Allgemeine Pathologie und Therapie, Teil 1 [Reprint 2020 ed.] 9783112388389, 9783112388372

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Allgemeine Pathologie und Therapie, Teil 1 [Reprint 2020 ed.]
 9783112388389, 9783112388372

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Allgemeine

Pathologie und Therapie, von

Dr. Moritz Ernst Adolph Naumann, Professor der Medicin zu Benn.

Erster Theil.

Berlin,

Druck und Verlag von Dieser sieht in der Faser eine verlängerte Zelle; Jener läßt die Fasem durch Verlängemng und VerschmelzMg der Zellmkeme gebildet werd«, dagegm die Hüll« zu Membran« sich metamorphosiren; obgleich eS scheint, daß nach dieser VorauSsetzMg jede Primkttvfaser mit einer Membrana propria verseh« sein müßte. Die geduldige Zelle läßt sich zu all« beliebig« Formen auSkneten. Gewiß ist eS, daß die vollkommmste Zelle, näMich das Keimbläsch«, ursprünglich kein« BildMgStrieb besitzt, sondem desselben erst durch die Beftuchttmg cheilhaftig wird. Durch die Befruchtung werden nicht allein, die LebmSeigmschaften des KekmbläSchmS be­ stimmt, sondem auch die Eigenschaften des ihm dargebotmm Bit-

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Beschränkte Selbstständigkeit ter Zellen.

dung-material- erhalten durch sie ihrrn angemessenen Chatafter. In dem befruchteten KeimblLSchm offmbart sich die Lebensform -er Spe­ eles, die einer unabänderlichen Richtung der Entwickelung gemäß iss. Die allmälig hervorttetmden Organe, michin auch die Zellen, aus denen sie zusammengesetzt werden; vermögen sich dieser Abhängigkeit nicht zu entziehen; denn sie beruhet auf einem fortwirkendm Impulse; und die Functionen der einzelnen Theile find durch ihn ins Dasein flttuftn Worten. Die eigmthümliche Kraft der Zellen, von welcher so ost die Rede ist, »erhält sich michin wie etwas völlig Abgeleite­ tes. Sie redueirt sich auf die einfache Thatsache, daß eben jedes organische Formelement der lebenden Gewebe der Eigenschaften deS Lebens cheilhaftig sein muß. Da dmch Modificirung der äußeren Bedingungen da- Leben überhaupt mmmigfach »träniert werben kann, so bezicht sich dieses begreiflicherweise auch auf die LebenSeigmschaften und. auf dir Orga­ nisation dek einzelnen Zellen. Niemand kann bezweifeln, dich beim Elkrankm eine- Organs dessen kleinste Thellchen an der stattfind en­ den Kränkelt Antheil nchmen müssen. Eben so wirt der normale Zustand aller Zellen bedroht, wenn daö Aut, aus dem sie ihre Ernährung schöpfen, nicht gchörig gemffcht ist; oder wenn diejmigm Rerym, welche auf die Secretionm Einfluß auSüben, nicht in der erforderltchm Weise fungiren. Die Behauptung, daß die Selbststän­ digkeit der Zellen mit der höheren Ausbildung ihres ErnährungömaterialeS in gleichem BechälMiffe stehe, läßt sich nicht rechtfertigen; da ja auch chre Abhängigkeit und Bedingtheit um so mehr zunchmm muß. Unstreitig ist in dieser Hinsicht der primitiven Knvchenzelle eine selbststäMgere Existenz zuzugestchen, als der primitiven Ner­ venzelle. Man hat behauptet, daß die Zelle, als daS Einfachere, in krankhaftm Zuständm deutlichere Veränderungen darbieten müsse als das Organ oder der zusammengesetzte Apparat. Aber eben Weil im Kör­ per der höher entwickelten Thiere die einzelne Zelle ihrm EmähmngSbedlngungm nach so ganz passiv und abhängig sich vechält, so würde ein primäres Erkrmken derselben kaum nachweisbar sein. Wo die Zellen (mithin die auS ihnen zusammmgesetzten Organe) nicht un­ mittelbar dmch starke physikalische Einwirkungen affielrt sind, wird der nächste Gmnd ihres Erkranken- immer in einem Mißverhältnisse ausgesucht werden müssen, da- zwischm den Organen selbst und ihren Ernährung-bedingungen stattfindet. Wenn die Lebetzellen mit Fett

Aathett der gellru

om

ßrfraxfci.

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fich anstllen, daS «düch sogar Ihre Amte zum Verschwind cü dringt, so wird dadurch bloS dnt Abstufung eine- allgemein« KraMchettSPtftEdeS bezeichnet. Eb« so verhält e» sich «am Zella» allmälig mit schwarzem Pigment «gefüllt werden. Wird dm Zellen, die vüt einer Muattnöstnr FlüsfigkeLt geWt sind, ein RahnmgSfirft dmgebot tm, der zu ihrer Ernährung nicht geeignet ist^ so Mrd ihr ZnmrrS nach und nach von Körnchen ekngmonnnm, die fich agglomeriren (sogmanNte ENtMdUNgvkugrln) 'und «Mich tte BM«g ihrer Be­ hälter zur Folge haben. Dieser Rahmng-süft kann aber ohne allm Einfluß der erkaukendttr Zellen gebildet wordtn ftitz. Sind indessm Gewebe erkrankt die aut wenige »der gar keine Statt« besitz«, wie g. B. da» Knochen», Knorpel-, la» seröse Md fibrös» Gewebe, so nimmt die Anmualie bett gegebomn einfachem Berhältniffen gemäß eia einfachere- Gepräge an. Sie find daher unter günflrgen llntßtobot zu «'nem mehr isolkrt bleibmdat Erkrank« befähigt. Diese» "tritt noch deutlicher im Hvttttzrwebe hervor, wel­ chem nicht blos Raven, fMdem, strny genommen, sogar Mutgcfiche abgch«. Auch find die Zrllm in diesem Gewölle len Pflantzmzellm ähnlicher, in denen der Gegensatz zwischen dm festen Wandungm und dem stüffgm Inhalte überhaupt bestimmter ist, Athnliche einfachere ErvLhenug^edittgvNM scheinen annäherungsweise noch tnanchen t'[ben zuzukonmrcN. Wenigste«» wird e» sehr wahrscheinlich, daß die Syaovka zur Ernährung der Gelenkknorpü uumittrlbar brkttagm muß> -wenn man bedürkt, daß nicht ganz selten in dieser Flüsstgkeit Stier, ftei Mchevfchwimmmde Kvorpelmaffm gefunden werd«, die mir ursprünglich in ihr gebildet sein können. 3m Whemeimm find wir zu der Schlußfolgerung berechtigt, daß die ehtgdnm Zellen ihren Anchett am Erkranken blo» durch VwänderUMn -ihre» Anhalte», -oder ihrer rigenm Struktur anzeigen kön­ nen. Da «hm solche Berälldrtungm inunrr um al» abgeleitete zu bettachtcu stad, und nicht dmch ursprüngliche Umstimmung drr Lebmörtgenfchaftrn der Zellen zustmwekommm, so sst mich ein orgMisch bedingte» primäre» Sckrankm bcrselbm nicht zuzugebm. Sie halben mithin entweder gar keim», »der doch nur einen sehr untergeordne­ ten Anchett an der Entstehung von Krankheiten. Ander» vrthält e» fich M dm Anomalim der Zellm in Folge von Kranchcitar. Der aas diese WUse veranlaßte pachologische Zu­ stand dieser Behälter Md der au» ihnen abgeleitet« Fomen übt srlmrsetts nicht scltm durch mehrere Decmnkm, in der einmal gegebenen Beschränkung so unverändert bleibm kann, daß eS mehr als einseitig sein würde hier eine ununterbrochm fortschreitmde Verschlimmerung annehmm zu wollen. Aber auch bei vielen pachologischen Zuständm, die man als unbestreitbare ächte rmd wirkliche Krankheiten anerkmnm nwß, läßt sich der empirische Beweis sirr die Unrichtigkeit der oben berührten Behauptung gebm. Die Beispiele gehören nicht zu dm Selten­ heiten, daß eine deutlich zu constatirmde Vergrößerung der Leber oder deS Herzens mehrere Jahre völlig unverändert bleibt; wenigstmS insofem pathologische Zustände nur an bestimmtm Sym­ ptomen erkannt und durch dieselben gemessen werden können. Eine Milzgeschwulst, die sich ziemlich rasch gebildet hatte, wird bisweilen nach einiger Zeit auf einen geringem Umfang redueirt, und erhält sich dann unverändert bis zum Ende eines langen Lebmö. Wir brauchm indeffm nur an den gewöhnlichen Verlauf so vieler angeb­ licher Rervmkrankhtitm, der Hysterie und Epilepsie, oder an das Auftreten der Hämorrhoiden, der Gicht, vieler chronischen HautauöNau«ano allgem. Pathol. u. Thrrap. ß

Veränderungen im Verlaufe der Krankheit.

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Richtung dm profusen Charakter besitzen und dem Organismus seine EchaltungSmkttel entziehen. Auf diese Weise erfolgen nicht blos erschöpfmde Ausleerungen, sondem auch jauchige Ergießungm in die Höhlm, so wie in daö Innere der Organe, endlich Blutungen nach JNNM imb Außm (Status colliqualivus).

3) ErscheinUngm des Krankheitsverlaufes. Die Behauptung, daß jede Krankheit ununterbrochm in Ver­ änderung begriffen sei, indem sie entweder zu- oder abnehme, — ist nicht unbedingt wahr. Um in dieser Hinsicht zur Ueberzmgung zu gelangen, darf man den Blick nur auf gewisse durch Stabilität aus­ gezeichnete Zustände richten, welche offenbar dm pathologischen Cha­ rakter besitzen, wenn sich auch nachweisen läßt, daß sie selbst als Producte von besondem, allerdings seit langer Zeit beendigten KrankheltSprozessm anzusehm sind. Eine bedmtmde, nach überstandener RhachitiS zurückgebliebene Verkrümmung des Rückgrates kann, wem sie die Functionen der Bmstorgane wesentlich beeinttächtigt, um so gewisser als ein wirklich pathologischer Zustand aufgefaßt werden, je deutlicher sie sich wie eine ausgesprochene KrankheitSanlage ver­ hält. Gleichwohl zeigt die Erfahmng, daß der Gesundheitszustand der also Grbrechlichm> nicht scltm durch mehrere Decmnkm, in der einmal gegebenen Beschränkung so unverändert bleibm kann, daß eS mehr als einseitig sein würde hier eine ununterbrochm fortschreitmde Verschlimmerung annehmm zu wollen. Aber auch bei vielen pachologischen Zuständm, die man als unbestreitbare ächte rmd wirkliche Krankheiten anerkmnm nwß, läßt sich der empirische Beweis sirr die Unrichtigkeit der oben berührten Behauptung gebm. Die Beispiele gehören nicht zu dm Selten­ heiten, daß eine deutlich zu constatirmde Vergrößerung der Leber oder deS Herzens mehrere Jahre völlig unverändert bleibt; wenigstmS insofem pathologische Zustände nur an bestimmtm Sym­ ptomen erkannt und durch dieselben gemessen werden können. Eine Milzgeschwulst, die sich ziemlich rasch gebildet hatte, wird bisweilen nach einiger Zeit auf einen geringem Umfang redueirt, und erhält sich dann unverändert bis zum Ende eines langen Lebmö. Wir brauchm indeffm nur an den gewöhnlichen Verlauf so vieler angeb­ licher Rervmkrankhtitm, der Hysterie und Epilepsie, oder an das Auftreten der Hämorrhoiden, der Gicht, vieler chronischen HautauöNau«ano allgem. Pathol. u. Thrrap. ß

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Verhältniß dieser Veränderungen zur Organisation.

schlägt u. s. w. zu erinnern, um inne zu werden, daß ein ununter­ brochenes Vor- oder Rückwärtsschreiten in vielen Krankheiten durch keine Merkmale nachweisbar ist. Man darf nicht einwenden, daß eben in den zuletzt namhaft gemachten Affeetionen der stete Wechsel im Ausdrucke der Krankheit durch die Verschlimmerungen, oder überhaupt durch das nicht selten deutlich periodische Auftreten und Zurücktreten der Symptome be­ wiesen werde. Denn wem» man bedenkt, daß in nicht wenigen Fällen dieser Art von einem Anfalle der Krankheit bi'S zum andern, die Krankheitserscheinungen gänzlich verschwinden können, und daß in dieser ost sehr langen Zwischenperiode nur der Ausdruck der vollkommenstm Gesundheit wahrzunehmm ist, so dürfte man cher geneigt sein, eine stete Erneuerung, als die auch in der Zwischenzeit ununter­ brochene Fortdauer der nämlichen Krankheit zu verfechten. Man Pflegt sich wohl darauf zu berufm, daß die Krankheit selbst, d. h. die innere ihr zum Grunde liegende Bedingung, unaus­ gesetzt in Veränderung begriffen sei, daher zu- oder abnehme, wenn dieses auch nicht in gleicher Ausdehnung von dm Aeußerungen der Krankheit gelte. Die einmal eingeleitete Degeneration der Leber oder irgend eines andem Organes, so sagt man, ist etwas Fortschreitendes, aber es ist nicht nothwendig, daß die functionellm Anomalim in gleichem Verhältnisse in Zunehmen begriffen sind, da Gewohnheit, die supplementär eintretmde Function anderer Organe, und gar manche Umstände in dieser Beziehung einen günstigen Einfluß auSüben können. Indessen möchte sich eben so oft, umgekehrt, der Be­ weis führen lassen, daß, z. B. bei Klappenfehlern des Herzens, die der Krankheit entsprechende Veränderung im materiellen Substrate verhälmißmäßig unverändert bleibt, wogegen die functionellm Stö­ rungen in steter Zunahme begriffen sind, und immer mehr das Sehen bedrohen. Endlich beweisen die nicht eben der Zahl nach geringen Fälle von pathologischen Zuständen wichtiger Organe in der Leiche, an deren Gegenwart beim Leben nicht einmal gedacht worden war, daß die Krankheitserscheinungen, insofern sie durch Funktionsstörungen erkannt werden können, mit dm Anomalien, die sich aus Stmctur und Terlur, auf dm Mechanismus und Chemismus der Organe beziehen, keineSweges in eine einigermaßen befriedigende Proportion zu bringen sind. Sollen allgemeine Bestimmungen über dm Krankheitsverlauf gegeben werden, so darf man nicht von spekulativen, sondem von

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Aii-gLnge ter Krantbeitm.

empirischm Vordersätzen ausgchen. Nach dein Ergebnisse der letztem lasse» folgende Fälle sich unterscheiden. 1) Es giebt viele Krankheiten, welche, durch intensive oder doch differmte Außendinge unmittelbar hervorgemfen, eine solche Be­ schaffenheit besitzen, daß sie binnen einer gewiffm Zeit die Kranken todten, oder auf die eine oder andere Weise selbst, ihr Ende errekchm müssen. Die meistm dieser Krankheiten sind dadurch ausgezeichnet, daß sowohl Impressionen als auch Reactionen schnell auf einander folgen, und daß sehr bald AusgleichungSmittel mtweder himeichend dargeboten werben, oder ganz erschöpft sich zeigen. Biele von den hierher zu zählmden Affectionen verhalten sich wie acute Krankheitm. Die möglichm Ausgänge solcher Anomalien lassen sich auf drei, vielleicht auf vier zurückführen. So wird eine amte Lungmentzündung entweder gründlich, oder nur unvollkommm geheilt, oder sie führt dm Tod herbei, oder endlich sie giebt Veranlassung zur Ent­ stehung anderer Krankheitm, die sich ihr sowohl zugesellen als auch anschließen sönnen. Entzündliches Herz- oder Gchimleiden, so wie Himschlagfluß kann währmd der Lungenentzündung entstehen, aber auch zuf AuSblldung gelangen während deren Symptome bereits im Erlöschen begriffm sind. Bei manchen Krankheiten weist die Erfahmng eine noch grö­ ßere Verschiedenheit möglicher AuSgänge nach. Wir erinnem bei­ spielsweise an den TyphuS: Derselbe wird tödtlich, oder er wird vollkommen geheilt; unvollkommene Heilung findet dann statt, wenn KrankheitSresiduen in denjenigen Organen zurückbleiben, die im Ver­ laufe des Typhus, oder seiner verschiedenen Varietäten, pathologisch besonders in Anspmch genommen worden waren. Davon läßt sich wieder der Uebergang in, oder der Zutritt von anderen Krankheiten unterscheiden, zu denen der Typhus nur entfernt, nicht unmittelbar die Veranlassung gegebm hatte. Endlich beobachtet man gerade am häufigstm in Folge dieser Krankheit die eigenthümliche Erscheinung, -daß die Patienten, obgleich im Wesentlichen hergestellt, eine mehr oder minder durchgreifende Veränderung ihres ganzen NaturelS, man mochte sagen ihrer individuellen Constitution wahmehmen lassen, welche fortwährend bleibend sich erhält, und eine mehrfach veränderte Beziehung zu den äußern Einwirkungen zu begründen vermag. 2) Krankheiten, deren Grund auf eine permanente, oder doch schwer zu beseitigende Alteration der Blutmischung zurückzuführen iss, welche offmbar durch pathologische Absondemngen, die von Zeit

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Mannigfaltigkeit der KrankhcitöauSgänze.

zu Zeit sich einfinden, vermindert wird, veranlassen verhältnißmäßig selten unmittelbar den Tod, gehen auch nicht oft in vollkommene Gesundheit über, geben aber sehr gewöhnlich zur Bildung von zahl­ reichen örtlichen KrankheitSheerden, oft auch zur Berminderung der organisirbaren Eigenschaftm deS BluteS die Gelegenheit. Wir erin­ nern hier vorläufig nur an viele der sogenannten Dyskrasie«. 3) Wmn wichtige Organe geschwollen, verhärtet, mit Fett oder mit faserstoffigen Producten infiltrirt, von Verbindungen der Kalkerde durchdmngen, geschwunden und welk, oder erweicht und mürbe ge­ worden sind, so ist in der Regel nur noch der tödtliche AuSgang zu envarten. Derselbe läßt meist lange Zeit auf sich warten, und er­ folgt häufig erst dann, nachdem eine größere oder geringere Anzahl von andern Krankheitszuständen zu dem ursprünglichen Leidm hinzugetteten ist. In vielen Fällen ist jedoch die Gesammtheit von schein­ bar von einander unabhängigen KrankheitSheerden, von denen man nicht selten die meisten erst bei der Leichenöffnung entdeckt, auf eine allen gemeinschaftliche Krankheitsbcdingung zurückzufilhren. 4) Krankheiten, welche unabwendbare Destructionsprozeffc her­ beiführen, die nicht blos auf die ursprünglich ergriffmen Organe beschränkt bleiben, sondern durch die Vermittelung deS BluteS andern Organen und zuletzt dem ganzen Körper gleiches Geschick drohen, lassen, streng genommen, weder den Ausgang in Gesundheit, noch den in andere Krankheiten wahrnehmen, sondern führen nur zu einem tödtlichen Ende. ES genügt an die krcbShaften und an viele tuberculösc, überhaupt an Krankheiten zu erinnern, welche endlich die Symptome der ausgebildeten PhthisiS herbeiführen. 5) ES giebt krankhafte Zustände, die sich in der That mehr Wie Anlagen, oder wie unentwickelte pathologische Formen verhaltm. Beispielsweise nennen wir nur diejenigm Asfectionen, die man auf Plethora, oder solche, welche man auf reizbare Schwäche deS NervensystemeS zurückzuführen pflegt. ES dürfte schwer sein über die mög­ lichen Ausgänge solcher Anomalien eNvaS auch nur irgend Befrie­ digendes im Allgemeinen festzusetzen. Ueberhaupt ist eS eine völlig vergebliche Arbeit über die Ver­ änderungen, welche der KrankheitSverlauf im Allgemeinen möglicher­ weise darbieten kann, eine vollständige oder nur übersichtliche Zu­ sammenstellung versuchen zu wollen. Denn der abstrakte Begriff der Krankheit, mit dem man sich hier doch allein zu beschäftigen hätte, giebt kein anschauliches Bild von irgend einem wirklichm

Kranksein. Daher müssen die im Verlaufe der Krankheiten vor­ kommenden Veränderungen, um überhaupt verständlich zu werden, auf die allgemeinstm Verschiedenheiten bezogm werden, welche der pathologische Zustand überhaupt wahmehmen läßt insofern man ihn mit demjenigen der Gestmdheit vergleicht; indem man widrigenfalls, da noch kein spezielles KrankheitSbild vorliegt, völlig unverständlich bleiben würde. Man gewinnt daher nur Worte für höchst triviale Wahrheiten; oder mm bildet sich ein bestimmmde Gesetze aufgeftmden zn haben, während nur Bekanntes und Gewöhnliches schematisch geordnet worben ist. Wäre man aber auch vermögend alle Verändemngen im Verlaufe der Krankheiten wirklich aufzuzählen, so hätte man doch schwerlich etwas Nützliches zu Stande gebracht; denn da keine KrankheitSbilder, wie in der speziellen Pathologie, vorliegen, aus deren Beschrei­ bung die Verändemngen im Verlaufe von selbst stch ergeben würden, so hätte man entweder mit den speziellen Charakteren von Gegenständm sich zu beschäftigen welche an sich unbekannt bleiben, oder man verfiele in das bekannte Chaos von abstractrm Dogmatismus und von empirischem Nihilismus. Wmn wir die Gesetze der allgemeinen Pathologie, oder was sich dafür auögiebt, etwas schärfer in'S Auge fassen, so gelangt man sehr bald zu der Ueberzeugung, daß die meisten ihrer angeblichen Fundamentalbestimmungen eigentlich nur für einen verhälmißmäßig engen KreiS von Krankheiten (von denen sie abstrahirt wurden) Gültigkeit haben. Man verträgt sich indessen stillschweigend, ohne durch die weit größere Anzahl von KrankheitSzuständen irre gemacht zu werden, welche in den allgemeinsten Bestimmungen über patholo­ gische Lebensformen ganz unberücksichtigt bleiben. Diejenigen Krankheiten sind wahrlich nicht in der Mehrzahl, von denen behauptet werden dürfte, daß eS möglich sei bei chrem ersten Entstehen voraus zu bestimmm, daß sie eine nach bestimmten Zeitabschnitten abzumessende Reihmfolge von besondem Verändemngen in chrem Verlaufe werden wahmehmen lassen. Bei vielen Krankheitm vermag man erst, nachdem sie einen gewissen, oft sehr vorge­ rückten Zeitpunkt in ihrem Verlaufe erreicht habm, bei den meisten kaum vor chrem gänzlichm Ablaufe, dm ganzm Zustand auf eine von denjmigen Formen zurückzuführen, die in den Werken über spe­ zielle Pachologke unter eigmthümlichen Benennungm beschriebm werden. Allerdings trägt zu dieser Schwierigkeit der Umstand mit bei, daß

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Eintheilung des Krankhelt-verlanfeS in Zeiträume.

die isolirtm Krankheitöformen der speziellen Pathologie verhältnißmäßig selten in jener Abgeschlossenheit vorkommen, vielmehr in den Krankheitszuftänden

welche

die Wirklichkeit darbietet, häufig gar

mannigfach mit einander verbunden auftreten. Eine den KrankheitSverlauf (Decursus morbi) fast vom

Anfänge an mehr oder minder genau vorausbestimmende Diagnose findet beinahe nur bei denjenigen Krankheiten

statt,

welche sehr

charakteristischen Verändemngen in einer bestimmten Zeitfolge unter­ worfen find, und die man deshalb cyklische genannt hat, weil sie

außerdem noch daS Bild eines Kreislaufes geben; denn nachdem sie,

von Stufe zu Stufe fortschreitend, den höchsten Grad ihrer Ausbil­ dung erreicht haben, so erfolgt (wenn alles gut geht) auch ihre Rückbildung innerhalb ziemlich regelmäßiger Zeitabschnitte. Der

Krankheitsprozeß beschreibt mithin, von dem Zustande der Gesund­ heit ab- und demselben wieder zulenkend, in gewissem Sinne eine

Kreislinie; wogegen andere Krankheiten, in derm Verlaufe wmiger markirte Veränderungen sich hervorheben, zumal wenn ihre Heilbar­

keit gering oder problematisch ist, in ihrem Verlaufe mehr an eine

gerade Linie erinnern würden.

Demgemäß würden Blattem und

Masern cyclische, Krähe, Gicht, Krebs «cyclische Krankheiten darstellen. Man vergesse nur nicht, daß blos von einer Metapher die Rede ist. Neber die Eintheilung des Krankheitsverlaufes in verschiedene

Zeiträume (Stadia morbi) läßt sich jetzt Folgendes sagen: Am leich­ testen läßt dieselbe an solchen Afsecrionen sich erkennbar machen, die

bei ihrem Verlaufe durch- eine Reihe von Abstufungen hindurchgehen,

deren jede durch eigenthümliche Merkmale ausgezeichnet ist, daher ein sowohl von der vorausgegangenen Stufe abweichendes Gepräge besitzt.

als von der nachfolgenden

Dadurch werden in der That

innere Abgrenzungen innerhalb deö ganzen KrankheitSverlaufeS vor­

gebildet, die man, weil sie kleinen Zeitabschnitten in der ganzen Zeit der Krankheitsdauer entsprechen, zur Eintheilung in Zeiträume be­ nutzen kann. indem

Bei vielen Krankheiten ist dieses gar nicht möglich,

bei ihrer allmäligen Entwickelung nicht allein jeder für die

Zeitrechnung überhatlpt nöthige Anfangspunkt vermißt wird, sondcm

auch weil die Symptome, welche eine eingetretene Veränderung deö pathologischen Zustandes bezeichnen möchten, so unmrrklich sich ent­

wickeln und so ununterscheidbar mit den Erscheinungen der früherm Perioden verschwimmen, daß in die Augen fallende Abstufungen im

Verlaufe nur willkürlich angegeben werden können.

Nnwerth der abstrakten KrankhettSstadien.

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Soll die Krankheit in abstracto, wie eS wunderbarer Weife oft versucht worden ist, in einzelne Zeitabschnitte eingetheilt werden, so bleiben nur noch zwei Hauptstadim übrig, welche der Entwicke­ lung oder Evolution und der Rückbildung oder Involution mtsprechm, mithin auf eine progressive und eine regressive Periode der Krankheit hindeuten. Aber auch diese regressive Periode fehlt häufig genug ganz, so daß dann eher von einem progresfivm und von einem siationärm Stadium die Rede sein müßte. Ob man dm abstracten Krankheitsprozeß in drei, fünf, sie« den Stadien, oder sonst beliebig eintheilen möge, bleibt völlig gleichgültig, da eS Jedem frei steht dieses ideelle Schema, bei seiner gänzlichen Jnhaltlvsigkeit, mit dm Jahreszeiten, oder mit dm Lebensaltern, oder mit wechselndm Ereignissen von jedem andem Charakter zu vergleichen. Für die Erkenntniß der wirklichm Krankheitm wird dadurch sicher nichts gewonnen. Dagegen würde eS eine vergebliche Arbeit sein, wenn etwa der Versuch gewagt werden sollte, die Formm der speziellm Pathologie, Typhus so gut wie Verdunkelung der Krystalllinse, amte Pneumonie so gut wie Hysterie, aus eine irgmd beliebte Anzahl angeblich allgemein gültiger Stadien, ihrem Verlaufe nach zu rtbucirm. Die der altm Kn'smlchre entsprechende Eincheilung deS Ver­ laufe- fiebechafter Krankheiten in die drei Zeittäume der Cmdität, der Coction und der Krise läßt sich streng genommen nur für eine gewisse Anzahl dieser Krankheiten rechtfertigen. Dieselben sind da­ durch ausgezeichnet, daß sie nicht allein sogleich bei ihrem Beginnm sehr bestimmt von dem biShm'gm Gesundheitszustände sich abheben, sondern daß sie auch eine Reihe von schnell auf einander folgenden Verändemngm bewirken, durch welche ihre baldige Entscheidung auf die eine oder andere Weise nothwendig gemacht wird. Wenn man jme drei Stadien mit andem Wortm bezeichnet, und sie als Im­ pression, Reaction und Ausgleichung aufsührt, so ist die Vorstellung selbst doch unverändert geblieben. Sie sind in dem ParorySmuS eine- jedm Wechselfiebers repräsentirt: Im Froststadium offenbart sich die KrankheitSbedingung in ihrem vollm Gegensatze und in un­ geschwächter Intensität; daS Stadium der Hitze wird durch baS Erwachm der Reaction charakterisirt, von welcher die Möglichkeit abhängt organische AuSgleichMgSmittcl zu beschaffen; im Stadium doS Schweiße- wird die Ausgleichung (wenigstens temporär) wirk­ lich hrrbeigeführt.

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Bedingungen des rezrlmäßigm Krankheittverlanfer.

Nach der msprüngltchm Bedeutung ist Crisis (Judicatio) jede Entscheidung der Krankheit, möge dieselbe dem individuellen Leben zum Vortheile oder zum Nachtheile gereichen. Erst später wurde das Wort vorzüglich zur Bezeichnung des günstigen AuSgangeS der Krankheiten, und zwar nammtlich für diejenigen Fälle benutzt, wo die Grnestmg plötzlich und unter auffallendm Erscheinungen eingeleitet worden ist. Die Regelmäßigkeit deö Krankheitsverlaufes leuchtet am meisten bei dmjenigen Krankheiten ein, welche durch größere und mannig­ faltigere innere Gliederung ausgezeichnet find; denn es findet in ihnen eine Reihenfolge von Veränderungen statt, die nach einer we­ sentlich sich gleich bleibenden Anordnung gruppirt sind, und daher die Eintheilung in charakteristische Stadien am ungezwungensten zulaffen. ES versteht sich von selbst, daß alle Krankheitszustände ohne Ausnahme vollkommen regelmäßig sich verhaltm, da ihre Entwicke­ lung nach unumstößlichen Gesetzen erfolgt. Wenn gewissen Krank­ heiten eine größere Regelmäßigkeit zugeschrieben wird, so besitzt diese Behauptung nur insofem einige Wahrheit, als sie sich auf dm Maß­ stab beschränkter menschlicher Einsicht bezieht. Auch hat man hier zu unterscheiden zwischen dm meisten der in dm Handbüchem anzu­ treffenden Krankheitöbilder und vielen der in der Wirklichkeit zu beobachtenden Krankheitszustände; denn jene treten in diesen häufig in so eigenthümlicher Verbindung auf, oder sie können durch tausend Dinge in ihrer Entwickelung so sehr beschränkt, oder von derselben abgelmkt werden, daß ost nur schwache Spuren von demjenigen Verhältnisse übrig bleiben, daS man als ihren regelmäßigen Ver­ lauf zu bezeichnen pflegt. Von besonderm Einfluß auf die Regelmäßigkeit deS KrankheitSverlaufeS sind folgende Umstände. 1) Je vollständiger der KrankheitSprozeß ausgebildet ist, desto regelmäßiger, je mehr dagegen die Krankheit in der Form der An­ lage verweilt, desto unregelmäßiger oder doch unbestimmter verhalten sich im Allgemeinen die Erscheinungen; denn im ersten Falle tritt daS Pathologische viel vollständiger als Ganzes auf, zeigt sich gleich­ sam ohne Rückhalt, in concentrirter, ein für allemal vom gesunden Leben abgelöster Gestalt, und giebt diesem entschiedenen Gegensatze gemäß auch gleichbleibendere Resultate; dagegen ist im zweiten Falle daS Pathologische vom gesunden Leben mehr verhüllt, seinen Bedin«

gungm Weniger schroff entgcgmgcsctzt, oder doch minder deuüich von demselben abgezweigt, und daher in Beziehung auf die weitem Er­ eignisse viel inkommensurabler. Man vergleiche z. B. den Typhus mit der Gicht, oder die acute Entzündung der Hirnhäute mit der Hypochondrie. 2) Je schneller und hefn'ger Veränderungen in der Blutmischung eintreten die vom gesummten Nervensysteme percipirt werden, um so deut­ licher werten in der Regel die Krankheitserscheinungen, und um so gewisser entwickeln sie sich in rascher Progression und in bestimmter Succession. Wenn dagegen die Anomalie des Bluteö darin besteht, daß abweichend zusammengesetzte Proteinverbindungm, oder patholo­ gische Keimflüsstgkeiten in ihm enthalten sind, durch welche unmittel­ bar daS Gemeingefühl wenig oder gar nicht afficirt, durch die aber zur Ausscheidung von fremben Nebenprodukten zugleich mit und ne­ ben den Emähmngssäftcn die Gelegenheit bargeboten wird, so er­ geben sich andere VerhälMiffe, und der Krankheitszustand vermag in sehr verschiedener Form sich weiter zu entwickeln. ES ist wohl nicht zu bezweifel», daß der Petechialtyphus oder die Pockm grö­ ßere Gleichförmigkeit in ihrem Verlaufe zeigen, als Scrofeln oder Tuberkel. 3) Wenn alle Symptome eines concreten Krankheit-zustandes auf eine einzige Bedingung zurückgeführt und aus ihr erklärt werden können, so sind auch die Verhältnisse um so einfacher und geregelter, unter denen die Krankheit sich entwickelte und verläuft. Diese Regel­ mäßigkeit wird fn der nämlichen Proportion vermindert, als die der concreten Krankheit zmn Gnmde liegenden Bedingungen sich verviel­ fachen. Die Entzündung einer bisher gesunden Lunge verläuft regel­ mäßiger als die Entzündung einer tuberkulösen Lunge. 4) Endlich sind diejenigen Krankheiten durch größere Regel­ mäßigkeit ausgezeichnet, in deren Verlaufe bedeutende örtliche KrankheitSheerde, mithin pathologische EoncenttationSpunkte entweder gar nicht gebildet werden, oder in denen das Leiden auf den ursprüng­ lichen Heerd beschränkt bleibt. Dagegen treten Irregularitäten ein, wenn im fernern KrankheitSverlaufe neue Heerde gebildet werden, namentlich wenn die Krankheitsbedingung nachttäglich in Organen sich firirt, deren Functionen von großer Wichtigkeit für die Fortdauer des Siebend sind. So lange der Rheumatismus auf die MuSkelscheiden oder auf die Gelenke sich beschränkt, bleiben die Verhältnisse wenigstens einfach. Ist aber rhettmatische Affection des Herzbeutels

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Regelmäßigkeit der Krankheit-auSgänge.

oder des Bauchfelles hinzugetreten, fo beginnen auch die RractionS* fymptome einen gefahrdrohenden Charakter anzunehmm. Der regel« mäßige Verlauf des Typhus wird in dem Verhältnisse getrübt, alzahlreiche Krankheitsheerde gebildet werden. Je regelmäßiger die Krankheit verläuft, je entschiedener sse in der Form des KrankhcitsprozesseS sich offenbart, je ungezwungener die Erscheinungen derselben in ihrer Gesammtheit auf besondere Abstllfungen oder Stadien zurückgeführt werbt» können, um so einfacher und übersichtlicher wird auch ihre Chronologie, und um so gewisser kann jeder einzelne Abschnitt in ihrem Verlaufe als ein bestimmteKrankheitsbild aufgefaßt werden. Davon ist die Folge, daß aus den Erscheinungen, durch welche ein Stadium charakterisirt wird, bisweilen mit einiger Sicherheit auf besondere, durch die Krankheit selbst nicht nothwmdig geforderte Er« cignisse des nächstfolgenden Stadiums geschlossen werdm kann; jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der regelmäßige Verlauf der Krankheit nicht unterbrochen werden wird. Darauf gründet sich die Thatsache, daß der Krise nicht selten gewisse, dieselbe ankündigende, sie gleichsam vorbereitende oder einleitende Erscheinungen voran-gehen (Symptomata pracparantia s. indicantia), denen erst später die entscheidenden Ereignisse (S. critica s. judicatoria) sich anschließen. Mäßiger Schweiß am 11. Tage einer fieberhaften Krankheit kann auf diese Weise wie der Vorläufer von reichlichem Schweiß sich verhalten, welcher erst ain 13. oder 14. Tage eintritt; oder der soge­ nannte kritische Harn des 21. TageS wird durch Verändrmngen in dieser Flüssigkeit angckündigt, die bereits auf den 17. Tag fallen. Aber auch gefährliche Symptome sind unter ähnlichen Verhältnissen als tödtlickc Vorzeichen beobachtet worden. Vorzüglich in denjenigen Fällen, wo die günstige zur Gene­ sung führende Entscheidung von reichlichen Absonderungen begleitet ist, wird nicht selten vor dem Eintritte dieser Ereignisse eine be­ deutende Steigerung aller oder doch der meisten Krankheitssymptome beobachtet (Perturbatio critica). Dieselbe scheint offenbar den ein­ getretenen Veränderungen im Chemismus des Blutes zu entsprechen, welche t'iirdi die bevorstehenden Ausscheidungen gefordert werden, und ihnen gemäß sich verhalten. Mit dem stärkem Hervortreten dieser Heterogeneität wirkt auch das Blut als ein tun so fremd­ artigerer Reiz auf daS Nervensystem. Dieses dauert so lange fort, bis, in Folge der endlich die Oberhand erhaltenden neuen Affinitäten

Bedingtheit der kritischen Nu-leenmgen.

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gttoiffer im Blute verbreiteter Stoffe, egestlve Srcretionm herbn'geführt werden können, durch welche die Integrität der Blutmischung rrstttuirt wird. Die sogenannten kritischen Ausleerungen sind daher nicht die Ursachen der eintretenden Besserung, sondem vielmehr deren Wirkung. Sie sind keine Maleria peccans, und im eigentlichen Sinne deS Wortes weder Krankheitsstoffe, noch Krankheitsursachen, sondern Be­ standtheile deS Blutes, welche dmch die Einwirkung der Krankheit verändert wordm find. Daher ist es gar nicht nochwendig, daß diese Stoffe in jeder Krankheit, z. B. im Typhus, immer in der nämlichen, überhaupt in einer abweichenden, erkennbaren Form auSgeleert werdm müßten. ES ist bereits bemerkt wordm, daß gerade die wirksamsten thierischen Gifte in. ihrem nachweisbarm chemischm Gehalte nicht die geringste Verschiedenheit von Speichel, Lymphe, Semm und ähnlichm Flüsstgkeitm erkennm lassen. Im Hinblicke auf solche Thatsachen wird eS nicht blos denkbar, sondem auch sehr wahrscheinlich, daß durch die Einwirkung eines AnsteckungsstoffeS, oder überhaupt einer Schädlichkeit, irgend ein für die Ernährung bestimmter Bestandtheil deS BluteS in seiner Zusammensetzung chemisch verändert werdm kann, ohne daß dadurch sein Verhältniß zu den unS bekannten chemischen Reagmtien eine Verändemng erfähtt, oder ohne daß seine Affini­ täten und die ihnen mtsprechmden Produkte abweichend erscheinen. Ein näherer Bestandtheil deS Blutes kann seiner eigenen Zusammensetzung nach chemisch verändert worden sein, obgleich seine chemische Relation zu den übrigen Bestandtheilen deS BluteS als die nämliche erscheint. Aber seine organische Relation zum übrigen Blute, zum ganzen Körper und vorzüglich zum Nervensysteme, kann dadurch einen wesentlich abweichenden Charakter angenommen haben. Wir sind nirgends zahlreichem und gröbern Täuschungen aus­ gesetzt, als wenn wir auf die sinnlich veränderte Beschaffenheit der ousgeschiedmm Säfte uns verlassen, und aus derselben diagnostische und prognostische Sätze entwickeln. Wie oft zeigt uns nicht der Urin bei ganz gesunden Personen, nach einer Indigestion, starken körperlichen Bewegung, überhaupt nach sehr gm'ngfügigm Veran­ lassungen gar Manches, was, physicalisch oder chemisch aufgefaßt, auf große Abnormität schließm lassen könnte; wie oft finden wir dagegen nicht bei den gefährlkchstm Patienten einen Ham, welchen

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Dttschitbtnhtit btt Entschtibunz btt Ktankhtittn.

schon die Alten, seiner äußeren Eigenschaftm wegen, mit dem Urine der Gesunden verglichen? Die Erfahmng belehrt und, daß dasjenige, waS von dm Be­ standtheilen des Blutes während der Dauer einer Krankheit nutzlos confumirt worden ist, in der vcrschiedmartigstm Form, und selbst von dem nämlichen Organe in mannigfach wechselnder Beschaffen­ heit auSgeschieden werden kann. Wer will -berechnen oder nur im Allgemrinm angebrn, welche Elcmentarverbindungm mit dem Schweiße, mit den verschiedenen Absondemngen der Bauchorgane, auf dem Wege der gasförmigen Ausströmung durch Haut und Lunge», aus dem Körper eines schweren Fieberpatienten in dem Zeiträume von Tagen und Wochen auSgeleert werden können? Wer weiß darüber Rechmschaft zu geben, welche Berändemngen die verschiedenen Be­ standtheile deS Blutes erlittm haben können, bevor fie schließlich zur Hamabsonderung verwendet werden; besonders indem man bedenkt, daß ja der Harnstoff hauptsächlich als Residuum deS bereits Festgewesenen zu betrachten ist, mithin zum Theil aus einer Zeit stammt, welche vor der eben bestehenden Krankheit liegt. Man darf nur die Erscheinungen mit einander vergleichen, welche der Urin bei verschie­ denen, am Nervenfiebcr leidenden Patienten zeigt. Sie sind äußerst zahlreich und können auf keine allgemein gültige Regel zurückgeführt werden. Unstreitig hängt in dieser Beziehung Vieles von der indi­ viduellen Konstitution, Manches von dem schnell wechselnden Nerven­ einflusse ab. Immer würde eS thörig sein, den meisten dieser Ver­ änderungen daö geringste Gewicht cinzuräumen, oder unser Urtheil durch dieselben bestimmen zu lassen. Bei eintretenden Hindcrnissm der kritischen Vorgänge kann noch zum Schluß das Leben gefährdet werden (Crisis perniciosa); oder die Entscheidung der Krankheit bleibt unvollkommen und gelingt nur bis zu einem gewissen Grade (Crisis intercepta, imperfecta, insufsiciens). Aber auch die günstige Entscheidung (Crisis perfecta s. salutaris) erfolgt selten plötzlich und auf einmal (etwa in der Art, daß Fieberpatirnten unter reichlich quellendem Schweiß in tiefm Schlaf verfallen), sondern gewöhnlich in Abstufungen (Crisis successiva). In sehr vielen Krankheiten erfolgt der RückbildungSprozeß sehr allmälig, fast unmerklich, ohne daß eine bestimmte Form der Ent­ scheidung sich Nachweisen, oder der eigentliche Anfang der GenrsungSperiode sich der Zeit nach bestimmen läßt (Crisis clandestina s. Lysis). Die Entscheidung der Krankheit ist mithin daS Resultat

Bedingung« die der Entscheidung günstig sind.

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vön Ereignissen, die, weil sie selbst Zustände der Organisation dar­ stellen, welche nicht konstant sondem variabel sind, nothwendig einen endlich« Abschluß find« müssm. Rach den gegeben« Verhältniffm geschkcht diese- mtweder durch die Wiederherstellung der Gesundheit, oder durch dm Einttitt de- Tode-, oder endlich durch dm Uebergang in andere Krankheit-zustände, zu denm (mithin bei fortdauern­ dem Kranksein) nicht allein die Produkte der vorigen, sondem auch ganz mut, durch die früheren Affecsionen mittelbar veranlaßte Anomalim die Gclegmhekt geb« können. Die wirkliche Entscheidung ist michin um so femliegender und bietet um so geringere Aus­ sicht« dar, je konstanter und unveränderlicher die Bedingung« sind, welche dem krank« Zustande zum Grunde liegen. Es giebt Krank-hriten, bei denen die völlige Entscheidung zuletzt eine Sache der Unmöglichkeit werd« kann. In solch« Fällen wird der endliche Tod nicht durch die Krankheit herbrigeführt, sondem die mit ihr behastetm Patimten erliegen au- andem Gründen. Die inveterirte Gicht zeigt nicht seltm daö Beispiel eine- solchen Morbus consenescens. Ueberhaupt hat man einen bestimmten Abschluß, d. h. durchgreifmde Entscheidung, nur bet solchen Krankheiten zu erwarten, den« schnell sich verändemde und innerhalb nicht zu langer Zeit völlig untergehmbe Bedingungen zum Gmnde liegen. Die Dauer dieser Krankheiten ist daher an ein bestimmtes Zeitmaß gebunden, biS zu welchem dieselben auf Irgend eine Weise ein Ziel eneichen müssen. Indem Krankheiten dieser Art einen gemessenen, mehr oder weniger gleichbletbmden Zeitraum einnchmen, der sehr entschieden, alS etwa- in sich Abgeschlossenes, von der ganzen Lebensdauer deS Individuums sich abhebt, so erhalten sie auch eine eigenthümliche, der Berechnung zugängliche Chronologie. Darauf gründet sich nicht allein die Zerfällung ihres GefammwerlaufeS in verfchiedme Stadim, sondem auch die Bedeutung einzelner Tage für die AuSgänge der Krankheit und für die Entscheidung überhaupt. Man hat sie daher kritische Tage genannt. Die Annahme der kritischen Tage bemht auf einem gut« RechtSgnmde. Daß im Verlaufe einiger Krankheiten erfahMngsgeMäß die Entscheidung besonder- gem am 14., 21., oder 28. Tage sich ein­ findet, ist durchaus nicht wunderbarer als das regelmäßige Erscheinen der Menstruation nach genau bestimmten Umlaufözeiten. In beiden Fäll« hab« wir die Erfahmng zu rrspeetirm; in keinem vermögen

wir die Phänomene selbst zu erklären. Wmn aber der MenstruationStermin häufigen Schwankungen und vielfachen Anomalien unterwor­ fen ist, so wird begreiflich, daß die Zeitrechnung von Krankheiten, als noch viel bedingtem Zuständen, auch um so leichter wird in Un­ ordnung gebracht werden können. Daher ist nichts gewöhnlicher, als daß die erwarteten kritischen Tage auch in solchen Krankhettm ausbleiben, welche chrem Hervortreten besonders günstig find. Die körperliche Constitution der Patientm, die Zusammensetzung der statt» findenden Krankheit, Arzneigebrauch, psychische Einwirkungm, Herr» schcnde WittemngSverhältniffe und eine Mmge von andem Umstänbat vermögen hier modificirend sich geltmd zu machen. Dennoch darf man der siebentägigen, der monatlichen, der halbjährigm Pe­ riode eine gewisse Bedeutung nicht streitig machm. Selbst viele ächt chronische Krankheiten zeigen gegen das Frühjahr und gegen bat Herbst eine Reihe von Verändemngen, durch welche entweder ein tem­ porärer Rückschritt, oder entschiedme Verschlimmerung angekündigt wird. Diejenigen Krankheiten sind dem Hervortreten der kritischm Tage besonders günstig, in deren Verlaufe sprungweise sehr entscheidende Ereignisse stattfinden, welche deshalb wie plötzlich erfolgende Berändemngen sich ausnehmen, weil sie eines bestimmtm Zeitraumes be­ dürfen, um eingeleitet und überhaupt zu Stande gebracht zu werden. Wenn z. B. Veränderungen in der Beschaffenheit des Blutes herbei­ geführt worden sind, welche zum Resultate haben, daß einmal ge­ wisse Stoffe, die bisher mit dem Blute verbunden waren, ihre Affi­ nitätsbeziehungen verlieren, mithin der egestivm Secretion zugewetldet werden, während sie g^ichzeitig eine heftig reizende, überhaupt sehr differente Einwirkung auf die festen Gewebe und auf das Nerven­ system ausübcn, — so können schroffe Abschnitte im Krankheitöperlaufe gebildet werden, welche, weil sie erst nach einer gewissen Reihen­ folge von Verändemngen eintteten können, oft mehr oder weniger sicher auf bestimmte Tage vorauszusagen sind. Tie Krankheiten, in denen die Prognose gelingt, sind nicht sel­ ten dadurch ausgezeichnet daß sie recht stürmische oder solenne Krisen bilden. Die Patienten befinden sich dann mehrere Stunden, oder noch länger, in einem nicht selten offenbar lebensgefährlichen Zu­ stande, indem die der Genesung und die dem Untergänge förderlichen Bedingungen auf einer schmalen Greitzlinie sich begegnen; so daß der günstige oder ungünstige Ausgang oft von scheinbar geringfügi­ gen Umständen abzuhängen scheint.

Charakteristik der GeuestnrgSperiode.

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Anders verhält fich die Sache in denjmigm Krankheiten, in baren Verlaufe der zur Genesung führende Ausgleichungsprozeß, al» etwas Stetiges und ZusmnmmhängendeS, Tage ober Wochen in der Art stattfindet, baß keine plötzlich und grell fich entwickelndm, gegen dm biShen'gen Zustand eouttastirenden Ereignisse möglich werden können. ES fehlt in folchm Fällen an deutlich hcrvorfprmgenden Wmarkuugen innerhalb des KrankheitSverlaufrS. Aber in gleicher Proportion schwindet die Charakteristik einzelner Zeitmomentr, daher auch die Bedeutung von besondem Tagen. Wenn hn Verkaufe von Krankheiten sehr bedeutende Absonderungm auf Unkosten der ernährenden Bestandtheile deS Blutes statt­ gefunden hatten, so wie in denjenigen Fällen, wo sogenannte KrankheitSproducte auf dem Wege mttritiver Sekretion in die Gewebe von widrigen Organm (wie nicht selten die angeblichen TyphuSproducte) abgelagert worden waren, ist in der Regel, auch im Genesungsfalle, d daß viele von denen, die vom herrschenden Fieber verschont bleiben, doch Tage und selbst Wochen lang allerlei Störungen deS Befindens wahmehmen lassen. Eie klagen über Hinfälligkeit und über eine gewisse Beeinträchtigung der Funetionm, ohne daß eine deutlich ausgesprochene Krankheit stattfindet. Richt selten tragm Furcht und Bcsorgniß, von der epidemischm Krankheit befallen zu werden, zur Vermehrung und zur Steigerung dieser Erscheinungm bei. Indessen werden sie eben so wenig bet Personm vermißt, die in der größten Sorglosigkeit leben. ES fehlt auch nicht an objektiven Merkmalen einer etwas wankend gewordmm Gesundheit. Alle diese Erscheinungen ertnnem an die herrschende Krankheit und verhaltm sich wie schwache Anklänge btt# selbm. In günstigen Fällen verlieren sie sich nach einiger Zeit lang­ samer oder schneller, können aber auch wiederholt während der Dauer der nämlichm Epidemie belästigen. Man hat hier einen Zustand vor sich, welcher in vielm Abstufungm vorkommt, und oftmals, in gewiffermaßm «oncmttiüerrr Form, dem wirklichen Ausbruche der Krankheit unmittelbar voraus# gcht. Die Erscheinungen erhaltm dann dm Namm der Vorboten

ober der Prodromalsymptome. Daß sie von ben Erscheinungen ter eigentlichen Krankheit sehr verschiedm find, ist leicht einzusehen. Ihr Grund kann nur darin enthalten sein, daß entoebcr daS epidemische AgenS in ungewöhnlich großer Menge in daS Blut ausgenommen worben ist, oder daß das freie AuSströrnen desselben aus dem Blute aus Hindemtffe stößt imt> schwieriger vor sich geht. In beiden FälIert muß der Eindruck verstärkt werben, ben das im Blute befindliche schädliche Pn'nzip aus daS Nervensystem guSübt. Daher zeigt eS sich afficirter tmb greift mit geringerer Energie bei ben einzelnen Functionen ein. Sobald unter solchen Umständen irgmd ein Diät­ fehler, eine Erkältung, GemüchSbewegung, überhaupt irgmd eine eingreiftndere äußere Einwirkung zugelaffen wirb, welche, außer bet Zeit jener epidemischen Constitution, von der Energie der organisirmdm Kraft absorbirt worbm sein würde, so treten die Folgen ein denn bereit- gedacht worden ist, und die epidemische Krankheft kommt zum AuSbmche. Wir habm noch eines andem Verhältnisses zu gedenken: Um die Zeit wo epidemische Fieber, nammtlich typhöse Fieber herrschm, mtwickeln sich ost neben der Hauptkrankheit zahlreiche andere Affectionen, die eine gewisse Beziehung zu ihr habm und nicht selten in sie übergehen. Diese Affectionm verhalten sich häufig wie Fragmente ober wie einzelne EymptommgrUppm derselbm, die bisweilen beson­ ders stark ausgebildet find. Manchmal gebm sie ein vollständigeres Bild der Hauptkrankheit, aber in einer mildem, einfachem Form. So steht man oft während einer Epidemie von typhösen Fiebem Durchfälle, Brechdurchfälle, Rühren und einfachere Fieberformen, die man gewöhnlich gastrische nennt und die dmch dm galligm ober schleimigen Charakter ausgezeichnet sein können. ES scheint als ob in solchen Fällen daS epidemische AgmS in geringerer Menge im Blute sich anhäufe; vielleicht ist eS feiner Qualität nach minder different, und fällt deshalb um so leichter der egestivm Sekretion anheim. Am häufigsten wird die Absondemng der Leber und der Schleimhäute stärker angeregt. Man hat oft Gelegenheit sich zu überzmgen, daß bei fortdauemder vermehrter Ausscheidung bet Leder, ober zugleich der Darmschleimhaut, ober mehr ausschließlich ver­ schiedener Schleimhäute, die Fiebersymptome gering bleiben ober nur in schwachen Andeutungen sich verrathen. Bei mäßigem Fieber können alle Schleimhäute in einem kranken Zustande sich befinden. Nicht immer ist ihre Absondemng eine sehr reichliche. Vieles hängt Naumann allgcm. Pathol. xu Therap. I. 17

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Aeußerungen der epidearlschm Toostituttou.

hier von dem Grade der fiattfindmdm Hyperämie und Reizung ab; denn durch ihre Steigerung kam zur Ruhr md andem inten­ siven Localaffectionm der Gmnd gelegt werden. Unter Verhältnissen welche im Allgemeinm die Absondmmg von galligm Stoffen befördern, können biliöse Erscheimmgm sehr vorwaltmd werden. Gewöhnlich sieht man dieselben nachdem anhal­ tend sehr warmes Wetter stattgeftlndm hatte: Zuerst wird die Leber zu reichlichen Absondemngen bestimmt, und gewöhnlich schließen sich bald copiöse Darmsecretionen an. Plötzlich erkrankm viele Men­ schen an heftigem Durchfall, mit galligen, jedoch bald schleimig, endlich wässerig werdenden Ausleerungen, umherziehrndem Kolikschmerz, Brechneigung, wohl auch galligem Erbrechen; dazu gesellm sich lebhaster Durst, bitterer Geschmack, Kopfschmerz, Gliederreißen, mehr oder wmiger ausgebildetes Fieber. Indem dieser oder ein ähnlicher pathologischer Zustand immer mehr an Herrschaft gewinnt, so findet man nun sehr häufig, daß eS besonders drei deutlicher ausgeprägte Krankheiten sind, die allmällg Geltung erhalten und durch zmehmende Verbreitung sich auSzelchnm. Diese Krankheiten sind die JntrrmittenS, die Ruhr und der Typhus, vorzüglich in der Fom des Abdominaltyphus. Ge­ wöhnlich sind diese Krankheiten bereits seit Wochen vereinzelt neben einander ausgetreten, bis aus einmal eine von ihnen entschieden die Oberhand erhält und dm Charakter der Epidemie bestimmt. ES kommt aber auch vor, daß die genannten Krankheiten gleichzeitig daS Haupt erhebm und herrschend werden. Sie können bann mannig­ fache Verbindungen unter einander, so wie mit rheumatischm und katarrhalischen Affecttonen ringrhen, md haben nicht selten eranthematische Fieber zu Begleitem. Diese kmze Episode schim nothwendig, um eS recht augenschein­ lich zu machen, wie nahe alle diese pathologischen LebenSzustände sich berühren. Ihrer Herkunft-nach sind sie alle mit einander ver­ wandt. Dieses wird deutlicher werden, wenn eS uns gelingen sollte den Entwickelungöprozrß deS Fiebers etwas gmauer kennen zu lernen. Wir haben nachzuweisen versucht, daß daS Fieber durch eine Infektion des Blutes bedingt werde, welche durch lymphatische Resorption bewirkt worden ist. Vom Mechanismus deS Fiebers wird später Einiges gesagt werden. Hier vergegenwärtigen wir und seinen Verlauf im Allgemeinen. Wir erinnern noch, daß die lym­ phatische Resorption eine thatsächliche Bestätigung durch die Erschet-

Btschlamtgte Srwrgung de« Statt» tat girier.

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nintgen «hält, bfe man nach der Inokulation txr Mmschmtlattem beobachtet. Die Lymphdrüsm, welche die Saugadrrn au- der Um« grbung der Impfstelle auftrehmm, schwellm an und werden selbst schmerzhaft. Erst darauf entwickelt sich daS Ueber, in dessen Folge allgemeine Eruption entsteht. DaS nämliche Phänomen zeigt fich nach vorgenommener Vaccination, überhaupt nach vielen Derietzungen. Dabei findet nur der Unterschied statt, daß kn'n Fieber heworgemfen wird, wenn die dem Blute zugrführten Flüsfigkeiten nicht die dazu erforderlich« Eigenschaft« besitzen, und daß auf der an« dem Seite die Anschwellung der Lymphdrüsm vermißt wird, wenn die resorbirtrn Substanzen nicht wie Entzündung-reize fich vechaltm. Auch wird die Anschwellung der Lymphdrüsm vorzüglich in dmje« nkgm Fäll« wahrgenommm, wo dtffermte Stoffe in conemlrkrtrr Form dm Lymphgefäss« zur Auftrahme dargebot« wurden, wie eS nach der Impfung der Fast ist. Die Drüsmgeschwülstr in der Pest, die Anschwellung der Mesenterial- und Bronchkaldrüsm in dm ty­ phös« Fiebern, und die grosse Häufigkeit von Drüsenaffeetionm als Rachkrünkheitm bet Blatte«, der Masern und de- Scharlach-, be­ weis« unzweifelhaft, von welchem Gewichte und von welchem Ein­ flüsse diese fortdauernde lymphatische Resorption auf dm Verlauf und auf die Gestaltung fieberhafter Krankheltm sein muß. Von dem Verhältnisse des Frostes und der Kälteempstnbung zu dm Flebersymptomen wird unten die Rede sein. Wir verweil« zu­ nächst bei dm Erscheinung« deS au-gebtldetm FieberS: Dir Er­ höhung der Temperatur, die Beschleunigung der Cirkulation und in der Regel die Beschränkung der Secretionm, verbünd« mit hem Gefühle allgemeiner Unbehaglichkeit, gehören zu dm constantestm Erscheinungen desselben. DaS Blut wird daher, mit beschleunigter Geschwindigkeit durch die Haargefäße deS ganzm Körper- .getrieben. Die eontinuirliche Bewegung deS Blute- durch- diese Canäle ist fast ganz der pulsatorischm gewichen. Diese- Verhältniß ist an fich keiner Art von Absonderung auö dem Blute günstig. Demgemäß ist auch der Mangel oder die Spärlichkeit der Secretionm erklärt, durch welche zunächst die Fieberhitze ausgezeichnet ist. Frühzeitig kann jedoch dieser Zustand eine Amderung erfahr«; ja in allen Fällen muß nach einer gewiss« Zelt diese Aenderung eintreten. Dieselbe wird dadurch herbeigeführt, daß Congestionöheerde in verschieden« Organ« gebildet werd«. Am leichtrst« tritt-dieser Erfolg in der Haut und in dm Rlerrtt eim Aber auch 17»

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Bildung von Coogestionrhtndtn tm Fieber.

die Schleimhäute gerachm tm Verlaufe fieberhafter Krankheitm sehr häufig in einen congestivm Zustand, namentlich diejmigm welche die Luftwege und dm Darmcanal auSkleidm. Endlich find auch die Organe die bei der DereitMg und Ausbildung des Blutes eine wichtige Rolle übemehmm, daher die Leber, die Milz und die Lun­ gen, in Hyperämie zu verfallen diöponirt. Die Gmeigcheit zu diesen congestivm Zuständm wird offenbar dmch die besondere Constmction deS GefäßapparateS und -speziell der Haargefäße selbst in dm verschiedmm Organen und Geweben be­ dingt: In dm Schleimhäuten ftnb die Haargefäße verhälmißmäßig nicht sehr mge Canäle, die aber ungemein dichte, vielfach mit ein­ ander verflochtme Netze bilden. In der Lederhaut «ertheilen sich verhälmißmäßig größere Gefäße auf einmal in sehr feine Canäle, welche vieleckige Netze bilden. In der Milz finden wir eine unge­ wöhnlich weite Hauptarterie, die bei rasch erfolgender Verzweigung sehr bald in Aeste vom feinsten Durchmesser zerfällt. Ebm so findet man in dm Nieren, daß die Blutgefäße bei ihrer Vertheilung in Zweige schnell an Umfang abnehmend In der Leber und noch mehr in dm 8ungtn kommt die doppelte, in diesm beiden Organen vorhandme Kapillarität in Betracht. DaS Gehim besitzt Haargefäße von besonders engem Durchmesser. Diese Verhältnisse, so wie der fi»r die Bewegung deS Blutes und für die Art der Abfondemng gewiß einflußreiche Bau und die verschiedene Anordnung der klein­ sten Arterim imb Venen in dm verschiedmm Organm, — geben zm Anhäufung der Blutkörperchen in der Capillarität gewisser Organe, mtchin zur Kongestion in ihnm vorzugsweise die Veranlassung. Wenn auch diese Congestionm keinen bedeutmdm Grad errrichm, so fließt doch sicher in dm congestiv-afficirten Organm daS Blut langsamer durch die Haargefäße als im übrigen Körper. Da­ mit wird die Gelegenheit zu Ausscheidungm aus dem Blute in diesen Organm dargeboten, mögen dieselben auf Ersudation oder auf dm mehr bedingten Act eigmtlichrr Sekretion beruhen. Da wo überhaupt Ausscheidung stattfindet, vermögen Stoffe die dem Blute aufgebürdet wurdm, die von außen in dasselbe ge­ langt warm, sofem sie nicht dmch überwiegende chemische Affinitäten in ihm zurückgehaltm werden, am leichtesten aus ihm auSzutretm. Dieser Erfolg kann auch in unserm Falle nicht auSbleiben. Haben daher die Congestionen die reichliche Abfondemng von EgestionSflüsstgkritm zur Folge, so wird dadurch nicht allein daS Blut, son-

Beschränkung der Fiebersympteme durch Auttermugm.

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dem der ganze Körper von einem Theile der in ihm angchäustm oder in ihm gebildeten schädlichm Potenzm befreit werdm können. Die Ausleerungen werd« mithin (wenn nicht die Coneurrenz störender Bedingungm hindernd sich verhält) zwar nicht dem Zwecke, aber dem Erfolge nach, mit einem Reinigung-prozesse sich vergleichen lassen. Wem aber die Gegenwart von Schädlichkeiten im Blute tmb deren Einwirkung auf da-Blut, unb zugleich unmittelbar oder mittel» bar auf die festm Theile, vorzüglich auf die Nerven, al- die nächste Ursache der Fiebererscheimmgm, michin auch al- der wahre Grund der allgemeinm Beschleunigung de- Kreislaufes sich verhält, — so muß nothwendig mit der Vermindemng jener schädlichm Stoffe auch eine Vermindemng der Fieberursache gegeben sein. Uebereinstimmend lehrt die Erfahnmg, daß die charakterlstischm Fiebersymptome ent# weder ganz aufhören, oder doch für einige Zeit ermäßigt werdmindem allgemeine Au-scheidungm, besonder- durch Haut md Nierm, zustandekommm. Auf die scheinbarm AuSnahmm von dieser Regel werden wir später aufmerksam machen. Durch die Nieren und durch die Haut werben außer andern Stoffen vorzüglich und in größter Menge die im Serum de- Blute­ aufgelösten Salze au-geschieden. Vermöge dieser Salze wird dem Blute der überflüssige Gehalt an Wasser besonder- in dm eben ge# nannten Organen entzogen. Me Secretionm werdm durch die Eon# currmz de- Wasser- ungemein erleichtert. Demnach ist e- sehr be­ greiflich, daß in allen fieberhaften Krankheiten verhältnißmäßig mit der größten Leichtigkeit die Absonderungen der Haut unb der Nieren werdm vermehrt werdm können. Daher hat man von jeher Schweiß und Ham al- die vorzugsweise kritischen Au-leemngm in fieber­ haften Krankheiten bezeichnet. Da- Semm de- Blute- zeigt je nach dm ihm gewordenen Zuflüffm einen Wassergehalt in sehr abweichenden Proportionen. DaWasser ist al- da- allgemeinste Auflösung-mittel in der Natu; zu betrachten. AuS diesem Gmnde kann immerhin zugegebm werden, daß schädliche in'- Blut gelangte Stoffe, unverändert, verändert, oder in ihre (Stemmte zerlegt, mit dem Schweiße und mit dem Hame von Fieberkranken, unter günstigen Umständen auSgeleert und dem Körper entzogen werdm mögen; «ernt eS uns auch an Mitteln ge­ brechen sollte diese- experimentell nachzuweisen. In dm meisten fieberhaften Krankheiten, die einen gewissen Grad von Ausbildung erreicht habm und einen nicht ungewöhnlichen Grad

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Ursache der Remission und Exaeerbation.

von Jnteirsität besitzen, beobachtet man gewöhnlich in dem Zritraumt von 24 Stundm die einmalige Zu- und die einmalige Abnahme der Fiebersymptomt. Der Eintritt der letztem wird dann in der Regel durch einige, wenn auch geringe Bethätigung der Secretionm angrkündtgt» Die Periode von 24 Stunden bezeichnet dm einfachsten Cyklus in dem physiologischen Entwickelungsgänge des menschlichen Lebens. Nach dem Umlaufe dieser Periode ist mehr oder weniger daS nämliche DerhälMiß der verschiedenen Functionen zu einander wieder hetbelgefühtt wordm, daS bei ihrem Anfänge stattfand. Diese tn der Einrichtung deS Organismus und in seinen Beziehungen zur Außmwelt begründete Chronologie wird durch Krankheiten nicht unmittelbar aufgehobm; aber allerdings kann sie dmch deren Einfluß verschobm, übechaupt mannigfach verändert werdm. Vorzugsweise gilt diese- von dmjenigm Krankheiten, welche, wie die fieberhaften, unmittelbar die EmähmngSbedingungm des Organismus zu stiöpendiren vermögen. Gewöhnlich fallm die Eracrrbationen deS Fiebers auf dir Abendstundm und auf die Nacht, wogegen die Remissionen gegen Morgm sich einstellen. Der Gmnd für diese Form deS Typus dürfte gleich­ falls auf physiologische Lebensvorgänge zurückzufiihren fein: Im normalen Zustande zeigt sich in den Stunden vor und nach Mitter­ nacht konstant eine gewisse Vermindrmng der Athemzüge und der PulSfchläge. Unläugbar üben Ruhe und Schlaf einen Einfluß darauf aus. Indessen kann das Phänomen auch bei gesunden- Personm erkannt werden die um die angegebme Zeit im Zustande deS Wachens sich befinden. Indem daS Blut langsamer durch die Haar­ gefäße fließt, wird daS eigentliche SecretionSgeschäst erleichtert. Daher werden währmd des Schlafes die AbsondemngSproducte im Allgemeinen zwar nicht vermehrt, aber faturirter und concentritter. Doch gilt dieses nur von der Lungen- und Hautausdünstung und von der NierenauSfcheidung, überhaupt von denjenigen Sekretionen durch welche verbrauchte Bestandtheile deS ButeS ausgeleert werden sollen. ES findet aber keine Anwmdung auf diejmigen SecretionSprodurte, deren Absondenmg (wie z. B. deS Speichels, deS Magen­ saftes, der Galle) am stärksten einer spezifischen Auffordemng Folge leistet, und die daher mehr an die Ausübung von besondem Functionm einzelner Organe grbundm ist. Bekannt ist eS, daß der in dm Morgenstunden beim erstm Er-

wachen gesoffene Harn schon durch Farbe und Geruch seine ton* centrirteren Elgmschaftm verräth. Die Leibwäsche von gesund« Mensch« wird wahrend der Nacht schmutziger und nimmt einen, unangenehmem Geruch an al- eS währmd einer gleich« Anzahl von Tagesstunden der Fall ist. Tritt man in das verschloss« gehaltme Zimmer in welchem ein gesunder Mmsch am Tage, »der in der Nacht sich aufgehaltm hatte, so kann gar kein Zweifel darüber obwalt«, daß im zweit« Falle die Lust in größerer Menge mit animalischen ZersetzungSproductm angefüllt Word« ist. Mr bürfm demgemäß dm Schluß uns erlaub«, daß die reichlichere Ausstoßung von verbraucht« Bestandtheil« deS Blute- in der Rächt, in der Natur deS mmschlichen Organismus begründet ist. Beim Fieber sind differmte Stoffe im Blute, die sich b« im normalen Zustande au-zufcheidendm Substanz« mehr oder weniger analog verhalten, aber ein« weit grossem Conttast gegm die Be­ dingungen der normal« Zufammmfetzung des Blutes bilden. Durch die Anwefmheit dieser Stoffe wird mithin die dem OrganlSnmS eigmchümlkche Steigerung des SecrettonSbedürfniffeS gegm die Nacht hin, nicht allein in verstärktem Grade, sondem auch frühzeitiger hervorgerufen werd« müffm. Damit jedoch diese Secretionm zu Stande komm« könn«, ist die erste Bedingung, daß daS Blut conttnutrlich und nicht allzu prätipitirt dmch die Capillarität der SecretionSwerkzeuge hindurchstieße. Da indessen gegmwärtig die Cireulatkon überhaupt beschleunigt Word« ist, und da die Conttactionen de- HerzmS häufiger und kräftiger erfolg«, so wird die wirkliche Durchführung jmer Absondemngm in hohem Grade erschwert. Sie wird bei fortdauernder Beschleu­ nigung deS BlutlaufeS blos unter der Voraussetzung möglich, daß in den Haargefäßen der betteffenden SecretlonSorgane ein eongestiver Zustand gebildet werd« kann. Indem aber Hyperämie der Haut und der Rier« im Entstehenbegriffen ist, so wirkt diese locale Retardation der Blutbewegung nur alS ein neues und verstärktes Aufforderung-mittel auf da- be­ reit- lebhaft functionirmde und sehr reizbare Herz. Durch beschleu­ nigte und noch kräftigere Zusamm«ziehungm sucht eS die local« Hemmung« zu überwind«, daher die Bildung jmer Eongesttonm zu verhindern. Die Patimt« leid« unter diesen zunehmmdm An­ strengungen, bi- daß endlich, — geschehe eS auch höchst unvoll­ kommen und verspätet, — der natürliche SecretionStrieb neben der

gesteigertm Thätigkeit de- Herzen- sich zu behaupten vermag. Die Haut wird dann wohl etwa- frucht, der Urin minder sparsam auSgeleert, und die Firbersymptome zeigm einm geringen Nachlaß. Diese- ist aber nur vorübergehend, da die Bedingungen de- Fieberinzwischen neue Nahrung erhalten. Die Erscheinungen auf der Höhe der Eracerbationrn: die brennmde Hitze der Haut, der auf die Rterm deutmde dumpfe Schmerz in der Lendmgegend und da- Harn­ brennen, die größere Unruhe, Beängstigung und die zunehmendm Kopssymptome (in Folge der mdlich überhand nehmendm Lungen­ congestion),—stimmen sehr genau mit dieser Auseinandersetzung überein. Unter allen Umständen müssen ähnliche Ursachen ähnliche Fol­ gen nach sich ziehen. Ist daher überhaupt da- Blut mit Stoffen überladen welche geeignet find durch die Haut und durch die Rirrm au-geschieden zu werden, so ist eben dadurch ein gegen die genanntm Organe gerichteter Reiz gegeben, durch welchm Anhäufung deS Blutedaselbst, mithin die Bildung von Congestionen begünstigt wird. ES ist gleichgültig, zu welcher Zeit am Tage oder in der Nacht diejenige Veränderung in der Zusammensetzung deS Blute- erfolgt ist, die dm Ausbtuch deS Fiebers bestimmt. Denn ist die Neigung zur Krise mtschieden vorwaltend, so werden um so frühzeitiger jme Congesttonen sich entwickeln, durch die dann reichliche, da- Fieber selbst abschneidende oder unterbrechende Ausleerungen bewirkt werdm können. Hatte da- Fieber unter solchen Berhältnissm am Morgen begonnen, so kann eS bereit- Mittags, Nachmittags oder gegen Abend unter kritischm AuSleemngm zu Ende geführt werden. Diese Indifferenz in Beziehung auf die Tagesstunden beschränkt sich indessen haupssächlich auf die intermittirmden Fieber. Denn bei ihnen ist in der Regel die Tendmz zur Krise so entschieden vor­ waltend, daß lange vor Ablauf der Periode von 24 Stunden den Fiebersymptomen selbst rin wenn auch nur vorläufige- Ziel gesetzt wird. Ist dagegen die Neigung zur Krise gering oder gar nicht vorhanden, so wird sie sich auch nur unvollkommm zu äußem ver­ mögen, und höchsten- um die der natürlichm und normalen TageSkrise entsprechende Zeit durch schwache Andeutungen 'sich ankündigen. Im Anfänge fieberhafter Krankheiten sind vielfache Schwankungm im TypuS, oder in der Zeit deS EinttitteS der Eracerbationrn sehr gewöhnlich. Da- Fieber kann sogar zwischen der remittirendm und der intermittirmden Form längere Zeit schwanken; oder auch die deulliche Form deS WechselfieberS behält etwas Fluctuirendc-,

indem die eknzelnm ParorySmrn noch nicht gehörig auSgebildet find« Ganze Epidrmim der JntermittmS sind dadurch ausgezeichnet, daß bei den meisten Patimten das Fieber in den ersten 8 bis 12 Tagen einen durchaus unregelmäßigen Typus zeigt Md auf keine bestimmte Form zurückgeführt werden kann. Die Erkrankenden werden nicht selten mehrrmal im Verlaufe deS TageS durch Frösteln belästigt, worauf Hitze folgt. Diese Phänomme haben darin chrm Grund, daß die Fieberbedingung selbst noch keinen auSgrsprochmen Charakter angenommm hat. Die entschiedene und vorwaltmde Tendenz zur Krise, die im Verlaufe der intermiUirendrn Fieber so deutlich ist, wird ganz be­ sonders dadurch erschwert und zurückgedrängt, daß congestive Affectkonm der Schleimhäute, in ost weiter Ausdehnung, einm hohen Grad von Ausbildung erreicht haben. Dadurch Kimm die unsitt­ lichsten Colatorim, nämlich Nieren und Haut, auf ein äußerst ge­ ringes Maß von serrrnirrnder Action beschränkt werden; indem die zur Ausscheidung auS dem Blute geeigneten Stoffe eine vorwaltmde Beziehung zu Schleimhäuten unb zu dm mit ihnen verbmdmm AbsonderungSwerkzeugen besitzen. Die Absondemng ist aber hier in der Regel viel schwerer durchzufiihrm und veranlaßt leicht heftige RkizSNg, Entzündung und selbst Verschwämng der lekdmdm Schleimhaut. Es ist daher in folchm Fällen ein günstiges Zeichm, wmn, untre Abnahme der Schleimhautsymptome, die Secretionen der Nierm rind der Haut reichlicher zu werden anfangen. Heilung einer fieberhaften Krankheit erfolgt nur dann, wmn nicht allein die dem Blute aufgebürdeten differmten Stoffe völlig aus demselben rntfemt wordm sind, sondern wmn überdieß die Reproduction dieser Substanzm für die Folgezeit aufgehobm wordm ist. Letzteres ist die Hauptsache. Dieselbe vermag sich niemals durch sygmannte kritische AuSleemngm anzukündigen, sondern man wird sie zunächst daran erkmnm, daß die Fiebersymptome durch wieder­ kehrende Eßlust und durch gesunden Schlaf völlig verdrängt werden. Wir wollen jetzt versuchen den Zusammenhang der Erfcheinungm im Verlaufe fieberhafter Krancheitm deutlicher zu machm. Dazu genügt zuerst die Betrachtung eines ParorySmuS deS einfachen WechstlfieberS, indem dessen Stadien dm Gesammwerlauf fieberhafter Krankheiten in verjüngtem Maßstabe repräsmtiren. Vorher ist aber FolgmdeS zu erinnem: Zn vkelm Fällm -egkiMt der fieberhafte Zustand allerdings mit Kältegefiihl, baS bis

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Verhältniß M Froste» zu den Fiekersymptomen.

zum heftigsten Froste steigen kann. Derselbe ist zwar kein wesend» licheS Fkebersymptom, indem die Erscheinungen de- Fieber» nicht selten ohne vorau-gehenden Frost sich entwickeln. Jndeffm lassen die Bedingungen der Pyrerie am deutlichsten sich anschaulich machen, totnn man bei fieberhaften Affectionm verweilt, die mit Frost be­ ginnen. Er vertritt dann das Stadium der Impression, der darauf folgende eigmtliche Fieberanfall dasjenige der Reaction, wihrmd die Krise der Ausgleichung entspricht. 1) Zeitraum des Frostes. Man hat vorzüglich die Er­ scheinungen deS Froststadiums für den Zweck auSgcbeutet, die nächste Ursache des Fiebers auf eine abnorme Erregung des Nervensystemezurückzuführen, die gewöhnlich vom Rückenmarke aus vermittelt wer­ den soll. Daß bei dem Zustandekommen eine- so wichtigen und allgemeinen pathologischen Prozesses wie das Fieber ist, die Theil­ nahme deS Nervensysteme- eine sehr große sein müsse, ist gewiß nicht zu bezweifeln. Indem man jedoch ein besondere- Gewicht auf dm Frost legte, und vorzüglich aus dem Verhalten deS Nervensystemewährmd deS Frostes, für die angeblich in diesem Systeme enthaltme Causa proxima des Fiebers den Beweis zu führen unternahm, so ist man eigmtllch von einer nicht allgemein gültigen Voraussetzung au-gegangm. Denn der Frost ist ein Symptom, das sehr häufig ohne nachfolgende Fiebersymptome beobachtet wird, und ebm so unlüugbar kommen fieberhafte Zustände vor, in deren Verlauft Frost nicht wahrgenommen werden kann. Wir kennm mancherlei Arten von Reizung, welche heftigen Schüttelftost zur Folge haben, ohne daß man einen fieberhaften Zu­ stand anzunehmm irgmd berechtigt ist. Der Schmerz in Begleitung der'Gallenstein- oder der Harnsteinkolik wird nicht seltm von diesem Symptome begleitet. Sogar durch die Application deS Katheterund durch das Einlegen von Sonden oder Kerzen in die Harmöhre kann Frost bewirkt werden. Seruelle Aufregung, heftiger Schreck, ein kaltes Bad und viele andere Einwirkungen vrrmögm da- näm­ liche Resultat herbeizuführm. Der Frost in Begleitung der Gallensteinkolik kann sogar mit dem seltenen Pulse verbunden aufttetm. Will man kn solchen Fällm einen Schüttelftost, der bisweilen kaum eine Minute anhält und bald wieder dem normalen Wärmegrfiihle weicht, ein Fieber nmnen, so ist dagegm nicht- einzuwendm; aber dann ist auch die Bezeichnung „Fieber" nicht- werth. ES giebt jedoch auf der andem Seite fieberhafte Krankheitm

Lrrschkdmartigt Form M Airberftoster.

267

von unzweifelhaftem Gepräge, die ohne Frost, ja ohne alle- Ääfte# gefühl beginnen und verlaufen. Dieses geschieht namentlich dann, wenn ein fiebechaster Zustand unter sehr allmäligrr Zunahme seiner Bedingungm, gleichsam schleichend zur Ausbildung gelangt ist. Da­ hektische Fieber bietet oft dkesm Charakter dar. Die Frostanfälle bei stattfindender Pyämie, von denm bcreltS die Rede war, lassen sich kaum von einer andern Ursache herleitm, als von dem plötzlichen Zuflüsse differmter Stoffe zum Blute, die eine den LebenSeigenschaften des Nervensysteme- feindliche Wirksam« kett besitzen. Wenn man die auf den Fieberftost bezüglichen Erscheinungm beobachtet, so bemerkt man häufig Abnahme der Propulsivkrast deS Herzen- und schwächere, unzureichende Eontractionrn desselben noch bevor das Kältrgefichl deutlicher wird. Daher häuft das Blut in zunehmender Quantität in den großen Benrnstämmen, in dm Lungm und im Gehkme sich an, wogegm die Haargefäße der peripherischen Körp ertheile, namentlich der Haut, nur sparsam mit Blut versorgt werd«. Die Folgm davon sind Beklemmung, Bangigkeit, kleinenicht immer frequentere, aber meist kurze, btS«ellm selbst ungleiche Zusammmztehungen deS Herzens, denen der schwächere Impuls deS Herzschläge- entspricht, Kühlwerden der Haut, CovapsuS derselben, Bläffe, besonder- deS Gesichtes. Endlich entsteht der ausgebildete Frost, mit den ihn begleitmden Erscheinungen, den wir nicht weiter zu beschreiben brauchen. Der Frost, oder richtiger daS Kältegefühl, kommt in zahllosm Abstufungen vor. Häuflg wird eigentlicher Schüttelftost gar nicht ausgebildet; die Patienten beschweren sich nur über ein mehr oder Minder lästiges Gefühl von Kälte, über flüchtige Schauer oder ein kalte- Riefeln, das vom Rückm auSgeht. In andem Fällen entsteht der heftigste anhaltende Schüttelfrost. Manchmal ist daS Kältegefühl unerträglich, aber das MuSkelbeben fehlt ganz. Dazu bildet einm eigenthümlichen Gegensatz daS MuSkelschütteln ohne eigmtlicheS Kälte­ gefühl, daS man allerdings nicht im Verlaufe fieberhafter Krankheiten, aber oft gmug bei schmerzhaften Operationm und bei ähn­ lichen Gelrgmheiten beobachtet, auch in Begleitung von Neurosen häufig auftretm sieht. Dasselbe schließt selbst da» Gefühl von Hitze nicht immer auS. Endlich ist noch zu bemerken, daß man auch in fieberhaften Krankheitm biSweilm Schüttelftost und Kältegefühl bet

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Bedingungen M WeberftosteS.

normal gefärbter und gehörig turgeScirender Haut wahmimmt, indem erst nach einiger Zeit Bläffe und CollapfuS sich anschließen. Die abweichrndm Angaben über die Temperatuwerhältnisse im Stadium der Kälte finden zum Theil ihre Erklärung in der Mannig­ faltigkeit dieser Combinationen. Die Extremitäten fühlen sich beim ausgebildeten Frost kalt an, und auch die Oberfläche der Haut zeigt thermometrisch eine etwas verminderte Temperatur. Wenn man je­ doch bedenkt, daß daS warme Blut jetzt hauptsächlich im Venen­ systeme zusammengedrängt ist, so versteht eS sich von selbst, daß die Gesammtwärme deS Körpers nicht vermindert sein kann, und daß überall wo Anhäufung des BluteS stattfindet auch an der Ober­ fläche eine Steigerung der Temperatur nachweisbar sein muß. ES würde daher sehr auffallend sein, wenn daS Thermometer nicht im After, in der Mundhöhle, in der Achselgrube u. s. w. während deS Froststadiums Erhöhung der Temperatur anzeigen sollte. Wir wollen versuchen die Entstehungsweise deS Frostes, wenn auch nur in einzelnen Zügen, etwas anschaulicher zu machen: Wir müssen unS zuerst wieder vergegenwärtigen, daß durch den Körper ein Blut eireulirt, dessen Beziehungen zum Organismus, durch die binnen mehr oder minder kurzer Zeit erfolgte Aufnahme von pachologifchen Flüssigkeiten, auf eigenthümliche Weise entftemdrt worden find. Mit diesem Blute gelangt ein differentes Agens in alle Organe. Dasselbe ist im Gehirne und im Rückenmarke unmittelbar gegenwärtig, und vermag eben so unmittelbar auf die peripherischen Nerven einzuwirken. Dem ganzen Körper gegenüber zeigt dieses Agmö eine zwar nicht lähmende, aber offenbar hemmende Wirksamkeit; denn überall tritt eS der freien, autonomischen Offenbarung deS Lebens hindernd entgegen. Die Innervation der Organe wird nicht allein unmittelbar erschwert, sondem daS Gehim erfährt außerdem von allen Theilen her den Eindmck der ihnen selbst unmittelbar widerfahrenen Beeinttächtigung. Durch die schnell überhand nehmenden Unvollkommen­ heiten der Functtonen deS Herzens verfällt die Haut in den Zustand von Anämie und äußerster Schwäche. Diese Eindrücke, von dm smfibeln Hautnervm dem Rückenmarke zugeleitet, scheinen hier un­ mittelbar auf motorische Nerven reflectirt zu werden und sich wie Reize für dieselbm zu verhalten. ES entstehen schwache Muökel« zuckungm. Durch sie wird daS spastische Element dieses Stadiums gegeben. Dieser krampfhafte Zustand bekifft nicht allein daS Herz

Ararnpshaste (krschetnuugm bei» Frost.

968

und die willkürlichen Muskeln, sondem auch daö Zwerchfell, dm Magen, die Hamblase, überhaupt alle muSeulösen Organe. Stern Bläffe und CollapsuS derHMt dem Froste vorauSgehm, so ist dieses daS gewöhnliche Verhältniß. Wird aber Schüttelftost noch vor jenen Hautsymptomm beobachtet, so scheint eS fast alsei daS Rückenmark noch frühzeitiger und in höherm Grade affieirt Worten als der sympathische Nerv. Geringe» Kältegefühl entspricht überhaupt, nicht etwa einer geringen Intensität der daS Fieber be­ dingen dm Schädlichkeit, sondem lediglich dem geringem Kontraste mit dem sie vom Nervensysteme unmittelbar percipirt wird. We ge­ fährlichsten, durch ein langes Vorläuferstadium auSgezeichnetm Fieber brginnm häufig mit geringem Froste. Beim sogmanntm Etarrftoste Ist offenbar die gegm das Rückenmark gerichtete Impression eine noch bedeutendere. DaS MuSkelschütteln fehlt hier ganz und wird durch ein tetantschrS oder paralytisches Element ersetzt.— Einfache- MuSkck schütteln ohne Kältegefichl entsteht immer dann wenn trdtirtnbt@ük drücke von der erforderlichm Stärke auf daS Rückenmark reflectirt worden sind, jedoch ohne daß Anämie der Haut und Abstumpfung ihrer Nerven gleichzeitig stattfindek. Wie bedeutend der krampfhafte. Zustand der mit MuSkelfaftm versehenen Eingeweide während de- Frostes werten kann, geht daraus hervor, daß bei tntmstvem und anhaltendem Frost nicht feitet un­ erträgliches Angstgefühl und heftiges Erbrechen beobachtet wird. Damit kann der lästigste Klammschmerz im Rücken, dm Hüftm und dm Gltedmaßm verbundm sein. Bei Kindem wird biSweilm der Schüttelftost vor den Anfällm des WechselfieberS durch einm Parory-OuS von Convulstonen vettreten, waS der'Gmefi- beS Froste­ ganz gemäß ist. lange die in da- Blut eingeführten differentm Stoffe, in teten Folge Fieber entstanden ist, in ihm verharren, und nicht durch bedeutende neue Zufuhr vermehrt oder ersetzt werdm, wird kein neuer Frostanfall gebildet, wenn auch da- Fieber lange Zett ummterbrochm fortdauert. Die Erscheinungm werden hier vielfach durch die Art und durch die nicht selten stufenweise vor sich gehmde Accumulation der vollen Schädlichkeit modificirt. So wird der eigentliche Anfang der typhösen Fieber sehr häufig durch einm heftigen Frostanfall an# gekündigt; aber eben so ost hat e- bei mäßigm, aber dafür ost Wiedecholten Frostschauem sein Bewenden. ES kann aber auch vorkonvnen, daß ächt typhöse Fieber nach Att der Wechselfieber te&

ginnen, indem mehrere Tage hinter einander Anfälle non Schüttel­ ftost eintreten, den« Hitze, Schweiß und zuletzt eine kurze fieberfreie Frist Nachfolgen, bis mdlich das Fieber ununterbrochen fortdauert. Wmn dagegen ein Wechselfieber zur Subcontinua wird, indem die einzelnen ParorySmen immer mehr sich verlängem, so pflegt in dem gleichen Verhältnisse baS Froststadium seine Bedeutung zu verlieren. ES wird ein bloßes Frösteln wahrgeNommen, daS wohl schon währmd des Schweißstadiums deS vorausgegangenm Anfalles den neum PawrysmuS ankündigt. Die Sekretionen sind im Froststadkum in der Regel äußerst be­ schrankt. Die Haargefäße der Ham werden nur von schwachen, vielleicht hauptsächlich seröftn Blutströmchm durchsetzt, ihre Abson­ derung-werkzeuge find für dm Augenblick verschrumpst, die Nerven­ wirkung in Ihr ist tief gesunken. In dm Nieren schekM allerding«in Zustand von pasfiver Hyperämie stattzufindrn, der aber, bei der unvollkommenen Innervation, wmiger eigentliche Sekretion, fonbtm vielmchr bloße Ersudation gestattet. Daher der schwach gefärbte oder farblose und wässrige Harn. 2) Zeitraum der Hitze. Die Bedingungen firr dieses zweite Stadium find schon mehr oder weniger in dm Ereigniffm enthalten welche daS erste Stadium konstituiern. DaS Herz wird in zunehmmdem Grade mit Blut überladen; denn die in die Aorta gelan­ genden Blutwellm werden nicht allein kleiner, fonbtm sie werden auch durch eine progressiv abnehmende Kraft in Bewegung gesetzt. Dagegm kommen die oscillatorischm Concusfionen der Muskeln dem Rückflüsse deS BlMeS in dm Benm mechanisch zu Hülfe; fie Nagen wesentlich dazu bei die Anhäufung deS Blutes im Herzen und in den Lungen stetig zu vermehren. Indem ein großer Theil deS BlutrS im Herzen und in ftinm nächsten Ilmgebungen angehäuft wird, so erfolgt eben daselbst die Akkumulation deS Trägers der chierischm Wärme. Wir wissen nicht, ob die Bewegungen des Herzms und die dadurch verursachtm me­ chanischen Friktionen deS Blutes Einfluß auf die Hervorruftmg der anünalifchm Temperatur haben. Wir wiffm eben so wenig nach welch« physikalischen Gesetzen Respiration und Stoffwechsel, denm unläugbar der wichtigste Ancheil an der Production der Wäme ge­ bührt, dabei conmrrirm. Allerdings ist eS denkbar, daß durch die plötzlich eintretrnde Beschränkung der meisten Absonderungen während der Frostprriode zu einer wirklichm, thermometrisch meßbar« Er-

Die Fieberhitze geht von dm Brustorgarmr au-.

271

hihumg da Tempaatur Veranlassung gegebm wadm könnte; dem

die AbsonderungSproducte insgesammt, befitzm eine gmygere Dichtig» ihre Bildmg Wärme zu

feit als das Blut, scheinen bahn durch

Wmn mithin da SecretionSprozeß gehemmt wordm ist,

binden.

während em Theil derjmigm Bedingungm (z. B. die Respiration)

in Wirksamkeit bleibt, von denm die Erzeugung da thierisch« Wärwe

abhängt, so würde, bei richtiger Voraussetzung, die Tempaatur deS BluteS wirklich «höht wadm können.

Wir wadm unS hüten aus dies« Annahme irgmd eine Eon, sequenz zu ziehen.

Die Thatsache steht fest, daß, nammtlich bei

trockma Fieberhitze, eine Steigaung da Tempaatur bi- um mehrae Grade übn da- normale Mittel mit Evidenz constatirt wadm kann.

Sobald dagegm Absonderungen beginnm, so wird im Allge,

meinen ein, wmn auch nur geringes, Sknkm der Tempaatm wahr, genommm, da- fich freilich zuvörderst auf das abfondemde Organ

unb auf seine nächste Umgebung beschränkt. Die Erhöhmg der Tempaatur im Herzen und in dm ihm bn

nachbarten Organm wird vielen Krankm

Froste bemerkbar. daß baeit-

bei noch fortdauerndem

Wmn aba auch kaum bezweifelt wadm kann,

gegenwärtig

die Wärme

deS Blutes

im Steigm br«

griff« ist, fo muß doch zugegeben werden, daß in noch weit Höhen»

Grade die relative Erhöhung

muß.

da Tempaatm sich geltmd mach«

Dieselbe entspricht der jetzt stattfindmdm Differenz da Tods

paatur in den Präcordialorganm und in dm periphaischm Theil«,

unb verhalt sich im Allgemeinen der Hyperämie in jenen, da Oligo-

HLmie in diesen proportional.

Diese relative Erhöhung der Tempo-

ratur scheint besonda- da subjectivm Steigerung daWärmeempfiu* düng zum Grunde zu liegen.

Die letztere übt, je nach da Stärke

da ihr entsprechenden Paception, einen besondaS mächtigm Einfluß auf das Ravmfystem aus.

Im Gegensatze zu der von da Peripherie de- KörpaS au-, gehmdm KLlteempfindung wird demgemäß zunehmende Wärmeent-

pfindung in dm Organm da Bmsthöhle die Oberhand gewinn«. Oft Hagen die Patienten über die Empfindung von peinlich« Hitze daselbst,

und verlang« zu deren Beschwichtigung

obgleich der Frost noch fortdauert.

kalte- Waffe»,

Die Empfindung von Widme

ist da Innervation günstiger und befördat in Höhen» Grade daLeitungSvamögm da Nervm al- die Empfindung von Kälte. Durch die Einwirkung von bedeutend« Kälte

wadm die, Theile

taub

272

AllmLligr Verbreitung der Fiebcrhibe.

Md ihr EmpfindnngS- imb BewegMgSvermögm wird vermindert. Ebm so verhaltm sich die Glieder beim Fieberftoste; wenigstens ist eS unläugbar, daß die Lebenseigenschaften der Hautnerven herabge­ stimmt erscheinen. ES findet michin jetzt derjenige Zustand statt, wo von der Pe­ ripherie deS Körpers hemmmde Eindrücke daS Nnvmcmttum tteffen, währmd vom Herzm aus Eindrücke zu ihm gelangm, deren Reiz­ kraft fortwährmd im ZMchmen begriffen ist. Jme verhaltm fich wie Hindernisse, diese wie AuffordemngSmittel zur GegenwirkMg. Indem daher die vom Herzen auögehmbe Erregung immer stärker wird, so wird auch eine um so kräfttgere Sttmulatton durch die Herznerven gegen die Muskeln des Herzens auSgrübt. Demgemäß beginnm die Conttattionm deS HerzmS häufiger unb zugleich mergischer zu werden. Das Blut wird endlich mit Heftigkeit bis in die peripherifchm Haargefäße getrieben. Dadurch wird dm Bedingungen deS FieberftosteS geradezu entgegengewirkt. Derselbe weicht der Fieberhitze und den fie begleitenden Symptomen. Dieser vom Herzm ausgehende mächtige und obfiegmde Einfluß auf das Nerven­ system behauptet sich jetzt, so lange die im Blute «folgten Verän­ derungen im Wesentlichen unverändnt bleiben. Eine Wiederholung deS Frostes kann dah« um so wenig« eintrcten, je vollkommm« dn erste, hemmende Eindmck d« in daö Blut eingedrungenen Schädlich­ kett auf daS Nervensystem, durch die in der Einrichtung dn Organifatton liegenden Mittel wieder ausgeglichen worden ist. In denjenigen Fällen wo die Fiebnbedingung sehr langsam und allmälig den erforderlichen Grad von Ausbildung rneicht, und wo überdieß die Muskelkraft deS HerzmS mngtfch bleibt, oder dieses Organ überaus reizbar ist, kam die Kälte entwedn ganz schien, oder durch ein kaum bemakbareS Frösteln vertreten sein. Dn Grund ist darin mthalten, weil die nach und nach anwachsmde Schädlichkeit in feinen so grellen Kontrast zu dm LebenSeigenschasten deS Nervensysteme- tritt. Sobald die Differmz einm gewissen Grad von AuSbildMg «reicht hat, so wird durch die beginnende Anhäufung des BluteS im Herzm ein Eindmck auf das Gehim auSgrübt, welcher unmittelbare Reaction zur Folge hat; ob« das Herz wird direct, in Folge von mdlich eintretmdn Reizung dn Rnvmcmtra durch daS Blut, zu gesteigerter Thättgkeit bestimmt. Während der Dau« dieses Stadiums «hält sich im Allgemeinen die befchleMigte BewegMg des Blutes. Dasselbe wird in raschem

Verhältniß der Fitbercongrstionm zur Arife.

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Laufe durch die Haargefäße getrieben. Diese- Verhältniß ist dem Zustandekommen von Secretionen nicht günstig. Daher erhält fich auch die Hitze oder ist noch in Zunahme begriffen. Rur in dem Verhältnisse als Congestionm fich bildm, -die gut Absonderung, aber nicht zur Entzündung Gelegmheit geben, wird in der Regel mtsprechende Ermäßigung der Fiebersymptome wahrgenommen. 3) Zeitraum der Krise. Im Allgemeinen ist diese Periode dann zu erwarten, wenn in den natürlichen Absonderung-werkzeugen, vorzüglich in der Haut und in den Nieren, Congestionm von einer solchen Ausdehnung und Beschaffmheit mtstandm find, daß reichliche Absonderungen erfolgen können. Diese Absonderungen mtsprechm, aus Gründen die reit' bereits angeführt habm, einer Reinigung deS Blutes oder einer Sicherstellung seiner normalm Mischung. Wenn die vollständige Durchfiihrung dieses Actes gelingt, so werdm auch die Bedingungen deS Fiebers beseitigt. Die Beschleunigung der Circulation hört auf, alle Secretionen werden regulirt und die bisher unterbrochen gewesene Emährung findet wieder statt. In bedeutenden fieberhaftm Krankheiten verhalten fich' diese Er­ eignisse nicht so einfach, sondem fit nehmen oft einen sehr complickrten Charakter an. Häufig bilden im Verlaufe solcher Krankheiten Congestionm in der Haut und in den Nieren sich auS, in deren Folge Ausleerungen entstehen, die aber ohne kritische Bedeutung find; indem entweder die Ersudation vor der wirklichen Secretion vor­ waltend bleibt, oder indem die Congestion bis zu einem hohm, der Entzündung sich annähernden Grade gesteigert wird. Copiöser wässeriger Schweiß in dm ersten Tagen emsthaftrr Fieberkrankheiten pflegt nicht von Erleichtemng, sondern eher von Verschlimmemng der Symptome begleitet zu werden» Ein durch Blutpigment gefärb­ ter, mit Schleim, Eiweiß, Epitelialbildungm überladener Ham ist selten der kritischen Ausscheidung gemäß. Ist die intmdirte Secre­ tion in der Haut mit starker Reizung der Haut verbundm, so kmm letztere, oder eS können einzelne ihrer organischen Bestandchrile z. B. die Hautbälge, entzündet werden. Die Bildung vieler Ausschläge steht damit im Zusammenhänge. Bei ihrer Gegenwart wird die Krise oft in die Länge gezogen, oder als blos unvollkommener Versuch angedeutet, jedoch nicht selten, namentlich gegen Ende der Ausstoßung-prozesse, schnell und entscheidend zu Ende geführt. Noch verwickelter werdm die Verhältnisse, wenn bedmtmde Con­ gestionen in Schleimhäuten, im' Gehirne, in den Lungen, in der Milz Naumann allgem. Pathol. u. Therap. I. 18

274

Beschaffenheit der Krisen io Fiebmi.

entstehen. Später werdm wir noch ein Wort darüber sagen, welche Bedingungen im Verlaufe vieler fieberhafter Krankheiten solche Con­ gestionen nythwendig zu machen scheinen. Hier genüge die Bemer­ kung, daß auf diese Weise zu profusen Absondcmngen, zur raschen Entziehung der Protemverbindungm drö Blutes, zu Entzündungm, Blutungen, DestructionSprozrssen, überhaupt zur EntstehMg von lo­ calen KrankhektSheerden der Grund gelegt werden kann. Diese Um­ stände vermögen nicht allein die Ausbildung wirklicher Krisen sehr zu erschweren, sondem sie können auch zahlreiche Anomalien deS KrankhritsverlaufeS veranlassen. Die physikalische Beschaffenheit und die chemische Zusammen­ setzung der von Fiebrrpatienten auSgeleerten Stoffe ist von jeher als die Quelle wichtiger Erkenntnisse betrachtet worden. Man hat diesm Dingen großen diagnostischm Werth beigelegt, sich aber auch vielen Illusionen hingegeben. Wie viele Verschiedenheiten, wie viele oft plötzliche Schwankungen zeigt nicht häufig die Beschaffenheit deS HameS bei dem nämlichen Typhuskranken? Wie ganz verschieden­ artig gestalten stch nicht selten die Verändemngen dieser Flüssigkeit, wenn man mehrere unter sehr übereinstimmenden Verhältnissen an der nämlichen Krankheit leidende Personen mit einander vergleicht? ES greifen hier so viele BestimmungSgründe ein, daß eS gar nicht möglich ist sie alle in Rechnung zu bringen. Dabei wird oft ein Umstand überschm, die doch von der größten Bedeutung ist, daß nämlich die am meisten in die Augen fallenden Veränderungen in den auSgeleerten Stoffen weniger auf das Blut Hinweisen, sondem vielmehr krankhaften Zuständen der AbsondemngSwerkzeuge selbst zuzuschreiben sind. Am wenigsten darf man erwarten, auS den Vrrändemngen welche Ham und Schweiß etwa darbieten mögen, auf die Gegenwart verschiedenartiger acuter Krankheiten, mithin beson­ derer DySkrasien schließen zu dürfen. Die Substanzen um die rS ssch hier handelt (gleichgültig, ob sie von außen in das Blut ge­ langt, vder durch Umwandlung 'in ihm gebildet worden sind) werden auf verschiedenen Flächen, durch Erhalation, Ersudation oder Ercretion, in zersetztem Zustande auS ihm entfemt. Da nun ihre Ele­ mente von denen der Bestandtheile deS thierischen Körpers kaum wesentlich verschledm sein können, so werden die Verändemngen der Secretionsflüssigkeiten in Krankheiten, der Erfahrung gemäß, haupt­ sächlich darin bestehen, daß gewisse Elrmentarverbindungen eine abso­ lute oder relative Vermehrung oder Verminderung, seltener eine mo-

Der einfachste Typus fieberhafter Krankheiten.

275

dificirte Zusammensetzung wahmehmen lassen. AuS solchm in sehr verschiedenen Krankheiten übereinstimmenden, nach Maßgabe der Con­ stitution, der Lebensweise, arzneilicher Einwirkungm u. s. w. wiedemm vielfach schwankenden Jndicirn vermag indessm kein Mensch zm Ent­ deckung von konstanten Resultaten zu gelangen. Daß die Krisen im Verlaufe vieler durch längere Dauer aus­ gezeichneter fieberhafter Krankheiten, mit einer grwiffm Vorliebe be­ stimmte Tage vor den übrigen zu wählen scheinen, muß wohl seinm Grund in der normalen Periodicität des physiologischen Entwickelungs­ ganges des menschlichen Lebens haben. Die Chronologie der Fieber scheint besonders von der Verschiedenheit deS Verhältnisses abhängig zu sein, in welches die 24stündige zur siebmtägigen Periode gettetm ist. Sie kann jedoch in allen Fällen durch zahllose, vorher nicht zu berechnende Ereignisse im KrankheitSvrrlaufe gestört und völlig um­ geändert werden. Der Typus fieberhafter Krankheiten, oder die Abhängig­ keit ihrer Erscheinungen von bestimmten Zeiwerhältniffen, verdient eine besondere Berücksichtigung, indem die Beurcheilung und selbst die Entwickelungsgeschichte der Fieber in genauem Zusammmhange mit den Thatsachen steht, die sich auf die Zeitabschnitte ihres Verlaufebeziehen. Nur bei geringfügigen Fieberbedingungen kommt bisweilen der­ jenige Zustand vor, der an die Ephemere der Alten erinnert. Die Patienten fiebern 12, 24 Stunden (was freilich nicht buchstäblich zu nehmen ist) oder mehrere Tage (Ephemere protracta) und blei­ ben dann vom Fieber verschont. Man würde indessen eine irrige Vorstellung erhalten, wenn man mancher ältem Beschreibung unbe­ dingt Glauben schenken wollte. Nur selten wird während der kurzen Dauer derjenigen fieberhaften Affectionen, denen ältere Aerzte diesm Namen gegeben haben würden, nur die einmalige Succession von Frost, Hitze und Schweiß (oder überhaupt von Krisen) beobachtet. Häufiger sieht man, wie die hierher gehörigen leichten katarrhalischen, rheumatischen, gastrischen Fieber lehren, diese Erscheinungen (oft nur geringes Frösteln) ohne bestimmte Ordnung wiederholt eintretm, wohl auch auf Stunden alle Fiebersymptome verschwinden. Mit Recht ist die alte irreleitende Benennung au- der Pathos logie verbannt worden. Denn auf die geringen und unterbrochenen Fiebersymptome kommt meist viel weniger an, als auf die bedingenden congrstiven oder entzündlichen Affectionen. Diese erhalten sich ost 18*

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Charakter ter nachlaffcnten Fieber.

noch lange nachdem das Fieber bereits aufgehört hatte, oder fachm rS in kurzen, unregelmäßigen Ansätzen immer wieder an. Seit alter Zeit unterscheidet man den auösetzenden, nach­ lassenden und anhaltenden FiebertypuS-. Dieser Eintheilung lassen manche brauchbare Gesichtspunkte sich abgewinnen, obgleich zugegebm werden mu(r, daß sie inconsequens ist; denn der TypuS allein bestimmt nicht den Charakter fieberhafter Krankheiten, aber gleichwohl figuriren in der speziellen Pathologie neben den intermitttrmdm, — entzündliche, gastrische und Nervenfieber, oder wie sie sonst genannt werden mögen. l)Febris continua remittens. Die Kranken fiebern ununter­ brochen Wochen und selbst Monate lang. Aber dieFiebersymptome sind einer alternirenden Zu - und Abnahme unterworfen; indem heftige Eracerbationen und oft sehr ausgezeichnete Remissionen mit einander abwechseln. Jene repräsentiren daS Stadium der Hitze, diese daS Stadium der Krise; jedoch letzteres nur höchst unvollkommen und kaum annäherungsweise. Daher werden die Fiebersymptome in den Remissionen oft nur sehr wenig vermindert, während sich eine wenn auch blos schwache An­ deutung von Bethätigung der großen Secretionsapparate zeigt. Den Eracerbationrn entsprechen: Vermehrte Beschleunigung deS Pulses, trockne Hitze, empfindlicher Kopfschmerz oder große Eingenommenheit deS Kopses, allgemeine Zerschlagenheit, bedeutendes Krankheitsgefühl, Schlaflosigkeit, große Beschränkung der allgemeinen Sekretionen. Dagegen sind den Remissionen gemäß: Etwas verminderte Beschleu­ nigung deS Pulses, verbunden mit einer gewissen, oft nur äußerst geringen Abnahme der heftigen Hitzeempfindung, des Kopfleidens, deS Krankheitsgefühles; bei deutlicher Remission wird zugleich die Haut etwas feucht, der Urin wird reichlicher auSgeleert und eS zeigt sich einige Geneigtheit zum Schlaf. Da in dm' remittirendrn Pyrerim die Fieberbedingung in per­ manenter Wirksamkeit bleibt, und nur von Zeit zu Zeit eine vor­ übergehende Herabstimmung erfährt, so fallen auch die Bedingungen fiir die Wiederholung des Frostes weg, mit dem die Krankheit be­ gonnen hatte. Daher pflegt der Frostanfall mit welchem nachlassmde Fieber anfangen, wie bereits bemerkt wurde, höchstens noch vor den ersten Eracerbationrn, und auch dann meist nur in schwachen Re­ gungen zurüchzukehren. Der Grund der Remission ist darin enchalten, daß Congestionen in. dm großen Secretionöwerkzeugm in der Ausbildung begriffen sind.

Dieselben find aber viel zu wenig entwickelt, unb werben viel zu schnell durch die immer stärker vom Herzen aus wirkende Kraft beseitt'gt, um t# rühtt, aber nicht aufgehoben werden. Starke Actionm der Willkür« lichm Mu-keln werdm dann am gewiffrstm von verstärkten peristal­ tischen Dewegmgen des Schlunde-, deS MagmS und der Gedärme

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Bestimmung »e* Kramvfe» Im Kflgtmriatn.

begleitet, wenn der Impuls zu ihnen unmittelbar vom Gehime auSgegangm ist. Dieser Erfahnmg ist eS ganz conform, daß selbst noch bei rbm getödtetm Thieren, durch die stärkste Reizung der Vierhügel, deS Neinm GehimS, deS verlängrtten Markes u. f. w. mittelst di­ elektrischen SttomeS, — zugleich mit den Zuckungen der Kopf-, Rackem und anderer Muskeln, kräftige peristaltische Bewegungen des Magens bewirkt werden können. Für die Bermehmng der Kmntniffe von dm Functionm deS Nervensystems scheinen die Resultate dieser und ähnlicher Versuche eine äußerst geringe Bedeutung zu ha­ ben. Wer hat daran gezweifelt, daß die motorischmFasew der pneumogastrischm, so wie aller übrigen Strom, Beziehungen zu dem Centtalorgane der Motilität im Gehime besitzen müffm, die in der Ettuctur und in der Verbindung der einzelnen Theile deS Nerven­ system- begründet find? Ist aber durch Erperimmte, die man der Mode gehorchend anstamu, irgend eine Erweiterung dieser Kenntnisse, ist durch sie auch nur die Sicherheit gewonnm worden die Relation der Servm de- MagmS auf irgend ein besonderes Himorgan be­ grenzen und localisirm zu können? Wir werden uns zurrst mit dm Krämpfen unb «M den ver­ schiedenen Artm de- KrampfeS beschäftigen, müffm aber dam such bei den spastischen Affeetionm einzelner Organe kurz verweilen, Eine spezielle Erwägung verdienen gewisse UebergangSformeu oder die spa­ stisch-paralytischen Zustände. Zuletzt ist Einige- über dm Veit-tanz und die ihm verwandten pathologischen Bewegungen zu sagen. 1) Der Krampf (Spasmus, Convulsio). Derselbe läßt sich nicht gmerisch al- krankhaft gesteigrtte Bewegung (Hyperemesis) bezeichnen. Dmn dieser Ausdruck bezieht sich auf alle pathologisch beschleunigte oder verstärkte Bewegungen, sie mögen übrigen- wie vermittelte oder unvemrkttelte sich verhalten. Ueberdkeß wird durch eine ganze Klaffe von Krämpfm, nämlich durch den Tetanus wenn er rein ausgebildet ist, streng genommen, jede Bewegung ausgeschlossen. Unter „Krampf" verstehen wir diejmige (entweder mit Erschlaf­ fung wechselnde, oder anhaltende) Zusammenziehung der MuSkelfasern (und anderer durch ähnliche Eigmschaftm ausgezeichneter conttactiler Fasem), welche unabhängig von der Einwirkung deS EinigungSvermögmS erfolgt. Als EintgungSvermögen bezeichne ich die Befähigung deS thierischen OrganiSmu», die aufgmommmm zu BewegungSaeten determinirmdm Eindrücke also zu reguliren, daß dieselbm nicht unmittelbar, sondern erst nach erfolgter Vermittelung,

Stampf ist envmalttclk SMfekentradion.

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d. h. in einer dm Gesetzm der Einheit de- ganzm Nervensystememtsprechmdm Form, zu BestimnumgSgründm für Bewegungen zu werdm vermögen. Der Krampf offenbart sich durch unvermittelte MuScularaction, möge dieselbe Bewegung zur Folge haben (wie bei dm Zuckungen), oder dieselbe auSschließm (wie beim Starrkrampf). DaS Phänomm wird dadurch eingrleitet, daß Eindrücke aufgmommm worden find, die unmittelbar auf die reaettonäre Seite pes Nervensystemsich fortpflanzm, mühin die Erreger der Bewegung dlrect sollicitirm. Dieser Erfolg kann auf dreifache Weise herbeigeführt werdm: a) Die Eindrücke find so intmsiv, daß die Emrgte deS EknigungSvmnögenS ihum nicht gewachsm ist, soudrm sogleich überwältigt wird, b) Die in der Organisation- deS Gehimes (und. des Rückenmarkes) wurzelndm Bedingungm des genannten Vermögens find f» ungenügend, baß eS nur in geringem Grade, und starken Eindrücken gegmüber gar nicht, sich geltend zu machm im Stand« ist. c) DaS Einigungs­ vermögen verhält sich völlig indifferent; indem der Krampf (und zwar in der Form deS Starrkrampfes) durch Ereignisse bedingt wird, die ursprünglich int Gebiete der Motilität stattfindm und auf das­ selbe beschränkt bleiben. Die nächste Folge von dkesm Mißverhältnissen Verräth sich durch die Beschaffenheit btt resultlrendm BewegungSatte. Dieselben find entweder pkanlo» und mtbchrm den der Einrichtung deö Organis­ mus gemäßm Zusammenhang, find daher in Beziehung auf dessen Bedürstüffe ohne Zweck; oder sie bleibm auS, indem das Phänomen auf die Einleitung zur Bewegung, sich beschränkt. ES kommt näm­ lich blos zur Eontraction der MuSkelfafem, die, indem sie als solche sich erhält, wlckltche Bewegungen umnöglich macht. DaS Gefahrdrohende tmb Bedmklkche dieser Zustände ist jedoch wmtger in dm MuSkelsymptomm, oder in dm Aeußerungen des Kranksein- in und durch die Muskeln mthalten, sondem es hängt von der lhnm zum Grunde liegenden Affection der Nervmheerde ab. Denn «S ist gewiß immer rin Zeichen von großer Beeinträchtigung der Lebenübtdingungen, wem da» Einigungsvermögen, welches die Verbindung aller Fmcttonm vermitteln und beherrsch«« soll, außer Wirksamkeit gesetzt worden ist. Je nachdem wirkliche Bewegung«, oder bloße Zusammenziehun­ gen der Muskeln wahrgmommm werdm kämen, nimmt mm zwei Hauptformm des Krampfe- atu Da aber sehr häufig die Elemente

beider Formen in den concretm Krankheitsfällen Zusammentreffen, so pflegt man bMig folgende drei Hauptclassen von Krämpfen zu unterscheiden. a) Der Zuckkrampf, die Zuckungen (Distenlio nervorum, Convulsiones, Spasmus clonicus). Die Zusammenziehungen der MuSktlfasem erfolgen meist mit großer Stärke, gehen aber sogleich in Erschlaffung über und beginnen ebm so schnell wieder vonvaltcNd zu werden. Daher entstehen wirkliche Bewegungen, die nicht selten, momentan und innerhalb einzelner Regionen deS MuSkelapparates, willkürliche Bewegungen fimulirrn, indem gleichzeitig ganze MuSktlgruppen, nach den Gesehen motorischer Association, in Thätig­ keit versetzt werden können. Bedeutende Convulfionm sind mehr oder weniger über den gesammtm Apparat der Muskeln, namentlich über die der Willkür unterworfenen verbreitet, obwohl oft einzelne MuSkelgruppen viel heftiger von ihnen befallen sind als andere. So lange allgemeine Zuckungen anhalten, sind die Patienten schon deshalb zum Liegen genöthigt, weil sie die Herrschaft über ihre Mus­ keln nicht besitzen. Außerdem findet bei ausgebildeten allgemeinm Convulsionen vollkommene Empfindung-- und Bewußtlosigkeit patt. b) Der Starrkrampf (Rigor nervorum, Tetanus,Spasmus tonicus). Unter zunehmender Schmerzhaftigkeit in den Muskeln be­ ginne Zusammenziehung ihrer Fasem immer mehr vorwaltend zu werden. Aus diesem Grunde machen die willkürlichen Bewegungm immer größere Anstrcngungm nothwendig, verursachen heftigen Schmerz und bleiben unvollkommm. Nachdem der Starrkrampf über alle Muskeln sich verbreitet unb einen hohen Grad von Intensität erreicht hat, werden Bewegungen beinahe ganz unmöglich gemacht. Die un­ gemein contrahirten Muskeln fühlen sich jetzt sehr hart an und sind äußerst schmerzhaft. Sehr charakteristisch ist die ungetrübte Fortdauer deS Bewußtseins, die selbst beim höchsten Grade deS Tetanus sich erhält. Eben so wenige wird eine Abnahme oder Abstumpfung der Sensibilität bemerkt. Vielmehr nimmt der Schmerz in den Muskeln bei einem hohen Grade von Intensität des Krampfes außerordmtlich zu, und außerdem erreicht die Empfindlichkeit der Hautnerven eine oft seltene Höhe. c) Der Mischkrampf (Spasmus mixtus). Unstreitig wird derselbe häufiger beobachtet als die isolkrt auftretendm Formen von beinahe reinem klonischen oder tonischen Krampf. 3n dm meisten Fällen zeigt sich nur die eine oder die andere Hauptform deS Kram-

Vergleichung der klonischen und tonischen Krämpfe.

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pfeS entschieden vomaltmd, währmd in einzelnen Muskeln für die Dauer, oder in verschiedmen Muskelgruppen altemlrmd, auch zu« gleich die zweite Hauptform vertteten ist. Wir maßen uns nicht an, beftiedigende Ausschlüsse über die Be­ dingungen des Krampfes und feine verschiedenen OffenbarungSweisen darbieten z» könnm. Daher müssen wir und darauf beschränken diejenigen Umstände etwas genauer hervorzuheben, auf welche jede Erörtemng dieses schwierigen Gegenstandes besondere Rücksicht zu nehmen hat. Wir werden versuchen an diese Betrachtungen wenige Folgrrungm anzuknüpfen, die jedoch nur den Werth von Hypothesen in Anspmch nehmen können. 1) Beim ausgebildeten klonischen Krampf findet Mangel an Empfindung und an Bewußtsein statt. Beide Vermögen erhastm fich dagegen selbst bei hohen Graden von tonischem Krampf unge­ schmälert. Im ersten Talle äußert sich kein Wille; im zweiten Falle ist derselbe zwar vorhanden, verliert jedoch immer mehr die Herrschaft über die contrahirten Muökeln. AuS der Vergleichung dieser Ver­ hältnisse mit einander, ergießt sich folgendes Resultat: Während der Gegenwart von klonischen Krämpfen steht daö Gehim unter dem Einflüsse von solchm Eindrücken, die im Stande sind sein Perceptionövermögm außer Wirssamkekt zu setzen; aus diesem Grunde kann mithin von einer Functionirung deS VermittelungSorganeS zwischen Perception und Reaction nicht die Rede sein. — Während der Ge­ genwart von tonischen Krämpfen bleibt daS PerccptionSvermögrn deS GehimS in Integrität; die von den krampfhaft contrahirten Muskelfasern ausgehenden schmerzhaften Eindrücke erregm selbst die Intention zu willkürlichen Gegenwirkungen, obgleich die dazu er­ forderlichen Werkzeuge der Herrschaft eines fremden Gesetzes unter­ worfen bleiben. 2) Alle äußere Einwirkungen welche Zuckkrämpfe zu bewirken vermögen, üben einen heftigen und differenten Eindmck auf daS Gemeingefühl aus. Sinnesreize, Schmerz, Angst von großer Inten­ sität, bisweilen auch eine pathologische Beschaffenheit deS Blutes, die durch SecretionShemmungen oder durch andere Wachen bewirkt worden sein kann, überhaupt Schädlichkeiten sehr verschiedener Art, vermögen eine der Entstehung von Krämpfen günstige Verstimmung

deS GemtingefühltS zu bewirken. Indem solche Eindrücke mit so überwältigender Macht auf daS Gehirn einwirken, daß deffm vermittelnde Thätigkeit gegen dieselben

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Hypothese über die motorische» Nerve».

gar nlcht aufiommm kann, so vermögen fit ungehindert und unver« mittelt auf daS Centralorgan der Motilität (ober auf dessen räumsich von einander gettennte Repräsmtantm) fich fortzusehm, und seine den Muskeln zugewendete Thätigkeit oder Energie sowohl im Allgemeinen, alS auch in einzelnen Richtungen insbesondere anzufachm. DaS der autonomischen Bestimmung entzogme, fich selbst über­ lassene, jetzt lediglich zufällig erregte Centralorgan der Motilität ruft michin Bewegungen hervor, die jeder Leitung, jeder Anordnung durch Selbstbestimmung entbehren, und eher mit ungeordneten Erplosionen verglichen wrrdm können. 3) Die Verkettung der Erscheknungm ist eine andere, wenn die Syinptome des Starrkrampfes zur Ausbildung gelangen. Es ist sehr schwer, vielleicht unmöglich, eine richtige Vorstellung über diese Verhältnisse zu gewinnen. Deshalb sei eS unS gestattet diese Lücke einstweilen durch eine Hypothese auSzufüllen, die von der Bedeutung einer thatsächlichm Erkenntniß weit entfemt bleibt. Diese Hypothese könnte sich auf die Annahme stützen, daß die Primitivnervenfäden in den Muskeln Endschlingen bildm s-ssm, p?si denen die Prkmktivfasern der Muskeln umgeben werden. Eie könnte wahrscheinlich zu machen suchen, daß diese Schlingen ausschließlich den Motorischen Nerven angehören. Freilich wird die Bildung von Endschlingen auch der Haut und verschiedenen andem Organm vtndicirt, und dagegen bei den Muskeln vielfach in Zweifel gezogen. Indessen würde die von einigen Anatomen behauptete Theilung der für die Muskelfasern bestimmten Nervenröhren selbst, an ihren äußer­ sten Enden, so wie die von Andern verfochtene netz- oder maschenförmige Ausbreitung der Nervenendigungen in ungemein feine Fäden, keine Widerlegung unserer Hypothese in sich schließen. Wir brauchen je­ doch die nicht zu vereinigenden Angaben der Beobachter über diesen Gegenstand gar nicht weiter zu Rathe zu ziehen. Denn wenn auch die motorischen centrifugalen und emtripetalen Fasern gar keine Continuität bilden, sondrm völlig von einander getrennt «erlaufen soll­ ten, so bietet in jedem Falle die Voraussetzung bitt Existenz dieser beiden Nervmarten die einfachste Erklärung für eine große Anzahl von Phänomenen dar. Unter allm Umständen würde zuzugcbm sein, daß beiderlei Nervenfasern in den Faserbündeln (dm umfänglicheren Rrrvm) neben einander verlaufen. — Für die Sensibilität der Mus­ keln find, wie bekannt, besondere Nervenfasem bestimmt. Für unsere

-lnwmtmi- >kftr Hypothese auf >k Hewegungiacte.

SSS

Betrachtung kann eS gleichgültig sein, ob diese smstbeln Fasem an der Peripherie einfach mdkgrn, oder ob sie zu rücklaufenden Fasem stch umbiegem 4) Unter der angeführten Voraussetzung, daß jeder motorische Rervmfadm dmch zwei, von einander verschiedene, nämlich durch eine zu- und eine rückläufige Faser,' mit dem Centtum der Motilität auf der einen, mit dm zu bewrgmdm Werkzeugm oder den Mus­ keln auf der andem Seite in Verbindung stehe, ergiebt fich folgende Anficht von dem Zusammenwirkm der Funetkonm in unb bei den BewegungSactem a) Der Impuls zur Bewegung wird durch die dm Muskeln zulaufrnden oder orntrifugalen motorischm Fasern vermittelt; indem die MuSkelfasem durch die in Wirksamkeit gesetzte Thätigkeit dieser natürlichen Erreger zu Eontractlonm bestimmt werden. b) Sobald dieser Impuls, oder die ihm entsprechende Verän­ derung in der Beschaffenheit der motorischm Rervm, auf derm rück­ läufige oder centripetale Fasem übergeht und zum Centmm der Mo­ tilität zurückgeleitet wird, so hätt auch die Erregung der MuSkelfasem wieder auf. Daher kommt der Muskel zur Ruhe, und die stattgefundme Contractlon seiner Fasem weicht dein gewöhnlichm Zustande. c) Der Mechanismus der Bewrgungm beruht theils auf der Coordinativn, theils auf dem Wechsel dieser Zustände in verschiedenen Muskeln und MuSkelgruppm. Demgemäß kann auch die Coytraction der MuSkelfasem in dem nämlkchm Verhältnisse dauemd werden, in welchem dmch fortwährende Determination vom Cmtmm der Motilität aus, jmer erregende Impuls in den cmtrlfugalm Bahnm der motorischen Rervm aufrecht erhalten wird. d) Wenn mithin Umstände einttetm sollten, durch welche der zur Zusammenziehung der MuSkelfasem bestimmende Impuls eine beharrliche Wirksamkeit anzunrhmrn vermöchte, ohne durch motorische centripetale Rervenfädm abgeleitet zu werden, so würde eben dadurch die entsprechmde Fortdauer der MnScularcontraetion gegebm sein. Wenn im Gegentheile die Muskeln von ihren natürlichm Erregern, dm motorischm emkkfugqlm Nervenfäden, ganz abgeschnktten wordm find, so zeigm sie stch ihres ConkaetkonSvermögenS beraubt und find bald völlig gelähmt. 5) Die Erschetmmgm welche wir an eben getödteten Thierm nach der Reizung motorischer, mit dem Rückenmarke verbundener

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Hypothetisch« Erklärung der Krämpfe.

Nervenbahnen durch mechanische, chemische, elektrische u. s. w. Ein« Wirkungen wahrzunehmen Gelegenheit haben, berechtigen uuS zu der Folgemng, daß die durch diese Reize in den motorischen centrifuga« len Fasern bewirkte Umstimmung auf die motorischen emtripetalm Fasrm sogleich übergehen müsse. Denn wir haben heftige Zusammenzirhungett der betreffenden Muskeln vor uns, die aber in' kurzen Jntervallen immer wieder durch deren Erschlaffung unterbrochm werden. Wenn wir dagegen die Phänomene beachten, die durch die Ein­ wirkung des galvanischen RotationSapparateS auf haS nervöse Cen­ trum der Motilität und auf die Muskeln hervorgerufm werden, so srhm wir (z. B. bei Fröschen welche dem Erperimente unterworfen wurden) die Symptome deS Starrkrampfes in einem folchm Grade vorwaltend werden, daß sogar daS Hcrz starr und unbeweglich bleibt, Bei diesem Versuche folgen die Reizungsmomente so rasch auf ein­ ander, daß die Intervalle der Zeit nach als verschwindend angesehen und gar nicht in Betracht gezogen werden können. Daher bleibt der erregende JnwulS in den motorischen centrifugalen Nerven so entschieden vorwaltend, daß die Muskeln in dem Zustande von Contractiop verharren. Sv lange dieses Verhältniß sortdauert, kann mit­ hin (um mich bildlich auszudrücken) von einer Entladung durch Bk motorischen centripetalen Nerven gar nicht die Rede, sein. Daß Krankheitsbedingungen, sowohl reizender als hemmender Art, zu den nämlichen Resultaten führen können, ist noch zu be­ weisen. 6) Zunächst ist eS wünschenSwerth, anschaulich zu machen,, wie der Starrkrampf alS Krankheitserscheinung möglicherweise entstehen, kann. Wir richten dabei unsern Blick auf zwei Hauptverhältnifse; indem der übrigen, mehr untergeordneten später gedacht werden wird, a) Bei vielen Krankheiten deö Rückenmarkes, besonders bei denen die mit heftiger Reizung austreten, gelangen die Erscheinungen deS Starrkrampfes zur Ausbildung. Diese Reizung braucht nicht noth­ wendig mit einem entzündlichen, oder mit einem congestiven Zu­ stande verbunden zu sein. Indessen wird sie oft von einer solchen AffecU'on des Rückenmarkes oder seiner Umhüllungen begleitet, die nicht selten wohl auch erst secundär entstanden sein mag. Der in diesen Fällen häufig vorkommende Starrkrampf läßt vielleicht folgende Deutung zu: DaS Rückenmark, oder das verlän­ gerte Mark, insofern eS Centralorgan der Motilität ist, oder zu dem­ selben in der innigsten Beziehung steht, wird von der in ihm haf-

Anwendung dieser Hypothese ans Itn Tetanus.

661

tenben Reizung ausschliesslich beherrscht unb bestimmt. ES wird mit­ hin der Bestimmbarkeit durch die organischen Einwirkungm drS rigmm Körper- immer mehr entzogen, verliert daher auch die Rectptivität für diejenigen Eindrücke, welche durch die motorischen centripetalen Rrrvmfasem zu ihm gelangen. Aber eS vermag, der in ihm waltendm pathologischm Stimmung gemäß, auf die von ihm unmittelbar influenzirten motorischen centrifugalm Nervenfasern einzuwtrken, die eigene Affectton auf dieselben fottzusrtzen, und sie dem­ gemäss heftig und ununterbrochen zu. reizen. Die Muskeln werden daher einer entsprechenden Erregung auSgesrtzt und zu intmfivm Md anhaltenden Conttactionen bestimmt. b) Sehr wahrscheinlich ist eS mir, daß der Wundstarrkrampf nur auf anderm Wege, zu dem nämlichen Resultate führt. Bekannt lich entsteht derselbe nicht selten nach gewissen Verletzungen fleischig­ sehniger Theile, namentlich der Erttcmitäten. Vorzüglich scheint die Zerrung, Quetschung Md theklwekse Zerreissung nervenreicher Gebilde der Entstehung deS Uebels günstig zu fein. Selbst gerissene Haut­ wunden sind nicht ohne allen Einfluß. Stellen wir MS nun vor, daß in Folge der stattgestmdmen Verletzung einzelme motorische centrifugale Fasem heftig gereizt wor­ den seien, so ist dige Ueberraschung unmittelbar zu tödtm; wobei indessen zuzugebm ist, daß die also Sterbmden in vielen Fällen mit einer, wie man sich auSdrückt, schwächlich-nervösen Constitution versehen warm, oder daß andere Organe ihres Körpers schon lange in einem krankhaf­ ten Zustande sich befunden hatten. Wohl seltm ist der Tod in den ParorySmm heftiges Krämpfe dieser „ nervösen Apoplerie" zu vindieirm. Eher dürften die plötzlichen Todesfälle, durch welche zu­ weilen ReeonvaleScentm nach schweren Krankheiten weggerafft werden, theilweisr hierher zu zählen sein. In vielen Fällm tödtet die nervöse Apoplerie nicht blitzähnlich, sondem erst nach einer Pen'ode deS Sterbens, die von wenigm Mi­ nuten bis zu einigen Stunden währen kann. Die Patienten werden jedoch meist sogleich des Empfindung»-, deS SinneSvermögen» und deS Bewußtsein» beraubt. Gewöhnlich find die Glieder erschlafft; doch kommen auch anfangs vereinzelte oder mehr verbreitete Zuckun­ gen vor. Die Respiration erinnert häufig mehr an Apoplerie als an Commotion; sie ist ost sehr ungleich, selten und röchelnd. Der kleine, zuletzt beschleunigte, unregelmäßige Puls wird bald unsichtbar. In kurzer Zeit vrrlierm stch Turgor und Wärme der Haut; das blaffe Gesicht ist leichenartig entstellt; Erschlaffung, seltener einige Zeit fortdauemde krampfhafte Zusammenziehung der Schließmuskeln. — Die Untersuchung der Leichen zeigt in einzelnen Fällen nicht sowohl Hyperämie, sondern Anämie deS GehimeS, und dabei weder Ertravasat, noch irgend erhebliches Ersudat in der Schädelhöhle. Wenn die Paralyse deS GehimeS zwar im Anzuge gewesen war, aber nicht ihre Ausbildung erreicht hatte, so können dir Pa­ tienten mit dem Lebm davon kommm; wenn auch völlige und einige Zeil anhaltende Bewußtlosigkeit entstanden war. Sie befinden sich

Zähmung tcs ^tMtiugrsühlts.

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dann bisweilen in einem Zustande, der aus dm Bedingungen der Synkope, des Corna und der KatalepfiS zusammengesetzt zu sein scheint. Letzteres ist besonders dann wahrzunehmm, wenn der An­ fall durch Entsetzen, oder durch daS Zusammentreffen von Furcht und Schreck erfolgt war. — Man hat behauptet, dass Hemiplegie nach der nervösen Apopleric zurückblribm könne. Mir ist eS nicht wahrscheinlich. Da aber nach tiefer Ohnmacht und nach -dm ver» schiedmm gönnen deS Scheintodes sehr häufig pasfive Hyperämie des Gehirne- fich auSbildrt, so wird dieselbe in unserm Falle (wie die Erfahrung bezeugt) nicht immer auSbleibm. Unter dm stattfiudmdm Umständen wird jedoch diese Hyperämie leicht zm Blutung oder zur Ersudation die Gelegenheit gebm können» Die Lähmung deS Gefühles leiblicher Zustände (Pa­ ralysis coeoaeslheseos). Gewiß übt der sympathische Nerv einm großen Einfluß auf daS Gemrlngrfühl aus. Aber unläugbar wur­ zelt dasselbe überall, mittelst der Nerven überhaupt, in den Gcwebm deS Organismus, und ebm so unläugbar ist eS, dass nur im Gehirne,— nicht etwa sein Mittelpunkt besteht, — sondetn dass eS nur in dem Gehime und durch das Gehim eristirt. Lähmung deS GemetngrfühleS kann daher nichts Anderes sein, als die Lähmung deS dem Gehime zukommenden Vermögens, die LebmSzustände der einzelnen Organe auf fich zu beziehen und ihrer inne zu werdm. Daher hat man streng genommen die Paralyse einer allerdings sehr wichtigen Himfunetion vor sich, welche sehr bald allgemeine Para­ lyse zur Folge haben muß. Für diese- Verhältniß spricht die Erweitemng der Pupillen, die in so bedenklichen Affeetioneit häufig beobachtet wird. Mir daS Verständniß ist der Gegenstand nicht ohne Schwierigkeitm: Nach unserer Kenntniß von dm Motoren der Bewegungm der Iris, müßten zwei von einander ganz verschiedme Zustände, oder völlig abweichende Formen dieser Lähmung unterschieden werden könnm. Die Thatsachen stimmen indessen mit den Voraussetzungen nicht völlig überein, und eS fehlt nicht an unaufgeklärten Widersprüchen. Folgende Altemative scheint dm bekannten physiologischen Re­ sultaten angemessen zu sein: 1) DaS Gehirn ist unempfänglich gewordm diejeuigm Eindrücke zu pereipirm, aus deren Gesammtheit daS Gerneingefühl hervorgeht. DaS PerceptkonSverinögm für diese Eindrücke ist gelähmt. ES findet FunetionShemmung gewisser Himtheile statt, an welcher auch die Oculomolorii Antheil nehmen müssen. 50*

788

Zentrale unt pcriphcrische Zähmung dtö ^cmeingcfühltS.

Daher Erweiterung bar Pupille«. 2) Die Nerven gaviffer Einge­

weide, namentlich der Bauchringeweide, sind entweder gelähmt, oder befinden sich vorübergehend in dem Zustande von gänzlicher FunrtionShcmmung.

Man sieht, daß in diesem Falle besonders Zweige

der sympathischen Rervm betroffen worden find.

müßte Verengung der Pupillen sein.

Die Folge davon

DaS Gehim würde mithin

von dm gelähmten Organen keine Eindrücke empsangm, und in Be­

ziehung auf diese Theile drS GemeingcsühleS verlustig sein. Aber häufig wird in Fällen welche der zweiten Kategorie anzu-

gchörm scheinen, Erweitemng der Pupillen beobachtet.

Um diese

Schwierigkeit zu erklären, bliebe nicht der SluSrveg übrig, etrva an­

zunehmen, daß die Cerebralmdigungen oder die in die Schädelhöhle aufsttigenden Endigungen sympathischer Nrrveufasenr, von der Läh­

mung noch verschont geblieben seien.

Denn bei dieser Voraussetzung würdm (nach der Analogie der Anaesthesin dolorosa) die Zustände der gelähmten Organe möglicherweise noch percipirt werdm können;

wenn man auch zugrben wollte, daß unter solchen Umständen ein

vonvaltender Einfluß der Oculomolorii nicht annehmbar erscheine. Oder behalten die noch nicht paralyfirtrn cerebralen Endigungen der sympathischen Nervenfasern auS dem Grunde- das Ucbergewicht, weil sie durch die Lähmung ihrer peripherischen Endigungen (oder durch

die, dem Brande oder der Destruction der Organe zu denen sie sich verbreiten, entsprechenden materiellen Veränderungen in ihnen), in einen gereizten Zustand versetzt worben sind?

IN nicht seltenen Fällm nehmen die Symptome der Paralyse

ziemlich gleichförmig zu. Die cerebralen und die sympathischen Fa­ sern der Ciliarnerven verlieren dann in ziemlich gleichen Proportionen a>l LebenStnergie.

Dadurch dürfte rin schwaches Licht auf diejenigen

Erfahrungen geworfen werden,

welche bei sehr bedeutenden Sym­

ptomen blos geringe Veränderungen der Pupillen angeben.

So lange Bewußtsein besteht, ist die Paralyse des Gemeingefühles nicht ganz vollständig ausgebildet,oder wenigstens nichtallgemein. auf bisher stattgefundene Verstimmungen des GemeingefühleS, die, mit dem Eintritte der Lähmung, mehr oder Sie bezieht sich zunächst

minder schnell zum Schweigen gebracht werden.

mung überhand nimmt, und

Bewußtlosigkeit

Indem diese Läh­

so geht daS PerceptionSvermögen unter,

wird

vorherrschend.

Völlige

Lähmung

der

Eoenästhefis ist dem Sterben gleich; indem mit ihr die Grundbedin­

gungen deS EinignngSvermögenS verschwinden.

- Diese Bemerkungen finden ihre Anwendung auf die Paralysen deS Herzens und der Lungen, die so ost als Todesursachen namhaft gemacht werden, obgleich die Ansichten über ihren Begriff nicht recht übereinstimmend zu sein scheinen. Lungrnlähnmng ist nicht identisch mit dem Calarrhus suffocativus, der gegen daS tödtliche Ende so vieler Lungenaffeetionen beobachtet wird, und allerdings wie ein häufiger Begleiter der Pa­ ralysis pulmonum sich verhält. Noch weniger entspricht dieser letztem daS TodeSröcheln bei so vielen Sterbenden. Denn wenn gleichzeitig Bewußtlosigkeit stattflndet und außerdem andere Lähmungs­ symptome vorhanden find, so nehmen unstreitig die Erscheinungen der um sich greifenden Hirnlähmung den Vordergrund ein, Die Lungen erhalten verhültnißnmßig wenige sympathische Nrrvenfasem. Ihre LebeuSzustände werben speziell von den pneumogastrischen Nerven regulirt. Außerdem übt ein großer Theil des RervensystemeS, mittelst deS Mechanismus der'Respiratkonöbewegungen die Contröle über diese Organe auS. Der Ausdruck „Lungenlähmung" wird deshalb immer zu Controversen Veranlassung geben sönnen; vorzüglich wenn eine reine, d. h. ohne wahrnehmbare materielle Verändemngen in den Lungen vorkonnnende Affectlon dieser Art be­ hauptet wird. Noch am Ersten würde derjenige Zustand diesen Na­ men verdienen, welcher, bei noch ungetrübtem Bewußtsein, durch kurze, durchaus ungenügende Respiration charakterisirt wird, ohne daß die Patienten den Lustmangel empfinden. Zu diesen Sympto­ men gesellt sich bisweilen so große Unempfindlichkeit deS Kehlkopfes und der Luftröhre, daß keine Reizung dieser Theile mehr Husten chervormst. AuS diesem Grunde ist eS schlimm, wenn bei Lungen­ kranken der Husten auSbleibt, nachdem sie von einer Assertion deS Gehirnes befallen worden sind. — Offenbar weist auch diese Ano­ malie auf eine Lähmung der den Lungen zugewendeten Richtung deS PerceptionSvermögenS hin. Damit ist freilich oft Paralyse derjenigen Spinalnerven verbunden, die sich in die respiratorischen Muskeln deS Rumpfes verbreiten. Nach diesen Erörterungen scheint mir eine paralytische Form deS Asthma, welche neuerdings behauptet worden ist, höchst Zweifelhaft zu sein. Man hat nämlich angenommm, daß durch heftige Gemüthsbewegungen plötzlich Emphysem der Lungen, wohl auch Erweitemng der Bronchien bewirkt werden könne. Durch Laufen bis zur Athemlosigkeit vermag kein Mensch mit gesunden Lungen urplötz-

lief) ein Emphysem sich zuzuziehen. Aber wohl werden Individuen mit emphysematischen Lungen durch erschütternde Affeete der Gefahr von ErstlckungSanfällen ausgesetzt, die leicht tödtlich werben können. Zur Erläuterung des eben Gesagten werfen wir noch einen Blick auf die sehr abweichmden Erscheinungen, welche in denjenigen Fällm wahrgmommen werden, wenn der N. vagus einer Seite an­ haltendem Drucke auSgesetzt ist. Denn betrifft eine starke Kompres­ sion beide Vagi, so würde, bei der dann gegönnten kurzen Lebensfrist, vielmehr das Gegentheil, nämlich Verminderung deü AthmungSbedürfnisseS wahrgenommm werden. Rach der Durchschneidung beider Rervm erfolgen wenigstens die Athemzüge seltener, und Reizung der Lungmfchlelmhaut bewirkt feinen Husten. Die gefährliche, fast immer zum Tode führmde Affection wird vor­ züglich bei Kindern beobachtet. Der Vagus wird durch skrofulöse Lymphund Dronchialdrüsen, welche keineSwegeS große Geschwülste zu bildm brauchm, mehr oder weniger gedrückt, so daß er atrophisch werden kann. Bisweilen ist der New von entarteten Drüsen ganz um­ schlossen und mit ihnen gewissermaßen verschmolzm. Die Erschei­ nungen find geringer, oder werdm ganz vermißt, wenn der New oberhalb der Geschwülste verläuft (d. h. über dieselben hinweggeht). Aehnliche Symptome können entstehen, wenn der Vagus innerhalb der Schädelhöhle gedrückt wird. Doch find dann gewöhnlich auch in den Bahnen anderer Hirnnewen Funktionshemmungen wahrzunehmm. Je jünger die Kinder sind, desto größer ist die Gefahr. An­ fangs ist da- Befinden erträglich, so lange vollkommene Ruhe statt­ findet; vorzüglich wenn der Vagus einer Seite ganz mrgestört zu fungiren vermag. Aber jede Bewegung des Körpers, jede Anstren­ gung, namentlich Schreien, Husten, Weinen, aber auch Gemüthöbewegungm (die allerdings diesen verstärkten JnfpirationSakten gün­ stig sind) können Erstickungsanfälle veranlassen. Die Symptome eeinnem bald mehr an Glottiskrampf, bald an Stickhusten, je nach­ dem der Recurrens oder Lungenäste des Vagus romprimirt sind. Der Tod tritt meist in einem solchen Anfalle ein. — Bei Erwach­ senen geben bisweilen Geschwülste und Aneurysmen der Hals- und Brustarterlen zu ähnlichen Symptomencomplerm Gelegenheit. Auf das Herz übt der Sympalhicus einen viel großem Einfluß aus als auf bie Lungen. AuS feinen Eewiealganglien erhält dieses Organ viele Fasem, das aber außerdem vom Vagus und vom Glossopharyngeus mit Fasem versorgt wird. In Fällen, welche schnell

Lähamagssymptomt bei Lcitkn von Cinjttvrittn.

791

überhand nehmende Lähmung der Sympathie! und ihrer Bauchgan­ glien wahrscheinlich machen, findet man die Menschm häufig ohne deutlichen Herzschlag, pulSloS, mit eiskalten Gliedem, dabei nicht seltm bei ziemlich ungetrübtem Bewusstsein. Der übrige Ausdruck de- ErkrankmS kann verschieden sein: Manche leidm viel und wer­ den von Todesangst gequält; bei Andem ist davon nichts wahrzu­ nehmen, sondern entweder find Abstumpfung und Gleichgültigkeit vorwaltmd, oder die Patienten sprechen, im Gegensatze zu kaum überstandmm grossen Leidm, ihre Befriedigung auS, und gebm, der tödtlichen Erschöpfung zum Trotze, der Hoffnung sich hin. Rach erfolgter Perforativ» der Gedärme und besonders des MagmS durch Geschwüre, schalten fich die von der Beeinträchtigung deS GemeingrfühlrS zeugenden Qualen häufig bis zum Tode. Daher kann in folchm Fällen wirkliche Lähmung deS sympathischen Rnven nicht angmommen werden, wmn auch die Patienten kalt und pulSlo» gefunden werden. Anders verhält sich das Ergebniß nach dem Einkitte von Brand des DarmcanalrS, namentlich wenn er unter amten Symptomm entstanden war und über große Strrckm sich verbreitet hatk. Die dem Tode Verfallenen überraschen hier am öftersten durch jene tonlose und starre Heiterkeit, die mit dem vorauSgegangenm Sturme so sehr eonttastirt. Rach schweren Verletzungen von Dmst- oder Bauchorganrn ist das Angstgefühl gewöhnlich sehr groß, dagegen nach dem Abreissen eines ganzen Gliedes durch Kanonenkugeln, Walzmaschinen u. dgl. ost verhältnißmässig gering. Zur Erklärung dieser Verschiedenheit kann der Umstand beittagen, daß im zweiten Falle die durchrissenen Nerven ihres LeitungSvermögmS völlig beraubt worden sind, daß mithin die Impression unmittelbar wie eine paralysirmde sich ver­ hält. Wird ein solcher lähmmder Eindruck in voller Stärke bis auf das Gehim fortgesetzt, so kann fast augenblicklich der Tod ein­ treten. Auf diese Weise setzt bisweilen eine heftige Contusion der Magmgkgmd dem Leben schnell ein Ende. Die Perforation deS MagmS oder deS DarmcanalrS hat Er­ guß in die Bauchhöhle zur Folge. Durch die Gegenwart dieser Stoffe wird plötzliche, schnell über den Sympalhicus sich verbrei­ tende FunctionShemmung, aber noch nicht dessen Lähmung bewirkt. Daher wird die FunctionShemmung als tiefe Beeinträchtigung deS GemtingefühltS percipirt. Dagegen wird beim ausgebildeten Darm­ brande der Sympalhicus sehr bald gänzlich gelähmt. AuS diesem

792

Paralytische Indolenz in der Cholera.

Grunde stirbt daS Gemeingrfühl in dieser Richtung ab, und vermag sich nicht mehr tiuib zu geben. Mit der Lähmung dcS sympathischen NrrvenapparateS ist die­

jenige Form der Darmlähmung nicht zu verwechseln, von der zunächst die Muskelfasern der Gedärme betroffen werden.

Wir haben bereits

dieses „ MeteoriSmuö" gedacht.

Die peristaltische Bewegung hört auf, indem die MuSkelfasem paralysirt sind, und da kein Widerstand

mehr stattfindet, so wird der Darmcanal, bei der gleichzeitig bedeu­ tend zunehmenden Zersetzung seines Inhaltes, vorzüglich durch gas­ förmige Stoffe außerordentlich ausgedehnt.

Verwandter Art ist die bald tödtlich werdende Magenlähmung, welcher Reugeborne und Kinder in den ersten LebenSmonaten, nach der Ueberfüllung des Magens mit schwer verdaulichem Alimente,

bisweilen unterliegen.

Bei bleichem, verfallenen Gesichte, daS den

Ausdruck dtt Angst hat, athmen solche Kinder sehr hastig und kurz; sie husten nicht, und lassen nur ein schwaches Wimmern vemehmen;

dem äußerst schwachen Herzschläge entspricht die Kälte der Haut; der Bauch ist aufgetrieben, scheint aber wenig schmerzhaft zu sein;

bisweilen schwache Zuckungen unb fruchtlose Anstrengungen zum Er­ brechen. Rach einigen Stunden erfolgt der Tod. Die Sektion zeigt einen hohen Grad von Ausdehnung des übrigens wenig veränderten Magens durch Alimente, Flüssigkeit und Luft.

Beim Darmbrande und

bei allen Assertionen, welche binnen

kurzer Zeit allgemeinen paralytischen CollapsuS zu bewirken vermögen, nimmt die Haut eine eigenthümliche Beschaffenheit an, die in dem sogenannten asphyktischen Stadium der asiatischen Cholera am auSgebildetsten erscheint.

Die Haut fühlt sich nämlich eiskalt, matsch

und teigig an, ist livid oder bläulich gefärbt, hat ihre TurgcScenz und ihren Tonus verloren, und bleibt, zu einer Falte erhoben (vor­

züglich am Halse und am Untcrleibe), einige Zeit in der gegebenen Form stehen, indem die Falte nur allmälig verstrichen wird.

Eine nicht minder interessante Uebereinstimmung ist in vielen dieser Krankheiten wahrnehmbar, wenn man ihre Rückwirkung auf die Seelenvermögen der Vergleichung unterwirft: In den schliinmsten

Formen der asiatischen Cholera zeigt sich jene gefährliche Indolenz, welche an die Adiaphorie erinnert, deren in dem Capitel von den

Psychopathien

Erwähnung geschehen ist.

Diese Indolenz entsteht

gewöhnlich erst dann, nachdem ein gerade entgegengesetzter Zustand

vorauSgkgangen war, der den raschen Uebergang in daS aSphyktische

Abstufungen tiefer Zndolenz.

793

Stadimn angckündigt hatte. In dieser Periode sind die Patienten sehr aufgeregt, haben das Vorgefühl des TodeS nnd blkckm ihm mit Angst und Verzweiflung entgegen. Sie werfen dm Oberkörper un­ ruhig umher, richten sich wiederholt in die Höhe, und lmd mit ihrm Armen in steter, unruhiger Bewegung begriffen. Bei der endlich wirklich beginnenden Lähmung der sympathischen Nerven weicht der so eben beschriebene Zustand, nicht etwa der Ruhe, sondern einer, man möchte sagen eisigen Jmpassibilität der Seelenvennögen, die Indessen weder mit Goma, noch mit Katalepsie ver­ glichen weiden darf. Die Seele beginnt von der Wurzel der orga­ nischen Bedingungen ihre- AeußerungSvermögenS bereits ifolirt zu werden. DaS Gemeingefühl ist abgestorben. Dadurch ist eine Kluft entstanden, welche eine nur noch geringe Theilnahme an den In­ teressen drS leiblichen Lebcnö gestattet und möglich macht. — Mit der Lähmung des GemringefühleS ist die Lähmung des reflektorischen BewegungSverMögcnS verbunden; da ja diese beiden LebenSäUßenmgen ihren Bedingungen nach innigst mit einander verbunden sind. Die Apparate sind noch nicht gelähmt, denn sie gehorchen noch dem Willen. Bisweilen wird diese merkwürdige Apathie im Verlaufe der asiatischen Cholera blos als. ein sehr kurzes Stadium, unmittelbar vor ton Tode beobachtet. Manchmal ist sie nur wenig ausgebildet vorhanden. In äußerst perniciösen Fällen kann die Indolenz aber auch frühzeitig eintreten. Bei Kindem wird sie selten vermißt. Die Kranken, welche den Anblick von lebenden Leichm darbieten, laffm keine Klage mehr laut werden und betrachten ihren Zustand mit starrem Gleichmuchc. Wenige Augenblicke vor dem Tode vemiögm sie noch zusammengesetzte Bewegungen vorzunrhmen und Fragen zu beantworten. Von den Zugängen zum Leben sind sie bereits abgeschnitten,- und binnen kurzer Zeit gehm sie rettungslos dem Tode entgegen. Diese merkwürdige Symptomengrnppe ist bereits bei dem ersten Auftreten der Seuche in Ostindien von englischen Aerzten beschrieben worden. Man hatte bemerkt, daß bei vielen Patienten vor dem Tode eine Periode der Ruhe eintrat, wo die dringenden Symptome nachließen und die Klagen zu verstummen begannen. DaS Bevöußtsein der Patienten war klar, obgleich man ihnen deutlich ansah, daß eS ihnen schwer fiel aus dem „ Jnsichvcrsunkensrin" sich herauSzureißcn. Einige Aerzte brachten den Zustand mit der Taubheit in

Verbindung, die in jenen frühern Epidemien nicht selten vorkam. Richtiger möchte eS sein, die Lähmung deS Sympalhicus von der eigmthümlichm Beschaffenheit deS Blute» herzuleitm. Dieser An­ sicht würde e» nicht an empirischm Beweismitteln fehlen; vorzüglich wenn e» sich bestätigen sollte, daß da» Blut von Cholerakranken, außer dem Harnstoffe, in vielen Fällen auch noch kohlmsaure» Am­ monium enthält. Da» Phänomen ist übrigen» nicht etwa der Cholera eigenthümlich, sondem e» ist, in mancherlei Schattimngm, in sehr von ein­ ander verschiedenen acuten Krankheiten wahrgenommen worden: Im gelben Fieber wird nicht feiten gegen Ende de» Lebm» da» Aufhörm aller Krankheitssymptome beobachtet, und die TodeSftircht scheint verschwundm zu sein. In dem Verlaufe der orientalischm Pest ge­ schieht nicht blo» der großen MuSkelschwäche und de» Coma» im letzten Stadium Erwähnung, sondem e» wird berichtet, daß manche Patimtm, bei freiem Bewußtsein, aber bei der entschiedensten Gleich­ gültigkeit und Thellnahmlosigkeit, sich gut zu befindm vorgeben, ob­ gleich sie nach wmigm Stunden todt sind. Sogar der bei un» einheimische Typhus bietet manche analoge Erscheinungm dar: Wir erinnern nur an die Bronchitis und Pneumonie, die zur Todesursache werden tonnen, ohne durch subjektive Symptome sich verrathen zu habm; an die Gegenwart von auSgebreiteten Emlcerationm im Jleum, ohne daß darauf bezügliche Kla­ gen laut geworben sind. Diesen Beispielen könnte man entgegen setzen, daß sie eigentlich nicht beweisend seien; indem sie nicht aus die Lähmung der erkranktm Organe oder ihrer Nerven bezogen wer­ den können, sondem der stattfindmden Schwäche oder Unvollkommen­ heit deS PereeptionSvermögmS ganz gemäß sich verhalten. Indessen zeigm auch einzelne TyphuSfälle unzweifelhafte Lähmung deS Sym­ palhicus. Ich erinnere mich, daß mehrere Kranke in den letzten LebenSstunden durchaus nicht soporös genannt werden konnten. Eie waren äußerst entkräftet, regten sich kaum, klagtm und begehrten nichts, hattm deutliches Bewußtsein, schienen aber doch keine Ge­ fahr zu ahnen, und für kein Interesse Befähigung behalten ju haben. Rach auSgebreiteter Verbrennung oder Verbrühung der Haut wird AehnlicheS beobachtet. Ein solches Ereigniß droht immer Ge­ fahr, und sie wird bedeutend, wenn ein Drittel der Hautoberfläche heftig verbrannt worden ist. Der Herzschlag wird alöbald, oder nach einigen heftigen Stößen, so klein, daß der Pul» ganz verschwindet;

Der Scheintod durch Erstickung.

795

die Respiration geschieht in kurzm Zügen; der Bauch wird aufgetriebm; die bleiche, im Gesichte etwa- cyanotische, kalte Haut ist feucht; von Zeit zu Zeit Frostschaurr und Zusammmfahrm deS Kör­ pers. DaS Bewußtsein ist ungetrübt, wenn auch nicht zu intensiver Offenbarung gelangend; die Pupillm find gewöhnlich erweitert Die Kranken zeichnm sich durch eine ost überraschende Indolenz aus, und damit in Uebereinstimmung beklagm sie sich weder über Schmerz, noch über Angst und AthmungSnoth. Zuletzt werdm die Kranken gewöhnlich soporös und athmm mühsaut; die Sphknkterm werdm erschlafft, und nach wiederholten Eonvulfionm erfolgt der Tod inner­ halb 6 bis 24 Stunden. — In der Leiche findet man die Spuren von Hyperämie, die zum Theil dm entzündlichen Charakter besitzt, besonders in dm serösen, dm mucösm Häuten, in dm Lungen und im Herzen. Die verschiedenen Artm deS Scheintodes, der gewöhnlich dm Namm der Asphyrie erhält, verdienen eine besondere Er­ wähnung. Sie habm ein eigenthümliche- Gepräge durch das Zu­ sammentreffen und ungleiche Borwaltm von FunctionShrmmungm sehr verschiedener Organe, nammtlich deS GehimS, de- Rückenmarkes, des HrrzmS und der Lungen. Durch dieses Verhältniß kann die Bmrtheilung sehr schwierig gemacht werden. Dazu kommt noch Blutüberfüllung in Organm, welche aller Resistenzkrast beraubt sind ; nicht seltm auch Blutvergiftung, oder Destmrtion von Organm. Der Scheintod geht daher leicht in wirklichm Tod über, und oft ist dieser bereits eingettetm, wo die Pflicht dem Arzte gebietet jenm vorauszusetzm. Der Scheintod durch Erstickung und Erdrosselung (Suffocatio, Slrangulatio, Pnixis, Apopnixis). Je plötzlicher und voll­ kommener die Zufuhr von Luft zu dm Lungen unterbrochen wird, um so kürzer währt der TodeSkampf, und um so geringer sind die in dm Leichen wahrzunehmmdm Veränderungen. Dkejmigm welche durch große Massen von Sand oder Erde verschüttet worden find, befinden sich, bei stattgefundmer Commotton deS GehimS und RükkmmarkeS, gewiß oft augmblicklkch in einem bewußtlosen Zustande. Außerdem ist in solchen Fällen die Compression der Bmst in Rech­ nung zu bringen. Deutlicher werden die Erscheinungen in der Leiche, wenn der Erstickungstod langsamer erfolgt war. Denn die fruchtlosen, unter dm heftigsten Anstrengungen vollzogmm AthmungSbeweguttgen be-

günstigen ungemein die Anhäufung des BluteS im Herzm, in den Lungen und im Gehirne, und deren Folgen. Da die Zusammenziehungm deS HerzmS sehr schwach werden, so vermögen die rechten Herzhöhlen um so leichter ausgedehnt zu werten. Die linke Herz­ hälfte wird nicht allein durch die mangelhafte Innervation und durch den plötzlichen Zufluß von venösem Blute, sondem auch durch den mechanischen, Dmck vom rechten Herzen auS, bald außer Thätig­ keit gesetzt. Besonders complicirt sind die Verhältnisse beim Tode wie beim Scheintode durch Erhängung (Suspendium). Bekanntlich richten sich dieselben zum großen Theile nach der Gegend, auf welche der Strang zu Wirten vermochte. Eine ausführlichere (Erörterung dieses Gegenstandes können wir nicht vomehmen. — Am einfachsten ist diejenige Todesart, welche durch das bloße Niederdrücken des Kehl­ deckels veranlaßt wurde. Aber fast immer wird außerdem der Rück­ fluß deS BluteS aus dem Gehirne verhindert. Richt feiten macht sich auch der Dmck geltend, den der obere Theil deS Rückenmarkes erfährt. Endlich ist auf die Comprefsion der pneumogastrischen Ner­ ven Rücksicht zu nehmen. Erhängte, die in'S Leben zurückgerufen wurden, geben häufig an, daß weniger Beklemmung und ErstickungSangst, sondem die Em­ pfindung von fluchender Hitze im Kopfe, verbunden mit dem heftig­ sten Dmck, Schwindel, Ohrenklingen, Verdunkelung und Funkensehen, diejenigen Symptome gewesen seien, welche der Bewußtlosigkeit vor­ ausgingen. AuS diesem Grunde wirkt bisweilen reichliches Nasen­ bluten sehr günstig, nachdem die ersten Lebenszeichen sich wieder ringesunden hatten. Nicht selten entstehm zuletzt allgemeine Zuckungen, die wohl nicht ohne Einfluß auf den häufig stattfindmden Abgang der FäeeS und deö HameS, auf die Ereetion und Ejaeulation bei Männern, auf die Ausstoßung eines blutigen Schleimes aus den Genitalien bei Weibern sein mögen. Ist eö erst so weit gekommen, so gelingt die Wiederbelebung selten. Die Leichen von Erhängten zeichnen sich durch besonders livide Hautfarbe aus. Die Lage deS Stranges wird durch die viel be­ sprochene SugillationSmarke bezeichnet. Der Körper bleibt verhältnißmäßig lange warm und biegsam. Die Hände sind meist zusammen­ geballt. Bisweilen findet man das Zungenbein vom Schildknorpel getrennt, oder den Ringknorpel zerbrochen. Die Zunge, oft bedeu­ tend geschwollen und zwischen die Zähne geklemmt, ist bläulich oder

braun gefärbt. Aehnlich verhalten sich Augenlider und Lippen. Die von Blut strotzenden Augen sind vorgedrängt. Die im Innern deS Körpers anzutteffenden Veränderungen kann man sich leicht vergegen­ wärtigen. Sie richten sich theils nach den Krankheitsanlagen dir vorhanden gewesen sind, theils nach der TodeSart. Der Scheintod durch Ertrinken (Submersio, Kalapontismus, Katahydrismus?). Menschen die im Wasser untergegangm find, können auf verschiedene, und auch auf zusammengesetzte Weife, dm Tod finden. Viele sterbm offmbar an Himschlagfluß, der sogleich in Himlähmung fibergegangm ist. Dieses ist namentlich dann oft der Fall, wenn die Vemnglückten von einer bedeutmden Höhe herab in's Wasser gefallen waren; wenn dieses sehr kalt ist; wenn unmittel­ bar vorher Berauschung stattgefunden hatte, oder wmn der Körper sehr erhitzt war. — Andere ersticken, ohne daß-Wasser in die Lun­ gen gelangt ist. Bei ihnen ist wahrscheinlich schon beim Lebm viel Wasser in den Magen gedrungen, mithin geschluckt worden. — In manchen Fallen ist kaum zu bezweifeln, daß der Tod (der mithin hier ganz eigentlich Ertrinkungstod sein würde) durch daS Eindrin­ gen von Wasser in den Bronchialapparat bewirkt worden ist. — Ich will nicht bestreiten, daß der Tod bisweilen vom Herzen aus­ gehen mag. Endlich kann derselbe durch den Sturz auf einen har­ ten Körper im Wasser veranlaßt, oder doch befördert werden. Die Leichen von Ertmnkenen haben in vielm Fällm eine auf­ fallend blasse Farbe, und sind, nammtlich daS Gesicht, aufgedunfm. An den Fingern und Zehen ist die Haut ost gerunzelt. Die Glie­ der sind gewöhnlich sehr steif. Der Bauch ist fast immer sehr aus­ gedehnt. Nicht selten sammelt sich Schämn wiederholt vor dem Munde an; auch fließt bisweilen Wasser auS Mund und Nase aus, indem man dem Kopse eine tiefe, seitlich geneigte Lage giebt. Die glanzlosen Augen zeigen weite Pupillen. Der Scheintod durch Erfrieren (Congelalio, Pexis, Ecpsychosis). Freie Kälte bewirkt bei einem geringem Grade ASphyrie als die Kälte in eingeschlossenen. Räumen. Personen die durch Hun­ ger und Entziehung deS Schlafes erschöpft sind, so wie Betrunkene, können schon bei mäßiger Kälte erftieren, besonders wenn sie ruhen, oder sich nur schwach bewegen. ES ist schwer zu sagen, auf welche Weise die gesunkene Tem­ peratur der Luft die Bedingungen der thierischen Wärmeentwickelung aufzuheben im Stande ist. Die absolute Verminderung der äußern

798

Lchtintor durch tfrfrkmt unk durch den Blitz.

Temperatur ist iit dieser Beziehung nicht allein maßgebmd; denn man weiß, daß der Mensch sehr hohen Kältegraden ohne Gefahr Trotz zu bieten vermag. An ursprüngliche totale Hemmung der Functionen fctd Sympalhicus ist nicht wohl zu denken: Die Thätig­ keit des HerzmS erhält sich oft noch mehrere Stunden nach eingetretener Bewußtlosigkeit. Durch die vom Herzm ausgehende Erre­ gung bleiben ebm so lange diejenigm resiectirten BewrgungSacte gefichttt, von dmm die Fortdauer der Respiration abhängt. Doch werden die Herz- und AthmungSbewegungey schwächer und erfolgen nach längem Intervallen. Am wahrscheinlichsten ist eS mir, daß allmälig daS Blut von der Peripherie auö an Temperatur verliert, daß dieses Blut hemmend auf die LebenSrigenschaften des Gehirns und RückmmarkeS wirkt, und daß endlich, theils durch die sinkende Temperatur des BluteS, theils durch die schwindende Innervation, Lähmung des HerzmS herbrigeführt wird. Der sehr allmäligen und gleichfömu'g fortschreitenden Hemmung der Himfunctionm ist es unstreitig zuzuschreibm, daß wirkliche Läh­ mung deS Nervensysteme- verhältnißmäßig spät eintritt. ES liegen Beispiele von Erfrorenen vor, welche 24 Stunden nach bereits er­ folgter Bewußtlosigkeit noch am Leben erhalten werden konnten. Die erstm drohenden Erscheinungen bestehen in der unüberwind­ lichen, mit Eingenommenheit deS KopfeS und schnell wachsender Unbesinnlichkeit verbundenen Schläfrigkeit. Dabei werden die Glieder schwer und dem Willm weniger fügsam. Der Gang wird unsicher und taumelnd. Endlich fallen die Leidenden halb bewußtlos um und bleiben liegen; oder sie geben den femem Widerstand gegen die Nvthigung zum Schlafe auf. Bald nimmt dieser Schlaf die Be­ schaffenheit deS Sopors an.— Die Körper der Verunglückten findet man holzartig steif, die Muskeln sind hatt, das Blut ist theilweife zu Eis geworden; im Gehirne zeigt sich immer bedeutende Hyperämie. Diese Blutüberfüllung deS GehimS ist von großer Wichtigkeit, und muß bei den WiederbelebungSvttfuchen besonders berücksichtigt werden; denn sie veranlaßt leicht bedenkliche Zufälle, und Entzündung, so wie Ersudat und Ertravasat innerhalb dn Schädelhöhle. Der Scheintod durch den Blitzschlag (Sideralio, Keraunoplexis). Wenn der Blitz augenblicklich tödtet, so ist daS Leben wohl immer durch ursprüngliche Paralyse deS GehimS und des Rücken­ markes vernichtet worden. DaS rasche Ende wird dann oft, wenn auch nicht immer, durch einen hohen Grad von Hirnerschüttrrung

Scheintot ter Neugeborenen.

799

Vermittelt, die jedoch ihrer außerordentlichen Heftigkeit wegen bis­ weilen mit Zerreißung der Himfubstanz und einzelner Blutgefässe verbunden ist. Einzelne Hirntheile könnm breiig erweicht unb mit Blut infilttitt fein. Der bisweilen vorkommende Ausfluss von Blut aus Mund, Rase, Ohrm, ist, wie die nicht feltme blutige Suffuston der Augm, gleichfalls auf die mechanische Erschütterung zurückzufüh­ ren. Zum Theil mögen diese Erscheinungen mit der eigenthümlichen Wirkung zusammtnhängm, welche die starke elekttische Action auf daS Blut auSübt. Dasselbe wird mehr oder wmiger seiner Gerinn­ barkeit beraubt. Die Leichen gehen bald iit Fäulniss über. Hatte der Blitz daS Leben noch nicht zerstört, so find doch die durch ihn aSphyktisch Gewordenen des Bewußtseins und des EmpfindungSvemiögtnS beraubt. Die Muskeln find häufiger erschlafft als krampfhaft gespannt. Sind die Functionen der Respiration und der Circulation noch in Thätigkeit, sei eS auch kümmerlich und unvollkommm, so treten gewöhnlich die Symptome der Hyperämie deS GthimeS bald deutlich hervor. Bei fehlender Respiration unb bei fast ersterbender, der sorgfältigsten Prüfung kaum noch erkennbarer Thätigkeit deS Herzens, ist daS Gesteht in der Regel sehr bleich. Die Augm find stier. Die Haut zeigt bisweilen kleine Brandwun­ den, manchmal auch Sugillationen, die in einzelnen Fällm zweigarttg sich verbreiten» namentlich auf dem Rücken, der Bkust und dm Armen. Die hin und wieder vorkommendm Knochmbrüche mtsprechen nicht immer den EingangSpunktm deS Blitzes in den Körper. In vielen Fällm verlierm sich die schwachen LebenSzrichm rasch. Die Verunglückten kommen nicht wieder zu sich, indem die ASPhyrie in den wirkUchm Tod übergeht. Der Scheintod der Neugeborenen (Asphyxia s. Biosteria neonatorum). Auf die mannigfachen Veranlassungen und Be­ dingungen dieser ASphyrim könnm wir uns hier nicht elnlaffm. Die Erscheinungm sind mehr oder wmiger von einander abweichend, je nachdem der Zustand wie eine Annäherung zur rrtnm Hirnlähmung sich verhält, oder nachdem die letztere durch Schlagfluß oder Stickfluß veranlaßt worden ist. Die erste Varietät, welche abwech­ selnd als Ohnmacht und als nervöse Apoplerie bezeichnet wird (Asphyxia pallida) ist allerdings häufig mit Anämie verbunden, die z. B. durch großen Blutverlust bewirkt worden ist. Indessen ist nicht zu übersehen, daß die Dehnung des Rückenmarkes auch plethorische Kinder schnell zu todten vermag, ohne daß Him- oder

800

Nntcrschtikung fff Tchkintotrö vom wirklichen Tote.

Lungrnapoplerie entstanden ist.

Bei vorwaltenden Symptomen des

SchlagflusseS sind in der Regel Gehim und Lungen glcichförinig

mit Blut überfüllt, aber man findet nicht immer Ertravasat in der Schädelhöhle. In vielen Fällen zeigt fich cyanotische oder livide Färbung, besonders des Gesichtes (Asphyxia livida, caerulea).

Aber auch rin anämisches Kind kann sowohl durch Hirnschlagfluß als auch durch Erstickung sterben.

Unvollkommene Entwickelung des

LungengewebeS (Atelektasie) kann bei gut« und bei schlecht genähr­

ten Kindern Vorkommen. DeS Scheintodes durch das Einathmen von irrespirabeln

Gaöarten ist bereits bei denTorikonosen in Kürze gedacht worden.

Die BergiftungSsymptome Irrten dabei häufig in den Vordergrund,

und können Abweichungen der Erscheinungen in den einzelnen Fäl­ len zur Folge haben.

behalten oft

lange

Die Leichm der durch Kohlensäure Erstickten

ihre Temperatur;

Gesicht meist bläulichroth;

Augen hervorgetrieben und glänzmd; kleine Blutertravasate in der

Haut, die an den Fingen: und Zehen häufig durch hcllrothe Fär­ bung ausgezeichnet ist; Muskeln häufiger erschlafft als contrahirt.

Dagegen verlieren die Leichen der durch Schwefelwasserstoff und

Schwefelammonium (Cloakengaö) Getödtetcn in der Regel schnell

ihre Temperatur;

Gesicht bleich

oder bläulich;

Augen

glanzlos;

Muskeln häufiger, wenigstens an den Ertremitäten, starr als

schlafft.

er­

DaS Gehirn wird in solchen Fällen häufig dunkelfarbiger

und weicher als gewöhnlich gefunden; die Leber hat ein schwärz­

liches Kolorit; die Schleimhäute sind mit Blut suffundirt. Aus allen bisher stattgefundrnen Betrachtungen crgirbt sich als unzweifelhafte Thatsache: daß wirklicher Scheintod als ein höchst selten vorkommrndeS Eretgniß zu betrachten ist,

d. h. daß der unterrichtete und sorgfältig prüfende Arzt nur selten lange in Zweifel sich wird befinden können, ob er einen noch leben­

den (wenn auch dem Tode bereits verfallenen) Menschen, oder dessen Leiche vor sich habe.

Um dieses recht augenscheinlich zu machen, dürfte eS nicht un­

passend ftin, einige von den wichtigsten Kriterien zusammen zu stel­ len, die zur Entscheidung der Frage: ob Leben noch bestehe, oder nicht? von mehr oder weniger entscheidendem Gewichte sind.

Ich

übergehe dabei allgemein Bekanntes. Wir nennen zuerst das völlige und dauernde Aufhörcn der Respiration, und besonders der Circulation.

Bei sortdauern-

801

Art des Herzschlages beim Scheintote.

btm Leben können die Zusammenziehungm des Herzens so schwach geworden sein, und so selten erfolgen, daß der Impuls des Herzens

gar nicht mehr sich bemerkbar macht, und selbst dann nicht immer zu fühlen ist, indem man mit den erplorirrnden Fingem daS Zwerch« fest unterhalb des Knorpelrandes der linken Rippen, in der Nähe

des Bmstbeinrs, in die Höhe drängt.

DaS Stethoskop vermag in

solchen Fällen eine ziemlich sichere AuShülfe zu geben, da eS sehr

schwache Herztöne noch hörbar macht.

Doch scheint die Angabe be­

schränkt werden zu müssen, daß der Tod sicher sei, wenn 5 Minuten dem letzten AuSathmen keine Herztöne

nach

mehr gehört werden

Bei scheinwdt gebornen Kindern erscheint diese Bestimmung

können.

Wenn indessen nach ftuchtlosen BelebungSversuchm

an sich werthlos.

die fortgesetzte Auskultation innerhalb zwei Minuten kein Herzgeräusck anzeigt, so ist der Tod kaum zu bezweifeln.

scheint

selbst unter

diesen

Umständen

Ein bedmgtes*Urtheil

empfehlungSwerth zu. sein.

Denn da man bei Asphyktischen bisweilen nur noch äußerst schwach

den ersten Herzton hört, während der zweite Herzton ganz unvernehmbar bleibt, so ist die Möglichkeit nicht in Abrede zu stellen, daß eine,

freilich sehr

deS Blutes im Herzen

geringe Bewegung

selbst dann eristtren könne, nachdem die Zusammenziehungen desselben der Untersuchung unmerklich geworden sind, und nachdem jede Be­

theiligung

der

Klappenapparate

würde allerdings

bereits

aufgehört

hat.

Dadurch

kein allgemeiner Kreislauf bewirkt werden; aber

die dem Herzen unentbehrliche Erregung durch das Blut, vielleicht auch der Kreislauf durch die Kranzgefäße, würden fvrtbestehen. Um zu ermitteln, ob der kapilläre Kreislauf aufgehört hat, oder

ob die oberflächlichen Haargefäße der Haut

bereits

leer geworden

sind, soll man die Lippen, oder andere mit zarter Epidermis ver­ sehene Theile mit einer

feinen Nadel anstechm.

Man behauptet,

daß das AuSsickern eines DluttröpfchenS aus dem Einstiche Gutes

hoffen lasse.

DaS Erperiment würde in denjenigen Fällen bedeutungs­

los fein, wo Hyperämie der Haut nach dem Tode fortdauern sollte. Bei einem hohen Grade von Starrftost und in der asphyktischen

Cholera möchte eS mitunter bei Lebenden negative Resultate geben. Eben so verhält

eS sich bei tiefer Ohnmacht, selbst in Fällen wo

der Herzschlag ohne große Schwierigkeit zu eonstatiren ist.

Das allmälige Erkalten deS Körpers, oder die Gleich­ setzung

seiner Temperatur mit

derjenigen

der Umgebung.

Sichere

Resultate vermag in dieser Hinsicht blos die Bestimmung der AbNaumann allgem. Pathol. u. Therap. I.

51

802

Reizlosigkeit des Körpers beim Scheintote.

nähme der Temperatur in den Eingeweiden zu geben.

Sie ist mit­

telst des „ThanatometerS" vorgenommen worden, das man durch den Schlund in den Magen senkt, oder wohl auch in den Mastdarm

Der wirkliche Tod wird behauptet, wenn von dem Auf-

applicirt.

hörm des AthmenS an gerechnet, ununterbrochenes Sinken der innern

Wanne stattfindet, und wenn diese noch unter 20° R. hinabgeht.

Zeigt daS Thanatometer nur noch 13° Wärme, so ist der Tod un­ zweifelhaft.

Der Gegenbeweis ist durch Versuche an Thieren ermit­

telt worden: Wenn nämlich die Temperatur sehr langsame Abnahme zeigte, aber durch die künstliche Unterhaltung der Respiration mittelst kühler Luft zum Steigen gebracht werden konnte, so war der Tod noch nicht eingctreten. Entscheidende Resultate bietet die völlige Reizlosigkeit deS

Körpers dar.

Wir gedenken hier zuerst der Erweiterung der Pu-

pilleil, die gewöhnlich im Augenblicke des Todes erfolgt, nachdem

bisweilen Verengung der Pupillen unmittelbar vorauögegangen war. diese Erweiterung nach

Dabei ist jedoch nicht zu übersehen,

daß

einiger Zeit sich oft wieder verliert.

Nach einigen Stunden kann

ein mittles Verhältniß der Pupillen ausgebildet sein.

Man hat gehofft, durch daS Klopfen des Brustkorbes, daS Viertelstunden lang fortgesetzt werden soll, Asphyktische in'S Leben Man bedient sich dazu eines Klöppels aus Roßhaaren,

zu rufen.

die in Leder cingenäht sind.

Zu gleichem Endzwecke, nämlich um

die respiratorischen Bewegungen anzufachcn,

werden Ruchenstreichc

auf den Hintem, den Rücken und die Gliedmaßen biSweilm angc-

wmdct.

Wir übergehen die übrigen Reizmittel, von denen unter

diesen Verhältnissen Gebrauch gemacht wird. Unläugbar ist der gänzliche Verlust der Irritabilität der Muskeln,

und damit ihrer Conttactilität, sehr charakteristisch.

Indessen erhält

sich diese Eigenschaft, mit seltenen Ausnahmen, noch einige Zeit nach

dem Tode.

Dieses ist nicht blos bei Thieren, sondem wir die