Pflegen. Um dieses auszudrücken, lautete der Gesetzesvorschlag: „die „„nicht amtliche"" Vermittelung" re. Die Worte „nicht amtliche" wurden jedoch in der zweiten Lesung gestrichen, weil Ulan das bezüglich der Mäkler erhobene Bedenken nicht für begründet hielt und der Meinung war, daß ihre Geschäfte als Handelsgeschäfte angesehen werden müßten, und daß in dem Verbote, Handelsgeschäfte aus eigene Rechnung zu machen, kein Grund liege, auch die Vermittelungen derselben nicht als ein gerade ihnen oblie­ gendes Handelsgeschäft zu bezeichnen. (Prot. S. 1264, 1295.) In den Erinne­ rungen zur dritten Lesung wurde jedoch von Bremen die Ausschließung der amt­ lichen Vermittelungen wieder aufgenominen und von der Versammlung die Auf­ nahme des entsprechenden Zusatzes beschlossen. (Zusammenstellung rc. S. 43, Nr. 262.; Prot. S. 4560.)

16) Unter den „sonstigen" Geschäften ist auch der Sortimentsbuchhandel, der Verlag von Zeitungen, Journalen, Zeichnungen, Musikalien und Kunstwerken aller Art begriffen. (Ebd. S. 1296.)

17) Vergl. oben Anm. H zu Ziffer 1. 18) Die Worte: „im Betriebe seines gewöhnlich auf andere Geschäfte gerich­ teten Handelsgewerbes", sollen darauf Hinweisen, daß der Kaufmann die in Frage stehenden Geschäfte als Kaufmann gemacht haben müsse, um die Anwendung des Schlußsatzes zu rechtfertigen. Zur Unterscheidung, ob der Kaufmann als sol­ cher oder abgesehen von dieser seiner Eigenschaft ein Geschäft gemacht habe, werde es an den Kriterien selten fehlen, je nachdem das Geschäft z. B. im Komtoir, durch Handlungsbevollmächtigte rc. geschlossen, in die Handlungsbücher eingetra­ gen worden sei u. dgl. Der ganze Schlußsatz habe den bereits mehrfach (z. B. in der Lehre von der Prokura) zur Geltung gebrachten Gedanken als Grundlage, daß das Gewerbe eines Kaufmanns handelsrechtlich nicht auf eine gewisse Gat­ tung von Handelsgeschäften beschränkt werden könne. (Ebd. S. 1296.) Vergl. unten, die Anm. 48 zu Art. 378. 19) Von Seiten Hamburgs wurde zur dritten Lesung erinnert, daß nach

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Dies gilt insbesondere für die gewerbliche Weiterveräußerung der zu diesem Zwecke angeschafften Waaren, beweglichen Sachen und Werthpapiere, sowie für die Anschaffung von Gerathen, Material und anderen beweglichen Sachen, welche bei dem Betriebe des Ge­ werbes unmittelbar benutzt oder verbraucht werden sollen 20 * *).21 ***************** Die Weiterveräußerungen, welche von Handwerkern vorgenom­ men werden, sind, insoweit dieselben nur in Ausübung ihres Hand­ werksbetriebes geschehen, als Handelsgeschäfte nicht zu betrachten 2 *). diesem Artikel (vergl. Abs. 2) auch der Verkauf des Detailisten an den Konsu­ menten, desgleichen die Anschaffung von beweglichen Sachen zum Betriebe des Gewerbes (also auch z. B. eines Komptoirpultes) ein Handelsgeschäft sei. Beides müsse durchaus abgelehnt werden, wofern von einer materiell verschiedenen Rechts­ beurtheilung der Handelsgeschäfte und Nichthandelsgeschäfte die Rede sein solle. Und von Seiten Hessens (Großherz.) wurde erinnert: Der Detailverkauf dürfte vom Begriffe des Handelsgeschäfts zu exeerniren sein, aus den Gründen, die da­ für in den Verhandlungen angeführt seien. (Zusammenstellung rc. S. 43, Nr. 263, 264.) Diese Erinnerungen wurden jedoch zurückgezogen (ebend. S. 93), und es blieb somit bei den in zweiter Lesung gefaßten Beschlüssen. Diese gingen schließ­ lich dahin, daß auch die Verkäufe eines Kaustnannes an den Konsumenten (De­ tailverkauf) , namentlich auch der s. g. Handverkauf im offenen Kram und Laden, als relative Handelsgeschäfte und somit gegen beide Kontrahenten nach Handels­ recht beurtheilt werden sollten. (Prot. S. 541 — 543.) Es fallen also die in jenen Erinnerungen hervorgehobenen Beispiele allerdings unter diesen Artikel, wie durch den in der allgemeinen Bestimmung des Abs. 1 enthaltenen Abs. 2 be­ stimmter ausgedrückt ist. Der Abs. 1 bezieht sich auf diejenigen Geschäfte, welche zwar nicht, wie die in den Artt. 271, 272 aufgeführten, den Anhaltspunkt für den juristischen Begriff eines Handlungsgewerbes' darbieten, aber doch aus irgend einem Grunde mit dem Betriebe eines einzelnen Handelsgewerbes konnex sind. Der Art. 273 enthält demgemäß eine ergänzende Klausel zu den einzelnen Auf­ zählungen des Art. 272, wobei es vollkommen angemessen ist, statt „eines Handelsgewerbes", wie früher im Art. 233 des Entwurfs der Redaktionskommis­ sion wegen des dort eingehaltenen Systems stand, zu setzen: „seines Handels­ gewerbes", weil es sich hier, im Art. 273, nicht mehr von dem am Schluffe des vorigen Artikels berührten Grundsätze, sondern von der Beurtheilung der in ei­ nem konkreten Handelsgewerbe geschlossenen einzelnen Geschäfte und Verträge han­ delt. (Prot. S. 1297.) (2. A.) Die Bestimmung des Abs. 1 umfaßt nicht bloß Geschäfte, welche ei­ nen unmittelbaren Güterumsatz zum Gegenstände haben, sondern auch Geschäfte, durch welche die zum Umsätze erforderliche Betriebsthätigkeit selbst vermittelt wird. Erk. des Obertr. vom 26. Februar 1867 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXVI, S. 238). Vergl. oben, Anm. 95, Abs. 2 zu Art. 61.

20) Dieser Absatz ist eine weitere Ausführung des im 1. Absätze festgestellten allgemeinen Grundsatzes. Vergl. die vor. Anm. und die nachfolgende. 21) Bei dem zweiten Absätze wurde nur daran Anstand genommen, daß die Bestimmung in ihrer Fassung auf viele Handwerker Anwendung finden und so die Beurtheilung der Geschäfte derselben nach Handelsrecht zur Folge haben werde, während doch im Grunde beim Handwerke das eigentliche Gebiet des Handels aufhöre und das der Arbeit beginne. So werde z. B. jeder Schuhmacher, der Schuhe von dem behufs ihrer Anfertigung angekauften Leder weiter verkaufe, un­ ter den Art. 273 fallen. Demgemäß erscheine eine Beschränkung des Artikels als unentbehrlich. Der beantragte entsprechende Zusatz wurde jedoch Anfangs abge­ lehnt, bei der späteren Wiederaufnahme aber in der Fassung, welche der dritte Absatz hat, angenommen. (Prot. S. 1299, 1424.) Vergl. Anm. 11. (2. A.) Ein Tuchmacher, welcher die Tuchmacherei mif 14 Stühlen betreibt, zur Klasse A. II der Gewerbesteuer veranlagt ist und die gewebten Tuche zur

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Art. 274. Die von einem Kaufmanne geschlossenen Verträge gelten im Zweifel *la) als zum Betriebe des Handelsgewerbes gehörig 22). Die von einem Kaufmanne gezeichneten Schuldscheine gelten als im Betriebe des Handelsgewerbes gezeichnet, sofern sich nicht aus denselben das Gegentheil erfliebt23 * *).* * * * * * * * 22 Messe befördert, ist nicht als bloßer Handwerker, sondern als Kaufmann anzu­ sehen. Erk. des Obertr. vorn 24. April 1866 (Archiv f. Rechtsf. Bd. LXII, S. 316). 21a) (2. A.) Die Worte: „gelten im Zweifel", bezwecken nur, demjenigen Kontrahenten, welcher dieser gesetzlichen Vermuthung entgegen behauptet, daß Der von dem Kaufmanne geschlossene Vertrag nicht zum Betriebe seines Handels­ gewerbes gehöre, den Gegenbeweis offen zu lassen, also der Annahme, daß es sich um eine praesumtio Juris et de jure handle, vorzubeugen. (Prot. S. 546, 1264, 1271 , 1297.) Erk. des Obertr. vom 17. Januar 1867 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXVII, S. 41). 22) Dieser Satz ist eine Anwendung des Grundsatzes Art. 273, Abs. 1 auf Verträge. Vergl. Abs. 2 der Anm. 19 zu Art. 271, Abs. 1. Man hat damit nicht bloß die 'nach Außen gerichteten Rechtsgeschäfte, die den eigentlichen Ge­ werbsbetrieb betreffenden Verträge, sondern auch manche, die bloße Vorbereitung und Ausführung solcher Verträge betreffenden Geschäfte hier erfassen wollen, wie z. B. die Frachtgeschäfte. Um einen solchen Zweck zu erreichen, werde man — wurde gesagt — keine Fassung finden, die scharf genug sei, um eine verständige Interpretation des Richters entbehrlich zu machen. (Prot. S. 546.) Ausge­ schlossen sollen sein solche Verträge, welche persönliche Angelegenheiten des Kauf­ manns und seiner Angehörigen betreffen. Hierüber hat m jedem vorliegenden Falle der Richter nach' seinem Ermessen zu befinden, wobei ihm die aufgestellte Beweisregel zu Hülfe kommt. (2. A.) Diese Vermuthung umfaßt auch die Wechselausstelmng seitens eines Kaufmannes. Erk. des Obertr. vom 21. Mai 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LIU, S. 266). Desgleichen die von einem Kaufmanne in Bezug auf ein Handelsgeschäft übernommene Bürgschaft, daher zu derselben die mündliche Form genügt. Erk. deff. vom 12. Januar 1867 (Entsch. Bd. LV1I, S. 360). Vergl. unten, Anm. 25» zu Art. 277, und Anm. 32 zu Art. 281. 23) Die Bestimmung bezweckt den Vortheil des Gläubigers: dieser soll das Recht haben, seine Forderung nach Handelsrecht beurtheilt zu sehen, ohne erst untersuchen zu müssen: ob das darzuleihende Geld wirklich in das Geschäft des Kaufmannes verwendet werde. Wo nicht offen eine andere Art von Darlehn vor­ liegt , soll der Gläubiger nicht nöthig haben, den Beweis zu führen, daß es ein kaufmännisches gewesen; hierfür soll die Vermuthung sprechen und der Kaufmann soll darthuji müssen, daß das Darlehn ein anderes gewesen fei. Dieser Gegen­ beweis ist ihm sogar nur durch ein Mittel, nämlich durch den Inhalt des Schuld­ scheins zu führen nachgelassen. Hiergegen wurde zwar bemerkt, es sei kein zu­ reichender Grund Vorhänden, um die Schuldscheine der Kaufleute, die doch nichts anderes als urkundliche Beweismittel über die von denselben geschlossenen Darlehns- und anderen Verträge seien, also die schriftlich abgeschlossenen Verträge anders zu behandeln, als deren mündlich geschlossene Verträge. Man könne nicht absehen, warum ein Darlehen, welches ein Kaufmann zum Zwecke einer Ver­ gnügungsreise ohne Schuldschein entnehme, nach dem gewöhnlichen Civilrechte und ein zu gleichen: Zwecke entnommenes Darlehn, für welches eine Urkunde ohne Angabe dieses Zweckes ausgestellt wurde, nach Handelsrecht sollte beurtheilt wer­ den, obschon der Darleiher in beiden Fällen den erwähnten Zweck kenne. Deshalb wurde beantragt, die Worte: „sofern sich nicht aus denselben das Gegentheil ergiebt", zu streichen und einzuschalten: „im Zweifel". Darauf wurde'jedoch ein­ gewendet , die Schuldscheine der Kaufleute seien nicht bloß Urkunden und Beweis­ mittel über deren Verträge, sondern Gegenstände des Handelsverkehrs. Deren

Begriff der Handelsgeschäfte.

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ganzer Kredit werde untergraben und jeder Schuldschein zu einem disputirlichen gemacht, wenn dem Anträge statt gegeben und, nachdem ein solcher Schein durch viele Hände zirkulirte, ein Beweis darüber zngelassen würde, daß der Schuldschein nicht im Betriebe des Handelsgewerbes gezeichnet worden sei, wenn somit für die Zeit der Zirkulation eines solchen Scheines im Verkehre jede Gewißheit darüber­ genommen würde: ob auf denselben bei dereinstiger Klagestellung die Artikel über die lex Anastasiana (Art. 299), sowie darüber , daß die Beweiskraft an keinen Zeitablaus gebunden sei (Art. 295) und über die Indossabilität (Art. 301) rc., anwendbar seien, oder nicht. Hierauf wurde der Antrag abgelehnt. (Vergl. Prot. S. 425, 1297, 1298.) Der Antrag, die Worte: „sofern sich nicht" rc., zu streichen, wurde zwar wieder zur dritten Lesung von Hamburg eingebracht, doch zurückgezogen. (Zusammenstellung rc. S. 43, Nr. 265 und S. 93.) Hiernach ist der kaufmännische Schuldschein eine Art Formalkontrakt, dessen Verpflichtungsgrund in der Schriftsorm liegt. Die Klage wird daher lediglich durch den Schuldschein als solchen begründet , ohne daß es einer Angabe und des Beweises des demselben zum Grunde liegenden Nechtsgeschäftes in der Klagestel­ lung bedarf. Die juristische Thatsache, daß das vorliegende Schriftstück ein kaufmännischer Schuldschein sei, wird ohne Weiteres angenommen, wenn der Inhalt desselben nicht das Gegentheil, d. h. daß der Schuldschein nicht im Betriebe des Handelsgewer­ bes gezeichnet sei, ergiebt. In welchen Ausdrücken dies geschieht, ist gleichgültig, aber es muß aus dem Schriftstücke hervorgehen. „Von selbst verstehe sich" — sagte ein Abgeordneter —, „daß die Worte:' „„sofern sich — Gegentheil ergiebt"", eine entsprechende Auslegung finden müßten, und daß sie z. B. Anwendung zu finden hätten, wenn ein Kaufmann, der eine von seinem Namen verschiedene Firma führe, einen Schuldschein nicht mit dieser, sondern mit seinem Namen gezeichnet habe". Der Richtigkeit des Beispiels wurde aber widersprochen, jedoch bemerkt, daß keinesweges jeder Schuldschein eines Kaufmanns Gegenstand des Handelsver­ kehrs sei, und ein Antrag, zu setzen: „die von einem Kaufmanne unter seiner Firma gezeichneten Schuldscheine", mit 12 gegen 3 Stimmen abgelehnt. (Prot. S. 1298'.) In Betreff der gegen einen kaufmännischen Schuldschein zulässigen Einwen­ dungen, namentlich des Einwandes der nicht empfangenen Valuta, findet sich eine Inkonsequenz. Hat das Schriftstück den Charakter eines Formalkontrakts, und ist er, wie schließlich angenommen worden ist, ein Gegenstand des Handelsver­ kehrs, so kann gegen einen redlichen drittelt Inhaber jener Einwand nicht zulässig sein; ist es aber nur ein Beweismittel über den Abschluß eines Rechtsgeschäftes, so muß selbstverständlich der Gegenbeweis auch dem dritten Inhaber gegenüber zu­ gelassen werden. Nun finden sich in den Verhandlungen folgende Erklärungen hierüber. Zu Art. 295 schlug ein Mitglied folgenden Zusatz vor: „Es bleibt jedoch dem Aussteller der Beweis des Richtempfanges ohne Beschränkung Vorbe­ halten". Die Aufnahme einer solchen ausdrücklichen Bestimmung fand jedoch we­ gen der Verschiedenhett der bestehenden Prozeßgesetze vielfache Beanstandung, wes­ halb der Antragsteller feinen Vorschlag im Hinblicke auf die in erster Lesung be­ reits vorgebrachten Bemerkungen über die Wirkungen dieses Artikels zurückzoa. (Prot. S. 1320.) In der ersten Lesung war zu dem Art. der Antrag gestellt Wörde::, auch ausdrücklich die mit der im Art. 295 aufgehobenen Bestimmung (daß Schuldscheine und Quittungen gemeinrechtlich nicht sofort nach der Ausstellung Beweiskraft haben) in Zusammenhang stehende Singularität, wonach nach Ablauf einer bestimmten Frist den beiden erwähnten Arten von Urkunden eine erhöhte Beweiskraft in der Weise zukomme, daß der Gegenbeweis ausgeschlossen oder be­ schränkt sei, fiir das Handelsrecht aufzuheben. Dieser Antrag wurde aber zurück­ gezogen, da die Versammlung die Meinung aussprach, diese zweite Bestimmung (die bezeichnete Singularität) sei nur eine Folge der im Art. 295 aufgehobenen, und ergebe sich demnach, da diese Folge mit der ersten Bestimmung nothwendig falle, das von selbst, was der Antrag bezwecke, daß nämlich auch nach Ablauf der betreffenden Fristen Gegenbeweis gegen Schuldscheine und Quittungen in dem­ selben Maße zulässig sei, 'm welchem er es nach den einschlägigen Prozeßgesetzen gegen Urkunden überhaupt sei. (Prot. S. 425.) Das paßt nicht zu dem Cha-

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Art. 275. Verträge über unbewegliche Sachen sind keine Handelsge­ schäfte"). Art. 276. Die Eigenschaft oder die Gültigkeit eines Handelsgeschäfts wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß einer Person wegen ihres Amtes oder Standes, oder aus gewerbepolizeilichen oder anderen ähnli­ chen 2S * *) 24 Gründen untersagt ist, Handel zu treiben oder Handels­ geschäfte zu schließen. ratter eines Handelspapiers, welchen das H.G.B. den Schuldscheinen eines Kauf­ mannes beilegt.

24) Damit sind auch Mietsverträge ausgeschlossen. In erster Lesung wurde eine engere Fassung dieses Art beschlösse:!, um die Miethskontrakte über Kauf­ gewölbe, Meßlokaütäten u. dergl. der Beurtheilung nach Handelsrecht nicht zu entziehen. (Prot. S. 546.) Davon ging man in der zweiten Lesung wieder ab, stellte die ursprüngliche Fassung des preuß. Entwurfs wieder her und lehnte es auch ab, eine Ausnahme für Miethungen von Handelslokalen zu machen. (Prot. S. 1300.) — (2. A.) Demgemäß ist 'denn auch gegen eine Parteibehauptung in allen Instanzen konform erkannt worden. Erk.' des Obertr. vom 24. Februar 1865 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LVI, S. 354). Ein Übereinkommen, wonach ein Holzhändler „das darin beschriebene Grundstück des Anderen zum Austorfen auf 3 Jahre übernehmen und dafür 335 Thlr. zahlen sollte", ist gleichfalls von dem Obertr. für kein Handelsgeschäft erklärt worden, weil die Einräumung des Besitzes eines Grundstückes, um-daraus gewisse die Substanz des Grund­ stückes affizirende Nützungen zu ziehen, als unmittelbares Vertragsobjekt sich darstelle. Erk. vom 19. März 1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXii, S. 243). Die­ ser Grund ist nicht triftig. Der Holzhändler wollte für seinen Handel den auf dem bestimmten Grundstücke befindlichen Torf erwerben, und er selbst sollte sol­ chen dem Grundstücke entnehmen, d. h. ihn absondern oder zur beweglichen Sache machen und sich aneignen, gerade so, wie man stehendes Holz moraenweise zum Selbstabtriebe binnen* einer gewissen Zeit kanft. Dazn mußte ihm oas Betreten des Grundstückes freistehen; von der Einräumung des Besitzes des Grund­ stückes ist dabei keine Rede: der Torf war das nnmittelbare Vertragsobjekt, nicht der Besitz des Grundstückes; für den Torf sollte er 335 Thlr. bezahlen, nicht für den Besitz des Grundstückes. Es verhält sich damit nicht anders als mit dem Verkaufe von Steinen, welche der Käufer selbst für sich brechen soll; oder mit dem Verkaufe von Lehm, Thon, Kies oder Sand, welchen der Käufer selbst in der ihm angewiesenen Grube beweglich machen (brechen, graben) und in Besitz nehmen soll, öder wie mit dem Verkaufe eines Gebäudes auf den Abbruch, d. h. des aus dem Abbruch des alten Bauwerkes zu gewinnenden Materials. Kein Rechtsverständiger kommt hier auf den Gedanken, daß es dem Käufer hier­ bei aus die Erwerbung des Besitzes des Grundstückes, von welchem die einzel­ nen Stücke getrennt werden sollen, ankomme. 25) Z. B. steuerrechtlichen Gründen. Denn es kommt, wie bemerkt wurde, auch vor, daß einem Äaufmanne untersagt wird, vor Bezahlung der Steuern Handel zu treiben. Die Worte: „oder anderen ähnlichen", sollen der etwanigen Mißdeutung vorbeugen, daß man unter Anwendung des Art. auch kein Hinderniß gegen die Gültigkeit der von solchen Personen abgeschlossenen Handelsgeschäfte finden möchte, Welche zur Eingehung von Rechtsgeschäften überhaupt oder doch in gewisser Be­ ziehung unfähig sind. Es soll z. B. die Vorschrift, daß der für einen Verschwen­ der Erklärte feine Verträge schließen dürfe, sowie das nach manchen Gesetzgebun­ gen gegen den Kridar erlassene Verbot, Handel zu treiben, von diesem Art. un­ berührt bleiben. (Vergl. Prot. S. 1302.)

Begriff der Handelsgeschäfte.

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Art. 277. Bei jedem Rechtsgeschäfte, welches auf der Seite eines der Kon­ trahenten ein Handelsgeschäft ist, sind die Bestimmungen dieses vier­ ten Buches in Beziehung auf beide Kontrahenten gleichmäßig anzu­ wenden 25»), sofern26) nicht aus diesen Bestimmungen selbst sich 25 a) (2. A.) Zu diesen Bestimmungen gehört auch diejenige des Art. 317, nach welcher bei Handelsgeschäften die Gültigkeit der Verträge durch schriftliche Abfassung, nicht bedingt ist. Erk. des Obcrtr. Doiit 13. November 1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXIV,' S. 295). — Die Regel des Art. 317 über die Form für Abschließung der Handelsgeschäfte läßt sich der Vorschrift dieses Art. 277 unge­ achtet doch sticht auf solche Rechtsgeschäfte ausdehnen, welche Verpflichtungen be­ gründen, die zu der aus dem Handelsgeschäfte entstehenden Obligation nur in dem Verhältnisse einer accessorischen stehen, wie dies z. B. bei der Obliga­ tion aus der Verbürgung eines Nichtkaufmanns der Fall ist, — es sei denn, daß, wie sich der Art. 281 ausdrückt, „die Bürgschaft selbst ein Handelsgeschäft ist". Erk. deff. vom 10. März 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LIV, S. 39). Ist also der Bürge ein Kaufmann, so tritt die Vermuthung aus dem Art. 274 ein und er muß 'beweisen, daß die fragliche Bürgschaft zum Betriebe des Handels­ gewerbes nicht gehöre. 26) Diese Ausnahme von der in dem Vordersatze dieses Art. festgestellten Regel hatte in dem Vorschläge folgende Fassung: „soweit sich aus demselben nicht ergiebt, daß sie nur den ersteren betreffen". Dieser Schlußsatz wurde beanstan­ det. Es wurde nänilich hervorgehoben, das, was er sagen wolle, verstehe sich von selbst; das, was er sage, werde sehr leicht mißverstanden werden. Der erste Satztheil solle den Gedanken beseitigen, daß ein und dasselbe Rechtsgeschäft in Bezug auf den einen Kontrahenten'nach Handelsrecht, in Bezug auf den anderen Kontrahenten dagegen nach gemeinem bürgerlichen Rechte zu beurtheilen sei. Die­ ser Gedanke sei nicht durchzüführen, und insoweit der beantragte Artikel in sich gerechtfertigt. Aber eben darum, weil jener Gedanke in seiner praktischen An­ wendung unmöglich sei, könne diese Möglichkeit auch nicht als Ausnahme von dem Grundsätze', welchen der Art. in seinem ersten Theile ausspreche, gedacht werden. Gleichwohl werde in dem Nachsatze „soweit re." deutlich zu erkennen ge­ geben, daß man für gewisse Bestimnmngeu des vierten Buches eine solche Aüsuahme statuiren müsse. Man habe bei diesem Nachsatze diejenigen Art. im Auge gehabt, deren Geltung an eine gewisse subjektive Voraussetzung'geknüpft sei, und diese Art. zu denjenigen Bestimmungen, welche objektiv gelten sollen, in ein Ver­ hältniß wie die Ausnahme zur Regel gebracht. Dies gehe aber nicht an. Denn die Bestimmungen beiderlei Art seien eben nichts anderes, als handelsrechtliche Sätze, welche gleichmäßig und ausnahmslos überall da zur Anwendung kommen müßten, wo die Voraussetzungen ihrer Anwendbarkeit — diese seien nun bloße objektive, oder zugleich auch subjektive — vorlägen. Wo diese letzteren fehlten, könne selbstverständlich die betteffende Bestimmung nicht zur Anwendung komnien, man brauche nicht besonders zu sagen, daß ein privilegium (favorabile oder odiosum), welches ausdrücklich nur für den Kaufmann gegeben sei, dem Nichtkaufmanne oder demjenigen, für den daö Geschäft nicht als Handelsgeschäft gelte, nicht zukomme. Der Nachsatz, welcher nur dieses und nichts anderes sagen solle, verdunkele aber durch die Art und Weise, in welcher dies ausgedrückt werde, den Sinn des ganzen Artikels und führe jedenfalls zu Mißverständnissen. Deshalb wurde die Streichung des Schlußsatzes beantragt. (Prot. S. 1303.) Diese Bedenken wurden mehrfältig als unbegründet bezeichnet, namentlich wurde die Ansicht ausgesprochen, daß Mißverständnisse der zuletzt erwähnten Art nicht zu befiirchten seien. Der Schlußsatz in Frage sei zum richtigen Verständ­ nisse des Systems unentbehrlich, indem er der in den Motiven erörterten Auf­ fassung des Begriffs von Handelsgeschäften den gesetzlichen Ausdruck gebe. Der Satz lasse nämlich näher erkennen, daß bei einen: Rechtsgeschäfte auf der einen Seite, auf der des Spekulanten, ein Handelsgeschäft gemacht werden könne, wüh-

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ergiebt, daß ihre besonderen Festsetzungen sich üur auf denjenigen reud in Beziehung auf ;die andere Seite, den Nichtspekulanten, Konsumenten, ein als Handelsgeschäft dieses Kontrahenten zu bezeichnender Vertrag nicht vor­ liege. In faßlicher Weise drücke der Satz aus, daß, dieses Unterschieds unge­ achtet , die Bestimmungen des vierten Buches gleichmäßig auf beide Kontrahenten angewendet werden sollten, daß aber einzelne Bestimmungen vorhanden seien, deren Inhalt, insoweit er von den gewöhnlichen bürgerlichen Gesetzen abweiche, nur in dem Falle und nur insoweit zur Anwendung wmme, als der Kontrahent oder die Kontrahenten, von denen diese Bestimmung spreche, ihrerseits ein Spe­ kulationsgeschäft machten oder Kaufleute seien. — Bei der Abstimmung wurde die Streichung des letzten Satzes abgelehnt, dagegen der Antrag, diesen Satz dahin zu fassen: „soweit sich aus denselben nicht ergiebt, daß sie nur den ersten berechtigen und verpflichten sollen", der Redaktionskommission anheimgegeben. (Prot. S. 1304.) Daraus ist die vorliegende Fassung des in Rede stehenden Schlußsatzes entstanden. In den Motiven wird über die Technik des H.G.B. in Betreff der Handels­ geschäfte Folgendes gesagt: Die Auffassung, wonach ein Handelsgeschäft gleich­ bedeutend wäre mit einem Vertrage, auf welchen die Bestimmungen des Handels­ rechts Anwendung finden, so daß bei jedem Handelsgeschäfte beide Kontrahenten ein Handelsgeschäft niachten (Handelsgeschäft ----- handelsrechtlicher Vertrag), würde an sich auf dem Standpunkte der juristischen Abstraktion durchaus zulässig und anzuerkennen sein. Allein es sei aus mehrfachen Gründen dringend zu empfehlen, von dieser Technik abzusehen, l) Dieselbe entspreche nicht dem Sprachgebrauche des gewöhnlichen Lebens; 2) sie stimme nicht mit dem Sprachgebrauche der Han­ delsgesetzbücher derjenigen Länder überein, welche einen großen Theil von Deutsch­ land umgeben und damit in stetem Handelsverkehre stehen; 3) sie entspreche nicht dem Sprachgebrauche des Entwurfs in seinen übrigen Theilen; 4) durch diese Auf­ fassung und Begriffsbestimmung würde das Mittel abgeschnitten, auf dem Wege einer leichten und faßlichen Technik einem Unterschiede Ausdruck zu geben, wel­ cher zwischen den beiden Kontrahenten nothwendig gemacht werden müsse. Gerade derjenige Unterschied, welchen der gewöhnliche Sprachgebrauch und die Sprache der erwähnten Handelsgesetzbücher machten, äußere sich zunächst: a) in Bezug auf die Kompetenz der Handelsgerichte, b) in Bezug auf den Personalarrest (da wo dieser bestehe). Sollte in Folge jener technischen Gleichstellung der Kontra­ henten, wonach Beide ein Handelsgeschäft machten, die Unterscheidung zwischen demjenigen, der dabei handele, Händel treibe, das Handelsgeschäft mache, und demjenigen, welcher, ohne selbst ein Handelsgeschäft zu machen, sich in einen Ver­ trag einlasse, der auf Seiten des Ersteren em Handelsgeschäft sei, technisch nicht gemacht werden, so würde in einer unerwünschten Weise den Fragen über die Kompetenz und über den Personalarrest vorgegriffen, indem eine erfahrungsmäßig zweckdienliche und übliche Technik beseitigt würde, welche zur Aufrechthaltung des mit Rücksicht auf die beiden erwähnten Gesichtspunkte zu machenden Unterschiedes zwischen beiden Kontrahenten diene und füglich nicht entbehrt werden könne. 6) Dieser Unterschied der Kontrahenten und die ihn berücksichtigende Technik sei auch innerlich begründet und gerechtfertigt. Derjenige, welcher bei einem Ver­ trage oder bei einem sonstigen Rechtsgeschäfte (negotiorum gestio u. s. w.) auf Geldgewinn speknlire (Spekulant), mache ein Handelsgeschäft (vorausgesetzt, daß überhaupt das Geschäft in den Bereich falle, welcher nach der freilich mehr oder weniger historischen oder positiven Auffassung zum Handel gehöre). Wenn der andere Kontrahent nicht auch spekulire, sondern nur in dem Verhältnisse stehe, welches etwa als das eines Konsumenten in figürlichem Sinne bezeichnet werden könnte, so handele er nicht, er mache seinerseits kein Handelsgeschäft, das Ge­ schäft sei in Betreff seiner kein Handelsgeschäft. Dadurch, daß er sich in das Handelsgeschäft des Anderen einlasse, oder diesem zu dessen Handelsgeschäfte Ge­ legenheit gebe, möge auch er den für das letztere geltenden materiellen Rechtsbestimmungen unterworfen sein. Dies habe volle Berechtigung, weil und jedenfalls insoweit als Rechte und Verbindlichkeiten Korrelate seien. Allein es folge daraus keinesweges, daß auf diesem Gebiete, dem Gebiete des Handels-

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von beiden Kontrahenten beziehen, auf dessen Seite das Geschäft

ein Handelsgeschäft ist2 6 a).

Zweiter Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte. Art. 278. Bei Beurtheilung und Auslegung der Handelsgeschäfte hat der Richter den Willen der Kontrahenten zu erforschen und nicht an dem

buchstäblichen Sinne des Ausdruckes zu haften2^). rechts, beide Kontrahenten, im Falle sie sich, wie erwähnt, innerlich von einander unterschieden, dennoch in allen Beziehungen gleich behandelt werden müßten. Beispielsweise würde der unmittelbare Personalarrest in Betreff dessen, der oben Konsument genannt sei, ganz ohne Motiv fein, wogegen dies Exekutionsmittel als Stütze des Personalkredits fiir den Handeltreibenden legislatorisch gerechtfer­ tigt, also gegen den Spekulanten motivirt erscheine, also dort, wo es gegenwär­ tig bestehe', 'in Betreff des Letzteren nicht fiiglich würde aufgehoben werden kön­ nen. Der passende und üblich technische Ausdruck dafür sei: Derjenige, welcher bei dem Vertrage ein Handelsgeschäft macht, wird vom Personalarreste getroffen, nicht aber derjenige von beiden Kontrahenten, bei welchem dies nicht der Fall ist. — Die erwähnte Verschiedenheit der Eigenschaft der Kontrahenten und die Technik, durch welche dieser Unterschied den entsprechenden Ausdruck erhalte, sei aber nicht bloß für den Prozeß, die Kompetenz und die Exekution von Wichtig­ keit, sie habe auch für die materiellen Bestimmungen des IV. Buchs erhebliche Bedeutung. In Folge einer auderweiten Auffassung des Begriffs von Handels­ geschäft und bei der' hieraus entspringenden Gleichstellung beider Kontrahenten hätten verschiedene Artikel des IV. Buchs einen Inhalt, welcher in ihrem jetzigen Sinne nicht haltbar erscheine, dagegen unter Anwendung der hier vertheidigten Technik sich mit Leichtigkeit zu eineni durchaus gerechtfertigten gestalte. Z. B. sei der Art. 289 nur richüg, wenn „in beiderseitigen Handelsgeschäften" gesagt würde; auch sei zu vergl. Art. 282 u. a. m. Wenngleich glücklicher Weise die meisten Art. des IV. Buchs sich als absolut für beide Kontrahenten anwendbar­ erklären ließen, so sei doch eine gewisse Anzahl von Art. vorhanden, bei welchen die Unterscheidung nicht zu umgehen und das Verhältniß eben vermittelst der hier­ vertheidigten Technik sachgemäß zu regeln sei. (Prot. S. 1266 ff.) Bestimmungen der erwähnten Art enthalten die Artt. 280, 281, Abs. 2, 282, 286, 287', 288, 289, 291 , 309, 310, 311 , 313.

26 ») (2. A.) Der Bezogene, indem er den in dem Wechsel enthaltenen Zah­ lungsauftrag annimmt, seine Accepterklärung auf den Wechsel setzt mit) diesen begi'ebt, tritt dadurch zu dem Aussteller in Beziehuirg auf den Wechsel in ein Aüftragsverhältniß; nach Art. 277 müssen daher die Bestimmungen des vierten Buches des H.G.B. auch auf das Aüftragsverhältniß in Anwendung kommend­ em mündlicher Auftrag des Bezogenen an einen Dritten, statt seiner die Acceptationserklärung zu schreiben, verpflichtet ihn rechtsgültig (Art. 317), wenn der Aufttag befolgt ist. Erk. des Obertr. vom 21. Mai 1864 (Archiv f. Rechtsf. Bd. LIU, S. 268).

27) Dieser Art. wurde schon in erster Lesung beanstandet; man beantragte die Streichung und sagte: der Inhalt verstehe sich entweder auf den Grund all­ gemein gültiger Jnterpretationsregeln von selbst, und dann sei derselbe keinesweges, wie in den Motiven zum Entwürfe angenommen worden, eine bloß für das Handelsrecht gültige Ausnahmebestimmung,' — oder niau werde darin mehr als eine dem gemeinen Rechte entsprechende Auslegungsregel finden: dann werde man durch dieselbe versucht werden, anzunehmen \ daß hier etwas Neues habe bestimmt werden sollen, und könne am Ende sogar dazu gelangen, daß selbst gegenüber den unzweideutigsten Ausdrücken Streitigkeiten über den Willen der Koch, 2C. D. Handelsgesetzbuch. 2. Aufl.

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Art. 279. In Beziehung auf die Bedeutung und Wirkung von HandlunKontrahenten erhoben und zugelassen würden. Die zweite Alternative sei also bedenklich, während die Aufnahme ganz unbestrittener, ohnehin im Civilrechte gültiger Interpretationsregeln unnöthig erscheine. Die Mehrzahl der Abgg. sprach sich aber für die Beibehaltung des Artikels aus. Dafür wurde geltend gemacht: Wenn der nach gewiesene und ü b e r e i n st i m m e n d e Wille der Kontrahenten mit den gebrauchten Ausdrücken im Widersprüche stehe, so werde kein Zweifel sein, daß der Wille maßgebend sei; ein solcher Satz verstehe sich wohl von selbst, und es handle sich auch nicht darum, denselben hier neuerdings festzu­ setzen; der Art. enthalte aber eine Warnung für den Richter, sich bei seinen Urtheilen nicht allzusehr durch den von den Kontrahenten gebrauchten Ausdruck bestimmen zu lassen. Eine solche Warnung aber erscheine' als sehr zweckmäßig sowohl im Allgemeinen als namentlich in Ansehung der Handelsgerichte. Denn die Kaufleute )eien, wo sie als Mitglieder der Handelsgerichte thätig würden, sehr geneigt zu einer wörtlichen Auslegung der Verträge. .Das Letztere wurde von mehreren kauftnännischen Konferenzmitgliedern bestätigt, und sodann von anderen Mitgliedern darauf hingewiesen, daß die Vorschrift selbst in sofern nicht

ganz entbehrlich sei, als sie eine Auslegungsregel festsetze. Ob sie entbehrt wer­ den könne, oder nicht, werde nach den betreffenden Civilgesetzen zu entscheiden sein. Nach dem preußischen Landrechte, auf welches sich die Stelle nach den Motiven lediglich beziehe, sei z. B. die Bestimmung nicht entbehrlich, weil dieses die Vorschrift enthalte, daß die Verträge und die 'm denselben gebrauchten Aus­ drücke nach Maßgabe der denselben im gewöhnlichen Leben zuko'mmenden Bedeu­ tung vom Richter auszufassen seien, weil sonach in demselben eine andere Aus­ legungsregel sestgestellt sei. Da nun das H.G.B. einer solchen Abrundung und Vollständigkeit nicht entbehren könne, welche seine möglichst gleichmäßige Anwen­ dung neben den verschiedenen Gesetzgebungen sichere, und da der allgemeine Satz des Art. neben denjenigen Civilgesetzgebungen , in welchen er ohnehin gelte, je­ denfalls unschädlich sei, so empfehle sich dessen Beibehaltung. Allerdings aber milffe in dem zuletzt erwähnten Falle die in Frage stehende Bestimmung filr un­ schädlich gehalten werden, denn Versuche, gegenüber von ganz zweifellosen Aus­ drücken die Behauptung zur Geltung zu bringen, als habe man etwas anderes mit einem Vertrage bezweckt, als was solche Ausdrücke sagten, seien erfahrungs­ mäßig außerordentlich selten, lind jedem werde die Besorgniß, daß die Gerichte auf solche Versuche eiuzugeheu sich bereit finden lassen könnten, genugsam durch die Fassung des Gesetzes in den Ausdrücken: „am buchstäblichen Sinne — haf­ ten", ferne gehalten; denn hierdurch werde zur Genüge angedeutet, daß der Richter nicht veranlaßt werden solle, bei ganz unzweifelhaften Ausdrücken immer noch zu forschen, was die eigentliche Meinung der Kontrahenten gewesen, sondern daß nur vor einer allzu pedantischen Auffassung der bei den Verabredungen der Parteien gebrauchten Ausdrücke gewarnt werden solle. (Prot. S. 407, 408.) — Aus diesen Gründen wurde auch in zweiter Lesung der wieder angebrachte An­ trag auf Streichung abgelehnt (Prot. S. 1306) und in der dritten Lesung, zu welcher er in den Erinnerungen abermals ausgenommen worden war, zurückge­ zogen. (Erinnerungen rc. S. 44, Nr. 271 und S. 93.) Für das Gebiet des A. L.R. ist der Art. allerdings etwas Neues und, wenn das H.G.B. möglichst gleichmäßige Anwendung finden soll, nothwendig. (Vergl. I, 5, §.252 und I, 4, §. 65.) Die landrechtliche Regel über die Auslegung der Verträge wird durch den Art. 278 durchbrochen, oder vielmehr der Art. 278 tritt zu der laudrechtlichen Bestimmung in das Verhältniß der Ausnahme zur Regel und kann deshalb keine ausgedehnte Anwendung finden. Prozessualisch stellt es sich so, daß, wenu auf Grund eines schriftlichen Ver­ trages aus einem Handelsgeschäfte geklagt wird, dem Beklagten die Einrede an­ ders verabredeter als ausgedrückter Sache zusteht, woüber er den Beweis anzu­ treten hat.

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gen und Unterlassungen ist auf die im Handelsverkehre geltenden Ge­ wohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen 2S). Art. 280. Wenn zwei oder mehrere Personen einem Anderen gegenüber in einem Geschäfte, welches aus ihrer Seite ein Handelsgeschäft ist28 29), gemeinschaftlich eine Verpflichtung eingegangen sind, so sind sie als Solidarschuldner zu betrachten, sofern sich nicht aus der Uebereinkunft mit dem Gläubiger das Gegentheil ergiebt. Art. 281. Bei Handelsgeschäften, ingleichen in allen Fällen, in welchen in diesem Gesetzbuche eine solidarische Verpflichtung auserlegt wird, steht einem Solidarschuldner die Einrede der Theilung oder der Voraus­ klage nicht ju30). Dasselbe gilt von Bürgen, wenn die Schuld aus einem Han­ delsgeschäfte auf Seiten des Hauptschuldners hervorgeht3'), oder wenn die Bürgschaft selbst ein Handelsgeschäft ist32). 28) Diese Bestimmung ist in der Voraussicht ausgenommen worden, daß selbstverständlich in der Anwendung immer auf die den Geschäften und Bethei­ ligten entsprechende Art des Handelsverkehrs werde gesehen werden. (Protok. S. 1307.) (2. A.) Die Feststellung der rechtlichen Wirkung eines Stillschweigens nach Maßgabe der Verschiedenheit der obwaltenden Verhältnisse bildet keinen Gegen­ stand für Handelsgewohnheiten. Erk. des Obertr. vom 9. Juli 1867 (Arch. f. NechtSf. Bd. LXVll, S. 330). 29) Diese Bedingung lag nicht im Sinne des preuß. Entwurfs (Art. 215), der in der ersten Lesung als Art. 238 beibehalten wurde, und lautete: „Wenn zwei oder mehrere Personen gemeinschaftlich eine Verpflichtung in Handelsgeschäf­ ten eingegaugen sind, so" n. s. w. In dieser Fassung enthielt der Art. eine Reproduktion des §.424, Tit. 5, Th. I des A. L.R. In der zweiten Lesung wurde aber beschlossen, dem Art. eine solche Fassung zn geben, daß er nur dann Anwendung finden würde, wenn das Geschäft auf Seiten des Verpflichteten ein Handelsgeschäft sei. (Prot. S. 1307.) Vergl. oben Anm. 26, Abs. 3 und 4. Demgemäß erhielt der Art. seine jetzige Fassung. Derselbe hat nur für das ge­ meine Recht und für diejenigen Gesetzgebungen, welche den gemeinrechtlichen Grundsatz ausgenommen haben, Bedeutung; im Gebiete des A. L.R. entsteht durch denselben keine Rechtsänderung, der §. 424 a. a. O. ist dadurch nicht berührt. 30) Das gemeine Civilrecht hat die Regel, daß von mehreren gemeinschaft­ lich handelnden Kontrahenten ein Jeder nur für seinen Theil verpachtet werde, und gestattet davon nur Ausnahmen aus Utilitätsrücksichten, giebt auch noch in diesen Ausnahmefällen die Einredeil der Theilung und der Vorausklage. Diese Regel und Ausnahme des Civilrechts wird durch den ersten Absatz dieses Artikels für das Handelsrecht umgekehrt, ebenfalls aus Nützlichkeitsrückstchteu, indem im Handelsverkehre eine raschere Nealisirbarkcit der Forderungen, wie sie durch die Korrealität oder Solidarität geboten wird, für ein entschiedenes Bedürfniß erkannt ist. Für die Rechtsgebiete des Allg. Landrechts, des rheinischen Rechts und des österreichischen Rechts hat die Bestimmung kein Interesse. 31) Vergl. oben die Anm. 26, Abs. 3 u. 4. Dieser Satz umfaßt zwei Fälle, nämlich das Verhältniß des Bürgen dem Gläubiger gegenüber, dem er als Selbstschuldner gleich dem Hauptschuldner soli-

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Art. 282. Wer aus einem Geschäfte, welches auf seiner Seite ein Han­ darisch haften soll, und das Verhältniß mehrerer Bürgen zu dem Gläubiger, dem ein Jeder wieder als Solidarschutduer gehalten ist. Ohne Einfluß ist es auf diese Art der Haftung, ob die mehreren Bürgen sich gemeinschaftlich in Einem Akte, oder Jeder in einem besonderen Akte verbürgt haben. Im landrechtlichen Rechts­ gebiete ist auch dieses bereits bestehendes Civilrecht. Zur Begründung der Bürgschaftsklage gehört außer der Verbürgung nur die Darlegung der juristischen Thatsache,'daß das Geschäft für den Hauptschulduer, oder wenn deren mehrere sind, wenigstens für Einen derselben ein Han­ delsgeschäft sei. Die Behauptung, daß der" Hauptschuldner fruchtlos zur Erfül­ lung aufgefordert worden sei, ist nicht Erforderniß zur Klagestellung; dieses im preuß. Entwürfe Ärt. 215 vorgeschlagene Desiderat ist schon tu der ersten Lesung verworfen worden. (Prot. S. 499, 500.) Zur dritten Lesung war vom K. Sachsen ein anderes Requisit zur Klagebegründung in Antrag gebracht worden, nämlich das Bewußtsein des Bürgen, daß er für eine aus einem Handelsgeschäfte entstandene Schuld eiutrete. Der Gläubiger, welcher einen Bürgen ohne Vor­ ausklagung des Hauptschuldners und wegen seiner ganzen Forderung in Anspruch nehmen wolle, sollte also behaupten und folglich beweisen müssen, nicht allein, day die Forderung auf Seiten des Hauptschulduers aus einem Handelsgeschäfte herrühre, sondern überdies, daß dies dem Bürgen bei Uebernahme der Bürgschaft bekannt gewesen. Der Antrag wurde abgelehnt, weil eine solche Beweisführung den Gläubiger allzu sehr beschwere und mit den Anschauungen des Handelsstan­ des nicht vereinbar sei. Ueber die Natur des in Rede stehenden Rechtsgeschäftes dem Bürgen Aufschluß zu geben, sei Sache des Hauptschulduers, nicht des Gläu­ bigers ; wer eine Bürgschaft übernehme, möge zusehen, für welche Art von For­ derungen er intercedire. (Prot. S. 4560.) Hieraus erhellet, daß dem Bürgen gegen den klagenden Gläubiger auch nicht etwa die Einrede, daß er über die Na­ tur des Rechtsgeschäftes Doit dem Hauptschulduer oder einem Dritten getäuscht worden und er also im Irrthume gewesen sei, zusteht. Dagegen wird ihm gegen den Gläubiger, wenn dieser getäuscht oder an der Täuschung Theil genommen hat, die exceptio doli nicht versagt werden können.

32) Mit dem Schlußsätze sollen auch die eigentlich kaufmännischen Formen der Bürgschaft, als das del-credere-Stehen und das Kreditmandat, getroffen werden. (Vergl. Prot. S. 1308.) (2. A.) Unter der im Art. 281 gedachten Bürgschaft, welche „selbst ein Handelsgeschäft ist", ist nur eine solche zu verstehen, welche sich auf Seiten des Bürgen als Handelsgeschäft charakterisirt. Erk. des Obertr. vom io. März 1864 (Arch. s. Rechtsf. Bd. LIV, S. 40). Das Baierische HandelsAppellationsgericht stellt bei Vertheidigung der Ansicht, daß, wenn die Bürgschaft von einem Kaufmanne geleistet wird, sie bis zum Gegenbeweise für ein der Schrift­ form nicht bedürfendes'Handelsgeschäft zu erachten sei (vergl. oben, Anm. 22 zu Art. 274 u. Anm. 25», Abs. 2 zu Art. 277), den Satz auf, daß Bürgschaften, welche der Kaufmann im Handelsgewerbe übernehme, Handelsgeschäfte seien, wie sich aus Art. 274, Abschn. 1 ergebe. (Busch, Archiv, Bd. V, S. 348.) In Betreff des del -ciedere- Stehens vergl. m. unten Art. 370 und die An­ merk. dazu. Das Kreditmandat (Kreditbrief) hat keine bestimmte Form. Jede Ausdrucks­ weise, wodurch Einer dem Anderen Auftrag giebt, mit einem Dritten ein Geschäft aus Kredit zu machen, ist ein Kreditauftrag. Dies hat das Obertr. schon in einem Erk. v. 4. Septbr. 1851 (Entsch. Bd. XXI, S. 92) anerkannt. Ein solcher Kreditaustrag macht den Auftraggeber (Mandator, nicht gleichbedeutend mit Mandans im Rechtssinne) nicht zum Hauptschuldner nach civilrechtlichen Grundsätzen; der Hauptschuldner ist eben jener Dritte, mit welchem der Kreditgeber sein eigenes Geschäft macht. Das Obertrib. hatte in jenem Erk. aus der rechtlichen Natur des Mandats das Gegentheil hergeleitet. Das Rechtsirrthümliche hiervon leuchtet ein, wenn der Mandant, der die Besorgung seines eigenen Geschäfts einem Anderen austrägt, und der Mandator, der dem Anderen aus seine Gefahr aufträgt, für sich selbst ein Geschäft mit einem Dritten zu machen, unterschieden werden. Die-

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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delsgeschäftist33), einem Anderen zur Sorgfalt verpflichtet ist, muß die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes34) anwenden. Art. 283. Wer Schadensersatz zu fordern hat, kann die Erstattung des wirklichen Schadens und des entgangenen Gewinnes verlangen3^), ser letztere Auftrag ist nichts anderes als eine Form der Bürgschaft. Vergl. die Anm. 37 zu §. 215, Tit. 14, Th. I. Im Handelsverkehre galt schon immer die Regel, daß der Auftraggeber aus einem solchen Auftrage wie ein Selbstschuldner hafte, und das A. L.R. hatte diesen Satz im §. 712 d. 8. T. dahin ausgedrückt: „Hat ein Kaufmann an Jemanden einen Kreditbrief ertheilt, und seinen Korre­ spondenten angewiesen, dem Ueberbringer auf seine Rechnung zu zahlen: so wird er jenem als Hauptschulduer verhaftet." Die Fassung war inkorrekt, und hatte zu der Auffassung des Obertr. geführt. Der Art. 281 hat diese Inkorrektheit ver­ mieden; der Mandator wird als das bezeichnet, was er ist, als Bürge, und es wird nur ausnahmsweise für das Handelsrecht bestimmt, daß er solidarisch hafte. Wäre es eine allgemeine Rechtsregel, daß der Mandator, gleich einem Mandan­ ten, der Hauptschuldner, so würde die Wiederholung dieser Regel hier sehr über­ flüssig gewesen sein. Das A. L.R. nennt als Form der kaufmännischen Bürgschaft auch die Em­ pfehlung. Aus einer solchen soll der Empfehlende nur nach den civilrechtlichen Grundsätzen über die Bürgschaft haften. Der Begriff dieser Bürgschaftsform ist dahin bestimmt: „wenn ein Kaufmann einem anderen Kaufmanne erklärt, daß der­ selbe einem Dritten auf seine Gefahr Kredit geben könne". (§§. 710, 711 d. 8. T.) Dieser Fall wird von dem Art. 281 mit getroffen. Hiervon wird noch die allge­ meine Empfehlung einer Person von mißlichen Vermögensumständen, oder unzu­ verlässigem Charakter, als eines sichern guten Mannes unterschieden. Hieraus soll die Verbindlichkeit zum Ersätze des Schadens, welcher bei den durch die falsche Empfehlung unmittelbar veranlaßten Geschäften, aus dem Unvermögen oder unzu­ verlässigen Charakter des Empfohlenen entsteht, entspringen. Verpflichtungsgrund soll die Aufmerksamkeit sein, welche Kaufleute anzuwenden schuldig sind, daß nicht andere Kaufleute durch ihre Empfehlungen verleitet werden, sich mit unsicheren Personen in Handelsgeschäfte einzulassen. (§§. 702 — 709.) Einen so allgemei­ nen Verpflichtungsgrund kennt das H.G.B. nicht. Entweder bezieht sich die Em­ pfehlung auf ein konkretes Geschäft, oder nicht. Kann in dem ersten Falle die Empfehlung als ein Handelsgeschäft charakterisirt werden, was der Richter nach den Umständen und der besonderen Beschaffenheit des Falles zu befinden hat, dann findet die Bestimmung des Schlußsatzes dieses Artikels darauf Anwendung. Geht das nicht an, oder bezieht sich die Empfehlung nicht auf ein konkretes Handelsge­ schäft, dann gehört der Fall in den Bereich des Civilrechts. Vergl. A. L.R. I, 14, §§- 207 ff. 33) Vergl. oben, Anm. 26, Abs. 3 a. E. u. Abs. 4.

34) Im kaufmännischen Verkehre wird nicht bloß, wie wegen besonderer Er­ wägungen z. B. bei dem Verhältnisse der Gesellschafter unter einander geschehen, diligentia in concreto (diligentia rebus suis consueta), sondern diligentia in ab­ stracto gefordert. Eine Gradation der culpa findet nicht statt. Unter den Wor­ ten : „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes", wird als Maßstab nicht durch­ weg die Sorgfalt desjenigen, den man im gewöhnlichen Leben einen Kaufmann von höherer Bildung zu nennen pflegt, sondern die Sorgfalt eines ordentlichen Ge­ werbsmannes , von dem Stande und Gewerbe, welchem die jeweils in Frage ste­ hende Person angehört, verstanden. Der Ausdruck: „Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes", repräsentirt demnach für das Handelsrecht einen technischen Begriff ähnlich der „Sorgfalt des diligens pater familias“ im gewöhnlichen Civilrechte. (Vergl. Prot. S.409 u. 1309.)

35) Diese Bestimmung soll sich nicht nur aus diejenigen Fälle beziehen, in welchen wegen Versäumung der schuldigen Sorgfalt ein Schadensersatz geleistet werden muß (Art. 282), sondern sie soll eine ganz allgemeine Bedeutung haben,

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Viertes Buch.

Erster Titel.

Art. 284. Die Konventionalstrafe unterliegt keiner Beschränkung in An­ sehung des Betrages; sie kann das Doppelte des Interesses über­ steigen^). so daß sie Anwendung zu finden hat, wo immer aus irgend einem Grunde eine Schadensersatzpflicht eintritt, sofern nicht für einzelne Geschäfte etwas Besonderes bestimmt ist, wie z. B. im Art. 357, Abs. 2. (Vergl. Prot. S. 409.) Der Inhalt dieses Artikels ist zwar gemeinen Rechtens; der Art. ist indeß dennoch ausgenommen, weil er denjenigen Rechten entgegentreten soll, in welchen zwischen dem wirklichen Schaden und dem entgangenen, d. i. dem nachweisbar ent­ gangenen Gewinne, in der Weise unterschieden wird, daß, wer ein mäßiges Ver­ sehen begangen habe, nur ersteren, und erst wer ein grobes Versehen begangen habe, auch letzteren zu ersetzen schuldig sei. Hiermit wurde der Besorgniß entgegen­ getreten, daß, wenn der Art. ausgenommen würde, der nach Gemeinem Rechte selbstverständliche Inhalt leicht mißverstanden und in ungeeigneter Weise ausdeh­ nend interpretirt, also vielleicht auf bloß mögliche Gewinne bezogen werden könnte. (Prot. S. 1309.) Diese Bestimmung schließt sonach die Anwendung des A. L.R. I) 6, §§. 5—7 im Handelsrechte aus. — (2. A.) Für Holstein und Schleswig be­ stimmt die Einf.-Verordnung vom 5. Juli 1867, §. 49: „Der Anspruch auf Scha­ densersatz unterliegt keiner Beschränkung in Ansehung des Betrages; er kann den doppelten Betrag oder den doppelten Werth des ursprünglichen Gegenstandes der Obligation übersteigen". Dies beruht daraus, daß die Aquilische Klage gegen den Leugnenden auf das Doppelte geht. L. 2, §. 1, L. 23, §. 10 D. ad legem Aquil. (IX, 2); L. 4 C. de leg. Aquilia (III, 35).

36) Dieser gemeinrechtliche Satz enthält eine lex correctoria für diejenigen Civilgesetzgebnngen , z. B. das preußische Landrecht (I, 5, §. 293), welche in Be­ treff der Höhe der Konventionalstrafe beschränkende Vorschriften enthalten. Die Fas­ sung des Redaktionsentwurfs Art. 242, worin der Art. 217 des preuß. Entwurfs unverändert ausgenommen worden war, wurde jedoch in zweiter Lesung beanstan­ det. Der Art. lautete: „Die Konventionalstrafe, welche der Verpflichtung aus einem Handelsgeschäfte beigefügt ist, unterliegt" u. s. w. Hier­ gegen wurde bemerkt, in dieser Fassung gewinne die Bestimmung den Anschein, als sollten bei Verpflichtungen aus anderen Geschäften solche Beschränkungen aller­ dings Platz greifen, und als wolle sie diejenigen Civilgesetzgebungen ändern, welche von solchen Vorschriften nichts enthielten. Um solche Schlußfolgerungen auszu­ schließen, sei es angemessen, allgemein auszusprechen, daß die Parteien das Recht hätten, Konventionalstrafen von beliebiger Höhe zu vereinbaren. Von selbst ver­ stehe sich dann, daß diese Bestimmung nur auf das Anwendung finde, was nach Handelsrecht zu beurtheilen sei. Es wurde deshalb vorgeschlagen, den Satz: „welche der Verpflichtung aus einem Handelsgeschäfte beigefügt ist", zu streichen, damit die Bestimmung aus die Konventionalstrafen aller bei einem Handelsgeschäfte betheiligten Personen gleichmäßig und nicht bloß auf diejenigen Konventionalstra­ fen anwendbar werde, welche von solchen Personen versprochen seien, aus deren Seite das Geschäft als Handelsgeschäft gelte. Dies wurde angenommen. — Im Gegensatze hierzu wurde von einer anderen Seite noch eine andere Beschränkung des Abs. 1 für erforderlich gehalten. Es wurde nämlich hervorgehoben, so lange noch in den meisten deutschen Staaten Gesetze beständen, welche die Höhe der ver­ tragsmäßigen Zinsen beschränkten, müsse das Mittel, diese Gesetze durch Bedin­ gen von Konventionalstrafen zu umgehen, abgeschnitten bleiben. Der Art. gehe aber, indem er in seiner allgemeinen Fassung ein solches Mittel auch Nichtkauf­ leuten, welche sich in Handelsgeschäfte einließen, an die Hand gebe, weiter als der Art. 292, welcher nicht alle Handelsschulden der Kaufleute von jenen gesetzli­ chen Beschränkungen eximirt wissen wolle. Es wurde deshalb von dieser Seite be­ antragt, nach „unterliegt" einzuschalten: „mit Ausnahme der unter die Bestim­ mung des Art. 292 fallenden Geldschulden". Hiergegen wurde jedoch von Meh­ reren eingewendet, es verstehe sich von selbst, daß die Bestimmung des Art. 284 nicht zur'Umgehung der Wuchergesetze benützt werden dürfe und daß alles, was

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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Der Schuldner ist im Zweifel nicht berechtigt, sich durch Erlegung der Konventionalstrafe von der Erfüllung zu befreien37 * * ). *38 **** Die Verabredung einer Konventionalstrafe schließt im Zweifel

den Anspruch auf einen den Betrag derselben übersteigenden Scha­ densersatz nicht aus33).

zu diesem Zwecke geschehe, keine Geltung habe. Der zuletzt erwähnte Antrag gehe aber zu weit, indem er alle Geldschulden ausnehme, und sich so auch aus GeldleistunAen aus einer Reihe von Berträgen erstrecke, welche mit den Wuchergesetzen gar mcht in Zusammenhang ständen, wie z. B. die Geldleistungen für Schiffs­ miethe, Ueberliegetage u. dergl., während gerade für solche Verträge der Art. 284 Bedeutung habe. Der Antrag wurde bei der Abstimmuug abgelehnt. (Prot. S. 1310, 1311.) 37) Der Satz bezieht sich auf das Verhältniß des Schuldners zur Konventio­ nalstrafe und entscheidet die Frage, ob die Konventionalstrafe zugleich den Charakter des Reugeldes haben solle, verneinend. Ueber das Verhältniß des Gläubigers zur Konventionalstrafe bestimmt der Satz nichts. In dieser Hinsicht aber fragt es sich, ob der Gläubiger das Recht haben solle, zwischen der Klage auf Erfüllung und der auf Bezahlung der Kon­ ventionalstrafe zu wählen; oder ob er Beides zugleich verlangen könne; und ob er, so teure die Erfüllung ausbleibe, außer der Konventionalstrafe oder statt derselben ein höheres Interesse fordern könne. Die letztere Frage ist durch den dritten Ab­ satz entschieden; über die beiden ersten Fragen Bestimmungen in das Handelsge­ setz auszunehmen, wurde abgelehnt (Prot. S. 412, 1312), dieselben sind daher in jedem vorkommenden Falle, mit Rücksicht auf die besondere Beschaffenheit und auf die thatsächlichen Umstände desselben, nach dem Civilrechte zu entscheiden. Eine andere Frage ist die: wann die Konventionalstrafe verfallen sei, ob es nämlich dabei aus den Einrritt der Mora ankomme, wie nach dem Code civil Art. 1230 und nach der ähnlichen Bestimmung des A. L.R. I, 5, §. 305, oder ob, wie nach dem Gemeinen Rechte, die Strafe mit dem Eintritte derjenigen That­ sachen , von denen sie im Vertrage abhängig gemacht worden, für verwirkt anzu­ sehen sei. Die hierüber in Antrag gebrachten Zusatzbestimmungen wurden abge­ lehnt, weil man dafür hielt, daß'mit der vorgeschlagenen Bestimmung, welche lautete: „Die Strafe ist verwirkt, wenn die Voraussetzungen, unter denen sie nach der Verabredung eintreten soll, vorhanden sind, ohne daß es außerdem auf das Erforderniß einer eigentlichen Mora aukommt", keine Gewißheit darüber ge­ wonnen werde, von welchen Voraussetzungen der Verfall der Konventionalstrafe abhängig sein solle, zumal die Interpretation der Verabredung in solchen Fällen ganz besonders mit Rücksicht auf die Anforderungen der bona fides erfolgen müsse. (Prot. S. 1312.) 38) Vergl. unten Art. 398. Anfangs wollte man eine entscheidende Bestimmung darüber, ob der Gläu­ biger außer der Konventionalstrafe noch Entschädigung wegen eines etwaigen wei­ ter gehenden Interesses zu fordern berechtigt sei, nicht aüfnehmen. Man erwog jedoch, daß in mehreren Civilgesetzgebungen in Betreff dieser Frage sehr erhebliche Verschiedenheiten beständen, deren Ausgleichung int Interesse des internationalen Verkehres für dringend erforderlich erachtet würde. Während nämlich nach Ge­ meinem Rechte dem Gläubiger das Recht zusteht, ein nachweisbares, über die Konventionalstrafe hinausgehendes Interesse zu fordern, verordnet das A. L.R. I, 5, §. 293, daß nie mehr als die bedungene Konventionalstrafe gefordert werden darf. Um die hierdurch im Rechtsgebiete des H.G.B. entstehende' Rechtsungleich­ heit zu beseitigen, ist dieser Artikel in der zweiten Lesung angenommen worden. (Prot. S. 1312.) Derselbe ist nur ein interpretativer Satz für den Fall, daß die Parteien nicht klar die Unzulässigkeit der Forderung eines höheren Schadensersatzes ausgemacht haben.

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Viertes Buch.

Erster Titel.

Art. 285.

Die Daraufgabe (Arrha) gilt nur dann als Reugeld, wenn dies vereinbart^) oder ortsgebräuchlich ist. Sie ist, wenn nichts Anderes vereinbart oder ortsgebräuchlich

ist,.zurückzugeben oder in Anrechnung zu bringen39 40).41 42

Art. 286. Wegen übermäßiger4') Verletzung, insbesondere wegen Ver­

letzung über die Hälfte, können Handelsgeschäfte4^) nicht angefoch­ ten werden. 39) Die Vereinbarung kann auch stillschweigend geschehen. Um dieses an­ zudeuten, hat man das Wort „ausdrücklich", welches sich im preuß. Entwürfe Art. 218 und im Redaktionsentw. Art. 243 vor „vereinbart" befand, gestrichen. (Prot. S. 415.) 40) Der erste Satz dieses Art. entscheidet, daß die Arrha, wenn nicht das Gegentheil ausgemacht oder gebräuchlich ist, nur als ein Zeichen des wirklichen Zustandekommens eines Vertrages gelten, d. h. als arrha confirmatoria und nicht als arrha poenitentialis betrachtet werden soll. Die Arrha ist jedoch nicht in allen Fällen ein Angeld, d. i. eine abschlägliche Vorauszahlung auf die schuldige Summe, sie wird vielmehr auch hie und da, namentlich im kleineren Handel, als eine Extra­ leistung gegeben, welche von der bedungenen Leistung nicht in Abzug kommt. Ueber die Frage nun: ob die Arrha im Zweifel als ein eigentliches, anzurechnendes An­ geld, oder als eine Extraleistung betrachtet werden soll, trifft der zweite Satz Ent­ scheidung. — Die Arrha wird' auch nicht immer in Geld und nur wegen Geld­ leistungen gegeben, ist also mit der Hauptleistung nicht immer gleichartig. In diesem Falle kann sie nicht ungerechnet, vielmehr muß sie zurückgegeben werden. Hierauf beziehen sich die Worte „zurückzugeben oder". (Vgl. Prot. S.416 u. 1313.) 41) Statt „Verletzung über die Hälfte" ist in zweiter Lesung „wegen über­ mäßiger Verletzung" gesetzt worden, da Partikulargesetzgebungen von anderen Vor­ aussetzungen ausgmgen als der Entwurf, z. B. davon, daß schon die Verletzung über ein Drittel Grund zur Auflösung des Kaufs gebe u. dergl. Es ist mit dem Ausdrucke das gemeint, was man in der gemeinrechtlichen Rechtssprache laesio enormis nennt. (Vergl. Prot. S. 1314.)

42) Im preuß. Entwürfe lautete dieser Art. als Art. 219: „Wegen Ver­ letzung über die Hälfte können Verträge in Handelsgeschäften nicht angefochten wer­ den."' Der Art. wurde in der ersten Lesung ohne Debatte angenommen, nachdem aus die Anfrage eines Mitgliedes von dem Referenten die Erklärung gegeben wor­ den war, daß hier die Begriffsbestimmung der Artt. 271 u. 272 entscheide: ob und inwieweit ein Rechtsgeschäft als Handelsgeschäft zu betrachten sei, daher die Bestimmung des vorliegenden Artikels aus einen Nichtkaufmann, wenn dieser mit einem Kausmanne ein Geschäft abgeschlossen habe, welches nicht in die Kategorie der im Art. 272 genannten gehöre, keine Anwendung leide. Der Rehaktionskom­ mission wurde anheimgegeben, hier, wie in allen anderen Stellen des Gesetzes, in denen diese Ausdrucksweise vorkommt, die Worte: „Verträge in Handelsgeschäften" zu berichtigen. (Prot. S. 416.) Vergl. oben Anm. 26, Abs. 3 u. 4. Hiernach findet der vorliegende Art. 286 auf den Kontrahenten, auf dessen Seite das Rechts­ geschäft kein Handelsgeschäft ist, nicht Anwendung. Der österreichische Entwurf drückt dies im §.37 ganz bestimmt aus: „Verträge in Handelsgeschäften können von demjenigen Theile , welcher das Geschäft als Handelsgeschäft abschließt, wegen Verletzung über die Hälfte nicht bestritten werden". Die weiteren Erörterungen machen jedoch die Frage wieder zweifelhaft. In zweiter Lesung wurde zum Art. 286 beantragt, die Anwendbarkeit desselben auf den Fall zu beschränken, daß Kaufleute und Spekulanten, d. i. diejenigen Personen, auf deren Seite ein Geschäft die Eigen­ schaft eines Handelsgeschäftes'habe, übermäßig verletzt seien, weil so lange, als die schützenden Bestimmungen, um deren Beseitigung es sich hier handle, über-

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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Art. 287. Die Höhe der gesetzlichen Zinsen, insbesondere auch der Verzugs­ zinsen^ b), ist bei Handelsgeschäften") Sechs vom Hundert jährlich"). Haupt noch in den Civilgesetzgebungen Geltung hätten, kein Grund ersichtlich sei, warum dieser Schutz einem Nichtkaufmanne nicht zu Gute kommen solle, wenn er einem in Geschäften wohlbewanderten Kausmanne gegenüber stehe. Der Grund des Artikels, daß man bei Kaufleuten eine gründliche Kenntniß des Werthes der verkauften Waaren voraussetzen könne, treffe bei nicht spekulirenden Nichtkaufleu­ ten nicht zu. So wie hier beantragt werde, sei auch im §. 37 des üsterr. revid. Entwurfes vorgeschlagen. Hiergegen wurde aber eingewendet, für die allgemei­ nere Fassung des Art. spreche vor Allem ein äußerer Grund, nämlich der, daß möglichste Gleichheit des Rechts herbeigesührt werde. Wenn dem Anträge stattge­ geben würde, so werde über die vorliegende Frage das verschiedenste Recht Gel­ tung haben: im preußischen Landrechte habe nur'der Käufer das Recht, sich auf eine laesio enormis zu berufen; im Gemeinen Rechte sei es mindestens streitig, ob dieses Recht nicht bloß dem Verkäufer zustehe; im rheinischen Rechte bestehe ein solches Recht für Geschäfte mit Mobilien gar nicht. Die Bestimmung des Art. 286 sei aber auch innerlich gerechtfertigt. Die Bestimmungen über laesio enormis, die aus der späteren Kaiserzeit stammten, in welcher man es vorgezogen habe, sich an ein äußerliches, mathematisches und ganz zufälliges Merkmal zu halten, statt qua­ litative Merkmale und darauf bezügliche Bestimmungen z. B. über Dolus aufzu­ stellen , um den einen Kontrahenten gegen Uebervortheilungen des anderen zu schü­ tzen, seien nicht praktisch und hätten auch nach dem Zeugnisse fast aller Praktiker höchst selten einen Erfolg gehabt, wohl aber schon oft zu Chikanen Anlaß gegeben. Es empfehle sich deshalb, dem Art. die möglichst ausgedehnte Anwendung zu ge­ ben. — Nachdem hiegegen noch erwidert worden war, die aufgeführten' Gründe sprächen nur für eine Aenderung der Civilrechte überhaupt rücksichtlich der hier vor­ liegenden Frage, aber keinesweges für die im Entwürfe proponirte Abweichung des Handelsrechtes von den sortbestehenden Civilrechten, wurde beschlossen, es bei dem Entwürfe zu belassen. (Prot. S. 1313.) — Hierzu kommen zwei Eftnnerungen zur dritten Lesung, die eine von Mecklenburg: „Der Art. ist bedenklich. Warum soll z. B. ein Nichtkaufmann, wenn er von einem in Geschäften wohlbe­ wanderten Kaufmanne übermäßig verletzt ist, sich nicht auf laesio enormis berufen dürfen? Der Art. wäre zu streichen oder auf Kaufleute zu beschränken". Die andere von Kurhessen: „Einer nochmaligen Erwägung dürfte zu unterziehen sein: die Beschränkung der Bestimmung des Ärt. 286 im Sinne des Antrages S. 1313 der Prot." (Erinnerungen re. S. 45, Nr. 279, 280.) Beide Erinnerungen wur­ den jedoch von der Berathung ausgeschieden. (S. 93 ebend.) Hiernach hat man vorausgesetzt, daß der Art. 286 auch auf den Kontrahenten, auf dessen Seite das Rechtsgeschäft nicht die Eigenschaft eines Handelsgeschäftes hat, Anwendung finde. Indeß ist nach dem Wortlaute und nach der zu Art. 277 festgestellten 'Technik (Anm. 26, Abs. 3) der vorliegende Art. 286 ebenso gut wie der folgende Art. 287 auf Kaufleute zu beschränken. Man scheint-bei der Wiederaufnahme der Erörte­ rung über den Art. 286 in der zweiten Lesung sich der Erklärung, welche der damalige, nicht lange nachher verstorbene Referent in der ersten Lesung gegeben hatte, nicht erinnert' zu haben.

43) Der Art. will nur von gesetzlichen Zinsen überhaupt, von welchen die Verzugszinsen eiue Art sind, im Gegensatze von vertragsmäßigen Zinsen handeln. Um dieses auszudrücken, wurde beschlossen, die im Entwürfe (Art. 221) befindli­ chen Worte: „welche wegen Verzuges oder aus anderen rechtlichen Gründen", zu streichen, weil unter den Begriff „andere rechtliche Gründe" auch die vertragsmä­ ßige Uebereinkunft über die Verzinsung passe. (Prot. S. 420.) In der danach veränderten Fassung ist der Gattungsbegriff „gesetzliche" vorangestellt und der Verzugszinsen ist mir erklärungsweise, als darunter mitbegriffen, besonders ge­ dacht worden. 44) Vergl. oben die Anm. 26, Abs. 3 u. 4. — Hierzu tritt für Preußen der diese Bestimmung erweiternde Art. 14 des Einf.-Ges. v. 24. Juni 1861.

474

Viertes Buch.

Erster Titel.

In allen Fällen, in welchen in diesem Gesetzbuche die Verpflich­ tung zur Zahlung von Zinsen ohne Bestimmung der Höhe44) aus­

gesprochen wird, sind darunter Zinsen zu Sechs vom Hundert jähr­

lich zu verstehen.

Art. 288. Wer aus einem Geschäfte, welches aus seiner Seite ein Han­

delsgeschäft i|t4T), eine fällige Forderung hat, kann wegen derselben vom Tage der Mahnung 4 458)46 49an 47 50Zinsen fordern, sofern er nicht nach dem bürgerlichen Rechte schon von einem früheren Zeitpunkte an

Zinsen zu fordern berechtigt ist.

Die Uebersendung der Rechnung gilt für sich allein nicht als Mahnung48).

Art. 289. Kaufleute unter einander sind berechtigt, in beiderseitigen88) Handelsgeschäften auch ohne Verabredung oder Mahnung von jeder

45) Diese Bestimmung gilt im Handelsrechte überall als Prinzipalrecht. In zweiter Lesung wurde bemerkt, in manchen Ländern sei der gesetzliche Zinsfuß selbst unter Kaufleuten aus 5$ festgesetzt, weshalb zu erwägen sei, ob wegen solcher Verhältnisse nicht ein Vorbehalt auszunehmen sei. Dieser Bemerkung würde jedoch keine weitere Folge gegeben. (Prot. S. 1314.) Somit ist der landrechtliche Grund­ satz (§. 690 d. 8. T.), daß auch Kaufleute den zur Bestimmung des Zinssatzes er­ gangenen Landes- oder Provinzialgesetzen der Regel nach unterworfen sind, beseitigt. 46) Eine solche Bestimmung eines besonderen Zinssatzes ist z. B. in Bezie­ hung auf das Verhältniß der Gesellschafter unter einander im Art. 106 enthalten.

47) Vergl. oben die Anm. 26, Abs. 3 u. 4 zu Art. 277. 48) Hierdurch hat für die in dem ersten Absätze berührten Fälle die Anwend­ barkeit der gemeinrechtlich streitigen Regel: „dies interpellat pro homine“, aus­ geschlossen und zugleich bestimmt werden'sollen, daß auch eine außergerichtliche Mah­ nung wirksam fei, weil nach manchen Partikulargesetzgebungen außergerichtliche Mahnungen nicht die Wirkung haben, den Schuldner in Verzug zu setzen. Von selbst versteht sich, daß in Fällen, in welchen der Gläubiger verpflichtet ist, die Leistung des Schuldners bei diesem zu empfangen, die Mahnung für sich allein den Schuldner nicht in Verzug setzt, wenn der Gläubiger sich in mora accipiendi befindet, d. h. zur Empfangnahme der Leistung sich nicht einstellt. (Prot. S. 1316, 1317.) Mahnung muß auch dann eintreten, wenn bis zu einem bestimmten Tage Kredit gegeben worden ist. Die Mahnung kann mit Wirkung nicht vor Ablauf dieses Tages geschehen, die Forderung muß fällig sein.

49) Ausgenommen aus dem revid. österr. Entwürfe, §. 45. Das A. L.R. hatte den entgegengesetzten Grundsatz. (§. 685 b. 8. £.) Jedoch hatte die Praxis in letzter Instanz angenommen, daß, wenn die Parteien im fort­ laufenden Verkehre stehen, die Zusendung von Rechnungen nicht die Kraft einer Mahnung habe. Erk. des Obertr. v. 2. Februar 1856 (Arch. f. Rechtsfätle Bd.XX, S. 120). 50) Vergl. Aum. 26, Abs. 3 a. E. und Abs. 4. Durch das in zweiter Lesung eingeschobene Wort „beiderseitigen" soll die Mei­ nung abgehalten werden, als könnten Kaufleute unter einander nie als Konsumen­ ten beurtheilt, vielmehr immer nur nach der Bestimmung dieses Art. behandelt werden. (Prot. S. 1316.)

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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Forderung feit dem Tage, an welchem sie fällig toar51), 52 53 Zinsen 54

zu fordern.

Art. 290. Ein Kaufmann, welcher in Ausübung des Handelsgewerbes

einem Kaufmanne oder Nichtkaufmanne Geschäfte besorgt oder Dienste leistet, kann dafür auch ohne vorherige Verabredung Provision sa),

und wenn es sich um Aufbewahrung handelt, zugleich auch Lager­ geld nach den an dem Orte gewöhnlichen Sähen forbern5aa).

Von feinen Darlehen, Vorschüssen, Auslagen und anderen Ver­

wendungen kann er, vom Tage ihrer Leistung oder Beschaffung an, Zinsen in Ansatz bringen5 3). Dies gilt insbesondere auch von dem Kommissionär und Spe­

diteur 6*). 51) Von der Fälligkeit an, nicht erst vom Augenblicke des eingetretenen Ver­ zuges an. Diese Zinsen sind also nicht Verzugszinsen, sondern eine Art gesetzli­ cher Zinsen vermöge des Grundsatzes, daß Niemand wider den Willen des Anderen Sache und Kaufgeld zugleich benutzen kann. (A. L.R. I, 11, §. 109.) Der Anfangs­ termin der Zinsen ist der Zeitpunkt, in welchem die Leistung rechtlich erwartet wer­ den darf, d. i. der Moment, wo bei Kaufsgeschäften die ätausgeldsorderung durch Uebergabe der Waare zur Entstehung kommt, wenn nicht auf Kredit gehandelt und demzufolge ein bestimmter späterer Zahltag festgesetzt worden ist. Das A. L.R. hatte im §. 696 d. 8. T. eine ähnliche Bestimmung. — Von dem Grundsätze die­ ses Art., Zinsen vom Verfalltage an zu fordern, beziehungsweise von jeder ein­ zelnen Post zu berechnen, macht der Fall keine Ausnahme, wenn Kaufleute in gegenseitigem Kontokurrentverhältnisse stehen; die Zinsen lausen hier nicht erst vom Tage der Ausgleichung, sondern schon vom Tage der Fälligkeit der betreffenden Posten, d. i. vom Augenblicke der Entstehung der Forderung, beziehungsweise vom Eintritte des bedungenen Ziels (Art. 291). Denn die Übereinkunft, an einem bestimmten Tage abrechnen zu wollen, ist nicht identisch mit der Hinzufügung eines späteren Verfalltages; der natürliche Fälligkeitstermin der einzelnen Forde­ rungen wird durch die spätere Abrechnung nicht geändert. (Bergl. Prot. S. 422.) 52) Das Wort „ortsübliche", welches vor „Provision" im Entwürfe stand, ist mit dem Bemerken gestrichen worden, daß die Schlußworte des Absatzes: „nach den an dem Orte gewöhnlichen Sätzen", sich auch aus die Provision bezögen. (Prot. S. 1317.) Auch das A. L.R. §. 701 d. 8. T. verwies hinsichtlich des Satzes der Provision und des Lagergeldes auf die Ortsgewohnheit. Provision kann gefordert werden, auch wenn das del credere übernommen ist. Unten, Art. 370, Abs. 3 und Anm. 4, lit. a zu §. 5, Tit. 13, Th. I. A. L.R. 52 a) Diese Bestimmung ist dem A. L.R. §§. 698 u. 700 d. 8. T. entnommen.

53) Auch dann, wenn er ohne Auftrag, als negotiorum gestor gehandelt hat. Der Entwurf (Art. 227) bewilligte, wie das A. L.R. §. 695 d. 8. T., dem Kauf­ manne nur alsdann das Recht, Zinsen von den gemachten Vorschüssen zu for­ dern, wenn er sie aus Grund eines Auftrages gemacht habe. Hiergegen wurde erinnert, es sei kein ausreichender Grund vorhanden, die Zinsen dem Kausmanne zu verweigern, wenn er ohne ausdrücklichen Auftrag, als negotiorum gestor handle; in dem zuletzt erwähnten Falle gestatte ja auch das Gemeine Recht die Zinsenfor­ derung. Diese Erinnerung wurde als richtig der Redaktionskommission zur Be­ rücksichtigung überwiesen. (Prot. S. 426 ff.) 54) Dieser Satz ist für nothwendig erachtet worden, weil im Handelsverkehre nicht immer bei den baaren Vorschüssen der Spediteure für Fracht rc. Zinsen ge­ rechnet würden, jedoch kein innerer Grund bestehe, welcher solche Ausnahmen recht-

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Viertes Buch.

Erster Titel.

Art. 291. Wenn ein Kaufmann mit einem anderen Kaufmannes 5) in lau­

fender Rechnung (Äontofurrent55a)), steht, so ist derjenige, welchem beim Rechnungsabschlüsse ein Ueberschuß gebührt, von dem ganzen Betrage desselben, wenngleich darunter Zinsen begriffen sind, seit dem Tage des Abschlusses Zinsen zu fordern berechtigt««).

Der Rechnungsabschluß geschieht jährlich einmal «*),

sofern

nicht von den Parteien ein Anderes bestimmt ist. fertige; dieselben seien vielmehr als ein zum Nachtheile der Spediteure eingeschli­ chener Gebrauch anzusehen. (Prot. S. 427, 766.) Vergl. unten, Artt. 371, 381. 55) Auf Nichtkausleute findet diese Bestimmung nicht Anwendung. Vergl. oben, Anm. 26, Abs. 3 a. E. und Abs. 4. — Ein Antrag, den Inhalt des Art. auch aus das Verhältniß der Kaufleute zu Nichtkausleuten auszudehnen, was nament­ lich wegen des Verkehrs der Bankiers mit Kapitalisten erforderlich sei, da dieser ganz nach kaufmännischen Grundsätzen behandelt zu werden pflege, wurde abgeiehnt, weil man dafür hielt, es sei bedenklich, eine solche Ausdehnung vorzuneh­ men, für welche ein wirkliches Bedürfniß um so weniger bestehe, als durch den Artikel das Gegentheil keinesweges ausgeschlossen, sondern die Frage, wie ein sol­ cher Verkehr zwischen Kaufleuten und Nichtkausleuten zu beurtheilen sei, offen ge­ lassen werde und überdies ein gegenseitiges Rechnungsverhältniß zwischen Kaufleu­ ten und Nichtkaufleuten kaum einmal anders als nach vorgängiger Vereinbarung der maßgebenden Grundsätze entstehen werde. (Prot. S. 1317.)

55») (2. A.) Ein Kontokurrentverhältniß äußert seine Wirkung darin, daß jeder eingetragene Posten, auch Zahlung, als Aktivposten betrachtet wird, und daß das nach Aufstellung der Rechnung zu Gunsten des einen oder des anderen Thei­ les sich ergebende Guthaben resp. Schuld, der Saldo, sofern er anerkannt ist, als eine selbstständige Forderung angesehen wird, indem die übrigen in der Rechnung ausgeführten Posten als durch Ausgleichung der gegenseitigen Werthe absorbirt gel­ ten. Da auch in kürzeren als Jahresperioden ein Saldo gezogen werden kann, wenn beide Theile darüber einverstanden sind, so kann nicht wohl bezweifelt wer­ den, daß, wenn der in einem solchen Rechnungsabschluß gezogene Saldo aner­ kannt und berichtigt wird, dieses die im §. 147, I, 16 des A. L.R. angegebene Wirkung, daß auf Posten früherer Rechnungen nicht zurückaegangen werden darf, haben muß. Es ist unter Kaufleuten, die in laufender Rechnung stehen, nicht gebräuchlich, auch nach der Natur des Kontokurrentverhältnisses nicht zulässig, ein­ zelne Posten aus dem in dieser Weise bestehenden Verkehre herauszureißen und deren spezielle Berichtigung zu verlangen. Durch Uebereinkunst beider Theile wird dieses allerdings geschehen können, aber dann muß dieses auch bei einer solchen Spezialberechnung kenntlich gemacht und die Einwirkung derselben auf den dadurch gestörten gewöhnlichen Verkehr festgestellt werden. Erk. des Obertr. vom 8. März 1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LX, S. 360). 56) Dieser Satz ist dem A. L.R. §. 697 d. 8. T. nachgebildet. Die Vorschrift setzt eine gegenseitige Berechnung und einen besonderen Verpflichtungsgrund zur Verzinsung voraus (Anm. 51), denn sie hat nur den Zinsen-Anatocismus zum Ge­ genstände sie bestimmt nur, daß und unter welchen Umständen dem Kausmanne gestattet sei, Zinsen von Zinsen zu nehmen; sie setzt keinen selbstständigen Ver­ pflichtungsgrund, gesetzliche Zinsen zu entrichten, fest. (Prot. S. 1318.)' Dies ist auch von der Praxis anerkannt und angewendet. Vergl. Erk. des Obertrib. vom 28. Februar 1858 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XX, S. 223). 57) Das Wort „einmal" ist in erster Lesung eingeschaltet, weil bemerkt wurde, daß sonst die Bestimmung leicht so verstanden werden könne, als müsse der Ab­ schluß immer am Ende des Kalenderjahres (per 31. Dezember) erfolgen, was zwar gewöhnlich, aber nicht nothwendig sei; es genüge zu bestimmen, daß der Abschluß nicht öfter als einmal jährlich geschehe. (Prot. S. 424.)

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

477

Art. 292. Bei Handelsgeschäften88) können Zinsen zu Sechs vom Hun­ dert jährlich bedungen werden; höhere Zinsen zu bedingen, ist nur in sofern zulässig, als die Landesgesehe solches gestatten88'). Bei Darlehen, welche ein Kaufmann empfängt88), und bei Schulden eines Kaufmannes aus seinen Handelsgeschäften können auch höhere Zinsen, als Sechs vom Hundert jährlich, bedungen werden8"). Art. 293. Die Zinsen können bei Handelsgeschäften in ihrem Gesammtbetrage das Kapital übersteigen8 *). Art. 294. Die Anerkennung einer Rechnung schließt den Beweis eines Irrthums oder eines Betrugs in der Rechnung88) nicht aus88'). 58) M. s. oben die Anm. 47 zu Art. 287. 58») (2. A.) M. s. die Verordnung vom 12. Mai 1866, Zus. 22» zu §. 804, Tit. ii, Th. I A. L.R., an deren Stelle aber das Norddeutsche Bundes-Gesetz vom 14. November 1867 (Bundesges.Bl. S. 159) getreten ist.

59) Diese Ausnahme von den Wuchergesetzen findet sich unter gewissen Be­ schränkungen schon ini A. L.N. §§. 692—694 d. 8. T., um dem Kausmanne, der mit Waaren im Großen handele und als Waarenhändler nie eine große Kasse haben könne, die schnelle Auffindung des benöthigten Geldes auf kurze Zeit mög­ lichst zu erleichtern, was nicht anders als dadurch geschehe« könne, daß man ihm erlaube, seinem Kreditor auch höhere als die gewöhnlichen Zinsen zu verschreiben. (Jahrb. Bd. XLI, S. 155.) Die Beschränkungen werden durch den Art. 292 be­ seitigt. Ein Antrag, die Bestimmung des Abs. 2 aus diejenigen Darlehen zu be­ schranken, welche ein Kaufmann zu seinen Handelsgeschäften entnimmt, wurde namentlich auf die Bemerkung der Mitglieder vom Kaufmannsstande, daß der da­ mit beabsichtigte Schutz für den Kaufmännsstand nur zu dessen Nachtheile ausschla­ gen würde, abgelehnt, da, wenn man das Recht, ein einem Kaufmanne gegebe­ nes Darlehn als ein kaufmännisches betrachtet zu sehen, von der Art der Verwen­ dung des Geldes abhängig mache, es dem Kaufmanne sehr schwer werden würde, Geld dargeliehen zu erhalten. (Prot. S. 424, 1319.) 60) Vergl. oben die Anm. 36 zu Art. 280. 61) In denjenigen Ländern, in welchen das Verbot der usurae ultra alterum tantum nicht besteht, ist der Satz selbstverständlich.

62) Ein Antrag auf Streichung der Worte: „in der Rechnung" wurde damit gerechtfertigt, daß die Bestimmung des Art. nicht allein von einem in der Rech­ nung untergelausenen Irrthume und Betrüge gelte, sondern weit allgemeiner, vor­ ausgesetzt, daß die entsprechenden Vorbedingungen vorhanden seien, von denen das allgemeine Civilrecht ausgehe, daß z. B. der Irrthum ein entschuldbarer sei u. dergl.; wenn aber die Fassung so bleibe, so werde hieraus leicht gefolgert werden, daß in dieser Beziehung das Civilrecht eine Aenderung erleiden solle. Hiergegen wurde aber eingewendet, wenn die bezeichneten Worte gestrichen würden, so werde die wahre Absicht des Art. verdunkelt. Es handle sich' nämlich nicht darum, zu sagen, daß man sich auf einen Irrthum überhaupt unter gewissen Umständen berufen könne, sondern darum, zu sagen, daß man sich aus einen in einer Rechnung untergelaufenen Irrthum beziehen könne, obschon die Rechnung anerkannt und da­ durch zu einem Beweismittel gemacht worden sei. (Prot. S. 1319, 1320.) — Dagegen sind die in dem Entwürfe befindlichen Worte: „einer Auslassung, eines doppelten Ansatzes", auf die Bemerkung gestrichen, daß beide nur entweder aus

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Viertes Buch.

Erster Titel.

Art. 295.

Die Beweiskraft eines Schuldscheines oder einer Quittung ist

an den Ablauf einer Zeitfrist nicht gebunden63 * * ). *64 * *65 ************

Art. 296. Der Ueberbringer^) einer Quittung gilt für ermächtigt, die Zahlung zu empfangen, sofern nicht die dem Zahlenden bekannten

Umstände der Annahme einer solchen Ermächtigung entgegenste­

hen 6Ö). Irrthum oder aus Betrug unterlaufen könnten; sie enthielten hier also nur Bei­ spiele , wie Jn'thum und Betrug Vorkommen könnten. (Prot. S. 425.)

62 ») (2. A.) Durch die unter einer Berechnung über gegenseitige Forderun­ gen, welche für einen Theil einen Saldo vorträgt, befindliche Erklärung des Schuld­ ners , daß er nach der heutigen Abrechnung,' von deren Nichtigkeit er sich genau überzeugt habe, den Saldo schulde, welchen er auf jedes Verlangen sammt Zin­ sen zu bezahlen verspreche, wird eine civilrechtliche Schuldverschreibung konstituirt. (A. L.R. 1,5, §. 152.) — Will der Erklärende die Unwirksamkeit dieser Verbindlichkeit behaupten und darthun, so reicht dazu die Behauptung nicht aus, daß die eine oderandere der anerkannten Forderungsposten in thatsächlicher Beziehung unrichtig seien, vielmehr ist darzuthun, daß der Wille des Erklärenden in Ansehung dieser Forde­ rungen beeinflußt sei, daß eine anerkennende Willenserklärung hinsichtlich dieser nicht habe abgegeben werden sollen. Es muß mithin ein Irrthum, der die Wil­ lenserklärung veranlaßt, nachgewiesen werden. Daneben fällt aber auch nicht ohne weiteres derjenige Theil der Willenserklärung, der durch den Irrthum nicht be­ rührt wird, zusammen, dieser muß vielmehr seinen Bestand behalten. Erk. des Obern, vom 26. September 1867 (Arch. s. Rechtss. Bd. LXVII, S. 360). 63) M. s. oben die Anm. 23, Abs. 3 zu Art. 274. Dieser Artikel berührt die auf Schuldinstrumente, welche zur Eintragung in das Hypothekenbuch bestimmt sind, sich beziehenden Vorschriften der §§. 738, 739, Th. I, Tit. 11 des A. L.R., und der §§. 175 — 181, Tit. 2 der Allg. Hyp.Ordnung nicht. Einf.-Ges. zum H.G.B. v. 24. Juni 1861, Art. 26 und die Anm. 60 dazu. 64) Das Wort „Ueberbringer" soll nicht anders als in bloß faktischem Sinne und keinesweges so verstanden werden, als bedürfe es eines Beweises darüber, daß der Inhaber der Quittung von dem Gläubiger abgesendet sei. (Prot. S. 1324.) 65) Dergleichen Umstände, und daß dieselben dem Zahlenden vor oder bei der Zahlung bekannt geworden waren, muß der Gläubiger beweisen, sonst ist der Schuldner liberirt, wäre auch die Quittung auf ungehörige Weise, z. B. durch Eutweudung in die Hände des Ueberbringers gekommen. Hierdurch unterscheidet sich diese Bestinnnuug von der ähnlichen des A. L.R. I, 13, §♦ 130, welche den Beweis verlangt, daß die Quittung dem Inhaber derselben anvertraut worden, eine Bedingung, die der Bestimmung geringen praktischen Werth übrig läßt. Das Obertribunal hat schon nach bisherigem Rechte sachgemäß angenommen, daß Hand­ lungslehrlinge befugt sind, gegen Aushändigung der Frachtbriefe und Begleitscheine die' auf denselben verzeichneten Nachnahmen in Empfang zu nehmen. Erk. v. 2. Januar 1851 (Arch. f. Rechtsf. Bd. III, S. 198). Die Bestimmung des Art. 296 befand sich im Redaktionsentwurfe als zweiter Absatz des Art. 48. Von dort hat man sie hierher versetzt, weil man dafür hielt, der Art. 48 werde vermöge seiner Stellung im Gesetze voraussichtlich immer da­ hin ausgelegt werden, daß er nur bei dauernden Beziehungen zwischen dem Be­ vollmächtigten und dem Bollmachtsgeber Anwendung leide, während die Bestim­ mung auch aus einzelne Aufträge in Handelssachen zwischen selbstständigen Perso­ nen anwendbar sein solle. Damit jeder Zweifel darüber beseitigt werde, hat man diese Vorschrift hier in den allgemeinen Theil des vierten Buches ausgenommen. (Prot. S. 1322.)

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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Art. 297.

Ein Antrag, ein Auftrag oder eine Vollmacht88), welche von einem Kaufmanne in dem Handelsgewerbe8r) ausgegangen sind,

werden durch seinen Tod nicht aufgehoben, sofern nicht eine entge­ gengesetzte Willensmeinung aus seiner Erklärung oder aus den Um­

ständen hervorgeht8 8). 66) Auftrag und Vollmacht sind hier nicht gleichbedeutend. In dieser Bezie­ hung wurde in dritter Lesung gegen den Antrag, das Wort „Vollmacht" zu strei­ chen, hervorgehoben: im gewöhnlichen Verkehre werde sehr häufig der Auftrag als etwas, was" nur das innere Verhältniß des Mandatars zum Mandanten angehe, und bei dessen Ausführung der Mandatar als Kommissionär auch in seinem eige­ nen Namen handeln könne, der Vollmacht als einer Ermächtigung, Dritten gegen­ über für den Mandanten in dessen Namen handelnd aufzutreten, entgegengestellt. Erwähne man nur den Auftrag, so könne dies zu dem Mißverständnisse führen, als sollten Artt. 297 u. 298 nur auf einen Auftrag in dem eben erwähnten Sinne und nicht auf die Vollmacht Anwendung finden, was keinesweges beabsichtigt sei. Der Antrag wurde demnach verworfen. (Prot. S. 4562.) 67) Zur dritten Lesung wurde von Hamburg die Erinnerung eingebracht: die Erkennbarkeit des Umstandes, daß der Antrag oder Austrag ein gewerb­ licher war, müsse als Bedingung hinzugefügt oder auch ein Zusatz dahin gemacht werden: „daß jeder Antrag oder Auftrag eines Kaufmannes als „ „in dem Han­ delsgewerbe"" von ihm ausgegangen zu'gelten habe, sobald nicht das Gegentheil deutlich aus den Umständen erhelle". (Erinnerungen rc. S. 45, Nr. 283.) Hier-, gegen wurde mehrfach die Ansicht geltend gemacht': Dasjenige, was der eventuelle Vorschlag bezwecke, sei bereits durch den Art. 274, Abs. 1 erreicht, indem hier­ nach so lange, als nicht das Gegentheil erhelle, auch jeder Antrag und Auftrag eines Kaufmannes als in seinem Handelsgewerbe ergangen anzufeheu sei. Art. 274 ziele nämlich keinesweges, wie bei Motlvirung des vorliegenden Antrages ange­ nommen worden, bloß darauf ab, dem Richter einen Anhaltspunkt dafür zu bie­ ten, wie er im Zweifel zu entscheiden habe, sondern wolle auch demjenigen, wel­ cher sich mit einem Kaufmanne in Geschäfte einlasse, ein Recht geben, bis dahin, wo die Umstände das Gegentheil ergäben, und so lange der Antrag in irgend einer, wenn auch nur äußerlichen Beziehung zum Handelsgewerbe des Offerenten stehe, anzunehmen, daß ihm ein kaufmännischer Antrag gemacht sei u. dgl. Mit Rücksicht hierauf wurde der fragliche Antrag mit 13 gegen 1 Stimme abgelehnt. (Prot. S. 4561.) Prozessualisch stellt sich die Sache so, daß die Klage durch die Behauptung, der Auftraggeber re. sei Kaufmann, begründet wird, und daß von der Gegenpartei exzipirt und bewiesen werden muß, der Auftrag sei in einer außergewerbiichen Privatangelegenheit ergangen.

68) Selbstverständlich ist den Erben eines Auftraggebers das Recht durch den Art. nicht genommen, den Antrag, Auftrag, die Vollmacht rc. ausdrücklich zu widerrufen, soweit der Erblasser selbst dazu berechtigt sein würde. Ein Antrag auf Streichung des ganzen Artikels, dessen Bestimmung in vielen Fällen, in de­ nen die Absicht, daß der Auftrag mit dem Tode des Auftraggebers erlöschen solle, unverkennbar vorläge, für unredliche Personen eine gefährliche Handhabe sei, in­ dem dieselben trotzdem, daß ihnen eine solche Absicht und der Tod des Auftrag­ gebers bekannt sei, unter dem Schutze dieses Art. den Auftrag nachträglich doch aussühren würden, um z. B. nur die Provision nicht zu entbehren, — wurde abgelehnt. Die Mehrheit der Versammlung hielt die Bestimmung des Art. für angemessen. Sie sei eine Konsequenz des Art. 54, Abs. 2 und in den allermei­ sten Fällen im Znteresse der Erben des Auftraggebers unentbehrlich. Wenn man diese ^Bestimmung nicht habe, so werde eine Reihe großer Verwickelungen entstehen und namentlich der Großhandel nicht betrieben werden können. Das den Erben zugefallene Geschäft werde leicht ins Stocken gerathen, wenn der Art. nicht in Gel­ tung sei, denn die Erneuerung der Aufträge sei den Erben oft nicht so schnell mög­ lich , als es deren Interesse gebiete, wie z. B. im Falle des Auftrages, bei einer

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Viertes Buch.

Erster Titel.

Art. 298. Bei einer Vollmacht zu Handelsgeschäften kommen in Betreff des Verhältnisses zwischen dem Vollmachtgeber, dem Bevollmächtig­ ten und dem Dritten, mit welchem der Bevollmächtigte Namens des Vollmachtgebers das Geschäft schließt, dieselben Bestimmungen zur Anwendung, welche im Art. 52 in Beziehung aus die Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten gegeben sind. Jngleichen gilt die Bestimmung des Art. 55 in Beziehung auf denjenigen, welcher ein Handelsgeschäft als Bevollmächtigter schließt, ohne Vollmacht dazu erhalten zu haben, oder welcher bei dem Ab­ schlüsse des Handelsgeschäfts seine Vollmacht überschreitet. Art. 299. Im Falle der Abtretung einer aus einem Handelsgeschäfte her­ vorgegangenen Forderung kann die Bezahlung ihres vollen Betra­ ges auch dann verlangt werden, wenn dieser Betrag die Summe des für die Abtretung vereinbarten Preises übersteigt^). Art. 300. Ein Kaufmann, welcher eine auf ihn ausgestellte Anweisung (Assignation) gegenüber demjenigen, zu dessen Gunsten sie ausgestellt ist, angenommen hat, ist demselben zur Erfüllung verpflichtet"). Die auf eine schriftliche Anweisung geschriebene und unterschriebene gewissen Konjunktur Waaren zu kaufen oder zu verkaufen u. s. w. (Prot. S. 429.) Die Wiederholung dieses Antrages in zweiter Lesung hatte gleiches Schicksal, ob­ gleich von einem Mitgliede hervorgehoben wurde, daß erfahrene Kaufleute gerade die Beibehaltung der 'civilrechtlichen Bestimmungen als angemessen bezeichnet hät­ ten. (Prot. S. 1320.)

69) Hierdurch ist für die aus Handelsgeschäften entspringenden Forderungen die lex Anastasiana da, wo sie noch gilt, aufgehoben. Die Fassung ist dem Art. 1 des baier. Gesetzes v. 22. Februar 1855, die Äufhebung der lex Anastasiana betr., nachgebildet; die in dem A. L.R. I, 11, §§. 390, 391 enthaltene Fassung wurde nicht beliebt. (Prot. S. 552, 553.) — Anerkannt wurde zu diesem Art., daß er sich aus die Abtretung aller Forderungen erstrecke, welche aus einem Handelsge­ schäfte hervorgingen,' gleichviel, ob das Geschäft aus Seiten des Gläubigers und des Schuldners,' oder nur auf Seiten eines derselben als Handelsgeschäft erscheine, daß er dagegen auf Abtretungen der nicht aus Handelsgeschäften herrührenden For­ derungen feine Anwendung leide, auch wenn die Abtretung als Handelsgeschäft betrachtet werden könne. (Prot. S. 1321.) 70) Dieser allgemeine Satz betrifft jede Art von Anweisung (Assignation), und bildet den Uebergang von den die Vollmacht und den Auftrag betreffenden Arti­ keln zu den besonders gearteten Anweisungen und Verpflichtungsscheinen. Die Auf­ nahme eines Satzes über die verbindliche Wirkung der Annahme einer Anweisung hat wegen der häufig darüber erhobenen Kontroverse für den Handelsverkehr wich­ tig und um so weniger bedenklich geschienen, da derselbe auch für das bürgerliche Recht anzuerkennen und in verschiedenen Gesetzgebungen, z. B. im A. L.R. I, 16, §§. 259, 276, zu finden ist. Die folgenden Artikel 301—305 behandeln sodann die als Ordre-Papiere anzuerkennenden Anweisungen im engeren Sinne und Ver­ pflichtungsscheine, Konnossemente und Ladescheine speziell für sich. (Vergl. Prot. S. 1325.)

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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Annahmeerklärung gilt als ein dem Assignatar geleistetes versprechen 7*).

Art. 301. Anweisungen und Verpflichtungsscheine, welche von Kaufleuten

über Leistungen von Geld oder einer Quantität vertretbarer Sachen oder Werthpapiere ausgestellt sind, ohne daß darin die Verpflich­ tung zur Leistung von einer Gegenleistung abhängig gemacht ist72), können durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Ordre lauten73). 71) Dieser Schlußsatz bezieht sich nur auf die von Kaufleuten gegebenen Zah­ lungsversprechen, deren der erste Satz erwähnt, und ist deswegen hinzugefügt, weil man zweifeln könnte, ob das Wort „angenommen", welches an sich nur eine Ueber­ nahme des Zahlungsauftrages des Assignanten enthält, als Zahlungsversprechen an den Assignatar, oder als „demjenigen gegenüber, zu dessen Gunsten die An­ weisung ausgestellt ist" , erfolgte Annahme gelten solle, und ob nicht etwa ein Gegenbeweis, daß die Annahme aus die Präsentation durch den Assignanten und nur diesem gegenüber erfolgt sei, nachgelassen werden könne. Uebrigens ist es die Absicht der Versammlung gewesen, daß auch mündliche Zahlungsversprechen Wirk­ samkeit haben könnten.

(Prot. S. 1415, 1416.)

72) Im Redaktionsentwurse (Art. 255) lautete dieser Artikel: „Anweisungen und Berpflichtungsscheine von Kaufleuten über einseitige Leistungen rc." In der dritten Lesung entstand eine Differenz darüber, welche Bedeutung dem Aus­ drucke „einseitig" zukomme. Einige Mitglieder waren der Ansicht, es solle dadurch ausgedrückt werden, daß die versprochene Leistung auch nicht einmal an die Be­ dingung einer Gegenleistung geknüpft sein dürfe, andere Mitglieder glaubten die­ sen Ausdruck nicht in dieser Weise, sondern nur dahin verstehen zu müssen, daß die Urkunde nur Ein Leistungsversprechen enthalten dürfe. Man beschloß deshalb, im Gesetze auszudrücken, das Versprechen müsse in dem Sinne ein einseitiges sein, daß es auch nicht an die Bedingung einer Gegenleistung geknüpft werden dürfe. (Prot. S. 4568.)

73) Wenn sie an Ordre lauten. In dem Entwürfe hieß es: „an die Ordre des Berechtigten". Statt derselben wurden die Worte: „an Ordre" gesetzt, damit die an eigne Ordre gestellten Urkunden von der Bestimmung des Art. nicht

ausgeschlossen wären. Der preuß. Entwurf hatte in den Artt. 229, 230 öffentliche Kreditpapiere, wenn sie nicht auf Inhaber, sondern auf Namen lauten, außerdem die Konnossemente und Ladescheine für indossabel erklärt. In der ersten Lesung wurde die Ungenauigkeit der ersten Kategorie hervorgehoben und eine deutlichere Fassung versucht. Ferner überzeugte man sich von der Unvollständigkeit des Ent­ wurfs und fügte daher noch als neue Kategorie bei: Anweisungen und Verpflich­ tungsscheine von Kaufleuten über einseitige Leistungen, sofern' sie an die Ordre des Berechtigten gestellt sind. Zugleich tauchten Zweifel darüber auf, ob durch „Indossament" nur eine Form der Uebertragung, oder eine, besondere und eigen­ thümliche Rechtsfolgen nach sich ziehende, Art der Uebertragung bezeichnet werden solle. Die Redaktionskommission schlug das Letztere vor. (Redakt.-Entw. Artt. 255, 257.) Bei der zweiten Lesung wurde der preuß. Entwurf gänzlich verlassen. Man erwähnte die öffentlichen Kredttpapiere nicht weiter und beschränkte sich darauf, die­ jenigen Papiere aufzuführen, welche durch den Privatwillen der Kaufleute in der vorhin erwähnten materiellen Bedeutung für indossabel erklärt werden könnten. So entstanden die Artt. 284—286 des Entw. aus zweiter Lesung, die sich in den Artt. 301—303 im Wesentlichen wiederfinden. Geht man davon aus, daß pri­ vatrechtliche Forderungen nur cedirt werden können, d. h. daß nur deren Ausübung iibertragbar ist, nicht aber wie Sachen übertragen werden können, so ergiebt sich als der Inhalt der Artt. 284—286 des Entw.', daß nur die in den Artt. 284 u. 286 erwähnten Forderungen selbstständig mit den im Art. 285 (303 d. H.G.B.)

Koch, A. D. Handelsgesetzbuch. *2. Xufl.

ZI

Viertes Buch.

Erster Titel.

Zur Gültigkeit der Urkunde oder des Indossaments ist nicht erbezeichneten Wirkungen übertragen werden können; daß aber in Bezug auf son­ stige kaufmännische Forderungen nur die Ausübung (Einkassirung) übertragbar, also lediglich eine Cession, wenn auch in der beliebten Form des Indossaments, statthaft ist. Der materielle und praktische Unterschied zwischen beiden Uebertragungsarten besteht darin, daß der Cessionar nur das Recht des Cedenten geltend macht und sich deshalb alle Einwendungen gefallen lassen m..ß, welche dem Ce­ denten, wenn er selbst klagte, würden 'entgegengestellt werden tonnen; denn das Band zwischen dem ursprünglichen Gläubiger und dem Schuldner besteht fort, Beide stehen sich individuell gegenüber. Der Indossatar hingegen gilt als erster, ur­ sprünglicher Gläubiger, als absoluter Gläubiger aus eigenem Rechte; das Gläu­ bigerrecht ist in eine Sache verwandelt und als eine solche auf ihn übertragen. Daher können ihm Einwendungen aus der Person des Autors nicht entgegenge­ stellt werden. (Art. 303.) Gegen die Beschränkung des Indossaments in dieser Bedentung, auf die in den Artt. 284 u. 286 des Entw. erwähnten Forderungen brackjte Hamburg zur dritten Lesung den Antrag ein (Nr. 289 der Erinnerun­ gen 2C.): statt „über einseitige Leistungen von Geld oder einer Quantität vertret­ barer Sachen" simpliciter zu setzen: „über Leistungen von Geld oder Sachen". Es sollten also auch bestimmte, individuelle Sachen als Gegenstände indofiabler Forderungen ausgenommen werden. Zur Rechtfertigung dieses Antrags wurde ge­ sagt : Es sei ein Bedürfniß des Handelsstandes, daß der Kaufmann in den Stand gesetzt werde, seine Forderungen negoziabel zu machen. Da hierbei Alles auf den Willen des Schuldners ankomme, so habe man zunächst darauf zu sehen, ob die­ ser im einzelnen Falle erklärt habe, ihm sei die Person des Gläubigers gleichgül­ tig. Als Kennzeichen für diesen Willen erscheine und gelte das Stellen der Pa­ piere an Ordre. Wer Ordre-Papiere ausgebe, erkläre damit, daß er nicht aus die Person des ersten Gläubigers Gewicht lege, sondern sich gleichsam einen fun­ giblen Gläubiger gefallen lassen wolle. Ohne oder gegen diesen Willen des Schuld­ ners erscheine es verkehrt, selbstständige Uebertragungen zu gestatten; in und mit diesem Willen sei dagegen das ausreichende rechtliche Prinzip gefunden. Allerdings komme es auch auf den Inhalt der Verpflichtung an. Selbstverständlich werde sich kein Verständiger an Ordre verpflichten wollen, wenn im Falle der Nichter­ füllung eine von individuellen Umständen des einzelnen Gläubigers abhängige Er­ satzforderung die nothwendige Folge sei. Der Schaden, das id quod interest, lasse sich nur nach den individuellen Verhältnissen ermitteln und berechnen und sei da­ her nach der Verschiedenheit des Gläubigers sehr verschieden. Um negoziable Pa­ piere begreiflich zu finden, müsse man davon ausgehen, daß für den Werth der Leistung, also auch für die Werthermittelung bei unterbleibender Leistung nicht die besonderen Umstände dieser oder jener bestimmten Person, sondern der allgemeine Verkehrswerth entscheidend sein solle. Dadurch rechtfertige es sich, wenn vorge­ schlagen werde, lediglich die auf Geld und Sachen — mit Einschluß der kaufmän­ nischen Werthpapiere — lautenden Scheine für negoziabel zu erklären. Von jeder sonstigen Beschränkung solle man aber durchaus 'absehen. Der Handelsstand be­ dürfe Anerkennung der seinen Zwecken dienenden Rechtsformen, keiner Bevormun­ dung , indem der Kaufmann selbst am besten wisse, welcher Inhalt stch für nego­ ziable Papiere eigne. Ohnehin habe sich der Handelsstand bereits durch seinen ge­ sunden Takt helfen müssen, wo ihn die Jurisprudenz, statt seinen natürlichen Bedürsnissen zu Hülfe zu kommen, in kaum begreiflicher Weise im Stiche gelassen habe. Während die Wissenschaft, die Unterscheidung zwischen Liefern (dare) und Ausliefern (restituere) häufig übersetzend, den Gegensatz von dem allgemeinen Werthe der SachleistNNg (quanti res est) und individuellem Interesse (quanti inter­ est) kaum anerkenne, sondern eher verwische, habe der Handelsstand diesen Gegen­ satz festgehalten und seinen Verhältnissen glücklich angepaßt. Nur daraus erklär­ ten fich z. B. die bei Konnossementen täglich vorkommenden Erscheinungen. Der Frachtführer und Schifier hätten nicht Quantitäten zu liefern, sondern individuelle Gegenstände auszuliesern, und nach den Grundsätzen des gemeinen Rechts sei bei nicht erfolgender Auslieferung lediglich eine Klage auf das Interesse statthaft, wel­ ches je nach Umständen mehr oder weniger als der Sachwerth betragen werde.

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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forderlich, daß sie die Angabe des Berpflichtungsgrundes oder das Empsangsbekenntniß der Valuta enthalten^). Weil aber der Handel die Negoziabilität der Konnossemente nicht entbehren könne, so fordere der Inhaber der letzteren den Sachwerth, und dadurch werde es sogar möglich , daß diese Papiere, welche doch nur Auslieferungsscheine über spezielle Gegenstände seien, im kaufmännischen Verkehre fast wie Lieserungsscheine über Quantitäten behandelt würden. Es seien besonders zwei Beschränkungen, welche der Antrag zu beseitigen suche. Einmal sollten nach dem Entwürfe Leistungen, um indossabel zu sein, in Geld oder Quantitäten vertretbarer Sachen bestehen. Dabei werde übersehen, daß von Quantitäten nur bei Lieferungen (dare), nicht bei Auslieferungen (restituere) geredet werden könne, indem letztere wohl ein Quan­ tum , z. B. diese bestimmten io Mispel Korn, niemals aber eine nur in dem menschlichen Gedanken existirende Quantität beträfen. Da nun aber der Entwurf selbst die Indossabilität der Auslieferungsscheine — Konnossemente, Ladescheine — anerkenne, so fehle es an genügendem Grunde, die Zulässigkeit des materiellen Indossaments auszuschließen, wenn die Verpflichtung in der Lieferung nicht einer Quantität, sondern bestimmter Sachen bestehe. Sodann verlange der Entwurf einseitige Leistungen, schließe also diejenigen, Promessen genannten Urkunden aus, wonach Waaren und Effekten gegen Zahlung des Kaufpreises zu liefern seien. Ab­ gesehen davon, daß hierdurch dem kausmännischeu Bedürfnisse geradezu entgegen­ gehandelt werde, nöthige mein den Handelsstand ohne alle Noth, abstrakte Ver­ sprechen auch da zu geben, wo die Sachlage gar nicht darauf führe. Es erscheine auffallend, dem Kaufmanne die gefährlichere Befugniß einzuräumen, also das nackte Versprechen: „ich liefere 20 Mispel Weizen" für gültig, klagbar und indos­ sabel zu erklären und ihm das gleiche Recht für das Versprechen: „ich liefere 20 Mispel Weizen ä Wispel zu io Thlrn." zu verweigern. Man wende nicht ein, daß dadurch Verwickelungen herbeigeführt würden. Nichts sei gewöhnlicher, als daß die Konnossemente auf Ablieferung gegen Zahlung der Fracht ic. laute­ ten , und Niemand finde in diesem Zusatze einen Grund, die Indossabilität jener Papiere zu bestreiten. — Der Antrag wurde schließlich zwar abgelehnt (Prot. S. 4563—4569); indeß ist demselben insofern, daß auch Waaren oder andere be­ wegliche (bestimmte) Sachen Gegenstände einer indossablen Forderung müßten sein können, weiterhin (Art. 302) unter gewisser Beschränkung Rechnung getragen. Je­ denfalls sind die Begriffe über die verschiedenen kaufmännischen Leistungen und über die negoziablen Papiere, sowie die Behandlung derselben im Handelsverkehre durch den Vortrag des Hamburger Abgeordneten klar gelegt. Die Ausstellung einer kaufmännischen Anweisung und deren Annahme seitens des Assignatars statt Zahlung hat nur dann die Wirkung einer Cession, wenn die Forderung, die dem Assignanten zusteht, nach ihrem Rechtsgrunde und Betrage genau bezeichnet ist. Erk. des Obertr. v. 28. September 1852 (Arch. für Rechtsf. Bd. VI, S. 348).

74) Hierdurch erhält das Indossament den Charakter eines bloßen Uebertragungsmodus, ohne Angabe des Titels oder der causa debendi. Das Indossa­ ment ist sonach bei negoziablen Papieren das, was bei körperlichen Sachen die Uebergabe; durch das'einfache Indossament, d. i. die Erklärung des dermaligen Gläubigers, daß das Papier von ihm an einen Anderen begeben werde, erwirbt dieser Ändere das Eigenthum der Rechte aus dem Papiere.' Vergl. die vorher­ gehende Note 73, und die folg. 77. (2. A.) Aus der Bestimmung, daß zur Gültigkeit die Angabe eines Ver­ pflichtungsgrundes oder des Empfanasbekenntnisses der Valuta mcht erforderlich, „folgt keinesweges, daß die Ausstellung jenes Verpflichtungsscheines an sich als ein einen selbstständigen Verpflichtungsgrund enthaltender Fo'rmalakt anzusehen ist und daß deshalb auf die der Allsstellung zum Grunde liegenden Verhandlungen nicht zurückgegangen werden darf. Von einer solchen unbedingten Verpflichtung des Ausstellers kann namentlich in dem Falle , wo der Verpflichtungsschein nicht auf Order lautet, und derselbe sich auch noch in den Händen des ersten Inhabers befindet, gar keine Rede sein. In diesem Falle ist es vielmehr unzweifelhaft, daß dem Aussteller des Scheins gegenüber dem ersten Inhaber die Geltendmachung 31*

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Viertes Buch.

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materieller Einreden aus dem unterliegenden Verhältnisse, worübe^ der Schein

ausgestellt worden (er braucht ja nicht über ein Verhältniß ausgestellt zu sein. D. H.), zugestanden werden muß, und daß deshalb ein Zurückgehen auf die der Ausstellung zum Grunde liegenden Verhandlungen vollkommen Platz greifend ist"' — So dedmirt das Obertr. in dem Erk. vom 25. November 1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXIV, S. 263) gegen die entgegengesetzte Meinung der beiden Instanzgerichte (deren Erk. abgedruckt sind in Busch, Ärch. Bd. IX, S. 168ff.). Im Wesentlichen ist das richtig, aber die Fassung ist doch so, daß man darnach die kaufmännischen Verpflichtungsscheine als bloße für den Handelsverkehr völlig Werth -- und bedeutungslose cautiones indiscretae in der Hand des ersten Inha­ bers ansehen könnte. So ist es jedoch von dem Gesetzgeber nicht gemeint, na­ mentlich kann der Aussteller sich niemals bloß verneinend verhalten und den In­ haber dadurch nöthigen, die dem Scheine unterliegenden Rechtsgeschäfte aufzulegen und zu beweisen. Dies erhellet aus den Berathungen der Nürnberger Kommis­ sion. Der preußische Entwurf (Artt. 229, 230) sprach nur von der Jndossabilität der öffentlichen Kreditpapiere und der Konnossemente, schwieg dagegen von den Fällen, in welchen kaufmännische Anweisungen und Verpflichtungsscheine über­ tragen würden. Deshalb stellte ein Mitglied Den Antrag, einen Zusatzartikel ein­ zuschalten des Inhalts: „Anweisungen und Verpflichtungsscheine — sind nur dann durch Indossa­ ment übertragbar, wenn sie ausdrücklich an die Order — des Berechtigter! aus­ gestellt sind." „Das Indossament bewirkt, daß der Indossatar dadurch ohne Weiteres zur Empfangnahme legitimirt wird, und daß ihm, falls das Papier eine Verpflich­ tung enthält, von dem Verpflichteten keine aus der Person des Indossanten hergenommene Eirrreden entgegengesetzt werden können." Der zweite Absatz — sagte der Antragsteller — könne überflüssig erscheinen. Der Zweck dabei sei, dem möglichen und itt der Rechtspraxis nicht selten vorkommen­ den Mißverständnisse vorzubeugen, als ob das Indossament der hier in Rede ste­ henden Papiere — die Kraft eines Wechselindossamentes habe, was natürlich nicht gemeint sein könne. In der Debatte über diesen Antrag ergaben sich verschiedene Meinungen über mehrere Fragen, von welchen Nr. 1 lautete: „ob man dann, wenn überhaupt eine Uebertragung von Anweisungen und Verpfichtungsscheinen Durch Indossament im Handelsverkehre zugelassen werden solle, einem solchen Indossamente bloß eine formelle Bedeutung ge­ ben, oder ob und welche materiellen Wirkungen man an dasselbe knüp­ fen solle." Von einer Seite wurde geltend gemacht, daß man allerdings an dieses Indossa­ ment materielle Wirkungen knüpfen müsse. — Von anderer Seite wurde vor­ gebracht , im Wesen des Indossamentes sei an sich nur soviel begründet, daß der Indossatar alle Rechte auf die Forderung gegenüber denr Schuldner sofort durch das Indossament erhalte, welche bei der Cession auf den Cessionar erst nach er­ folgter Denunziation übergingen. — In dieser Beziehung, aber auch nur in dieser, könne man dem in Rede stehenden Indossamente eine materielle Wirkung beilegen, dagegen sei es keinesweges eine nothwendige Folge aus der rechtlichen Natur des Indossamentes, daß man einem Schuldner dem Indossatar gegenüber alle diejenigen Einreden abschneide, welche er gegen einen früheren Indossanten gehabt habe. — Von Seiten des Referenten wurde anheimgegeben, ob man dem erwähnten Indossamente folgende Wirkung beimessen wolle: „Durch das Indossament werden dem Indossatar alle Rechte und Ansprüche des Indossanten aus der Anweisung oder dem Verpflichtungsscheine übertragen." „Bei der Uebertragung mittelst Indossamentes ist eine Bekanntmachung derselben an den Schuloner nicht erforderlich; der Indossant haftet nur für die Richtigkeit, nicht für die Sicherheit des Papiers; es können dem Indossatar keine Einreden aus der Person des ersten Inhabers oder eines späteren Indos­ santen entgegengestellt werden." Ferner wurde anheimgegeben, außerdem noch die Bestimmung des Art. 82 der

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A. D. W.O. mutatis mutandis auf das vorliegende Indossament zu übertragen. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt. (Prot. S. 554 — 560.) — Bis hierher wa­ ren die Grundsätze über die cautio indiscreta, dem ersten Inhaber gegenüber, vollständig gewahrt. Dies änderte sich in der zweiten Lesung. Der Entwurf aus erster Lesung enthielt nämlich folgenden, die Frage betreffenden Artikel an Stelle der Artt. 229, 230 des preußischen Entwurfes: 255. „Durch Indossament können übertragen werden: 2) Anweisungen und Verpflichtungssch'eine von Kaufleuten über einsei­ tige Leistungen, sofern sie an die Ordre des Berechtigten gestellt sind." Ueber die Wirkungen des Indossamentes war Schweigen. Bei der zweiten Lesung legte der Referent diesen Art. in folgender Fassung vor, soweit er die vorliegende Frage betrifft: Art. 255. „Anweisungen und Verpflichtung scheine von Kaufleuten über einseitige Leistungen von Geld oder vertretbaren Sachen können durch In­ dossament übertragen werden, wenn sie an die Ordre des Berechtigten gestellt sind. Durch das Indossament werden dem Indossatar alle Rechte aus dem indossirten Papier übertragen. Es können demselben Einreden aus der Person des ursprünglich Berech­ tigten oder eines Indossanten, sowie der Einwand, daß die Angabe eines Ver­ pflichtungsgrundes oder des Empfangsbekenntnisses der Valuta mangele, nicht entgegengesetzt werden." Er sagte zur Motivirung: Soviel die Anweisungen und Verpflichtungs­ scheine betrifft, so gehe der Vorschlag von der Voraussetzung aus, daß die Versammlung im Wesentlichen bei dem in der ersten Lesung gefaßten Beschlusse beharre, solche Anweisungen und Scheine innerhalb gewisser'Grenzen als Or­ drepapiere anzuerkennen. (Prot. S. 1325.) — Es fei lediglich ein Verhältniß sanktionirt und geregelt, welches allgemein für zulässig erachtet und in Uebung sei: die Uebertragung solcher Verpflichtungen ohne die Formen der Cession und Denunziation an den Schuldner; — daher die Beschränkung auf Anwei­ sungen und V e r p f l i ch t u n g s s ch e i n e, welche von Kaufleuten ausgestellt sind und welche einseitige Leistungen von Geld oder vertretbaren Sachen zum Gegen­ stände haben; daher ferner die Berücksichtigung der Grundsätze des Gemeinen Rechts über die cautio indiscreta, so lange der Verpflichtungsschein in der Hand des ersten Inhabers sei, also zu den Zwecken des Ordrepapiers nicht gedient habe. (Prot. S. 1326.) — Zu Abs. 3 wurde jedoch bemerkt: Die'Fassung genüge dem Be­ dürfnisse nicht. Wenn die Verpflichtungsscheine, unter welchen man sich in der ersten Lesung absolute Versprechen ohne Angabe eines Verpflichtungsgrunde^ gedacht habe, nicht auf so lange, als sie in der Hand des ersten Angewiesenen sich befänden, wenigstens im Gebiete des Gemeinen Rechts, alle Bedeutung verlieren sollten, um erst mit dem Augenblicke des Ueberganges an Andere zur rechtlichen Existenz aufzuleben, weil solche Ur^ künden als cautiones indiscretae keine Geltung h ätten, müssb man den Abs. 3 dahin fassen, daß der Mangel eines Verpflicht tungsgrundes auch dem ersten Inhaber gegenüber der Gültigseither Willenserklärung keinen Eintrag thue, wenn auch aller­

dings die im Wege der Einrede erfolgende Geltendmachung materieller Ein­ reden aus dem unterliegenden Verhältnisse diesem Inhaber gegenüber nicht abgeschnitten werden dürfe, während dies späteren Inhabern gegenüber al­ lerdings' der Fall sein müsse. — Von einem Anderen wurde vorgeschlagen, auch den letzten dieser Sätze dahin zu beschränken, daß späteren Inhabern ge­ genüber die aus der Urkunde ersichtlichen materiellen Einreden aus der Person früherer Inhaber, wie-z. B. der theilweisen Zahlung, Platz greifen könnten. Beide Anträge wurden ohne Widerspruch zum Be­ schlusse erhoben. (Prot. S. 1329.) Hierauf erhielt der Art. 255 in den beiden ersten Sätzen folgende Fassung: „Anweisungen und Verpflichtungsscheine, welche von Kaufleuten über ein-

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Viertes Buch.

Erster Titel.

Wer eine solche Anweisung acceptirt hat, ist demjenigen, zu dessen Gunsten sie ausgestellt oder an welchen sie indossirt ist74 a), zur Erfüllung verpflichtet7 ^). seitige Leistungen von Geld oder einer Quantität vertretbarer Sachen ausge­ stellt sind, können durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Ordre lauten." „Zur Gültigkeit der Urkunde oder des Indossamentes ist nicht erforderlich, daß sie die Angabe des Verpflichtungsgrundes oder das Empfangsbekenntniß der Valuta enthalten." (Prot. S. 1414, 1418.) In der dritten Lesung wurde bei dem Abs. 1 noch die Hervorhebung des Wor­ tes „einseitig" beanstandet, „sie könnte leicht dahin mißverstanden werden, daß die Erfüllung der Verpflichtung auch nicht an die Bedingung einer Gegen­ leistung geknüpft' werden dürfte, was völlig irrelevant ist und der Erfahrung widerspricht". (S. 46, Nr. 289 der Zusammenstellung der Erinnerungen, hinter S. 5152 der Prot.) Bei der Berathung fand sich über die Bedeutung des Aus­ drucks „einseitig" eine Differenz. Einige Mitglieder waren der Ansicht, es solle dadurch ausgedrückt werden, daß die versprochene Leistung auch nicht einmal an die Bedingung einer Gegenleistung geknüpft sein dürfe, andere Mitglieder glaub­ ten diesen Ausdruck nicht in dieser Weise, sondern nur dahin verstehen zu müs­ sen, daß die Urkunde nur Ein Leistungsversprechen enthalten dürfe. Bei der Abstimmung wurde im Gesetze auszudrücken beschlossen, das Versprechen müsse in dem Sinne ein einseitiges sein, daß eS auch nicht an die Bedingung einer

Gegenleistung geknüpft werden dürfe. (Prot. S. 4568.) In Folge dessen wurde das Wort „einseitige" vor „Leistungen" gestrichen und hinter „ausgestellt sind" der Satz eingeschaltet: „ohne daß darin die Verpflichtung zur Leistung von einer Gegenleistung abhängig gemacht ist". Mit dieser Abänderung ist jener Art. 255 als Art. 301 in das Handelsgesetzbuch ausgenommen. — Hieraus ergießt sich: 1. daß ein Verpflichtungsschein im Sinne des Art. 301 in der Hand des ersten Empfängers keinesweges den Unwerth einer cautio indiscreta hnt, daß viel­ mehr auch der erste Berechtigte seine Klage auf Leistung des Versprochenen, ebenso wie jeder folgende Inhaber, lediglich auf den Schein, wie auf ein absolutes Versprechen, gründen kann; 2. daß der beklagte Aussteller nur materielle Einreden aus dem unterlie­ genden Rechtsgeschäfte vorbringen darf und also auch nach allen Richtungen beweisen muß; 3. daß gegen den Indossatar, falls die Schrift auf Ordre lautet, nur solche Einreden, welche aus der Urkunde selbst hervorgehen oder unmittelbar gegen den jedesmaligen Kläger zustehen (Art. 303), zulässig sind. Der Antrag, außerdem noch die Bestimmung des Art. 82 der Allg. D. W.O. mutatis mutandis zu übertragen, fiel (Prot. S. 560), daher auch die exceptio doli ge­ neralis ausgeschlossen ist. Der Umstand, daß die Schrift nicht auf Ordre ausgestellt ist, wie es in dem oben gedachten Rechtsfall der Fall war und worauf das Obertr. Gewicht legte, nimmt dem Verpflichtungsscheine in der Hand des ersten Berechtigten nicht das Mindeste an seinem Werthe und seiner Bedeutung, .er hindert nur das In­ dossament in dessen rechtlicher Wirkung, d. h. das dennoch gegebene Indossament hat nur die Wirkung einer Cession.

74 a) (2. A.) In der Fassung aus erster Lesung lautete dieser Passus: „Wer eine solche Anweisung acceptirt hat, ist zur Erfüllung verpflichtet". (Prot. S. 1418.) In der zweiten Lesung wurde hiergegen erinnert, die Bestimmung lasse es zweifelhaft, ob das Wort „angenommen", welches an sich ja nur eine Uebernahme des Zahlungsauftrages des' Assignanten enthalte, als Zahlungsver­ sprechen an den Assignatar gelten solle, und ob nicht etwa ein Gegenbeweis, daß die Annahme auf die Präsentation durch den Assignanten und nur diesem gegen­ über erfolgt sei, nachgelassen werden könne. Deshalb wurde vorgeschlagen , den Absatz so zu fassen: „Wer eine Anweisung acceptirt, ist dem Assignatar und den

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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Art. 302. Jngleichen können Konnossemente der Seeschiffer und Lade­ scheine der Frachtführer, Auslieferungsscheine (Lagerscheine, War­ rants) über Waaren oder andere bewegliche Sachen, welche von

einer zur Aufbewahrung solcher Sachen staatlich ermächtigten Anstalt ausgestellt sind, ferner Bödmereibriefe und Seeaffekuranzpolizen durch Indossament übertragen werden, wenn sie an Ordre lauten76 * * ). * * * * * * * 75

Art. 303. Durch das Indossament der in den beiden vorhergehenden Ar­

tikeln bezeichneten Urkunden gehen alle Rechte aus dem indossirten

Papiere auf den Indossatar über77).78 79 Der Verpflichtete kann sich nur solcher Einreden bedienen, welche ihm nach Maßgabe der Urkunde selbst76) oder unmittelbar gegen

den jedesmaligen Kläger zustehen76). Indossataren zur Erfüllung verpflichtet." Dadurch sollte der (Streitfrage borge­ beugt werden: ob der Acc'eptant einer Ordre-Anweisung bloß durch das Accept und abgesehen von etwanigen Verpflichtungen aus dem der Anweisung zum Grunde liegenden Verhältniße auch dem Assignanten gegenüber, wie der Acceptant eines Wechsels dem Trassanten, zur Erfüllung verpflichtet sei, oder nicht. Die negative Entscheidung dieser Frage dürste wohl in der Intention der Versamm­ lung liegen. Der Vorschlag wurde angenommen und zu setzen beschlossen: „ist demjenigen, zu dessen Gunsten sie ausgestellt ist, und seinen Nachfolgern zur ErMung verpflichtet". (Prot. S. 1415.)

75) M. s. die vorhergehende Anm. 74», Das Accept einer Anweisung der in Rede stehenden Art ist ein Formalakt, ein selbstständiger Verpflichtungsgrund. Der Satz bezieht sich nur auf die auf Ordre gestellten Urkunden und macht die allgemeine Bestimmung des Art. 301 nicht entbehrlich.

76) Vergl. oben die Anm. 73 u. die Anm. 74 Alinea 2. Der Art. ist erst in der dritten Lesung eingeschaltet. (Prot. S. 4569 und Zusammenstellung der Erinnerungen Nr. 290.)

77) Unbedingt, der Substanz nach; die Rechte werden von der Person des Indossanten getrennt und mit der des Indossatars verknüpft, als wenn er der erste Gläubiger wäre. Das Indossament bedarf zu seiner Wirksamkeit nicht so wie die Cession der Bekanntmachung. desselben an den Schuldner; es begründet an sich auch keine Regreßpflicht des Indossanten, sowenig wie die Tradition der Rechts­ grund zur Eviktionsleistung ist. Ob dem Indossatar ein Regreßanspruch wegen der Richtigkeit und Sicherheit gegen den Indossanten zustehe, muß nach dem dem Indossamente zum Grunde liegenden Rechtsverhältnisse beurtheilt werden; das Indossament der in Rede stehenden Papiere hat nicht die Wirkung eines Wechsel­ indossaments in der Art, daß es ohne Weiteres eine Haftung des Indossanten für die Erfüllung der Leistung seitens des Schuldners mit sich bringt. (Vergl. Prot. S. 554, 560.) Vergl. auch unten die Anm. 18 zu Art. 896. 78) Z. B. die Einrede der theilweisen Zahlung. (Ebd. 1330.) Auch ge­ hört hierher die Einrede der Unechtheit, der Fälschung der Urkunde oder des In­ dossaments.

79) Die dem Schuldner gegen einen früheren Inhaber der Urkunde zustehen­ den Einreden sollen gegenüber dem die Leistung fordernden Indossatar ausgeschlos­ sen sein. (Prot. S. 556 ff.) Vergl. oben die Amu. 73. Die exceptio doli ist hier nicht zulässig. M. s. die Anm. 74, Abs. 2 a. E.

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Viertes Buch.

Erster Titel.

Der Schuldner ist nur gegen Aushändigung des quittirten Pa­

piers zu erfüllen verpflichtet 80).

Art. 304. Ob außer den in diesem Gesetzbuche bezeichneten noch andere an

Ordre lautende Anweisungen, Verpflichtungsscheine oder sonstige Ur­ kunden mit der in Art. 303 erwähnten Wirkung durch Indossament

übertragen werden können, ist nach den Landesgesetzen zu beurthei­

len 81).

Art. 305. Für Papiere, welche an Ordre lauten, und welche durch In­

dossament übertragen werden können (Artt. 301—304), gelten in Betreff der Form des Indossaments, in Betreff der Legitimation

des Inhabers uud Prüfung dieser Legitimation, sowie in Betreff der Verpflichtung des Besitzers zur Herausgabe dieselben Bestimmun80) Dieser Satz ist deshalb hinzugefügt, weil eine solche Bestimmung eine nothwendige Garantie für den Leistungspflichtigen sei, wenn man dem Gläubiger die Begebbarkeit der in Frage stehenden Urkunden einräume. (Prot. S. 563.) 81) In Folge der Erinnerung von Seiten Hamburgs ist diese Zusatzbestim­ mung noch in drttter Lesung hinzugekommen, um jeden Zweifel darüber abzu­ schneiden, ob nach der Meinung der Versammlung nur die in Artt. 301 und 302 aufgeführten Urkunden indossabel sein sollen, oder ob dahin gestellt bleiben soll, welche andere Papiere nach Maßgabe der Partikularrechte uno Handelsgebräuche außerdem noch indossabel sind. Von dieser Seite her war nämlich der Vorschlag gemacht worden, dem materiellen Indossament einen weiteren Umfang zu geben, der Antrag fiel jedoch. (Anin. 73 a. E.) Demnächst wurde von derselben Seite hervorgehoben, daß bei dem Anträge von der Voraussetzung ausgegangen worden sei, daß die Artt. 301, 302 bestimmen sollten und wollten, welche Papiere über­ haupt indossabel im Sinne des Art. 303 seien. Einzelne Mitglieder (und auch der Reserent nach S. 1325 der Prot.) hätten diese Ansicht nicht getheilt, indeß könne man, gestützt auf die Verhaudluugeu erster und zweiter Lesung, sowie auf den Wortlaut des Gesetzes, die abweichende Meinung nicht als die der Absicht der Versammlung entsprechende ansehen. Es bedürfe daher diese für den Verkehr so wichüge Frage einer Erläuterung. Es würde nur zu bedauern sein, wenn der Art. 301 Wetter nichts sagen solle, als daß jedenfalls die verzeichneten Papiere indossabel seien, während'im Uebrigen die Jndossabilität sonstiger Verpflichtungs­ scheine der Beurtheilung nach den bestehenden Landesrechten und künftigen Parti­ kulargesetzen überlassen bleiben würde. Bei dem Zustande namentlich des Ge­ meinen Rechts könne es im Verkehre und vor Gericht an mannichfachen Zweifeln nicht fehlen und es werde außerdem die Verschiedenheit der rechtlichen Ausfassung bleiben, wonach, zum großen Nachtheile der Handelswelt, ein Papier z. B. in Hamburg als indossabel gelte und behandelt werde, allein bei der Versendung nach Harburg diese Eigenschaft verliere. Sollte aber die Mehrheit der Versamm­ lung, dieser ernsten Uebelstände ungeachtet, sich für die Interpretation des Refe­ renten (daß nämlich für die bezeichneten Papiere nur die Zulässigkeit des Indossa­ ments positiv anerkannt sei; ein Weiteres werde den übrigen Titeln des Gesetz­ buchs und etwa dem Gewohnheitsrechte und der in diesem Punkte noch nicht zum Abschlüsse gekommenen Rechtöentwickelung überlassen bleiben können, Prot. S. 1325) anssprechen, so sei es unbedingt nothwendig, dies mit völliger Klarheit und Bestimmtheit zu sagen. (Prot. S. 4566.) Dies ist denn durch'den vorlie­ genden Art. geschehen. Auch den künftigen Partikulargesetzen ist nicht vorgegriffen. (Vergl. Prot. S. 4570.)

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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gen, welche die Artt. 11 —13, 36 und 748*a) der allgemeinen deutschen Wechselordnung in Betreff des Wechsels enthalten. Sind die im Art. 301 bezeichneten Papiere abhanden gekom­ men, so finden in Bezug auf die Amortisation die im Art. 73 der allgemeinen deutschen Wechselordnung gegebenen Bestimmungen An­ wendung.

Die Amortisation der im Art. 302 bezeichneten Papiere

richtet sich nach den Landesgesetzen8 2). Art. 306. Wenn Waaren oder andere beweglichen Sachen von einem Kauf­ manne in dessen Handelsbetriebe veräußert und übergeben worden

sind, so erlangt der redliche Erwerber das Eigenthum, auch wenn der Veräußerer nicht Eigenthümer war. Das früher begründete Eigenthum erlischt. Jedes früher begründete Pfandrecht oder son­

stige dingliche Recht erlischt, wenn dasselbe dem Erwerber bei der Veräußerung unbekannt war88). 81») S. unten Sinnt. 87, Abs. 2 zu Art. 307. 82) Die Amortisation abhanden gekommener indossabler Papiere wurde für selbstverständlich gehalten (Prot. S. 563) und der Art. 285 des Entwurss aus zweiter Lesung verordnete in einem vierten Absätze die Anwendung der Bestim­ mungen des Art. 73 der A. D. W.O. Diese Bestimmungen passen jedoch nicht auf die im Art. 302 bezeichneten Urkunden, weshalb in Betreff dieser auf die Landesgesetze verwiesen ist. Diese Verweisung muß aber auch auf die im Art. 304 bezeichneten Urkunden bezogen werden. 83) Eine ähnliche nur viel beschränktere Bestimmung hat das A.L.R. I, 15, §. 44. Von derselben unterscheidet sich der Art. 306 hauptsächlich dadurch, daß in jener unter den geeigneten Umstünden bloß die Vindikationsklage ausgeschlossen, über den Eigenthumsübergang aber nichts weiter bestimmt wird, während der Art. 306 ausspricht, daß unter denselben Voraussetzungen der redliche Erwerber sofort das Eigenthum erwirbt. Der von Preußen erst m den Erinnerungen zur dritten Lesung ausgegangene Vorschlag zur Aufnahme einer Beschränkung der Vindikabilität von Waaren und sonstigen beweglichen Sachen in das H.G.B. (Zu­ sammenstellung rc. Nr. 375) war dem A. L.R. nachgebildet. Während von einer Seite das Bedürfniß für Rechtssätze der beantragten Art bestritten, sogar Unzu­ träglichkeit und eine Fülle von Verwickelungen und Kontroversen als Folge der­ selben behauptet wurde, wie die Jurisprudenz über den Satz: „Hand wahre Hand", darthue, hielt man andererseits dafür, daß die der Diskussion unterstellten An­ träge nicht weit genug gingen, daß die aufgestellten Sätze zu Kontroversen nicht führen könnten, oa mcht die Aufnahme des Satzes: „Hand wahre Hand", vorge­ schlagen sei; daß man mit der Beschränkung der Vindikation von beweglichen Sachen füglich bis zur äußersten Grenze des Handelsrechts vorgehen könne, 'indem nicht bloß die vor: einem Kanfmanne in dessen Betriebe veräußerten und überge­ benen, sonderrr alle auf Grund eines Handelsgeschäftes erworbenen Sachen nach den in dein Anträge aufgestellten Bestimmmrgen beurtheilt werden müßten, selbst eine Ausnahme wegen gestohlener und verlorener Sachen nicht zu statuiren ser. Hierauf wurde nicht ein'gegangen. Dagegen wurde der Antrag, dem redlichen Er­ werber der in Frage stehenden Sachen den sofortigen Erwerb des Eigenthums zu­ zusprechen, angenommen und damit gerechtfertigt,' wie Bestimmungen des Inhalts, daß die Vindikationsklage unter diesen oder jenen Umständen ausgeschlossen sein solle, während vielleicht das Eigenthum des früheren Inhabers noch fortdauere, nichts als Zweckmäßigkeitsvorschriften enthielten, die in der Praxis nothwendig zu Verwickelungen fiihren müßten, da sie nicht auf einen den Richter in allen Fragen

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Erster Titel.

Sind Waaren oder andere bewegliche Sachen von deinem Kauf­ manne in dessen Handelsbetriebe verpfändet und übergeben worden, so kann ein früher begründetes Eigenthum, Pfandrecht oder sonsti­ ges dingliches Recht an den Gegenständen zum Nachtheile des redli­ chen Pfandnehmers oder dessen Rechtsnachfolger nicht geltend ge­ macht werden84 * *).85 * * 86 ********** Das gesetzliche Pfandrecht des Kommissionärs, Spediteurs und Frachtführers steht einem durch Vertrag erworbenen Pfandrechte gleich8Ö). Dieser Artikel findet keine Anwendung, wenn die Gegenstände gestohlen oder verloren88) waren. Art. 307. Die Bestimmungen des vorigen Artikels finden bei Papieren sicher leitenden Grundgedanken sich gründeten. Die Idee, auf welcher der Antrag beruhe, sei selbst dem R. R. nicht fremd, treffe vielmehr mit der Rechtsidee von der Ersitzung redlich erworbener Mobilien in der Hauptsache zusammen und unterscheide sich von ihr nur durch die Uebergehung der willkürlichen justinianeischen Fristen. (Prot. S. 4605 — 4610.) — 'Die Jdentifizirung des guten Glaubens mit der Ersitzung als Erwerbungsart würde den römischen Juristen freilich kühn wenn nicht wunderlich Vorkommen, jedenfalls würden sie ihre Rechtsidee nicht ge­ troffen finden. Die Fristen sind nicht justinianeische Erfindungen, sie sind alt­ römisch und beruhen auf dem Gedanken, ein Eigenthümer, der feine Sache durch eine verhältnißmäßig lange Zeit nicht verfolge, habe dieselbe derelinquirt. In dieser Fiktion beruht die erwerbende Kraft der Ersitzung. Indeß hat die Bestim­ mung schon einen Vorgänger im österr. bürgerl. G.B. Art. 367, dem aber eine andere Rechtsidee zum Grunde liegt. Der französische Rechtssatz „la possession vaut titre“ tritt der Sache näher.' 84) Dieser Satz ist eine konsequente Anwendung des über die Eigenthums­ erwerbung erfundenen neuen Rechts auf das Pfandrecht.

85) Die Ausdehnung auf die gesetzlichen Pfandrechte des Kommissionärs, Spediteurs und Frachtführers ist gerechtfertigt durch das gleiche Bedürfniß und das Axiom: tacitum pignus, quasi convenisset. L. 4 pr. D. de pactis (II, 14); L. 3, L. 4 pr. D. in quibus causis (XX, 2). (Prot. S. 4615.) 86) Nach dem Anträge sollte der Satz formulirt werden: „Eine Ausnahme tritt ein, wenn die Gegenstände gestohlen oder verloren waren; in diesem Falle können dieselben gegen Rückgabe des dafür Geleisteten zurückgefordert werden." Ein Verbesserungsvorschlag gma dahin, statt „verloren" zu setzen: „gefunden" und der Schlußsatz sollte wegbleiben; der Absatz sollte formulirt werden: „Auf gestohlene und gefundene Gegenstände finden die vorstehenden Bestimmungen keine Anwendung". Dadurch sollte der Grundsatz zur Anwendung gebracht werden, daß bei einem Mißbrauche des Vertrauens derjenige, welcher sein bewegliches Eigenthum einem Anderen anvertraut hat, dem redlichen Erwerber nachsteht; in dieser Beschränkung genüge der Satz dem wirklichen Bedürfnisse des rechtlichen Verkehrs, ohne zu leicht gemißbraucht werden zu können; er greife dann möglichst wenig in die Landesrechte und in die in vielen Staaten noch bestehenden Gesetze über'Vindikation beweglicher Sachen ein. (Prot. S. 4616.) Durch diese Fassung wurde also beabsichtigt, daß die wegen gestohlener und verlorener Sachen für er­ forderlich erachtete Ausnahme, so wie die Frage, ob der Eigenthümer dem red­ lichen Erwerber Ersatz für dasjenige leisten müsse, was dieser für die Sache ge­ geben habe, an die Landesgesetze verwiesen würde. Dies ist mithin die Absicht der Ausnahme. Zugleich ergiebt sich aus dem Gesagten, daß unter den „verlo­ renen" Gegenständen' auch die veruntreuten und unterschlagenen begriffen sind.

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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auf Inhaber^) auch dann Anwendung, wenn die Veräußerung oder Verpfändung nicht von einem Kausmanne in dessen Handelsbe87) Der Vorschlag enthielt hier die Worte: „und nicht außer Kurs gesetzt sind". Ueber die Beibehaltung derselben ergaben sich Differenzen. Es ward nämlich mehrfach bemerkt, die Beibehaltung scheine unthunlich, wenn man nicht zu­ gleich bestimme, was darunter zu verstehen sei, da sehr bedeutende Rechte davon abhängig gemacht würden, ob ein Papier außer Kurs gesetzt sei, oder nicht, und sich verschiedene Verfahren denken ließen, durch welche ein Außerkurssetzen bezweckt werde, von denen aber nicht immer feststehe, ob sie dazu genügten, oder nicht. (Dies bezog sich darauf, daß hie und da in Deutschland Werthpäpiere, welche im gerichtlichen Deposito sind, durch ein sogenanntes Vinkulum oder Haftungsband, o. i. durch eine gerichtliche Bezeichnung des Eigenthümers auf dem Werth­ papiere, zwar dem Verkehre entzogen, aber — dem dortigen Sprachgebrauche ge­ mäß — nicht außer Kurs gesetzt werden. Lauten solche Werthpapiere, z. B. Aktien, auf den Inhaber, so bleiben sie ungeachtet jenes Vinkulums auf den Inhaber lautende Papiere.) (Prot. S. 4619.) — Von anderen Seiten wurde eingewen­ det: es sei Nicht möglich, das Verfahren, durch welches Papiere auf den Inhaber außer Kurs und wieder in Kurs gesetzt würden, im H.G.B. allgemein zu regeln, da bei der Verschiedenheit der Beschaffenheit dieser Papiere und der ihrer Kreation zum Grunde liegenden Verhältnisse, sowie auch bei der Verschiedenheit der in den einzelnen Staaten bestehenden Einrichtungen und Behörden eine Gleichmäßigkeit nicht zu erzieleil sei. Solche Bestimmungen würden auch weit über die Grenzen des H.G.B. hinausgehen. Es bedürfe der fraglichen Worte aber auch gar nicht, sondern genüge, von Papieren auf den Inhaber zu sprechen, weil ein auf den Inhaber lautendes Papier, welches außer Kurs gesetzt worden, so lange als es nicht wieder gültig in Verkehr gesetzt werde, nicht als Papier auf den Inhaber angesehen werden könne, und jedem Käufer überlassen bleiben müsse, sich darnach zu erkundigen, ob ein spezielles Papier, welches er anzukausen beabsichtige, so­ wohl in Ansehuiig seiner ursprünglichen Emission als rücksichtlich einer allenfallsiaen Außerkurssetzung und Rückversetzung in Verkehr als Juhaberpapier anzusehen sei, übrigens aber der Käufer eines in gesetzlicher Weise außer Kurs gesetzten Pa­ piers sich nicht in gutem Glauben befinde. Gegen Aufstellung einer Ausnahme wegen gestohlener und verlorener Papiere wurde angeführt, daß sie gerade bei diesen Papieren verderblich wirken würde, zumal dieselben lange Jahre hindurch im Verkehre blieben, immer wieder in Umlauf gebracht würden und nicht wie andere Objekte des Handelsverkehrs zum Verbrauch und Konsum bestimmt seien. — Hierauf wurde beschlossen, die im Art. 306 bezüglich der beweglichen Sachen angenommenen Bestimmungen auch auf Papiere auf den Inhaber auszudehnen, dabei aber der Außerkurssetzung keine Erwähnung zu thun, auch wegen gestohle­ ner und verlorener Papiere eine Ausnahme nicht zu machen. (Prot. S. 4612.) — Für Preußen ist noch besonders zu bestimmen für nöthig erachtet worden, daß auf außer Kurs gesetzte Papiere dieser Art die Bestimmung des Art. 307 keine Anwendung finde. Einf.-Ges. v. 24. Juni 1861, Art. 15. Vergl. die Anm. 45 dazu. (2. A.) Dieselbe Bestimmung ist in die Einf.-Verordnung für Holstein und Schleswig, vom 5. Juli 1867, §. 50 (I b) ausgenommen. Der Antrag enthielt auch die Worte: „ingleichen Konnossemente oder Lade­ scheine, welche auf solche Gegenstände (Art. 306) lauten". Gegen deren Auf­ nahme wurde bemerkt: Der Antrag lasse nicht deutlich erkennen, was mit Auf­ nahme dieser Worte bezweckt werde, ob dadurch über die Frage entschieden wer­ den solle, unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines Konnossements an­ gehalten werden könne, dasselbe einem früheren Eigenthümer wieder herauszu­ geben, oder über die Frage: unter welchen Voraussetzungen ein früherer Eigen­ thümer der im Konnossemente bezeichneten Güter diese von dein letzten Inhaber des Konnossements vindiziren könne, wenn sie derselbe auf Grund des letzteren in Empfang genommen habe. Sofern cs sich um die zuletzt erwähnte Frage handle, scheine es einer besonderen Bestimmung über Konnossemente, Ladescheine, Warrants u. dergl. nicht weiter zu bedürfen, oeitit insoweit genüge schon die be­ züglich der beweglichen Sachen angenommene Bestimmung (Ärt. 306). Was da-

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Viertes Buch.

Erster Titel.

triebe geschehen ist, und wenn die Papiere gestohlen oder verloren waren.

Art. 308. Durch die beiden vorhergehenden Artikel werden die Landesge­ setze nicht berührt, welche für den Besitzer noch günstigere Bestim-

mungen enthalten. Art. 309. Die zur Bestellung eines Faustpfandes in dem bürgerlichen Rechte vorgeschriebenen Förmlichkeiten sind nicht erforderlich, wenn

unter Kaufleuten für eine Forderung aus beiderseitigen Handelsge­

schäften ") ein Faustpfand an beweglichen Sachen, an Papieren auf Inhaber oder an Papieren, welche durch Indossament übertra­

gen werden können, bestellt wird. In diesem Falle genügt neben der einfachen Vereinbarung über

die Verpfändung; 1) bei beweglichen Sachen und bei Papieren auf Inhaber die Uebertragung des Besitzes auf den Gläubiger, wie solche nach

den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für das Faustpfand erfordert wirb 89), 2) bei Papieren, welche durch Indossament übertragen werden

können, die Uebergabe des indossirten Papiers.

Art. 310. Ist die Bestellung des Faustpfandes unter Kaufleuten für eine Forderung aus beiderseitigen Handelsgeschäften9") schriftlich erfolgt.

gegen den Besitz dieser Papiere selbst betreffe, so empfehle es sich, vorausgesetzt, daß sie an Ordre lauteten und indossabel seien, also nicht lediglich durch die ent­ sprechenden Formen des Civilrechts, als Cession u. dergl., übertragen werden könnten, nicht, dieselben anders zu behandeln als andere indossable Papiere. Für letztere scheine es aber eint geeignetsten, die Bestimmung des Art. 74 der A. D. W.O. für maßgebend zu erklären, was auf die einfachste Weise dadurch geschehen könne, daß man in Art. 305 auch den Art. 74 der A. D. W.O. allegire. Es könne dies um so weniger einem erheblichen Bedenken unterliegen, als die Voraussetzung, unter welcher in diesem Art. der Schutz des Besitzers zuge­ sichert sei — nämlich die Abwesenheit des bösen Glaubens und groben Verschul­ dens beim Erwerbe der Urkunde — auf dasselbe hinauskomme, wie die Voraus­ setzung, daß der Erwerb ein redlicher sei. — Man beschloß demgemäß mit Stirnmenei'nhelligkeit, im H.G.B. auszusprechen, daß der Art. 74 der A. D. W.O. auf alle indossablen Papiere Anwendung finde, und wurde sodann von Ergänzung der über bewegliche Sachen und Jnhaberpapiere beschlossenen Bestimmung durch Erwähnung der Konnossemente und Ladescheine hier Umgang genommen. (Prot. S. 4613.) Vergl. Art. 305.

88) Vergl. oben Anm. 26, Abs. 3 a. E. und Abs. 4, und unten Anm. 97. 89) Hierzu gehört der Art. 27 des Einf.-Ges. v. 24. Juni 1861. die Anm. 61 und 62 dazu.

Vergl.

90) Vergl. oben Anm. 26, Abs. 3 a. E. und Abs. 4, und unten Anm. 97.

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

493

so kann der Gläubiger, wenn der Schuldner im Verzüge ist901),

sich aus dem Pfande sofort bezahlt machen, ohne daß es einer Klage gegen den Schuldner bedarf. Der Gläubiger hat die Bewilligung hierzu unter Vorlegung der

erforderlichen Bescheinigungsmittel bei dem für ihn") zuständigen

Handelsgerichte nachzusuchen91 * * a* ), von welchem hierauf ohne Ge­ hör des Schuldners und aus Gefahr des Gläubigers der Verkauf der verpfändeten Gegenstände oder eines Theils derselben verordnet

wird 92).93 94 Von der Bewilligung, sowie von der Vollziehung

des Ver­

kaufs hat der Gläubiger den Schuldner, soweit es thunlich"), so­ fort zu benachrichtigen;

unterläßt er die Anzeige, so ist er zum

90») Der Antrag, ein 14 tägiges Zuwarten vorzuschreiben, wurde abge­ lehnt, weil eine solche Vorschrift beim Wechsel der Konjunkturen ost zur größten Benachtheiligung des Gläubigers führen könne. (Prot. S. 1336.)

91) Für das vorgeschriebene Verkaufsverfahren ist noch zu größerer Erleich­ terung das Handelsgericht des Gläubigers und nicht, wie es die Regel erfordern würde, das des Schuldners für kompetent erklärt. 91») Mündlich oder schriftlich.

Unten, Anm. 33 a. E. zu Art. 407.

92) D. h. das Gericht setzt auf Grund der mit einem entsprechenden An­ träge, der auch mündlich fehl kann, denn man hat die Worte: „mit einem schriftlichen Gesuche", gestrichen, — vorgelegten Verpfändungsurkunde einen Verkaufstermin vor einem von ihm zuni Verkaufe ernannten Kommissarius an, und giebt davon dem Gläubiger Nachricht. (2. A. Die Kosten für dieses Verfahren werden nach §. 9 des Gerichtskosten - Tarifs vom 10. Mai 1851 erhoben. Als Gegenstand der Kostenberechnung gilt der Betrag der Pfandforderung; wenn der Werth des Pfandgegenstandes jedoch geringer ist, dieser geringere Werth. Um­ faßt das gerichtliche Verfahren die Besichtigung rc. der Waaren (Art. 348, Anm. 32), die Realisation des Pfandrechts und die Deposition, so kommt der Satz des §. 9 des Tarifs doch nur einmal und zwar nach dem höchsten in der Sache maßge­ benden Objekte zur Anwendung. Allg. Verf. des J.M. vom 26. Septbr. 1864 Nr. 2, J.M.Bl. S. 270). — Ist das Pfand nicht schriftlich bestellt oder ist die Urkunde in wesentlichen Stücken, namentlich über Betrag und Verfallzeit der Forderung lückenhaft, so muß der Gläubiger förmlich klagen. In diesem Falle gehört die Sache vor das Handelsgericht des Schuldners. 93) Es soll nicht von dem bevorstehenden, sondern erst von dem stattgehab­ ten Verkaufe Nachricht gegeben werden müssen. Die Absicht der Bestimmung, wenn sie sich bloß auf eine nachträgliche Benachrichtigung beschränkt, geht dahin, dem Schuldner von dem Schicksale seines Pfandes Kenntniß und Gelegenheit zu geben, daß er über den, die Schuld etwa übersteigenden Mehrerlös entsprechend verfüge u. s. w.; insofern besteht aber an einer solchen Benachrichtigung auch ein recht­ liches Interesse. (Prot. S. 481.) Den Erlös hat somit der Verkaufskommissarius ohne Weiteres dem Gläubiger zu überweisen.

94) Ein Antrag, statt: „soweit dies thunlich ist", zu setzen: „wenn dessen Aufenthalt bekannt ist", wurde abgelehnt, weil man es für angemessen hielt, in Bezug auf die Anzeige des Verkaufs dem billigen Ermessen einen freieren Spiel­ raum zu lassen, indem eine Benachrichtigung des Schuldners, ja selbst die Ab­ sendung der Anzeige oft offenbar unnütz und unthunlich sein werde , wenngleich der Aufenthalt desselben bekannt sei, z. B. wenn der Schuldner in entfernten Welttheilen wohne, wenn der Abgang der Anzeige durch eine Blokade verhindert sei u. dergl. (Prot. S. 1337.)

Viertes Buch.

Erster Titel.

Schadensersätze verpflichtet95).96 97 Um98den Verkauf zu/bewirken, ist der Nachweis der Anzeige nicht erforderlich"). Art. 311. Wenn die Bestellung eines Faustpfandes unter Kaufleuten für eine Forderung aus beiderseitigen Handelsgeschäften") erfolgt, und schriftlich vereinbart ist, daß der Gläubiger ohne gerichtliches Ver­ fahren sich aus dem Pfande befriedigen könne99), so darf, wenn 95) Wenn dem Schuldner durch eine Anzeige von dem bevorstehenden Verkaufe Gelegenheit gegeben werden müßte, wegen Einlösung des Pfandes vor dem Verkaufe, oder für die Erreichung eines entsprechenden Preises durch Mit-bieten rc. die nöthigen Vorkehrungen zu treffen und es wäre ihm diese Gelegen­ heit durch Unterlassung der rechtzeitigen Anzeige entzogen worden; so möchte sich wohl unter Umständen eine Schädeüforderung liqnidiren und nachweisen lassen. Wie dies aber möglich sein soll, wenn, wie hier festgesetzt ist, nur eine nach­ trägliche Benachrichtigung voll dem bereits vollzogenen Verkaufe gegeben zu wer­ den braucht; so ist nicht fiudbar, worin der ihm entstandene Schade möglicher Weise bestehen sonnte, um rechtliche Anerkennung zu finden, außer etwa in ben Zinsen von dem Ueberschusse des Erlöses, die ihlll wegen der Vorenthaltung des Ueberschusses, über welchen er wegen Unkenntniß von dem Vorgänge nicht ver­ fügen konnte, entgangen sind. , Diese Zinsen, welche seinen Schadensbetrag aus­ machen und den''Charakter der gesetzlichen Zinsen haben, kann der Schuldner mit seiner Klage aus dem Pfandkontrakte einfordern. 96) Aber der Nachweis, daß der Schuldner im Verzüge, ist zur Begrün­ dung des Verkaussantrages erforderlich. Darüber kann jedoch nicht ein förmliches Verfahren und eine förmliche Elltscheidung stattfinden, weil dazu der Gegner zu­ gezogen werden müßte; das Gericht wird sich schließlich mit der Behauptung des Gläubigers zufrieden stellen müssen, da dieser die Gefahr trägt, folglich den Schuldner hinterdrein schadlos halten muß.

97) Vergl. oben die Aum. 26, Abs. 3 a. E. und Abs. 4. — Dieser Art. und die beiden vorhergehenden stehen unter einander in einem engen Zusammen­ hänge. Ihr gemeinschaftlicher Zweck geht dahin, bezüglich der Bestellung und Realisirung von Pfändern für den Handelsverkehr eine Erleichterung gegenüber den zum Theile mit lästigen Weitläuftigkeiten verbundenen Bestimmungen des allgemeinen Civilrechts zu schaffen. Um Sicherheit zu gewähren, daß diese Er­ leichterung wirklich geschaffen und nicht von Weitem Grund zu Verwickelungen gegeben werde, hat man für nöthig gefunden, in allen diesen Artt. die Grenze ihrer Anwendbarkeit thunlich gleichmäßig zu bestimmen und nicht, wie im Ent­ würfe geschehen war, den einen Art. auf alle Forderungen aus Handelsgeschäften ohne Rücksicht auf die Person des Gläubigers und Schuldners auszudehnen, den anderen auf den Verkehr der Kaufleute unter einander zu beschränken, den drit­ ten aber dann für anwendbar zu erklären, wenn einer der Parteien Kaufmann ist, vielmehr die Bestimmungen der Artt. 309, 310 und 311 lediglich auf den Handelsverkehr unter Kaufleuten für anwendbar zu erklären. (Pröt. S. 1332.) 98) Nur die Vereinbarung über den außergerichtlichen Verkauf muß schrift­ lich errichtet werden; der Verpfandungsvertrag kann mündlich und vorher geschlos­ sen worden sein, indem in der Urkunde über eine solche Vereinbarung natürlich immer auch der Pfaudbestellung Erwähnung geschehen muß, uud hierdurch der Zweck des Gesetzes, eine schriftliche Bescheinigung über die Rechte des Gläubigers zu haben, zur Genüge erreicht wird, wenn auch die Urkunde zunächst nur als ein referens in Betracht gezogen werden kann. Eine solche Urkunde enthält jeden­ falls das Anerkenntnis emes mündlich geschlossenen Vertrages, der als Realkon­ trakt überhaupt nicht der Schristform bedarf; die Schrift über denselben soll hier nur als Bescheinigungsmittcl und als Unterlage für den außergerichtlichen Ver­ kauf dienen. Bei der Annahme dieses Art. wurde anerkannt, daß es nicht ge­ rade auf eine persönliche Vertragsurkunde ankomme, sondern ausreichend sei, wenn

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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der Schuldner im Verzüge ist"), der Gläubiger das Pfand öffent­ lich verkaufen lassen; er darf in diesem Falle, wenn die verpfän­ deten Gegenstände einen Börsenpreis oder Marktpreis haben, den Verkauf auch nicht öffentlich durch einen Handelsmäkler oder in Er­ mangelung eines solchen durch einen zu Versteigerungen befugten Beamten 10°) zum lausenden Preise bewirken

Von der Doll-

die Vereinbarung nur schriftlich nachgewiesen werden könne, z. B. durch die Kor­ respondenz der Betheiligten u. bergt (Prot. S. 1338.) 99) M. s. oben die Anm. 90» zu Art. 310. 100) In zweiter Lesung wurde auf Streichung der Worte: „oder in Erman­ gelung eines solchen durch einen zu Versteigerungen befugten Beamtey", ange­ tragen, indem ein solcher Beamter durch einen solchen Verkaufsauftrag zu einem Bevollmächtigten des Gläubigers gemacht, in das Privatinteresse gezogen und mit einer ungeeigneten Verantwortlichkeit belastet werde, abgesehen davon, daß diese Beamten für die Vornahme solcher Verkäufe gar keine Form hätten. Der An­ trag wurde jedoch abgelehnt, indem man hervorhob, daß die Worte, deren Strei­ chung beantragt werde, in erster Lesung un Interesse derjenigen Länder ausge­ nommen worden seien, in welchen weder Börsen- noch Handelsmäkler beständen, damit auch die Angehörigen solcher Kauber von dem im Artikel ftatuirten Vor­ rechte Gebrauch machen' könnten, ohne die Pfänder erst an auswärtige Börsen versenden zu müssen. Der Grund, weshalb man nun den genannten Beamten den Verkauf der Pfänder übertragen habe, liege darin, daß" man in ihrer, öf­ fentlichen Glauben genießenden Person eine Garantie für ein redliches Verfahren bei der Pfandveräußerung gefunden habe; es fei auch nicht abzusehen, weshalb die Gesetzgebung, wenn dies auch bisher noch nicht zu ihren Amtsverrichtungen gehört Haven würde, ihnen nicht den Auftrag geben könne, solche Verkäufe vor­ zunehmen; ein solcher Antrag mache sie kemesweges zu Privatbevollmächtigten des Pfandinhabers. (Prot. S. 1338, 1339.) Uetier die Form solcher Verkaufe ist eine Vorschrift nicht vorgeschlagen. Der beauftragte Beamte wird durch eine öffentliche Versteigerung, deren Termin gewöhnlichermaßen bekannt zu machen, zu verkaufen haben, wobei er nach den Landesgesetzen verfahren muß; es ist ihm jedoch auch der freihändige Verkauf zum laufenden Preise ausdrücklich gestattet, er soll nur der fides publica halber beigezogen werden. (Prot. S. 488.) 100») (2. A.) Das Obertr. sagt in einem Erk. vom 9. Juni 1864 (Entsch. Bd. t-ll, S. 225: „Art. 311 gestattet im Falle vereinbarten Ausschlusses des gerichtlichen Verfahrens bei Sachen, die Börsen- oder Marktpreis haben, den auch nicht öffentlichen Verkauf" (was nach dem Wortlaut richtig ist, es wird dem aber von dem Obertr. beigefügt:) „wobei, wie das Prot. der 55. Sitzung, S.485, ergiebt, es als selbstverständlich betrachtet wurde, daß der Gläubiger auch befugt sei, das Pfand zum Tagespreise an Zahlungsstatt anzunehmen, da die Person des Käufers für das Interesse des Schuldners gleichgültig fei". — Dieses Referat bedarf einer Berichtigung, um der Meinung entgegenzntreten, als könne sich der Pfandgläubiger willkürlich und einseitig zum Eigenthümer des Pfand­ stückes machen, was nach allgemeinen Grundsätzen widersinnig sein würde und daher ohne ausdrückliche positive Vorschrift ganz unannehmbar ist. Die Sache verhält sich so: Ein Mitglied der Konferenz'schlug folgende Bestimmung vor: „Ist vereinbart, daß der Gläubiger ohne gerichtliches Verfahren sich ans dem Pfande befriediaen könne, so ist derselbe berechtigt, das Pfand zum Tagespreise oder vereinten Preise und überhaupt in Gemäßheit des Pfandvertrages zu ver­ kaufen oder zu behalten". Also schon der Vertrag forderte eine deöfallsige Vereinbarmm in dem Pfandkon­ trakte; an eine Selbstverständlichkeit wird mcht gedacht. T>er Vorschlag wurde jedoch bekämpft. Von einer Seite wurde indeß bezüglich des Antrages, aus­ drücklich zu sagen, was die Motive zum Entwürfe als zulässig anerkannt hätten, daß nämlich der Pfandgläubiger das Pfand um den Tagespreis selbst behalten

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Viertes Buch.

Erster Titel.

ziehung des Verkaufs hat der Gläubiger den Schuldner, soweit es

thunlich""), sofort zu benachrichtigen; bei Unterlassung der An­ zeige ist er zum Schadensersatz« verpflichtet.

Art. 312. Durch die vorhergehenden Artikel werden die den öffentlichen

Pfandanstalten, Kreditinstituten oder Banken durch Gesetze, Ver­ ordnungen oder Statuten verliehenen besonderen Rechte in Betreff der Bestellung oder Veräußerung von Pfändern nicht berührt1 * 02 * * ).* * * * * * * * * 101 Ingleichen ist durch die vorhergehenden Artikel nicht ausgeschlos­ sen, daß die Bestellung oder die Veräußerung von Faustpfändern unter Kaufleuten für Forderungen aus Handelsgeschäften rechtsgül­ tig geschehen kann, wenn dabei die in den einzelnen Staaten für

die Bestellung oder Veräußerung von Faustpfändern geltenden Be­

stimmungen beobachtet toetben103).

Art. 313. Ein Kaufmann hat wegen der fälligen104) Forderungen, weldürfe, noch hervorgehoben: „es bedürfe einer solchen ausdrücklichen Bestimmung nicht, denn in der Art und Weise, wie solche Geschäfte in der Praxis erledigt würden, liege auch gewissermaßen ein Verkauf an den Pfandgläubiger vor, da er einer allgemeinen Uebung zufolge auch in dem Falle, wenn er das Pfand selbst übernehme, einen Mäkler zuziehen und sich von diesem eine Uebernahmsurkunde ausstellen lassen müsse". (S. 485 a. a. O.) Dies ist die Stelle, welche jenes Referat vermuthlich wiedergeben will; denn etwas anderes Aehnliches ist nicht vorhanden. Der ganze Antrag wurde aber bei der Abstimmung abgelehnt in der Erwägung, daß der Kaufmann, der sich in Noth befinde, oder ein ein­ trägliches Geschäft machen zu können glaube, sich leicht im Pfandvertraae zu den härtesten Bedingungen herbeilassen werde. (S. 487 ebd.) Von einer Selbstver­ ständlichkeit ist also überall durchaus keine Rede.

101) Oben, Anm. 94 zu Art. 310.

102) Dieser Vorbehalt wurde insbesondere auch für Oesterreich in Bezug auf die Veräußerung verpfändeter Staatspapiere wegen der der Nationalbank und anderen Kreditinstituten hinsichtlich der ihnen verpfändeten Staatspapiere und an­ deren Effekten eingeräumten besonderen Berechtigungen als unentbehrlich bezeich­ net. (Prot. S. 1335.) 103) Hierdurch sollen diejenigen Landesgesetzgebungen in ihrer Kraft erhalten werden, welche für die Veräußerungen von Pfandern noch leichtere Vorschriften enthalten als die Artt. 310, 311. Man würde sonst, wurde gesagt, statt den Handelsverkehr zu erleichtern, ihn erschweren und den Kaufmann in seinen Han­ delsgeschäften an strengere Vorschriften als in seinen Privatgeschäften und als je­ den Privaten binden. Dies treffe z. B. im Königreiche Sachsen zu, wo im We­ sentlichen das Gemeine Recht gelte, jedoch in der Praxis nicht erfordert werde, daß der Gläubiger 2 Jahre mit der Veräußerung warten müsse, ja selbst die Frage, ob es einer Denunziation bedürfe, nicht ganz unbestritten sei. Besonders zweckdienlich erscheine es auch, die Einmischung des Gerichts in die Angelegenheit der Pfandveräußerung zu beseitigen, und hierin das bisherige Recht, wo es bestehe, auch bei mündlichen Pfandbesteuungen beizubehalten. (Prot. S. 1335, 1336.) 104) Einige Abgeordnete sprachen für die Beseitigung dieser Beschränkung und verlangten die Bewilligung des fraglichen Rechts auch für alle bereits be­ gründeten, wenngleich noch nicht fällig gewordenen Forderungen. Von Anderen aber wurde für die Beschränkung geltend gemacht, daß bei der Bestimmung von

Allgemeine Bestimmungen über Handelsgeschäfte.

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che ihm gegen einen anderen Kaufmann auS den zwischen ihnen ge­ schlossenen l05) beiderseitigen Handelsgeschäften zustehen, ein der Ansicht auszugehen sei, daß dasselbe wie eine Art von Kompensationsbefugniß zu betrachten sei; man habe sich die Sache hierbei so zu denken, als wenn die im Besitze des Gläubigers befindlichen Waaren und sonstigen beweglichen Sachen, welche jeden Augenblick zu Gelde gemacht werden könnten, gleich Geld seien, mit welchem kompensirt werde. Dieser leitende Gedanke führe von selbst dahin, daß man den Art. 313 nur bei fälligen Forderungen wirksam werden lassen dürfe, weil außerdem das Recht des Art. 313 viel weiter als die eigent­ liche Kompensationsbefugniß führen würde. Abgesehen davon, daß ein solches Resultat schon aus logischen Gründen unannehmbar erscheine, so sei dies auch aus praktischen Gründen der Fall. Es erscheine doch als ein eigenthümliches und des inneren Zusammenhanges entbehrendes Recht, welches bestimme, derjenige, der gegen einen Andern: eine nichtfällige Forderung habe, dürfe sich wegen der­ selben an der bereits fälligen Summe, die er seinem Gläubiger schulde, nicht dadurch erholen, daß er sein Geld zu seiner Deckung retinire , aber wegen der­ selben Forderung dürfe er die beweglichen Sachen eines Gläubigers behufs seiner Deckung zurückbehalten. Eine Ausdehnung des Art. 313 auf nichtfällige For­ derungen sei überdies juristisch nicht gerechtfertigt, denn wenn ein Kaufmann einem Anderen wegen einer Forderung' auf ein Jahr kreditirt habe, so habe er dadurch gerade die Verpflichtung übernommen, ein Jahr lang ohne Deckung für diese Forderung zu bleiben und dem Anderen die Möglichkeit zu lassen, daß er .der zur Deckung erforderlichen Mittel zu anderen Zwecken sich bediene. Dieser Verpflichtung werde geradezu entgegengehandelt und der Zweck des Kreditnehmers vereitelt, wenn vor Ablauf des Jahres, also vor dem Fälligwerden der Forderung, dem Gläubiger das Recht eingeräumt würde, sich durch Zurückbehalten der Waa­ ren seines Schuldners zu decken. Aus diesen Gründen wurde jener Antrag ab­ gelehnt. (Prot. S. 1351.) 105) Mit dieser Fassung soll ausgedrückt werden, daß sich das fragliche Recht auf die durch Cession erworbenen Forderungen eines Kaufmannes nicht erstrecke, es wäre denn, daß dieser Erwerb aus Veranlassung eines Handelsgeschäftes zwi­ schen dem Cessionar und dem debitor cessus erfolgt sei. Ueber die Frage: ob die durch Cession erworbenen Forderungen der Kaufleute von der Bestimmung des Art. auszuschließen seien, wurde einerseits hervorgehoben, es werde durch die Aus­ dehnung des Vorrechtes auf cedirte Forderungen' den größten Mißbräuchen Thür und Thor geöffnet, indem jeder Kaufmann, der im Besitze von beweglichen Sa­ chen des Schuldners sei, dadurch ein Mittel erhalte, zum Schaden der anderen Konkursgläubiger seinen Freunden Deckung für deren Guthaben zu verschaffen. Andererseits wurde geltend gemacht, durch den Ausschluß cedirter Forderungen werde dem fraglichen Vorrechte die eigentliche Bedeutung genommen; es würde die größte Mehrzahl von Forderungen aus eigentlichen kaufmännischeil Geschäften ausgeschlossen, so namentlich die Fordenrngen aus indossirten Wechseln u. dergl., und sohin dem Bedürfnisse gar nicht genügt. — Bei der Abstimmung wurde nur durch die entscheidende Stimme des Präsidenten der Beschluß gefaßt, daß von dem Art. die durch Cession erworbenen Forderullgen eines Kaufmanns nicht auszu­ schließen seien. Der Abgeordnete für Würtemberg erklärte darauf, daß er sich an der ferneren Abstimmung über diesen Artikel mcht betheiligen könne. (Protok. S. 1346, 1350 — 1352.) — In einer späteren Sitzung schlug die Redaktions­ kommission für diesen Art. eine neue Fassung vor. Diese wurde angenommen, mit der Aenderung, daß Zeile 4 hinter „Zurückbehaltungsrecht" die'Parenthese eingeschaltet wurde. Dabei wurde von einem Mitgliede beantragt, in der 2. Zeile statt: „aus den zwischen ihnen geschlossenen beiderse'ltigen Handelsge­ schäften", zu setzen: „aus ihren beiderseitigen Handelsgeschäften". Der Antragsteller berief sich mit mehreren Anderen darauf, daß die neue Fassung gegenüber dem gefaßten, vorhin erwähnten Beschlusse eine sachliche Aenderung enthalte. Dort sei beschlossen worden, von der Bestimmung dieses Art. die durch Cession erwor­ benen Forderungen der Kaufleute nicht auszuschließen. Dies geschehe aber gleich­ wohl durch die nunmehr vorgeschlagene Fassung, es werde demgemäß auf die da-

Koch, A. D. Handelsgesetzbuch. 2. Xufl.

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Viertes Buch.

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Zurückbehaltungsrecht (Retentionsrecht) an allen beweglichen Sachen und Werthpapieren des .LV1I, S. 387).

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Viertes Buch.

Dritter Titel.

des Auftrages davon Anzeige zu machen; er ist verpflichtet, dem Kommittenten über das Geschäft Rechenschaft^) zu geben und ihm dasjenige zu leisten, was er aus dem Geschäfte zu fordern hat°). Art. 362. Handelt der Kommissionär nicht gemäß dem übernommenen Auftrage, so ist er dem Kommittenten zum Ersätze des Schadens verpflichtet; der Kommittent ist nicht gehalten, das Geschäft für seine Rechnung gelten zu fassen75).6 5) Auch der Kommissionär del credere ist verbunden, dem Kommittenten Rechnung über seine Geschäftsführung zu legen. Erk. des Obertr. vom 7. März 1854 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XII, S. 212).

6) In erster und in zweiter Lesuna wurde der Antrag auf Streichung dieses Art. gestellt, weil derselbe Anlaß zu Mißdeutungen gebe. Bereits an einer frü­ heren Stelle (Art. 282) sei der erste Satz ausgesprochen; der zweite Satz von „Nachrichten zu geben" enthalte bloß einen Rath, Rathsertheilung gehöre aber nicht zur Aufgabe des Gesetzes; und der dritte Satz sei ganz selbstverständlich. Gegen diesen Antrag wendeten jedoch mehrere Mitglieder ein, daß man den Art. keinesweges entbehren könne. Er spreche allerdings nichts Anderes aus, als was jeder Jurist und jeder ordentliche Kaufmann als durch die Natur des Kommis­ sionsgeschäftes bedingt ansehen würde. Aber eben weil diese Bestimmungen als naturgemäß erschienen, müsse man sie aufnehmen, damit auch die minder ordent­ lichen Leute sich darnach zu richten gezwungen würden. Die fraglichen Bestim­ mungen seien übrigens in der That keinesweges überall ganz selbstverständlich, vielmehr sei deren Aufnahme z. B. für die preuß. Verhältnisse sehr Wünschens­ werth, weil dort die bestehende gesetzliche Regelung des Mandates und Kommis­ sionsgeschäftes nicht vollständig ausreiche. Ueber die aufgenommenen Sätze habe bisher viel Streit bestanden; namentlich sei auch der erste Satz nicht durch Art. 282 überflüssig gemacht, denn im Art. 280 sei nur gesagt, daß ein Kauf­ mann, wenn überhaupt eine Sorgfalt, die des ordentlichen Kaufmanns prästiren müsse, hier aber handle es sich um den Satz, daß der Kommissionär, welcher nach der angenommenen Begriffsbestimmung (Art. 360, Abs. i) mcht nothwendig Kaufmann sei, Sorgfalt zu leisten schuldig sei. — Darauf, daß von Vollzie­ hung des Geschäfts Nachricht gegeben werde, sei zu bestehen, denn der Kommit­ tent sei ganz besonders interessirt, zu wissen, was aus fernem Auftrage geworden sei rc. (Prot. S. 686, 1186.) (2. A.) Die Vorschrift des Art. 361 hindert den Kommittenten nicht, diese Leistung einzuklagen, falls ihre Höhe ohne Rechnungslegung sich ermitteln läßt. Erk. des Obertr. vom 30. April 1867 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXVli, S. 168). 7) Er kann aber die veräußerte Waare von dem dritten redlichen Besitzer nicht zurückfordern. (Artt. 363 u. 306; Prot. S. 688 ff., 1187, 4605 ff.) Hier­ durch wird im Gebiete des H.G.B. ein gleichförmiges Recht in Beziehung auf die

Vindikation eingeführt. Nach gemeinem Rechte kann, abgesehen von oen Län­ dern, in welchen der Satz: „Hand muß Hand wahren", gilt, derjenige, welchem sein Eigenthum von einem Stellvertreter auftragswidrig verkauft worden ist, das­ selbe vöm dritten Inhaber vindiziren, und der Kommissionär ist nur zum Scha­ densersätze, also zur Bezahlung der auf die Vindikation erwachsenen Kosten rc. gehalten. Mit Bezug hierauf wurde von Einigen vorgebracht: Ein solches Vin­ dikationsrecht , welches in dem Gebiete des A. L.R. und da, wo der erwähnte Rechtssatz in Geltung sei, nicht mehr bestehe, wenigstens nicht ohne daß der Vindikant dem Besitzer der Sache alle aus deren Erwerb gehabten Auslagen ersetze, habe aber die bedenklichsten Folgen, weshalb man dasselbe zu beseitigen Bedacht nehmen müsse. Dem Käufer der in Kommission gegebenen. Waaren, der nicht in der Lage sei, zu wissen, mit welchen Limitationen eine Verkaufskommission er­ theilt worden, könne man unmöglich durch solche Anweisungen des Kommittenten

Von dem Kommissionsgeschäfte.

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Art. 363. Hat der Kommissionär unter dem ihm gesetzten Preise verkauft, so muß er dem Kommittenten den Unterschied8* )*9im * * *Preise * * vergü­ ten«), sofern er nicht beweist, daß ein Verkauf zu dem gesetzten Preise nicht ausgeführt werden konnte und die Vornahme des Verkaufs von dem Kommittenten Schadenl0)11 abgewendet hat''). Präjudiziren lassen, der Letztere müsse vielmehr immer das Geschäft des Kommis­ sionärs bestehen lassen, wogegen ihm nur ein Recht auf Schadloshaltung gegen denselben zustehe. (Prot. S. 688.) In diesem Sinne ist denn noch in dritter Lesung die durchgreifende allgemeine Bestimmung des Art. 306 zu Stande gekom­ men. (Prot. S. 4605 ff.) Dieselbe unterscheidet sich aber von dem Grundsätze des A. L.R. darin, daß das letztere, abgesehen von einigen posiüven Ausnahmen, den redlichen Besitzerwerb nicht zum Eigenthumserwerbe macht, wie der Art. 306, vielmehr das Vindikationsrecht des bisherigen Eigenthümers unangetastet läßt und äm nur die Verbindlichkeit auflegt, den redlichen Besitzer wegen seiner auf den rwerb gemachten Verwendungen schadlos zu halten. Vergl. oben die Anm. zu Art. 306. 8) Nicht den Schaden, sondern den Unterschied zwischen dem Limits und dem erzielten Preise. Hierdurch ist die Schadensforderung des Kommittenten gesetzlich festgesetzt worden. Vergl. Art. 357, Abs. 3. Bisher ist darüber oft gestritten worden, was als Schaden des Kommittenten zu betrachten und zu vergüten sei; durch diese Bestimmung meinte man solche Streitigkeiten abzuschneiden. Unter „Schaden" ist hier am Schlüsse des Art. die dem Kommittenten entspringende Differenz zwischen dem höheren Einkaufs- und dem niedrigeren Verkaufspreise der Waare verstanden. (Prot. S. 690.) 9) Hiermit schloß dieser Art. in dem Entwürfe aus zweiter Lesung (Art. 340). In dem preuß. Entw. hatte der Art. (279) den Zusatz: „wenn er nicht beweist, daß das Geschäft nicht gemäß dem Auftrage ausgeführt werden konnte, und die Unterlassung dem Kommittenten unzweifelhaft Schaden verursacht haben würde". In der ersten Lesung wurde dieser Satz im Wesentlichen beibehalten. (Redakt.Entw. Art. 306.) In zweiter Lesung wurde derselbe gestrichen, weil man dem Kommissionär nicht einräumen könne, von der Ordre abzuweichen und so gleich­ sam den Vormund des Letzteren zu macken. (Prot. S. 1188.) In dritter Le­ sung wurde die Diskussion darüber wieder ausgenommen, und der Antrag einge­ bracht, die Bestimmung des preuß. Entwurfs, mit Weglassung des Wortes „un­ zweifelhaft", wieder herzustellen. Der Zusatz entspreche dem Billigkeitsprinzip, daß Niemand auf Kosten eines Anderen sich bereichern solle. Wenn der Kommissionär den immerhin schwierigen Beweis zu . erbringen vermöge, daß wegen besonderer Kombination der Verhältnisse ein Nichteinhalten des Limits im Interesse des Kom­ mittenten geboten war, so würde eine unbedingte Haltbarmachung des Kommis­ sionärs für den ganzen gesetzten Preis eine Härte sein und auch dem im vorher­ gehenden Art. 362 enthaltenen Prinzipe, daß bei Zuwiderhandeln gegen des Kom­ mittenten Auftrag der Kommissionär schadensersatzpflichtig sei, Widerstreiten. Der Antrag wurde zum Beschlusse erhoben, unter der Modifikation, daß das Wort „unzweifelhaft" wegzulassen sei, und mit der Fassunaöänderung, daß statt: „und die Unterlassung dem Kommittenten Schaden verursacht haben würde", gesetzt werde: „und die Vornahme des Verkaufs unter dem Limitum einen Schaden von dem Kommittenten abgewendet habe". (Zusammenstellung rc. S. 60; Prot. S. 4622.)

10) M. s. die vorhergehende Anm. 8. 11) Dieser Beweis einer Negative wird schwierig, wenn nicht unmöglich sein. Darauf ist auch gerechnet worden, denn man hat deshalb den Zusatz dem Kom­ mittenten für unschädlich gehalten, und gemeint, daß schon hierdurch leichtsinnige Zuwiderhandlungen gegen die ettheilte Ordre ferne gehalten würden. — Uebngens wurde als selbstverständlich von mehreren Seiten erklärt, daß mit der Be-

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Viertes Buch.

Dritter Titel.

Art. 364. Hat der Kommissionär den für den Einkauf gesetzten1* 2*) * Preis ****** überschritten, so kann der Kommittent den Einkauf als nicht für seine Rechnung geschehen zurückweisen, sofern sich der Kommissionär nicht zugleich13) mit der Einkaufsanzeige zur Deckung des Unterschiedes erbietet. stimmung des Art. 363 den Bestimmungen über negotiorum gestio nicht präjudizirt werden solle, und daß, unter Umständen, ein Kommissionär, der unter dem Limits verkauft habe, als liberirt erachtet werden könne, wenn er dem Kom­ mittenten eine gleichgeltende Waare, z. B. Staatspapiere, derselben Gattung zu­ rückgebe. (Prot. S. 1189.) (2. A.) Der in dem Art. 363 aufgestellte beschränkende Grundsatz ist seinem Wesen nach auch den Vorschriften und Grundsätzen des A. L.R. vom Vollmachts­ verträge nicht fremd. §§. 54 ff. vergl. mit §§. 49 —52 , Tit. 13, Th. I. Erk. des Obertr. vom 21. Mai 1864 (Arch. f. Rechtss. Bd. LUI, S. 264). 12) Nur aus den Fall, wo dem Kommissionär ein bestimmter Preis bezeich­ net worden, kann dieser Art. angewendet werden; wo dies nicht geschehen, da hat der Kommissionär nach bestem Wissen im Interesse des Kommittenten zu Ver­ fahren; für ganz unthunlich hielt man es, in diesem Falle den Kommissionär für den laufenden Preis (den Marktpreis) verantwortlich zu machen, da gar nicht feststehe, was ein solcher sei und wieviel er in einem einzelnen Falle betrage. Deshalb wurden die üt diesem Art. (279) des preuß. Entw. befindlichen Worte: „in Ermangelung eines solchen (bestimmten Preises) den laufenden Preis", ge­ strichen. (Prot. S. 692.) 13) Daß der Kommissionär sich zur Deckung des Unterschiedes sofort bei der Anzeige über die Ausführung des Auftrages erbiete, hat deshalb als ganz unvermeidlich geschienen, weil außerdem der Kommittent in einer'ganz ungebühr­ lichen Weise darüber in Ungewißheit gelassen werde, ob er über eine Waare noch verfügen könne, oder nicht. Wenn z.' B., wurde gesagt, ein an der Nordsee woh­ nender Kaufmann einem Anderen in Lissabon den' Auftrag gebe, eine Waare nicht über einen gewissen Preis einzukaufen, und wenn Letzterer gleichwohl diesen Preis überschreite, so sei es gewiß äußerst gefährlich, dem Kommissionär zu gestatten, daß er gleichsam erst replicando dem Kommittenten, wenn dieser die Waare schon abgelehnt habe, noch schreiben könne, er wolle den Unterschied decken, und daß er so vielleicht unter gänzlich veränderten Konjunkturen nach unverhältnißmäßig langer Zeit den Kommittenten zur Annahme der Waare zu seinem Limitum ver­ pflichte. Auf den Einwand, daß der Kommittent voraussichtlich mimet von dem Erbieten des Kommissionärs Gebrauch machen werde, wenn dasselbe sofort mit der Anzeige verbunden werden müsse, selbst wenn er außerdem keinen Anstand genommen haben würde, das Geschäft zu genehmigen, daß dadurch aber der Kom­ missionär leicht zur Ungebühr beschädigt werden könne, wurde entgegnet: Abge­ sehen davon, daß von einem solchen Erbieten nur von einem unbilligen Manne und gewiß nicht im Verhältnisse fortdauernder Geschäftsverbindung Gebrauch ge­ macht werden würde, so sei es schon Vortheil genug für den Kominisstonär, wenn im Gesetze nur ausgesprochen werde, daß der Kommittent den Vertrag zu geneh­ migen schuldig sei, falls der Kommissionär zur Zahlung des Unterschiedes sich er­ biete, denn auch dies sei noch in der neuesten Zeit für sehr bestritten gehalten worden; eben so leicht wie der Komnlissionär durch die Pflicht zum sofortigen Er­ bieten, könne der Komniittent durch das Recht desselben, erst nach erfolgter Ab­ lehnung der Waare den Unterschied anzubieten, in Gefahr kommen, wenn z. B. in der Zwischenzeit die Waare bedeutend gesunken sei, so daß die Daraufzahlung des Unterschiedes für den Kommissionär Vortheilhafter sei als ein Ausschlagen der Waare durch den Kommittenten. Wolle aber der Kommissionär es nicht darauf hin wagen, ob der Koinmittent von dem eventtrellen Anerbieten Gebrauch mache, so möge er eben die Ausführung des Auftrages mit Überschreitung des Limitums

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Der Kommittent, welcher den Einkauf als nicht für seine Rech­ nung geschehen zurückweisen will, muß dies ohne Verzug aus die

Einkaufsanzeige erklären, widrigenfalls die Ueberschreitung des Auf­

trages als genehmigt gilt14 * * ).15 16 17 Art. 365. Wenn das Gut, welches dem Kommissionär zugesandt wird, bei der Ablieferung sich in einem äußerlich erkennbar beschädigten oder mangelhaften Zustande befindet, so muß der Kommissionär die

Rechte gegen den Frachtführer oder Schiffer wahren, für den Beweis

jenes Zustandes sorgen und dem Kommittenten ohne Verzug 1 s)

Nachricht geben. Im Unterlassungsfälle ist er für den daraus entstandenen Scha­ den verantwortlich1 ®). Er kann den Zustand durch Sachverständige feststellen lassen '7),

und wenn das Gut dem Verderben ausgesetzt und Gefahr im Ver­ züge ist, unter Beobachtung der Bestimmungen des Art. 343 den

Verkauf des Gutes bewirken. Art. 366. Treten Veränderungen an dem Gute ein, welche dessen Entwerunterlassen, oder erklären, daß er schlimmsten Falls die Waare zu behalten bereit sei. (Prot. S. 691.)

14) Dieser Zusatz ist in der Absicht beigefügt, auch dem Kommissionär einen Schutz gegen verspätete, nach erfolgter Veränderung der Konjunkturen statthabende Ablehnung des Kommittenten zu gewähren. (Prot. S. 692.) „Obne Verzug" heißt auch hier: sobald es nach dem ordentlichen Geschäftsgänge thunlich. Vergl. Anm. 23 zu Art. 319 und Anm. 130 zu Art. 323.

15) Oben, Anm. 123 zu Art. 319, und Anm. 130 zu Art. 323. 16) Der preuß. Entwurf (Art. 280) enthielt, wie das spanische Gesetzbuch Art. 418, das strengere Präjudiz, daß der Kommissionär im Unterlassungsfälle sich auf den mangelhaften Zustand des Guts gegen den Kommittenten nicht beru­ fen könne. Hierdurch sollte dem Kommittenten der schwierige Beweis darüber abenommen werden: ob die Beschädigung der Waaren beim Fuhrnianne oder erst eint Kommissionär rc. eingetreten fei ? Man fand jedoch diese Bestimmung nicht sachgemäß und beschloß, bie jetzt vorliegende an deren Stelle zu setzen. (Prot. S. 694.) Zu deren Rechtfertigung wurde vorgebracht, daß der Kommissionär nur für den Schaden einzustehen schuldig sein könne, welcher daraus folge, daß dem Kommittenten der Beweis gegen Ablieferer nicht gesichert worden sei. Wenn der Kommittent in Folge eines Versäumnisses des Kommissionärs dem Abliefernden gegenüber den Beweis nicht erbringen könne, daß schon bei der Ablieferung der Waare ihr Zustand äußerlich erkennbar beschädigt oder.mangelhaft gewesen, so verliere er durch diese Unterlassung nichts weiter als die Regreßklage gegen den Abliefernden. Das sei aber kein Grund, um in allen Fällen den Kommissionär für den Minderwerth der Waare einstehen zu lassen, z. B. dann nicht, wenn diese Regreßklage schon deshalb an sich keinen Werth habe, weil der Abliefernde gänzlich vermögenslos und die Vollstreckung eines günstigen Urtheils ganz unmöglich sei. Wenn' aber der Abliefernde hinreichendes Vermögen besitze, so werde schon die Bestimmung des Absatzes 2 in der Regel zu dem Resultate führen, welches mit jenem Vorschläge bezweckt werde. (Prot. S. 1190.)

g

17) Oben, Anm. 31 zu Alinea 3, Art. 348, und wegen der Kosten Anm. 32.

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Dritter Titel.

thung18) befürchten lassen, und ist keine Zeit vorhanden, die Verfü­ gung des Kommittenten einzuholen, oder der Kommittent in der Ertheilung der Verfügung säumig19),20 so 21 kann der Kommissionär unter Beobachtung der Bestimmungen des Art. 343 den Verkauf des Gutes veranlassen. Ein gleiches Recht hat der Kommissionär in allen anderen $äl= kn10), in welchen der Kommittent, obwohl hierzu nach Lage der Sache verpflichtet, über das Gut zu verfügen unterläßt1').

Art. 367. Für Verlust oder Beschädigung des Gutes ist der Kommissio­ när, während er Aufbewahrer desselben ist, verantwortlich, wenn er 18) Ein Mitglied hielt den Ausdruck „Entwerthung" für zu allgemein, in­ dem derselbe möglicherweise so verstanden werden könne, daß er sich auch auf Werthsminderungen durch Aenderungen der Konjunktur beziehe. Man entgegnete jedoch, solche Verhältnisse seien allerdings nicht gemeint, sondern nur solche LVerthsminderungen, die in der Substanz des Gutes ihren Grund hätten; dies sei aber deutlich genug durch die Worte: „Veränderungen an dem Gute :c.", ausgedrückt. (Prot. S. 1191.)

19) Auch dieser Satz bezieht sich auf die Voraussetzung, daß Veränderungen in der Substanz des Gutes eintreten, und zwar in dem Falle, wo noch Zeit war, die Verfügung des Kommittenten zu verlangen, der Kommittent aber mit der Antwort zurückhielt. 20) Und zwar gleichfalls ohne vorherige Androhung, wie in dem Falle des ersten Absatzes. Zur dritten Lesung war nämlich von Hamburg zum Abs. 2 der Zusatz beantragt worden: „jedoch — ausgenommen den Fall der dringenden Ge­ fahr im Verzüge — nur nach speziell an den Kommittenten vorausgegangener Androhung". Dieser Antrag wurde vor der Diskussion dem Fassungsausschusse überwiesen, von diesem jedoch nicht berücksichtigt. (Zusammenstellung rc. S. 61, Nr. 382 u. S. 94.)

21) Von mehreren Seiten wurde die Streichung des zweiten Absatzes bean­ tragt, weil schon durch den Art. 375 genügend vorgesorgt worden; der Antrag je­ doch zurückgewiesen, nachdem gegen denselben hervorgehoben worden war, daß der zweite Absatz keinesweges mit den Fällen des Art. 375 identisch sei, sondern am meisten Aehnlichkeit mit demjenigen Falle habe, für welchen der zweite Absatz des Art. 343 beschlossen worden sei. Es handle sich nämlich lediglich darum, daß der Kommittent den Kommissionär entlaste, daß er ihm die Waaren abnehme, und somit sowohl um den Fall, in welchem der Kommissionär die Waaren des Kom­ mittenten vor Ausführung der Kommission, die er vielleicht nicht annehmen wollte oder nicht ausführen konnte, schon in Besitz bekommen habe, als um den Fall, in welchem der Kommittent die angekauften Waaren nicht abnehme, obschon der Kom­ missionär für alle seine Ansprüche bereits gedeckt sei. Während es sich im Art. 375 um eine Msriedigung des Kommissionärs' handle, stehe eine solche hier nicht in Frage, hier handle es sich nur darum, daß der Kommissionär eine Waare los sein wolle, von der er nicht wisse, was er damit anfangen solle. Das Verfahren des Art. 366, Abs. 2 könne unter Umständen auch im Interesse des Kommitten­ ten geboten sein, im Art. 375 handle es sich dagegen nur um das Interesse des Kommissionärs. Man könne nun nicht einwenden ', daß in Fällen dieses Absatzes kein Grund vorhanden sei, dem Kommissionär ein Recht der Veräußerung der Waaren einzuräumen, da er sie ja recht wohl bei sich lagern lassen könne, bis der Kommittent endlich doch verfügen würde, oder bis der Kommissionär für die Lagerung derselben eine Forderung habe und vielleicht dann zu seiner Befriedi­ gung zum Verkaufe genöthigt sei, denn der Kommissionär könne ein Interesse ha­ ben, endlich einmal Loszukommen rc. (Prot. S. 749.)

Von dem Kommissionsgeschäfte.

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nicht beweist, daß der Verlust oder die Beschädigung durch Umstände

herbeigeführt ist, welche durch die Sorgfalt eines ordentlichen Kauf­ mannes nicht abgewendet werden sonnten®2). Der Kommissionär ist wegen Unterlassung der Versicherung des Guts 2b) nur dann verantwortlich, wenn er von dem Kommittenten

den Auftrag zur Versicherung erhalten hat2*).

Art. 368. Forderungen aus einem Geschäfte, welches der Kommissionär abgeschlossen hat, kann der Kommittent dem Schuldner gegenüber

erst nach der Abtretung geltend machen 2*).

Jedoch gelten solche Forderungen, auch wenn sie nicht abgetre22) Es genügt also der Nachweis, daß eine offenbare vis major eingetreten ist, nicht, um zu wissen, daß nicht Mangel an Sorgfalt den Schaden verursacht habe, vielmehr muß auch bewiesen werden, daß der Kommissionär alles gethan habe, was in seinen Kräften stand, um die bereits eingetretene vis major zu be­ seitigen, um z. B. einen durch Blitz entstandenen Brand zu löschen. (Vgl. Prot. S. 696.) 23) „Gegen Feuersgefahr", hieß es im Redakt.-Entwürfe Art. 310. Diese Worte wurden in zweiter Lesung gestrichen, um der Bestimmung auch bezüglich anderer Arten von Versicherungen, z. B. gegen die Gefahr der Ueberschwemmung der Lagerräume, Geltung zu geben. (Vergl. Prot. S. 1191.) 24) Die Bestimmung des zweiten Absatzes ist getroffen, um die vorgekom­ menen Streitigkeiten darüber abzuschneiden, ob der Kommissionär verbunden sei, die ihm anvertraüten Waaren versichern zu lassen, selbst wenn ihm ein solcher Auf­ trag nicht ertheilt worden ist. (Vergl. Prot. S. 696.) Es wurde auch eine Be­ stimmung darüber für wüuschenswerth gehalten, ob der Kommissionär ein Recht habe, die Erstattung der Prämie für die Versicherung von dem Kommittenten zu fordern, wenn er zur Versicherung keinen besonderen Auftrag erhalten habe. Die Kommissionäre hielten nicht selten alle auf ihrem Lager befindlichen Waaren ver­ sichert. Man schlug in dieser Hinsicht eine entsprechende Bestimmung vor. Hiegegen wurde jedoch die Ansicht ausgesprochen, daß das, was der Antrag sage, ganz selbstverständlich sei. Insoweit ordentliche Kaufleute ihre Waaren zu versi­ chern pflegten, sei auch der Kommissionär schon deshalb dazu verbunden, weil er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufniannes zu prästiren habe. Wenn man je­ doch etwas Zureichendes thun wolle, um die bestehenden Streitigkeiten abzuschnei­ den, so müsse man entweder für alle Fälle die Versicherung der Waare vorschrei­ ben, oder aussprechen, daß der Kommissionär nur auf besonderen Auftrag zu versichern gezwungen sei. In diesem Sinne wurde der Zusatz beantragt: „Zur Versicherung ist er nur dann verpflichtet, wenn er hiezu Auftrag vonr Kommit­ tenten erhalten hat", jedoch nicht angenommen. (Prot. S. 696.) In zweiter Le­ sung wurde der Vorschlag wieder ausgenommen und mit allen Stimmen ange­ nommen, dann aber von der Fassungskommission so gefaßt, wie er jetzt vorliegt, so daß er das Gegentheil ausdrückt. Die Frage: ob der Kommissionär die Erstattung der Prämie verlangen dürfe, wenn er ohne einen besonderen Auftrag versichert habe, oder nicht, wurde gar nicht berührt. (Prot. S. 1191, 1192.) Die Frage ist sonach eine offene und in jedem einzelnen Falle, mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der örtlichen Gewohnheiten und Verhältnisse, zu entscheiden. Nur die Entscheidung der Frage, ob dem Kommissionär in allen Fällen eine Haftbarkeit aufgelegt werden könne, wenn er ein ihm anvertrautes Gut zu ver­ sichern unterläßt, ist durch beit Absatz 2 getroffen. Vergl. unten die Anm. 30, Abs. 2 zu Art. 371.

25) Oben, Anm. 1 zu Art. 360.

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Dritter Titel.

ten sind, im Verhältnisse zwischen dem Kommittenten und dem Kom­

missionär oder dessen Gläubigern als Forderungen des Kommit­

tenten.

Art. 369. Der Kommissionär, welcher ohne Einwilligung des Kommitten­ ten einem Dritten Vorschüsse macht26) oder Kredit giebt, thut dies

auf eigene Gefahr. In soweit jedoch der Handelsgebrauch am Orte des Geschäfts das Kreditiren des Kaufpreises mit sich bringt, ist in Ermangelung

einer anderen Bestimmung des Kommittenten auch der Kommissio­ när dazu berechtigt. Hat der Kommissionär unbefugt auf Kredit verkauft, so hat er dem Kommittenten, welcher dies nicht genehmigt, sofort als Schuld­

ner des Kaufpreises die Zahlung zu leisten.

Beweist der Kommissio­

när, daß beim Verkaufe gegen baar der Preis ein geringerer gewesen sein würde, so hat er nur diesen Preis und, wenn derselbe geringer ist,

als der auftraggemäße Preis, auch den Unterschied gemäß

Art. 363 zu vergüten. Art. 370. Der Kommissionär steht für die Zahlung oder für die ander­

weitige Erfüllung der Verbindlichkeit seines Kontrahenten ein, wenn dies von ihm übernommen oder am Orte seiner Niederlassung Han­

delsgebrauch ist27). 26) Nämlich auf zu liefernde Waare, bei Ausführung einer Einkaufskommisston. Wenn der Kommissionär, um den Auftrag auszuführen und seine Pro­ vision zu verdienen, einen Vorschuß leistet, so geschieht dies, wenn dazu der Kommittent nicht seine Zustimmung gegeben hat, nicht für Rechnung des Kommitten­ ten , d. h. der Kommissionär könn davon nicht Zinsen berechnen, und auch, wenn der Vorschußempfänger weder Waare liefert, noch das Geld zurückzahlt, von dem Kommittenten die Erstattung des Vorschusses nicht fordern. (Vergl. Protok. S. 1203.) 27) Der vorige Art. 369 handelte nur von den Fällen, wenn der Kommis­ sionär auftragswidrig verfährt, und von den dem Kommittenten dieserhalb wider ihn zustehenden Rechten aus dem Kontrakte selbst. Der Art. 370 behandelt den davon ganz verschiedenen Fall, wenn der Kommissionär zwar auftragsgemäß ver­ fahren ist, dabei aber seine aus dem Nebenvertrage, der Uebernahme des del credere, entspringenden Verbindlichkeiten in Frage kommen. Dieser Vertrag ist ein bloßer Nebenvertrag, dem kein gesetzlicher Einfluß auf die wesentlichsten Wirkun­ gen des Hauptvertrages eiuzuräumen ist. (Vergl. Prot. S. 704, 710.) In dem Entwürfe aus zweiter Lesung (Art. 347) stand hinter dem Worte „ein" die Pa­ renthese „del credere“. Zur dritten Lesung wurde von Hamburg der Antrag emgebracht, diese Worte zu streichen. Die Charakterisirung der im ersten Absätze erwähnten Verbindlichkeiten des Kommissionärs als eines del credere sei deshalb bedenklich, weil dem Gesetzgeber die Absicht unterstellt werden könnte, bei dieser Gelegenheit generell eine Definition des del credere gegeben zu haben, was doch nicht" gemeint sein könne. Ini Allgemeinen werde unter Kaufleuten mit dem del credere nur eiue Garantie für die' Solvabilität eines Dritten geleistet; es würde

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Der Kommissionär, welcher für seinen Kontrahenten einsteht, ist dem Kommittenten für die gehörige Erfüllung im Zeitpunkte des Verfalls unmittelbar und persönlich in soweit verhaftet, als solche aus dem Vertragsverhältnisse überhaupt rechtlich gefordert werden kann 2»). daher der Umfang des im Art. 370 bezeichneten Obligos, nämlich auch für die anderweitige Erfüllung von Verbindlichkeiten des Dritten außer der Zahlung, auf das gewöhnliche del credere keine Anwendung leiden. (Zusammenstellung der Erinnerungen rc. S. 63, Nr. 390.) Die Streichung ist geschehen. Berechnet sich ein Verkaufskommissionär in einem conto finto eine Provision del credere, so erbietet er sich dadurch, del credere zu stehen, und muß für den Kaufpreis der ihm zum Verkaufe in Kommission gegebenen Waaren seinem Kom­ mittenten hasten. Erk. des Obertr. vom 11. Juni 1818 (Simon, Rechtsspr., Bd. II, S. 134). Schon in dein Erk. vom 10. Januar 1816 hat dasselbe ange­ nommen , daß der Kommissionär, der eine Provision del credere erhält, für Die Gefahr des gegebenen Kredits haftet. (Simon, Rechtsspr., Bd. I, S. 177.) 28) Durch den int preuß. Entwürfe (Art. 288) fehlenden Schlußsatz „inso­ weit — solche re." soll ausgedrückt werden, daß die dem Dritten zustehenden Ein­ reden auch dem Kommissionär, gegenüber dem Kommittenten, nicht abgeschnitten sind. Eine ausführliche Diskussion betraf nämlich die Frage: ob der Kommissio­ när für die Zahlung und die Erfüllung des Vertrages durch den dritten Kontra­ henten nur für den Fall der Insolvenz, also des Nichtkönnens, und für den des Nichtwollens, oder auch dann einzustehen habe, wenn der Dritte in der Beschaf­ fenheit der Waare oder in irgend einem dem Kommittenten zur Last fallenden Umstande rechtlichen Grund habe, die Zahlung resp. Vertragserfüllung zu ver­ weigern , und in wieweit prozessualischen Rücksichten ein Einfluß auf die Bestimmungeu des Artikels daun einzuränmen sei, wenn der Kommissionär nicht weiter für haftbar erklärt würde, als es der dritte Kontrahent wäre. Einer der Abgg. war hierbei der Ansicht, der Art. habe zunächst die Erledigung der handelsrecht­ lichen Streitfrage im Ange, ob der Kommissionär so anzusehen sei, als hafte er für die Verbindlichkeiten des dritten Kontrahenten, auch wenn er dies nicht aus­ drücklich übernommen hätte. Diese Frage verueine der Artikel. Was aber jene Frage betreffe, wie weit der Kommissionär haste, so könne kein Zweifel sein, daß er für das Nichtkönnen und Nichtwollen des dritten Kontrahenten einzustehen habe, d. i. für die Kreditwürdigkeit, wie man sich gewöhnlich ausdrücke, aber nicht auch für diejenige Erfüllung, welche der Dritte aus guten rechtlichen Gründen, z. B. wegen neuentdeckter heimlicher Fehler der verkauften Waare, verweigere oder un­ terlasse. Es sei übrigens Sache des Kommissionärs, gegen den Kommittenten, wenn dieser ihn in Anspruch nehme, die Rechtmäßigkeit'der fraglichen Weigerung nachzuweisen, er könne den Kommittenten nicht an den Dritten unter dem Vor­ wande verweisen, als sei dieser in seinem Rechte und verweigere aus materiellen Gründen die Leistung. Dabei wurde bemerkt, es sei nicht zu verkennen, daß der Kommissionär in die mißliche Lage versetzt werden könne, dem Kommittenten ge­ genüber das Dasein der Thatsachen, auf welchen die Einreden des dritten Kon­ trahenten beruhten, behaupten und beweisen, im Prozesse gegen den Dritten aber leugnen und sich beweisen lassen zu müssen; ferner, daß selbstverständlich dem Kommissionär, wenn er vom Kommittenten in Anspruch genommen würde, die Einrede der Vorausklagung rc. abgeschnitten sei. — In Folge dieser Erwägun­ gen wurde auf den Vorschlag des Referenten der Schlußsatz „insoweit rc." ange­ nommen. (Prot. S. 710 ff.) — Hieraus folgt die prozessualische Lehre, daß, wenn der von dem Kommittenten in Anspruch genommene Kommissionär die That­ sachen, auf welchen die Einreden des dritten Kontrahenten beruhen, behauptet und wegen Beweisfälligkeit verurtheilt wird, ihm von dem hiernächst in Anspruch ge­ nommenen dritten Kontrahenten nicht entgegengesetzt werden kann, daß er die Thatsachen, deren Dasein er nun leugne, m jenem Vorprozesse selbst behauptet und damit zugestanden habe. Denn wenn es ihm damals nicht gelungen ist, die

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Dritter Titel.

Der Kommissionär, welcher für seinen Kontrahenten einsteht, ist

dafür zu einer Vergütung (äel-ereäere-Provision) berechtigt^).

Art. 371. Der Kommittent ist schuldig, dem Kommissionär zu ersetzen, was dieser an baaren Auslagen oder überhaupt zum Vollzüge des Geschäfts nothwendig oder nützlich aufgewendet hat^o).

Hierzu

behaupteten Thatsachen zu beweisen, so hat er nun guten (Siimb, dieselben zu be­ streiten , ohne mit sich selbst in Widerspruch zu kommen. — Bei der Berathung war einer der Abgg. ferner der Meinung, daß der Schwerpunkt der mit dem Art. 370 beabsichtigten Bestimmungen in einer prozessualischen Wirksamkeit zu su­ chen sei. Man müsse unterscheiden, ob die Forderung des Kommittenten aus dem Vertrage von Seiten des Dritten bestritten sei, oder nicht. Sei das Erstere der Fall und habe der Schuldner aus materiellen Gründen die Zahlung verweigert, so müsse ausgesprochen werden, daß der Kommittent den Kommissionär nicht frü­ her wegen Erfüllung belangen dürfe, als bis der von diesem gegen den Schuldner zu führende Prozeß beendigt sei. Eine Stimme sprach sich, noch weiter gehend, dahin aus, daß von dem Kommissionär in solchem Falle nicht mehr verlangt wer­ den könne, als daß er seine Rechte gegen den Dritten dem Kommittenten cedire. Diese beiden Auffassungen wurden jedoch von mehreren Seiten entschieden bestrit­ ten und außer dem schon Gesagten hervorgehoben, nach der Auffassung des Han­ delsstandes habe sich der Kommittent im Falle eines del - credere - Vertrages um den Prozeß des Kommissionärs mit dem Dritten gar nicht zu bekümmern, selbst nicht einmal so weit, daß er mit seinen Ansprüchen gegen den Kommissionär bis nach Beendigung dieses Prozesses zu warten hätte. Es sei vielmehr Sache des Kommissionärs, die Einreden des Dritter: geltend zu machen und zu beweisen, wozu ihm selbstverständlich die Einräumung einer den Umständen entsprechenden Frist nicht verweigert werden könne. Bon anderen Seiten wurde dem beigefügt, die prozessualischen Schwierigkeiten, welche für den Kommissionär entständen, lie­ ßen sich m der Regel durch die Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über die Strettverkündigung beseitigen. — Im Laufe der Debatte hatte sich Einhelligkeit darüber ergeben, daß der Kommissionär von der Haftung gegenüber dem Kommit­ tenten frei sei, wenn der Dritte aus materiellen Gründen nicht zu zahlen brauche, und daß dessen Haftbarkeit nicht weiter reiche, als sie nach Maßgabe des delereäere - Vertrages gehen solle, so daß, wenn nur auf einen Theil der Vertrags­ summe del credere gestanden worden, die Haftung nicht (iuf die ganze Vertrags­ summe ausgedehnt werden könne. (Prot. S. 712.) — Der Grundsatz des del credere ist hiernach dieser: Der Kommissionär haftet aus den mit Dritten geschlos­ senen Verträgen, an Stelle des Dritten, dem Kommittenten als Selbst- und Hauptschuldner, nach Maßgabe des del - credere - Vertrages. Dieser Vertrag hat insofern Aehnlichkeit mit dem Versicherungsverträge; der Kommissionär trägt die Gefahr des Nichtkönnens und Nichtwollens des Dritten. 29) In zweiter Lesung wurde von einem Abg. die Streichung des dritten Absatzes beantragt, da es viele Geschäfte gebe, bei denen für das del credere keine besondere Vergütung gegeben zu werden pflege, bei denen vielmehr die Ent­ schädigung dafür in der Provision liege; es wurde deshalb vorgeschlagen, statt: „zu einer Vergütung", zu setzen: „zür ortsüblichen Vergütung". Man verwies jedoch daraus,' daß die Bestimmung gemäß eines zum Art. 371 in erster Lesung gefaßten Beschlusses den Satz ausdrucken solle, daß der Kommissionär für das del credere eine Vergütung anzusprechen habe, auch wenn dies in einem konkreten Falle nach Ortsgebrauch nicht der Fall wäre. Wenn nun gesetzt würde: „zur ortsüblichen Vergütung", so sei der obenerwähnte Gedanke nicht ausgedrückt. Das erhobene Bedenken erscheine aber auch nicht begründet, denn der Absatz biete keinen Grund, eine weitere Vergütung zu fordern, wenn nach Ortsgebrauch die Ansicht des Handelsstandes dahin gehe, daß die Provision für ein Geschäft zugleich die Vergütung für das del credere enthalte. (Prot. S. 1201.)

30) Sammt Zinsen seit dem Tage der Aufwendung.

Art. 290, Abs. 3 und

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gehört auch die Vergütung für die Benutzung der Lagerräume Anm. 54 dazu. — (2. A.) Eine solche nöthige oder nützliche Aufwendung schei­ det aber aus, wenn der Kommissionär, ohne durch Kündigung seitens des Ver­ käufers zur Abnahme der Waare und Beschaffung des demselben zu zahlenden Kaufgeldes genöthigt zu sein, ohne Rücksicht darauf, daß im Laufe der kontrakt­ lichen Lieferungsfrist eine Kursbefferung eintreten kaun, — eigenmächtig, ohne Auftrag seines Kommittenten, mit deni Verkaufe zu niedrigerem als dem Ein­ kaufspreise vorschreitet, und dadurch einen Verlust für den Letzteren herbeiführt. Erk. des Obertr. vom 16. Oktober 1866 (Entsch. Söb. LVII, S. 389). Hier wurde in der Nürnberger Konferenz die bereits zu Art. 367, Abs. 2 angeregte Frage: ob der Kommissionär zur Eingehung von Versicherungen und zur Berechnung der Prämien hiefür berechtigt sei, wieder ausgenommen und eine Zusatzbestimmung darüber im bejahenden Sinne in Antrag gebracht, weil die Berechtigung zur Versicherung nicht unbedingt verneint werden könne, man aber mit der Bestimmung des Äbs. 2 des Art. 367 die Frage der Berechtigung für verneint halten werde; denn wo keine Pflicht sei, da sei auch kein mecht. (Bergl. Anm. 24 zu Art. 367.) In der Diskussion über diesen Antrag ergab sich eine Meinungsverschiedenheit darüber, ob durch die Bestimmung des Art. 367 dem Kommissionär die Befugniß, für Rechnung des Kommittenten Versicherungen einzugehen, abgeschnitten worden sei. Mehrere Abgg. bejahten die Frage aus dem von dem Antragsteller angegebenen Grunde, hielten dies auch für völlig an­ gemessen, und sprachen sich aus diesem Grunde gegen die Aufnahme besonderer Bestimmungen hier zum Art. 371 aus. Von anderen Seiten aber wurde die Meinung ausgesprochen, durch den zweiten Absatz des Art. 367 sei die Berechti­ gung zur Eingehung von Versicherungen nicht abgeschnitten worden; diese Frage sei vielmehr nach Äbs. 1 des Art. 371 zu entscheiden. Die Eingehung von Ver­ sicherungen und Bezahlung von Prämien für dieselben falle, wenn nach Lage des Falles jeder ordentliche Kaufmann versichert haben würde, unter den Gesichts­ punkt nützlicher Verwendungen, selbst wenn hinterher die Waare kein Unfall be­ troffen habe. Mit dem Art. 367 habe nicht mehr ausgesprochen werden sollen, als daß der Kommissionär für die Unterlassung von Versicherungen, selbst wenn sie ein ordentlicher Kaufmann vorgenommen haben würde, nicht verantwortlich gemacht werden könne. Ob also auch ohne Auftrag eine Prämie an gesetzt wer­ den dürfe, sei quaestio facti jedes einzelnen Falles, und demzufolge jede weitere Zusatzbestimmuug überflüssig. — Gegen diese Ansicht wurde aber eingewendet, die Eingehung einer Verpflichtung könne nur dann als nützliche Verwendung gel­ ten , wenn der Waare hinterher' ein Zufall zugestoßen sei, denn nur dann ge­ währe sie einen Nutzen. Um die hieraus entstehenden Streitigkeiten zu beseitigen, sei die Annahme einer ausdrücklichen Bestimmung empfehlenswert!). Im Leben halte man den Kommissionär zur Eingehung von Versicherungen für berechtigt, weshalb die Kommissionäre auch ein für alle Male ihr ganzes Lager zu ver­ sichern Pflegten. Von dieser Seite wurde daher folgender Zusatz zum ersten Abs. des Art. 371 vorgeschlagen: „ferner die Prämie, soferne die Versicherung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes entsprechend war". — Ein Mitglied hielt dafür, daß zwar an und für sich da, wo keine Pflicht der Versicherung be­ stehe, auch kein Recht dazu vorhanden sei, daß aber dem Kommissionär ein sol­ ches Recht auch ohne einen Zusatz zu Art. 371 deshalb nicht abgesprochen wer­ den könne, weil er zugleich Pfandgläubiger und als solcher sein Pfand zu sichern und die hierdurch veranlaßten Auslagen von seinem Schuldner ersetzt zu verlan­ gen befugt sei. — Schließlich wurde der beantragte Zusatz mit 8 gegen 6 Stim­ men angenommen, zuletzt aber durch die entscheidende Stimme des Präsidenten beschlossen, daß über die hier angeregte Frage in das Gesetz keine weitere aus­ drückliche Bestimmung aufzunehmen sei. (Prot. S. 1204.) — In dritter Le­ sung wurde von Lübeck derselbe Zusatz nochmals in Antrag gebracht, der Antrag jedoch nicht zur Berathung gebracht. (Zusanunenstellung re. S. 63, Nr. 393 und S. 94.) — Vom rem juristischen Standpunkte aus muß die Frage nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen entschieden verneint werden. Unzweifelhaft ist es, daß der Kommissionär als Stellvertreter des Kommittenten zu handeln hat. Dazu muß er nothwendig beauftragt werden. Sein Auftrag lautet aber nur aus Koch, A. D. Handelögesehbuch.

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und der Transportmittel des Kommissionärs und der Arbeit seiner Leute si).

Der Kommissionär hat die Provision zu fordern3a), wenn das Geschäft zur Ausführung gekommen ist33). Für Geschäfte, welche nicht zur Ausführung gekommen sind, kann eine Provision nicht ge­

fordert werden; jedoch hat der Kommissionär das Recht auf die Aus­

lieferungsprovision 34), sofern eine solche ortsgebräuchlich ist. Eingehung eines Kaufs- oder Verkaufsgeschäfts und insofern er den Kaufs- resp. Verkaufsgegeustand auch übergeben resp, übernehmen soll, hat er selbstverständlich denselben' vorübergehend zu verwahren, weil er sonst den Auftrag nicht ausführen könnte. Aber daß er noch andere selbstständige Rechtsgeschäfte,' also einen Asse­ kuranzkontrakt schließen soll, dazu ist ihm ein besonderer Auftrag nöthig; in dem Auftrage zum Kaufe resp. Verkaufe ist er nicht enthalten. Das läßt sich nur von einem Generalmandate zur Verwaltung eines ganzen Vermögens behaupten. Der letztangeführte Grund, daß der Pfaudinhaber vermöge seines Pfandrechts berechtigt sei, sein Pfandstück auf Kosteu des Pfandgebers zu' versichern, ist eine unerweis­ liche Behauptung; ein Rechtssatz ist es nicht. 31) Vergl. Art. 290, Abs. i. — Die Richtigkeit des zweiten Satzes hier­ wurde bestritten; für die hier erwähnten Leistungen könne der Kommissionär nicht eine nochmalige Vergütung ansprechen, da er für dieselben die Provision beziehe. Hiergegen wurde hervorgehoben, die Provision werde eigentlich nur für die kauf­ männischen Geschäfte gegeben, ebenso werde in der Regel nichts Besonderes für Papier rc. berechnet. Dagegen sei es allerdings üblich, etwas Besonderes für den Arbeitslohn anzusetzen, wenn es sich um Dienste der Arbeitsleute handle, selbst wenn diese im ständigen Dienste des Kommissionärs sich befänden. Ebensowenig Anstand bestehe dagegen, daß für die Benutzung des Speisers und der Geräthe des Kommissionärs etwas berechnet würde. — Der Art. biete, im richtigen Sinne verstanden, nichts Neues, sondern sanktionire nur das längst Bestehende und sei auch im früheren Entwürfe eines allgemeinen Handelsgesetzbuches für Deutschland enthalten, sei aber auch nothwendig, weil über diese Fragen allerdings vielfache Prozesse vorgekommen seien. (Prot. S. 713.)

32) Die Provision, die ihm überhaupt gebührt. Daß dem Kommissionär etwas gebühre, hat man auszusprechen nicht für nothwendig gefunden, weil hierfür der Gebrauch zur @enüge gesorgt habe; es soll nur die Voraussetzung bestimmt werden, unter welcher sie verdient ist. Auch ist es nicht für angemessen erachtet worden, etwas über die Höhe der Provision festzusetzen, da die Verhältnisse nach Ort, nach Waare rc. zu verschieden seien, und da die Entscheidung hierüber am besten dem Handelsgerichte überlassen bleibe, sofern rächt schon im Vertrage oder durch Ortsgebrauch das Nöthige vorgesehen wäre. (Prot. S. 716.) Vgl. Art. 82. 33) Also nicht schon, sobald das Geschäft geschlossen ist, wie dies bei der Kurtage des Mäklers mit Unterscheidung zwischen bedingten und unbedingten Ver­ trägen festgesetzt ist. Art. 82. Ein Antrag, ebenso die Provision festzusetzen, wurde durch die entscheidende Stimme des Präsidenten abgelehut. (Prot. S. 717.) — In zweiter Lesung wurde dieser Antrag wiederholt, weil der Ausdruck „zur Ausführung gekommen" zu unbestimmt fei. Man verwies jedoch auf die schon in erster Lesung laut gewordenen Bedenken, ob der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses überall auch als der der Entstehung eines Rechts auf Provision betrachtet werden könne, urrd darauf, daß hierbei die bedingten Geschäfte nicht allein in Be­ tracht kämen. Ein Ausdruck von mehr faktischer als juristischer Bedeutung, wie der von der Redaktionskommission gewählte, der nach der Auffassung des Handels­ verkehrs nach Gestalt der Dinge bald soviel sage als: „Erfüllung des Geschäftes", bald weniger als dies, sei unentbehrlich; die beantragte Vorschrift aber sei gar­ nicht durchführbar, wenn der Kommittent nicht in die Gefahr kommen solle, we­ gen eines und desselben Auftrages urehrmals Provision zahlen zu müssen. (Prot. S. 1206.)

34) Auslieferungsprovisiou nennt man eine Provision, welche an manchen

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Art. 372. Wenn der Kommissionär zu vortheilhasteren Bedingungen ab­ schließt, als sie ihm vom Kommittenten gestellt worden, so kommt der Vortheil dem letzteren allein zu Statten. Dies gilt insbesondere, wenn der Preis, für welchen der Kom­ missionär verkauft, den vom Kommittenten bestimmten niedrigsten Preis übersteigt, oder wenn der Preis, für welchen er einkauft, den vom Kommittenten bestimmten höchsten Preis nicht erreicht^). Art. 373. Ein Kommissionär, welcher den Ankauf eines Wechsels über­ nommen hat, ist, toerm36 * *) 35 er den Wechsel indossirt, verpflichtet, denselben regelmäßig und ohne Vorbehalt3^) zu indossiren. Orten bei der Verkaufskommission in dem Falle üblich ist, wenn ohne Schuld des KommissiouärS die Verkaufskommission nicht realisirt worden ist. 35) Die Bestimmungen dieses Art. sind zwar durch die Natur des Auftrags­ verhältnisses bedingt nnd verstehen sich daher von selbst, man hat sie aber doch ausgenommen, weil sie gleichwohl nicht völlig unzweifelhaft sind (Bender, Grundsätze des engeren Handelsrechts, Darmstadt 1824, S. 227) und von ihrer Aufnahme ins Gesetz kein Nachtheil zu befürchten ist. (Prot. S. 720.) 36) Wenn. Daß er den Wechsel zu indossiren verpflichtet sei, hat man zu verordnen nach eingehender Berathung abgelehnt. Der preuß. Entw. (Art. 291) schrieb diese Verpflichtung vor und die Diskussion darüber erstreckte sich auf die Fragen: ob die Bestimmung des Art. nur in denjenigen Fällen Anwendung leide, in welchen der Auftrag des Kommissionärs lediglich auf den Ankauf von Wech­ seln gerichtet sei, oder auch in denjenigen Fällen, in welchen gelegentlich eines anderen Geschäftes ein solcher Auftrag vorkomme , z. B. wenn in' dem Falle einer Verkaufskommission der Kommittent den Kommissionär anweise, den Kaufpreis in Wechseln zu remittiren, oder endlich auch in den Fällen, in welchen dies der Kommissionär ohne besonderell Auftrag thue; ferner ob der Art. die Absicht habe, dem Kommissionär immer und in allen Fällen die Jndosstrung der für den Kom­ mittenten erworbenen Wechsel zur Pflicht zu machen, somit zu verbieten, daß der Kommissionär dem Kommitteitten Wechsel einsende, welche in Bianco oder so­ fort vom Verkäufer des Wechsels an den Kommittenten indossirt feien, oder ob auch diese Art der Erledigung voll Kommissionen freigegeben und die Bestimmung des Art. nur auf diejenigen' Fälle beschränkt werden solle, in welchen der Kom­ missionär die erkauften Wechsel zu indossiren sich veranlaßt sehe. Auf Anfrage erklärte der Referent, daß nach der Absicht des Entwurfs die Vorschrift, den Wechsel regelmäßig und ohne'Vorbehalt zu indossiren, allerdings eine ganz all­ gemeine Bedeutung haben und somit sowohl die Hingabe eines Wechsels mit ei­ nem Indossamente in Bianco als auch eine Indossirung vom Verkäufer unmit­ telbar an den Kommittenten dem Kommissionär llicht gestattet sein solle. Für die strengere Ausfassung des Entwurfs sprachen sich mehrere Mitglieder aus. Es erhoben sich jedoch auch mehrere Stimmen gegen die Bestimmungen des Entwurfs. Man machte geltend, dieselben gingen gegen die gewöhnliche Auffassung. Der Kommissionär handle überall für fremde Rechnung und da sei es wohl ange­ messen, daß man ihn in der Regel von jeder Haftung freilasse, wenn er die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmalmes angewendet habe. Bei Waaren sei in dieser Weise im Gesetze verfahren worden, es lasse sich nicht absehen, warum dies bei Wechseln anders sein solle. Man habe sich hiefür auf den Handelsgebrauck) berufen. Es lasse sich nun zwar nicht verkennen, daß an vielen Handelsplätzen die Kommissionäre die Haftung für die von ihnen erkauften Wechsel sehr häufig übernähmen, namentlich in den Fällen einer eigentlichen Kommission zum Einkäufe von Wechseln, obschon dieselben auch hierbei niemals eine Vergütung für da

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Art. 374. Der Kommissionär hat an dem Kommissionsgute, sofern er dascredere berechneten; aber überall fehle es bei Vermittelung von Wechselkäufen durch Kommissionäre an der Meinung der Nothwendigkeit einer solchen Haftung, wodurch allein die beregte Uebung zu einem bindenden Handelsgebrauche umge­ wandelt werden könne. Von einem solchen Handelsgebrauche könne man aber um so weniger sprechen, als in sehr vielen Fällen die von Kommissionären erkauften Wechsel in bianco oder sofort vom Verkäufer an den Kommittenten indossirt würden. Eine Bestimmung wie die des Art. 291 des Entwurfs, die allerdings auch die Fälle treffe, in welchen ein Kaufpreis in Wechseln remittirt würde, könne aber auch um deswillen nicht die gesetzliche Billigung erlangen, weil man dem Kommissionär doch kaum die Haftung aufdringen könne, ohne demselben zu­ gleich hiefür eine Vergütung einzuräumen. Das letztere sei aber geradezu gegen alle bisherige Uebung und würde großes Aufsehen erregen, ja sogar den Bestand des ganzen" Wechselgeschäftes gefährden, bei welchem nur geringere Provisionen bezahlt zu werden pflegten. — Ein Mitglied ging davon aus, es sei kein aus­ reichender Grund vorhanden, die Don den Kommissionären in der Praxis bisher geübte Freiheit zu beschränken, während es allerdings verboten werden müsse, daß der Kommissionär, wenn er überhaupt indossire, dies mit Vorbehalt thue, weil dadurch der Wechsel aufhöre ein unbemängelter zu sein. Dasselbe beantragte dem­ zufolge für den Art. diejenige Fassung, in welcher der Art. 373 des H.G.B. vor­

liegt. (Prot. S. 721 ff.) — Der Art. stellt nun dem Kommissionär frei, ob er indossiren wolle, oder nicht, d. h. ob er die angeschafften Wechsel mit einem Indossamente in bianco oder von dem Verkäufer des Wechsels unmittelbar auf den Kommittenten indossirt, an diesen abgeben will.

37) Z. B. mit dem Beisatze „ohne Obligo". Weiter wurde darüber diskutirt, ob eine Haftung ans dem Indossamente solcher Wechsel gleich sei einem del-credereStehen, ob sonach der Kommissionär, der einen Wechsel an seinen Kommittenten indossirt habe, für denselben zwar formell wechselmäßig hafte, aber nach wie vor­ etwaige Rechtszuständigkeiten aus dem Kommissionsverhältnisse, z. B. den Ein­ wand, daß er für den'Wechsel nicht zu haften brauche, weil er bei dessen Ankäufe die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes angewendet habe, geltend machen könne, oder ob er unbedingte und auch civilrechtliche Haftung durch ein solches Indossa­ ment übernehme; endlich wurde noch erörtert, ob der Kommissionär für den Fall, daß er mit dem Indossamente die volle del-credere-Haftung übernehmen müßte, auch das Recht haben solle, die hiefür bei Waaren rc. hergebrachte besondere Vergütung zu berechnen. Man wurde über diese Fragen nicht schlüssig. Ein Mit­ glied schlug zwar vor, den Artikel dahin zu fassen: „Ein Kommissionär----------------- indossiren". Derjenige Abg., welcher den ersten (angenommenen) Ver­ besserungsantrag gestellt hatte, bemerkte über die gedachten Fragen: Der Art. er­ wähne keiner besonderen Haftbarkeit, es könne also nicht angenommen werden, daß der Kommissionär eine andere Haftbarkeit habe, als eine wechselmäßige, d. i. die aus dem Indossamente. Diese sei mit der Haftuna aus dem del credere keinesweges identisch, denn abgesehen davon, daß der Kommissionär aus dem del credere unmittelbar und persönlich hafte, aus dem Indossamente jedoch nur im Wege des Regresses, ließen sich auch Fälle denken, in denen der Kommissionär

dasjenige, was er dem Kommittenten wegen des Indossaments bezahlt habe, dem­ nächst wegen des Kommissionsverhältnisses zurückverlangen könne. Wenn aber.die

Haftung aus dem Indossamente nicht gleich der Haftung aus dem del credere sei, so könne selbstverständlich nicht davon die Rede sein, daß der Kommissionär An­

spruch auf eine Vergütung habe, welche für eine ihm nicht' aufgebürdete Art der Haftbarkeit bewilligt zu werden pflege. — Mit Rücksicht auf die beregte Mei­ nungsverschiedenheit und da namentlich die eben dargelegte Unterscheidung nicht von allen Seiten für gerechtfertigt gehalten wurde, hielt man es für nötfjio, auch noch über den zweiten Verbesserüngsantrag abzustimmen; von mehreren Mitglie­ dern wurde jedoch die Ansicht geltend gemacht, daß sie sich im Allgemeinen weder für noch gegen diesen Antrag aussprechen könnten, da es von den Umständen ab­ hänge und 'm jedem einzelnen Falle nach dessen besonderen Verhältnissen ermessen

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selbe noch in seinem Gewahrsam hat oder sonst, insbesondere mittelst der Konnossemente, Ladescheine oder Lagerscheine, noch in der Lage ist, darüber zu verfügen, ein Pfandrecht wegen der auf das Gut verwendeten Kosten, wegen der Provision, wegen der rücksichtlich des Gutes gegebenen Vorschüsse und Darlehen, wegen der rücksicht­ lich desselben gezeichneten Wechsel oder in anderer Weise eingegange­ nen Verbindlichkeiten, sowie wegen aller Forderungen aus laufender Rechnung in Kommissionsgeschäften38 * *).39 * * *40* 41 42 Der Kommissionär kann sich für die vorstehend erwähnten An­ sprüche aus dem durch das Kommissionsgeschäft begründeten und noch ausstehenden Forderungen vorzugsweise vor dem Kommitten­ ten38) und dessen Gläubigern befriedigen 8 Art. 375. Ist der Kommittent in Erfüllung der in dem vorigen Artikel bezeichneten Verpflichtungen gegen den Kommissionär im Verzüge, so ist der letztere berechtigt, sich unter Beobachtung der Vorschriften des Art. 310 aus dem Kommissionsgute bezahlt zu machen8'); er hat dieses Recht auch gegenüber den übrigen Gläubigern und der Kon­ kursmasse des Kommittenten. Art. 376. Bei der Kommission zum Einkäufe oder zum Verkaufe von Waa­ ren, Wechseln und Werthpapieren, welche einen Börsenpreis oder Marktpreis haben8*), ist der Kommissionär, wenn der Kommittent werden müsse, ob die von dem Kommissionär mit dem Indossamente übernommene Haftung einem del credere gleichstehe, oder nicht; wenn es also zur Abstimmung über diesen Anttag komme, würden sie gegen denselben stimmen, ohne hiermit sich dafür entscheiden zu wollen, daß die vorgeschlagene Bestimmung in allen Fäl­ len unanwendbar sei. Der Antrag fiel hierauf mit 9 gegen 7 Stimmen. (Prot. S. 721 ff., 726.) Die Frage ist somit für jeden konkreten Fall eine offene.

38) Vergl. Art. 313 und die Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855 , §. 33, Nr. 8.

39) Dies bezieht fich mit Rücksicht auf Art. 368, Abs. 2 auf den möglichen Fall, daß der Kommittent auf eine von dem Kommissionär gegen den Dritten er­ hobene Klage intervenirt. (Prot. S. 1208.) 40) So lange er nämlich nicht die Forderungen cedirt hat. (Art. 368, Abs. 1.) Da nämlich der Kommissionär unmittelbar zu den fraglichen Forderungen berech­ tigt ist, so macht er, wenn er sich des Rechtes aus der Bestimmung dieses Absatzes bedient, eigene Rechte geltend. Zieht er demgemäß die nicht cedirte Forderung ein, so macht er sich daraus bezahlt und liefert nur den Ueberschuß an den Kom­ mittenten oder dessen Konkursmasse ab. Fordern die Gläubiger die Cession, so setzt er ihnen den als Gegenforderung liquide zu machenden Einwand der mangeln­ den Erfüllung von ihrer Seite entgegen und läßt sie verurtheilen, ihm seine Forderung gegen Leistung der Cession Zug um Zug zu bezahlen. 41) Vergl. die Anm. 4 zu §. 5, Tit. 13, Th. I. (2. A.) Wegen der Kosten s. oben Anm. 92 zu Art. 310. 42) In erster und zweiter Lesung wurde der Antrag auf Streichung des Satzes: „welche — Marktpreis haben", gestellt, jedoch beide Male abgelehnt, weil

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nicht ein Anderes bestimmt hat, befugt, das Gut, welches er einkau­ fen soll, selbst als Verkäufer zu liefern43), oder das Gut, welches er zu verkaufen beauftragt ist, als Käufer für sich zu behalten43»), dadurch das im Gesetzentwürfe behandelte reine Kommissionsgeschäft und der Proprehandel vollständig vermißt und der Kommittent ganz der Diskretion des Kom­ missionärs anheim gegeben werde; die Kommissionäre seien ohne die Beschränkung des Artikels, um die es sich handle, im juristischen Sinne Proprehändler, denn sie hätten keinesweges die Absicht, die Pflichten der Kommissionäre zu übernehmen, der Ansatz der Provision u. dergl. sei dabei nichts als ein eigenthümlicher Modus für die Berechnung des Kaufpreises. Dagegen wurden die in jenem Satze des Entwurfs enthaltenen Worte „am Orte des Kommissionärs" in zweiter Lesung gestrichen, damit eine etwas freiere Auffassung und namentlich die Rücksichtnahme auf den in einem gewissen Umkreise in der Umgebung des Kommissionärs bestehen­ den Marktpreis möglich werde, während man dafür hielt, daß eine richtige In­ terpretation von selbst dahin führen werde, daß eine Berufung auf einen an weit entfernten Orten bestehenden Marktpreis die Anwendung des Artikels nicht recht­ fertige. (Prot. S. 732 und 1210, 1211.) 43) Wenn er es schon zu seiner Verfügung hat, muß wohl hinzugedacht wer­ den , sei es für eigene Rechnung, oder für Rechnung Dritter. Dies wurde auch von Seiten Hamburgs zur dritten Lesung erinnert, die Erinnerung gehörte jedoch zu denjenigen, welche ausgeschieden wurden, um eine entsprechende Äbkürzung der dritten Lesung zu erzielen, und kam deshalb nicht mit in Berathung. (Prot. S. 4497; Zusammenstellung rc. S. 64, Nr. 402 und S. 94.) Daraus folgt nun nicht, daß der beantragte Zusatz: „das Gut, welches er einkaufen soll, selbst als Verkäufer von den zu seiner Verfügung stehenden Vorräthen zu lie­ fern", ohne innere Begründung wäre. Der zwingende Grund, warum die Vor­ aussetzung gefordert werden muß, ist, daß der Kommissionär, nach der Natur des Äomynssionsverhältnisses als eines Auftrags- und Vertrauensverhältnisses, nicht befugt ist, nach erhaltener Einkaufsordre auf Kosten des Kommittenten zu seinem eigenen Vortheile zu spekuliren; aller Vortheil, welcher mit der Ausführung der Kommission erzielt wird, fällt von Rechts wegen dem Herrn des Geschäftes zu und der Kommissionär hat nur seine Provision zu fordern. Vergl. Art. 261.

43 a) (2. A.) In diesem Falle verwandelt — so sagt das Obertr. — sich die Kommission ipso jure in ein Kaufs- resp. Verkaufsgeschaft; diese Verwandlung ist ein naturale negotii, der Kommittent und der Kommissionär sind nunmehr Käufer beziehungsweise Verkäufer und der Preis wird durch den Börsen- oder Marktpreis bestimmt. Daher tritt bei einer Kausskommisston, falls der Kommit­ tent (Käufer) säumig in der Abnahme ist, die Befugniß des Art. 343 zum Verkauf durch einen Handelsmäkler für den Kommissionär ein und von einer Anwendung des Art. 310 kann nicht die Rede sein. Erk. des Obertr. vom 9. Juni 1864 (Entsch. Bd. I.II, S. 222). — In dem Erk. vom 20. November 1866 dagegen führt dass, aus: Nach der Bedeutung des Art. 376 verwandelt die ursprüngliche Kommission sich nicht von selbst in ein Propregeschäft, wenn der Kommissionär dasselbe stillschweigend als ein solches auffaßt, behandelt und entwickelt und das Resultat dieser Entwickelung erst hinterher, nachdem er es herbeigeführt hat, zur Geltung bringt, wenn es zum Nachtheil des Kommittenten ausgefallen ist. Vielmehr setzt die Befugniß des Kommissionärs, als Selbstkontrahent aufzutreten, voraus, daß er diesen Entschluß nicht bloß in seinem Interesse fasse, sondern es ist erforderlich, daß er denselben manifestire und davon dem Kommittenten An­ zeige mache. Erst in dieser Anzeige liegt die Acceptatiou der, in dem That­ bestände des Alinea 1 Art. 376 enthaltenen, stillschweigenden Offerte des Kommit­ tenten , den Kommissionär event, als Selbstkontrahenten gelten zu lasten. Im Falle des Alinea 3 osterirt der Kommissionär durch Nichtnamhaftmachung eines Dritten sich stillschweigend als Selbstkonttahenten und der Kommittent ist dann berechtigt zu erklären, ihn als solchen ansehen zu wollen, und kann ihn als sol­ chen in Anspruch nehmen. Erst auf diese Weise, durch Manifestirung des Willeus des Kommissionärs, durch die Anzeige davon, daß er als Selbstkontrahent

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In diesem Falle ist die Pflicht des Kommissionärs, Rechenschaft über die Abschließung des Kaufes oder Verkaufes zu geben, auf den Nachweis beschränkt, daß bei dem berechneten Preise der Börsenpreis oder Marktpreis zur Zeit der Ausführung des Auftrages 4 3 b) einge­ halten ist44 * *).45 * * Er * * *ist* *zu* der * * *gewöhnlichen * * * * * * * Provision berechtigt und kann die bei Kommissionsgeschäften sonst regelmäßig vorkommenden Unkosten berechnen43). auftreten wolle, resp, die Erklärung des Kommittenten, daß er den Kommissionär als Selbstverkäuser ansehe, wird 'die Kommission nach Alinea i resp. Alinea 3 in ein Propregeschäft verwandelt. (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXIV, S. 305.) — Diese Auffassung ist die richtige weil allein juristisch logische; jene magische Non­ selbstverwandlung eines Mandats in einen Kauf ist ein fabelhaftes Unding. Das durch den Eintritt des Kommissionärs als Selbstkontrahent konstitnirte Propre< und das gewöhnliche Kauf- und Verkaufgeschäft regeln sich zwar in Be­ treff ihres Abschlusses nach verschiedenen Zeitmomenten. Durch diese die Entste­ hung des Vertragsverhältnisses berührende rein formelle Differenz wird aber eine materielle begriffliche Verschiedenheit beider Verträge ersichtlich nicht begründet und ebensowenig durch den Umstand, daß dem als Selbstkontrahenten eintretenden Kommissionär der Anspruch auf die übliche Provision und die Befugniß zur Liqui­ dation der bei dem Kommissionsgeschäfte sonst regelmäßig vorkommenden Unkosten verbleiben soll. Erk. deff. vom 23. Mai 1867 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXVII, S. 231). 43 b) (2. A.) Die Anzeige des Kommissionärs von der Uebernahme der Waare für eigene Rechnung ist der Zeitpunkt der Perfektion des Propregeschäfts, mithin auch für die Bestimmung des Börsen- oder Marktpreises, als Kaufpreises, allein entscheidend. Die Anzeige muß, gemäß Art. 361, unverzüglich geschehen. Erk. deff. vom 11. Mai 1865 (Entsch. Bd. L1V, S. 230).

44) Der Kommissionär soll nicht gehalten sein, seine Kunden und Verkäufer, d. h. diejenigen Personen, von welchen er sein Lager zusammengekauft hat, zu nennen. 45) Der Schlußsatz ist juristisch inkonsequent, denn das Kommissionsgeschäft hat in dem Falle des Art. 376 aufgehört, ein Kommissionsgeschäft zu sein und ist in ein Kaufgeschäft übergegangen. Deshalb wurde auch von mehreren Mitgliedern die Streichung des Satzes deshalb vorgeschlagen, um dadurch nicht allein den An­ satz von Kurtage und Kosten, sondern auch den der Provision abzuschneiden. Man lehnte dies jedoch ab und behielt schließlich den Satz so, wie er jetzt gefaßt ist, bei. (Prot. S. 1213.) Man sagte zur Rechtfertigung desselben: Eine juristische Kon­ sequenz führe zwar dahin, die Berechnung der gewöhnlichen Kosten, wenn und soweit sie bei Ausführung der Kommission nicht wirklich vom Kommissionär aus­ gelegt worden seien, für unstatthaft zu erklären, indem Niemand den Ersatz eines Betrages verlangen diirse, den er nicht ausgelegt habe. Allein es sei nicht immer thunlich, die juristische Konsequenz überall zur'Geltung zu bringen, und nament­ lich dann nicht, wenn dieselbe mit einem offenkundigen Handelsgebrauche in Wi­ derspruch gerathe. — Gewöhnlich berechne der Kommissionär im Falle einer Gin­ kaufskommission die Kurtage und die gewöhnlichen Kosten, selbst wenn er die Waaren von seinem eigenen Lager entnommen habe. Ein solches Verfahren sei allenthalben unbeanstandet und es sei auch sehr wichtig, daß dies geschehen dürfe, weil sehr oft das Zustandekommen eines Geschäftes davon abhänge, daß man im Voraus unter allen Umstünden auf diese Ansätze Rücksicht nehmen dürfe. Wer einen Auftrag zum Einkauf gebe, der wisse, daß er außer dem Limito die Pro­ vision, Kurtage und die gewöhnlichen Kosten zu zahlen haben werde; jedes Limito sei also dahin'zu verstehen, daß der Kommittent außer demselben auch noch die übrigen erwähnten Positionen zu zahlen bereit sei. — Der Ansatz solcher Vergütungen erscheine aber nicht allein als Vortheilhaft für den Verkehr überhaupt, nicht allem als herkömmlich, sondern auch als juristisch gerechtfertigt, wenn man nur

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Macht der Kommissionär nicht zugleich mit de^ Anzeige über die Ausführung des Auftrages eine andere Person als Käufer oder Verkäufer namhaft, so ist der Kommittent befugt45 * * *a), * * den * * * *Kommis ***** ­

sionär selbst als Käufer oder Verkäufer in Anspruch zu nehmen4"). Art. 377. Wenn der Kommittent den Auftrag widerruft und der Wider­ ruf bei dem Kommissionär eintrifft, bevor die Anzeige von der Aus­

führung des Auftrages behufs ihrer Absendung abgegeben ist47),

so kann sich der Kommissionär der Befugniß, selbst als Käufer oder Verkäufer einzutreten, nicht mehr bedienen. an den Kommissionär denke, der, um seine Kundschaft befriedigen zu können, Waarenvorräthe im Voraus anschaffe. Ein solcher Kommissionär habe in der Regel allerdings bei dem Ankäufe seines Lagers Kurtage bezahlt, und man könne ihm gerne deren verhältnißmäßige Berechnung gestatten, auch wenn er bei Aus­ führung einer einzelnen Kommission eine solche nicht zu bezahlen brauchte. (Prot. S. 737, 739, 1213.) Für die praktische Anwendung der Bestimmung ergiebt sich aus diesen Verhandlungen, daß es bei der Berechnung der Unkosten nicht auf den Beweis der effektiven Verlegung, sondern nur daraus ankommt, daß die an­ gesetzten Unkosten bei Kommissionsgeschäften sonst regelmäßig Vorkommen. 45 a) (2. A.) Der Fall des Alinea 3 giebt nur dem Kommittenten das Recht, den Kommissionär als Selbstverkäufer oder Käufer anzusehen, nicht aber dem Kom­ missionär die Befugniß, als solcher auszutreten, und daraus herzuleiten, daß der Kommittent ihn als Selbstkontrahenten ansehen müsse. Erk. des Obertr. vom 20. November 1866 (Arch. f. Rechtsf. $Bt). LXIV, S. 305). Vergl. den 2. Th. der Anm. 43 a

46) Der Kommissionär steht dann nicht als solcher sondern als Verkäufer dem Kommittenten gegenüber und kann folglich auch nicht die Provision del credere fordern, denn er steht hier nicht del credere für die Schuld eines Dritten. — Durch die Bestimmung wird verhindert, daß der Kommissionär dem Kommit­ tenten nachträglich einen insolvent gewordenen Kaufmann als den Käufer seiner Waare, beziehungsweise eine untergegangene Waare als die für ihn erkaufte be­ zeichne, ohne daß, selbst angenommen, diese Mittheilungen beruhten auf Wahr­ heit , und nicht auf nachherigen beliebigen Angaben auf Grund von anderweitigen Geschäften des Kommissionärs, der Kommittent durch rechtzeitige Klagstellung, beziehungsweise durch Eingehung einer Versicherung hätte Fürsorge treffen können. (Prot. S. 1214.) Die Bestimmung setzt ein Präjudiz gegen den Kommissionär fest; es ist deshalb der Beweis, daß nicht der Kommissionär sondern eine andere Person der Käufer resp, der Verkäufer sei, unzulässig. (2. A.) Nimmt der Kommittent seinen Kommissionär in diesem Falle als Käufer in Anspruch, so ist er an alle Bestimmungen desjenigen Vertrages gebun­ den, welchen der Kommissionär, Behufs Ausführung des ihm ertheilten Auftrages geschlossen zu haben dem Kommittenten gemeldet hat; dieser muß sich also auch der darin enthaltenen Stipulation: alle sich aus dem Vertrage ergebende Strei­ tigkeiten zwischen den Parteien durch Schiedsrichter entscheiden zu 'lassen, unter­ werfen. Erk. des Obertr. vom 12. Juni 1866 (Entsch. Bd. LVI, S. 324). 47) Vergl. Art. 321 und die Anm. 126 dazu. Hierin liege, meinte man, ein äußeres Zeichen, welches den Kommittenten sicher stelle und andererseits auch das Interesse des Kommissionärs wahre, da derselbe, sobald er seinen Entschluß gefaßt habe, von dem äußeren Zeichen Gebrauch machen könne, ohne an die Zeit des Abganges der Besörderungsgelegenheit gebunden zu sein. Andererseits sei der Kommittent ohne eine schützende Bestimmung gegen den Art. 376 ganz in die Willkür des Kommissionärs gegeben, welcher dann zu jeder beliebigen, seinem Interesse entsprechenden Zeit erklären könnte, daß er den Auftrag durch Ueberlassnng seiner eigenen Waare rc. ausgesührt habe. (Prot. S. 742, 743.)

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Art. 378. Die Bestimmungen dieses Titels kommen auch zur Anwendung, wenn ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Handelsbetrieb nicht in Kommissionsgeschäften besteht, ein einzelnes Handelsgeschäft in eige­ nem Namen für Rechnung eines Auftraggebers schließt").

Vierter Mel. Bon dem Speditionsgeschäfte. Art. 379. Spediteur ist derjenige, welcher gewerbemäßig *) in eigenem Namen für fremde Rechnung Güterversendungen durch Frachtführer oder Schiffer zu besorgen übernimmt *). 48) Diese Schlußbestimmung ist für geboten gehalten worden, nachdem die Gewerbemäßigkeit des Geschäftsbetriebes des Kommissions- und Speditionsgeschäf­ tes als wesentliches Erforderniß in die Begriffsbestimmung dieser Geschäfte aus­ genommen werden mußte (Artt. 360, 379 , 390), weil dieselben als relative Han­ delsgeschäfte bezeichnet worden sind (Art. 272). Gegen die Aufnahme dieser Zu­ satzbestimmungen wurde zwar geltend gemacht, daß dasjenige, was durch diesel­ ben erreicht werden solle, schon durch die Schlußbestimmung des Art. 272 erreicht werde, deshalb werde eine ausdrückliche Aufnahme derselben voraussichtlich zu ganz falschen Schlußfolgerungen Veranlassung bieten; man werde in der aus­ drücklichen Beifügung dieser Bestimmungen etwas ganz Besonderes suchen und Wohl gar annehmen, daß der Schlußsatz des Art. 272 eine viel engere Bedeutung habe als er haben solle; man werde angehmen, daß einzelne Geschäfte eines Kauf­ manns anderer Art, z. B. Bankiergeschäfte, wenn sie nicht zu dessen gewöhn­ lichem Geschäftsbetriebe gehörten, nicht als Bankiergeschäfte rc. zu beurtheilen seien u. bergt Hiergegen wurde aber eingewendet, die fraglichen Zusatzartikel (378, 388, 420) seien keineswegeS überflüssig. Der letzte Abs. des Art. 272 sage nicht mehr, als daß die einzelnen Geschäfte eines Kaufmannes, welche nicht zu dessen gewöhnlichem Handelsbetriebe gehörten, aber bei gewerbemäßigem Betriebe als Handelsgeschäfte zu betrachten sein würden, doch als Handelsgeschäfte angesehen werden sollten. Dadurch werde aber nicht mehr erreicht, als daß auf solche Ge­ schäfte die allgemeinen Bestimmungen des H.G.B. Anwendung fänden, aber noch keineswegeS, daß auch die für den gewerbemäßigen Betrieb derselben in den Titeln über das Kommissions - und Speditionsgeschäft aufgestellten besonderen Rechtssätze auf dieselben angewendet werden müßten. Dies sage noch kein Artikel des Gesetz­ buches, es sei also unerläßlich, hierüber erläuternde Vorschriften aufzunehmen. Die gegen die Aufnahme vorgebrachten Ausführungen würden deshalb auch nur dann richtig sein, wenn es in'den beantragten Zusatzartikeln heißen würde, daß die einzelnen Geschäfte Handelsgeschäfte seien. Bezüglich anderer Geschäfte als der Kommissions-, Speditions- und Frachtgeschäfte, so namentlich z. B. be­ züglich der einzeln vorkommenden Bankiergeschäfte eines Kaufmannes bedürfe es eines solchen Zusatzes nicht, weil bezüglich 'dieser keine besonderen Vorschriften im H.G.B. enthalten seien und somit hierbei nur von Anwendung der allgemeinen Bestimmungen die Rede sein könne. (Prot. S. 1462—1464.)

*) Vergl. oben Art. 272, Nr. 3. 1) Und behufs dieser Besorgung die Frachtverträge für fremde Rechnung schließt. — Ein Mitglied beantragte in zweiter Lesung die Streichung der Worte: „durch Frachtführer oder Schiffer", da der Art. in seiner jetzigen Fassung auf viele Fälle nicht passe, in welchen gleichwohl unzweifelhaft ein Speditionsgeschäft in Frage stehe, wie z. B. wenn der Spediteur den Auftrag erhalte, eine Waare von

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Viertes Buch.

Vierter Titel.

Art. 380.

Der Spediteur hastet für jeden Schaden, welcher aus der VerFrachtführern, Eisenbahnen re. in Empfang zu nehmen, bis zur Ankunft des eige­ nen Geschirrs des Kommittenten zu bewahren und zuletzt diesem Geschirre zu über­ geben. Ein solcher Spediteur habe bei der Empfangnahme der Waare Obliegen­ heiten, die man bei jedem Spediteur wiederfinde, er habe Frachtlöhne vorzuschie­ ßen u. dgl., und werde allgemein als Spediteur betrachtet, obschon er nicht die Aufgabe habe, zur Weiterbeförderung der Waare wieder einen Frachtvertrag abzu­ schließen. — Hiergegen wurde aber eingewendet, der Spediteur sei eine Unterart von Kommissionären. Letztere hätten den Auftrag, Verträge über Handelsgeschäfte zu schließen, Ersterer habe den Auftrag, eine gewisse Art von solchen Verträgen, nämlich Frachtverträge, zu schließen. In dem zuletzt erwähnten Momente liege demnach allerdings das unterscheidende Merkmal des Spediteurs; soweit derselbe aber auch andere Verrichtungen übernehme, wie z. B. Empfangnahme, Aufbe­ wahrung von Waaren u. dgl., sei er, wie von einer Seite geltend gemacht werde, als Kommissionär anzusehen und könne also auch wegen solcher Verrichtungen nichts im Art. 379 ausgenommen werden, oder es liege,' wie ein anderes Mitglied be­ merkte , gar kein Auftrag, einen Vertrag zu schließen, also weder ein Kommissions- noch ein Speditionsgeschäft, sondern ein Auftrag vor, eine Handlung vor­ zunehmen; für solche Aufträge enthalte das Handelsgesetzbuch keine speziellen Be­ stimmungen, es stehe aber allerdings nichts im Wege, sie nach Analogie der Be­ stimmungen über das Kommissions- und Speditionsgeschäft zu beurtheilen. (Prot. S. 1216.) — Uebrigens ist der gewöhnliche Spediteur, wie er in Deutschland meistens vorkommt, also derjenige, der in eigenem Namen für fremde Rechnung Frachtverttäge schließt und um den es sich in diesem Titel lediglich handelt, we­ sentlich zu unterscheiden einerseits von dem Entrepreneur, wie er in Frankreich vorkommt, der nichts anderes als ein großartiger Fuhrmann ist, und andererseits von dem Güterbestätter, der nicht in eigenem Namen abschließt, sondern bloß die Frachtverträge zwischen dem Versender und dem Fuhrmanne vermittelt (Art. 389). (Vergl. Prot. S. 751.) — (2. A.) Derjenige, welchem von einem Spediteur die Weiterbeförderung des Speditionsgutes übertragen wird, hat in Ermangelung einer anderen Bestimmung lediglich den Spediteur als seinen Kontrahenten zu be­ trachten. Urth. des Oberappellationsgerichts zu Dresden vom 17. November 1863 (Siebenhaar, Archiv, Bd. XIV, S. 106). Für die Feststellung der Verpflichtungen eines Spediteurs war es eine Prä­ judizialfrage , welches der verschiedenen, bisher bestehenden Systeme man hier zur Geltung bringen wollte. Man trat hierüber in eine allgemeine Diskussion ein, und nahm die Berathung der einzelnen Artikel erst nach stattgehabter Entscheidung über die Wahl eines Systems vor. Der Referent bemerkte in dieser Beziehung Folgendes: Der preuß. Entwurf habe das System des franz. Rechts befolgt, wo­ nach der Spediteur die ganze Haftung für die übernommene Sendung, also auch die Haftung für die Zw'ischenspediteure und Frachtführer übernehme. Dieses Sy­ stem biete dem Kausmanne den großen Vortheil, daß er sich mit seinen etwaigen Ansprüchen aus dem Waarentransporte an einen Einzigen halten könne, dessen Zahlungsfähigkeit er zu prüfen vermöge, und nicht gezwungen sei, sich an unbe­ kannte Personen zu wenden und auf Grund von schwer zu erweisenden Thatsachen gegen sie Prozesse zu führen u. dgl. Daß für den Kaufmannsstand ein Interesse für Herbeiführung einer so Vortheilhaften Einrichtung bestehe, lasse sich nicht ver­ kennen. Die Steigerung der Provision, welche in Folge davon eintreten werde (da der Spediteur gleichsam del credere stehe), könne nicht als ein Uebel betrachtet werden, weil dieser Nachtheil durch den gebotenen Vortheil reichlich ausgewogen werde. Dieses System habe sich in Frankreich, gleichwie in anderen Ländern, in denen es dem französischen Rechte nachgebildet sei, bewährt. Dagegen lasse sich nicht verkennen, daß auch für das entgegengesetzte System manche Gründe ange­ führt werden könnten. So-namentlich, daß der Inhalt der Artt. 298, 299, 300 eine Art des Spcditionswesens voraussetze, welche wenigstens zur Zeit in einem großen Theile von Deutschland noch nicht besiehe, und mithin eine Einrichtung gewissermaßen antizipire, welche von der zukünftigen Entwickelung der merkan-

Von dem Speditionsgeschäfte.

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nachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes bei der tilen Verhältnisse erwartet werden dürfe. — Für den Fall nun, daß die Konfe­ renz aus dieser Rücksicht die vorgeschlagenen Bestimmungen des Entwurfs nicht annehmen würde, legte der Ref. eventuell sogleich einen zweiten Vorschlag vor, welcher das bisher bestandene Recht sormulirte. Beide Vorschläge folgen hier mit einer Nebenbemerkung über das Verbleiben derselben. Preuß. Entwurf.

„Art. 298. Wenn das Gut dem Spediteur in einem man­ gelhaften Zustande übergeben wird, so kommen die für den Kommissionär in gleichem Falle gegebenen Bestimmungen (Art. 280 entspricht dem Art. 365 d. H.G.B.) zur Anwendung."

„Art. 299. Der Spediteur haftet für die Verspätung der Ablieferung, sowie für Verlust und Beschädigung des Guts, wenn er nicht beweist, daß er sie durch Anwendung der Sorg­ falt eines ordentlichen Kauf­ manns nicht würde haben ab­ wenden können." „Art. 300. Der Spediteur hastet für den Frachtführer und den Zwischenspediteur, insofern ihm diese nicht ausdrücklich vom Absender vorgeschrieben sind, oder vertragsmäßig ein Ande­ res bestimmt ist."

„Die Klage kann auch un­ mittelbar und ohne daß es ei­ ner Abtretung bedarf, gegen den Zwischenspediteur oder den Frachtführer gerichtet werden, soweit deren' Verbindlichkeit reicht." „Hatte sich der Spediteur für die Versendung der Post, der Eisenbahnen oder Dampfschiffe zu bedienen, so haftet er für die­ selben nur in dem Umfange, in welchem diese Transportanstal­ ten selbst nach ihren Reglements hasten."

Eventueller Vorschlag.

Art. 298.

Unverändert.

Bemerkung. Entspricht dem Art. 387 des H.G.B.

Zusatz. „In Betreff der Aufbewahrung des Guts beim Spediteur gilt die Bestimmung des Art. 282" (367 d. H.G.B.). Art. 299. Zu streichen.

Art. 387 des H.G.B.

„Art. 300. Der Spediteur hastet für jeden Schaden, wel­ cher aus der Vernachlässigung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei der Bestimmung der Zeit und Art der übernom­ menen Versendung der Güter und bei der Wahl der Fracht­ führer und Zwischenspediteure hervorgeht." „Klagen gegen den Fracht­ führer oder Zwischenspediteur können unmittelbar gegen diese auch ohne vorhergehende Klage­ abtretung gerichtet werden."

Entspricht dem Art. 380 des H.G.B.

Gestrichen.

In dritter Le­ „Ist ausdrücklich verabredet worden, daß der Spediteur auch sung, als nach für den Zwischenspediteur und dem nun ange­ Frachtführer haften solle, so be­ nommenen Sy­ schränkt sich diese Haftung dann, steme entbehrlich, weil selbstver­ wenn er sich für die Versen­ ständlich, ge­ dung der Post, Eisenbahnen oder strichen. Prot. Dampfschiffe zu bedienen hat, aus den Umfang, in welchem S. 4628. diese Transportanstalten selbst nach ihren Reglements haften." In der hierauf stattgehabten allgemeinen Debatte wurde von der Diehrzahl der Abgg. das dem eventuellen Anträge des Ref. entsprechende System befürwortet

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Viertes Buch.

Vierter Titel.

Empfangnahme und Aufbewahrung des Gutes, bei bei; Wahl der Frachtführer, Schiffer oder Zwischenspediteure und überhaupt bei und hierzu bemerkt: Es könne sich nicht darum fragen, welches der beiden erwähn­ ten Systeme unbedingt vor dem anderen den Vorzug verdiene; beide seien zutref­ fend, je nachdem die in Frage stehende Geschäftstätigkeit eine andere sei. Auf den deutschen Spediteur passe nur das eventuell formulirte System, aus die er­ wähnten Entrepreneurs, deren es auch schon in Deutschland gebe, und die mögli­ cherweise noch nlehr als bisher in Ausnahme kommen könnten, passe das des Ent­ wurfes. Die Geschäfte der Letzteren seien aber vorzugsweise Frachtgeschäfte und hätten mit diesen ihre Erledigung zu finden. Mit der Annahme des zu Art. 296 (379) gefaßten Beschlusses habe man, was die eigentliche Spedition betreffe, sich schon für den eventuellen Antrag entschieden, dessen Bestimmungen auch allent­ halben in Deutschland in Gebrauch seien, soweit nicht durch ganz besondere Ver­ hältnisse Ausnahmen bedingt seien (wie z. B. durch die abnormen, den Rechtsver­ hältnissen der französischen Entrepreneurs ähnlichen Verhältnisse der Nürnberger Fuhrmannswirthe). Da nun das Speditionsgeschäft in Deutschland in großem Flore stehe, warum solle die Gesetzgebung experimentiren und eine in Deutschland noch nicht erprobte Basis demselben zum Grunde legen? Für eine solche neue Schöpfung im Wege der Gesetzgebung statt auf dem des Verkehrslebens, für die Einführung der Entrepreneurs, die' eigentlich nichts als Unternehmer für eigene Rechnung mit Transportanstalten seien, durch das Gesetz, sei kein Bedürfniß in Deutschland vorhanden; selbst in manchen Theilen Deutschlands, in welchen das französische Recht Geltung habe, seien nicht wenige Stimmen gegen das mit die­ sem Institute zusammenhängende System dieses Rechts. Man habe schon mehr­ fache Versuche gemacht, dasselbe in Deutschland durch Gründung von Transport­

unternehmungen zur Geltung zu bringen, aber immer seien dieselben nach kurzer Frist wieder üntergegangen (z. B. der Wiener Speditionsverein). Auch anderwärts habe man das System des französischen Rechts zu verlassen für nöthig gefunden, so habe z. B. das Holländische Recht dasselbe abgeändert; endlich habe eine viel­ fache Erfahrung gelehrt, daß es selbst in Frankreich nicht in der vollen Schärfe zur Anwendung komme, in welcher es in den Entwurf ausgenommen sei, nament­

lich dann nicht, wenn es sich um den Verkehr mit dem Auslande handle. Es sei aber auch an sich ganz ungerechtfertigt, dem Spediteur eine so weit gehende Haf­ tung auszulegen, wie dies der Entwurf beabsichtige, weil derselbe gar nicht einmal immer die Wahl habe, welches Transportmittels er sich bedienen wolle. Mitun­ ter müsse er sich einer gewissen Anstalt, z. B. der Eisenbahnen, bedienen, oft auch gerade desjenigen Frachtführers, den die Reihe treffe, z. B. da, wo eine Reihe­ schifffahrt eingeführt sei; den Spediteur aber auch da hasten zu lassen, wo er unter den Transportmitteln gar keine Wahl habe, sei ganz unstatthaft. Die mit einer solchen Haftbarkeit verbundene höhere Provision werde aber sehr lästig gefun­ den werden, sie werde jedenfalls den überseeischen Speditionshandel von den deut­ schen Seeplätzen nach ausländischen Plätzen ableiten, wo keine solche Haftung, aber auch teilte solche Provision bestehe. — Es erhoben sich jedoch auch Stimmen für das Prinzip des Entwurfes und bemerkten dieselben hierzu noch, das soge­ nannte französische System gelte in Frankreich nicht, wie man irrthümlich anzu­ nehmen scheine, bloß für die Entrepreneurs, sondern auch für diejenigen Kaufleute, deren Geschäftsbetrieb demjenigen der deutschen Spediteure vollständig gleichstehe. Es habe sich auch in den deutschen Rheinlanden und in Baden, gewiß zum Theil in Folge des höhern Schutzes, welchen dieses System dem Handel gewähre, ein sehr umfangreiches Speditionsgeschäft entwickelt. In der Mehrzahl der Fälle bringe die strenge' Verantwortlichkeit den Spediteuren keinen Nachtheil, denn, um für ihre Regreßansprüche gedeckt zu sein, ließen sie sich nur mit soliden Fuhrleuten rc. ein. Auch in Nürnberg sei ein ähnliches System in Folge der hier gebräuchlichen Haftung der Fuhrmannswirthe seit langer Zeit durchgeführt, und habe keine nach­ theiligen Folgen gehabt. — Beim Schluffe der Debatte entschied sich die Versamm­ lung mit 14 gegen 3 Stimmen für das in dem eventuellen Anträge des Referen­ ten angenommene System, weshalb die spezielle Diskussion statt über die Artt. 298, 299, 300 des Entwurfes, über diesen Antrag eröffnet wurde.

Von dem Speditionsgeschäfte.

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der Ausführung der von ihm übernommenen Versendung der Güter entsteht 2). Der Spediteur hat die Anwendung dieser Sorgfalt zu bewei­

sen 3). (2. A.) Der Spediteur hat die Kontreorder seines Absenders so lange zu be­ folgen, bis er zu dem Destinatär in ein obligatorisches Verhältniß getreten ist oder dem Letzteren das Eigenthum an der zu' sperrenden Sache erworben hat. Hamburgische Gerichtszeitung, Jahrg. 1861, S. 227.

2) Vergl. A. L.R. Anm. 30 zu §. 46, Tit. 13, Th. I, und §§. 54—57 ebd. Der Spediteur soll nur für eine bei ihm vorkommendeVernachlässtgung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes und nicht für eine aus der ganzen Länge der Versendung bei sonstigen dabei betheiligten Personen etwa vorkommende Ver­ nachlässigung einzustehen haben. Dies sollte mit dem im eventuellen Entwürfe Art. 300 (Note 1) vorgeschlagenen Ausdrucke: „bei der Bestimmung der Zeit und Art", getroffen werden.' Diese Worte wurden auf die Anfrage eines Abg., warum die Sorgfalt nur bei der Bestimmung der Zeit und Art und nicht auch in anderen Beziehungen gefordert werden wolle, gestrichen und durch die jetzige Fassung in dem vorhin gedachten Sinne ersetzt. (Prot. S. 758.) (2. A.) Der Spediteur, welcher Gut an den zum Waarentransport gemie­ theten Schifter mit der auf dem Frachtbriefe enthaltenen Klausel: „ohne Garantie für Gewicht", übergiebt, macht sich dadurch seinem Kommittenten wegen des hier­ nächst sich ergebenden Gewichts-Verlustes regreßpflichtig. Erk. des Obertr. vom 6. Oktober 1864 (Arch. f. Rechtsf. Bd. L, G. 313). Die Bestimmung des Art. 380, Abs. 1, stimmt mit den Vorschriften des A. L.R. I. 13, §§. 37 , 38, 46 überein und wird durch den §.28, I, 13 der Allg. G.O. nicht berührt. Erk. deft. vom 25. März 1862 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XLV, S. 166). 3) Wer in einem bestimmten Rechtsverhältnisse für jedes Versehen von seiner Seite einzustehen hat, der muß nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die Ent­ stehungsursache eines Schadens nachweisen, um sich zu befreien. Insofern daher­ unter der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes omnis diligentia zu verstehen ist, enthält der Absatz 2 einen in Geltung stehenden gemeinrechtlichen Rechtssatz. Diesen auszunehmen ist man durch praktische Rücksichten veranlaßt worden. Man könne nicht verlangen, wurde gesagt, daß der Versender dem Spediteur sage und nachweise, worin er sich eine Vernachlässigung habe zu Schulden kommen lassen (wie dies im Holländischen Gesetzbuche geschehen sei), man müsse vielmehr den Spediteur verpflichten, daß er auf Verlangen des Kommittenten Rechenschaft über­ feine Geschäftsführung zu geben und den Beweis darüber zu führen habe, daß er dabei die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes in der That angewendet habe. Man fand es zwar sehr bedenklich, in einem allgemeinen Satze die Frage der Be­ weislast zu erledigen, da bei einer richtigen Entscheidung die besonderen Umstände jedes einzelnen Falles in Betracht gezogen werden müßten. Indeß wurde der vor­ geschlagene, im Abs. 2 enthaltene Satz doch angenommen. (Prot. S. 759.) — In zweiter Lesung erhoben sich gegen die Beibehaltung desselben neue Bedenken. Wenn man die Beweislast des'Spediteurs in einer'ausdrücklichen Bestimmung feststelle, so werde in der Praxis darin leicht etwas ganz Besonderes gesucht und eine solche Bestimmung bis zu ungeeigneten Konsequenzen getrieben werden, na­ mentlich könne dies dahin führen,' daß der Spediteur sehr oft Negativen zu be­ weisen angehalten würde, z. B. die, daß gar nichts Nachtheiliges gegen den ge­ wählten Fuhrmann bekannt gewesen u. dgl., was doch gewiß unmöglich sei. Wenn man aber die Verpflichtung des Spediteurs, die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu prästiren, im ersten Absätze positiv statuire, so genüge dies auch bezüglich der Frage über die Beweislast, denn damit sei zugleich' die Pflicht aus­ gesprochen, daß er sich über Erfüllung seiner Verpflichtungen'auszuweisen habe. — Es wurde jedoch entgegnet, der zweite Absatz sei in seiner jetzigen Fassung unent­ behrlich , denn er schneide die noch jetzt oft ventilirte Streitfrage ab, ob der Spe­ diteur die Erfüllung seiner Verpflichtung zur Prästation der Sorgfalt eines or-

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Viertes Buch.

Vierter Titel.

Art. 381. Der Spediteur hat die Provision und die Erstattung dessen zu fordern,

was er an Auslagen und Kosten oder überhaupt zum

Zwecke der Versendung nothwendig oder nützlich ausgewendet hat (Art. 371)»).

Art. 400. Der Frachtführer 2") haftet für seine Leute21) und für andere 18) Der Art. enthält nur einen Jnterpretativsatz, durch welchen ausgesprochen werden soll, daß, wenn die Kontrahenten nichts Anderes ausgemacht haben, die Festsetzung eines Frachtabzuges oder des Frachtverlustes für den Fall verspäteter Ablieferung nicht so zu verstehen sei, als solle dadurch das Recht des Absenders, beziehungsweise Empfängers ausgeschlossen werden, einen weiter gehenden Schaden ersetzt zu verlangen; es soll auch bei Feststellung eines Frachtabzuges rc. die Be­ stimmung des Art. 284, Abs. 3 Platz greifen. (Prot. S. 4719.)

18») Bei diesem Art. ist eine dem Art. 396, Abs. 5 ähnliche Bestimmung für den Fall verspäteter Ablieferung des Guts nicht ausgenommen worden, weil der durch Verspätung der Ablieferung entstehende Schaden nicht in derselben Weise objektiv fixirt werden kann, wie dies bei dem durch Verlust des Frachtguts ent­ stehenden Schaden durch Fixirung desselben auf den Werth des Guts geschehen ist. (Prot. S. 5113.)

19) Auch dieser Art. stellt nur einen interpretativen Satz aus. Es frage sich, wurde gesagt, ob, wenn für den Fall verspäteter Ablieferung eine Konventional­ strafe vedungen worden, die Konventionalstrafe dann, wenn die Ablieferung zu spät erfolge,' ohne Weiteres und ohne Rücksicht auf Schuld oder Nichtschuld des Frachtführers verwirkt sein solle, oder ob nicht vielmehr das Recht des Absenders auf Bezahlung der Konventionalstrafe nur dann anzuerkennen sei, wenn sich der Frachtführer nicht zu exkulpiren und also z. B. nicht nachzuweisen vermöge, daß die Verspätung des Transports durch höhere Gewalt (Schneefall, Frost u. dergl.) veranlaßt sei. Der Art. beabsichtigt die zweite Auffassung zur Geltung zu bringen, unter der Voraussetzung, daß nicht die entgegengesetzte Absicht des Kontrahenten erhellet. Denn es kann eine höhere als gewöhnliche Fracht als Vergeltung für eine ungewöhnlich kurze Lieferungszeit bedungen worden sein. Der Abzug dieses „Mehr" wäre gerechtfertigt, wenn die versprochene Gegenleistung, gleichviel aus welchem Grunde, auch ohne Verschulden des Frachtführers, nicht erfolgt; denn es handelt sich dann nur darum, daß der Frachtführer eine Belohnung nicht erhält, welche ihm für außerordentliche, promittirte, aber nicht prästirte Leistungen zugesagt worden war. Das aber müssen die Kontrahenten aussprechen, um es für den Richter erkennbar zu machen. (Verql. Prot. S. 4720 und Zusammenstel­ lung rc. S. 71, Nr. 445.) 20) Auch der Flußschiffsherr. Oben, Anm. 11, Abs. 4 zu Art. 395. (2. A.) Als Frachtführer haftet auch der Gastwirth für seinen Kutscher, durch welchen er Reisende und deren Gepäck von der Eisenbahn-Station in seinen GastKoch, 1C D. Handelsgesetzbuch. 2. Aufl.

Ztz

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

Personen, deren er sich bei Ausführung des von ihm übernomme­ nen 22) Transports bedient.

Art. 401. Wenn der Frachtführer zur gänzlichen oder theilweisen Ausfüh­ rung des von ihm übernommenen 23) Transports das Gut einem Hof gegen Bezahlung von Fahrgeld befördern läßt. Anm. 93 a zu §. 447, Tit. 8, LH. II des A. L.R.

21) Eine ähnliche Bestimmung hatte das A. L.R. im §. 2459 d. 8. T., wo es hieß: „Dergleichen Fuhrleute müssen jedoch allen Verlust und Schaden vertre­ ten, welchen sie, oder die von ihnen bestellten Leute — verursacht haben". Das Obertr. hat hierzu ausgesprochen: Zu diesen „von ihnen bestellten Leuten" gehöre der Fuhrknecht nicht, sondern es sei nur der Leiter des Transports, den der Fuhrherr als Substituten für sich bestellt habe, gemeint. Als Grund ist an­ gegeben: weil der §.2459 eine exzeptionelle Vorschrift sei, welche strikte interpretirt werden müsse. Erk. v. 20. März 1860 (Arch. s. Rechtsf. Bd. XXXVII, S. 117). Dieser Grund entspricht schon der Absicht des A. L.R. und den Grund­ sätzen über das Rezeptum der Frachtfahrer gat nicht; die Bestimmungen über das Rezeptum sind ein Ganzes, und können nicht auseinander gerissen werden, um einzelne Sätze daraus als Ausnahmebestimmungen theilweise durch Interpretation, d. h. künstlich, zu entkräften und so außer Anwendung zu setzen. Das ganze Frachtfahrerverhältniß beruhet aus singulären Grundsätzen, ohne welche es eben nicht als eine eigenthümliche Institution vorhanden sein würde. Der Frachtunternehmer hat sich verpflichtet, das ihm zum Transporte anvertraute Gut von einem Orte zum anderen zu schaffen, möge er ein kleiner Unternehmer sein, der den Transport persönlich aussührt, oder ein großer, der umfangreiche Anstalten zum Zwecke des Gütertransportes unterhält, und es ist dem Absender ganz einer­ lei, wie er den Transport aussühre, ob er denselben selbst besorge, oder durch seine eigenen Leute oder Anstalten, oder sonst durch andere Personen ausführen läßt. (Vergl. Prot. S. 816.) Die Rechte des Absenders aus dem Frachtkontrakte können dadurch, daß der Frachtführer willkürlich den einen oder den anderen die­ ser möglichen Wege einschlägt, ganz und gar nicht verändert werden. Nach den sehr klaren Bestimmungen des H.G.B. wird um so mehr jener Ausspruch zu dem Uebrigen gelegt werden können. 22) Vergl. den folg. Art. 401, Abs. 1 und die Anm. 23 dazu.

23) Man hat unterschieden, ob der Frachtführer im Frachtkontrakte die Ver­ pflichtung übernommen habe, das Frachtgut vom Orte der Absendung bis au den im Frachtbriefe bezeichneten Bestimmungsort selbst zu transportiren, oder ob der Sinn seines Frachtkontraktes dahin gehe, daß er selbst das Frachtgut nur eine Strecke weit befördere, alsdann aber einem anderen Frachtführer zum Wei­ tertransporte übergebe, wie z. B., meinte man, regelmäßig dann anzunehmen sein werde, wenn dem Absender bekannt sei, daß der' erste Frachtführer nur eine ge­ wisse Strecke zu befahren Pflege. In dem ersten Falle hafte der Frachtführer als solcher einmal unbestritten für seine eigenen Leute, deren er sich zur Ausführung des Transportes bediene, und sodann auch für die etwanigen anderen Frachtfüh­ rer, denen er in Gemäßheit eines mit ihnen abgeschlossenen Afterfrachtvertrages die Güter übergebe, damit sie den ihm selbst obliegenden Weitertransport aus­ führten. In dem zweiten Falle dürfe man ihm die Haftung des Frachtführers von dem Augenblicke an nicht mehr aufbürden, in welchem er die Güter dem Frachtkontrakte gemäß einem anderen Frachtführer zum Weitertransporte über­ gebe. — Der §. 400 und der Abs. 1 des §. 401 ist nur für den ersten Fall be­ stimmt und soll auf den zweiten gar keine Anwendung leiden. Dies soll mit den Worten „des von ihm übernommenen Transportes" gesagt werden; denn in dem zuletzt berührten Falle übernehme der Frachtführer keinesweges denjenigen Theil des Transportes vom Abgangsorte bis zum Bestimmungsorte, welchen auch nach der Intention des Absenders ein anderer Frachtführer ausführen solle.

Vom Frachtgeschäfte überhaupt.

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anderen Frachtführer übergiebt, so hastet er für diesen und die etwa

folgenden Frachtführer bis zur Ablieferung. Jeder Frachtführer, welcher auf einen anderen Frachtführer

folgt, tritt dadurch, daß er das Gut mit dem ursprünglichen Fracht­ briefe 24 * * )* *annimmt, * * * * * * * in * * den * * * Frachtvertrag * gemäß dem Frachtbriefe ein,

übernimmt eine selbstständige Lerpflichtung, den Transport nach In­ halt des Frachtbriefes auszuführen, und hat auch in Bezug aus den

von den früheren Frachtführern bereits ausgeführten Transport für die Verbindlichkeiten derselben einzustehen 2S). (Vergl. Prot. S. 816, 4721.) Ob der eine oder der andere Fall in einer kon­ kreten Sache vorliege, gehört zur Thalfrage. Welche Verantwortlichkeit in dem zweiten Falle der erste Frachtführer bei und nach der Ueberlieferung des Gutes an einen anderen Frachtführer, bezüglich auf den Weitertransport habe und behalte, bestimmt das Gesetz nicht, es kommen deshalb die allgemeinen Rechtsgrundsätze über Stellvertretung zur Anwendung, je nach Verschiedenheit der Fälle, deren zwei denkbar sind. Es kann sein, daß der Ab­ sender dem Frachtführer Anweisung begeben hat, das Frachtgut an eine bestimmte Person zum Weitertransporte abzuuefern: dann wird der Frachtführer durch die gehörige Ausführung des Auftrages frei. Es kann aber auch Vorkommen, daß der Frachtführer bei' Eingehung des Frachtkontraktes übernimmt, für die Weiter­ schaffung der Waare von dem Orte, bis zu welchem er selbst sie zu transportiren versprochen hat, zu sorgen. Vollzieht er diesen Nebeuvertrag dadurch, daß er mit einem von ihm gewählten Frachtführer in eigenem Namen kontrahirt; so han­ delt er als Spediteur und wird demgemäß als solcher behandelt. Kontrahirt er aber im Namen des Absenders, so handelt er als Mandatar, und haftet für culpa in eligendo.

24) In dem Vorschläge dieser Bestimmung standen statt: „er-das Gut mit dem ursprünglichen Frachtbriefe annimmt", die Worte: (hat er) „die Waare nebst Frachtbrief ohne Einwand anbenommen". (Prot. S. 816.) Dadurch wollte man dem Frachtführer gestatten, sich von der Haftung für den abgehenden Fracht­ führer durch einen Protest zu befreien, was in der Natur der Sache liege. Denn über­ nehme der Frachtführer die Waaren mit dem Frachtbriefe ohne Einwand, so er­ kenne er dadurch thatsächlich an, daß ihm die Waaren dem Frachtbriefe gemäß übergeben worden und daß er nach Vorschrift des Frachtbriefes zu verfahren' bereit sei. ' Hiermit war man einverstanden, für unzulässig hielt man jedoch den Ein­ wand resp. Vorbehalt in der Form eines Protestes aus dem alten Frachtbriefe, die er haben müsse, um beachtet zu werden und nicht zu einem Mittel auszuarten, mit welchem es dem pflichtwidrigen Frachtführer möglich würde, sich seiner Ver­ antwortlichkeit zu entziehen. Man beschloß deshalb,' in Erwägung, daß, wenn der neue Frachtführer die Haftbarkeit aus dem alten Frachtbriefe nicht haben wolle, er diesen nicht annehmen, sondern sich einen neuen Frachtbrief ausstellen lassen müsse, die Zulassung von Protesten auf dem alten Frachtbriefe neben einer Ueber­ nahme der Waare aber gewiß mißbraucht werden würde, — die Worte „ohne Einwand" zu streichen, und fügte dann schließlich vor „Frachtbrief" das Wort „ursprünglichen" ein. — Hieraus erhellet, daß neben dem alten, seitens des neuen Frachtführers angenommenen, Frachtbriefe auf die Verabredungen, welche zwischen ihm und dem alten Frachtführer bei Eingehung der Verbindlichkeit zur Weiterbeförderung des Gutes, in welcher Form wie immer, getroffen worden sind, dem Absender und dem Empfänger gegenüber gar nichts ankommt und daß dem neuen Frachtführer daraus keinerlei Einwand gegen einen derselben zusteht. 25) Hier haben wir eine aktive und passive Cesston mit vollständiger Wirkung nach allen Richtungen, sowohl hinsichtlich des Vergangenen als des Künftigen in diesem Rechtsverhältnisse. Der nachfolgende Frachtführer ist nicht etwa bloß dem vorhergehenden Frachtführer, sondern auch dem Absender und dem Empfänger ge38*

596

Viertes Buch.

Fünfter Titel.

Art. 402. Der Frachtführer hat den späteren Anweisungen des Absen­ ders^«) wegen Zurückgabe des Guts oder wegen Auslieferung des­

selben an einen anderen als den im Frachtbriefe bezeichneten Empfän­ ger^« a) so lange Folge zu leistem als er nichtLetzterem nach Ankunft des Guts am Orte der Ablieferung"^) den Frachtbrief"«) übergeben

hat"»»). genüber wie ein Prinzipalschuldner gehalten, dergestalt, als wenn er von Anfang den ursprünglichen Kontrakt geschlossen hätte. Der abgegangene Frachtführer wird jedoch durch' diesen Uebergang des Rechtsverhältnisses aus den eingetretenen Fracht­ führer nicht frei, die aküve und passive Cession hat nicht die Wirkung einer De­ legation. (2. A.) Das Obertr. hat sich dieser Rechtsauffassung angeschlossen. Das­ selbe sagt: „Auf Grund dieser gesetzlichen Verordnung vollzieht sich also ipso jure eine aktive und passive Cession der in dem ursprünglichen Frachtverträge enthalte­ nen Rechte und Verbindlichkeiten; es kommt somit der folgende Frachtführer zu dem Absender in dieselben obligatorischen Beziehungen, wie sie der ursprüngliche Frachtführer übernommen hatte. Ist dieses aber der Fall, dann kann auch der Absender den folgenden Frachtführer wegen seiner Verbindlichkeit direkt in gericht­ lichen Anspruch nehmen." Erk. vom 14. Juli 1866 (Arch. s. Rechtsf. Bd. LXIII, S. 312). 26) Nach einer zur dritten Lesung eingegangenen Erinnerung von Baden sollte vor „Absenders" eingeschaltet werden „ihn bestellenden", und nach einer an­ deren von Bremen sollte dem Art. ein Zusatz hinzugesügt werden, daß der Fracht­ führer, wenn er nicht vom Absender, sondern vom Empfänger angenommen sei,

nur den Anweisungen des Empfängers Folge zu leisten habe. (Zusammenstellung re. S. 77, Nr. 458, 459.) Hierzu wurde bemerkt: Das Gesetz verstehe unter dem Absender überall nur denjenigen, welcher den Frachtvertrag mit dem Fracht­ führer abgeschlossen habe, und der im Seerechte mit dem Ausdrucke „Befrachter" bezeichnet worden sei. Es könne also, auch wenn kein erläuternder Zusatz ange­ nommen werde, nicht zweifelhaft sein, daß, wenn der Empfänger den Frachtfüh­ rer bestelle, damit er die Güter an einem anderen Orte abhole, der Empfänger zugleich der Absender sei. Nehme man aber die Anträge an , so setze man da­ durch die Möglichkeit, daß unter Absender auch der bloß faktische Absender, der im Seerechte Ablader genannt worden, verstanden werden könne, und verdunkele dadurch alle anderen Ärtikel, bei welchen ein Zusatz der in Rede stehenden Art nicht angenommen worden. (Prot. S. 4733.) 26 a) (2. A.) Verfolgungsrecht des Absenders, right of stoppage in transitu, droit de suite. S. unten, Anm. 159 zu Art. 649. Ueber die Erklärung: oben, Anm. 12* ju Art. 344. Dieses Recht ist weder ein Pfandrecht, Selbstverpfändungsrecht, Quasi-Retentionsrecht, noch ein Recht des Verkäufers, den Kaufver­ trag einseitig zu annulliren, auch nicht ein Recht, die geschehene Uebergabe rück­ gängig zu machen, die geschehene Tradition zu rescindiren (Frank im Archiv für deutsches Wechselrecht und Handelsrecht, Bd. Xlll, S. 254),— denn die Tradition ist noch nicht geschehen, d. h. juristisch vollzogen, perfekt —; sondern es ist nichts anderes als eine faktische Unterbrechung der im Zuge befindlichen Ueber­

gabe vor deren Vollendung. Vergl. oben, Anm. 12* zu Art. 344. Welche recht­ liche Wirkung dieses Eingreifen in den Lauf der Angelegenheit habe, ist eine spä­ ter auszumachende Sache, wenn darüber Streit entsteht. Gehindert werden kann der Absender, der bis zur Empfangnahme des Frachtgutes noch seine Hand rechtlich darüber hat, nicht; die Unterbrechung des Verlaufes ist zunächst faktischer Natur. 27) Der Artikel kommt nicht zur Anwendung, wenn der Frachtbrief schon vor Vollendung der Reise dem Empfänger übersendet worden ist, es handelt sich vielmehr nur um diejenige Uebergabe des Frachtbriefes, welche nach Ankunft der Waare am Bestimmungsorte erfolgt und somit, ohne die Eigenschaft einer sym­ bolischen Tradition zu haben, den Anfang der körperlichen Uebergabe bildet; der

Vom Frachtgeschäfte überhaupt.

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Ist dies bereits geschehen, so hat er nur die Anweisungen des bezeichneten Empfängers zu beachten, widrigenfalls er demselben für das Gut verhaftet ist. Art. 403. Der Frachtführer ist verpflichtet, am Orte der Ablieferung dem Frachtführer setzt sich dadurch in ein direktes rechtliches Verhältniß zum Empfän­ ger; zwischen beiden wird nach der Absicht des Gesetzes durch Uebergabe und An­ nahme des Frachtbriefes ein Recht, die Uebergabe der Güter zu verlangen, und beziehungsweise die Verpflichtung zur Uebergabe und zur Abnahme derselben be­ gründet; mit diesem Akte hört das Dispositionsrecht des Absenders aus. Daß erst mit diesem Akte und nicht schon lange vor der Ankunft des Gutes durch eine Uebersendung des Frachtbriefes, z. B. durch die Eisenbahn, das Dispositionsrecht des Absenders sein Ende finden soll, hat seinen Grund darin, daß der Absender mit seinem Dispositionsrechte nicht der Diskretion des Frachtführers anheimgege­ ben werden darf. (Prot. S. 1232, 4732.)

28) Den Frachtbrief, und nicht die Waare, wie in zweiter und noch in dritter Lesung verlangt wurde. Mehrere waren nämlich der Ansicht, daß der Ab­ sender nicht eher sein Recht, über die Waaren zu disponiren, gegenüber dem Frachtführer verlieren dürfe, als bis die Waare selbst übergeben sei, daß demnach auf die Uebergabe des Frachtbriefes überhaupt nichts ankomme, zumal oft mehrere Tage zwischen der Uebergabe des Frachtbriefes und der Waare verstreichen würden, und in einem solchen Falle der Absender fortwährend das Recht haben müsse, seine Waare zurückznrusen. Nach der Fassung des Gesetzes würde es der Fracht­ führer nicht mehr wagen können, dem Empfänger zuerst die Güter und erst später den Frachtbrief zuzustellen, wie dies jetzt im Verkehre häufig vorkomme, weil er sich dadurch außer Stand setzen würde, den etwa noch eintreffenden entgegenge­ setzten Anordnungen des Absenders zu genügen, und ebenso wenig würde er mehr im Stande sein, dem Empfänger die Güter noch vor Erreichung des Bestimmungöortes zu behändigen. Darauf wurde von anderen Seiten entgegnet, es entspreche gerade der Absicht des Gesetzes, daß der Frachtführer die Güter dem Empfänger nicht schon unterweges übergeben oder nach dessen Anweisungen damit verfahren könne (Art. 403). Die durch den Antrag bezweckte Verlängerung des Dispositiousrechtes des Absenders hemme jede sichere Verfügung über die Güter und laufe somit dem oben (Anm. 27) erwähnten Interesse des Empfängers zuwi­ der. Wenn Einfachheit und Klarheit in das Rechtsverhältniß des Frachtführers zum Absender und zum Empfänger kommen solle, müsse ein fixer Termin festge­ setzt werden, von welchem an das Dispositionsrecht des Absenders ein Ende habe, und ein solcher Termin sei wohl die Uebergabe des Frachtbriefes, nicht aber auch die Uebergabe der Güter, da letztere auf verschiedene Weise erfolgen könne. Bon selbst verstehe sich übrigens, daß auch die am Bestimmungsorte erfolgende Ueber­ gabe der Güter allein tont Dispositionsrechte des Absenders ein Ende mache, weil der Frachtführer den Vertrag dadurch erfülle, und es keinem Zweifel unterliege, daß er die behufs Erfiillung seiner Obliegenheiten übergebenen Güter nicht zurück­ verlangen könne, eine anderweitige Disposition des Frachtführers auch faktisch nicht mehr möglich sei. (Prot. 4731 ff.) Ist ein Frachtbrief nicht ausgestellt, so ist die Uebergabe der Güter der Akt, durch welchen das Dispositionsrecht des Absenders aufhört.

28 a) (2. A.) Demnach ist also der Absender berechtigt, über das abgesendete Frachtgut bis zu dem Zeitpunkte, in welchem dasselbe am Orte der Ablieferung angekommen und der Frachtbrief dort übergeben ist, zu disponiren, und daraus folgt, daß der Frachtführer, ohne Benachtheiligung dieses Dispositionsrechts, das Frachtgut vor Ankunft an dem Ablieferungsorte dem bezeichneten Empfänger nicht aushändigen darf, also auch nicht, wenn Frachtführer unb Empfänger darüber einverstanden sind. (Art. 404.) Erk. des Obertr. vom 14. Juli 1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXUI, S. 313).

Viertes Buch.

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Fünfter Titel.

/

durch den Frachtbrief bezeichneten Empfänger das Frachtgut auSzu-

händigen 2«b),

Art. 404. Der im Frachtbriefe bezeichnete Empfänger ist vor Ankunft des

Guts am Orte der Ablieferung dem Frachtführer gegenüber berechtigt,

alle zur Sicherstellung des Guts erforderlichen Maßregeln zu ergrei­ fen und dem Frachtführer die zu diesem Zwecke nothwendigen Anwei­

sungen zu ertheilen; die Auslieferung des Guts kann er vor dessen

Ankunft am Orte der Ablieferung nur dann fordern, wenn der Ab­

sender den Frachtführer zu derselben ermächtigt hat?«). 28 d) Der Frachtführer ist verpflichtet 1. dem Absender gegenüber das Fracht­ gut jedenfalls bis zu dem Orte der Ablieferung zu transportiren, dasselbe also an keinem anderen Orte, etwa unterweges, auf Verlangen eines Anderen, an Je­ manden auszuliefern, weil darauf gerechnet ist, daß der Absender während der ganzen Zeit, welche die Reise bis zu jenem Orte erfordert, über das Frachtgut zu verfügen im Stande bleibe (Art. 402); 2. demjenigen gegenüber, welcher in dem Frachtbriefe als Empfänger bezeichnet ist, nachdem derselbe in den Besitz des Frachtbriefes gesetzt worden, das Frachtgut auszuliefern, mag er der wahre Be­ rechtigte dazu "sein, oder nicht, selbst wenn ein solcher mit Ansprüchen auf dasselbe Austritt oder der Absender Einspruch gegen die Ablieferung erhebt. Tritt ein sol­ cher Fall ein, so muß der Frachtführer deponiren (Art. 407 , Abs. 4). (2. A.) Der Frachtvertrag verpflichtet den Frachtführer nicht bloß zum Trans­ port an den Wohnort des Empfängers, sondern zur Abliefernng an den­ selben; die Verpflichtung des Frachtführers endigt nicht mit der Ankunft am Ende der Schienen oder im Orte des Empfängers. Mit dieser Ankunft ändert sich für den weiteren Transport bis zur Ablieferung nach der Natur der Sache nur das Transportmittel. Also auch für den Transport vom Bahnhöfe bis in die Wohnung des Empfängers ist lediglich der Frachtkontrakt mit der Eisenbahn maßgebend. Erk. des Obertr. vom iS. September 1864 (Arch. s. Rechtsf. Bd. LVlil, S. 30).

29) Bei Feststellung der Artt. 402, 403 ist man davon ausgeaangen, daß an sich der Empfänger gar keine Rechte und Pflichten gegen den Frachtführer aus dem Frachtverträge habe, so lange er in denselben durch Empfangnahme des Frachtbriefes (oder der Waare) am Bestimmungsorte noch nicht eingetreten sei, da der Frachtvertrag nur zwischen dem Absender und dem Frachtführer geschlossen werde; und daß in Folge hiervon der Empfänger den Fr-achtführer gar nicht be­ langen könnte. Die Versammlung hat aber dem Empfänger ein solches Recht einräumen wollen, um zu verhindern, daß der Frachtführer ungeachtet seiner An­ kunst mit der Waare am Bestimmungsorte verzögere (Art. 405). Es wurde aber auch die Meinung geltend gemacht, daß man dem Destinatär keinesweges ohne Ausnahme das Recht nehmen könne, schon vor Vollendung der Reise Dispositionen über die Waaren zu treffen, und daß man deshalb den Frachtführer nicht ganz unbedingt an die Vorschriften des Art. 402 binden könne; eine solche Bestinnnung werde ebenso oft zum Nachtheile des Versenders wie des Empfängers gereichen. Dies sei z. B. dann der Fall, wenn die Vollendung der Reise durch Elementarereignisse, Einfrieren des Schiffes u. dgl. verhindert werde. In einem solchen Falle müsse man dem Destinatär das Recht zugestehen, wegen des Weiter­ transportes der Waaren Verfügungen zu treffen, und könne den Frachtführer wegen der nöthigen Instruktionen nicht an den oft weit entfernten Absender verweisen. Die Meinungen waren jedoch darüber, was in solchen Fällen Rechtens sei, getheilt. Mehrere hielten auch in solchen Fällen die Bestimmung des Art. 402 für zutref­ fend , Andere waren der Ansicht, in einem Falle der oberwähnten Art sei der Ort, wo das Elementarereigniß den Frachtführer festhalte, als Bestimmungsort anzu­ sehen, noch Andere hielten dafür, der Empfänger könne als Vertreter'des Absen-

Born Frachtgeschäfte überhaupt.

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Art. 405. Nach Ankunft des Frachtführers am Orte der Ablieferung ist der

im Frachtbriefe bezeichnete Empfänger berechtigt, die durch den Frachtvertrag begründeten Rechte gegen Erfüllung der Verpflichtun­ gen, wie sie der Frachtbrief ergiebt, in eigenem Namen gegen den Frachtführer geltend zu machen, sei es, daß er hierbei in eigenem

oder fremdem Interesse handle; er ist insbesondere berechtigt, den Frachtführer auf Uebergabe des Frachtbriefes") und Auslieferung ders diejenigen Verfügungen treffen, die zur Vollendung der nach dem Frachtver­ träge von dem Absender beabsichtigten Reise, also zur Ausführung des Willens des Absenders erforderlich schienen. (Prot. S. 1235, 1236. Vergl. S. 4734.) Diese Meinung ist durch den Art. 404 zur Geltung gebracht, der ihm zum Grunde liegende Rechtsgedauke ist jedoch nirgend zum Ausdrucke gekommen. Man könnte an das vorhin von einer Seite erwähnte Verhältniß der Stellvertretung denken, welches seine bestimmte Form in der negotiorum gestio zu finden hätte. Allein dieser Gedanke wird durch die bestimmt ausgesprochene Absicht ausgesprochen, daß der Empfänger eiu eigenes Recht zum Handeln haben solle. (Prot. S. 4734.) Aus dem zwischen anderen Personen abgeschlossenen Frachtkontrakte, dem er noch nicht beigetreten ist und dessen Inhalt er noch nicht kennt, kann ein solches Recht nicht abgeleitet werden; dasselbe mnß daher aus einem anderen Umstande folgen. Dies ist in der That der Fall; der andere Umstand ist das bestehende rechtliche Interesse, welches der Empfänger bei der Waarensendung hat, mag es ein eige­ nes oder ein ihm zur Wahrung anvertrautes fremdes sein. Das Interesse be­ stimmt zugleich die Grenze der Legitimation des Empfängers; diese reicht nicht weiter als seine aus allgemeinen Grundsätzen folgende Berechtigung, sein Interesse vorläufig zu sichern, wenn Umstände eingetreten find, welche die Gefährdung des­ selben befürchten lassen. Nach dieser Auffassung ist der Inhalt des Art. verständ­ lich und die Fassung desselben ganz korrekt. Zur Begründung der Anrufung der richterlichen Thätigkeit genügen hier die Erfordernisse eines Arrestgesuches. 30) Hierdurch wird dem Empfänger ein Klagerecht auf Eingehung desjenigen Rechtsverhältnisses mit ihm gegeben, aus welchem dasselbe entspringt, die VZirkuna ist also vor der Ursache gegeben, das Kind ist älter als die Mutter; schon die Anstellung der Klage soll bie Wirkung der Uebergabe des Frachtbriefes haben. Dies ist juristisch nicht erklärlich. Denn die Ansicht ist ausdrücklich abgelehut, daß dem Empfänger nicht ein eigenes Recht, sondern nur die Eigenschaft eines präsumtiven Mandatars des Absenders beizulegen sei. So lange dem Empfänger, wurde gesagt, weder der Frachtbrief behändigt, noch von Seiten des Absenders eine Nachricht von dem Transporte zugegangen sei, fehle es an allen Anhalts­ punkten für die Annahme eines Mandates; es sei weit richtiger, bciDoit auszu­ gehen , daß dem Empfänger gegenüber dem Frachtführer ein eigenes, wenn auch durch die Einwirkungen des Absenders beeinflußtes Recht zustehe. Woher aber unter der gedachten Voraussetzung das weit Größere kommen soll, ist noch weni­ ger zu erklären. Weiter wurde gesagt: Die bloße Präsumtion einer Vollmacht des Absenders genüge dem Bedürfnisse des Verkehrs nicht, den:: so oft ein Em­ pfänger gegen den Frachtführer klagend auftrete, werde der letztere mit der Be­ hauptung , das Mandat sei durch den Tod des Absenders u. dgl. erloschen, oder der Empfänger habe in der That keinen Auftrag von dem Absender, Gehör fin­ den müssen re., auch führe diese Auffassung weit eher als die des Entwurfs zu praktisch bedenklichen Resultaten, indem die Folge der ersteren sein würde, daß z. B. das gegen den Empfänger ergangene Urtheii auch gegen den Absender wirk­ sam wäre und der letztere für die Kosten des von dem Empfänger verlorenen Prozesses haften müsse u. dgl. (Prot. S. 4734, 4735, u. S. 820 — 822.) Die besprochene Bestimmung ist sonach eine Anomalie, welche aus Zweckmäßigkeitsgründen beliebt worden' ist; denn wenn man auch dieselbe auf die streitigen Sätze über die Berechtigung Dritter aus einem unter anderen Personen geschlossenen

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

des Guts zu belangen, sofern nicht der Absender demselben vor An­ stellung der Klage eine nach Maßgabe des Art. 402 noch zulässige

entgegenstehende Anweisung gegeben hat. Art. 406. Durch Annahme des Guts und des Frachtbriefes wird der Em­

pfänger verpflichtet, dem Frachtführer nach Maßgabe des Fracht­ briefs Zahlung zu kifleti31). Vertrage begründen wollte, so hat doch die Versammlung selbst dieselben bei Fracht­ verträgen mcht für ausreichend erklärt (Prot. S. 818), und insbesondere gehört doch auch dazu, daß der Dritte sich in der Lage befinde, von dem Inhalte des fraglichen Vertrages genaue Kenntniß zu nehmen. Die anzuwendende Klage ist die antizipirte Klage aus dem Frachtkontrakte (actio de recepto). Diese soll nicht bloß auf die Aushändigung des Frachtbriefes, sondern auf die Auslieferung des Frachtgutes nebst dem Frachtbriefe und auf Ver­ wirklichung aller anderen aus dem Frachtbriefe etwa noch folgenden Rechte gerich­ tet werden können, und zwar gegen Erfüllung der Verpflichtungen, wie sie der Frachtbrief ergiebt. Dabei tritt bie praktische Schwierigkeit ein, daß der Empfän­ ger, der weder den Frachtbrief noch von Seiten des Absenders eine Nachricht er­ halten hat (Abs. 1 dieser Note), nicht wissen kann, was für Rechte ihm zustehen, was für Güter und in welcher Beschaffenheit und in welchem Zustande ihm über­ liefert werden müssen, und was für Gegenleistungen ihm nach Inhalt des Fracht­ briefes obliegen. Die Kombination des Anspruches aus Uebergabe des Frachtbriebes und auf Auslieferung des Guts, die letztere gegen Erfüllung der Verpflich­ tungen, wie sie der Frachtbrief ergiebt, in Einem Klagelibell und in Einem Ver­ fahren ist daher undurchführbar. Deshalb wird ein Präjudizium wegen Aushän­ digung des Frachtbriefes eintreten müssen, und wenn dieses wegen vergeblich versuchter Exekution des verurtheilenden Erkenntnisses erfolglos ist, fallt das ganze

Klagerecht gegen den Frachtführer, ohne Assistenz des Absenders, ins Wasser. Das neu'erfundene Recht ist daher, gerade für den Fall, in welchem es wirksam sein soll, nämlich wenn Absender und Fuhrmann Widerstand entgegenstellen,. ganz unpraktisch.

31) Durch diesen Satz wird die Wechselseitigkeit des zwischen dem Frachtfüh­ rer, resp. Stromschiffer, und dem Empfänger durch Uebergabe und Aufnahme des Frachtbriefes und der Waare begründeten Rechtsverhältnisses außer Streit gesetzt und die dem Frachtführer daraus zustehende direkte Klage anerkannt. Vorher war es unter den preußischen Juristen streitig und das Obertribunal hat sich darüber selbst widersprochen. Durch Erkenntniß vom 15. April 1858 (Arch. s. Rechtsf. Bd. XXIX, S. 254) hat es einem Frachtführer, der dem Ladungsadressaten das ihm als Pfand für seine Frachtforderung haftende Frachtgut, in Erwartung der Zahlung, unter Aushändtgung des Frachtbriefes ausgellefert hatte, die direkte Klage auf Zahlung der Fracht abgesprochen, weil — es im A. L.R. nicht wörtlich gedruckt stand. Dieser Ausspruch' war nicht gerechtfertigt. Der Frachtführer hat allerdings eine direkte Klage gegen den Empfänger der Ladung aus dem Realkon­ trakte do (nämlich die Pfandstücke) ut des (die Fracht). Jener Fuhrmann hatte in Erwartung der Zahlung seiner durch das Pfand gesicherten Forderung (Konk.Ordn. §.33, Nr. 6) die Pfandstücke herausgegeben, und da er sich in seiner Er­ wartung getäuscht sah, so konnte er sein Pfänd zurück- oder auch Bezahlung sei­ ner Fracht nebst Unkosten fordern, nach bekannten und unbestrittenen Rechtsgrund­ sätzen. Die ihm dieserhalb zustehende Klage ist eine direkte, folglich hatte jener Kläger gegen den Ladungsempfünger allerdings sichtlich eine direkte Klage, die ihm das Obertrib. absprach.' Dieser'Ausspruch'gründete sich wesentlich auf die Be­ hauptung, daß „in dem §. 1722 d. 8. T., wonach dem Schiffer die Befugniß, direkt gegen den Ladungsempfünger auf Zahlung des Fahrlohns zu klagen, zusteht, keinesweges ein allgemeines Prinzip zu finden sei, sondern nur eine singuläre Bestimnmng zum Vortheile der Schiffer und öffentlichen Landkutscher enthalte".

Vom Frachtgeschäfte, überhaupt.

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Art. 407. Wenn der bezeichnete Empfänger des Guts nicht auszumitteln (S. 254 a. a. O.) Später fand das Obertrib. jedoch ein Prinzip darin. Denn in dem Erk. vom 23. November 1858, betreffend die Entscheidung eines Streits über Frachtlohn, welche unstreitig auf Grund des §. 1722 zu treffen war, genügt dem Obertrib. die bloße Allegirung dieser früher für eine singuläre ausgegebenen Bestimmung nicht, was sie 'doch als solche hätte thun müssen, sondern es wird in Folge derselben weiter erwogen: „Der Empfänger tritt in das solchergestalt (durch den Frachtbrief) begründete Vertragsverhältmß durch die Annahme der Waaren ein und er kann, weil die von ihm übernommene Verpflichtung sich auf alle nach Inhalt des Konnossements für die Beförderung der Waaren zu leisten­ den Zahlungen bezieht, die eine oder die andere derselben keinesweges — verwei­ gern". (Entsch. Bd. XXXIX, S. 277.) Denselben Satz, daß der Destinatär durch die Empfangnahme der Ladung in den Frachtkontrakt eintritt, behauptet das Obertrib. wiederholt, in einem Erk. vom 1. September 1859 (Archiv f. Rechtsf. Bd. XXXIV, S-. 228). Darin liegt doch Wohl ein allgemeines Prinzip, was so­ wohl für den gewöhnlichen Frachtführer wie für den Schiffer rc. Geltung hat; und in der That ist es das Prinzip der condictio ob causam datorum, auf wel­ ches bereits.hingewiesen worden ist. Diese Auffassung, daß durch die Annahme des Frachtbriefes oder der Waäre (re) der Empfänger in das Vertragsverhältniß eintreteist auch in der Versammlung von einer Seite vertreten worden. In einer älteren Entsch. des Obertrib. vom 26. August 1839 (Pl.-Beschl.) wird das Klagerecht des Schiffers auf eine im Frachtbriefe von selbst enthaltene Anweisung zurückgeführt und der Schiffer gleich einem Assignatarius zur Einkassirung der Fracht für legitimirt erklärt. (Entsch. Bd. IV, S. 402.) Das paßt auch auf den Frachtführer. Auch in dieser Weise ist das Klagerecht des Frachtführers gegen den Empfänger in der Versammlung von einer anderen Seite begründet worden. Man sagte: Der Frachtvertrag zwischen dem Absender und dem Frachtführer ent­ halte zwei Anweisungen, die eine an den Fuhrmann, die Waare dem Empfänger auszuliefern, die andere an den Empfänger, die Fracht dem Fuhrmanne zu be­ zahlen. (Prot. S. 819.) Dieser Gedanke ist in dritter Lesung noch weiter ent­ wickelt, indem ein Mitglied den früheren Bemerkungen hinzufilate: Die Bestimmuna des Art. interessire nicht für den Fall, daß Leistung und Gegenleistung Zug um Zug ausgetauscht würden; vielmehr sichere sie dem Frachtführer ein Klage­ recht, wenn er mit der Leistung vorangegangen sei. Es solle dadurch der Gedanke ausgesprochen werden: Der Empfänger', welcher das Frachtgut unter derjenigen Bedingung angenommen, unter welcher der Absender ihm das Gut zur Empfang­ nahme vorstelle, acceptire dem Frachtführer gegenüber die in dem Frachtbriefe ent­ haltene Anweisung zur Zahlung der Fracht.' (Prot. S. 5101.) Hierbei ist her­ vorzuheben, daß die Ausführung insofern nicht ganz auf eine acceptirte Anweisung Paßt, als zur Verbindlichmachung des Empfängers die Vorleistung des Frachtfüh­ rers gefordert wird; diese gehört nicht zur Begründung einer Verbindlichkeit aus einer acceptirten Anweisung. Die wahre causa obligandi, die causa efficiens bei Eingehung der Verbindlichkeit des Frachtführers, ist mithin eine Realleistung, die von deni Frachtführer unter den durch den Frachtbrief formulirten Ansprüchen angeboten und von dem Empfänger angenommen wird. Der Frachtführer leitet daher sein Vertragsrecht nicht von dem Absender ab, sondern kontralurt vermöge eigenen Rechts, welches ihm an dem Frachtgute zusteht (Pfandrecht). Man kommt daher auf den Realkontrakt do ut des als den letzten Grund eines selbstständigen Klagerechtö des Frachtführers zurück. Das drücken auch die Worte des Art. aus: „durch Annahme des Guts (also re und nicht verbis oder Htteris) wird der Empfänger verpflichtet rc." — (2. A.) Die Praxis hat angenommen: der Empfänger,' welcher die Waare annimmt, hat die im Frachtbriefe angegebene Fracht zu bezahlen, selbst wenn die Rechnung ersichtlich auf einem Irrthume be­ ruht; will er nicht bezahlen, so muß er die Waaren zurückweisen. Hamburger Gerichtszeitung , Jahrg. 1861, S. 297. Der Art. sagt: durch Annahme des Guts und des Frachtbriefes werde der Empfänger verpflichtet. Gegen diese Fassung ist bemerkt worden, daß sie dahin

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

ist oder die Annahme verweigert, oder wenn Streit über die An­ nahme oder den Zustand des Guts entsteht, so kann der Bethei­ ligte 32) den letzteren durch Sachverständige feststellen lassen. Die Sachverständigen ernennt auf das Ansuchen des Betheilig­ ten das Handelsgericht oder in dessen Ermangelung der Richter des Orts"). führen könne, die Klage eines Frachtführers, der seiner Klage einen Frachtbrief beilege, unter welchem der Empfänger dle Ablieferung des Gutes bescheinigt habe, angebrachtermaßen zurückzuweisen, weil aus der Klage selber hervorgehe, daß der Frachtführer noch im Besitze des Fr-achtbriefes sich befinde, was doch eine unzu­ lässige Folgerung sein würde. Deshalb wurde von dieser Seite, um eine bessere Redaktion zu veranlassen, folgende Fassung des Art. vorgeschlagen: „Durch An­ nahme des Gutes wird der Empfänger verpflichtet, nach Maßgabe des — Fracht­ briefes, auf dessen Grund die Annahme geschieht, — zu bezahlen rc." Es wurde jedoch entgegnet: Da die zuletzt erwähnte Folgerung sich, wie der Antragsteller selbst zugebe, unzweifelhaft als unhaltbar darstelle, sei nicht zu befürchten, daß man in der Praxis die Worte des Art. pressen und, indem man von der Un­ terstellung ausgehe, daß unter der Annahme des Frachtbriefes die bloße That­ sache der Hinnahme desselben und nur diese zu verstehen sei, zu der fraglichen Folgerung gelangen werde. Ohne Zweifel sei dasjenige, was der Antragsteller mit Recht als die Absicht des Art. bezeichne (daß der Frachtbrief dem Empfänger nur vorgelegt oder präsentirt werden müsse, daß aber derselbe in den Händen des Frachtführers bis zur Zahlung verbleiben und erst nach der Zahlung dem Em­ pfänger ausgeliefert werden könne), auch durch die von der Redaktionskommission vorgeschlagene Fassung genugsam ausgedrückt. Die jetzt vorgeschlagene Fassung könne mindestens ebenso, wie die der Redaktionskommission, wenn man die Worte presse, zu unrichtigen Resultaten führen, indem man z. B. daraus folgern könnte, daß immer erst der Frachtbrief an den Empfänger ausgeliefert werden müsse, und eine Annahme der Güter, welche vorher erfolge, eine Verpflichtung des Empfän­ gers zur Frachtzahlung überhaupt nicht zur Folge habe, während Diese Verpflich­ tung doch auch dann eintreten müsse, wenn z. B. der Empfänger zwar zuerst die Güter, und erst darnach beu Frachtbrief ansgeliefert erhalte, aber die ersteren bis nach einer zur geschäftsmäßigen Prüfung des Frachtbriefes und zur Ueberlegung der Sache geeigneten Frist dem Frachtführer nicht wieder zur Verfügung. stelle. (Prot. S. 5101, 5102.) Die Bedeutung der Worte „Annahme des Frachtbriefes" ist hier nicht die der körperlichen Besitzergreisimg, sondern die des Einverständnis­ ses, der Gutheißung und der Sinn des Satzes ist mit anderen Worten: „durch Annahme des Gutes auf Grund des vorgelegten und nicht beanstandeten Fracht­ briefes" u. s. w. Wird das Gut ohne vorherige Vorlegung und stillschweigende Genehmigung der Gewahrsam des Empfängers überliefert und hinterdrein der später vorgelegte Frachtbrief nicht angenommen, d. h. gutgeheißen, so ist der Fall des Art. 407 eingetreten. Die Zahlung der in dem Frachtbriefe berechneten Nachnahme kann der Em­ pfänger nicht deshalb verweigern, weil diese Nachnahme von dem Frachtführer (Borsteher der Transportanstalt, Eisenbahnverwaltung) selbst noch nicht berichtigt worden ist. Erk. des Obertr. vom 23. November 1858 (Entsch. Bd. XXXIX, S. 276). Es ist Maxime der Eisenbahnen, daß sie Nachnahmen erst nach der Einziehung derselben von den: Empfänger zahlen.

32) Nicht bloß der Frachtführer. 33) Oben, Anm. 31 zu Art. 348. — Die Absicht dieser Vorschrift, sowie der entsprechenden des Alinea 3, Art. 348 gebt nach einer Bemerkung von meh­ reren Seiten der Versammlung allerdings dayin, dem Befunde der Sachverstän­ digen in dem künftigen Prozeße eine gewisse entscheidende Bedeutung beizulegen. Wenn eine Partei dieses Vortheils sicher sein wolle, werde man ihr das Erfor­ derniß offizieller Bestellung ihrer Sachverständigen nicht erlassen. Hierdurch sei jedoch nicht ausgeschlossen, daß sich der Betheiligte auch anderer als vom Richter

Vom Frachtgeschäfte überhaupt.

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Die Sachverständigen haben ihr Gutachten schriftlich oder zu Protokoll zu erstatten 34). Das Gericht kann auf Ansuchen des Betheiligten verordnen, daß das Gut in einem öffentlichen Lagerhause oder bei einem Dritten niedergelegt, und daß es ganz oder zu einem entsprechenden Theile

behufs Bezahlung der Fracht und der übrigen Forderungen des Frachtführers öffentlich verkauft wird. Ueber das Ansuchen um Ernennung von Sachverständigen oder

um Verfügung des Gerichts wegen Niederlegung und wegen Ver­ kaufs des Guts wird die Gegenpattei, wenn sie am Orte anwesend ist, gehört ’*).■

Art. 408. Durch Annahme des Guts und Bezahlung der Fracht erlischt

jeder Anspruch gegen den Frachtführer34). bestellter Sachverständiger bediene , z. B. verpflichteter Mäkler. In diesem Falle richte sich die Beweiskraft nach den Landesgesetzen; dies sei deutlich genug dadurch ausaedrückt, daß der zweite Absatz dem Richter nm aus Ansuchen der Betheiligten dle Pflicht auferlege, die Sachverständigen zu ernennen. (Prot. S. 4736.) — Der preuß. Entwurf (Art. 314) schrieb auch die Zahl der vom Richter zu ernen­ nenden Sachverständigen („einen oder drei") vor. Diese Worte wurden gestrichen, da dem Gerichte zu überlassen sei, wie viele Sachverständige es für nothwendig halte, und da es von selbst für gut finden werde, die Sachverständigen in ungera­ der Zahl zu ernennen. (Prot. S. 807.) — Das Ansuchen kann mündlich oder schriftlich angebracht werden; das im preuß. Entw. vor „Ansuchen" stehende Wort „schriftliches^ wurde deshalb gestrichen. (Ebd,) Vergl. oben, Art. 348, Abs. 3 und Art. 310, Abs. 2.

34) Oben, Airm. 32 zu Abs. 4, Art. 348. 35) Zu diesem Zwecke hat, nach dem preußischen Verfahren, wie es jetzt besteht, das Gericht auf das schriftlich oder mündlich zu Protokoll angebrachte An­ suchen im abgekürzten Verfahren einen Audienztermin zur mündlichen Verhand­ lung anzuseh'en. Ist der Gegner am Orte nicht anwesend, und verfügt das Ge­ richt auf den einseitigen Vortrag des Ansuchenden dem Anträge desselben entspre­ chend, so geschieht dies auf dessen Verantwortlichkeit und Gefahr; er kann sich in dem nachfolgenden Prozesse nicht auf die Verfügung des Gerichts zu seiner De­ ckung berufen. Das Gericht wird jedoch aus Vorsicht dem Anträge auf Verkauf eines Theiles der Waare zur Befriedigung des Frachtführers immerhin nur dann willfahren können, wenn kein Bedenken über das Forderungsrecht desselben besteht, und namentlich die Waare unbeschädigt und vollständig befunden worden ist, so­ weit dies nach dem äußerlichen Zustande erkennbar war; sonst könnte der Betrag der Entschädigung möglicherweise'die Frachtforderung absorbiren oder übersteigen. 36) Auch wenn die Annahme des Gutes mit Vorbehalt oder unter Protest geschehen ist; die Verbindlichkeit aus dem Frachtkontrakte gilt unbedingt für ge­ tilgt , folglich ist die Äontraktsklage erloschen, die Ausnahme des Abs. 2 ist eine selbstständige Klage nach dem Prinzipe des ädilicischen Ediktes. Vergl. Art. 610 u. die Anm. 66 dazu. — Hervorgehoben und anerkannt wurde aber bei Diskus­ sion dieses Art., daß durch die Bestimmung des Art. 1 ein gütliches Uebereinkommen des Empfängers mit dem Frachtführer nicht für unwirksam erklärt werde, wonach, vielleicht sogar im Interesse des Frachtführers, damit derselbe an seiner Weiterreise nicht gehiiidert sei re., die Waare einstweilen abgeliefert und die Frage, ob und wer für eine Beschädigung, für theilweisen Verlust derselben rc. aufzu­ kommen habe, erst später zum Aüstrage gebracht werden solle; der Abs. 1 wolle

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Viertes Buch.

Wüster Titel.

Nur wegen Verlustes oder Beschädigung, welche bei der Ablie­ ferung äußerlich nicht erkennbar waren, kann der Frachtführer selbst

nach der Annahme und nach Bezahlung der Fracht in Anspruch ge­ nommen werden, wenn die Feststellung des Verlustes oder der Be­ schädigung ohne Verzug nach der Entdeckung37 * * )*38 *nachgesucht worden

ist, und bewiesen wird, daß der Verlust oder die Beschädigung wäh­

rend der Zeit seit der Empfangnahme bis zur Ablieferung entstan­

den ist. Die Bestimmungen über die Verjährung der Klagen und Ein­

reden gegen den Spediteur wegen Verlustes, Beschädigung oder ver­ späteter Ablieferung des Guts (Art. 386) finden auch auf den Fracht­

führer Anwendung33).

Art. 409. Der Frachtführer hat wegen aller durch den Frachtvertrag besonach hauptsächlich nur das abschneiden, daß der Empfänger unter dem Vor­ wande, er könne die Waare nicht sofort untersuchen, dieselbe nur unter Protest annehme und die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Frachtfiihrer stch ein­ seitig bis auf Weiteres Vorbehalte. (Prot. S. 830.) 37) Vergl. die vor. Anm. 36. — Der preuß. Entw. (Art. 315) bestimmte als Zeitmomeut die .Annahme". Mehrere beantragten, dafür „Entdeckung" zu setzen. Dies sei nothwendig, damit die Pflicht der Untersuchung der Waare nicht zu einer unbilligen Härte gegen den Empfänger werde. Es sei nicht abzusehen, warum ein Empfänger, der die Waare vielleicht einmal behalten wolle, dieselbe augenblicklich auspacken und untersuchen solle, bloß weil er sie durch einen Fracht­ führer zugestellt erhalten habe. Daß der Frachtführer durch eine Verlängerung der Zeit / für welche er zu haften hätte, nicht über die Gebühr belästiget werde, dafür sei schon durch die kurze Verjährung gesorgt. — Auch die Worte „ohne Verzua" wurden als unmotivirt beanstandet, weil sie kaum anders ausgelegt wer­ den wurden, als daß sie so viel hießen als „unverzüglich". Diesem Bedenken begegnete der Referent mit der Bemerkung, diese Worte seien nicht mit der Strenge aufzusassen, daß das Recht, wegen eines Fehlers der Ablieferung, dessen Ent­ deckung absolut unmöglich gewesen, Schadloshaltung zu begehren, dann ausge­ schlossen sei, wenn derselbe alsbald nach der Entdeckung konstatirt worden wäre, denn alsdann könne nicht von einem Verzüge die Rede sein. (Prot. S. 830.) Den Frachtführern steht aber auch frei, vertragsmäßig festzusetzen, daß dergleichen Ansprüche ohne Rücksicht darauf, wenn sie von dem'Betheiligten entdeckt worden seien, nur dann gegen sie geltend gemacht werden dürften,' wenn sie innerhalb einer gewissen kurzen Frist angemeldet würden (Art. 428). (Prot. S. 5026.) Man vergl. übrigens wegen des Ausdruckes „ohne Verzug" die Artt. 319, 323, 365 u. die Anmerkk. 123 u. 130 dazu. — Die Feststellung des Schadens ge­ schieht nach den Vorschriften des vorhergehendes Art. 407, nicht nach denen des Art. 348. (Prot. V. 4737.) Sie ist aber eine Bedingung der Entstehung des Ersatzanspruchs, nicht ein Erlöschungsgrund. 38) Die Vorschrift des Art. 348, Abs. 5 findet auch hier Anwendung. Ein in den Erinnerungen zur dritten Lesung von Bayern eingebrachter Antrag um Wiederholung der' Vorschrift hier im Art. 408 wurde abgelehnt, nachdem gegen dessen Annahme von Einigen angeführt worden war, daß das, was der Antrag bezwecke, ganz selbstverständlich sei und demnach nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden brauche, denn nirgends sei im Gesetze die Bestimmung enthalten, daß die Betheiligten eine solche Vereinbarung, wie sie der Antrag im Auge habe, nicht gültig treffen könnten. (Prot. S. 4737.) Aber den Eisenbahnen ist es un­ tersagt (Art. 423).

Vom Frachtgeschäfte überhaupt.

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gründeten Forderungen, insbesondere der Fracht- und Liegegelder,

sowie wegen der Zollgelder und anderer Auslagen ein Pfandrecht an dem Frachtgutes).

Dieses Pfandrecht besteht, so lange das Gut

zurückbehalten oder niedergelegt ist; es dauert auch nach der Abliefe­ rung noch fort, insofern der Frachtführer es binnen drei Tagen nach

der Ablieferung gerichtlich geltend macht39a), und das Gut noch bei dem Empfänger oder bei einem Dritten sich befindet, welcher es für den Empfänger besitzt40). Er kann zu seiner Befriedigung den Verkauf des Guts oder ei-

ues Theils desselben veranlassen 4 aa). (Art. 407.). Er hat dieses Recht auch gegenüber den übrigen Gläubigern und der Konkursmasse des Eigenthümer? 4 *).

Art. 410. Geht das Gut durch die Hände mehrerer Frachtführer, so hat verletzte bei der Ablieferung, sofern nicht der Frachtbrief das Ge­

gentheil bestimmt, auch die aus dem Frachtbriefe sich ergebenden Forderungen der vorhergehenden einzuziehen und deren Rechte, ins­ besondere auch das Pfandrecht, auszuüben42). 39) Es beginnt vom Empfange der Ladung an, und ist namentlich nicht dadurch bedingt', daß der Transport wirklich begonnen habe. (Pr. des Obertr. 1702, v. 13. Februar 1846.) Bergl. Artt. 374, 382 u. Konk.-Ordn. v. 8. Mai 1855, §. 33, Nr. 6.

39») Die dreitägige künstliche Fortdauer des Pfandrechts über dessen natür­ liche Dauer hinaus ist, wenigstens für die Länder des Gemeinen Rechts, eine ganz neue Satzung. Bergl. unten die Anm. 46. In dem preuß. See - und Konkursrechte kommt dies 'ichon früher vor. A. L.R. §§. 1724 — 1726 d. 8. T. und Konk.-Ordn. §. 33, Nr. 6 u. 8 u. Anm. 61 dazu. 40) Hamburg verlangte einen Zusatz, wodurch das dem Frachtführer nach Hamburgischem Konkursreäyte zustehende privilegium exigendi aufrecht erhalten würde, in der Fassung: „Es bleibt den Landesgesetzen unbenommen, dem Fracht­ führer weiterreichende Garantien einzuräumen"/ Bon anderen Mitgliedern wurde entgegnet: Die Frage, welche Rechte der Frachtführer im Konkurse des Empfängers habe, sei im H.G.B. nicht geregelt, also nur nach den Konkursgesetzgebun­ gen der einzelnen Staaten zu beurtheilen. Der Art. 409 enthalte nur die Be­ stimmung, daß der Frachtführer an den von ihm transportirten Gütern ein Pfand­ recht habe, und damit sei keinesweges ausgeschlossen, daß ihm als Konkursgläu­ biger nach anderen Gesetzen noch besondere Vorrechte zuständen; die dem Fracht­ führer in einzelnen Landesgesetzen eingeräumten Borrechte vor anderen Konkurs­ gläubigern würden somit durch den Art. 409 gar nicht berührt. Dies sei schon bei Berathung des Seerechts anerkannt worden. (Prot. S. 2356, 4759.)

40») (2. A.) Wegen der Kosten bei Realisirung des Pfandrechts s. oben, Anm. 92 zu Art. 310. 41) Bergl. Art. 374, Abs. 2 und Art. 382, Abs. 2 und die Anmerkk. dazu. 42) Die Absicht des Art. ist, auszusprechen, daß unter allen Umständen die dem ersten Frachtflihrer gebührenden Forderungen, wenn nicht das Gegentheil im Frachtbriefe steht, dem Empfänger gegenüber, an den letzten, abliefernden Fracht­ führer als cedirt gelten, gleichviel, ob eine wirkliche Cession vorliegt, oder ob der letzte Frachtführer, ohnedem Bornmnne die Fracht bezahlt zu haben, bloß als Mandatar desselben dessen Guthaben einheben soll. In dem zweiten Falle hat

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

Der vorhergehende Frachtführer, welcher von dem/nachfolgen­

den befriedigt ist, überträgt auf diesen von Rechtswegen seine For­ derung und sein Pfandrecht.

In gleicher Art wird die Forderung und das Pfandrecht des Spediteurs auf den nachfolgenden Spediteur und den Frachtführer übertragen 4 3). Das Pfandrecht der Vormänner besteht so lange, als das

Pfandrecht des letzten Frachtführers44), Art. 411. Wenn auf demselben Gute zwei oder mehrere gemäß den

Artt. 374, 382 und 409 begründete Pfandrechte bestehen, so geht unter denjenigen Pfandrechten, welche durch die Versendung oder

durch den Transport des Guts entstanden sind, das später entstan­ dene dem früher entstandenen vor; diese Pfandrechte haben sämmt­

lich den Vorrang vor dem Pfandrechte des Kommissionärs und vor dem Pfandrechte des Spediteurs für Vorschüsse; unter den letzteren Pfandrechten geht das früher entstandene dem später entstandenen

vor43 * * ). *44 45 er die Obliegenheiten eines Mandatars. In keinem Falle bedarf es einer beson­ deren Legitimationsurkunde. Vergl. Amn. 8 zu Art. 382. (Prot. S. 835, 841 u. 1436.)

43) Vergl. Art. 382 , Abs. 4. 44) Der letzte Frachtführer ist von Rechts wegen der Mandatar der Vor­ männer (Ms. 1) und detinirt in deren Namen die Pfandstücke, an welchen er deren Pfarrdrecht auszuüben hat. — (2. A.) Wegen der Kosten bei Realistrung des Pfandrechts s. m. oben Amu. 92 zu Art. 310.

45) Die innerliche Berechtigung der hier festgesetzten Rangordnung ist aus der Natur der Verhältnisse hergeleitet. Da der Zweck des Frachtgeschäftes darin liege, daß eine Waare von einem Orte zu einem anderen geschafft werde, so er­ scheine es als angemessen, daß dessen Pfandrecht vorgehe, der die Waare der Erreichung dieses Zweckes am nächsten gebracht habe, also oer letzte Frachtführer, dann dessen Spediteur, dann der an diesen abliefernde Frachtführer u. s. w. (Mo­ tive zu Art. 53 eines allg. Handelsgesetzbuches für Deutschland.) Von anderen Seiten wurde angeführt , eine Waare gewinne an Werth, je weiter sie vom Ab­ gangsorte weg in' die Nähe ihres Bestimmungsortes gelange. Es sei nun gewiß der Natur der Verhältnisse ganz entsprechend, daß derjenige den Vorrang vor Anderen habe, der die Werthserhöhung durch seine Leistung bewirkt habe, d. i. der Frachtführer. (Prot. S. 861.) Kommissionäre und Spediteure haben im Falle der Kollision mit anderen Pfandgläubigern ihre Forderungen für Vorschüsse von den Forderungen, welche durch die Versendung des Gutes entstanden sind, zu trennen; die letzteren gehören in die erste Klasse, ui welcher das spätere Alter, die ersteren in die zweite Klasse, wo das frühere Alter den Vorzug giebt. Die Bestimmung des Schlußsatzes wurde von einem Mitgliede nicht für allgemein zutreffend gehalten, namentlich dann nicht, wenn in' einem konkreten Falle noch besondere persönliche Beziehungen der Betheiligten zu einander zu beachten seien, z. B. in dem Falle, toeim der Kom­ missionär , nachdem er wegen einer Forderung ein Pfandrecht an der betreffenden Waare erworben habe, mit Zustimnmng des Eigentümers vom Spediteur einen Vorschuß auf dieselbe Waare für sich entnehme, wobei die Ansicht geltend gemacht

Vom Frachtgeschäfte überhaupt.

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Art. 412. Wenn der Frachtführer das Gut ohne Bezahlung abliefert und das Pfandrecht nicht binnen drei Tagen nach der Ablieferung gericht­ lich geltend macht^), so wird er, sowie die vorhergehenden Fracht­ würde, daß in einem solchen Falle das jüngere Pfandrecht des Spediteurs dem des Kommissionärs vorgehen müsse. Sodann hielt dasselbe Mitglied auch dafür, daß in Konsequenz der bezüglich der Vindikabilität der im Handelsverkehre ver­ kauften und verpfändeten Waaren allgenommenen Bestimmungen Lei Entscheidung der vorliegenden Frage darauf zu achten sei, ob der Spediteur'und Frachtführer rc. von der Existenz eines bereits früher begrülldeten Pfandrechtes des Kommissionärs Kenntniß gehabt habe; war deshalb der Allsicht, daß sich die Aufnahme einer durchgreifenden ulld allgemein giiltigell Bestiurmung nicht empfehle, und trug darauf an, am Schlüsse zu setzen:' „Der Vorzug'der Letzteren unter einander richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen". Es wurde jedoch — und dies ist zum Verständnisse der Bestimnlung für die praktische Anwendung erheblich — entgegnet: „Die vvrgeschlagene Besttmmung solle selbstverständlich nur soweit Gel­ tung haben, als nicht durch neue hinzukommende thatsächliche Verhältnisse etwas Anderes bedingt sei. Der Frage, inwiefern in dem angeführten Falle dem zwi­ schen dem Kommissionär upd Spediteur bestehenden Gläubigerverhältnisse ein Ein­ fluß auf das Verhälttriß ihrer Pfandrechte zu einander zuko'mme, werde durch die Schlußbestimmung nicht präjudizirt. Zu einer Ausdehnung der rücksichtlich der Vindikabilität der im Handelsverkehre verkauften und verpfändeten Sachen gelten­ den Bestimmungen auf das Verhältniß zwischen Kommissionär, Spediteur und Frachtführer unter sich sei kein Anlaß vorhanden. Darauf wurde der Antrag ab­ gelehnt und die BestilnnlUllg in ihrer vorliegenden Fassung angenommen. (Prot. S. 5103.) 46) Von Seiten Hamburgs wurde noch in dritter Lesung daraus gedrungen, die Worte: „und das Pfandrecht--------- geltend macht", zu streichen. Dies sei für Hamburg sine qua non. Der Hamb'urgische Absender für fremde Rechnung müsse mit seinen Kommittenten wenigstens bann endgültig abrechnen können, wenn das Gut dein Empfänger abgeliefert sei. Die dreitägige Pfandklage, von deren Anstelluna der Absender gar 'nicht einmal benachrichtigt werde, könne einen langwierigerl Prozeß nach sich ziehen, z. B. wenn darüber gestritten werde, ob die auf dem, einem Dritten vermietheten Boden des Empfängers befilldlichen Güter als noch bei dem Empfänger befindlich anzusehen, oder, ob der Dritte, bei dem sich die Güter befänden, für sich selbst oder für den Empfänger besitze. Erst nach ungünstigem Ausfälle eines solchen Prozesses greife der Frachtführer auf den Ab­ sender zurück und bringe diesen in einen Schaden, wegen dessen er sich bei seinem überseeischen Kommittenten nicht erholen könne. Der Rückgriff werde dem Fracht­ führer, der ohne Bezahlung abgeliefert habe, um so mehr versagt werden müssen, als er durch diese Ablieferung selbstverständlich bethätige, dem Empfänger oder seinem ephemeren und problematischen Pfandrechte vertrauen zu wollen. Der Frachtführer, dem nicht unbekannt sei, daß die Fracht auf der Waare ruhe, schwäche sein Pfandrecht, wenn er die Waare ohne Bezahlung hingebe und sich auf die Geltendmachung desselben innerhalb der dreitägigen Frist verlasse: er selbst gebe Kredit, es sei seine fides, wenn er in dieser Weise verfahre, es entspreche also auch vollkommen der Natur der Sache, daß er den Schaden tragen müsse, wel­ cher daraus entstehe, daß er nach Aushändigung des Guts sein Pfandrecht nicht mehr genügend zur Geltung bringen könne. Schor: jetzt stehe in der Praxis der Länder des Gemeinen Rechts die Ansicht allgemein fest, daß der Frachtführer sei­ nes Rückgriffs verlustig werde, wenn er das Frachtgut vor Bezahlung seiner An­ sprüche aüshändige, und mit Recht; denn der Absender dürfe nicht ohne Weiteres der Willkür des Frachtführers Preis gegeben werden, da er es in seiner Hand habe, alle gehoffte Sicherheit durch Aushändigung der Waaren ohne Bezahlung der Nachnahmen zu nichte zu machen. Der Art. 412 entbehre aller Konsequenz und enthalte Bestimmungen, von denen die einen diesem, die anderen jenem Systeme entnommen seien, und deshalb jetzt nur willkürlich erschienen. Um konse-

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Fünfter Titel.

führer und die Spediteure^), deS Rückgriffs gegen die Vormänquent zu sein, müsse man entweder den: soeben befürworteten Anträge stattgeben, oder sich int Prinzipe dafür entscheiden, daß der Frachtführer mit'seiner Leistung voranzugehen schuldig sei (dies ist freilich dirs allein richtige PxjWP nach den Grundsätzen über die locatio conductio operarum, welches man aus Nützlichkettsgründen nicht beibehalteu hat, d. H.), damit im letzteren Fafle der Absender fein Verfahren sowohl bei Ausführung von Bestellungen, als bet der Abrechnung mit seinen Mandanten darnach zu bemessen vermöge. Jetzt suche man den Fracht­ führer durch em scheinbares Recht zur Herausgabe der Waare an den Empfänger zu bestimmen, und wenn derselbe ohne alle rechtliche Nöthlgung sich dazu verstehe, solle plötzlich der unbefragt gebliebene Absender den Schaden tragen. — Von an­ deren Seiten wurde entgegnet: Der Antrag fei in hohem Grade bedenklich. Die entsprechenden Bestimmungen des Seerechts (Artt. 615, 627) enthielten schon für den Seeverkehr eine große Anomalie gegenüber dem bisherigen Rechte; sie wür­ den , wenn sie, wie beantragt, .auf den Landverkehr übertragen werden sollten, völlig verderblich wirken. Keine Gesetzgebung enthalte eine so" harte Bestimmung für den Frachtführer wie die beantragte. Nach althergebrachtem Rechte müsse der Frachtführer nut seiner Leistung vorangehend Hape daun aber auch wenn er nur sonst nichts versäumt habe, unbestritten wegen aller seiner Forderungen öen Re­ greß gegen den Absender, falls er von dem Empfänger nicht seine volle Befriedi­ gung erlange. Die Versammlung habe sich für ein' anderes System entschieden und habe davon ausgehen zu müssen geglaubt, daß weder der Frachtführer vor­ leisten müsse, noch der Empfänger, daß Deren Leistungen vielmehr Zug um Zug zu geschehen hättett, habe aber,' da dies für den Verkehr nut großen Unbequem­ lichkeiten verbunden fei, und um den Frachtführer zu vermögen, daß er freiwillig mit seiner Leistung vorangehe, sein Pfandrecht in der Weise erweitert, daß es fort­ dauere, weuu es innerhalb dreier Tage von der Lieferung der Güter an gerichtlich verfolgt werde. Durch diese Bestimmung werde tief in die Pfaudrechtssysteme der­ jenigen Länder einbegriffen, in welchen Pfandrechte an Mobilien nur so lange Anerkennung fänden, als sich das PfandobM in der DeteiMon des Gläubigers befinde. Einen solchen tiefen Eingriff habe nur die Erwägung zu rechtfertigen vermocht, daß es einen anderen großen Vortheil für den Verkehr zu erringen gelte, und ohne die Aussicht auf eilten so großen Vortheil würden sich die be­ treffenden Legislationen unmöglich zu teuer Erweiterung des Pfandrechts verstehen dürfen. Nehme man nun den in Rede stehenden Antrag an, so werde der Zweck, welchen die Versammlung mit jener Erweiterung habe erreichen wollen, gänzlich vereitelt, denn alsdann werde es kein Frachtführer wagen können, ohne Bezah­ lung seiner Ansprüche das Gut auszuliefern und sich auf die dreitägige Frist zu verlassen. Es würde aber um so weniger gerechtfertigt sein , in dieser Weise in das System des Entwurfs einzugreifen, als trotz aller dieser Nachtheile die Ab­ sicht des Antrages nicht einmal nut Sicherheit erreicht werden könne, z. B. dann nicht, wenn der Frachtführer die Güter wegen einer zwischen ihm und dem Em­ pfänger entstandenen Differenz deponirt habe, und die Waaren bis nach Beendi­ gung des Prozesses an Werth verloren hätten und zu einem schlechten Preise ver­ kauft werden müßten. Die Nachtheile, welche nach den von der anderen Seite erhobenen Einwendungen der Entwurf nach sich ziehe, könnten nicht den Ausschlag geben, denn sie batten bei dem oben erwähnten Prinzipe des bisherigen Rechtes, daß der Frachtführer nämlich mit seiner Leistung vorangehen müsse, noch weit leichter als bei der Bestimmung des Entwurfes eintreten können, und ließen sich überdies dadurch vermeiden, daß der Absender dem Frachtführer bei Abschließung des Frachtvertrages zur Pflicht mache, entweder nur Zug um Zug zu leisten, oder doch, wenn es'wegen Geltendmachung des Pfandrechtes zum Prozesse komme, schleunigst an ihn Nachricht hiervon gelangen zu lassen. Dadurch könne sich der Absender eben sowohl wegen seiner Abrechnungen als wegen der Nachnahmen decken. (Zusammenstellung rc. S. 79, Nr. 475; Prot. S. 4762 ff.) 47) Es entspricht der hergebrachten Auffassung des Haudelsstandes, daß nicht nur der Frachtführer selbst, sondern auch diejenigen Spediteure und früheren Frachtführer, die ihm ihre Forderung anvertraut hätten, ihren Rückgriff verlie-

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Vom Frachtgeschäfte überhaupt.

ner48) verlustig 49).

Der Anspruch gegen den Empfänger ^o) bleibt

in Kraft.

Art. 413. Der Absender5*) und der Frachtführer können Übereinkommen, daß der letztere dem ersteren einen Ladeschein ausstellt. Der Ladeschein ist eine Urkunde, durch welche der Frachtführer

sich zur Aushändigung des Guts verpflichtet62). ren, wenn der Erstere dem Empfänger ohne die erforderliche Vorsicht ausgeliefert hat; das Risiko aus einem solchen Vertrauen kann mit Grund nur die Krediti-

renden treffen. (Prot. S. 843.) 48) Mit dem Ausdrucke „Vormänner" sollen sowohl der Absender, beziehlich der Versender (Anm. 51), als die Zwischenspediteure und ebenso die früheren Frachtführer getroffen werden; es soll damit jeder, der dem Frachtführer regreß­ pflichtig ist, zu verstehen sein.

(Prot. S. 845.)

49) Nur die Regreßansprüche aus dem Frachtkontrakte, nicht aber die aus sonstigen civilrechtlichen Gründen, namentlich ans der Bereicherung z. B. in den­ jenigen Fällen, in welchen der Transport auf Rechnung des Absenders geht, sind verloren. (Prot. S. 845, 4763, 4765.) Vergl. Art. 627. 50) Und der Anspruch der Spediteure und früheren Frachtführer gegen den letzten Frachtführer aus dem Mandatsverhältnisse (Art. 410, Abs. 1). (2. A.) Auch gegen den int Frachtbriefe bezeichneten Empfänger, wenn dieser das Frachtgut weiter' verkauft und der Frachtführer dasselbe an den Käufer ab­ geliefert hat, ohne dabei wegen Bezahlung des Frachtlohns und seiner Auslagen sein ihm gesetzlich an der Labung zustehendes Pfandrecht geltend zu machen, bleibt der Anspruch in Kraft. Erk. des Obertr. v. 27. Februar 1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXII, S. 171). 51) Das Gesetz unterscheidet regelmäßig zwischen Absender und Versender. Im kaufmännischen Verkehre versteht mail irr der Regel unter dem Versender den­ jenigen, für dessen Rechnung der Frachtvertrag abgeschlossen wird (dominus nego­ tii), denjenigen aber, der den Frachtvertrag abschließt, nennt man gewöhnlich den Absender. (Prot. S. 844.) Beide können in Einer Person zusamnlentreffen.

52) Der Ladeschein ist wesentlich der Frachtbrief in etwas veränderter Form und wurde im preuß. Entwürfe auch so genannt; man hat dafür in der ersten Berathung den Namen „Ladeschein" angenommen. Es ist eine formelle Verpflichtnngsurkünde und unterscheidet sich von dem gewöhnlichen Frachtbriefe wesentlich dadurch, daß er von dem Frachtfuhrmanne unterschrieben ist (Art. 414, Abs. 2) und dessen Versprechen enthält (Art. 413, Abs. 2), die geladene Waare an den Inhaber der Urkunde auszuliefern. Neben demselben soll es llicht auch noch der Ausstellung eines Frachtbriefes bedürfen, doch ist er nicht untersagt. (Protok. S. 848.) Das Institut der Ladescheine, dem im Seeverkehre üblicher: Konnosse­ mente zu dem Zwecke nachgebildet, um auch über die auf dem Land -, Fluß - oder Binnensee-Transporte befindlichen Waaren ein negoziables Papier zu schaffen, ist ganz neu eingeführt und in den Artt. 413 —419 nothdürftig geregelt. Ob die Sache schon früher vorgekommen und ein Bedürfniß sei, darüber ist man in der Versammlung nicht einverstanden gewesen. In zweiter Lesung wurde die Einfüh­ rung des Instituts von mehreren ©eiten bekämpft. Der Abg. für Bremen sagte: So ersprießlich und daher Wünschenswerth (ins den ersten Anblick es scheine, die durch Gebrauch und Gesetz für Seeversendungen mittelst Konnossemente eingeführ­ ten Grundsätze auf Land- und Flußversendungen auszudehnen und das, was dort durch Konnossemente bewirkt werde, hier durch Ladescheine zu vermitteln, so erheb­ lich seien doch die gegen diese Neuerung laut gewordenen Bedenken. Zunächst habe

sich noch kein allgemeines Bedürfniß zu einer solchen Neuerung gezeigt; sodann würden die Eisenbahn- und Dampfschifffahrts-Verwaltungen sich wahrscheinlich den vorgeschlagenen Normen nicht unterwerfen, vielmehr lieber eine solche Ver-

Koch, A. D. Handelsgesetzbuch. 2. Ausl.

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

Art. 414. Der Ladeschein enthält:

1) die Bezeichnung der geladenen Güter nach Beschaffenheit, Menge und Merkzeichen; bindungsweise ablehnen. Diese Anstalten aber zögen den Land - und Flußtransport immer mehr an sich, und so würden jene Normen immer weniger zur An­ wendung kommen. Für diejenigen Personen aber, welche noch übrig blieben, Fuhrleute und Flußschiffer, seien die gedachten Bestimmungen zu komplizirt und zu schwer zu handhaben; diese Leute betrieben ihr Geschäft vielfach durch Knechte und Setzschiffer, welche oft kaum lesen und schreiben könnten, und so seien denn Versehen und Verwickelungen, die der Herr zu entgelten habe, nur zu sehr zu befürchten, zumal wenn Duplikate rc. und Ladescheine an Ordre oder an die Ordre des Absenders zulässig seien. Ueberdies liege es nahe, welcher Mißbrauch mit solchen Ladescheinen getrieben werden könne, insbesondere bei drohenden Fallisse­ ments, da hier häufig ganz andere Persönlichkeiten und Verhältnisse in Frage kämen, als bei Seeversendungen; bei diesen aber habe nur das Bedürfniß zu den für Konnossemente geltenden Normen geführt, der Gebrauch sei den Gesetzen vorangegangen, während der Entwurf den entgegengesetzten Weg einschlaae; die Konnossemente verdankten dem Bedürfnisse und der Nothwendigkeit, sich ihrer zu bedienen, ihre Entstehung, und der dem Seehandelsverkehre daraus erwachsende Nutzen gleiche den mit einem solchen Institute immer verknüpften Nachtheil nicht bloß aus, sondern überwiege ihn, während ein durchgreifendes Bedürfniß für La­ descheine sich noch nicht gezeigt habe, und es mindestens noch sehr problematisch sei, ob nicht der Nachtheil den Vortheil überwiegen werde. Dessenungeachtet wurde die Beseitigung der betreffenden Artikel nicht beantragt, um der öffentli­ chen Meinung Gelegenheit zu geben, sich auszusprechen, wohl aber wurden fol­ gende Modifikationen des Entwurfs von dieser Seile vorgeschlagen: 1. Es müsse der freien Vereinbarung der Betheiligten überlassen bleiben, ob sie sich der Lade­ scheine bedienen wollten; erwiesen sie sich als zweckmäßig, so würden sie sich wie die Konnossemente Bahn brechen. (Daher Art. 413, Abs. 1.) 2. Das Institut müsse so regulirt werden, daß es zwar benutzt werden könne, einer Ausartung aber und einer Gefährdung des Frachtführers und des Publikums möglichst vor­ gebeugt werde; daher a) Duplikate u. s. w. nicht zuzulassen seien. (Demgemäß ist aus dem Art. 319 des preuß. Entwurfs und aus dem Art. 348 des Red.Entw. die Bestinimung, daß der Frachtführer dem Absender so viele Exemplare, wie er verlange, auszuhändigen habe, gestrichen worden, ohne das proponirte Verbot der Duplikate aufzunehmen. (Art. 414, Abs. 3.) b) Eben so wenig La­ descheine an Ordre oder solche, worin der Absender selbst als Empfänger bezeich­ net sei. (Dieser Grundsatz ist nicht ausgenommen. sArt. 414, Nr. 4]'.) 3. Die Sache müsse jedenfalls so regulirt werden, daß der Frachtführer am Bestim­ mungsorte Jemand vorfinde, an welchen er das Frachtgut abliefern dürfe, wenn der Inhaber des Ladescheines sich nicht zeitig melde, welche Person nicht gerade der eigentliche Empfänger zu sein brauche, Andern ein Dritter sein könne, daher im Ladescheine ein solcher Dritter anzugeben und vom Absender dem Frachtführer eine unterzeichnete Kopie des Ladescheins zu ertheilen sei, Alles vorbehaltlich der Rechte des Inhabers des Ladescheins. (Diesem Vorschläge entsprechen die Artt. 414, Abs. 3 und 417 in Verbindung mit 419 u. 407.)' Endlich 4. müsse der Frachtführer seiner selbst und der Zollbehörde wegen ein vom Absender unter­ zeichnetes Dokument in Händen haben, ein Frachtbrief aber neben einem Lade­ scheine würde leicht große Verwirrung veranlassen, daher ein anderes Surrogat bevorwortet werde. '(Art. 414, Abs. 3.) — Der Abg. für Hamburg aber schlug vor, die in Rede stehenden Artikel gänzlich zu streichen, und bemerkte hierzu: Der Gesetzgeber dürfe nicht experimentiren, sondern habe nur das bestehende Recht zu registriren. Diesen Grundsätzen handle man aber durch Aufnahme der er­ wähnten Artikel geradezu entgegen, da ihr Inhalt noch nirgends als bestehendes Recht betrachtet werden könne. Eine Uebertragung der vom Seetransporte gel­ tenden Bestimmungen aus den Landtransport werde großen Anstand erregen und

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Vom Frachtgeschäfte überhaupt.

2) den Namen und Wohnort des Frachtführers; 3) den Namen des Absenders; den ganzen Stand der kleineren Frachtführer ruiniren. Während die Eisenbah­ nen sich kaum zur Ausstellung von Ladescheinen verstehen würden, somit gerade für das große Bereich von Frachtgeschäften aus der Einführung des Institutes der Ladescheine der beabsichtigte Nutzen nicht erwachsen würde , fei von dem klei­ nen Frachtführer, der seine 'Verpflichtungen aus dem Ladescheine gar nicht beur­ theilen, dem das Institut also nur verderblichen Schaden bringen könne, leicht eine Unterschrift zu erlangen. Deshalb könne auch darin keine ausreichende Vor­ sorge gefunden werden, daß die Ausstellung von Ladescheinen nicht zu einer Pflicht der Frachtführer, sondern von ihrem freien Willen abhängig gemacht werde. Man könne sich ferner nicht darauf berufen, daß durch die Konnossemente auch beim Seehandel keine so großen Mißstände entstanden seien, wie sie hier befürchtet wür­ den, denn die Konnossemente würden von einem geprüften Obersteuerwanne ge­ zeichnet, vom Untersteuermanne und vom Kapitän kontrolirt, also dort das Intitut von Leuten gehandhabt, welche seine Wirkungen zu beurtheilen im Stande eien. Beim Seehandel würden die Waaren überdies in dem einzigen Gefäße, in welchem sie einmal verladen worden, voni Abgangsorte an den Bestimmuuasort gebracht, während beim Landtransporte Umladungen u. dergl. vorkämen, Die den Waaren sehr gefährlich seien. Man müsse dem Alleni zufolge dringend gegen Ausnahme der vorgeschlagenen Bestimmungen über die Ladescheine in das Handels­ gesetzbuch warum. — Bon einer anderen Seite wurde der Antrag auf Streichnng der fraglichen Artikel mit dem Bemerken unterstützt, daß mit Ausstellung eines Ladescheines, der eine fornielle Verpflichtung für den Frachtführer enthalte, dem Frachtführer eine Reihe von Einreden abgeschnitten werde, während er in der Regel im Voraus die Bedeutung dieses Unistandes zu würdigen nicht im Stande sei. Ferner wurde beinerkt, der Eüiwand, daß schon jetzt an manchen Orten, und namentlich bei dem Transporte auf Flüssen solche Verpflichtungsscheine vor­ gekommen seien, wie sie hier zur Frage ständeii, daß also der Vorwurf eines blo­ ßen Experimeutirens hier nicht zutreffe, sei üt keiner Weise begründet; denn wo die Ladescheine auch vorgekomnien sein möchten, niemals Hütten dieselben die Gel­ tung und rechtlichen Wirkungen der Konnossemente für die Frachtführer gehabt, am allerwenigsten aber dann, wenn die Sache zur Entscheidung der Gerichte ge­ langt sei. —' In der Debatte über diese Anträge gab sich jedoch mehrfach die Ansicht kund, daß die geäußerten Befürchtungen' nicht in dem behaupteten Maße begründet seien; von anderen Seiten wurden die verschiedenen Mittel und Wege besprochen, durch welche nach Ansicht der betreffenden Abgeordneten das Institut der Ladescheine zwar erhalten, aber vorerst und bis es sich praktisch bewährt ha­ ben würde, in einer Weise beschränkt werden könnte, daß es die angegebenen Nach­ theile nicht im Gefolge hätte. Insbesondere brachte der österreichische Abgeordnete zu Gunsten des Institutes der Ladescheine Folgendes vor: Es könne zuvörderst wohl nicht in Abrede gestellt werden, daß der auf Binnengewässern durch Dampf­ schiffe vermittelte Verkehr in der hier in Frage stehenden Richtung dem See­ verkehre vollständig oder doch nahezu gleich komme. Denn die Dampfschiffe auf Flüssen und Landseen böten in Bezug auf ihre Kapitäne, auf den Ober- oder Untersteuermann dieselben Garantien, welche hinsichtlich der Transportvermitte­ lung durch Seeschiffe so eben erst geltend gemacht worden. Was daher hinsichtlich der Konnossemente und ihres Nutzens für den Verkehr, sowie ihrer Unbedenklich­ keit anerkannte Thatsache sei, das gelte analog auch von den Ladescheinen, in so­ weit dieselben bei Dampfschiffen auf Flüssen und Binnenseen Anwendung zu fin­ den haben. Denn der Ladeschein sei ja nur eine andere Benennung für das Konnossement und vertrete beim Binnenhandel die Stelle des beim 'Seehandel unter dem Namen Konnossement bekannten Verpflichtungsscheines. Bedenke man aber die langen Strecken, welche auf den: Rheine, der Elbe, der Donau und anderen Flüssen der deutschen Bundesstaaten durch Dampfschiffe befahren werden, erwäge man ferner den bereits gegenwärtig großartigen Umfang des durch die Dampfschiffe vermittelten Verkehrs und dessen voraussichtliche Steigerung, so scheine es bedauerlich, wenn diesem Verkehre versagt würde, was dem'maritimen

39 *

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

4) den Namen desjenigen, an den oder an dessen Drbre53 * * )*54 *das *55 ****************

Gut abgeliefert werden soll.

Als solcher ist der Absender zu ver­

stehen, wenn der Ladeschein lediglich an Ordre gestellt ist; 5) den Ort der Ablieferung;

6) die Bestimmung in Ansehung der Fracht;

7) den Ort und Tag der Ausstellung; Der Ladeschein mußs 4) von dem Frachtführer unterzeichnet sein.

Der Absender hat dem Frachssührer auf dessen Verlangen eine von ihm unterzeichnete gleichlautende Kopie des Ladescheins auszu­ händigen3^). Verkehre schon seit langer Zeit und mit anerkanntem Erfolge gewährt worden sei. Uebrigens seien auch größere Segelschiffe sowohl auf dem Rheine als auf anderen europäischen Flüssen und Landseen eben keine Seltenheit und auch bei ihnen könne man mit Grund voraussetzen, daß der Schiffer, Kapitän oder Steuermann sich mit den Ladescheinen ebenso zurecht finden werde, als der Seeschiffer mit den Konnossementen. Eine ähnliche Voraussetzung finde übrigens wohl auch bei Ei­ senbahnunternehmungen Platz. Der gewöhnliche Fuhrmann aber könne ja nöthigenfalls die Uebernahme von Frachten nur unter der Bedingung eingehen,' daß er keine Ladescheine ausstellen dürfe, die geäußerte Besorgniß aber, daß er durch die Verweigerung derartiger Frachten in seinem Verdienste zu Schaden kommen könne, beweise gerade, daß das Institut der Ladescheine großen Anklang zu finden und dergestalt allgemein zu werden verspreche,'daß auch der gewöhnliche Fuhr­ mann sich der Uebernahme von Frachten unter Ausstellung von'Ladescheinen nicht Wohl werde entziehen können. Die durch Ladescheine übernommene Verpflichtung des Frachtführers werde aber offenbar überschätzt, wenn man sie zumal im Ver­ gleiche zu der Verpflichtung, welche jeder Frachtvertrag auferleae, als eine unge­ wöhnliche oder als eine nicht gemein verständliche bezeichne. — Nach dem Schluffe der Debatte wurde der Antrag auf Stteichung der fraglichen Artikel mit 9 ge­ gen 4 Stimmen abgelehnt. (Prot. S. 1240 — 1245.) Zur dritten Lesung war derselbe Antrag wieoer eingebracht worden; die Streichung wurde jedoch aber­ mals, jetzt mit 10 gegen 3 Stimmen abgelehnt. (Prot. S. 4766 —4768.)

53) Nicht jeder Ladeschein, sondern nur derjenige, welcher an Ordre lautet, ist für mdossabel erklärt. Art. 302. (Prot. S. 2208.) 54) Er muß unterzeichnet sein, sonst ist er kein gültiger Ladeschein. Die Unterschrift ist sonach, außer der Verpflichtungserklärung Art. 413, Abs. 2, bas einzige wesentliche Erforderniß des Ladescheins. In den früheren Berathungen dieses Art. ging die Absicht der Versammlung dahin, die Momente festzusetzen, welche jedenfasts in einem Ladescheine enthalten sein müßten, wenn derselbe Gül­ tigkeit haben solle. Deshalb lautete die erste Zeile des Art. (386) im Entw. aus zweiter Lesung: „Der Ladeschein muß enthalten". Zur dritten Lesung war aber in einer Erinnerung Hamburgs der Antrag gestellt worden, dafür zu setzen: „Der Ladeschein enthält", aus denselben Erwägungen, aus welchen man im See-^ rechte, Art. 645, die gleiche Fassung des Konnossements beschlossen habe, um eine Festsetzung der unerläßlichen Bestandtheile eines gültigen Konnossements zu vermeiden. Alle in Beziehung auf das Konnossement (Prot. S. 2210 ff.) vorge­ brachten Erwägungen kämen auch hier in Betracht. Es sei, ebenso wie dies beim Konnossemente' geschehen, rathsam, dem Richter anheimzugeben, zu entscheiden, ob eine im konkreten Falle vorliegende Urkunde noch ein Ladescheingenannt wer­ den könne, obschon dieses oder jenes der im Artikel aufgeführten Momente nicht darin enthalten sei, oder nicht. Dies scheine um so angemessener, als in diesem Art. gerade das wesentlichste Moment, daß nämlich der Ladeschein die Erklärung des Frachtführers enthalten müsse, er verpflichte sich dem Destinatär zur Auslie­ ferung des Guts, nicht berührt worden sei, sondern sich im Art. 413, Abs. 2 verzeichnet finde. — Hierauf wurde der Antrag angenommen^ (Prot. S. 4770.) 55) Vergl. Art. 644, Abs. 3.

Vom Frachtgeschäfte überhaupt.

613

Art. 415. Der Ladeschein entscheidet für die Rechtsverhältnisse zwischen dem Frachssührer und. dem Empfänger des ®ut866); die nicht in

denselben aufgenommenen Bestimmungen des Frachtvertrags haben gegenüber dem Empfänger6 6 a) keine rechtliche Wirkung, sofern nicht

auf dieselben ausdrücklich Bezug genommen ist. Für die Rechtsverhältnisse zwischen Frachtführer und Absender bleiben die Bestimmungen des Frachtvertrags maßgebend.

Art. 416. Wenn der Frachtführer einen Ladeschein ausgestellt hat, darf er späteren Anweisungen des Absenders wegen Zurückgabe oder Auslie­

ferung des Guts an einen anderen als den durch den Ladeschein legitimirten Empfänger nur dann Folge leisten, wenn ihm der Lade­ schein zurückgegeben toirb67).

Handelt er dieser Bestimmung entge-

56) Hier folgen in dem entsprechenden Art. des Seerechts 653 die Worte: „insbesondere muß die Ablieferung der Güter an den Empfänger nach Inhalt des Konnossements erfolgen". Diesen Satz hat man hier nicht ausgenommen, um die Frage, wie weit der Frachtführer den Ladeschein in Beziehung auf die Rich­ tigkett desselben zu vertreten schuldig sei, der Beurtheilung nach den Umständen der einzelnen Fälle anheimzugeben. Eine analoge Anwendung der Artt. 654 u. 655 ist hier nicht berechtigt, da diese ein zusammengehöriges Ganzes mit den Be­ stimmungen über die üblichen Klauseln, wie z. B. die Klausel „Inhalt unbekannt", deren sich der Schiffer behufs Ablehnung einer ungeeigneten Haftbarkeit bedienen kann, bilden und btefe Bestimmungen unter die Vorschriften über den Ladeschein nicht mit ausgenommen worden sind. (Prot. S. 4773.) Vergl. Anm. 161 zu Art. 653. Der Grundsatz des Art. 649 des Seerechts gilt nicht für den Verkehr mit Ladescheinen, deshalb ist eine ähnliche Bestimmung des Entw. aus zweiter Lesung (Art. 388) noch in dritter Lesung gestrichen worden. (Ebd. S. 4774.)

56 a) (2. A.) Wohl aber gegenüber dem Frachtführer zum Vortheil des Em­ pfängers. Wenn daher in dem Frachtverträge die Fracht niedriger bedungen ist, als der Ladeschein besagt, so kann der Empfänger sich allerdings daraus berufen. Auch ist dem Frachtführer die Berufung auf den Inhalt des Ladescheins dann nicht gestattet, wenn der Frachtvertrag, auf welchen der Ladeschein sich gründet, und sonach dieser selbst durch ein späteres Abkommen zwischen dem Absender und dem Frachtführer aufgehoben und die Fracht ausdrücklich herabgesetzt worden ist. E''k.*des Obertr. vom 10. Oktober 1865 (Entsch. Bd. LV, S. 152).

57) Bei einem einfachen Frachtbriefe darf der Absender das Frachtgut so lange zurücksordern, als der Frachtführer dem Empfänger gegenüber sich nicht ge­ mäß der Bestimmung des Art. 402 verpflichtet hat. Durch Ausstellung und An­ nahme des Ladescheins wird das Dispositionsrecht des Absenders beschränkt; die Beschränkung fällt erst dann wieder weg, wenn alles auf den Stand vor Aus­ stellung dieses Scheines zurückgeführt worden ist. Der Fall ist derselbe wie der­ bes Art. 661; es muß zuvor der Ladeschein und das etwa ausgestellte Duplikat zurückgegeben werden, und kann es, wie im Seeverkehre, bei eiuem nicht auf Ordre läutenden Ladescheine genügen, wenn der in demselben bezeichnete Empfän­ ger in die Zurückgabe der Güter "williget. (Vergl. Art. 661, Abs. 3.) Ueber die Ausstellung von Duplikaten des Ladescheins hat man nichts in das Gesetz aufneh­ men , sondern die ganze Lehre der Jurisprudenz anheimgeben wollen, was um so angemessener erschienen ist, als bis dahin Duplikate der Ladescheine in der Praxis, wie man meinte, nicht leicht vorgekommen sein dürften. Uebrigens wurde die Zu­ lässigkeit der Analogie der Bestimmungen über das Konnossement für die Beur--

614

Viertes Buch.

Fünfter Titel.

gen, so ist er dem rechtmäßigen Inhaber des Ladescheins für das

Gut verpflichtet.

Art. 417. Zum Empfange des Guts legitimirt ist derjenige, an welchen das Gut nach dem Ladescheine abgeliefert werden soll, oder auf wel­

chen der Ladeschein, wenn er an Ordre lautet, durch Indossament übertragen ist67 a).

Art. 418. Der Frachtführer ist zur Ablieferung des Guts nur gegen Rück­

gabe des Ladescheins, auf welchem die Ablieferung des Guts zu be­ scheinigen ist, verpflichtet58 * * ).*59 * *60 ** Art. 419. Im Uebrigen kommen die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Frachtführers auch in dem Falle zur Anwendung, wenn

ein Ladeschein ausgestellt ist"). Art. 420. Wenn ein Kaufmann, dessen gewöhnlicher Handelsbetrieb sich nicht auf die Ausführung von Frachtgeschäften erstreckt, in einem einzelnen Falle einen Transport von Gütern zu Land oder auf Flüs­

sen und Binnengewässern auszuführen übernimmt, so kommen die Bestimmungen dieses Titels auch in Bezug auf ein solches Geschäft zur Anwendung8"). theilung der Duplikate der Ladescheine nicht allgemein zugegeben. 1248, 4775.)

(Prot. S. 1246,

57») Die Form des Indossaments wird zwar auch zur Uebertragung eines nicht an Ordre lautenden Ladescheins gebraucht und legitimirt zum Empfange eben so gut wie eine Session, aber das Indossament hat hier auch nur die Bedeutung und Wirkung einer Session oder Vollmacht und der Schiffer muß bei der Prü­ fung vorsichtig sein. Vergl. unten, Anm. 155 zu Art. 647.

58) Dieser Art. steht mit dem Art. 647, Abs. 2 in Einklang. Lautet der Ladeschein nicht an Ordre, so legitimirt ein Indossament nicht, es muß dann eine förmliche Session des genannten Empfängers auf den Inhaber des Ladescheins beigebracht werden.

59) Vergl. Art. 652. (2. A.) Nicht aus dem Besitze des Ladescheins für sich allein, vielmehr nur in Verbindung mit der Annahme der darin verzeichneten Ladung ist für den Schiffer dem Dritten gegenüber das Recht herzuleiten, ihn wegen verweigerter, beziehungsweise verzögerter An- und Abnahme der Ladung auf Entschädigung durch Zahlung von Liegegeldern zu belangen. Erk. des Obertr. vom 28. No­ vember 1865 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LX, S. 283). Vergl. oben, Art. 406 und Anm. 31 dazu, und unten, Art. 615. 60) Vergl. oben, Art. 378 und die Anm. dazu. Das A. L.R. bestimmte in den §§.2458 u. 2459, daß das Verhältniß zwischen Privatfuhrleuten, ingleichen Fußboten, und denjenigen, welche sie ge­ dungen haben, nach den Vorschriften der §§. 869 — 920, I, 11 zu beurtheilen sei, daß dergleichen Leute jedoch für allen Verlust oder Schaden zu haften hätten, welcher durch ihr oder ihrer Leute wenn auch nur geringes Versehen verursacht

Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere.

615

Art. 421. Die Bestimmungen dieses Abschnitts finden auch Anwendung auf Frachtgeschäfte von Eisenbahnen und anderen öffentlichen Trans­

portanstalten. Sie gelten jedoch für die Postanstalten nur insoweit, als nicht durch besondere Gesetze oder Verordnungen für dieselben ein Anderes

bestimmt ist. Für die Eisenbahnen kommen ferner die Bestimmungen des fol­ genden Abschnitts zur Anwendung.

Zweiter Abschnitt. Bon dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere"). Art. 422. Eine Eisenbahn, welche dem Publikum zur Benutzung für den worden. Hierzu hat das Obertribunal folg. Satz festgestellt: „Wer den Trans­ port von Sachen gegen Lohn übernimmt, ist im Sinne der §§. 2458, 2459 als Privatfuhrmann zu betrachten, Wenner auch nicht das Gewerbe eines Fuhrmanns treibt." Pr. 1648, vom 14. November 1845 (Jur. Wochenschr. 1846, S. 277.) Der Satz hat nach Art. 420 keine Geltung mehr, wenn der betreffende Fuhr­ mann nicht Kaufmann ist. 61) Gegen die Annahme und Einführung dieses Abschnittes waren in beiden Häusern zwei Petitionen eingegangen, in welchen die Bestimmungen desselben nach zwei entgegengesetzten Seiten angegriffen wurden, einerseits, weil sie den Eisen­ bahnen zu weit reichende Verpflichtungen, andererseits, weil sie denselben nicht ausreichende Verpflichtungen auferlegen sollen. Ersteres ward in einer Kollektiv­ petition der Direktionen der meisten preußischen Privateisenbahnen vom 3. Mai 1861 (welcher eine Denkschrift über den Einfluß des Entwurfs zum A. D. H.G.B. auf den deutschen Eisenbahnverkehr, von H. F. L. Augustin, d. d. Potsdam, im April 1861 zur Seite stand), behauptet. Darin wurde die Befürchtung ausge­ sprochen: die den Eisenbahnen auferlegte Verantwortlichkeit mit Beschränkung der Befugniß, solche durch freie Uebereinkunft zu modifiziren, werde eine Hemmung des dem Publikum sehr nützlichen direkten, mehrere Bahnen durchlaufenden Ver­ kehrs bewirken. Es wurde angedeutet, daß sie zu einer illiberalen Behandlung des Publikums gezwungen sein würden, und erachteten sich gehindert, Tarisermäßigungen für Massentransporte eintreten zu lassen, sowie für Gepäck- und Eil­ gutverkehr, desgleichen für Güter nach nicht an der Bahn gelegenen Orten, besM)ere Bedingungen vorzuschreiben. Nach der entgegengesetzten Richtung wurde in einer Petition der Handelskam­ mer zu Köln v. 4.'Mai 1861 behauptet, daß den Eisenbahnen keine ausreichenden Verpflichtungen auserlegt seien. Man führte aus: die Artt. 422—431 begünstig­ ten die Eisenbahnen und benachtheiligten das Publikum. Insbesondere' sei ein Mißbrauch der Bestimmung zu befürchten, daß den Eisenbahnen gestattet sei, Gü­ ter zurückzuweisen, welche'sich nach den Einrichtungen und der Benutzungsweise der Bahn zum Transporte nicht eignen (Art. 422, Nr. 1), sowie Güter, zu deren Transporte die regelmäßigen Transportmittel der Gesellschaft nicht genügen (ebd. Nr. 3). Die Kommission des Herrenhauses trug jedoch darauf an, durch die unver­ änderte Annahme des vorgelegten Entwurfs des H.G.B. diese Petitionen für er­ ledigt zu erachten. Zur Begründung dieses Antrages trug sie Folgendes vor: „Die Eisenbahngesellschaften sind Eigenthümer einer zum allgemeinen Gebrauche bestimmten Bahn, zu deren Anlage sie nur vermöge eines Akts der Staatsge­ walt, insbesondere durch Verleihung des Rechts zur Expropriation gelangen könn-

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

Gütertransport eröffnet ist, kann die bei ihr nachgesuchte Eingehung ten; zugleich besitzen sie faktisch das Monopol des Transports auf dieser Straße. In beiden Beziehungen ist es unerläßlich, ihnen von Staats wegen Verpflichtun­ gen aufzuerlegen, wodurch die Benutzung der Straße und der Transportanstalten ein gleiches Recht für Alle wird. Die Festsetzung solcher Verpflichtungen kann bei der Konzessionirung der Bahn geschehen. Bei den hierdurch möglicherweise ent­ stehenden großen Verschiedenheiten in den einzelnen deutschen Staaten kann es in­ dessen nur gebilligt werden, wenn das Handelsgesetzbuch versucht, einen gewissen Theil der Verpflichtungen und Berechtigungen der Eisenbahngesellschaften, die sich auf die Frachtunternehmung beziehen, allgemein festzustellen. — Der Regelung des Frachtgeschäfts der Eisenbahnen und der Folgen ihrer Frachtverträge durch die Gesetzgebung des Staats steht zu Gunsten der Eisenbahnen weder eine angebliche Autonomie, noch ein erworbenes Privilegium entgegen. Daß diese Regelung für ganz Deutschland erfolge, ist überdies ein durch vielfache Prozesse und oft sehr ent­ gegengesetzte Urtheilssprüche an den Tag getretenes Bedürfniß. In den Artt. 421 bis 431 ist diese Regelung erfolgt. Den Eisenbahnen ist danach im Allgemeinen nicht gestattet, den Frachttransport zu verweigern und sich durch Vertrag der Ver­ antwortlichkeit für entstehenden Schaden und verspätete Lieferung zu entziehen (Artt. 422 u. 423); durch eine Reihe von Ausnahmen wird dieses Verbot aberbeschränkt, erläutert oder gemildert (Artt. 424—431). Der Inhalt der Artt. 422 bis 431 entspricht deshalb nicht den Wünschen der Eisenbahngesellschaften, weil sie als Frachtunternehmer das Streben haben, sich die Freiheit des Vertrages, deren jeder andere Transportunternehmer genießt, möglichst zu wahren, obgleich die Befrachter faktisch ihrerseits nicht in der Lage sind, sich den von den Eisenbahnen vorgeschriebenen Bedingungen zu entziehen. Er entspricht andererseits nicht den Wünschen der Handelskammer zu Köln als Or­ gan von Versendern, weil diese das Streben haben, die von allen Waarentransporten untrennbaren Gefahren, Verluste und Zufälle von sich abzuwälzen, und von dem öffentlichen, an Taris und Reglement gebundenen, Unternehmer so viel und selbst mehr zu erreichen, als von dem Fuhrmanne oder Schiffer, der die Freiheit hat, Bedingungen zu genehmigen oder abzuändern, der insbesondere nicht gehindert ist, sich allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen durch Vertrag zu entzie­ hen. Die Artt. 422—431 enthalten wenige Bestimmungen, welche nicht zugleich vou beiden Standpunkten aus beanstandet werden könnten. Wenn gleich hieraus noch nicht folgt, daß in diesen Bestimmungen durchweg die rechte Mitte getroffen worden ist, so darf doch behauptet werden, daß die Artt. 422—431 keine mit Grund geltend zu machenden Ausstellungen von solchem Gewichte veranlassen, um auf Annahme oder Nichtannahme dieses Theiles des Gesetzbuchs und folgeweise des ganzen Gesetzbuchs Einfluß äußern zu können. Sie gewähren sowohl den Eisenbahnen als dem Publikum in mehrfacher Beziehung besseren Schutz, als diese bisher genossen haben, und wo sich in der Erfahrung Uebelstände ergeben sollten, wird der Verkehr in sich selbst einfache Mittel der Abhülfe finden. Unablässig wird dazu mitwirken, was durch keine Gesetzgebung geändert werden kann, daß im Wesentlichen die Interessen der Eisenbahngeselpchasten und diejenigen des Pudnkums identisch sind." „Der Inhalt der Petitionen, welche von den oben angedeuteten, diametral entgegenstehenden Standpunkten ausgehen, ist, wie die Regierungskommiffarien versichern, und wie auch aus den Berathungsprotokollen fich ergiebt (vergl. Nürnb. Protok. S. 787, 827—830, 1230 u. 1231, 4671 u. folg., 4778 u. folg.), bei der Handelsrechtskonserenz bereits wiederholt zur Sprache gekommen, und Gegenstand reiflicher Berathung gewesen, insbesondere auf den Grund einer Reihe von sehr ausführlichen Denkschriften, Anträgen und Berichten, welche von beiden Seiten ausgegangen sind. Die Handelskonferenz hat auf Grund dieser Berathung die Ueberzeugung gewonnen, daß durch die Artt. 422—431 die rechte Mitte Nnrklich getroffen worden. Die Regierungskommiffarien haben in dieser Beziehung noch hervorgehoben: Eine erhebliche Störung des direkten Verkehrs sei, nach der durch die Verhandlungen und anderweit zur Kenntniß gekommenen Sachlage, in Folge der getroffenen Bestimmungen ebenso wenig zu befürchten, als eine Benachtheiligung und ungebührliche Belästigung des Publikums daraus hervorgehen werde.

Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere.

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eines Frachtgeschäfts für ihre Bahnstrecke nicht verweigern62 * * ), * * *in*­*

sofern 1) die Güter, an sich ob«63) vermöge ihrer Verpackung, nach

den Reglements, und im Falle die letzteren fehlen oder keinen Anhalt gewähren, nach den Einrichtungen und der Benu­

tzungsweise der Bahn zum Transporte sich eignen, Beide Theile, die jetzt von einseitigen Standpunkten ausgingen, und lediglich von diesen Standpunkten den Entwurf beurtheilten, würden sich auch durch die Erfah­ rung überzeugen, daß die Bestimmungen des Entwurfs in der That der Natur des Verhältnisses entsprechen, und beiden entgegenstehenden Richtungen gleichmäßig gerecht werden." (Kommiss.-Bericht v. 21. Mai 1861, S. 15, Nr. 2.) Die Kommission des Hauses der Abgg. faßte einen ganz gleichen Beschluß und Antrag. (Bericht ders. v. 22. Mai 1861, S. 16.)

62) Der Grund, warum die hier folgenden Beschränkungen nur den Eisen­ bahnen und nicht auch den sonstigen größeren Transportanstalten, als Dampsschifffahrtsunternehmungen u. dgl. aufgelegt worden sind, ist, daß nur die Eisenbah­ nen und nicht die sonstigen größeren Transportanstalten ein faktisches Monopol zur Ausführung von Frachtgeschäften in einer gewissen Richtung haben, somit die ratio legis nicht vorhanden ist, auf welcher den Eisenbahnen gegenüber die Auf­ nahme der beschränkenden BestimmuMn beruhen. Die Eisenbahnen hätten, wie hervorgehoben wurde, das faktische Monopol nicht selten durch die drückendsten Reglements zum Schaden des Publikums gemißbraucht; gegen die Leitung andeder Transportanstalten seien nicht wie gegen die Eisenbahnverwaltungen von Sei­ ten des Publikums wegen Verkürzung seiner Interessen Klage geführt worden, und deshalb würde die Ausdehnung der Beschränkung der Vertragsfreiheit, da das Publikum nur gegen den Mißbrauch des faktischen Monopols der Eisenbah­ nen zu schützen sei, auf andere dergleichen Transportanstalten über das Bedürf­ niß hinausgehen und mit der ursprünglichen Absicht der Versammlung in Wider­ spruch stehen. (Vergl. Prot. S. 829, 1230, 4779.) Der Eingang des Art. enthält den für nothwendig gehaltenen Satz, daß eine Eisenbahn, welche dem Publikum zur Benutzung für den Gütertransport eröffnet worden, regelmäßig einen bei ihr nachgesuchten Transport von Gütern innerhalb ihres Bahnbezirks nicht verweigern dürfe, weil sonst in der willkürlichen Zurück­ weisung der Güter des einen öder des anderen Absenders ein indirektes Mittel zu Begünstigungen liege. Auch die Befugniß zur zeitweiligen Zurückweisung ange­ tragener Transporte hat nicht eingeräumt werden sollen, weil eine zeitweilige Zurückweisung des Transportes für den Absender oft einer gänzlichen Verweige­ rung desselben gleichkomme, und auch hierin eine ausreichende Gelegenheit zur Begünstigung des einen Absenders vor dem anderen geboten würde. (Prot. S. 5038, 5039.) Auch umfaßt der Satz die verbietende Bestimmung, daß die Eisenbahnwi gewisse Güter nur als sogenanntes Fahrgut und nicht als Frachtgut anneh­ men wollen. (Prot. S. 5107")

63) Zu Ziffer 1 wurde beantragt, statt „oder" „und" zu setzen, weil dazu, daß die Eisenbahn einen ihr angetragenen Transport nicht verweigern dürfe, nicht bloß dies gehöre, daß es sich um solche Güter handle, deren Transport überhaupt zulässig und nicht ein für alle Mal ausgeschlossen sei, sondern zugleich auch, daß die Güter' rücksichtlich der Verpackung den Reglements oder der bisherigen Uebung rc. entsprächen. Darauf wurde jedoch entgegnet: Die Fassung sei richtig; der Sinn des Satzes nämlich unverkennbar der^ daß die Eisenbahn den ihr angetragenen Transport nicht verweigern dürfe, wenn die Güter entweder an sich, d. i. auch ohne Verpackung zum Transporte sich eigneten, oder durch die Verpackung zum Transporte geeignet gemacht seien. (Prot. S. 5107.) Ein Mitglied beanstandete die Bestimmung um deswillen weil die Verpflich­ tung zur Uebernahme des Transports davon abhängig sein solle, daß die Ver­ packung den Reglements entspreche, und hierin ein Mittel zur Umgehung der gan­ zen Vorschrift liege, indem die Beurtheilung der Verpackung in das Ermessen der

618

Viertes Buch.

Fünfter Titel.

2) der Absender in Bezug auf die Fracht, die Auflieferung der

Güter und die sonstigen den Eisenbahnen freigestellten Trans­ portbedingungen sich den allgemein geltenden Anordnungen der

Bahnverwaltung unterwirft,

3) die regelmäßigen Transportmittel der Bahn zur Ausführung

des Transports genügen. Die Eisenbahnen sind nicht verpflichtet, die Güter zum Trans­ porte eher anzunehmen, als bis die Beförderung derselben geschehen kann").

In Ansehung der Zeit der Beförderung darf kein Absender vor dem Anderen ohne einen in den Einrichtungen der Bahn, in den

Transportverhältnissen, oder im öffentlichen Interesse liegenden Grund

begünstigt werden 65 * * ).* * * * * 64 übernehmenden Beamten gestellt werden könne, und diese die Güter beliebig we­ gen angeblich mangelhafter Verpackung zurückweisen könnten. Es wurde jedoch entgegnet: Das Bedenken sei nicht begründet. Mißbrauch sei nicht zu befürchten, denn das verstehe sich von selbst, daß niemals bloße Laune der Bahnbeamten den Ausschlag geben könne, sondern äußerstenfalls der Richter zu entscheiden haben werde, ob nicht in der Beanstandung einer Verpackung eine ungerechtfertigte Zu­ rückweisung des Guts zu finden sei u. dgl. (Prot. S. 5041.) 64) Die Bahnverwaltung wird nur mit den regelmäßigen Transportmitteln die ihr angebotenen Güter zu befördern verpflichtet erklärt und soll daher, bevor die Möglichkeit der Ausführung des Transports vorhanden, die Güter anzuneh­ men nicht schuldig und also auch nicht die custodia derselben zu übernehmen ge­ zwungen werden. (Vergl. Prot. S. 5039.) 65) Die Absicht ging dahin, zu bestimmen, daß die Eisenbahnen das gesammte Publikum gleich zu behandeln verbunden und nicht berechtigt seien, den einen Ab­ sender durch willkürliche Versendung seiner Güter vor der Beförderung früher aufgegebener Güter u. dgl. zu begünstigen. Zu diesem Zwecke bestimmte der Ent­ wurf aus zweiter Lesung im Art. 370, Abs. 2, daß der Transport nach der Reihen­ folge der Anmeldung der Frachtstücke zu bewirken sei. Hiergegen wurde geltend gemacht, diese Bestimmung könne sehr leicht zum Nachtheile des Publikums ge­ mißbraucht werden. Sie biete ersahrungsmäßig die Möglichkeit dazu, daß ein Spekulant unter entsprechenden Zeitumstanden eine große Quantität einer Waare

zum Transporte bei der Eisenbahn anmelde, die Anmeldescheine in Empfang nehme, und, da nunmehr außer ihm Niemand mehr auf eine rechtzeitige Beför­ derung seiner Güter rechnen könne, diese Anmeldescheine mit Vortheil an der Börse verkaufe, und dadurch den Gütertransport zum Nachtheile des Publikums förmlich besteuere. Oder wenn keine Anmeldescheine ausgegeben würden, könne eine Spe­ diteur deshalb in ähnlicher Weise verfahren, um dadurch das Publikum indirekt zu nöthigen, daß es seine Güter durch ihn spediren lasse, wie dies z. B. schon bei Dampfschifisahrtsunternehmungen vorgekommen sei. Die Bestimmung habe zudem nicht einmal einen erheblichen' praktischen Werth, da sie eine Präzise Raffung nicht gestatte, es daher schwer halten werde, einen Entschädigungsanspruch aus dieselbe zu gründen und solchen, zumal wenn man die Beweisführungen berückstchtige, durchzusühren. Von dieser Seite wurde daher die Beseitigung dieses Abs., even­ tuell statt „Reihenfolge der Anmeldung" zu setzen: „Reihenfolge der Uebergabe", beantragt. Hiergegen wurde geltend gemacht, wenn statt „Anmeldung" „Ueber­ gabe" gesetzt werde, erscheine die Bestimmung Wünschenswerth. Eine unpraktische Bestimmung enthalte sie nicht. Werde dargethan, daß die später übergebenen Güter eines Absenders vor den früher aufgegebenen Gütern eines anderen Absen­ ders derselben Art transportirt worden seien (und ein solcher Beweis werde nicht

Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere.

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Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieses Artikels

begründen den Anspruch auf Ersatz des dadurch entstandenen Scha­

dens«^).

Art. 423. Die in Art. 422 bezeichneten Eisenbahnen sind nicht befugt,

die Anwendung der in den Artt. 395, 396, 397, 400, 40t, 408 enthaltenen Bestimmungen über die Verpflichtung des Frachtführers zum Schadensersätze, sei es in Bezug auf den Eintritt, den Umfang oder die Dauer der Verpflichtung 66a), oder in Bezug auf die Beweis­ last, zu ihrem Vortheile durch Verträge (mittelst Reglements oder durch

besondere Uebereinkunst) im Voraus auszuschließen oder zu beschrän­ ken, außer soweit solches durch den nachfolgenden Artikel zugelassen ist.

Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen,

haben keine rechtliche Wirkung. allzuschwer zu erbringen sein), so sei die glückliche Durchführung einer Entschädi­ gungsklage kaum noch zweifelhaft. Der Hauptgrund für die Aufnahme dieses Ab­ satzes habe allerdings in der Absicht gelegen, bei dem Bestehen eines faktischen Monopols der Eisenbahnen, Willkür oder Begünstigung in Bezug auf die Reihen­ folge der Beförderung der Frachtstücke thunlichst auszu'schließen. Eine solche, auch dem Geiste der englischen Eisenbahngesetzgebung entsprechende sei gleich anderen Eingriffen der Gesetzgebung in die freie Bestimmung der Kontrahenten aus dem Grunde gerechtfertigt, weil das faktische Monopol der Eisenbahnen nicht bloß eine Folge zweckmäßiger Anwendung großer Kapitalien', sondern auch durch die seitens des Staats den Eisenbahnen ertheilten mannigfaltigen Privilegien und Begünsti­ gungen, z. B. der Expropriationsbewilligung und des Verbots der Erbauung von Konkurrenzbahnen, herbeigeführt worden sei,' und weil diesen Vortheilen gegenüber in den erwähnten Eingriffen der Gesetzgebung nichts Anderes liege, als die For­ derung eines Aequivalents, eine Forderung,'welche in das Gewand von gesetzli­ chen Verpflichtungen und Einschränkungen zu Gunsten des mit den Eisenbahnen verkehrenden Publikums gekleidet werde. Nicht einseitige Lasten lege der Staat dadurch den Eisenbahnen 'auf, sondern er mildere nur diejenigen Nachtheile, wel­ chen das Publikum seitens der durch den Staat monopolistisch gestellten Eisenbah­ nen ausgesetzt sei. Nothwendig erscheine die Bestimmung aber deshalb, weil durch Begünstigungen der oben erwähnten Art einzelne Absender oder Empfänger in die Lage gesetzt werden könnten, wenigstens zeitweise jede Konkurrenz im Handel mit den betreffenden Waaren zum großen Nachtheile des konsumirenden Publikums, ja vielleicht selbst unter Gefährdung wesentlich öffentlicher Rücksichten, z. B. der Versorgung des Publikums mit den nöthigen Lebensmitteln oder anderen Konsumtionsartikein, abzuschneiden u. s. w. — Hierauf wurde zwar die Streichung des Abs. 2 des Art. 370 des Entw. beschlossen, später aber dieselbe Bestimmung in der nun vorliegenden Fassung reproponirt und nun angenommen. (Prot. S. 4681 ff. u. 5038 ff.)

66) Der rechtliche Charakter der Schädenklage ist verschieden, je nachdem der Frachtkontrakt schon geschlossen oder die Eingehung desselben unberechtigterweise ab­ gelehnt worden war. Im ersten Falle kommt die Klage aus dem Frachtkontrakte zur Anwendung, in dem zweiten die allgemeine Schädenklage nach Analogie der Grundsätze über die actio legis Aquiliae.

66a) Unter dem „Eintritte der Verpflichtung" haben die Fristen von dem Charakter der Art. 408, Abs. 2 u. Art. 428, und mit dem Ausdrucke „Dauer (Geltendmachung) der Verpflichtung" die Verjährungsfristen getroffen werden sol­ len. (Prot. S.' 5028.)

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

Art. 424. Es kann bedungen werden:

1) in Ansehung der Güter, welche nach Vereinbarung mit dem Absender in unbedeckten Wagen transportirt werden: daß für den Schaden nicht gehastet werde, welcher aus

der mit dieser Transportart verbundenen Gefahr entstanden ist«'), 2) in Ansehung der Güter, welche, ungeachtet ihre Natur eine Verpackung zum Schutze gegen Verlust oder Beschädigung auf

dem Transporte erfordert, nach Erklärung des Absenders auf 67) Bei dieser Bestimmung wurde von Mehreren bemerkt: Das Interesse, welches die Eisenbahnen daran hätten, daß ihnen das Recht nicht verkürzt werde, ihre Haltbarkeit wegen der auf unbedeckten Wagen zu transportirenden Güter zu beschränken, bestehe nicht allein darin, daß sie frei sein wollten von der Haftung für die bei dieser Transportart mehr als sonst einwirkenden Einflüsse der Witte­ rung u. dgl., sondern auch darin, daß sie frei sein wollten von der Verpflichtung, die mit den betreffenden Waaren beladenen Wagen in den Bahnhöfen einer beson­ deren Aufsicht zu unterstellen, kurz, daß sie nicht für den von dritter Hand her­ rührenden Diebstahl haften wollten. Aus der vorgeschlagenen Fassung könne man aber nicht entnehmen, daß sich die Befugniß der Eisenbahnverwaltungen, ihre Haftung zu beschränken, auch auf den Diebstahl beziehe, beziehungsweise, daß, wenn sie bedungen hätten, sie wollten für die aus der fraglichen Transportart entstehenden Verluste und Beschädigungen nicht einstehen, dadurch zugleich die Freiheit von der Haftbarkeit für den durch die fragliche Transportart veranlaßten oder doch erleichterten Diebstahl dritter Personen als ausbedungen anzusehen sei. Um dies deutlicher auszudrücken und keinen Zweifel darüber zu lassen, daß Dieb­ stahl nicht ohne Weiteres als ein Unfall angesehen werden solle, bei welchem die Annahme, als sei er durch die betreffende Transportart veranlaßt, ausgeschlossen bleiben müsse, sondern daß unter Umständen auch der Diebstahl als Folge der betreffenden Transportart angesehen werden könne, werde beantragt, nach den Wor­ ten: „für den Schaden", einzuschalten: „Diebstahl mit einbegriffen". Von Seiten dessen, welcher die Fassung vorgeschlagen hatte, wurde hierauf erwidert: Man könne keinesweges zugeben, daß der Verlust in Folge Diebstahls von dritter Hand bei der hier in Rede stehenden Transportart eine ganz besondere Beachtung ver­ diene ; das Gegentheil ergebe sich schon aus §. 20, Ziffer 3 des neuesten Entwurfes eines Vereinsreglements,'woselbst bei dem Transporte aus unbedeckten Wagen nur die Haftung für Beschädigungen „aus Einflüssen der Witterung" abgelehnt werde. Im Uebrigen müsse allerdings zugegeben werden, daß auch der Diebstahl unter Umständen als eine Folge1 der fraglichen Transportart angesehen werden könne und deshalb in dem hier in Rede stehenden Falle von der betreffenden Eisenbahnver­ waltung nicht vertreten zu werden brauche, nämlich wenn derselbe im Hinblicke auf die Art des Transportes und der Verpackung der Güter und im Vergleiche mit der gewöhnlichen Transportart iu bedeckten Wagen leichter ausführbar und schwerer zu verhüten gewesen u. dgl., wogegen er aber allerdings nicht absolut als Folge der Transportart angesehen werden könne, wie dies auch von der anderen «Leite nicht beabsichtigt zu sein scheine. Es scheine jedoch keiner besonderen aus­ drücklichen Bestimmung hierüber zu bedürfen, sondern die vorgeschlagene Fassung zu genügen. — Bei der Abstimmung wurde beschlossen, dle Worte: „Diebstahl mit einbegriffen", einzuschalten, jedoch der Redaktionskommission anheimgegeben, zu erwägen, ob es einer ausdrücklichen Erwähnung des Diebstahls bedürfe. (Prot. S. 4796, 4799.) Diese Erwähnung ist mit Genehmigung der Versammlung un­ terblieben (Prot. S. 5109); die Frage: ob für den Diebstahl einzustehen sei, ist in jedem konkreten Falle als eine Thatfrage in der angedeuteten Richtung nach den Umständen zu entscheiden.

Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere.

621

dem Frachtbriefe^) unverpackt oder mit mangelhafter Verpa­

ckung aufgegeben sind: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus der

mit dem Mangel der Verpackung oder mit der mangelhaften

Beschaffenheit der Verpackung verbundenen Gefahr entstan­ den ist, 3) in Ansehung der Güter, deren Auf- und Abladen nach Ver­

einbarung mit dem Absender von diesem besorgt wird: daß für den Schaden nicht gehaftet werde, der aus der

mit dem Auf- und Abladen oder mit mangelhafter Verladung verbundenen Gefahr entstanden ist68 69), 68) Die Bestimmung ist zum Vortheile des Absenders. Nach der Regel hat der Frachtführer, wenn er die Güter mir äußerlich erkennbar schlechter Verpackung annimmt, selbst wenn der Absender diese Fehler der Verpackung veranlaßt hat, für die daraus entstehenden Schäden zu haften; er muß darnach, wenn er einmal solche Güter angenommen hat, entweder die Fehler der Verpacknng beseitigen las­ sen oder den daraus entspringenden Schaden bezahlen. (Art. 395.) Um dieser Be­ stimmung gegenüber keine Verwirrung zu veranlassen, hat man bestimmt, daß sich der Absender in leicht erkennbarer Weise darüber aussprechen müsse, ob er die Gefahr der schlechten oder fehlenden Verpackung über sich nehmen wolle, wenn es in seiner Absicht liege, daß diese Ausnahmebestimmung zur Anwendung kommen solle. Diese Erklärung soll deshalb in dem Frachtbriefe enthalten sein'. (Vergl. Prot. S. 5008.) Fehlt es daran, so bleibt es bei der Regel.

69) Von einer Seite wurde zweifelhaft gefunden, ob nach dieser Bestimmung die Eisenbahnen auch die Haftung für die bei der Auf- und Abladung der Güter selbst entstehenden Schäden, z. B. für einen dabei entstehenden theilweisen Verlust, sollten ablehnen können, während die Bejahung dieser Frage bei der Wichtigkeit der Sache und im Hinblicke aus die Natur der in Rede stehenden Verhältnisse' au­ ßer Zweifel stehen sollte, und daß deshalb zu setzen sein werde: „bei oder in Folge des Auf- und Abladens". Es wurde jedoch von mehreren Seiten hierauf bemerkt: „Das Bedenken betreffe nur die Frage, wie in dem Falle, wenn der Absender mit Zustimmung der Eisenbahnverwaltung das Auf- und Abladen der Güter übernommen habe, der Beweis zu führen sei', daß und wieviele Güter und in welchem Zustande sie der Eisenbahn zum Transporte übergeben worden , und nicht die Frage, wie weit die Eisenbahn von der Zeit der Uebernahme bis zur Ablieferung der Güter für die inzwischen entstehenden Verluste und Beschädigungen haften sollte. Denn wenn bei dieser Art von Gütertransport von 100 Säcken, die in dem Frachtbriefe als verladen bezeichnet seien, nur 99 wirklich aufgeladen worden, so sei der hundertste Sack nicht verloren, und könne sonach von einem der Eisen­ bahn zur Last fallenden Verluste überhaupt uicht die Rede sein. Beide Fragen müßten getrennt werden, und könne deshalb auch das dargelegte Bedenken hier zunächst keine Berücksichtigung finden. Die Verhältnisse seien zu verschieden, als daß die Frage, wie der Beweis zu führen sei, daß die Eisenbahn die behauptete Quantität von Gütern übergeben erhalten und übernommen habe, auf eine so ein­ fache Art erledigt werden könnte, wie oben angedeutet worden. Soviel sei klar, daß der Frachtbrief in dem hier in Rede stehenden Falle nicht ohne Weiteres als ein genügendes Beweismittel darüber angesehen werden könne, wie viele Güter und in welchem Zustande dieselben verladen worden. Andererseits sei es aber auch nicht gerechtfertigt, ohne Weiteres auszusprechen, daß die Eisenbahn für die wäh­ rend der Auf- und Abladung entstehenden Verluste und Beschädigungen gar nicht zu hasten habe; in dieser Beziehung komme alles auf die konkreten thatsächlichen Verhältnisse und darauf an, ob man mit Grund annehmen könne, daß die Eisen­ bahnverwaltung die bereits verladen gewesenen und nachher, während die Aus-

622

Viertes Buch.

Fünfter Titel.

4) in Ansehung der Güter, welche vermöge ihrer eigenthümlichen

natürlichen Beschaffenheit der besonderen Gefahr ausgesetzt sind, gänzlichen oder theilweisen Verlust oder Beschädigung, nament­

lich Bruch, Rost, inneren Verderb^"), außergewöhnliche Le­

ckage u. s. w. zu erleiden^»): Ladung vielleicht durch die Nacht unterbrochen gewesen, verloren gegangenen oder­ beschädigten Frachtstücke bereits übernommen gehabt habe. Diese letztere Frage werde aber anders zu entscheiden sein, je nachdem die Eisenbahnverwaltung die Aus- und Abladung ohne alle Kontrole seitens ihrer Beamten vor sich gehen lasse, oder eine Kontrole statthabe, und der betreffende Beamte berufen sei, sich hierbei zu überzeugen, wie viele und welche Frachtstücke aufgeladen würden, je nachdem er also eigentlich übernehme, oder seine Aufgabe vielleicht nur darin bestehe, dar­ auf zu achten, daß die Wagen nicht über ihre Tragkraft beladen würden rc. (Prot. S. 5002.) Was man sich als „Schaden — der aus der — Gefahr entstanden ist", zu denken habe, ist nicht klar. Der Vorschlag lautete: „daß — für Verluste und Beschädigungen, welche in Folge des Auf- und Abladens entstanden sind, nicht gehaftet werde". (Prot. S. 4788.) Daraus ist „Schaden — der aus der — Gefahr entstanden ist" geworden. Die Gefahr kann nicht die Ursache eines Schadens sein; sie ist nur die Lage, der Zustand, worin man der Mög­ lichkeit, vielleicht auch der Wahrscheinlichkeit ausgesetzt ist, von einem nahen Uebel betroffen zu werden. Dieses Uebel ist, wenn es wirklich eintritt, die Ursache des Schadens. In der vorliegenden Bestimmung ist vorausgesetzt, daß Mangel der Verpackung oder mangelhaste Verladung, jene Lage (Gefahr), in welcher das Uebel möglich ist, herbeigesührt habe; das Uebel erscheint in diesem Falle als eine Folge der' Veranlassung der Lage, in welche der Gegenstand gebracht worden ist. Dem­ nach erscheint die Fassung des Vorschlages: „welche in Folge des Aus- und Ab­ ladens entstanden sind", korrekter. In eine gefährliche Lage kann man auch durch Zufall gerathen, und ein Schade kann durch die Bemühungen, Anstrengungen rc., dem drohenden Uebel zu entgehen, entstehen, z. B. in Seegefahren. Gelingt die Rettung, d. h. bleibt es bei diesem Schaden allein, so ist auch nicht die Gefahr, sondern die Abwehr des drohenden Uebels die Ursache des Schadens. Die ret­ tende Handlung macht den Schaden.

70) Mit den Worten „inneren Verderb", welche noch bei der schließlichen Berathung der von der Redaktionskomniission vorgeschlageneu Fassung eingeschal­ tet worden sind, sollen die Eisenbahnen gegen jeden Zweifel gesichert werden, daß ihnen freistehe, die Bestimmung des Art. 395, Abs. 1, wonach der Frachtführer den Beweis zu führen hat, daß ein vorhandener Schaden Folge des inneren Ver­ derbs des Gutes sei, bei der Uebernahme des Transportes von Gütern der in Rede stehenden Art vertragsmäßig auszuschließen und die im vorletzten Absätze dieses Art. statuirte Vermuthung festzusetzen. (Prot.'S. 5110.) 71) Diese Bestimmung bezieht sich auf Güter, welche ihrer besonderen natürlichen Beschaffenheit wegen' dem Verluste oder der Beschädigung durch den Trans­ port leicht ausgesetzt sind. Dahin gehören besonders z. B. ätzende Säuren, welche mit der Zeit oas Glas, worin sie aufbewahrt werden, auslüsen und so dessen leichteres Zerbrechen vorbereiten, leicht explodnende und leicht zerbrechliche Sachen. Für die Beschädigung derselben auf dem Transporte, soweit sie nicht aus vis major oder bei verpackten Gütern auch aus äußerlich nicht erkennbar gewesener schlechter Verpackung derselben hervorgegangen ist, muß an und für sich der Fracht­ führer hasten (Art. 395, Abs. 1). Da aber die Beschädigung oft sehr schwer zu vermeiden ist, und bei verpackten Gütern oftmals in Folge schlechter Verpackung entsteht, da ferner der Beweis, daß gut oder schlecht verpackt gewesen, nur schwer zu erbringen ist, so ist bei manchen Transportarten, z. B. dem Seetransporte, allgemein üblich, die Haftung für Beschädigung und Verluste, welche aus der besonderen Natur solcher Sachen entstehen könnten, ganz auszuschließen. Dasselbe ist hier den Eisenbahnen zu thun gestattet. Das hiergegen erhobene Bedenken,

Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere.

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daß für den Schaden nicht gehaftet werde, welcher aus dieser Gefahr entstanden ist,

5) in Ansehung lebender Thiere: daß für den Schaden nicht gehastet werde, welcher aus

der mit dem Transporte dieser Thiere für dieselben ra) ver­ bundenen besonderen Gefahr entstanden ist73 * * ), * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * 72 6) in Ansehung begleiteter Güter: daß für den Schaden nicht gehastet werde, welcher aus

der Gefahr entstanden ist, deren Abwendung durch die Be­

gleitung bezweckt wirb74). daß durch die Bestimmung die Möglichkeit geboten werde, in den Reglements die Bestimmung des Art. 395,* Abs. 1 völlig illusorisch zu machen, weil die allgemeine Fassung der Ziffer 4 sich auch auf eine Menge von Waaren anwenden lasse, auf welche Die Versammlung sie gleichwohl nicht angewendet wissen wolle, wurde be­ stritten, denn es sei die Meinung der Bestimmung nicht, daß es der Willkür der Eisenbahnverwaltungen anheimgegeben werden solle, zu entscheiden, ob ein Gut auf dem Transporte besonderer Verlustgefahr ausgesetzt sei, oder nicht; die An­ wendung der Bestimmung und die Entscheidung darüber, ob eine Waare zu den­ jenigen gehöre, welche ihrer Natur nach mehr als andere Güter besonderen Ge­ fahren ausgesetzt seien, solle und werde vielmehr dem Richter zustehen, so oft eine streitige Sache vor ihn gebracht werde. Die hier getroffene Bestimmung sei auch keiueöweges — wie man von der anderen Seite dafür hielt — wegen des Art. 395 überflüssig; denn nach diesem würden die Eisenbahnen zu beweisen ha­ ben, daß die eingetretenen Verluste und Beschädigungen wirklich eine Folge der besonderen Natur'der betreffenden Güter gewesen seien, während ihnen hier diese Beweislast abgeuommen und eine Präsumtion zu ihren Gunsten aufgestellt sei. (Prot. S. 5018 ff.) — Außer Acht ist hierbei nicht zu lassen, daß die Beispiele von Gütern, welche als ihrer Natur nach mit besonderer Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung beim Transporte verbunden in den Reglements aufaeführt zu sein pflegen (veral. den neuesten Entwurf eines Vereiusregl. §. 20, Ziff. 1, a — e), vor dem michter in einem Streitfälle nur den Werth einer Parteibehauptung haben, so daß die Eisenbahnen sich nicht darauf als auf eine Vertragsmäßige Bestimmung berufen können; denn wenn die in Frage stehende Waare nach dem Befinden des Richters nicht in die vorausgesetzte Kategorie der Güter gehört, so gilt die Bestimmung des Regl. nicht. 72) Ein Mitglied schlug vor, die Worte „für dieselben" zu streichen, weil es nicht darauf ankomme, daß den Thieren selbst ein Schaden zugehe, sondern daß deren Eigenthümer re. beschädigt werde, wie sich bei Erwägung des Falles ergebe, wenn die Thiere so schlecht verwahrt seien, daß sie entkämen. Dieser Antrag wurde jedoch abaelehnt. (Prot. S. 5109.) Hiernach gilt die Abrede oder Klausel, wodurch die Eisenbahn von der Haftung für einen derartig entstandenen Schaden befreit werden soll, nicht.

73) Zu diesem Schaden gehört nicht allein der, welcher auf der Reise ent­ standen ist, sondern auch derjenige, welcher durch das mehr oder weniger mit Gefahren für die Thiere verbundene Auf- und Abladen derselben entsteht. Uebrigens ist es völlig selbstverständlich, einerseits, daß die Eisenbahnen lebende Thiere zum Transporte ohne euren Begleiter zur Pflege und Wartung derselben anzu­ nehmen nicht gehalten find, andererseits, daß sie und ihre Leute, wenn die Thiere auch von einem Wärter begleitet sind, damit nicht sorglos umgehen dürfen. (Prot. S. 5015.) 74) Der Ausdruck „begleitete Güter", welcher in den Eisenbahnrealements als ein technischer gebraucht wird, bezeichnet solche Güter, welche Dom Absender oder einer von ihm beauftragten Person begleitet werden. (Prot. S. 5110.)

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

Ist eine der in diesem Artikel zugelassenen Bestimmungen be­

dungen, so gilt zugleich als bedungen: daß bis zum Nachweise des Gegentheils vermuthet werden soll, daß ein eingetretener Schaden,

wenn er aus der nicht übernommenen Gefahr entstehen konnte75 * * ), ********* aus derselben wirklich entstanden ist76).

Eine nach diesem Artikel bedungene Befreiung von der Haft­

pflicht kann nicht geltend gemacht werden, wenn nachgewiesen wird, daß der Schaden durch Verschulden der Bahnverwaltung oder ihrer

Leute77) entstanden ist.

Art. 425.

In Ansehung des Reisegepäcks kann bedungen werden: 1) daß für Verlust oder Beschädigung von Reisegepäck, wel­ ches nicht zum Transporte aufgegeben ist78), 79 nur gehaftet werde,

wenn ein Verschulden der Bahnverwaltung oder ihrer Leute nach­ gewiesen wird.

Dasselbe kann in Ansehung von Gegenständen be­

dungen werden, welche sich in Reiseequipagen befinden; 2) daß für Verlust78) von Reisegepäck, welches zum Transporte Auf die Bemerkung eines Mitgliedes, daß diese Bestimmung eine unrichtige Anwendung ermöglichen würde, indem z. B. die Bahnverwaltungen eine Auf­ zählung der Gefahren, welche nach ihrer Intention durch die Begleitung abge­ wendet werden sollten, in das Reglement aufnehmen, und diese willkürlich aus­ dehnen könnten, wurde entgegnet: Es verstehe sich von selbst und brauche nicht ausdrücklich ausgesprochen zu werden, daß auf Grund dieser Bestimmung nur eine Befreiung von solcher: Gefahren bedungen werden dürfe, welche vernünftiger Weise durch die Begleitung vermieden werden könnten, und daß der Richter bei Entscheidung etwaiger Streitigkeiten davon auszugehen habe, eine Gefahr, welche durch die Begleitung nicht hatte abgewendet werden können, habe auch nicht da­ durch abgewendet werden sollen. (Prot. S. 5017.) Vergl. Anm. 71 a. E. 75) Es kommt auf die Umstände des konkreten Falles und nicht darauf an, Was zu irgend einer Zeit und an irgend einem Orte möglich ist. In dieser Er­ wägung wurde statt der in dem Vorschläge enthaltenen Worte „entstanden sein können" (Prot. S. 4788) zu setzen beschlossen: „entstanden sein könnten". (Prot. S. 4799.) — Dem Anträge eines Mitgliedes, nach dem Worte „entstehen" ein­ zuschalten: „oder veranlaßt werden", weil der erste Ausdruck nur d:e nächste Ursache des Schadens treffen würde, ward keine weitere Folge gegeben, nachdem dagegen geltend gemacht worden war, daß „entstehen" keineswegs bloß auf die nächste Ursache des Schadens sich beziehen solle, der Ausdruck „veranlaßt werden" aber zu weit führen würde. (Prot. S. 5111.) 76) Dieser Absatz handelt nicht mehr davon, daß sich die Eisenbahnen Frei­ heit von der Haftung für den Schaden in den Ziff. 1—6 vorausgesetzten Fällen bedingen können, sondern sichert eine Erleichterung der Eisenbahnen rücksichtlich der Beweislast durch Festsetzung einer Vermuthung, die zugleich für mitbedungen gilt, wenn nicht das Gegentheil ausgemacht worden ist. (Vergl. Prot. S. 5110.)

77) Unter „ihrer Leute" sind nicht bloß die angestellten Bediensteten zu ver­ stehen, doch hat man dies besonders anzudeuten nicht für erforderlich gehalten. (Vergl. Prot. S. 5023, 5122.) 78) Damit ist das Handgepäck der Reisenden gemeint, welches dieselben bei sich behalten. (Prot. S. 5010.) 79) Nicht auch für Beschädigungen; für diese kann die Haftung nicht abge-

Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere.

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aufgegeben ist, nur gehastet werde, wenn«") das Gepäck binnen

einer bestimmten Frist nach der Ablieferungszeit abgefordert wird. Die Frist darf nicht kürzer als drei Tage sein8').

Art. 426. In Ansehung der Güter, welche nach ihrer natürlichen Be­ schaffenheit bei dem Transporte regelmäßig einen Verlust an Gewicht

oder an Maß erleiden, kann bedungen werden, daß bis zu einem im Voraus bestimmten Normalsahe für Verlust an Gewicht oder Maß nicht gehaftet werde.

Der Normalsah muß, im Falle mehrere

Stücke zusammen transportirt worden sind, für jedes einzelne Stück

besonders berechnet werden, wenn das Gewicht oder Maß der ein­

zelnen Stücke im Frachtbriefe bezeichnet oder sonst erweislich ist88). Die hier bezeichnete Bestimmung kann nicht geltend gemacht werden, wenn nachgewiesen wird, daß der Verlust nach den Umstän­ den des Falles nicht in Folge der natürlichen Beschaffenheit des Guts

entstanden ist, oder daß der bestimmte Normalsah dieser Beschaffen­ heit oder den sonstigen Umständen des Falles nicht entspricht88). lehnt Werden, falls dieselben nicht innerhalb der bestimmten Frist angemeldet wurden. (Prot. S. 5010, 5111.) t 80) W enn. Die Anmeldung des Anspruchs innerhalb der Frist ist als Bedingung der Entstehung gedacht; die Eisenbahn ist für den Fall des Verlustes des Guts'nach Ablauf der Präklusivfrist berechtigt, Rede und Antwort darüber abzulehnen und die Untersuchung darüber auszüschließen, ob der Verlust schon während der Reise oder erst nachher und aus welcher Ursache entstanden sei. (Prot. S. 5011 ff.) 81) Die Frist ist so kurz bestimmt, weil außerdem die Vorschrift vereitelt werden würde, üldem es den Eisenbahnen, wie mehrere Mitglieder meinten, oft schon nach 24 Stunden nicht mehr möglich sei, deroutirte Gepäckstücke mit Aus­ sicht auf Wiedererlangung zu verfolgen. (Prot. S. 5011, 5111.) Die Abfor­ derung des vorhandenen oder später 'wieder erlangten Guts ist durch Ablauf der Frist nicht ausgeschlossen.

82) Mit diesem Satze wird bezweckt, für eine der erheblichsten Beschwerden des Handelsstandes gegen die Eisenbahnverwaltungen Abhülfe zu schaffen. Nicht selten, wurde gesagt, sei es vorgekommen, daß, wenn z. B. eine in Säcken ver­ packte Waare, welche ihrer Natur nach einem Gewichtsverluste auf dem Trans­ porte unterworfen sei, der Eisenbahn zum Transporte übergeben gewesen und die Eiseubahnverwaltung für gewisse Prozente dieses Gewichtsverlustes vertragsmäßig nicht zu haften gehabt habe, bei einzelnen Säcken ganz ergebliche Verluste an die­ ser Waare einge'treten seien, und die Eiseubahnverwaltung dennoch jeden Ersatz hiefür mit dem Bemerken abgelehnt habe, daß der Verlust noch bei weitem nicht die Prozentsätze übersteige, von deren Ersätze sie frei sei, indem sie die betreffen­ den Prozente von dem ganzen verladenen Quantum der fraglichen Waare be­ rechnet habe. Durch Anwendung dieses Verfahrens würden die Eisenbahnverwal­ tungen es sogar rechtfertigen können, wenn von 100 Säcken einer solchen Waare einer ganz abhanden gekommen sei und gar nicht abgeliesert werde, obschon of­ fenbar' ein solcher Verlust keine Folge der' natürlichen Beschaffenheit der fraglichen Waare sein könne. Solchen Ausschreitungen solle der zweite Satz des ersten Absatzes entgegentreten. (Prot. S. 4789.)'

83) Im ersten Absätze handelt es sich nicht um eine Regel, sondern um

Koch, A. D. Handelsgeschbuch. 2. Aufl.

49

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Viertes Buch.

Fünfter Titel.

Art. 427. Es kann bedungen werden:

1) daß der nach Art. 396 der Schadensberechnung zu Grunde

zu legende Werth den im Frachtbriefe, im Ladescheine oder im Gepäck­ scheine als Werth des Guts angegebenen Betrag und in Ermange­ lung einer solchen Angabe einen im Voraus bestimmten Normalsatz nicht übersteigen soll; 2) daß die Höhe des nach Art. 397 wegen verspäteter Lieferung

zu leistenden Schadensersatzes den im Frachtbriefe, im Ladescheine oder im Gepäckscheine als die Höhe des Interesses an der rechtzeitigen Lieferung angegebenen Betrag und in Ermangelung einer solchen An­ gabe einen im Voraus bestimmten Normalsatz, welcher auch in dem Verluste der Fracht oder eines Theils derselben bestehen kann, nicht

übersteigen soll. Im Falle einer böslichen Handlungsweise") der Eisenbahn­ verwaltung oder ihrer Leute kann die Beschränkung der Haftpflicht aus den Normalsatz oder den angegebenen Werth des Guts nicht

geltend gemacht werden.

Art. 428. Es kann bedungen werden, daß nach erfolgter Empfangnahme

des Guts und Bezahlung der Fracht jeder Anspruch wegen Verlustes an. dem Gute oder wegen Beschädigung desselben auch dann, wenn

dieselben bei der Ablieferung nicht erkennbar waren und erst später

entdeckt worden sind (Art. 408, Abs. 2), erlischt, wenn der Anspruch

nicht binnen einer bestimmten Frist nach der Ablieferung bei der

Eisenbahnverwaltung angemeldet worden ist""). Die Frist darf nicht kürzer als 4 Wochen sein. nichts weiter als um Festsetzung einer Präsumüon, welche sich die Eisenbahnen sollen ausbedingen dürfen, um der ihnen nach Art. 395 obliegenden Beweislast überhoben zu sein. Der zweite Absatz regelt den Gegenbeweis, welcher sowohl dem Absender als den Eisenbahnen gegen diese Präsumtion zusteht. Durch die­ selbe wird einerseits den Eisenbahnen das ursprünglich ihnen schon zustehende Recht nicht genommen, zu beweisen, daß der natürliche Verlust im konkreten Falle die Prozente übersteige und um wieviel dies der Fall sei, sowie andererseits dem Absender das Recht bleibt, nachzuweisen, daß dieser Verlust weniger als den Prozentsatz betragen habe. Der Satz hält den Beweis offen, daß die Prozent­ sätze mit der Beschaffenheit des Guts überhaupt nicht zusammenstimmen, sowie auch, daß dasselbe rücksichtlich der besonderen Umstände des Falles stattfinde. (Prot. S. 4792, 4795.) 84) Vergl. oben, Art. 396, Abs. 5 und die Anin. 17, Abs. 3 dazu.

85) Diese Ausnahme von der Regel (Art. 423) ist den Eisenbahnen gestattet, weil die Bestimmung des Art. 408, Abs. 2 mit den Interessen der Eisenbahn­ verwaltungen nicht vereinbar ist. Daher ist ihnen, gleich allen anderen Fracht­ führern, freigestellt, vertragsmäßig festznsetzen, daß Ersatzansprüche wegen theilweisen Verlustes (Manko) und wegen Beschädigung eines am Bestimnmngsorte

Von dem Frachtgeschäfte der Eisenbahnen insbesondere.

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Art. 429. Wenn eine Eisenbahn das Gut mit einem Frachtbriefe über­

nimmt, nach welchem der Transport durch mehrere sich an einander anschließende86 * * )* *Eisenbahnen ****** zu bewirken ist, so kann bedungen

werden, daß nicht sämmtliche Eisenbahnen, welche das Gut mit

dem Frachtbriefe übernommen haben, nach Maßgabe des Art. 401 als Frachtführer für den ganzen Transport haften, sondern daß nur

die erste Bahn und diejenige Bahn, welche das Gut mit dem Fracht­ briefe zuletzt übernommen hat, dieser Haftpflicht für den ganzen

Transport unterliegt, vorbehaltlich des Rückgriffs der Eisenbahnen gegeneinander, daß dagegen eine der übrigen, in der Mitte liegenden,

Eisenbahnen nur dann als Frachtführer in Anspruch genommen werden kann, wenn ihr nachgewiesen wird, daß der Schaden auf ihrer Bahn sich ereignet hat.

Art. 430. Wenn eine Eisenbahn das Gut mit einem Frachtbriefe zum

Transporte übernimmt, in welchem als Ort der Ablieferung ein allgekommenen und dem Empfänger ausgelieferten Frachtstücks (der gänzliche Ver­ lust des Frachtguts konlult in dieser Beziehung gar nicht in Betracht) ohne Rück­ sicht darauf, wann sie von dem Betheiligten entdeckt worden seien, nur dann ge­ gen die Bahnverwaltung geltend gemacht werdell dürften, wenn sie innerhalb einergewissen kurzen Frist angemeldet würden. Diese Allmeldung ist als eine Bedin­ gung der Entstehung der betreffendell Ersatzansprüche gegen die Eisenbahnverwal­ tungen aufgefaßt und hingestellt worden; dagegen hat man befunden, daß deil Eisenbahnen die Befugniß zur Vereinbarilllg 'kürzerer Verjährungsfristelr int All­ gemeinen oder wegen eines gänzlichen Verlustes der Güter im Besonderell einzu­ räumen kein Grund vorhanden sei. (Prot. S. 5025 — 5028.) 86) Um ersichtlich zu macheu, was mau uuter „anschließend" zu verstehell habe und wie groß der Zwischenraum zwischeu zwei Bahnen sein dürfe, damit nicht ausgeschlossen werde, daß man sie als anschließende ansehe, indem es sich hier doch nicht bloß darum handeln küllne, das Verhältniß zweier Bahllen zu re­ geln, deren Schienengeleise mit einander verbunden seien, und in Betracht, daß es an Gründen fehle, die Allwenduug des Art. dann ailszuschließen, wenn das Gut zwischen zwei Eisellbahuen eine Strecke weit auf eine andere Art, z. B. auf Evern über einen Stron: transportirt werden müsse, beantragte Hannover folgende Fassung für den Eingang: „Wenn eine Eiseilbahn das Güt mit eiuein Fracht­ briefe übernimmt, nach welchem der Transport auf mehreren Eisenbahnen auszu­ führen ist, gleichviel, ob sich diese an einander anschließen, oder nicht, so" rc. — Hiergegen wurde jedoch eingewendet: Es könne nicht zweifelhaft sein, was man unter anschließenden Eisenbahnen zu verstehen habe. Es komme weder darauf mt, daß die Schieneugeleise beider Bahnen in einander liefen, noch darauf, ob der Zwischenrauln zwischen beiden ein wenig größer oder kleiner sei, sondern darauf, ob die Weiterbeförderung des Guts bis zur ullmittelbaren Uebergabe an die nächste Eisenbahn in einem und demselben Eisenbahnbetriebe statthabe^ gleichviel, welcher Mittel sich die Bahnverwaltung bediene, um das Gut von ihren Schienen auf die der anderen Bahn zu bringen; der Ausdruck „anschließend" habe eine jllristische Bedeutung und beziehe sich auf die an einander anschließende Haftbarkeit der Bahnverwaltungen. Die Richtigkeit dieser Auslegung des Ausdrucks „anschließen" wurde zwar von der anderen Seite bestritten, die' vorgeschlagene Fassung aber doch abgelehnt. (Prot. S. 5115.)

628

Fünftes Buch.

Erster Titel.

weder an ihrer Bahn, noch an einer der sich an si^ anschließenden Bahnen liegender Ort bezeichnet ist, so kann bedungen werden, daß die Haftpflicht der Eisenbahn oder der Eisenbahnen als Frachtführer nicht für den ganzen Transport bis zum Orte der Ablieferung, son­ dern nur für den Transport bis zu dem Orte bestehe, wo der Trans­

port mittelst Eisenbahn enden soll; ist dies bedungen, so treten in Bezug auf die Weiterbeförderung nur die Verpflichtungen des Spe­ diteurs ein.

Art. 431. Ist von dem Absender auf dem Frachtbriefe bestimmt, daß das

Gut an einem an der Eisenbahn liegenden Orte abgegeben wer­

den oder liegen bleiben sott87), so gilt, ungeachtet im Frachtbriefe ein anderweitiger Bestimmungsort angegeben ist, der Transport

als nur bis zu jenem an der Bahn liegenden Orte übernommen, und die Bahn ist nur bis zur Ablieferung an diesem Orte verant­

wortlich.

Fünftes Buch. Vom Seehandel*). Erster Titel. Allgemeine Bestimmungen. 1. K.O. v. 25. September 1815, wegen Vermessung der Schiffe und der darnach zu regulirenden Abgaben. (G.S.

S. 205.) Auf Ihren mir erstatteten Bericht vom 18. Juli c. nehme ich keinen Anstand, Folgendes zu bestimmen: 87) Dies ist der Fall des „Bahnhof restant“. In Fällen dieser Art hat die Eisenbahn über jenen Ort hinaus nicht einmal die Obliegenheiten eines Spe­ diteurs, also nicht für Transportmittel zu sorgen u. bergt (Prot. S. 5033.) 1) „Die in diesem Buche gegebenen Vorschriften weichen von den vorher in Geltung gewesenen Bestimmungen sowohl hinsichtlich der formellen Behandlung der einzelnen Rechtsmaterien, als auch rücksichtlich des materiellen Inhalts in mehreren Beziehungen ab. Der in dem bisherigen Rechte häufig vermißte Zu­ sammenhang zwischen den die einzelnen Rechtsverhältnisse betreffenden Vorschriften ist hergestellt, die dem Seerechte fremden Gegenstände sind ausgesondert, die große Anzahl der veralteten staatspolizeilichen und strafrechtlichen Verordnungen ist ent­ fernt und die vorhandenen Lücken sind ausgefüllt worden. Der materielle Inhalt hat diejenigen Abänderungen erfahren, welche durch die seit der Emanation der älteren Gesetze hervoraetretene Umgestaltung der Handelsverhältnisse und den inmittelst stattgefundenen Fortschritt in der Gesetzgebung als geboten erschienen." So urtheilt die XV. Kommission des Herrenhauses über das V. Buch des H.G.B.,

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

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1) Es soll behufs der Vermessung der Schiffe und der darnach zu regulirenden Abgaben hinführo in den gesummten Häfen der Monarchie eine

und weiset zur Rechtfertigung dieses Urtheils auf folgende der Hauptdifferenzen hin, welche zwischen den Vorschriften des H.G.B. und dem A. L.R. bestehen. „In formeller Beziehung ist hervorzuheben: 1) Die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Schiffers, der Schiffs­ mannschaft und der Befrachter, wenn der Antritt oder die Vollendung einer Reise durch Zufall verzögert oder verhindert wird, sind im A. L.R. an verschiedenen Stellen und mit übergroßer Umständlichkeit und Spezialisiryng vorgetragen, im H.G.B. dagegen an den entsprechenden Stellen übersichtlich zusammengestellt und durch Hervorhebung der leitenden Prinzipien vereinfacht; 2) die Vorschriften über die Haverei und die Versicherungen, welche im A. L.R. keinesweges strenge geschieden worden, sind im H.G.B. völlig von einander ge­ trennt und logisch jedes als ein abgeschlossenes Ganzes behandelt; 3) die im A. L.R. ganz gelegentlich und nicht einmal in einem besonderen Abschnitte, sondern sporadisch bei den einzelnen Paragraphen behandelten Materien der Lebens- und Feuerversicherung sind aus dem Abschnitte des H.G.B. über die Seeversicherung völlig ausgeschieden worden. In materieller Beziehung sind: 1) das Vorkaufsrecht der Mitrheder (A. L.R. §§♦ 1437 —1442 bergt mit Art. 470) und 2) die Befugniß der einzelnen Mitrheder, das Schiff behufs der Theilung ein­ seitig zur Subhastation zu stellen (§§. 1427 — 1436 a. a. O. bergt mit Art. 472); ferner 3) die gesetzlichen Bestimmungen über die Dauer der Lade- und Löschzeit (§§. 1635 u. folg. a. a. O. bergt mit Artt 569 u. 596); und 4) die Verpflichtung des Schiffers, die Ladung nur gegen Rückgabe aller Konnoffementsexemplare auszuliefern (§. 1716 a. a. O. bergt mit Art. 647); ingleichen 5) die Bestimmung, daß bei einem von keiner Seite verschuldeten Zusammen­ stöße zweier Schiffe der beiderseitige Schaden zusammen zu werfen und von jebem Schiffe zur Hälfte getragen werden solle (§§. 1911 u. folg. a. a. O. bergt mit Artt. 736 ff.), in Wegfall gebracht, und dagegen: 6) der Begriff der Seeuntüchtigkeit eines Schiffes (H.G.B. Art. 444), sowie 7) der Begriff der europäischen und der nichteuropäischen Häfen bestimmt (Art. 447 a. a. O.); ferner 8) die Verpflichtung des Rheders aus den Handlungen des Schiffers und der Schiffsmannschaft, und zwar sowohl im Allgemeinen, als bezüglich darauf näher festgestellt, ob die Verpflichtung sich nur auf das Schiff und die Fracht­ gelder beschränke, oder ob der Rheder auch persönlich verhaftet sei (Art. 452 u. folg.); 9) der Grundsatz: „„die Uebergabe des Konnossements gilt als die Uebergabe der Waare"", sanktionirt (Art. 649); 10) die Materie der Bergung und Hülfsleistung in Seenoth (Tit. 9); ingleichen 11) die Lehre bezüglich der Schiffsgläubiger und der gesetzlichen Pfandrechte in Seesachen (Tit. io) abgesondert und systematisch behandelt; endlich 12) die landrechtlich dem Schiffer auserlegte persönliche Verpflichtung für die Bod­ mereischulden (A. L.R. Th. H, Tit. 8, §. 2444) außer Kraft gesetzt. Die geschilderten Vorzüge des neuen Gesetzes sind so groß, daß dagegen ein­ zelne möglicherweise vorhandene Mängel nicht in die Waage fallen können. Als Mängel ließen sich vielleicht betrachten: 1) eine große Spezialisirung in den Materien der Haverei und der Seeversiche­ rung UNd 2) die bezüglich der Seeversicherung anscheinend vielfach hervorttetende Tendenz, vorzugsweise die Rechte des Versicherers gegenüber den Rechten des Versicher­ ten zu wahren, wohin insbesondere die Anordnungen zu rechnen sind, daß a. bei absichtlicher Strandung eine Haverei grosse nur vorhanden sein soll,

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Fünftes Buch.

Erster Titel.

gleiche Schiffslasten - Größe angenommen werden, welche zu viertausend Ber­ liner Pfund, oder fünfzig Berliner Scheffel Roggen, zu achtzig Pfund der Scheffel, festgestellt wird. 2) Nach dem Ausfälle der darnach vorzunehmenden Vermessung eines Schiffes sollen sämmtliche lediglich von dem Schiffsgefäßen für die Benutzung des Hafens zu erlegende Abgaben geordnet werden, um auch hierbei die möglichste Einfachheit stattfinden zu lassen, und, da diese Schiffsgefäßgelder wegen der örtlichen Verhältnisse nicht überall gleich sein können, so will Ich Ihnen überlassen, solche für jeden Hafen besonders, und so, daß sie dem Verkehre nie nachtheilig werden können, zu bestimmen. 2. K.O. v. 12. März 1 823. (G.S. S. 127.)

Dekoration der Flaggea).

Aus den in Ihrem Berichte vom 16. Nov. v. I. enthaltenen Gründen bestimme Ich hierdurch Meine Verfügung vom 22. Mai 1818 dahin, daß die ordentliche Landes - oder Handelsflagge in dem mittleren weißen Streifen den Preußischen heraldischen Adler erhalten, und die beiden äußeren schwarzen Streifen zusammengenommen den dritten Theil der ganzen Flaggenbreite einmehmen sollen. Indem Ich die hiernach von Ihnen eingereichte Zeichnung genehmige, empfangen Sie solche mit der Flaggenkarte und den übrigen Zeich­ nungen hierbei zurück.

3. Gesetz, betreffend die Organisation der Bundes­ konsulate, sowie die Amtsrechte und Pflichten der Bundes­ konsuln. Vom 8. November 1 867. (Bundes-Gesetzbl. S. 137.) Wir Wilhelm rc. verordnen im Namen des Norddeutschen Bundes, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

I. Organisation der Bundeskonsulate. §. 1. Die Bundeskonsuln sind berufen, das Interesse des Bundes, namentlich in Bezug auf Handel, Verkehr und Schifffahrt thunlichst zu schützen

wenn das Schiff abgebracht wird und reparaturfähig bleibt (Art. 708, Nr. 3, Alin. 3), und b. daß auch die durch das Prangen entstandenen Beschädigungen nicht zur Haverei grosse gehören (Art. 709, Nr. 3). Es läßt sich jedoch nicht verkennen, daß in beiderlei Beziehungen auch fiir die Vorschriften des H.G.B., wie die Berathungsprotokolle ergeben, die erheblichsten theoretischen und praktischen Gründe sich geltend machen lassen, und daß, wenn bei diesen Punkten der Versicherer gleichwohl begünstigt sein sollte, dagegen auch bei anderen dem Versicherten größere Rechte eingeräumt sind, als die "bisherigen Gesetze ihm zugestehen (vergl. Artt. 824, 826, 832, 838 — 848, 888, 889, 897, 898, 899), so daß eine sachgemäße Ausgleichung sich ergeben dürste." (Kommiss.Bericht vom 21. Mai 1861, S. 18.) 2) Diese V. bezieht sich auch auf die Stromschifffahrt. R. d. Min. d. I. vom 4. Novbr. 1834 (v. K., Aun. Bd. XVIII, S. 1108). Die Nichtbefolgung soll eine polizeiliche Strafe von 5 Thlrn., nach vorheriger Warnung, nach sich ziehen. (Verf. dess. M. v. 22. Septbr. 1837; v. K., Ann. Bd. XXI, S. 787.) (2. A.) Die zum Erwerb durch die Seeschifffahrt bestimmten Schiffe (Kauf­ fahrteischiffe) haben fortan als Nationalflagge ausschließlich die Bundesflagge zu führen (Artt. 54, 55 der Bundesverfassung). §. 1 des Gesetzes vom 25. Oktober 1867 (Zus. 1 u. 2 zu Art. 53 des Einf.-Gesetzes).

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

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und zu fördern, die Beobachtung der Staatsverträge zu überwachen und den Angehörigen der Bundesstaaten, sowie anderer befreundeter Staaten in ihren Angelegenheiten Rath und Beistand zu gewähren. Sie muffen hierbei nach den Bundesgesetzen und den ihnen ertheilten Instruktionen sich richten und die durch die Gesetze und die Gewohnheiten ihres Amtsbezirks gebotenen Schran­ ken einhalten. §. 2. Unter Konsul im Sinne dieses Gesetzes ist der Vorsteher eines Generalkonsulats, Konsulats oder Vizekonsulats zu verstehen. §. 3. Die Bundeskonsuln sind der Aufsicht des Bundeskanzlers unter­ worfen. In Angelegenheiten von allgemeinem Interesse berichten sie an den Bundeskanzler und empfangen von ihm ihre Weisungen. In dringlichen Fällen haben sie gleichzeitig die erforderlichen Anzeigen über erhebliche That­ sachen unmittelbar an die zunächst betheiligten Regierungen gelangen zu lassen. In besonderen, das Interesse eines einzelnen Bundesstaates oder ein­ zelner Bundesangehöriger betreffenden Geschäftsangelegenheiten berichten sie an die Regierung des Staates, um dessen besonderes Interesse es sich han­ delt, oder dem die beteiligte Privatperson angehört; auch kann ihnen in sol­ chen Angelegenheiten die Regierung eines Bundesstaates Aufträge ertheilen und unmittelbare Berichtserstattung verlangen. §. 4. Die Bundeskonsuln werden vor Antritt ihres Amtes dahin ver­ eidet, daß sie ihre Dienstpflichten gegen den Norddeutschen Bund nach Maß­ gabe des Gesetzes und der ihnen zu ertheilenden Instruktionen treu und ge­ wissenhaft erfüllen und das Beste des Bundes fördern wollen. §♦ 5. Die Bundeskonsuln können ohne Genehmigung des Bundes­ präsidiums weder Konsulate fremder Mächte bekleiden, noch Geschenke oder Orden von fremden Negierungen annehmen. §. 6. Bundeskonsuln, welche sich von ihrem Amte ohne Urlaub ent­ fernt halten, werden so angesehen, als ob sie die Enthebung von ihrem Amte nachgesucht hätten. §. 7. Zum Berufskonsul (consul missus) kann nur derjenige er­ nannt werden, welchem das Bundesindigenat zusteht und welcher zugleich 1) entweder die zur juristischen Laufbahn in den einzelnen Bundesstaaten erforderliche erste Prüfung bestanden hat und außerdem mindestens drei Jahre im inneren Dienste oder in der Advokatur und mindestens zwei Jahre im Konsulatsdienste des Bundes oder eines Bundesstaates beschäf­ tigt gewesen ist, oder 2) die besondere Prüfung bestanden hat, welche für die Bekleidung des Amtes eines Berufskonsuls einzusühren ist. Die näheren Bestimmungen über diese Prüfung werden von dem Bundeskanzler erlassen. Die vorstehenden Bestimmungen konrmen jedoch erst vom 1. Januar 1873 ab zur Anwendung.

§. 8. Die Berufskonsuln erhalten Besoldung nach Maßgabe des Bun­ deshaushalts-Etats. Reise- und Einrichtungskosten, sowie sonstige Dienstausgaben werden ihnen aus Bundesmitteln besonders erstattet. Die Familien der Berufskonsuln werden, wenn letztere während ihrer Amtsdauer sterben, auf Bundeskosten in die Heimath zurückbefördert-.

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Fünftes Buch.

Erster Titel.

Die Berufskonsuln erheben die in dem Konsular-Tarife vorgesehenen Gebühren für Rechnung der Bundeskaffe. Die Berusskonsuln dürfen keine kaufmännischen Geschäfte betreiben. In Bezug auf den Amtsverlust, die Dienstentlaffung, die Versetzung in den Ruhestand und die Amtssuspension unterliegen die Berusskonsuln bis zum Erlaß eines Bundesgesetzes den in dieser Beziehung für die preußischen diplomatischen Agenten zur Zeit geltenden Vorschriften mit der Maßgabe, daß die in diesen Vorschriften dem Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten beiwohnenden Zuständigkeiten dem Bundeskanzler und die nach deuselben dem Disziplinarhofe und dem Staatsministerium beiwohnenden Zuständigkeiten dem Bundesrathe gebühren. §. 9. Zu Wahlkonsuln (consules electi) sollen vorzugsweise Kauf­ leute ernannt werden, welchen das Bundesindigenat zusteht. §. 10. Die Wahlkonsuln beziehen die in Gemäßheit des KonsularTarifs zu erhebenden Gebühren für sich. Dienstliche Ausgaben können ihnen aus Bundesmitteln ersetzt werden. Ihre Anstellung ist jederzeit ohne Entschädigung widerruflich. §. 11. Die Konsuln können mit Genehnligung des Bundeskanzlers in ihrem Amtsbezirke konsularische Privatbevollmächtigte (Konsular - Agenten) bestellen. Den Konsular-Agenten steht die selbstständige Ausübung der in diesem Gesetze den Konsuln beigelegten Rechte nicht zu. Den Konsular-Agenten können die von ihnen nach Maßgabe des Kon­ sular-Tarifs erhobenen Gebühren ganz oder theilweise belasten werden.

II. Amtsrechte und Pflichten der Bundeskonsuln. §. 12. Jeder Bundeskonsul hat über die in seinem Amtsbezirke woh­ nenden und zu diesem Behufe bei ihm angemeldeten Bundesangehörigen eine Matrikel zu führen. So lange ein Bundesangehöriger in die Matrikel eingetragen ist, bleibt ihm sein heimathliches Staatsbürgerrccht erhalten, auch wenn deffen Verlust lediglich in Folge des Aufenthalts in der Fremde eintreten würde. §. 13. Die Befugniß der Konsuln zu Eheschließungen und zur Beur­ kundung der Heirathen, Geburten und Sterbefälle der Bundesangehörigen bestimmt sich bis zum Erlaß eines diese Befugniß regelnden Bundesgesetzes nach den Landesgesetzen der einzelnen Bundesstaaten. Wenn nach den Landesgesetzen die Befugniß von einer besonderen Er­ mächtigung abhängig ist, so wird die letztere von dem Bundeskanzler auf An­ trag der Landesregierung ertheilt. §. 14. Die Bundeskonsuln sind befugt zur Legalisation derjenigen Ur­ kunden, welche in ihrem Amtsbezirke ausgestellt oder beglaubigt sind. §. 15. Die schriftlichen Zeugnisse, welche von den Bundeskonsuln über ihre amtlichen Handlungen und die bei Ausübung ihres Amtes wahrgenommenen Thatsachen unter ihrem Siegel und unter ihrer Unterschrift ertheilt sind, haben die Beweiskraft öffentlicher Urkunden. §. 16. Den Bundeskonsuln steht innerhalb ihres Amtsbezirkes in An­ sehung der Rechtsgeschäfte, welche Bundesangehörige errichten, insbesondere auch derjenigen, welche dieselben mir Fremden schließen, das Recht der Notare

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

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zu, dergestalt, daß die von ihnen aufgenommenen und mit ihrer Unterschrift und ihrem Siegel versehenen Urkunden den innerhalb der Bundesstaaten aus­ genommenen Notariats-Urkunden gleich zu achten sind.

§. 17. Bei Ausnahme der Urkunden (§. 16) haben die Bundeskonsuln zwei Zeugen zuzuziehen, in deren Gegenwart die Verhandlung vorzulesen und von den, Betheiligten durch Unterschrift oder im Falle der Schreibensunerfah­ renheit durch Handzeichen zu vollziehen ist. Die Besolgung dieser Vorschriften muß aus der Urkunde hervorgehen, widrigenfalls dieselbe nicht die Kraft einer Notariats-Urkunde hat. Diese Kraft mangelt auch in dem Falle, wenn der Konsul oder seine Frau oder einer von seinen oder seiner Frau Verwandten oder Verschwägerten in auf - oder abstei­ gender Linie oder in der Seitenlinie bis zum Grade des Oheims oder Neffen einschließlich bei der Verhandlung betheiligt war, oder wenn darin eine Ver­ fügung zu Gunsten einer der vorgenannten Personen oder der hinzugezogenen Zeugen getroffen ist. §. 18. Die Bundeskonsuln sind berufen, der in ihrem Amtsbezirke be­ findlichen Verlaffenschaften verstorbener Bundesangehöriger, wenn ein amtli­ ches Einschreiten wegen Abwesenheit der nächsten Erben oder aus ähnlichen Gründen geboten erscheint, sich anzunehmen; sie sind hierbei insbesondere er­ mächtigt, den Nachlaß zu versiegeln und zu inventarisiren, den beweglichen Nachlaß, wenn die Umstände es erfordern, in Verwahrung zu nehmen und öffentlich zu verkaufen, sowie die vorhandenen Gelder zur Tilgung der fest­ stehenden Schulden zu verwenden. . §. 19. Die Bundeskonsuln können innerhalb ihres Amtsbezirks an die dort sich aufhaltenden Personen aus Ersuchen der Behörden eines Bundesstaa­ tes Zustellungen jeder Art bewirken. Durch das schriftliche Zeugniß des Kon­ suls über die erfolgte Zustellung wird diese nachgewiesen. §. 20. Zur Abhörung von Zeugen und zur Abnahme von Eiden sind nur diejenigen Bundeskonsuln befugt, welche dazu vom Bundeskanzler besonders ermächtigt sind. Die von diesen Konsuln aufgenommenen Verhand­ lungen stehen den Verhandlungen der zuständigen inländischen Behörden gleich. §. 21. Bei Rechtsstreitigkeiten der Bundesangehörigen unter sich und mit Fremden sind die Bundeskonsuln berufen, nicht allein auf Antrag der Par­ teien den Abschluß von Vergleichen zu vermitteln, sondern auch das Schieds­ richteramt zu übernehmen, wenn sie in der durch die Ortsgefetze vorgeschriebe­

nen Form von den Parteien zn Schiedsrichtern ernannt werden. §. 22. Den Bundeskonsuln steht eine volle Gerichtsbarkeit zu, wenn sie in Ländern residiren, in welchen ihnen durch Herkommen oder durch Staats­ verträge die Ausübung der Gerichtsbarkeit gestattet ist. Der Konsulargerichtsbarkeit sind alle in den Konsular - Jurisdiktionsbe­ zirken wohnenden oder sich aufhaltenden Bundesangehörigen und Schutzgenos­ sen unterworfen. In Betreff der politischen Verbrechen und Vergehen jedoch nur, wenn diese nicht innerhalb des Norddeutschen Bundes oder in Beziehung auf denselben verübt sind. §. 23. Die Jurisdiktionsbezirke der einzelnen Konsuln werden von dem Bundeskanzler nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes für Han­ del und Verkehr bestimmt.

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Fünftes Buch.

Erster Titel.

§. 24. Bis zum Erlasse*2 a) eines Bundesgesetzes über die Konsular­ gerichtsbarkeit wird dieselbe von den Bundeskonsuln nach Maßgabe des über die Gerichtsbarkeit der Konsuln in Preußen erlassenen Gesetzes vom 29. Juni 1865 (Gesetz- Samml. S. 681) ausgeübt. Die nach diesem Gesetze den Preußischen Ministern und Gesandten übertragenen Besugnisse stehen jedoch dem Bundeskanzler zu. Neue Bundesgesetze erlangen in den Konsular - Jurisdiktionsbezirken nach Ablauf von sechs Monaten, von dem Tage gerechnet, an welchem dieselben durch das Bundesgesetzblatt verkündet worden sind, verbindliche Kraft. §. 25. Die Bnndeskonsuln sind befugt, den in ihrem Amtsbezirke sich aushaltenden Bundesangehörigen Päffe auszustellen, sowie Päsie zu visiren, die Päffe fremder Behörden jedoch nur zum Eintritt in das Bundesgebiet. §. 26. Hülssbedürftigen Bundesangehörigen haben die Bundeskonsuln die Mittel zur Milderung augenblicklicher Noth oder zur Rückkehr in die Heimath nach Maßgabe der ihnen ertheilten Amtsinstruktion zu gewähren.

§. 27. Die Bundeskonsuln haben den Schiffen der Bundes-Kriegsmarine, sowie der Besatzung derselben Beistand und Unterstützung zu gewähren Ins­ besondere müffen sie die Befehlshaber derselben von den in ihrem Amtsbezirke in Bezug auf fremde Kriegsschiffe bestehenden Vorschriften und Ortsgebräuchen, sowie von etwa dort herrschenden epidemischen und ansteckenden Krankheiten unterrichten. §. 28. Wenn Mannschaften von Kriegsschiffen desertiren, so haben die Bundeskonsuln bei den Orts- und Landesbehörden die zur Wiederhabhaftwerdung derselben erforderlichen Schritte zu thun. §. 29. Die Bundeskonsuln haben zum Schutze der von ihnen dienst­ lich zu vertretenden Interessen, insbesondere zum Transport von Verbrechern und hülssbedürftigen Personen, den Beistand der Befehlshaber der Kriegs­ schiffe in Anspruch zu nehmen. §. 30. Die Bundeskonsuln haben die Innehaltung der wegen Füh­ rung der Bundesflagge bestehenden Vorschriften zu überwachen.

§. 31. Sie haben die Meldung der Schiffsführer entgegen zu nehmen und an den Bundeskanzler über Unterlaffung dieser Meldung zu berichten 2 b). §. 32. Sie bilden für die Schiffe der Bundes-Handelsmarine im Hafen ihrer Residenz die Musterungsbehörde. §. 33. Sie sind befugt, über diese Schiffe die Polizeigewalt auszuüben.

§. 34.

Wenn Mannschaften von solchen Schiffen desertiren, so haben

2 a) Der Reichstag hat bei Genehmigung dieses Gesetzes die von der Komnüssion vorgeschlagene Resolution: „den Bundeskanzler aufzufordern, dem Reichs­ tage mit möglichster Beschleunigung den Entwurf eines Gesetzes, die Gerichtsbar­ keit der Bundeskonsuln betreffend, zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme vorzu­ legen", angenommen. Bis dahin bildet das preußische Gesetz vom 29. Juni 1865 einen integrirenden Theil des vorliegenden Gesetzes. Aus Antrag des Abg. Kayser ist dasselbe als ein solcher Theil hier beigedruckt und überall mit publrzirt worden.

2b) Jeder Schiffer, der sich mit seinem Fahrzeuge an einem Orte befin­ det, wo der Konsularbeamte seinen Wohnsitz hat, muß sich bei Letzterem per­ sönlich melden. Verf. des Min. der Fin., vom 14. September 1842 (Min.Bl. S. 376).

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

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die Bundeskonsuln auf Antrag des Schiffers bei den Orts- oder Landesbe­ hörden die zur Wiederhabhaftwerdung derselben erforderlichen Schritte zu thun. §. 35. Die Bundeskonsuln stnd befugt, an Stelle eines gestorbenen, erkrankten oder sonst zur Führung des Schiffes untauglich gewordenen Schif­ fers auf den Antrag der Betheiligten einen neuen Schiffsführer einzusetzen. §. 36. Sie sind befugt, die Verklarungen 2 c) aufzunehmen, und bei Unfällen, von welchen die Schiffe betroffen werden, die erforderlichen Bergungs- und Rettungsmaßregeln einzuleiten und zu überwachen, sowie in Fäl­ len der großen Haverei aus Antrag des Schiffsführers die Dispache aufzu­ machen. §. 37. In Betreff der Befugniß der Konsuln zur Mitwirkung bei dem Verkaufe eines Schiffes durch den Schiffer und bei Eingehung von Bodmerei­ geschäften , sowie in Betreff der einstweiligen Entscheidung von Streitigkeiten zwischen Schiffer und Mannschaft sind die Vorschriften Artt. 499. 537. 547. 686 des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches maßgebend; in Betreff ihrer Befugniß zur Ertheilung von interimistischen Schiffscertifikaten bewen­ det es bei den Vorschriften des Bundesgesetzes, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und ihre Befugniß zur Führung der Bundesflagge, vom 25. Oktober 1867. §. 38. Die von den Bundeskonsuln zu erhebenden Gebühren werden durch Bundesgesetz festgestellt. Bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes erfolgt die Gebührenerhebung nach einem von dem Bundeskanzler im Einver­ nehmen mit dem Ausschüsse des Bundesrathes für Handel und Verkehr ju er­ lassenden provisorischen Tarife. Urkundlich rc.

. Das im §. 24 des vorstehenden Gesetzes in Bezug genommene, über die Gerichtsbarkeit der Konsuln in Preußen erlassene Gesetz vom 29. Juni 1865 lautet, wie folgt:

Wir Wilhelm rc. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Land­ tages Unserer Monarchie, was folgt:

I.

Allgemeine Bestimmungen.

§. 1. Unseren Konsuln steht die Gerichtsbarkeit zu, wenn sie in Län­ dern residireu, in welchen ihnen durch Herkommen oder durch Staatsverträge die Ausübung der Gerichtsbarkeit gestattet ist. Der Konsulargerichtsbarkeit sind alle in den Konsular-Jurisdiktionsbezirken wohnenden oder sich aushalten­ den Preußen und Preußischen Schutzgenossen unterworfen. §. 2. Soweit dieses Gesetz nicht ein Anderes bestimmt, oder soweit nicht Herkommen oder Staatsverträge entgegenstehen, umfaßt die Gerichtsbarkeit der Konsuln sowohl die Civil- als die Strafgerichtsbarkeit, beide in gleichem

2c) Schon nach dem Regl. vom 18. September 1796 §. 3 stand den Kon­ suln ein unbedingtes Recht zu, Seeproteste und damit verknüpfte Taxen aufzu­ nehmen, ohne Rücksicht darauf: ob an ihren Residcnzorten Seegerichte vorhan­ den , oder nicht. Beschl. des Just.-Min. im Einverständnisse nut' dem Min. der Für. und der auswärtigen Angel, vom 28. August 1834 (Iahrb. Bd. XLIV,

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Fünftes Buch.

Erster Titel.

Umfange, wie sie den ordentlichen Kollegialgerichten der ersten Instanz (Kreisund Stadtgerichten) in denjenigen Landestheilen der Monarchie zustehen, in welchen das Allgemeine Landrecht und die Allgemeine Gerichtsordnung Gesetzes­ kraft haben. §. 3. Unter Konsul im Sinne dieses Gesetzes ist der Vorsteher eines Generalkonsulats, Konsulats oder Vizekonsulats zu verstehen. Im Falle der Abwesenheit oder Verhinderung des Vorstehers wird dessen Gerichtsbarkeit von seinem ordnungsmäßig berufenen Stellvertreter ausgeübt.

§. 4. Die Jurisdiktionsbezirke der einzelnen Konsuln werden von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten bestimmt. §. 5. An dem Orte, wo eine Königliche Gesandtschaft ihren Sitz hat, sowie in dem angrenzenden, von dem Minister der auswärtigen Angelegenhei­ ten zu bestimmenden Bezirke (§. 4), wird die Konsulargerichtsbarkeit (§§. 1 und 2) in Ermangelung eines dort residirenden Konsuls von dem Kanzler der Gesandtschaft als Delegirten der letzteren ausgeübt. §. 6. In Bezug auf die Befähigung, die Ernennung, die Dauer der Anstellung, den Amisverlust, die Dienstentlassung, die Versetzung in den Ruhe­ stand und die Amtssuspension der mit Gerichtsbarkeit versehenen Konsuln und Kanzler der Gesandtschaften gelten nicht die für die richterlichen Beamten, son­ dern die für die Konsularbeamten und Gesandtschaftskanzler bestehenden Vor­ schriften. §. 7. Die mit Gerichtsbarkeit versehenen Konsuln und deren Stellver­ treter haben den allgemeinen Staatsdiener-Eid zu leisten. Sind dieselben Ausländer, so werden sie dahin beeidigt, daß sie die Pflichten ihres Amtes un­ parteiisch und gewissenhaft erfüllen wollen. §. 8. Die Gerichtsbarkeit wird von dem Konsul entweder allein oder durch das Konsulargericht ausgeübt. Die Zuständigkeit des Konsulargerichts tritt nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen ein. §. 9. Das Konsulargericht besteht aus dem Konsul als Vorsitzenden und zwei Beisitzern, welche der Konsul aus den achtbaren Gerichtseingeseffenen oder in Ermangelung solcher aus sonstigen achtbaren Einwohnern seines Be­

zirks ernennt. §. 10. Die Beisitzer werden am Anfang jeden Jahres für die Dauer desselben ernannt. Gleichzeitig sind zwei oder mehrere Stellvertreter zu ernen­ nen, welche für die Beisitzer in Abwesenheit oder Verhinderungsfällen eintreten. §. 11. Vor dem Antritt ihres Amtes werden die Beisitzer und deren Stellvertreter dahin beeidigt, daß sie die Pflichten desselben unparteiisch und gewissenhaft erfüllen wollen. §. 12. Den Beisitzern steht ein unbeschränktes Stimmrecht zu. §. 13. Ist es nicht möglich, ein Konsulargericht zu berufen, so tritt der Konsul an Stelle desselben; es müssen jedoch in einem solchen Falle die Gründe, welche die Berufung des Konsulargerichts verhindert haben, von dem Konsul zu den Akten vermerkt werden. §. 14. Die Konsuln sind bei Ausübung der Gerichtsbarkeit der Auf­ sicht der ihnen vorgesetzten Gesandtschaften und in Ermangelung solcher, so­ wie in letzter Instanz der Aufsicht der Minister der auswärtigen Angelegenhei­ ten und der Justiz unterworfen, und zwar in demselben Maße, wie die inlän­ dischen Gerichte der Aufsicht des Justizministers.

Seehandel.

§. 15.

Allgemeine Bestimmungen.

637

Jeder Konsul hat die Personen zu bestimmen, welche in den

zu seiner Gerichtsbarkeit gehörigen Rechtsangelegenheiten die Funktionen der Rechtsanwälte auszuüben haben. Ein Verzeichniß dieser Personen ist im ge­ richtlichen Geschäftslokale auszuhängen.

Gegen die Verfügung des Konsuls, durch welche die Eintragung einer Person in das Verzeichniß abgelehnt oder ihre Löschung in dem Verzeichniß an­ geordnet wird, findet die Beschwerde an die Aufstchtsbehörde (§. 14) statt. §. 16. Bei Beurtheilung der bürgerlichen Rechtsverhältniffe der der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen ist anzunehmen, daß in den Konsulatsbezirken das Allgemeine Landrecht und die übrigen Preußischen allge­ meinen Gesetzbücher nebst den dieselben abändernden, ergänzenden und erläu­ ternden Bestimmungen gelten. In Betreff der handelsrechtlichen Verhältniffe kommt jedoch zunächst das in den Konsulatsbezirken erweislich geltende Handels­ gewohnheitsrecht zur Anwendung. §. 17. Rücksichtlich der strafbaren Handlungen ist anzunehmen, daß für die der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen das Strafgesetzbuch vom 14. April 1851 und die übrigen in der Monarchie geltenden Strafge­ setze auch in den Könsulatsbezirken Geltung haben. Die für die Konsulats­ bezirke erlaffenen Strafgesetze der Landesregierungen bleiben außer Anwen­ dung, insofern nicht durch Staatsverträge oder Herkommen etwas Anderes bestimmt ist.

Jeder Konsul ist befugt, für seinen Jurisdiktionsbezirk oder einen Theil desselben polizeiliche Vorschriften mit verbindlicher Kraft für die seiner Gerichts­ barkeit unterworfenen Personen zu erlassen, und die Nichtbefolgung derselben mit Geldstrafen bis zum Betrage von zehn Thalern zu bedrohen. Diese Vorschriften sind sofort in Abschrift der vorgesetzten Gesandtschaft und in Ermangelung derselben dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten einzureichen. Sowohl der Gesandte als der Minister der auswärtigen Ange­ legenheiten ist befugt, die polizeilichen Vorschriften des Konsuls außer Kraft zu setzen. Die Verkündigung der polizeilichen Vorschriften erfolgt in der im Konsu­ latsbezirk üblichen Weise und jedenfalls durch Aushang in dem gerichtlichen Geschäftslokal des Konsuls.

§. 18. Neue Gesetze erlangen in den Konsulatsbezirken Gesetzeskraft nach Ablauf von sechs Monaten, von dem Tage an gerechnet, an welchem das betref­ fende Stück der Gesetz - Sammlung in Berlin ausgegeben worden ist, insofern nicht das neue Gesetz eine andere Zeitbestimmung für den Anfang seiner Gel­ tung in den Konsulatsbezirken oder die Bestimmung einer späteren Zeit für den Anfang seiner allgemeinen Geltung enthält. §. 19. Die von den Konsuln für die Gerichtshandlungen zu erheben­ den Kosten und Gebühren werden durch einen Tarif bestimmt, welchen die Mi­ nister der auswärtigen Angelegenheiten, der Justiz und der Finanzen zu er­ lassen haben. Dieser Taris darf keine höheren Sätze vorschreiben, als die Gebührenund Kostengesetze zulassen, welche für die im §. 2 bezeichneten Landestheile ergangen sind.

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Fünftes Buch.

Erster Titel.

II. Bestimmungen, betreffend das Verfahren bei Ausübung der Civilgerichtsbarkeit. §. 20. Bei Ausübung der Civilgerichtsbarkeit der Konsuln bestimmt sich sowohl in Angelegenheiten der streitigen, als der nicht streitigen Gerichts­ barkeit das Verfahren nach den für die in §. 2 bezeichneten Landestheile beste­ henden Vorschriften, insoweit diese nicht Einrichtungen und thatsächliche Ver­ hältnisse voraussetzen, welche in den Konsulatsbezirken fehlen. §. 21. Es bleiben insbesondere die Vorschriften, welche die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft betreffen, außer Anwendung. Dasselbe gilt von den aus die kollegialische Erledigung der Geschäfte sich beziehenden Vorschriften, in­ soweit nicht die Zuständigkeit des Konsulargerichts (§. 9) begründet ist. Die Zuständigkeit des letzteren tritt ein für die mündliche Verhandlung und für die auf die mündliche Verhandlung zu erlassenden Entscheidungen in Civilprozeßsachen mit Ausschluß der Bagatellsachen. §. 22. Bei Prozessen, in welchen eine der Konsulargerichtsbarkeit nicht unterworfene Person als Partei betheiligt ist, findet an Orten, wo es herkömmlich ist, aus Verlangen dieser Partei die Verhandlung und Entschei­ dung durch eine Kommission statt, deren Zusammensetzung und deren Verfah­ ren sich durch das Herkommen bestimmt. Das Erkenntniß der Kommission bedarf der Bestätigung (Homologation) des Konsuls. Dieser hat das Erkennt­ niß nur dann zu bestätigen, wenn er dasselbe formell und materiell gerechtfer­ tigt findet. Gegen das von dem Konsul bestätigte Erkenntniß finden dieselben Rechtsmittel statt, welche gegen die von dem Konsul selbstständig erlassenen Er­ kenntnisse statthaft sind. §. 23. Für die zur Zuständigkeit der Konsuln gehörigen Civilsachen wird die Gerichtsbarkeit der zweiten Instanz von dem Appellationsgericht in Stettin, die der dritten und höchsten Instanz von dem Obertribunal in Berlin in gleicher Art ausgeübt, wie für die, zur Zuständigkeit der im §. 2 bezeichneten Gerichte des Inlandes gehörigen Civilsachen. Es gilt dies insbesondere von den Be­ schwerden und Rechtsmitteln, insoweit in den nachstehenden Paragraphen nicht etwas Anderes bestimmt ist. §. 24. Die auf die Fristen und das Verfahren für die Rechtsmittel in schleunigen Sachen sich beziehenden Vorschriften, mit Ausnahme der Vor­ schriften über die Anmeldungsfrist bleiben außer Anwendung. Es sind mit dieser Ausnahme die Vorschriften über die Fristen und das Verfahren für die Rechtsmittel in nicht schleunigen Sachen auch auf die schleunigen Sachen an­

wendbar. §. 25. Das Rechtsmittel der Appellation ist bei dem Konsul nicht allein anzumelden, sondern auch innerhalb der gesetzlichen Frist (§. 17 der Verord­ nung vom 21. Juli 1846, Gesetz - Sammt. S. 291) einzuführen und zu rechtfertigen. §. 26. Rach dem Eingang der Einführungs- und Rechtfertigungsschrift beschließt der Konsul über die Zulassung des Rechtsmittels. Wird dasselbe von ihm zurückgewiesen, so findet gegen die zurückweisende Verfügung Be­ schwerde nach den Bestimmungen der §. 34 der Verordnung vom 21. Juli 1846 statt. Hält der Konsul die Zulassung des Rechtsmittels für gerechtfer­ tigt, so erläßt er die Aufforderung an den Appellaten, binnen der gesetzlichen

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

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Frist die Beantwortung der Appellation Lei ihm einzureichen (§. 20 der Ver­ ordnung vom 21. Juli 1846).

§. 27. Wenn der Konsul bei der Prüfung der Schriftsätze eine von der einen oder anderen Partei beantragte neue Beweisaufnahme erheblich fin­ det, so kann er dieselbe durch einen Vorbescheid anordnen und nach den für das Verfahren in erster Instanz bestehenden Vorschriften bewirken.

§. 28. Wird eine Beweisaufnahme nicht beantragt, oder von dem Kon­ sul nicht für angemessen erachtet, oder ist dieselbe beendigt, so übersendet er die Akten an das Gericht zweiter Instanz und setzt hiervon gleichzeitig die Parteien in Kenntniß. §. 29. Jede Partei hat zu den Akten ohne vorherige Aufforderung eine im Jnlande wohnende Person zu bezeichnen, oder die Zuordnung eines Offi­ zial-Anwaltes zu beantragen, welcher zur Empfangnahme der für sie be­ stimmten Verfügungen und Ladungen des Gerichts zweiter Instanz berechtigt sein soll. Der Partei, welche weder eine solche Anzeige erstattet, noch bei dem Gericht zweiter Instanz zu ihrer Vertretung einen Bevollmächtigten bestellt, noch die Zuordnung eines Offizial-Anwaltes beantragt hat, werden die für sie bestimmten Verfügungen und Ladungen des Gerichts zweiter Instanz mit­ telst Aushanges im Geschäftslokal dieses Gerichts wirksam zugestellt.

§. 30. Nach Eingang der Akten wird von dem Gerichte zweiter In­ stanz sofort der Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt. §. 31. Die gesetzlichen Fristen, innerhalb welcher das Rechtsmittel der Revision und Nichtigkeitsbeschwerde bei dem Obertribunal einzusühren und zu rechtfertigen ist, sowie diejenigen, innerhalb welcher die Revision und Nichtigkeitsbeschwerde zu beantworten sind, werden verlängert: 1) um zwei Monate, wenn das Konsulat in Europa seinen Sitz hat; 2) um vier Monate, wenn es in einem Küstenlande von Asien oder Afrika längs des Mittelländischen oder Schwarzen Meeres oder auf einer dazu gehörigen Insel seinen Sitz hat; 3) um sechs Monate, wenn der Sitz desselben in einem anderen außer­ europäischen Lande sich befindet. §. 32. Wenn für die Partei, welche die Revision oder Nichtigkeitsbe­ schwerde zu beantworten hat, weder eine Beantwortung eingereicht, noch an­ derweit ein zur Prozeßpraxis bei dem Obertribunal befugter Rechtsanwalt als ihr Bevollmächtigter zu den Akten legitimirt ist, so werden ihr die für sie be­ stimmten Verfügungen und Ladungen des Obertribunals mittelst Aushanges im Geschäftslokale des letzteren wirksam zugestellt. §. 33. Ist der gegen ein Erkenntniß des Konsuls angebrachte Rekurs rechtzeitig eingelegt und das Rechtsmittel dem Gegenstände nach zulässig (§. 8 des Gesetzes vom 20. März 1854, Gesetz-Samml. S. 115), so wird die Rekursbeschwerde von dem Konsul dem Gegentheil mit der Aufforderung mit­ getheilt, binnen vierzehn Tagen die Beantwortung bei ihm einzureichen oder zu Protokoll zu geben. Die Einsendung der Akten an das Gericht zweiter Instanz erfolgt erst nach Eingang der Beantwortung oder nach Ablauf der vierzehntägigen Frist. Bei dem Gericht zweiter Instanz findet die Anberaumung eines Ter-

Fünftes Buch.

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Erster Titel.

mines zur Anhörung der Parteien und zur Verkündigung her Entscheidung nicht statt. §. 34. In denjenigen Fällen, in welchen eine Beschwerde binnen einer bestimmten Frist bei dem Gericht der höheren Instanz angebracht werden muß, kann die Anbringung derselben innerhalb der gesetzlichen Frist auch gül­ tig bei dem Konsul erfolgen.

III. Bestimmungen, betreffend das Verfahren bei Ausübung der Strafgerichtsbarkeit. §. 35. Bei Ausübung der Strafgerichtsbarkeit der Konsuln bestimmt sich das Verfahren, soweit nicht nachstehend ein Anderes angeordnet ist, so­ wohl in Betreff der Führung der Untersuchungen, als der Abfaffung und Vollstreckung der Erkenntnisse gleichfalls nach den für die im §. 2 bezeichneten Landestheile bestehenden Vorschriften.

§. 36. Die Konsuln sind zur Verfolgung der strafbaren Handlungen von Amtswegen verpflichtet; sie haben sich in dieser Hinsicht nach den Vor­ schriften der Allgemeinen Kriminalordnung vom 11. Dezember 1805, inson­ derheit nach den Bestimmungen über die gesetzlichen Veranlaffungsgründe einer Untersuchung zu richten. Die Bestimmungen, welche die Bestrafung von dem Anträge einer Privatperson abhängig machen, werden hierdurch nicht berührt. Die Vorschriften, welche auf die Zuziehung der Staasanwaltschaft sich beziehen oder dieselbe voraussetzen, bleiben in allen bei den Konsuln anhängi­ gen Untersuchungen außer Anwendung. §. 37. Der verhaftete Angeschuldigte kann sich von dem Augenblick seiner Verhaftung an eines Vertheidigers aus der Zahl der im 8. 15 er­ wähnten Personen bedienen. Ein solcher Vertheidiger ist befugt, schon wäh­ rend der Voruntersuchung sich ohne Beisein einer Gerichtsperson mit dem Angeschuldigten zu besprechen und den gerichtlichen Untersuchungsverhandlungen

beizuwohnen. §. 38. Das über den Hergang in der Hauptverhandlung aufzuneh­ mende Protokoll ist vor der Entscheidung in Gegenwart des Angeklagten und seines Vertheidigers vorzulesen. Jngleichen muß jeder bei der Hauptver­ handlung vernommenen Person ihre Aussage unmittelbar nach der Protokollirung derselben vorgelesen werden. Bei der Verlesung sind die Betheiligten mit Erklärungen und Anträgen zum Zweck der Berichtigung und Ergänzung des Protokolls zu hören. Die geschehene Verlesung ist im Protokoll zu ver­ merken. §. 39. Wenn für die strafbare Handlung nach den im §. 35 erwähn­ ten Oesetzen die Zuständigkeit der Einzelrichter begründet ist, so erfolgt die Untersuchung und Entscheidung durch den Konsul nach den für das Untersuchungsversahren durch Einzelrichter bestehenden Vorschriften. §. 40. Ist die strafbare Handlung ein zur Zuständigkeit der Gerichts­ abtheilungen gehöriges Verbrechen oder Vergehen, so erfolgt die Untersuchung und Entscheidung durch das Konsulargericht (§. 9) nach den für das Unter­ suchungsverfahren durch Gerichtsabtheilungen bestehenden Vorschriften.

§. 41.

Hält das Konsulargericht eine gerichtliche Verfolgung für ge-

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

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setzlich begründet, so verordnet es die gerichtliche Voruntersuchung, welche von dem Konsul geführt wird. Der mündlichen Verhandlung vor dem Kon­ sulargericht muß in der Voruntersuchung eine Vernehmung des Angeschuldig­ ten vorhergehen, bei welcher ihm der Gegenstand der Anschuldigung und der Inhalt der erhobenen Beweise mitzutheilen ist. §. 42. Ist der Angeschuldigte ein Preuße, welcher sich nur vorüber­ gehend im Auslande aushält, so ist der Konsul in den Fällen der §§. 39 und 40, sofern der Angeschuldigte nicht widerspricht, befugt und, wenn der Angeschuldigte es verlangt, verpflichtet, die Sache zur Einleitung des Haupt­ verfahrens und Abfassung des Erkenntnisses dem zuständigen Gericht des In­ landes, und, wenn es an einem solchen fehlt, dem Kreisgericht in Stettin zu überweisen. Die Ueberweisung geschieht nach Abschluß der Voruntersuchung, welche in einem solchen Falle auch wegen der im §. 39 bezeichneten strafbaren Hand­ lungen einzuleiten ist. §. 43. Ist die strafbare Handlung ein der schwurgerichtlichen Kompetenz unterliegendes Verbrechen, so hat der Konsul nur die zur strafrechtlichen Ver­ folgung erforderlichen Sicherheitsmaßregeln zu treffen und geeigneten Falls die Voruntersuchung zu führen. Das weitere Verfahren, insbesondere die etwa erforderliche Vervollständigung der Voruntersuchung, ingleichen das Hauvtverfahren, gehört vor das zuständige Kreis- und Schwurgericht des Inlandes und, wenn es an einem solchen fehlt, vor das Kreis - und Schwur­ gericht in Stettin. §. 44. Wenn der Angeschuldigte ein Schutzgenosse ist, welcher einem anderen Staate als Unterthan angehört, so kann er in allen Fällen (§§. 39, 40, 43) der Regierung dieses Staates zur Untersuchung und Bestrafung überwiesen werden. §. 45. In Bezug auf die zur Kompetenz des Kammergerichts gehöri­ gen Staatsverbrechen bewendet es bei dem Gesetze vom 25. April 1853. (G.S. S. 162.) §. 46. Gegen die von den Konsuln in Untersuchungen wegen Uebertretung erlassenen Erkenntnisse findet ein Rechtsmittel nicht statt. 8. 47. In allen anderen Fällen steht dem Angeklagten gegen das Erkenntniß des Konsuls oder des Konsulargerichts das Rechtsmittel der Ap­

pellation zu. §. 48. Rücksichtlich der Frist, innerhalb welcher das Rechtsmittel an­ zumelden und zu rechtfertigen ist, und rücksichtlich der Förmlichkeiten der An­ meldung und Rechtfertigung gelten die Bestimmungen in den §§. 126 — 129 der Verordnung vom 3. Januar 1849. (G.S. S. 37.) §. 49. Wenn der Konsul die, von den Angeklagten zur Rechtferti­ gung der Appellation angebrachten neuen Thatsachen und Beweise für erheb­ lich erachtet, so hat er die Beweisaufnahme in den Formen des schriftlichen Verfahrens soweit zu bewirken, als dieselbe im Konsulatsbezirke erfolgen kann. Dem Angeklagten oder dessen Vertheidiger ist die angeordnete Beweisaufnah­ me bekannt zu machen und ihn: die Anwesenheit dabei zu gestatten. §. 50. Auf die Appellation wird von dem Appellationsgericht in Stet­ tin auf Grund der Akten erkannt. Die Entscheidung erfolgt durch eine aus fünf Mitgliedern bestehende Abtheilung, nachdem vor derselben unter Zu-

Koch, 2C, D. Handelsgesetzbuch. 2. Ausl.

41

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Fünftes Buch.

Erster Titel,

ziehung eines Gerichtsschreibers ein mündliches Schlußversalhren stattgesun­ den hat. 8. 51. Vor Einsendung der Akten an das Gericht zweiter Instanz er­ fordert der Konsul die Erklärung des Angeklagten, ob er in den höheren Instanzen seine Rechte in Person wahrnehmen, oder sich durch einen Verthei­ diger vertreten lassen wolle. Im letzteren Falle ist die Person des Vertheidi­ gers von dem Angeklagten zu bezeichnen. Er kann auch beantragen, daß ihm von dem Gericht zweiter Instanz ein Vertheidiger von Amtswegen bestellt werde. Wenn er verhaftet ist, so steht ihm nur das Recht zu, durch einen Vertheidiger sich vertreten zu lassen. §. 52. Nachdem die Akten bei dem Gericht zweiter Instanz eingegan­ gen sind, bestimmt dasselbe einen Termin zum mündlichen Schlußverfahren. Zu dem Termine ist der bei dem Gericht zweiter Instanz angestellte Ober­ staatsanwalt zuzuziehen und der Angeklagte oder der von diesem ernannte oder ihm von Amtswegen zu bestellende Vertheidiger vorzuladen. In Er­

mangelung eines Vertheidigers, oder wenn der von dem Angeklagten er­ nannte Vertheidiger nicht am Orte des Gerichts wohnt, erfolgt die Vorladung des Angeklagten mittelst Aushanges im Geschäftslokal des Gerichts. §. 53. Bei dem mündlichen Schluß verfahren giebt zuerst ein aus der Zahl der Gerichtsmitglieder zu ernennender Referent auf Grund einer schrift­ lichen Relation mündlich eine Darstellung der bis dahin stattgefundenen Ver­ handlungen. Hierauf wird der Angeklagte mit seinen Beschwerden, und der Ober­ staatsanwalt mit seinen Gegenerklärungen gehört. §. 54. Das Gericht zweiter Instanz ist bei der Abfassung des Erkennt­ nisses an die thatsächlichen Feststellungen des ersten Richters nicht gebunden; es hat unabhängig von denselben in den Entscheidungsgründen der Vorschrift des Art. 31 des Gesetzes vom 3. Mai 1852 (G.S. S. 209) zu genügen. Hält es eine Beweisaufnahme für nöthig, so verordnet es die Erhebung des Beweises im schriftlichen Verfahren (§. 49). Nach Eingang der Beweisver­ handlungen ist ein neuer Termin zum mündlichen Schlußverfahren anzusetzen. Das Gericht zweiter Instanz kann jedoch die Vernehmung von Zeugen im Schlußtermin selbst veranlassen, wenn dieses ohne erheblichen Zeit- und Kostenaufwand ausführbar ist. Ist das Urtheil in Abwesenheit des Angeklagten verkündet, so sind in Bezug aus die Zustellung desselben die Bestimmungen des §. 52 maßgebend. §. 55. Insoweit aus den vorstehenden Paragraphen sich nicht ein An­ deres ergiebt, finden auf das Appellationsverfahren diejenigen Vorschriften Anwendung, welche in den im §. 2 bezeichneten Landestheilen für das Appel­ lationsverfahren in Strafsachen gelten. §. 56. Gegen das Erkenntniß des Appellationsgerichts in Stettin steht sowohl dem Angeklagten als dem Oberstaatsanwalt das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde zu. Die letztere ist bei dem Appellationsgericht anzu­ melden , zu begründen und zu beantworten. Im Uebrigen gelten in Betreff des Rechtsmittels alle mit den Bestimmungen dieses Gesetzes vereinbaren Vor­ schriften, welche in den gedachten Landestheilen für das Rechtsmittel der Nich­

tigkeitsbeschwerde in Strafsachen bestehen. §.57, Beschwerden gegen Verfügungen der Konsuln und Konsular-

Seehandel.

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Allgemeine Bestimmungen.

gerichte in Strafsachen folgen dem Jnstanzenzuge der gegen Erkenntnisse in den betreffenden Sachen zulässigen Rechtsmittel. Ist die Verfügung in einer Sache erlassen, in welcher nach §. 42 das Kreis - und Schwurgericht in Stet­ tin zuständig ist, so geht die Beschwerde zunächst an das Appellationsgericht in Stettin. Eine weitere Beschwerde an das Obertribunal ist zulässig, wenn die Verfügung aus Rechtsgründen angefochten wird. Wenn die Beschwerde binnen einer bestimmten Frist bei dem Gericht der höheren Instanz angebracht werden muß, so kommt die Vorschrift des §. 34 zur Anwendung.

IV. Schlußbestimmungen. §. 58. Die Bestimmungen über die Militärgerichtsbarkeit werden durch dieses Gesetz nicht berührt. §. 59. Das Gesetz tritt für alle Konsulatsbezirke am 1. Januar 1866 in Kraft. Alle vor diesem Zeitpunkte durch Insinuation der Klage anhängig ge­ wordenen Civilprozesse und alle vor diesem Zeitpunkte durch Eröffnung der förmlichen Untersuchung anhängig gewordenen Strafsachen werden in dem bisherigen Verfahren durch alle nach demselben zulässigen Instanzen zu Ende geführt. §. 60. Unsere Minister der auswärtigen Angelegenheiten und der Justiz haben die zur Ausführung des Gesetzes erforderlichen Anordnungen zu erlassen. Urkundlich rc.

Zur Ausführung dieses Gesetzes ist unterm 24. Oktober 1865 (J.M.Bl. S. 235) folgende

Instruktion des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten und des Justizministers und des Finanzministers

erlassen.

Zur Ausführung des Gesetzes, betreffend die Gerichtsbarkeit der Kon­ suln, vom 29. Juni 1865 wird Folgendes bestimmt: Zum §. 1. Mit Gerichtsbarkeit sind gegenwärtig die in den nachstehend bezeichneten Ländern residirenden Preußischen Konsuln bekleidet: 1) in der Türkei und deren Nebenländern, 2) in Persien, 3) in Japan, 4) in China, 5) in Siam. Die völkerrechtlichen Verträge, welche Bestimmungen über die Gerichts­ barkeit dieser Konsuln enthalten, sind: 1) für die Türkei und deren Nebenländer der Freundschafts - und Handels­

vertrag vom

träge S. 922),

1761 (v. Rohrscheidt, Preußens Staatsver­

dessen auf die Konsulargerichtsbarkeit sich beziehende 41 *

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Fünftes Buch.

Erster Titel.

Bestimmungen durch die Handelsverträge vom 10./2^. Oktober 1840 (G.S. von 1841 S. 157) und 20. März 1862 (G.S. von 1863 S. 169) bestätigt sind; 2) für Persien der Freundschafts- und Handelsvertrag vom 25. Juni 1857 (G.S. von 1858 S. 249); 3) für Japan der Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 24. Januar 1861 (G.S. von 1864 S. 461); 4) für China der Freundschafts -, Handels - und Schifffahrtsvertrag vom 2. September 1861 (G.S. von 1863 S. 265); 5) für Siam der Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag vom 7. Februar 1862 (G.S. von 1864 S. 717). Das dieser Instruktion unter Anlage A. beigefügte Verzeichniß ergiebt, an welchen Orten sich Konsuln befinden, die mit Gerichtsbarkeit versehen sind, wie weit der Jurisdiktionsbezirk der einzelnen Konsuln sich erstreckt, und von welchen Personen gegenwärtig die Konsulatsämter bekleidet werden. Aus dem Verzeichnisse ist zu ersehen, daß zur Zeit in Persien ein Kon­ sul nicht angestellt ist. Als Schutzgenossen im Sinne des Gesetzes gelten diejenigen Personen, welche zwar keine Preußische Unterthanen sind, jedoch unter Preußischem Schutze stehen. Die Schutzgenossen unterliegen den Bestimmungen des Ge­ setzes in gleicher Art, wie die Preußischen Unterthanen, insoweit nicht Staats­ verträge eine Ausnahme bedingen. Von welchen Voraussetzungen das Schutz­ verhältniß im Allgemeinen oder je nach Verschiedenheit der Länder abhängig ist, und wie dasselbe endet, bestimmt sich nach den von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten hierüber erlassenen oder künftig zu erlassenden Verfügungen. Zum §. 3. Ein Generalkonsul, Konsul oder Vicekonsul ist zur Ausübung der Ge­ richtsbarkeit nur insofern befugt, als ihm von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten ein Jurisdiktionsbezirk angewiesen ist. Die Ausübung der Gerichtsbarkeit durch den Stellvertreter setzt eine ordnungsmäßige Berufung des Letzteren voraus. Die Berufung erfolgt durch den vorgesetzten Gesandten und in Erman­ gelung eines solchen, oder wenn es sonst für angemessen erachtet wird, durch den Minister der auswärtigen Angelegenheiten; sie kann sowohl nach Eintritt des Hindernisses, als im Voraus für etwa vorkommende Hinderungsfälle ge­ schehen. Der Stellvertreter hat sich bei Ausübung der Gerichtsbarkeit in allen schriftlichen Verhandlungen, Erlassen, Verfügungen und Entscheidungen als stellvertretender Konsul zu bezeichnen. Die Fälle, in welchen wegen Unterbrechung der amtlichen Thätigkeit des Preußischen Konsuls die seiner Gerichtsbarkeit unterworfenen Personen unter den Schutz eines fremden Konsuls gestellt werden, bleiben unberührt.

Zum §. 4. Es ist nicht erforderlich, daß der Jurisdiktionsbezirk eines Konsuls (zum §. 3) mit dem Bezirk zusammenfalle, für welchen derselbe im Uebrigen als Konsul bestellt ist. Oertliche und andere Verhältnisse können es nöthig ma­ chen, dell Jurisdiktionsbezirk eines Konsuls über seinen sonstigen Geschäfts-

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

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bezirk auszudehnen, oder nicht so weit zu erstrecken, als der letztere reicht, sowie einen Konsul von der Ausübung der Gerichtsbarkeit dadurch auszu­ schließen, daß der Bezirk, für welchen er als Konsul bestellt ist, einem an­ deren Konsul als Jurisdiktionsbezirk oder als ein Theil desselben angewie­ sen wird. Wie die Jurisdiktionsbezirke zur Zeit abgegrenzt sind, ergiebt die An­ lage A.

Zum §. 5. Unter Konsul im Sinne des Gesetzes und dieser Instruktion ist auch je­ der zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufene Gesandtschastskanzler zu ver­ stehen. Mit Gerichtsbarkeit sind gegenwärtig die Gesandtschaftskanzler zu Konstantinopel und Shangai bekleidet, deren Jurisdiktionsbezirke gleichfalls aus der Anlage A. ersichtlich sind. Zum §. 7. Die Norm des von den Konsuln und deren Stellvertretern, sofern die­ selben Preußische Unterthanen sind, zu leistenden Eides ist in Gemäßheit der Allerhöchsten Kabinetsorder vom 5. November 1833 (G.S. S. 291), in Verbindung mit dem Beschluffe des Königlichen Staatsministeriums vom 12. Februar 1850 (J.M.Bl. S. 42), folgende: „Ich N. N. schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwisienden, daß, nachdem ich zum bestellt worden, Seiner König­ lichen Majestät von Preußen, meinem Allergnädigsten Herrn, ich unterthänig, treu und gehorsam sein, und alle mir vermöge meines Amtes obliegenden Pflichten nach meinem besten Wissen und Gewis­ sen genau erfüllen, auch die Verfassung gewissenhaft beobachten will."

Die Ausländer haben nach §. 7 den Amtseid dahin zu leisten: „Ich N. N. schwöre zu Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich, nachdem ich zum bestellt worden, die Pflichten meines Amtes unparteiisch und gewissenhaft erfüllen will." Bei der Ableistung des Eides ist Jedem freigestellt, den Eidesworten am Schlüsse die seinem religiösen Bekenntnisse entsprechende Bekräftigungsfor­ mel hinzuzufügen. Ob der Eid von den bei ihrer Anstellung in dem Auslande sich aufhal­ tenden Personen vor einem mit der Eidesabnahme beauftragten Beamten oder schriftlich mittelst Einsendung einer eigenhändig geschriebenen und vollzogenen Urkunde zu leisten sei, wird in jedem einzelnen Falle von dem vorgesetzten Gesandten oder dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten bestimmt werden. Ueber die nachträgliche Beeidigung der bereits fungirenden und noch nicht beeideten Konsuln hat der Minister der auswärtigen Angelegenheiten be­ sondere Verfügung erlassen. Zu den §§. 8 — 12. 1) Bei der Ernennung der Beisitzer des Konsulargerichts und deren Stellvertreter ist mit der größten Sorgfalt zu verfahren. Ob und inwiefern mehr als zwei Stellvertreter zu ernennen seien, hat der Konsul nach den Umständen zu ermessen. Die Beisitzer und Stellvertreter haben vor der er­ sten Ausübung des Amts denselben Eid zu leisten, wie die Konsuln, welche keine Preußische Unterthanen sind (zum §. 7). Die Beeidigung erfolgt durch

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Fünftes Buch.

Erster Titel.

den Konsul, welcher darüber ein Protokoll aufzunehmen hat.

Die auf die

Ernennung und Beeidigung der Beisitzer und deren Stellvertreter sich bezie­ henden Verhandlungen sind zu besonderen Akten zu nehmen. Der Konsul hat die von ihm ernannten Beisitzer und Stellvertreter dem vorgesetzten Ge­ sandten und in Ermangelung eines solchen dein Minister der auswärtigen Angelegenheiten anzuzeigen. 2) Bei den zur Ausübung der Gerichtsbarkeit berufenen Konsuln wer­ den die Verrichtungen des Gerichtsschreibers (Aktuar, vereideter Protokollfüh­ rer) von dem Konsulatskanzler, beziehungsweise dem Gesandtschafts-Vice­ kanzler versehen. Ist ein Konsulatskanzler nicht angestellt, so tritt an desien Stelle ein besonderer, zum Gerichtsschreiber zu ernennender Konsulatsbeamter. Es bleibt vorbehalten, einen besonderen Gerichtsschreiber auch neben dem Kanzler zur Unterstützung und Vertretung des Letzteren anzustellen. Der Gerichtsschrei­ ber wird, insofern nicht ein solcher unmittelbar von der Regierung angestellt ist, von dem Konsul ernannt; die Ernennung bedarf jedoch der Genehmi­ gung des vorgesetzten Gesandten oder in desien Ermangelung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten. Der Gerichtsschreiber ist vor Antritt seines Amts von dem Konsul zu beeidigen; die Norm des Eides bestimmt sich nach den Normen des Amtseides der Konsuln, so daß sie also eine verschiedene ist, je nachdem der Gerichts­ schreiber zu den Preußischen Unterthanen gehört oder nicht. Wenn der Kanzler oder Gerichtsschreiber zum inländischen Richteramt befähigt ist, so kann ihm der Konsul einzelne richterliche Verrichtungen, je­ doch mit Ausschluß der Rechtsprechung, übertragen.

Zum §. 13. Die Zuständigkeit des Konsulargerichts tritt nur in Fällen der streitigen Gerichtsbarkeit, mithin nur in Civilprozessen und bei Untersuchungen, ein. Hat ein Konsulargericht nicht berufen werden können, obschon seine Zustän­ digkeit an sich begründet gewesen wäre, so müffln die gerichtlichen Prozeß­ oder Untersuchungsakten Auskunft darüber geben, daß und weshalb die Be­ rufung nicht möglich war, damit namentlich im Falle der Einlegung von Rechtsmitteln die vorgeordneten Gerichte die Nothwendigkeit der Abweichung von der gesetzlichen Regel zu beurtheilen vermögen. Hieraus erhellet der Zweck der im §. 13 enthaltenen Bestimmung, und daß unter den darin er­ wähnten Akten die gerichtlichen Prozeß- oder Untersuchungsakten und nicht besondere Akten (s. zu §§. 8—12 unter Nr. 1) zu verstehen sind. Zum §. 14. Die inländischen Gerichte erster Instanz stehen, von der Rheinischen Gerichtsverfassung abgesehen, unter der Aufsicht der Appellationsgerichte und in letzter Instanz in gleicher Art, wie die Appellationsgerichte selbst, unter der Aufsicht des Justizministers. Nach §. 14 soll nun das Appellationsgericht in Stettin, obschon es als Gericht zweiter Instanz den Konsuln vorgeordnet ist, abweichend von der Preußischen Gerichtsverfassung, doch nicht Aufsichts­ behörde für die Konsuln in Bezug auf die Ausübung der Gerichtsbarkeit sein. Die Aufsicht wird unmittelbar durch den Minister der auswärtigen Angelegen­ heiten und den Justizminister nach den Vorschriften über das Aufstchtsrecht des Justizministers in Ansehung der inländischen Gerichte, geführt, jedoch mit

Seehcmdel.

Allgemeine Bestimmungen.

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der Maßgabe, daß, wenn eine vorgesetzte Gesandtschaft vorhanden ist, die letz­ tere eine Mittelinstanz bildet. Die auf die Ausübung der Konsulargerichtsbarkeit sich beziehenden Be­ schwerden betreffend, so sind nur diejenigen Beschwerden im Aussichtswege zu erledigen, welche die Disziplin, den Geschäftsbetrieb oder Verzögerungen, sowie das Gebühren - und Kostenwesen betreffen; alle übrigen Beschwerden, sowohl in prozessualischen Angelegenheiten, als in den nicht prozessualischen Angelegenheiten, unterliegen der Prüfung und Entscheidung der vorgeordne­ ten Gerichte (§. 35 der Verordnung vom 2. Januar 1849, G.S. S. 1; §. 13 des Gesetzes vom lO.Mai 1851, G.S. S. 622; Art. 13 des Gesetzes vom 26. April 1851, G.S. S. 181; Art. 17 des Gesetzes vom 3. Mai

1852, G.S. S. 209). Berichte, welche in Angelegenheiten der Justizaufsicht erstattet werden, sind übrigens, ungeachtet des Mitaufsichtsrechts des Justizministers, nur an den Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu richten, welcher sie dem Justizminister miltheilen wird. Damit die richterliche Thätigkeit der Konsuln überwacht werden kann, hat jeder mit Gerichtsbarkeit versehene Konsul am Schluffe des Jahres eine Geschäftstabelle nach dem als Anlage B. beigefügten Formular dem vorgesetzten Gesandten, welcher sie dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten

übersenden wird, oder in Ermangelung eines vorgesetzten Gesandten dem Mi­ nister der auswärtigen Angelegenheiten unmittelbar einzureichen. Zum §. 15. Der Konsul hat dafür zu sorgen, daß Personen, welche die Funktionen der Rechtsanwälte auszuüben haben, in genügender Zahl vorhanden sind. Die Eintragung dieser Personen, deren Zahl nicht beschränkt ist, in das nach dem Gesetze zu führende Verzeichniß darf nicht versäumt werden, weil von der Eintragung die legitime Ausübung jener Funktionen abhängt. Werden Wen in die höheren Instanzen verschickt, so hat der Konsul bei Einsendung derselben ausdrücklich hervorzuheben, ob die Personen, welche nach Ausweis der Akten die Funktionen der Rechtsanwälte ausgeübt haben, in das Verzeichniß eingetragen waren. Hinsichtlich der Gebühren der die Funktionen der Rechtsanwälte aus­ übenden Personen ist der Ortsgebrauch maßgebend; in Ermangelung eines Ortsgebrauchs kommen die Vorschriften über die Gebühren der inländischen Rechtsanwälte zur Anwendung. Zum §. 18. Die Gesetz-Sammlung für die Preußischen Staaten wird entweder den mit Gerichtsbarkeit versehenen Konsuln von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten übersandt werden, oder von dem Letzteren Anweisung erge­ hen, daß der Konsul dieselbe unmittelbar zu beziehen habe. Den Gerichtseingeseffenen ist auf Ansuchen die Einsicht der Gesetz-Sammlung im gericht­ lichen Geschäftslokal des Konsuls zu gestatten.

Zum §. 19. Die Konsuln haben die Kosten und Gebühren für lungen nach dem als Anlage C. beigefügten Tarif zu enthält einen Auszug der im §. 19 erwähnten Kosten vom 9. und 10. Mai 1851, G.S. S. 619 und 622;

die Gerichtsverhand­ erheben. Der Tarif \ o und Gebührengesetze vom 3. Mai 1853,

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G.S. S. 170- vom 9. Mai 1854, G.S. S. 273; vom 15: März 1858, G.S. S. 69, und vom 1. Mai 1865, G.S. S. 509. Soweit der Tarif in einem einzelnen Falle keinen Anhalt gewähren sollte, ingleichen in Ansehung der für den Ansatz und die Erhebung der Ge­ richtskosten maßgebenden allgemeinen Grundsätze, namentlich über die Kosten­ freiheit, das Armenrecht, die Zeit der Liquidation, die Erhebung von Vor­ schüssen, dienen die erwähnten Gesetze und die zu ihrer Erläuterung ergan­ genen Verfügungen des Justizministers zur Ergänzung des Tarifs. Es sind jedoch unanwendbar die Vorschriften über die Erhebung eines besonderen Zu­ schlages von 6 Sgr. für den Thaler, über die Portofreiheit und über den besonderen Ansatz von Stempelbeträgen. Die Berechnung der Kosten der höheren Instanzen erfolgt ausschließlich nach den für das Inland geltenden Gesetzen. Es verbleibt bei der Einrichtung, daß die besoldeten Konsuln die Kosten und Gebühren zur Staatskasse einzuziehen, die nicht besoldeten Konsuln die­ selben für sich zu erheben haben. Zum §. 20. Die von der Anwendung deshalb ausgeschlossenen Vorschriften des in­ ländischen Rechts, weil die bei ihnen vorausgesetzten Einrichtungen und that­ sächlichen Verhältnisse nicht zutreffen, können wegen Zahl und Verschiedenheit der betreffenden Fälle nicht speziell bezeichnet werden. Nur zur näheren Er­ läuterung des Grundsatzes und des Beispiels halber wird Folgendes bemerkt: 1) Die Insinuationen sind durch die vorhandenen Amtsdiener oder im Er­ suchungswege zu bewirken. Eine Insinuation ist aber auch dann für festgestellt zu erachten, wenn für dieselbe andere, überzeugende Gewiß­ heit gebende Beweise erbracht sind. Die Vorschriften über die Post­ insinuationen bleiben, weil sie Preußische Postanstalten voraussetzen, im Allgemeinen und unbeschadet der vorhergehenden Bestimmung von der Anwendung ausgeschlossen. 2) Die gerichtlichen Depositen sind in feuersicheren Behältnisien an Orten aufzubewahren, welche gegen Einbruch und Feuersgesahr möglichst ge­ schützt sind. Die Behältnisse müssen mit zwei verschiedenen Schlössern versehen sein; den Schlüssel zu dem einen Schlosse führt der Konsul, den zu dem anderen der Kanzler oder Gerichtsschreiber, so daß keiner von ihnen ohne Zuziehung des anderen das Behältniß öffnen kann. Ueber die Einnahme und Ausgabe wird sowohl von dem Konsul, als dem Kanzler oder Gerichtsschreiber ein Protokollbuch geführt; das Pro­ tokollbuch des Konsuls ist in dem Depositalbehältniß selbst zu verschlie­ ßen. Die Depositen sind nur nach den einzelnen Massen zu verwalten; die Einrichtung eines Generaldepositoriums findet nicht statt. Die Aus­ leihung der zu den einzelnen Massen gehörenden Gelder kann nur für unmittelbare Rechnung der Betheiligten auf deren Antrag erfolgen; der Konsul ist nicht verpflichtet, für die Ausleihung von Amtswegen zu sor­ gen. Die Rechnung wird von dem Kanzler oder Gerichtsschreiber als Deposital-Rendanten geführt. Die Annahme - und Ausgabebefehle wer­ den von dem Konsul schriftlich erlassen und in ein von ihm zu führen­ des genaues Verzeichniß eingetragen, in welchem auch die Erledigung der einzelnen Befehle von ihm zu bemerken ist.

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

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Soweit sich aus dem Vorstehenden nicht ein Anderes ergiebt, kom­ men im Uebrigen hinsichtlich der Deposita!-Verwaltung die im Gebiete des Preußischen Rechts für die inländischen Gerichte gemäß des ersten Titels der Allgemeinen Deposita!-Ordnung vom 15. September 1783 geltenden Grundsätze in entsprechender Weise zur Anwendung. Es bleibt vorbehalten, diejenigen Konsulate, bei welchen eine erhebliche Deposttalverwaltung sich herausstellt, mit besonderen Instruktionen über

dieselbe zu versehen. 3) Bei dem Vormundschaftswesen finden die Vorschriften über die Beschrän­ kung der Ernennung von Ausländern zu Vormündern (Th. II, Tit. 18, §.156 Allg. Landrechts) keine Anwendung. Dagegen sind die Grund­ sätze der Vormundschafts-Ordnung über die Ausleihung der Pupillen­ gelder nur gegen angemesiene Sicherheit und die Einziehung unversicher­ ter Forderungen (§§. 455 ff.) von der Anwendung nicht ausgeschlosien. Zum §. 21. Die Zuständigkeit des Konsulargerichts fällt nicht allein in Bagatellsa­ chen fort, sondern beschränkt sich auch in anderen Prozeffen, einschließlich der Jnjurienprozeffe, auf die mündliche Verhandlung und die hierauf zu erlas­ senden Entscheidungen. Es liegt also auch in den übrigen Prozeßsachen die Prüfung der Klagen und Arrestgesuche, die Verfügung auf dieselben, die Dekretur bis zur mündlichen Verhandlung, die Abfaffung der Agnitions - und Kontumazialbescheide, die Anberaumung der Audienztermine, die Erledigung der Beweisresolute, überhaupt die gesammte sogenannte Prozeßdekretur und namentlich die Verfügung in der Exekutionsinstanz dem Konsul allein ob. — Das Konsulargericht tritt nur in Thätigkeit bei der mündlichen Verhandlung, so zwar, daß ihm auch die auf die mündliche Verhandlung zu erlassende Ent­ scheidung gebührt, bestehe diese in dem Endurtheile, in einem Beweisurtheile oder in einem sonstigen Zwischenbescheide. In den Audienzprotokollen sind die Beisitzer neben dem Konsul nament­ lich auszusühren; sie haben auch sowohl die Protokolle, als die Konzepte der von dem Konsulargericht erlassenen Entscheidungen mit dem Konsul zu voll­ ziehen. In dem Eingänge der Endurtheile werden der Konsul und die Bei­ sitzer gleichfalls namhaft gemacht; es ist dafür die Fassung zu wählen: „Im Namen des Königs. In Sachen rc. hat das Königlich Preußische Konsulargericht zu in seiner Sitzung vom , an welcher Theil genommen haben: der Konsul N. N. als Vorsitzender, die N. N. als Beisitzer, für Recht erkannt."

Zum §. 22. Die Verhandlung und Entscheidung durch eine Kommission darf nur dann eingeleitet werden, wenn es durch ein unzweifelhaftes Herkommen ge­ boten erscheint, was nur an wenigen Orten der Fall sein wird. Zum §. 24. Nach dem den beiden Häusern des Landtages zur Berathung vorge­ legten Regierungsentwurf sollten alle Vorschriften über das schleunige Rechts­ mittel-Verfahren außer Anwendung bleiben, alle schleunigen Sachen in den höheren Instanzen durchgehends wie die nicht schleunigen behandelt werden.

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Fünftes Buch.

Erster Titel.

Hierbei ist es mit der einzigen Abweichung verblieben, daß in denjenigen Sachen, für welche das schleunige Rechtsmittel - Verfahren gilt, das Rechts­ mittel binnen der für seine Anmeldung und Rechtfertigung vorgeschriebenen kurzen Frist (§. 27 der Verordnung vom 21. Juli 1846) bei dem Konsul in gleicher Art angemeldet werden muß, wie in nicht schleunigen Sachen. Es folgt hieraus, daß nach rechtzeitiger, d. h. innerhalb der kurzen Frist be­ wirkter Anmeldung der Appellation, Revision oder Nichtigkeitsbeschwerde das für die nicht schleunigen Rechtsmittelsachen vorgeschriebene Verfahren eintritt, das Rechtsmittel daher binnen der ordentlichen Frist, und zwar die Appella­ tion bei dem Konsul, die Revision und Nichtigkeitsbeschwerde bei dem ober­ sten Gerichtshöfe einzuführen und zu rechtfertigen sind. — Bei dem Rekurse ist, weil auch in den nicht schleunigen Sachen eine von der Anmeldungsfrist verschiedene Einführungsfrist nicht besteht, das Rechtsmittel binnen der kurzen Frist gemäß §. 7 des Gesetzes vom 20. März 1854 (G.S. S. 115) bei dem Konsul vollständig anzubringen.

Zum §. 28. Die Einreichung der Akten an das Appellationsgericht zu Stettin er­ folgt mittelst eines an dasselbe zu richtenden Schreibens, welches dem Mini­ ster der auswärtigen Angelegenheiten zur Weiterbeförderung zu überreichen ist.

Zum §. 29. 1) In dem Schreiben, womit die Akten eingereicht werden, hat der Konsul hervorzuheben, ob und inwiefern die Parteien der Bestimmung im

ersten Absatz des §. 29 des Gesetzes genügt haben. 2) Der Zeitpunkt, mit welchem eine Verfügung oder Ladung des Ge­ richts zweiter Instanz als wirksam zugestellt gilt, ist auch für die Berechnung und Abmessung der Fristen entscheidend, ohne daß die Entfernung des Wohn­ orts des Betheiligten in Betracht kommt. Zu den §§. 30 — 34. 1) Die vorgeordneten Gerichte haben die Remission, sowie in Beschwer­ defällen die Einforderung der Akten durch Vermittelung des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten zu bewirken. Bei Remission der Akten ist dem Ersuchungsschreiben die Berechnung der Kosten der höheren Instanz beizusügen. Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten verordnet die Einzie­ hung dieser Kosten durch den Konsul zur Legationskasie, welcher sie verbleiben. 2) Die Anberaumung der Audienztermine bei dem Obertribunal erfolgt ohne Rücksicht auf die Entfernung des Wohnorts der Parteien. 3) Wird ein Rechtsmittel eingelegt, welches die einstweilige Vollstre­ ckung des angefochtenen Urtheils nicht ausschließt (z. B. die Nichtigkeitsbe­ schwerde oder der Rekurs), so hat der Konsul bei Einsendung der Akten eine beglaubigte Abschrift des ersten und beziehentlich zweiten Urtheils zurückzu­

behalten. Zum §. 37. Sollte ein Vertheidiger des Mißbrauchs der nach §. 37 ihm zustehen­ den Befugnisse dringend verdächtig werden, so hat ihn der Konsul unnach­ sichtig in der Matrikel (§. 15 des Gesetzes) zu löschen. Zum §. 38. Vor Richtigstellung des Protokolls darf die Entscheidung nicht ergehen. Zu den §§. 40 und 41. Die Zuständigkeit des Konsulargerichts ist nicht wie in Civilprozessen auf

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

651

die mündliche Verhandlung und die hierauf zu erlassenden Entscheidungen be­ schränkt; dieselbe tritt vielmehr überall ein, wo nach dem Straf - Prozeßrecht für die Strafsachen im Geltungsbereiche der Preußischen Gesetzbücher die aus drei Mitgliedern bestehenden Abtheilungen der Kollegialgerichte erster Instanz (die Rathskammern) zuständig sind, also auch 1) bei Einleitung der Voruntersuchung, wie der §.41 noch besonders

hervorhebt, 2) bei Erlasiung des Haftbefehls, 3) bei Eröffnung des Hauptverfahrens. In jedem Untersuchungsfalle, welcher der Zuständigkeit des Konsular­ gerichts unterliegt, muß eine Voruntersuchung eingeleitet werden. Die Füh­ rung der letzteren gebührt dem Konsul allein. Der Angeschuldigte ist in der Voruntersuchung nothwendig zu hören und am Schluffe derselben mit dem Gegenstände der Anschuldigung und dem Ergebniffe der Beweiserhebung be­

kannt zu machen; eine mehrmalige Vernehmung des Angeschuldigten ist übri­ gens nicht erforderlich; es genügt die einmalige Vernehmung, wenn dieselbe am Schluffe der Voruntersuchung erfolgt und damit die vorgeschriebene Be­ kanntmachung verbunden wird. Nach Abschluß der Voruntersuchung hat das Konsulargericht auf Vor­ trag des Konsuls Beschluß darüber zu faffen, ob das Hauptverfahren zu er­ öffnen, oder die strafrechtliche Verfolgung einzustellen und die Aktenreposition zu verfügen sei. Der Beschluß ist dem Angeschuldigten bekannt zu machen, im Falle der Einleitung des Hauptverfahrens gleichzeitig mit der Vorladung zu dem Audienztermin. Wenn in einem Vergehungsfalle die Mitwirkung des Konsularge­ richts nicht eintritt, sei es, weil ein solches nicht hat berufen werden können (§. 13 des Gesetzes), sei es, weil der Fall gemäß §. 39 der alleinigen Zu­ ständigkeit des Konsuls unterliegt, so finden gleichwohl in Rücksicht auf die Zulässigkeit der Appellation (§§. 46 und 47 des Gesetzes) die Vorschriften über die Nothwendigkeit und die Führung der Voruntersuchung in gleicher Art An­ wendung , als wenn das Konsulargericht mit der Sache befaßt worden wäre. Hinsichtlich der Erwähnung des Konsuls und der Beisitzer in den Au­ dienzprotokollen und den Erkenntniffen, der Fassung des Eingangs der letz­ teren und deren Vollziehung, sowie der alleinigen Besorgung der Dekretur durch den Konsul gelten die entsprechenden Vorschriften für das Verfahren in Civilprozeffen. Für die Vollziehung der Audienzprotokolle genügt die Unter­ schrift des Konsuls und des Gerichtsschreibers. Wegen Ehrverletzung und leichter Mißhandlung tritt das Untersuchungsversahren insofern ein, als dasselbe nach den im §. 35 erwähnten Ge­ setzen gerechtfertigt ist. Zu den §§. 42 und 43. Die Uebersendung der Untersuchungsverhandlungen an das zuständige Gericht des Inlandes geschieht durch Vermittelung des Ministers der aus­ wärtigen Angelegenheiten. In den Fällen des §.43 bleibt die Mitwirkung des Konsulargerichts ausgeschloffen. Der Führung einer Voruntersuchung be­ darf es nicht; ob eine solche sich empfehle, hat der Konsul nach den Umstän­ den des einzelnen Falles zu ermessen. Wie der Transport eines verhafteten Angeschuldigten in das Inland auszuführen sei, bestimmt sich nach den von dem Minister der auswärtigen

652

Fünftes Birch.

Erster Titel.

Angelegenheiten für den einzelnen Fall oder im Allgemeinen ertheilten An­ weisungen. Wird ein inländisches Gericht mit der Sache in erster Instanz befaßt, so kommen ausschließlich die für das inländische Untersuchungsverfahren gel­ tenden Gesetze zur Anwendung. Zu den §§. 49 und 54. Bei der Beweiserhebung im schriftlichen Verfahren hat der zugezogene Angeklagte oder dessen Vertheidiger die Befugniß, der zu vernehmenden Per­ son durch den Richter bestimmte Fragen zur Beantwortung vorlegen zu lassen, unbeschadet der Befugniß des Richters, einen desfallstgen Antrag wegen Un­ gehörigkeit oder Unerheblichkeit der Frage zurückzuweisen.

Zum §. 50. Die Erledigung der Appellationen gehört vor die Deputation des Kri­ minalsenats für die Verhandlung und Entscheidung der Strafsachen in zwei­ ter Instanz. Zu den §§. 51 bis 57. 1) Der im §.51 bezeichnete Vertheidiger ist auch zur Einlegung der Nichtigkeitsbeschwerde befugt und wenn diese von der einen oder anderen Seite eingelegt wird, zur Vertretung des Angeklagten in dem weiteren Verfahren berufen. In Ermangelung des Vertheidigers erfolgen alle Ladungen und Zustellungen an den Angeklagten in den höheren Instanzen mittelst Aus­ hangs, ohne daß so wenig in diesem Falle als im Falle ein Vertheidiger vor­ handen ist, bei der Berechnung und Abmessung der Fristen die Entfernung des Wohnorts des Angeklagten in Betracht kommt (zu vergl. §§. 51 und 52 des Gesetzes in Verbindung mit Art. 50 des Gesetzes vom 3. Mai 1852). 2) Nach Erledigung der Appellation darf die Zurücksendung der Akten erst dann angeordnet werden, wenn die Frist zur Einlegung der Nichtigkeits­ beschwerde abgelaufen oder auch diese letztere erledigt ist. Im Falle der Ein­ legung der Nichtigkeitsbeschwerde hat das Obertribunal die Akten nicht unmit­ telbar zu remittiren, sondern dem Appellationsgericht zu Stettin Behufs der Remission zu übersenden. 3) In Betreff des Verfahrens bei der Einforderung und der Einsen­ dung, sowie der Rücksendung der Akten, sowie in Betreff der Einziehung der Kosten der höheren Instanzen gelten die entsprechenden Bestimmungen für das Civilprozeß-Verfahren. Zum §. 59. Aus dem §.59 erhellt, daß das neue Gesetz auf die vor dem 1. Ja­ nuar 1866 anhängig gewordenen Civil- und Strafprozesse sich nicht bezieht. Für die am 1. Januar 1866 bereits anhängig gewordenen Civil - und Straf­ sachen bewendet es daher auch bei der bisherigen Kompetenz der Königlichen Gesandtschaft zu Konstantinopel als Gericht zweiter Instanz. Für alle ande­ ren Sachen hört diese Zuständigkeit mit dem 1. Januar 1866 auf.

Berlin, den 6. November 1865.

Der Justizminister. Gr. z u r L i p p e.

Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten. Im Auftrage: von Philipsborn.

Sechandel.

653

Allgemeine Bestimmungen.

Anlage A. V erreich niß der mit Gerichtsbarkeit versehenen Konsuln. Name und Amtscharak­

Bezeichnung des Amts,

§

mit welchem

Jurisdiktionsbezirk.

ter des gegenwärtigen

die Gerichtsbarkeit

Inhabers der Gerichts­

verbunden ist.

barkeit.

1. Gesandtschaftskanzler in Konstantinopel.

Das Küstenland des Schwarzen Meeres von Mangalia bis zum Ausfluß des Kyzyl Irmak; Rumelien, Makedonien und türkisch Thessalien mit den dazu gehörigen Inseln; das anatolische Kü­ stenland längs des Marmora-Meeres, der Dardanellen und des Archipels bis Adramit; Tenedos; das Gebiet von Brussa.

Contius, G^sandtschastskanzler.

2. Konsul in Serajewo. Bosnien und Herzegowina.

Dr. Blau, Konsul,

3. Konsul in Trapezunt. Das Küstenland des Schwarzen Meeres

von Herford, Konsul.

vom Ausfluß des Kyzyl Irmak bis zur Russischen Grenze.

4. Konsul in Smyrna.

Das anatolische Küstenland südlich von Adramit bis Tarsus und die dazu ge­ hörigen Inseln ausschließlich Cppern; Kanoien.

Frhr. von Bülow, Konsul und Lega­ tionsrath.

5. Konsul in Beirut.

Das syrische Küstenland südlich von Tar­ sus bis ausschließlich Jaffa; Cypern.

Weber, Generalkonsul.

6. Konsul in Jerusalem. Palästina und das Küstenland südlich von

Dr. Rosen, Konsul.

Jaffa emschließlich des letzteren Orts.

7. Generalkonsul in Ale­ Egypten und Dependenzen. xandrien.

8. Generalkonsul in Bu­ Wallachei; Bulgarien; das Küstenland karest.

des Schwarzen Meeres vom Ausfluß der Donau bis Mangalia.

Theremin, General­ konsul und Legations­ rath.

Saint-Pierre, Ge­ neralkonsul und Wirk­ licher Legationsrath.

9. Konsul in Jassy.

Moldau.

Göring, Konsul.

10. Konsul in Belgrad.

Serbien.

Meroni, Generalkon­ sul.

11. Gesandtschaftskanzler

China.

Tettenborn, Gesandt­ schaftskanzler.

12. Konsul in Jocuhama. Japan.

von Brandt, Konsul.

13. Konsul in Bangkok.

Leßler, KonsulatSverweser.

in Shanghai.

Siam.

654

Erster Titel.

Fünftes Buch.

Anlage B.

Uebersicht der richterlichen Geschäfte bei dem Konsul zu I.

I

Civilprozesse waren an-hängig

sind auf den Grund des §. 13

I

hängig.

bleiben an-

digt.

© 1 g

sind been­

Prozesse.

diesjährige.

überjährige.

der

Von den beendigten Sachen

davon 1

Nähere Bezeichnung

für das Jahr

des Gesetzes vom 29. Juni

1865 ohne Zuziehung des Konsulargerichts erledigt.

1. Gewöhnliche Prozesse: a) Bagatellsachen .... b) Jnjuriensachen .... c) Ehesachen........................ d) andere Prozesse.... 2. Konkurse, erbschastliche Liquidations- und Prioritätsverfahren 3. Subhastationen........................

Summa IL

Nähere Bezeichnung

waren anhängig

hängig.

bleiben an-

digt.

sind been-

Summa.

Untersuchungen.

diesjährige.

der

davon

Bon den als beendigt aufgeführ­ ten Sachen sind erledigt:

1

überjährige.

ff

Untersuchungen

durch Uebcrwei- ohne Berufung des sung auf den Konsulargerichtß Grund des $. 42 nach Ä*. 13 des Gedes Gesetzes v. setzeß v. 29. Juni 1865. 29. Juni 1865.

1. Untersuchungen, welche der allei­

2. 3.

nigen Kompetenz des Konsuls unterliegen (§. 39 des Ges. vom 29. Ium 1865)........................ Untersuchungen, welche der Kom­ petenz des Konsulargerichts un­ terliegen (§. 40 a. a. O.) . . Untersuchungen, welche der schwur­ gerichtlichen Kompetenz unter­ liegen (§. 43 a. a. £).)...

Summa IV-

1

III. Vormundschaften und Kuratelen

Nachlaßregulirungen außer den vormund­ schaftlichen

V.

VI.

Deposttal-Verwaltung am Schlüsse des Jahres.

Handlungen der

freiwilligen Ge-

St»

zu führen.

der Massen, welche aus Pretiosen oder auf jeden Inhaber lauten­ Massen. den Dokumenten bestehen.

geblieben.

£ *

beendigt.

führen.

Zahl der Massen, und zwar:

waren beendigt.

Waren

davon sind anhängig

davon sind

Geld-

richtsbarkeit sind überhaupt vorge­ nommen worden.

i

Scehandel.

655

Allgemeine Bestimmungen.

Anlage 6.

Tarif, nach welchem die Kosten und Gebühren für die Gerichtshand­ lungen der mit Gerichtsbarkeit versehenen Konsuln zu erhe­ ben sind (§. 19 des Gesetzes über die Gerichtsbarkeit der Konsuln vom 29. Juni 1865, G.S. S. 681).

Erster Abschnitt. Kosten für Handlungen der streitigen Gerichtsbarkeit.

I.

Zurückgewiesene Klagen und Rechtsmittel u. s. w.

§. 1. Für die Zurückweisung einer Klage, eines Rechtsmittels, eines nicht zum Betriebe der unbeendigten Instanz gehörigen Antrages, einer Be­ schwerde über die Gebühren - Liquidation des Rechtsanwalts, sowie in allen Fällen, wenn die Klage vor Eingang der Klagebeantwortung zurückgenommen oder wenn eine Klage zwar angemeldet, aber nicht im Anschlüsse an diese An­ meldung wirklich erhoben wird, und wenn ein Rechtsmittel zwar angemeldet, aber nicht eingeführt wird, ebenso für gerichtliche Aufkündigungen von Kapi­ talien, Miethen u. s. w., für Aufforderungen zur Erstattung außergerichtli­ cher Kosten, für die Zurückweisung eines unbegründeten Exekutionsantrages oder Arrestgesuches und eines Antrages auf Erstattung außergerichtlicher Ko­ sten; ferner für Atteste der Rechtskraft von Erkenntnissen und andere nach völliger Beendigung der Sache aus den Prozeßakten ertheilte Bescheinigungen und Ausfertigungen ist zu erheben: 1) von dem Betrage bis zu 100 Thlrn. von je lO THlrn. — 2^ Sgr., jedoch bei einem Gegenstände bis zu 1 Thlr. einschließlich nur 2 Sgr.; 2) von dem Mehrbeträge bis zu 200 Thlrn. von je 10 Thlrn. — 1| Sgr.; 3) von dem Mehrbeträge von je 50 Thlrn. — 2^ Sgr. bis zu dem höchsten Satze von 4 Thlrn.

II.

Mandatsverfahren.

§. 2. Für das ganze Mandatsverfahren einschließlich der Benachrichti­ gung des Klägers über die erfolgte Insinuation eines Mandats werden erhoben: 1) von dem Betrage bis zu 20 Thlrn. einschließlich von jedem Thaler...................................................................................... 1 Sgr. 2) von dem Mehrbeträge bis zu 100 Thlrn. von je 10 Thlrn. 5 3) von dem Mehrbeträge bis zu 200 Thlrn. von je 10 Thlrn. 2| 4) von dem Mehrbeträge bis zu 500 Thlrn. von je 50 Thlrn. 5) von demMehrbeträge bis zu 1000 Thlrn. von je 100 Thlrn. 10 6) von dem Mehrbeträge von je 100 Thlrn.......................... 2| = Wenn Einwendungen oder Widerspruch gegen das erlassene Mandat erhoben werden, so sind die Kosten nach den folgenden Sätzen (sub III.) zu erheben; es kommen daraus aber die nach obigen Bestimmungen für das Mandatsverfahren bereits zum Ansätze gebrachten Kosten in Abzug. III. Prozesse, mit Ausschluß der besonderen Prozeßarten.

§. 3.

A. Wenn der Prozeß durch Kontumazial-Bescheid, Agnitions-

656

Fünftes Buch.

Erster Titel.

Resolut, Vergleich oder nach erfolgter Klagebeantwortung durch Entsagung beendigt wird, so ist zu erheben: 1) von dem Betrage bis zu 50 Thlrn. einschließlich von jedem Thaler 1-| Sgr.

2) von dem Mehrbeträge bis zu 150 Thlrn. von je 10 Thlrn.

10 von dem Mehrbeträge bis zu 500 Thlrn. von je 50 Thlrn. 1 Thlr. von dem Mehrbeträge bis zu 1000 Thlrn. von je 100 Thlrn. 1 von dem Mehrbeträge bis zu 20,000 Thlrn. von je 200 Thlrn. 1 von dem Mehrbeträge von je 1000 Thlrn................................... 1 B. Ist gegen einen Kontumazialbescheid die Restitution zugelassen wor­ den und gelangt in Folge dessen die Sache zur kontradiktorischen Verhand­ lung , so sind für das Kontumazialverfahren die Sätze des §. 1, um die Halste erhöht, zu erheben. §. 4. Wenn bei Gegenständen über 50 Thaler auf kontradiktorische Verhandlung erkannt ist, so wird der Satz §. 3 unter A. doppelt erhoben. In Jnjuriensachen wird dieser Satz auch dann genommen, wenn die der Entscheidung zum Grunde liegenden Thatsachen zugestanden oder in contu­ maciam für zugestanden angenommen sind. In allen Prozessen, in welchen nach §.13 der Verordnung vom 21. Juli 1846 (G.S. S. 295) ein abgekürztes Verfahren stattfinden muß, wird der Satz §. 3 unter A. nur um die Hälfte erhöht; in Bagatellsachen wird, wenn aus kontradiktorische Verhandlung erkannt ist, der Satz §. 3 unter A. nur um die Hälfte erhöht. §. 5. Wenn eine Beweisaufnahme angeordnet ist und stattgefunden hat, so wird, sowohl im Falle des Vergleiches als des Erkenntnisses, der zu §. 3 unter A. oder zu §. 4 zu liquidirende Satz in Prozessen über ein Objekt von nur 50 Thalern und darunter um die Hälfte des Satzes §. 3 A., in allen übrigen Prozessen bis zu demjenigen Betrage des Gegenstandes der Beweisaufnahme, welcher die Summe von 50 Thalern nicht übersteigt, eben­ falls um die Hälfte des Satzes A., von dem Mehrbeträge aber um den vol­ len Satz §. 3 A. erhöht. Dabei wird jedoch in denjenigen Prozessen, deren Gegenstand mehr als 50 Thaler beträgt, wenn die Beweisaufnahme nur einen Theil des Prozeßobjekts betrifft, auch nur der Betrag dieses Theils der Berechnung zum Grunde gelegt. Der Satz für die Beweisaufnahme ist auch dann zu erheben, wenn auf einen zugeschobenen Eid erkannt und dessen Abnahme verfügt worden ist.

3) 4) 5) 6)

§. 6. Für die Abnahme nothwendiger Eide und die Abfassung der Purifikatoria, für die in Prozessen vorkommenden Nominationen, Litisdenunziationen, accessorischen Interventionen und Assistenzleistungen werden keine Gerichtskosten angesetzt. Bei uneigentlichen Rekonventionen werden die Kosten nach dem höchsten Objekte berechnet. Für die Anlegung von Arresten in Prozeßsachen neben der Hauptsache sind die Sätze wie bei Exekutionen zu liquidiren. jedoch auf die Kosten der später eintretenden Exekution in Anrechnung zu bringen. §. 7. Wenn bei Erlassung des Erkenntnisses ein Theil des ursprüng­ lichen Klagepetiti nicht mehr streitig ist, — sei es, weil derselbe durch Ver­ gleich oder Entsagung abgemacht oder anerkannt ist, — so werden die Kosten für jeden Theil des Anspruchs nach seinem Betrage besonders berechnet.

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

657

Bei unschätzbaren Objekten tritt diese Bestimmung jedoch nur insofern ein, als rücksichtlich des durch Erkenntniß zu entscheidenden Theils des An­ spruchs überhaupt eine niedrigere Kolonne zu arbitriren ist, als für den ur­ sprünglichen Anspruch. In allen Fällen dürfen die Kosten nicht höher be­

rechnet werden, als nach dem ungetheilten Objekte. IV.

Bei besonderen Prozeßarten.

§. 8. Für eine Beweisaufnahme zum ewigen Gedächtniß; in Diffamations- und Provokationsprozessen (Allg. Gerichts-Ordnung Th. I, Tit. 32); für die Verhandlung schleuniger Arrestsachen, welche nicht mit der Hauptsache zugleich verhandelt werden (Allg. Gerichts-Ordnung Th. I, Tit. 29, §§. 30 bis 40); für die Regulirung eines Interimistikums, welche in besonderen Ver­ handlungen erfolgt; für die Verhandlung von Depositions-Anträgen (Allg. Landrecht Th.I, Tit. 16, §§. 214 ff.), bei verstatteter Depositton; für die Aufnahme und Ausführung von Dispachen (Art. 731 des Deutschen Han­ delsgesetzbuchs und Art. 57 des Einführungsgesetzes zu demselben vom 24. Juni 1861, G.S. S. 449); in den auf Todeserklärung gerichteten Prozessen; in Aufgebots- und Amortisationssachen; endlich in jeder anderen besonderen Art prozeßrichterlichen Verfahrens, welches, ohne eigentlicher Prozeß zu sein, eine richterliche Festsetzung oder Entscheidung bezielt und wofür nicht besondere Bestimmungen getroffen sind, kommt für das ganze Verfahren nur der einfache Satz des §. 3 unter A. zur Anwendung. In Aufgebots - und Amortisationssachen ist der Werth mehrerer in dem­ selben Verfahren aufgebotenen Objekte, soweit er bei jedem einzelnen den Be­ trag von 5 Thalern nicht übersteigt, behufs des Kostenansatzes zusammenzu­ rechnen. Für Gegenstände von höherem Werthe werden die Kosten besonders in Ansatz gebracht. Für jedes aufgebotene Objekt über 100 Thaler ist der Werth wie bei unschätzbaren Gegenständen zu bestimmen. §. 9. Der Satz §. 3 unter A. wird auch für die Verhandlung eines nach erfolgter Entscheidung der Hauptsache besonders verhandelten Spezialmoratorii, sowie für das Verfahren über die Bewilligung der Kompetenz, erhoben. 8. 10. In Subhastationsprozessen wird erhoben: 1) für das ganze Verfahren bis zur Abfassung der Adjudikatoria, diese ausgeschlossen: a. von dem Betrage des Werths des Grundstücks bis 100 Thlr. einschließlich von jedem Thlr......................................................... 1| Sgr. b. von dem Mehrbeträge bis 500 Thlr. einschließlich von je 10 Thlrn c. von dem Mehrbeträge bis 2000 Thlr. von je 50 Thlrn. 15 d. von dem Mehrbeträge bis 20,000 Thlr. von je 100 Thlrn. 10 6. von dem Mehrbeträge von je 100 Thlrn........................5 2) wenn die Subhastation aufgehoben wird: a. vor Aufnahme der Taxe b. nach Ausnahme der Taxe, jedoch vor Abgang der Vorladungen zum Lizitationstermine, c. nach Abgang dieser Vorladungen, jedoch vor Abhaltung des Lizita­

tion stermins, | der vorstehend bestimmten Sätze;

Koch, 2s. D. Handelsgesetzbuch.

2. 2lufl.

658

Fünftes Buch.

Erster Titel.

3) für eine fortgesetzte Subhastation nach schon abgehaltenem Lizitations­ termine der Sätze ad 1; 4) für die Adjudikatoria und alle auf Grund derselben zu erlassenden Ver­ fügungen, ausschließlich der zur Kaufgelderbelegung gehörigen, f der Sätze ad 1; 5) für das Kaufgelderbelegungs-Verfahren, einschließlich der auf Grund des­ selben zu ertheilenden Ausfertigungen, die Hälfte der Sätze ad I. Wenn in einem und demselben Verfahren mehrere Grundstücke zur Sub­ hastation gezogen werden, so sind die Sätze zu Nr. 1 — 5 nach der zusammenzurechnenden Summe des Werthes aller Grundstücke zu berechnen. Die Beträge sind nach dem Meistgebote, wenn es aber nicht zur Lizita­ tion kommt, nach dem Taxwerthe, und wenn es auch nicht zur Aufnahme der Taxe gekommen ist, nach dem letzten Erwerbspreise oder dem sonst zu er­ mittelnden Werthe zu bestimmen. Erreicht das Meistgebot nicht | des Taxwerthes, so ist der letztere Be­ trag — | des Taxwerthes — bei der Berechnung der Sätze zu 1, 3 und 4 zum Gmnde zu legen. Soweit in dein letzteren Falle das Kaufgeld zur Be­ richtigung der aus der Masse vorweg zu entnehmenden, durch Kostenvorschuß nicht gedeckten Kosten unzureichend ist, bleibt der Käufer für den überschie­ ßenden Betrag derselben verhaftet. §.11. Im Konkurse und erbschaftlichen Liquidationsverfahren werden erhoben: A. im Konkurse: 1) für die Zurückweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkurses die Sätze des §. 1; 2) für die den Betheiligten auf ihr Verlangen zuzustellenden Abschriften des Beschlusses über die Konkurseröffnung und über den Tag des Eintritts der Zahlungseinstellung die Sätze nach §. 51 dieses Tarifs; 3) für das Prozeßverfahren wegen Wiederaufhebung des Konkurses oder anderweiter Bestimmung des Tages der Zahlungseinstellung die Sätze nach §. 8; Anmerkung. Der Streitgegenstand ist in den Fällen zu 3 als unschätzbar anzunehmen. 4) für die Konstituirung der Aktivmaffe, einschließlich der Deposttalverwaltung und einschließlich der Distribution, jedoch ausschließlich der beson­ deren Kosten der Auktion und Sequestration, nach dem Betrage der Aktivmasse: a. von dem Betrage bis zu 1000 Thlrn. von je 10 Thlrn. 15 Sgr. b. von dem Mehrbeträge bis 2000 Thlrn. von je 100 Thlrn. 2| Thlr. c. von dem Mehrbeträge bis 20,000 Thlrn. von je 100 Thlrn. 1 d. von dem Mehrbeträge von je 100 Thlrn. ... 15 Sgr. 5) für die Berufung der Konkursgläubiger und Prüfung der Ansprüche derselben die Hälfte der vorstehenden Sätze ebenfalls nach dem Betrage der Aktivmasse; 6) wenn der Konkurs durch Akkord oder Vergleich aufgehoben wird, die

Hälfte des Satzes Nr. 4 und der volle Satz Nr. 5; Anmerkung. Bei der Ausmittelung des Betrages der Masse wer­ den diejenigen Gegenstände, welche bereits veräußert oder einge-

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

659

zogen sind, nach dem Betrage des Erlöses, die noch unveräußer­ ten Gegenstände nach dem Betrage des Taxwerthes berechnet. Von den vorhandenen Aktivforderungen kommen Kreditpapiere, Fonds und Effekten zu dem Tageskourse am Tage der Festsetzung der Kosten, andere Außenstände zu dem Nominalwerthe in Ansatz;

uneinziehbare Forderungen werden außer Berechnung gelassen. Die zur Konkursmasse gehörigen Immobilien sind nur insoweit in Betracht zu ziehen, als die Kaufgelder nach Befriedigung der Realgläubiger zur Masse fließen.

7) für die nach Ablauf der bestimmten Fristen erfolgte Anmeldung einer Forderung die Sätze nach §. 1 und ebenso für die Prüfung derselben für Rechnung des Gläubigers; 8) für die Feststellung der streitigen Forderungen der Konkursgläubiger wie im gewöhnlichen Prozesse; Anmerkung. Wird nur über das Vorrecht bei dem Konkursgericht gestritten und entschieden, so ist der Streitgegenstand, sofern die Forderung den Betrag von sechszig Thalern übersteigt, als un­ schätzbar anzunehmen. 9) für das Verfahren auf Wiedereinsetzung des Gemeinschuldners in den vorigen Stand, die Sätze nach §. 8 des Tarifs. B. im erbschaftlichen Liquidationsverfahren:

1) für die Zurückweisung des Antrages auf Eröffnung des erbschaftlichen Liquidationsverfahrens die Sätze nach §. 1; 2) für das ganze Verfahren, jedoch mit Ausschluß der gerichtlichen Inven­ tur , die Sätze nach §. 8, wie für Aufgebots- und Amortisationssachen; 3) wenn vor Beendigung des erbschaftlichen Liquidationsverfahrens der Konkurs über den Nachlaß eröffnet wird, so kommen nur die unter A. bestimmten Sätze in Ansatz; 4) wird der Konkurs über den Nachlaß erst nach Bendigung des erbschaft­ lichen Liquidationsverfahrens eröffnet, so kommen neben den unter B. angeordneten Sätzen die unter A. bestimmten Sätze in Ansatz; 5) für die Restitution gegen das Präklusions-Erkenntniß ist der Satz §. 1, um die Hälfte erhöht, anzusetzen. §. 12. Für das Verfahren bei Sequestrationen, Beschlagnahme der Gutseinkünfte und aller anderen an die Person des Schuldners gebundenen Einkünfte (§. 16 der Verordnung vom 4. März 1834), sowie bei HäuserAdministrationen — ausschließlich der Remuneration des Sequesters und Ad­ ministrators — wird die Hälfte der §. 11 sub A. 4 bestimmten Sätze er­ hoben, wenn damit ein Prioritätsverfahren unter mehreren immittirten Gläu­ bigern nicht verbunden ist. Ist damit aber ein Prioritätsverfahren verbunden (§. 17 a. a. O.), so werden die vollen Sätze des §.11 sub A. 4 erhoben. Unter den danach zu erhebenden Sätzen sind die Kosten der DepositalVerwaltung unb der Distribution mitbegriffen, für die dabei aber etwa ent­ stehenden eigentlichen Prozesse werden die für diese bestimmten Sätze beson­ ders erhoben.

660

Fünftes Buch.

V.

Erster Titel.

Exekutions-Instanz.

13. 1) Für die Erlassung des Vollstreckungsbefehls an den Exeku­ tor oder des, eine andere Exekutions-Maßregel androhenden Gerichtsbefehls, für die Beschlagnahme einer Forderung, für die Ueberweisung einer solchen, für das Verfahren wegen Abnahme eines Manifestationseides, — in allen diesen Fällen einschließlich der erforderlichen Nebenverfügungen oder Verhand­ lungen — wird der zu §. 1 bestimmte Satz erhoben, und zwar für jede die­ ser Exekutionsmaßregeln besonders nach dem Betrage des Gegenstandes dersel­ ben und bei erneuerten Anträgen wiederholt. 2) Für die Vollstreckung einer Exekution durch Pfändung, durch PersonalArrest oder durch Ausführung der executio ad faciendum wird erhoben: a. bei Beträgen bis zu 100 Thlrn. einschließlich von je 10 Thlrn. 4 Sgr. b. von dem Mehrbeträge bis zu 200 Thlrn. einschließlich von je 10 Thlrn........................................................................................... 2 c. von dem Mehrbeträge von je 50 Thlrn.....................................6 Wird bei dem Antritt dieser Vollstreckung dem Gerichtsbefehle genügt, oder der Exekutionsantrag zurückgenommen, so daß es der Vollstreckung selbst nicht bedarf, so ist der unter Nr. 1 dieses Paragraphen bestimmte Satz zu erheben. 3) Ist die Exekution in das Mobiliarvermögen fruchtlos vollstreckt, so sind von dem Extrahenten außer den Kosten für die Exekutions-Verfügung (Nr. 1) nur die Kosten für den Antritt der Vollstreckung (Nr. 2 Alinea 2) zu erheben. Ist bloß ein Theil der Forderung beigetrieben worden, so wird der Berechnung des Satzes für die Vollstreckung nur der Betrag dieses Thei­ les zum Grunde gelegt, jedoch nicht weniger als der Satz für den Antritt der Vollstreckung liquidirt. Bei Exekutionen wegen eines Gegenstandes bis zu 1 Thlr. einschließlich sind für die Erlassung des Vollstreckungsbesehls nur 2 Sgr. und für die Vollstreckung ebenfalls nur 2 Sgr. zu erheben. 4) Diese Bestimmungen (Nr. 1 bis 3) sind auch bei allen Exekutionen wegen Gerichtskosten maßgebend.

Zweiter Abschnitt. Kosten für Geschäfte nicht streitiger Gerichtsbarkeit. I.

Zurückgewiesene oder zurückgenommene Gesuche rc.

§. 14. Für die Zurückweisung eines unbegründeten Gesuchs oder wenn das Gesuch, ehe eine eigentliche Verhandlung ausgenommen ist, zurück­ genommen wird, oder wegen Ausbleibens eines Interessenten im Termin als zurückgenommen zu erachten ist, wird die Hälfte des im §. 1 bestimmten Satzes erhoben. Dasselbe findet statt, wenn die zur Auf- oder Annahme von letztwilli­ gen Verordnungen und Erbverträgen deputirten Gerichtspersonen den Testa­ tor nicht mehr im dispositionsfähigen Zustande oder todt antreffen; auch ist alsdann außerdem der Betrag der an die Gerichtspersonen nach §. 50 sub B. dieses Tarifs zu zahlenden Kommissionsgebühren zu erheben.

II. §.15.

Einzelne Akte freiwilliger Gerichtsbarkeit. A. Für die Aufnahme und Ausfertigung aller einseitigen Er-

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

661

klärungen, aller Akte, In welchen nur von Seiten einer Partei die Ueber­ nahme von Verbindlichkeiten ausgesprochen wird, ohne Unterschied, ob solche Erklärungen nur von einzelnen Personen oder mehreren als Theilnehmern abgegeben werden, und ob die dem anderen Theile gemachten Zugeständniffe in demselben Akte acceptirt sind, oder nicht, für die Aufnahme von Verkla­ rungen in Schifffahrts - Angelegenheiten, für die Aufnahme von Protesten, sowie überhaupt für alle Akte und die auf Grund derselben zu ertheilenden Ausfertigungen oder Atteste, insofern nicht für einzelne besondere Bestimmun­ gen getroffen sind, ist zu erheben: 1) von dem Betrage bis zu 100 Thlrn. einschließlich von je 25 Thlrn. 7^Sgr. 2) - Mehrbeträge bis 200 Thlrn. von je 50 Thlrn. . 5 von je 100 Thlrn. 5 500 3) « = zusätzlich 15 Sgr.; 4) - 1000 von je 1000 Thlrn. 15 5) » = 5000 zusätzlich 1 Thlr.; - 10,000 6) - 7) - zusätzlich 1 Thlr.; - 20,000 zusätzlich noch 2 Thlr.; 8) bei Objekten über 20,000 jedoch bei Beträgen bis zu 1 Thlr. einschließlich nicht mehr als 2| Sgr. und bei Beträgen bis 5 Thlr. nicht mehr als 5 Sgr.

§. 16. Diese Sätze werden auch dann erhoben, wenn die Kontrahen­ ten sich zu dem Inhalte eines schriftlich abgefaßten Vertrages bekennen, ohne Unterschied, ob dieser ein einseitiger oder mehrseitiger und ob die Erklärung nur von dem einen oder von beiden Theilen erfolgt. §. 17. Für die bloße Rekognition und Beglaubigung von Unterschrif­ ten, sowohl bei einseitigen, als mehrseitigen Geschäften, wird nur die Hälfte des Satzes §.15 erhoben. §. 18. Wenn bei einem einseitigen Vertrage zugleich eine accefforische Verbindlichkeit eines Dritten, z. B. Bürgschaft, instrumentirt wird, so wer­ den die Sätze des §.15 um die Hälfte erhöht. §. 19. Für die Aufnahme und Ausfertigung solcher Verträge, in welchen zwei oder mehrere Personen gegenseitige Verbindlichkeiten übernehmen, wird das Doppelte der Sätze §.15 erhoben. §. 20. Wenn die Zustimmung einzelner Teilnehmer zu einer Erklä­ rung in einem besonderen Akte erfolgt, so kommt nur die Hälfte der Sätze §. 15 zur Hebung. Dasselbe gilt von den ergänzenden nachträglichen Erklärungen der Kon­ trahenten, welche für sich kein besonderes Geschäft bilden. Der volle Satz A. wird erhoben, wenn diese Erklärung vor einer an­ deren Behörde erfolgt, oder wenn auf Antrag der Partei eine gerichtliche Aufforderung zu der Erklärung vorhergegangen ist. §. 21. Für die Aufnahme und Aufbewahrung von letztwilligen Ver­ ordnungen und Erbverträgen werden die Sätze §.15 doppelt, für die An­ nahme und Aufbewahrung verschlossen übergebener letztwilliger Dispositionen die Sätze des §.15 einfach erhoben. Für die Publikation und Ausfertigung letztwilliger Dispositionen und Erbverträge werden die Sätze §.15 besonders erhoben. Für die bloße Zurücknahme und Zurückgabe letztwilliger Dispositionen wird die Hälfte dieses Satzes erhoben.

Y62

Fünftes Buch.

Erster Titel.

§• 22. Für freiwillige Subhastationen wird der Satz/ §.15 dreifach erhoben. Für jede fortgesetzte Lizitation wird der Satz §.15 besonders erhoben. Wenn die Subhastation vor Aufnahme der Taxe wieder aufgehoben wird, so ist die Hülste des Satzes §.15, wenn dieselbe nach Aufnahme der Taxe, aber vor Abhaltung des Lizitationstermins ausgehoben wird, der Satz §.15 einfach zu erheben. Wenn in einem und demselben Verfahren mehrere Grundstücke zur frei­ willigen Subhastation gezogen werden, so sind die Sätze im Falle der Aushe­ bung des Verfahrens vor erfolgtem Zuschläge nach der zusammenzurechnenden Summe des Werths aller Grundstücke, anderenfalls aber für jeden Käufer nach dem zusammenzurechnenden Werthe der ihm zugeschlagenen Grundstücke

besonders zu berechnen. Die Bestimmung des Werths erfolgt nach den im §♦ 10 aufgestellten Grundsätzen. §. 23. Uebrigens treten für die Fälle der §§. 15 bis 22 noch folgende allgemeine Bestimmungen ein: 1) Wenn die Ausfertigungen, bei mehreren alle zusammen gerechnet, in dem Falle der §§. 19 und 21 mehr als vier geschriebene Bogen, in den übrigen Fällen mehr als zwei Bogen ausmachen, so werden für jeden hinzukommenden auch nur angesangenen Bogen noch 5 Sgr. zu­ sätzlich erhoben; 2) auch wenn auf die Ausfertigung einer Verhandlung verzichtet wird, kommen dennoch die vollen Sätze zur Anwendung; 3) wenn ein Akt auf den Antrag der Parteien oder wegen der Natur des Geschäfts außerhalb der Gerichtsstelle, aber doch am Orte des Gerichts, oder in einer nicht über eine Viertelmeile betragenden Entfernung von demselben vorgenommen wird, so wird die Hälfte der gewöhnlichen Sätze zu §. 15 oder 19 bis zum höchsten Betrage von 3 Thalern zugesetzt; in dem Falle zu §. 21 für jeden solchen auswärtigen Termin die Hälfte des Satzes des §.15, ebenfalls mit der Beschränkung auf ein Maxi­ mum von 3 Thalern. Kann das Geschäft nicht in einem Tage been­ digt werden, z. B. bei weitläustigen Inventarisationen oder Taxationen, so erfolgt der Zusatz für jeden Tag, welcher zur Aufnahme der Ver­ handlungen außerhalb der Gerichtsstelle erforderlich war, nach Maßgabe des auf die einzelnen Tage zu repartirenden Werths des Objektes, für jeden einzelnen Tag jedoch nicht höher als auf dell Betrag von 2 Thalern. III.

Nachlaßregulirungen.

§. 24. Für die bei Gelegenheit von Nachlaßregulirungen vorkommen­ den gerichtlichen Auktionen, Subhastationen und Prozeffe über einzelne Strei­ tigkeiten werden die für diese Geschäfte bestimmten Sätze besonders erhoben. §.25. Für das gesammte Erbeslegitimations - Verfahren werden er­

hoben : a. von dem Betrage bis 100 Thlr., von je 20 Thlrn. . . b. - - Mehrbeträge bis200 Thlr., von je50 Thlrn. 7£ 1,000 - 100 c. - -

d. e. f.

-

-

7| Sgr. 7| =

5,000 - 1,000 22| -20,000 - 1,000 10 bei Objekten über 20,000 Thlr. zusätzlich noch . . . 22|

Seehandel.

663

Allgemeine Bestimmungen.

Ist die Erbeslegitimation durch Testament oder Erbvertrag vollständig geführt, so fällt dieser Kostenansatz fort. Wenn die Erbeslegitimation mit Geschäften verbunden ist, für welche auf Grund des §. 26 oder 27 dieses Tarifs oder beider Paragraphen Kosten erhoben werden, so sind die vorstehenden Sätze nur zu einem Drittheil zum Ansätze zu bringen. Erreicht alsdann der Gesammtkostenbetrag den Satz für das einfache Erbeslegitimations-Verfahren nicht, so ist er insoweit zv erhöhen.

§. 26. Für folgende Geschäfte: 1) für die Ermittelung und Feststellung der Nachlaßmaffe, 2) für die Sicherstellung oder Aufbewahrung des Nachlasses sind zu erhe­ ben und zwar für jede dieser beiden Gattungen besonders: 5 Sgr. a. von dem Betrage bis 100 Thlr., von je 10 Thlrn. . Mehrbeträge'bis 200 Thlr., von je 20 Thlrn. 7| b.

H U

- 1,000 = : - 50 - 5,000 - - 100 -: von je 500 ...... 6. §. 27. Für die Erbtheilung sind zu erheben: a. von . dem Betrage bis 100 Thlr., von je 10 Thlrn. . 3 Sgr. Mehrbeträge bis 2O0Thlr., von je 20 Thlrn. 5 b. 50 c. - 1,000 d. 100 - 5,000 6. von je 500 Wenn das eingeleitete Erbtheilungsverfahren durch Zurücknahme des Antrages beendigt oder soweit dasselbe nicht durch Rezeß abgeschloflen wird, kommt von den vorstehenden Sätzen (§. 27) nur die Hälfte zum Ansatz. §. 28. Ist mit einer Nachlaßregulirung eine Verwaltung des Nachlas­ ses unter spezieller Leitung und Kontrole des Gerichts verbunden, so sind die nach §. 33 sub a. dieses Tarifs zu berechnenden Beträge zu erheben. Ist mit dieser Verwaltung zugleich eine Sequestration oder Administra­ tion von Grundstücken, Handlungen oder Fabriken verbunden, so werden da­ für, ausschließlich der Remuneration des Sequesters oder Administrators, von dem Betrage der Revenüen des Grundstücks — ohne Abzug der daraus zu leistenden Zahlungen — noch besonders berechnet: a. von dem Betrage bis zu 1,000 Thlrn. von je 10 Thlrn - Thlr. 7^Sgr. b. von dem Mehrbeträge bis zu 2,000 Thlrn. von je 100 Thlrn 1 7| -c. von dem Mehrbeträge von je 100 Thlrn. . — 15 Dabei wird das angesangene Jahr für ein volles gerechnet. §. 29. Betragen die Ausfertigungen des Erbrezeffes — mehrere Aus­ fertigungen oder Auszüge daraus zusammengerechnet — mehr als acht Bogen, so werden für jeden angefangenen Bogen darüber fünf Silbergroschen zugesetzt. §. 30. Die vorstehend bestimmten Tarifsätze (§§. 25 bis 28) werden in allen Fällen von dem Betrage der Aktivmaffe ohne Abzug der Schulden berechnet. Werden nur einzelne Theile der Nachlaßmasse von den in den §§. 26, 27, 28 erwähnten Gattungen von Geschäften berührt, so findet der Ansatz der Kosten nur in Ansehung des berührten Theiles statt.

c. d.

H H 5

664 IV.

Fünftes Buch.

Erster Titel.

Vormundschaften, Kuratelen und

andere

Fälle einer

Vermögensverwaltung. 8. 31. Für die Bestellung von Kuratoren zur Wahrnehmung einzelner Geschäfte und deren etwaige Beaufsichtigung und Bestätigung, namentlich bei

Ernennung von Litiskuratoren, Kuratoren behufs Auseinandersetzung der Kinder mit ihrem Vater , bei Stiftungen u. s. w. werden die §.15 bestimm­ ten Sätze erhoben. Diese Sätze können jedoch nur insoweit zum Ansatz ge­ bracht werden, als nicht rücksichtlich der Personen, in deren Interesse der Kurator bestellt wird, eine nach den folgenden Bestimmungen zu taxirende Vormundschaft oder Kuratel eingeleitet oder einzuleiten ist. §. 32. In anderen Kuratel- und Vormundschaftssachen sind zu erhe­ ben von dem Kapitalbetrage des Vermögens der Pflegebefohlenen, insofern dasselbe über 50 Thlr. beträgt: 1) von dem Betrage bis zu 100 Thlrn. von je 10 Thlrn. . 3 Sgr. 2) - Mehrbeträge bis zu 200 Thlrn. von je 50 Thlrn. 3) - - 500 - - 50 10 4) von je 100 -....................................... 5 §. 33. Außerdem sind zu erheben: von den jährlichen Revenüen desjenigen Vermögens, dessen Verwaltung unter spezieller Leitung und Kontrole der Vormundschafts - Behörde steht: a. bei Kuratelen oder Vormundschaften über Abwesende und Verschwen­ der, sowie bei solchen, welche aus einem anderen Grunde als dem einer erheblichen Gemüthsschwäche oder wegen Taubstummheit, über die Zeit der erlangten Großjährigkeit hinaus, auf Anordnung eines Dritten fortgesetzt werden, von diesem Zeitpunkte ab: 1) von dem Revenüenbetrage bis zu 100 Thlrn. von jedem Thaler l^Sgr. 2) - Mehrbeträge bis zu 200 Thlrn. von je 10 Thlrn. 10 3) - - 500 - 50 - . 25 4) von je 100 -................................. 25 b. bei Vormundschaften über minderjährige, taubstumme, geistesschwache oder geisteskranke Personen die Hälfte dieser Sätze. Dabei werden statt spezieller Berechnung die jährlichen Revenüen zu drei Prozent des betreffenden Kapitalvermögens nach Abzug der Schulden ange­ nommen und das angesangene Kalenderjahr sowohl beim Anfänge, als auch

am Ende der Vormundschaft für voll gerechnet. §. 34. Außer vorstehenden Kostenbeträgen und den etwa entstehenden baaren Auslagen und Kalkulaturgebühren dürfen keine Kosten angesetzt wer­ den für alle diejenigen Verhandlungen und Verfügungen der VormundschaftsBehörde , welche dieselbe als solche behufs Ermittelung, Sicherstellung, Aus­ einandersetzung und Verwaltung oder Beaufsichtigung desjenigen Vermögens vornimmt oder erläßt, welches dem Pflegebefohlenen zur Zeit der Einleitung der Vormundschaft oder Kuratel gehört. §. 35. Bei der Regulirung eines später angefallenen Nachlasies oder der Fortsetzung einer schon vor Eintritt des Falles der Bevormundung oder Kuratel eingeleiteten Regulirung, sowie bei Auseinandersetzungen zwischen Kindern und ihren: zur ferneren Ehe schreitenden Vater, kommen die sub. III. (§§. 24 bis 30) bestimmten Kosten zum Ansatz; für die vormundschaftlichen

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

665

Prüfungen und Anordnungen werden — außer den etwa nach der Bestim­ mung des Z. 31 zu erhebenden — keine besondere Kosten angesetzt. §. 36. Konkurriren bei einzelnen Geschäften, für welche nach vorste­ henden Bestimmungen den Pflegebefohlenen außer den in den §§. 32 und 33 bestimmten keine besonderen Kosten angesetzt werden dürfen, nicht bevormun­ dete Personen, so müssen diese die für solche Geschäfte in anderen Fällen be­

stimmten Kosten nach dem Verhältnisse ihres Antheils tragen. §. 37. Die nach den §§. 35 und 36 bei Auseinandersetzungen zwi­ schen Kindern und Eltern zum Ansatz kommenden Kosten richten sich nach dem Betrage des eigentlichen Nachlasses — vergleiche §§. 543 unb 638, Tit. 1, Th. II des Allg. Landrechts, — welcher zwischen den Erben zu reguliren, zu vertheilen, oder sicherzustellen ist. Die nicht als Erben bei der Auseinander­ setzung konkurrirenden Interessenten haben für die sie dabei betreffenden Ge­ schäfte die Kosten nach den Tarifsätzen der §§. 15 ff. besonders zu tragen.

Dritter Abschnitt. Kosten in Untersuchungssachen.

8. 38. In allen Untersuchungssachen giebt die rechtskräftige Entschei­ dung den Maßstab für die Höhe des Ansatzes der Gerichtskosten und zwar auch für die vorhergehenden Instanzen. Wenn neben einer Freiheitsstrafe zugleich auf Geldbuße erkannt ist, so wird behufs des Kostenansatzes die der letzteren eventuell substituirte Freiheits­ strafe der außerdem erkannten hinzugerechnet. Ist nur auf Geldbuße und eventuell dafür eintretende Freiheitsstrafe er­ kannt, so wird der Kostenansatz durch die Höhe der ersteren bestimmt. 8. 39. Wenn eine Untersuchung gegen mehrere Angeschuldigte gerichtet ist, so ist der bestimmte Tarifsatz von jedem zu einer Strafe Verurtheilten be­ sonders und nach Maßgabe der gegen ihn erkannten Strafe zu erheben. Nur für die außer den tarifmäßigen Kostensätzen noch zum Ansätze kom­ menden, in dem sechsten Abschnitte dieses Tarifs verzeichneten Nebenkosten haften alle in derselben Untersuchung verurtheilten Personen solidarisch, wenn nicht in dem Erkenntnisse für einen oder mehrere oder alle Verurtheilte etwas Anderes festgesetzt wird. Diese solidarische Verbindlichkeit erstreckt sich nicht auf die jeden einzelnen Angeschuldigten oder Verurtheilten treffenden Detenüons-, Verpflegungs - und Transportkosten. 8. 40. 1) In Untersuchungssachen wegen Uebertretungen und der nach Art. XX. des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuche zur Kompetenz der Polizeirichter verwiesenen strafbaren Handlungen werden, wenn es zur münd­ lichen Verhandlung nicht gekommen, vielmehr die Strafe durch erlassenes Mandat definitiv festgestellt worden ist, erhoben: a. sofern die Strafe nicht über 2 Thaler oder dreitä­ giges Gefängniß beträgt — Thlr. 5 Sgr. b. sofern die Strafe höher ist, jedoch 5 Thaler oder einwöchentliches Gefängniß nicht übersteigt . . — 10 c. sofern die Strafe höher ist, jedoch 10 Thaler oder vierzehntägiges Gefängniß nicht übersteigt . . — 15 d. sofern die Strafe höher ist, jedoch 20 Thaler oder vierwöchentliches Gefängniß nicht übersteigt . . 1 — -

666

Fünftes Buch.

Erster Titel.

e. sofern die Strafe höher ist, jedoch 50 Thaler oder sechswöchentliches Gefängniß nicht übersteigt . f. sofern die Strafe höher ist

.

1 Thlr. 15 Sgr. 3 — -

2) Wird gegen das Mandat Einspruch erhoben, und dieser durch Er­ kenntniß zurückgewiesen (Art. 126 des Gesetzes vom 3. Mai 1852), so ist für das ganze Verfahren das Doppelte der vorstehenden Sätze zu erheben. 8. 41.

A. 3n den übrigen Untersuchungen kommen zum Ansätze:

1) wenn die erkannte Strafe nicht über 2 Thaler oder dreitägige Freiheitsentziehung beträgt 1 Thlr. jedoch mit der Maßgabe, daß, wenn die Strafe bloß in Geldbuße besteht, die zu erhebenden Kosten den Betrag der Strafe nicht übersteigen dürfen; 2) wenn die Strafe höher ist, jedoch 5 Thaler oder Freiheitsent­ ziehung von einer Woche nicht übersteigt 2 3) wenn die Strafe höher ist, jedoch 10 Thaler oder Freiheits­ entziehung von vierzehn Tagen nicht übersteigt .... 3 4) wenn die Strafe höher ist, jedoch 20 Thaler oder Freiheits­ entziehung von vier Wochen nicht übersteigt 6 5) wenn die Strafe höher ist, jedoch 50 Thaler oder Freiheits­ entziehung von sechs Wochen nicht übersteigt .... 9 6) wenn die Strafe höher ist, jedoch 100 Thaler oder Freiheits­ entziehung von drei Monaten nicht übersteigt .... 15 7) wenn die Strafe höher ist, jedoch 200 Thaler oder Freiheits­ entziehung von sechs Monaten nicht übersteigt .... 20 8) wenn die Strafe höher ist, jedoch 300 Thaler oder Freiheits­ entziehung von einem Jahre nicht übersteigt .... 25 9) wenn die Strafe höher ist, jedoch 500 Thaler oder Freiheits­ entziehung von zwei Jahren nicht übersteigt .... 30 10) wenn die Strafe höher ist, jedoch 1000 Thaler oder Frei­ heitsentziehung von drei Jahren nicht übersteigt . . . 40 11) wenn die Strafe in einer noch höheren Geldbuße oder Frei­ heitsentziehung besteht, letztere aber zehn Jahre nicht übersteigt 60 12) wenn auf eine schwerere Strafe erkannt ist ... . 100 -

B. In Untersuchungen wegen der nach Art. XX. des Ein­ führungsgesetzes zum Strafgesetzbuche zur Kompetenz der Polizeirich­ ter verwiesenen strafbaren Handlungen ist der höchste Kostensatz 15

-

§.42. Für die einfache Zurückweisung eines angemeldeten Rechtsmit­ tels, oder eines angebrachten Restitutionsgesuchs oder Einspruchs, insofern nicht aus eingelegte Beschwerde die Zulassung angeordnet wird, — ingleichen bei erfolgter Zurücknahme eines Rechtsmittels, nachdem aus Veranlassung desselben der Richter erster Instanz bereits verfügt hat, werden erhoben: 1) in den Fällen des §. 40 - Thlr. 5 Sgr.

2) in den Fällen des §. 41: a. unter 1 bis 5 b. 6 8 9 und 10 c. 12 11 d.

10 20

1 2

Seehandel.

§. 43.

Allgemeine Bestimmungen.

667

Mr einen durch Schuld der Parteien oder Zeugen vereitelten

Termin werden von dem schuldigen Theile besonders erhoben, in den Fällen des §. 40, wenn der Termin angestanden hat: a. vor dem . Konsul — Thlr. 15 Sgr. b. vor dem Konsulargericht....................................... 1 — §. 44. Wird das Restitutionsgesuch zugelasien, so wird für die neuen Verhandlungen nach denselben Bestimmungen, welche für das erste Verfahren gelten, liquidirt. Erfolgt auf Grund derselben eine Freisprechung, so find dem Freigesprochenen die etwa für das erste Verfahren von ihm erhobenen

Kosten und baaren Auslagen zu erstatten. §. 45. Bei einer Leichenbestchtignng werden, wenn sich keine Spuren einer durch die Schuld eines Dritten erfolgten Tödtung ergeben, nur die baaren Auslagen aus dem Nachlasse'des Verstorbenen erhoben. §. 46. Detentions-, Verpflegungs- und Transportkosten sind nach den besonderen dafür gegebenen Bestimmungen zu berechnen.

Vierter Abschnitt. Besondere Kosten in Requisitionssachen.

§.' 47. In allen Fällen, in welchen auf Ersuchen einer nicht Preußi­ schen Behörde oder auf Ansuchen einer der Gerichtsbarkeit des Konsuls unter­ worfenen Person in Rechtsangelegenheiten, welche vor fremden Gerichten an­ hängig sind, ein gerichtliches Geschäft besorgt werden muß, sind folgende Bestimmungen maßgebend: 1) Insoweit für das Geschäft ein Tarifsatz zu erheben ist, wird dieser von der schuldigen Partei oder der requirirenden Behörde erfordert. 2) In jedem Falle werden alle baaren Auslagen in Rechnung gestellt. 3) Ist für das Geschäft im Tarif keine Bestimmung, so ist zu erheben: a. für die Übermittelung oder Behändigung eines Schriftstücks die Hälfte des im §. 1 bestimmten Satzes; b. wenn eine richterliche Verfügung oder irgend eine gerichtliche Verhand­ lung, oder ein sonstiges Geschäft nachgesucht ist, der volle Satz (§. 1); im Falle jedoch mehrere Verhandlungen nothwendig sind, für jede folgende die Hälfte dieses Satzes. 4) Erhellet aus dem Anschreiben der Werth des Gegenstandes nicht, so entscheidet lediglich das richterliche Ermessen darüber. 5) Die allgemeinen Bestimmungen wegen der Kostenfreiheit kommen auch hierbei zur Anwendung.

Fünfter Abschnitt* Civilstandsakte nach Maßgabe der Verordnungen vom 30. März und 23. Juli 1847 (G.S. S. 125 und 263). §. 48. Es werden erhoben: 1) für ein Attest über eine Geburt, eine Heirath oder einen Sterbe­ fall . .................................................................................................... 10 Sgr. 2) für ein Attest über ein Aufgebot................................................. 5 -

Sechster Abschnitt. Von den in gewissen Fällen vorkommenden Nebenkosten. §. 49.

Außer den,

in den vorhergehenden Abschnitten bestimmten

668

Fünftes Buch.

Erster Titel.

Sätzen können für das gerichtliche Verfahren oder einzelne Theile desselben

nur in folgenden Fällen noch besondere Gebühren oder Kosten erhoben werden:

§. 50. A. Für Geschäfte außerhalb des Ortes, an welchem das Ge­ richt seinen Sitz hat, in einer Entfernung von mehr als einer Viertelmeile, die dadurch entstehenden Reisekosten und Diäten der Beamten in den an die­ selben zu zahlenden Beträgen. An Diäten erhalten, 1) der Richter: a. wenn das Geschäft einschließlich der Reise in einem Tage vollendet wird.....................................................1 Thlr. 15 Sgr. b. bei Geschäften, welche eine längere Abwesenheit erfordern, täglich............................................................2 — 2) der kommittirte Aktuar oder derjenige Beamte, wel­ cher mit beflen Funktionen beauftragt ist, täglich 1 — An Reisekosten erhalten für jede Viertelmeile: 1) der Richter......................................................................................7-£ Sgr. 2) der Aktuar oder Protokollführer.............................................. 3| ; Die Reisekosten werden für die Hinreise und für die Rückreise besonders berechnet. Die erste angefangene Meile wird für eine volle Meile, bei größe­ ren Entfernungen jede angefangene Viertelmeile für eine volle Meile gerechnet.

B. Für die auf Verlangen der Parteien außerhalb des Gerichtslokals und innerhalb des Umkreises von | Meile aus - oder angenommenen letztwil­ ligen Dispositionen, die an die Beamten zu zahlenden Kommissionsgebühren.

An Kommissionsgebühren erhalten: 1) der Richter.................................................................. 1 Thlr. 15 Sgr. 2) der Protokollführer..................................................... 1

-



-

8. 51. In allen Fällen, in welchen einer Partei auf deren Antrag Abschriften oder Ausfertigungen aus Prozeßakten — nach Beendigung der Instanz — oder von anderen Verhandlungen oder Dokumenten, deren Mit­ theilung nicht mehr durch den gewöhnlichen Geschäftsgang bedingt ist, und auch ohne Antrag nothwendig erfolgen mußte, mitgetheilt werden, stnd dafür zu erheben für jeden auch Nur angefangenen Bogen 2| Sgr. bei einfachen Abschriften, und der doppelte Betrag bei beglaubigten Abschriften und Aus­ fertigungen. §. 52. Für einen durch Schuld der Parteien vereitelten Termin wer­ den in Untersuchungssachen die im §. 43 bestimmten, in allen anderen Fällen die im §. 1 bestimmten Sätze von dem schuldigen Theile besonders erhoben.

§. 53. Für die gerichtlichen Kalkulaturgeschäfte wird nach Maßgabe der Schwierigkeit und Brauchbarkeit der angefertigten Arbeit und der Höhe des Objekts für jede Stunde, welche einschließlich der etwa gefertigten Schreib­ arbeit auf die Arbeit zu verwenden war, nach der Festsetzung des Richters 3 bis 10 Sgr. erhoben, wobei, wenn zu verschiedenen Zeiten daran gear­ beitet ist, die Zeit zusammengerechnet, im Uebrigen aber die angefangene Stunde für voll gerechnet wird. §. 54. Bei Abhaltung von Auktionen ist die Taxe für Auktion s-Kommisiarien vom 21. Juni 1845 (Just.-Minist.-Bl. S. 120), unter Wegfall der beiden Schlußbestimmungen derselben, zur Anwendung zu bringen.

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

Die hiernach zu erhebenden Beträge fließen,

669

wenn die Auktion durch

einen besoldeten Beamten besorgt ist, zur Staatskasse. §. 55. Die Gebühren der Zeugen und Sachverständigen werden in jedem einzelnen Falle unter Berücksichtigung der Umstände des Falles gericht­ lich festgesetzt; sie sind in dem festgesetzten Betrage zu erstatten; ingleichen sind zu erstatten die gezahlten Jnsertionskosten, die Portobeträge und andere baare Auslagen, darunter diejenigen Kosten, die in Folge von Requisitionen an nicht Preußische Behörden gezahlt werden müssen.

Schlußvemerkung. An Ansehung der Berechnung,

Ermittelung und Feststellung des für

die Kostenliquidation maßgebenden Werths dienen folgende Grundsätze zur

Richtschnur: (Vergleiche §§. 11 und 12 des Gesetzes vom 10. Mai 1851 und Artikel 3 des Gesetzes vom 9. Mai 1854 — G.S. von 1851 S. 622 und von 1854 S. 273.) I. Bei Berechnung des Werths des Objektes ist im Allgemeinen zu beachten: 1) Der Werth des Gegenstandes eines Rechtsstreits wird durch den Kapi­ talswerth desselben und die rückständigen Nutzungen, Zinsen und Früchte bestimmt, soweit der ursprüngliche oder im Laufe der ersten Instanz veränderte Klageantrag darauf gerichtet ist, oder die Nutzungen, Zinsen und Früchte von Amtswegen zuerkannt werden müssen. Der Zeitpunkt, bis zu welchem die rückständigen Nutzungen, Zinsen und Früchte zu berechnen sind, wird durch den Tag der Einreichung der Klage und, wenn eine Vervollständigung derselben verfügt worden, durch den Tag der Einreichung der vervollständigten Klage bestimmt. Dagegen bleiben von der Berechnung ausgeschlossen: a. die Nutzungen, Zinsen und Früchte, welche erst während des Pro­ zesses aufgelaufen oder entstanden sind; b. die während des Prozesses entstandenen Schäden und Kosten, sowie alle im Werthe des streitigen Gegenstandes eingetretenen Verände­ rungen. Bei Einlegung eines Rechtsmittels wird außerdem von der Berech­ nung ausgeschlossen, was in diesem Zeitpunkt unter den prozeßfüh­ renden Parteien nicht mehr streitig ist. 2) Die Berechnung wird in Preußischem Silbergelde angelegt. Dabei werden 10 Thaler in Preußischem Golde für 11 Thaler 10 Sgr. in Silbergelde angenommen. 3) Bei wiederkehrenden, immerwährenden Nutzungen wird der fünfund­ zwanzigfache , bei Nutzungen, deren künftiger Wegfall gewiß, deren Dauer aber unbestimmt ist, der zwölf und einhalbfache Betrag einer Jahresleistung als deren Kapitalswerth angenommen. Aus eine bestimmte Zeit eingeschränkte periodische Nutzungen werden für die ganze Zeit ihrer Dauer zusammengerechnet, jedoch nur soweit, daß der Kapitalswerth der immerwährenden Nutzungen niemals über­ schritten werden darf. Rückstände periodischer Nutzungen werden jederzeit zusammengerechnet.

670

Fünftes Buche.

Erster Titel.

Sie treten dem Kapitalswerthe hinzu, wenn die Nutzungen selbst mit den Rückständen Gegenstand des Prozeffes sind. 4) In Rücksicht auf solche Gegenstände, die keiner Schätzung nach Gelde fähig sind: a. Der Kostenansatz erfolgt in der Regel wie bei Gegenständen, die einett Werth von 400 Thalern haben; bei wichtigeren Angelegenheiten, wie bei Gegenständen von 1000 bis 5000 Thalern, und bei unbedeu­ tenden Angelegenheiten, wie bei 60 bis 100 Thalern Werth, nach dem Ermessen des Gerichts. b. Wenn mit einem unschätzbaren Anspruch ein daraus hergeleiteter, in Gelde zu schätzender Anspruch (z. B. auf bestimmte Alimente) verbun­ den ist, so ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.

6. Die Kosten in Jnjuriensachen sind:

wenn dieselben vor dem Kollegium (Konsulargericht) verhandelt und entschieden werden, wie bei einem Objekte im Werthe von 400 oder 1000 Thalern, wenn die Verhandlung und Entscheidung vor dem Einzelrichter (dem Konsul allein) erfolgt ist, wie bei einem Gegenstände im Werthe von 60 oder 100 Thalern anzusetzen. d. Grundgerechtigkeiten, welche auf bestimmte Nutzungen gerichtet sind (Allgem. Landrecht Th. I, Tit. 22, §§. 80 ff.), werden nicht zu den unschätzbaren Objekten gerechnet; ihr Werth wird durch den Betrag der zu veranschlagenden Nutzungelt oder durch den Nachtheil bestimmt, welchen die Belastung für das dienende Grundstück hat. Weiln sich für das herrschende Grundstück ein anderer Werth, als für das die­ nende ergiebt, so ist der höhere maßgebend.

6. Wenn bei anderen Grundgerechtigkeiten weder das herrschende, noch das dienende Grundstück einen nach den Bestimmungen sub a. beim Kostenansatze zum Maßstab zu nehmenden Werth erreicht, so ist der Werth desjenigen Grundstücks, welches den höchsten Werth hat, maß­ gebend.

f. In allen Fällen kommt aber auch bei geringfügigen Grundgerechtigkei­ ten und Servituten mindestens der bei Gegenständen, die über 50 Thlr. werth sind, nach dem Tarif anzusetzende Kostenbetrag zum Ansatz. g. In Pacht- und Miethsprozeffen ist, wenn der Streit die Aufhebung oder Fortsetzung des Pacht- oder Miethsverhältnisses betrifft, der ein­ jährige Pacht- oder Miethsbetrag, falls aber dieser den Betrag der Miethe oder Pacht für den Zeitraum, für welchen der Vertrag nach der Behauptung des einen oder des anderen Theils noch dauern soll, übersteigt, der letztere Betrag als Werth des Streitgegenstandes an­

zunehmen. 5) Der Werth des Gegenstandes jeder anderen Rechtsangelegenheit wird in analoger Anwendung dieser Grundsätze (1 bis 4) berechnet. Bei. Akten freiwilliger Gerichtsbarkeit (Abschnitt II, Nr. II. des obigen Tarifs) sind jedoch 10 Thlr. in Preußischem Golde nicht für 11 Thlr. 10 Sgr. in

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

671

Silbergelde, vielmehr nur für 11 Thlr., und wiederkehrende, immer­ währende Nutzungen nicht zum sünfundzwanzigsachen, sondern nur zum zwanzigsachen Betrage einer Jahresleistung als deren Kapitalswerth

anzunehmen.

II. Die Ermittelung und Feststellung des Werthes erfolgt in allen Fäl­ len durch den Richter unter folgenden näheren Bestimmungen:

1) Mit jeder Klage und Widerklage muß die Angabe des Werths des Streitgegenstandes, wenn dieser nicht in einer in sich bestimmten Geld­

forderung besteht, verbunden werden.

2) Wenn der Gegentheil dieser Angabe nicht in der §ur Beantwortung der Klage gestatteten Frist widerspricht, so bleibt dieselbe ohne spätere Zulaffung des Beweises eines höheren oder minderen Werths für den An­

satz der Kosten maßgebend. 3) Einigen im Falle des Widerspruchs die Parteien sich bei der folgenden Verhandlung vor dem Richter nicht, so ist, wenn die Sache noch in erster Instanz schwebt, die etwa nothwendige Aufnahme des Beweises sofort zu veranlassen, und danach der Werth durch eine Resolution fest­ zustellen. Wenn bie Sache nicht mehr in erster Instanz schwebt, so er­ folgt die Ermittelung und Feststellung durch den Richter der höheren Instanz.

Wird über den streitigen Werth Beweis angetreten, so ist die Veran­ schlagung nach den allgemeinen Vorschriften über Aufnahme gerichtlicher Taxen zu veranlassen. Auf den außerordentlichen Werth ist bei der Abschätzung nur dann Rücksicht zu nehmen, wenn derselbe Gegenstand des Streits ist. 4) Gegen die Resolution des Richters erster Instanz, in welcher zugleich über dle Kosten der etwa stattgehabten Ermittelung zu entscheiden, findet der Rekurs an die vorgesetzte Instanz unter denselben Bedingungen, töte gegen Entscheidungen im Bagatell-Prozesse statt.

5) Fehlt die erforderliche Angabe des Werths in der Klage oder in der eigentlichen Widerklage, so ist deren Vervollständigung in der Regel vor der Einleitung anzuordnen. In allen anderen Fällen aber ist die mangelnde Erklärung von dem Richter nachträglich zu erfordern, und wenn diese in der zu bestimmenden Frist nicht erfolgt, die Ermittelung unter Zuziehung der Parteien, soweit dieselben dabei betheiligt sind, durch Vernehmung von Sachverständigen, oder auf sonst geeignete Weise zu veranlassen.

6) Bei unschätzbaren Gegenständen tritt lediglich das Arbitrium des Rich­ ters nach Abschnitt I, Nr. 4 vorstehend ein.

7) In allen Fällen, in welchen die Feststellung des Werths nicht auf einer Ermittelung oder auf den: Arbitrium des Richters, sondern bloß auf einer Angabe der Parteien beruht, bleibt dem Richter überlassen, behufs Nachweisung eines höheren, bei Ansetzung der Kosten zum Grunde zu legenden Werthes eine nähere Ermittelung zu veranlassen.

672

Fünftes Buch.

'Erster Titel.

Art. 432*). Für die zum Erwerbe durch die Seefahrt bestimmten Schiffe3 * ),*4

welchen das Recht, die Landesflagge zu führen,

zusteht, ist ein

Schiffsregister zu führen9). Das Schiffsregister ist öffentlich, die Einsicht desselben ist wäh­ rend der gewöhnlichen Dienststunden einem Jeden gestattet.

Art. 433. Die Eintragung in das Schiffsregister darf erst geschehen, nach­ dem das Recht, die Landesflagge zu führen, nachgewiesen ijt5).6

Vor der Eintragung in das Schiffsregister darf das Recht, die

Landesstagge zu führen, nicht ausgeübt werden9). Art. 434. Die Landesgesetze bestimmen die Erfordernisse, von welchen das Recht eines Schiffes, die Landesflagge zu führen, abhängig ifi7).8

Sie bestimmen die Behörden, welche das Schiffsregister zu füh­ ren haben9). Sie bestimmen, ob und unter welchen Voraussetzungen die

Eintragung in das Schiffsregister für ein aus einem anderen Lande erworbenes Schiff vorläufig durch eine Konsulatsurkunde ersetzt wer­

den kann9). *) (2. A.) Hierzu s. NI. das Einführungsgesetz vom 24. Juni 1861, Ab­ schnitt 5 (§§. 53 ff.) (I a), und für Holstein und Schleswig die Zusätze zu den Artikeln 432 bis 438 in der Einf.-Verordnung vom 5. Juli 1867, §§. 56 bis 66 (I b). 3) Diese Definition des Seeschiffs ist erst nach langer Diskussion über die in den Entwürfen Artt. 385, 395 vorgeschlagenen und abgelehnten Definitionen zu Stande gekommen. (Prot. S. 1483.) 4) Die Schiffsregister haben der Hauptsache nach nicht eine civilrechtliche Be­ deutung und dienen Glicht in ähnlicher Weise wie die Hypothekenbücher als ein Mittel für die Kenntnißnahme der Eigenthums- und Verpfändungsverhältnisse der Schiffe; sie werden, selbst wenn sie die Eintragung von Schiffseignern als solchen zum Gegenstände haben, nur zu dem Zwecke geführt, um als ein Mittel für Er­ kennung der Nationalität der Schiffe und als Unterlage für Ausfertigung der See­ pässe und sonstigen Schiffspapiere zu dienen. (Prot.' S. 1477 —1483.)

5) Vergl. Art. 434, Abs. 1 und die Anm. 7 dazu. Die Ermittelung der Seetüchtigkeit des Schiffes ist kein Erforderniß zur Einttagung; die desfallsige Vorschrift wurde als praktisch unausführbar gestrichen. (Prot. S. 1670.) 6) Eine Vervollständigung dieser Bestimmung s. m. im §. 6, Art. 53 des Einf.-Ges. Dtan vergl. jedoch die Anm. 111 dazu. Flußfahrzeuge dürfen keine Fahrt unternehmen, bevor sie in das bei den Re­ gierungen geführt werdende Kahnregister eingetragen und mit der vorgeschriebenen polizeilichen Bezeichnung versehen sind. Regl., die polizeiliche Bezeichnung der Flußfahrzeuge betr., vom 21. Mai 1842 (M.Bl. S. 212). Sie sollen auch nicht durch die Schleusen und Brücken durchgelassen werden, wenn sie unbeladen eine höhere Kaffe als 8 Fuß haben. K.O. v. 23. August 1821 (G.S. S. 157).

7) Diese Bestimmung giebt das Einf.-Ges. Art. 53, §. 1. Vergl. die An­ merk. 95 dazu, und^preuß. Entw. des Seerechts Artt. 386, 388 a. E. 8) Dies geschieht für Preußen durch den §. 2, Art. 53 des Einf.-Ges.

9) Oben, Einf.-Ges. Art. 53, §. 7 und die Anm. 112 dazu.

Seehaudel. Allgemeine Bestimmungen.

673

Art. 435.

Die Eintragung in das Schiffsregister muß enthalten1 °):

1) die Thatsachen, welche das Recht des Schiffs, die Landes­

flagge zu führen, begründen; 2) die Thatsachen, welche zur Feststellung der Identität des Schiffs

und seiner Eigenthumsverhältnisse erforderlich sind;

3) den Hafen, von welchem aus mit dem Schiffe die Seefahrt be­

trieben werden soll (Heimathshafen, Registerhafen)"). Ueber die Eintragung wird eine, mit dem Inhalte derselben

übereinstimmende Urkunde (Certifikat) ausgefertigt").

Art. 436. Treten in den Thatsachen, welche in dem vorhergehenden Ar­ tikel bezeichnet sind, nach der Eintragung Verändemngen ein, so müffen dieselben in das Schiffsregister eingetragen und auf dem Cer­ tifikate vermerkt werden.

Im Fall das Schiff untergeht oder das Recht, die Landes­ flagge zu führen, verliert, ist das Schiff in dem Schiffsregister zu

löschen und das ertheilte Certifikat zurückzuliefern, sofern nicht glaub­ haft bescheinigt wird, daß es nicht zurückgeliesert werden könne13).

10) Die in diesem Art. dem Prinzipe nach angegebenen Erfordernisse sind wesentliche; sie dürfen in keiner Eintragung fehlendie Vorschrift stellt unter Berücksichtigung der allenthalben bestehenden Verhältnisse ein Minimum von Er­ fordernissen ans, ohne welches fein Schiff in einem Staate als Landesschiff anznerkennen ist. (Prot. S. 1477, 3702, 3773.) 11) Der Art. 388 des preuß. Entwurfs, später Art. 389 (Prot. S. 1674) gab ein spezielles Verzeichniß derjenigen Pmlkte, welche in das Schiffsregister ein­ getragen werden sollten. Bei der ersten Lesung fand die Hamburger Konferenz diese Vorschrift zweckmäßig und vervollständigte sie nur durch einige Zusätze. (Prot. S. 1673 — 1688, 3696 — 3698 und Entw. erster Lesung Art. 399.) Bei der zweiten Lesung drang aber die Meinung durch, es sei für das gemeinsame Gesetz vorzuziehen,' die einzutragenden Momente nur dem Prinzipe nach zu bezeich­ nen und das Einzelne den Landesgesetzen zu überlassen. (Prot. S. 3702, 3773.) Dieser Ansicht entspricht die Fassung des Art. 435. Die preuß. Gesetzgebung hat es für nöthig gehalten, den Art. 435 durch eine Zurückführung des Prinzips auf das Einzelne zu ergänzen. Zu diesem Zwecke hat sie die Bestimmungen des preuß. Entwurfs und des in erster Lesung in Hamburg berathenen Entwurfs des H.G.B. in den §. 4, Art. 53 des Einf.-Ges. wieder ausgenommen. 12) Es ist nicht die Absicht der Versammlung gewesen, an die Stelle aller bisherigen Schiffspapiere den Auszug aus dem Schiffsregister als Hauptpapier treten zu lassen, dergestalt, daß alle anderen Schiffspapiere dadurch abgeschafft würden, wenn auch eine solche Einrichtung Wünschenswerth sei. Denn es stehe nichts im Wege, neben dem Auszuge aus dem Schiffsregister noch andere Papiere, z. B. den Seepaß, beizubehalten, wenn eilt Interesse hierfür, insbesondere wegen vorhandener Traktate, bestehen sollte. (Prot. S. 1683.) Das letztere ist der Fall zwischen Preußen und den Vereinigten Staaten, wonach namentlich bei dem jetzigen Bürgerkriege daselbst Seepässe geführt werden müssen. Vergl. allg. Vers, des J.M. v. 13. August 1861 (J.M.Bl. S. 180). 13) Die Ausführungsvorschristen hierzu giebt das Einf.-Ges. Art. 53, §. 8. — Der Abs. 2 bezweckt, Mißbrauch zu verhüten. Dem Anträge eines Abg., das Koch, A. D. Handelsgesetzbuch. 2. Xufl.

43

674

Fünftes Buch.

Erster Titel.

Art. 437. Die Landesgesetze bestimmen die Fristen, binnen welcher die

Thatsachen anzuzeigen und nachzuweisen sind, welche eine Eintragung

oder Löschung erforderlich machen, sowie die Strafen, welche für den Fall der Versäumung dieser Fristen oder der Nichtbefolgung der vorhergehenden Vorschriften verwirkt sind ").

Art. 438. Die Landesgesetze können bestimmen, daß die Vorschriften der

Artt. 432—437 auf kleinere Fahrzeuge (Küstenfahrer u.s. w.) keine

Anwendung finden").

Art. 439. Bei der Veräußerung eines Schiffs oder eines Antheils am Schiffe (Schiffspart) kann zum Eigcnthumserwerbe die nach den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts etwa erforderliche Uebergabe durch

die unter den Kontrahenten getroffene Vereinbarung ersetzt werden, daß das Eigenthum sofort auf den Erwerber übergehen soll"). Gleiche auch für den Fall einer Besitzveränderung zu verordnen, wenn ein neues Certifikat ausgefertiat würde, wurde keine Folge gegeben, die Versammlung be­ schloß vielmehr, über diese Frage nichts in das Gesetz aufzunehmen. (Protok. S. 1691.)

14) Ergänzt durch §. 9, Art. 53 des Einf.-Ges. Der Antrag, statt der Fri­ sten zu verordnen, daß die Behörden die Betheiligten zur Erfüllung der Vorschrif­ ten über das Schiffsregister zu erinnern und erst nöthigenfalls mit Ordnungsstra­ fen anzuhalten hätten, wurde abgelehnt. (Prot. S. 1692.) 15) Vergl. §. 10, Art. 53 des Einf.-Ges. und die zusätzliche V. v. 27. Febr. 1862 dazu. — (2. A.) Ueber diesen Gegenstand s. m. die Bestimmung für Hol­ stein und Schleswig in der Einf.-Verordnung vom 5. Juli 1867, §. 65 (I b).

16) Zu unterscheiden ist, wie überhaupt bei Begründung oder Übertragung dinglicher Rechte, auch hier der Vertrag, durch welchen der Titel zum Eiaenthumserwerbe und die Obligation des bisherigen Eigenthümers, dem anderen Kon­ trahenten das Eigenthum des Schiffes zu übertragen, begründet wird, und der Akt der Eigenthumsübertragung selbst (Modus). Der preuß. Entwurf, gleich an das A. L.R. anschließend, schlug vor, zur Gültigkeit des Veräußerungsgeschäfts, d. i. zur rechtlichen Begründung des obligatorischen Verhältnisses unter den Kon­ trahenten, die notarielle Form für nothwendig zu erklären (Art. 389); bei der Diskusston in erster Lesung forderte der Referent in einem Verbesserungsantrage nur Schriftlichkeit (Prot. S. 1675, Art. 391). Die Versammlung beschloß je­ doch die Ablehnung dieses Antrages, sowie auch des Amendemeuts, auszusprechen, daß es zu Verträgen, mit welchen das Eigenthmn ait Schiffen übertragen, resp, ein Recht, die Uebertragung zu verlangen,' begründet werde, der schriftlichen Er­ richtung nicht bedürfe. (Prot. S. 1695.) Man hat demgemäß über diese Form­ frage eure besondere Bestimmung hier nicht aufnehmen wollen, um es wegen der­ jenigen Fälle, die nicht schon durch die Bestimmungen des H.G.B. getroffen sind, bei den Vorschriften der verschiedenen Civilgesetzgebungen zu belassen. Hiernach ist der Rechtsstand dieser: Diejenigen Rechtsgeschäfte, welche die Uebertragung des Eigenthums eines Schiffes oder eines Antheils daran bezwecken und zugleich Han­ delsgeschäfte sind (Artt. 271—277 u. Anm. 9 zu Art. 271), sind formfrei: in­ sofern nicht ein Handelsgeschäft vorliegt, wird die Gültigkeit des Rechtsgeschüftes nach den Landesgesetzen beurtheilt. (Prot. S. 1694, 1698 ff.) — Was nun diese und zwar zuerst das Gemeine Recht betrifft, so können bekanntlich Kaufverträge

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

675

Art. 440.

In allen Fällen der Veräußerung eines Schiffs

oder

einer

u. dgl. ohne Unterschied des Gegenstandes mit voller Gültigkeit mündlich errichtet werden. Das österreichische Recht kommt damit überein. DaS französische Recht läßt allgemein und auch besonders in Handelssachen (code de commerce Art. 109) die Mündlichkeit unbedingt zu, nur wenn es sich um die Veräußerung eines Schiffs handelt, besteht es ini Art. 195 ausnahmsweise auf der Errichtung einer Urkunde; allein dieser Theil des Code de commerce ist durch das Einf.-Gesetz aufgehoben. — Das A. L.R. fordert die schriftliche Form. .Der §. 1395 d. 8. T. verwies auf die Grundsätze des I. Th., Tit. 11, §§. 12 ff. Hierzu hat das Obertr. das folgende Präjudiz eiutragen lassen: „Die zur Gültigkeit eines Vertrages über das Eigenthum eines Seeschiffes erforderliche Form ist nicht nach A. G.O. II, 1, §. 5, sondern nach den am Schlüsse desselben allegirten Vor­ schriften der materiellen Landesaesetze zu beurtheilen. Die Gerichtsordnung be­ stimmt nur, vor welchen Richter, im Falle eine gerichtliche Aufnahme des Kontrakts erfolgen soll oder erfolgen muß, diese Aufnahme gehört." Pr. 1042, v. 14. August 1841. Was die Uebertragungshandlung (den Modus) betrifft, so bestimmt darüber der Art. 439 etwas Neues. Nach dem allgemeinen bürgerlichen Rechte ist zur Uebertragung des Eigenthums in der Regel die Uebergabe der Sache erforderlich. So ist es nach Gemeinen!, nach österreichischem und nach dem A. L.R. Nur das franz. Recht behandelt das Eigenthumsrecht wie ein Obligationsrecht und läßt es durch Cession übertragen; daher macht es keinen Unterschied zwischen dem die Verpflichtung zur EigeuthumSübertragung begründenden Rechtsgeschäfte und der Uebertragung selbst, vielmehr hat schon der Kauf rc. den Eigenth'umsübergang zur unmittelbaren Folge. — Allein die nach den meisten Civilgesetzgebungen zur wirk­ lichen Uebertragung des Eigenthums erforderliche Tradition ist bei einem Seeschiffe oft mit Schwierigkeiten verbunden, meist nicht möglich. Daher hat sich zur Ab­ wendung der hieraus fiir die Schifffahrt eutsteheud'eu Nachtheile hin und wieder der Grundsatz Geltung verschafft, daß bei der Veräußerung eiues Schiffes zur Uebertragung des Eigenthums die körperliche Uebergabe ausnahmsweise nicht un­ bedingt nöthig sei, und inan hat dazu in Fällen, wo, wie z. B. bei bevorstehen­ dem Kriege, die Veräußerung auswärts befindlicher Schiffe dringendes Bedürfniß war, die Form der Willenserklärung zur Eigenthumsübertragung angewendet. Diesem Bedürfnisse trägt auch das A. L.R. Rechnung, indem es die Möglichkeit der Uebertraguiig des Eigenthums eines Schiffes als unzweifelhaft voraussetzt und im §. 1396 d. '8. T. nur den interpretativen Satz feststellt: „Wenn nicht das Gegentheil ausdriicklich beduiigen worden: so wird angenommen, daß die Uebergabe durch Vollziehung des Kontrakts geschehen sei". Hieran lehnt sich der Art. 439 an. Die darin getroffene Bestimmung unterscheidet sich von jener nur darin, daß nicht der Wille der Kontrahenten durch eine Jnterpretationsregel ersetzt, sondern durch eine ausgesprochene Erklärung festgestellt sein soll, weil die Annahme einer stillschweigenden Erklärung „nicht selten mit der eigentlichen Intentioil der Kon­ trahenten, welche oft nicht vorsichtig genug seien, um ausdrücklich zu sagen, daß vorerst nur die Verpflichtung zur Eigenthumsübertragung begründet, diese selbst aber erst später, z. B. nach Bezahlung des Kaufgeldes, vorgeuommen werden solle, sich im Widerspruche zu befinden scheine" (vgl.Prot. S. 1700). Die Versamm­ lung war einstünniig darliber, daß die betreffende Willenserklärung immer zu­ lässig sein solle, gleichviel, ob sie mit dem Veräußerungsvertrage verbunden, oder erst später abgegeben werde. Sodann wurde die diskutirte Frage: ob zur Gül­ tigkeit dieser Erklärung ein sicheres Datum, d. i. eine gerichtliche oder notarielle Beglaubigung der wegen derselben zu errichtenden Urkunde erfordert werden solle, durch Mehrheitsbeschluß verneint; ebenso wurde der Antrag, die Errichtung einer von beiden Parteien unterzeichneten Urkunde über die betreffende Erklärung zu verlangen, abgelehnt; endlich auch der Vorschlag verworfen, daß man jedenfalls auf schriftlicher Abgabe der entsprechenden Erklärung bestehen solle, wenn sie auch nur im Wege der Korrespondenz geschehen würde. Demnächst wurde der Beschluß gefaßt, dessen Inhalt den Art. 439 ausmacht. (Prot. S. 1705.)

43 *

676

Fünftes Buch.

Erster Titel.

Schiffspart kann jeder Theil verlangen, daß ihm aüf seine Kosten eine beglaubigte Urkunde über die Veräußerung ertheilt werde 17 * *).* * *

Art. 441. Wird ein Schiff oder eine Schiffspart veräußert, während das Schiff aus der Reise sich befindet, so ist im Verhältnisse zwischen dem

Veräußerer und Erwerber in Ermangelung einer anderen Verein­

barung anzunehmen, daß dem Erwerber der Gewinn der lausen­ den Reise gebühre oder der Verlust derselben zur Last falle18).

Art. 442. Durch die Veräußerung eines Schiffs oder einer Schiffspart wird in den persönlichen Verpflichtungen des Veräußerers gegen

Dritte nichts geändert19).

Art. 443. Unter dem Zubehöre eines Schiffs sind alle Sachen begriffen.

Festzuhalten ist, daß die Bestimmung sich nur auf Veräußerungen bezieht, welche Handelsgeschäfte sind (tot. 271 — 277 und Anm. 9 zu Art. 271), daß folglich das Rechtsgeschäft, insofern nicht ein Handelsgeschäft vorliegt, wie z. B. wenn Erben, die nicht Kaufleute oder Rheder sind, ein Schiff veräußern, nach dem in dem betreffenden Landestheile geltenden allgemeinen Civilrechte beurtheilt wird. 17) Zum Ausweise. Dem Erwerber ist eine beglaubigte Urkunde schon zum Zwecke der Eintragung der Eigenthunlserwerbung in das Schiffsregister schlechter­ dings nothwendig.' Jeder Theil kann nöthigenfalls aus dem mündlich abgeschlos­ senen Vertrage auf Errichtung der Urkunde oder auf richterliche Zuerkennung sei­ nes Rechtes gegen den Anderen klagen.

18) Eine Bestimmung der Art, wie sie der Art. trifft, ist für unentbehrlich gehalten, weil verschiedene Gesetzgebmiaen desfallstge, unter sich abweichende Vor­ schriften enthielten und eine störende Rechtsungleichheit bleiben werde, wenn im gemeinsamen Seerechte hierfür keine Vorsehung getroffen würde. So enthalte z. B. das A. L.R. die Vorschrift, daß im Falle der Veräußerung eines aus der Reise befindlichen Schiffes bei dem Mangel besonderer Abrede die Frachtgelder für diese Reise als ein Vorbehalt des Verkäufers anzusehen seien. (§. 1401 d. 8. T.) Andere Legislationen enthielten andere Vorschriften, für die sich auch die Wissenschaft zu wiederholten Malen ausgesprochen habe, welche davon ausgehe, daß die Frachtgelder der laufenden Reise als fructus percipiendi anzusehen seien und deshalb mit dem Eigenthume des Schiffes als Accessorien desselben auf den neuen Erwerber übergingen, da dieser auch die Lasten und Gefahr des Schiffes zu übernehmen habe. Bei einer strikten Anwendung der allgemeinen Rechtssätze müßte man freilich den Augenblick der Eigenthumsübertragung bezüglich der Fracht­ gelder maßgebend sein lassen; allein schon dieser Zeitpunkt sei schwer zu bestim­ men und noch schwieriger sei eine Ausgleichung der Frachtgelder auf die verschie­ denen Zeitabschnitte. Man habe sich deshalb bei der Berathung des preuß. Ent­ wurfes für dessen nunmehrigen (von dem A.L.R. abweichenden) Inhalt entschie­ den. (Prot. S. 1490. Vergl. S. 1637J Dies ist der Kommentar zu dem Art. 441, der auch mit dem spanischen Gesetzb. Art. 595 übereinstimmt. Die Fassung ist schließlich so getroffen, daß der Erwerber ganz in das Frachtverhält­ niß des Verkäufers aus Gewinn und Verlust eintritt, so daß er wegen Schadens keine Gewährleistung zu fordern hat. 19) Der Veräußerer wird namentlich von seinen Verbindlichkeiten aus dem Verfrachtungs-, Schiffer- und Heuerkontrakte, seinen Gegenkontrahenten gegen­ über, nicht frei.

Seehandel.

Allgemeine Bestimmungen.

677

welche zu dem bleibenden Gebrauche des Schiffs bei der Seefahrt20)21 22 bestimmt sind. Dahin gehören insbesondere auch die Schiffsbooteai).

Im Zweifel2") werden Gegenstände, welche in das Schiffsin­ ventar eingetragen sind, als Zubehör des Schiffs angesehen.

Art. 444. Im Sinne dieses fünften Buches gilt ein seeuntüchtig geworde­

nes Schiff 1) als reparaturunfähig, wenn die Reparatur des Schiffs über­ haupt nicht möglich ist. oder an dem Orte, wo das Schiff sich befindet, nicht bewerkstelligt, dasselbe auch nicht nach dem Hafen, wo die Reparatur auszuführen wäre, gebracht wer­

den kann; 2) als reparaturunwürdig. wenn die Kosten der Reparatur ohne

Abzug für den Unterschied zwischen alt und neu mehr betragen würden, als drei Viertel seines früheren Werths.

Ist die Seeuntüchtigkeit während einer Reise eingetreten, so gilt als der frühere Werth derjenige, welchen das Schiff bei

dem Antritte der Reise gehabt hat, in den übrigen Fällen der­ jenige, welchen das Schiff, bevor es seeuntüchtig geworden ist,

gehabt hat oder bei gehöriger Ausrüstung gehabt haben

würde. Art. 445. Zur Schiffsbesahung werden gerechnet der Schiffer, die Schiffs20) Mit dem Ausdrucke „bei der Seefahrt" soll gesagt werden, daß es sich um Ausrüstungsgegenstände handele, welche für die Seefahrt im Allgemeinen, nicht für eine bestimmte einzelne Reise zum Gebrauche des Schiffes bestinlmt sind. (Prot. S. 1488.) Die Fassung ist dem §. 5 des österr. Entwurfs eines See­ rechtes nachgebildet. Durch diese Definition (zum bleibenden Gebrauche des Schif­ fes bestimmt) werde, wie hervorgehoben wurde, auch der mitunter vorkommende Irrthum abgehalten, daß der Proviant nnd die Munition eines Schiffes zu des­ sen Zubehöre gerechnet werden müsse. Diese Frage, glaubte man, sei nicht durch das Gesetz, sondern unter Anwendung der (im Art.) angenommenen Rechtssätze in jedem einzelnen Falle vom Richter zu entscheiden. (Ebd. S. 1486, 1490.) Dabei ist denn auch der Abs. 3 zu beachten, falls diese Gegenstände ausgenommen sein sollten; sie fallen jedoch nicht unter die allgemeine Bestimmung und eignen sich nicht zur Aufnahme ins Inventar. 21) Anm. 70 zu §. 91, Tit. 2, Th. I A. L.R.

22) Dieser Absatz giebt eine Interpretationsregel darüber, an welchen äuße­ ren Merkmalen man im Zweifel erkennen könne,' ob eine Sache die rechtliche Eigenschaft eines Zubehörs habe, oder nicht. Die Eintragung ins Inventar soll als die Erklärung angesehen werden, daß eine Sache zum bleibenden Gebrauche des Schiffes bestimmt sei; dies solle namentlich auch vom Proviant gelten, wenn er einmal im Schiffsinventar wäre, was unter gewissen Umständen, z. B. wenn es sich um ein auf der Reise befindliches Auswaudererschiff handle, nicht unan­ gemessen sei. (Prot. S. 1488.)

678

Fünftes Buch. Erster Titel.

Seehandel. Allgemeine Bestimmungen.

Mannschaft, sowie alle übrigen auf dem Schiffe angestellten Per­

sonen. Art. 446. Ein zum Abgehen fertiges (segelfertiges) Schiff kann wegen

Schulden ®3) nicht mit Beschlag belegt werden.

Diese Bestimmung

tritt jedoch nicht ein, wenn die Schulden zum Behufe der anzutreten­

den Reise gemacht worden finb23 24).25 Durch eine Beschlagnahme von bereits an Bord des Schiffs

befindlichen Gütern wegen Schulden kann deren Wiederausladung nur in denjenigen Fällen erwirkt werden, in welchen der Ablader

selbst die Wiederausladung noch zu fordern befugt wäre, und nur gegen Leistung desjenigen, was dieser alsdann zu leisten haben toürbe26). Eine zur Schiffsbesatzung gehörige Person kann wegen Schul­ den von dem Zeitpunkte an nicht mehr verhaftet werden, in welchem

das Schiff segelfertig ist26). 23) Wohl aber wegen Eigenthumsansprüche oder aus anderen Gründen. Die Vorschrift findet auch auf ausländische Schifte Anwendung, gemäß §. 41 der Einleit. z. A. L.R. Das Seerecht hat einen völkerrechtlichen Charakter. Mair hat eine Ausnahme von der Vorschrift, die sich in dem A. L.R. §. 1409 d. 8. T. befindet, rücksichtlich fremder Schiffe, und eine Arrestanleaung auf dieselben we­ gen Schulden damit rechtfertigen wollen, daß die Pfandbestellung, welche das A. L.R. §.1410 an die Stelle des Arrestschlages vorschrieb, wegen Mangels der Schiffs - und Ladungsurkunden unmöglich sei', und daß auch die hier zu Lande zwangsweise vorgenommenen Pfandbestellungen im Auslande nicht immer Aner­ kennung finden würden. Doch berechtigen diese Umstände nicht den Richter, eine nicht von dem Gesetzgeber beliebte Ausnahme von der verbotenen Verkümmerung der in Rede stehenden Gegenstände wegen Schulden zu machen. Zu vergl. Besch, des I.M. v. 17. Februar 1853. (Erg. z. A. G.O. I, 2, §. 114.) 24) Diese Ausnahme ist zu Gunsten derjenigen Personen, die im letzten Augenblicke vor dem Abgänge des Schiffes ihre Lieferungen machen müssen, wie z. B. des Bäckers, des Fleischers u. s. w., statuirt. (Prot. S. 1492.)

25) Darüber treffen die Artt. 581 — 590 Bestimmung. — Das gleiche Ver­ bot findet sich auch im §. 1411 d. 8. T. des A. L.R. Die dort vorgeschriebene Pfandbestellung in Stelle des Arrestes fällt nach dem H.G.B. weg, da man Vor­ schriften über Verpfändungen überhaupt nicht ausgenommen hat.' 26) Dieser Absatz ist dem §. 1415 des A. L.R. entsprechend. Dort Wie hier­ ist der Ausdruck „segelfertig" gebraucht. Derselbe ist überall als ein technischer üblich, wiewohl er auf Dampfschiffe, die freilich viel jüngerer Erfindung sind, nicht paßt und auch unbestimmt ist; er deutet an, daß alle 'Vorbedingungen vor­ handen sind, damit das Schiff sofort seine Reise antreten kann. Man hat den­ selben beibehalten, weil nmit einen passenderen nicht finden konnte, und nament­ lich erkannte man an, daß sich die erwähnten Vorbedingungen nicht konkret fest­ setzen ließen, etwa in der Weise, daß man sage, der Kapitän müsse ausklarirt haben re., denn die Voraussetzungen der Segelfertigkeit seien je nach dem Zwecke der vorstehenden Reise, je nach den örtlichen Verhältnissen der Häfen zu sehr verschieden. (Prot. S. 1495.) Es muß in jedem konkreten Falle, wenn über die Segelfertigkeit Streit entsteht, eine thatsächliche Feststellung eintreten. Uebrigens ist auch die Wechselhaft mit getroffen. Vergl. Anm. 23«, Abs. 2 zu Art. 2 der A. W.O.

Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

Von dem Rheder und der Rhederei.

679

Art. 447. Wenn in diesem fünften Buche die europäischen Häfen

den

nichteuropäischen Häfen entgegengesetzt werden, so sind unter den ersteren zugleich

die nichteuropäischen Häfen des mittelländischen,

schwarzen und azowschen Meeres als mitbegriffen anzusehen. Art. 448. Die Bestimmungen des fünften Buchs, welche sich auf den Auf­

enthalt des Schiffs im Heimathshafen beziehen, können von den Landesgesetzen auf alle oder einige Häsen des Reviers des Heimaths-

hafens ausgedehnt toerben27).

Art. 449. Für die Postanstalten gelten die Bestimmungen des fünften Buchs nur insoweit, als nicht durch besondere Gesetze oder Verord­ nungen für dieselben ein Anderes vorgeschrieben ist.

Zweiter Titel. Von dem Rheder und von der Rhederei. Art. 450.

Rheder ist der Eigenthümer eines ihm*l) zum Erwerbe durch die Seefahrt dienenden Schiffs 2). Das A. L.R. §. 1418 d. 8. T. verbot auch die Beschlagnahme der künftigen Heuer eines Schiffsmannes und gestattete nur auf die rückständige Heuer bis zur Hälfte Arrest anzulegen. Diese Bestimmung hatte die Praxis auch auf beit Lohn der Schiffer und Steuermänner, welche von einer Dampfschifffahrts-Gesellschaft zum Betriebe dieser Schifffahrt gedungen worden, für anwendbar erklärt. Pr. des Obertr. 2297, v. 22. Mai 1851 (Entsch. Bd. XXI, S. 59). In das H.G.B. ist eine ähnliche Bestimmung nicht ausgenommen, es verbleibt daher in dieser Beziehung lediglich bei den civilrechtlichen Vorschriften über die Exekution und Arrestlegung.

27) Zu vergl. oben, Einf.-Gesetz Art. 54 und die Anm. 115 dazu. (2. A.) Für Holstein und Schleswig enthält die desfallsige Bestimmung der §. 67 der Einf.-Verordnung vom 5. Inti 1867 (I b). 1) Ihm selbst. Nur derjenige wird als Rheder angesehen, welcher Schiffs­ eigner ist und zugleich mit feinem Schiffe für seine eigene Rechnung fahren läßt; das bloße Eigenthum an einem Schiffe, ohne die Absicht, solches zur Seefahrt für sich selbst zu verwenden, macht den Schiffseigner nicht zum Rheder. Es ge­ nügt also zwar nicht, Eigenthümer eines zur Seefahrt bestimmten Schiffes zu sein, es ist aber auch nicht eine ununterbrochene Verwendung des Schiffes zur Seefahrt erforderlich, um dem Eigerlthümer die Qualität als Rheder zu geben; ein vorübergehendes Nichtverwenden ändert nichts an dieser Qualität. (Prot. S. 1499.) — Derjenige, welcher ein Schiff gemiethet hat und sodann für seine Rechnung fahren läßt oder dasselbe weiter verfrachtet (Ausrüster des Schiffs), gilt nicht als Rheder, doch werden viele für den Rheder geltenden Bestimmungen auch auf dell Ausrüster angewendet (Art. 477). 2) Also eines Seeschiffes. (Art. 432, Abs. i). — Das Obertr. hat es für unbedenklich gefunden, die das Verhältniß zwischen den Rhedern und den Schif­ fern, sowie zwischen denselben und den Befrachtern regelnden Vorschriften, zufolge

680

Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

Art. 451. Der Rheder ist für den Schaden verantwortlich, welchen eine Person der Schiffsbesatzung 3) einem Dritten durch ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen zufügt 4). der K.O. vom 14. Juli 1841, auch auf die Flußschifffahrt anzuwendeu. Erk. v. 1. Dezember 1859 (Archiv f. Rechtsf. Bd. XXXVI, S. 47). Prinzipaliter kom­ men jedoch die Bestimmungen der Artt. 390 — 420 zur Anwendung. Die Küstenfrachtfahrt (cabotage) ist in der Provinz Preußen von einem preu­ ßischen Hafen nach einem anderen inländischen Platze durch ausländische Seeschifser durch die-K.O. v. 20. Juni 1822 (G.S. S. 177) verboten. Dieses Verbot kann durch königl. Verordnung zu Gunsten solcher Länder außer Anwendung ge­ setzt werden, in 'welchen die preußischen Schiffe zum Betriebe der Küstenfrachtfahrt zu gleichen Rechten mit. den einheimischen Schiffen zugelassen werden. Ges. v. 6. Februar 1855 (G.S. S. 217). Dies ist geschehen in Betreff der großbritan­ nischen und niederländischen Schiffe durch den Erlaß vom 2. April 1855 (G.S. S. 218); der sardinischen durch den Erlaß vom 21. Juli 1856 (G.S. S. 707); der belgischen durch Erlaß vom 1. Dezember 1856 (G.S. S. 1011); der schwe­ dischen und norwegischen durch Erlaß vom 12. Juli 1858 (G.S. S. 411); der schleswigschen durch Erlaß vom 26. Februar 1866 (G.S. S. 118). 3) Nur für die im Art. 445 bezeichneten Personen, nicht auch für die von dem Schiffer vorübergehend angenommenen Hülfspersonen (Arbeiter) haftet der Rheder. Wenn z. B. zwei Leute, ein Matrose und ein anderer Arbeiter, auf einem Schiffe mit Laden oder Löschen beschäftigt sind, und hierbei in Folge eines Versehens der Matrosen ein Dritter Schaden nimmt, so muß der Rheder haften; macht der Andere sich bei derselben Arbeit desselben Versehens schuldig, so haftet der Rheder nicht. Die thatsächliche Feststellung in solchen Fällen wird schwierig, wenn nicht unmöglich sein. (Bergl. Prot. S. 2031.) Haben die beiden Perso­ nen gemeinschaftlich gehandelt und läßt sich der auf jede treffende Theil des Scha­ dens nicht ausmitteln, so haftet der Rheder für den ganzen Schaden. 4) Dieser generelle, von einem Fundamentalprinzipe des Civilrechts über das Mandat abweichende Satz ist im Wesentlichen schon im römischen Rechte und noch unbedingter in älteren und neueren Seerechten enthalten und zur Sicherheit des Publikums und des Verkehrs für nothwendig erachtet; er entspricht einem see­ rechtlichen Bedürfnisse, für welches die Sätze des allgemeinen bürgerlichen Rechtes über die Haftung des Mandanten für das "Verschulden seines Mandatars sich als unzureichend erwiesen haben. Das A. L.R. hat im §. 1528 d. 8. T. denselben Satz. Der Unterschied zwischen dem Art. 451 einerseits und den ältesten See­ rechten, dem hanseatischen Seerechte und dem A. L.R. andererseits, besteht nur darin, daß nach den letzteren die Haftung des Rheders für die Delikte des Schif­ fers und der Mannschaft nur eine subsidiäre ist. Davon hat die Versammlung aus Zweckmäßigkeitsgründen Umgang genommen. (Prot. S. 2027.) Doch haf­ tet der Rheder in der Regel, d. h. insoweit nicht sein Wille als vorhanden bei der betreffenden Handlung angesehen werden kann, bloß mit seinem Schiffe rc. (fortune de mer), er kann sich von dieser Verbindlichkeit durch rechtzeitigen Aban­ don befreien (Art. 452). Vergl. Entsch. des Obertr. Bd. XXIX, S. 172. Der Ausdruck „Verschulden" umfaßt nicht bloß kulpose, sondern auch dolose Beschädigungen, in Uebereinstimmung mit der L. 5, §. 6 D. XLiv, 7. Vergl. Erk. des Obertr. v. 3. Juli 1856 (Entsch. Bd. XXXIII, S. 117). In der Versammlung bestand Meinungsverschiedenheit darüber, welche Trag­ weite der Art. 451 habe. Es wurde geltend gemacht: Nach der Fassung des Vor­ schlages: „Der Rheder ist für den Schaden verantwortlich, welchen der Schifferoder ein Schiffsmann in Ausführung der ihnen obliegenden Dienstverrichtungen durch ihr Verschulden einem Dritten zufügen", müsse der Rheder sogar für jeden Schaden, der bei Gelegenheit der Ausführung der dem Schiffe und der Mann­ schaft obliegenden Dienstverrichtungen verursacht werde, haften. Eine solche Be­ stimmung 'gehe zu weit; sie würde z. B. dem Rheder die Verpflichtung auflegen, für die Wittwe und Waisen desjenigen zu sorgen, den sein Schiffsmann, nach-

Von dem Rheder und von der Rhederei.

681

dem er mit ihm bei Ausführung seines Dienstes in Streit gerathen, weil viel­ leicht keiner dem anderen im Hafen ausweichen wollte, getödtet habe u. dgl. Es sei deshalb unvermeidlich, eine Fassung zu wählen, durch welche deutlich hervor­ gehoben werde, daß diejenigen Delikte, zu denen die Ausübung des Dienstes bloß die Gelegenheit gegeben habe, nicht von der in Rede stehenden Bestimmung ge­ troffen sein sollten', demnach etwa zu setzen: „durch Ausführung ihrer Dienstver­ richtungen, wobei ein Schade durch Verschulden des Schiffers oder der Mann­ schaft entsteht" u. s. w. Dem gegenüber wurde jedoch geltend gemacht: Es sei die Absicht des Gesetzesvorschlages keinesweges, auch die bloß gelegentlich der Dienstverrichtung verübten Delikte zu treffen. Die ganze unzweifelhafte Meinung des Antrages gehe vielmehr nur dahin, zu bestimmen, daß der Rheder für die­ jenigen Delikte des Schiffers und der Mannschaft zu hasten habe, welche mit der Ausführung ihrer Dienstverrichtungen in einem inneren Zusammenhänge ständen, also für einen Schaden, der durch die Art und Weise, in der der Schiffer und die Mannschaft den Dienst ausgeführt hätten, veranlaßt werde. In diesem Sinne sei der beantragte Rechtssatz auch ohne Zweifel wohlbegründet; denn wenn z. B. die Mannschaft eines Schiffes in einem Hafen beim Befestigen des Schiffes das Tau so ungeschickt spanne, daß es andere Boote umstürze und in Folge hiervon die darin befindlichen Güter zu Grunde gingen, so sei es Wohl angemessen, den Rheder für den Schaden verantwortlich' zu machen. — Bei der' Abstimmung wurde der Satz in dem Sinne, daß der Rheder für den Schaden, der durch Ausführung der Dienstverrichtungen der Schrffsbesatzung, wobei sie sich ein Ver­ schulden hätten beikommen lassen, entstanden sei, zu haften habe, angenommen. (Prot. S. 2028 — 2031.) Dies hat durch Versetzung der Worte „durch ihr Ver­ schulden" vor die Worte „in Ausführung" rc. Ausdruck gefunden, indem sich nun das Verschulden auf die schlechte und schädliche Verrichtung des Dienstes bezieht. Zu diesem Art. wurde wiederholt der Zusatz, daß für den durch das Ver­ schulden eines an Bord genommenen Lootsen entstandenen Schaden weder der Rhe­ der noch der Schiffer zu haften habe, vorgeschlagen, aber abgelehnt, hauptsächlich deshalb, weil die Mehrheit der Versammlung seinen Inhalt'für selbstverständlich hielt, insoweit dem Schiffer weder in Ansehung der Frage, ob die Aufnahme eines Lootsen nothwendig gewesen, noch rücksichtlich der Wahl und der Ueberwachung desselben, noch rücksichtlich der Ausführung seiner Befehle irgend ein Verschulden zur Last falle, und weil sie im Uebrigen der Ansicht war, daß die Aufnahme einerausdrücklichen Bestimmung hierüber bedenklich sei, indem der Schiffer dadurch verleitet werden könnte, minder sorgfältig zu sein, sobald ein Lootse an Bord ge­ kommen, und selbst ohne Noth einen solchen anzunehmen, um gerade in den ent­ scheidendsten Augenblicken seine Verantwortung auf denselben zu übertragen. — Hiergegen wurde erinnert: Wenn die Frage: ob der Rheder für das Verschulden des Lootsen haste, im Gesetze nicht entschieden werde, und dann vor den Richter zur Entscheidung komme, so sei zu befürchten, daß der Rheder ohne Weiteres auch für den obrigkeitlich bestellten Lootsen zu haften für schuldig erachtet würde, selbst dann, wenn der Schiffer einen solchen an Bord zu nehmen durch die Hafenordnuugen rc. verpflichtet gewesen. Denn der Richter werde voraussichtlich da­ von ausgehen, daß der Lootse während der Dauer seiner Anwesenheit an Bord als zur Schiffsmannschaft gehörig oder gar als Vertreter des Schiffers anzusehen sei und daher den Rheder, wie den Schiffer, durch fehlerhafte nautische Leitung verpflichte. Wenn man nun auch darüber in Zweifel sein könne, ob diese Haft­ barkeit nicht in allen denjenigen Fällen aufrecht zu halten sei, in denen der Schif­ fer einen nicht obrigkeitlich a'utorisirten, oder zwar einen solchen, aber aus über­ triebener Aengstlichkeit und ohne Noth, an Bord ausgenommen habe, so müsse die Haftbarkeit doch jedenfalls in denjenigen Fällen beseitigt werden, in welchen der Schiffer aus gegründeter Vorsicht oder durch das Gesetz und die Obrigkeit eine von der letzteren vorgeschriebene Person als Lootsen an Bord zu nehmen und ihr die Leitung des Schiffes zu übertragen gezwungen gewesen sei. — Man blieb jedoch bei der Beanstandung der Aufnahme des beantragten Satzes aus den vor­ hin geltend gemachten Gründen und fügte hinzu: Die Befürchtung, daß man in der Folge den Lootsen für die Dauer seiner Dienstleistung geradezu als den Stell­ vertreter des Schiffers ansehen könne, sei nicht begründet; der Lootse sei eine hin-

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Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

Art. 452. Der Rheder haftet für den Anspruch eines Dritten nicht persön­

lich, sondern er haftet nur mit Schiff und Fracht °): 1) wenn der Anspruch auf ein Rechtsgeschäft gegründet wird, welches der Schiffer als solcher kraft seiner gesetzlichen Befug­ nisse^), und nicht mit Bezug auf eine besondere Vollmacht ge­

schlossen hat; 2) wenn der Anspruch auf die Nichterfüllung oder auf die unvoll­

ständige oder mangelhafte Erfüllung eines von dem Rheder

abgeschloffenen Vertrags*) gegründet wird, insofern die Aus­ führung des Vertrags zu den Dienstobliegenheiten des Schiffers gehört hat, ohne Unterschied, ob die Nichterfüllung oder die

unvollständige oder die mangelhafte Erfüllung von einer Person der Schiffsbesatzung verschuldet ist, oder nicht; 3) wenn der Anspruch auf das Verschulden einer Person der

Schiffsbesatzung begründet wird«). reichend bestimmte, seerechtliche Person, von der nicht zu befürchten stehe, daß man sie ohne Weiteres mit dem Schiffer identifiziren werde. Die Annahme des Satzes würde um so bedenklicher sein, als es kaum gelingen würde, das argu­ mentum e contrario, daß in den von dem Satze nicht erfaßten Fällen die Haf­ tung des Rheders für das Verschulden des Lootsen statthaben solle, gänzlich fern zu halten. Auch von Seiten vieler Sachverständigen sei mehrfach geäußert wor­ den , daß die Aufnahme der wieder vorgeschlagenen Bestimmung höchst bedenklich sei. (Prot. S. 1783 ff., 2031 ff.) Vergl. Art. 740.

5) Darunter wird nicht die Fracht der letzten Reise, sondern die derjenigen Reise verstanden, aus welcher die betreffende Forderung entstanden ist. Soweit der Rheder die Fracht bereits erhoben hat, haftet er persönlich. (Artt. 759, 774.) Andere Vortheile, z. B. Prämien für Hülfeleistung bei anderen Schiffen, für Bergungen, für schnelle Reisen u. dgl. sind nicht dazuzurechnen. (Prot. S. 1598, 1606.) Auch treten die Versicherungsgelder nicht an die Stelle des verlorenen Schiffs. (Prot. S. 1610.) Anders nach §. 1530 des A. L.R. 6) Vergl. Art. 502. Aus Verträgen des Schiffers, deren Eingehung seine gesetzliche Befugniß überschreitet (wenn er seiner Rheder mächtig ist) (Artt. 495 ff.), hat die Rhederei gar nicht zu haften. (Ebd. S. 1589.)

7) Z. B. eines Frachtvertrages, den der Schiffer erfüllen soll. 8) Von einem Abg. wurde Anstand an den Worten: „auf das Verschulden" genommen, weil dieselben zu der Ansicht führen könnten, daß der Rheder für die Handlungen des Schiffers und der Mannschaft nur dann aufzukommen habe, wenn ein positives Verschulden derselben nachgewiesen sei. Diese Haftung müsse ohne Zweifel auch dann statthaben, wenn der Schiffer sich nicht exkulpiren, wenn er z. B. nicht darthun könne, daß die Beschädigung der Waare durch Seewasser ohne seine Schuld und obgleich er seine Pflicht erfüllt habe, eingetreten sei. Wenn ein Theil der Waare abhanden gekommen sei, werde man den Schiffer und die Rhe­ der gewiß Glicht bloß dann für das Fehlende haften lassen wollen, wenn ihnen bewiesen werde, daß es gerade durch den Schlffer oder die Schiffsmannschaft bei Seite gebracht worden sei. Die Versammlung ging indeß über diese Bedenken hinweg, indem sie dafür hielt, daß es sich hier überhaupt nicht um eine Feststel­ lung aller derjenigen Fälle handle, in welchen die Rheder für Vergehen des Schif­ fers haften müßten, sondern nur um das Maß der Haftbarkeit, wenn solche über­ haupt für ein Verschulden des Schiffers und der Mannschaft eintrete, daß somit

Von dem Rheder und von der Rhederei.

683

In den unter Ziff. 1 und 2 bezeichneten Fällen kommt jedoch

dieser Artikel nicht zur Anwendung, wenn den Rheder selbst in An­

sehung der Vertragserfüllung ein Verschulden trifft, oder wenn der­ selbe die Vertragserfüllung besonders gewährleistet haN). Art. 453. Der Rheder hastet für die Forderungen der zur Schiffsbesatzung

gehörenden Personen aus den Dienst- und Heuerverträgen nicht nur mit Schiff und Fracht, sondern zugleich persönlich iX)). hier auch die andere Frage nicht präjudizirt werde,' wann der Rheder, abgesehen von offenbarem Verschulden dieser Personen, aus anderen Gesichtspunkten, z. B. ex recepto, ju hasten habe. (Prot. S. 1614.) — Die Bestimmung Ziffer 3 ist eine Fortsetzung, beziehungsweise Ergänzung des Art. 451. Die in dem Beden­ ken hexvorgehobenen Beispiele fallen unter Ziffer 1 u. 2.

9) In beiden Fällen handelt der Rheder persönlich aus eigenem Willen; mithin macht er durch seine eigenen Handlungen sich selbst verbindlich. Eine solche Verbindlichkeit ist immer eine persönliche. Das Gleiche tritt auch bei Zif­ fer 3 ein, insoweit er als Urheber oder Theilnehmer der Verschuldung erscheint.

10) Dieses Prinzip entfernt sich von den Vorschriften der älteren und der meisten neueren Seerechte, in welchen fast durchgängig der Grundsatz gilt, daß, wenn das Schiff verloren sei, auch die Heuer verloren gehe; in den älteren Rech­ ten wird sogar die auch jetzt noch nicht völlig unterdrückte Regel ausgestellt, daß die Fracht die Mutter der Gage sei, und daß, wenn durch höhere Gewalt keine Fracht verdient worden, auch keine Heuer zu zahlen sei. Als wesentlichster Grund für dieses ältere von den meisten Nationen beibehaltene Recht wird angeführt, daß das Schiffsvolk ein großes eigenes Interesse an der Erhaltung des Schiffes haben und selbst Gefahr laufen müsse, so lange das Schiff in Gefahr sei; sodann wird dieses Recht auch noch historisch dadurch erklärt, daß das Schiffsvolk in äl­ teren Zeiten an der Stelle des Lohnes einen Antheil an der Fracht habe. (Prot. S. 1617.) Dieser ältere Grundsatz hatte auch in dem preuß. Seerechte Geltung. Das preuß. Seerecht v. 14. August 1727 bestimmte Kap. 1V, Artt. 10 u. ii: Werde das Schiff vou Feinden oder Räuberu genommen, oder gehe es sonst durch Zufall ganz^verloren: so könne das Volk weiter keinen Anspruch machen; werde jedoch das schiff, oder ein Theil der Ladung wieder frei gegeben, oder von dem verunglückten Schiffe etwas geborgen, so sei das Volk von dem, was nach Ab­ zug des Bergelohns übrig bleibe, zu befriedigen. Diese Rechtssätze waren in das A.L.R. §§. 1576— 1579 übergegangen. Die mit der Rechtsgeschichte nicht ver­ traute Praxis fand die Bestimmung unklar und forderte eine Deklaration. Diese wurde als unnöthig abgelehnt, weil der Rechtssatz gelte, daß der Rheder nicht über den Betriebsfonds, X h. über den Werth des Schiffs und den Betrag des Fracht­ lohns, hinaus haste. Schr. des J.M. vom 2. Juni 1836 (Iahrb. Bd. XLVii, S. 525) und Bescheid vom 28. Dezember 1821 (Bd. XVIII, S. 277). — Die Versammlung hat nach eingehender Erwägung der Gründe für und wider, dem Vorgänge des neuesten englischen Rechts folgend, zwar den Grundsatz des alten Rechts beseitigt und ausgesprochen, daß die Rheder für die Heuer nach Maßgabe der Heuerverträge persönlich einstehen müssen (Prot. S. 1618 u. flg.), doch mit einer solchen Beschränkung (Abs. 2), daß es im praktischen Erfolge fast bei dem alten Rechte verblieben ist; denn die Ausnahmen sind gerade diejenigen Fälle, in welchen die persönliche Verbindlichkeit wirksam werden soll, und wo das alte Recht dieselbe negirte. Vollendet das Schiff seine Reise, so braucht das Schiffsvolk die persönliche'Haftung des Rheders nicht, um befriedigt zu werden, wenn man von dem gewiß höchst seltenen Falle, wo das Schiff nach der Rückkehr im Hafen zu Grunde geht, absieht. Zur Rechtfertigung dieser fast gänzlichen Außerkraftsetzung des Prinzips wurde vorgebracht: Wenn den Interessen der Schifffahrt nicht die höchste Gefahr erwachsen solle, so müsse die Mannschaft allerdings irgend ein namhaftes Risiko bei Ausführung der Reise laufen: sie müsse auf dein Schiffe

684

Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

Wenn jedoch das Schiff dem Rbeder ohne sein Verschulden

vor Vollendung der Reise verloren geht, insbesondere

wenn es verunglückt,

wenn es als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig kondem-

nirt (Art. 444) und in dem letzteren Falle ohne Verzug öffent­ lich verkauft wird, wenn es geraubt wird, wenn es aufgebracht oder angehalten und für gute Prise erklärt

wird, stets unbedingten Gehorsam leisten, auf demselben ausharren, so lange noch Ret­ tung möglich, und ane Kraft aufbieten, um dasselbe aus drohenden Gefahren zu retten. Dieser Pflicht nachzukommen, sei an sich schon eine schwere Aufgabe, na­ mentlich daun, wenn im Augenblicke der Gefahr das Leben auf dem Spiele stehe. Wenn nun die Erfüllung dieser schweren Pflicht gesichert werden solle, so bedürfe es eines strengen Rechtes, welches das Schiffsvolk bis zum letzten Momente mög­ licher Rettung ail das Schiff zu fesseln vermöge. Dieses Ausharren werde nur dann erreicht', wenn die Manllschaft das Bewußtsein habe, daß sie mit dem Auf­ geben von Schiff llnd Ladung auch ihrerseits sich großer Vortheile entschlage, u. s. w. Deshalb scheille es angemessen, daß man es in der Hauptsache bei dem bestehen­ den Rechte belasse re. '— Doch könne andererseits nicht verkannt werden, daß eine Milderung des bestehelldell Rechtes rathsarn sei. Eine solche enthielten die Bestimmungen'des Abs. 2 — 4; sie sollten nicht ein grundsätzlicher Vermittelungs­ vorschlag fern, sondern nur auf einem mehr faktischen Wege Milderung für eine Reihe von Fällen bieten, in welchen das bisherige Recht eine besondere Härte für das Schiffsvolk enthalten habe. Nach denselben müsse z. B. die Rhederei dem Schiffsvolke, wenn es eine Reise voll Hamburg nach Ostindien zu machen habe, dann, wenn am Kap der guten Hoffnung ein Theil der Ladung gelöscht oder neue Ladung eingenommen würde, persönlich für die Heuer einstehen, welche auf diesen Abschnitt der Reise falle, wenn auch nachher das Schiff zu Grunde gehe. Die Meinung gehe also dahin, daß die Heuersorderung der Mannschaft zwar bis zum Augenblicke des Unterganges des Schiffes rechtlich begründet sei, daß aber die Rhederei nur für die bis zum Anlaufen des letzten Hafens, in welchem gelöscht oder geladen worden, zu berechnende Heuer mit der fortune de terre, für die auf die spätere Zeit fallende Heuer nur mit der fortune de mer hafte. Von selbst verstehe sich, daß, wenn das Schiff überhaupt noch den Bestimmungshafen er­ reichte, die Rhederei mit der fortune de terre für die ganze Heuerforderung ein­ zustehen habe. Die Bestimmung enthalte aber allerdings eine Milderung des al­ ten Rechtes. Das älteste Seerecht habe den Satz enthalten, daß für die Heuer­ forderungen überhaupt nur die fortune de mer hafte; es sei also nach diesem Rechte mit dem Untergange des Schiffes die Heuer der ganzen Reise verloren gegangen. Wenn man nun auch dieses Recht schon verlassen habe, so enthalte das neuere bestehende Recht doch immer noch den Satz, daß für die Heuer der ganzen lausenden Reise, vorerst nur die fortune de mer, und erst in soweit die fortune de terre haste, als Fracht verdient sei. Nach dem vorliegenden Vorschläge aber könne die Heuer einer vollendeten Reise bloß wegen des spateren Unterganges des Schiffes nie verloren gehen, und trete die Haftung der Rheder mit der fortune de terre für diejenige Heuer, welche auf die Zeit vor Erreichung irgend eines Hafens treffen würde, in welchem gelöscht oder geladen werde, schon dann ein, wenn die­ ser Hafen erreicht worden, gleichviel ob und wieviel Fracht verdient sei. — Die Annahme erfolgte nur mit 6 gegen 5 Stimmen. (Prot. S. 1619 — 1623.) Da­ bei wurde anerkannt, daß die hier erwähnten Ansprüche der Schiffsmannschaft auf persönliche Haftung der Rheder nur eventuelle seien und nur dann zur Geltung kämen, wenn Schiff und Fracht, resp, die geretteten Theile des Schiffes, sowie die Fracht für die geborgenen Güter sich zur Deckung der Heuern nicht zureichend erweisen sollten. ('S. 1623 n. 1650.) Vergl. Art. 765, Abs. 2.

Von dem Rheder und von der Rhederei.

685

so hastet der Rheder für die Forderungen aus der nicht vollendeten

Reise oder, sofern dieselbe aus mehreren Abschnitten besteht, für die Forderungen aus dem letzten Reiseabschnitte nicht persönlich*"').

Der letzte Reiseabschnitt beginnt in dem Hafen, in welchem das

Schiff zuletzt Ladung eingenommen oder gelöscht hat, und mit dem

Zeitpunkte, in welchem mit dem Laden der Anfang gemacht oder die Löschung vollendet ist.

Ein Nothhafen wird als Ladungs- oder

Löschungshafen im Sinne dieser Vorschrift nicht angesehen. Der Rheder ist in keinem der vorgenannten Fälle befugt, die

etwa gezahlten Handgelder und Vorschüsse zurück zu fordern. Art. 454. Die übrigen Fälle, in welchen der Rheder nicht persönlich, son­ dern nur mit Schiff und Fracht haftet, sind in den folgenden Titeln

bestimmt' *). io») M. s. die vor. Anm. 10.

11) Die Frage: wieweit der Rheder für die Verträge des Schiffers und für die bei Erfüllung von Vertragen vorkommenden Rechtswidrigkeiten zu haften habe, ist durch kein durchgehendes Prinzip entschieden; man hat es abgelehnt, eine be­ stimmte Art der Haftbarkeit als die Regel an die Spitze dieser "Lehre zu stellen und auszusprechen, daß die Haftbarkeit der Rheder in der Form eines bestimmten Systems im Gesetze durchgeführt sei. Zwei Systeme, die auch in den ver­ schiedenen Seerechten ihre Vertretung finden, stehen sich gegenüber. Das eine geht von dem Prinzipe aus, daß au' uud für sich der Rheder persönlich und mit seinem ganzen Vermögen (fortune de terre) und nur in Ausnahmefällen mit dem der See anvertrauten Vermögen (fortune de mer) hafte. Das andere be­ ruhet auf der Ansicht, daß in der Regel von Anfang eine Haftbarkeit mit dem ganzen Vermögen des Rheders nicht begründet werde und dessen Haftung über das Schiffsvermögen nicht hinausgehe. ' Man nennt dies uneigentlich das Aban­ donsystem. Dies wird noch verschieden anfgefaßt. Nach einer Meinung ist zwar an sich eine persönliche Verbindlichkeit vorhanden, dem Schuldner das Recht ge­ geben, sich bis zu einem gewissen Zeitpunkte durch Ueberlaffung seines Schiffs­ vermögens, ähnlich Wie bei der noxae datio, von weiteren Ansprüchen frei zu machen. Andere verneinen von vornherein die Entstehung einer persönlichen Ver­ bindlichkeit und sehen dieselbe immer nur als eine dingliche wie auf ein Pfand gerichtete an. — Nach geschlossener Diskussion wurde die Frage: ob die Rheder, vorbehaltlich der besonders zu berathenden und im Gesetze aufzustellenden Aus­ nahmen, für die vom Schiffer innerhalb des Bereichs seiner gesetzlichen Vollmacht geschlossenen Verträge und für dessen, innerhalb der Vertragsverhältnisse vorkom­ mende, Rechtswidrigkeiten nur mit dem der See anvertranten Vermögen haften sollten, mit 9 gegen 2 Stimmen bejaht. Die hierauf debattirte Frage aber, ob das hierdurch angenommene Prinzip in der Form des Abandonsystems im Gesetze durchgeführt werden solle oder in der Form desjenigen Systems, nach welchem anzunehmen ist, daß die Haftbarkeit der Rheder von vornherein nicht über den Betrag des der See anvertrauten Vermögens hiuausgehe, wurde für die zweite Alternative entschieden. In der Debatte wurde namentlich geltend gemacht, daß die zweite Alternative, indem sie zu dem Zwangsverkaufe des Schiffes führe und somit die gehörige Berücksichtigung der Rechte aller Gläubiger gestatte, geringere Schwierigkeiten in ihrer Durchführung biete und innerlich richtiger sei,' als das Abandonsystem (nach der vorhin erwähnten Auffassung); und bezüglich des letzte­ ren noch von mehreren Seiten zur Vermeidung von Mißverständnissen hervorgehoben, daß der hier in Frage stehende Abandon (nach der anderen hier angenom­ menen Auffassung) dem Rheder keinesweges das Recht geben würde, jede Einlas-

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Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

Art. 455. Der Rheder als solcher kann wegen eines jeden Anspruchs, ohne Unterschied, ob er persönlich oder nur mit Schiff und Fracht

hastet, vor dem Gerichte des Heimathshafens (Art. 435) belangt werden sung auf Prozesse über die hier in Rede stehenden Forderungen abzulehnen, und einfach das Schiff abzutreten, sondern daß es sich nur darum handle, gewisser­ maßen ein Pfand oder ein ausschließlich haftendes Exekutionsobjekt für diejenigen Forderungen gegen das Schiff zu bestimmen, wegen deren die Rheder allerdings Rede und Antwort zu geben schuldig seien. (Prot. S. 1595.) — Nachdem man solchergestalt beschlossen hatte, daß die beschränkte Haftbarkeit der Rheder nicht in der Form des Abandonsystems im Gesetze durchzusühren, wurde erläuternd be­ merkt , es scheine nun unerläßlich, deutlicher zu sagen, welches andere System Geltung haben solle. Dieses System wurde von dem Referenten dahin formulirt: „Der Gläubiger, welchem gegenüber die beschränkte Haftpflicht besteht, kann feine Ansprüche nur als Schiffsglaubiger geltend machen, so daß ihm lediglich das Schiff und die noch nicht eingezogene Fracht der letzten Reise als Gegenstand der Zwangsvollstreckung (Exekution) dienen." ((Prot. S. 1615, §. 20.)' Dieser Vorschlag wurde anfangs zwar mit 9 gegen 2 Stimmen angenommen (S. 1629), schließlich jedoch bei der Redaktion aufgegeben und der besprochene Satz wegge­ lassen. Dafür ist der Art. 454 ausgenommen worden. Von Aufstellung einer Regel, in welchen Fällen die Rheder persönlich haften müssen, hat man Umgang genommen, da mau, sowie eine erschöpfende Aufzählung dieser Fälle unmöglich sei, eben so wenig sagen könne, daß in allen nicht ausdrücklich genannten Fallen die Haftung der Rheder aus die fortune de terre sich erstrecke. (Bergl. Prot. S. 1611.) Somit würde es so stehen: In allen Fällen, für welche eine beson­ dere Bestimmung nicht gegeben ist, sei von dem Abandonsysteme auszugehen, wo­ nach der Rheder in der Äegel über den Betrag seines der See anvertrauten Ver­ mögens hinaus zu haften nicht gehalten ist. Indeß ist in zweiter Lesung ausge­ sprochen worden, daß im Falle' des Mangels einer derartigen Bestimmung der Rheder persönlich mit seinem gestimmten Vermögen hafte. (Prot. S. 3736.) Es kommt jedoch auf die Beschaffenheit des einzelnen Falles an.

12) Vergl. Art. 475. In den Fällen der zweiten Art, wenn eine Rechts­ handlung des Schiffers der Grund des Anspruchs ist (Art. 496), konnte nach bis­ herigem Rechte, sowie nach Röm. Rechte, auch der Schiffer als Vertreter des Rheders belangt werden. Der Gläubiger hatte die Wahl zwischen der actio exercitoria gegen den Rheder und der aus dem Geschäfte entspringenden actio directa gegen den magister navis; wenn er von der einen Gebrauch machte, konnte er gegen den Anderen nicht mehr klagen, er konnte jedoch das erstrittene Urtheil, ohne neue Klage, auch gegen den Anderen, namentlich das gegen den Schiffer erwirkte Erkenntniß auch gegen den Rheder in dessen Schiffsvermögen vollstrecken lassen. Dies bezog sich aber nur auf das Verhältniß zwischen Rheder und Schif­ fer in Beziehung auf die Führung des Schiffes. Das Verhältniß zwischen Bei­ den ist nämlich ein zusammengesetztes. Der eine Bestandtheil besteht aus dex Re­ präsentation des Rheders durch den Schiffer wegen Beaufsichtigung und Führung des Schiffes. Unter diese Funktion fallen die Anschaffungen der nöthigen Gelder, die Verträge mit dem Schiffsvolke, die Veräußerungen von Schiff und Ladung. Diese Rechtsgeschäfte sind es, auf welche der in Rede stehende Rechtssatz sich be­ zieht. (Art. 495, Abs. 2 mtb Artt. 496—499.) — Die andere Seite bildet das Verhältniß des Schiffers den Befrachtern und den Reisenden gegenüber. Die hieraus entspringenden Verbindlichkeiten fallen nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht unter jenen Grundsatz, vielmehr ist hier der Schiffer der Hauptschuldner und der Rheder haftet nur subsidiarisch. So war es auch nach dem landrechtlichen Seerechte. §§. 1528, 1620 ff. u. 1742 ff.; Erk. des Obertr. vom 13. Februar 1849 (Entsch. Bd. XVIII, S. 310 ff.). Das H.G.B. hat im Art. 502 dieses Verhältniß anders geordnet: der Schiffer haftet, abgesehen von den besonderen

687

Von dem Rheder und von der Rhederei.

Art. 456. Wird von mehreren Personen ein ihnen gemeinschaftlich zuste­ hendes Schiff zum Erwerbe durch die Seefahrt für gemeinschaftliche Rechnung verwendet, so besteht eine Rhederei.

Der Fall, wenn das Schiff einer Handelsgesellschaft gehört, wird durch die Bestimmungen über die Rhederei nicht berührt.

Art. 457. Das Rechtsverhältniß der Mitrheder unter einander bestimmt sich zunächst nach dem zwischen ihnen geschloffenen Vertrage.

So­

weit eine Vereinbarung nicht getroffen ist, kommen die Bestimmun­

gen der nachfolgenden Artikel zur Anwendung. Für die Angelegenheiten der Nhederei sind die Beschlüsse der Mitrheder

maßgebend.

Bei

der Beschlußfassung

entscheidet die

Mehrheit der Stimmen. Die Stimmen werden nach der Größe der Schiffsparten gezählt. Die Stimmenmehrheit für einen Beschluß ist

vorhanden, wenn der Person oder den Personen, welche für den Beschluß gestimmt haben, zusammen mehr als die Hälfte des gan­ zen Schiffs gehört1 * 3* ).* * * * * * * * * * Einstimmigkeit sämmtlicher Mitrheder14) ist erforderlich zu BeFällen der Artt. 478, 479, gar nicht und hat auch keine Passivlegitimation zur Vertretung des Rheders, außer bei Rekouventionen in Fällen, in welchen er nach Art. 496, Abs. 2 zur Anstellung von Klagen leqitiniirt ist, und insofern ihm wegen einzelner Arten von Forderungen, z. B. Artt. 697 u. 764, eine aktive Prozeßvertretuug ausnahmsweise übertragen worden ist. Daher kann z. B., was schon nach dein Ä. L.R. nicht zulässig wär (Erk. des Obertr. v. 30. März 1860, Arch. f. Rechtsf. Bd. XXXVII, S.' 138), jetzt um so weniger der Schiffer den Rheder vertreten, wenn es sich darum handelt, daß überhobene Fracht, welche der Rheder erhalten hat, von demselben zu erstatten ist; daher kann das, was in einem Prozesse gegen den Schiffer in Beziehung auf die Zurückzahlung der Fracht und in Beziehung auf das Schiff erkannt worden ist, dem Rheder'nicht entge­ gengesetzt werden.' 13) Durch den dritten Satz, der int Entwürfe (Art. 394) fehlte, ist die in der Debatte darüber aufgeworfene Frage entschieden: welche Art von Stimmen­ mehrheit gemeint sei, ob die Mehrbeit der auf Einladung zur Beschlußfassung erschienenen, oder aller au der Rhederei betheiligten Personen, uud ob die Mehrheit der hieruach in Betracht kommenden Personeu eilte absolute sein müsse, oder für den Fall, daß über mehr als zwei verschiedene Meinungen zu entscheiden fei, auch nur eine relative sein könne, nm einem Beschlusse Geltung zu sichern. (Prot. S. 1500.) Auf die Personenzahl kontmt nach diesem Prinzipe nichts au; hat eine Person eine Kleinigkeit über die Hälfte, etwa , so braucht sie die übrigen Mitrheder gar nicht erst zu fragen, mag deren Zahl so groß sein wie sie will; er ist jedenfalls Herr des Schiffes; fein'Interesse giebt bet allen Beschlußfassun­ gen den Ausschlag. Den gleichen Grundsatz hatte auch das A. L.R. §§. 1427, 1428 d. 8. T.

14) Die erst von der Redaktion nach der Beschlußfassung über den zweiten Absatz eingeschalteten Worte „sämmtliche Mitrheder" wurden beanstandet, indem man hervorhob, mit diesen Worten werde eine noch nicht debattirte materielle Rechtsfrage entschieden, weshalb diese Worte hier wegzulasseu seien. Mit densel­ ben werde nämlich zugleich bestimmt, daß bei Beschlüssen der hier in Rede ste-

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Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

schlüssen, welche eine Abänderung des Rhedereivertrags bezwecken, oder welche den Bestimmungen des Rhedereivertrags entgegen oder dem Zwecke der") Rhederei fremd sind.

Art. 459. Durch Beschluß der Mehrheit kann für den Rhedereibetrieb ein Korrespondentrheder (Schiffsdirektor, Schiffsdisponent) bestellt wer­ den.

Zur Bestellung eines Korrespondentrheders, welcher nicht zu

den Mitrhedern gehört, ist ein einstimmiger Beschluß erforderlich. Die Bestellung des Korrespondentrheders kann zu jeder Zeit durch Stimmenmehrheit") widerrufen werden, unbeschadet der Rechte auf Entschädigung aus bestehenden Verträgen. henden Art nicht allein die stimmberechtigten Mitrheder gehört werden und ihre Zustimmung erklären müßten, sondern auch diejenigen Mitrheder, welche sich, wie dies hin und wieder vorkomme, ihres Stimmrechts bei Eingehung des Rhe­ dereivertrages begeben hätten. Mehrere Abga. hielten eine solche materielle Ent­ scheidung nicht für richtig und traten deshalb dem Anträge auf Weglassung der erwähnten Worte bei; Andere waren der Ansicht, daß dieselbe völlig angemessen und demgemäß die streitigen Worte beizubehalten seien. Diese letzteren hielten nämlich dafür, daß diejenigen Mitrheder, welche ihres Stimmrechts sich begäben, hierbei gewiß nur an einen regelmäßigen, den Rhedereistatuten entsprechenden Verlauf der Geschäftsführung denken würden, und daß in einem Verzichte auf die Stimmführung bei regelmäßigen: Geschäftsgänge nicht auch ein Verzicht auf die Abgabe der Stimme für den Fall gefunden werden könne,' wenn es sich um Abweichungen vom Rhedereivertrage handle, da Verzichte der striktesten Interpre­ tation unterlägen. Andere Mitglieder sparen wieder der Ansicht, daß die ange­ regte Frage materiell durch die Aufnahme der beanstandeten Worte gar nicht ent­ schieden werde. In dem vorliegenden Artikel sei unverkennbar der regelmäßige Fall vorausgesetzt, daß alle Mitrheder Stimmberechtigung hätten, und für diesen Fall sei die von der Redaktionskommission beantragte Fassung angemessen. Die Frage, welche Bedeutung die vertragsmäßige Bestimmung haben solle, daß ein­ zelnen Mitrhedern kein Stimmrecht zukomme, ob und wann dieser Bestimmung ungeachtet das Stimmrecht dieser Mitglieder wieder auflebe, werde hier nicht be­ rührt, sondern sei nach Inhalt des jedesmaligen Vertrages zu beurtheilen. Schließlich entschied man sich für die Beibehaltung der besprochenen Worte. (Prot. S. 1563.) Die Meinungsäußerung der zuletzt gedachten Mitglieder, welche den Sinn der Redaktionskonimission geltend machen, muß wohl als die authentische Auslegung der gebrauchten Worte angesehen werden, da der Verfasser am besten den Sinn kennen muß, welchen er mit den Worten verbunden hat.

15) Nämlich dieser Rhederei, nicht der Rhederei überhaupt. Der zweite Absatz enthält, wie angeführt wurde, zugleich einen Ersatz für die in manchen Seegesetzen sich findende Bestimmung, daß die Minorität von der Majorität nicht gezwungen werden könne, ein Schiff liegen zu lassen. Wenn und soweit nämlich ein solches Liegenlassen des Schiffes wirklich ein chikaneuses wäre und gegen die Zwecke der Rhederei, nämlich gegen den Zweck, durch die Schifffahrt Erwerb zu machen, verstoßen, auch nicht durch die besonderen Umstände des Falles gerecht­ fertigt sein würde, wie z. B. dadurch, daß eine Fahrt keine Aussicht auf Ge­ winn , sondern auf eine sichere Einbuße gewähre, daß Kriegsgefahr vorhanden li. dgl., so werde die Minderheit sich desselben unter Zuhülfenahme des Absatzes 2 erwehren können. (Prot. S. 1501.) 16) Demnach kann ein Korrespondentrheder, dem die Hälfte des Schiffes oder mehr zusteht, niemals ohne seinen Willen abgesetzt werden. Wenn ein Mitrheder mit der Geschäftsleitung eines solchen unabsetzbaren MitrhederS unzufrieden ist, so hat er kein anderes Mittel, sich den Maßregeln desselben zu entziehen, als den Verkauf seines Antheils.

689

Von dem Rheder und von der Rhederei.

Art. 460. Im Verhältnisse zu Dritten ist der Korrespondentrheder kraft seiner Bestellung befugt, alle Geschäfte und Rechtshandlungen vor-

zunehmen, welche der Geschäftsbetrieb einer17) Rhederei gewöhnlich mit sich bringt18).19 20 21 Diese Befugniß erstreckt sich insbesondere auf die Äusrüstung,

Erhaltung und Befrachtung des Schiffs, auf die .Versicherung der Fracht, der Ausrüstungskosten und der Havereigelder, sowie auf die

mit dem gewöhnlichen Geschäftsbetriebe verbundene Empfangnahme

von Geldern. Der Korrespondentrheder ist in demselben Umfange1 *) befugt, die Rhederei vor Gericht zu vertreten. Er ist befugt, den Schiffer anzustellen und zu entlassen; der Schiffer hat sich nur an dessen Anweisungen und nicht auch an die etwaigen Anweisungen der einzelnen Mitrheder zu halten. Im Namen der Rhederei oder einzelner Mitrheder Wechselver­

bindlichkeiten einzugehen oder Darlehen auszunehmen, das Schiff

oder Schiffsparten zu verkaufen oder zu verpfänden?8) oder für die­ selben Versicherung zu nehmenai), ist der Korrespondentrheder nicht

17) D. h. irgend einer Rhederei, so daß der Korrespondentrheder zu jeder Handlung als befugt anzusehen ist, .wenn sie nur in den Geschäftsbetrieb irgend einer Rhederei gehört, gleichviel welcher Art dieselbe ist. Die Ermächtigung des Korrespondentrheders soll sich also nicht nur auf diejenigen Handlungen beziehen, welche in den Geschäftskreis der bestimmten, gerade in Frage stehenden Rhederei fallen, oder in den einer derartigen, d. h. einer solchen Rhederei, wie die in Frage stehende ist. (Prot. S. 1526.) 18) Bei der Abfassung der Bestimmungen über das Verhältniß des Kor­ respondentrheders hat das Bestreben geleitet, der Lehre vom Korrespondentrheder einen den Verhältnissen entsprechenden Anschluß an die Lehre vom Handlungsbe­ vollmächtigten zu geben. (Prot. S. 1523.) 19) Der Korrespondentrheder ist also auch in soweit und nur in soweit, als seine Geschäftsführung außergerichtlich reicht, die Rhederei vor Gericht zu vertre­ ten von Rechtswegen ermächtigt (vgl. Prot. S. 1528), er ist auch zur Empfang­ nahme gerichtlicher Entscheidungen ohne Spezialvollmacht befugt (Aos. 6).

20) Auch nicht zu verbodmen. (Prot. S. 1529.) Dieses ist, obgleich man es beschlossen hatte, nicht ausgedrückt worden, weil später das Institut der un­ eigentlichen Bodmerei nicht ausgenommen wurde. (Art. 701.)

21) Hiermit ist nicht ausgesprochen, daß jede, ohne besondere Vollmacht vom Korrespondentrheder genommene Versicherung zu Gunsten des Assekuradeurs nich­ tig sei, die Anwendung der allgemeinen Sätze des Assekuranzrechtes über die Versicherungen durch dritte, weder interesstrte noch bevollmächtigte Personen (z. B. als negotiorum gestores) bleibt Vorbehalten. Von den Versicherungen des Schif­ fes und der Schiffsparten glaubte man jedoch unterscheiden zu müssen die Ver­ sicherung der Fracht- und Havariegelder, und daß diese Art von Versicherungen dem Korrespondentrheder allerdings zustehe; weshalb zur Beseitigung jedes Zwei­ fels hierüber dieser Befugniß im zweiten Absätze Erwäbnung zu thun beschlossen wurde. (Prot. S. 1531.) Koch, A. D. Handelsgesetzbuch.

2. Xufl.

44

690 Fünftes Buch. Zweiter Titel. befugt, es sei denn, daß ihm eine Vollmacht hierzu besonders er­ theilt ist22).23 Im Uebrigen bedarf es zu den Geschäften und Rechtshandlun­ gen, welche er kraft seiner Bestellung vorzunehmen befugt ist, der in den Landesgesetzen etwa vorgeschriebenen Spezialvollmacht nicht22). Art. 461. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Korrespondentrheder als solcher innerhalb der Grenzen seiner Befugnisse geschlossen hat, wird die Rhederei dem Dritten gegenüber auch dann berechtigt und ver­ pflichtet, wenn das Geschäft ohne Nennung der einzelnen Mitrheder geschlossen ist24).25 Ist die Rhederei durch ein von dem Korrespondentrheder abge­ schlossenes Geschäft verpflichtet, so haften die Mitrheder in glei­ chem Umfange (Art. 452), als wenn das Geschäft von ihnen selbst geschlossen wäre. Art. 462. Eine Beschränkung der im Art. 460 bezeichneten Befugnisse des Korrespondentrheders kann die Rhederei einem Dritten nur inso­ fern entgegensetzen, als sie beweist, daß die Beschränkung dein Drit­ ten zur Zeit des Abschlusses des Geschäfts bekannt war24). Art. 463. Der Rhederei gegenüber ist der Korrespondentrheder verpflich­ tet, die Beschränkungen einzuhalten, welche von derselben für den Umfang seiner Befugnisse festgesetzt sind; er hat sich ferner nach den 22) Wer dem Korrespondentrheder die nöthige Vollmacht, namentlich in Be­ ziehung aus die einzelnen Schifssparten, ertheilen könne, darüber beabsichtigt dieser Absatz nicht irgend etwas zu bestimmen, diese Frage will derselbe ganz offen lassen. Diese Bemerkung wurde aus die geäußerte Besorgniß eines Mitgliedes gemacht, durch die Fassung möchte der Irrthum erzeugt werden können, daß auch m Betreff der einzelnen Theile des Schiffes Majoritätsbeschlüsse maßgebend sein sollten. (Prot. S. 1529.) 23) Vergl. oben Anm. 19. 24) Folgerichtige Anwendung (Anm. 18) des Prinzips des Art. 52. Vergl. die Anm. dazu. 25) Zu diesem Artikel wurde allseitig anerkannt, daß derselbe sich nicht bloß aus den Fall beziehen solle, wenn die Vollmacht des Korrespondentrheders von Anfang an Dritten gegenüber eine beschränkte war, sondern auch auf später eintretenhe oder für einzelne Fälle ausgestellte Beschränkungen, daß er also z. B. auch in dem Falle Anwendung leide, wenn die Vollmacht" des Korrespondentrheders zwar eine unbeschränkte gewesen, aber wegen eines Punktes ein besonderer Be­ schluß der Rhederei gefaßt und diesem gemäß der Korrespondentrheder instruirt, gleichwohl aber gegen den gefaßten, dem Dritten bekannten Beschluß vom Korrespondenlrhcder gehandelt worden ist. Ferner wurde bemerkt, daß selbstverständ­ lich hier wie in anderen Fällen nicht« im Wege stehe, das grobe Verschulden des

Dritten dem Dolus desselben gleich zu achten.

(Prot. S. 1531.).

Von dem Rheder und von der Rhederei.

691

gefaßten Beschlüssen zu richten und dieselben zur Ausführung zu

bringen. Im Nebligen ist der Umfang seiner Befugnisse auch der Rhede­ rei gegenüber nach den Bestimmungen des Art. 460 mit der Maß­

gabe zu beurtheilen, daß er zu neuen Reisen und Unternehmungen, zu außergewöhnlichen Reparaturen, sowie zur Anstellung oder Ent­

lassung des Schiffers vorher die Beschlüsse der Rhederei einholen muß.

Art. 464. Der Korrespondentrheder ist verpflichtet, in den Angelegenheiten der Rhederei die Sorgfalt eines ordentlichen Rheders anzuwenden 8 6).

Art. 465. Der Korrespondentrheder hat über seine die Rhederei betreffende

Geschäftsführung abgesondert Buch zu führen und die dazu gehöri­ gen Belege aufzubewahren. Er hat auch jedem Mitrheder auf dessen

Verlangen Kenntniß von allen Verhältnissen zu geben, die sich auf die Rhederei, insbesondere auf das Schiff, die Reise und die Ausrü­ stung beziehen 8 7); er muß ihm jederzeit die Einsicht der die Rhederei

betreffenden Bücher, Briese und Papiere gestatten. Art. 466. Der Korrespondentrheder ist verpflichtet, jederzeit auf Beschluß der Rhederei derselben Rechnung zu legen271). Die Genehmigung der Rechnung und die Billigung der Verwaltung des Korrespondent26) Er hat also nicht bloß , wie ein Gesellschafter nach Art. 94, diligentia in rebus suis consueta zu prästiren, weil seine eigenthümliche Stellung der eines offenen Gesellschafters nicht durchweg gleich ist; es macht auch keinen Unterschied, ob er für die übernommene Thätigkeit honorirt wird, oder nicht. (Bergl. Prot. S. 1535.) 27) Die speziellere Aufzählung ist in den Art. ausgenommen worden, um hervorzuheben, daß der Korrespondentrheder namentlich alle diejenige Auskunft zu geben habe, welche den Mitrheder in den Stand setzen kann, seinen Part zu ver­ sichern , also nicht bloß Auskunft über die Verhältnisse der Rhederei im Allgemei­ nen, sondern auch über die für den einzelnen Rheder in jeder Beziehung erheb­ lichen Verhältnisse. (Prot. S. 1536.) Hierdurch wird die landrechtliche Praxis rnodifizirt. Das Obertribunal hatte gelegentlich eines Entschädigungsanspruchs ausgesprochen: Aus dem Verhältnisse, in welchem der Korrespondentrheder zu den Mitrhedern als deren Faktor stehe, fofae die Verpflichtung des Ersteren nicht, die Mitrheder von dem Auslaufen eines Ähiffes aus dem Hafen zu einer neu anzu­ tretenden Reise zu benachrichtigen. Erk. v. 27. Novbr. 1851 (Entsch. Bd. XXII, S. 47). Dieser Satz wird jetzt nicht mehr aufrecht zu halten sein; er war schon in der Erwägung, daß in Folge desselben die Mitrheder außer Stande waren, ihre Schiffsparten für die ihnen unbekannt gebliebene neue Reise zu versichern, nach den Grundsätzen des A. L.R. anzuzweifeln. Es ist jedoch zu beachten, daß der Artikel den Korrespondentrheder zur Kenntnißgebung nur aus Verlangen ver­ pflichtet.

27a) Unten Anm. 31 zu Art. 469.

692

Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

rheders durch die Mehrheit hindert die Minderheit reicht, ihr Recht

geltend zu machen. Art. 467. Jeder Mitrheder hat nach Verhältniß seiner Schiffspart zu den

Ausgaben der Rhederei, insbesondere zu den Kosten der Ausrüstung

und der Reparatur des Schiffs beizutragen. Ist ein Mitrheder mit Leistung seines Beitrags in Verzug und wird das Geld von Mitrhedern für ihn vorgeschossen, so ist er den«

selben von Rechtswegen zur Entrichtung von Zinsen von dem Zeit­ punkte der Vorschüsse an verpflichtet.

Ob durch einen solchen Vor­

schuß ein Pfandrecht an der Schiffspart des säumigen Mitrheders er­

worben wird, ist nach hen Landesgesetzen zu beurtheilen.

Auch

wenn ein Pfandrecht nicht erworben ist, wird durch den Vorschuß ein versicherbares Interesse hinsichtlich der Schiffspart für die Mitrheder

begründet.

Im Fall der Versicherung dieses Interesse hat der säu­

mige Mitrheder die Kosten derselben zu ersetzen

Art. 468. Wenn eine neue Reise oder wenn nach Beendigung einer Reise

die Reparatur des Schiffs oder wenn die Befriedigung eines Gläu­ bigers beschlossen worden ist, welchem die Rhederei nur mit Schiff 28) Der Artikel will für die Fälle Vorsehung treffen, in denen eine Reise beschlossen ist, und die ausgeschriebenen Beiträge von dem einen oder dem ande­ ren Mitrheder nicht bezahlt werden. In einem solchen Falle, wurde angeführt, wo das Schiff schleunig ausgerüstet werden müsse, besonders wenn es vielleicht schon befrachtet sei, und die Rhederei wegen desselben gegen Dritte verpflichtet und durch die verzögerte Zahlung eines Mitrheders für alle anderen Betheiligten der größte Schade entstehen könnte, müsse die Gesetzgebung ein Mittel bieten, um die Ausrüstung des Schiffes zu ermöglichen, ohne daß zuvor der säumige Mit­ rheder vor dem ordentlichen Gerichte im gewöhnlichen Verfahren belangt und ein Prozeß gegen ihn durchgeführt zu werden' brauchte. (Prot. S. 1505.) Nachdem mancherlei Vorschläge zu einem solchen Mittel gemacht, theils angenommen und dann wieder verworfen worden waren, stellte ein Mirglied zur Erwägung, daß es in den vorausgesetzten Fällen selten gelingen werde, eine (uneigentliche) Bod­ merei (die der preuß. Entwurf in Aussicht genommen hatte, als die Nichtauf­ nahme dieses Instituts noch nicht beschlossen worden war) zu erlangen; daß das gewöhnliche Mittel, die Ausrüstung des Schiffes rechtzeitig zu bewirken, darin be­ stehe, daß der Korrespondentrheder die Beiträge des säumigen Mitrheders vor­ schieße, und den Part desselben, soweit seine Deckung dies erfordere, assekurire. Um dem Vorschießenden den nöthigen Schutz zu sichern, wenn er in dieser Weise die Zwecke der Rhederei zu fördern bereit sei, genüge es auszusprechen, daß er vom Vorschuffe Zinsen zu berechnen, und den Antheil des Säumigen zu assekuriren, beziehungsweise den Ersatz der auf die Assekuranz erwachsenden Auslagen zu fordern Macht habe. Es brachte dann eine Bestimmung in diesem Sinne in Antrag. (Prot. S. 1510.) Dieselbe ist, wie der Artikel zeigt, als Abs. 2 schließ­ lich angenommen worden. Demnach hat sie eine historische Grundlage. Der Rechtsgrund der Forderung, welche der Borschießende gegen den säu­ migen Mitrheder durch Leistung des Vorschusses erwirbt, ist negotiorum gestio, aus welcher der Schuldner persönlich mit der fortune de terre gehalten ist; die Zinsen sind gesetzliche. Ein Pfandrecht erwirbt der Vorschießende im Bereiche des A. L.R. von Rechtswegen nicht.

Bon dem Rheder und von der Rhederei.

693

und Fracht hastet, so kann jeder Mitrheder, welcher dem Beschlusse nicht zugestimmt hat, sich von der Leistung der zur Ausführung des­ selben erforderlichen Einzahlungen dadurch befreien, daß er seine

Schiffspart ohne Anspruch auf Entgelt aufgiebt29).30 Der Mitrheder, welcher von dieser Befugniß Gebrauch machen

will, muß dies den Mitrhedern oder dem Korrespondentrheder inner­ halb dreier Tage nach dem Tage des Beschlusses oder, wenn er bei

der Beschlußfassung nicht anwesend und nicht vertreten war, inner­ halb dreier Tage nach der Mittheilung des Beschlusses gerichtlich oder notariell kund geben. Die aufgegebene Schiffspart fällt den übrigen Mitrhedern nach Verhältniß der Größe ihrer Schiffsparten zu.

Art. 469. Die Verkeilung des Gewinnes und Verlustes geschieht nach der

Größe der Schiffsparten 29) Der Artikel statuirt eine Ausnahme von den Grundsätzen des allgemeinen Civilrechtes über das Gesellschaftsrecht dahin, daß hier, bei der Rhederei, unter Umständen auch zur Unzeit ein einseitiger Austritt aus der Gesellschaft gestattet wird. Die Anwendung dieses Artikels setzt aber doch voraus, daß die früher be­ schlossenen Unternehmungen abgewickelt seien, wenn auch das Schift sich noch in einem anderen als dem Heimathshafen befände, wie es bei den aus den Ostsee­ häfen auslaufenden Schiffen vorkommt, die bisweilen nach Beendigung ihrer Rei­ sen nicht nach Hause zurückkehren, sondern in einem holländischen Hafen rc. über­ wintern, um im nächsten Jahre von da aus auf neue Unternehmungen auszu­ gehen. Durch die Anwendung der Bestimmung wird durchaus keine' Befreiung des derelinquirenden Mitrheders bewirkt von bereits begründeten Verbindlichkeiten der Rhederei gegen Dritte oder der Rheder untereinander; der Artikel gilt nur von neuen, nicht schon früher beschlossenen Einzahlungen. (Prot. S. 1511—1519.) Das in demselben gegebene Mittel, von der Rhederei loszukommen, ist ein Noth­ behelf in Fällen, wo unter den obwaltenden Umständen die Schiffspart gegen Entgelt nicht an Mann zu bringen ist und von der im Art. 470, Abs. 1 gegebe­ nen'Befugniß nicht Gebrauch gemacht werden kann. Den neuen Unternehmungen ist gleichgestellt der Fall, wenn ein Schiffs­ gläubiger, der sich nur an Schiff und Fracht zu halten befugt ist, auf Zahlung dringt und die Mehrheit dessen Befriedigung beschließt, um den Zwangsverkauf abzuwenden. Zu dieser Gleichstellung hat die Ähnlichkeit der Fälle und die Er­

wägungen, welche in jenen Fällen maßgebend gewesen sind, geführt. Man hob hervor': Wenn der Mitrheder durch den Privatverkauf des Parts, der ihm ja unbenommen bleibe, einer unentgeltlichen Abtretung desselben nicht vorbeugen könne, so werde voraussichtlich auch der öffentliche Verkauf zu keinem entsprechen­ den Resultate führen, d. h. zur Erzielung eines Erlöses, welcher nach Bezahlung der Schulden einen Ueberschuß für den Verkäufer ergebe. Es würde auch eine große Belästigung der Majorität durch die Minorität'nach sich ziehen, wenn sich diese ihren Beschlüssen nicht fügen wolle. Dazu komme noch, daß die Minderheit selten Anlaß haben werde, von der Bestimmung Gebrauch zu machen, und daß es in jedem Falle mindestens zweifelhaft bleibe, ob die Bezahlung der Forderung nicht wirklich vortheilhaster für sie sein würde; denn wenn nicht gute Gründe für die Annahme vorhanden seien, daß das Schiff einen größeren Werth habe, als die Summe der gegen dasselbe bestehenden Forderungen, so werde sich gewiß auch die Majorität nicht leicht für die Bezahlung der letzteren entscheiden. (Prot. S. 1630.) 30) „Bei dem Mangel besonderer Abreden", fügt das A. L.R. §. 1427 d. 8. T, hinzu. So ist es auch nach Art. 457.

694

Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

,

Die Berechnung des Gewinnes und Verlustes und die Auszah­

lung des etwaigen Gewinnes erfolgt jedesmal, nachdem das Schiff in den Heimathshafen zurückgekehrt ist. oder nachdem es in einem anderen Hasen seine Reise beendigt hat und die Schiffsmannschaft entlassen ist.

Außerdem müssen auch vor dem erwähnten Zeitpunkte die ein­

gehenden Gelder, insoweit sie nicht zu späteren Ausgaben oder zur

Deckung von Ansprüchen einzelner Mitrheder an die Rhederei erfor­

derlich sind, unter die einzelnen Mitrheder nach Verhältniß der Größe ihrer Schiffspart vorläufig vertheilt und ausgezahlt toeiben31). 31) Die Bestimmungen über die Pflicht zur Rechnungslegung sind getrennt von denen über die Gewinnvertheilung. Erstere berühren lediglich das Verhältniß der Rheder zum Korrespondentrheder und sind zum Theile nach anderen Gesichts­ punkten zu treffen gewesen, als die lediglich das Verhältniß der Rheder unter ein­ ander betreffenden Bestimmungen über die Vertheilung der Geldvorräthe und des Gewinnes. In Betreff der ersteren ist erwogen worden, daß der Korrespondent­ rheder als solcher ein Mandatar der Mitrheder ist. In dieser Eigenschaft hat er kein Recht, die von ihm verlangte Rechnungslegung zu verweigern, er ist also dazu für verbunden erachtet worden, so oft es die Rheder verlangen, beziehungs­ weise so oft es die Mehrheit verlangt, da, wie gesagt wurde, durch dieselbe der Wille der Rheder manifestirt werde. (Prot. S. 1539.) Daher der Art. 466. Dabei kommt jedoch, wie es scheinen könnte, das Recht der Minderheit nicht genügeub zur Geltung. Besteht z. B. die Rhederei aus zwei Personen, welche gleiche Par­ ten haben, so könnte der eine Mitrheder von dem Korrespondentrheder niemals Rechnungslegung fordern, wenn die Bestimmung wörtlich verstanden würde. In­ deß ist dies darin nicht enthalten, wenn davon ausgegangen wird, daß der Korre­ spondentrheder als solcher eigentlich der Mandatar nur der Mitrheder, nicht sein eigener Mandatar ist. Handelt es sich also um die Erfüllung einer aus seinem Mandatsverhältnisse entspringenden Pflicht, so hat er dabei kerne Stimme; er ist der Schuldner, die Mitrheder sind die Gläubiger. Soviel die Vertheilung baarer Vorräthe angeht, so hat man erwogen, daß das Verhältniß als ein jenem ähnliches erscheine, insofern es sich um das Ver­ hältniß des Korrespondentrheders als solchen zu den Mftrhedern handelt. Als Mandatar habe der Erstere kein Recht, dem gültig ausgesprochenen Willen seiner Mandanten entgegen die den Letzteren als Herren des Geschäftes zustehenden Gel­ der ihnen vorzuenthalten. Für das Verhältniß der Rheder unter einander aber müsse man zwischen provisorischen Auszahlungen von vorhandenen baaren Bestän­ den und definitiven Gewinnvertheilungen unterscheiden. Die Frage, wie mit einem baaren Kassenbestande provisorisch zu verfahren sei, sei nichts anderes als eine Frage der Angemessenheit dieser oder jener Verwaltungsmaßregel. Da die Beschlußfas­ sung über letztere der Majorität zustehe, so könne man dieser auch das Recht nicht absprechen, zu beschließen, daß baare Vorräthe einstweilen an die Rheder ausge­ zahlt, und die später sich ergebenden Ausgaben nötigenfalls durch neue Beiträge gedeckt werden sollten. Dies müsse die Majorität ebenso gut beschließen können, als sie z. B. auch verfügen könnte, daß die vorhandenen Gelder auf diese oder jene Weise bis zu ihrer anderweitigen Verwendung nutzbringend angelegt werden sollten. — Anders verhalte es sich mit der definitiven Gewinnvertheilung. Hier handle es sich nicht mehr um eine bloße Verwaltungsmaßregel, sondern um das Recht jedes Einzelnen, das ihm auch die Majorität nicht mehr zu verkürzen Macht haben dürfe. Für den Fall also, daß die geeignet befundenen Voraus­ setzungen vorhanden seien, dürfe in Ansehung der Gewinnvertheilung nichts mehr von Majoritätsbeschlüssen abhängig gemacht, sondern müsse ausgesprochen werden, daß die Gewinnvertheilung ohne Weiteres einzutreten habe. (Prot. S. 1539.) — Aus diesen Erwägungen sind die Bestimmungen des Abs. 2 u. 3 dieses Artikels

Bon dem Rheder und von der Rhederei.

695

Art. 470. Jeder Mitrheder kann seine Schiffspart jederzeit und ohne Ein­

willigung der übrigen Mitrheder ganz oder theilweise veräußern. Ein gesetzliches Vorkaufsrecht steht den Mitrhedern nicht ju32 * * ).* *

Es kann jedoch die Veräußerung einer Schiffspart, in Folge welcher

das Schiff das Recht, die Landesflagge zu führen, verlieren würde, rechtsgültig nur mit Zustimmung aller Mitrheder erfolgen33).34 35 Die Landesgesetze, welche eine solche Veräußerung überhaupt für unzu­

lässig erklären, werden durch diese Bestimmung nicht berührt.

Art. 471. Der Mitrheder, welcher seine Schiffspart veräußert hat, wird,

so lange die Veräußerung von ihm und dem Erwerber den Mitrhe­ dern oder dem Korrespondentrheder nicht angezeigt worden ist, im Verhältnisse zu den Mitrhedern noch als Mitrheder betrachtet3*) und

bleibt wegen aller vor dieser Anzeige begründeten Verbindlichkeiten

als Mitrheder den übrigen Mitrhedern verhaftet3*3). Der Erwerber der Schiffspart ist jedoch im Verhältnisse zu den

übrigen Mitrhedern schon seit dem Zeitpunkte der Erwerbung als Mitrheder verpflichtet3 3). Er muß die Bestimmungen des Rhedereivertrages, die gefaßten Beschlüsse und eingegangenen Geschäfte gleichwie der Veräußerer ge­

gen sich gelten lassen; die übrigen Mitrheder können außerdem alle hervorgegangen. Schließlich ist jedoch auch das Recht, die provisorische Vertheilung (Abs. 3) zu fordern, als ein nur durch das Bedürfniß der Deckung bevor­ stehender Ausgaben beschränktes Sonderrecht jedes Einzelnen, anerkannt und dem­ gemäß der Abs. 3 entsprechend gefaßt worden. 32) Anders nach dem bisherigen Rechte.

A. L.R. §. 1437 d. 8. T.

33) In diesem Art. handelt es sich nur um das Verhältniß der Rheder unter einander; die gesetzlichen Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Gültig­ keit der Veräußerungen von Schiffen oder Schiffsparten überhaupt und über das was hierbei zu beobachten, ferner über das Verhältniß der Rheder zu Dritten soll durch den Art. nicht berührt werden. Auch der zweite Abs. betrifft nur das Verhält­ niß der Mitrheder unter einander, berührt also den Verkauf ganzer Schiffe an Aus­ wärtige gar nicht, sondern nur den Verkauf einzelner Parten. (Prot. S. 1544, 1547.) 34) Er wird daher von Seiten der Rhederei als Inhaber des Schiffsantheiles bei der formellen Behandlung der Geschäfte, folglich als stimmberechtigt angesehen, zu Versammlungen der Rhederei geladen u. dergl. (Prot. S. 1549.) 34 a) In der Zwischenzeit von der Veräußerung an bis zur Anzeige haften der Rhederei beide, sowohl der Veräußerer wie der Erwerber. (Vergl. Art. 474.)

35) Er muß die in Folge früher beschlossener Unternehmungen, die er gelten lassen muß, nach seinem Eintritte nothwendig werdenden Beiträge, unbeschadet seines etwanigen Regreßrechtes gegen seinen Vorgänger, zahlen, wenn auch nach dem unter ihnen bestehenden Verhältnisse die Vortheile eines solchen Unternehmens vielleicht noch dem Vorgänger zukommen. Nur wegen der früher beschlossenen Einzahlungen kann die Rhederei an den Austretenden verwiesen werden. (Prot. S. 1556.)

696

Fünftes Buch.

Zweiter Titel,

gegen den Veräußerer als Mitrheder begründeten Verbindlichkeiten

in Bezug auf die veräußerte Schiffspart gegen den Erwerber zur Auf­ rechnung bringen33), unbeschadet des Rechts des Letzteren auf Ge­

währleistung gegen den Veräußerer.

Art. 472. Eine Aenderung in den Personen der Mitrheder ist ohne Ein­

fluß auf den Fortbestand der Rhederei3* r * ).* * * 8

Wenn ein Mitrheder stirbt oder in Konkurs geräth oder zur Verwaltung seines Vermögens rechtlich unfähig wird, so hat dies die Auslösung der Rhederei nicht zur Folgend). Eine Aufkündigung von Seiten eines Mitrheders oder eine Aus­ schließung eines Mitrheders findet nicht statt39). Art. 473. Die Auflösung der Rhederei kann durch Stimmenmehrheit be­ schlossen werden.

Der Beschluß, das Schiff zu veräußern, steht

dem Beschlusse der Auflösung gleich").

Ist die Auflösung der Rhederei oder die Veräußerung des Schiffs beschlossen, so muß das Schiff öffentlich verkauft werden9').

Der Verkauf kann nur geschehen, wenn das Schiff zu einer Reise nicht verfrachtet ist und in dem Heimathshasen oder in einem inlän36) Der Erwerber, welcher in der Zeit von einem Rechnungsabschlüsse zum anderen eintritt, hat der Rhederei gegenüber nur denjenigen Gewinn zu fordern, welchen der nächste Abschluß ergiebt, und denjenigen Verlust zu tragen, welcher bei dem nächsten Abschlüsse sich herausstellt, gleichviel ob Gewinn oder Verlust aus der Zeit vor oder nach dem Erwerbe des Partes datiren. Dieser Zeitpunkt normirt lediglich das Verhältniß zwischen Käufer und Verkäufer eines Parts. Wer z. B. am 14. Mai 1/24 Part für iooo Thlr. kauft, muß, wenn die Rhedereirech­ nung pro 14. Mai einen Kassenbestand von 2400 Thlrn. ergiebt, an seinen Ver­ käufer im Ganzen 1100 Thlr., und wenn derselbe ein Minus von 2400 Thlrn. ergiebt, im Ganzen nur 900 Thlr. zahlen. (Prot. S. 1553.) 37) Der Satz sagt nichts Anderes, als daß die Rhederei dieselbe bleibt, wenn auch in Folge einer Veräußerung der Parten die Personen der Betheiligten wechseln. (Prot. S. 1548.) 38) Im Falle des Konkurses erfolgt die Auseinandersetzung der Mitrheder mit der Kreditmasse des Kridarius nach den Vorschriften der Konk.-Ordn. vom 8. Mai 1855, §. 36, und Einf.-Ges. dazu Art. XVI.

39) Abänderung des bisherigen Rechts.

A. L.R. §. 1436 d. 8. T.

40) Dem einen wie dem anderen Beschlusse muß auch die faktische Einstel­ lung des Betriebes der Rhederei folgen. In einem faktischen Fortbetriebe der Seefahrt, welcher jenem Beschlusse nachfolgte, würde ein neuer entgegengesetzter Beschluß liegen. (Vergl. Prot. S. 1558.) 41) Ist die Auflösung der Rhederei beschlossen, so betzarf es eines besonderen auf Veräußerung des Schiffes gerichteten Beschlusses nicht mehr; die Veräußerung des Schiffes ist vielmehr eine nothwendige Folge der Auflösung der Rhederei, da nach Auflösung des Sozietätsverhältnisses unter den Rhedern der Verkauf des Schiffes zum Zwecke der Auseinandersetzung von jedem Rheder gefordert werden kann. (Prot. S. 1558.)

Von dem Rheder und von der Rhederei.

dischen Hafen sich befindet 42).

697

Ist jedoch das Schiff als reparatur­

unfähig oder reparaturunwürdig (Art. 444) kondemnirt, so kann der

Verkauf desselben, auch wenn es verfrachtet ist, und selbst im Aus­ lande erfolgen. Soll von den vorstehenden Bestimmungen abge­ wichen werden, so ist die Zustimmung aller Mitrheder erforderlich. Art. 474. Die Mitrheder als solche haften Dritten, wenn ihre persönliche Haftung eintritt, nur nach Verhältniß der Größe ihrer Schiffsparten.

Ist eine Schiffspart veräußert, so haften für die in der Zeit

zwischen der Veräußerung und der im Art. 471 erwähnten Anzeige etwa begründeten persönlichen Verbindlichkeiten rücksichtlich dieser Schiffspart sowohl der Veräußerer als der (Snvetbtr43).

Art. 475. Die Mitrheder als solche können wegen eines jeden Anspruchs, ohne Unterschied, ob dieser von einem Mitrheder oder von einem

Dritten erhoben ist, vor dem Gerichte des Heimathshafens (Art. 435) belangt werden44).45

Diese Vorschrift kommt auch dann zur Anwendung, wenn die

Klage nur gegen einen Mitrheder oder gegen einige Mitrheder ge­

richtet ist. Art. 476. Auf die Vereinigung zweier oder mehrerer Personen, ein Schiff für gemeinschaftliche Rechnung zu erbauen und zur Seefahrt zu ver­ wenden, finden die Artt. 457, 458, 467, der letztere mit der Maß­ gabe Anwendung, daß er zugleich auf die Baukosten zu beziehen ist,

desgleichen die Artt. 472 und 474 und, sobald das Schiff vollendet und von dem Erbauer abgeliefert ist, außerdem die Artt. 470, 471 und 473"). 42) Der Heimathshafen ist gefoöljnlidj immer zugleich auch ein inländischer Hafen. Die Fassung ist jedoch m Berücksichtigung der Verhältnisse der Hanse­ städte mit Rücksicht auf die Sitte, daß man dort unter dem Heimathshafen die Weser- und beziehungsweise Elbhäfen überhaupt versteht, beliebt worden. (Prot. S. 1584.) Die Veräußerung von Schiffen im Auslande ohne Stimmeneinhellig­ keit ist im Interesse der Minorität verboten, weil die Auktionen in auswärtigen Häfen höchst gefährlich und außerordentlich kostspielig seien. (Prot. S. 1559.) 43) Vergl. Art. 471. 44) Vergl. Art. 455 und die Anm. 12 dazu.

45) Es handelt sich hier also nur um eine solche Gesellschaft, welche den Bau des Schiffes in der Absicht unternimmt, um dasselbe nachher zum Erwerbe durch die Seefahrt zu verwenden, nicht auch um solche Gesellschaften, welche Schiffe bauen, um sie nachher zu verkaufen. Die letzteren werden durchgehends nach den Grundsätzen des gemeinen Civilrechts beurtheilt. Die Vereinigung meh­ rerer Personen in der erstgedachten Absicht wurde in älteren Zeiten als Rhederei aufgefaßt und auch der pr'euß. Entwurf Art. 393 bezeichnete dieselbe als Rhederei.

698

Fünftes Buch.

Zweiter Titel.

Rheder und Rhederei.

Der Korrespondentrheder (Art. 459) kann auch schon vor Voll­ endung des Schiffs bestellt werden; er hat in diesem Falle sogleich

nach seiner Bestellung in Bezug auf den künftigen Rhedereibetrieb die Rechte und Pflichten eines Korrespondentrheders.

Art. 477. Wer ein ihm nicht gehöriges Schiff zum Erwerbe durch die See­ fahrt für seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder

die Führung einem Schiffer anvertraut, wird im Verhältnisse zu Drit­ ten als Rheder angesehen46 * * ). ****** Seitens der Versammlung wurde dies abgelehnt; sie beschloß, auf dergleichen Ge­ sellschaften die Vorschriften des Seerechts über Rhederei im Allgemeinen nicht für anwendbar zu erklären, es vielmehr in Beziehung aus solche bei den allgemeinen Rechtssätzen, beziehungsweise, wenn sie die Eigenschaft einer Handelsgesellschaft hätten, bei den Vorschriften des Handelsrechts bewenden zu lassen und von den die eigentliche Rhederei betreffenden Bestimmungen des Seerechts diejenigen, welche auch für eine vorerst nur mit dem Baue des Schiffes beschäftigte Gesellschaft maß­ gebend sein sollten, bestimmt zu bezeichnen. (Prot. S. 1498, 1638, 1653.) 46) Man nennt ihn „Ausrüster". Der Art. 477 trifft darüber Bestimmung, in wie weit die für die Rhederei gegebenen Vorschriften auf einen Schifffahrtsbetrieb Anwendung finden, welcher nicht auf Rechnung des Eigenthümers geht. Je­ doch sollen nicht alle Fälle dieses Betriebes Gegenstand der Bestimmung sein. Zur Begrenzung derselben wurde erläuternd angeführt: „Solche Fälle kämen in ver­ schiedenen Formen vor, von denen einige in sehr einfacher Weise ihre Erledigung fänden, und deshalb im Gesetze nicht besonders hervoraehoben zu werden brauchten. Dahin gehöre vor Allem der Fall, wenn der Eigenthümer sein Schiff im Ganzen an Jemand für eine gewisse Reise verchartere, der dasselbe wieder an Andere auf Stückgüter verfrachte. Ohne Zweifel sei hier der Eigenthümer immer noch als Verfrachter des Schiffes und sohin allein als Rheder anzusehen; denn wenn auch die Frachtkontrakte mit den einzelnen Befrachtern nicht für Rechnung des Eigen­ thümers geschlossen würden, so sei doch der Hauptfrachtkontrakt zwischen dem Miether und Eigenthümer vorwiegend und vor Allem maßgebend. Ebenso ver­ halte es sich mit dem Falle, wenn ein Schiff an Jemand auf eine gewisse Zeit vermiethet werde. Auch hier sei der Eigenthümer immer noch als der Rheder zu betrachten, wenn der Kapitän und die Mannschaft des Eigenthümers auf dem Schiffe blieben und fortwährend der Disposition und den Befehlen des Letzteren untergeben seien. In beiden Fällen sei der Schiffer in Wirklichkeit der Vertreter des Eigenthümers, und führe in dessen Namen die Reisen des Schiffes aus. Beide Fälle unterschieden sich nur dadurch, daß die Zeit, für welche der Eigen­ thümer sein Schiff einem Anderen dienstbar mache, anders bestimmt, und in dem einen Falle nach der Dauer einer gewissen Reise, in dem anderen Falle nach einer Frist bemessen sei, für welche der Eigenthümer nur die Bestimmung der Reise dem Dritten überlassen habe. Diese Falle bedürften dem Bisherigen zufolge auch keiner besonderen Erwähnung im Gesetze. (Vergl. Art. 557.) Wenn aber der bloße Körper des Schiffes an Jemanden vermiethet werde, der die Ansrüstung des Schiffes auf seine Kosten zu besorgen und namentlich auch den Kapitän anzu­ stellen habe, oder wenn, obschon der Kapitän des Eigenthümers auf dem Schiffe verbleibe, damit der Letztere noch einige Garantie für eine entsprechende Behand­ lung des Schiffes behalte, doch der Schiffer seiner Direktion untergeben bleibe, so sei der Eigenthümer in der That gar nicht mehr am Betriebe der Schifffahrt betheiliget. Der Schiffer repräsentire dann nicht mehr den Eigenthümer des Schiffes, führe nicht mehr in dessen Namen die Frachtkontrakte aus, der Letztere könne des­ halb auch keine Verpflichtungen ähnlich denen des Rheders haben, an seine Stelle müsse in diesem Falle vielmehr der Ausrüster des Schiffes treten. Aus diesen Fall sei deshalb auch in dem Art. die geeignete Rücksicht genommen, und dabei

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Von dem Schiffer.

699

Der Eigenthümer kann denjenigen, welcher aus der Verwen­ dung einen Anspruch als Schiffsgläubiger herleitet, an der Durch­

führung des Anspruchs nicht hindern, sofern er nicht beweist, daß die Verwendung ihm gegenüber eine widerrechtliche und der Gläubiger nicht in gutem Glauben war.

Dritter Met. Von dem «Shiffer O4.

K.O. v. 23. Sept. 1 835, wegen des Rechtsverhält­

nisses der Eigenthümer von Stromfahrzeugen zu den Füh­

rern derselben und der Schiffssührer zu den Schiffsknech­

ten.

(G.S. S. 222.)

Zur Beseitigung des Mangels gesetzlicher Bestimmungen über das insbesondere als das entscheidende Moment hervorgehoben worden, daß der Aus­ rüster die Disposition über das Schiff haben müsse, indem er dasselbe entweder selbst führe, oder einem unter seinem Befehle stehenden Schiffer überlasse. In dem Art. sei jedoch der Veranlassung keine Erwähnung geschehen, aus welcher der Ausrüster das Schiff für seine Rechnung zur Seefahrt verwende, weil es sich nur darum handle, das richtige Prinzip aufzustellen; und weil alle Veranlassun­ gen doch nicht erschöpfend aufgestellt werden könnten. Sie könnten nämlich nicht allein in Miethsverträgen (lpcat. conduct. rerum oder auch rerum et operarum zu unterscheiden von der locat. conduct. operis des Art. 557) liegen, sondern z. B. auch darin, daß Einem das Eigenthum, einem Anderen die Nutznießung des Schiffes zustehe, oder daß Jemand' auf rechtswidrige Weise ein Schiff in Be­ sitz habe und dasselbe in die See sende u. dergl. Es genüge aber für solche Fälle nicht, zu sagen, daß der Ausrüster die Rechte und Pflichten des Rheders habe; der Umstand, daß der Rheder in vielen Fällen nur beschränkt hafte, mache viel­ mehr noch eine andere Bestimmung erforderlich, und es bleibe in dieser Hinsicht nichts anderes übrig, als daß man unterscheide: ob die Verwendung des Schiffes durch den Ausrüster eine befugte war, oder nicht; daß man im ersten Falle dem dritten Forderungsberechtigten das Recht einräume, sich an das Schiff zu halten, während-der Eigenthümer sich wegen des Ersatzes des ihm hierdurch zugehenden Schadens an dem Ausrüster zu erholen hätte, daß dagegen im zweiten Falle der Dritte für berechtigt erklärt werde, von dem Ausrüster mittelst eines persönlichen Anspruches dasjenige ersetzt zu verlangen, was er gehabt haben würde, wenn er sich an das Schiff hätte halten können. Die den ersten dieser Fälle betreffende Bestimmung sei in dem Art. ausdrücklich ausgenommen (Abs. 2); einer ausdrück­ lichen Bestimmung für den zweiten Fall bedürfe es aber nicht, da die allgemei­ nen Rechtssätze über Widerrechtlichkeiten hiefür ausreichend seien. Diese Auffas­ sung habe ihre hinlängliche Begründung in der Erwägung, daß der Eigenthümer, der sich gefallen lasse,' daß ein Anderer sein Schiff zur Seefahrt verwende, auch die möglicher Weise hieraus entstehenden Folgen für sein Schiff nicht dürfe ab­ wehren können." (Prot. S. 1656 ff.)

1) Das H.G.B. hat keine Definition des Schiffers. Manche andere Gesetz­ bücher, z. B. das holländische und spanische Gesetzbuch, haben eine solche ausge­ nommen. Auch das alte preuß. Seerecht und nach ihm das A. L.R., welches §. 1445 d. 8. T. sagt: „Derjenige, welchem die Aufsicht und Führung des ganzen Schiffs von den Rhedern übertragen ist, wird, ohne Rücksicht auf den ihm etwa beibelegten besonderen Namen, als Schiffer betrachtet". Der preuß. Entwurf definirte den Schiffer nicht. Ein Abg. schlug in erster Lesung eine der landrecht­ lichen ähnliche Definition dahin lautend vor: „Schiffer,' Schiffsführer oder

700

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

/

Rechtsverhältniß der Eigenthümer von Stromfahrzeugen zu den Führern der­ selben will Ich bestimmen: 1) daß die Vorschriften der Gesindeordnung vom 8. November 1810 auch auf das Verhältniß zwischen den Stromschiffern zu den Schiffsknechten

angewendet werden —; 2) daß die Vorschriften des Allg. Landsrechts über das Verhältniß der Schiffsrheder zu den Schiffern *2) auch auf das Verhältniß der Eigenthümer der Stromfahrzeuge zu den Stromschifsern ausgedehnt werden;

3) fällt roeß 2a); und 4) daß bei Streitigkeiten zwischen den Eigenthümern der Stromsahr­ zeuge und den Schiffern der Polizeibehörde des jedesmaligen Aufenthaltsortes der Jntereffenten die Entscheidung in soweit, als sie derselben in Gesindesachen verfasiungsmäßig zusteht, mit Vorbehalt der an einzelnen Orten nothwendi­ gen Reglementarbestimmungen zu übertragen ist.

Schiffskapitän ist derjenige, dem von einem Rheder oder einer Rhederei die Füh­ rung eines bestimmten Schiffes übertragen worden ist. Er ist für die Dauer einer Reise der gesetzliche Vertreter von Schiff und Ladung". Der Antrag sand jedoch von mehreren Seiten Widerspruch; man wendete namentlich gegen densel­ ben ein, die meisten neueren Gesetzbücher hätten von Aufstellung einer Definition des Schiffers, weil dieselbe entbehrlich sei, Umgang genommen, die vorgeschlagene Definition sei zudem nicht erschöpfend, indem sie z. B. den Fall nicht treffe, wenn Jemand sein eigenes Schiff führe, oder wenn der Schiffer nicht vom Rhe­ der, sondern nach dem Tode des früheren Schiffers durch den Konsul bestellt werde, oder wenn Jemand in dem eben erwähnten Falle kraft der Schiffshier­ archie in die Stelle des Kapitäns einrücke rc. Daraus wurde der Vorschlag zu­ rückgezogen. (Prot. S. 1751.) 2) (2. A.) Die Vorschriften des A. L.R. über die Seeschifffahrt find zwar durch Art. 60 des Einf.-Ges. vom 24. Juni 1861 aufgehoben und man bemerkte in den vereinigten Kommissionen des Abgeordneten-Hauses von 1861, daß dem­ zufolge auch die Bestimmung 2 der K.O.' vom 23. September 1835 mit der Ein­ führung des H.G.B. außer Kraft trete. (Anm. 133 zu Art. 61 des Eins. - Ges.) Dieß ist jedoch nicht der Fall; die Bestimmung der Nr. 2 der K.O. ist nicht ausgehoben, und das H.G.B. enthält keine Bestimmungen über das Verhältniß der Eigenthümer der Stromfahrzeuge zu den Stromschiffern, es ist auch das in den Sitzungen jener Kommissionen von der Staatsregierung verheißene Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Binnenschifffahrt noch nicht erschienen. Deshalb muß bis auf Weiteres auch die Bestimmung Nr. 2 der gedachten Kabinets-Ordre zur Anwendung kommen. Es ist klar, daß unter den darin bezeichneten Vor­ schriften alle diejenigen Vorschriften verstanden werden müssen, welche sich in den §§. 1445—1533 d. T. befinden. Insofern also unter diesen Vorschriften sich solche befinden, aus denen dritte Personen Rechte erlangen (was z. B. mit dem §. 1450, der sich nur auf das Verhältniß zwischen Rheder und Schiffer, nicht aber auf das Verhältniß Beider zu dritten Personen bezieht, nicht der Fall ist. Erk. des Obertr. vom 2. Dezember 1862, Arch. s. Rechtsf. Bd. XLVIII, S. 122), müssen auch diese als auf die Stromschiffsahrt ausgedehnt gelten. Erk. dess. vom 3. Juli 1856 (Entsch. Bd. XXXIII, S. 117) und Erk. vom 2. Dezember 1862 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XLVIII, S. 123). Die Bestimmungen des A. L.R. jedoch, welche die Rechte der Befrachter und Empfänger betreffen, kommen ferner nicht in Anwendung. Art. 390 und Anm. 3 dazu, und Anm. 133 Abs. 3 zu Art. 61 des Eins. - Gesetzes. — Da ein vollständiges Gesetz über die BinnenschifffahrtsVerhältnisse in naher Aussicht steht, so sind die §§. 1445—1533 hier weggelassen.

2 a) (2. A.) Betrifft das Verhältniß zwischen den Stromschiffern und den Befrachtern, worüber anderweite Bestimmungen getroffen sind. S. die vor. Anm. 2 a. E.

Von dem Schiffer.

70 t

Art. 478. Der Führer des Schiffs (Schiffskapitän, Schiffer) ist verpflich­ tet, bei allen Dienstverrichtungen, namentlich bei der Erfüllung der

von ihm auszusührenden Verträge, die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers anzuwendens). Er haftet für jeden durch sein Verschulden entstandenen Schaden, insbesondere für den Schaden, welcher aus der Verletzung der in diesem und den folgenden Titeln ihm auserleg­ ten Pflichten entsteht.

Art. 479. Diese Haftung des Schiffers besteht nicht nur gegenüber dem Rheder, sondern auch gegenüber dem Befrachter, Ablader und La­ dungsempfänger, dem Reisenden, der Schiffsbesatzung und demje­ nigen Schiffsgläubiger, dessen Forderung aus einem Kreditgeschäfte

(Art. 497) entstanden ist, insbesondere dem Bodmereigläubiger^). 3) Er muß die Versehen vertreten, die ein vorsichtiger und erfahrener Schiffer sich nicht würde zu Schulden kommen lassen, sagt das A. L.R. §. 1462 d. 8. T. Ueber die Anstellung des Schiffers schweigt das H.G.B. Ein alter, auch in privatrechtlicher Hinsicht erheblicher, im Wisbyischen, Hanseatischen, im alten preuß. Seerechte und im A. L.R. §. 1448 d. 8. T. enthaltener Satz des Seerechtes ist, daß der Schiffer nicht eher angenommen werden darf, als bis er die Ent­ lassung aus einem früheren Dienste nachgewiesen hat. Diesen Satz hatte der Preuß.' Entwurf (Art. 411) ausgenommen. Die Versammlung strich denselben aus die Bemerkungen: Der Absatz enthalte ohne Zweifel eine Vorschrift von rein polizeilichem Inhalte (was andererseits mit der Behauptung bestritten wurde, daß er auch eine privatrechtliche Bedeutung habe), die noch dazu in vielen bedeuten­ den Seeplätzen nicht herkömmlich sei, und möglicher Weise zu Chikanen benutzt werden könne, ohne andererseits einen namhaften Vortheil zu bieten. Wenn ein Rheder den Schiffer chikaniren wolle, könne er ihm die Ausstellung eines Ent­ lassungszeugnisses verweigern, und bis dann im Wege des Prozesses dieses Zeug­ niß erzwungen sei, werde nicht selten die beste Zeit für anderweitige Anstellungen des Schiffers abgelaufen sein, zu dessen Stellung die betreffende, an das Ver­ hältniß von Domestiken erinnernde, Vorschrift auch keinesweges zu passen scheine. Daß die Vorschrift im hanseatischen Rechte enthalten und doch an manchen Plätzen, an welchen dasselbe in Geltung sei, ganz außer Gebrauch gekommen, scheine der beste Beweis dafür zu sein, daß sie sich praktisch nicht empfehle. (Prot. S. 1753.) Das A. L.R. §. 1450 d. 8. T. schrieb vor, daß zur Verhütung alles Streites mit dem Schiffer ein schriftlicher Kontrakt geschlossen werden müsse, und verwies bei dem Mangel eines solchen im §. 1453 aus die Vorschriften Th. I, Tit. 5, §§. 155 ff. Diese Vorschrift hatte zu einem Zweifel darüber Anlaß gegeben, ob der Anspruch des Befrachters an den Rheder wegen Erfüllung des vom Schiffer geschlossenen Frachtkontrakts und wegen Entschädigung durch das Bestehen eines von dem Rheder mit dem Schiffer schriftlich geschlossenen Kontrakts bedingt sei, welchen Streit das Obertr. zutreffend verneinend entschied. Erk. v. 1. Dezember 1859 (Arch. f. Rechtsf. Bd. XXXVI, S. 47). Nach dem H.G.B. kann ein sol­ cher Zweifel nicht aufkommen, ein schriftlicher Kontrakt ist darnach nicht erforderlich. Das Verhältniß zwischen Rhedern und Schiffern ist, im Allgemeinen, nach den Grundsätzen von Verträgen über Handlungen (I, 11, Abschn. 8) zu beur­ theilen, sagt der §. 1450 d. 8. T. Dieser Satz hat mit der formellen Aufhebung des landrechtlichen Seerechtes seine Geltung nicht verloren, weil der Schifferkon­ trakt eben ein solcher Vertrag ist, nämlich entweder eine locatio conductio operarum, oder, wenn der Schiffer für ein bestimmtes Unternehmen angenommen ist, eine locatio conductio operis.

3 a) Vergl. unten, Artt. 693, 694 und die Anmerkungen dazu.

702

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Der Schiffer wird dadurch, daß er auf Anweisung des Rheders

gehandelt hat, den übrigen vorgenannten Personen gegenüber von

der Haftung nicht befreit^). Durch eine solche Anweisung wird auch der Rheder persönlich

verpflichtet, wenn er bei Ertheilung derselben von dem Sachverhalt­

nisse unterrichtet todt6 4).5 Art. 480. Der Schiffer hat vor Antritt der Reise dafür zu sorgen6), daß 4) Der Schiffer hat vermöge seines Berufes eine Reihe von Verpflichtungen, welche im Interesse des allgemeinen Wohles zu erfüllen sind und von welchen er deshalb auch durch Vertrag nicht entbunden werden kann; er macht sich denjenigen, welche in Folge einer Vernachlässigung der polizeilichen Obliegenheiten beschädigt werden, privatrechtlich verantwortlich. Dahin gehören die Obliegenheiten desselben bezüglich der Wahrung der Nationalität des Schiffes, bezüglich der Beobachtung der polizeilichen Vorschriften, namentlich soweit dieselben den Schutz des Lebens

und des Gutes Anderer zum Gegenstände haben (Artt. 480 — 494) (Vergl. Prot. S. 1752.)

u. dergl.

5) Er macht sich dadurch zum intellektuellen Urheber der in Folge jener Anweisung durch die Vernachlässigung einer Obliegenheit des Schiffers entstan­ denen Beschädigung, und haftet als solcher nach Maßgabe der Bestimmungen des Tit. 6, Th. L 6) In erster Lesung wurde der Ausdruck: „Der Schiffer hat dafür zu sorgen", beanstandet. Ein Mitglied hielt dafür, daß dieser Ausdruck zu wenig sage, we­ nigstens nach der Auslegung, die ihm in den Motiven zum preuß. Entwürfe ge­ geben sei, indem der Schiffer hiernach schon dann von aller Verantwortlichkeit frei wäre, wenn er nur seinen Rheder auf die vorhandenen Mängel der Aus­ rüstung rc. aufmerksam gemacht hatte. Ein anderes Mitglied aber hielt dafür, daß dieser Ausdruck leicht zu streng aufgefaßt werden könnte; man werde diesen Ausdruck dahin verstehen, daß der Schiffer, wenn die Rheder seine Ausstellungen für unbegründet hielten, die Pflicht und das Recht habe, selbst vorzugehen und das Fehlende auf Kosten der Rhederei anzuschaffen rc. re., eine Stellung des Schif­ fers, welche nicht angemessen und jedenfalls nicht durchführbar sei. — Diesen Bedenken wurde jedoch entgegengehalten, die Motive wollten nicht mehr sagen, als daß der Schiffer dem Rheder gegenüber von weiterer Haftung frei sei, wenn er ihn von den entdeckten Mängeln unterrichte; sie wollten aber nicht ausschlie­ ßen , daß er Dritten, z. B. dein Ablader, verhaftet bleibe, falls er ohne Erledi­ gung seiner Bedenken in See gehen und daraus ein Schade entstehen sollte. Wenn er also von aller Haftung frei sein wolle, so werde er ohne genügende Ausrüstung jedenfalls nicht üt See gehen dürfen. Ein Mitglied beantragte hier­ auf, den Art. dahin zu fassen: „Der Schiffer darf die Reise nicht anoers an­ treten , als wenn das Schiff in seetüchtigem Stande" u. s. w.; fand jedoch des­ halb Widerspruch, weil der Schiffer, so lange er auf der Reise sei, nicht bloß abzuwarten habe, bis die Rheder für die Ausrüstung sorgten, sondern ohne Zwei­ fel berechtigt sein werde, die nöthigen Anschaffungen selbst zu machen. Dieser Antrag würde zuletzt auch abgelehnt und der Entwurf unter dem Vorbehalte angenommen, daß statt „sorgen" ein anderer Ausdruck gewählt werde, aus wel­ chem deutlich hervorgehe, daß der Schiffer civilrechtlich' für die Beobachtung des Artikels einzustehen habe, durch welchen jedoch der Festsetzung des Grades dieser Haftbarkeit (Art. 478) kein Eintrag geschehe. (Prot. S. 1755.) Hierauf brachte der Entwurf aus erster Lesung diese Fassung (Art. 434): „Der Schiffer ist dafür verantwortlich" rc. In zweiter Lesung jeooch kehrte die Versammlung zu dem Ausdrucke „sorgen" zurück, nahm aber dazu den vorhergehenden Art. 479 an, wodurch das Verhältniß des Schiffers und dessen Verantwortlichkeit nach der Seite des Rheders und nach der dritter Betheiligten klar gestellt ist. Hat er seine Pflicht gegen den Rheder durch Kundgebung der Mängel erWt, so ist er

Von dem Schiffer,

das Schiff in seetüchtigem Stande, gehörig eingerichtet und ausgerü­ stet, gehörig bemannt und verproviantirt ist, und daß die zum Aus­ weise für Schiff, Besatzung und Ladung erforderlichen Papiere7 * )* an ****

Bord sind.

Art. 481. Der Schiffer hat zu sorgen8) für die Tüchtigkeit der Geräthschasten zum Laden und Löschen, sowie für die gehörige Stauung nach Seemannsbrauch, auch wenn die Stauung durch besondere Stauer bewirkt wirb9). ihm gegenüber von aller Nerantwortlichkeit frei, weil der Rheder es so gewollt hat und nicht unter der rechtlichen Gewalt des Schiffers steht; geht er aber dar­ auf nach dem Willen des Rheders mit dem mangelhaft ausgerüsteten Schiffe doch in See, so haftet er sowie der Rheder für den dadurch entstehenden Schaden den Beschädigten solidarisch. In wiefern der Schiffer in einem solchen Falle ein Re­ greßrecht gegen den Rheder hat, ist nach den Grundsätzen über Entschädigungen außerhalb des Falles emes Kontrakts mit Berücksichtigung der Umstände des kon­ kreten Falles zu beurtheilen. — Die dem Schiffer ’tnt Art. 480 zur Pflicht ge­ machte Obsorge setzt eine vor Einnehmung der Ladung vorgenommene genaue Untersuchung der Seetüchtigkeit und der Ausrüstung voraus, welche ihm das A. L.R. §§. 1472 ff. d. 8. T. und der Code de commerce Art. 225 ausdrücklich Vorschrieben. 7) Der preuß. Entwurf Art. 412 nennt den Beilbrief (in dessen Stelle das Certifikat gekommen ist), den Meßbrief, das Schiffsinventar, die Musterrolle und das Ladungsmanifest (Ladungsverzeichniß), wozu auch noch der Seepaß tritt. Die Versammlung strich jedoch 'das Verzeichniß, weil diese Detailbestimmungen für das gemeinsame Gesetzbuch sich nicht zu empfehlen schienen. (Prot. S. 1755.)

8) M. s. die vor. Anm. 6 zu Art. 480. 9) Diese Bestimmung ist in alten und neuen Seerechten, auch im A. L.R. §§. 1478 —1482 d. 8. T. enthalten. Wenn der Schiffer nach den Gesetzen des Ladungsortes vereidigte Stauer zu nehmen verpflichtet ist, so soll der Schiffer, der doch immer noch Herr der Stauung (der Ladung und Packung) bleibt, von der Haftung für dieselbe nicht befreit sein, wenn er nicht nachzuweisen im Stande, daß die Stauung ungeachtet seiner Einsprache und ohne daß er eine Abhülfe fin­ den konnte, ungehörig vorgenommen worden. Man hat jedoch dafür gehalten, es werde keiner ausdrücklichen Erwähnung dieser Fälle im Gesetze bedürfen, da die­ selben gewiß nur sehr selten vorkämen.' (Prot. S. 1756.) Das A. L.R. §. 1481 schrieb "vor, daß der Schiffer in einem solchen Falle gegen das Verfahren der Stauer Protest aufnehmen zu lassen habe, widrigenfalls chm die Entschuldigung, daß der Fehler durch die Stauer veranlaßt sei, nicht zu Statten kommen solle. Diese ausschließende Form fällt nun hinweg; es ist Sache des Schiffers, wie er sich den nöthigen Beweis sichern wolle. Der Entwurf (Art. 413) schrieb vor, der Schiffer habe für „zweckmäßige" Stauung zu sorgen. Dieser Ausdruck wurde angefochten und bemerkt: Derselbe könne leicht zu einer ungebührlichen Beschwerung des Schiffes Anlaß geben, in­ dem man demselben möglicher Weise eine absolute Bedeutung beilegen und von dem Schiffer den Nachweis verlangen werde, daß die Stauung'nach der wirklichen, wenn auch dem Schiffer unbekannten, Beschaffenheit der Güter oder nach mathe­ matischen , wenn auch bisher unbekannten, Regeln eine zweckmäßige gewesen sei. Eine absolute Vortrefflichkeit seiner Maßregeln könne man aber vom Schiffer ge­ wiß nicht verlangen, sondern nur, daß er mit Sorgfalt nach den Grundsätzen der Seemannskunst verfahre. Man werde also einen Ausdruck zu wählen haben, der den Gerichten einigen Raum zur Berücksichtigung der Billigkeit lasse, weshalb man statt „zweckmäßig" „gehörig nach Seemannsbrauch" zu setzen Vorschläge.

704

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Er hat dafür zu sorgen, daß das Schiff nicht überladen1 °), und daß es mit dem nöthigen Ballaste und der erforderlichen Garnirung versehen wird. Art. 482. Wenn der Schiffer im Auslande die dort geltenden gesetzlichen Vorschriften, insbesondere die Polizei-, Steuer- und Zollgesetze nicht beobachtet, so hat er den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Desgleichen hat er den Schaden zu ersetzen, welcher daraus ent­ steht, daß er Güter ladet, von welchen er wußte oder wissen mußte11 * *),* * * 10 daß sie Kriegskontrebande seien 12). Dies wurde auch angenommen. (Prot. S. 1756.) So ist die vorliegende Fas­ sung entstanden. Was seemannskunstmäßig sei, ist bei vorfallendem Streite durch Sachver­ ständige festzustellen; das A. L.R. gab darüber in den §§. 1475 ff. eine ausfiihrliche Instruktion.

10) Das Verbot der Ueberladung enthält das A. L.N. §. 1483 d. 8. T. mit dem Präjudiz, daß der Schiffer bei durch Ueberladung entstehendem Schaden sich mit dem Verlangen der Befrachter oder Spediteure gegen die Vertretung nicht schützen könne. Dies mlt auch nach dem H.G.B., weil das Verbot polizeilicher Natur ist. Der Schiffer muß daher den Zumuthungen, eine größere Ladung einzunehmen, als das Schiff zu tragen vermag, entgegentreten. Auch können die Ladungsinteressenten auf Grund des Abs. 2 die theilweise Wiederausladung ver­ langen, wenn das Schiff überladen ist. (Vergl. Prot. S. 1774.) — Noch we­ niger kann er sich mit der Unkenntniß der Tragfähigkeit des Schiffes schützen, er muß die Kräfte seines Schiffes so gut kennen, wie der Reiter die Kräfte seines Pferdes, sagt ein Sprichwort des Seerechts. Ord. de Bilbao, 24, 25. Der Schiffer muß überhaupt für eine „gehörige" Ladung vorzügliche Sorgfalt verwen­ den, damit das Schiff eine „bequeme" Fahrt habe. Vergl. A. L.R. §. 1475. 11) Der Schiffer haftet also nicht absolut und unbedingt für den in Rede stehenden Schaden, einestheils wegen des unbestimmten Begriffs der Kriegskon­ trebande, anderentheils weil sonst die Schiffer niemals eigentliche Kriegsbedürfnisse würden laden können; denn diese würden, da wohl zu jeder Zeit wenigstens an einem Orte auf der Erde Krieg sei, immer als Kriegskontrebande erscheinen; man würde es deshalb nicht allein in dem Falle, wenn man sich in der Nähe des Kriegsschauplatzes befilide, unterlassen müssen, von einem neutralen Hafen zum anderen Kriegsbedürfnisse zu Schiffe zu bringen, sondern z. B. in einer Zeit nicht einmal nach England Pulver u. dgl. einschiffen dürfen, wenn dieses sich mit China im Kriege befinde. Deshalb ist der Schiffer nur dann für haftbar erklärt wor­ den, wenn ihn in der That ein Verschulden trifft, also wenn er es gewußt hat, oder wenn er dies bei Anwendung der nöthigen Vorsicht hätte wissen müssen. (Prot. S. 1762.) Im Verlaufe der Debatte wurde auch die Frage angeregt, bis zu welchem Grade des Verschuldens die Haftung des Schiffers aus der Nichtbeobachtung der in Rede stehenden Vorschrift sich erstrecke, ob er auch culpa levis zu prästiren habe, oder nur culpa lata, und ob in der Vorschrift eine Entscheidung hierüber enthalten sei. Die Mehrzahl der Mitglieder sprach sich dahin aus, daß die Frage, welchen Grad des Verschuldens der Schiffer prästiren müsse, weder durch den Abs. 2 entschieden worden sei, noch hier entschieden werden sollte. Es genüge hier auszusprechen, daß der Schiffer für sein Versehen in Ansehung der Ladung von Kontrebande hafte. Der Grad des Verschuldens, den er zu prästiren habe, müsse derselbe sein, wie bezüglich seiner übrigen Obliegenheiten (Art. 478). Wenn es im Abs. 2 nun heiße: „oder wissen mußte", so heiße das nichts anderes, als was ihm ohne einen solchen Grad des Verschuldens, für den er nach Maßgabe des Art. 478 aufzukommen hat, nicht unbekannt bleiben konnte. Ein Mitglied fügte

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Von dem Schiffer.

Art. 483. Sobald das Schiff zum Abgehen fertig ist, hat der Schiffer die

Reise bei der ersten günstigen Gelegenheit anzutreten. dem noch bei: Wenn der Schiffer dasjenige gewußt und beobachtet habe, was je­ der andere ordentliche Schiffer wußte, so sei' er nicht nur ohne grobes, sondern ohne alles Verschulden; die Folgen seines Nichtwissens könnten ihm in diesem Falle also schon wegen des Mangels jener Verschuldung nicht zugerechnet werden. (Ebd. S. 1763.) Die Thatsache des unverschuldeten Nichtwissens muß, da sie sich als etwas Inneres der direkten Beweisführung entzieht, durch das auf die vorwal­ tenden Umstände deS Streitfalles gegründete Verdikt festgestellt werden.

12) Kriegskontrebande ist Handel contra bannum, d. h. gegen das Verbot einer krieasführenden Macht. Der Ausdruck stammt aus den Kreuzzügen, in wel­ chen die Genueser und Venetianer den Sarazenen Kriegsbedürfnisse lieferten, wel­ ches der Pabst bei Strafe des Bannes verbot. Jacobsen, Seerecht, S. 128. Wenn der Schiffer auf Verlangen oder mit Einwilligung der Rheder und Befrachter Kontrebande einnimmt, so ist er außer Verantwortllchkeit. Wer nicht eingewilligt hat, muß von Schiffer und Rheder entschädigt werden. Außerdem hat der Schiffer, welcher ohne Einwilligung der Rheder und Befrachter Kontre­ bande oder andere dergleichen Güter, welche das ganze Schiff und die übrige La­ dung in Gefahr setzen, wissentlich ladet, Gesängnißstrafe bis zu 2 Jahren ver­ wirkt. Str.-G.B. §. 278. Der Begriff der Kriegskontrebande ist schwankend und in jedem Kriege an­ ders; es seien, wurde bemerkt, schon Dinge in einzelnen Fällen als Kontrebande bezeichnet worden, von denen der Schiffer dies int Voraus nicht annehmen konnte, z. B. Weizen, Wein, Käse, Lachs, Hanf u. dgl. Mitunter habe dazu, um eine Waare als Kontrebande zu erklären, schon die Erwägung genügt, daß sie nach den vorliegenden Verhältnissen möglicher Weise in die Hand des Feindes kommen und diesem nützlich fein könnte. (Prot. S. 1761.) In solchen Fällen kann dem Schiffer die Kondemnation nicht zugerechnet werden. Das A. L.R. §. 1487 verbietet in Kriegszeiten auch die Ladung von Gütern, deren äußere Beschaffenheit eine unrichtige Angabe über ihre Eigenschaft vermu­ then läßt. Dieses Verbot, jedoch ohne bie Beschränkung auf Kriegszeiten, enthielt auch der preuß. Entwurf (Art. 414, Abs. 2). Es wurde auf dessen Streichung angetragen und dafür angeführt: Wenn dasselbe nicht mehr sagen solle, als daß der Schiffer bei Vermeidung eigener Verantwortlichkeit die Hand nicht dazu bieten dürfe, daß Waaren, namentlich nicht Kontrebande, mit falscher Deklaration gela­ den und dadurch Schiff und Ladung gefährdet würden, so verstehe sich dies von selbst. In der Allgemeinheit aber, in welcher dieses Verbot vorgeschlagen sei, er­ scheine es nicht als gerechtfertigt (wie dann näher gezeigt wird).' Dagegen wurde für die Beibehaltung der Vorschrift geltend gemacht: Wenn aus der äußeren Be­ schaffenheit einer Waare die Unrichtigkeit der über ihre Eigenschaft gemachten An­ gaben erhelle, so könne der Schiffer'von der Verpflichtung nicht entbunden wer­ den, die wahre Beschaffenheit festzustellen, um die Waare zurückzuweisen, sofern sie Schiff oder Ladung gefährde. — Die Unterdrückung der Vorschrift müsse die Gefahr hervorrufen, daß der Schfffer in allen Fällen, unbekümmert um die Fol­ gen, der Deklaration vertraue, sollte ihm auch die Unrichtigkeit derselben bei der geringsten Aufmerksamkeit erkennbar sein, daß er z. B. auf die Deklaration sich verlassend, Kanonenkugeln lade, die als Baumwolle deklarirt seien u. s. w. — Hierauf ward jedoch erwidert, der Antrag auf Streichung bezwecke durchaus nicht das Gegentheil von dem, was der Entwurf bestimme, sondern wolle nur die Frage, ob den Schiffer ein Verschulden treffe, nach allgemeinen Grundsätzen reguli'rt wissen, wie denn auch das A. L.R. die gedachte Vorschrift nur für Kriegs­ zeiten, wo die Umstände eine besondere Aufmerksamkeit des Schiffers erheischten, erlassen habe. — Bei der Abstimmung wurde mit 10 gegen 1 Stimme die Strei­ chung der debattirten Bestimmung beschlossen. (Prot. S. 1765.) — Hiernach ist durch die Weglassung dieses Spezialfalles eine materielle Rechtsänderung nicht eingetreten.

Koch, A. D. Handelsgesetzbuch. 2. Xufl.

45

706

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Auch wenn er durch Krankheit oder andere Ursachen verhindert ist, das Schiff zu führen, darf er den Abgang oder die Weiterfahrt

desselben nicht ungebührlich aufhalten; er muß vielmehr, wenn Zeit und Umstände gestatten, die Anordnung des Rheders einzuholen, diesem ungesäumt die Verhinderung anzeigen und für die Zwischen­ zeit die geeigneten Vorkehrungen treffen, im entgegengesetzten Falle

einen anderen Schiffer einsetzen.

Für diesen Stellvertreter ist er nur

insofern verantwortlich, als ihm bei der Wahl desselben ein Verschul­

den zur Last fällt1 * 3* ).* *

Art. 484. Vom Beginne des Ladens an bis zur Beendigung der Löschung dars der Schiffer das Schiff gleichzeitig mit dem Steuermanne nur in

dringenden Fällen verlassen; er hat in solchen Fällen zuvor aus den Schiffsoffizieren oder der übrigen Mannschaft einen geeigneten Ver­

treter zu bestellen. Dasselbe gilt, auch vor Beginn des Ladens und nach Beendi­

gung der Löschung, wenn das Schiff in einem nicht sicheren Hafen oder auf einer nicht sicheren Rhede liegt. Bei drohender Gefahr oder, wenn das Schiff in See sich be­

findet, muß der Schiffer an Bord sein, sofern nicht eine dringende Nothwendigkeit seine Abwesenheit rechtfertigt14). Weiter enthält das A. L.R. §. 1485 das Verbot, von einem unbekannten oder unsicheren Befrachter Güter an Bord zu nehmen, deren Qualität er nicht genau kennt. Auch dies ist nicht ausgenommen, fällt aber unter das festgestellte Prinzip über die Verantwortlichkeit des Schiffers in Beziehung auf die Stauung. 13) Der Abs. 2 enthält im Wesentlichen die Bestimmungen des A. L.N. §§. 1469 — 1471 d. 8. T.

14) Der Art. 484 entspricht wesentlich den Bestimmungen des A. L.R. §§. 1488 — 1490 u. 1467. Die Vorschrift, daß der Schiffer nicht außer dem Schiffe schlafen, d. h. übernachten (§. 1488) darf, ist den Rhodischen Seegesetzen Kap. 26 entnommen, und findet sich, wenngleich mit größeren oder geringeren Abweichungen, in allen älteren und neueren Seerechten wieder. Sie hat den Zweck, anszusprechen, daß sich der Schiffer durch Außerachtlassung derselben den Betheiligten, und zwar sowohl dem Rheder als dem Befrachter,' Privatrechtlich verantwortlich mache. Aus dem A. L.R. §§. 1491 — 1495 war. in den Entwurf (Art. 417) die Vorschrift ausgenommen worden, daß der Schiffer von dem üblichen Wege (Kurs) ohne erheblichen Grund nicht abweichen, und, wenn er unter Konvoy oder Admi­ ralschaft segelt, dieselbe ohne Noth nicht verlassen dürfe. Konvoy heißt nach dem Französischen die Bedeckung von einem Kriegsschiffe oder mehreren Kriegs­ schiffen, welche eine gemeinschaftlich reisende Kauffahrteiflotte, zum Schutze wider Seeräuber oder im Kriege gegen den Feind, begleiten (konvoyiren); und Admiralschaft nennt man die 'Befehlshaberschaft über eine Flotte von Kauffahrteischif­ fen, welche sich zur gemeinschaftlichen Vertheidigung auf ihrer Fahrt unter einem aus ihnen gewählten Anführer bereinigt haben. Bei Diskussion dieses Art. wurde die Streichung beantragt und angeführt: Der Inhalt des Art. sei, insoweit er die Einhaltung der üblichen Wege angehe, zwar in den älteren Seerechten enthal­ ten , scheine aber zum jetzigen Standpunkte der Schifffahrt nicht mehr zu paffen,

Von dem Schiffer.

707

Art. 485. Wenn der Schiffer in Fällen der Gefahr mit den Schiffsoffizie­

ren einen Schiffsrath zu halten für angemessen findet, so ist er gleich­ wohl an die gefaßten Beschlüsse nicht gebunden; er bleibt Ms für

die von ihm getroffenen Maßregeln verantwortlich'8).

indem jetzt je nach Verschiedenheit der Witterungsverhältnisse andere Wege nach einem und demselben Orte eingeschlagen würden', sonach nicht leicht zu sagen sei, welcher Weg als der übliche anzusehen; die Admiralschaft aber komme nicht mehr vor, und der Begriff der Konvoy endlich sei nicht ganz bestimmt, wenngleich, wie einer der Abg. bemerkte, derselbe dahin festzusetzen sei, daß das kouvoyirende Schiff zu den Feinden des Feindes des konvoyirten gehören müsse; eine allgemeine Be­ stimmung sei aber auch um so entbehrlicher, als durch die Reglements der Kon­ voy und' die Ordres der Befehlshaber der betreffenden Kriegsschiffe ohnehin alles Nöthige geordnet werden würde. — Hiergegen wurde zwar zu Gunsten des Art. angeführt: Die Vorschrift sei ihrem wesentlichen Inhalte nach nicht allein in älte­ ren, sondern auch in neueren «Leerechten und Seegesetzen enthalten, sie sei an und für sich unzweifelhaft gerechtfertigt, auch nicht so selbstverständlich, daß der Gesetz­ geber sie übergehen dürfe; endlich sei ein üblicher oder doch nicht üblicher Weg fiir jede Reise festzustellen. Die Admiralschast, wiewohl veraltet, sei dennoch nicht gänzlich verschwunden, die Konvoy aber in Kriegszeiten in hohem Maße praktisch. — Jedoch wurde dem Anträge auf Streichung mit 9 gegen 2 Stimmen stattzu­ geben beschlossen. (Prot. S. 1781.) Das A. L.R. giebt noch eurige instruktive Vorschriften für den Schiffer, na­ mentlich (§. 1496) die, die Schiffsleuchte bei Nacht aufzustecken, er möge unter Segel oder vor Anker sein, und über demselben den s. g. Wächter befestigen und schwimmen zu lassen. Es ist in Frage gekommen, inwiefern diese Vorschriften, wenn es sich um Entschädigung wegen Uebersegelung handle, für fremde Schiffer verpflichtend und gegen sie bei hiesigen Gerichten anwendbar seien. In dieser Beziehung hat das Öbertr. angenommen, daß dieselben für solche Schiffer auf offener See, wo die Herrschaft eines bestimmten Staates und dessen positives Recht nicht airzuerkennen ist, nicht verpflichtend seien, und in einem Falle, wo ein eng­ lisches Schiff, welches in dunkler Nacht ohne Leuchte fuhr, ein preußisches Schiff in den Grnnd gesegelt hatte, dell englischen Kapitän, der in einem preußischen Hasen angelangt, hier auf Schadensersatz aus feinem Vermögen, aus dem von ihm geführten, mit Arrest belegten Schiffe und aus dessen Frachtgeldern belangt wurde, nach englischem Rechte verurtheilt. Für die Schadensersatzpflicht und für die Passivlegitimation wnrden die am Orte des Prozeßgerichts in Geltung stehen­ den preußischen landrechtlichen Gesetze zur Richtschnur genommen. Doch ist dabei der Satz, daß die Gesetze, nach welchen streitige Rechtsverhältnisse zu beurtheilen, davoll abhängen, bei welchem Gerichte dieselben zur prozessualischen Erörterung gebracht worden, nicht als Regel ausgestellt, sondern es ist ihm nur in diesem Falle, soweit es auf die Festsetzung der aus der Beschädigung entstandenen Ver­ bindlichkeiten ankam, Geltnllg eingeräumt worden. Als Gründ wird angegeben, daß in Ermangelung eines über den Ort der Handlung sich erstreckenden positiven Rechts nichts weiter übrig bleibe, als die Befugniß des Beschädigten nach den Gesetzell des Ortes der Klage abzumessen. Erk. v. 25. Okt. 1859 (Entsch. Bd. XLII, S. 15 ff.). Das ist freilich unerweislich. Die Annahme ist willkürlich und die Beweisführung geschraubt, daher nicht überzeugend. Das m solchen Fällen zur Anwendung kommende Recht ist das allgemeine Völker - Seerecht.

15) Auch dann, wenn er sich durch die Beschlüsse des Schiffsraths bestimmen läßt. (Prot. S. 1789.) Die Vorschrift hat wenig praktischen Nutzen. Nach §. 1464 des A. L.R. sollte es zur Deckung des Schlffers hinreichen, wenn zum Schiffsrathe nur der Steuermann, HochbootSmann und Zimmermann zugezogen worden; an Stelle eines von diesen Fehlenden sollte wenigstens ein anderer erfahreller Schiffsmann zugezogen werden.

708

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Art. 486.

Auf jedem Schiffe muß ein Journal geführt werden 16), in

welches für jede Reise alle erheblichen Begebenheiten, seit mit dem Einnehmen der Ladung oder des Ballastes begonnen ist17), 18 einzu­

tragen sind. Das Journal wird unter Aufsicht des Schiffers

von dem

Steuermanne und im Falle der Verhinderung des Letzteren von dem

Schiffer selbst oder unter seiner Aufsicht von einem durch ihn zu be­ stimmenden geeigneten Schiffsmanne geführt'«).

16) Zu diesem Art. wurde erläuternd bemerkt: Der historische Grund der Entstehung des Schiffsjournals, nämlich der Sitte, dem Kapitän einen verpflich­ teten Schreiber an die Seite zu geben, sei zwar hinweggefallen, aber innere Gründe der Zweckmäßigkeit hätten das Institut des Schiffsjournals bis auf bie neueste Zeit erhalten, und ließen dasselbe noch fortwährend als unentbehrlich er­ scheinen. Dem Schiffer werde ein großer Werth anvertraut, der sich fortwährend in Gefahr befinde. Die Unfälle, welche die dem Schiffer anvertrauten Vermö­ gensstücke beträfen, trügen sich nun meist auf hoher See zu, wo keine Kontrole des Schiffers möglich sei. Dies habe dazu geführt, von dem Schiffer den Nach­ weis zu verlangen, daß die eingetretenen Beschädigungen nicht Folgen eigener Nachlässigkeit, sondern eines unabwendbaren Zufalles seien. Da aber der Schiffer auf hoher See, wie man zu sagen Pflege, keine anderen Zeugen als Wind und Wetter habe, so habe man es nicht bei den gewöhnlichen Beweismitteln belassen können, sondern Aushülse in einem anderen Institute suchen müssen. Dieses In­ stitut sei seiner vorwiegenden Bedeutung nach das Schiffsjournal in Verbindung mit der Verklarung. Der Rheder, der Ladunasempfänger, die Betheiligten bet einer Havarie grosse, die Assekuradeure, kurz Alle, denen der Schiffer aus der Führung des Schiffes verantwortlich sei und die bei einem Unfälle betheiligt seien, müßten die Behauptungen des Schiffers in der Regel wider sich gelten lassen, wenn derselbe sie in ein ordnungsmäßig geführtes Journal eingetragen habe, nach der Landung sein Journal der Behörde vörlege und sammt seiner Mannschaft des­ sen Inhalt eidlich bestärke. Das Journal habe also in privatrechtlicher Beziehung eine große Bedeutung; es diene namentlich in Verbindung mit der Verklarung nicht allein zur Entlastung des Schiffers, sondern auch als Beweismittel in den Rechtsbeziehungen aller Interessenten von Schiff und Ladung, so daß der Schif­ fer , welcher es zu führen unterlasse oder in den bezüglichen. Fällen zu verklaren versäume, sich zugleich allen Betheiligten verantwortlich mache. Um so weniger lasse sich daher bezweifeln, daß das'Privatseerecht Bestimmungen über Schiffs­ journal und Verklarung aufzuuehmen habe. (Prot. S. 1790.)'

17) Der Endpunkt, bis zu welchem das Journal zu führen, ist wegen der Verschiedenheit der Verhältnisse und der Interessen, hinsichtlich deren die Journal­ führung nothwendig, nach dem Vorgänge der Lübecker Verordnung v. 18. August 1819, unbestimmt gelassen; es ist nur gesagt, daß das Journal für die Zeit der Reise geführt werden müsse, um sodann in jedem einzelnen Falle nach den kon­ kreten Verhältnissen entscheiden zu können, zu welcher Zeit das Ende als einge­ treten zu erachten sei. (Prot. S. 1792.) 18) Daß in der Regel der Steuermann das Journal zu führen hat, was der Praxis entsprechen soll, ist eine Einrichtung, in welcher eine werthvolle Kontrole des Schiffers gesunden wird. Um jedoch auch dem vom Schiffer selbst geführten Journale die Glaubwürdigkeit nicht absprechen zu können, ist dem Schiffer die Befugniß zur Journalführung in Verhinderungsfällen des Steuermanns ausdrück­ lich beigelegt. (Prot. S. 1793.) Dies ist jedoch nicht als eine Bedingung der Glaubwürdigkeit aufzufassen, so daß die Thatsache der Verhinderung des Steuer­ mannes festzustellen wäre, die Vorschrift ist nur reglementarischer Natur.

Bon dem Schiffer.

709

Art. 487. Von Tag zu Tag sind in das Journal einzutragen:

bit Beschaffenheit von Wind und Wetter; die von dem Schiffe gehaltenen Surfe19)20und 21 22zurückgelegten Distanzen; die ermittelte Breite und Länge;

der Wasserstand bei den Pumpen.

Ferner sind in das Journal emzutragen: die durch das Loth ermittelte Wassertiese;

jedes Annehmen eines Lootsen und die Zeit seiner Ankunst und seines Abganges;

die Veränderungen im Personal der Schiffsbesatzung; die int Schiffsrathe gefaßten Beschlüsse?9);

alle Unfälle, welche dem Schiffe oder der Ladung zustoßen, und die Beschreibung derselben 2'). Auch die auf dem Schiffe begangenen strafbaren Handlungen und die verhängten Disziplinarstrafen, sowie die vorgekommenen

Geburts- und Sterbefällea 2) sind in das Journal einzutragen.

19) Unter „Kursen" sind hier nur die Richtungen des Schiffes gemeint, die es je nach den Strömungen des Meeres oder des Windes nimmt und ändert, um einen gewissen Weg sahren und emhalten zu können. (Prot. S. 1794.)

20) Der Entwurf (Art. 420, Ziffer 5) verlangte auch die Eintragung der Gründe, aus welchen der Schiffer von einem Beschlusse abgewichen sei, wenn er ihm nicht nachkommt. Dies wurde gestrichen, weil man der Ansicht war, daß solche Eintragungen zu weit führen und am Ende mehr Nachtheil als Nutzen im Gefolge haben würden, was näher ausgeführt wurde. (Prot. S. 1795.) 21) Zur Beschreibung gehören auch die Ursachen der Unfälle, soweit sie be­ kannt sind. Die Beschreibung wird verlangt, well man dafür hielt, nur dann, wenn sich das Journal über die stattgehabten Unfälle möglichst umständlich und genau verbreite, werde es seinen Zweck erfüllen und eine taugliche Grundlage für die Verklarungen abgeben. (Ebd. S. 1796.)

22) Diese Eintragung, die auch das A. L.R. §. 1509 d. 8. T. vorschreibt, hielt man für angemessen, obschon emgewendet wurde, daß die Vorschrift für das See­ recht ohne Bedeutung fei und nur das öffentliche Recht berühre, daß es auch nicht möglich fern würde,'im Seerechte die, mit der Anordnung dieser Eintragungen innig zusammenhängende, Frage, in welcher Weise das Schiffsjournal über Ge­ burts- und Sterbesälle Beweis liefern könne u. dgl., entsprechend zu regeln. Man war nämlich der Meinung, daß die erwähnten Eintragungen für das Privatrecht un Allgemeinen, wenn auch nicht gerade für das Privatseerecht, von der höchsten Bedeutung seien, indem sie z. B. dazu dienen würden, um über den StaMs der auf dem Schiffe Geborenen Beweis zu liefern rc., und da außerdem die Bethelligten bei dem etwaigen Schweigen der Landesgesetze gar kein Dokument über die betreffenden Ereignisse bekommen könnten, wenn nicht das Schiffsjournal eine Grundlage für solche Dokumente bieten würde. (Prot. S. 1795.) Behufs Herstellung eines solchen öffentlich glaubwürdigen Dokuments wird der Richter

über den betreffenden Fall die im Journale bezeichneten Zeugen oder die Personen, welche den Eintrag unterschrieben haben, eidlich vernehmen müssen (Art. 488).

710

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Die Eintragungen müssen, soweit die Umstände nicht hindern 23),24 25 26 27

täglich 2») geschehen. Das Journal ist von dem Schiffer und dem Steuermanne zu unterschreiben 2»).

Art. 488. Das Journal, wenn es ordnungsmäßig geführt und in der

Form unverdächtig ist, liefert für die Begebenheiten der Reise, so­

weit darüber weder eine Verklarung erforderlich (Art. 490), noch die Beibringung anderer Belege gebräuchlich ist 2«), m der Regel einen unvollständigen Beweis, welcher durch den Eid oder andere Be­

weismittel ergänzt werden kann 2*).

Jedoch hat der Richter nach

23) Eine ausdrückliche Erwähnung legitimer Gründe der Verhinderung an der täglichen . Führung des Journals im Gesetze hat man für ganz unentbehrlich gehalten; denn, wenn die Vorschrift des Gesetzes ganz absolut laute, so sei zu be­ fürchten, daß die Beweiskräftigkeit des Journals bestritten würde, wenn sich erge­ ben sollte, daß nicht jede einzelne Eintragung an dem betreffenden Tage stattgehabt habe. (Prot. S. 1798.) Diese Erwägung geht davon aus, daß des Hinderungs­ grundes ausdrückliche Erwähnung zu geschehen habe, wenn die Eintragung später geschehen und dadurch die Beweiskraft des Journals nicht geschwächt werden solle. Da man aber die Datirung der Einträge nicht vorgeschrieben hat (Anm. 24), so fehlt jedes äußere Erkennungszeichen, daß die betreffende Eintragung später gesche­ hen, wenn es unterlassen worden ist, solches zu vermerken. Die Vorschrift, daß, so lange nur immer möglich, das Journal selbst (nicht bloß die Kladde) täglich ergänzt werden müsse, damit dem Mißbräuche, das Journal erst nachträglich theils aus der Kladde, theils aus dem Gedächtnisse zu komponiren, gesteuert werde, auszusprechen, hat man für höchst wichtig gehalten, weil aus solchen Mißbräuchen großer Nachtheil entstehen könne, die Glaubwürdigkeit des Journals jedenfalls da­ durch beeinträchtigt werde; es könne auch der Fall eintreten, daß der Schiffer vor Vollendung des Journals stürbe, in welchem Falle es zum Nachtheile aller In­ teressenten an dem nothwendigen Beweise über stattgehabte Unfälle u. dgl. fehlen würde. (Prot. S. 1799.) Aber man hat die Befolgung der Vorschrift nicht ge­ sichert , auch paßt es zu der letzten Erwägung nicht, daß das Journal erst am Schluffe der Reise unterschrieben zu werden braucht (Anm. 25). Der Entwurf (Art. 420) bezeichnete als legitime Hinderungsgründe „Wind und Wetter". Diesen Ausdruck fand man zu eng und setzte dafür „die Um­ stände", weil, wenn nachher das Wetter wieder ruhiger geworden, die ganze Be­ satzung oftmals mit den nöthigen Reparaturen u. dgl. so sehr in Anspruch ge­ nommen sei, daß manchmal in mehreren Tagen nicht so viel Zeit bleibe, als zur Führung des Journals erforderlich wäre. (Ebd. S. 1798.)

24) Unter dem „täglich" ist nur gemeint, daß die Eintragungen täglich, und zwar nach Tagen ausgeschieden, zu machen, nicht aber, daß sie überdies zu datiren seien. (Prot. S. 1802.)

25) Das Journal ist vom Schiffer und Steuermanne, aber nicht auch von demjenigen, der das Journal statt des Steuermannes, ohne als solcher zu fungireu, zu führen beauftragt worden ist, zu unterzeichnen, und zwar ist dies nicht täglich, unter jedem Einträge, sondern nur am Schluffe der Reise erforderlich. (Prot. S. 1802.) 26) Mit den Worten: „noch die Beibringung — ist", soll soviel gesagt sein als: billiger Weise nicht gefordert werden kann, wenn man in dem betreffenden Falle auf Sicherung besonderer Beweismittel nicht Bedacht zu nehmen pflegt. (Prot. S. 1854.) 27) In früheren Zeiten wurde das Journal von einem verpflichteten Schiffs-

Bon dem Schiffer,

seinem durch die Erwägung aller Umstände geleiteten Ermessen zu

entscheiden, ob dem Inhalte des Journals ein größeres oder geringe­ res Maß der Beweiskraft beizulegen sei 2«).

Art. 489.

Die Landesgesetze können bestimmen,

daß aus Heineren Fahr­

zeugen lKüstenfahrer u. dgl.) die Führung emes Journals-nicht erfor­

derlich fei29 * * ). * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * 28 schreibe:- geführt und auf dessen Grund damals noch keine Verklarung errichtet. Dasselbe vertrat die Stelle der heutigen Verklarung und hatte vermuthlich volle Beweiskraft. Aber sehr fraglich wurde es gefunden, oh und welche Beweiskraft demselben nunmehr nach Wegfall des Schreibers und nach Einführung der Ver­ klarungen noch zukomme. Die meisten neueren Gesetzgebungen, namentlich das französische, spanische Und holländische Recht, sprechen 'sich üher diese Frage nicht aus, auch in der Literatur ist sie meistens übergangen worden, die Praxis der Gerichte, namentlich die der französischen Gerichte, ist schwankend. Das A. L.R. bestimmt §. 1510: „Der Schiffer und Steuermann müssen dieses Journal derge­ stalt getreulich führen, daß sie die Richtigkeit desselben auf Erfordern eidlich bestär­ ken können". Dies ist dahin verstanden worden, daß das Journal, wenn es beeidiget sei,-über die dahin vorgetragenen Begebenheiten der Reise Beweis liefere. Volle Beweiskraft legt ihm nur das österreichische editto politico, welches jedoch emen Schiffsschreiber voraussetzt, bei, während das Journal nach dem älterm und neueren englischen Seerechte zu den Beweismitteln zählt. Das hauptsächlichste Bedenken gegen* die Beweiskraft des Journals liege nun, wie hervorgehoben wurde, darin, daß eine Bestimmung dieser Art keine passende Analogie im Rechte habe und mit den Grundprinzipien des Beweisrechtes nicht harmomre. In keinem an­ deren Bereiche des Rechtslebens werde einer Urkunde, die so ohne alle Kontrole und Garantie errichtet werde, wie dns Schiffsjournal, volle Beweiskraft zu Gun­ sten dessen beigelegt, der sie errichte. Indessen aus praktischen Gründen würde dem Journal wenigstens einige Beweiskraft beizulegen fein. (Prot. S. 1850.) Nach dieser Einleitung der Debatte wurden verschiedene Vorschläge gemacht und abge­ lehnt. Von Seiten des Referenten wurde schließlich die Fassung vorgeschlagen, welche der erste Satz des Art. hat. (Ebd. S. 1854.) Die gesetzliche Entscheidung der Frage, von wem das Journal m einzelnen Prozessen zu beeidigen fei, welche Entscheidung unlösbare Schwierigkeiten gemacht haben würde, weshalb ein desfallsiger Vorschlag beanstandet wurde, ist* damit vermieden. Als selbstverständlich wurde bezeichnet, daß gegen das Journal Gegenbeweisführung zulässig sei, wenn es gegen Dritte als Beweismittel gebraucht worden sei. Ein Zusatz, daß auch dem Schiffer das Recht der Gegenbeweisführung Vorbehalten sei, wurde mit 8 gegen 3 Stimmen abgelehnt. (Prot. S. 1854.) Soll eine Begebenheit außerhalb eines Prozesses festgestellt werden, z. B. eine Geburt, behufs Errichtting einer öffentlichen Urkunde darüber, so wird nach den Vorschriften über die Aufnahme emes Beweises zum ewigen Gedächtnisse zu verfahren fein. 28) Der Zusatz zur Bestimmung des ersten Satzes dieses Art. ist nach In­ halt des Absatzes 9 des Art. 34 gemacht worden. 29) Vergl. Art. 55 des Einf.-Gesetzes, wo die desfallsige königliche Verord­ nung vorbehalten ist. In den Mot. zum Einf.-Gesetz, S. 70, wird mit Bezug hierauf zutreffend gesagt: „Es könnte scheinen, daß die Vorschrift unerheblich sei, weil die unter­ bliebene Journalführung nur zur Folge habe, daß der Schiffer, beziehungsweise der Rheder, ein gesetzlich anerkanntes Beweismittel verliere. Allein unter der Voraussetzung, daß für das betreffende Schiff das Journal geführt werden mußte, eraiebt sich als weitere und erheblichere Folge der Unterlassung eine Verantwort­ lichkeit des Schiffers gegenüber dem Rheder und eine Verantwortlichkeit Beider gegenüber dem Ladungsbetheiligten, Versender u. s. w., insofern die Letzteren auS

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Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Art. 490. Der Schiffer hat über alle Unfälle, welche sich während der

Reife ereignen, sie mögen den Verlust oder die Beschädigung des Schiffs oder der Ladung, das Einlaufen in einen Nothhafen30 * * )* *oder ******

einen sonstigen Nachtheil zur Folge haben, mit Zuziehung aller Per­ sonen der Schiffsbesatzung oder einer genügenden Anzahl derselben

eine Verklarung abzulegen. Die Verklarung ist ohne Verzug 3') zu bewirken und zwar: im Bestimmungshafen oder bei mehreren Bestimmungshäfen, in demjenigen, welchen das Schiff nach dem Unfälle zuerst er­

reicht; im Nothhafen, sofern in diesem teparirt32) oder gelöscht wird; am ersten geeigneten Orte, wenn die Reise endet, ohne daß der

Bestimmungshafen erreicht wird. Ist der Schiffer gestorben oder außer Stande, die Aufnahme der Verklarung zu bewirken, so ist hierzu der im Range nächste Schiffsoffizier berechtigt und verpflichtet.

Art. 491. Die Verklarung muß einen Bericht über die erheblichen Begedem Mangel des Journals in Schaden kommen, was in verschiedener Beziehung eintreten kann, z. B. in Fällen der großen Haverei, wenn die Dispachirung aus Schwierigkeiten und Hindernisse stößt; in Fällen der besonderen Haverei, wenn die Realisirung der Ansprüche gegen den Versicherer erschwert und verzögert wird; in Kriegszeiten, wenn das Schiff' als verdächtig angehalten und aufgebracht wird. Die angemessene Beseitigung dieser Verantwortlichkeit ist der Hauptzweck des Art. 489 des H.G.B. (Prot. S. 1790, 1791), zu dessen Ergänzung der Art. 55 des Einf.-Gesetzes führen soll." (2. A.) Für Holstein und Schleswig ist der Art. 489 durch die Einf.-Ver­ ordnung vom 5. Juli 1867, §.68 (I b) endgültig ergänzt. 30) Mit den Worten: „das Einlaufen in einen Nothhasen", soll nicht aus­ gesprochen werden, daß der Schiffer immer auch im Nothhafen verklaren müsse, sondern nur, daß er wegen jedes Unfalles, der das Einlaufen in einen Nothhafen

im Gefolge habe, eine Verklarung abzulegen schuldig sei, wenn dies auch möglicher Weise erst im Bestimmungshafen geschehen sollte. (Prot. S. 1810.)

31) Die Verklarung hat nur dann den gewünschten Werth, wenn sie mög­ lichst schnell abgelegt wird. Deshalb schreiben mehrere Seerechte, auch das A. L.R. §. 1511, eine 24 stündige Frist zur Anzeige für denjenigen Schiffer vor, welcher verklaren will. Die Versammlung hat eS nicht für angemessen erachtet, die Ge­ setzlichkeit der Verklarungen an die Beobachtung einer solchen Frist zu binden, son­ dern dem Schiffer nur die möglichste Beschleunigung der Verklarung zur Pflicht machen wollen. Durch das „ohne Verzug" soll nicht mehr ausgesprochen werden, als daß der Schiffer alles thun müsse, was in seinen Kräften steht, um möglichst schnell zur Ablegung der Verklarung und zwar zu dem feierlichen Akte der Be­ legung der Verklarung selbst zu gelangen. (Prot. S. 1814.) 32) Unter diese Bestimmung fallen nicht die Fälle, wenn der Schiffer ge­ zwungen ist, in einen Nothhafen einzulaufen, um dieses oder jenes verloren ge­ gangene Stück für die Ausrüstung wieder anzukaufen. (Prot. S. 1813.) Hier­ nach ist auch die Ausbesserung eines unbrauchbar gewordenen Ausrüstungsgegen­ standes nicht als Reparatur im Sinne dieser Bestimmung anzusehen.

Von dem Schiffer,

benheiten der Reise, namentlich eine vollständige und deutliche Er­

zählung der erlittenen Unfälle, unter Angabe der zur Abwendung oder Verringerung der Nachtheile angewendeten Mittel enthalten. Art. 492. Im Gebiete dieses Gesetzbuches") muß die Verklarung, unter Vorlegung des Journals und eines Verzeichnisses aller Personen der

Schiffsbesatzung, bei dem zuständigen Gerichte angemeldet werden.

Das Gericht hat nach Eingang der Anmeldung so bald als

thunlich die Verklarung aufzunehmen. Der dazu anberaumte Termin wird in geeigneter Weise öffent­ lich bekannt gemacht, insofern die Umstände einen solchen Aufenthalt

gestatten. Die Interessenten von Schiff und Ladung, sowie die etwa sonst bei dem Unfälle Betheiligten sind berechtigt, selbst oder durch Vertre­

ter der Ablegung der Verklarung beizuwohnen S6). Die Verklarung geschieht aus Grundlage des Journals. Kann das geführte Journal nicht beigebracht werden oder ist ein Journal nicht geführt (Art. 489), so ist der Grund hiervon anzugeben.

Art. 493. Der Richter ist befugt, außer den gestellten noch andere Perso­ nen der Schiffsbesatzung, deren Abhörung er angemessen findet, zu

vernehmen. Er kann zum Zwecke besserer Aufklärung dem Schiffer sowohl als jeder anderen Person der Schiffsbesatzung geeignete Fra­ gen zur Beantwortung vorlegen. 33) Auch Angabe der Ursachen und Folgen der stattgehabten Unfälle, wenn sie ihm bekannt sind. Die ausdrückliche Erwähnung dieser an sich selbstverständ­ lichen Pflicht hat jedoch um deswillen bedenklich geschienen, weck der Schiffer in irrigem Verständnisse des Gesetzes die Meinung haben könnte, er müsse eine Ur­ sache jedenfalls angeben, deshalb oft nach einer solchen suchen, und zuletzt viel­ leicht auf Kosten der Wahrheit fingirte Ursachen angeben werde. (Prot. S. 1824.) 34) Nachdem über die Gültigkeit und über die Beweiskraft der im Auslande abgelegten Verklarungen verschiedene Vorschläge eingebracht und eingehend debattirt worden waren, wurde schließlich beschlossen, darüber keine Bestimmungen in das gemeinschaftliche Seerecht aufzunehmen. (Prot. S. 1862, 1865.) In Beziehung auf das Verfahren bei Ablegung der Verklarung im Auslande kommt nun der Grundsatz: locus regit actum, zur Anwendung, wobei in preußischen Gerichten das Reglement v. 18. September 1796 für die preußischen Konsuls rc. (oben, Zu­ satz 3)§. 3, lit. A, Abs. 2, zu berücksichtigen ist. Die Bestimmung der Be­ weiskraft ausländischer Verklarungen ist, ähnlich wie die der Handlungsbücher, dem richterlichen Ermessen anheimgegeben.

35) 3it dem Rechte der Anwesenheit ist selbstverständlich das Recht der an­ wesenden Betheiligten enthalten, durch den Richter Fragen an den Schiffer und dessen Leute ftetteh zu lassen. Bei der Abstimmung wurde auch anerkannt, daß eine Verklarung nicht schon deshalb ungültig sei, weil etwa bei deren Ablegung die Beobachtung der Vorschriften des Abs. 3 und 4 übersehen worden. (Prot. S. 1828.)

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Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Der Schiffer und die zugezogenm übrigen Personen der Schiffs­ besatzung haben ihre Aussagen zu beschwören33). Die über die Verklarung angenommene Verhandlung ist in Ur­ schrift aufzubewahren und jedem Betheiligten auf Verlangen beglau­

bigte Abschrift zu ertheilen 36a). Art. 494.

Die in Gemäßheit Artt. 492 und 493 3T) ausgenommene Ver36) Bei der Abstimmung wurde einstimmig anerkannt, daß durch diese Be­ stimmung diejenigen Fälle nicht berührt würden, in welchen der Schiffer re. we­ gen seines Glaubensbekenntnisses (z. B. wenn er Mennovit sei) keinen Eid able­ gen dürfe, daß es wegen solcher Fälle vielmehr bei den Sätzen des. allgemeinen bürgerlichen Rechtes zu belassen fei. (Prot. S. 1826.) 36») (2. A.) Die gerichtlichen Kosten für die Aufnahme der Verklärungen in Gemäßheit der Artt. 492, 493 werden nach den §§. 16 u. 24 des Gerichts­ kosten-Tarifs vom 10. Mai 1851 erhoben. Das Objekt ist für die Kostenberech­ nung als unschätzbar anzunehmen. Allg. Verf. des I.M. vom 26. September 1864, Nr. 5 (I.M.Bl. S. 270).

37) M. vergl. hierbei die Anm. 35 zu Art. 492. Die Verweisung aus die Artt. 492 u. 493 ist an die Stelle der anfänglich angenommenen Worte „vor­ schriftsmäßig ausgenommen" gesetzt worden. (Prot. S^ 1847, 1862.) Damit ist gesagt, daß es bei Beurtheilung der Frage, ob in einem konkreten Falle die Ver­ klarung volle Beweiskraft habe, keinesweges allein auf die Form aukonnne; der entscheidende Richter müsse vielmehr z. B. auch darüber zu kognosziren haben, ob bei deren Aufnahme wirklich eine genügende Anzahl von Schiffsleuten unfr ob die rechten zugezogen worden, damit nicht am Ende eine Verklarung für vollbewei­ send angesehen werden müßte, zu welcher der Schiffer nur wenige Schiffsgenossen zugezogen habe und vielleicht diejenigen nicht, welche die beste Auskunft hätten geben können. — Ferner ist damit ausgesprochen, daß nicht auch die von dem Schiffer freiwillig abgelegten Verklarungen, sondern nur diejenigen, welche in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen ausgenommen sind, volle Beweiskraft haben sol­ len , weil die der Verklarung gegen die allgenieinen Grundsätze beigelegte Beweis­ kraft nicht auf Fälle erstreckt werden kann, in welchen eö keiner Verklarung be­ durfte, da diese Vorschrift als Ausnahmebestimmung eine solche Ausdehnung, wo­ durch dein Schiffer die Befugniß ertheilt werden würde, daß er das Privilegium des eigenthümlichen Beweismittels der Verklarungen nach Gefallen ausdehne, gar nicht gestattet. (Vergl. Prot. S. 1843, 1844.) Die Beweiskraft einer Verklarung wird schon nach allgemeinen Beweisregeln dadurch geschwächt, wenn sie einen Widerspruch in sich enthält und überdies mit dem Journale nicht in Einklang steht, d. h. wenn sich aus ihr selbst ergiebt oder sonst nachgewiesen wird, daß ihr Inhalt mit dem des Journals in Widerspruch steht. Diese Bedingungen der vollen Beweiskraft wollte man anfangs in das Ge­ setz mit den Worten aufnehmen: „wenn die Erklärungen des Schiffers und der Schiffsmannschaft sich nicht widersprechen, und mit'dem Journale übereinstim­ men". Dieser Zwischensatz wurde schließlich als selbstverständlich und bedenklich gestrichen, indem eine selbstverständliche Vorschrift, die man ausdrücklich in das Gesetz aufnehme, an vielen Orten großes Aufsehen erregen und die Frage veran­ lassen würde, wie es Verklarungen geben sollte, in welchen die Erklärungen des Schiffers und der Mannschaft unter sich oder mit dem Journale in ungelöstem Widerspruche stäuden, weil mau an diesen Orten so lange, als solche Widersprüche von einiger Erheblichkeit vorhanden seien, weder den Schiffer noch die Mannschaft zur Beeidigung zulasse. Verklarungen mit dem determimrten seerechtlichen Cha­ rakter, als übereinstimmende Erklärungen des Schiffers und seiner Mannschaft, seien nicht denkbar, wenn Widersprüche vorhanden seien. Daraus ergebe sich, daß die Behörde, vor welcher verklart werden solle, jedes Mal, wenn Widersprüche vorkämen, zwar die verschiedenen divergirenden Aussagen protokolliren, aber kei-

Von dem Schiffer.

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klarung liefert vollen Beweis der dadurch beurkundeten Begebenhei­ ten der Reise. Jedem Betheiligten bleibt im Prozesse 2«) der Gegenbeweis38a) vorbehalten. nesfalls als Verklarung ausfertigen dürfe. In einem solchen Falle sei eben keine Verklarung möglich und bleibe nichts Anderes übrig, als die relevanten Begeben­ heiten im Prozesse mit den Beweismitteln des gewöhnlichen Verfahrens darzuthun. Nehme man den sich von selbst verstehenden Zwischensatz in das Gesetz auf, so würde man auf die Vermuthung kommen, dies habe einen besonderen Grund, und vielleicht glauben, daß es den instruirenden Behörden gestattet sei, Verklarungen auch da aufzunehmen, wo Widersprüche vorlägen, daß in Folge hiervon Verklarungen mit Widersprüchen häufig vorkämen u. dal. Hierdurch wür­ den die deutschen Verklarungen an Kredit verlieren und die Anfechtung derselben würde durch Aufnahme des Zwischensatzes sehr erleichtert werden, denn es werde sehr oft gelingen, da und dort bei Verklarungen, die außerdem für ganz unbe­ denklich gelten würden, einen kleinen Widerspruch nachzuweisen u. s. w. (Prot. S. 1845.) Wird die Beweiskraft einer Verklarung wegen Widersprüche angefochten, was Vorkommen kann, wenn z. B. der instruirende Richter eine Differenz für unbe­ deutend gehalten und deshalb unbedenklich die Verklarung ausgefertigt hat, indeß sich dieselbe erst im Prozesse als bedeutend herausftellt; oder wenn erst in Folge des Prozesses em früher gar nicht entdeckter Widerspruch hervortritt; oder wenn die Verklarung vielleicht ohne Journal ausgenommen ist, weil dieses für verloren gehalten wurde, und sich dann nachträglich ergiebt, daß das Journal gerettet wor­ den ist, aber mit der Verklarung im Widersprüche steht; oder wenn die Ordnungsrnäßigkeit einer Verklarung angefochten wird: so ist die Frage: wer die Be­ weislast zu übernehmen habe, nut Rücksicht auf die Beschaffenheit des konkreten Falles nach den allgemeinen Regeln der Beweistheorie entschieden. Hervorgehoben wurden noch andere Streitfragen, z. B. ob Nachverklarungen zulässig und beweiskräftig seien; ob es einen Einfluß auf die Beweiskraft der Ver­ klarungen haben solle, wenn der Kapitän über die mit der Verklarung zu bewei­ senden Vorfälle oder über einzelne derselben auch gewöhnliche Beweismittel bei­ bringen könne, ob der Gegenbeweis gegen die Verklarung auch durch Eidesdelatton geführt werden dürfe u. dgl. Man hielt es jedoch für angemessener, über diese Fragen nichts in das Gesetz aufzunehmen, die Entscheidung derselben vielmehr der Praxis und der Wissenschaft anheim zu geben, weil die Entscheidung solcher De­ tailfragen zu sehr von den Umständen des einzelnen Falles abhange, oder leicht durch Abstraktionen aus allgemeinen Rechtssätzen gefunden werden könne. (Prot. S. 1841.) Vergl. die folg. Anm. 38.

38) Nur im Prozesse. Durch diese Worte soll die Meinung ausgeschlos­ sen werden, daß Gegenverklarungen statthaft fein sollten. (Prot. S. 1847.)

Was Nachverklarungen betrifft, so ist deren Zulässigkeit nicht ausgeschlossen. Ob und welche Beweiskraft denselben beizulegen sei, ist der Entscheidung des er­ kennenden Richters nach Befinden der Umstände des konkreten Falles änheimgestellt. Soll die Nachverklarung nur eine Ergänzung der Verklarung über erheb­ liche Begebenheiten, welche übergangen sind, fern; so wird es hauptsächlich auf die Ursache der Uebergehung ankommen, und wenn sich aus der Feststellung der Ur­ sache kein Verdacht gegen die Glaubwürdigkeit der Verklarenden ergiebt, so scheint ein zwingender Grund zu fehlen, der Nachverklarung die Glaubwürdigkeit abzu­ sprechen. Enthält aber die Nachverklarung Angaben über Thatumstände, worüber schon die Verklarung Auskunft giebt, und harmoniren die verschiedenen Erklärun­ gen mit einander nicht, so sind beide als Verklarungen beweisunkrästig. Die Frage, ob zum Zwecke der Gegenbeweisführung die nochmalige zeugen­ eidliche Vernehmung der bereits bei der Verklarung beeidigten Personen solle ver­ langt werden dürfen, sollte nach der von einer Seite vorgeschlagenen Fassung die­ ses Artikels dahin entschieden werden, daß diese.Vernehmung — nach dem durch die Erwägung aller Umstände geleiteten Ermessen — behufs Entkräftung des Be-

716

Fünfte? Buch,

Dritter Titel.

weises der Verklarung zulässig sein solle. (Prot. S. 1842.) Der Vorschlag fand auch von anderen Seiten Unterstützung (S. 1848), von mehreren Mitgliedern aber wurde die Verneinung dieser Frage empfohlen und hiefür geltend gemacht: Eine bejahende Bestimmung stände mit dem Satze, daß die Verklarungen Beweis zu machen ini Stande seien, im direktesten Widerspruche. Die Annahme dieser Vorschrift heiße eigentlich so viel, als: der Verklarung müsse geglaubt werden, aber es stehe jedem Interessenten frei, zu verlangen, daß die Verklarenden noch­ mals eidlich gefragt würden, ob sie bei ihrer früheren Aussage nicht die Unwahr­ heit gesagt hätten. Es sei also jedenfalls nicht gerechtfertigt, auch über das direkte Gegentheil eine nochmalige Vernehmung der Verklarenden zu gestatten. Abgesehen hiervon scheine überhaupt jede nochmalige Vernehmung des Schifters und der Mannschaft nicht angemessen. Die Befuguiß dazu könne zu endlosen Verzögerun­ gen der Prozesse mißbraucht werden. Bis der Aufenthalt der verschiedenen See­ leute ermittelt sei rc., würden nicht selten Jahre vergehen. Wer also ein Inter­ esse an Verzögerung der Prozesse habe, brauche nur solche Seeleute als Geaenbeweiszeugen vorzuschlagen. Mit dem Augenblicke der Entlassung der Mannschaft möge man die Berklarüngsakte geschlossen sein lassen. — Zur Widerlegung die­ ser Bedenken wurde von anderen Seiten angeführt: Die Verklarung lasse sich nur in sehr beschränktem Sinne als Zeugenverhör ansehen; namentlich nachdem die Versammlung bestimmt habe, wie bei der Ablegung derselben zu verfahren, sei der große Unterschied zwischen ihr und der zeugeneidlichen Vernehmung der Schiffsmannschaft unverkennbar. Es wäre somit eine Rechtsverweigerung, den Interessenten die Befugniß zu versagen, die nochmalige zeugeneidliche Vernehmung der bei Ablegung der Verklarung beeidigten Personen zu fordern, zumal sie nur in seltenen Fällen Gelegenheit gehabt haben würden, schon bei der Verklarung ihre Rechte gebührend zu wahren. Die vorgeschlagene Bestimmung sei unentbehr­ lich, um die Singularität, welche in der den Verklarungen beigelegten Beweis­ kraft liege, wieder möglichst auszugleichen. Es könne ferner in vielen Fällen un­ erläßlich sein, daß man die bei der Verklarung schon einmal beeidigten Personen nochmals eidlich als Zeugen abhöre, z. B. wenn der instruirende Richter bei Auf­ nahme der Verklarung einen Umstand unaufgeklärt gelassen habe, der sich in der Folge als sehr wichtig erzeige u. dgl. Man würde den Betheiligten vielleicht das einzige Mittel zur Erforschung und Nachweisung der Wahrheit nehmen, wenn man solche Vernehmungen nicht gestatten wollte. Dem chikaneusen Mißbrauche könne der Richter steuern; überdies könne die auf Chikanen bedachte Partei auch durch Benennung anderer entfernter Zeugen u. dgl. Weiterungen verursachen. — Hiergegen wurde wieder bemerkt: Das' richterliche Ermessen sei kein geeignetes Korrektiv gegen chikaneuse Beweisführungen. Hier handle es sich übrigens nur um die unbedingte Zulassung eines direkten Gegenbeweises durch Zeugen.' Durch Weglassung der vorgeschlagenen Bestimmung werde der Frage gar nicht präjudizirt, ob und wie weit bei etwaigen Lücken, Dunkelheiten u. s. w. in einer Ver­ klarung eine nochmalige Zeugenabhörung erfolgen könne. — Hierauf wurde ent­ schieden , daß darüberob die wiederholte zeugeneidliche Vernehmung der bei Ab­ legung der Verklarung bereits beeidigten Personen verlangt werden könne, keine Bestimmung in das Gesetz aufzunehmen sei. (Prot. S. 1847 —1849.) — Die Frage ist also offen gelassen. Die Verneinenden haben sich schließlich auch nur auf den Widerspruch gegen die nochmalige Vernehmung über bereits bestimmt be­ antwortete Fragen zu dem Zwecke, um' von den bereits Vernommenen nunmehr das Gegentheil von dem, was sie früher gesagt haben, zu hören, beschränkt und die Vernehmungen über Lücken und Dunkelheiten rc. gewissermaßen zugestanden. Die Zulässigkeitsfrage ist jedoch nach allgemeinen Rechtsgründen in beiden Bezie­ hungen zu bejahen, in der ersten freilich nur unter der Voraussetzung, daß der Produzent bestimmte Umstände angiebt, welche es wahrscheinlich machen, daß der wiederholt zu Vernehmende sich bei seiner ersten Vernehmung geirrt habe. Die Vernehmung über Lücken und Dunkelheiten und über erhebliche Begebenheiten, worüber die Verklarung schweigt, ist unbedingt für zulässig zu erklären; eine solche Vernehmung ist eigentlich keine Wiederholung der ersten Vernehmung, und kann daher als eine solche nicht behandelt werden. Wiederholungen von Zeugenverneh­ mungen im eigentlichen Rechtssinne sind dem Prozeßrechte nicht fremd, auch die

Von dem Schiffer.

717

Art. 495. Rechtsgeschäfte, welche der Schiffer eingeht, während das Schiff

im Heimathshafen sich befindet ^v), sind für den Rheder nur dann verbindlich, wenn der Schiffer aus Grund einer Vollmacht*") ge-

A. G.O. I, 10, §.210 gestattet sie unter Umständen und der preuß. Entwurf Art. 424 gestattete gleichfalls eine nochmalige zengeneidliche Vernehmung des Schif­ fers und der Schiffsleute. Die rechtliche 'Natur der Verklarungen kommt damit gar nicht in Kollision, die Widersprechenden haben daraus auch keinen sachlichen Grund ihres Widerspruchs hergenommen. Der mögliche chikaneuse Mißbrauch be­ rührt den Rechtspunkt nicht und führt als Nützlichkeitsgrund toeit über das Ziel hinaus; ein Mißbrauch ist mit jedem Dinge möglich. Die Verklarung ist wesent­ lich nichts Anderes als eine Art der Beweiserhebung zum ewigen Gedächtnisse, nur mit dem Unterschiede, daß sie den Parteien viel gefährlicher werden kann als der gewöhnliche Eid znm ewigen Gedächtnisse. Denn während bei diesem wenigstens die eine Partei dem Richter einen mehr oder weniger bestimmt formutirten Be­ weissatz vorlegt, an welchen der Richter sich halten kann, fehlt diese Grundlage bei der Verklarung ganz und gar; die Grundlage liefert ebenderselbe in seinem Journale, der allen Parteien verantwortlich und zugleich das Beweismittel (Zeuge) ist, der also in seinem Sonderinteresse feine Unterlage und seine Aussage einrich­ ten kann. Bleiben nun bei dem gewöhnlichen Beweise zum ewigen Gedächtnisse der Gegenpartei alle ihr zuständigen Rechte zum künftigen Prozesse Vorbehalten, so muß solches noch viel mehr bei Verklarungen geschehen, so lange nicht ein ausdrückliches positives Verbot entgegentritt. Der Umstand, daß der Schiffer über alle oder gewisse Begebenheiten, wor­ über eine gebotene Verklarung abgelegt wird, auch gewöhnliche Beweismittel bei­ bringen könnte, kann gar keinen Einfluß auf die' Beweiskraft der Verklarung haben. Der Schiffer ist bei eigener Haftung verpflichtet zu verklaren und er­ trägt das Risiko, wenn er sich auf die gewöhnlichen Beweismittel verläßt und diese fehlschlagen. Denn ehe es zu deren Anwendung kommt, möchte eö wohl in dem Falle, daß sie erfolglos sind, zur Nachholung der Verklarung zu spät geworden sein. Die Eidesdelation kann als direktes Beweismittel gegen die Verklarung im Allgemeinen schwerlich gebraucht werden, weil die Verklarung einen vollständigen Beweis liefert und gegen einen solchen, wenigstens nach preußischem Prozeßrechte (A. G.O. I, 10, §. 288) die Eidesdelation unstatthaft ist; es kommt in dieser Beziehung Alles auf die Umstände in Betreff der einzelnen streitigen Thatsache an. Der Art. 424 des preußischen Entwurfs hatte die allgemein gefaßte Bestim­ mung, daß gegen das Journal und gegen die Verklarung eine Eideszuschiebung gestattet fei. ' Die Versammlung ist darauf nicht eingegangen und hat eigenthüm­ liche Vorschriften über die Ablegung der Verklarung gegeben. Dagegen aber kön­ nen durch den zugeschobenen Eld Umstände bewiesen werden, unter welchen die Glaubwürdigkeit der Verklarung leidet; und was darails weiter folgt, ist nach allgemeinen Beweisregeln zu ermessen. 38») Nur Gegenbeweis, nicht Beweis des Gegentheils ist erforderlich. Unten Anm. 29 zu Art. 686. 39) Der Art. 495 soll aussprechen, daß die gesetzliche Vollmacht des Schif­ fers ruhe, so lange er, wie man sich bisher gewöhnlich au^drückte, seiner Rheder mächtig sei. Bei den jetzigen Verkehrsverhältmssen und Korrespondenzmitteln würde dieser Ausdruck aber dasjenige nicht sagen, was er bedeuten soll, paßt also nicht mehr. Deshalb ist für den gedachten Rechtssatz die Fassung, in welcher der Art. erscheint, gewählt worden. (Prot. S. 1882.) 40) Damit ist hier eine Ermächtigung des Schiffers außer und neben dem Anstellungsvertrage gemeint, gleichviel, ob sie eine General - oder eine Spezial­ vollmacht sei. (Ebd. S. 1884.)

718

Fünftes Buch.

Dritter Titel,

handelt hat, oder wenn ein anderer besonderer Verpfllchtungsgrund

vorhanden4') ist.

Zur Annahme der Schiffsmannschaft") ist der Schiffer auch im Heimathshafen befugt. Art. 496. Befindet sich das Schiff außerhalb des Heimathshafens"), so ist der Schiffer Dritten gegenüber kraft seiner Anstellung44 41 )42befugt, 43

für den Rheder alle Geschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Ausrüstung, Bemannung, Verproviantirung und Erhal­

tung des Schiffs, sowie überhaupt die Ausführung der Reise mit sich

bringen. Diese Besugniß erstreckt sich auch auf die Eingehung von Fracht­

verträgen44^), sie erstreckt sich ferner auf die Anstellung von Klagen, welche sich auf den Wirkungskreis des Schiffers beziehen.

Art. 497.

Zur Aufnahme von Darlehen, zur Eingehung von Käufen auf Borg, sowie zum Abschlüsse ähnlicher Kreditgeschäfte ist jedoch

der Schiffer nur dann befugt, wenn es zur Erhaltung des Schiffes oder zur Ausführung der Reise nothwendig4") und nur insoweit, 41) Hierdurch wird aus die negotiorum gestio , in rem versio etc. hinge­ wiesen. (Prot. S. 1883.) 42) Somit auch der Schiffsoffiziere, namentlich des Ingenieurs und Maschi­ nisten auf Dampfschiffen. (Art. 528 und Prot. S. 1964, und Art. 554, Abs. 2.) „Das von dem Schiffer auch vor dem Beginne der Reise angenommene Schiffsvolk kann wegen der bedungenen Heuer die Rheder, und wenn letztere einen Korrespondentrheder bestellt haben, auch diesen in Anspruch nehmen." Pr. des Obertr. v. 9. Dezbr. 1852, Nr. 2419 (Entsch. Bd. XXIV, S. 337).

43) Das A. L.R. §. 1525, dem auch der preußische Entwurf Art. 428 ge­ folgt war, hatte für diesen Satz den Ausdruck: „während der Reise". Dies ver­ anlaßte Streit darüber, wie es in Ansehung der von dem Schiffer nach der Strandung eingegangenen Verbindlichkeiten zu halten sei. Das Obertribunal ent­ schied: Auch für die von dem Schiffer erst nach der Strandung und nach der Ueberlassung des Schiffes an die Versicherer (Abandon) eingegangenen Verbindlich­ keiten zur Bestreitung der Kosten, welche die Regulirung der Angelegenheit und die Rückreise des Schiffers und Bezahlung des Schiffsvolks erfordert,' haftet der Rheder; die Reise ist in dieser Beziehung mit der Strandung des Schiffes nicht für beendigt anzusehen. Erk. v. 13. Septbr. 1859 (Entsch. Bd. XLII, S. 289). Dergleichen Streitigkeiten werden durch die Fassung des Art. 496 abgeschnitten. 44) Wenn nicht an dem Orte, an welchem sich der Schiffer mit dem Schiffe gerade befindet, ein Bevollmächtigter des Rheders vorhanden ist. In diesem Falle ist der Art. 500 maßgebend. Vergl. A. L.R. §. 1499 d. 8. T.

44 a) Auch auf die von dem Schiffer geschlossenen Frachtverträge und auf die von ihm ausgestellten Konnossemente bezieht sich die Bestimmung des Art. 502, Abs. 2. (Prot. S. 2459.) Vergl. Art. 663. 44 d) Ueber die Feststellung der Nothwendigkeit derjenigen Geschäfte, zu deren Vornahme der Schiffer nur in Nothfällen berechtigt ist, herrschen in den verschie­ denen Seerechten verschiedene Weisen. Nach einigen soll die Feststellung schon vor Eingehung des Geschäfts, nach anderen kann solche erst im Wege des ge-

Von dem Schiffer,

als es zur Befriedigung des Bedürfnisses erforderlich ist46 * * ). * * * *Ein **********************

Bodmereigeschäft ist er einzugehen nur dann befugt, wenn es zur Ausführung der Reise nothwendig und nur insoweit, als es zur Be­

friedigung des Bedürfnisses erforderlich ist. Die Gültigkeit des Geschäfts ist weder von der wirklichen Ver­

wendung noch von der Zweckmäßigkeit der unter mehreren Kreditge­

schäften getroffenen Wahl, noch von dem Umstande abhängig, oh dem Schiffer das erforderliche Geld zur Verfügung gestanden habe, es sei denn, daß dem Dritten der böse Glaube bewiesen würde.

Art. 498. Auf den persönlichen Kredit des Rheders Geschäfte46) abzu­ schließen, insbesondere Wechselverbindlichkeiten sür denselben einzuge­

hen, ist der Schiffer nur auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden wohnlichen Beweisverfahrens, wenn es zu einem Prozesse über das Geschäft kom­ men sollte, geschehen. In älteren Seerechten ist für Fälle dieser Art die Zuzie­ hung des Schiffsraths vorgeschrieben, um durch dessen Ausspruch das Vorhan­ densein der Nothwendigkeit oes Geschäfts festzustellen. Die Zuziehung des SchlffsratheS ist außer Gebrauch gekommen und in neueren Seerechten ein anderes Verfahren vorqeschrieben worden. Das A. L.R. bestimmt, der Schiffer müsse sich, wenn er Bodmerei nehmen wolle, an das Seegericht wenden, dort die Um­ stände, welche ihn in Verlegenheit setzen, vortragen und mit dem Steuermanne und zweien Schiffsleuten beschwören, ein Instrument darüber errichten lassen, so­ mit eine Art Verklarung ablegen ; im Unterlassungsfälle aber die Nothwendigkeit des eingegangenen Geschäftes, dem Rheder und Befrachter gegenüber, vollständig beweisen (§§. 1502, 1503). Diese Vorschrift hat man dahin verstanden, daß, wenn dieselbe beobachtet worden, die desfallsige Feststellung dem redlichen Dritten gegenüber unanfechtbar sei. In anderen Gesetzgebungen ist dieses Verklarungs­ system zwar gleichfalls beibehalten, aber überdies die Einholung einer Autorisation der Behörden zur Vornahme des betreffenden Geschäfts vorgeschriebeu worden, so z. B. im französischen, spanischen und holländischen Rechte u. s. w. Das englische und amerikanische Seerecht enthalten solche Vorschriften nicht und auch in den norddeutschen Seestaaten sind nicht überall dergleichen Formvorschriften in Uebung gewesen. Der preußische Entwurf war bei dem Verklarungssysteme stehen geblie­ ben. In der Versammlung sprach die Mehrzahl sich jedoch gegen die Aufnahme derartiger Bestimmungen aus und schließlich wurde die allgemeine Frage, ob Formvorschriften über die Feststellung der Nothwendigkeit der im Art. 497 er­ wähnten Geschäfte in das Gesetz aufzunehmen seien, mit 7 gegen 3 Stimmen verneint. (Prot. S. 1898 — 1901.) In Folge dessen ist der Abs. 2 dem Artikel beigefügt worden. Die Nothwendigkeitssrage ist darnach nur zwischen dem Schif­ fer und Rheder eine offene; es ist Sache des Schiffers, sich mit den erforderlichen Beweismitteln zu versehen; eventuell muß er auf die Grundsätze der Geschäfts­ führung ohne Auftrag zurückgehen. 45) Aus allen diesen Geschäften haftet der Rheder nur mit dem der See anvertrauten Vermögen (Art. 452, Ziff. 1 und Art. 502). Den Gegensatz ent­ hält der Art. 498. 46) „Geschäfte" ist statt „Borggeschäfte" gesetzt, womit Geschäfte gemeint wurden, bei welchen der Schiffer die ihm obliegenden Gegenleistungen schuldig bleibt, um wegen derselben den persönlichen Kredit des Rheders zu belasten. Das Wort „Geschäft" hat jedoch eine weiterreichende Bedeutung, es hat aber damit nur dasselbe gesagt werden sollen, indem es nur deshalb gewählt worden ist, weil es zur Gesetzessprache besser als „Borggeschäft" geeignet sei. (Vergl. Prot, S. 1888.)

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Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Vollmacht (Art. 452, Ziff. 1) befugt47).48 Verhaltungsmaßregeln und dienstliche Anweisungen, welche der Schiffer vom Rheder erhält, genügen nicht, die persönliche Haftung des Rheders dem Dritten

gegenüber zu begründen.

Art. 499. Die Besugniß zum Verkauft des Schiffs hat der Schiffer nur

im Falle dringender Nothwendigkeit4 ^), und nachdem dieselbe durch das Ortsgericht nach Anhörung von Sachverständigen und mit Zu­

ziehung des Landeskonsuls, wo ein solcher vorhanden, festgestellt ist. Ist keine Gerichtsbehörde und auch keine andere Behörde, wel­

che die Untersuchung übernimmt, am Orte vorhanden, so hat der Schiffer zur Rechtfertigung seines Verfahrens das Gutachten von

Sachverständigen einzuholen und, wenn dies nicht möglich ist, mit anderen Beweisen sich zu versehen. 47) Dieser Satz enthält nur eine Wiederholung des früher (Art. 452, Ziff. 1) festgestellten Grundsatzes. Deshalb wurde von einem Abg. auf Streichuvg des Artikels anaetragen. Dem wurde jedoch entgegengesetzt: Dieser Grundsatz nöthige auch, dem Schiffer zu untersagen, Geschäfte auf den persönlichen Kredit des Rhe­ ders abzuschließen, worin zugleich ausgedrückt liege, daß die Uebertretung des Ver­ botes eine persönliche Verantwortlichkeit des Schiffers nach sich ziehe. Mit Sätzen von solcher Wichtigkeit könne man kein Geheimniß im Gesetze machen, wenn nicht der Schiffer selbst und die mit ihm kontrahirenden Dritten, die in Schlußfolge­ rungen aus einer Reihe von Bestimmungen des Gesetzes nicht sehr gewandt seien, in den größten Nachtheil kommen sollten. Selbst die ausdrückliche Erwähnung der Wechsel im Gesetze könne nicht umgangen werden, weil gerade diese Art der Eingehung persönlicher Verpflichtungen die Regel bilde, indem der Schiffer im Falle des Geldbedarfs auf den Rheder zu ziehen Pflege, was er in Gemäßheit des angenommenen Grundsatzes einleuchtend nicht thun oürfe, wenn er nicht persön­ lich sich verantwortlich machen wolle. (Prot. S. 1887.) Die Versammlung hat wohl gethan, der Wechsel ausdrücklich zu erwähnen. Das A. L.R. §. 1499 d. 8. T. gestattete dem Schiffer auch, wie der Art. 497, Gelder, welche er zur Fort­ setzung der Reise nöthig habe, darlehnsweise arfzunehmen. Darauf hin hat das Obertr. den Satz festgestellt: „Der Rheder wird auch durch die von seinem Schif­ fer während der Reise, wegen des demselben untergebenen Schiffes, und zur An­ schaffung der behufs Fortsetzung der Reise nothwendigen Gelder, ausgestellten tro­ ckenen Wechsel der Regel nach, und wenn nicht ein in dieser Beziehung beschränk­ ter Auftrag als ertheilt anzunehmen ist, persönlich und wechselmäßig verhaftet." Pr. 2583,' vom 26. Oktober 1854 (Entsch. Bd. XXIX, S. 166). 'Zwar hatte das A. L.R. das Prinzip, daß der Rheder aus den vom Schiffer einaeaangenen Verbindlichkeiten persönlich (mit der fortune de terre) hafte (§. 1525). Allein aus der gesetzlichen Ermächtigung des Schiffers, Darlehne aufzunehmen (§. 1499), ist doch in keiner Weise logisch zu folgern, daß er auch Wechsel auf den Namen de§ Rheders ausstellen könne. Die Feststellung dieses Pr. ist daher immerhin ein Eingriff in den Berufskreis des Gesetzgebers. 48) Was als eine dringende Nothwendigkeit zum Verkaufe des Schiffes anzusehen sei, ist ein Urtheil, welches mit Rücksicht auf den Zustand des Schiffes, aus den Ort, wo es sich befindet, und, wenn es seeuntüchtig ist, auf den Betrag der Kosten, welche die Reparatur des Schiffes erfordert, zu fällen ist. Als Bei­ spiel wurde von dem Referenten angegeben, wenn zu befürchten stehe, daß das Schiff, falls es nicht sogleich verkauft und zerlegt rc. würde, sondern erst der Rheder hierüber befragt werden sollte, bis zum Eintreffen der Erklärung dessel­ ben in Trümmer gehen, von den Wellen weggespült und gänzlich werthlos würde. (Prot. S. 1912.)

-21

Von dem Schiffer.

Der Verkauf muß öffentlich geschehen *”). Art. 500. Der Rheder, welcher die gesetzlichen Befugnisse des Schiffers beschränkt hat, kann dem Dritten die Nichteinhaltung dieser Be­ schränkungen nur dann entgegensetzen, wenn er beweist, daß diesel­ ben dem Dritten bekannt waren. Art. 501. Hat der Schiffer ohne besonderen Auftrag für Rechnung des Rheders aus eigenen Mitteln Vorschüsse geleistet oder sich persönlich verpflichtet, so stehen ihm gegen den Rheder wegen des Ersatzes fein? größeren Rechte als einem Dritten ju49 50). 49) Ein Anstand ergab sich in der Diskussion über die Frage, welche recht­ lichen Wirkungen die Beobachtung der Formvorschriften des Art-499 haben, ob namentlich der Verkauf des Schisses nach BeobachMng der betreffenden Vorschrif­ ten sowohl bezüglich des Verhältnisses des Schiffers zürn Rheder, als des Rheders zum Käufer unaufechtbar sein solle, oder nicht. Im Laufe der Diskussion wurde zu dieser Frage bemerkt: Wenn es im Art. heiße, daß der Schiffer im Falle der Nothwendigkeit, und wenn dieselbe durch die Behörde festgestellt worden, zum Verkaufe desselben zu schreiten berechtigt sei, so folge hieraus ohne Zweifel, daß die fragliche Feststellung durch die Behörde allein weder den Schiffer noch auch den Käufer gegenüber dem Rheder vollkommen sicher stelle, sondern daß der Ver­ kauf immer noch deshalb angefochten und das Schiff vindizirt werden könne, weil der Verkauf des Schiffes nicht unvermeidlich nothwendig gewesen. Dem entspreche auch das englische Recht und gewiß nicht ohne zureichenden Grund; denn wenn man nt Betracht ziehe, wie groß in manchen Häfen das Interesse am Kaufe fremder Schiffe sei, und in welcher Weise nicht selten die Gerichte und Behörden des Auslandes organisirt seien, so werde man gerechtes Bedenken tragen, den Verhandlungen und Urkunden der Behörden im Auslande die Kraft unanfecht­ barer Feststellungen beizulegen. Andere Mitglieder hielten dafür, daß die Fest» stellung der Nothwendigkeit des Verkaufes durch ein Gericht oder eine Behörde sowohl den Schiffer wie den Käufer gegen fernere Anfechtungen des Verkaufes und gegen die Vindikation des Schiffes' schützen sollte, während allerdings dieselbe Wirkung den Kondemnationen von Sachverständigen nicht zugestanden werden könne , und zwar um so weniger , als Sachverständige sich in der Regel enthiel­ ten, einen bestimmten Ausspruch iu dem Sinne zu erlassen, daß das Schiff gäuz-. lich untüchtig sei, sondern sich in der Regel darauf beschränkten, eine Reparatur zu widerrathen. (Prot. S. 1914.) — (Sine Abstimmung über die Frage erfolgte nicht. Es ist aber dann das bei dieser Diskussion noch fehlende Wort „dringen­ der" vor „Nothwendigkeit" später eingeschaltet worden, wodurch die gegen die Unanfechtbarkeit des Verkaufs erhobenen Bedenken größtentheils erledigt sind. Es kommt also nun nach dem vorliegenden Art. darauf an, daß festgestellt werde, 1. die Nothwendigkeit des Verkaufs, 2. die Dringlichkeit desselben, o. h. daß Ge­ fahr des Verlustes des Schiffs oder doch der erheblichen Vergrößermrg des Scha­ dens zu befürchten sei, wenn man die Ordre des Rheders einholen wollte. Wer­ den diese beiden Bedingungen durch ein Gericht oder eine andere Behörde festgestellt, so kann dagegen der Rheder nicht vorgehen, wenn er seinen Angriff nicht auf eine Kollusion gründet. Bringt der Schiffer aber nur das Gutachten von Sachverständigen oder andere Beweismittel bei, so muß es auf die richterliche Würdigung derselben wie in jedem Rechtsstreite ankommen. Der Verkauf muß öffentlich geschehen, folglich ist ein Verkauf unter der Hand nichtig.

mer.

50) Der Rheder haftet hier also auch dem Schiffer nur mit der fortune de Dieser Satz war nicht selbstverständlich und mußte deshalb ausgesprochen

Koch, A. D. Handelsgesetzbuch.

2. Lust.



722

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Art. 502. Durch ein Rechtsgeschäft, welches der Schiffer in seiner Eigen­ schaft als Führer des Schiffs, sei es mit, sei es ohne Bezeichnung

des Rheders, innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse geschlossen hat,

wird der Rheder dem Dritten gegenüber berechtigt und die Haftung des Rheders mit Schiff und Fracht begründet8'). Der Schiffer selbst wird dem Dritten durch das Rechtsgeschäft

nicht verpflichtet,

es sei denn, daß er eine Gewährleistung für

die Erfüllung übernommen8a) oder seine Befugnisse überschritten werden, weil der Schiffer in solchen Fällen außer der rechtlichen Eigenschaft ded Darleihers und resp. Jnterzedenten auch noch die eines Mandatars hat, und hieraus die Folgerung gezogen werde:: könnte, daß ihm der Rheder trotz der Bestim­ mungen über die Beschränkung seiner Haftbarkeit auf die fortune de mer für alle Auslagen mit seinem ganzen Vermögen aufzukommen habe. Daß der Schiffer den Nachweis' der wirklichen Verwendungen führen hat, gehört zur Begründung seines Anspruchs, beziehungsweise seiner Rechnung; inso­ fern steht er vermöge seiner Eigenschaft als Schiffer schlechter als ein Dritter; aber er muß ja auch die Verwendung derjenigen Gelder nachweisen, welche er von ei­ nem Dritten angeliehen hat. 51) Vergl. Art. 52, Abs. 1 u. 2 und Art. 452, Ziff. 1.

52) Der Ausdruck „Gewährleistung für die Erfüllung" drückt das, was man sagen wollte, nicht aus, man meinte die Uebernahme einer persönlichen Prinzipal­ verbindlichkeit, Gewährleistung aber bezeichnet nur eine subsidiäre Verbindlichkeit. Der Vorschlag drückte dies auch entsprechend dahin aus: „daß er sich für seine Person verpflichtet". (Prot. S. 1894, §. 5.) Diese Warte wurden beanstandet und hierzu wurde bemerkt: In früheren Zeiten habe man den Schiffer als den Herrn des Schiffes angesehen und angenommen, daß er durch die Ausübung der Schifffahrt nicht bloß das Schiff und das ihm von: Rheder anvertraute'Gut, sondern auch sein eigenes Vermögen verpflichte. Seit jenen Zeiten sei es noch fortwährend üblich, daß der Schiffer in Konnossementen u. dergl. nicht bloß sein (d.h. das ihm zur Leitung anvertraute) Schiff, sondern auch sein eigenes Ver­ mögen für die richtige Erfüllung des Vertrages einsetze. Es sei aber allbekannt, daß diese Einsetzung des Vermögens des Schiffers nichts weniger als ernstlich ge­ meint, sondern nur eine durch die fortwährende Beibehaltung der alten Formulare der Konnossemente u. dergl. bedingte Redensart sei, aus welcher keiner, der mit den Gebräuchen des Seehandels vertraut sei, im Ernste einen Anspruch herleiten werde, soweit es sich nicht um die beim Frachtgeschäfte u. dergl. dem Schiffer persönlich aufzuerlegenden Verbindlichkeiten handle, für welche der Rheder einzu­ stehen schuldig sei. (Prot. S. 1902, 2460.) Indessen seien diese Redensarten doch schon in einzelnen Erkenntnissen als ernstlich gemeinte aufgefaßt worden und es sei zu befürchten, daß dies in der Folge oft geschehe, wenn die beanstandeten Worte stehen blieben. Dies wäre um so bedenklicher, als nicht wohl zu erwar­ ten stehe, daß sogleich mit der Publikation des neuen Seerechtes d:e erwähnten alten Formulare,' deren Anwendung im Auslande der Schiffer häufig sogar nicht verhindern könne, ganz außer Gebrauch kämen, so wünschenswerth es auch sei, daß dies geschehe. Da nun das, was die erwähnten Worte sagen wollten, ohne Zweifel ganz selbstverständlich sei, so Werde deren Streichung beantragt. — Von anderen Seiten hielt man es aber für bedenklich, den fraglichen Zwischensatz gänzlich zu streichen. Schließlich wurde jedoch, un: jede Kollision mit jenen For­ mularen zu vermeiden, falls es nicht gelingen würde, sie gänzlich außer Gebrauch zu setzen, anheim gegeben, sich eines anderen Ausdruckes zu bedienen, und etwa zu setzen: „es sei denn, daß er die Garantie überniunnt". Auf den Einwand, daß dieser Ausdruck zu eng wäre, weil er sich nur auf die Uebernahme einer förmlichen Bürgschaft für den Rheder bezöge, während es doch noch andere Fälle

Don dem Schiffer,

hätte59).

Die Haftung des Schiffers nach Maßgabe der Artt. 478

und 479 wird hierdurch nicht ausgeschloffen.

Art. 503. Auch dem Rheder gegenüber sind für den Umfang der Befug­ nisse des Schiffers die vorstehmden Artikel maßgebend, soweit der Rheder diese Befugnisse nicht beschränkt hat.

Außerdem ist der Schiffer verpflichtet, von dem Zustande des

Schiffs, den Begebnissen der Ressen, den von ihm geschlossenen Ver­ trägen und den anhängig gewordenen Prozessen der^ Rheder in fort­ laufender Kenntniß zu erhalten und in allen erheblichen Fällen, na­

mentlich in den Fällen der Artt. 497 und 499, oder wenn er eine

Reise zu ändern oder emzustellen sich genöthigt findet, oder bei außer­ gewöhnlichen Reparaturen und Anschaffungen die Erthellung von Verhaltungsmaßregeln nachzusuchen, sofern die Umstände es gestatten. Zu außergewöhnlichen Reparaturen und Anschaffungen, selbst wenn er sie mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln des Rhe­ ders bestreiten kann, darf er nur im Falle der Nothwendigkeit schreiten.

Wenn er das zur Bestreitung eines Bedürfnisses nöthige Geld nicht anders sich verschaffen kann, als entweder durch Bodmerei,

oder durch den Verkauf von entbehrlichem Schiffszubehör, oder durch

den Verkauf von entbehrlichen Schiffsvorräthen"), so hat er die-

gebe, in denen der Schiffer verpflichtet wäre, z. B. wenn der Schiffer vorgespie­ gelt hätte, daß das Schiff sein eigen fei, wurde entgegnet, in dem eben angege­ benen Beispiele kontrahire der Schiffer als Rheder und nicht als Führer des Schiffes, und würde also schon deshalb Abs. 2 keine Anwendung finden; übri­ gens beziehe sich der Ausdruck „Garantie übernehmen" nicht bloß aus Uebernahnie von Bürgschaften, sondern bezeichne eben so häufig die Uebernahme ursprünglicher Verpflichtungen, z. B. wenn Jemand einem Anderen einen gewissen Betrag des Einkommens garantire u. bergt und sei in diesem Sinne jedem Geschäftsmanne geläufig. — Von einem Anderen wurde jedoch zur Erledigung des eben erwähn­ ten Einwandes vorgeschlagen, zu setzen: „es fei denn, daß er außerdem die Ver­ tragserfüllung besonders gewährleistet". Dieser Antrag wurde auch zum Beschlusse erhoben. (Prot. 1901 ff.) — Aus dieser Entstehungsgeschichte erhellet, daß der gemeinte Fall nicht der einer Jnterzession, sondern der der Uebernahme einer prmzipalen Verbindlichkeit aus dem abgeschlossenen Rechtsgeschäfte ist. Da jedoch von den Kontrahenten auch eine subsidiäre Verbindlichkeit gemeint sein kann, so kommt es in jedem konkreten Falle auf eine Willensauslegnng an, wenn die Parteien über die Bedeutung des gebrauchten Ausdruckes und über die damit von ihnen verbundene Absicht streiten. 53) Veral. Art. 52, Abs. 3. — Mit der Bestimmung dieses Absatzes hat der Frage nicht präjudizirt werden sollen, in wie weit der Schiffer aus den Kon nossementen u. dergl. bei dem Frachtverhältnisse persönlich verpflichtet wird. (Prot. S. 1901, §. 5.)

54) Ueber die Verbodmung oder den Verkauf der Ladung dritter Befrachter treffen die Art. 504, Abs. 3, AM. 507 — 512 Bestimmung. Das A. L.R. §. 1501 und andere Seerechte enthalten ähnliche Bestimmungen.

724

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

jenige Maßregel zu ergreifen, welche für den Rhedes mit dem ge­ ringsten Nachtheile verbunden ist66).

Er muß dem Rheder nach der Rückkehr in den Heimathshafen und außerdem, so ost es verlangt wird, Rechnung (egen6 6).

Art. 504. Jin Interesse der Ladungsbetheiligten hat der Schiffer während der Reise zugleich für das Beste der Ladung nach Möglichkeit Sorge zu tragen. Werden zur Abwendung oder Verringerung eines Verlustes besondere Maßregeln erforderlich, so liegt ihm ob, das Interesse

der Ladungsbetheiligten als Vertreter derselben66») wahrzunehmen, wenn thunlich deren Anweisungen einzuholen und, insoweit es den Verhältnissen entspricht, zu befolgen, sonst aber nach eigenem Ermes­

sen zu verfahren und überhaupt thunlichst66 b) dafür zu sorgen, daß die Ladungsbetheiligten von solchen Vorfällen und den dadurch ver­ anlaßten Maßregeln schleunigst in Kenntniß gesetzt werden.

Er ist in solchen Fällen namentlich auch berechtigt, die Ladung

ganz oder zum Theil zu löschen, äußerstenfalls, wenn ein erheblicher Verlust wegen drohenden Verderbs oder aus sonstigen Gründen an­

ders nicht abzuwenden ist, zu verkaufen oder behufs Beschaffung der Mittel zu ihrer Erhaltung und Weiterbeförderung zu verbodmen, so­ wie im Falle der Anhaltung oder Aufbringung zu reklamiren oder, 55) Um dem Ermessen des Schiffers darüber nicht vorzugreifen, welcher Weg in jedem einzelnen Aalte mit dem geringsten Nachtheile verbunden sei und am sichersten zuni Ziele führe , ist ihm eine bestimmte Reihenfolge der Geldbe­ schaffungsmittel nicht vorgeschrieben, sondern die freie Wahl unter denselben über­ lassen und keine Formvorschrift über die Feststellung der Nothwendigkeit des be­ treffenden Rechtsgeschäftes, wie es im Falle des Art. 499 geschehen, hier gegeben. Mit den erforderlichen Beweismitteln wird ein vorsichtiger Schiffer sich unerin­ nert versehen. 56) Zu diesem Zwecke hat er ein Schiffsbuch, verschieden vom Journal (Art. 486), über Einnahme und Ausgabe zu Ohren; manche Seerechte schreiben dies ausdrücklich vor.

562) Hierdurch wird das Prinzip ausgesprochen, daß der Schiffer nicht als negotiorum gestor handelt, sondern in dem Rechtsverhältnisse eines Mandatars der Ladungsinteressenten von Rechts wegen steht. (Prot. S. 2461.) Der Abs. 2 hebt, da es unthunlich befunden wurde, dem Schiffer genauere Instruktionen dar­ über zu geben, unter welchen Voraussetzungen er diese oder jene Maßregel zu wählen habe, wenigstens im Allgemeinen hervor, zu welchen Maßregeln der Schiffer befugt sei, und giebt ihm dadurch einige Anhaltspunkte für die richtige Bemessung des von ihm einzuhaltenden Verfahrens an die Hand.

(Prot. S. 2462.)

56 d) Eine unbedingte Verpflichtung zur schleunigen Benachrichtigung hat dem Schiffer nicht auferlegt werden können, weil eine solche Vorschrift oft gar nicht ausführbar sei. Uebngens gilt die gegebene Vorschrift auch für den Fall, wenn das Schiff im Ganzen'verchartert und'vom Befrachter nachher auf Stück angelegt worden ist, weil der Schiffer als gesetzlicher Mandatar auch solcher Stückbesrachter betrachtet werden soll. (Prot. S. 2464.)

Von dem Schiffer.

725

wenn sie auf andere Weise seiner Verfügung entzogen ist, ihre Wie­ dererlangung außergerichtlich und gerichtlich zu betreiben.

Art. 505. Wird die Fortsetzung der Reise in der ursprünglichen Richtung

durch einen Zufall ®r) verhindert, so ist der Schiffer befugt, die Reise entweder in einer anderen Richtung sortzusetzen, oder dieselbe auf kürzere oder längere Zeit einzustellen, oder nach dem Abgangsha­

fen zurückzukehren, je nachdem es den Verhältnissen und den mög­

lichst zu berücksichtigenden Anweisungen entspricht. Im Falle der Auflösung des Frachtvertrags hat er nach den Vorschriften des Art. 634 zu verfahren.

Art. 506. Auf den persönlichen Kredit der Ladungsbetheiligten Geschäfte abzuschließen, ist der Schiffer auch in den Fällen des Art. 504 nur

auf Grund einer ihn hierzu ermächtigenden Vollmacht befugt. Art. 507. Außer den Fällen des Art. 504 ist der Schiffer zur Verbod­

mung der Ladung oder zur Verfügung über Ladungstheile57a)

durch Verkauf oder Verwendung nur dann befugt, wenn und inso­

weit es zum Zwecke der Fortsetzung der Reise nothwendig ist. Art. 508. Gründet sich das Bedürfniß in einer großen Haverei, und kann

der Schiffer demselben durch verschiedene Maßregeln abhelfen, so hat er diejenige Maßregel zu ergreifen, welch« für die Betheiligten

mit dem geringsten Nachtheile verbunden ist.

Art. 509. Liegt der Fall einer großen Haverei nicht vor, so ist der Schiffer zur Verbodmung der Ladung oder zur Verfügung über Ladungs­

theile durch Verkauf oder Verwendurg nur dann befugt, wenn er dem Bedürfnisse aus anderem Wege nicht abhelfen kann, oder wenn

die Wahl eines anderen Mittels einen unverhältnißmäßigen Schaden für den Rheder zur Folge haben würde. Auch in diesen Fällen kann er die Ladung nur zusammen mit

dem Schiffe und der Fracht verbodmen (Art. 681, Abs. 2). Er hat die Verbodmung vor dem Verkaufe zu wählen, es sei 57) „Durch Nothfälle", heißt es im A. L.R. §. 1493. Eine solche Devia­ tion kann z. B. zur Vermeidung eines Kapers bei Plötzlich ausgebrochenem Kriege, oder eines Seeräubers geboten werden.

57») Die ganze Ladung kann zum Zwecke der Fortsetzung der Reise nie verkauft werden; denn wenn die Ladung ganz hinwegfällt, so hat die Reise ihr Ende erreicht, folglich kann von der Fortsetzung derseiben selbstverständlich nicht mehr die Rede sein. (Prot. S. 2462.)

726

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

denn, daß die Verbodmung einen unverhältnißmäßigen Schaden für

den Rheder zur Folge haben würde. Art. 510. Die Verbodmung der Ladung oder die Verfügung über La­

dungstheile durch Verkauf oder Verwendung wird in den Fällen des vorstehenden Artikels als ein für Rechnung des Rheders abgeschlosse­ nes Kreditgeschäft (Artt. 497 und 757, Ziffer 7) angesehen.

Art. 511. In Bezug auf die Gültigkeit der in den Fällen der Artt. 504

und 507 bis 509 von dem Schiffer abgeschloffenen Rechtsgeschäfte

kommen die Vorschriften des Art. 497 zur Anwendung.

Art. 512. Zu den Geschäften und Rechtshandlungen, welche der Schiffer nach den Artt. 495, 496, 497, 499, 504, 507 bis 509 vorzuneh­

men befugt ist, bedarf er der in den Landesgesehen etwa vorgeschrie­

benen Spezialvollmacht nicht. Art. 513. Was der Schiffer vom Befrachter, Ablader oder Ladungsem­ pfänger außer der Fracht als ÄaplaEen 58), 59 Primage") 60 61 oder sonst als Belohnung oder Entschädigung, gleichviel unter welchem Namen erhält«"), muß er dem Rheder als Einnahme in Rechnung brin­ gen«'). 58) Kapla?en heißt ein, nach Verhältniß der Fracht (nach Prozenten) be­ stimmtes Aufgeld zur Fracht. Es ist daraus entstanden, daß in alten Zeiten der Schiffer zur Anschaffung von wannen und schützenden Kleidungsstücken, welche man Kaplaken (Chapot) nannte, Etwas als Gratifikation zugesagt erhielt. Jetzt hält MN es nach Seegebrauch für ein Accessorium der Fracht, welches auch mit der Fautfracht bezahlt werden muß, nach Ermessen des Seegerichts. Zu bergt u. A. die Rechtsfälle in Jacpbsen, Seerecht, S. 403 ff. . 59) Primage heißt die Prämie, welche dem Schiffer für eine schnelle Zurücklegun'g der Reise, z. B. unter der Bedingung versprochen wird, daß er die Reise innerhalb einer gewissen Frist vollenden, oder daß er der erste sein würde, der in der Saison mit der betreffenden Art von Ladung in einen gewissen Hafen einlaufe. (Bergl. Prot. S. 1922.)

60) Was er erhält, womit auch die ohne besondere Verabredung oder Aus­ bedingung bezahlten Vergütungen getroffen und Umgehungen des Gesetzes abge­ schnitten werden sollen. (Pros. S. 1922 ff.)

61) Von Rechts wegen gehört Mes, was der Schiffer mit dem Schiffe verdient, dem Rheder, wenn ihm nicht der Rheder etwas überlassen will. ' Dies der allgemeinen Htechtsanschanung entsprechende Prinzip, welches seit geranmer Zeit von mehreren Gerichtshöfen angewendet worden ist, will der Art. zur voll­ ständigen Anerkennung bringen, weil die triftigsten Gründe gegen irgend eine Be­ schränkung desselben, die dem Schiffe, der Ladung und Mannschaft gefährlich wer­ den könne, dafür sprächen, zumal nichts im Wege stehe, daß der Schiffer sich die Genehmigung des Rheders zu den ihm etwa verheißenen Gratifikationen erbitte. — Daraus allein, daß der Rheder bei Abschließung des Frachtvertrages eine Ver­ gütung für den Schiffer stipulire, soll noch keinesweges allgemein zu folgern sein,

Von dem Schiffer.

727

Art. 514. Der Schiffer darf ohne Einwilligung des Rheders für eigene Rechnung keine Güter verladen62 * *).* * Handelt *** er dieser Bestimmung zuwider, so muß er dem Rheder die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche Reisen und Güter bedungene Fracht erstat­ ten, unbeschadet des Rechts des Rheders, einen erweislich höheren Schaden geltend zu machen. Art. 515. Der Schiffer kann, selbst wenn das Gegentheil vereinbart ist, jederzeit von dem Rheder entlassen toerben63), jedoch unbeschadet seiner Entschädigungsansprüche. daß diese nun auch für den Schiffer bestimmt sei; denn in den meisten FrachtVerträgen zwischen Rhedern und Befrachtern würden neben der Fracht Kaplaken, Prämien u. dergl. bedungen, und dennoch zweifle Niemand daran, daß der Rheder dieselben 'für sich und nicht für den Schiffer stipulire. Ob und wann die Gratifikation, in Folge solcher Stipulation, dem Schiffer zukomme, sei nach all­ gemeinen Grundsätzen über die Auslegung von Verträgen zu beurtheilen. (Prot. S. 1923.)

62) Es giebt zweierlei Fälle, wo Schiffer im eigenen Interesse das Schiff unerlaubter Weise benutzen können, nämlich Fälle, in denen sich der Schifferschön nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen eines Unrechts schuldig macht, und Fälle, in welchen letzteres nicht geschieht. Fälle der ersten Art sind die, in welchen der Schiffer seine eigenen Waaren oder die Waaren anderer Personen, von denen er sich die entsprechende Fracht zahlen läßt oder deren Waaren er aus Gefälligkeit unentgeltlich oder gegen eine zu geringe Fracht befördert, in der Absicht ladet, den Rheder um die ihm gebührende Fracht zu verkürzen. In solchen Fällen, wurde hervorgehoben, mache sich der Schiffer nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen einer Veruntreuung schuldig, so daß es eines besonderen Verbotes im Gesetzbuche gar­ nicht bedürfe. Wesentlich verschieden von diesen Fällen ist der, wenn der SchifferWaaren auf eigene Rechnung in der Absicht befördert, dem Rheder hiefür die entsprechende Fracht zu vergüten, und mit der Waare Handel zu treiben u. bergt An und für sich, bemerkte man, liege hierin kein Unrecht, aber es frage sich, ob nicht aus handelspolitischen Erwägungen auch dieses Verfahren untersagt werden müsse. Früher habe der Schiffer allerdings in der Regel einen Theil des Schif­ fes für seine Benutzung gehabt und in demselben sonach auch seine eigenen Waa­ ren, nach manchen Gesetzgebungen gegen Zahlung der Fracht, verladen können. In neueren Zeiten mache sich aber die Ansicht geltend, daß der Schiffer ohne Ge­ nehmigung des Rheders gar keine Waaren aus eigene Rechnung mit dem Schiffe befördern dürfe, auch nicht, wenn er Fracht zu zahlen bereit wäre, auch nicht ein­ mal in den zu seiner eigenen Benutzung eingerichteten Räumlichkeiten, daß er also überhaupt nicht befugt sei, mit Benutzung des Schiffes auf eigene Rechnung Handel zu treiben u. s. w. (Prot. S. 1924.) Diese Ansicht ist schon im A. L.R. tz. 1514, und auch im franz. Rechte zur Geltung gekommen. Dem schließt sich der Art. 514 an. Das darin ausgesprochene Verbot hat nur den vorhin erwähn­ ten Fall der zweiten Art zum Gegenstände, und überläßt die Fälle, in welchen der Schiffer schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ein Unrecht durch die Ver­ ladung eigener oder fremder Güter begehen würde, der Beurtheilung nach ge­ meinem Civil- und Strafrechte. (Prot. S. 1927.)

63) Das folgt schon nach civilrechtlichen Grundsätzen aus der rechtlichen Natur des Verhältnisses, nicht allein weil der Schifferkontrakt ein Vertrag über Hand­ lungen ist, sondern hauptsächlich, weil der Schiffer dem Wesen seiner rechtlichen Stellung nach Mandatar des Rheders ist. Wenn also der Art. 515 nichts anderes sagen sollte als dies, so hätte es seiner Aufnahme gar nicht bedurft. Die Absicht

728

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Art. 516.

Erfolgt die Entlassung, weil der Schiffer untüchtig befunden iß64), oder weil er seiner Pflicht nicht genügt, so erhält er nur das­

jenige, was er von der Heuer einschließlilch aller sonst bedungenen

Vortheile bis dahin verdient hat66).

Art. 517.

Wenn ein Schiffer, welcher für eine bestimmte Reise angestellt ist66), entlassen wird, weil die Reise wegen Krieg, Embargo oder

Blokade, oder wegen eines Einfuhr- oder Ausfuhrverbots, oder

wegen eines anderen Schiff oder Ladung6*) betreffenden Zufalls des Art. aber dahin, einen besonderen seerechtlichen Satz allgemein zu statuiren, den' Rheder wegen der großen Irteressen, die er dem Schiffer anvertrauen muß, besser als andere Kontrahenten zu stellen, und ihn wenigstens zum Theil seiner vertragsmäßigen Leistungen im Falle der vorzeitigen Entlassung des Schif­ fers zu entheben, weil sonst sein Recht der Entlassung illusorisch würde. (Prot. S. 1944.) In diesem Sinne erhält der Art. in den solgenden Artt. 516—520 seine nothwendige Ergänzung. Der Art. verpflichtete im Entwürfe (435) in einem zweiten Absätze den Rhe­ der, bei der Entlassung dem Schiffer ein Führungsattest zu ertheilen. Diese Vorschrift wurde abgelehnt, aus denselben Gründen, aus welchen die Bestim­ mung, wonach ein Schiffer, der schon im Dienste gewesen, nicht angenommen werden sollte, bevor er seine Entlassung daraus nachgewiesen hätte, abgelehnt wurde. Vergl. Anm. 3 zu Art. 478. (Prot. S. 1931.) Damit ist jedoch nur die polizeiliche Verpflichtung, welche der Rheder bezüglich auf das Schifferverhält­ niß sowohl bei der Annahme wie bei der Entlassung des Schiffers beobachten sollte, abgewiesen. Der Schiffer dagegen kann vermöge seines Privatrechts einen urkundlichen Abschied wohl fordern, wenn ihm an einem Führungszeugnisse, in welchem Entlassungsaründe angegeben sind, die demselben seinen Werth nehmen, etwas gelegen ist. Daher hat oie Frage keine große Bedeutung. Wird das Ver­ hältniß friedlich aufgelöst, so wird der Rheder wohl gern ein günstiges Führungs­ zeugniß freiwillig geben; trennt man sich in Unfrieden, so wird dein Schiffer an einem Führungszeugnisse des unzufriedenen Rheders nichts gelegen sein. 64) Als Untüchtigkeit im Sinne dieses Gesetzes ist nicht auch die während der Dienstzeit eintretende oder vielmehr sogar durch den Dienst veranlaßte physische Unfähigkeit des Schiffers in Folge von Krankheit, Verwundung u. dergl. anzu­ sehen. Hierüber trifft der Art. 523 Bestimmung. (Vergl. Prot. S. 1933.) Es ist damit der Fall gemeint, wo der Schiffer die zur Schifffahrt nöthigen Kennt­ nisse und Erfahrung nicht besitzt, oder grobe Fehler hat, also in technischer und sittlicher Hinsicht unfähig ist. In diesen Fällen verfährt das A. L.R. §§. 1447, 1454, 1455 mit dem Schiffer viel strenger als der Art. 516. 65) Das H.G.B. unterscheidet zwischen den verschiedenen Entlassungögründen. Der Art. 516 trifft Bestimmung über die Fälle, wo der Schiffer in Folge seines eigenen Verschuldens entlassen werden muß; der Art. 517 hat diejenigen Fälle zum Gegenstände, wo ein Zufall die Reise verhindert; die Artt. 518—520 be­ ziehen sich auf die Fälle, wo die Entlassung aus Willkür oder Verschulden des Rheders erfolgt. 66) Der Art. 517 trifft demnach denjenigen Schiffer nicht, der auf eine be­ stimmte Zeit, auf gewisse Jahre oder vielleicht sogar aus Lebensdauer angestellt ist; bei einem solchen Dienstverhältnisse entscheidet die Verhinderung einer einzelnen Reise nichts; die Entschädigung des Schiffers bestimmt sich hier nach den Grund­ sätzen des bürgerlichen Rechts. (Prot. S. 1933.)

67) Der Fall wegen eines nur die Person des Rheders betreffenden Zufalles, der den Rheder nöthigt oder es ihm räthlich erscheinen läßt, die beabsichtigte Reise

Von dem Schiffer, nicht angetreten oder fortgesetzt werden kann, so erhält er gleichfalls nur dasjenige, was er von der Heuer einschließlich aller sonst bedun­ Dasselbe gilt, wenn ein

genen Vortheile bis dahin verdient hat.

aus unbestimmte Zeit angestellter Schiffer entlassen wird, nachdem er die Ausführung einer bestimmten Reise übernommen hat. Erfolgt in diesen Fällen die Entlassung während der Reise, so hat der Schiffer außerdem nach seiner67 * * a* )* *Wahl * entweder aus freie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist,

oder auf eine entsprechende Vergütung Anspruch. Wenn nach den Bestimmungen dieses Gesetzbuchs6 7 b) ein An­ spruch auf freie Zurückbeförderung begründet ist, so umfaßt derselbe auch den Unterhalt67c) während der Reise.

Art. 518. Wird ein Schiffer, welcher aus unbestimmte Zeit angestellt ist, aus andern als den in den Artt. 516 und 517 angeführten Grün­

den entlassen, nachdem er die Ausführung einer bestimmten Reise

übernommen t)cit68), so erhält er außer demjenigen, was ihm nach

den Bestimmungen des vorigen Artikels gebührt, als Entschädigung noch die Heuer für zwei oder vier Monate, je nachdem die Entlas­

sung in einem europäischen oder in einem nichteuropäischen Hafen erauszugeben, z. B. wenn der Rheder die im Frachtverträge bedungene Ladung nicht geliefert erhält, wenn die Konjunktur sich ändere u. dergl. (Prot. S. 1935.) 67 a) Anders bei der Mannschaft. merk. 33 dazu.

Vergl. Art. 545, Abs. 4

67 b) (2. A.) Also auch in dem Falle des Art. 542. 20. März 1866 (Arch. f. Rechtsf. Bd. LXII, S. 246).

und die An­

Erk. des Obertr. vom

67 c) (2. A.) In diesem Unterhalte ist nur die Beköstigung, nicht aber die Bekleidung inbegriffen. (Dass. Erk. a. a. O. S. 247.) 68) Die einfache Anweisung des Rheders an den Schiffer, sich zu einer Reise zu rüsten, genügt noch nicht, um ihm für den Fall seiner Entlassung einen Anspruch auf Entschädigung zu sichern. Derjenige Augenblick ist entscheidend, in welchem der Schiffer, dem bei einem Vertrage auf unbestimmte Zeit vorher das Kündigungsrecht-ebenfalls zusteht, verpflichtet ist, die Reise auszuführen, also der Augenblick, in welchem er zur Ausführung Anweisung erhalten, und letztere aus­ drücklich oder faktisch, durch Beginn der Vorbereitungen u. dergl. angenommen hat. Der Art. 518 findet sonach Anwendung auf den Fall, wenn der auf unbe­ stimmte Zeit angenommene Schiffer sich auf einer Reise befindet, sowie auf den Fall, wenn ein solcher Schiffer zu einer Reise Anweisung erhalten und letztere ausdrücklich oder faktisch angenommen hat. (Prot. S. 1945.) Alle übrigen Fälle sind nach allgemeinen Grundsätzen des Civilrechts zu beurtheilen, namentlich die, wenn der Schiffer auf Lebensdauer, oder auf eine festbestimmte Zeit, oder auf uubestimmte Zeit (auf Kündigung) angestellt ist und im letzten Falle eine An­ weisung zu einer bestimmten Reise nicht erhalten oder nicht angenommen hat. In foldjeii Fällen hat der Schiffer nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die sämmtlichen vertragsmäßigen Leistungen zn fordern, muß sich aber abrechnen lassen, was er nach'seiner Entlassung verdient hat, oder was er, unter gleichen Be­ dingungen und ohne in einer schlechteren Lage zu sein, hätte verdienen können.

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Fünftes Buch.

Dritter Titel.

folgt iji69).70 71 Jedoch erhält er in keinem Falle mehr, als er erhalten

haben würde, wenn er die Reise zu Ende geführt hättet"). Art. 519. War die Heuer nicht zeitweise, sondern in Bausch und Bogen für die ganze Reise bedungen, so wird in den Fällen der Artt. 516 bis 518 die verdiente Heuer mit Rücksicht auf den vollen Heuerbetrag nach Verhältniß der geleisteten Dienste sowie des etwa zurückgelegten

Theils der Reise bestimmt7').

Zur Ermittelung der im Art.518

erwähnten Heuer für zwei oder vier Monate wird die durchschnittliche Dauer der Reise einschließlich der Ladungs- und Löschungszeit unter

Berücksichtigung der Beschaffenheit des Schiffs in Ansatz gebracht, und danach die Heuer für die zwei oder vier Monate berechnet. Art. 520. Endet die Rückreise des Schiffs nicht in dem Heimathshasen, und war der Schiffer für die Aus- und Rückreise oder auf unbe­

stimmte Zeit angestellt, so hat der Schiffer Anspruch auf freie Zu­ rückbeförderung nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, und auf Fortbezug der Heuer während der Reise oder nach seiner Wahl auf

eine entsprechende Vergütung.

Art. 521. Der Schiffer, welcher auf unbestimmte Zeit angestellt ist72), muß, sobald er eine Reise angetreten hat, in dem Dienste verblei­

ben, bis das Schiff in den Heimathshasen oder in einen inländischen

Hasen zurückgekehrt und die Entlöschung erfolgt ist. 69) Die Fixirung der Entschädigung beseitigt die Schwierigkeiten der Liqui­ dationen zwischen Schiffer und Rheder.

70) Der Schiffer soll durch die Entlassung nicht besser gestellt werden, wenn er nicht entlassen worden wäre.

als

71) Wem die Entscheidung der Streitigkeiten über die in Rede stehenden Forderungen der Schiffer zustehe, richtet sich nach den Landesgesetzen. Der Ent­ wurf hatte die Worte „von dem Richter". Diese wurden gestrichen, in der Er­ wägung, daß derartige Streitigkeiten nicht aller Orten von Gerichten, sondern hier und dort von den für vergleichen Angelegenheiten bestellten Schiedsgerichten und Hafenbehörden entschieden würden. (Prot. S. 1954.)

72) Nur auf diesen Fall bezieht sich der Art. 521. Umgang genommen ist, nicht allein von dem Falle, wenn der Schiffer für eine bestimmte Reise angestellt worden ist, für welchen Fall man beu Vertrag in der Meinung für maßgebend erachtet hat, daß der Schiffer da seine Entlassung erhalten müsse, wo die be­ treffende Reise sich endige, was allerdings meistens erst im Heimathshasen der Fall sein würde; sondern auch von dem Falle, wenn der Schiffer auf bestimmte Zeit angestellt ist. In diesem wie in jenem Falle könne, sagte man, eigentlich von einer Entlassung des Schiffers durch den Rheder, als einer Willenserklärung des Letzteren, gar nicht die Rede sein. Der Schiffer höre mit Ablauf des Kon­

trakts auf, Schiffer zu sein. Es sei auch nicht abzusehen, weshalb das Gesetz hieran etwas gegen den ausgesprochenen Willen der Kontrahenten, die sich auf einen solchen Kontrakt einließen, ändern sollte, zumal auch gerade in solchen Ber-

Von dem Schiffer.

731

Er kann jedoch seine Entlassung fordern, wenn seit der ersten

Abreise zwei oder drei Jahre verflossen sind, je nachdem das Schiff zur Zeit der Aufkündigung in einem europäischen oder in einem nicht­ europäischen Hafen sich befindet73 * * ). *74 * *75 Er * * *hat * * *in * * einem * * * * * solchen Falle

dem Rheder die zu seiner Ersetzung erforderliche Zeit zu gewähren

und den Dienst inzwischen fortzusetzen, jedenfalls die laufende Reise zu beendigen 7 *). Hat der Rheder sofort nach der Kündigung die Rückreise an­

geordnet, so muß der Schiffer das Schiff zurücksühren. Art. 522. Die Schiffspart, mit welcher der Schiffer auf Grund einer mit

den übrigen Rhedern getroffenen Vereinbarung als Mitrheder an dem Schiffe betheiligt ist, muß im Falle seiner unfreiwilligen Entlas­ sung auf sein Verlangen von den Mitrhedern gegen Auszahlung des durch Sachverständig zu bestimmenden Schätzungswerths übernom­ men werden 7ö). Dieses Recht des Schiffers erlischt, wenn er die trägen der Schiffer ein Mittel habe, sich gegen eine mit seinen Jntereffen kollidirende Ausdehnung seiner Dienstzeit durch den Rheder zu schützen, und solche Verträge meist durch besondere Verhältnisse bedingt würden, weshalb es um so gerechtfertig­ ter sei, in Ansehung derselben die Anwendbarkeit der allgemeinen Rechtsgrundsätze durch eine spezielle > die Berücksichtigung der Besonderheiten des einzelnen Falles verhindernde Vorschrift nicht zu beschränken. (Prot. S. 1957.) — Hiernach nimmt also die Dienstpflicht des auf eine bestimmte Zeit angestellten Schiffers mit dem Ablaufe dieser Zeit ohne Weiteres ein Ende. Wenn aber ein solcher Schiffer auf Anweisung des Rheders eine bestimmte Reise unternommen hat, so muß er sie auch ausführen und das Schiff zurückbringen, und kann dasselbe nicht unterweges verlassen. Denn es ist anzunehmen, daß beide Kontrahenten bedacht haben, die Reise könne bis zum Ablaufe der kontraktlichen Dienstzeit beendigt sein. Es ist also Sache des Schiffers, zu erwägen, ob dies der Fall sein werde, und, wenn er es für zweifelhaft hält und sich der möglichen Eventualität nicht unterwerfen will, den Auftrag abzulehnen. Hat er den Auftrag auf alle Fälle hin angenom­ men, so muß er auch das höchste seerechtliche Gebot, daß der Schiffer das Schiff, mit dem er aus eine Reise ausgegangen, auch wieder zurnckbringe, erfüllen, wenn auch unvorhergesehene Zufälle die Reise verzögern. (Bergt. Prot. S. 1948.)

73) Dieser Satz bezieht sich auf den Fall, wenn der Rheder dem auf der Reise befindlichen Schiffer Ordre zu neuen Zwischenreisen ertheilt und dadurch die Rückkehr des Schiffs in den Heimathshafen und die Entlassung des Schiffers, nämlich des auf unbestimmte Zeit angestellten Schiffers, nach der Kündigung verzögert. 74) Hierbei wurde die Frage angeregt, ob der in Rede stehende Schiffer nicht das Recht haben solle, dann, wenn ihm auf sein Begehren im Auslande die Ent­ lassung bewilligt werde, freie Rückkehr auf Kosten des Rheders zu verlangen. Die dlskutirte Frage wurde mit 9 gegen 1 Stimme verneint. Für die Vernei­ nung war geltend gemacht worden, die' Reise des Schiffers in einen solchen fernen Hasen sei eine natürliche Folge der Eingehung seines Dienstvertrages, die er sich darum auch selbst zuzuschreiben habe. Zudem müsse man annehmen, der Schiffer­ selbst sei bis zum Augenblicke der Kündigung mit allen Reisen einverstanden, die ihm aufgetragen würden. (Prot. S. 1959.) Der Rechtsgrund der Verneinung ist also, gemäß der Grundsätze über das Mandat, Jmportunität.

75) Diese Bestimmung beruhet auf der Erwägung, daß an manchen See­ plätzen der Schiffer gewöhnlich Miteigenthümer des Schiffes ist und auch von der

732

Fünftes Buch.

Dritter Titel.

Erklärung, davon Gebrauch zu machen, ohne Grund verzögert7. die folg. Anm. 6.) 6) Ein Mitglied beantragte die Streichung dieses Art., weil sein Inhalt le­ diglich polizeilicher Natur sei und nicht füglich als ein Gegenstand der Privatgesetzgebung angesehen werden könne, sondern in den Strafgesetzgebungen der einzelnen Staaten zu erledigen sein werde. Hiegegen wurde jedoch geltend gemacht: Der Art. habe allerdings eine sehr erhebliche'privatrechtliche Bedeutung. Nach dem in verschiedenen Ländern geltenden Rechte gebe es nämlich gemeinhin bei Obligatio­ nen auf ein Handeln, abgesehen von minder erheblichen Geldstrafen, mit denen der Vollzug des verurteilenden Erkenntnisses versucht werde, keinen eigentlichen Zwang zum Handeln gegen den Beklagten (executio ad faciendum), die Obliga­ tion löse sich vielmehr in der Regel in die Verbindlichkeit zur Lösung des Interesse auf. Da es nun nach manchen Civilgesetzgebungen zweifelhaft sein könnte, ob

dies nicht auch bezüglich der Heuerverträge der Fall sei, während doch nach unbe­ strittener seerechtlicher Anschauung wenigstens nach der Musterung, gegenüber der Mannschaft, die executio ad faciendum, und zwar noch dazu auf Grund der Musterrolle, in einem summarischen Verfahren zulässig sein müsse, so erscheine der Art. unentbehrlich. (Prot. S. 1972.) Nach preußischem Rechte wird ein Schiffsmann, der mit der empfangenen Heuer entläuft, oder sich verborgen hält, um dem übernommenen Dienste sich zu entziehen, mit Gefängniß bis zu einem Jahre bestraft. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob das Vergehen im Inlande oder im Auslande begangen ist. Str.G.B. §. 279. (2. A.) Zu diesem Art. tritt für Preußen der Zusatz des §.27 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft, vom 26. März 1864 (Zus. 7 a zu Art. 556). 6 a) (2. A.) Dieser Absatz des Art. 533 ist durch den §. 28 des Gesetzes, be­ treffend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft, Dom 26. März 1864 (Zus. 7 » zu Art. 556), für Preußen ergänzt. 7) Das Rechtsverhällniß der Mannschaft zum Schiffer ist nicht als eine reine locatio conductio operarum, sondern als ein durch die Disziplinargewalt des Schiffers modifizirtes Rechtsverhältniß aufzufassen, ähnlich dem deutschen Gesinde­ verhältniß , dem es die preußische Gesetzgebung auch gleichgestellt hat. (Zus. 5 zu diesem Art.) Der §. 1534 d. 8. T. lautet: „Das Schiffsvolk steht gegen den Schis­ ser in eben dem Verhältnisse, wie das Gesinde gegen seine Dienstherrschaft (Th. II, Tit. 5). Vergl. unten Anm. 36 zu Art. 547.

7») (2. A.) Man sehe den Zusatz hierzu im Gesetze, betreffend die Rechts­ verhältnisse der Schiffsmannschaft, vom 26. März 1864, §§. 29 u. 30 (Zus. 7» zu Art. 556).

737

Von der Schiffsmannschaft.

5. K.O. v. 23. November 183 1, wegen Bestrafung der Schiffer, welche Schiffsleute ohne Losschein heuern, oder unwahre Losscheine ausstellen. (G.S. S. 255.)

Bei den in Ihrem Berichte v. 9. d. M. angezeigten Umständen setze ich nach Ihren Anträgen fest: daß, da das Schiffsvolk gegen den Schiffer gesetz­ lich in eben den Verhältniffen steht, wie das Gesinde gegen die Dienstherr­ schaft , die Vorschriften über Annahme und Verabschiedung des Gesindes in den §§. 9 — 12 und 171 — 176 der Gesindeordnung v. 8. Nov. 1810 auch für die Schiffer und das Schiffsvolk aller in preußischen Ostseehäfen ausgerü­ steten Seeschiffe zur Anwendung kommen sollen, mit der Maßgabe, daß Schiffer, welche Schiffsleute ohne Losschein heuern, oder unwahre Losscheine ausstellen, jederzeit mit dem höchsten Satze der in §§. 12 und 176 angedroh­

ten Geldbußen zu bestrafen sind. 6. K.O. v. 2 3. Sept. 1835, wegen des Rechtsverhältnis­ ses der Schiffsführer von Stromfahrzeugen zu den Schiffs­

knechten.

(G.S. S. 222.)

Zur Beseitigung des Mangels gesetzlicher Bestimmungen über das Rechts­ verhältniß der Stromschiffer zu den Schiffsknechten will Ich — bestimmen: 1) daß die Vorschriften der Gesindeordnung v. 8. Nov. 1810 auch auf das Verhältniß zwischen den Stromschiffern zu den Schiffsknechten ange­ wendet werden 8), wie sie durch meine Ordre v. 23. Nov. 1831 schon auf die Seeschifffahrt für anwendbar erklärt worden sind; 8) Auch die Gesindedienstbücher sind für die Schiffsleute eingesührt durch nachste­ hende Verordn, der M. des Innern, der Finanzen und für Handel rc., v. 8. Juli 1856 (Oppeln. Annsbl. 1856, S. 237 u. Min.Bl. der inneren Verw. für 1856): Verordnung wegen Einführung von Dienstbüchern für die Schiffsleute. Auf Grund des §. 6, lit. b des Gesetzes über die Polizeiverwältung vom 11. März 1850 wird zur besseren Beaufsichtigung der Schiffsleute aus Preußischen Flußschiffen und zur Hebuug der Disziplin Nachstehendes angeordnet: §. i. Jeder Dienstmann auf einem preußischen Flußschiffe oder Floße — Lehrling, Junge, Schiffsknecht, Zugknecht, Heizer, Geselle, Matrose, Boots­ mann, Steuermann — muß mit einem Dienstbuche versehen sein und dasselbe auf jeder Reise bei sich führen. §. 2. Die Dienstbücher werden nach dem anliegenden Muster gedruckt. Sie gewähren Raum zur Eintragung von 6 Dienstattesten und sind bei denjenigen Künigl. Zoll- und Steuerämtern käuflich zu haben, welche demnächst werden be­ zeichnet werden. §. 3. Wer nach den Bestimmungen dieser Verordnung Init einem Dienstbuche versehen sein muß, hat solches der Polizeibehörde seines Wohnorts, be­ hufs der Ausfertigung und Eintragung des Signalements, vorzulegen. Die Ein­ tragung erfolgt kostenfrei. 4. Schiffseigner, Schiffs- oder Floßführer haben bei jeder Annahme eine Dienstmannes sich dessen Dienstbuch vorlegen zu lassen, und darin über das einzugehende Dienstverhältniß das Erforderliche einzutragen. In Beziehung auf die schon vor Publikation der gegenwärtigen Verordnung eingegangenen Dienstver­ hältnisse, ist die Befolgung dieser Vorschriften binnen drei Monaten nachzuholen. §. 5. Der Dienstmann darf in seinem Dienstbuche keine Aenderungen oder Zusätze machen, oder durch Unberechtigte machen lassen*). §. 6. Das Dienstbuch muß sowohl dem Dienstherrn, als einer jeden Poli­ zeibehörde ans Verlangen jederzeit vorgelegt werden.

*) Vergl. Str.G.B. §. 254 u. die Anm. 40, Abs. 3 dazu.

Koch, 2C. D. Handelsgesetzbuch. 2. Ausl.

47

738

Fünftes Buch.

Vierter Titel.

Die nach dem Muster zu §. 2 vorschriftsmäßig ausgefüllten Dienstbücher gel­ ten für ihre Inhaber, sofern sie Preußische Unterthanen sind, in den diesseitigen Staaten als genügender persönlicher Ausweis und vertreten die Stelle der paß­ polizeilichen Legitimationen. §. 7. Den Polizeibehörden liegt es ob, Beschwerden des Dienstmannes über ein, demselben ertheiltes oder verweigertes Zeugniß zu erledigen und die dadurch etwa herbeigeführten Aenderungen und Zusätze im Dienstbuche nachzutragen. §. 8. Auf jedem Preußischen Flußschiffe ist ein Verzeichniß der Personen, welche auf demselben in Dienst getreten sind, zu führen und auszubewahren. Dem Namen jedes entlassenen Dienstmannes ist eine Bemerkung über Anfang und Ende seiner Dienstzeit und eine wörtliche Abschrift des ihm bei seinem Abgänge ertheil­ ten Zeugnisses beizusetzen. — Dieses Verzeichniß ist jeder Schisisahrts- und Po­ lizeibehörde auf Verlangen zur Einsicht vorzulegen. §. 9. Übertretungen der obigen Vorschriften werden mit Geldstrafen bis zu dem Betrage von 10 Rthlrn. und in Unvermögensfällen mit verhältnißmäßiger Gefängnißstrafe geahndet. §. 10. Die gegenwärtige Verordnung tritt mit dem 1. Februar 1857 in Kraft. Berlin, den 8. Juli 1856. Der Minister des Innern: v. Westphalen. Der Finanzminister: v. Boder­ schwing h. Der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten. In Vertretung: v. Pommer-Esche. Schema.

(Titelblatt.)

(Seite 3.)

(Seite

Bezeichnung

4 und 5.)

(Seite 6.)

Zeugniß-

(Seite 7.) Nr............

des Inhabers.

Name des Schiffseigners ober Schiffsführers (Floßführers) Abdruck Dienstbuch Name: wegen Ein- und des von ihm geführten für den Schiffs. Geburtsort: führung der Angabe der Nuwmer, welche Alter: (Schiffsgesellen Verord­ Größe: das Fahrzeug bei der Ver­ Schiffsjungen nung von Haare: messung erhalten hat. Ist rc.) Dienst­ Auaen: dasselbe zugleich für die Be­ Befind. Kenn­ büchern für fahrung der Elbe mit einem Ausgefertigt zeichen : Schiffspatente versehen, so die Schiffs­ ü Eigenhändige ist zu vermerken, unter wel­ zu ....... leute vom chem Datum und von wel­ Unterschrift des den.... 18.. Inhabers: cher Böhörde das Patent er­ (Vor - und Zu­ theilt ist. (Unterschrift name.) Tag des Dienstantritts. der ausfertigen­ G Unterzeichnet in Inhaber dient als............. den Behörde.) Gegenwart und auf die Zeit von ....... attestirt vor den gegen einen Lohn von .... Beamten. Tag der Dienstbeendigung.

1i

Angabe des Entlassungsgmndes. Eigenhändiges mit vollem Äarnen zu unterschreibendes Zeugniß des Schiffseigners oder Schiffsführers (Floß­ führers) über Betragen und Tüchtigkeit des Dienstman­ nes. Bemerkungen der Polizeibe­ (Seite 8.) hörde. Zeugniß Nr.

Von der Schiffsmannschaft.

739

4) daß bei Streitigkeiten zwischen — den Schiffern und dem Schiffs­ volke der Polizeibehörde des jedesmaligen Aufenthaltsortes der Jnteressenten die Entscheidung in soweit, als sie derselben in Gestndesachen verfas­ sungsmäßig zusteht, mit Vorbehalt der an einzelnen Orten nothwendigen Reglementarbestimmungen zu übertragen ist.

7. Gesetz zur Aufrechthaltung der Mannszucht auf den Seeschiffen. Vom 3 1. März 18 41. (G.S. ©. 64.)8a). Wir Friedrich Wilhelm rc. rc. Da die bestehenden Vorschriften über die Mannszucht aus den See­ schiffen sich als unzureichend erwiesen haben, so verordnen Wir auf den An­ trag Unseres Staatsministeriums und nach erfordertem Gutachten Unseres Staatsraths für den ganzen Umfang Unserer Monarchie, was folgt: §. 1. Die Mannschaft auf den Seeschiffen ist von dem Tage ab, an welchem sie in Folge des Heuervertrages den Dienst aus dem Schiffe angetre­ ten hat, der Disziplin des Schiffskapitäns (Schiffers) unterworfen. Dieselbe ist nicht nur schuldig, allen Anweisungen des Schiffskapitäns in Betreff des Schiffsdienstes ohne Widerrede pünktlich Folge zu leisten, sondern hat auch alles zu vermeiden, was zur Störung der Ordnung und Eintracht hinsühren könnte. Hierüber zu wachen, ist der Kapitän besonders verpflichtet. §. 2. (An Stelle desielben tritt der §. 29 des Gesetzes vom 26. März 1864, Zus. 7a zu Art. 556.) §. 3. Dem Schiffskapitän liegt ob, jede von ihm verfügte Diszipli­ narstrafe mit Bemerkung der Art des Vergehens und der vorhandenen Be­ weise in dem Schiffstagebuche zu verzeichnen oder verzeichnen zu laffen. §. 4. Wird zu einer Zeit, wo das Schiff aus der Rhede eines inlän­ dischen Seehafens bereits segelfertig gemacht ist, oder sich auf offener See, oder in einem ausländischen Hafen oder Gewässer befindet, von dem Schiffs­ volke eines der in den nachstehenden §§. 5 — 8 bezeichneten Verbrechen verübt, so treten die daselbst bestimmten Kriminalstrasen ein. Bei Abmessung dieser Strafen soll auf die etwa schon angewendete Disziplinarstrafe keine Rücksicht genommen werden. §. 5. Ein Schiffsmann, welcher den wiederholten Befehlen des Schiffs­ kapitäns den Gehorsam verweigert, hat Gefängniß oder Strafarbeit von vierzehn Tagen bis zu einem Jahre verwirkt. §. 6. Ein Schiffsmann, welcher dem Kapitän thätlich sich widersetzt, oder mit thätlichem Widerstande droht, soll mit Gesängnißstrafe oder Straf­ arbeit von zwei Monaten bis zu zwei Jahren belegt werden. §. 7. Eben diese Strafe (§. 6) betrifft den Schiffsmann, welcher den Kapitän durch Gewalt oder Drohung oder auch nur durch Verweigerung der Dienste, zu einer Handlung oder Unterlassung, welche sich auf die Leitung

8a) Dieses Gesetz ist von dem Obertribunale auch auf solche preußische Schiffsleute, welche nicht auf preußischen Schiffen, sondern im ausländischen Schiffsdienste sich befinden, für anwendbar erklärt. Erk. vom 16. März 1859 (Entsch. Bd. XLU, S. 8*). (2. A.) In Hannover ist dasselbe, soweit es durch das Gesetz vom 26. März 1864 nicht abgeändert ist (f. §. 2), eingeführt durch die Verordnung vom 24. Juni 1867 (G.S. S. 1165) und in Holstein und Schleswig durch die Verordnung vom 5. Juli 1867, §. 1, Nr. 2 (Zus. I b, Nr. 1 hinter dem Einf.-Gesetz). 47*

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Fünftes Buch.

Vierter Titel.

des Schiffes, sowie auf die Aufsicht über das Schiff oder die Ladung bezieht, zu nöthigen sucht. §. 8. Unternehmen es Zwei oder Mehrere, den Schiffskapitän zu einer solchen Handlung oder Unterlassung (§. 7) zu nöthigen, so wird die im §. 6 bestimmte Strafe verdoppelt; ist aber eine Verabredung dazu zwischen den Thätern vorangegangen, so soll gegen die Anstifter oder Rädelsführer auf vier bis zwölf Jahre und gegen die übrigen Theilnehmer auf zwei bis fünf Jahre Strafarbeit oder Zuchthaus erkannt werden. §. 9. Der Kapitän ist ermächtigt, den Schiffsmann, welcher sich eines in den §§. 5 — 8 bezeichneten oder eines anderen schweren Verbrechens schul­ dig gemacht hat, zu verhaften. Wenn das Entweichen des Verbrechers zu besorgen ist, so ist der Kapitän zur Verhaftung verpflichtet. §. 10. Bei jedem Verbrechen muß der Schiffskapitän mit Zuziehung des Steuermannes, Hochbootsmannes, Zimmermannes oder anderer glaub­ würdigen Personen alles dasjenige genau aufzeichnen, was auf den Beweis des Verbrechens und dessen künftige Bestrafung Einfluß haben kann. §. 11. Insonderheit müssen, wenn eine erhebliche Verletzung vorge­ fallen ist, die Beschaffenheit der Wunde, und wenn eine Tödtung geschehen ist, die Zeit, wie lange der Verwundete noch gelebt, die Speise, die er genos­ sen hat, und die Mittel, die zu seiner Heilung angewendet worden, genau verzeichnet werden. §. 12. Befindet sich auf dem Schiffe ein Arzt oder Wundarzt, so muß dieser in Gegenwart der im tz. 10 bezeichneten Personen die Besichtigung vor­ nehmen und darüber sein ausführliches Gutachten, wie er solches eidlich be­ stärken kann, dem Schiffstagebuche beifügen. §. 13. Bei Erreichung des ersten inländischen Hafens muß der Ver­ brecher, unter Mittheilung der Verhandlungen (§§. 10—12), an das Gericht dieses Hafens abgeliefert werden, welches zur Annahme des Verbrechers und zur Führung der Untersuchung verpflichtet ist. §. 14. Findet der Schiffskapitän die Aufbewahrung des Verbrechers bis ^ur Erreichung eines inländischen Hafens gefährlich, so steht ihm frei, den­ selben einem auswärtigen Gerichte zur Untersuchung und Bestrafung zu über­ geben. Er ist aber in diesem Falle verpflichtet, sich bei dem Gerichte des er­ sten inländischen Landungsortes über das Sachverhältniß und über sein Ver­

fahren auszuweisen. §. 15. Die Beweiskraft der Angaben des Schiffskapitäns über Ver­ brechen, insbesondere über die Anstifter und Theilnehmer einer Meuterei, ist nach den Gesetzen des Ortes zu beurtheilen, wo die Untersuchung geführt wird.

§. 16. Ein Schiffsmann, welcher sich weigert, dem Kapitän bei Be­ strafungen oder Verhaftungen hülfreiche Hand zu leisten, soll der ganzen Heuer verlustig sein, und noch außerdem nach den Grundsätzen von der Theil­ nahme oder Begünstigung des Verbrechens bestraft werden. §. 17. Hat ein Reisender auf dem Schiffe ein Verbrechen begangen, so gelten wegen dessen Verhaftung, Auslieferung und Uebersührung dieselben Vorschriften, welche oben für die Verbrechen des Schiffsvolks gegeben sind. §. 18. Die Befugnisse und Verpflichtungen des Schiffskapitäns gehen, wenn derselbe behindert ist, aus den Steuermann, und wäre auch dieser be­ hindert, auf den anderweitigen Stellvertreter über, und die in den §§. 5 — 8

Von der Schiffsmannschaft.

741

bestimmten Strafen finden auch bei Verbrechen gegen diese Stellvertreter An­

wendung. §. 19.

Ist nach der Dienstordnung oder nach der Bestimmung des

Kapitäns ein Schiffsmann mit der Leitung eines besonderen Geschäftes beauf­

tragt, so werben die von der ihm untergeordneten Mannschaft gegen ihn verübten Verbrechen gleichfalls nach §§. 5—8 bestraft.

§. 20.

Alle dem Inhalte dieses Gesetzes entgegenstehende allgemeine

und besondere Bestimmungen werden hiermit aufgehoben.

Art. 534. Der Schiffsmann darf ohne Erlaubniß des Schiffers keine Gü­ ter an Bord bringen9).10 11 Für 12 *die gegen dieses Verbot beförderten

eigenen oder fremden Güter muß er die höchste am Abladungsorte zur Abladungszeit für solche 9teisen und Güter bedungene Fracht er­

statten, unbeschadet der Verpflichtung zum Ersätze eines erweislich höheren Schadens'9). Der Schiffer ist auch befugt, die Güter über Bord zu werfen,

wenn dieselben Schiff oder Ladung gefährden "). Die Landesgesetze, welche die Uebertretung des Verbots mit

noch anderen Nachtheilen bedrohen, werden hierdurch nicht be­

rührt 1 2). Art. 535. Der Schiffsmann ist verpflichtet, auf Verlangen bei der Ver­

klarung mitzuwirken und seine Aussage eidlich zu bestärken 14 a). Art. 536. Die Heuer ist dem Schiffsmanne, sofern keine andere Dereinba9) Diese Bestimmung ist hauptsächlich gegen das Recht der s. g. Führung (Pacotille) gerichtet, welches der Mannschaft m einem beschränkten Maße noch im A. L.R. §. 1596 zugestanden ist und welches die Mannschaft auch bis in die neue­ sten Zeiten geltend zu machen versucht, dessen gänzliche Beseitigung aber wegen der Nachtheile, die nicht selten aus demselben für Schiff und Ladung entstehen, indem die Mannschaft häufig die Zollgesetze u. dgl. außer Acht läßt, von der Versamnilung für ein dringendes Bedürfniß erachtet und als solches auch von allen neueren Gesetzgebungen anerkannt ist. (Prot. S. 1973.) Damit ist selbstverständ­ lich nicht verboten, 'die zur Reise erforderlichen Effekten an Bord zu bringen, da das Verbot nur „Güter" (Waaren, wie es im Entwürfe Art. 447 hieß) trifft.

10) Vergl. Art. 514.

11) Diese Bestimmung wurde namentlich um deswillen als erforderlich be­ zeichnet, weil es sich keinesweges von selbst verstehe, daß der Schiffer in dieser Weise selbst dann verfahren dürfe, wenn die Güter einem Dritten gehörten. Die Beschränkung der Befugniß des Schiffers auf gefährdende Güter soll Chikanen vor­ beugen. (Prot. S. 1974.) Der Schiffer hat'daher zu seiner Zeit über den Wurf vor dem Richter Rede zu stehen.

12) Strafgesetzbuch §. 278 und Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft auf den Seeschiffen, vom 26. März 1864, §. 31 (Zus. 7 a zu Art. 556). 12 a) Das folgt schon aus der allgemeinen Verpflichtung zur Ablegung eines Zeugnisses; hier ist es zugleich zur kontraktlichen Verpflichtung gemacht.

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Fünftes Buch.

Vierter Titel,

rung getroffen ist. erst nach Beendigung der Reife ode'r bei der Ab­

dankung zu zahlen, wenn diese früher erfolgt *3). Ob und inwieweit vor dem Antritte und während der Reise

Dorschußzahlungen und Abschlagszahlungen zu leisten sind, bestim­

men die Landesgesetze und in deren Ermangelung der Ortsgebrauch des Heimathshafens "). Art. 537. Der Schiffsmann darf den Schiffer vor einem fremden Gerichte

nicht belangen").

Handelt er dieser Bestimmung zuwider, so ist er

nicht allein für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich, son­ dern er wird außerdem der bis dahin verdienten Heuer verlustig "). Er kann in Fällen, die keinen Aufschub leiden, die vorläufige 13) Dieser Grundsatz wurde, ohne daß es einer Abstimmung bedurfte, an­ genommen, indem man darüber einverstanden war, daß derselbe schon wegen Erhaltung der Disziplin an Bord unentbehrlich und auch in den ältesten Seerechten enthalten sei. (Prot. S. 1974.) Ausnahmen sind nach Abs. 2 zulässig.

14) Einf.-Gesetz Art. 56, §. 1 u. Anm. 118 dazu, und §. 32 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft auf den Seeschiffen, vom 26. März 1864 (Zus. 7 * zu Art. 556). (2. A.) Für Holstein und Schleswig ist dieselbe Bestimmung des Art. 56, §. 1 eingeführt. Einf.-Verordnung vom 5. Juli 1867, §. 69 (I d). 15) Zur Begründung dieses ganz neuen Grundsatzes wurde hervorgehoben: Eine Bestimmung, daß die Mannschaft den Schiffer auf der Reise nicht belangen dürfe, fei ein dringendes Bedürfniß. Ohne eine solche Bestimmung sei die Diszi­ plin schwer aufrecht zu erhalten; jeder Matrose habe es sonst in oer Hand, die Beurtheilung seiner Angelegenheiten nach fremden Rechten zu veranlassen, in die Dispositionen des Rheders ourch Anstellung einer Klage und durch Verhinderung der Weiterreise störend einzugreifen. Das' Interesse, die Schifffahrt zu schützen, sei wichtiger als die Rücksicht, daß die Mannschaft an jedem Orte ihr Recht er­ halten müsse. Die meisten Gesetzgebungen hätten demzufolge auch eine solche Be­ stimmung ausgenommen und werde sich deren Annahme auch für das allgemeine deutsche Seerecht empfehlen. — Dem Anträge, hinter „Gericht" die Worte ein­ zuschalten: „vor der Abdankung", wurde auf den Einwand, daß, wenn man den Schiffer verpflichten würde, dem entlassenen Seemanne auch im Auslande vor Ge­ richt Rede zu stehen, alle diejenigen Nachtheile eintreten würden, wegen deren man das Prinzip für nothwendig erachtet habe, zumal es ein Seemann durch sein Be­ tragen leicht dahin bringen könne, daß ihn der Schiffer entlasse, — keine weitere Folge gegeben. (Prot. S. 1977.) — Der von der Annahme dieses Prinzips gehoffte Erfolg ist zweifelhaft, weil die Durchführung desselben außerhalb des Be­ reichs des H.G.B. nicht gesichert ist; die auswärtigen Gerichte werden sich durch die Bestimmung desselben nicht abhalten lassen, die Klage eines entlassenen See­ mannes, zumal wenn er sich dort niederlassen will, an'zunehmen. Absicht ist bei dieser allgemeinen Fassung des ersten Satzes gewesen, daß der Art. nicht allein auf die aus dem Heuervertrage, sondern auf alle zwischen Schif­ fer und Mannschaft entstehenden Streitigkeiten, namentlich auch auf die wegen Ausübung der Disziplinargewalt entstehenden, Anwendung finden solle. In die­ ser Absicht ist nach dem Vorgänge in Art. 27 der Haniburger revidirten Seemanns­ ordnung von 1854 ganz allgemein gesagt, daß Niemand von der Mannschaft be­ rechtigt sei, den Kapitän im Auslande vor fremden Gerichten zu belangen. (Prot. S. 1979.) 16) Diese Uebertretungsstrafe ist gleichfalls nach dem Vorbilde des erwähnten Hamburgischen Gesetzes angedroht; sie ist gegen entlassene und im Auslande blei­ bende Seeleute nicht vollstreckbar.

Von der Schiffsmannschaft.

743

Entscheidung deS Landeskonsuls oder desjenigen Konsuls, welcher dessen Geschäfte zu versehen berufen ist, und in Ermangelung eines solchen die des Konsuls eines anderen Deutschen Staates nachsu­ chen 1*). ! Jeder Theil hat die Entscheidung des Konsuls einstweilen zu be­ folgen, vorbehaltlich der Besugniß, nach Beendigung der Reise seine Rechte vor der zuständigen Behörde geltend zu machen. Art. 538. Der Schiffsmann ist verpflichtet, während der ganzen Reise ein­ schließlich etwaiger Zwischenreisen bis zur Beendigung der Rückreise im Dienste zu verbleiben, wenn in dem Heuewertrage nicht ein An­ deres bestimmt ist"). Endet die Rückreise nicht in dem Heimathshafen, so hat er Anspmch aus freie Zurückbeförderung (Art. 517) nach dem Hafen , wo er geheuert worden ist,-und aus Fortbezug der Heuer während der Reise oder nach seiner Wahl auf eine entsprechende Vergütung. Art. 539. Ist nach Beendigung der Ausreise eine Zwischenreise beschlossen oder ist eine Zwischenreise beendigt, so kann der Schiffsmann seine Entlassung fordern, wenn seit dem Dienstantritte zwei oder drei Jahre verflossen sind, je nachdem das Schiff in einem europäischen oder in einem nichteurapäischen Hafen sich befindet. Bei der Entlassung 17) Der Schlußsatz soll selbstverständlich dem „Konsul eines anderen deut­ schen Staates" keine Verpflichtung anflegen, die vor ihn gebrachten Streitigkeiten anderer Staatsangehörigen zu entscheiden, sondern nur auösprechen, daß er die­ selben entscheiden könne, wenn er sich überhaupt dazu herbeilassen wolle, und daß die Landesangehörigen verpflichtet seien, vor jedem deutschen Konsul erforderlichen Malls Recht zu nehmen. Der Art. 27 der Hamburgischen Seemannsordnung ist gleichfalls Beispiel der Bestimmung des zweiten Absatzes. (Vergl. Prot. S. 1981.)

18) Z. B. wenn der Heuervertrag auf eine bestimmte Zeit oder auf eine be­ stimmte Reise geschlossen worden ist. Aus der Stipulation einer Heuer in Bausch und Bogen allem darf nicht immer auf die Beschränkung des Heuervertrages auf eine bestimmte Reise geschlossen werden, indem auch Fälle vorkommen können, in welchen der Lohn der Mannschaft zwar in Bausch und Bogen festgesetzt, aber darum doch der Heuervertrag nicht bloß für die bestimmte Reise geschlossen ist,-in denen die Mannschaft also vorbehaltlich weiterer Prüfung der Frage, was sie für die neue Reise zu erhalten habe, den Weisungen des Rheders in Betreff von Zwischenreisen Folge zu leisten hat. (Vergl. Prot. S. 1983.) Tritt ein Schlffsmann eigenmächtig aus dem Dienste, so kann er zu dessen Fortsetzung durch Zwang angehalten werden. (A. L.R. §. 1546. Vergl. oben, Art. 532 u. die Anm. 6'dazu.) Will ihn der Schiffer nicht wieder annehmen, so kann er ihn wegen des Kontraktbruches bestrafen lassen. S. das besondere Strafgesetz voni 20. März 1854 als Zusatz zu §. 279 des St.G.B. (Th. II, Tit. 20). Dasselbe ist nachträglich eingeführt: a) in das vormalige Königreich Hannover durch die Verordnung vom 24. Juni 1867 (G.S. S. 1165); b) in die Herzogthümer Holstein und Schleswig durch die Verordnung vom 5. Juli 1867, §. 1, Nr. 4 (oben, Einf.-Gesetz I b, Nr. 1).

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Fünfte« Buch.

Vierter Titel.

ist dem Schiffsmanne die bis dahin verdiente Heuer, nicht aber eine weitere Vergütung zu zahlen. Die Entlassung kann nicht gefordert werden, sobald die Rück­ reise angeordnet ist").

Art. 540. Der vorstehende Artikel findet keine Anwendung, wenn der Schiffsmann für eine längere Zeit sich verheuert hat. Die Verheuerung auf unbestimmte Zeit oder mit der allgemei­

nen Bestimmung, daß nach Beendigung der Ausreise der Dienst für alle Reisen, welche noch beschlossen werden möchten, fortzusetzen sei, wird als eine Verheuerung auf längere Zeit nicht angesehen.

Art. 541. In allen Fällen, in welchen ein Schiff länger als zwei Jahre

auswärts verweilt, tritt in Ermangelung einer anderweitigen Ab­

rede für den seit der Ausreise im Dienste befindlichen Schiffsmann eine Erhöhung der Heuer ein, wenn diese nach Zeit bedungen tfi19 20). Das Maß der Erhöhung bestimmen die Landesgesetze2'). Art. 542.

Der Heuervrrträg endet22), wenn das Schiff durch einen Zu­

fall dem Rheder verloren geht, insbesondere wenn es verunglückt,

wenn es als reparaturunfähig oder reparaturunwürdig kondemnirt

(Art 444) und in dem letzteren Falle ohne Verzug öffentlich ver­ kauft wird,

wenn es geraubt wird, wenn es aufgebracht oder angehalten oder für gute Prise er­

klärt wird. 19) Zu bergt der entsprechende Art. 521 u. die Anmerkungen dazu. 20) Bei dieser Bestimmung wurde anerkannt, daß Schiffsjungen, Leicht­ matrosen u. dal. nicht auf ein wirkliches Avancement und auf die erhöhte Gage der nächsten Dienstesstufe, sondern nur darauf Anspruch hätten, daß sie in die Gage der nächsten Stufe einrückten, so wie dieselbe bei der Abreise festgesetzt ge­ wesen, damit nicht sofort eine zweifache Erhöhung ihres Einkommens Pmtz greife, und daß dadurch an sich ihre dienstlichen Obliegenheiten nicht verändert würden. (Prot. S. 1984.)

21) Einf.-Gesetz Art. 56, §. 2 u. Anm. 119 dazu. (2. A.) Dieselbe Be­ stimmung gilt auch für Holstein und Schleswig. Einf.-Verordnung vom 5. Juli 1867, §. 70 (I b). 22) Ipso jure. Die bezeichneten Gründe sind Auflösungsgründe oder Erlö­ schungsarten, nicht bloße Entlassunasgründe; einer förmlich erklärten Entlassung bedarf es nicht. — (2. A.) Für Preußen ist diese Bestimmung ergänzt durch Hinzufügung einiger Entlastungsgründe in dem §. 33 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft auf den Seeschiffen, vom 26. März 1864 (Zus. 7 a zu Art. 556).

Von der Schiffsmannschaft.

745

Dem Schiffsmanne gebührt alsdann nicht allein die verdiente Heuer, sondern auch freie Zurückbeförderung nach dem Hafen, wo

er geheuert worden ist, oder nach Wahl des Schiffers eine entspre­ chende Vergütung. Er bleibt verbunden, bei der Bergung gegen Fortbezug der

Heuer Hülfe zu leisten und bei der Verklarung gegen Zahlung der etwa erwachsenden Reise- und Versäumnißkosten mitzuwirken23). Für diese Kosten haftet der Rheder persönlich, im Uebrigen hastet

er nur nach Maßgabe des Art. 453. Art. 543. Der Schiffer kann den Schiffsmann, abgesehen von den in

dem Heuervertrage bestimmten Fällen23), 25 vor Ablauf der Dienst­

zeit entlassen:

1) so lange die Reise noch nicht angetreten ist, wenn der Schiffs­ mann zu dem Dienste, zu welchem er sich verheuert hat, un­ tauglich ist26); wird die Untauglichkeit erst später entdeckt, so

ist der Schiffer beftlgt, den Schiffsmann, mit Ausschluß des Steuermanns, im Range herabzusetzen und seine Heuer ver-

hältnißmäßig zu verringern23); 2) wenn der Schiffsmann eines groben Dienstvergehens, insbe23) Hinsichtlich der Bergung war diese Bestimmung, welche im Art. 742, Abs. 3 wiederholt ist, nothwendig, weil die kontraktliche Verbindlichkeit zufolge der Bestimmung des erstes Absatzes ipso jure erloschen ist. Betreffs der Verkla­ rung würde die allgemeine Zeugenpflicht ausgereicht haben. Vergl. Art. 531 u. die Anm. 12» dazu. Von diesem Standpunkte aus rechtfertigt sich auch die Schlußbestimmung über den Kostenpunkt und die Ablehnung des Vorschlages des Referenten, daß der Rheder für diese Kosten nur mit der förtune de mer haften sollte (Prot. S. 1986); ein Zwang zur Verklarung würde, was als alleiniger aber nicht juristischer Grund gegen jenen Vorschlag geltend gemacht wurde, ohne Bezahlung, oft sogar ohne Vorschuß der Reisekosten, erfolglos sein, weil die Mannschaft die erforderlichen Mittel gar nicht hat. Anerkannt wurde, daß diese persönliche Haftung des Rheders selbstverständlich auch gegenüber dem Schiffer eintrete, wenn dieser, um die Verklarung zu ermöglichen, der Mannschaft die betreffenden Kosten vorgeschossen habe. (Prot. S. 1989.) 24) Hierdurch soll gesagt werden, daß durch den Art. dem Rechte der Kon­ trahenten, im Heuervertrage'noch anderweitige Gründe der vorzeitigen Entlassung der Mannschaft festzusetzen und die dabei zu gewährende Entschädigung zu regeln, nicht präjudizirt sein solle. (Prot. S. 2036.) 25) Wenn auch nicht gänzlich untauglich, aber doch unbrauchbar zu den Dien­ sten, für welche er sich verheuert hat. Denn nimt ist nicht schuldig, bei einer locatio conductio operarum zu untersuchen, ob derjenige, der zu den versprochenen Diensten sich unfähig zeigt, nicht etwa zu anderen Diensten verwendet werden könnte, und ihn zu letzteren zu gebrauchen. (Prot. S. 1990.) 26) D. h. der Schiffer darf nach der Abreise selbst wegen völliger Untüchtig­ keit Niemand entlassen, wohl aber Jeden von der Mannschaft, außer dem Steuer­ manne, bei welchem es als unangemessen bezeichnet wurde, zu Diensten verwen­ den, zu welchen er etwa sonst brauchbar sei, mithin in Grad und Heuer herab­ setzen. (Prot. S. 1991.)

746

Fünftes Buch.

Werter Titel.

sondere des wiederholten Ungehorsams oder dev fortgesetzten Widerspenstigkeit, oder Schmuggelei oder einer mit schwerer a7) Straft bedrohten Handlung sich schuldig macht;

3) wenn der Schiffsmann mit einer syphilitischen Krankheit'") be­ haftet ist, oder wenn er durch eine unerlaubte Handlung 29) eine Krankheit oder Verwundung sich zuzieht, welche ihn ar­

beitsunfähig macht;

4) wenn die Reift, für welche der Schiffsmann geheuert war, wegen Krieg, Embargo oder Blokade, oder wegen eines Aus­ fuhr- oder Einfuhrverbots, oder wegen eines anderen Schiff

oder Ladung betreffenden Zufalls nicht angetreten oder fort­

gesetzt werden sann30).

Art. 544. Dem Schiffsmanne gebührt in den Fällen der Ziffern 1 —3

des Art. 543 nicht mehr als die verdiente Heuer; in den Fällen der Ziffer 4 hat er, wenn er nach Antritt der Reift entlassen wird, nicht allein auf die verdiente Heuer, sondern auch aus freie Zurückbeförde­

rung (Art. 517) nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder nach Wahl des Schiffers auf eine entsprechende Vergütung Anspruch.

Die Landesgefttze, welche den Schiffsmann in Fällen der Pflichtverletzung (Ziff. 2) mit Verlust der verdienten Heuer bedrohen, werden durch die vorstehende Bestimmung nicht berührt. Den Landesgesetzen bleibt auch vorbehalten, noch aus anderen

als den im Art. 543 angeführten Gründen die unfteiwillige Entlas­ sung des. Schiffmanns ohne Enffchädigung oder gegen theilweise

Entschädigung zu gestatten30“).

Art. 545. Der für eine Reift3 r) geheuerte Schiffsmann, welcher aus an27) Welche Strafe für eine schwere, int Sinne dieses Gesetzes, zu halten sei, ist dem richterlichen Ermessen anheimgestellt. M. vergl. die Hamburgische See­ mannsordnung §.23 und die Bremische Seemannsordnung §§. 24 — 35. Ein Verbrechen im technischen Sinne braucht die betreffende Handlung nicht zu sein, denn wegen eines solchen ist die Außerdienststellung nicht zweifelhaft, da dasselbe meistens Verhaftung zur Folge haben wird.

28) Ohne Unterschied des Grades und der Entstehungsart. (Prot. S. 1994.)

29) Z. B. Schlägereien.

(Prot. S. 1994.)

30) Korrespondirt dem Art. 517.

Vergl. die Amu. 67 dazu.

SO») (2. A.) Dieser Vorbehalt bezieht sich hauptsächlich auf den Fall des Verkaufs des Schiffes in der Fremde (Prot. S. 2006, 2036, 3842). Für Preu­ ßen hat ein zureichender Grund nicht anerkannt werden können, Verkäufe dieser Art durch solche gesetzliche Bestimmungen, welche die Rechte der Schiffsmannschaft schmälern, zu erleichtern. Darum ist von bent Vorbehalte für Preußen kein Ge­ brauch gemacht worden. (Mot. zum Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft, vom 26. März 1864, S. 33 resp. 36.) 31) Hierher gehört sowohl der gewöhnliche Fall eines Engagements zu einer

Von der Schiffsmannschaft.

747

deren als den in den Artt. 543 und 544 erwähnten Gründen vor Ablauf des Heuervertrags entlassen wird, behält, wenn die Entlas­ sung vor Antritt der Reise erfolgt, als Entschädigung3 *) die etwa empfangenen Hand - und Borschußgelder, soweit dieselben den üb­ lichen Betrag nicht übersteigen. Sind Hand- und Borschußgelder nicht gezahlt, so hat er als Entschädigung die Heuer für einen Monat zu fordern. Ist die Entlassung erst nach Antritt der Reise erfolgt, so erhält er außer der verdienten Heuer noch die Heuer für zwei oder vier Monate, je nachdem er in einem europäischen oder in einem nicht­ europäischen Hafen entlassen ist, jedoch nicht mehr, als er erhalten haben würde, wenn er erst nach Beendigung der Reise entlassen worden wäre. Außerdem hat er Anspruch auf freie Zurückbeförderung (Art. 517) nach dem Hafen, wo er geheuert worden ist, oder nach Wahl des Schiffers33 * *) * auf * * *eine 32 entsprechende Vergütung34). bestimmten Reife, als auch derjenige, wenn ein Schiffsmann auf unbestimmte Zeit angestellt und dann die Einberufung zu einer Reise erfolgt ist. Dagegen leidet der Art. auf den, nach dem übrigen Rechte zu entscheidenden Fall keine An­ wendung, wenn der Schiffsmann für eine bestimmte Zeit oder wohl gar auf Le­ benszeit engagirt ist, wohl aber auf alle übrigen Fälle der Anstellung. (Prot. S. 1996 u. 2001.) Vergl. oben, Anm. 68 zu Art. 518.

32) Entschädigung für den Abbruch seines Verdienstes.

33) Anders bei dem Schiffer (Art. 518), weil die Verhältnisse nicht gleich sind, weshalb in diesem Punkte der Entwurf (Art. 457), der auch dem Schiffs­ manne die Wahl beilegen wollte, geändert wurde. Man machte hiefür geltend: Die Bestimmung des Entwurfs fei zu günstig für die Schiffsmannschaft und könne zu großen Mißbräuchen führen. Wenn ein Schiffsmann bei seiner Ent­ lassung Aussicht habe, sogleich wieder eine andere Stelle zu finden, und dies sei beinahe immer der Fall, so werde er sich, wenn er wählen dürfe, voraussichtlich für bie Reisekosten entscheiden und dann, ohne durch seine Entlassung das Ge­ ringste an Heuer zu verlieren, ja vielleicht sogar neben einer sogleich wieder beainnenden besseren Heuer dennoch eine zwei- bis viermonatliche Gage und die Reisekosten bekommen müssen, also durch seine Entlassung großen Gewinn machen. So große Vortheile würden voraussichtlich manchen Schiffsmann verführen, seine Entlassung im Auslande zu provoziren. Deshalb sei es unvermeidlich, die Wahl dem Schiffer anheimzugeben, damit, wenn dieser eine passende Gelegenheit habe, die Mannschaft nach Hause zu bringen, diese aber wegen anderweitiger Engage­ ments nicht zurückbefördert sein woÜe, wenigstens dieser Theil der Ansprüche der Mannschaft, welcher ihr in einem solchen Falle lttidj Billigkeit nicht gebühre, hin­ wegfalle. (Prot. S. 1997.) Hierbei wurde eS angemessen und billig befunden, auszusprechen, daß sich der entlassene Seemann gefallen lassen müsse, auf dem vom Schiffer ihm zur Rückreise angewiesenen Schiffe zu den seinem Grade ent­ sprechenden Diensten verwendet zu werden. (Prot. S. 2000.) 34) Die Frage, was Rechtens sei, wenn ein Schiffsmann wegen Einberuftmg zum Militärdienste den Dienst auf dem Schiffe verlassen müsse, wurde zwar durch Aufnahme einer besonderen Bestimmung zu regeln angeregt, mau hielt aber dafür, daß kein Bedürfniß dazu vorhanden sei. (Prot. S. 2001.) Nach allge­ meinen Nechtsgrundsätzen ist in dem gedachten Falle ein Theil dem anderen we­ gen der noch übrigen Dienstzeit nichts schuldig; der Schiffsmann hat nur die verdiente Heuer zu fordern.

748

Fünftes Buch.

Vierter Titel.

Art. 546. Ist die Heuer in Bausch und Bogen bedungen, so wird die verdiente Heuer (Artt. 537, 539, 542, 544, 545) und die ein-, zwei- oder viermonatliche Heuer (Art. 545) nach Anleitung des Art. 519 berechnet").

Art. 547. Der Schiffs mann kann seine Entlassung fordern, wenn sich der Schiffer einer groben Verletzung seiner ihm gegen denselben obliegen­ den Pflichten, insbesondere durch schwere Mißhandlung oder durch grundlose Vorenthaltung von Speise und Trank schuldig macht").

Der Schiffsmann, welcher aus einem solchen Grunde seine

Entlaffung nimmt, hat dieselben Ansprüche, welche für den Fall des

Art. 545 bestimmt sind.

Die Landesgesetze können bestimmen, ob und aus welchen an­ deren Gründen dem Schiffsmanne das Recht, die Entlassung zu for­

dern, außerdem noch zustehe 36a).

In einem anderen Lande S7) darf der Schiffsmann, welcher 35) Von Bestimmungen darüber, was Rechtens sein solle, wenn ein Schiffs­ mann vorzeitig entlassen wird, der auf Antheil am Gewinne oder an der Aracht angenommen ist, wie Ersteres z. B. beim Wallfischfange rc. rc. sehr häufig ge­ schieht, wurde Umgang genommen, weil sich ergab, daß bei der Verschiedenheit der Verhältnisse und bestehenden Observanzen, die ganz andere seien, je nachdem diese oder jene Art von Geschäften in Frage stehe, eine allgemeine Regelung die­ ser Fälle im Gesetze unmöglich sei. (Prot. S. 2003.) 36) Außer diesen eigentlich juristischen Gründen der Vertragsauflösung schlug der Entwurf im Art. 459 auch Billigkeitsgründe, nämlich ^entstehende Kriegsge­ fahr, Gelegenheit Schiffer zu werden, sich zu verheirathen (vergl. A. L.R. §§. 1548 u. 1551), wenn der Seemann sich dem Schiffer- oder Steuermannsexamen un­ terwerfen will, wenn das Schiff aufhört ein preußisches zu sein, — vor. Diese wurden gestrichen und den Landesgesetzen anheimgegeben (Abs. 3); in deren Er­ mangelung ist auf die allgemeinen Rechtsgrundsatze zurückzugehen. Die Beibe­ haltung der Bestimmung über jene hielt man aber schon deshalb für unvermeid­ lich , weil im Gesetze hervorgehoben werden müsse, daß das Rechtsverhältniß der Mannschaft zum Schiffer ähnlich dem des Gesindes zur Herrschaft sei (vergl. A. L.R. §. 1534 u. Zus. 5 — 7 zu Art. 533) und darum nicht jede geringfügige Vertragsverletzung des Schiffers zum Austritte aus dem Dienste berechtige. (Prot. S. 2004.) Die' verweigerte Entlassung wird mittelst der Dienstkonttaktsklage gefordert. 36») (2. A.) Dies ist für Preußen geschehen durch das Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft, vom 26. März 1864, §.34 (Zus. 7» zu Art. 556).

37) In einem anderen Lande, wo der Schiffer nicht belangt werden darf (Art. 537), darf der in seinem Rechte verletzte Seemann doch nicht eigenmächtig von Bord gehen, ohne der Strafe der Desertion zu verfallen. Um jebodj dem Seemanne auch ein Mittel zu geben, gegen den Willen des Schiffers mit seinem Anträge auf Entlassung durchzudringen, hat man dem zuständigen Konsul die Entscheidung über solche Anträge beigelegt. (Prot. S. 2004.) Die Entscheidung des Konsuls hat eineu interimistischen Charakter, wenn die Parteien sich dabei nicht beruhigen wollen. Der zuständige Konsul ist der Landeskonsul, in dessen Ermangelung der fremde Konsul, welcher mit dem Schutze der Landesangehörigen

Von der Schiffsmannschaft.

749

seine Entlassung fordert, nicht ohne Genehmigung des zuständigen Konsuls (Art. 537) den Dienst verlassen.

Art. 548. Falls der Schiffsmann nach Antritt des Dienstes erkrankt oder

verwundet wird 38 * * ), 39 so trägt der Rheder die Kosten der Verpflegung und Heilung: 1) wenn der Schiffsmann wegen der Krankheit oder Verwun­ dung die Reise nicht antritt, bis zum Ablaufe von drei Monaten

seit der Erkrankung oder Verwundung; 2) wenn er die Reise antritt und mit dem Schiffe nach dem Heimathshafen oder dem Hafen, wo er geheuert worden ist, zurück­

kehrt, bis zum Ablaufe von drei Monaten seit der Rückkehr des Schiffs: 3) wenn er die Reise antritt und mit dem Schiffe zurückkehrt, die Rückreise des Schiffs jedoch nicht in einem der genannten Häfen endet, bis zum Ablaufe von sechs Monaten seit der Rückkehr

des SchiffS; 4) wenn er während der Reise am Lande zurückgelassen werden

mußte, bis zum Ablaufe von sechs Monaten seit der Weiterreise

des Schiffs3»), Auch gebührt dem Schiffsmanne in den beiden letzteren Fällen

freie Zurückbeförderung (Art. 517) nach dem Hafen, wo er geheuert

worden ist, oder nach Wahl des Rheders eine entsprechende Ver­

gütung. Art. 549.

Die Heuer bezieht der erkrankte oder verwundete Schiffsmann:

wenn er die Reise nicht antritt, bis zur Einstellung des Dienstes;

beauftragt ist, und wenn auch ein solcher fehlt, jeder deutsche Konsul. Abs. 2.)

(Art. 537,

38) Gleichviel, ob bei Ausübung des Dienstes selbst oder außerdem, und gleichviel, ob einiges Verschulden des Erkrankten mit unterlaufen sein möge oder nicht, ausgenommen, wenn die Krankheit resp. Verwundung oder deren Veran­ lassung der Art ist, daß sie nach Art. 543, Ziff. 3 die vorzeitige Entlassung des Erkrankten ohne Entschädigung rechtfertigen würde (Art. 550). (Prot. S. 2012.)

39) Die Dauer der in Rede stehenden Verbindlichkeit ist in den verschie­ denen Seerechten verschieden bestimmt, nach Billigkeits- und handelspolitischen Rücksichten. Für die Kosten der Verpflegung des erkrankten Seemanns hastet der Rheder nach Maßgabe der Bestimmungen des Art. 453. (Art. 552.) Hierbei wurde an­ erkannt, es solle mit den aetrvffenen Bestimmungen nicht ausgeschlossen sein, daß der Rheder durch die Lanoesgesetze angehalten werde, vorschußweise für den im Auslande erkrankten und dort zurückgebliebenen Schifssmann selbst dann zu sor­ gen, wenn er nach dem Bisherigen ihn nicht auf seine Kosten verpflegen zu lassen schuldig sei. (Prot. S. 2013.)'

750

Fünftes 8ud>.

Vierter Titel.

wenn er die Reise antritt und mit dem Schiffe zurückkehrt, bis zur Beendigung der Rückreise;

wenn er während der Reise am Lande zurückgelassen werden mußte, bis zu dem Tage, an welchem er das Schiff verläßt. Ist der Schiffsmann bei Vertheidigung des Schiffs beschädigt, so hat er überdies aus eine angemessene, erforderlichenfalls von dem

Richter zu bestimmende Belohnung Anspruchs").

Art. 550. Auf den Schiffsmann, welcher die Krankheit oder Verwun­ dung durch eine unerlaubte Handlung sich zugezogen hat oder mit

einer syphilitischen Krankheit behaftet ist, finden die Artt. 548 und 549 keine Anwendung. Art. 551.

Stirbt der Schiffsmann nach Antritt des Dienstes, so hat der Rheder die bis zum Todestage4') verdiente Heuer (Art. 546) zu

zahlen und die Beerdigungskosten zu tragen.

Wird der Schiffsmann

bei der Vertheidigung des Schiffs getödtet, so hat der Rheder über­

dies eine angemessene, erforderlichenfalls von dem Richter zu be­

stimmende Belohnung42 40 )41zu entrichten. Soweit der Nachlaß des während der Reise verstorbenen Schiffs­

manns an Bord sich befindet, hat der Schiffer für die Aufzeichnung

und die Aufbewahrung, sowie erforderlichenfalls für den Verkauf

des Nachlasses Sorge zu tragen. Art. 552.

Auf die in den Artt. 548, 549 und 551 bezeichneten Forde­ rungen findet die Vorschrift des Art. 453 gleichfalls Anwendung.

Art. 553. Den Landesgesetzen bleibt vorbehalten, die Voraussetzungen zu bestimmen, ohne welche kein Schiffsmann wider seinen Willen in ei­ nem anderen Lande zurückgelassen werden darf, sowie das Verfah40) Sergi. Art. 552. Die Bestimmung dieses Art. und des Art. 551 beruht auf Billigkeit und Handelspolitik; ähnlid)e Bestimmungen finden ftd) im franzö­ sischen und holländischen Rechte und in der Bremischen Seemannsordnung. Ein Maßstab für das richterliche Ermessen ist nicht gegeben; zu beachten ist aber bei der Abmessung der Summe, daß nicht eine Entschädmung, d. i. volle Schadlos­ haltung, sondern eine außerordentliche, ein für alle Mal zu leistende Belohnung für außerordentliche Dienstleistungen, da die Mannschaft nach dem Heuervertrage zum Waffendienste nicht verpflichtet ist, gegeben werden soll, die der ersten Noth zu steuern geeignet ist. (Prot. S. 2014.) 41) Diese Bestimmung war nöthig, weil ste von dem bisherigen Seerechte abweicht; manche Seerechte sprechen z. B. die Heuer den Erben für den ganzen Sterbemonat zu.

42) M. s. die vor. Anm. 40, und den folg. Art. 552.

Von der Schiffsmannschaft.

75t

ren zu regeln, welches der Schiffer im Falle einer solchen Zurücklas­ sung einhalten mu§43). Art. 554. Personen, welche, ohne zur Schiffsmannschaft zu gehören, auf einem Schiffe als Maschinisten, Aufwärter oder in anderer Eigenschaft angestellt sind, haben, sofern nicht durch Vertrag ein Anderes be­ stimmt ist, dieselben Rechte und Pflichten, welche in diesem Titel in Ansehung der Schiffsmannschaft festgesetzt sind. Es macht hierbei keinen Unterschied, ob sie von dem Schiffer oder Rheder angenommen worden sind44).45 46 Art. 555. Der dem Schiffsmanne als Lohn zugestandene Antheil an der Fracht oder an dem Gewinne wird als Heuer im Sinne dieses Titels nicht angesehen. Art. 556. Den Landesgesetzen bleibt Vorbehalten, sowohl in Ansehung des im vorhergehenden Artikel erwähnten Lohnverhältnisses43), als in anderen Beziehungen die Vorschriften dieses Titels zu ergänzen43). 7a. Gesetz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Schiffs­ mannschaft auf den Seeschiffen*). Vom 26. März 1864 (G.S. S. 693) i).

WirWilhelm rc. verordnen zur Ergänzung der Vorschriften desDeut-

43) Die Aufnahme einer allgemeinen Bestimmung hierüber wurde abgelehut, weil der Grundsatz, daß kein Seemann im Auslande abandonnirt werden dürfe, zwar in mehreren Gesetzgebungen, wie z. B. in der englischen, Anerkennung ge­ funden habe, indessen doch nicht in allen Staaten zur Geltung gekommen sei, und die Interessen der verschiedenen Staaten in dieser Beziehung' auch keineswegs gleich seien; und weil zudem der fragliche Satz von überwiegend politischer Be­ deutung und jedenfalls in der beantragten Allgemeinheit vom Standpunkte des Privatrechts nicht richtig sei. (Prot. S'. 2024.) — Für Preußen ist die vorbe­ haltene Bestimmung durch das im Zus. 7 a (p Art. 556) folgende Gesetz, betref­ fend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft, vom 26. März 1864, ß. 35, getroffen. 44) Vergl. Anm. 42 zu Art. 495, Abs. 2. 45) (2. A.) Das diesem Theile des Vorbehalts zum Grunde liegende, im Art. 555 bezeichnete Verhältniß ist in Preußen, wenn überhaupt, doch so wenig im Gebrauch, daß kein Bedürfniß anerkannt worden ist, auf eine gesetzliche Re­ gelung desselben sich einzulassen. Wo es vorkommt, ist den Betheillgten überlas­ sen, das Nöthige durch Vertrag vorzusehen (Prot. S. 2037). (Motive zum Ge­ setz, betreffend die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft, vom 26. März 1864, S. 33 resp. 36.) 46) Zu ergänzen, aber nicht abzuändern. *) Nachträglich eingeführt: a) in das vormalige Königreich Hannover, mit den zu §. 8 und §. 26 ange­ merkten Maßgaben, durch die Verordnung vom 24. Juni 1867 (G.S. S. 1165); b) in die Herzogtümer Holstein und Schleswig durch die Verordnung vom 5.Juli 1867, §. 1, Nr. 1 (Einf.-Gesetz Ib, Nr. 1). 1) Dieses Gesetz beherrscht einen in örtlicher, persönlicher und sachlicher Be-

752

Fünftes Buch.

Vierter Titel.

scheu Handelsgesetzbuchs und des Einführungsgesetzes zu demselben vom 24. Ziehung sehr eigenthümlich begrenzten Kreis. Den Raum für seine Anwendung findet es zunächst in etwa 17 von den 1000 Städten des Staats überhaupt, nämlich nur in der: Seehäfen; sodann aber in allen Meeren, auf der Stätte, die gerade vou einen: preußische:: Fahrzeuge beschisst wird. Das Gesetz trifft fer­ ner :n den Besatzungen der etwa 1000 Seeschiffe kaum mehr als 10,000 Perso­ nen, aber diese in Genossenschaften zu etwa 5, 10, höchstens 20 Mann gegliedert, die während der Fahrt ebenso viele kleine isolirte Gemeinwesen unter emer halb hausherrlichen, halb militärischen Gewalt bilden. Endlich in sachlicher Beziehung regelt das Gesetz nicht die gesammten Rechtsverhältnisse der Seemannschasten, sondern will nur zur Ergänzung und weiteren Ausführung der schon bestehenden Normen dienen, inden: es bald an das Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch, bald an das Einführuugsgesetz, bald an versch:edene ältere preußische Verordnun­ gen anknüpft; es enthalt daher nichts Zusammenhängendes über die Begrün­ dung, die rechtliche Natur und die Auflösung dieser kleinen Verbände. Warum nicht etwa, wie es sonst natürlich und für den praktischen Gebrauch bequem schei­ nen möchte, das in Kraft Bleibende nut dem Neuhimntretenden zu einem um­ fassenden Spezialgesetz verarbeitet ist, wird in den Motiven (Anm. 1) erörtert. (Homeyer, Vortrag im Herrenhause, von: 13. Februar 1863, stenogr. Prot. S. 41.) In den mit der Vorberathung des Gesetzentwurfes betrauten vereinigten Kommissionen für Justiz und für Handels- und Gewerbesachen des Abgg.-Hauses wurde von einer Seite die Nothwendigkeit oder Nützlichkeit desselben n:cht aner­ kannt und deshalb die Bedürfnißfrage verneint, indem behauptet wurde: Die Staatsregierung, welche die kaufmännischen Korporationen über den Gesetzent­ wurf gutachtlich gehört habe und noch mit einer besonderen Kommission von Sach­ verständigen durchberathen, habe nur einseittge Erklärungen der Arbeitgeber ge­ sucht und empfangen, und dabei unterlassen,' auch die Stimmen der Ärbeitnehmer (des Schiffsvolkes) und wenigstens an deren Stelle die Stimmen der preuß. überseeischen Konsuln über ihre Erfahrungen zu hören und zu berücksichtigen. Die Folge hiervon sei, daß der Gesetzentwurf mehr die Interessen der Rheder als d:e der Schiffsmannschaft ins Auge nehme und fördere, mehr von den Pflich­ ten als Rechten derselben handele, und den Vorurtheilen, die noch allgemein über diese Klasse von Arbeitnehmern herrschten, zu weit Rechnung trage. Nach diesen Versehen in den Vorbere:tungsstadien des Gesetzes und bei dem hierdurch geför­ derten Vorherrschen von parteilichen Anschauungen und von polizeilichen Bestre­ bungen habe die Kommission die besondere Pflicht und Aufgabe, die Rechte der Schfffsmannschaft zu vertreten und geltend zu machen; sie thue dies am besten, wenn sie das ganze Gesetz als ein inhumanes, vexatorisches verwerfe, wenn sie die guten Hoffnungen der Mehrheit über die guten Folgen des Gesetzes als Illusio­ nen charakterisire, wenn sie leugne, daß die neuen polizeilichen Kontrolen die Desertionen und Doppelverheuerungen vermindern könnten und würden, und vielmehr behaupte, daß alle neuen polizeilichen Kontrolen, namentlich das neue Institut der Swifffahrtsbücher wie die Einführung resp. Schärfung der Privat-Vermögens­ nachtheile (Strafen), gerade die guten preußischen Matrosen auf fremde Hanoelsschiffe forttreiben würden. — Die große Majorität behauptete dagegen im An­ schluß an die Ausführungen der Stäatsregierung: Selbstverständlich hätten die Matrosen nicht gehört werden können, und unerfindlich sei, weshalb man über­ seeische Konsuln vorher hören solle; die Korporationen resp, die Sachverständigen, welche gehört worden, hätten bekanntlich nicht auf einem Parteistandpunkte ge­ standen ; sie wären objektiv geblieben und gerade im Interesse der preußischen See­ schifffahrt von der Ueberzeugung durchdrungen gewesen, daß hier, wie stets im Allgemeinen, die Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenfielen; sie hätten das Beispiel und die Anleitungen der Hansestädte als maßgebend vor sich gehabt und auch richtig befolgt. Spreche man von Inhumanität, von poli­ zeilicher Vexation und Abschreckung und behaupte man, daß die Mehrheit sich Illusionen hingebe, so übersehe man ganz d:e Thatsache, daß der größte Theil der vorgeschlagenen Bestimmungen entweder schon altes Landes^ resp. Gewohn­ heitsrecht gewesen sei, oder mit den Landes- resp. Gewohnheitsrechten der deut-

Von der Schiffsmannschaft.

753

Juni 1861 (Gesetzsammlung S. 449) über die Rechtsverhältnisse der Schiffsschen Nordseestaaten, ja der übrigen Küstenländer der Nord- und Ostsee ein­ schließlich England und Frankreich übereinstimme und in allen diesen seefahren­ den Ländern längst als nothwendig und nützlich anerkannt wurde, daß nament­ lich Hamburg, Bremen, Lübeck, Oldenburg das Institut der so sehr angegriffenen Seefahrtsbücher besäßen, daß Preußen ein analoges Institut schon längst in den Gesindebüchern habe, auch selbst schon solche Bücher für Flußschiffer auf einzelnen Stronigebieten kenne und brauche und mit denselben solche Erfahrungen, die gegen deren Einführung sprächen, nicht gemacht habe. Das H.G.B. habe wesentlich bes­ sere und humanere Grundsätze zu Gunsten der Schiffsmannschaft als die frühere landrechtliche Gesetzgebung angenommen; der Gesetzentwurf trage solchen Grund­ sätzen Rechnung; die dort uno hier etwa noch vorhandenen ungünstigen Bestimniungen wären bisher allgemein üblich und seien überhaupt nach dem ganzen Charakter, den das Verhältniß des Schiffers zu der Schiffsmannschaft auf der Reise habe und haben müsse, und nach dem Zwecke dieser Spezialgesetzaebung unvermeidlich, ja geboten. Diesen Charakter und die demselben entsprechenden Zwecke faßte die Majorität in Uebereinstimmung mit den Reäierungskommissarien dahin auf: „Die Stellung des Schiffsführers zu der Schiffsmannschaft aus der Seereise, sei es auf dem offenen Meere, sei es in ftemden Häfen, ist von der .bei einem gewöhnlichen Vertragsverhältnisse zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehnterit aus oem Lande, und von der bei einem Herrschafts- und Gesindeverhält­ nisse wesentlich verschieden, sie darf sich nicht mit der eines gewöhnlichen Lohnund Brotherrn begnügen, sie erfordert Angesichts der großen Gefahren der See­ reisen für Schiff, Ladung und Besatzung und in Verbindung mit der so großen wie schweren Verantwortlichkeit, welche das H.G.B. Artt. 478 — 527 dem Schif­ fer auferlegt, weit größere Garantien der Ermöglichung aller dieser Pflichten, da­ her die Beilegung einer weit größeren Gewalt, einer beinahe militärischen Dis­ ziplinargewalt ; dies hat sich bei allen seeschifffahrtverbundenen Nationen seit Jahr­ hunderten herausgestellt und längst seinen Ausdruck, sei es in Gesehen, sei es in Gewohnheitsrechten, gesucht und 'gefunden imb daneben hat sich erwiesen, daß der Versuch mit bloßen Vertragsbestimmungen unzureichend sei und sich daher eine spezielle polizeirechtliche Ordnung in diesem Sinne mit solchen Zwecken überall empfehle, mithin auch eine Aufgabe der preußischen Gesetzgebung stets gewesen sei und fernerhin bleibe. Erscheine auch die legislatorische Einmischung manchmal als eine Bevormundung oder gar als eine polizeiliche Vexation, so beschaffe sie doch möglichst die so nothwendigen Garantien für Personen und Vermöge,! der Schifffahrtsbetheiligten, sie schaffe solche Garantien bei der Anwerbung der Schiffs­ mannschaft (Seefahrtsbücher, Musterung), bei der Erfüllung der dem Schiffer wie der Mannschaft auf den Seereisen obliegenden Pflichten '(Artt. 528 ff. und die vorgeschlagenen Ergänzungen), sie fördere unbedingt mehr die Seeschifffahrt, als sie solche störe oder gar, wie man meine, beschädige." — Die Ziele und deren Bedeutrmg und somit die Nothwendigkeit ihrer Erreichung durch den Gesetzentwurf faßten die Majorität und die Regierungskommissarien schließlich in folgenden Sätzen kurz auf: a) Preußen hat keine allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über das Musterunaswesen, sie sind unerläßlich, weil' das H.G.B. (Artt. 529, 530) die Mu­ sterrolle obligatorisch einführt; die Anmusterung ist stets üblich und gesetzlich ge­ wesen und hat sich als nothwendig bewährt. Bis letzt fehlt dem Musterungs­ wesen die Einheitlichkeit sowohl 'm der Form als in den dafür bestimmten Organen. b) Zur Vorbereitung, zur Vereinfachung der Musterung dienen die See­ fahrtsbücher, sie sind für die Musterung nothwendig. c) Dieselben Gründe, die für die Anmusterung sprechen, machen auch die bisher in Preußen größtenteils unbekannte Abmusterung nothwendig. Diesen Zwecken und Zielen (i — 3) sollen und werden entsprechen die Ab­ schnitte 1 u. 2. d) Wenn auch die Artt. 538 bis 556 des H.G.B. die privatrechtlichen Be­ stimmungen über die Rechte und Pflichten der Schiffsmannschaft enthalten, so liegt doch das Bedürfniß vor, sie klarer und deutlicher, sowohl dem Schiffsper-

Koch, A. D. Handelsgesetzbuch. 2. Ausl.

4g

754

Fünftes Buch.

Vierter Titel.

Mannschaft auf den Seeschiffen, mit Zustimmung beider Häuser des Land­ tages, für den ganzen Umfang Unserer Monarchie la), was folgt*2): 3

Erster Abschnitt. Von den Seefahrtsbüchern8).

8. 1. Ein Jeder, welcher auf einem Preußischen^) Seeschiff als Schiffsmann sonal wie den überseeischen Konsuln und den ausländischen Behörden, zu machen; die deutschen Nordstaaten haben dies Bedürfniß erkannt, sie suchen ihm durch umfangreiche, obrigkeitlich aufgenommene Heuerverträge Erledigung zu schaffen; die Hansestädte haben aber zweckmäßiger erachtet, Verordnungen zu erlassen, und dies legislative Verfahren ist dem obigen vorzuziehen und daher von Preußen zu adoptiren. (Kommissionsbericht, Drucksachen des Abgg.-Hauses 1863, S. 4 ff.)

la) Das Gesetz ist auch in das vormalige Königreich Hannover eingeführt durch die V. v. 24. Juni 1867 (G.S. S. 1165), mit den zu §. 8, Note 18» und zu §. 26, Note 50» angemerkten Ergänzungen desselben.

2) Im fünften Buche verweiset der vierte Titel „von der Schiffsmannschaft", Artt. 533, 534, 536, 541, 544, 547, 553 für einzelne Punkte auf die Lan­ desgesetze , und behält dann im Schlußart. 556 denselben im Allgemeinen vor: „sowohl in Ansehung des Lohnverhältnisses .... als in anderen Beziehungen die Vorschriften dieses Titels zu ergänzen." Das Einf.-Gesetz erledigt Art. 56 diese Vorbehalte nur für die Fälle der Artt. 536, 541 und in den Motiven zu Art. 56 wird im Uebrigen aus eine besonders zu erlassende Seemanns-Ordnung hingewiesen. Es wurde auch am l.März 1862 ein Gesetzentwurf über die Rechts­ verhältnisse der Schiffsmannschaft aus den Seeschiffen beim Abgg.-Hause (Nr. 70 der Drucksachen) eingebracht, er kam aber dort, wegen Auflösung des Hauses, nicht zur Verhandlung und ist dann in der 11. Session von 1863 zuerst beim Herrenhause wieder vorgelegt worden. Derselbe schließt sich dem Art. 556 des H.G.B. und dem Art. 56 des Einf.-Ges. an. Der ftühere Plan, eine eigene zusammenfassende Seemanns-Ordnung zu erlassen, ist aufaegeben worden, um zu vermeiden, daß eine der neuen Bestimmungen mit einer Vorschrift des H.G.B. in Widerspruch trete oder sie in einem bestimmten Sinne auslege. Denn hätte eine solche Seemanns-Ordnung ihren Zweck erfüllen sollen, so würden die Vor­ schriften des H.G.B. ihr in einer Weise haben einverleibt werden müssen, welche keine Gewähr bot, ob nicht dennoch, obschon unabsichtlich, die eine oder andere abgeändert, oder in einseitiger Richtung interpretirt sei. In dem vorliegenden Gesetze ist Vorsorge getroffen, daß ohne eine solche zusammenfassende Ordnung die Vortheile, welche der ursprüngliche Plan bezweckte, im Wesentlichen dennoch erreicht werden. (Motive, int Ber. der Kommiss, des Herrenhauses (Drucks. Nr. 15], S. 19.) — Das Gesetz zerfällt in drei Abtheilungen, deren erste von den Seefahrtsbüchern, bie zweite von der Anfertigung der Musterrolle und der An- und Abmusterung, die dritte von den Rechten und Pflichten der Schiffs­ mannschaft während des Dienstverhältnisses handelt. Die Bestimmungen dieser drei Abschnitte rechtfertigen sich aus der Unvollkommenheit des bis dahin gelten­ den Rechtes. Das Gesetz kam jedoch in dieser II. Session von 1863 wieder nicht zu Stande. Das Herrenhaus nahm in seiner Sitzung vom 13. Februar 1863 die Regierungsvorlage an, das Abgeordnetenhaus amendtrte jedoch in der Sitzung vom 22. April den Entwurf und gab denselben so dem Herrenhause zur weiteren Veranlassung zurück. Von dort ging derselbe wieder, jedoch mit Verwerfung ei­ nes Amendeinents zum zweiten Absatz des §. 14, am 20. Mai bei dem Abgeord­ netenhause ein, hier konnten jedoch die Abänderungen nicht mehr zur Berathung kommen, da schon am 27. Mai 1863 der Landtag geschlossen wurde. In der folgenden Session 18|| legte die Staatsregierung einen neuen Entwurf, so wie er aus der zweiten Berathung des Herrenhauses hervorgegangen war, mit wenigen redaktionellen Aenderungen dem Landtage vor, und diesmal ist das Gesetz, wie es vorliegt, zu Stande gekommen, aber erst 9 Monate später publizirt worden. 3) Die Seefahrtsbücher,

vergleichbar den Gesindebüchern (G. v. 29. Sep-

Don der Schiffsmannschaft.

755

zu fahren beabsichtigt, muß sich von der Musterungsbehörde (§. 12) des Ha­ fens , in welchem er sich zuerst verheuern will5), ein Seefahrtsbuch ausferti­ gen lassen. Er hat, bevor das Seefahrtsbuch ausgefertigt werden kann, tember 1846) und den für die Mannschaft der Rhein-, Elb - und Weserschiffe ungeordneten Dienstbüchern (V. v. 18. Dezember 1845; Schlußprotokoll der drit­ ten Elbschifffahrts-Revisionskommission, G.S. 1854, S. 369; Additional-Akte zur Weserschifffahrts-Akte v. 3. September 1857, G.S. S. 453), sind in Preu­ ßen eine neue Einrichtung und sollten den Hauptzweck haben, dem Schiffer ein zuverlässiges Mittel zu gewähren, bei der Anmusterung Über die frühere Führung der Leute Auskunft zu verschaffen und zu verhindern, daß der Schisfsmann bei der Heuerung die ihm nacht^eiligen. Z e u g n i s s e z u r ü ck h a l t e. Sie sollen zugleich den Paß oder die polizeiliche Legitimation des Inhabers und die Einregrstrirung zum Schiffsdienste' ersetzen, eine Grundlage für die Musterung gewähreii und dem so häufigen Desertiren der Seeleute eine gewisse Schranke'setzen. Zu diesem Zwecke haben andere nord­ deutsche, Seestaaten, namentlich die Hansestädte und Oldenburg, schon seit 1849 Seesahrtsbücher eingeführt (Bericht S. 3 und Motive ebb., S. 14,' 15), wo diese Ein­ richtung sich bewährt haben soll (S. 17 a. a. O.). Dies wurde im Plenum des Abgg.-Hauses bestritten und der ganze erste Abschnitt wurde bekämpft als eine inhumane, schlechte mib unpolitische Maßregel, wodurch nicht einmal der beab­ sichtigte Zweck erreicht werde, da inländische Matrosen, die sich auf einem frem­ den Schiffe im Inlande vermiethen wollen, keines Seefahrcksbuchs bedürften, eben­ sowenig, wenn sie sich im Auslande selbst aus einem preußischen Schiffe anheuern ließen; da ferner einem Matrosen, der sein Buch angeblich verloren hat, und dies nur einiaermaßen glaubhaft bescheinigen kann, was für einen gewissenlosen Menschen leicht sei, ein neues Buch ertheilt werde; da sogar, wie in den Motiveil ausgesprochen, es für bedenklich solle erscheinen müssen, auch dann ein neues Buch zu verweigern, welin der Matrose dasselbe absichtlich vernichtet hätte. Man sehe also, daß, wenn auch das Institut der Seefahrtsbücher eingeführt würde, dennoch eine große Anzahl Matrosen sich ohne Seefahrtsbücher befinden würde, und daß es sich um eine Maßregel handele, die einen Zweck verfolgt, der von der Regierung selbst für nicht diirchführbar erklärt werde. (Stenograph. Bericht S. 808.) Die Mehrheit nahm jedoch den Abschnitt an, nur mit der Aenderung, daß die Bestimmung, mich die Führungsatteste in das Buch aufzuuehmen, aus dem §. 2 gestrichen wurde. Vergl. Anm. 9, Abs. 2. 4) Auf die Schiffsmannschaft fremder Schiffe, selbst wenn dieselbe aus Inländern besteht und im Inlmide an - oder abgeninstert wird, bezieht sich das Gesetz nicht. (Mot. S. 19.) Dagegen müssen auch Ausländer, welche sich im Inlande auf ein preußisches Schiff verheuern wollen, ein Buch ausfertigen lassen.

5) Nicht bon der des Heimathshafens. Zur Begründuug dieser Auordnung wird in deli Mot. S. 19 gesagt: „Die Ausfertigung der Seefahrtsbücher kann nur denjeiiigeii Behörden übertragen werden, welche mit dem gesummten Musterungsweseu'betraut uiid dadurch m den Stand gesetzt sind, die nöthige Kontrole zu üben. Auch iit Hamburg, Bremen und Lübeck werden die Seefahrtsbücher von dem das Musterweseu leitenden s. g. Wasserschout ausgegeben (Hamburger Verordnung v. 12. Juni 1854, Art. 1;* Bremer Verordnung v. 15. November 1852 , §. 1; Lübecker Verordnung v. 11. April 1853, Art. 1). Um Gleichför­ migkeit zu erreichen, soll nicht die' Musterungsbehörde der Heimath (des Seeman­ nes), auch wenn eine solche vorhanden ist,' sondern die Musterungsbehörde des Hafens, in welchem der Schiffsmann sich zuerst (zum ersten Male) verheuert, das Seefahrtsbuch ausfertigen. Seinem Zwecke gemäß kann dasselbe nicht ohne Feststellung der persönlichen Verhältnisse ausgefertigt werden, worüber es vermöge seines paßartigen Charakters dem Inhaber euren Ausweis liefern soll. Welche Nachweisungen dazu erforderlich sein werden, hängt von den, der sachgemäßen Beurtheilung der Behörde unterliegenden Umständen des einzelnen Falles ab. Es ist Sache des Seemanns, sich in Zeiten damit zu versehen beziehungsweise solche gleich mitzubringen.

756

Fünftes Buch.

Vierter Titel.

über seinen Namen, seine Heimath und sein Alter sich auszurpeisen und, wenn er noch unter väterlicher Gewalt steht oder minderjährig ist, die Genehmigung

des Vaters oder Vormundes, Seeschiffsdienste zu nehmen, beizubringen 8 6 ). 79 Kraft dieser Genehmigung ist er, insofern er das vierzehnte Lebensjahr über­ schritten hat, rücksichtlich des Abschlusses von Heuerverträgen und der aus ei­

nem solchen Vertrage entstehenden Rechte und Pflichten einem selbstständigen Großjährigen gleichzuachten.

Er kann jedoch, falls er noch minderjährig ist,

in Prozessen7) nur im Beistände seines Vaters oder Vormundes, oder, wenn dieselben nicht im Bezirke des Prozeßgerichts sich aushalten, mit einem Rechts­ beistande auftreten, welchen als Litiskurator das Prozeßgericht ihm zuzuord­

nen hat und dessen Pflicht es ist, den Vater oder Vormund von dem Gegen­

stände des Rechtsstreites in Kenntniß zu setzen8).

§. 2. Das Seefahrtsbuch hat die Bestimmung, dem Schiffsmann zur Legiti­

mation zu dienen und über jedes Dienstverhältniß, welches er eingeht, Aus­

kunft zu geben8). 6) Diese allgemeine Genehmigung zum Seedienst befähigt den Minderjähri­ gen auch zum selbstständigen Abschlüsse des einzelnen Heuervertrages. Die hier­ durch eingeräumte Handlungsfähigkeit ist nur eine Anwendung des allgemeinen Grundsatzes des A. L.R. I, 5, §. 21 u. II, 2, §. 127, wonach Pflegebefohlene und Kinder in väterlicher Gewalt, die sich unter vormundschaftlicher oder väter­ licher Genehmigung einem gewissen Berufe widmen, dadurch zum selbstständigen Abschlüsse der zur Erfüllung dieses Berufes nöthigen Geschäfte befähigt werden. Auch im Gemeinen Rechte bildet das vollendete I4te Jahr (die erreichte Puber­ tät) einen wichtigen Abschnitt für die Handlungsfähigkeit, welchem sich auch das Oldenburger Gesetz v. 14. April 1857, Art. 4 anschließt. Daß auch Ausländer, welche sich im Jnlande verheuern wollen und zu die­ sem Zwecke die Ausfertigung eines Seefahrtsbuches nachsuchen (§. 9), sich über ihre persönlichen Verhältnisse, insbesondere über ihr Alter, wenn dieses nicht au­ genscheinlich über die Zeit der Großjährigkeit hinausreicht, und über ihre Verfü­ gungsfähigkeit, welche Eigenschaften nach ihrem heimathlichen Rechte zu beurthei­ len sind, ausweisen müssen, ist selbstverständlich. Will ein minderjähriger Aus­ länder sich zum ersten Male als Schiffsmann verdingen und dazu das erforder­ liche Seefahrtsbuch haben, so muß er alles Das beibringen, was der §. 1 fordert. Hat er aber schon als Schiffsmann auf einem fremden Schiffe gedient, was er in Ermangelung eines Seefahrtsbuchs durch einen Losschein nachweisen muß; so ist auch anzunehmen, daß er sich mit Zustimmung derjenigen Person, die recht­ liche Gewalt über ihn hat, dem Berufe des Schiffsmannes widmete, und er steht dann wieder mit einem minderjährigen Inländer, der bereits verheuert war und sich als gedienter Schiffsmann ausweist, auf gleicher Linie.

7) Nämlich in Prozessen aus dem Schiffsdienstverhältnisse, wie der Zusam­ menhang dieses Satzes mit dem vorhergehenden klar ergiebt. Die Vorschrift ist eine Anwendung des Instituts der Litiskuratel in Prozessen aus Gesindesachen auf minorenne Schiffsleute. Vergl. Anm. 8. 8) Anwendung der K.O. v. 4. Juli 1832 (G.S. S. 175) und v. 5. De­ zember 1835 (G.S. S. 294). Dabei ist nur auf Prozesse im Jnlande Rücksicht genommen; dies ist gerechtfertigt durch den Art. 537 des H.G.B., wonach ein Schiffsmann den Schiffer vor einem fremden Gerichte nicht belangen kann. 9) Man hat es für wichtig gehalten, den Zweck und die Bedeutung des Seefahrtsbuchs klar auszusprechen, um namentlich über die Anwendbarkeit der §§. 254 u. 255 des Str.G.B. keinen Zweifel zu lassen. (Mot. S. 20.) In der Regierungsvorlage folgten hinter „eingeht" die Worte: „so wie über seine Führung während derselben". Diese wurden in Folge eines in der Plenar­ sitzung des Abgg.-Hauses v. 13. April 1863 eingebrachten Amendements gestri--

Von der Schiffsmannschaft.,

757

8. 3. Das Seefahrtsbuch enthält den Namen, die Heimath, das Alter und die Beschreibung (das Signalement) des Inhabers, nebst seiner Unterschrift1 °),

mindestens zwölf Blätter11), zur Eintragung der einzelnen Dienstverhältnisse, und in einem Anhänge12) den Abdruck der wichtigeren 13) gesetzlichen Be­

chen und dafür zum §.29 die Bestimmung beschlossen, daß der Kapitän dem Schiffsmanne auf dessen Verlangen ein besonderes Zeugniß, welches stempelfrei sein solle, auszustellen habe. Diese Aenderung wurde im Wesentlichen damit motivirt, daß es dem heuernden Kapitän vornehmlich nur daraus ankomme zu wis­ sen, in welcher Qualität und wie lange der Schiffsmann gedient habe , daß der Schiffsmann nicht gezwungen werden solle, sein „Sündenregister" mit sich zu führen, wodurch seine See.mannsehre gekränkt, das Verheuern chm erschwert und er verleitet werde, fremde Dienste zu suchen. In den vereinigten Kommissionen des Herrenhauses war man nicht geneigt, in der vorgenommenen Streichung eine wahre Verbesserung des Gesetzes zu erkennen. Der praktische Erfolg der Strei­ chung werde im Ganzen dahin gehen, daß der Seemann neben dem Seefahrts­ buche noch eine Anzahl von einzelnen Zeugnissen, zu seiner Belästigung und un­ ter der Gefahr eines leichteren Verlustes, mit sich führen müsse. Dagegen wurde jedoch theils aus der Mitte der Kommission, theils seitens der Regrerungskommissarien geltend gemacht: Auch unter Beibehaltung des Regierungsentwurfes werde eine lückenfreie Uebersicht der ganzen Führung des Seemannes lediglich durch das Seefahrtsbuch, ohne Zeugnisse daneben, doch dann nicht zu erreichen sein, wenn der Seemann in fremden Ländern sich verheure. Die Befürchtung, daß mancher Schiffsmann wegen des Zwanges zur Mitführung „seines Sünden­ registers" lieber fremden Dienst suchen werde, sei nicht als völlig grundlos abzu'weisen. Ein Hauptbedenken gegen die Aenderung hebe sich durch die gleichzei­ tig vom Hause der Abgg. zum §. 29 beschlossenen Bestimmungen wegen Ausstel­ lung eines besonderen Zeugnisses, und die Vorschrift des §. 4,' wonach gerichtliche Bestrafungen des Schiffsm'annes in das Buch einzutragen sind, bleibe unange­ tastet. Das Seefahrtsbuch behalte also immer noch einen bedeutenden Werth, und die vorgenommene Schmälerung seines Inhalts sei nicht belangreich genug, um durch ihre Ablehnung die ganze' nützliche Einrichtung zu gefährden. — Aus diesen Erwägungen wurde die'Aenderung von dem Plenum des Herrenhauses angenommen. (Stenograph. Bericht S. 161.)

10) Kann der Inhaber nicht schreiben, so tritt nicht etwa sein Handzeichen an die Stelle der Unterschrift, weil dasselbe zur Feststellung der Identität der Person, wozu die Unterschrift beitragen soll, nicht dienen kann. 11) In der Regierungsvorlage hieß es: „mehrere Blätter". Die Aenderung in „mindestens zwölf" geschah im Abgeordnetenhause in Berücksichtigung des Ko­ stenpunkts.

12) Der Anhang soll einen Ersatz fiir die aus den oberwähnten Rücksichten (Anm. 1) aufgegebene Seemanns - Ordnung gewähren. (Bericht rc. S. 6.) Die in den Hansestädten eingeführten Seefahrtsbücher sind mit einem ähn­ lichen Anhänge versehen. Diese Einrichtung soll in beit Hansestädten die erwar­ teten Früchte gebracht haben. Der Anhang würde zu enthalten haben: den 4ten Titel des 5ten Buches und die Artt. 453 u. 764 des H.G.B., den Art. 56 des Einf.-Ges. v. 24. Juni 1861, das Ges. zur Erhaltung der Mannszucht auf den Seeschiffen v. 31. März 1841 (Zus. 7 zu Art. 533); bie §§. 244, 254, 255, 278, 279 u. 303 des Str.G.B., das Ges. über die Bestraftmg von Seeleuten preu­ ßischer Handelsschiffe, welche sich dem übernommenen Dienste entziehen, vom 30. März 1854 (Zus. zu §. 279 des Str.G.B.) und das vorliegende neue Ge­ setz. (Mot. S. 21.) Die Aufnahme dieser Gesetze in das Seefahrtsbuch soll das beste Mittel sein, den Schiffsmann von seinen Pflichten und Rechten zu unter­ richten. Damit vertrug sich jedoch nicht die Bestimmung des §. 29, Abs. 2. Des­ halb ist im Abgg.-Hause dem §. 30 der Schlußsatz, der in der Regierungsvorlage fehlte, hinzugefügt worden. 13) Die Fassung „wichtigeren ... Bestimmungen" ist gewählt worden,

758

Fünftes Buch.

Vierter Titel.

stimmungen, welche die Rechtsverhältnisse der Schiffsmannschaft auf den See­ schiffen betreffen 14 * * ). * §. 4.

Wird der Schiffsmann gerichtlich bestraft, so ist von dem Gericht die Bestrafung in das Seefahrtsbuch einautragen15).16 §. 5.

Ein neues Seesahrtsbuch wird dem Schiffsmann nur dann ausgefertigt, wenn er den Verlust des früher ausgefertigten glaubhaft macht. In dem neuen Seesahrtsbuche ist von der Musterungsbehörde zu vermerken, daß das­ selbe in Folge des Verlustes des früher ausgefertigten ertheilt sei, und ob und inwiefern der Schiffsmann über seine Schuldlosigkeit an dem Verluste sich ausgewiesen habe^). damit nicht aus der Weglassung der einen oder anderen geringfügigen Bestim­ mung der Einwurf einer nicht gesetzmäßigen Einrichtung des Seefahrtsbuches ent­ nommen werde. (Bericht rc. S. 6.)

14) Die näheren Bestimmungen über die äußere und innere Einrichtung des Seefahrtsbuchs sind, nach den Mot. S. 20, dem Verwaltungswege Vorbehalten. Als die angemessenste innere Einrichtung ist dort bezeichnet, wenn dasselbe ähn­ lich wie das besonders ansprechend gefundene Bremer Formular (vergl. Anleitung des Bremer Wasserschout vom März 1855 für die Kapitäne) enthielte: 1) auf der ersten Seite die Nummer, unter welcher es in das Verzeichniß der Seefahrts­ bücher (§. 11) eingetragen ist, die Bezeichnung „Seesahrtsbuch" nebst dem Na­ men des Inhabers, die Bezeichnung und das Siegel der Musterungsbehörde, von welcher es ausgefertigt ist, sowie die Zeit seiner Ertheilung; 2) auf der zweiten Seite den Namen, die Heimath, das Alter und die Beschreibung (das Signale­ ment) des Inhabers nebst seiner Unterschrift; 3) zur Eintragung der einzelnen Dienstverhältnisse mehrere in der Art auszufüllende Blätter, daß ein jedes Dienst­ verhältniß unter Angabe des Beginns desselben, des Namens des Schiffs und des Schiffers , des Dienstes, zu welchem der Schiffsmann sich verheuert hat, der Heuer, der Reise oder der Reisen, sowie der Zeit der Abdankung auf einer be­ sonderen Seite eingetragen wird und eine aegenüberstehende Seite zur Eintragung der Abmusterung frei bleibt; 4) den vorgeschriebenen Anhang (Anm. 12). 15) Die gleiche Vorschrift besteht schon für die Gesindebücher. (Verordnung v. 29. September 1846, §. 6, Zus. zu Tit. 5.) Die Aufrechthaltung derselben ist keine Inkonsequenz von der Streichung der Worte des §. 2: „sowie über seine Führung" rc. Die Führungszeugnisse sollen deshalb nicht in das Buch geschrie­ ben werden, weil sie einseitige, auf subjektiver Auffassung beruhende Privaturtheile sind. Von dieser Eigenschaft kann bei rechtskräftigen gerichtlichen Strafurtheilen keine Rede sein. 16) Das Gesetz unterscheidet ein neues (§. 5) und ein zweites (§. 6) Seefahrtsbuch. Die Ausfertigung eines neuen Seefahrtsbuchs setzt den Verlust des alten voraus. Damit der Seemann nicht zur Verhehlung ungünstiger Füh­ rungszeugnisse sein Seefahrtsbuch beseitige, sollte er nach der Regierungsvorlage dessen Verlust glaubhaft bescheinigen. Mit der Streichung der Führungszeug­ nisse ist der Hauptzweck der Bescheinigung weggefallen. Daher ist von dem Abag.Hause statt „glaubhaft bescheinigt" gesetzt worden: „glaubhaft macht", wobei denn auch das Herrenhaus und die Regierung kein Bedenken gefunden haben. Man hätte ohne Nachtheil noch weiter gehen und die Ausfertigung eines neuen Buches auf bloßes Verlangen anordnen können; ein Interesse der Rheder bei dem alten Buche besteht nur noch an den etwa eingetragenen Brstrasnngen; denn die dienstliche Befähigung könnte und würde auch anderweit nachgewiesen werden, wie es bei der Ausfertigung des ersten Buches ebenfalls geschehen muß. — Die Glaubhaftmachung geschieht durch bloße in sich glaubhafte Angaben. Ueber die Glaubhaftigkeit der gemachten Angaben hat die Ausfertignngsbehörde, salvo recursu, zu chefindem Die Ausfertigung eines neuen Seefahrtsbuchs von einer

Von der Schiffsmannschaft.

759

8. 6. Wenn das Seefahrtsbuch angefüllt, oder aus anderen Gründen zum ferneren Gebrauch nicht mehr geeignet ist, so ist dem Schiffsmann auf sein Verlangen ein zweites Seefahrtsbuch auszufertigen 1 * *7). * * * *Die * * * Musterungs ******* ­ behörde hat in einem solchen Falle in das erste Seefahrtsbuch den Vermerk, daß ein zweites ausgefertigt sei, in das zweite den Vermerk, daß es eine Fortsetzung des ersten bilde, einzutragen.

8- 7. Die Ausfertigung eines neuen (§. 5) oder eines zweiten (§. 6) See­ fahrtsbuches erfolgt von der Musterungsbehörde des Hafens, in welchem der Schiffsmann desselben Behufs der Verheuerung bedarf18).

§. 8. Zu den Seefahrtsbüchern sind Formulare zu verwenden, welche von den Stempelvertheilern18 a) zum Preise von 12 Sgr. 6 Pf. für das ein­ zelne Exemplar zu beziehen sind. Wer die Ausfertigung eines Seefahrts­ buchs verlangt, hat das Formular eines solchen der Musterungsbehörde zur Ausfertigung vorzulegen. Die Ausfertigung selbst geschieht gebühren- und ftempelfrei19).20 ! 8. 9. Im Inlands99) -arf Niemand2 T)

für ein Preußisches Schiff

als

anderen Bedingung als der Glaubhaftmachung des Verlustes des früheren, gleich­ viel, ob derselbe von dem Schiffsmaun verschuldet ist oder nicht, abhängtg zu machen, hat bedenklich geschienen, da einestheils der Nachweis des Verlustes in vielen Fällen unmöglich sein wird, und da anderentheils der verschuldete oder gar absichtllche Verlust mit der Ausschließung von dem Dienste aus einem preußischen Handelsschiffe, ohne die größte Härte und ohne Nachtheil für das allgemeine In­ teresse, nicht bestraft werden kann. Um die Näßbräuche möglichst zu verhüten, zu welchen dte Bestimmung und die Möglichkeit, daß die Ausfertigung eines neuen Seefahrtöbuchs durch Verschweigen der Ausfertigung des ersten erlangt wird, An­ laß geben können, hat man nach dem Vorgänge des Oldenburgischen G. vom 14. April 1857, Art. 9, welchem zuni Theil auch das Bremer G. v. 6. Januar 1862 folgt, die absichtliche Beseitigung eines Seefahrtsbuchs in gleicher Art wie die Nachsuchung der Ausfertigung "eines neuen, unter Verhehlung der Ertheilung des früheren, mit Strafe bedroht (§. 10). Außerdem soll die Musterungsbehörde, welche ein neues Seefahrtsbuch ausfertigt tiud zit dem Ende die Glaubhaftma­ chung des Verlustes des friiheren zu prüfen hat, in dem neuen Buche vermer­ ken, daß dasselbe nach deni Verlitste des früheren ausgefertigt worden, und ob und inwiefern der Schiffsmann über seine Schuldlosigkeit an dein Verluste sich ausgewiesen habe. (Mot. £?. 21.) 17) Auch für diese Fortsetzung des ersten Buches müssen die Ausfertigungsund Stempelgebühren (§. 8) bezahlt werden, d. h. es muß dazu ein Formular­ für 12 egr. 6 Pf. angeschafft und beigebracht werden. 18) Diese Vorschrift stimmt überein des §. 1.

mit der Bestimmung im Eingänge

18a) In Hannover sind bis auf weitere Auorduuug die Formulare von den Mustcrungsbehörden zu beziehen. V. v. 24. Juni 1867 (G.S. S. 1165). 19) Die^Ausfertigungs- und Stempelgebühren sind in dem Preise des Bu­ ches von 12