Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt: Aktionärsrechte beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der AG und in der Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutzrecht [1 ed.] 9783428529094, 9783428129096

Seit der Mitte des letzten Jahrzehnts hat sich das deutsche Aktienwesen rasant entwickelt, begleitet von einer Vielzahl

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Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt: Aktionärsrechte beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der AG und in der Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutzrecht [1 ed.]
 9783428529094, 9783428129096

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 24

Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt Aktionärsrechte beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der AG und in der Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutzrecht

Von

Alexander Schiel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

ALEXANDER SCHIEL

Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Bonn Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 24

Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt Aktionärsrechte beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der AG und in der Unternehmensgruppe zwischen Verbands- und Anlegerschutzrecht

Von

Alexander Schiel

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-12909-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Frau

Vorwort Die Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität im Sommersemester 2007 als Dissertation vorgelegen. Für die Veröffentlichung wurde sie aktualisiert und Gesetzgebung, Rechtsprechung und Literatur aus dem Jahr 2008 berücksichtigt. Die Arbeit entstand berufsbegleitend, was mehr Zeit als erwartet in Anspruch nahm. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Josef Drexl, LL.M., bin ich daher für die engagierte Betreuung der Arbeit über den gesamten Zeitraum deren Entstehung besonders verbunden. Großer Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Christian Kersting, LL.M., für die zügige Erstattung des Zweitgutachtens. Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler, Dipl.-Ökonom, Herrn Prof. Dr. Hanno Merkt, LL.M., und Herrn Prof. Dr. Holger Fleischer, Dipl.Kfm., LL.M., bin ich für die Aufnahme der Untersuchung in die von ihnen betreute Schriftenreihe verbunden. Mehr als Dank schulde ich meiner Frau für ihre Geduld; ihr widme ich die Arbeit. Frankfurt am Main, im Februar 2009

Alexander Schiel

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Erster Teil Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

30

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms. . . . . . . . . . .

54

C. Untersuchungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

Zweiter Teil Die Rechtsstellung des Aktionärs A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 80

B. Die Rechtsstellung des Aktionärs unter Berücksichtigung jüngerer normativer Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen in den Publikumsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 D. Die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 E. Anlegerschutz im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Dritter Teil Der Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

236

A. Das Mitwirkungserfordernis der Hauptversammlung bei der Gewährung eigener Anteile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . . 329

10

Inhaltsübersicht Vierter Teil Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

356

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen an Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen an Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 Fünfter Teil Börseneinführung von Tochtergesellschaften

476

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung. . . . . . . . . . . . 507 C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft und Lösungsvorschläge des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 D. Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

Erster Teil Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

30

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aktien- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzes- und rechtstatsächliche Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Aktionär zwischen Aktien- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . a) Ansichten im Schrifttum zum Verhältnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzrichtungen des Aktien- und des Kapitalmarktrechts . . . . . . . 3. Der Aktionär der börsennotierten AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Konzernrecht und Konzernwirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebswirtschaftliche Erfassung und Wirklichkeit des Konzerns . . . 2. Die rechtswissenschaftliche Erfassung des Konzerns . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangssituation und Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Einbindung einer AG in die Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . c) Kompetenzverschiebungen in der Obergesellschaft – die Holzmüller-Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Annäherung an das Konzernphänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Konzern als Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Konzern als hierarchischer Verband sui generis . . . . . . . . cc) Der Konzern als organisatorische Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weiterer Fortgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31 31 31 34

45 46 47 48 50 50 53

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms . . . . . . I. Ein flüchtiger Seitenblick auf die Kapitalmarkttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Effizienz der Kapitalmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Informationseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Efficient Market Hypothesis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Behavioral finance als Gegenmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz der Anleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Aktionär als Marktteilnehmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen für das Aktienrecht – Schutzbedürfnis? . . . . . . . . . . . .

54 54 55 55 55 57 59 59 60

34 36 39 39 41 42 42 43

12

Inhaltsverzeichnis II. Aus- und Abgabe von Aktien zur Finanzierung und Umstrukturierung von Unternehmensgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzungen und Entwicklungslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entwicklungslinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebswirtschaftliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Auswirkungen auf das Beteiligungsvermögen der Aktionäre der Obergesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Empirische Untersuchungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalmarktreaktionen der Aktienkurse der Obergesellschaft bei der Bekanntgabe des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalmarktreaktionen der Aktienkurse der Obergesellschaft nach dem Börsengang der Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Theoretische Erklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gründe für die Wertsteigerung im Gesamtverlauf . . . . . . . . . . . . . . . b) Gründe für die negativen Kursreaktionen nach dem Börsengang. . c) Zusammenfassung und praktische Schlußfolgerungen. . . . . . . . . . . .

C. Untersuchungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Themenstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Themeneinschränkung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die börsennotierte Publikums-AG als Untersuchungsgegenstand . . . . . 2. Schutz der Rechtsstellung der Aktionäre bei Aus- und Abgabe von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61 62 62 63 64 65 66 66 67 68 69 70 71 72 72 73 75 76 77 78

Zweiter Teil Die Rechtsstellung des Aktionärs A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Stellung des Aktionärs nach dem AktG 1965 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Aktionär als wirtschaftlicher Eigentümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erste Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ansichten im Schrifttum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Beschreibung der Rechtsstellung des Aktionärs anhand rechtsformübergreifender Grundgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der verbandsrechtliche Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Individual-, Minderheits- und Kapitalanlegerschutz. . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen aus den rechtsformübergreifenden Ansätzen . . . . . . . . 2. Verbandsrecht als Ergänzung des Kapitalmarktrechts . . . . . . . . . . . . . . . a) Fortentwicklung des Aktien- und Börsenrechts zum Kapitalmarktrecht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 80 81 81 83 86 86 87 91 92 94 95 97

Inhaltsverzeichnis

13

3. Der Aktionär in der Doppelrolle als Verbandsmitglied und Kapitalanleger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Das vermögensbezogene Aktionärsschutzkonzept von Mülbert . . . 99 b) Bewertung der auf den Vermögensschutz abstellenden Konzeption 103 III. Weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 B. Die Rechtsstellung des Aktionärs unter Berücksichtigung jüngerer normativer Entwicklungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die jüngeren aktienrechtlichen Reformgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung der „kapitalmarktorientierten Trennlinie“ in das AktG . . 2. Ausrichtung der deutschen Publikumsgesellschaften auf die Kapitalmärkte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Änderungen durch das NaStraG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einführung des Minderheitenausschlusses durch das WpÜG . . . . . c) Stärkung der Unternehmenskontrolle durch das TransPuG . . . . . . . d) Änderungen durch das SpruchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes durch das UMAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Jüngste Änderungen des Aktienrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktionärsausschluß infolge eines Übernahme- oder Pflichtangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steigerung der Transparenz über Emittenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Umwandlungsrechtliche Differenzierung notierter und nicht notierter Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitere Änderungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutung der gesetzlichen Leitgedanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen in den Publikumsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Aktionär in der Publikums-AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktionärsstrukturen in der börsennotierten Publikumsgesellschaft . . . 2. Das Leitbild des Publikumsaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Typik des Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anlegerinteressen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Interessenrichtungen des Publikumsaktionärs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen zu den Interessen des Publikumsaktionärs . . . . . . . . . . . . . a) Kollektivhandlungsproblem und Gefangenendilemma . . . . . . . . . . . b) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Desinvestition statt Einflußnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen für den Schutz des Publikumsaktionärs . . . . . . . . . . . . . . .

108 108 110 112 114 114 115 117 118 119 121 121 122 123 123 124 125 127 128 129 130 132 132 132 135 135 136 137 139 140 141

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Inhaltsverzeichnis

D. Die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aktienrecht zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktienrecht als Organisationsrecht eines zweckgebundenen Personenverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung der gesetzlichen Leitgedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichweite der Sondervorschriften für börsennotierte AG . . . . . . . . . . . a) Ziel der Sondervorschriften für börsennotierte Gesellschaften . . . . b) Auswirkungen der Sondervorschriften börsennotierter Gesellschaften auf die Auslegung des AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Börsengesellschaftsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anlegerschutz zur Förderung der Kapitalaufbringung und Steigerung der Attraktivität der Anlageform Aktie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bedeutung des Anlegerschutzes im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anleger und Kapitalsammelfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Vermögensstellung des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsstellung des (Klein-)Aktionärs – Ansichten im Schrifttum . . . . III. Bestands- und Vermögensschutz im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis von Bestands- und Vermögensschutz bei Auflösung der Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis von Bestands- und Vermögensschutz beim Ausschluß aus dem Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestandsschutz der Mitgliedschaft und Gewährleistung des Vermögensschutzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Folgerungen aus der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . c) Die maßgebliche Beteiligungsquote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aktionärsschutz zwischen Bestandsschutz und Wertgarantie . . . . . . . . . a) Einordnung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß in das System des AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Paradigmenwechsel im Aktienrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Tendenzen in der jüngeren Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . . . a) Entscheidungen zu bewertungsbezogenen Informationsmängeln . . b) Das Macrotron-Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Exkurs: Einige Anmerkungen zur börsenfernen, geschlossenen AG . . IV. Die Rechtsstellung des Publikumsaktionärs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bedeutung der Vermögenskomponente der Aktie für den Publikumsaktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Bedeutung der Herrschaftsrechte, insbesondere des Stimmrechts für den Publikumsaktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung der Herrschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einordnung des Rechts auf Teilhabe an der Willensbildung in der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anlegerinteressen und Binnenorganisationsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis E. Anlegerschutz im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Aktienrecht und Kapitalmarktrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbindungslinien und Überschneidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Unvereinbarer dogmatischer Gegensatz zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Synchronisation des aktien- und kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auflösung einander widersprechender Rechtsbehelfe. . . . . . . . . . . . b) Schutzinstrumentarien von Aktien- und Kapitalmarktrecht. . . . . . . II. Abstimmung von Kapitalmarkt- und Aktienrecht zur Absicherung einer optimalen Anlageentscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anlegerrisiken und Anlegerschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Anlageentscheidung als archimedischer Punkt des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ansatzpunkte des Anlegerschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ex post-Anlegerschutz und Kapitalsammelfunktion der AG. . . . . . . . . a) Primär- und Sekundärmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidungsalternativen des Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grenzen des Anlegerschutzes durch Information bei der Anlageentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Bedeutung des ex post-Anlegerschutzes für die gute Ordnung des Kapitalmarktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz des anlageorientierten Aktionärs durch Gesellschaftsrecht . . . . . . 1. Reichweite des Schutzes des Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ex post-Anlegerschutz durch exit statt durch voice?. . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangspunkt der verschiedenen Schutzmöglichkeiten . . . . . bb) Schutz allein durch Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht? . . . b) Aspekte des innergesellschaftlichen Anlegerschutzes. . . . . . . . . . . . 2. Folgerungen für den Schutz durch Verbandsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Opportunistisches Verhalten der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . b) Egoistisches Verhalten der Aktionärsmehrheit und einzelner Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Doppelfunktion binnenorganisatorischer Regelungen . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis des innergesellschaftlichen Schutzes des Verbandsmitglieds und des Anlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschiede in der Ausformung der Position des Anlegers und Verbandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Innergesellschaftlicher Schutz des Anlegers durch Schutz des Aktionärs als Verbandsmitglied? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zielkonflikte der beiden Schutzanliegen und Bewertung. . . . . . . . . . . . 4. Alternativen zum Anlegerschutz des Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Schutz durch Verhaltenspflichten, Stimmrechtskompetenzen und Beschlußkontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anlegerschutz durch Verhaltenspflichten der Verwaltung . . . . bb) Anlegerschutz durch Teilhabe an der Willensbildung und Rechtmäßigkeitskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz durch Haftung der Organe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organhaftung nach §§ 93 Abs. 1, 116 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . bb) Haftung wegen Verletzung der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . cc) Schutzgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz durch Individualklagerechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Höchstrichterliche Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zwischenergebnis und weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . 1. Die Kompromißlösung des AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dimensionen des AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der (Publikums-)Aktionär im Spannungsfeld zwischen Kapitalanlegerstellung und Verbandsmitgliedschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Dritter Teil Der Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile A. Das Mitwirkungserfordernis der Hauptversammlung bei der Gewährung eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Mitwirkungserfordernisse der Hauptversammlung zum Schutz der Aktionäre vor einem Eingriff in ihre Beteiligungsquote . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitalerhöhung gegen Einlagen und Ausschluß des Bezugsrechts. . . a) Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Doppelfunktion des Bezugsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Entwicklung der Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Kritik am Bezugsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinfachung des Bezugsrechtsausschlusses. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Erleichterung bezugsrechtsfreier Kapitalerhöhungen börsennotierter Gesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der vereinfachte Bezugsrechtsausschluß nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewertung und Folgerungen aus den mit der Norm verbundenen Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rückbau des Kontrollmaßstabes für den Bezugsrechtsausschluß

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Inhaltsverzeichnis aa) Erstreckung auf das genehmigte Kapital bei Bareinlagen und die Kapitalerhöhung gegen Einlagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Reichweite des „wohlverstandenen Gesellschaftsinteresses“ . c) Fehlende Schutzwürdigkeit von Herrschaftsrechten beim Bezugsrechtsausschluß. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Entwicklung der Schutzrichtungen des Bezugsrechts. . . . bb) Die Kritik an dem Erfordernis sachlicher Rechtfertigung vor dem Hintergrund der jüngeren Entwicklungen. . . . . . . . . . . . . . d) Abgleich mit den Ergebnissen des Zweiten Teils und Folgerungen 3. Schutzrichtungen des Beschlußerfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschluß des Bezugsrechts und Eingriff der Verwaltung in Beteiligungsquote und -struktur sowie in den Beteiligungswert . . b) Schutzrichtungen der Hauptversammlungskompetenzen nach §§ 182 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 3 S. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einordnung der Ergebnisse zur Rechtsstellung des Aktionärs . . . . . . . II. Hauptversammlungskompetenzen zum Schutz vor einem Eingriff in die Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Veräußerung eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verhältnis von § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG zu S. 3 und 4 der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzzweck des Beschlusses der Hauptversammlung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Auswirkungen der Wiederveräußerung eigener Aktien . . . . . . bb) Schutzrichtungen des Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . 2. Die Verschmelzung auf seiten der übernehmenden AG . . . . . . . . . . . . . a) Der Regelfall der Verschmelzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verschmelzungen im Sonderfall des § 62 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutzzweck der Hauptversammlungsbeteiligung der übernehmenden AG nach § 13 Abs. 1 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auf- und Abspaltung auf seiten der übernehmenden AG . . . . . . . 4. Die Ausgliederung auf seiten der übernehmenden AG . . . . . . . . . . . . . 5. Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag beim „anderen Vertragsteil“ im Sinne des § 293 Abs. 2 AktG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die Eingliederung auf seiten der Hauptgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ungebundene Veräußerungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz der Aktionäre im Falle der Veräußerung der Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Erwerbsrecht der Aktionäre bei der Wiederveräußerung eigener Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausgestaltung des Erwerbsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis b) Weitergabe unentgeltlich und durch Gesamtrechtsnachfolge erworbener Aktien, § 71 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1, Nr. 5 AktG. . . . . . . . c) Allgemeiner Grundsatz bei der Wiederveräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerung eigener Aktien nach § 71c Abs. 1, 2 AktG . . . . . . . . . . . . 3. Veräußerung von Aktien nach §§ 65 Abs. 3 und 226 Abs. 3 AktG. . . a) Veräußerung kaduzierter Aktien nach § 65 Abs. 3 AktG . . . . . . . . . b) Veräußerung neuer Aktien im Rahmen der Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung von Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ungebundene Veräußerungsfälle bei Kapitalerhöhungen . . . . . . . . . . . . a) Aktienausgabe ohne Bestimmung des Erwerbers . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bezugsrechtskapitalerhöhung und freie neue Aktien . . . . . . . . . . . . . c) Die zugrunde liegenden Wertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechte und Pflichten bei ungebundener Veräußerung eigener Aktien durch die AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlagen des aktienrechtlichen Erwerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kritik in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundlagen des allgemeinen Erwerbsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das aktienrechtliche Erwerbsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen des aktienrechtlichen Erwerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile. . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zusammenfassung der Ergebnisse des Aktionärsschutzes beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzrichtungen der Beteiligung der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . 2. Schutzrichtungen des allgemeinen aktienrechtlichen Erwerbsrechts . . II. Der Schutz vor Eingriffen in den Wert der Beteiligung der Aktionäre. . . III. Der Schutz vor Eingriffen in die Aktionärsstruktur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenläufige Ansichten zur Neutralitätspflicht des Vorstands nach AktG und WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhaltenspflichten des Vorstandes nach WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungsgehalt des § 33 WpÜG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Reichweite des Verhinderungsverbotes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichtenlage des Vorstandes nach AktG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktiengesetzliche Neutralitätspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Eingriff in die Beteiligungsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Herleitung der Kompetenzen und Rechtsfolge eines Verstoßes hiergegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organpflicht oder negative Kompetenzregelung? . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ableitung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur . . . . .

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D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur. . . . . . . . . 329 I. Gebot der Fremdinteressenwahrung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Inhaltsverzeichnis 1. Treuhänderstellung der Verwaltung der AG gegenüber den Aktionären? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vorstandsmitglieder als Treuhänder der Gesellschafter . . . . . . b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Treubindungen zwischen Vorstand und Aktionären? . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Treubindungen zwischen Vorstand und Aktionären . . . . . . . . . . . . . c) Treubindungen zwischen AG und ihren Aktionären . . . . . . . . . . . . . II. Verbandsrechtliches Gleichbehandlungsgebot und Treubindungen zwischen AG und ihren Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleichbehandlungsgebot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Treubindungen zwischen AG und Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Existenz und Richtung von Treubindungen im Verhältnis von Aktionären und AG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Herleitung der Treubindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Treubindungen der AG gegenüber den Aktionären . . . . . . . . . b) Rechtstheoretische und -dogmatische Präzisierung der Treupflicht der AG gegenüber den Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtscharakter der Treubindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Funktion und Geltungsbereich der Treubindungen . . . . . . . . . . c) Treupflicht der AG gegenüber den Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Treubindungen in der börsennotierten Publikums-AG? . . . . . . bb) Treupflichten und Anteilsveräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Treupflicht und Gleichbehandlungsgebot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . 1. Verbot des Eingriffs in Beteiligungsstruktur und Beteiligungsquote. . a) Regelungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutzinstrumentarien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

329 330 331 332 333 334 336 338 338 339 340 340 342 345 345 346 348 348 350 351 352 352 353 353 355

Vierter Teil Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen an Tochtergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlagen der Hauptversammlungskompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Von Holzmüller zu Gelatine und dem Beschluß von 2006 – Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Schutz der Aktionärsstellung im Holzmüller-Urteil . . . . . . . . . . . . a) Kompetenzen bei der Gruppenbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gruppenumbildung und -leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Instanzengerichtliche Rechtsprechung und Ansichten des Schrifttums

356

357 358 358 361 362 363 365

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Inhaltsverzeichnis a) Grundlegende Gegensätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einzelheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesellschaft versus Konzernunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundlagenkompetenz versus Ermessensreduktion . . . . . . . . . . 4. Die Gelatine-Entscheidung des BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Klärung verschiedener Streitpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Normative Grundlage ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Quantitative und qualitative Anforderungen, Aufgreifkriterien b) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der Beschluß des BGH von 2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. (Un-)Klarheiten der jüngsten Rechtsprechung des BGH. . . . . . . . . . . . . a) Verortung ungeschriebener Mitwirkungserfordernisse . . . . . . . . . . . . aa) Ablehnung der Entwicklung einer konzernspezifischen Binnenordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Grundlagenzuständigkeit oder Ermessensreduktion . . . . . . . . . . b) Künftiger Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin und Abstimmung mit Macrotron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausnahmecharakter ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abstimmung mit den Fähigkeiten und Interessen des Publikumsaktionärs an der Einflußnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interessen und Fähigkeiten der Aktionäre in der Publikumsund der kleinen AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Bedeutung der Maßnahme für die Anlageentscheidung des Aktionärs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Schutz der Aktionäre unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle – weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendungsfälle der Holzmüller-Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kapitalerhöhung in der Holzmüller-Entscheidung . . . . . . . . . . . b) Gegensätzliche Ansichten im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mediatisierung der Einflußrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gleichsetzung des Einflusses auf Ober- und Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Änderungen des Einflusses des Vorstandes und damit der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schutz der Vermögensinteressen der Aktionäre? . . . . . . . . . . . . . . . . e) Eigener Ansatz: Schutz des Beteiligungswerts der Aktionäre bei Eingriffen in die Beteiligungsquote der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Veräußerungen von Beteiligungen an Tochtergesellschaften . . . . . . . . . a) Die gegenläufigen Ansichten zur Beteiligungsveräußerung . . . . . . .

366 368 369 370 374 375 375 377 382 385 385 388 389 389 389 392 394 395 396 397 399 400 400 402 404 405 406 407 408 410 412 413

Inhaltsverzeichnis

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aa) Kompetenzbereich des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Mediatisierung und Gefährdung des Beteiligungsvermögens b) Eigener Ansatz zu den Fällen der Beteiligungsveräußerung. . . . . . aa) Rückgängigmachung des Mediatisierungseffektes?. . . . . . . . . . bb) Gefahr der nachhaltigen Schwächung des Beteiligungswertes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . .

413 415 420 420

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen an Tochtergesellschaften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beteiligungsspezifische Fortschreibung der Hauptversammlungsmitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Schutzzweck der Vorschriften. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beteiligungsspezifische Fortschreibung der Vorschriften. . . . . . . . . aa) Gleichwertiges Schutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleichbare Schutzzwecke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einheitliche Behandlung des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Formen der Anteilsveräußerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schranken der Hauptversammlungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Richterrechtliche Wesentlichkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unternehmensgruppenweites Bezugsrecht?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Frühe Stimmen in der Literatur und Ausführungen des BGH zum Bezugsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Meinungsstand nach der Holzmüller-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnende Stimmen in Schrifttum und Rechtsprechung . . . . . . . . b) Bezugsrecht neben oder anstelle einer Hauptversammlungsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schutz durch materiellrechtliche Ansprüche statt entscheidungspolitischer Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beteiligungsspezifische Fortschreibung des aktienrechtlichen Erwerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktionärsschutz und Flexibilität der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . a) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weiterer Fortgang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutzbedürfnis der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anschauungslücke des Gesetzgebers – Schutzdefizit der Aktionäre? a) Anschauungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

421 423 425 425 426 426 429 429 431 433 434 436 437 437 438 439 440 440 441 442 443 444 445 447 448 448 449 450 450 451 452

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Inhaltsverzeichnis b) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes und Vergleichbarkeit der Sachverhalte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzlicher Plan des Aktionärsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erwerbsrecht und Verwässerungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Genereller Vermögensschutz des Beteiligungswertes. . . . . . . . . . . . . III. Herleitung des aktienrechtlichen Erwerbsrechts in der Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Reichweite der Treubindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsbegrenzung, Rechtsbegründung und Rechtsfortbildung . . . . b) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen der Treubindungen und hieraus abzuleitender Rechte . . . . . . a) Strukturelle Eingrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Personelle Eingrenzung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vereinbarkeit des Erwerbsrechtes mit gesetzlichen Wertungen. . . . . . . . . . 1. Vereinbarkeit mit den Wertungen des AktG und UmwG . . . . . . . . . . . . a) Erwerbsrecht und UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz der Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung? . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit mit dem aktiengesetzlichen System der Vermögensrechte der Aktionäre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschließender Charakter des AktG im Hinblick auf Individualrechte der Aktionäre? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit der Statuierung weitergehender Rechte als Sachausschüttung nach § 58 Abs. 5 AktG? . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vereinbarkeit eines solchen Rechtes mit dem Charakter des AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erste Überlegungen zu den Grenzen eines solchen Rechtes . . . . . . V. Grenzen des Erwerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Grenzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besonderheiten in der Publikums-AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Paradigma der Börseneinführung von Tochtergesellschaften. . . . . . . . .

452 455 455 456 457 457 458 459 462 463 463 464 465 465 465 466 467 468 468 469 470 471 472 472 474 475

Fünfter Teil Börseneinführung von Tochtergesellschaften A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kompetenzverteilung bei Börsengängen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzverteilung in der unverbundenen AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kompetenzen in der Unternehmensgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hauptversammlungsbefassung als Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Vorstandspflichten bei der Ermittlung des Ausgabepreises . . . . . . . . . . . . .

476 477 477 478 481 482 482

Inhaltsverzeichnis

23

1. Kompetenzabgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine aktienrechtliche Vorgaben zur Ermittlung des Ausgabekurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bezugsrechtskapitalerhöhungen und Festlegung von Ausgabebzw. Mindestbetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß und Festlegung des Ausgabe- oder Mindestbetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalverwässerungsschutz bei Verwaltungsentscheidungen . . . . . 3. Ausgabebetrag der neuen Aktien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ermittlung des Ausgabebetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Nicht notierte Gesellschaft und angemessener Ausgabebetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Börsennotierte Gesellschaft und angemessener Ausgabebetrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Angemessenheit des Ausgabebetrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bedeutung für die Preisfestsetzung bei der Börseneinführung von Aktien einer Tochtergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorstandspflichten bei der Auswahl der Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt der Vorstandspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessenabwägung und Verbot des Eingriffs in die Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbot des Eingriffs in die Aktionärsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Folgerungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

483

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung . . . . . . I. Interessen bei der Preisfestsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielvorstellungen und Interessenspektrum von Veräußerer und Erwerber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interessen der emissionsbegleitenden Bank und Folgerungen . . . . . . . II. Preisfindungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Underpricing-Phänomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erklärungsmodelle der Kapitalmarkttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationsasymmetrien als Erklärungsansatz . . . . . . . . . . . . . bb) Weitere Formen von Marktunvollkommenheiten. . . . . . . . . . . . b) Underpricing und Börsenzyklen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zusammenfassung und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Preisfindungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Festpreisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bookbuilding-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorzüge und Schwächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Auktionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

484 485 487 489 492 492 492 494 498 500 501 502 502 503 503 504 506 507 507 508 510 512 512 513 514 515 516 517 519 520 522 522 523 524

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Inhaltsverzeichnis d) Möglichkeit der Verbesserung der Preisfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erhöhung der Bookbuilding-Spanne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wahl eines modifizierten Auktionsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung und Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schwierigkeiten von Preisfindung und Erwerberauswahl . . . . . . . . . . . . 2. Gefahren für die Aktionäre der Obergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft und Lösungsvorschläge des Schrifttums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ansätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Mitwirkungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz durch Hauptversammlungsteilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schwächen des Mitwirkungsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Aktienerwerbrechtsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz der Aktionäre durch Bezugsrecht und Erwerbsrecht . . . . . . b) Weitere Ansätze im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Weitere Ansätze zum Schutz durch ein Erwerbsrecht . . . . . . . . bb) Zuteilungsprivileg der Aktionäre der Obergesellschaft . . . . . . . c) Kritik am Aktienerwerbrechtsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Holzmüller“ und Bezugsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kritik an der rechtsdogmatischen Herleitung eines Vorerwerbsrechtes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausreichender Schutz durch Verbesserung des Preisfindungsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtspraktische Anwendungsschwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . ee) Kritik am Zuteilungsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schutz der Aktionäre nur als Anleger – Das Haftungsmodell. . . . . . . . II. Das Erwerbsrecht als Schutz der Aktionäre beim Börsengang . . . . . . . . . . 1. Aktienrechtliche Begründbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtssystematische Abstimmung eines Vorerwerbsrechts. . . . . . . . . . . a) Vorrang des Auktionsverfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit mit § 9 BörsZulV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Veräußerungen von Aktien und sonstiger Vermögensgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Praktische Realisierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vereinbarkeit mit dem Ziel marktgerechter Plazierung . . . . . . . . . . . b) Einzelfallabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wertgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt. . . . . . . . . . . . . . . I. Einordnung der Ergebnisse des Fünften Teils. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt(recht). . . . . . 2. Aktionärsschutz in Zeiten von Marktineffizienzen. . . . . . . . . . . . . . . . . .

527 527 527 529 529 531 532 533 533 533 534 534 535 536 536 536 537 538 539 540 541 541 542 544 544 547 547 547 548 549 549 551 551 552 553 553 553 554

Inhaltsverzeichnis

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3. Bedeutung verbandsrechtlicher Institute. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abgleich mit den Ergebnissen des Schutzes durch Haftung. . . . . . b) Einordnung haftungs- und verbandsrechtlicher Institute . . . . . . . . . 4. Vereinbarkeit mit der Sichtweise vom Publikumsaktionär. . . . . . . . . . . II. Folgerungen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

556 556 558 559 560

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 574 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 620

Abkürzungsverzeichnis a. A. bzw. A. A. abl. bzw. Abl. a. E. a. F. Allg Begr Begr BR-Drs. BT-Drs. EMH FraktE FS g. h. M. Harv. L. Rev. Hervorheb. i. Orig. Hervorheb. v. Verf. h. M. i. E. iSd. iSv. iVm. JoB JoF JoFE Kap. Lit. mwN. n. F. RegE Rspr. sog. str. u. a. v. ZfB zfbf

Abweichende Ansicht ablehnend am Ende alte Fassung Allgemeine Begründung Begründung Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Efficient Market Hypothesis, These von der Kapitalmarkteffizienz Fraktionsentwurf Festschrift ganz herrschende Meinung Harvard Law Review Hervorhebung im Original Hervorhebung vom Verfasser herrschende Meinung im Ergebnis im Sinne des bzw. der im Sinne von in Verbindung mit The Journal of Business The Journal of Finance Journal of Financial Economics Kapitel Literatur mit weiterem Nachwort neue Fassung Regierungsentwurf Rechtsprechung sogenannt strittig unter anderem vom Zeitschrift für Betriebswirtschaft Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung

Hinsichtlich der weiteren Abkürzungen wird verwiesen auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl., Berlin 2008.

Einführung In der Begründung zu einem jüngeren aktienrechtlichen Reformgesetz weist der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der neueren rechtstatsächlichen Entwicklungen darauf hin, daß es Schritte zur Behebung des aus dem „zunehmend breiten Streubesitz und einer fortschreitenden Internationalisierung der Aktionärsstruktur . . . [folgenden] grundlegenden Corporate Governance-Defizits . . . [bedarf]: Der mangelnden Eigentümerkontrolle.“1 Zugleich führt die Gesetzesbegründung zu den an das Vorstandshandeln zu stellenden Sorgfaltsanforderungen grundlegend aus: „Das Vorstandsmitglied muß bei seiner Entscheidung annehmen, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln. . . . Ein Handeln zum Wohl der Gesellschaft liegt jedenfalls dann vor, wenn es der langfristigen Ertragsstärkung und Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens und seiner Produkte oder Dienstleistungen dient. . . . Das Handeln muß dabei ferner unbeeinflußt von Interessenkonflikten, Fremdeinflüssen und ohne unmittelbaren Eigennutz sein.“ Ergänzend läßt sich eine Gesetzesbegründung aus dem Jahr 1884 heranziehen, in der es heißt: „Die Aktionäre stehen zu einander und zu dem Unternehmen in keiner persönlichen Beziehung, wollen eigene Thätigkeit nicht aufwenden, eine Verantwortlichkeit über den Umfang ihrer Einlage nicht tragen, möglichst hohe Dividenden beziehen und die Möglichkeit haben, sich in jedem Augenblick durch den Verkauf der Aktie von dem Unternehmen zurückzuziehen. . . . In den meisten Fällen werden die Generalversammlungen, auch soweit in ihnen der Wille der Aktionäre richtig zur Geltung gelangt, sich weniger von dem Interesse sachlicher Förderung des Unternehmens leiten lassen, als von dem durch die Rücksicht auf Dividenden, Kursstand und Verkäuflichkeit der Aktien bestimmten Interesse des Augenblicks. . . . Abgesehen davon ist es natürlich, daß die Verwaltung durch fremde Beamte nicht mit derjenigen Rastlosigkeit, Sparsamkeit und zugleich Fähigkeit erfolgt, welche bei eigenem Geschäftsbetrieb in der Person des Geschäftsherrn meist vereinigt sind. . . . Sei der einzelne Beamte aber auch noch so hervorragend, das Wesen der Aktiengesellschaft verträgt es nicht, daß dem Einzelnen alles überlassen werde, es erfordert Aufsicht und Mitwirkung Anderer, Rückfrage, Berathung, gemeinsame Verständigung. Bei der dadurch bedingten Schwerfällig1

Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.9.2005, BGBl. I S. 2802; hierzu Begr RegE zu § 93 Abs. 1 S. 2 und 3 sowie § 127a AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 11 und S. 15 (liSp.).

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Einführung

keit der Verwaltung kann daher die Aktiengesellschaft nicht immer die Gunst des Augenblicks für ihre Unternehmungen benutzen, noch kann sie mit der Schnelligkeit und Billigkeit des Einzelbetriebes arbeiten.“2 Diese als Obersatz der Untersuchung vorangestellten Ausführungen des Gesetzgebers zeigen das grundlegende Konfliktfeld in der Publikumsaktiengesellschaft deutlich auf. Tragen die Aktionäre einen Teil des Risikos des Unternehmens, so müssen sie auch an Unternehmensentscheidungen teilhaben.3 Wie schon in der älteren Gesetzesbegründung anklingt, findet die Teilhabe aber ihre Grenzen bei den beschränkten Interessen und Fähigkeiten der Aktionäre sowie der damit bedingten Schwerfälligkeit der Entscheidungsfindung. Das geringe Interesse der Aktionäre an der Mitwirkung bei unternehmerischen Fragen und die auf die Kapitalanlage beschränkte Beziehung zur AG sind mit einem Kontrollmangel der Geschäftsleitung durch die Eigentümer verbunden und führen zu einer Macht der Verwaltung bei Entscheidungen, die wegen des weiten rechtlichen Könnens die Gefahr der Überschreitung des rechtlichen Dürfens aufgrund von Interessenkonflikten und eigennützigem Streben mit sich bringen. Es handelt sich also um ein Grundsatzproblem, das den Gesetzgeber in einem der jüngsten aktienrechtlichen Reformgesetze ebenso beschäftigt hat wie bei der fast ein einviertel Jahrhunderte früher ergangenen Reform des Aktienrechts im Jahr 1884. Mag dieses Spannungsfeld für eine lange Zeit seit dem Inkrafttreten des AktG 1965 aufgrund der Beteiligung von Großaktionären an den deutschen Publikumsaktiengesellschaft und dem damit einhergehenden Mehrheits-/ Minderheitskonflikt von geringerer Relevanz gewesen sein, so entfaltet dieses durch die Veränderung der Beteiligungsstruktur dieser Gesellschaften aufgrund des Rückzugs der sog. „Deutschland-AG“ gerade in jüngerer Zeit besondere Bedeutung.4 Die Stellung des Aktionärs in der Publikumsgesellschaft, seine Rechte und sein Schutz in einem System, das der Geschäftsleitung den notwendigen unternehmerischen Entscheidungsfreiraum beläßt, zugleich aber sich nicht darüber hinwegsetzt, daß diese mit dem Geld der Aktionäre wirtschaftet, ist nach wie vor eines der Zentralprobleme des AktG. Mit der schnell zunehmenden Dichte kapitalmarktrechtlicher Vorschriften und den in der 2 Vgl. Allg Begr AktG 1884, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 412 f. 3 Dazu grundlegend Easterbrook/Fischel, Corporate Law, 1991, S. 66 ff. 4 Daß es sich hierbei um ein altes Problem handelt, zeigt das Erscheinungsjahr der grundlegenden Arbeit von Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932, die sich schon früh mit Problemen der Trennung von Eigentum und Kontrolle befaßt. Hierzu auch Wiedemann, GesR I, 1980, § 2 II 2b (S. 124 f.); und Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 110 ff. Zur Auflösung der „Deutschland-AG“ jüngst Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 58.

Einführung

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jüngeren Gesetzesbegründung betonten rechtstatsächlichen Entwicklungen, die noch näher zu betrachten sind, drängt sich die Frage auf, ob die Aktionäre nicht eher in ihrer Rolle als Kapitalanleger geschützt werden können und sollen. Eine Verdrängung oder Ersetzung des aktienrechtlichen Schutzes durch Mittel des Kapitalmarkt(recht)es setzt allerdings voraus, daß dieser Schutz den genannten Entscheidungsfreiraum beläßt, zugleich aber die Aktionäre ausreichend absichert. Die Arbeit will sich einem Teilbereich dieser Generationenfrage widmen, dem Schutz der Aktionäre beim Erwerb fremden Vermögens durch die Gewährung von Aktien ihrer Gesellschaft oder einer Tochtergesellschaft.

Erster Teil

Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms Die im Vorwort zitierten Gesetzesbegründungen, die als Eckpunkte der noch näher zu betrachtenden Gesetzesentwicklungen zu sehen sind, zeigen auf, daß seit jeher die Frage nach den Rechten der Aktionäre in der AG und das Verhältnis der Entscheidungsmacht der Hauptversammlung zur Geschäftsleitungskompetenz des Vorstandes Zentralprobleme des Aktienrechts sind. Dementsprechend befaßt sich auch der Gesetzgeber immer wieder mit diesem Spannungsfeld. Ausgangspunkt für eine Annäherung ist die Untersuchung der Rechtsstellung des Aktionärs, die hier im Hinblick auf die börsennotierte Publikumsaktiengesellschaft und die Rechte beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen an der unverbundenen AG und der Unternehmensgruppe erfolgen soll. Mit Blick auf die Kapitalmarktöffnung der börsennotierten AG stellen Aktien- und Kapitalmarktrecht in der unverbundenen AG als auch der Unternehmensgruppe den rechtlichen Rahmen dar. Die Arbeit wendet sich hierzu in ihrem Ersten Teil dem Verhältnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht und der Erfassung der Unternehmensgruppe in Wirtschafts- und Rechtswissenschaft zu.1 Dabei soll eine Annäherung an das Konzernphänomen unter Berücksichtigung der betriebswirtschaftlichen Sichtweise vom Konzern erfolgen,2 wobei Augenmerk auf das juristische Verständnis von Einheit und Vielheit im Konzern zu legen ist. Daneben ist eine knappe finanzwirtschaftliche Einordnung des Einsatzes von Aktien zum Erwerb fremden Vermögens in der Unternehmensgruppe zu unternehmen, bevor im Anschluß auf eine aktuelle Entwicklung im Schnittfeld dieser Rechtsbereiche einzugehen ist, den Börsengang einer Tochtergesellschaft. Nach der 1 Die Verwendung des Begriffs Unternehmensgruppe statt Konzern verweist darauf, daß die hier untersuchten Problemkreise nicht nur beim Konzern als der Zusammenfassung mehrerer Unternehmen unter einheitlicher Leitung iSd. § 18 Abs. 1 Abs. 1 AktG auftreten, sondern sich bereits bei gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen ohne einheitliche Leitung stellen können. Die Terminologie folgt Windbichler, in: GroßkommAktG, 1998, Vor § 15 Rn. 1, Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, und Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988. 2 Von „Konzernphänomen“ sprechen etwa K. Schmidt, in: FS Lutter, 2000, S. 1167, 1169, und M. R. Theisen, Konzern, 2000, N I 2 (S. 691).

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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Darstellung einiger Aspekte dieser Form des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen an der Unternehmensgruppe ist das Untersuchungsprogramm der Arbeit abzustecken.

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms Über lange Jahre verlief die Gesetzesentwicklung des AktG in stetigen Bahnen, nachdem der Gesetzgeber mit dem AktG 1965 das Aktienrecht umfassend neu ordnete und sich dabei zwei zentralen Herausforderungen des modernen Aktienrechts annahm: der Unternehmensgruppe und dem Kapitalmarkt.3 Die seitdem ruhiger verlaufende Gesetzesentwicklung hat seit dem letzten Jahrzehnt aber erheblich an Dynamik gewonnen.

I. Aktien- und Kapitalmarktrecht Die Frage nach dem Verhältnis des Aktien- zum Kapitalmarkt beschäftigt das juristische Schrifttum seit mehr als drei Jahrzehnten,4 hat aber vor allem aufgrund der jüngeren Gesetzes- und rechtstatsächlichen Entwicklungen nichts an Aktualität verloren.5 1. Gesetzes- und rechtstatsächliche Entwicklungen Aufgrund der Stetigkeit des AktG 1965 konnte die Gesetzesnovelle des Jahres 19946 noch als Ausreißer angesehen werden, bevor sich die aktiengesetzlichen Entwicklungen durch eine Vielzahl von Reformgesetzen in der letzten Dekade annähernd überschlagen, was im Schrifttum den Begriff der Reform in Permanenz prägte.7 Der Bruch in der Rechtsentwicklung ist im 3

Vgl. Kropff, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 16. Kap. Rn. 53 ff. (S. 697), der neben anderen Reformanliegen die „Wiederherstellung und Stärkung der Funktion der Aktiengesellschaft für den Kapitalmarkt“ und die „Wirtschaftliche Konzentration“ nennt. 4 Vgl. bereits Hopt, ZHR 140 (1977), 389 ff. 5 So widmete sich etwa der 64. Deutsche Juristentag im Jahr 2002 dem Thema Anlegerschutz; siehe hierzu die Referate von Merkt und Fleischer, Gutachten 64. DJT, 2002, Teilgutachten F und G. Bayer untersuchte für den 67. Deutschen Juristentag im Jahr 2008 die Frage „Empfehlen sich besondere Regelungen für börsennotierte und geschlossene Gesellschaften?“. 6 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994, BGBl. I S. 1961. 7 So die mit einem Fragezeichen versehenen Titel der Aufsätze von Zöllner, AG 1994, 336 ff., und Seibert, AG 2002, 417 ff. Siehe auch den Titel des Aufsatzes von Noack, NZG 2008, 441 ff.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

Bereich des Kapitalmarktrechts noch deutlicher, da das Inkrafttreten grundlegender Kapitalmarktgesetze teils über einhundert Jahre auseinanderliegt.8 Nachdem der Gesetzgeber im ausgehenden 19. Jahrhundert weitschauend schon einige Gesetze zum Schutz der Anleger und zur Ordnung des Börsenwesens schuf,9 wurde ein beträchtlicher Teil weiterer wichtige Gesetze in diesem Bereich wie etwa WpHG und WpÜG erst in den letzten Jahren erlassen und bestehende Gesetze ausgebaut,10 so daß die Normendichte des Kapitalmarktrechts in den letzten Jahren erheblich zugenommen hat. Es kann daher auch von einer Kapitalmarktreform in Permanenz gesprochen werden.11 Dementsprechend blieb die deutsche Aktienrechtsentwicklung lange Zeit auf das Gesellschaftsrecht fixiert. Erst in jüngerer Zeit werden auch im Aktienrecht die aktien- und kapitalmarktrechtliche Betrachtung vereint.12 Die zunehmende Dichte kapitalmarktrechtlicher Vorschriften führt zu Überschneidungen mit dem Regelungsbereich gesellschaftsrechtlicher Normen, zu Überlagerungen und teilweise zur Verdrängung aktiengesetzlicher Institute durch Schutzmechanismen des Kapitalmarktrechts.13 Dies gab dem Gesetzgeber an einzelnen Stellen wie etwa im Bereich der Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten bei Veränderungen der Beteiligung an der AG, §§ 20 f. AktG, §§ 21 ff. WpHG, Anlaß, das Verhältnis der Normen zu bestimmen, vgl. §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 5 AktG. Die geradezu sprunghaft wachsende Bedeutung des Kapitalmarktrechts wirft aber weitergehend die Frage nach dem Verhältnis der beiden Regelungsbereiche im allgemeinen auf.14 Dementspre8 Zu den nachfolgend genannten Gesetzen als Regelungen im Bereich des Kapitalmarktrechts siehe etwa den von Schwark herausgegebenen „Kapitalmarktrechtskommentar“, 2004. 9 Siehe etwa das Börsengesetz (BörsG) v. 22.6.1886, RGBl. I S. 157, und das Gesetz betreffend die gemeinsamen Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen v. 4.12.1899, RGBl. III S. 51. 10 Siehe etwa Art. 1 des Gesetzes über den Wertpapierhandel und zur Änderung börsenrechtlicher und wertpapierrechtlicher Vorschriften (Zweites Finanzmarktförderungsgesetz) v. 26.7.1994, BGBl. I S. 1749, zur Einführung des WpHG; zum WpÜG siehe Art. 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) v. 20.12.2001, BGBl. I S. 3822. 11 So der Titel des Aufsatzes von Spindler zum Anlegerschutzverbesserungsgesetz, NJW 2004, 3449 ff. 12 So Hopt, in: FS BGH II, 2000, S. 497, 540; siehe auch Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 I 3 (S. 462). 13 Dazu Fleischer, ZIP 2006, 451, 456 (liSp.): „Wo immer sich zwei Rechtsgebiete überlappen, gibt es Regelungsredundanzen, Zieldivergenzen, Funktionsäquivalenzen, Norminterdependenzen, Mitwirkungsingerenzen und Wertungsinferenzen, in einem Wort: Abstimmungsbedarf.“ 14 Dazu Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 383. Die zitierten Regelungen zählen zu den wenigen „kapitalmarktorientierten Vorschriften“ des AktG 1965; dazu Windbichler, in: GroßkommAktG, 1998, § 20 Rn. 4.

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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chend befaßte sich auch der 67. Deutsche Juristentag mit der Frage einer weiteren Ausdifferenzierung des Aktienrechts abhängig von der Börsennotierung der AG.15 Die Entwicklungen auf rechtlicher Ebene verlaufen parallel mit den tatsächlichen Entwicklungen der AG.16 Letztere werden deutlich bei einem Vergleich der Anzahl von Aktiengesellschaften, die im Jahre 1924 ihren vorläufigen Höhepunkt erreicht hatte. Nach beständigem Rückgang der Zahlen und der Diskussion um die vielbeschworene Krise der AG ist die Gesellschaftsanzahl in den letzten Jahren wieder erheblich angestiegen und hat annähernd wieder den Stand von 1924 erreicht.17 Grundkapital und Aktionärszahlen der großen börsennotierten Publikumsaktiengesellschaften haben sich deutlich vergrößert,18 wobei neben deutschen Anlegern zunehmend mehr ausländische Investoren ihr Kapital in Aktien deutscher Gesellschaften anlegen.19 Neben der Zunahme börsennotierter AG haben sich auch die Emissionsvolumina erheblich gesteigert, was etwa bei Aktienemissionen eine internationale Plazierung der Aktien in verschiedenen Ländern erfordert. Die Aktionärsstruktur hat sich insofern verändert, als die Aktien der großen börsennotierten Gesellschaften deutlich breiter gestreut sind und viele Anleger ihr Portfolio in kürzerer Zeit umschich15 Siehe dazu das Gutachten von Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008; sowie hierzu Richter, ZHR 172 (2008), 419 ff.; Schäfer, NJW 2008, 2536 ff.; Spindler, AG 2008, 598 ff.; Windbichler, JZ 2008, 840 ff. 16 So spricht Hommelhoff, in: FS Lutter, 2000, S. 95, 99, von einer Revolution auf den Kapitalmärkten. 17 Nach Kropff, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 16. Kap. Rn. 9 (S. 685), war der Höhepunkt im Jahr 1924 mit 17.074 Aktiengesellschaften erreicht. Das DAI, Factbook, 2007, 01-1, nennt 14.953 AG und KGaA im Juli 2007; eine ähnliche Zahl findet sich bei Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 19. Zur „Krise der AG“ Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 291 ff., und zur gesteigerten Attraktivität dieser Rechtsform seit den neunziger Jahren Bayer, aaO, S. 19 f.; Kort in: GroßkommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 32. 18 Nachfolgend auch Publikums-AG genannt. Unter Publikums-AG zu verstehen sind Großunternehmen in der Rechtsform der AG mit breit gestreutem Anteilsbesitz; dazu Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 144. Nach Jung, Unternehmergesellschafter, 2003, S. 118 mwN., ist die Publikumsgesellschaft charakterisiert durch die Beschränkung von Möglichkeit und Willen zur Einwirkung durch den einzelnen Gesellschafter, die daraus regelmäßig folgende Verselbständigung der Verwaltung gegenüber den Gesellschaftern sowie deren Kontrolle durch Kreditgeber, Depotstimmrechtsinhaber und institutionelle Anleger. Gemäß dem DAI, Factbook, 2007, 08-3 Zahl D, hat sich die Anzahl der Aktionäre (im Alter über 14 Jahre) von 3,192 Mio. im Jahr 1988 auf 4,047 Mio. im Januar 2007 erhöht. Zur Entwicklung des gezeichneten Kapitals Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 1. Kap. Rn. 3 (S. 5). 19 Dazu Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/259a (S. 10/165). Zu Statistiken zum DAX 30 siehe unten S. 128 ff.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

ten.20 Damit einhergehend wird im Schrifttum verstärkt der Ruf laut, den (Klein-)Aktionär eher als Anleger denn als Verbandsmitglied zu sehen. 2. Der Aktionär zwischen Aktien- und Kapitalmarktrecht Nachdem nachfolgend ein erster Blick auf die grundlegend unterschiedlichen Sichtweisen des Verhältnisses von Aktien- und Kapitalmarktrecht im Hinblick auf die Rechtsstellung des Aktionärs zu werfen ist, sollen der Regelungsgegenstand und die Schutzrichtungen von Aktien- und Kapitalmarktrecht knapp beleuchtet werden. a) Ansichten im Schrifttum zum Verhältnis von Aktienund Kapitalmarktrecht Mit der zunehmenden Regelungsdichte des Kapitalmarktrechts, der gewachsenen Bedeutung der Kapitalmärkte für die Finanzierung der Unternehmen und ihrer Ausrichtung auf internationale Anleger verschärft sich die Frage, ob nicht entsprechend der von Assmann schon zu Beginn der letzten Dekade vertretenen Konzeption dem Verbandsrecht gegenüber dem Kapitalmarktrecht lediglich eine dienende Funktion zuzuschreiben ist.21 Der Diskussion liegen unterschiedliche Auffassungen des Verhältnisses des Aktien- zum Kapitalmarktrecht und Folgerungen für den Aktionärsschutz zugrunde, die Merkt mit den Begriffen Ersetzungs- und Ergänzungsmodell charakterisiert hat.22 Demgemäß soll der Schutz des Aktionärs – kapitalmarktrechtlich als Anleger und verbandsrechtlich als Gesellschafter – im ersten Fall mit einem stark ausgebauten Kapitalmarktrecht und einem weitgehend dispositiven Gesellschaftsrecht, im zweiten Fall durch zwingendes Gesellschaftsrecht und in Ergänzung durch kapitalmarktrechtliche Vorschriften verfolgt werden.23 Das Ersetzungsmodell lehnt sich an die US-amerikanische Rechtsentwicklung an, die den Schutz des Aktionärs vorrangig durch kapitalmarktstatt gesellschaftsrechtliche Mittel erreichen will.24 Es geht also darum, 20

Zur Streuung der Aktien und dem Umschichtungsverhalten der Anleger siehe Begr RegE UMAG zu §§ 147, 148 AktG, BT-Drs.15/5092, S. 21, und näher S. 128 ff. 21 Näher zur Konzeption von Assmann unten S. 94 ff. Zur veränderten Finanzierungspraxis der Unternehmen Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.3 (S. 1238), und zur Ausrichtung auf anlagesuchende Gelder aus dem Ausland Allg Begr RegE KonTraG im Zweiten Teil bei Fn. 185. 22 Merkt, AG 2003, 126, 127 ff. 23 Siehe zu diesen Systemen speziell zu Fragen der Corporate Governance Merkt, AG 2003, 126, 127 ff., und Assmann, in: FS Kümpel, 2003, S. 1, 2 ff. 24 Deutlich Romano, Corporate Law, 1993, Kapitel 5 (S. 112): „The federal securities laws are mandatory supplements to state corporation codes and, partly by de-

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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zwingendes Aktienrecht durch Kapitalmarktrecht zu ersetzen.25 Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß das überkommene deutsche Aktienrecht aufgrund seiner Regelungsdichte und mangels Flexibilität im internationalen Vergleich chancenlos sei.26 Der Anlegerschutz soll dabei neben dem Marktentscheid der Anleger und einer damit möglichen Abstrafung etwa des Managements durch den Kapitalmarkt durch eine Haftung erreicht werden, die ihre Grundlage in fiduziarischen Treupflichten hat.27 Nach dem Ergänzungsmodell können die Schutzrichtungen von Aktienund Kapitalmarktrecht, auch wenn der aktienrechtliche Schutz des Aktionärs und der kapitalmarktrechtliche Schutz des Anlegers sich in Teilbereichen überschneiden würden, zumindest nach der lex lata nicht deckungsgleich sein.28 Das Kapitalmarktrecht stelle auf den Aktionär in seiner Eigenschaft als Investor ab, während für das Aktienrecht die mitgliedschaftliche Rechtsstellung Ausgangspunkt aller Betrachtungen sei.29 Das Aktienrecht diene dabei auch dem Anlegerschutz, da die Aktionäre durch entsprechende Regelungen davor geschützt würden, nach Eingehung der Finanzierungsbeziehung mit der AG im Hinblick auf ihr Investment und dessen Rendite enttäuscht zu werden.30 Kapitalmarktrechtliche Normen und Institute seien daher als Ergänzung und Anreicherung, partiell auch als Überlagerung des geltenden Aktienrechts zu verstehen.31 fault, have largely replaced state control“. Die Rechtsentwicklung in den USA ist geprägt durch die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Kapitalmarkt- und der Einzelstaaten für das Gesellschaftsrecht; dazu Spindler, AG 2008, 598, 601 (liSp.); Assmann, in: FS Kümpel, 2003, S. 1, 3 ff. Zum Verhältnis von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht in den USA siehe Romano, aaO, Kapitel 1 (S. 1 ff.) und 5 (S. 85 ff.). Zu den Auswirkungen auf das deutsche Aktienrecht Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105 ff. 25 So in der Bewertung Merkt, AG 2003, 126, 129; siehe auch Möllers, ZGR 1997, 334, 335. 26 Pointiert Kübler, AG 1994, 141, 146, wonach das deutsche Aktienrecht sich noch auf dem Stand befinde, den das US-amerikanische Recht vor hundert Jahren eingenommen habe. Ähnlich Assmann, in: FS Kümpel, 2003, S. 1, 3 f. 27 Dazu Assmann, in: FS Kümpel, 2003, S. 1, 10; hierzu auch Grundmann, Treuhandvertrag, 1997, § 11 (S. 421 ff.)., und aus US-amerikanischer Sicht Romano, Corporate Law, 1993, Kapitel 5 (S. 113), zu den „fiduciary duties“ und dem „replacement of state corporate law“ durch das „securities law“. 28 Bayer, ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 140; siehe auch ders., Gutachten 67. DJT, 2008, S. 100 ff. (de lege ferenda). 29 Siehe Bayer, ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 139, und ders., Gutachten 67. DJT, S. 59: „mitgliedschaftliche Rechtsstellung des Aktionärs . . . de lege lata auch in der börsennotierten AG nicht grundsätzlich in Frage gestellt . . .“. 30 Hirte, ZGR-SH 13, 1998, S. 61, 82. 31 Bayer, ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 140; siehe auch ders., Gutachten 67. DJT, 2008, S. 9, 58 ff.; Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 769 f.; Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363 ff.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

b) Schutzrichtungen des Aktien- und des Kapitalmarktrechts Die Kontroverse über das Verständnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht im Hinblick auf die Rechtsstellung des Aktionärs korreliert mit der Frage nach dem Verhältnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht. Traditionelles Regelungsobjekt des Aktienrechts ist die Verbandsordnung einerseits und die Ordnung des verbandseigenen Sondervermögens andererseits,32 Regelungsaufgabe die verbandsorientierte Abstimmung der an der Zweckverfolgung privater wirtschaftlicher Zweckverbände beteiligten Interessen.33 Das Gesellschaftsrecht kann also als Recht der Verbandsverfassung beschrieben werden, das Struktur, Organisations- und Verhaltensnormen im Verband umfaßt.34 Das Aktienrecht dient dabei wie das übrige Gesellschaftsrecht einem vielseitigen Schutzspektrum, insbesondere dem Schutz der Gesellschafter durch Minderheitenschutz und Kontrolle der Unternehmensleitung.35 Regelungsziel ist, wie der Gesetzgeber schon im AktG 1965 angelegt und in den noch näher zu betrachtenden Reformgesetzen betont hat, die Kapitalsammelfunktion und die Steigerung der Attraktivität der Aktie als Anlageform, was auch durch einen verbesserten Anlegerschutz erreicht werden soll. Es erfüllt diese Funktionen insbesondere durch zwingendes Organisationsrecht, zwingende prozedurale Regelungen, verbandsrechtliche Rechte und zivilrechtliche Ansprüche der Beteiligten untereinander.36 Das Kapitalmarktrecht entstand vor dem Hintergrund der Diskussion über den Anlegerschutz37 und befaßt sich mit den Funktionsbedingungen und Vorschriften des Marktes, auf dem mitgliedschaftliche und obligatorische Kapitalanlagen gehandelt werden,38 um die Funktionsfähigkeit dieses 32

Wiedemann, GesR I, 1980, § 1 II 1 (S. 16 ff.) und § 7 III 2b (S. 389 ff.); siehe auch Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1090. 33 So Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 356; ähnlich Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1090. 34 Hopt, ZHR 140 (1977), 389, 390; Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1090; ähnlich Kübler, SZW 1995, 223, 225 (liSp.). 35 Die einzelnen Schutzrichtungen zusammenfassend Grunewald, GesR, 1999, S. 407, 411. 36 So Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1536; siehe auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 1 ff. 37 Ausführlich zur historischen Entwicklung des Kapitalmarktrechts, das traditionell in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern stark unterentwickelt war, Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2007, § 1 Rn. 21 ff., und ders./Schneider, WpHG, 2006, Einl. Rn. 2 ff.; Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 4 ff. (S. 155 ff.); Hopt, in: FS BGH II, 2000, S. 497, 498 ff. 38 Zum Begriff des Kapitalmarktrechts und den (früheren) Schwierigkeiten dessen Definition Hopt, in: FS BGH II, 2000, S. 497, 498 ff.; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 352 ff., ders./Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 22,

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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Marktsegmentes zu gewährleisten.39 Regelungsobjekt ist der Markt, auf dem „Kapital“ oder „Kapitalanlagen“ angeboten und nachgefragt werden.40 Vorrangige Regelungsaufgabe ist die rechtliche Sicherung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und die hierfür notwendige Gewährleistung des Anlegerschutzes.41 Neben der Gewährleistung von institutioneller und operationeller Funktionsfähigkeit ist die Sicherung der allokativen Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes, also der Verteilung anlagebereiten Kapitals auf die Unternehmen bzw. Branchen, die unter marktrationalen Aspekten für die Anlage am attraktivsten sind, von besonderer Bedeutung.42 Dies soll durch eine optimale ex ante-Anlegerentscheidung und mittels einer Umschichtung des angelegte Kapitals ex post durch eine allokativ effiziente Verteilung der emittierten Titel und Anlageformen zwischen den Anlegern erreicht werden.43 Das Funktionieren der Kapitalmärkte erfordert das Vertrauen des Anlegers und setzt damit einen seinen Interessen dienenden Anlegerschutz voraus. Daher ist die Sicherstellung des Vertrauens der Anleger in die „gute Ordnung der Kapitalmärkte“ aufgrund standardisierte und gleiund aaO, 2007, § 1 Rn. 3 f.; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, 8.32 (S. 1245) und 8.124 (S. 1279), und ders./Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Stand 5/04, Kennz. 050 Rn. 14; siehe auch Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, Bd. I, 2005, § 1 Rn. 1, 12 ff.; Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 4; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 59. 39 Vgl. Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 362 mwN.; Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Stand 5/04, Kennz. 050 Rn. 7 (S. 8) (vorrangiges Regelungsziel); Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 4. Am Kapitalmarkt agierende Gesellschaften sind nicht nur börsennotierte Gesellschaften iSd. § 3 Abs. 2 AktG, sondern etwa auch Gesellschaften, deren Anteile im sog. Freiverkehr iSd. § 48 BörsG gehandelt werden; dazu näher unten Fn. 313 im Zweiten Teil. 40 So schon Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1091; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 354; siehe auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.32 ff. (S. 1245 ff.); Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 4; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 59. 41 Dazu Brunski, in: BankR-HdB, 2007, Vor § 104 Rn. 85 ff.; Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 4; Schwark/Schwark KMRK, 2004, Vorwort V; Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Stand 5/04, Kennz. 050 Rn. 29 (S. 14), und ders., Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 30 (S. 30); Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 356. 42 Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 4 und 14 ff.; Assmann/Schneider/Koller, WpHG, 2006, Vor § 31 Rn. 9 ff.; Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Stand 5/04, Kennz. 050 Rn. 35 ff. (S. 15 ff.), und ders./Veil, WpHG, 2006, S. 21 ff.; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 358; Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1091. 43 Hierzu Hansmann/Kraakman, in: Anatomy of Corporate Law, 2004, Kap. 2.23 (S. 27 ff.), Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 II 2b cc (S. 469); Möllers, ZGR 1997, 333, 340; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 358, und ders./ Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 24; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 59. Siehe auch Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 4.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

che Wettbewerbsbedingungen schaffender Verhaltenspflichten bei Emission und Vertrieb von Kapitalanlagen besonders wichtig.44 Etwa das Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes stellt die Bedeutung des Anlegerschutzes heraus.45 Mit dem Anlegerschutz sollen die institutionellen Voraussetzungen gewährleistet werden, die Bedingung der Möglichkeit rationaler Anlageentscheidungen sind und von den Marktteilnehmern, insbesondere aber den Anlegern selbst nicht oder nicht in hinreichenden Maße geschaffen werden können.46 Dabei ist umstritten, ob die anlegerschützende Wirkung der Normen vornehmlich der Gesamtheit der Anleger und damit dem Funktionenschutz des Kapitalmarktes oder überdies auch dem Schutz des Individualinteresses der Anleger dient.47 Für den Schutz des Anlegers entscheidend ist ein Höchstmaß an Information, wobei strukturbedingt der Anleger typischerweise geringere Kenntnis von der Anlage hat als das Unternehmen, das die Anlagemöglichkeit anbietet. Der Abbau von Informationsasymmetrien ist folglich eine zentrale Aufgabe des Kapitalmarktrechts, da die informierte und rationale Anlageentscheidung entscheidende Grundlage für die allokative Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist.48 Vorrangige Regelungsziele 44 Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1092; siehe dazu auch Begr RegE Zweites Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drs. 12/6679, S. 33 (reSp.): „Für die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte ist das Vertrauen der Anleger von entscheidender Bedeutung. . . . Da Insidergeschäfte für bestimmte Anleger mit Vorteilen gegenüber anderen Anlegern verbunden ist, gefährden sie dieses Vertrauen und beeinträchtigen somit das reibungslose Funktionieren des Marktes.“ Siehe weiter Begr RegE UMAG im Zweiten Teil bei Fn. 213. Vgl. auch Assmann, ZBB 1989, 49, 58. 45 Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes (Anlegerschutzverbesserungsgesetz – AnSVG) v. 28.10.2004, BGBl. I S. 2630. 46 So schon Assmann, ZBB 1989, 49 ff., und ders./Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 63. 47 Mit der Entwicklung des Kapitalmarktrechts verschiebt sich das Verhältnis der Stimmen, die eine individualschützende Dimension des Kapitalmarktrechts befürworten bzw. ablehnen. Vgl. zum überindividuellen Anlegerschutz Assmann, ZBB 1989, 49, 61 ff., ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 357 ff., 364 ff., und ders./Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 14; Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Stand 5/04, Kennz. 050 Rn. 63 ff. (S. 24), ders., Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 59 ff. (S. 42 ff.), und ders./Veil, WpHG, 2006, S. 25 ff.; und zum Schutz individueller Anleger durch das Kapitalmarktrecht Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 89 ff., 413 ff., und ders., ZHR 141 (1977), 389, 429 und 431; Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1092, ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1531, und Schwark/ders., KMRK, 2004, Vorwort, V; Möllers, ZGR 1997, 333, 335 und 337; Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, Bd. I, 2005, § 1 Rn. 18; Assmann/ Schneider/Koller, WpHG, 2006, Vor § 31 Rn. 11, 17 ff. mwN.; Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 11 ff.; Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 2 (S. 154); MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 59 f. Siehe auch Grundmann, in: Ebenroth/Boujong/Joost, BankR VI, 2001, Rn. 185, wonach es dem WpHG sogar ausschließlich um auf den individuellen Anleger bezogenen Schutz geht. Zur Terminologie Kübler, AG 1977, 85, 87.

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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des Kapitalmarktrechts sind damit der Funktionenschutz, also die Gewährleistung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes, und der Schutz der Anleger.49 3. Der Aktionär der börsennotierten AG In diesem Spannungsfeld steht der Aktionär der börsennotierten AG, die zum Kapitalmarkt hin geöffnet ist und deren Anteile dort gehandelt werden. Der Gesetzgeber hat diese Besonderheit in der Realstruktur zum Anlaß genommen, Sonderregelungen für die börsennotierte AG im Sinne des § 3 Abs. 2 AktG zu statuieren, die mit den jüngeren aktienrechtlichen Gesetzesreformen weiter ausgebaut wurden.50 Die zunehmende Anzahl von aktiengesetzlichen Vorschriften soll den Auswirkungen der Kapitalmarktöffnung der AG und den Besonderheiten der Aktionärsstruktur aufgrund des Handels der Anteile an der Börse Rechnung tragen. Auf die damit zu formulierende Problemstellung, ob der in eine solche Gesellschaft investierende Aktionär noch als Verbandsmitglied oder eher als Kapitalanleger zu sehen ist, ist im Zweiten Teil noch näher einzugehen.

II. Konzernrecht und Konzernwirklichkeit Der Konzern ist „die vom Recht geprägte angemessene Organisationsform für größere Wirtschaftseinheiten mit dezentral operierenden Gliedern“,51 „eine der ganz großen ‚juristischen Erfindungen‘ der Wirtschafts48

Zur Bedeutung der Information schon Miller/Modigliani, 34 JoB 411, 412 (1961): „In ‚perfect capital markets‘ . . . [a]ll traders have equal and costless access to information about the ruling price and about all other relevant characteristics of shares . . .“. Siehe auch Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 4; Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 62. Einfachgesetzliche Umsetzungen finden sich etwa in § 161 AktG, § 32 Abs. 3 Nr. 2 BörsG und § 5 Abs. 1 WpPG, §§ 15 ff., §§ 21 ff. WpHG sowie §§ 3 Abs. 2, 10 f., § 27 WpÜG. 49 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.388 ff. (S. 1356 f.), und ders., in: Kümpel/Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Lfg. 2/00, Kennz. 050 Rn. 5 (S. 7); Hopt, ZHR 159 (1995), 135, 159 f. Eingehend Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 357 ff. 50 Der Begriff Realstruktur stammt, soweit ersichtlich, von Lutter, AcP 180 (1980), 84, 105 ff. Wird nachfolgend von börsennotierter AG gesprochen, ist, sofern nicht anders aufgeführt, darunter eine solche iSd. § 3 Abs. 2 AktG zu verstehen. Sofern neben Aktiengesellschaften, deren Aktien für den Handel an einem regulierten Markt, also einer Börse im Sinne des BörsG zugelassen sind, auch solche Aktiengesellschaften zu verstehen sind, deren Aktien im Freiverkehr, § 48 BörsG, oder an EU-ausländischen Börsen gehandelt werden, wird hierauf gesondert verwiesen. Zu den aktiengesetzlichen Reformgesetzen näher unten S. 108 ff. 51 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. VII.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

praxis“52 und „heute die wichtigste rechtliche Organisationsform für große und mittlere Unternehmen“.53 Diese etwa 20 Jahre zurückliegenden Äußerungen sind nach wie vor aktuell, da vielfältige Motive Grund einer zunehmenden Konzernbildung sind. Ein Großteil der Aktiengesellschaften und des in ihnen gebundenen Kapitals ist daher konzernverbunden und der Konzern stellt die normale Organisationsform zweier oder mehrerer Unternehmen dar, so daß Konzerne eine erhebliche Breite und Tiefe erreicht haben.54 Einige der vielfältigen wirtschaftlichen Formen der Konzernbildung sind der Erwerb eines bestehenden Unternehmens oder einer Mehrheitsbeteiligung hieran, die Ausgliederung von Unternehmensteilen, Neugründung von Tochterunternehmen oder der Zusammenschluß mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung.55 Die Kapitalverflechtung mit oder ohne Beherrschungsvertrag ist der häufigste Sachverhalt, der eine einheitliche Führung betriebswirtschaftlich rechtfertigt.56 Für die Ausübung der Geschäftstätigkeit nicht in einem einheitlichen Unternehmen, sondern mittels mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen lassen sich insbesondere Nutzung und Absicherung von Marktchancen, die Beschaffung zusätzlicher Ressourcen und eine verbesserte Steuerung der betrieblichen Abläufe nennen. Theisen faßt dies zusammen als Nutzung von Synergieeffekten, Ablösung leistungsschwacher Manager, Verbesserung der Wettbewerbsposition, Managerinteressen, Realisierung von Umverteilungsgewinnen, Unterbewertung der übernommenen Gesellschaft und Nutzung der Vorteile aus der rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen Unternehmen.57 Der Begriff des Konzerns ist eine Schöpfung der Wirtschaftspraxis, die über die betriebswirtschaftliche und wirtschaftsrechtliche Literatur Eingang in die Gesetzessprache gefunden hat.58 Hierauf baut die Terminologie des AktG 1965 im Rahmen des Begriffs der einheitlichen Leitung nach § 18 Abs. 1 S. 1 AktG auf, wie die Gesetzesmaterialien zeigen, da der Gesetzgeber die fehlende gesetzliche Definition einheitlicher Leitung ausdrücklich 52

U. H. Schneider, BB 1986, 1993, 1993 (liSp.). U. H. Schneider, in: GesR der Konzerne, 1991, S. 563. 54 Nach M. R. Theisen, Konzern, 2000, A III (S. 21), sind 90% der deutschen AG zu einem Konzern verbunden oder stehen in einer konzernähnlichen Verbindung mit weiteren Gesellschaften; vgl. auch Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 1 II 1 (S. 3 f.); MünchKommAktG/Altmeppen, 2000, Einl. §§ 291 ff. Rn. 19; sowie Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 674 ff. 55 Hierzu Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 1 Rn. 1.3 (S. 3 f.). 56 Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 1 Rn. 1.1 (S. 3). 57 M. R. Theisen, Konzern, 2000, C (S. 91 ff.); siehe auch Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 1 Rn. 1.4 f. (S. 4 f.). 58 Dazu Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, § 18 Rn. 16. 53

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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durch einen Hinweis auf die Konzernwirklichkeit ersetzt hat.59 Anzusetzen ist daher bei dem Verständnis der Wirtschaftswissenschaft vom Konzern und der betriebswirtschaftlichen Konzernwirklichkeit, die Grundlage der rechtlichen Konzernbetrachtung ist.60 1. Betriebswirtschaftliche Erfassung und Wirklichkeit des Konzerns Werden rechtlich selbständige Unternehmen aufgrund rechtlicher oder faktischer Verhältnisse nach einem einheitlichen Zielsystem geführt, entsteht ein Konzern, der sich als Zusammenfassung zweier oder mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen zu einem wirtschaftlichen Zweck unter einheitlicher Leitung verstehen läßt.61 In der betriebswirtschaftlichen Literatur steht die wirtschaftliche Planungs- und Entscheidungseinheit mehrerer Unternehmen als Definitionskriterium des Konzerns im Vordergrund. Der Konzern wird als Organisationsform der „Konzernunternehmung“ angesehen, also vornehmlich als einheitliches Unternehmen betrachtet, in dem die unternehmerische Planung ohne Rücksicht auf die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzernglieder für den gesamten Konzern und nicht gesondert für die Konzerngesellschaften erfolgt.62 So ist Ausgangspunkt der meisten betriebswirtschaftlichen Definitionen die wirtschaftliche Autonomie des Konzerns als Ganzes und nicht der einzelnen Konzerngesellschaften sowie das Zusammenwirken der einzelnen Einheiten und die damit verbundene Einflußnahme.63 Dementsprechend wird angeführt, daß eine Konzernunternehmung „eine autonome Entscheidungs- und Handlungseinheit [ist], die mehrere juristisch selbständige wie unselbständige Unternehmen und Betriebe umfasst, die als wirtschaftliche Einheit in personeller, institutioneller und/oder funktioneller Hinsicht zeitlich befristet oder auf Dauer im Rahmen entsprechender Planungen ein gemeinsames wirtschaftliches Ziel verfolgen.“64 Die wirtschaftliche Organisationseinheit Konzernunternehmung unterscheidet nicht konstruktionsbedingt zwischen den einzelnen Ebenen des 59

So Begr RegE zu § 18 AktG 1965 bei Kropff, AktG, 1965, S. 33. So M. R. Theisen, Konzern, 2000, N II (S. 696). 61 Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 1 Rn. 1.1 (S. 3). 62 M. R. Theisen, Konzern, 2000, E (S. 199 ff.) und F (S. 259 ff.); dazu auch Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 4 II 1 (S. 56), sowie ders./Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 18 Rn. 5. 63 So M. R. Theisen, Konzern, 2000, A II 1 (S. 17); siehe auch Lutter/Scheffler/ U. H. Schneider, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 1 Rn. 1.2 (S. 3). 64 M. R. Theisen, Konzern, 2000, A II 1 (S. 18). 60

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

Konzerns und den jeweils relevanten gemeinsamen und unterschiedlichen Interessen.65 Ohne Bedeutung ist nach Stimmen im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum auch die Art der Institution, die eine wirtschaftliche Einheit schafft.66 Dementsprechend problematisch sind für die Betriebswirtschaft die rechtliche Selbständigkeit dieser wirtschaftlich einheitlich handelnden Konzernbestandteile, für die Rechtswissenschaft hingegen die wirtschaftlichen Verbindungen der rechtlich und damit formal selbständigen Konzernbestandteile.67 Der wirtschaftlichen Sichtweise von der planerischwirtschaftlichen Einheit des Konzerns und der Organisationsform einer Konzernunternehmung stehen daher die rechtliche Vielfalt und der juristische Konzernbegriff entgegen.68 2. Die rechtswissenschaftliche Erfassung des Konzerns Die Rechtsordnung erkennt, daß die einzelnen Konzernunternehmen nicht wie konzernfreie Unternehmen handeln und die Einbindung in einen Konzern zu weitgehenden tatsächlichen und rechtlichen Veränderungen der Zuständigkeits- und Haftungsordnung der Konzernunternehmen und der Stellung der Gesellschafter und der Gläubiger führt.69 Der Konzern besteht allerdings nach herkömmlicher Auffassung im juristischen Schrifttum aus zwei oder mehr rechtlich selbständigen Unternehmen, die zwar unter einheitlicher Leitung zusammengefaßt, aber nur die einzelnen Konzernunternehmen selbst Träger von Rechten und Pflichten sind.70 Zentrale Diskussionspunkte sind daher das Verständnis des Konzerns und des Konzernrechts und das Regelungsbedürfnis im Spannungsverhältnis von funktionaler Einheit und rechtlicher Vielheit.71 a) Ausgangssituation und Begriffsklärung Das „Konzernrecht“, in den §§ 15 ff. AktG als Recht der „verbundenen Unternehmen“ bezeichnet, handelt vom Recht der organisationsrechtlich 65

M. R. Theisen, Konzern, 2000, N II (S. 699). M. R. Theisen, Konzern, 2000, D I 3 (S. 145 ff.) mwN.; Raupach, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 327 ff. 67 Dazu M. R. Theisen, Konzern, 2000, N II (S. 700). 68 So Lutter/Trölitzsch, in: Holding-HdB, 2004, § 7 Rn. 2 (S. 269). 69 So Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 1 Rn. 1.30 (S. 13). 70 K. Schmidt, in: FS Lutter, 2000, S. 1167, 1170 ff.; Lutter/Scheffler/U. H. Schneider, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 1 Rn. 1.28 (S. 12). Siehe auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 18 Rn. 6. 71 Dazu Drexl, ZHR 161 (1997), 491, 493. 66

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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verbundenen Rechtsträger.72 Dabei ist konstitutives Element des Konzerns die einheitliche Leitung im Sinne des § 18 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 AktG, die der Gesetzgeber bewußt nicht geklärt hat und daher umstritten ist.73 Dementsprechend gehen im Schrifttum abhängig vom Verständnis des Begriffs der einheitlichen Leitung auch die Ansichten über die Einordnung von Unternehmensverbindungen als Konzern auseinander.74 Der straff geführte Konzern ist dabei nur eine Form des Zusammenwirkens von Rechtsträgern als verbundene Unternehmen; eine weitere übliche Organisation von Großunternehmen ist diejenige der in einzelne Handelsgesellschaften gegliederten dezentralisierten Unternehmensgruppe.75 Im Mittelpunkt des gesetzlichen Aktienkonzernrechts steht dementsprechend nicht der Konzerntatbestand nach § 18 AktG, sondern der Abhängigkeitstatbestand nach § 17 AktG.76 b) Die Einbindung einer AG in die Unternehmensgruppe Mit den §§ 291 ff. AktG hat der Gesetzgeber ein Aktienkonzernrecht ausgeformt, das die „Vorschriften, die bereits als Grundzüge einer Konzernverfassung angesehen werden müssen“, zusammenfassen soll.77 Dabei können die Vorschriften die ihr bei Inkrafttreten im Jahre 1965 zugedachte Rolle nicht vollständig ausfüllen, wie etwa die Probleme zeigen, die der Unternehmensverbund auf der Ebene der Obergesellschaft aufwirft. Denn die Einbeziehung in die Unternehmensgruppe birgt auch für deren Aktionäre Gefahren in sich, da sich Vermögenswerte zwischen Ober- und Tochtergesellschaft und damit Kompetenzen zwischen Vorstand und Hauptversammlung verschieben können.78 Zu Recht wird daher der Erwerb einer 72 So K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 I 2b (S. 489). Zum „Konzernrecht“ als Sammelbegriff für die durch Unternehmensverbindungen aufgeworfenen Fragen Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Einl. Rn. 1. 73 Begr RegE zu § 18 AktG 1965, bei Kropff, AktG, 1965, S. 33; dazu auch schon oben bei Fn. 59. Siehe auch MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 18 Rn. 1. Zur kontroversen Behandlung des Begriffs der einheitlichen Leitung im Schrifttum Bayer, aaO, Rn. 28 ff.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 18 Rn. 9 ff.; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, § 18 Rn. 15 ff.; Lutter, in: Holding-HdB, 2004, § 1 Rn. 34 ff. (S. 18 ff.). 74 Dazu Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 18 Rn. 10 ff. 75 Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, B I (S. 6). 76 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 17 Rn. 2; K. Schmidt, in: FS Lutter, 2000, S. 1167, 1170. 77 So das ehrgeizige Ziel des AktG 1965, vgl. Begr RegE, Vorbemerkung zum Dritten Buch, bei Kropff, AktG, 1965, S. 374. Dazu sogleich näher unten in Fn. 82. 78 Es soll nachfolgend von der Tochtergesellschaft, deren einziger Gesellschafter die Obergesellschaft ist, als Untergesellschaft gesprochen werden; dabei sind Fälle zu betrachten, bei denen die Tochtergesellschaft ebenfalls eine AG ist. Ähnliche

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

Mehrheitsbeteiligung, an die § 17 Abs. 2 AktG die Vermutung der Abhängigkeit knüpft, als archimedischer Punkt der Unternehmensverbindung und die Konzernbildung als solcher des Konzernrechts erklärt.79 Einer der Gründe ist die Orientierung des Gesellschaftsrechts vornehmlich am Bild der selbständigen Handelsgesellschaft.80 Daneben ist das Recht der verbundenen Unternehmen des AktG 1965 im wesentlichen von den Regelungsproblemen bei der abhängigen Gesellschaft her entwickelt worden und angelegt als Schutzrecht gegen unkontrollierte Begründung und Ausübung von Herrschaft, das sich vor allem auf den Schutz abhängiger Unternehmen, außenstehender Gesellschafter und der Gläubiger konzentriert.81 So wird in den amtlichen Materialien des AktG 1965 zur Einführung einer Konzerngesetzgebung vornehmlich auf die mit der Konzernierung verbundenen Gefahren der Minderheitsaktionäre und Gläubiger der abhängigen Gesellschaft hingewiesen.82 Es ist aber ebenso auch Organisationsrecht.83 Der Gesetzgeber des AktG 1965 hat damit die Auswirkungen der Konzernbildung auf die Obergesellschaft und ihre Aktionäre, mit den Worten von Wiedemann gesprochen eine ganze Konzerndimension, schlechthin übersehen.84 Nimmt man den Vorgang der Gruppenbildung als Zäsur, so ist für die hier interessierende Frage der Auswirkungen auf die Stellung des Aktionärs der Obergesellschaft zwischen Rechtsbeeinträchtigungen der Gruppenbildung und den nachfolgenden Vorgängen der Gruppenumbildung und -leiAuswirkungen bestehen aber auch dann, wenn der zu betrachtende Vorgang in einer Enkelgesellschaft stattfindet. 79 Zu erstem Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 7 I 1 (S. 99); zu letztem Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, C I 1 (S. 40). 80 Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, B I (S. 6); Windbichler, in: GroßkommAktG, 1998, Vor § 15 Rn. 12; K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 I 2a (S. 486 f.). 81 Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vorb. § 15 Rn. 9; siehe auch Windbichler, in: GroßkommAktG, 1998, Vor § 15 Rn. 9; und K. Schmidt, in: FS Lutter, 2000, S. 1167, 1179 ff. 82 So heißt es in der amtlichen Begründung bei Kropff, AktG, 1965, S. 373 f., daß die Minderheitsaktionäre in der abhängigen Gesellschaft durch die Konzernierung nicht mehr in der Lage seien, eine nur den Interessen des Großaktionärs oder Konzerninteressen dienende Geschäftsführung und Gewinnverwendung nachhaltig zu verhindern. Den Gläubigern drohe die Gefahr, daß das ihnen haftende Vermögen der Gesellschaft zugunsten des herrschenden Unternehmens geschmälert und die Substanz der abhängigen Gesellschaft ausgehöhlt würde. 83 Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 1 II 6 (S. 6 f.); Emmerich/ders., Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Einl. Rn. 1; K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 II 1a (S. 491) und § 31 I 2 (S. 935); so auch schon U. H. Schneider, BB 1981, 249, 249 (liSp.); Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1986, passim. Hierzu auch Mülbert, ZHR 163 (1999), 1 ff., 24 ff., und ders., Aktiengesellschaft, 1996, S. 17 ff., 35 f. 84 Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, A (S. 2).

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tung zu unterscheiden. Bei der Gruppenbildung auf der Ebene der herrschenden Gesellschaft steht die Frage des Schutzes vor den Gefahren der sog. Mediatisierung und der Verwässerung der mitgliedschaftlichen Teilhabe- und Vermögensrechte im Vordergrund. Allerdings können sich hierin die Überlegungen zum Schutz der Aktionäre nicht erübrigen, da auch Maßnahmen der Gruppenumbildung und -leitung die Interessen und Rechte der Aktionäre beeinträchtigen können. Es stellt sich also die Frage, inwieweit die Aktionäre bei solchen Maßnahmen zu beteiligen sind. Mit der Verschiebung der Kompetenzen im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen weg von der Hauptversammlung der Obergesellschaft und hin zu deren Verwaltung, insbesondere dem Vorstand der Obergesellschaft, der im Hinblick auf das in Tochtergesellschaft gebundene Vermögen als Vertretungsorgan der Obergesellschaft die Entscheidungskompetenzen wahrnimmt, die auf der Ebene der Obergesellschaft der Hauptversammlung zustehen, hat sich Lutter in der sich entwickelnden Konzernrechtsdiskussion früh befaßt und mit seinen Arbeiten die Diskussion entscheidend geprägt.85 Die Grundsatzdiskussion mit offenem Ausgang zu letzterem Bereich hält an,86 was stellvertretend für die vielschichtigen Probleme die mit dem Begriff Holzmüller aufgeworfenen Fragen zeigen, die trotz intensiver Diskussion in Rechtsprechung und Literatur bis heute lebhaft umstritten sind.87 c) Kompetenzverschiebungen in der Obergesellschaft – die Holzmüller-Problematik Betriebsvermögen, das auf eine Tochtergesellschaft ausgelagert wird, unterliegt nach diesem Vorgang nicht mehr dem Einfluß und der Kontrolle der Hauptversammlung der Obergesellschaft, sondern dem Einfluß des Vorstands der Obergesellschaft und der Leitungsorgane der Tochtergesellschaft. 85 Lutter, DB Beilage 21, 1973, 1 ff., ders., in: FS H. Westermann, 1974, S. 347 ff., und ders., in: FS Barz, 1974, S. 199 ff. Die Verwerfungen in der Unternehmensgruppe wurden schon vor Lutter zwar gesehen, jedoch nicht weiter aufgearbeitet. Siehe hierzu Mestmäcker, Verwaltung, 1958, S. 97 und 271 f., der auf die Gefahren für die Aktionäre der Obergesellschaft hinweist, die sich aus der Vergrößerung des Handlungsspielraums des Vorstandes der Obergesellschaft im Hinblick auf die von ihm verwaltete Tochtergesellschaft ergebe. 86 So H. P. Westermann, in: FS Pleyer, 1986, S. 421, 428. 87 Siehe BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff. (Holzmüller), auch „Seehafenbetriebs-Entscheidung“ genannt, und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 und II ZR 154/02, ZIP 2004, 1001 ff. (Gelatine) sowie v. 20.11. 2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24 (Hofbräu). Die Entscheidungen aus dem Jahr 2004 sind weitgehend wortgleich, so daß nachfolgend nur auf die in die amtliche Sammlung aufgenommene Entscheidung abgestellt werden soll; dazu näher unten Vierter Teil, S. 356 ff.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

Die Gruppenbildung führt also zu einer Kompetenzverschiebung in der Obergesellschaft von der Hauptversammlung zum Vorstand mit der Folge, daß der Einfluß der Hauptversammlung auf die wesentlichen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft wie Gewinnthesaurierungen, Kapitalerhöhungen und die Aufnahme fremder Gesellschafter in Tochtergesellschaften bis zu deren Börsengang sinkt.88 Die Gruppenbildung bietet also ein probates Mittel, um die Gesellschafter von der Einflußnahme auf das Vermögen der herrschenden Gesellschaft auszuschließen.89 Der Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft gegen solche Verwerfungen, die sich aufgrund der Einbindung der AG in eine Unternehmensgruppe insbesondere im Hinblick auf das Kompetenzgefüge der Organe und die Finanzverfassung ergeben, ist untrennbar mit der Holzmüller-Entscheidung aus dem Jahr 1982 verbunden, die wie nur wenige Entscheidungen des Aktienrechts Anlaß zu einer andauernden Diskussion gibt. Die Diskussion um Organkompetenzen und den Schutz der Aktionäre in der Unternehmensgruppe ist bis heute nicht abgeklungen, was den BGH dazu veranlaßte, sich mit den von der HolzmüllerEntscheidung teils nur aufgeworfenen Rechtsfragen in seinen Folgeentscheidungen im Jahr 2004 zu diesem Themenbereich auseinander zu setzen, die allerdings wie auch ein Beschluß aus dem Jahr 2006 nicht zu einem Ende der Diskussion geführt haben.90 d) Annäherung an das Konzernphänomen Die Erfassung des Konzerns zwischen Schutz- und Ordnungsdenken und die „Grundzüge einer Konzernverfassung“ beschäftigen das juristische Schrifttum seit Inkrafttreten des AktG 1965, die Beiträge der Wissenschaft füllen Bibliotheken. Allen voran Lutter und die von ihm begründete konzernrechtliche Schule91 haben der Verengung des Konzernrechts als Schutzrecht entgegengewirkt und sich mit der „Binnenstruktur des Konzerns“ und seinen organisationsrechtlichen Elementen auseinandergesetzt.92 Im Mittelpunkt steht dabei das Problem, daß die Einbindung in eine Unternehmensgruppe nicht nur Gefahren für untergeordnete Gesellschaften und deren Ge88

Aufzählung nach Lutter, in: FS BGH II, 2000, S. 321, 327 mwN. in Fn. 41–44. So Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 7 I 2 (S. 100). 90 Vgl. oben bei Fn. 87. 91 K. Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 759, 773, spricht von „Lutter-Schule“; siehe auch ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1167, 1168. 92 So die Überschrift des Beitrags von Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347 ff.; siehe auch U. H. Schneider, in: FS Bärmann, 1975, S. 873 ff., ders., ZHR 143 (1979), 485, ders., BB 1980, 1057, ders., ZGR 1980, 511, und ders., BB 1981, 249; Timm, AG als Konzernspitze, 1980, und ders., AG 1980, 172 ff.; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 35 ff. 89

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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sellschafter schafft, sondern auch die Zuständigkeiten im Hinblick auf das Gesellschaftsvermögen in der Obergesellschaft verschiebt.93 Nachfolgend sollen im Rahmen eines kurzen oberflächlichen Überblicks die Grundkonzeptionen eines Konzernverfassungsrechts angesprochen werden.94 Die Auswirkungen der Entstehung und Umgestaltung von Unternehmensgruppen werfen die Fragen nach der Organisation der AG und dem Schutz der Gesellschafter aller Ebenen der Unternehmensgruppe auf. Den verschiedenen Ansichten zur Erfassung der Konzernwirklichkeit liegen drei unterschiedliche methodische Ansätze zugrunde:95 der Ansatz vom Konzern als einem gegliederten Unternehmen eigener Rechtsform einerseits und das beim einzelnen Rechtsträger und seinen Rechtsbeziehungen zu anderen, ihm in konzernverbundener Weise verbundenen Gesellschaften oder Unternehmen ansetzende Verständnis andererseits.96 Zwischen diesen Polen liegt das vermittelnde Verständnis des Konzerns als einem die konzernzugehörigen „rechtlich selbständigen“ Unternehmen umfassenden Verbund.97 aa) Der Konzern als Einheit Betrachtet man den Konzern als Einheit, läßt das Verständnis des Konzernrechts als Organisationsrecht zwei Interpretationsmöglichkeiten zu. Zum einen den Ansatz, die wirtschaftliche Organisationseinheit rechtlich zu verfassen, zum anderen die weiterreichende Anschauung, den Konzern zu verrechtlichen und diesen daher selbst als Rechtssubjekt zu betrachten. Die Reichweite ist unterschiedlich, da im ersteren Fall der Konzern als organisatorische Einheit verstanden wird, die durch ein Konzernorganisationsrecht als (betriebswirtschaftliche) Organisation verfaßt ist; im zweiten Fall wird der Konzern als rechtliche Einheit bzw. Rechtssubjekt begriffen, Konzern93 Etwa zeitgleich wurde auch im US-amerikanischen Schrifttum diskutiert, wie sich Organisation und Verantwortlichkeit in der Gesellschaft bei einem Erwerb einer Beteiligung und damit der Entstehung einer Unternehmensgruppe ändern; vgl. Eisenberg, 84 Harv. L. Rev. 1577 (1971), und ders., Structure of Corporation, 1976; dazu Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 179 Rn. 45. 94 Siehe zu weiteren Modellen des Konzernrechtsverständnisses Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 8 ff., sowie zu dem Ansatz von Wackerbarth, der 100%-ige Tochtergesellschaften als Unternehmensteile eines einheitlichen Unternehmens betrachtet, ders., Grenzen der Leitungsmacht, 2001, S. 421 ff. 95 So die Einteilung von K. Schmidt, in: FS Lutter, 2000, S. 1167, 1169. 96 Zu erstem Hommelhoff, in: GesR der Konzerne, 1991, S. 91, 92 ff.; U. H. Schneider, aaO, S. 563, 568 ff.; zu letztem K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 II (S. 491 ff.) und § 31 (S. 934 ff.), sowie ders., ZHR 155 (1991), 417 ff.; Drexl, ZHR 161 (1997), 491 ff. 97 Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, B (S. 6 ff.); dazu auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, 28 ff.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

organisationsrecht ist also als Organisationsrecht des Rechtssubjektes Konzern zu verstehen.98 Die gesetzliche Definition des Konzerns in den § 17 f. AktG setzt bei der rechtlichen Selbständigkeit der Konzernunternehmen an, so daß sich die früher teilweise vertretene Ansicht, der Konzern sei auch als rechtliche Einheit zu behandeln, nicht durchgesetzt hat.99 Der Gesetzgeber betont die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzernunternehmen im AktG, auch wenn er in anderen Rechtsbereichen aus der wirtschaftlichen Einheit Folgerungen zieht.100 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß „der Konzern“ selbst nicht Rechtssubjekt und „als solcher“ nicht Träger von Rechten und Pflichten ist und es auch nicht sein kann.101 Die Stimmen im wissenschaftlichen Schrifttum, die auf die Wiederherstellung der Machtbalance der Organe in der „Aktiengesellschaft als Konzernspitze“ abzielen und zur Neuorientierung der Rechtsprechung des BGH in Sachen Holzmüller beigetragen haben,102 setzen daher bei der rechtlichen Selbständigkeit der Konzernunternehmen an. bb) Der Konzern als hierarchischer Verband sui generis Lutter zielt auf eine Ordnung der Konzernunternehmung ab; die rechtliche und organisatorische Selbständigkeit der Gesellschaften des Konzerns wird dabei nicht angetastet.103 Allerdings sieht Lutter im Konzern die „Organisationsform des einen Unternehmens“, das als solches keine Rechtsform habe.104 Rechtlich handele es sich beim Konzern um eine Korporation sui generis, die sich von der Einzelgesellschaft durch die regelmäßig bestehende hierarchische Ordnung unterscheide.105 Danach rückt der Konzern 98

So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 20 f. Die klassischen Einheitstheorien sind verbunden mit den Namen von Isay, Das Recht am Unternehmen, 1910, und Kronstein, Die abhängige juristische Person, 1931; dazu Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 10 ff.; K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 I 1b (S. 488); Windbichler, in: GroßkommAktG, 1998, Vor § 15 Rn. 15; zur Entwicklung des Konzernrechts Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Einl. Rn. 16. 100 Zu erstem siehe §§ 15, 16 Abs. 1 und 17 Abs. 1 AktG; zu letztem siehe etwa die Vorschriften zur Konzernrechnungslegung, §§ 290 ff. HGB, und der Konzernmitbestimmung, § 5 MitbestG 1976. 101 So Lutter/Trölitzsch, in: Holding-HdB, 2004, § 7 Rn. 3 (S. 269). 102 So der Titel der Arbeit von Timm, AG als Konzernspitze, 1980. 103 Vgl. Lutter/Trölitzsch, in: Holding-HdB, 2004, § 7 Rn. 1 (S. 268): „Spitze einer wirtschaftlichen Einheit in rechtlicher Vielheit“, sowie ders., AG 2006, 517, 517 (reSp.): „der Konzern ist keine selbständige Einheit, ist wirtschaftliche Einheit, nicht Person“. Hierzu auch Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, B I 2 (S. 16). 104 Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 829 (Hervorheb. i. Orig.); siehe auch ders., ZGR 1987, 324, 330. 99

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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als rechtlich gegliederte Wirtschaftseinheit in den Mittelpunkt, den es rechtlich zumindest partiell zu verfassen gilt. Damit der Konzern als solcher handeln könne, bedürfe er eigener Organe. So will Lutter für den Konzern als Korporation sui generis die Zuständigkeitsverteilung zwischen Konzernvorstand und Konzerngrundorgan anpassen, „um dem erkennbaren Ziel des [Aktien-]Gesetzes, seinem Konzept der Gewaltenteilung und der bestimmten Art von Gewaltenverteilung, möglichst nahe zu kommen“.106 „Zur Binnenstruktur des Konzerns“ führt Lutter aus,107 daß die Hauptversammlung der Obergesellschaft bei Grundlagenentscheidungen in der Unternehmensgruppe mitzuwirken habe. Mit dem Rückgriff auf die Regeln der unverbundenen Gesellschaft sollen für das Gesamtgebilde „Konzern“ eigenständige Konzernverfassungsregeln entwickelt werden.108 Die Binnenordnung sei dadurch herzustellen, daß die Organe der herrschenden Gesellschaft zugleich die Rolle von Konzernorganen übernehmen und etwaige Unternehmensverträge Bestandteile einer konzernrechtlichen Grundordnung enthalten. Der Konzern als unternehmerische Einheit bedarf danach nicht nur der Leitung durch den Vorstand der Obergesellschaft und einer Konzernaufsicht, sondern nach den allgemeinen Organisationsprinzipien des Korporationsrechts auch eines „Grundorgans“ im Konzern.109 Da die Konzernorgane danach die Organe der Obergesellschaft sind, ist die Hauptversammlung der Obergesellschaft „Grundorgan“ mit konzernweiten Mitspracherechten,110 die zu Zuständigkeiten auch für Vorgänge auf der Ebene von Tochter- und Enkelgesellschaften führen. Dementsprechend könne der Vorstand der Obergesellschaft etwa verpflichtet sein, die Bezugsrechte aus Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft an die Aktionäre der Obergesellschaft weiterzuleiten.111 105 Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 831, ders., ZGR 1987, 324, 334 f., und ders./Trölitzsch, in: Holding-HdB, 2004, § 7 Rn. 1 (S. 268); siehe auch Bälz, AG 1992, 277, 300 (reSp.), und ders., in: FS L. Raiser, 1974, S. 287, 320, zum Konzern als „polykorporatives Unternehmen“; kritisch B/H/Zöllner, GmbHG, 2006, SchlAnhKonzernR Rn. 33. 106 Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 844. 107 So der Titel des Beitrags von Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347. 108 Timm, ZHR 153 (1989), 60, 60. 109 Zum Aufsichtsrat im Konzern siehe Lutter, AG 2006, 517 ff., sowie ders., in: FS Happ, 2006, S. 143 ff. 110 Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 829 ff., 832 f., ders., in: FS Barz, 1974, S. 199 ff., und ders., in: FS H. Westermann, 1974, S. 347 ff., sowie ders., DB Beilage 21, 1973, S. 1 ff. Ähnlich Timm, AG 1980, 172 ff, und ders., AG als Konzernspitze, 1980, § 12 (S. 135 ff.), § 16 (S. 165 ff.) und § 17 (S. 197 ff.). Zur Stellung der Hauptversammlung im gewaltenteilenden Entscheidungssystem der AG Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 336 ff. 111 Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 365.

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cc) Der Konzern als organisatorische Einheit Die Sichtweise vom Konzern als organisatorische Einheit rückt die Konzernunternehmung in den Mittelpunkt und verselbständigt diese, wie Timm ausführt, als Organisationseinheit gegenüber den einzelnen Rechtsträgern, um den Konzern in Parallele zur selbständig tätigen Einzelgesellschaft als Verbund „höherer Ordnung“ zu erfassen.112 Charakteristikum dieser Forschungsrichtung ist das Streben nach „mehr Ordnung“.113 U. H. Schneider hat hierzu in einer Vielzahl von Beiträgen die These vertreten, daß es sich beim Konzern um eine besondere Rechtsform für ein (rechtlich gegliedertes) Gesamtunternehmen im wirtschaftlichen Sinne handele.114 Das Konzernverfassungsrecht stelle ein Organisations- und Verhaltensrecht für eine besondere Unternehmensform, nämlich ein durch eine Mehrheit von Unternehmen unter einheitlicher Leitung konstituiertes Gesamtunternehmen dar, und dies nicht lediglich um einen angemessenen Schutz zugunsten der Aktionäre und Gläubiger.115 Besteht insoweit im Ansatz Parallelität mit der Konzeption von Lutter, akzeptiert U. H. Schneider die rechtliche und damit verbundene organisatorische Segmentierung des Gesamtunternehmens Konzern.116 Das Modell von Hommelhoff gibt der Konzernorganisation ein völlig neues Gesicht,117 wonach der Vorstand nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist, die vorhandene Herrschaftsmacht auch durch einheitliche Leitung auszuüben.118 dd) Bewertung Das überwiegende Schrifttum steht Konzernrechtskonzeptionen, die sich auf Einheitsmodellen gründen, skeptisch bis ablehnend gegenüber, da die ein112

Timm, ZHR 153 (1989), 60, 61 und 65 f. Timm, ZHR 153 (1989), 60, 65 f.; U. H. Schneider, in: GesR der Konzerne, 1991, S. 563, 569. 114 U. H. Schneider, in: GesR der Konzerne, 1991, S. 563, ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1193 ff., und schon früher ders., etwa BB 1986, 1993; WM 1986, 181, 182; ZGR 1984, 497, 508; BB 1981, 249; BB 1980, 1057, 1058; ZHR 143 (1979), 485, 490 f. 115 U. H. Schneider, BB 1981, 249. 116 So die Bewertung von Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 32. Siehe auch U. H. Schneider, in: FS Hadding, 2004, S. 621, 624. 117 So die Bewertung von K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 II 1a (S. 492), ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1167, 1175 ff. 118 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 76 ff., 165 ff., 419, und passim. Kritisch bis ablehnend zu dieser Konzeption aus jüngerer Zeit Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 17; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 49 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 311 Rn. 11; Koppensteiner, in: KKAktG, 2004, Vor § 291 Rn. 71; Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 140. 113

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zelnen Konzerngesellschaften selbständige Rechtssubjekte bleiben.119 Das Aktienrecht wendet sich den verbundenen Unternehmen als einzelnen zu und setzt bei dem Einfluß der Unternehmensverbindung auf die einzelnen Konzernmitglieder an.120 So beschränkt die Einheitstheorie nach Wiedemann die Organisationsfreiheit der Unternehmen in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise;121 nach K. Schmidt sind Identität und Gruppenzugehörigkeit eines Rechtsträgers verschiedene Dinge.122 Die wirtschaftliche Einheit des Konzerns sei als juristisches Argument problematisch, wenn nicht gar verfehlt.123 Auch der organisations- oder konzernverfassungsrechtliche Ansatz hat sich nicht durchgesetzt, da nach herrschender, auch vom BGH geteilter Meinung die Mitwirkung der Aktionäre mittels Hauptversammlungsbefassung bei der Gruppen(um)bildung der mit der fraglichen Maßnahme verbundenen Gefährdung der Aktionärsinteressen und -rechte Rechnung tragen soll.124 Im Schrifttum wird der Ertrag dieser Forschungsrichtung insbesondere darin gesehen, daß die Aufmerksamkeit auf Veränderungen der Zuständigkeit und des Interessengefüges gelenkt wurde, die in der Obergesellschaft durch An- oder Ausgliederung von Tochtergesellschaften entstehen, und die konzernrechtlichen Ansätze des AktG 1965 von der Verengung auf das Schutzrecht zum Organisationsrecht fortgedacht wurden.125 Die (konzern)rechtlichen Folgerungen stoßen dagegen auf Bedenken. Die Verselbständigung der Konzernunternehmung als Organisationseinheit gegenüber den einzelnen Rechtsträgern rücke das Konzernunternehmen als solches in den Mittelpunkt, während die Rechtsträger in den Hintergrund treten würden.126 Das gesetzliche Aktienrecht wende sich dem Konzern nicht als verfaßte Einheit, sondern den konzernverbundenen Rechtsträgern als einzelnen zu und gehe dem Einfluß der Unternehmensverbindung auf die einzelnen Konzernmitglieder nach.127 Nach geltendem Konzernrecht 119

K. Schmidt, JuS 1985, 249, 255 f. mwN. K. Schmidt, GesR, 2002, §§ 17 I 2b (S. 493), und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1167 ff. 121 Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, B I 2 (S. 15). 122 K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 I 2 (S. 490). 123 So H. P. Westermann, in: FS Pleyer, 1986, S. 421, 443. 124 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 (Holzmüller), und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 (Gelatine); Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 9 IV 1b (S. 120), und Emmerich/ders., Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 34; hierzu näher unten im Vierten Teil, S. 356 ff. 125 Dazu Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, B I 2 (S. 16 f.); K. Schmidt, in: FS Lutter, 2000, S. 1167 ff. 126 Dazu B/H/Zöllner, GmbHG, 2006, SchlAnhKonzernR Rn. 35; und Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 34. 127 K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 I 2b (S. 493), und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1167 ff. 120

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

seien Mitgliedschaftsrechte der auch in einer Unternehmensgruppe wirtschaftlich zusammenarbeitenden Personen auf einzelne im Verband befindliche Gesellschaften und nicht auf die Gruppe als Ganze konzentriert,128 so daß sich die konzernrechtlichen Vorschriften des AktG auch nicht zu einer konzernspezifischen Binnenordnung fortentwickeln ließen.129 Die Stellung als Holding- oder Obergesellschaft wirke sich naturgemäß durch zusätzliche Aufgaben der entsprechenden Organe dieser Gesellschaft aus, mache sie jedoch nicht zu Konzernorganen;130 die richtige Zuständigkeitsverteilung bedürfe keines de facto oder de jure anerkannten Einheitsunternehmens.131 Gesellschaftsrechtlich können hiernach nur Unternehmen verfaßt sein, nicht aber die Wirtschaftseinheit Konzern als Zusammenfassung rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung.132 Nach Mülbert ist der „hierarchische Verband Konzern“ mit den Strukturprinzipien des Gesellschaftsrechts unvereinbar.133 Es fehlen hiernach die drei als gemeinsame Merkmale aller zweckbestimmten Personenverbände des Privatrechts genannte Freiwilligkeit des Zusammenschlusses, Gemeinsamkeit des Zwecks und zumindest im Grundsatz bestehende gleichberechtigte Teilhabe aller Verbandsmitglieder an Entscheidungen, sofern diese nicht in die Kompetenz der Geschäftsführer fallen.134 Die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses und der Zweckbestimmung sei schon abzulehnen, da es an der Freiwilligkeit der Entstehung fehle und der Zweck von einem der Beteiligten oktroyiert werde, da den konzerninternen Unternehmen die Zweckverfolgung von außen vorgeschrieben werde.135 Sei die Hauptversammlung der Obergesellschaft nach dem Modell von Lutter „Grundorgan des hierarchischen Verbands Konzern“, seien die nachgeordneten Konzernunternehmen gerade nicht vertreten.136 Die Mitwirkung der Aktionäre außerhalb geschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten trage der Gefähr128

H. P. Westermann, in: FS Pleyer, 1986, S. 421, 429. Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 1 II 6 (S. 8). 130 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 15 III 2 (S. 508). 131 Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, B I 2 (S. 17). 132 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 25 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 75 Rn. 51, und ders., ZGR 1994, 426, 437. 133 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 25 ff. Hierzu auch B/H/Zöllner, GmbHG, 2006, SchlAnhKonzernR Rn. 34. 134 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 26; siehe auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 15 III 2 (S. 509 f.). Nach K. Schmidt, GesR, 2002, § 7 I 1b (S. 168), ist ein privatrechtlicher Verband eine durch Gesellschaftsvertrag oder Satzung verfaßte, auf Mitgliedschaft beruhende und gegenüber den Mitgliedern verselbständigte, einem Verbandszweck dienende Organisation. 135 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 26; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 15 III 2 (S. 509 f.). 136 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 26 f. 129

A. Rechtliche Eckpunkte des Untersuchungsprogramms

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dung von Aktionärsrechten und -interessen Rechnung, da Grundlage die mit der Zuständigkeitsverlagerung einhergehende Verkürzung der mitgliedschaftlichen Teilhaberechte und die Gefahr einer Vermögensverlagerung sei.137 Überdies drohe durch die Auswirkungen einer solchen rechtsfortbildenden Schaffung einer zwingenden Binnenstruktur, daß die Existenz eines gesamt- und einzelwirtschaftlich bedeutsamen autonomen Planungsfreiraums der Obergesellschaft auf das Spiel gesetzt würde.138 Auch der BGH ist dem Ansatz einer konzernspezifischen Binnenordnung nicht gefolgt. Die zurückhaltenden Aussagen des Holzmüller-Urteils zum Modell einer konzernspezifischen Binnenordnung hat das Gelatine-Urteil bekräftigt und klargestellt, daß aus dem ersten Urteil nichts für ein solches Konzept herzuleiten sei.139 3. Weiterer Fortgang Der von Wiedemann getroffenen Aussage, „im Konzern ist alles anders – oder genauer formuliert, jede Rechtsregel ist auf ihre Anpassungsnotwendigkeit an den Tatbestand der Unternehmensgruppe zu prüfen“,140 ist im Rahmen des Untersuchungsprogramms im Vierten Teil nachzugehen. Besondere Relevanz entfaltet das Verständnis vom Konzern und den Rechten der Aktionäre der Obergesellschaft bei der Frage nach deren Beteiligung bei Veräußerungen von Anteilen an Tochtergesellschaften, die nach wie vor ein besonders strittiger Punkt in der Diskussion sind, sowie Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß in der Tochtergesellschaft, wie sie auch im Holzmüller-Fall beabsichtigt war.141 Letzteres stand schon früh im Mittelpunkt der Diskussion, die später in ruhigeren Bahnen verlief, bis ihr Lutter mit zwei Beiträgen, die sich mit jüngeren Entwicklungen am Kapitalmarkt befaßten, neuen Schub verliehen hat. Die zunehmende Zahl der Börseneinführungen von Tochtergesellschaften und die dabei auftretende teils erhebliche Differenz zwischen Emissionspreis und Kurs bei erster Börsen137 Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 7 I 2 (S. 100 f.), § 9 IV 1b (S. 120 f.); Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 18; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 9 f.; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 194 ff.; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 66 ff., 93 ff.; Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, C III 2 (S. 50 ff.); Hirte, Bezugsrecht, 1986, D III (S. 160 ff.). 138 J. Semler, BB 1983, 1563, 1566, 1572 ff.; dem zustimmend H. P. Westermann, in: FS Pleyer, 1986, S. 421, 428 f. 139 Vgl. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 (Holzmüller), und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 (Gelatine). Dazu näher unten im Vierten Teil, S. 389 ff. 140 Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, B I 1 (S. 9) (Hervorheb. i. Orig.). 141 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 (Holzmüller).

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

notierung während der Börsenbooms zum Jahrtausendwechsel hat die Frage nach dem Schutz vor den Gefahren für den vermögensmäßigen Beteiligungswert der Aktionäre der Obergesellschaft aufgeworfen und im aktienrechtlichen Schrifttum die Diskussion wieder in Gang gebracht, nachdem Lutter die gesellschaftsrechtlichen Aspekte eines Börsengangs von Tochtergesellschaften beleuchtet hat und dabei für ein Erwerbsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft eingetreten ist.142 Diese besondere Form des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der Tochtergesellschaft, die im Hinblick auf die Auswirkungen auf die Aktionäre der Obergesellschaft untersucht werden soll, war Gegenstand wirtschaftswissenschaftlicher Arbeiten schon zu Beginn der neunziger Jahre.143 Zur finanzwirtschaftlichen Einordnung dieser besonderen Form der Aus- und Abgabe von Aktien sind nachfolgend kursorisch einige finanzwirtschaftliche Aspekte zu betrachten.

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms Bevor auf die Veräußerung der Aktien einer Tochtergesellschaft über die Börse und dabei insbesondere auf Kapitalmarktreaktionen eines solchen Vorgangs im Hinblick auf den Kurs der Aktien der Obergesellschaft einzugehen ist, sollen im Vorfeld einige finanzwirtschaftliche Aspekte einer solchen Maßnahme betrachtet werden. Ausgangspunkt ist ein Seitenblick auf die Kapitalmarkttheorie.

I. Ein flüchtiger Seitenblick auf die Kapitalmarkttheorie Hat die börsennotierte AG als Legaltypus iSd. § 3 Abs. 2 AktG in das AktG Eingang gefunden und wird damit schon anhand des Gesetzestextes die Öffnung der AG zum Kapitalmarkt deutlich, schließt sich unmittelbar die Frage an, welche Auswirkungen der geregelte Kapitalmarkt auf die AG und, hier von größerer Bedeutung, auf den einzelnen Aktionär hat. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwieweit es bei einer Effizienz des Kapitalmarktes verbandsrechtlicher Schutzmechanismen und eines zwingenden Anlegerschutzes bedarf. Das bedingt an sich eine umfassende Untersuchung, ob Kapitalmärkte effizient sind oder ein Marktversagen drohen kann und 142

Lutter, AG 2000, 342 ff., und AG 2001, 349 ff. Siehe hierzu Pellens, zfbf 45 (1993), 852, und die Habilitationsschrift dess., Aktionärsschutz im Konzern, 1994, S. 293 ff., 364 ff.; Nick, Börseneinführung von Tochtergesellschaften, 1994. 143

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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ob effiziente Kapitalmärkte ausreichend Aktionärsschutz bieten. Im Mittelpunkt der in der Kapitalmarkttheorie diskutierten Marktmodelle zu der ersten Teilfrage steht die Theorie der Kapitalmarkteffizienz (Efficient Market Hypothesis, EMH), zu der das Schrifttum nicht mehr zu überblicken ist und auf die ein nur flüchtiger Seitenblick geworfen werden kann.144 Um den Untersuchungsrahmen nicht zu sprengen, sollen skizzenhaft einige Aspekte dieser Lehre und der in der Kapitalmarktforschung mittlerweile ebenfalls weit aufgefächerten Gegenrichtung der Verhaltensökonomie (behavioral finance) beleuchtet werden. 1. Effizienz der Kapitalmärkte Die oben angerissene Diskussion in der Rechtswissenschaft, ob der Aktionär ausreichend und vorrangig durch kapitalmarkt- statt gesellschaftsrechtliche Mittel zu schützen ist,145 setzt ein Funktionieren der Kapitalmärkte bzw. deren Effizienz voraus, wobei Informations- und Allokationseffizienz im Mittelpunkt stehen.146 a) Informationseffizienz Charakteristikum informationseffizienter Aktienmärkte ist deren Fähigkeit, neue Informationen sehr schnell im Marktkurs der Aktien widerzuspiegeln, der damit den gesamten Informationsstand einschließlich der neuesten Informationen ab deren Bekanntwerden beinhaltet. Ein Aktienmarkt ist informationseffizient, wenn in den Marktkursen der Aktien eine zutreffende Bewertung der Zahlungsströme, die der Anleger aufgrund der Anlage in die Aktie erhält, zum Ausdruck kommt. In der Umkehrung ist ein Aktienmarkt dann nicht informationseffizient, wenn die Entwicklung der Marktkurse einer Gesellschaft durch Informationen beeinflußt wird, die zu den zukünftigen Ertragsaussichten dieser Gesellschaft in keiner Beziehung stehen. b) Efficient Market Hypothesis Nach grundlegenden Arbeiten namentlich von Fama ist ein Kapitalmarkt dann effizient, wenn die Aktienkurse alle verfügbaren Informationen über 144

Eine umfassende Darstellung findet sich bei Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, der auf S. 96 ebenfalls auf die Uferlosigkeit der Literatur zu diesem Thema hinweist. 145 Siehe oben S. 34 ff. 146 Siehe dazu Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 14. Zur Allokationseffizienz schon oben bei Fn. 42.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

notierte Wertpapiere voll widerspiegeln.147 Handelt der Anleger rational, bewertet er die Wertpapiere mit dem angemessenen, dem „richtigen“ Preis. Informationen werden sofort verarbeitet und bilden unmittelbar wieder den zutreffenden Preis, da der rationale Anleger bei guten Nachrichten kauft und bei schlechten verkauft. Die Kurse der Wertpapiere beinhalten in der Folge sofort alle verfügbaren Informationen über das Unternehmen und bestimmen den Unternehmenswert zutreffend. Die sog. Efficient Market Hypothesis (EMH) beruht auf drei Grundannahmen: (1) Anleger sind rational und beurteilen daher Wertpapiere rational. (2) Soweit Anleger nicht rational sind, ist ihr Handel in Wertpapieren zufällig. Im Ergebnis schlägt diese Irrationalität nicht auf die Preise der Wertpapiere durch, da irrationales Handeln hiernach beidseitig, also bei Kauf und Verkauf und in zu hohen als zu niedrigen Preisen auftritt, so daß ein Gleichgewicht besteht. (3) Sofern doch irrationale Anleger sich in gleicher Richtung verhalten, etwa zu teuer Wertpapiere kaufen, wird dies durch rational handelnde Arbitrageure eliminiert.148 Die Gewaltigkeit dieses bald vierzig Jahre alten Ansatzes, der auf den drei genannten, simplen Grundannahmen aufbaut, prägt das Verständnis der Kapitalmarkttheorie nach wie vor erheblich. Ging man in diesem Sinne lange von einem grundsätzlich rationalen Verhalten der Anleger aus und war die EMH theoretisch geschlossen und empirisch abgesichert, so daß dies als gesicherte Erkenntnis bezeichnet werden konnte, so befinden sich seit den letzten zwei Dekaden die kritischen Stimmen wohl deutlich in der Zunahme.149 Als Kritik an der EMH werden unter anderem vorgetragen: In dem Grenzfall der vollkommenen Informations- und Allokationseffizienz im strengen Sinn, in welchem auch nicht öffentliche Informationen im Preis vollständig zum Ausdruck kommen, fehle bei allen Marktteilnehmern der Anreiz, Informationen zu beschaffen und auszuwerten, da die Suche und Auswertung von Informationen Kosten verursache, sie aber die Informationen kostenlos dem Kurs entnehmen könnten. In der Folge verliere der Preis mangels Beschaffung und Auswertung exogener Informationen seine Aussagekraft.150 Anleger würden im Gegensatz zur EMH nicht auf rationaler 147 Fama, 25 JoF 383, 383 (1970): „A market in which prices always ‚fully reflect‘ available information is called ‚efficient‘.“; siehe auch ders., 46 JoF 1575 (1981), zur Differenzierung zwischen der schwachen, mittelstarken und starken Variante der EMH; dazu auch Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 2 IV (S. 57 ff.); Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 96 ff. 148 So die Zusammenfassung von Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 2 ff.; Arbitrage ist zu verstehen als gleichzeitiger Kauf und Verkauf gleicher Wertpapiere in unterschiedlichen Märkten zu vorteilhaften unterschiedlichen Preisen; siehe ders., aaO, S. 3; zur Bedeutung auch Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 431 f. 149 Deutlich Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 3, wonach die „hegemony of the EMH“ erst seit den achtziger Jahren gebrochen worden sei.

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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Basis die notwendigen Informationen aufarbeiten, sondern ihre Anlageentscheidung in Abhängigkeit von der jeweiligen Börsenstimmung und fehlgeleiteten Zukunftsprognosen auf der Grundlage von noise statt von Informationen treffen. Das Anlageverhalten solcher als noise trader bezeichneter irrational handelnden Marktteilnehmer könne durch Arbitrageure nicht vollständig ausgeglichen werden.151 Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung würden zeigen, daß sich mittels der EMH gewisse starke Schwankungen der Aktienmärkte nicht erklären ließen. So seien die Entwicklungen der Aktienmärkte im Jahr 1987 und zu Beginn dieser Dekade mit der EMH nur schwer zu vereinbaren.152 Auf der Grundlage empirischer Befunde hat der Forschungszweig des behavioral finance überdies irrationales Verhalten auf Kapitalmärkten festgestellt, die mit der EMH nur schwer zu vereinbaren.153 c) Behavioral finance als Gegenmodell Die Forschungsrichtung der Verhaltensökonomie (behavioral finance), die exemplarisch der Theorie der EMH gegenüber gestellt werden soll, stellt die Annahme rationaler Erwartungen als Grundlage der Preisbildung und damit die erste Grundannahme der EMH an realen Aktienmärkten in Frage.154 Danach ist irrationales Handeln auf den Kapitalmärkten weit verbreitet und beeinflußt zudem in erheblichem Maße Kapitalmarktentwicklungen.155 Auszugehen sei von Marktteilnehmern, die weder vollständig rational noch irrational seien, daher nur begrenzte Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung hätten und sich dem Einfluß von Emotionen bei wirtschaftlichen Entscheidungen nicht vollständig entziehen könnten. So würden 150 Dazu Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 140 f., unter Verweis u. a. auf Grossman/Stiglitz, 66 The American Economic Review 246 (1976), und dies., 70 The American Economic Review 393 (1980). 151 Black, 41 JoF 529 (1986); siehe auch Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 28 ff.; Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 137 ff. 152 Am 19. Oktober 1987 fiel der Dow Jones Industrial Average um mehr als ein Fünftel seines Wertes, ohne daß sich dies einem bestimmten Ereignis zuordnen ließ; dazu Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 20. Die Überbewertung von Aktien junger Technologieunternehmen zu Beginn der Dekade wurde besonders deutlich an der Kursentwicklung des mittlerweile aufgelösten deutschen Index für Technologieaktien namens NEMAX. 153 Monographisch Shleifer, Inefficient Markets, 2000; zu der Forschungsrichtung und der Kritik an der EMH wiederum Fama, 49 JoFE 283, 288 ff. (1998). 154 Zur Unterscheidung zwischen der Forschungsrichtung der behavioral finance im weiteren und im engeren Sinne Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 142 f.; ausführlich zur Kritik an der EMH ders., aaO, S. 96 ff. 155 Koller, in: FS Huber, 2006, S. 821, 829.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

Anleger typischerweise zu stark auf ihre Fähigkeiten vertrauen und einer Kontrollillusion unterliegen. Leicht verfügbare Informationen würden stärker wahrgenommen als schwerer zugängliche, die wichtiger sind.156 Der Herkunft der Informationen würde zu wenig Beachtung gewidmet und solche Informationen übergewichtet, die die bisherigen Entscheidungen der Anleger stützen, und im Gegenzug solche zu sehr in den Hintergrund gedrängt, die diesen widersprechen.157 In der Vergangenheit erfolgte Entwicklungen und aktuell vorliegende Informationen würden zu wenig überlegt in die Zukunft übertragen und das Anlageverhalten zu langsam neuen Entwicklungen angepaßt.158 Weiterhin würden Anleger zu Überreaktionen sowie zur Verlustaversion neigen, wonach sie größere Risiken auf sich nehmen, um einen Verlust zu vermeiden, als um einen Gewinn zu erzielen.159 Unter weiteren Aspekten wird noch angeführt, daß etwa eine Vorliebe für Finanztitel des Heimatstaats der Anleger selbst dann bestünde, wenn ein international diversifiziertes Portfolio eindeutige Renditevorteile verspreche.160 Die Ergebnisse der Kapitalmarktempirie weisen neben den bereits angesprochenen Entwicklungen der Aktienmärkte verschiedene Marktanomalien nach, die sich mit der EMH nicht ohne weiteres vertragen. Dabei sind Marktanomalien zu verstehen als Marktentwicklungen aufgrund bestimmter Umstände, die nach dem Kapitalmarktmodell für die Kursentwicklung irrelevant sein müßten.161 Shleifer führt als Beispiel unterschiedliche Kursentwicklungen der gleichen Wertpapierart in einem Zeitraum von fünfzehn Jahren an.162 Exemplarisch läßt sich auch der sog. Januareffekt und andere Kalendereffekte nennen, die Adolff aufzählt.163 Im Rahmen der Untersuchung des Börsengangs von Tochtergesellschaften ist auf die Frage der Effizienz der Kapitalmärkte nochmals zurückzukommen. Zuerst soll allerdings die Kritik an der EMH mit dem Schutz des Anlegers in einen Zusammenhang gestellt werden. 156 Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 24; Koller, in: FS Huber, 2006, S. 821, 829 f. mwN. 157 Dazu Koller, in: FS Huber, 2006, S. 821, 829. 158 Dazu Shleifer, Inefficient Markets, 2000, passim; Fama, 49 JoFE 283, 288 f. (1998); sowie zusammenfassend Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 142 f. 159 Black, 41 JoF 529, 535 (1986). 160 So Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 144, mit Verweisung u. a. auf Daniel/Hirshleifer/Hong, 49 Journal of Monetary Economics 139, 144 (2002). Siehe auch Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S. 575, 576 ff. mwN. in Fn. 15 ff. zu empirischen Untersuchungen bzgl. eingeschränkt rationalen Verhaltens. 161 Dazu Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 108 ff. 162 Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 29 ff. zu den Aktienkursen von Royal Dutch/Shell Group. 163 Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 108 ff.; siehe auch Bak/Bigus, ZBB 2006, 430, 436 ff.

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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2. Schutz der Anleger Besteht bei einer Effizienz der Märkte die jederzeitige Möglichkeit der Veräußerung der Anteile, kann der Aktionär auch dadurch auf das Verhältnis zu der AG Einfluß nehmen, daß er seine Beteiligung veräußert. Diskutiert wird diese Form des Aktionärsschutzes etwa im Rahmen der Gewinnthesaurierung, die erstmals den Interessen des Aktionärs zuwiderläuft, da er keine Dividende erhält.164 Bei effizienten Märkten kann dies allerdings durch eine Veräußerung der Anteile kompensiert werden, da die zurückbehaltenen Gewinne den Wert der Gesellschaft und damit auch der Aktien entsprechend erhöhen, so daß der Aktionär durch den Verkauf der Anteile diesen Wert realisieren kann.165 Diese noch näher zu behandelnde Form der Einflußnahme läßt auf der Grundlage der EMH die Frage aufkommen, inwieweit der individuelle Aktionärsschutz bei einer Effizienz bzw. Funktionstüchtigkeit der Kapitalmärkte als überflüssig anzusehen ist. Solchen Gedanken steht allerdings etwa die sog. Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht im Hinblick auf die Ersetzung materiellen Gesellschaftsrecht durch bloße Offenlegungspflichten als kapitalmarktliche Form der Corporate Governance sehr zurückhaltend gegenüber, wonach nur ganz ausnahmsweise Informations- und Veröffentlichungspflichten effizientere Wirkung entfalten können als inhaltliche Regelungen, so daß solche Pflichten die inhaltlichen Regelungen nur ergänzen, nicht aber ersetzen könnten.166 Es stellt sich dementsprechend für den Aktionärsschutz im allgemeinen die Frage, inwieweit der Schutz durch eine Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit der Märkte statt zwingenden Gesellschaftsrechts erreicht werden kann.167 a) Der Aktionär als Marktteilnehmer Zentrale Bedeutung kommt dabei dem Umstand zu, inwieweit tatsächlich eine Informationseffizienz besteht. Das Risiko mangelnder Informationen 164 Dazu Henze, in: GroßkommAktG, 2000, § 58 Rn. 14; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 58 Rn. 5. 165 Siems, Konvergenz, 2005, S. 83 ff.; G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 371 (liSp.), mit Verweis auf das auf Modigliani und Miller zurückgehende Irrelevanztheorem. 166 Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 864, die darauf hinweist, daß auf zwingendes Gesellschaftsrecht als Steuerungsinstrument im Unternehmensorganisationsrecht nicht verzichtet werden könne. Siehe auch Baums (Hrsg.), Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 4 (S. 47 ff.); Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 83. 167 Nachfolgend in den Blick zu nehmen sind funktionstüchtige Kapitalmärkte; ob Kapitalmärkte effizient sind oder sein können, ist wie dargestellt eine höchst streitige Frage.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

steht also im Mittelpunkt der Frage nach dem Anlegerschutz.168 Hopt hat den Zusammenhang von Information der Anleger und deren Schutz schon früh herausgearbeitet, von denen stellvertretend drei Aspekte unzureichender Information genannt werden sollen: Zum einen sind Anleger uninformiert, weil die „Börsenpapiere eben keine Ware wie jede andere sind und keine Anschauung der guten oder schlechten Qualität des im Papier verbrieften Rechts vermitteln“. Das Problem werde dadurch verschärft, daß bei den Anlegern kaum die Bereitschaft bestünde, sich die nötigen Informationen selbst zu beschaffen und überdies wären die Anleger nicht in der Lage, die richtige Entscheidung zu treffen, selbst wenn sie über die nötigen Informationen verfügen würden.169 b) Folgerungen für das Aktienrecht – Schutzbedürfnis? Die Aussagen der Theorie der Verhaltensökonomie (behavioral finance) lenken den Blick auf den nicht rationalen Anleger, der die falschen Entscheidungen trifft. Dieser destabilisiert zwar nicht den Kapitalmarkt, wird aber dann nicht mehr investieren, wenn er sein gesamtes Vermögen falsch investiert hat oder er anderweitig seine beschränkte Befähigung zur Investition erkennt. Da er aufgrund falscher Entscheidungen nicht dauerhaft an der Wertentwicklung partizipiert, investiert dieser Anleger nicht dauerhaft und stellt damit auch nicht Kapital dauerhaft zur Verfügung, was einer angestrebten hohen Liquidität der Kapitalmärkte zuwiderläuft. Kann das Verbandsrecht diesen Anleger vor solchen Totalausfällen schützen, so fördert dies auch zugleich die Liquidität des Kapitalmarktes. Der Schutz durch Abwanderung erscheint daher im Hinblick auf die nur bedingte Rationalität der Kapitalmärkte nicht nur dann ein zweifelhaftes Mittel, wenn es an einer hinreichenden Markttiefe und Marktstabilität fehlt. Weitergehend sind bei einer Bevorzugung des „exit“, also der Desinvestition und nicht der Einflußnahme als wichtigste Option des Aktionärs, die unterschiedlichen Aktionärsinteressen näher zu berücksichtigen und hierfür aufzufächern. Erscheint dem Aktionär eine Einflußnahme attraktiver als die Desinvestition und steigert damit die Möglichkeit von „voice“ statt „exit“ die Attraktivität der Aktie und die Liquidität des Aktienmarktes,170 so ist zu klären, inwieweit ein solche Einflußnahme mit den Interessen der übrigen Marktteilneh168 Das Informationsrecht ist daher auch „Grundrecht“ des Aktionärs; hierzu etwa Wiedemann, GesR I, 1980, § 7 II 2a (S. 374); Bayer, ZGR 1995, 613, 616; Becker, Verwaltungskontrolle, 1997, S. 670. 169 Hopt, Anlegerschutz, 1975, S. 88 ff. 170 Zu den Begriffen voice (Kontrolle und Widerspruch) und exit (Abwanderung, also Desinvestition) Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 713, mit Verweis in Fn. 84 auf Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, 1970; siehe auch Schmolke, ZGR 2007, 701,

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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mer, insbesondere der übrigen Anteilsinhaber dieser Gesellschaft zu vereinbaren ist. Dafür sind die Einflußnahmemöglichkeit und -interessen der Aktionäre zu untersuchen. Die damit einhergehende Frage der Effektivität von „voice“ und „exit“ soll anhand einer Form der Umstrukturierung von Unternehmensgruppen näher betrachtet werden, die in den letzten Jahren auch Eingang in die aktienrechtliche Diskussion gefunden hat – der Börsengang von Tochtergesellschaften.

II. Aus- und Abgabe von Aktien zur Finanzierung und Umstrukturierung von Unternehmensgruppen Als Finanzierung werden die Beschaffung und der Einsatz von Kapital verstanden, wobei dazu alle Maßnahmen zur Versorgung des Unternehmens mit disponiblem Kapital, zur optimalen Strukturierung des Kapitals sowie zur Kapitalrückzahlung zu rechnen sind.171 In der Unternehmensgruppe besteht neben den klassischen Formen der Eigenkapitalaufnahme durch Kapitalerhöhungen auf der Ebene der Oberund der Untergesellschaften auch die Möglichkeit der Veräußerung von Anteilen von Gesellschaften der Gruppe. Erhöht die Tochtergesellschaft ihr Grundkapital, fließt ihr neues Kapital zu, während bei der Veräußerung von Aktien der Tochtergesellschaft aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft letztere Gesellschaft einen Kapitalzufluß hat. Der Veräußerungsvorgang stellt eine Desinvestitionsmaßnahme dar, die zur Umgestaltung der Unternehmensgruppe führt. In beiden Fällen wird mit der Gewährung der Anteile gesellschaftsrechtlicher Einfluß auf einen Teil der Unternehmensgruppe gewährt, so daß die Frage besonders dringlich wird, ob die vom Erwerber der Anteile erbrachte Gegenleistung einen angemessenen Ausgleich darstellt. Bevor auf die damit verbundenen Probleme bei einer besonderen Form der Gewährung gesellschaftsrechtlichen Einflusses an Dritte, beim Börsengang der Tochtergesellschaft, einzugehen ist, soll den betriebswirtschaftlichen Gründen für solche Maßnahmen nachgegangen werden.

708; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 132; Schindler, Austrittsrecht, 1999, S. 162 f.; Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 60 ff. mwN. 171 Scheffler, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 8 Rn. 8.1 (S. 214); Lutter/ Scheffler/U. H. Schneider, aaO, § 1 Rn. 1.44 (S. 17). Neben der hier besprochenen Akquisition von Eigenkapital durch Außenfinanzierung in Form der Zuführung weiterer Vermögenswerte besteht die Möglichkeit der Stärkung der Eigenkapitalbasis etwa aufgrund Selbstfinanzierung durch Gewinnthesaurierung, Abschreibungen und Nichtrealisierung von Wertzuwächsen an Vermögenswerten; dazu MünchKommAktG/Peifer, 2005, Vor § 182 Rn. 7.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

1. Abgrenzungen und Entwicklungslinien Im Gegensatz zu den deutschen Kapitalmarktentwicklungen wird die Börseneinführung von Aktien von Untergesellschaften in den USA schon seit langem als Mittel zur Kapitalschöpfung praktiziert, dient aber zugleich auch als Mittel zur Reorganisation von Unternehmensgruppen.172 Das Schrifttum orientiert sich dementsprechend an US-amerikanischen Begriffen, um die verschiedenen Formen der Umgestaltung und Finanzierung in der Unternehmensgruppe durch eine Aus- oder Abgabe von Aktien einer Untergesellschaft zu charakterisieren. a) Abgrenzungen Zu differenzieren ist bei der näher zu untersuchenden Veräußerung von Tochtergesellschaftsanteilen im Rahmen einer erstmaligen Börseneinführung zwischen Anteilen, die aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft stammen und solchen, die durch eine Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft geschaffen werden.173 Typischerweise behält dabei die Obergesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung an der Tochtergesellschaft, so daß die Veräußerung der Anteile die Unternehmensgruppe nicht auflöst. Weniger gebräuchlich ist die Veräußerung von mehr als einem Minderheitsanteil am Kapitalmarkt, infolge dessen die Obergesellschaft keine Anteile an der Tochtergesellschaft oder nur noch eine Minderheitsbeteiligung hieran hält.174 Daneben werden auch Spaltungsvorgänge genutzt, um Aktien der Tochter an der Börse einzuführen oder den Aktionären der Obergesellschaft anzubieten, ihre Aktien gegen solche einer Tochtergesellschaft zu tauschen.175 172 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 359 ff.; siehe auch Vijh, 51 JoFE 273, 274 f. und 276 f. (1999). 173 Diese Formen der Veräußerung werden als equity carve-out oder auch subsidiary IPO bezeichnet; siehe Arbeitskreis Finanzierung, zfbf 55 (2003), 515, 519 f., 527 ff. Zur Abgrenzung zu verwandten Restrukturierungsmaßnahmen (Sell-off, Tracking Stocks) vgl. Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 360 ff.; Kaserer/ Ahlers, zfbf 52 (2000), 537, 540 f.; siehe auch Betsch/Groh/Lohmann, Corporate Finance, 2000, S. 361; Jakob, IPO, 1998, S. 36. 174 Zu diesen als subsidiary IPO oder spin-out bezeichneten Veräußerungsvorgängen Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 360; Jakob, IPO, 1998, S. 36. 175 Bei einem solchen spin-off werden weder bei der Ober-, noch bei der Tochtergesellschaft liquide Mittel generiert, da es sich hierbei um keinen Veräußerungsvorgang handelt; dazu und zu weiteren als split-up und split-off bezeichneten Spaltungsvorgängen Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 364 ff. Sämtliche dieser Umstrukturierungen können zu einer Börseneinführung führen, wobei eine öffentliche Plazierung der Anteile bei den Veräußerungsvorgängen unmittelbar stattfindet,

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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b) Entwicklungslinien Während in Deutschland zu Beginn der letzten Dekade einzelne Unternehmensgruppen eine Börseneinführung von Aktien einer Untergesellschaft als Mittel der Restrukturierung nutzten und hierdurch Kapital am Kapitalmarkt aufnahmen,176 hat sich der Börsengang von Tochtergesellschaften gegen Ende der Dekade zu einem häufigeren Instrument entwickelt.177 Der Börseneinführung geht dabei regelmäßig eine Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft unter zumindest teilweisem Ausschluß des Bezugsrechts voraus; häufig werden auch teils neue Aktien und daneben auch Aktien aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft über die Börse veräußert.178 Mit der Möglichkeit, die Beteiligung an der Tochtergesellschaft durch deren Börsengang zu reduzieren, ist die Börseneinführung damit sowohl ein Instrument der Unternehmensgruppenfinanzierung als auch -gestaltung.179 Die Bedeutung der organisationsökonomischen Funktion des Börsengangs als Mittel zur Restrukturierung der Unternehmensgruppe wird vor dem Hintergrund ersichtlich, daß im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum die bis Mitte der achtziger Jahre anhaltende Bildung konglomerater Großkonzerne als fehlgeleitete Managementlehre angesehen wird.180 Statt dessen entbei den anderen Formen hingegen vor der Börseneinführung die Aktien bei den Aktionären der Obergesellschaft plaziert werden; dazu Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 360 ff.; dort auch zum sell-off, der einen Verkauf an einen begrenzten, nicht öffentlichen Kreis von Erwerbern darstellt. 176 Zu Beispielen siehe Arbeitskreis Finanzierung, zfbf 55 (2003), 515, 521 ff.; Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2000), 537, wonach zwischen 1984 und 1989 eine solche Form der Unternehmensgruppenumstrukturierung in vier Fällen, zwischen 1990 und 1997 hingegen bereits 19 solcher Fälle registriert wurden. Abweichende Zahlen bei Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 274, wonach im Zeitraum von 1984 bis 1989 nur drei Tochtergesellschaften, zwischen 1990 und 1996 23 und zwischen 1996 und dem ersten Quartal 2001 47 an die Börse strebten. 177 Siehe hierzu auch Allg Begr FraktE DeregulierungsG, BT-Drs. 12/6721, S. 5 (reSp.), wonach durch die Deregulierung des AktG, die zu einer Steigerung der Attraktivität der Gesellschaftsform AG führen soll, der Börsengang von Konzerntöchtern gefördert werden kann. 178 Vgl. hierzu Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2000), 537, 540 f. 179 Siehe auch den Untertitel der Dissertation von Nick, Börseneinführung von Tochtergesellschaften: Instrument der Konzernfinanzierung und -gestaltung, 1994. Dazu auch Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2000), 537, 540 f.; Hofmann, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 10.9 (S. 291). 180 Ein Zusammenschluß konglomerater Art liegt vor, wenn weder eine horizontale noch eine vertikale Verbindung gegeben ist, sondern sich Unternehmen unterschiedlicher Branchen und/oder unterschiedlicher Produktions- und Handelsstufen vereinigen; dazu und zum Motiv für das Corporate Restructuring Arbeitskreis Finanzierung, zfbf 55 (2003), 515, 521 ff.; Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 370 ff.; M. R. Theisen, Konzern, 2000, M I 2 (S. 648).

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

spricht die Reorganisation der Unternehmensgruppe vom Konglomerat hin zur Konzentration auf Kerngeschäftsfelder und Veräußerung der Randgeschäftsfelder dem wirtschaftwissenschaftlichen Zeitgeist und auch der Kapitalmarkt fordert eine Fokussierung auf das Kerngeschäft.181 2. Betriebswirtschaftliche Aspekte Im Mittelpunkt der Gründe für die Börseneinführung einer Tochtergesellschaften steht die verstärkte Ausrichtung der börsennotierten Obergesellschaften auf die Interessen der Aktionäre, die unter dem Begriff des shareholder value auch im aktienrechtlichen Schrifttum diskutiert wird.182 Danach ist die Unternehmung eine Institution von Anteilseignerinteressen, die verlangt, den Eigenkapitalgebern kontinuierlich eine risikoadäquate Rendite für ihr Kapitalengagement zu gewähren.183 Das mit diesem Begriff verbundene Konzept einer Ausrichtung der Unternehmenspolitik auf die Maximierung des Unternehmenswertes beeinflußt auch die Entscheidung über die Öffnung einer Tochtergesellschaft hin zum Kapitalmarkt insbesondere durch die Börseneinführung ihrer Aktien.184 Neben der Erhöhung des Bekanntheitsgrades der Gesellschaft durch Schaffung einer eigenständigen Kapitalmarktadresse soll die Kapitalmarktöffnung der Tochtergesellschaft zu einer Effizienzsteigerung durch die mit einem marktnäheren Agieren verbundene Erschließung günstiger Konditionen auf dem Kapital-, Arbeitsund Beschaffungs- sowie Absatzmarkt durch die Tochtergesellschaft füh181 Hierzu und zur historischen Entwicklung des Corporate Restructuring in den USA und Deutschland Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 370 ff. Siehe auch Funk, zfbf 51 (1999), 759 ff., und zu einem Beitrag aus Unternehmenssicht Hornung/Wullenkord, zfbf 53 (2001), 57, 60. 182 Die Börseneinführung von Tochtergesellschaften wird seit Einführung des Verhinderungsverbotes nach § 33 WpÜG verstärkt auch im Hinblick auf ihren Einsatz als Abwehrmittel gegen feindliche Übernahmen diskutiert; dazu etwa MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 290; aus dem finanzwirtschaftlichen Schrifttum etwa Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 370 f., und schon Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 858. 183 Das von Alfred Rappaport, Shareholder Value, 1998, entwickelte Konzept des Creating Shareholder Value sieht als Leitmotiv des Handelns und damit oberstes Ziel der Unternehmensführung die Maximierung des Marktwertes des Unternehmens an und räumt den Interessen der Aktionäre als Anleger eine überragende Stellung ein. Hierzu und zur aktienrechtlichen Literatur zu diesem Thema unten S. 99 ff. 184 Hierzu Hornung/Wullenkord, zfbf 53 (2001), 57, 60; Hofmann, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 10.6 (S. 290); Nick, Börseneinführung, 1994, S. 67 ff. Deutlich Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 368: „Vielzahl von unterschiedlichen Motiven für die Restrukturierung eines Unternehmens, die sich letztlich immer auf das Ziel der Steigerung des Unternehmenswertes zurückführen lassen“; ähnlich auch Jakob, IPO, 1998, S. 37 ff.

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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ren.185 Die Börseneinführung der Aktien schafft zudem eine börsengängige Akquisitionswährung, die regelmäßig von Anteilsinhabern ebenfalls börsennotierter Gesellschaften im Rahmen einer Akquisition insbesondere aufgrund der Vergleichbarkeit der Marktwerte der Aktien eher akzeptiert wird als nicht börsengängige Anteile.186 Überdies geben empirische Untersuchungen weiteren Anlaß für die Börseneinführung von Tochtergesellschaftsaktien, da der Wert zweier Gesellschaften, die an der Börse nur gemeinsam gehandelt werden können, geringer ist als der gemeinsame Wert dieser Gesellschaften, wenn diese jeweils getrennt gehandelt werden können. Konglomerate Unternehmensgruppen werden hiernach vom Kapitalmarkt als zu schwerfällig eingeschätzt, so daß die Aktie am Kapitalmarkt mit einem hiermit zu begründenden Kursabschlag gehandelt wird.187 Zusammenfassend sollen die Öffnung und die damit einhergehende Bewertung der Tochtergesellschaftsaktien durch den Kapitalmarkt der Steigerung des shareholder value in der Obergesellschaft förderlich sein.188

III. Auswirkungen auf das Beteiligungsvermögen der Aktionäre der Obergesellschaft Die Gefahren der Vermögensverschiebung von den Aktionären der Obergesellschaft hin zu den Erwerbern der Tochtergesellschaftsanteile, wenn diese Aktien zu einem unter ihrem Wert liegenden Emissionspreis und ohne 185

Arbeitskreis Finanzierung, zfbf 55 (2003), 515, 519 f., 521 ff.; Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 242 ff., 370 ff.; Jakob, IPO, 1998, S. 37; Hennigs, Börseneinführung, 1995, S. 131, 163; Pellens, zfbf 45 (1993), 852, 855. Siehe auch R. H. Schmitz, ZfgK, 1993, 842, 843; Volk, in: Volk, Going Public, 2000, S. 126, 132. 186 Dazu Arbeitskreis Finanzierung, zfbf 55 (2003), 515, 519 f., 521 ff.; Jakob, IPO, 1998, S. 31. 187 Sog. conglomerate discount oder Holding-Abschlag; dazu Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 374, die den Grund in der Intransparenz von Konzernstrukturen im Hinblick auf die Unternehmensbewertung durch Investoren sieht; siehe auch Hornung/Wullenkord, zfbf 53 (2001), 57, 60; Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 538; M. R. Theisen, Konzern, 2000, M I 2 (S. 649). So wurde in empirischen Untersuchungen festgestellt, daß breit diversifizierte Unternehmen einen Bewertungsabschlag gegenüber einem vergleichbaren Portfolio wirtschaftlich selbständiger Unternehmen hinnehmen müssen; dazu Kaserer/Ahlers, aaO, 546 mwN. in Fn. 24. Siehe auch Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 274. 188 Zu einer Zusammenstellung von im Schrifttum diskutierten weiteren Argumenten für einen Börsengang siehe Harrer, in: BeckHdB/AG, 2004, § 18 Rn. 11 ff., 30 ff.; Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 372 ff.; aus dem juristischen Dissertationsschrifttum Kiefner, Börsengang, 2005, S. 57 ff.; Heidkamp, Börsengang, 2003, S. 11 ff.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

Beteiligung der Aktionäre der Obergesellschaft an der Börse eingeführt würden,189 wurden von Pellens schon früh problematisiert und hängen entscheidend von der Höhe des Emissionspreises ab. Nachfolgend sind die Auswirkungen der Börseneinführung der Tochtergesellschaft auf den Kurs der Aktien der Obergesellschaft anhand empirischer Untersuchungen zu beleuchten und einige Erklärungen für die Kursentwicklungen zu untersuchen, die in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur diskutiert werden. Das Kapital schließt mit einer Betrachtung der praktischen Schlußfolgerungen aus den gewonnenen Ergebnissen. 1. Empirische Untersuchungen Die soweit ersichtlich erste empirische Untersuchung für den deutschen Kapitalmarkt stammt von Pellens, der die Auswirkungen der Börseneinführung der Aktien von elf Tochtergesellschaften auf den Börsenkurs der Aktien der Obergesellschaft betrachtete.190 Kursreaktionen anläßlich der Börseneinführung von Tochterunternehmen wurden in jüngerer Zeit für den deutschen Kapitalmarkt in weiteren, breiter angelegten Arbeiten untersucht.191 Bei der Betrachtung der Reaktionen des Kapitalmarktes ist dabei zwischen den verschiedenen Phasen eines Börsengangs zu unterscheiden. Ausgangspunkt ist die Kursentwicklung bei der Ankündigung des Börsengangs; anschließend ist die Kursreaktion bei der Aufnahme des Börsenhandels und in der nachfolgenden Zeit zu betrachten. a) Kapitalmarktreaktionen der Aktienkurse der Obergesellschaft bei der Bekanntgabe des Börsengangs Die in den Jahren 1998 und 1999 erfolgten Ankündigungen großer börsennotierter Publikumsgesellschaften, Tochtergesellschaften an die Börse zu bringen, führte zu einer deutlich positiven Kursreaktion bei diesen Gesellschaften.192 Diese als Ankündigungseffekt bezeichnete positive Aktienkurs189

Pellens, Aktionärsschutz im Konzern, 1994, S. 174 f. und 265 ff., sowie ders., zfbf 45 (1993), 852 ff. 190 Pellens, Aktionärsschutz im Konzern, 1994, S. 174 f. und 265 ff., sowie ders., zfbf 45 (1993), 852 ff. 191 So der Titel des Aufsatzes von Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537 ff. und 552 ff., die Kursreaktionen in einem Zeitraum von –500 bis +180 Tagen, bezogen auf den Tag der Genehmigung des Börsenzulassungsantrags bei der Börseneinführung von neunzehn Gesellschaften und von vier weiteren Gesellschaften, deren Aktien in einem geringen Umfang bereits vor dem eigentlichen equity carve-out börsennotiert waren, untersuchen. Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 279 ff., untersuchen 50 Börsengänge, die zwischen 1984 und dem ersten Quartal 2001 stattfanden, über einen Zeitraum von 500 Handelstagen.

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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reaktion ist umfassend dokumentiert und tritt in einem relativ kurzen Zeitintervall um den Ankündigungstermin auf.193 Anders als Pellens, der eine leicht negative Kursentwicklung für den von ihm untersuchten relativ kurzen Zeitraum feststellte, kommen jüngere breiter angelegte Untersuchungen zu dem Ergebnis, daß es in einem Zeitraum von bis zu zwei Jahren vor der Durchführung eines Börsengangs zu einem signifikanten abnormen bereinigten Kursanstieg der Aktien der Obergesellschaft kommt.194 b) Kapitalmarktreaktionen der Aktienkurse der Obergesellschaft nach dem Börsengang der Tochtergesellschaft Verschiedene empirische Untersuchungen weisen nach, daß infolge des Börsengangs der Tochtergesellschaft abnorme negative Kursreaktion der Aktien der Obergesellschaft auftreten. So stellen Kaserer und Ahlers in ihrer Untersuchung fest, daß die Kursentwicklungen zwar über den gesamten Untersuchungszeitraum positiv,195 die Entwicklung des Börsenkurses der 192 Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 537 f., mit einer Aufzählung dieser Obergesellschaften. Dazu auch Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 375. 193 Zu dem sog. announcement effect siehe Schipper/Smith, 15 JoFE 153, 181 (1986), die einen durchschnittlichen Kursanstieg von 1,8% der von ihnen untersuchten 76 Werte feststellen; siehe auch Nick, Börseneinführung von Tochtergesellschaften, 1994, S. 99 ff., wonach Lindenberg et al., Carve-Outs, 1989, S. 4, bei der Untersuchung von 43 US-amerikanischen equity carve-outs im Zeitraum von 1983– 1989 einen durchschnittlichen Kursanstieg der Aktien der Obergesellschaft von 5,8% über das durch allgemeine Marktbewegungen erklärbare Maß hinaus feststellen, wobei 3,6% auf den Zeitraum der ersten drei Tage nach Bekanntgabe der Börseneinführung entfallen, und in ihrer Untersuchung von 54 equity carve-outs im Zeitraum von 1984–1991 zu einer Steigerung von 7% in einem Zeitraum von 40 Tagen vor und 60 Tagen nach der Bekanntgabe und im Drei-Tages-Zeitraum noch eine Steigerung von 3,5% feststellen; hierzu auch Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 375; Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 541 und 556 ff. 194 Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 862 ff., stellt für den Zeitraum der letzten sechs Wochen vor Genehmigung des Börsenzulassungsprospektes eine negative Renditeentwicklung von ca. 2% fest. Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 559 ff., legen dar, daß diese Ergebnisse nicht im Widerspruch zu ihren eigenen Ergebnissen stehen, sondern auf der kurzen Periode und einer anderen Methodenwahl beruhen. Danach (aaO, 541 und 556 ff.) beträgt über einen Zeitraum von zwei Jahren betrachtet der Anstieg knapp 27%, in den 50 Tagen vor Genehmigung des Börsenzulassungsprospektes liegt der Kursanstieg noch bei fünf Prozent. Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 274 f. und 295 f., stellen eine abnormale Rendite von 7,6% im Zeitraum von 25 Tagen vor Ankündigung und einen kurzfristigen Anstieg von 1,4% fest (zum Untersuchungsmaterial und -umfang oben bei Fn. 191); dies., aaO, zitieren weitere deutsche Studien mit derselben Ergebnisrichtung; dazu auch Kiefner, Börsengang, 2005, S. 84 ff. 195 Dabei fallen die Kurseffekte dann besonders positiv aus, wenn der Börsengang durch eine Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft dazu genutzt wird, die-

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

Obergesellschaft nach der Börseneinführung aber negativ verläuft;196 ihre empirischen Ergebnisse stimmen dabei in der Tendenz mit Untersuchungen des US-amerikanischen Marktes überein.197 So kommt eine breit angelegte Studie US-amerikanischer Börsengänge von Tochtergesellschaften zu dem Ergebnis, daß die Aktien der Obergesellschaften im ersten Jahr nach der Durchführung einen Kursverlust erleiden.198 Ein ähnliches Ergebnis hat auch eine weitere Studie zu Börsengängen deutscher Tochtergesellschaften, wonach die Kursentwicklung der Aktien der Obergesellschaft in einem etwa zwei Jahre betragenden Untersuchungszeitraum schlechter als die Wertentwicklung des Vergleichmarktes ist.199 Eine solche negative Kursreaktion hat auch schon Pellens festgestellt.200 2. Theoretische Erklärungen Im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum werden eine Vielzahl von Erklärungsmodellen für die im Gesamtverlauf positiven Kursreaktionen der Aktien der Obergesellschaften diskutiert, die sich als Wertsteigerung einerseits infolge einer fundamentalen Wertschaffung, andererseits aufgrund von Kapitalmarktanomalien zusammenfassen lassen.201 ser neue Eigenmittel zuzuführen; siehe Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 565; zu einem solchen Ergebnis kommen auch Schipper/Smith, 15 JoFE 153, 167 (1986). Zu einem insgesamt negativen Ergebnis gelangt Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 859 ff., trotz Anlehnung an das Untersuchungsdesign von Schipper/Smith. Siehe auch Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 293, für die Gesamtperiode von der Ankündigung bis 500 Tage nach dem Börsengang: Rendite der Obergesellschaft 22,6%, Marktrendite 27%. 196 Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 558, die einen abnormalen signifikanten Kursverlust von 7% im ersten Halbjahr nach dem equity carve-out ermitteln. 197 So Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 558. 198 Vijh, 51 JoFE 273, 288 (1999), ermittelt bei seiner Untersuchung von 300 US-Gesellschaften, die zwischen 1981 und 1995 eine Tochtergesellschaft an die Börse gebracht haben, in den ersten sechs Monaten nach dem Börsegang einen statistisch signifikanten Kursverlust der Aktien der Obergesellschaft von 3,2%; siehe auch ders., aaO, zu weiteren vergleichbaren Untersuchungen US-amerikanischer equity carve-outs mit ähnlichen Ergebnissen. 199 Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 293, für einen Zeitraum von 500 Handelstagen nach dem Börsengang: Rendite der Muttergesellschaft 8,6%, Marktrendite: 15,7%. Das Ergebnis der leicht negativen langfristig abnormalen Rendite deckt sich mit den Ergebnissen von Vijh (siehe Fn. 198); siehe dies., aaO, 295. 200 Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 862 f., wonach die Börseneinführung über den von ihm untersuchten gesamten Zeitraum nachteilige Kursreaktionen auslöst, wenn auch diese nur geringfügig unter Null liegen, woraus er folgert, daß die Kapitalanleger bezogen auf die Aktienmarktbewegung der Obergesellschaft im Anschluß an die Börseneinführung der Tochtergesellschaft zu einem negativen Gesamturteil kommen. 201 Siehe hierzu auch Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 278 mwN.

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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a) Gründe für die Wertsteigerung im Gesamtverlauf Die im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum genannten Gründe setzen teils bei der positiven Marktbewertung der Obergesellschaft, teils bei den positiven Rückwirkungen der Marktbewertung der Tochtergesellschaftsaktien an.202 So wirke die Fokussierung auf das Kerngeschäft mittels Desinvestition von Nichtkerngeschäften wertschaffend aufgrund der Vermeidung negativer Synergien zwischen Ober- und Tochtergesellschaft, zunehmender Spezialisierungsvorteile des Managements und der Erhöhung der strategischen Flexibilität.203 Positiv wirke sich die Verringerung von unternehmensgruppeninternen Kapitalmärkten aus, da diese nach Ansätzen der Finanzierungstheorie Fehlallokationskosten erzeugen könnten, was mit Informationsasymmetrien zwischen der Geschäftsleitung der Obergesellschaft und der einzelnen Bereiche der Unternehmensgruppe erklärt wird.204 Die Erweiterung der Finanzierungsalternativen in der Tochtergesellschaft, die mit der Notierung ihrer Aktien an der Börse auch die Anteile zur Kapitalschöpfung in Anspruch nehmen kann, verbessere die Finanzierungsmöglichkeiten und steigere die Kontrolle durch externe Kapitalgeber, da diese mit dem Börsengang an unterschiedlichen Ebenen der Unternehmensgruppe ansetze.205 Die Kontrolle durch die Marktteilnehmer schränke überdies diskretionäre Spielräume der Geschäftsleitung der Obergesellschaft ein und wirke disziplinierend, führe also zu einer Verbesserung der Corporate Governance.206 Mit der Börsennotierung könne der Skepsis bestimmter Anlegerkreise hinsichtlich der Effektivität von Konzernstrukturen begegnet werden,207 da der Tochtergesellschaft verschiedene Informationspflichten entstünden und hierdurch deren Attraktivität als Investitionsobjekt gesteigert werde, was sich auch positiv auf die Obergesellschaft auswirke.208 Zudem könne ein Ab202

Zu weiteren Gründen für Wertsteigerungen der Aktien der Obergesellschaft Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 376 ff.; Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 24 ff.; allgemein Jakob, IPO, 1998, S. 22 ff. 203 Dazu Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 278 mwN.; M. R. Theisen, Konzern, 2000, M II 1a (S. 662). 204 Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 545 mwN. in Fn. 22. 205 Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 538 f. 206 Zur Management-Effizienzhypothese Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 377 f.; Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 278; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 521; Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 539; Jakob, IPO, 1998, S. 31; Pellens, Aktionärsschutz im Konzern, 1994, S. 271 ff., und ders., zfbf 45 (1993), 852, 855. Siehe auch Schipper/Smith, 15 JoFE 153, 171 (1986). 207 R. H. Schmitz, ZfgK, 1993, 842; zustimmend Volk, in: Volk, Going Public, 2000, S. 126, 131. 208 Volk, in: Volk, Going Public, 2000, S. 126, 137; Nick, Börseneinführung, 1994, S. 143, 205; Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 856 f.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

schlag auf den Kurs vermieden werden, der durch die Börse bei der Bewertung von Gesamtkonzernen vorgenommen werde.209 Die Erklärung der Wertsteigerung anhand von Marktanomalien, die im Widerspruch zu der Annahme der Markteffizienz stehen,210 gründet darauf, daß etwa Wachstumsunternehmen, die an die Börse gebracht werden, dort deutlich höher bewertet würden, als dies in traditionellen Verfahren der Unternehmensbewertung zu erklären sei. Anleger würden davon profitieren, daß ihnen ein Wertpapier mit einem in dieser Weise bisher nicht vorhandenen Risiko-Rendite-Profil zur Verfügung stehe, was die Diversifikationsmöglichkeit der Marktteilnehmer erhöhe, da diese eine individuelle Diversifikation ihres Portfolios vornehmen könnten.211 Die zusätzliche Wahlmöglichkeit könne auch ohne innere Unternehmenswertveränderungen positive Aktienmarktreaktionen auslösen.212 Nach der Signaltheorie zeigt überdies ein Börsengang einer Tochtergesellschaft glaubhaft die Unterbewertung der Obergesellschaft, was eine Wertsteigerung mit sich bringe.213 b) Gründe für die negativen Kursreaktionen nach dem Börsengang Die negativen Kursreaktionen nach dem Börsengang der Tochtergesellschaft sind nicht abschließend aufgehellt. Pellens erklärt die Reaktion mit einer Vermögensverschiebung zu Lasten der Aktionäre der Obergesellschaft und zugunsten der (neuen) Aktionäre der Tochtergesellschaft, wenn die Tochtergesellschaft mit einem Underpricing, also einer nicht unerheblichen Differenz zwischen Emissionspreis und dem Kurs bei der ersten Notierung, an die Börse gebracht werde.214 Kaserer und Ahlers bezweifeln, ob sich allein hiermit die erheblichen negativen Kursreaktionen erklären lassen, da eine Plazierung der Aktien der Tochtergesellschaft ohne Underpricing den Kursverlust der Aktien der Obergesellschaft nur zu einem Teil mindern würde. Nach ihrer Ansicht läßt sich aber für die negative abnorme Kursent209 So Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 376; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 521; Volk, in: Volk, Going Public, 2000, S. 126, 130 f., und ders., Finanzbetrieb 1999, 379, 381; Hennigs, Börseneinführung, 1995, S. 134 f.; Nick, Börseneinführung, 1994, S. 142 f.; R. Schmitz, ZfgK 1993, 842; dazu schon oben in Fn. 187. 210 Zum Begriff der Marktanomalie oben bei Fn. 161; zur EMH oben S. 55 ff. 211 So Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 521 f.; Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 372 f.; M. R. Theisen, Konzern, 2000, M II 1a (S. 662); Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 856. 212 Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 856. 213 Dazu und zu weiteren Argumenten mwN. Brettel/Junker/Pinker, ZfB 74 (2004), 273, 278. 214 Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 868. Zum Underpricing-Phänomen näher unten S. 512 ff.

B. Finanzwirtschaftliche Grundlagen des Untersuchungsprogramms

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wicklung keine weitere rationale Erklärung angeben, so daß fraglich sei, ob diese Kursentwicklung der Obergesellschaft nach dem Börsengang nicht eine Kapitalmarktanomalie darstelle, die mit der Vorstellung effizienter Kapitalmärkte nicht in Einklang zu bringen sei.215 c) Zusammenfassung und praktische Schlußfolgerungen Abschließende Aussagen über die Kursreaktionen im Zusammenhang mit einer Börseneinführung einer Tochtergesellschaft lassen sich aufgrund der vergleichsweise jungen praktischen Relevanz dieser Form der Unternehmensgruppenfinanzierung und -gestaltung in Deutschland und dem beschränkten Umfang der untersuchten Grundgesamtheiten nicht treffen.216 Die ersichtlichen empirischen Studien über die Kursreaktionen deutscher Börsengänge von Tochtergesellschaften zeigen entsprechend den Erfahrungen am US-amerikanischen Kapitalmarkt, daß es im Ankündigungszeitraum zu signifikant positiven,217 nach deren Durchführung aber zu signifikant negativen Kursentwicklungen der Obergesellschaftsaktien kommt.218 Nach dem gegenwärtigen Stand der Kapitalmarktforschung läßt sich, soweit ersichtlich, diese negative Kursentwicklung der Aktien der Obergesellschaft nicht abschließend erklären; zumindest teilweise hat diese Kapitalmarktreaktion aber ihren Grund in einem nicht unerheblichen Abweichen zwischen Emissionspreis und dem Kurs der ersten Notierung. Bei Betrachtung des Gesamtzeitraums hat den empirischen Untersuchungen zufolge der Börsengang von Tochtergesellschaft positive Auswirkungen auf die Wertsteigerung der Aktien der Obergesellschaft, wobei aber diese insbesondere durch das sog. Underpricing negativ beeinflußt werden und sich damit die Kursentwicklungen der Aktien der Obergesellschaft wieder relativiert. Der Festsetzung des Emissionspreises und der Zuteilung der Aktien kommt daher eine besondere Bedeutung zu. Damit ist das Stichwort für das Untersuchungsprogramm der Arbeit gefallen, so daß die Untersuchung an diesem Punkt zunächst abgebrochen und das Untersuchungsprogramm der Arbeit ins Auge gefaßt werden soll.

215

Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 558 f. So auch Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 564 f.; Volk, in: Volk, Going Public, 2000, S. 126, 138. 217 Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 564. 218 Pellens, zfbf 45 (1993), 851, 862 f.; Kaserer/Ahlers, zfbf 52 (2001), 537, 564 f.; Vijh, 51 JoFE 273, 288 (1999). 216

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

C. Untersuchungsprogramm I. Problemstellung Die Aus- und Abgabe von Aktien kann insbesondere durch verschiedene Formen der Kapitalerhöhung, Veräußerung eigener Aktien, Verschmelzung oder Spaltung veranlaßt sein.219 Neben dem Zufluß von Kapital können fremde Vermögenswerte gegen Gewährung eigener Anteile an der Obergesellschaft oder Aktien einer Untergesellschaft erworben werden. Unternehmensgruppen sind dabei neben den Bestimmungen des Gesellschaftsrechts zunehmend auch den Einflüssen des Kapitalmarktrechts ausgesetzt, so daß auch dieser Rechtsbereich zu berücksichtigen und damit zugleich die Frage nach dem Verhältnis zum Gesellschaftsrechts verbunden ist. Es liegt im Trend der Zeit, die aufgebauten verbandsrechtlichen Schutzinstrumentarien zurückzunehmen und den Aktionär der börsennotierten AG auf den Schutz durch den Kapitalmarkt und die verfahrensmäßig ausgebaute Organhaftung zu verweisen. Als Stichpunkte lassen sich hierfür auf gesetzlicher Ebene einerseits die „Modernisierung des Anfechtungsrechts“, insbesondere durch die neu gefaßten oder eingeführten §§ 243 Abs. 4 und 246a AktG, und andererseits die Einführung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß, §§ 327a ff. AktG, und die Neuordnung des Organhaftungsrechtes, §§ 116 S. 1, 93 Abs. 1 und §§ 147 f. AktG, anführen.220 Damit einher geht die Erleichterung der Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Bezugsrechtsausschluß im Rahmen des genehmigten Kapitals durch das Siemens/Nold-Urteil des BGH und die verfassungsrechtliche Absegnung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre aus dem Unternehmen durch dessen Übertragung auf den Mehrheitsgesellschafter verbunden mit der Auflösung der Gesellschaft durch die Moto Meter-Entscheidung des BVerfG.221 Diese Einzelaspekte stellen sich als Facetten einer Rechtsentwicklung dar, die von Zöllner als Verdrängung der Leitidee vom Aktionär als wirtschaftlichem oder mittelbarem Eigentümer des Gesellschaftsvermögens durch die Leitidee vom Aktionär als bloßem Anleger auf dem Kapitalmarkt 219 Zu weiteren Formen Scheffler, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, § 8 Rn. 8.35 (S. 225). 220 Siehe dazu Art. 7 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen v. 20.12.2001, BGBl. I S. 3822; sowie das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.9.2005, BGBl. I S. 2802. 221 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 (Siemens/Nold); BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868 (Moto Meter).

C. Untersuchungsprogramm

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beschrieben wird.222 Anzusetzen ist also bei der Bestimmung der Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht.

II. Themenstellung Mit der Arbeit soll die Rechtsstellung des Aktionärs in der börsennotierten Publikums-AG untersucht und das Verständnis seiner Position zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht herausgearbeitet werden. Das Untersuchungsprogramm will sich paradigmatisch damit auseinandersetzen, auf welche Weise der Schutz der Aktionäre in Fällen des Erwerbs fremden Vermögens durch die AG gegen Gewährung eigener Aktien oder solcher einer nachgeordneten Gesellschaft gewährleistet wird. Dafür ist zum einen die Rechtsstellung des Aktionärs im allgemeinen zu betrachten, wobei besonderes Augenmerk auf den zunehmenden Einfluß des Kapitalmarkt(recht)s auf die börsennotierte AG und ihre Aktionäre zu legen ist. Damit einher geht die Frage, inwiefern das verbandsrechtliche Verständnis von der Gesellschafterstellung und dessen Institute wie Treubindungen zwischen den Gesellschaftern sowie im Verhältnis zur AG, also die „ungeschriebene Legalordnung“ im Gesellschaftsrecht noch Anwendung finden oder inwieweit sie in der börsennotierten Publikumsgesellschaft durch Institute des Kapitalmarkt(recht)s abgelöst werden.223 Dem Titel der Untersuchung entsprechend sollen die Schutzrichtungen des Aktienrechts beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der unverbundenen AG und von Tochtergesellschaften betrachtet werden, um hieraus Rückschlüsse auf die Rechtsstellung des Aktionärs und die notwendigen Schutzinstrumentarien zu ziehen.224 Für die Frage, ob die Aktionäre ausreichend durch den Markt und das Kapitalmarktrecht geschützt werden können, sind dabei neben der rechtlichen Ausgestaltung auch die tatsächlichen Entwicklungen des Kapitalmarktes zu berücksichtigen. Dafür ist zu klären, inwieweit aus der Rolle des Aktionärs als Anleger am Kapitalmarkt ein Schutz des Aktionärs durch Kapitalmarktrecht entwikkelt werden kann und sich die Rechtsstellung des Aktionärs allein unter Vermögensgesichtspunkten beschreiben läßt. Hierbei ist bedeutsam, ob der Kapitalmarkt einen Vermögenswertschutz des Aktionärs durch die Möglichkeit des Austauschs von Anlageobjekten übernimmt. Das setzt bei der Frage an, ob und inwieweit ein durch das Kapitalmarktrecht gesichertes Funktionieren der Kapitalmärkte die Aktionäre ausreichend schützt oder es viel222

Zöllner, GesRZ 2004, 5, 5 (reSp.). Dazu K. Schmidt, GesR, 2002, § 21 I 1a (S. 588). 224 Der Begriff unverbundene AG steht in dieser Arbeit für solche AG, die nicht als verbundene Unternehmen iSd. § 15 AktG zu qualifizieren sind. 223

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

mehr trotz allem aktienrechtlicher Rechtsinstitute zu ihrem Schutz bedarf. Dabei ist auf Möglichkeit und Interesse der Publikumsaktionäre an der Ausübung ihrer Rechte in der Hauptversammlung und deren Funktion einzugehen, die nach einer pointierten Äußerung „von dem Umstand [lebt], daß nur ganz wenige von ihr Gebrauch machen“.225 Dies bedingt zugleich, über andere Schutzinstrumentarien nachzudenken, die den Aktionären außerhalb der Hauptversammlung zur Verfügung stehen und ihrem Schutz dienen. Hierfür ist zum einen das Verhältnis von zwingenden Beschlußkompetenzen und marktlichen Kontrollmechanismen in der Form kapitalmarktrechtlicher Regelungen zu klären. Zum anderen ist aufzuschlüsseln, inwieweit verbandsrechtliche, aus der Mitgliedschaft abgeleitete Institute wie das Bezugsrecht und Treubindungen, die mit der Kali+Salz- und Linotype-Entscheidung des BGH in Verbindung gebracht werden, mit der Rechtsstellung des Aktionärs in der börsennotierten Publikums-AG und dem jüngeren Verständnis des BGH von den Möglichkeiten der Einflußnahme des Aktionärs, wie sie in der Siemens/Nold- und der Gelatine-Entscheidung zum Ausdruck kommen, in Einklang gebracht werden können.226 Besondere Beachtung verdient ein klassisch verbandsrechtliches Institut, die Treubindungen im Aktienrecht und dabei besonders die Frage nach der Reichweite dieser Bindungen im Verhältnis der börsennotierten AG zu ihren Aktionären. Das zu entwickelnde Verständnis von der Rechtsstellung des Aktionärs soll auf seine Stimmigkeit beim Erwerb fremden Vermögens durch Gewährung von Aktien an der unverbundenen AG sowie einer Tochtergesellschaft untersucht werden. Dies verlangt nach einem zweistufigen Vorgehen. Zuerst sind die gesetzlichen Aussagen und Regelungsziele zur Rechtsstellung des Aktionärs und die Grundpositionen in Rechtsprechung und Schrifttum herauszuarbeiten, um die Rechtsstellung des Aktionärs näher charakterisieren zu können, auch wenn „die Ausbeute an allgemeinen Grundsätzen bis heute relativ beschränkt geblieben ist.“227 Hierauf aufbauend ist dieser Ansatz im Hinblick auf den Einsatz von Aktien in der unverbundenen AG zu konkretisieren und dabei insbesondere auf den paradigmatischen Fall der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß einzugehen. Die Ergebnisse sind für die Überlegungen zu entsprechenden Vorgängen in der Unternehmensgruppe 225

Seibert, AG 2004, 529, 529 (reSp.). BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40 (Kali+Salz), v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184 (Linotype), v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 137 (Siemens/Nold), und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 f. (Gelatine). 227 So Zöllner, in: FS Claussen, 1997, S. 423, zum Erkenntnisstand der Herausarbeitung allgemeiner Lehren im Gesellschaftsrecht. 226

C. Untersuchungsprogramm

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fruchtbar zu machen. Dabei ist der Frage nachzugehen, ob in Unternehmensverbindungen die Aktionäre der Obergesellschaft nicht zur schutzbedürftigen „Minderheit“ werden, wenn die Geschäftsleitung Umstrukturierungen veranlaßt.

III. Gang der Untersuchung Nachdem im Ersten Teil die Eckpunkte des Untersuchungsprogramms abgesteckt wurden, soll im Zweiten Teil die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht näher betrachtet und als Grundlage der weiteren Teile ausgeformt werden. Der Rechtsnatur der Mitgliedschaft und dem Kapitalmarktbezug der börsennotierten Publikums-AG kommt dabei besondere Bedeutung auch für die Frage nach dem Verhältnis von Kapitalmarktrecht und Verbandsrecht zu. Im Mittelpunkt stehen dabei die Einordnung der Aktionärsstellung und die Reichweite des mitgliedschaftlichen Schutzes. Ein besonderes Augenmerk ist darauf zu legen, ob die aktienrechtlichen Schutzrichtungen unabhängig von Beteiligungsquote und Interessenrichtung der Aktionäre ausgeformt sind. Mit den jüngeren Gesetzesreformen drängt sich die Frage auf, ob zumindest für Kleinaktionäre eine verbandsrechtliche Sichtweise der Rechtsstellung des Aktionärs nicht überkommen ist und diese statt dessen vornehmlich oder ausschließlich als Anleger zu sehen sind, deren Rechte mehr durch kapitalmarkt(recht)liche als verbandsrechtliche Instrumente zu schützen sind. Eine Ersetzung des verbandsrechtlichen Schutzes durch das Kapitalmarktrecht erfordert allerdings entsprechende Schutzinstrumentarien des Kapitalmarktrechtes und ein Funktionieren des Kapitalmarktes. Der Dritte Teil befaßt sich mit den aktienrechtlichen Schutzinstrumentarien beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der unverbundenen AG. Hierzu sollen Grundprinzipien herausgearbeitet werden, die dem Schutz der Aktionäre vor einer Beeinträchtigung ihrer Rechtsstellung dienen. Dafür ist auch der Frage nachzugehen, inwiefern grundlegende Schutzinstrumentarien des Verbandsrechts wie Treubindungen und das Gleichbehandlungsgebot auch in der börsennotierten Publikums-AG eine Berechtigung haben. Hierauf aufbauend ist im Vierten Teil der Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien einer Tochtergesellschaft zu betrachten. Paradigmatisch soll dabei die Kapitalerhöhung gegen Einlagen unter Bezugsrechtsausschluß in der Tochtergesellschaft sowie die Veräußerung von Aktien der Tochtergesellschaft durch die Obergesellschaft untersucht werden. Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, ob die Aktionäre auch außerhalb einer Hauptversammlungsbeteiligung geschützt werden können.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

Die Ergebnisse aus den vorangegangenen Teilen sollen im Fünften Teil fruchtbar gemacht werden für eine besondere Form des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft, den Börsengang von Tochtergesellschaften. Diese Veräußerungsform steht in einem Grenzbereich zwischen der Bewertung durch Sachverständige anhand der Substanz und der Bewertung am Markt und ist damit insbesondere im Hinblick auf den Schutz des Beteiligungsvermögens der Aktionäre problematisch. Für diesen speziellen Fall ist zu klären, ob die Aktionäre der börsennotierten Obergesellschaft durch Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht ausreichend gesichert sind oder ob es aufgrund von Kapitalmarktanomalien des Schutzes durch aktien- und verbandsrechtliche Institute bedarf. In diesem Rahmen ist auf eine weitere Schnittstelle zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht und damit zusammenhängend dem Schutz der Aktionäre einzugehen, der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß und Ausgabe der Aktien zum bereits bestehenden Börsenkurs.

IV. Themeneinschränkung Die Untersuchung wendet sich einem weiten Feld zu, da neben verbandsrechtlichen Grundlagen des Aktienrechts auch dessen Kapitalmarktbezüge betrachtet werden sollen und die Untersuchung sich mit Hauptversammlungskompetenzen und Individualrechten wie dem Bezugsrecht, Aspekten der Holzmüller-Doktrin und der Reichweite der Treubindungen auseinandersetzt, wobei die Ausarbeitungen im wissenschaftlichen Schrifttum schon zu dem letztgenannten Bereich ganze Bibliotheken füllen.228 Eine nur annähernd auf Vollständigkeit bedachte Auseinandersetzung mit einem dieser Bereiche ist kaum noch zu erreichen, würde aber jedenfalls den Rahmen der Untersuchung übersteigen. Die Diskussionen in diesen Bereichen sollen daher nicht im Detail nachverfolgt, sondern auf deren Grundaussagen und Tendenzen nur insoweit eingegangen werden, als dies für das Untersuchungsprogramm erforderlich ist. Die Untersuchung setzt sich daneben mit etlichen Bereichen nicht auseinander, was dem Anspruch einer umfassenden Berücksichtigung nur schwer gerecht wird; so wäre etwa die Auswertung ausländischer Literatur insbesondere zum Verständnis des Kapitalmarktrechts und seines Verhältnisses zum Gesellschaftsrecht für ein abgerundetes Bild erforderlich, würde aber den gesetzten Rahmen sprengen und kann daher nicht erfolgen.

228 So schon zum Bereich der Treubindungen Lutter, in: FS BGH II, 2000, S. 321, 331.

C. Untersuchungsprogramm

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1. Die börsennotierte Publikums-AG als Untersuchungsgegenstand Die AG steht im Blickpunkt, rechtsformübergreifende Aspekte bleiben außen vor; dabei beziehen sich die Untersuchungen nicht generell auf die AG, sondern nur die börsennotierte Publikums-AG mit breit gestreutem Anteilseignerkreis. Aspekte zur sogenannten „kleinen“ AG werden allenfalls im Vergleich zur Situation bei der börsennotierten Publikums-AG betrachtet. In den bereits angesprochenen Urteilen ist der BGH nicht ausdrücklich auf einen Typ der AG, also börsennotierte Publikumsgesellschaft oder kleine AG eingegangen, was ihm erhebliche Kritik eingebracht hat,229 an diesem Punkt aber die Frage nach der Berechtigung einer Beschäftigung vornehmlich mit der börsennotierten Publikums-AG aufwirft. Wenn die Untersuchung den gering beteiligten Publikumsaktionär in der börsennotierten Publikums-AG im Blick hat, setzt sie sich der berechtigten Kritik aus, daß das Aktienrecht nicht nur anhand der großen börsennotierten Publikumsgesellschaften besprochen werden dürfe und es sich hierbei nur um einen Bruchteil der in Deutschland bestehenden AG handelt.230 Der begrenzte Kreis großer börsennotierter Publikumsgesellschaften darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Beteiligung als Aktionär an einer solchen Gesellschaft zu einer Massenerscheinung geworden ist, wie jüngere Aktionärszahlen zu einzelnen AG belegen, so daß eine eigenständige Betrachtung gerechtfertigt ist.231 Dieses tatsächliche Phänomen geht einher mit der zunehmenden Einführung eigener Vorschriften für börsennotierte Aktiengesellschaften, wie schon aus der Legaldefinition des § 3 Abs. 2 AktG ersichtlich wird, die sich zu einer eigenen Rechtsmaterie entwickeln. Die Untersuchung hat damit einen Gesellschaftstypen im Blick, der nicht nur anhand der Realstruktur einem bestimmten Typus zugeordnet werden kann, sondern auch einen eigenen Rechtstypus bildet.232 229 Siehe dazu Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 373 Fn. 56, und deutlich auch die Anmerkung von Lutter zum Siemens/Nold-Urteil des BGH, JZ 1998, 50, 51. 230 Dazu etwa Zöllner, AG 1994, 336, 341 (reSp.), und Habersack, AG 2005, 137, 139 (reSp.), mit dem Hinweis, daß auf eine börsennotierte fünfzehn nicht notierte AG kommen; siehe auch schon Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 194. Zu den Zahlen siehe oben Fn. 17 und unten Fn. 249 im Zweiten Teil. 231 Nach einer Infratest-Umfrage im Auftrag des DAI gab es in Deutschland im Jahr 2007 ca. 4,1 Mio. Aktionäre (die älter als 14 Jahre sind) und 5,3 Mio. Inhaber von Aktienfonds; siehe DAI, Factbook, 2007, 08.3-Zahl-D. Dazu schon oben in Fn. 18 und näher unten S. 129 ff. 232 Zur Bedeutung der Realstruktur im Gesellschaftsrecht als ein Element des Rechts in jüngerer Zeit Lutter, in: FS BGH II, 2000, S. 321, 332, und dazu näher unten S. 87 ff.

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1. Teil: Rechtliche Eckpunkte und finanzwirtschaftliche Grundlagen

2. Schutz der Rechtsstellung der Aktionäre bei Aus- und Abgabe von Aktien Die Gewährung von Anteilen durch die unverbundene AG und in der Unternehmensgruppe durch die Ober- und die Tochtergesellschaft soll untersucht werden, nicht aber Probleme der Anteilsveräußerungen durch Aktionäre.233 Dabei stehen bei der Untersuchung der materiell-rechtlichen Schutzmöglichkeiten des gering beteiligten Publikumsaktionärs vor einer Beeinträchtigung seiner Beteiligung die Stimm- und Vermögensrechte der Aktionäre im Vordergrund; andere Individualrechte wie etwa Auskunftsrechte oder Anfechtungsbefugnisse sollen allenfalls am Rande betrachtet werden. Fragen zur prozessualen Durchsetzung solcher Rechte werden grundsätzlich nicht betrachtet. Die Ausführungen zu Maßnahmen der Gruppenumbildung und -leitung beschränken sich auf die Auswirkungen auf gering beteiligte Publikumsaktionäre der Obergesellschaft beim Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen einer Tochtergesellschaft, die von der Obergesellschaft veräußert oder durch die Tochtergesellschaft im Wege einer Barkapitalerhöhung gegen Einlagen geschaffen werden, wobei letztere im Alleinbesitz der Obergesellschaft stehen soll. Auf weitere Probleme im Zusammenhang mit der Holzmüller-Entscheidung und der darin statuierten ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung, etwa Probleme der Unterschreitung des Unternehmensgegenstandes oder Fragen zur Durchführung eines solchen Hauptversammlungsbeschlusses,234 soll so wenig eingegangen als der Versuch unternommen werden, Fragen der Konzernbildungs- und Konzernleitungskontrolle umfassend zu betrachten. Von erheblicher praktischer Relevanz für den Erfolg der im Fünften Teil zu untersuchenden Börseneinführung und der hieraus resultierenden Gefahr der Wertbeeinträchtigung der abgebenden Aktionäre ist die Bewertung der Aktien; die damit verbundenen Fragen der Art und der Methoden der Unternehmensbewertung sollen trotzdem außen vor gelassen werden. 233 Wenn dafür im folgenden von Obergesellschaft gesprochen wird, bezieht sich dies auf die AG als Spitze der Unternehmensgruppe, die gesellschaftsrechtliche Beteiligungen an nachgeordneten Gesellschaften hält, wobei regelmäßig auf Tochtergesellschaften abgestellt wird, die ebenfalls die Rechtsform der AG haben sollen. 234 Zur Vorbereitung und Durchführung von Hauptversammlungsbeschlüssen zur Ermächtigung des Vorstandes zu Strukturmaßnahmen siehe Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 231 ff.; speziell bei Fällen des Erwerbs und der Veräußerung von Beteiligungsbesitz Groß AG 1996, 111 ff. Zu den Informationsrechten der Aktionäre in solchen Fällen Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 299 f.; Tröger, ZHR 165 (2001), 593 ff. und insbesondere zur Frage, ob in Fällen des § 179a AktG die den Hauptversammlungsbeschluß vorbereitenden Regelungen des UmwG entsprechend heranzuziehen sind, Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1999, 261 ff.

Zweiter Teil

Die Rechtsstellung des Aktionärs Die Auswirkungen der im Ersten Teil angesprochenen zahlreichen Änderungen des rechtlichen Rahmens der AG in den letzten Jahren und die zunehmende Inanspruchnahme des Kapitalmarktes durch die Gesellschaften münden in die Frage, ob eine verstärkte Berücksichtigung des Aktionärs als Anleger auf dem Kapitalmarkt erforderlich ist. Die hierauf sich gründende Kontroverse im Schrifttum, die auf Seiten der Befürworter einer verstärkt kapitalmarktorientierten Sichtweise anfänglich nur von einzelnen Stimmen getragen wurde, hat sich durch die Entwicklungen auf Gesetzesebene als auch aufgrund jüngerer Entscheidungen des BVerfG und des BGH vertieft. Im Kern geht es um den grundlegenden Problemkreis, ob die Leitidee vom Aktionär als wirtschaftlichem oder mittelbarem Eigentümer des Gesellschaftsvermögens von der Leitidee vom Aktionär als bloßem Anleger auf dem Kapitalmarkt abgelöst wird.1 Stellt man sich den verbandsmitgliedschaftlichen Aktionär, um das Bild von Röhricht zu bemühen, als „Typus eines Anton Wohlfahrt aus Gustav Freytags ‚Soll und Haben‘, der in das Handelshaus T. O. Schröter eintritt und am Ende noch des Handelsherrn Töchterlein freit“,2 den anlageorientierten Aktionär hingegen als solchen vor, der an der Börse heute Aktien der einen Gesellschaft kauft, um diese unter Renditegesichtspunkten morgen wieder zu verkaufen und das Kapital in eine andere Gesellschaft oder gar Anlageform zu investieren, führt dies die unterschiedlichen Interessenrichtungen vor Augen. Die rechtstatsächlichen Entwicklungen dürfen bei der nachfolgenden Untersuchung nicht außer Acht gelassen werden; Ausgangspunkt ist aber die Betrachtung der Rechtsstellung des Aktionärs. Dafür ist einerseits näher zu beleuchten, inwieweit diese noch in verbandsrechtliche Formen gefaßt werden kann und ob die Beschreibung des Aktionärs einer verstärkten Berücksichtigung seiner kapitalmarktvermittelten Anlegereigenschaft bedarf. Andererseits ist zu klären, inwiefern das AktG diese unterschiedlichen Interessenrichtungen in sich aufnimmt. Besondere Bedeutung hat das Verhältnis von Bestandsschutz der Mitgliedschaft und Vermögensschutz der Beteiligung. Bevor dafür auf die aktiengesetzlichen Detailregelungen einzugehen 1 2

Dazu schon oben bei Fn. 222 im Ersten Teil. Zu diesem Bild Röhricht, ZGR 1999, 445, 474.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

ist, sollen anhand der gesetzgeberischen Grundaussagen die Strukturen der Aktionärsstellung herausgearbeitet werden.

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs Der Titel „Rechtsverhältnisse der Gesellschaft und der Gesellschafter“ des Dritten Teils des ersten Buches des AktG ist nicht streng programmatisch zu verstehen, da Rechte und Pflichten des Aktionärs nicht in einem systematisch-ordnenden Abschnitt des AktG zusammengefaßt, sondern auf verschiedene Einzelvorschriften verstreut sind. Trotz seiner weit gefaßten Überschrift, der Titel des AktG insgesamt sein könnte,3 regelt der Dritte Teil Rechte und Pflichten der Aktionäre nicht abschließend, so daß etwa ungeschriebene Einzelrechte des Aktionärs aus seiner Rechtsstellung abgeleitet werden.4 Ausgangspunkt der Untersuchung der Rechtsstellung des Aktionärs ist das AktG 1965 mit dem bis heute prägenden Grundverständnis des Aktionärs als wirtschaftlicher Eigentümer. Im Anschluß an die Darstellung der grundlegenden Ansichten im Schrifttum sind die normativen Entwicklungen der jüngeren Zeit zu beleuchten. Dabei beschränkt sich die Darstellung der jüngeren Gesetzesreformen entsprechend der Zwecksetzung dieses Teils auf die für die Rechtsstellung des Aktionärs relevanten grundlegenden Änderungen durch die aktiengesetzlichen Reformgesetze. Die Bestimmung der Aktionärsstellung gründet sich auf drei Modellen: Der Aktionär als wirtschaftlicher Eigentümer, der Aktionär als Verbandsmitglied auf Grundlage einer rechtsformübergreifenden Betrachtung sowie als Anleger bzw. in der Doppelrolle als Verbandsmitglied und Kapitalanleger.5

3 So schon Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, Vor § 53a Rn. 1. Neben den Pflichten etwa gemäß §§ 54, 55, 62, 63 AktG bestehen Treupflichten des Aktionärs gegenüber der AG und sind auch Rechte der Aktionäre außerhalb dieses Teils des AktG zu finden, etwa das Recht auf Hauptversammlungsteilnahme, § 118 Abs. 1 AktG, auf Auskunft, §§ 131, 293g Abs. 3 AktG, und auf Antragstellung, § 126 f. AktG, das Stimm-, § 134 AktG, das Bezugs-, §§ 186 Abs. 1 S. 1, 203 Abs. 1, 212 S. 1, 221 Abs. 4 AktG, und das Anfechtungsrecht, § 245 AktG, das Recht auf Beteiligung am Liquidationserlös, § 271 AktG, und weitere Rechte, etwa in den §§ 122, 147 sowie §§ 304, 305, 320b, 327b AktG. 4 Siehe als eine der wichtigsten Grundlagen ungeschriebener Rechte und Pflichten die von der g. h. M. anerkannten Treubindungen; dazu etwa Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 13 ff., und näher unten S. 338 ff. 5 Zu dem vierten Ansatz, den Mülbert, in: GroßkommAktG, 1999, Vor §§ 118– 147 Rn. 187 ff., nennt, also der Aktionär in der Doppelrolle als Treuhänder und Treugeber, unten S. 329 ff.

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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I. Die Stellung des Aktionärs nach dem AktG 1965 In Abkehr vom AktG 1937, das weniger den einzelnen Aktionären als dem Verhältnis der Organe untereinander, insbesondere dem vom Vorstand zur Hauptversammlung besondere Beachtung schenkte,6 steht, wie der Gesetzgeber des AktG 1965 betont, die Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs im Mittelpunkt des AktG 1965, das diesen als wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens sieht.7 1. Der Aktionär als wirtschaftlicher Eigentümer Die amtliche Begründung zum AktG 1965 formuliert: „Unsere Rechtsund Wirtschaftsordnung beruht auf der Anerkennung und dem Schutz des privaten Eigentums und der freien Verfügbarkeit über das Eigentum . . . Ein Aktienrecht, das diesen Grundsätzen unserer Wirtschaftsverfassung entsprechen soll, muß daher von dem wirtschaftlichen Eigentum der Aktionäre an dem auf ihren Kapitalbeiträgen beruhenden Unternehmen ausgehen und darf das Mitsprache- und Kontrollrecht der Aktionäre nur so weit einschränken, als dies erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit und die Erreichung des Zweckes des Zusammenschlusses zu sichern, zu dem sich die Aktionäre freiwillig verbunden haben, sowie um die Wahrung übergeordneter wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Ziele zu gewährleisten.“8 Sie stimmt mit dem im Feldmühle-Urteil9 entwickelten, in der Rheinstahl-Entscheidung und im Mitbestimmungs-Urteil des BVerfG unter dem Begriff des „Anteilseigentums“ vertieften Ansatz überein, daß dem Aktionär eine vom Eigentumsbegriff des Art. 14 GG erfaßte mittelbare Berechtigung an den Bestandteilen des Gesellschaftsvermögens zukommt.10 Zur Zielsetzung führt 6

Zur Entwicklung des AktG und speziell zum AktG 1937 Assmann, in: GroßkommAktG, Einl., 1992, Rn. 148 ff.; Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 15. Kap. (S. 619 ff.). 7 Dazu Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines III, bei Kropff, AktG, 1965, S. 15. 8 Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines II, bei Kropff, AktG, 1965, S. 14. 9 Die Feldmühle-Entscheidung des BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, erging zur Frage des Zwangsausscheidens von Minderheitsgesellschaftern im Rahmen der Verschmelzung nach §§ 15, 12 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften v. 12.11.1956, BGBl. I S. 844, die den Ausschluß von Minderheitsaktionären zugunsten des mit mehr als drei Viertel am Grundkapital beteiligten Hauptgesellschafters vorsahen. Der zentrale Satz lautet, daß „es auch im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 GG nicht von vornherein unvertretbar [erscheint], wenn der Gesetzgeber erlaubt, daß sich das von der Konzernleitung vertretene unternehmerische Interesse gegenüber dem Anlageinteresse des Kleinaktionärs durchsetzt“; siehe BVerfG aaO, 283. 10 Vgl. BVerfG v. 7.5.1969 – 2 BvL 15/67, BVerfGE 25, 371, 407 (Rheinstahl), und v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290, 342 (Mitbestimmungs-Ur-

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

die amtliche Begründung weiter aus: „Richtlinie aller aktienrechtlichen Regelungen muß daher die Fragestellung sein, ob die einzelne Regelung der Stellung der Aktionäre als der wirtschaftlichen Eigentümer des Unternehmens entspricht und ob sie die Befugnis der Aktionäre nur solchen Bindungen und Beschränkungen unterwirft, die wegen der Besonderheit des aktienrechtlichen Mitgliedschaftsrechts als einer auf die Großwirtschaft und den Kapitalmarkt zugeschnittene Erscheinungsform wirtschaftlichen Eigentums oder aus vorrangigen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Gründen gerechtfertigt sind. So kann das Aktienrecht nicht an der Tatsache vorübergehen, daß in der Aktiengesellschaft als juristischer Person die Willensbildung der Gesellschaft besonders dafür geschaffenen Organen übertragen werden muß. Dabei muß das Organ der Aktionäre, die Hauptversammlung, den Einfluß erhalten, der der Eigentümerstellung der Aktionäre entspricht. Anderseits muß aber berücksichtigt werden, daß die Gesellschaft sich wirtschaftlich betätigen soll und unter den heutigen schwer überschaubaren, ständig wechselnden und rasche Entschlüsse erfordernden Wirtschaftsverhältnissen ihrer Aufgabe nur gerecht werden kann, wenn für eine sachkundige entschlußfähige Geschäftsführung gesorgt ist. Auch daraus, daß die Aktiengesellschaft typischerweise das Sammelbecken der Kapitalbeiträge Vieler ist, folgt für die Stellung des einzelnen Aktionärs, daß er Einschränkungen hinnehmen muß, die im Interesse des gemeinsam verfolgten Zwekkes seinen Willen dem der Mehrheit unterordnen.“11 Weiter heißt es: „Nur bei einer diesen Grundsätzen entsprechenden Gestaltung des Aktienrechts werden private Eigentümer immer wieder bereit sein, ihr Kapital einer Aktiengesellschaft zur Verfügung zu stellen und so den Bestand und Fortschritt unserer auf der privaten Initiative beruhenden Wirtschaftsordnung zu gewährleisten.“12 teil): „Das Anteilseigentum ist in seinem mitgliedschaftsrechtlichen und seinem vermögensrechtlichen Element gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum . . . [D]er Eigner kann sein Eigentum regelmäßig nicht unmittelbar nutzen und die mit ihm verbundenen Verfügungsbefugnisse wahrnehmen, sondern er ist hinsichtlich der Nutzung auf den Vermögenswert beschränkt, während ihm Verfügungsbefugnisse – abgesehen von der Veräußerung oder Belastung – nur mittelbar über die Organe der Gesellschaft zustehen“. Das BVerfG hat seine Rechtsprechung in neuerer Zeit bestätigt; vgl. etwa BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 301 f. (DAT/ Altana), und v. 8.9.1999 – 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1804 (Hartmann & Braun). 11 Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines II, bei Kropff, AktG, 1965, S. 14. 12 Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines II, bei Kropff, AktG, 1965, S. 14. Die Funktion der AG als Kapitalsammelstelle hat schon der Gesetzgeber von 1884 angelegt, wenn es heißt: „Das eigentliche Gebiet der Aktiengesellschaft liegt allerdings in der Erreichung wirthschaftlicher Aufgaben, für welche die Kapitalsmacht des Einzelnen und der Kollektivgesellschaft nicht ausreicht.“; siehe Allg Begr AktG 1884, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 413.

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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2. Erste Folgerungen Mit der Sichtweise vom Aktionär als wirtschaftlicher Eigentümer wird weniger die bürgerlich-rechtliche Eigentümerstellung aufgenommen,13 als vielmehr bestimmte materielle Wertungsgesichtspunkte des Aktienrechts begründet und das Verhältnis von Mehr- zu Minderheit und von den Aktionären zur Geschäftsleitung entwickelt.14 Deutlich wird hierdurch zum einen, warum das wirtschaftliche Risiko im Sinn des totalen Vermögensverlustes bei den Aktionären ruht. Wären die Aktionäre nicht wirtschaftliche Eigentümer, ließe sich schwerlich rechtfertigen, daß sie in der Insolvenz der Gesellschaft erst nach den Gläubigern an der Verteilung des Liquidationsüberschusses beteiligt werden und damit praktisch immer leer ausgehen, wie Zöllner anführt.15 Weiterhin zeigt sich die dem gesellschaftsrechtlich vermittelten Eigentum anhaftende Schwäche, das seiner Natur nach gegen Mehrheitsbeschlüsse nur begrenzt gesichert ist. Die Einschränkung der Aktionärsstellung im Interesse der „Erreichung des Zweckes des Zusammenschlusses“ orientiert sich an verbandsrechtlichen Grundlagen; daneben stellt die Gesetzesbegründung zugleich auf die Funktion der AG als „Kapitalpumpe“ und ihren Zuschnitt auf den Kapitalmarkt ab und betont die Bedeutung der Vermögensrechte des Aktionärs, ohne diese aber im Allgemeinen Teil der Regierungsbegründung zu erwähnen. Mit der Kapitalsammelfunktion der AG klingt im AktG 1965 der Kapitalmarktbezug der Gesellschafterposition an; die gemeinsame Zweckverfolgung zeigt aber auf, daß der Aktionär weniger als Kapitalanleger und Unternehmensfinanzier, sondern vielmehr als Mitglied eines unternehmerisch tätigen Verbandes gesehen wird,16 so daß zu Recht von einer gewissen „Kapitalmarktferne“ des AktG 1965 gesprochen wurde.17 Die hiermit verbundenen Wertungen und Zielsetzungen des AktG 1965 sind bei der Entwicklung der Rechtsstellung des Aktionärs als wirtschaftlicher Eigentümer zugrunde zulegen.18 13 Auf das „rechtliche“ Eigentum der AG weisen etwa Joussen, AG 2000, 241, 252 (liSp.), Henn, HdB AktR, 2002, Rn. 26 (S. 18 f.) und Rn. 701 (S. 388), und MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 2, hin. 14 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 64 f.; Siems, Konvergenz, 2005, S. 72 f. mwN. zu diesem Ansatz auch in anderen Rechtsordnungen. In diesem Sinne stellt Becker, Verwaltungskontrolle, 1997, S. 602, darauf ab, daß die Aktionäre wirtschaftliche Eigentümer der AG seien, um hieraus die Handlungsbefugnisse des Vorstandes aus § 76 Abs. 1 AktG näher zu beleuchten. 15 Zöllner, GesRZ 2004, 5, 6 (reSp.) und 8 (liSp.). 16 So in der Bewertung Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 I 1b (S. 478); dem zustimmend Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2007, § 1 Rn. 7. 17 Schwark, ZGR 1976, 271, 274. In jüngerer Zeit Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 I 4 (S. 465); Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 58; Richter, ZHR 172 (2008), 419, 432; K. Schmidt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Einl. Rn. 16.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Aus dem Begriff des „wirtschaftlichen Eigentümers“, der im Schrifttum kritisch gewürdigt wurde, lassen sich allerdings nur dann rechtliche Positionen des Aktionärs herleiten, die er gegenüber der Geschäftsleitung oder seinen Mitaktionären geltend machen kann und die seine Rechtsstellung näher bestimmen, wenn sich dieser Begriff konkretisieren läßt. Als erstes fällt damit der Blick auf den verfassungsrechtlichen Begriff des Eigentums und dessen Schutz im Verband, der zwar für die stärkste Form des Eingriffs in die Aktionärsstellung, den Entzug der Beteiligung, eine gewisse Konkretisierung gibt, darüber hinausgehend aber nicht ohne weiteres die Aktionärsstellung deutlicher hervortreten läßt. Auch wenn sich mit dem „wirtschaftlichen“ Eigentum die Trägerschaft des Wirtschaftsrisikos beschreiben läßt,19 werden hierdurch die Schwierigkeiten bei der Charakterisierung der Rechtsstellung des Aktionärs nicht gelöst.20 Der Begriff verlagert das Problem des Spannungsverhältnisses zwischen Mehrheit und Minderheit sowie dem Individualinteresse des Aktionärs und der gemeinsamen Verfolgung des Verbandszwecks vielmehr in eine Richtung, die sich an der Auflösung von Konfliktsituationen widerstreitender Interessen bei Eingriffen in den grundrechtlichen Schutzbereich des Eigentums orientiert.21 Das Anteilseigentum verkörpert das Vermögensinteresse der Aktionäre; Ableitungen für die sonstigen sich aus der Mitgliedschaft ergebenden Rechte der Aktionäre lassen sich anhand dieses Begriffes nicht ohne weiteres bestimmen. Im Schrifttum wird daher neben grundlegenden konzeptionellen Bedenken darauf hingewiesen,22 daß sich beispielsweise die Entziehung der Mitgliedschaft in der Gesellschaft infolge eines Mehrheitsbeschlusses, die aufgrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben allenfalls gegen eine Entschädigung erfolgen darf, aus dem Ansatz des Anteilseigentums des Aktionärs als wirtschaftlichem Eigentümer hinreichend konkret erklären lasse. Konflikte zwischen Mehrheit und Minderheit und der Schutz einzelner Mitgliedschaftsrechte würden sich aber durch die Anlehnung an den verfassungsrechtlichen Eigentumsgedanken nicht ohne weiteres auflösen lassen.23 Daneben wurde schon früh vorgetragen, daß der Publikumsak18 Zur Regelungsabsicht des Gesetzgebers als einem tragendem Aspekt der Auslegung Larenz, Methodenlehre, 1991, Kap. 4 1b (S. 316 ff.). Zur Ungeeignetheit des Begriffs für die Rechtsfortbildung hingegen Mülbert, in: GroßkommAktG, 1999, Vor §§ 118–147 Rn. 189: „Leerformelcharakter“. 19 Vgl. dazu nochmals Zöllner, GesRZ 2004, 5, 6 ff. 20 Siehe auch Hüffer, in: GroßkommHGB, 2002, § 240 Rn. 18 (zu § 39 AO), wonach es kein wirtschaftliches Eigentum gibt, aus dem sich bestimmte Ergebnisse ableiten lassen. 21 So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 64 f. 22 Dazu Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 635 ff. 23 So Mülbert, in: GroßkommAktG, 1999, Vor §§ 118–147 Rn. 190.

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tionär nicht die Rolle eines wirtschaftlichen Miteigentümers spielen könne und wolle,24 worauf noch näher einzugehen ist. Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung zum Aktienrecht beide Dimensionen des Aktieneigentums, also das „mittelbare“ Eigentum des Aktionärs an den gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögensgütern als auch die Inhaberschaft am Gesellschaftsanteil und damit das „unmittelbare“ Eigentum an der Aktie, unter verfassungsrechtlichen Schutz gestellt,25 wobei letzterer Bereich insbesondere im Hinblick auf die einzelnen Mitgliedschaftsrechte Gegenstand jüngerer Entscheidungen war.26 Dieser auf zwei Ebenen wirkende Schutz des Aktieneigentums in Form von mittelbarer Unternehmensträgerschaft und unmittelbarem Mitgliedschaftsrecht wird durch den Begriff des wirtschaftlichen Eigentums nur hinreichend beschrieben,27 wenn beide Dimension hierin aufgenommen sind und das Aktieneigentum, das die Position der Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümer bündelt, als Doppelstellung zu verstehen ist. Das wirtschaftliche Eigentum der Aktionäre umfaßt also auch die Inhaberschaft all der unterschiedlichen Gegenstände, die das Vermögen der AG ausmachen.28 In diesem Sinne führt die Gesetzesbegründung an, daß das aktienrechtliche Mitgliedschaftsrecht eine Erscheinungsform wirtschaftlichen Eigentums sei,29 weist aber zugleich auf dessen Einschränkbarkeit im Interesse der Erreichung des Zweckes des Zusammenschlusses hin, womit der verbandsrechtliche Gedanke von der Mitgliedschaft des Aktionärs im Zweckverband Ausgangspunkt der Betrachtung ist.

24 Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 III 1 (S. 495 f.), und ders., BB 1975, 1591, 1596 (liSp.). 25 Zum Schutz des mittelbaren Eigentums der Anteilseigner deutlich das Mitbestimmungs-Urteil des BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290, 350: „Der Gesetzgeber hält sich jedenfalls dann innerhalb der Grenzen zulässiger Inhalts- und Schrankenbestimmung, wenn die Mitbestimmung der Arbeitnehmer nicht dazu führt, daß über das im Unternehmen investierte Kapital gegen den Willen aller Anteilseigner entschieden werden kann . . .“. Ob das Anteilseigentum nach der Vorstellung des BVerfG Eigentum an der Mitgliedschaft beschreibt, ist str.; dazu Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1381 ff.; hiergegen Mülbert/Leuschner, ZHR 170 (2006), 615, 621. 26 So etwa BVerfG v. 20.9.1999 – 1 BvR 636/95, ZIP 1999, 1798 (Wenger/ Daimler-Benz), und 1 BvR 168/93, ZIP 1999, 1801 (Scheidemantel II), und v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587 ff. (Edscha). Siehe auch BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 (Macrotron), der im Rahmen von Fragen betreffend das Delisting das Aktieneigentum als Ansatz wählt, um aus dieser Rechtsposition Schutzrechte der Aktionäre abzuleiten; dazu näher unten S. 173 f. 27 Vgl. nochmals BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290, 340 f. (Mitbestimmungs-Urteil); dazu Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1371. 28 Zöllner, GesRZ 2004, 5, 5 und 9. 29 Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines II, bei Kropff, AktG, 1965, S. 14.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

II. Die Ansichten im Schrifttum Das in der Regierungsbegründung zum AktG 1965 aufgegriffene, aber nicht aufgelöste Spannungsverhältnis zwischen der AG als organisiertem Personenverband mit einem überindividuellen Zweck und der Kapitalsammelfunktion der AG, in der die Anleger ohne gemeinsame Zielsetzung nur ihren individuellen Nutzen zu maximieren suchen, spiegelt sich auch in den Arbeiten des Schrifttums wider, die sich grundlegend mit der Rechtsstellung des Aktionärs in der AG befassen. Die unterschiedlichen Ansätze stellen dementsprechend zum einen auf die mitgliedschaftliche Stellung im Verband, zum anderen auf die mit der Finanzierungsfunktion des Aktionärs verbundene Anlegerstellung ab. Das verbandsrechtliche Verständnis des AktG baut auf einem einheitlichen Ansatz der mitgliedschaftlichen Rechtsstellung in privaten Zweckverbänden auf, der rechtsformübergreifend die Stellung des Gesellschafters einer Personengesellschaft und Mitglied einer Körperschaft betrachtet. Grundlegend sind hierbei insbesondere die Arbeiten von Lutter, K. Schmidt, Wiedemann und Habersack. Die maßgeblich von Assmann entwickelte Gegenkonzeption orientiert sich an der Finanzierungsfunktion der AG und betrachtet den Aktionär vornehmlich als Anleger. Im Spannungsfeld dieser Konzeptionen entwickelte Mülbert die Rechtsstellung des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger. 1. Die Beschreibung der Rechtsstellung des Aktionärs anhand rechtsformübergreifender Grundgedanken In ihren Untersuchungen leiten Lutter, K. Schmidt, Wiedemann und Habersack aus einer rechtsformübergreifenden Betrachtung der mitgliedschaftlichen Stellung in Personen- und Kapitalgesellschaften die Rechtsstellung des Gesellschafters als Verbandsmitglieds her.30 Der Aktionär ist vornehmlich Verbandsmitglied und dementsprechend das AktG Organisationsrecht eines Personenverbandes mit gemeinsamer Zielsetzung. Lutter, K. Schmidt und Habersack begründen anhand der Rechtsfigur der Mitgliedschaft im Sinne eines Stammrechts die einzelnen Rechte und Pflichten und entwickeln so eine Konkretisierung und nähere innere Ausgestaltung der Mitgliedschaftsstellung. Der Ansatz von Wiedemann baut auf den Wertungsprinzipien Individualschutz, Minderheitenschutz und, anknüpfend an 30

Lutter, AcP 180 (1980), 84–159; K. Schmidt, GesR, 2002, §§ 19–21 (S. 547– 652); Wiedemann, GesR I, 1980, §§ 7–9 (S. 357–471); Habersack, Mitgliedschaft, 1996, §§ 5 und 6 (S. 28–103).

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den Vorarbeiten von Hopt und Schwark, Kapitalanlegerschutz zur Konkretisierung der Rechtsstellung des Gesellschafters auf.31 a) Der verbandsrechtliche Ansatz Im Mittelpunkt der Untersuchungen von Lutter, K. Schmidt und Habersack steht die Mitgliedschaft des einzelnen Gesellschafters, die anhand eines rechtsformübergreifenden gesellschaftsrechtlichen Ansatzes zu charakterisieren sei.32 Der rechtsformübergreifende Ansatz verfolgt dabei zwei Ziele. Wegen der Zukunftsoffenheit der Entwicklung des Verbandes und der darin vereinigten Interessen sei neben gesetzlicher, gesellschaftsvertraglicher und satzungsmäßiger Rechte und Pflichten der Mitglieder die Verbandsmitgliedschaft als „nach vorne offenes Rechtsverhältnis“ im Sinne einer generalklauselartigen Rechtsgrundlage zu schaffen, wie Lutter ausführt, die bestehende Verhaltenspflichten der Mitglieder konkretisiere bzw. an neue Umstände anpasse und neue Pflichten begründen könne.33 Mittels der Herausbildung allgemeiner Lehren im Sinne einer rechtsformübergreifenden Institutionenbildung sollen neben den strukturellen Verschiedenheiten der Personengesellschaft und der Körperschaft auch ihre Gemeinsamkeiten berücksichtigt und die Handhabung des gesellschaftsrechtlichen Instrumentariums erleichtert werden.34 Kernelement ist die Frage, inwieweit die Mitgliedschaft über alle privatrechtlichen Verbandsformen hinweg einheitlichen Prinzipien folgt, sich also einheitliche rechtliche Strukturen für die Mitgliedschaften sowie in ihrem Kern einheitliche Rechts- und Pflichtenlagen nachweisen lassen.35 Die von § 705 BGB aufgestellte mitgliedschaftliche Pflicht, „die Erreichung eines gemeinsamen Zweckes in der durch den Vertrag bestimmten Weise zu fördern“, ist nach Lutter Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens, der dies auf die plastische Formel bringt, diese Vorschrift enthalte „die 31 Der Kapitalanlegerschutz als Rechtsprinzip und die Kategorien individueller Anlegerschutz/Kapitalmarktfunktionenschutz wurde von Hopt erstmals für das deutsche Recht entwickelt; siehe ders., Kapitalanlegerschutz, 1975, passim, und ders., ZHR 143 (1977), 389 ff.; siehe auch Schwark, Anlegerschutz, 1979, und ders., ZGR 1976, 271. 32 Hierzu Lutter, AcP 180 (1980), 84, 86 und 89 f.; K. Schmidt, GesR, 2002, § 3 III 2 (S. 53) und § 19 III 1b (S. 550). 33 Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166, zu dem Bild der Gesellschaft als „nach vorne offenes Rechtsverhältnis“, sowie zu der „Offenheit jedes Verbandes nach vorne“ ders., AcP 180 (1980), 84, 110. 34 K. Schmidt, in: FS Ulmer, 2003, S. 557, ders., GesR, 2002, § 3 III 2 (S. 53), und ders., in: FS Stimpel, 1985, S. 217 ff., der von rechtsformübergreifender Institutionenbildung spricht. 35 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 85.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Grundaussage für das gesamte Verbandsrecht“,36 so daß diese Zweckorientierung Charakteristikum aller privatrechtlichen Verbände sei.37 Aus dem Verzicht auf eine Angabe des Gesellschaftszwecks im Gesellschaftsvertrag außerhalb des Personengesellschaftsrechts läßt sich danach nicht ein Verzicht jeder Zweckbindung mitgliedschaftlichen Verhaltens folgern, wie schon Zöllner früh begründet hat.38 Der Verbandszweck lege die Ziele des Verbandes fest und begrenze diese zugleich. Aus der Rückbindung der Mitglieder an dieses System resultiere, daß diese an ihr Versprechen zur gemeinsam Zweckverfolgung in besonderer, nachdrücklicher Weise rechtlich gebunden seien.39 Aus der Teilhabe am Verband resultiere das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis als auch die subjektivrechtliche Position des Mitglieds.40 Unter Mitgliedschaft ist dabei die auf der Zugehörigkeit zu einem Verband beruhende Rechtsstellung einer Person zu verstehen.41 Die Mitgliedschaft ist hiernach subjektives Recht und als privatrechtliche Sonderverbindung zwischen dem Mitglied und seinen Partnern bzw. dem Verband zu qualifizieren, das die Summe subjektiver Rechte und Pflichten des einzelnen Mitglieds verbinde, sie zu einem einheitlichen Gegenstand zusammenfasse und verselbständige.42 In der Mitgliedschaft gründen sich hiernach mehrseitige Sonderrechtsbeziehungen, wobei der Inhalt dieser Verhältnisse zum Verband 36 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 f. Zu den gesetzliche Pflichten des Aktionärs oben in Fn. 3. Weitere aktive Förderpflichten des Aktionärs sind nur in engen Grenzen anzuerkennen; hierzu näher MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, Vor § 53a Rn. 30; Henze/Notz, in: GroßkommAktG, 2004, Vor §§ 53a–75 Rn. 34 f.; Brändel, in: GroßkommAktG, 1992, § 1 Rn. 88. Zur GmbH Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG, 2004, § 14 Rn. 20. 37 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 90, der hiermit Bedenken begegnet, die sich daraus ergeben, daß sich Aktien- und GmbH-Recht mit der Angabe des Unternehmensgegenstandes in der Satzung begnügen, vgl. §§ 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG, § 3 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG. 38 So Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 29 (S. 318 ff.) mwN. der damaligen ablehnenden Stimmen bei S. 318 f. Fn. 3, 4, gegen die damals h. M. im Kapitalgesellschaftsrecht. 39 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91. Wie Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 29 I (S. 318), bemerkt, wäre es geradezu widersinnig, vom gemeinsamen Zweck zu sprechen, wenn die Verbandsmitglieder nicht zugleich auch an seine gemeinsame Verfolgung gebunden wären. 40 Grundlegend Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 6 (S. 62 ff.); sowie K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 3a (S. 549). 41 K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 1b (S. 547); Lutter, AcP 180 (1980), 84, 88 f. 42 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 97 ff.; Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 6 IV 1 (S. 98); K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 3a (S. 549); siehe auch Raiser/Veil, KapGesR, 2006, § 12 Rn. 1 (S. 95); MünchKommBGB/Ulmer, 2004, § 705 Rn. 180; Michalski/ Ebbing, GmbHG, 2002, § 14 Rn. 39; Winter, Treubindungen, 1988, § 6 II (S. 67); Flume, Juristische Person, 1983, § 8 I (S. 258); teilweise abweichende Ansicht Beuthien, AG 2002, 266, 268, und ders., in: FS Wiedemann, 2002, S. 755, 756 f.

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und den anderen Mitgliedern von der tatsächlichen Gestaltung des Verbandes abhänge. Für die Einordnung der Rechtsstellung des Aktionärs folge hieraus, daß sich seine Mitgliedschaft grundsätzlich nicht von derjenigen in anderen Verbandsformen unterscheide, sondern nur der Inhalt der Mitgliedschaft in ihrer konkreten Ausgestaltung durch die jeweilige Verbandsordnung bestimmt werde.43 Insbesondere die Intensität der Sonderrechtsbeziehung zwischen den Mitgliedern untereinander und zwischen Mitglied und Verband sei also weniger abhängig von der Rechtsform des Verbandes als vielmehr von dessen tatsächlicher Struktur.44 Die Mitgliedschaft in einem Verband erschöpfe sich hierbei nicht in der Begründung gegenseitiger Rechte und Pflichten; vielmehr sei mit ihr die Befugnis verbunden, als Teil des Verbandes am Verbandsleben teilzunehmen und dessen Schicksal zu bestimmen, also gestaltend auf dieses einzuwirken.45 Durch diese mit der Mitgliedschaft verbundene Befugnis zur Teilhabe am Verbandsleben, insbesondere zur Mitwirkung an der Willensbildung des Verbandes, unterscheide sich die Mitgliedschaft von einem gewöhnlichen Schuldverhältnis.46 Dabei kompensiere der gesellschaftsvertraglich bzw. satzungsmäßig begründete Einfluß jedes Mitglieds auf den Verband seinen Verlust an Autonomie, der mit der Ausgliederung des nunmehr gemeinschaftlich zu verfolgenden Verbandszwecks aus der Individualsphäre zwangsläufig verbunden sei.47 Aus der sich ebenfalls hieraus ergebenden Verantwortlichkeit der Mitglieder für das Verbandsgeschehen folge, daß sie sich bestimmter Mindestkontroll- und Mindesteinflußrechte nicht begeben könnten. Hiernach ist die Mitgliedschaft, die sich in der einmaligen Zahlung eines Betrages erschöpft, ohne das Verbandsgeschehen anders als durch den Austritt beeinflussen zu können, nicht Teilhabe an einem System verantwortlicher Mitwirkung an einem selbst gestalteten und selbst verwalteten gemeinsamen Zweck.48 43 K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 3b (S. 550). Konsequenz dieses Ansatzes ist auch, daß mitgliedschaftliche Treupflichten nicht von der Rechtsform abhängig und deshalb auch für die AG anzuerkennen sind, so daß die entscheidende Frage vielmehr ist, welche Reichweite solche Treubindungen entfalten. 44 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 105 ff.; K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 3b (S. 550) und § 19 III 1a (S. 553). Die Orientierung an einem Gesellschaftstypus liegt auch dem Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.9.1994, BGBl. I S. 1961, zugrunde, mit der die Besonderheiten der „kleinen AG“ im AktG Berücksichtigung fand; hierzu näher unten S. 110 ff. 45 Vgl. Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 6 III 2 (S. 78); Lutter, AcP 180 (1980), 84, 88 f.; K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 3a (S. 549). 46 Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 6 III 3a (S. 82). 47 Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 6 III 2 (S. 77). 48 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 91; siehe auch K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 3a (S. 549).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Aus der Pflicht zur Förderung des gemeinsamen Zwecks leitet Lutter die Treupflicht her und teilt die mitgliedschaftlichen Pflichten in Förder- und Loyalitätspflichten gegenüber dem Verband und wechselseitige Rücksichtnahmepflichten der Mitglieder ein.49 Die Sonderverbindung zwischen Verband und Mitglied begründe darüber hinaus auch entsprechende Pflichten des Verbandes gegenüber dem Einzelmitglied.50 Umgang und Schutzpflichten der Treubindungen sind dabei nach K. Schmidt von Fall zu Fall festzustellen und hängen von der Realstruktur des Verbandes ab.51 Der Konflikt verbandlicher und mitgliedschaftlicher Interessen ist danach im Rahmen einer Abwägung und Begrenzung der Interessen und Befugnisse anhand der von Zöllner entwickelten Formel zu lösen, wonach Eingriffe in die Mitgliedschaft nur zulässig sind, wenn sie im Interesse der Gesellschaft erforderlich, dafür geeignet und angemessen sind.52 Die Arbeiten kommen zu dem Ergebnis, daß die im Vereinsrecht in § 38 S. 1 BGB53 angesprochene Mitgliedschaft neben den Körperschaften auch den Personengesellschaften immanent und von einheitlicher Struktur ist.54 Aus seinen Überlegungen zur Frage der rechtsformübergreifenden Betrachtungsweise einzelner von der Mitgliedschaft umfaßter Rechte und Pflichten leitet K. Schmidt ab, daß die Ausformung der Mitgliedschaftsrechte in Personengesellschaft und Körperschaft artverschieden entsprechend der Unterschiedlichkeit der sie konstituierenden Rechtsträger, das subjektive Recht der Mitgliedschaft trotz der Unterschiede in Inhalt und rechtlicher Tragweite hingegen artgleich sei.55 Lutter formuliert den Grundsatz einer für alle Verbände einheitlichen intensiven Rechts- und Pflichtenposition des 49

Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff., 110 ff., und ders., ZHR 162 (1998), 164, 166 f. Siehe auch K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 1b (S. 588). Zu den mitgliedschaftlichen Loyalitäts- und Unterlassungspflichten als wesentliche Ausprägung der mitgliedschaftlichen Treupflicht auch Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 6 III 4b (S. 95 f.). 50 Als Beispiel hierzu führt Lutter im Hinblick auf die Ausformung dieser Pflicht im Gleichbehandlungsgrundsatz des § 53a AktG den Erwerb und die Veräußerung eigener Aktien durch die AG an, AcP 180 (1980), 84, 122 f.; siehe auch K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 2c (S. 589), zu den Schutzrichtungen der Treupflichten. 51 K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 2d (S. 592). 52 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 123 f. und 127 f., zu den Rechtsfolgen; siehe auch Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 III 3 (S. 351 ff.), und betonend ders., AG 2002, 585, 586. 53 Auch das Umwandlungsrecht stellt auf die „Mitgliedschaft“ ab; siehe u. a. § 2 UmwG a. E. 54 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 85, spricht von der „einheitlichen rechtlichen Struktur der Mitgliedschaft“; ebenso K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 III 1b (S. 554); Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 6 IV 1 (S. 98); hierzu auch Winter, Treubindungen, 1988, § 6 II (S. 67 ff.). 55 K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 3b (S. 550).

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einzelnen Mitglieds, die sich aus Förder- und Loyalitäts- sowie wechselseitigen Rücksichtnahmepflichten, Klagerechten sowie Notgeschäftsführungsund Notkontrollrechten zusammensetzt. Die Mitgliedschaft ist hiernach im Kern ein von der Rechtsform unabhängiges Rechtsverhältnis, das Rechte und Pflichten zwischen Mitglied und Gesellschaft und unter den Mitgliedern selbst bündelt.56 Habersack folgert im Rahmen seiner Untersuchung zu der Frage, ob die Mitgliedschaft zugleich subjektives Recht ist, daß diese sämtliche mitgliedschaftliche Befugnisse und Rechte zu einer geschlossenen Position zusammenfaßt und deren Macht durch die mitgliedschaftlichen Loyalitäts- und Unterlassungspflichten begrenzt werde.57 b) Individual-, Minderheits- und Kapitalanlegerschutz Die von Wiedemann entwickelte rechtsformübergreifende Konzeption der Rechtsstellung des Gesellschafters fußt auf den drei Wertungsprinzipien Individual-, Minderheits- und Kapitalanlegerschutz.58 Der Begriff des Individualschutzes stellt hiernach eine Sammelbezeichnung dar und beinhaltet den Schutz der Mitgliedsstellung durch mitgliedschaftliche Grundrechte, die nicht entziehbar und auch nicht freiwillig einschränkbar sind.59 Grundlage sei die mit dem Beitritt zu einem Verband verbundene Eingehung eines Über-/Unterordnungsverhältnisses, die durch Verbürgung eines rechtsformunabhängigen Minderheitenschutzes zu erreichen sei.60 Der Minderheitenschutz beuge der Gefahr einer ständigen Ungleichbehandlung der Minderheit durch die Mehrheit bei stabilen Herrschaftsverhältnissen vor und knüpfe nicht an die Rechte der Minderheit an; vielmehr sei die Machtausübung der Mehrheit einer Rechtskontrolle zu unterziehen.61 Anknüpfungspunkt des Minderheitenschutzes sind hiernach neben den Generalklauseln aus §§ 138 und 826 BGB der verbandsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz und, da dieser Grundsatz die Verbandsmitglieder nicht umfassend schützen könne, die Treupflicht.62 Letztere fuße auf dem Machtzuwachs, den derjenige erhalte, der in der Gesellschafterversammlung und 56

Lutter, AcP 180 (1980), 84, 158 f.; vgl. auch Lutter, ZHR 162 (1998), 164,

179. 57

Habersack, Mitgliedschaft, 1996, 6 II 1 (S. 98). Wiedemann, GesR I, 1980, §§ 7–9 (S. 357–512); zur Anerkennung als Rechtsprinzip aaO, § 9 I 1b (S. 477 f.); siehe auch ders., GesR II, 2004, § 1 II 1d (S. 21 ff.). 59 Wiedemann, GesR I, 1980, § 7 I 1a (S. 358) und 2 (S. 363). 60 Wiedemann, GesR I, 1980, § 7 I 1b (S. 360). 61 Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 I 3b (S. 418 f.) und II (S. 425). 62 Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 I 3 (S. 424 ff.). Auf den nach Wiedemann, aaO, § 8 II 2b (S. 430), unzureichenden Schutz durch den Gleichbehandlungsgrund58

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

bei der Unternehmensführung über eigenes und fremdes Vermögen verfüge, und sei eine Konkretisierung des allgemeinen Rechtsprinzips, wonach Einfluß und Verantwortung sich entsprechen müßten.63 Der Kapitalanlegerschutz durch Verbandsrecht als drittes Wertungsprinzip gewähre den Kapitalanlegern einen über das vertriebsbezogene Kapitalmarktrecht hinausgehenden zusätzlichen Interessenschutz.64 Kennzeichnend für den Kapitalanleger sei, daß er sein Vermögen anderen Personen zur Verwaltung anvertraue, ohne sich an dieser Verwaltung mangels Erfahrung oder Zeit selbst beteiligen zu können.65 Nach Wiedemann ist dabei der Schutz des Anlagegesellschafters die Leitmaxime der Aktienreform von 1965, wobei jedoch nur der Bestands- und Liquiditätsschutz der Aktionäre durch Erschwerung des Hinausdrängens aus der Gesellschaft und die Publizität kapitalanlegerschützend geregelt seien.66 Hierdurch werde der Blickwinkel sowohl hinsichtlich des Gegenstandes – von der Mitgliedschaft zur Vermögensanlage – als auch der Aufgabenstellung – vom Individual- zum Funktionenschutz – geändert, was allerdings keinen Grund gebe, das Gesellschaftsrecht zugunsten des Kapitalmarktrechts aufzugeben.67 Das Verbandsrecht vermittele vielmehr dem Anlagegesellschafter einen über das vertriebsbezogene Kapitalmarktrecht hinausgehenden zusätzlichen Interessenschutz durch Einräumung gesellschaftsinterner Mitverwaltungsrechte.68 c) Folgerungen aus den rechtsformübergreifenden Ansätzen Der einheitliche Ansatz stellt naturgemäß nicht auf die Besonderheiten der Rechtsstellung des Teilhabers an der einzelnen Verbandsform, sondern gerade auf die rechtsformübergreifenden Gemeinsamkeiten ab. Besonderheiten, die sich aus den einzelnen Gesellschaftstypen für die Stellung des Gesellschafters ergeben, treten daher erst einmal hinter die rechtsformübergreifenden Aspekte zurück. Die Dogmatik zur Mitgliedschaft ist also nicht auf die Besonderheiten der einzelnen Verbandsformen wie der Kapitalsammelsatz bei Bevorzugung Dritter, die allerdings gegen die Treupflicht verstoßen kann, ist im Dritten Teil, S. 338 ff., noch näher einzugehen. 63 Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 II 3 (S. 431 ff.), insbes. § 8 II 3a (S. 432). 64 Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 I 1a (S. 475 ff.) und II 2 (S. 488); im Hinblick auf den Anlegerschutz als Wertungsprinzip auch ders., BB 1975, 1591, 1593 und 1596 ff. 65 Wiedemann, GesR I, 1980, § 7 I 2a (S. 363). 66 Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 III 1 (S. 495 f.). 67 Wiedemann, BB 1975, 1591, 1595, und ders., GesR I, 1980, § 9 I 1a (S. 476 f.). 68 Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 II 2 (S. 488).

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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funktion der AG und ihre Öffnung zum Kapitalmarkt ausgerichtet.69 Auch Wertungsgesichtspunkte wie der Anlegerschutz werden im verbandsrechtlichen Ansatz nicht weitergehend berücksichtigt.70 Dies stellt aber die Erwägungen zur Mitgliedschaft nicht in Frage. Denn für die konkrete Ausgestaltung der Rechte und Pflichten der Mitglieder im Verband ist nach dem rechtsformübergreifenden Ansatz die Realstruktur des Verbandes entscheidend.71 Die Besonderheiten der Aktionärsstellung in den unterschiedlichen tatsächlichen Ausformungen der AG sind damit bei der Frage der konkreten Schutzrichtung und Reichweite der Aktionärsrechte sowie ihrer Pflichten zu beachten.72 Die Geschlossenheit dieses verbandsrechtlichen Konzepts markiert damit zugleich seine Grenzen.73 Bei der Beschreibung der Rechtsstellung des Aktionärs in der Publikumsgesellschaft sind mit den Worten von Lutter gesprochen die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Überlegungen zur Mitgliedschaft zu berücksichtigen.74 Eine verbandsrechtliche Sicht des Gesellschaftsrechts widerspricht also nicht der Kapitalmarktorientierung der AG, sofern man die Grenzen dieses Ansatzes und die Rückwirkungen des Kapitalmarktrechts auf das Recht der Mitgliedschaft berücksichtigt.75 Das von Wiedemann vertretene Verständnis der Rechtsstellung des Aktionärs auch anhand der Gesichtspunkte des Anlegerschutzes berücksichtigt konzeptionell die Öffnung der AG zum Kapitalmarkt. Der Vergleich der Rechtsstellung des Aktionärs mit der Mitgliedschaftsstellung in den anderen Verbandsformen läßt Lücken und Schutzdefizite der Aktionärsrechte zu Tage treten. Auf die Besonderheit der AG – Kapitalsammelfunktion und Öffnung hin zum Kapitalmarkt, Verhältnis der Geschäftsleitung zur Hauptversammlung – und die sich ergebenden Konsequenzen ist nochmals zurückzukommen. Das AktG nimmt als Ausgangspunkt die Sicht69

Hierzu insgesamt auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 70 f. Zum Aspekt des Anlegerschutzes im Hinblick auf die Überlegungen zur Mitgliedschaft Lutter, AcP 180 (1980), 84, 156 f. 71 Dazu K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 3b (S. 550) und § 19 III 1a (S. 553); Lutter, AcP 180 (1980), S. 84, 105 ff. 72 Zu einigen Erscheinungstypen der AG MünchKommAktG/Habersack, 2008, Einl. Rn. 5 ff.; Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 1. Kap. Rn. 37 ff. (S. 24 ff.); K. Schmidt, GesR, 2002, § 26 III 2a (S. 771). 73 So K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 2b (S. 548) (Hervorheb. i. Orig.). 74 So ausdrücklich Lutter, AcP 180 (1980), 84, 156, mit entsprechender Hervorhebung; K. Schmidt, GesR, 2002, § 1 II 2d (S. 15) und § 19 I 2b (S. 549) betont, daß die Rechtsstellung des Aktionärs nicht unabhängig vom Kapitalmarktrecht beurteilt werden könne; pointiert noch ders., aaO, 1991, § 1 II 2d (S. 12), wonach der Kapitalanlegerschutz als „Marginalie des Gesellschaftsrechts“ ausgeblendet wird. 75 So ausdrücklich K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 2b (S. 549); Lutter, AcP 180 (1980), 84, 156 f.; siehe auch Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 1 II 2 (S. 18 ff.). 70

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

weise des Aktionärs als Mitglied, aus der Mitgliedschaftsrechte abzuleiten sind, was vom Wortlaut des § 243 Abs. 4 S. 1 AktG vorausgesetzt wird. Die Überlegungen zur einheitlichen Struktur der Mitgliedschaft in den verschiedenen Verbandsformen erfährt gesetzliche Anerkennung durch die Art des Rechtsformwechsels, die identitätswahrend nach den §§ 190 ff. UmwG erfolgt.76 Zöllner folgert überdies, daß der identitätswahrende Formwechsel nicht nur die „enge Verwandtschaft vieler Einzeltribute der Gesellschaften nahe[lege], sondern auch der Art und Weise der Innehabung des Gesellschaftsvermögens“, so daß die Aktionärsstellung als mittelbare Eigentümerstellung oder in anderen Worten als Verbandsmitgliedschaft zu verstehen sei.77 Ausgangspunkt der Frage zu der Rechtsstellung des Aktionärs ist deshalb seine mittelbare Eigentümerstellung, zu verstehen als seine Mitgliedschaft im Verband, wobei die Einheitlichkeit der Struktur der Mitgliedschaft nicht davon entbindet, die Besonderheiten der Realstruktur der einzelnen Gesellschaftsformen zu berücksichtigen. 2. Verbandsrecht als Ergänzung des Kapitalmarktrechts Hopt hat schon früh dargestellt, daß der Kapitalanleger als Gesellschafter im Gegensatz zum Unternehmensgesellschafter eines besonderen, über die Minderheitsrechte hinausgehenden Individualschutzes bedürfe, weil er die Beteiligung nicht erwerbe und halte, um sich aktiv am Verbandsleben zu beteiligen und dadurch maßgeblichen Einfluß auf die Geschäftsführung des Unternehmens auszuüben.78 Kapitalmarktrecht muß sich hiernach verstärkt aus dem Gesellschaftsrecht ausdifferenzieren und die gesellschaftsrechtlichen Schutzmöglichkeiten auf den Zeitpunkt der Anlageentscheidung vorverlagern, da der gesellschaftsrechtliche Anlegerschutz zu spät eingreife.79 Die von Assmann befürwortete Fortentwicklung des Aktien- und Börsen76 Hierzu Begr RegE UmwG zum Fünften Buch, BT-Drs. 12/6699, S. 136: „Was sich durch den Formwechsel ändern soll, ist vielmehr allein die rechtliche Organisation des Unternehmensträgers, dem vor und nach der Umwandlung dasselbe Vermögen zugeordnet wird. Deshalb muß der wirtschaftlichen Identität auch die rechtliche Identität entsprechen.“ Siehe auch K. Schmidt, ZIP 1995, 1385, 1388, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 557, 564 ff.; die Umwandlung einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft erfolgte vor 1994 als Universalsukzession, da der Gesetzgeber eine Identität aus dogmatischen Gründen für ausgeschlossen hielt, siehe Allg Begr RegE UmwG 1969, BT-Drs. 5/3165, S. 8 f. Vorsichtiger Zöllner, AG 1994, 336, 342 Fn. 29: „Verwandtschaft der Unternehmensformen“. Siehe auch Beuthien, AG 2002, 266, 268 (liSp.), zur Personengesellschaft. 77 So Zöllner, GesRZ 2004, 5, 8 (liSp.) und 9 mit Verweisung in Fn. 31 auf Fleischer, ZGR 2002, 757, 766. 78 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 428. 79 Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 428.

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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rechts zum Kapitalmarktrecht baut darauf auf und zieht weitreichende Konsequenzen.80 Der Aktionär ist hiernach vornehmlich in seiner Eigenschaft als Investor auf dem Kapitalmarkt zu sehen, das Aktienrecht folglich verstärkt am Leitbild des Anlagegesellschafters auszurichten und das Organisationsrecht als Recht einer Mehrheit von Anlegern ohne gemeinsame Zielsetzung fortzuentwickeln. a) Fortentwicklung des Aktien- und Börsenrechts zum Kapitalmarktrecht? Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Fortentwicklung des Kapitalmarktrechts im Interesse der Steigerung seiner Funktionsfähigkeit, die auch unter Einbeziehung des Verbandsrechts zu erfolgen habe.81 Hierfür seien die kapitalmarkt(recht)lichen Funktionszusammenhänge der AG und des Aktienrechts verstärkt zu berücksichtigen und Verbands- und Kapitalmarktrecht aufeinander abzustimmen.82 Ausgangspunkt ist das auf das Regelungsobjekt Kapitalmarkt bezogene Kapitalmarktrecht, dessen Zielfunktion, die Sicherung der Kapitalmarktfunktion, durch Marktsteuerung und Regulierung der Verhaltensspielräume der Marktteilnehmer verwirklicht werden soll.83 Hierfür erforderlich sei die „Fortbildung des Verbandsrechts dergestalt, daß es in der Lage ist, die Verfassung der Anlagegesellschaft verstärkt am Leitbild des Anlegergesellschafters zu orientieren und zu kontrollieren“.84 In der Konsequenz ist damit „dem Verbandsrecht gegenüber dem Kapitalmarktrecht eine lediglich dienende Funktion zuzuschreiben“.85 Assmann betont die verbandsrechtliche Ausrichtung des AktG, das den Kapitalgeber typischerweise als Mitgesellschafter und -unternehmer betrachte, legt aber dar, daß die Interessen- und Risikolage des Kapitalanlegers sich darauf gründe, trotz der ihm einzuräumenden Stellung im Verband als Unternehmensfinanzier und nicht als Mitgesellschafter angesprochen zu 80 So der Titel des Beitrags von Hopt, ZHR 140 (1976), 201 ff., und ders., ZHR 141 (1977), 389 ff., der im Gegensatz zu der Überschrift bei Assmann/ Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 8, mit einem Fragezeichen versehen ist. 81 Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 60. 82 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 343 ff. 83 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 354, und ders., in: Nörr, Rechtsentwicklung, 1990, S. 251, 266. 84 Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 60; siehe auch ders., in: FS Kümpel, 2003, S. 1, 5, wonach die „Erosion – wenn nicht der Verfall – des kontinental-europäischen Modells“ dazu zwinge, das Modell neu zu konzeptionieren. 85 Assmann, in: Nörr, Rechtsentwicklung, 1990, S. 251, 255, 277, und ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 356 ff. Siehe auch ders./Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 21, wonach Verbandsrecht auch als Element (Funktion) des Kapitalmarktes und des Kapitalmarktrechts zu betrachten ist.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

werden.86 Das Gesellschaftsrecht habe daher die Stellung des Anlegers verstärkt im Hinblick auf seine Rolle als Finanzier denn als Mitgesellschafter oder wirtschaftlicher Eigentümer zu verfassen.87 Risiken, die dem Anleger durch opportunistische bzw. seinen Anlageinteressen zuwiderlaufende Maßnahmen der Geschäftsführung drohen, seien durch verbandsrechtliche Regelungen auszuschalten,88 die aber der Risikolage des Kapitalanlegers nur unzureichend gerecht würden.89 Das Kapitalmarktrecht stelle sich ganz überwiegend als Anlegerschutzrecht dar und rechtfertige den verstärkten Minderheitenschutz in der AG durch den Austausch des Blickwinkels vom Aktionär als wirtschaftlichem Eigentümer zum Aktionär als Kapitalanleger.90 Die rechtsformunabhängigen Regelungen des Kapitalmarktrechts zur Sicherstellung eines funktionierenden Marktes für den Handel von Eigen- bzw. Risikokapital sind hiernach nicht auf die Beeinflussung gesellschaftsinterner Abläufe gerichtet, entfalten aber Rückwirkungen auf das Gesellschaftsrecht, wobei Teile des Aktienrechts funktional dem institutionellen Anlegerschutz dienen würden.91 Assmann entwickelt dabei aus dem Verhältnis von Anlegerrisiken, vertriebsbezogenem Anlegerschutz und Verbandsrecht ein Regelungssystem zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht, das dem institutionellen Anlegerschutz als notwendiges Mittel zur Schaffung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes und zur Verhinderung informationsbedingten Marktversagens dient.92 Dafür sei auch erforderlich, das Aktienrecht zu deregulieren und zwingendes Aktienrecht so weit wie möglich durch marktliche Steuerungs- und Kontrollmechanismen zu ersetzen.93 Zentrales Anliegen ist mithin die Ausgestaltung eines funktional auf den institutionellen Anlegerschutz ausgerichteten Verbandsrechts, in dessen Mittelpunkt die Verhaltensbindungen der Verwaltungsorgane zur Sicherstellung der Ausrichtung ihres Handelns an den Interessen des Anlegers als Kapitalgeber stehen.94 Bei der Weiterentwicklung des Kapitalmarktrechtes auch unter Einbeziehung des Verbandsrechts geht 86 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379 iVm. 356, und ders./ Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 59. 87 Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 50, und ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl 343 ff., zur Notwendigkeit, markt- und verbandsbezogene Regelungen im Interesse einer effizienten Kapitalmarktordnung zu verbinden. 88 Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 60; siehe auch ders., ZBB 1989, 49, 62. 89 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379. 90 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 253. 91 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 356 und 373 ff. 92 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 366 ff. 93 Assmann, in: FS Kümpel, 2003, S. 1, 7. 94 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 378.

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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es Assmann damit um die Harmonisierung von Anlegerschutz und Gesellschaftsrecht.95 Infolge der noch zu besprechenden Gesetzesänderungen der letzten Jahre, die, wie Assmann ausführt, vor allem der Stärkung der kapitalmarktrechtlichen Anbindung und Wettbewerbsfähigkeit der AG dienen, stellt Assmann einen „Kapitalmarktbezug verbandsrechtlicher Reformen“ auch bei solchen Maßnahmen fest, die „die verbandsrechtliche Stellung der Aktionäre verbessern sollten oder mit denen auf die kapitalmarkorientierten Corporate Governance-Themen oder Forderungen zur Verbesserung der Rechte der Anlegeraktionäre reagiert wurde“, so daß hierdurch eine stärkere Verzahnung von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht erreicht wurde.96 b) Bewertung Die Untersuchung von Assmann macht deutlich, daß die verbandsrechtliche Sicht vom Aktionär der Erweiterung durch die Berücksichtigung seiner Stellung als Finanzier und Kapitalanleger und damit eines stärkeren Abgleichs von Verbands- und Kapitalmarktrecht bedarf.97 Die zwischen Kapitalmarktrecht und Aktienrecht bestehenden Funktionszusammenhänge, insbesondere die Bedeutung des verbandsrechtlichen Anlegerschutzes für den Funktionenschutz, und damit der Anlegerschutz als Gestaltungsprinzip im Gesellschaftsrecht sind bei der Fortentwicklung des Aktienrechts verstärkt zu berücksichtigen.98 Die Fortbildung des Verbandsrechts am Leitbild der Anlegergesellschaft aus Sicht des Kapitalmarktrechts ist allerdings unter methodischen Aspekten problematisch. Denn die Rechtsfortbildung des AktG hat auf eine etwaige kapitalmarktrechtliche Perspektive des Verbandsrechts hin zu erfolgen, nicht aber umgekehrt aufgrund einer verbandsrechtlichen Perspektive des Kapitalmarktrechts.99 Der Rechtsstellung des Aktio95

Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 60; so auch schon ders., ZBB 1989, 49, 59 Fn. 128, ders., in: Nörr, Rechtsentwicklung, 1990, S. 251, 255, 277, und ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 356; siehe auch zur Corporate Governance ders., in: FS Kümpel, 2003, S. 1, 12. 96 Siehe Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2007, § 1 Rn. 34 ff. zum Kapitalmarktbezug der Reformgesetze und Rn. 48 ff. zur Verzahnung von Kapitalmarktrecht und Gesellschaftsrecht; hierzu auch Kübler/ders., GesR, 2006, § 32 I 6 (S. 467); Fleischer, ZIP 2006, 451, 456 ff.; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63. 97 So Assmann/Schneider, WpHG, 2006, Vor § 21 Rn. 13. 98 Hierzu Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 18 IV 1d cc (S. 327) mwN. Zum Anlegerschutz als Gestaltungsprinzip des Gesellschaftsrechts auch Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 II (S. 468 ff.). 99 So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 74 und 76 f.; dem zustimmend Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 18 IV 1d cc (S. 326 f.); siehe auch Zöllner, AG 2002, 585, 591 (liSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

närs sind Anlegerschutzgesichtspunkte immanent, wie die Untersuchung von Wiedemann gezeigt hat,100 so daß aus dem Aktienrecht solche Schutzmechanismen zu entwickeln und Verzahnungen mit dem Kapitalmarktrecht zu beachten sind. Bei einer auf dem Kapitalmarktrecht aufbauenden Rechtsfortbildung des AktG besteht nach Mülbert zudem die Gefahr, daß die für das Aktienrecht wesentlichen Prinzipien des Verbandsrechts nicht ausreichend berücksichtigt werden.101 Eine auf die Anlegerstellung eingegrenzte Beschreibung der Aktionärsstellung droht seine mitgliedschaftliche Rechtsstellung zu weit in den Hintergrund zu rücken. Die in der Teilhabe am Verband und den damit verbundenen Mitgliedschaftsrechten begründete Rechtsstellung läßt sich nicht für Aktionäre jedweder Beteiligungsgröße als die eines Anlegers bzw. Unternehmensfinanziers ansehen, dem eine gesellschaftsrechtlich vermittelte Einflußmöglichkeit auf das Verbandsgeschehen verwehrt ist. Dies mag für den einflußunwilligen und einflußlosen Kleinaktionär, der nur Anlageinteressen verfolgt, zutreffend sein; stärker beteiligte Aktionäre können und wollen aber regelmäßig auf das Gesellschaftsgeschehen weitergehend Einfluß nehmen. Das Verbandsrecht vermittelt zudem auch den Anlagegesellschaftern eine Möglichkeit der Interessenwahrung.102 Vertriebsregelungen können zwar auch mittelbar Verhaltenspflichten der Unternehmensorgane steuern, wirken aber nicht unmittelbar auf die Binnenstruktur der AG ein und setzen ein Funktionieren des Marktes voraus.103 Ob der Weg der Einflußnahme durch Des- und Neuinvestition die Aktionäre ausreichend schützt, bedarf noch näherer Betrachtung auch finanzwirtschaftlicher Aspekte. Das aktienrechtliche Spannungsverhältnis zwischen der traditionell verbandsrechtlichen Sicht des Aktionärs als Verbandsmitglied und der kapitalmarktfunktionsbezogenen Sicht des Aktionärs als Anleger und Finanzier ist damit noch nicht aufgelöst.104 3. Der Aktionär in der Doppelrolle als Verbandsmitglied und Kapitalanleger Im Schrifttum hat Mülbert das Verhältnis von Gesellschafts- zum Kapitalmarktrecht im Hinblick auf die Rechtsstellung des Aktionärs unter Beach100

Siehe hierzu oben S. 91 ff. Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 76. 102 So Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 II 1b (S. 488), der als Mittel hierzu die Mitbestimmung bei Grundlagenfragen, gezielte Auskunftsansprüche und das Recht, Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen zu können, nennt. 103 Dazu in jüngerer Zeit etwa Richter, ZHR 172 (2008), 419, 429 f. 104 Dazu auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 77. 101

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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tung der Kapitalmarktbezüge des Aktienrechts grundlegend untersucht. Anliegen der Arbeit ist der Abgleich der mitgliedschaftlichen Herrschafts- und Vermögensrechte und die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbandsrecht und Anlegerschutz. a) Das vermögensbezogene Aktionärsschutzkonzept von Mülbert Kerngedanke des Konzepts ist, daß sich die Rechtsstellung des Aktionärs nicht allein in verbandsrechtlichen Theorien erfassen lasse.105 Zentrale These ist die hybride Stellung des Aktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, die zu einem umfassenden Konzept eines vermögensbezogenen Aktionärsschutzes ausgebaut wird,106 wonach das Gesetz den Schutz der gesellschaftsbezogenen Vermögensrechte gegenüber dem Schutz der Herrschaftsrechte in den Vordergrund gerückt habe.107 Das AktG von 1965 sehe den Aktionär in einer Doppelrolle als Verbandsmitglied und Anleger aufgrund seiner normativen Ausrichtung auf den Kapitalmarkt.108 Dabei messe das AktG 1965 nicht dem Schutz der Mitverwaltungsrechte, sondern der Vermögensrechte des Aktionärs einen besonderen Stellenwert zu. Nach Mülbert macht es den Kern seiner hybriden Aktionärsstellung aus, daß der Aktionär in einer ganzen Reihe von Normen allein im Hinblick auf den Vermögenswert seiner Beteiligung geschützt werde, nicht aber hinsichtlich des Stimmrechts als dem vorzüglichsten Recht des Aktionärs. Unter dem Konzept des „vermögensbezogenen Aktionärsschutzes“109 versteht Mülbert das Prinzip, daß Klein- oder Anlegeraktionäre bei Beeinträchtigungen ihrer Mitgliedschaft nur vermögensmäßig geschützt würden, was er aus der Öffnung der AG zum Kapitalmarkt folgert und anhand der Betrachtung der Vorschriften zu den Beschlußkom105

So Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 434. Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 97 ff. (Konzeption), 154 ff. (Ausformung), ders., in: GroßkommAktG, 1999, Vor §§ 118–147, Rn. 201, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 433 ff. Vgl. hierzu Fleischer, ZIP 2006, 451, 454 (liSp.); Teichmann, AG 2004, 67, 75 (reSp.), Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 3 (S. 78 ff.); Hirte, WM 1997, 1001, 1003 und 1007; Möllers, ZGR 1997, 334, 336. In diese Richtung auch Assmann/Schneider, WpHG, 2006, Vor § 21 Rn. 13; siehe auch Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 10 (S. 160). 107 So Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 133. Die Konzeption, die ursprünglich auf die börsennotierte AG ausgerichtet war, sei mit Einfügung der §§ 327a ff. AktG, die nicht als kapitalmarktbezogenes Rechtsinstitut ausgestaltet seien, nicht mehr beschränkt auf Gesellschaften iSd. § 3 Abs. 2 AktG; Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 450. 108 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 98. 109 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 97 ff. 106

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

petenzen der Hauptversammlung untermauert. Das Aktienrecht nehme zum einen eine dauernde Mehrheitsherrschaft und damit eine faktische Funktionslosigkeit der Stimmrechte der Kleinaktionäre in Kauf. Daneben gründe es auf der Gleichbehandlung der Aktionäre entsprechend ihrer Beteiligung und billige damit, daß die ökonomischen Anreize für die Mitwirkung der Kleinaktionäre in der Hauptversammlung in Publikumsgesellschaften mit atomistischer Beteiligungsstruktur gering seien. Auf diesen Grundwertungen aufbauend schütze das AktG die Minderheit vor Mehrheitsbeschlüssen durch die Absicherung ihrer vermögensmäßigen Beteiligung. Die aktienrechtlichen Schutzmechanismen sind hiernach auf den lediglich Anlageinteressen verfolgenden Publikums- und Kleinaktionär ausgerichtet.110 Mitentscheidungsrechte des Aktionärs würden folglich nur der Absicherung der vermögensmäßigen Beteiligung des Aktionärs dienen, wobei Ausgleichs- und Abfindungsansprüche im Vordergrund stünden.111 Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage, ob an Hauptversammlungsbeschlüsse zu stellende, über die formellen Voraussetzungen hinausgehende materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen mit dem AktG vereinbar sind, die von der Rechtsprechung und dem überwiegenden Schrifttum anerkannt werden.112 Nach der Konzeption von Mülbert ist der Schutz nicht unternehmerisch beteiligter Aktionäre generell auf die Vermeidung von Vermögensnachteilen zu beschränken, so daß eine materielle Kontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht in Betracht komme, wenn der Vermögensschutz gewährleistet sei.113 Ausgangspunkt hierfür ist, daß das Schrifttum das „rein vermögensmäßig konzipierte Schutzsystem des AktG 1965“ weitgehend ausgehöhlt habe,114 indem es auf Treubindungen abhebe und trotzdem die Ausgleichsklausel des § 243 Abs. 2 S. 2 AktG nicht auf Abs. 1 der Vorschrift erstrecke. Zu der im Mittelpunkt der Diskussion zur Reichweite des Minderheitenschutzes stehenden Frage nach der Sachkontrolle beim Bezugsrechtsausschluß führt Mülbert aus, daß der Gesetzgeber durch die Regelung des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG einen umfassenden Vermögensschutz angeordnet habe, so daß der im Bezugsrecht enthaltenen Sicherung des mitgliedschaftlichen Vermögensrechts keine eigenständige Bedeutung zukomme. Eine Kontrolle der sachlichen Rechtfertigung scheide daher aus, wenn ein angemessener Wertausgleich erfolge, da hierdurch auch der 110

Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 259. Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 88 und 259. 112 Zur „materiellen Beschlußkontrolle“ im Rahmen des Hauptversammlungsbeschlusses zum Bezugsrechtsausschluß näher unten S. 238 ff. 113 Mülbert, in: GroßkommAktG, 1999, Vor § 118 Rn. 199, 201, und ders., Aktiengesellschaft, 1996, S. 310 ff. 114 So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 348. 111

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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quotale Verlust der Mitgliedschaft im Hinblick auf den Verlust der Herrschaftsrechte kompensiert werde.115 In der Diskussion zum Bezugsrechtsausschluß habe sich die Rechtsprechung und vor allem das Schrifttum immer stärker von der gesetzlichen Ausgangslage entfernt, die Kleinaktionären zwar weitere Verkürzungen ihrer (quotalen) Herrschaftsmacht zumute, nicht aber die Beeinträchtigung des Wertes ihrer Beteiligung.116 § 243 Abs. 2 S. 2 AktG, der auf den lediglich Anlageinteressen verfolgenden Publikums- oder Kleinaktionär abstelle, dessen Mitwirkungsrechte faktisch bedeutungslos seien, enthalte dabei eine Verallgemeinerung des in § 255 Abs. 2 S. 1 AktG für den Bezugsrechtsausschluß ausgedrückten Rechtsgedankens eines Aktionärsschutzes nur unter vermögensmäßigen Gesichtspunkten.117 Der BGH habe in der Kali+SalzEntscheidung118 die materielle Beschlußkontrolle auf der ersten Ebene, also im Verhältnis von Gesellschafts- zu Minderheitsinteresse und nicht im Verhältnis von Mehrheits- zu Minderheitsinteresse angesiedelt.119 Dieser verbandsrechtlich orientierte Ansatz sei jedoch mit den Regelungen der §§ 255 Abs. 2, 243 Abs. 2 S. 2 AktG nicht zu vereinbaren.120 Mit der in diesen Vorschriften vorgesehenen Möglichkeit eines Sondervorteils gegen Ausgleichsleistung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, daß für einen isolierten Schutz von mitgliedschaftlichen Herrschaftsrechten im Konflikt zwischen der einen Bezugsrechtsausschluß befürwortenden Mehrheit und der zwangsweise ausgeschlossenen Minderheit kein Raum sei.121 Ein im Gesellschaftsinteresse liegender Bezugsrechtsausschluß ist danach stets zulässig, wenn nur sichergestellt werde, daß Vermögensverluste der Aktionäre vermieden werden.122 Mülbert leitet dafür neben den §§ 243 Abs. 2 S. 2, 115 Mit diesem Ansatz, allerdings beschränkt auf reine Finanztitel wie Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechte, schon Hirte, ZIP 1988, 477, 486 (liSp.). 116 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 312, der damals noch die Grenze des Minderheits- bzw. Kleinaktionärs bei „weniger als 25% des Grundkapitals“ sah; überzeugend kritisch zu der Grenze von „weniger“ als 25% Natterer, Bezugsrechtsausschluß, 2000, S. 94 mit Fn. 423. Siehe aber jetzt Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 450. 117 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 99, 262 ff., 347 ff. 118 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40 ff.; dazu näher unten S. 242 ff. 119 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 321 ff., 357. 120 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 357 f. 121 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 262 ff., 324 ff. und 339 ff. 122 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 324 ff., 339 ff. Dem tendenziell zustimmend Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 357, 365 f.; Hirte, WM 1997, 1001 ff.; in diese Richtung auch schon Ekkenga, AG 1994, 59, 64 f. Im Ergebnis ähnlich Schockenhoff, AG 1994, 45, 54 (liSp.), wonach ein wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes an sich gesetzeswidriger Bezugsrechtsausschluß zulässig

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

255 Abs. 2 S. 1 AktG auch aus den Ausgleichs- und Abfindungsvorschriften des AktG und UmwG einen allgemeinen Grundsatz her, daß eine über deren geschriebene Voraussetzungen hinausgehende Rechtmäßigkeitskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen bei Einräumung vermögensrechtlicher Ausgleichsansprüche ausscheide, was er zur Grundlage des vermögensmäßigen Schutzkonzeptes macht.123 Deutlich zeigt sich das vermögensbezogene Konzept auch bei der Bestimmung des Unternehmensziels, das herkömmlich als Sicherstellung des Bestands und einer dauerhaften Rentabilität der Gesellschaft zum Nutzen der Aktionäre sowie weiterer Interessengruppen verstanden wird.124 In der Betriebswirtschaftslehre wurde herausgearbeitet, daß als Ziel auf die Steigerung des Unternehmensmarktwertes oder den Marktwert des Eigenkapitals abzustellen sei. Insoweit besteht Einklang mit der Lehre von der Verpflichtung der Unternehmensleitung auf die Steigerung des shareholder value, zu verstehen als das wirtschaftswissenschaftliche Modell,125 wonach der Vorstand einer AG unter gewissen Voraussetzungen Investitions- und Finanzierungsentscheidungen im Marktwertmaximierungsinteresse der als Anleger verstandenen Aktionäre zu treffen habe, also seine Leitungstätigkeit am Ziel der Marktwertmaximierung ausrichten dürfe.126 Mülbert nimmt die Marktwertmaximierung als Unternehmensziel zum Ausgangspunkt, impliwerde, wenn nur den vom Bezugsrecht ausgeschlossenen dissentierenden Aktionären ein angemessener Ausgleich gewährt werde. 123 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 259 ff. 124 Dabei bestehe ein Gewichtungsvorsprung der Aktionäre vor den anderen Interessengruppen; vgl. Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 76 Rn. 12; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 47 und § 76 Rn. 69, 73 ff. Siehe auch BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77 u. a., BVerfGE 50, 290, 374 (Mitbestimmungs-Urteil); BGH v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306 und 310. 125 Zu dem von Alfred Rappaport entwickelten Konzept des Creating Shareholder Value oben in Fn. 183 im Ersten Teil. Ob der Gedanke des Shareholder Value mit dem verbandsrechtlichen Ansatz des AktG zu vereinbaren ist, wurde in der Literatur jedenfalls vor Inkrafttreten des KonTraG bezweifelt; dazu Mülbert, ZGR 1997, 129, 156 ff. und 171 f.; Hüffer, ZHR 161 (1997), 214, 217 f.; von Werder, ZGR 1998, 69, 77 ff.; Hopt, ZGR 2002, 333, 360. Von nur beschränkter Vereinbarkeit mit dem Aktienrecht ausgehend etwa Hüffer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 7. Kap. Rn. 42 (S. 356); Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 118, 166; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 II 3b (S. 62 ff.). Umfassend hierzu MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 73 ff.; Spindler/Stilz/Fleischer, AktG, 2007, § 76 Rn. 24 ff., und ders., in: HdB VorstandsR, 2006, § 1 Rn. 29 ff. (S. 15 ff.); Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 2 II 2 (S. 41 f.); Kort in: GroßkommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 53 ff.; Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 116 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 II 3 (S. 58 ff.); Kübler, in: FS Zöllner I, 1998, S. 321 ff. 126 Mülbert, in: FS Röhricht, 2005, S. 421, 424; insoweit noch zustimmend Zöllner, GesRZ 2004, 5, 10 (reSp.).

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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ziert aber, daß sich die Verwaltung bei ihren Entscheidungen von den Renditeerwartungen derjenigen Aktionäre leiten läßt, die als Anleger lediglich die Ertrags- und Risiko-Charakteristik ihres individuellen Portfolios optimieren wollen.127 In Abkehr der verbandsrechtlichen Konzeption, wonach die Gesellschaft im Mittelpunkt steht und die Verwaltung deren Unternehmenszielen verpflichtet ist, steht bei dieser Konzeption der als rationaler Investor verstandene einzelne Aktionär im Zentrum, der ein Portfolio hält, die einzelnen Aktien im Kontext seines individuellen Portfolios bewertet und im Gegenzug zu seiner Investition eine möglichst hohe, den Marktwert seiner Anlage maximierende Rendite erwartet. Aufgabe der Unternehmensleitung ist danach, die Erwartungen der Eigenkapitalgeber zu erfüllen und zwar derjenigen Aktionäre, die als typische Kapitalanleger auf dem Kapitalmarkt tätig werden. b) Bewertung der auf den Vermögensschutz abstellenden Konzeption Die Kritik an der Konzeption von Mülbert richtet sich gegen die Ableitung eines „rein vermögensmäßig konzipierten Schutzsystems“128 aus den §§ 243 Abs. 2 S. 2, 255 AktG und das am Anlegerschutz anstatt am Verbandsrecht orientierte Verständnis des AktG.129 Dies impliziert zugleich die Kritik an der mit dieser Sichtweise vom Aktionär verknüpften Ausrichtung der Unternehmensleitung auf die Interessen der am Kapitalmarkt auftretenden Aktionäre anstelle der Ausrichtung auf die Unternehmensziele der Gesellschaft.130 Nach Ansicht von Hüffer sprechen Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte der §§ 243 Abs. 2 S. 2, 255 AktG gegen ein rein vermögensmäßig orientiertes und die Verwaltungsrechte des Aktionärs einschränkendes Verständnis.131 § 255 Abs. 2 S. 1 AktG dient dem vermögensmäßigen Schutz 127

Mülbert, ZGR 1997, 129, 161; hierzu und zum Folgenden auch ders., in: FS Röhricht, 2005, S. 421, 432 f. 128 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 348. 129 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 7, ders., in: FS Kropff, 1997, S. 127 ff., und ders., ZHR 161 (1997), 867, 870; Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 4 (S. 263 f.) und § 18 IV 1d cc (S. 328 f.), ders., AG 2005, 137, 139 f. und ders./Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 17. Kap. Rn. 77 f. (S. 942 f.); MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 56, ders., ZHR 168 (2004), 132, 140, ders., ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 140, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 531; Zöllner, AG 2002, 585, 590; Tröger, NZG 2002, 211, 213 (liSp.); im Dissertationsschrifttum etwa Tröger, Treupflicht im Konzern, 2000, S. 285 ff.; Dietz, Ausgliederung, 2000, S. 44 ff.; Natterer, Bezugsrecht, 2000, S. 94. Im Grundsatz, nicht aber den Folgerungen zustimmend dagegen Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 165 f. 130 Dazu knapp Zöllner, GesRZ 2004, 5, 10 f. 131 Hüffer, in: FS Kropff, 1997, S. 127, 133.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

der Aktionäre. Die Vorschrift gewähre aber einen zusätzlichen Anfechtungsgrund und ergänze damit die aus §§ 243, 255 Abs. 1 AktG folgende Anfechtungsmöglichkeit, sei also weder verdrängende Sonderregelung noch Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens.132 Dies zeige sich zum einen an den Tatbestandsvoraussetzungen der Normen, wonach gemäß § 243 Abs. 2 S. 1 AktG bei jeder Unterschreitung des Aktienwertes eine Anfechtungsmöglichkeit bestehe, soweit der subjektive Tatbestand erfüllt sei, dagegen § 255 Abs. 2 S. 1 AktG unter Verzicht auf ein subjektives Element einen „unangemessen“ niedrigen Ausgabebetrag fordere. Zudem solle § 255 Abs. 2 S. 1 AktG durch das Erfordernis des angemessenen Ausgabebetrages verhindern, daß dem Aktionär noch zusätzlich ein Vermögensverlust entstehe, nicht aber den Aktionärsschutz auf einen reinen Vermögensschutz reduzieren.133 Zugleich spreche die Entstehungsgeschichte gegen die Auffassung, daß § 243 Abs. 2 S. 2 AktG eine Verallgemeinerung des in § 255 Abs. 2 S. 1 AktG enthaltenen Gedankens ausdrücke.134 Folgt man dem Gesetzeswortlaut des § 243 Abs. 2 AktG, der nicht nur Beschlüsse erfaßt, die die Gesellschafter unmittelbar schädigen, sondern auch solche, die gegen das Interesse der Gesellschaft verstoßen, stünde die Bindung der Hauptversammlung an das Verbandsinteresse bei allen in die Mitgliedschaftsrechte der Minderheit eingreifenden Beschlüssen zur Disposition der beschließenden Mehrheit, sofern diese nur bereit ist, den Minderheitsaktionären einen Ausgleich für den Vermögensnachteil anzubieten. Die Ausgleichsklausel ist dementsprechend umstritten, weil die Ausgleichsberechtigung der anderen Aktionäre sich einerseits zu Lasten des gebotenen Gläubigerschutzes auswirkt und andererseits diesen Aktionären bloßen Vermögensschutz gewährt.135 132 Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 3, MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 6 („keine verdrängende Sonderregelung“), und ders., in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, 1984, § 255 Rn. 6; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 1; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 4; K. Schmidt, in: GroßkommAktG, 1995, § 255 Rn. 2; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 255 Rn. 3; ebenso zum Bezugsrechtsausschluß im Rahmen des § 221 auch Lutter, aaO, 1993, § 221 Rn. 60. 133 Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 531. 134 § 255 Abs. 2 AktG wurde erst nachträglich in den Entwurf der Gesetzesnovelle von 1965 aufgenommen, so daß die vorher schon eingeführte Vorschrift des § 243 Abs. 2 AktG nur schwer deren Gedanken verallgemeinern konnte. Vgl. Begr RegE zu § 255 AktG 1965, in: Kropff, AktG 1965, S. 341 f.; umfassend hierzu sowie zu Schutzgedanke und Anwendungsbereich der Norm Hüffer, in: FS Kropff, 1997, S. 127, 133 ff. 135 Neben Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 259 ff., 288 ff., 299, 349 f., wollte schon Geßler, in: FS Barz, 1974, S. 97, 99 f., in der Konsequenz aus § 243 Abs. 2 S. 2 AktG der Mehrheit das Recht geben, der Minderheit die Bindung an das Gesellschaftsinteresse abzuhandeln.

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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Die h. M. wendet sich daher gegen eine solche vom Wortlaut gedeckte Anwendung der Vorschrift und reduziert diese vielmehr teleologisch, so daß die Norm nur eingreift, wenn den Belangen der Gesellschaftsgläubiger entweder durch konzernrechtliche Vorschriften oder durch Ausgleichsgewährung an die Gesellschaft selbst genügt wird.136 § 243 Abs. 2 S. 2 AktG könne nicht als eine Verallgemeinerung des Gesetzesgedankens angesehen werden, daß der durch die Verwaltungsrechte des Aktionärs vermittelte Schutz hinter seinen vermögensmäßigen Anlegerschutz zurücktrete.137 § 243 Abs. 1 und 2 AktG seien voneinander unabhängige Anfechtungstatbestände, wobei Abs. 2 Sondertatbestände enthalte. Dies gelte auch für die Ausgleichsklausel des § 243 Abs. 2 S. 2 AktG, deren Bedeutung sich auf die unzulässige Verfolgung von Sondervorteilen beschränke und nicht auf die allgemeinen Anfechtungsgründe zu übertragen sei.138 Die Norm solle dabei vor konzerntypischen Gefährdungspotentialen schützen, habe aber durch die weitergehende konzernrechtliche Regelungsfunktion des AktG von 1965 in den §§ 15 ff., 291 ff. AktG nur noch einen schmalen Anwendungsbereich.139 Im Gesetzgebungsverfahren zum AktG 1965 wurde dementsprechend der Abschluß von Unternehmensverträgen, für die nicht schon § 304 AktG eine Ausgleichspflicht vorschreibt, als Hauptanwendungsfall der Vorschrift angesehen, zugleich aber deren beschränkter Anwendungsbereich im Vergleich zu § 197 Abs. 2 AktG 1937 betont.140 Die Ausgleichsklausel ist daher nach der h. M. schon als Einschränkung des § 243 Abs. 2 S. 1 AktG nicht gelungen, da sie den außenstehenden Aktionären bloßen Vermögensschutz gewähre,141 was gegen eine ausdehnende 136 Hüffer, AktG, 2008, § 243 Rn. 40, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 243 Rn. 89 ff.; Spindler/Stilz/Würthwein, AktG, 2007, § 243 Rn. 200 ff.; Zöllner, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 10. Kap. Rn. 51 (S. 487), und ders., in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 243 Rn. 242, 253; K. Schmidt, in: GroßkommAktG, 1995, § 243 Rn. 60. Siehe aber auch Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 243 Rn. 22. 137 Dazu K. Schmidt, in: GroßkommAktG, 1995, § 243 Rn. 59. 138 K. Schmidt, in: GroßkommAktG, 1995, § 243 Rn. 52, 59; MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 243 Rn. 73. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm. § 243 Abs. 2 AktG sollte eine drohende Sanktionslücke beschlußrechtlich schließen, da der Gesetzgeber zwar eine Schadensersatzpflicht ähnlich § 826 BGB ablehnte, durch die Norm aber der auf die Inhaltssittenwidrigkeit beschränkte Nichtigkeitsgrund des § 241 Nr. 4 AktG um den an die Umstandssittenwidrigkeit anknüpfenden Anfechtungsgrund ergänzt werden sollte; deshalb in diesem Sinne auch § 117 Abs. 7 Nr. 1 AktG; siehe hierzu Hüffer, in: FS Kropff, 1997, S. 127, 133 ff. 139 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 243 Rn. 71. 140 Vgl. Begr RegE zu § 243 AktG 1965, in: Kropff, AktG 1965, S. 329. 141 Hüffer, AktG, 2008, § 243 Rn. 37, MünchKommAktG/ders., 2001, § 243 Rn. 89, und ders., in: FS Kropff, 1997, S. 127, 140 f.; Zöllner, in: Aktienrecht im

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Anwendung der Norm spreche. Auch die Vorschrift des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG unterstreiche,142 daß außerhalb ihres Anwendungsbereichs die auf Teilhabe- und Schutzrechte bezogene Angemessenheitskontrolle Bestand habe.143 Daneben wird konzeptionell von Hüffer angeführt, daß die Vorschrift unterschiedslos auf bloße Anlageaktionäre wie auch auf unternehmerisch beteiligte Aktionäre Anwendung finde, die bloße Wahrung der Vermögensintegrität aber nicht dem Interesse der letzteren Aktionärsgruppe entspreche und die Gesellschaft damit zugleich durch bloße Ausgleichsgewährung zur Veranstaltung der Mehrheit unter fortdauernder Beteiligung der Minderheit mache.144 Nach Habersack wird eine Konzeption, die auf eine Relativierung der das AktG prägenden Unterscheidung zwischen mitgliedschaftlicher und damit durch Teilhaberechte geprägten Beteiligung und schuldrechtlicher Gläubigerstellung hinauslaufe und den Aktionärsschutz auf die Anlegerinteressen verkürze, der auf die Mitgliedschaft bezogenen Grundhaltung des AktG nicht gerecht.145 Durch die Konzentration der mitgliedschaftlichen Befugnisse auf die Erhaltung der vermögensmäßigen Position des Mitglieds und die Zurückdrängung der Bedeutung von Schutz- und Teilhaberechten für die Mitgliedschaft werde diese einem Genußrecht angenähert.146 Der Schutz des Kleinaktionärs sei durch ein grundsätzlich bestehendes Bezugsrecht und daneben durch die Anfechtungsmöglichkeit nach § 255 Abs. 2 S. 1 AktG gewährleistet, das neben Vermögensrechten auch Teilhabe- und Schutzrechte des Aktionärs sichern solle, so daß diese Schutzmechanismen nach Bayer nicht ohne weiteres unter Hinweis auf das im Belieben einer qualifizierten Mehrheit stehende Unternehmensinteresse durch einen angemessenen Vermögensausgleich unterlaufen werden können.147 Der Aktionärsschutz würde dann dem Grundsatz des „dulde und liquidiere“ folWandel, Bd. 2, 2007, 10. Kap. Rn. 51 (S. 487), und ders., Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 243 Rn. 236; K. Schmidt, in: GroßkommAktG, 1995, § 243 Rn. 59; Winter, Treubindungen, 1988, § 17 III (S. 300 ff.); Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1987, § 292 Rn. 29; Flume, Juristische Person, 1983, S. 211 Fn. 86. 142 Eingefügt durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994, BGBl. I S. 1961. 143 Lutter, AG 1994, 429, 441; Zöllner, AG 1994, 336, 341; Wiedemann, in: GroßkommAktG, 1995, § 186 Rn. 150. 144 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 243 Rn. 91. 145 Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 4 (S. 264) („mit dem geltenden Aktienrecht . . . nicht vereinbar“) und § 18 IV 1d cc (S. 329), und ders., AG 2005, 137, 139 (reSp.); ebenso Hüffer, in: FS Kropff, 1997, S. 127, 140 f.; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 531; siehe auch Kindler, ZGR 1998, 35, 50 f. 146 Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 4 (S. 264). 147 Vgl. Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 531.

A. Grundpositionen zur Stellung des Aktionärs

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gen, der in der Privatrechtsordnung eher fremd sei.148 Hirte weist darauf hin, daß der Sache nach ein allgemeines Kündigungsrecht ohne wichtigen Grund eingeführt werde, wenn eine Mehrheit letztlich jeden Beschluß allein um den Preis einer angemessenen Minderheitsabfindung fassen könne.149

III. Weiterer Fortgang der Untersuchung Die von Mülbert untersuchte Fragestellung, inwieweit im Aktienrecht kapitalmarktrechtliche Regelungsziele angelegt sind, und das Kernproblem der Diskussion, ob durch einen angemessenen Wertausgleich der Verlust der Mitgliedschaft kompensiert wird, ist nachfolgend näher zu beleuchten. Auf die im Mittelpunkt der Untersuchung von Mülbert stehende Frage der Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Beschluß zum Bezugsrechtsausschluß soll im Dritten Teil eingegangen werden. Die durch die Herabsetzung des Mindestnennwerts der Aktie auf 1 Euro, vgl. § 8 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 3 AktG,150 ermöglichte breite Streuung des Kapitals des einzelnen Anlegers in verschiedene Anlagen und das damit verbundene geringere Interesse an der Einflußnahme auf die Geschicke der einzelnen Gesellschaft sowie die weiteren jüngeren Entwicklungen in der Gesetzgebung legen nahe, die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbandsmitgliedschaft und Kapitalanlegerstellung neu zu durchdenken. Besondere Bedeutung kommt dabei den Vorschriften zum Minderheitenausschluß gemäß §§ 327a ff. AktG zu,151 mit denen ein „allgemeines Kündigungsrecht“ für Minderheitsaktionäre in das AktG eingeführt wurde.152 Ob diese Vorschriften zu einem geänderten gesetzlichen Leitbild des Publikumsaktionärs führen, soll nachfolgend anhand der jüngeren normativen Entwicklungen aufgedeckt werden.

148 Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 3b (S. 264); hiergegen aber wiederum Kindler, ZGR 1998, 35, 51. 149 Hirte, WM 1997, 1001, 1008 (reSp.). 150 § 8 Abs. 2 S. 1 AktG geändert durch Art. 3 § 1 des Euro-Einführungsgesetzes v. 9.6.1998, BGBl. I S. 1242; § 8 Abs. 3 S. 3 AktG geändert durch Art. 6a des Gesetzes zur Umsetzung der EG-Einlagensicherungsrichtlinie und der EG-Anlegerentschädigungsrichtlinie v. 16.7.1998, BGBl. I S. 1842. Nach dem AktG 1884 betrug der Mindestbetrag der Aktie 1.000 RM; siehe Art. 217a Abs. 1 ADHGB. 151 Eingeführt durch Art. 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen v. 20.12.2001, BGBl. I S. 3822. 152 Zu dem Begriff siehe nochmals Hirte, WM 1997, 1001, 1008 (reSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

B. Die Rechtsstellung des Aktionärs unter Berücksichtigung jüngerer normativer Entwicklungen Die Untersuchung hat aufbauend auf den Wertungen des AktG 1965 zur Rechtsstellung des Aktionärs ihren Ausgangspunkt bei den aktienrechtlichen Reformgesetzen der letzten Jahre zu nehmen. Dafür ist zu prüfen, ob die durch die Einzelgesetze seit 1994 erfolgte „Reform in kleinen Schritten“ die Rechte des Aktionärs in der Publikums-AG im Sinne einer übergeordneten Linie ändert,153 so daß dies auch Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Aktionärs hat. Entsprechend der Zielsetzung soll sich die Betrachtung der Gesetzesnovellen der letzten Jahre auf die für die Rechtsstellung des Aktionärs wesentlichen Entwicklungen beschränken. Hierfür sind die gesetzlichen Leitgedanken und die darin zum Ausdruck kommende Regelungsabsicht des Gesetzgebers sowie die von ihm in Verfolgung dieser Absicht getroffenen Wertentscheidungen und Strukturprinzipien zu betrachten.154

I. Die jüngeren aktienrechtlichen Reformgesetze Der Gesetzgeber ist der Flucht aus der Rechtsform der AG mit einer Vielzahl von Einzelgesetzen seit 1994 entgegengetreten, die zusammengenommen eine innere Reform des AktG darstellen.155 Entscheidend geändert wurde das AktG durch das Deregulierungsgesetz,156 das am Anfang der Kette der Aktienrechtsnovellen steht und zunächst noch als „Ausreißer“ in Sachen Aktienrechtsreform betrachtet werden konnte. Die nächste Reformstufe im Jahr 1998 umfaßte vornehmlich das Stückaktiengesetz (StückAG)157 und das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG).158 Durch die zu Beginn dieser Dekade annähernd 153 So die Formulierung des Leiters des Referats Gesellschaftsrecht im Bundesjustizministerium, Seibert, AG 2002, 417. 154 Zur Regelungsabsicht des Gesetzgebers als Kriterium der Auslegung der Gesetze Larenz, Methodenlehre, 1991, Kap. 4 2c (S. 328 ff.). 155 So K. Schmidt, GesR 2002, § 26 II 1c (S. 760). Der „Schönfelder“ (Stand November 2008) weist in der Übersicht zu den Änderungen des AktG insgesamt 43 Änderungsgesetze seit dem Jahr 1994 aus. Umfassend zur Entwicklung des AktG 1965 Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 17. Kap. (S. 889 ff.). 156 Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994, BGBl. I S. 1961, nachfolgend gemäß dem vom Gesetzgeber vorgegebenen nicht überzeugenden Titels als „DeregulierungsG“ abgekürzt. 157 Gesetz über die Zulassung von Stückaktien (Stückaktiengesetz – StückAG) v. 25.3.1998, BGBl. I S. 590. 158 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) v. 27.4.1998, BGBl. I S. 786.

B. Rechtsstellung unter Berücksichtigung normativer Entwicklungen

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im Jahresrhythmus erfolgenden Gesetzesänderungen durch das Namensaktiengesetz (NaStraG),159 das Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG),160 das Transparenz- und Publizitätsgesetz (TransPuG),161 das Spruchverfahrensneuordnungsgesetz (SpruchG) und das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG)162 hat das AktG bedeutsame Änderungen erfahren. Neben diesen Gesetzesnovellen, deren Regelungsgehalt sich ausschließlich oder deutlich überwiegend auf das AktG konzentriert, ist von der Vielzahl weiterer Gesetze zur Einführung und Änderung von Vorschriften betreffend die AG nachfolgend noch das Umwandlungsbereinigungsgesetz (UmwBerG)163 zu betrachten, da dieses Ausführungen zum gesellschaftsrechtlichen Schutz der Aktionärsminderheit enthält.164 Der Überblick über aktienrechtliche Reformgesetze schließt mit einem Blick auf die drei jüngsten Gesetze und einen Gesetzesentwurf,165 die sämtlich der Umsetzung von Richtlinien zum Kapitalmarktund Gesellschaftsrecht dienen. Im Sinne des Untersuchungsgegenstandes konzentriert sich die Betrachtung dabei auf die für die Rechtsstellung des Aktionärs bedeutsamen Änderungen.

159 Gesetz zur Namensaktie und zur Erleichterung der Stimmrechtsausübung (Namensaktiengesetz – NaStraG) v. 18.1.2001, BGBl. I S. 123. 160 Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen (WpÜG) v. 20.12.2001, BGBl. I S. 3822. 161 Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz) v. 19.7.2002, BGBl. I S. 2681. 162 Gesetz zur Neuordnung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens (Spruchverfahrensneuordnungsgesetz) v. 12.6.2003, BGBl. I S. 838; Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) v. 22.9.2005, BGBl. I S. 2802. 163 Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts (UmwBerG) v. 28.10.1994, BGBl. I S. 3120. 164 Insbesondere das Dritte Finanzmarktförderungsgesetz v. 24.3.1998, BGBl. I S. 529, und das Vierte Finanzmarktförderungsgesetz v. 21.6.2002, BGBl. I S. 2010, das Vorstandsvergütungs-Offenlegungsgesetz v. 3.8.2005, BGBl. I S. 2267, das Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 16.7.2007, BGBl. I S. 1330, das Risikobegrenzungsgesetz v. 12.8.2008, BGBl. I S. 1666, und das MoMiG v. 23.10.2008, BGBl. I S. 2026, sollen nicht näher dargestellt werden, da die Gesetzesbegründungen keine hier bedeutsamen Ausführungen zur Stellung des Aktionärs enthalten. 165 Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 8.7.2006, BGBl. I S. 1426; Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG v. 5.1.2007, BGBl. I S. 10; Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19.4.2007, BGBl. I S. 542; RegE eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BRDrs. 847/08.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

1. Einführung der „kapitalmarktorientierten Trennlinie“ in das AktG Mit dem DeregulierungsG hat der Gesetzgeber im Jahr 1994 begonnen, eine „kapitalmarktorientierte Trennlinie“ zwischen Aktiengesellschaften abhängig von der Zulassung ihrer Aktien zum börslichen Handel zu ziehen und damit die einheitliche Konzeption des Aktienrechts zugunsten einer Unterscheidung zwischen börsennotierter und nicht notierter AG aufzugeben.166 Hierzu führt die Fraktionsbegründung aus, daß „die Trennlinie zwischen GmbH und Aktiengesellschaft an der falschen Stelle angesetzt ist. Richtiger wäre eine große Zweiteilung innerhalb der Kapitalgesellschaften, die an das Kriterium der Inanspruchnahme des Kapitalmarktes mit dann erhöhten Anforderungen an den Anlegerschutz anknüpft“.167 Mit der Bezugnahme auf die Börsennotierung der Aktien, durch die der Gesetzgeber das Verhältnis von Verbands- und Kapitalmarktrecht aufgegriffen hat, wirken „Kapitalmarkt und kapitalmarktrechtliche Überlegungen . . . unmittelbar ein auf gesellschaftsrechtliche Normen und Regelungen“.168 Aufgrund ihrer exponierten Stellung am Kapitalmarkt sind bei börsennotierten AG höhere Anforderungen an Formalismen und Verhaltenspflichten im Sinne des Anlegerschutzes zu stellen, die bei der nicht am Kapitalmarkt und regelmäßig auch kleineren AG nicht zu rechtfertigen sind.169 Die mit dieser kapitalmarktorientierten Trennlinie des AktG eingeführte grundlegende Unterscheidung der Typen der AG abhängig von der Börsennotierung ermöglicht, die für die börsennotierte AG geltenden Regelungen auf ihre Kapitalmarkttauglichkeit hin zu überprüfen. Infolge der Vorarbeiten im Schrifttum wurden im Sinne einer Deregulierung eine Reihe von Sondervorschriften für die sogenannte „kleine AG“ eingeführt,170 die das Prinzip der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 S. 1 AktG lockern und weitere Erleichterungen beinhalten, die nach der Gesetzesbegründung „dem Charakter der kleinen Aktiengesellschaft [entsprechen], bei der einem stärkeren unternehmerischen Engagement der Aktionäre auch eine größere Verantwortung . . . korrespondieren kann“,171 und da166 So der von der Begr RegE KonTraG zu § 3 Abs. 2 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 12 (reSp.), gewählte Begriff. 167 Allg Begr FraktE DeregulierungsG, BT-Drs. 12/6721, S. 5 (liSp.). 168 So Lutter, AG 1994, 429, 430 (liSp.) (Hervorheb. i. Orig.). 169 Dazu MünchKommAktG/Heider, 2008, § 3 Rn. 42. 170 Vgl. v. a. Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter, Deregulierung, 1988, sowie Hommelhoff, ZGR-SH 12, 1994, S. 65 ff. Hierzu auch Lutter, AG 1994, 429 ff.; Seibert, in: HdB kleine AG, 2008, Rn. 1.3 ff. (S. 3 ff.). Siehe auch die Klarstellung dess., ZIP 1994, 914, 914 f., daß es eine eigene Rechtsform der kleinen AG nicht gebe und dies vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt sei.

B. Rechtsstellung unter Berücksichtigung normativer Entwicklungen

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mit das Recht der nicht notierten AG an das GmbH-Recht annähern. In der Fraktionsbegründung heißt es hierzu: „Da das Aktienrecht am Leitbild der großen Publikumsgesellschaft ausgerichtet ist, fordert es auch der kleinen Aktiengesellschaft mit überschaubarem Aktionärskreis Formalitäten ab, die erkennbar nicht auf solche Gesellschaften zugeschnitten sind. . . . Es soll dadurch mittelständischen Unternehmen erleichtert werden, in die Rechtsform der Aktiengesellschaft zu wechseln und sich in dieser neuen Rechtsform zunächst zu stabilisieren, bevor eine Entscheidung über den Gang an die Börse getroffen wird.“172 In der einen Rechtsform der AG sind damit Sonderrechte der börsennotierten und nicht notierten AG zusammengefaßt, womit die Unterschiede dieser Gesellschaftstypen aktiengesetzlich eine erste Ausprägung erfahren. Die Aufteilung in zwei Rechtsmaterien beruht auf der stärker berücksichtigten Realstruktur der Gesellschaften wie auch der zunehmenden Bedeutung des organisierten Kapitalmarktes in Deutschland.173 Die Unterscheidung anhand des Kriteriums der Börsennotierung der Aktien der Gesellschaft wird im Rahmen des S. 4 des § 186 Abs. 3 AktG deutlich, mit dem eine Sonderregelung für Eigenkapitalmaßnahmen börsennotierter Gesellschaften eingeführt wurde, die den Bezugsrechtsausschluß für diese Gesellschaften vereinfachen soll. Der Gesetzgeber will hierdurch die Bedeutung der Aktie als eines der wesentlichen Finanzierungsinstrumente solcher AG sichern und die Unternehmensfinanzierung durch Eigenkapitalaufnahme erleichtern.174 Ziel der Regelung ist nach der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses die „Flexibilisierung der Unternehmensfinanzierung und Wettbewerbsgleichheit der deutschen Publikumsaktiengesellschaften hinsichtlich der Kosten der Eigenmittelbeschaffung, ohne dabei schutzwürdige Interessen der Altaktionäre, insbesondere der Kleinaktionäre, zu beeinträchtigen“.175 Gerechtfertigt wird diese Vorschrift, die den durch das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG vermittelten Schutz zurücknimmt, durch grundlegende Überlegungen zur Rechtsstellung des Aktionärs, wenn es in der Fraktionsbegründung zu § 186 Abs. 3 Satz 4 heißt: „Bei Kleinstbeteiligungen an einer Publikumsgesellschaft spielt die Frage des Einflußverlustes wirtschaftlich ohnehin keine Rolle. Sie wird erst ab einer Beteiligungsquote relevant, an die Minderheitsrechte gekoppelt sind (also ab einer 5-Prozent-Kapitalbeteiligung. . .).“176 171 Begr FraktE DeregulierungsG zu § 58 Abs. 2 S. 2 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 8 (liSp.). 172 Allg Begr FraktE DeregulierungsG, BT-Drs. 12/6721, S. 5 (reSp.). 173 Dazu Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 38. 174 Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (liSp.). 175 Beschlußempfehlung Rechtsausschuß DeregulierungsG zu § 186, BT-Drs. 12/ 7848, S. 9 (reSp.). 176 Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Das im selben Jahr erlassene Umwandlungsbereinigungsgesetz (UmwBerG) enthält abgesehen von § 179a AktG und § 62 UmwG keine auf die AG zugeschnittenen hier bedeutsamen Sonderregelungen zu den Rechten des Aktionärs.177 Für die Frage nach der Rechtsstellung des Aktionärs ist allerdings bedeutsam, daß die mit der Feldmühle-Entscheidung des BVerfG verfassungsrechtlich abgesegnete Möglichkeit, eine bis knapp 25 % haltende Aktionärsminderheit zwangsweise gegen Abfindung im Wege der übertragenden Umwandlung auf eine Gesellschaft anderer Rechtsform auszuschließen,178 aufgehoben wurde. Denn es entspreche nicht den Grundsätzen des Minderheiten- und Anlegerschutzes, außenstehende Anteilsinhaber gegen Abfindung, aber ohne ihre Zustimmung aus der Gesellschaft hinauszudrängen.179 Der angemessene Schutz der Anleger ist also Regelungsziel des UmwBerG. 2. Ausrichtung der deutschen Publikumsgesellschaften auf die Kapitalmärkte Die Vielzahl neuer Vorschriften, die durch das StückAG und das KonTraG im Jahr 1998 eingeführt wurden, zielt darauf ab, die gesetzlichen Grundlagen für die Öffnung und Neuausrichtung der deutschen Publikumsgesellschaften auf die Kapitalmärkte zu schaffen.180 Die durch das StückAG eingeführte Möglichkeit der Zerlegung des Grundkapitals in (unechte) nennwertlose Aktien dient der Angleichung an internationale Gepflogenheiten, die insbesondere von börsennotierten Gesellschaften gefordert wurde.181 Die Regierungsbegründung stellt dafür auf 177 Gesetz zur Bereinigung des Umwandlungsrechts v. 28.10.1994, BGBl. I S. 3120. Zum Schutzzweck des durch das Gesetz neu eingefügten § 179a AktG unten im Vierten Teil, Fn. 250. 178 BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 268 (Feldmühle); die zum Ausscheiden bestimmte Minderheit umfaßte dort insgesamt rund 21% des Grundkapitals, aaO, 269. Das Abwägungsergebnis ausdrücklich bestätigend BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana). 179 Begr RegE UmwBerG zum Neunten Abschnitt des Zweiten Teils, BT-Drs. 12/6699, 114 (reSp.), wonach die früheren §§ 1, 15, 23, 24 UmwG nicht fortgeführt werden sollen. Siehe auch schon BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 266, wonach mit der Regelung des zwangsweisen Ausscheidens gegen Abfindung „einer der Grundgedanken des Umwandlungsrechtes verlassen [wurde], daß kein Gesellschafter gegen seinen Willen ausscheiden soll.“ 180 Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 11 (liSp.); Allg Begr RegE StückAG, BT-Drs. 13/9573, S. 10. 181 Zum Begriff der unechten nennwertlosen Aktie („Stückaktie“) im Gegensatz zur unzulässigen echten nennwertlosen Aktie („Quotenaktie“) MünchKommAktG/ Habersack, 2008, Einl. Rn. 63.

B. Rechtsstellung unter Berücksichtigung normativer Entwicklungen

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den Anleger und seine Entscheidungsparameter beim Erwerb einer Aktie im Interesse einer rationalen Entscheidung ab;182 Ziel der Gesetzesnovelle ist dabei auch der Schutz des Anlegers vor Irreführung.183 Auch wenn der Anlegerschutz nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist dieser damit Teil der Regelungsziele des Gesetzgebers. Mit dem KonTraG, das unter dem Einfluß des shareholder value-Gedanken stand,184 soll das aktienrechtliche Kontrollsystem gesteigert und die internationale Wettbewerbsfähigkeit vor allem börsennotierter Gesellschaften im Wettbewerb um Investoren und Risikokapital gestärkt werden. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es: „Hinzu kommt, daß sich unser Gesellschaftsrecht, und zwar insbesondere im Bereich der börsennotierten Gesellschaften, wandelt. Die nationalen Kapitalmärkte sind nicht mehr isoliert. Unsere Publikumsgesellschaften finanzieren sich zunehmend auf den internationalen Kapitalmärkten. Die Bedeutung ausländischer Investoren und ihrer Erwartung nehmen erheblich zu. Die deutschen Emittenten stehen im unmittelbaren Wettbewerb mit Risikokapitalnachfragern weltweit. Infolgedessen richtet sich die Unternehmensstrategie deutscher Unternehmen zunehmend auf den Anleger aus. Dies bedingt eine stärkere Orientierung an einer langfristigen Wertsteigerung für die Anteilseigner.“185 Durch die generelle Abschaffung der Mehrstimmrechte, § 12 Abs. 2 AktG a. F., und die Beschränkung von Höchststimmrechten auf die nicht notierte AG, § 134 Abs. 1 S. 1 AktG, soll eine Übereinstimmung von Kapitaleinsatz und Stimmrechtseinfluß erzielt und eine Verbesserung der „Eigentümerkontrolle“ erreicht werden, indem die rechtlichen Möglichkeiten zur Beherrschung einer börsennotierten AG durch Aktionäre ohne entsprechenden 182 Allg Begr RegE StückAG, BT-Drs. 13/9573, S. 11 (liSp.): „Ausschlaggebend für eine sachgerechte Anlageentscheidung sind vielmehr u. a. Ertragskraft und Ausschüttung des betreffenden Unternehmens . . . Die nennbetraglose Aktie zwingt den Anleger, sich . . . aussagekräftigen Bewertungsinstrumenten zuzuwenden.“ 183 So zur Vermeidung von sog. Penny-Stocks, die „mangels Nennbetragsangabe als solche zunächst nicht erkennbar wären und den Anleger irreführen können“; siehe Allg Begr RegE StückAG, 13/9573, S. 11 (reSp.); siehe auch Begr zu § 8 AktG, aaO S. 14 (reSp.): „Nicht zuletzt weil die nennbetragslose Aktie diesen geringen Betrag nicht ausweist, läßt sich jedenfalls zunächst die Gefahr einer möglichen Irreführung der Anleger durch solche Aktien nicht ausschließen.“ 184 So Seibert, AG 2002, 417, 419; zum Konzept des Shareholder Value schon oben bei Fn. 183. 185 Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 10 (liSp.). Die verstärkte Ausrichtung an den Interessen und Bedürfnissen der Kleinaktionäre und institutionellen Anleger zeigt sich auch im Rahmen der Regelungen zur Stimmrechtsvertretung durch Banken und Aktionärsvereinigungen, § 128 AktG, die ausgebaut werden, um diesen eine Abstimmungsteilhabe in der Hauptversammlung auch dann zu ermöglichen, wenn sie gleich aus welchen Gründen ihr Stimmrecht nicht persönlich ausüben; siehe dazu aaO, S. 18 (liSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Anteilsbesitz unterbunden wurde.186 Hierzu heißt es in der Gesetzesbegründung, daß die „Einräumung von Einfluß ohne korrespondierendes Anteilseigentum . . . nicht den Erwartungen des Kapitalmarkts“ entsprechen würde.187 Weiterhin soll durch das KonTraG die interne und externe Unternehmensüberwachung verbessert und die Transparenz gegenüber den Kapitalmarktteilnehmern erhöht werden, um den „Erwartungen des Kapitalmarkts“ gerecht zu werden.188 Ergänzend führt der Gesetzgeber aus: „Der (Klein-)Anleger in der Publikumsgesellschaft kann und will sich typischerweise mit der Überwachung der Geschäftsführung der Gesellschaft kaum befassen. Dies ist wirtschaftlich vernünftig“,189 wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, daß „die durchschnittliche Interessenlage des Anlegers . . . auf eine langfristige Wertsteigerung der Anlage ausgerichtet ist.“190 3. Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts Die dritte Reformstufe des AktG wurde mit Ausnahme des NaStraG durch den umfangreichen Bericht der Regierungskommission Corporate Governance vorbereitet und dient der Umsetzung der darin aufgenommenen Empfehlungen u. a. zur Reform der Hauptversammlung, der Aktionärsrechte und des Anlegerschutzes.191 a) Änderungen durch das NaStraG Durch das NaStraG, zu dessen Erlaß sich der Gesetzgeber wegen des „zunehmenden internationalen Anpassungsdrucks in allen Bereichen des Aktien-, Börsen- und Kapitalmarktrechts“ veranlaßt sah, soll die Rechts186 Begr RegE KonTraG zu § 134 Abs. 1 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 20 (liSp.). Dazu auch Hüffer, AktG, 2008, § 12 Rn. 8. Daneben dient dies auch dem Ziel, Unternehmensübernahmen zu erleichtern, auch wenn es sich hierbei um feindliche Übernahmen handelt. Mit der Neufassung des § 134 Abs. 1 S. 2 AktG können Höchststimmrechte nur bei AG vorgesehen werden, die nicht börsennotiert iSd. § 3 Abs. 2 AktG sind, womit eine Beschränkung des Aktionärseinflusses insbesondere bei Unternehmensübernahmen aufgehoben und die Kapitalmarktfreiheit gestärkt wird. 187 So Begr RegE KonTraG zu § 12 Abs. 2 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 12 (reSp.). 188 In der Begr RegE KonTraG zur Abschaffung des Mehrstimmrechts, § 12 AktG a. F., BT-Drs. 13/9712, S. 12 (reSp.), wird hierauf abgestellt. 189 Begr RegE KonTraG zu § 110 Abs. 3 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 16 (reSp.). 190 Begr RegE KonTraG zu § 128 Abs. 2 S. 2 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 19 (liSp.). 191 Abschlußbericht der Regierungskommission Corporate Governance vom Juli 2001, BT-Drs. 14/7515, sowie Baums, Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 83 ff., 129 ff., 246 ff.

B. Rechtsstellung unter Berücksichtigung normativer Entwicklungen

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form AG für ein breites Anlegerpublikum gestärkt werden.192 Aufgrund der deutlich höheren Zahl der Aktionäre und umlaufender Aktien sowie der anhaltenden Internationalisierung der Aktionärsstruktur wurden insbesondere im Interesse ausländischer Aktionäre Formerleichterungen bei der Einberufung und Durchführung der Hauptversammlung eingeführt,193 was zeigt, daß der Gesetzgeber die Bedeutung dieses Organs nicht schwächen will. b) Einführung des Minderheitenausschlusses durch das WpÜG Mit dem WpÜG wurden zum einen die Sonderregelungen für den Normativtypus der börsennotierten Gesellschaft im Sinne des § 3 Abs. 2 AktG um weitere Sonderregelungen ergänzt,194 die in den §§ 1 ff. WpÜG Regelungen für Übernahmesituationen enthalten; zum anderen wurde das Rechtsinstitut des Ausschlusses von Minderheitsaktionären, §§ 327a–327f AktG, in das AktG eingefügt, das auf alle Aktiengesellschaften unabhängig von der Börsennotierung Anwendung findet. Die börsengesellschaftsrechtlichen Vorschriften des WpÜG dienen der Verstärkung des aktienrechtlichen Minderheitenschutzes, was in der Gesetzesbegründung zur Angebotspflicht nach § 35 Abs. 2 WpÜG zum Ausdruck kommt.195 Geradezu konträr hierzu ist die Erweiterung des AktG um den neuen Vierten Teil des Dritten Buchs zum Ausschluß von Minderheitsaktionären. Die §§ 327a ff. AktG ermöglichen dem Hauptaktionär, dem un- oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile an einer AG gehören, gegen Gewährung einer Barabfindung die Aktien der noch in der Gesellschaft verbliebenen Minderheitsaktionäre zwangsweise zu erwerben und diese damit aus der Gesellschaft auszuschließen, wobei tatbestandlich einzige Ausschlußvoraussetzung die Beteiligungsgröße des Hauptaktionärs, nicht aber ein wichtiger Grund erforderlich ist. Anders als Gesetzeswortlaut, der an der Beteiligungsgröße des Hauptaktionärs anknüpft, setzt die Gesetzesbegründung bei der Beteiligung des Kleinaktionärs an und führt unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG aus, „dass Kleinaktionäre Aktien vorwiegend als Kapitalanlage betrachten, ihr Interessenschwerpunkt regelmäßig auf der Vermögenskomponente ihrer Rechtsposition liegt und sie ohnehin keinen relevanten Einfluß nehmen können.“196 Unter Bezugnahme auch auf die Feldmühle-Ent192

Allg Begr RegE NaStraG, BT-Drs. 14/4051, S. 9 (liSp.). Allg Begr RegE NaStraG, BT-Drs. 14/4051, S. 12 (reSp.). 194 Vgl. §§ 1, 2 WpÜG, wonach nur solche Gesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, hiervon berührt sind; dazu näher Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 28 (reSp.). 195 Vgl. Begr RegE zu § 35 WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 60 (liSp.). 196 Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.), unter Bezugnahme auf die DAT/Altana-Entscheidung des BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, 193

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

scheidung betont die Begründung, daß es sich bei dem Gesetz um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung iSd. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG handele und es verfassungsrechtlich daher zulässig sei, „die Interessen der Minderheitsaktionäre an der Erhaltung der Vermögenssubstanz hinter die Interessen an einer freien Entfaltung der unternehmerischen Initiative im Konzern zurücktreten zu lassen.“197 Die Gesetzesbegründung hebt dabei hervor, daß „Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen gesetzgeberischen Wertung ist, daß neben wirksamen Rechtsbehelfen gegen einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht vor allem eine volle wirtschaftliche Entschädigung für den Verlust der Rechtsposition gewährt wird“.198 Mit der Einführung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß setzt der Gesetzgeber seine eingeschlagene Linie fort und argumentiert kapitalmarktorientiert mit der Sichtweise vom Kleinaktionär bzw. Kleinanleger, dessen Minderheitsbeteiligungen von nicht mehr als fünf Prozent am Grundkapital ganz überwiegend keinen unternehmerischen oder strategischen, sondern lediglich Kapitalanlagecharakter hat.199 BVerfGE 100, 289, 305; bestätigt durch Beschluß v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587, 589 (liSp.) (Edscha). 197 Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.), unter Zitat der DAT/ Altana- und der Feldmühle-Entscheidung in BVerfGE 100, 289, 302 f., und BVerfGE 14, 263, 281 f.; siehe auch den Nichtannahmebeschluß des BVerfG v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587, 589 (liSp.) (Edscha), wonach „die Einschätzung des Gesetzgebers nicht fern[liegt], dass Minderheitsaktionäre verschiedentlich Kleinstbeteiligungen ausnutzen, um den Hauptaktionär bei der Unternehmensführung zu behindern und ihn zu finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen . . .“. Bestätigt durch BVerfG v. 28.8.2007 – 1 BvR 861/06, AG 2007, 821, 821 (reSp.), und v. 19.9.2007 – 1 BvR 2984/06, AG 2008, 27. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit so auch die g. h. M. in Rspr. und Lit.; siehe BGH v. 25.10.2005 – II ZR 327/03, AG 2005, 921 (Invensys Metering Systems AG/Meinecke AG); Hüffer, AktG, 2008, § 327a Rn. 4; Schnorbus, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Vor §§ 327a–327f Rn. 5; Fleischer, in: GroßKommAktG, 2007, Vor 327a-f, Rn. 48 ff. (je mit umfangreichem Verweis auf die instanzengerichtliche Rspr.); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 7; Spindler/Stilz/Singhof, AktG, 2007, § 327a Rn. 5; Armbrüster, ZGR 2006, 683, 692 f.; Bungert, BB 2006, 2761, 2761 (liSp.); Koppensteiner, in: KK-AktG, 2006, Vorb. § 327a Rn. 7; MünchKommAktG/Grunewald, 2004, Vor § 327a, Rn. 8; Hasselbach, in: KK-WpÜG, 2003, § 327a Rn. 11; Fleischer, ZGR 2002, 757, 763 f.; Krieger, BB 2002, 53, 54. A. A. Zöllner, GesRZ 2004, 5, 12 (liSp.), im Anschluß an Hanau, NZG 2002, 1040. Zur Vereinbarkeit mit der Eigentumsgarantie der EMRK Fleischer/Schoppe, Konzern 2006, 329 ff. 198 Dazu Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.), unter Zitat der Entscheidungen des BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 281 f. (Feldmühle), v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 305 f. (DAT/ Altana), und v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95 und 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 870 (Moto Meter). 199 Vgl. Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.). In diesem Sinne auch schon Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.); siehe dazu oben S. 110 ff.

B. Rechtsstellung unter Berücksichtigung normativer Entwicklungen

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Anders als der Gesetzgeber der Reformgesetze der neunziger Jahre beschränkt er hierbei diese Sichtweise aber nicht auf den Kleinaktionär in der börsennotierten Publikumsgesellschaft.200 Die durch Art. 7 Nr. 2 des WpÜG eingeführten Vorschriften sind damit von ihren Auswirkungen weitgehend, da sie den stärksten Eingriff in die Aktionärsstellung legitimieren und somit der mit dem UmwBerG bezweckten Stärkung des Minderheitenund Anlegerschutzes im Ergebnis widersprechen. Überdies besteht insoweit ein Bruch mit den früheren Reformgesetzen, als der Bestandsschutz des Kleinaktionärs bei einer Beteiligung von fünf Prozent am Grundkapital noch nicht gesichert ist und sich insbesondere diese erhebliche Relativierung des Aktionärsschutzes nicht auf die börsennotierten Publikumsgesellschaften beschränkt, sondern auf alle AG Anwendung findet. c) Stärkung der Unternehmenskontrolle durch das TransPuG Zur Verbesserung der „Kontrolle und Transparenz“ in der AG wurden mit dem TransPuG in Fortführung insbesondere der Reformgesetze von 1998 Regelungen zu den Bereichen Unternehmensführung und -kontrolle in das AktG eingeführt.201 Der Einfluß des Kapitalmarktrechts zeigt sich deutlich an der Entsprechenserklärung nach § 161 S. 1 AktG, die einen Überblick über die Unternehmensverfassung geben soll und neben dem Aktionär auch auf potentielle künftige Anleger abzielt. Durch die mit der Entsprechenserklärung verbundene Beschäftigung der börsennotierten Gesellschaften mit der Corporate Governance soll der Standort Deutschland für Kapitalanleger attraktiver werden.202 Die Gesetzesbegründung greift den Anlegerschutz auf, da durch Neuregelungen in den Bereichen Rechnungslegung und Abschlußprüfung „insbesondere zum Schutz der auf dem Kapitalmarkt investierenden Anleger maßvoll erweiterte Publizitätsanforderungen an kapitalmarktorientierte Unternehmen“ gestellt werden sollen.203 Gesetzliche Leitmaxime des TransPuG, mit dem die Bereiche Unternehmensführung 200 Siehe zu den früheren Ansätzen Begr RegE DeregulierungsG und KonTraG oben bei Fn. 176 und Fn. 189. 201 Dies soll durch einen Corporate Governance-Kodex erreicht werden, der an der in § 161 AktG aufgenommenen Entsprechenserklärung anknüpft. Der Kodex hat die doppelte Funktion des Informierens und Regulierens; dazu Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 167. Siehe auch zu Normzweck und praktischer Bedeutung HdB Kapitalmarktinf./Kiem, 2008, § 13 Rn. 4 (S. 262). 202 Vgl. auch von Werder, DB 2002, 801, 801 (reSp.) mwN.; hierzu auch Hüffer, AktG, 2008, § 161 Rn. 2. Nicht börsennotierten Gesellschaften steht es nach Nr. 1 Absatz 8 S. 2 des Kodex frei, sich ebenfalls nach den Wohlverhaltensempfehlungen des Kodex zu richten. Dazu MünchKommAktG/J. Semler, 2003, § 161 Rn. 5; von Werder, in: Corporate Governance Kodex, 2008, Rn. 83. 203 Allg Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S. 10 (liSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

und -kontrolle modernisiert werden sollen, ist die Verbesserung des Informationsstandes der Kapitalmarktteilnehmer.204 Die Anwendung der Corporate Governance-Grundsätze fördert damit eine kapitalmarktrechtlich geprägte Sicht der Verfassung der börsennotierten AG.205 d) Änderungen durch das SpruchG Mit dem SpruchG wurde das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren, das den Minderheitsgesellschaftern bei verschiedenen unternehmerischen Strukturmaßnahmen des AktG und UmwG anstelle der Anfechtungsklage gewährt wird, in einem eigenen Gesetz zusammengefaßt. Die Aktionäre sollen nicht gegen die Maßnahme selbst, sondern nur gegen deren wirtschaftlich negative Auswirkungen vorgehen können, so daß der Vermögensschutz durch angemessenen Ausgleich oder Abfindung sichergestellt wird. Der Gesetzgeber führt hierzu aus, daß das „Spruchverfahren . . . vom Gesetz zur Verfügung gestellt [wird], damit solche Maßnahmen nicht durch Anfechtungsklagen von Minderheitsaktionären blockiert werden, für diese aber die gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit der ihnen angebotenen Kompensation und damit effektiver Rechtsschutz garantiert wird.“206 Den unscheinbaren Verfahrensregeln liegt eine bedeutende materiell-rechtliche Gewichtung zugrunde. Die beiden Lösungsmodelle – Anfechtungsklage oder Spruchverfahren – unterscheiden sich aus verbandsrechtlicher Sicht fundamental, soweit ein bestandsvernichtender Eingriff in die Mitgliedschaft in Frage steht. Denn die erfolgreiche Anfechtungsklage führt mit Rechtskraft nach § 241 Nr. 5 AktG zur Nichtigkeit der angegriffenen Maßnahme und damit dem Fortbestand der Mitgliedschaft, während der Aktionär im Falle des erfolgreichen Ausgangs des Spruchverfahrens nur ein höheres Entgelt für den Verlust seiner Mitgliedschaft erhält.207 Die strukturändernden Beschlüsse der Hauptversammlung, die den in § 1 SpruchG genannten Konstellationen vorausgehen, etwa der Minderheitenausschluß durch den Hauptversammlungsbeschluß gemäß § 327a AktG mit der Folge der Barabfindung nach § 327f S. 1 AktG, können daher im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens weder einer Inhaltskontrolle unterzogen noch die Anfechtungsklage darauf gestützt werden, daß die festgelegte Barabfindung nicht angemessen ist.208 Insoweit 204

Allg Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769, S. 11 (liSp.). Dazu auch Kort, in: GroßkommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 32. 206 Allg Begr RegE SpruchG, BT-Drs. 15/371, S. 11 (liSp.). 207 Hierzu auch Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 441 f.; Noack/Zetsche, ZHR 170 (2006), 218, 232; E. Vetter, AG 2002, 176, 177. 208 Der Beschluß bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung und kann daher insoweit nicht auf § 243 Abs. 2 AktG gestützt werden, da das Gesetz die erforderliche Abwägung selbst zugunsten des Hauptaktionärs vorgenommen hat; vgl. Hüffer, 205

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wird der Rechtsschutz mittels Anfechtungsklage durch eine Kontrolle der Abfindungskompensation ersetzt,209 wodurch partiell der mitgliedschaftliche Bestandsschutz zurückgenommen und insoweit dem Vermögensschutz untergeordnet wird. e) Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes durch das UMAG Mit dem UMAG sollen zur Stärkung der Unternehmensintegrität und des Anlegerschutzes aktienrechtliche Änderungsvorschläge der Regierungskommission Corporate Governance umgesetzt werden, die ihren Schwerpunkt in der Verbesserung der Kontrollrechte der Anteilseigner haben; zugleich aber werden Schutzvorkehrungen gegen mutwillige Anfechtungs- und Haftungsklagen im Bereich des Anfechtungsrechts und der Innenhaftung der Organe der Gesellschaft eingeführt.210 Die hierzu erlassenen „Regelungen über die Aktiengesellschaft [stellen] angesichts der herausragenden Bedeutung dieser Gesellschaftsformen auf dem und für den Kapitalmarkt“ auf die kapitalmarktorientierten Gesellschaften und dabei vornehmlich auf die börsennotierte Publikumsgesellschaft ab, auch wenn dies tatbestandlich nicht verselbständigt ist,211 da der Gesetzgeber ausführt, daß die Aktiengesellschaften keinen lokal begrenzten, sondern einen weltweit gestreuten Anteilseignerbesitz haben.212 Hierdurch will der Gesetzgeber das Vertrauen in die gute Ordnung des Kapitalmarktes fördern, wenn es heißt, daß der mit den Regelungen verbundene „Vertrauensgewinn zugunsten des deutschen Kapitalmarkts nicht quantifizierbare Verbesserungen der Eigenkapitalfinanzierung zur Folge“ habe.213 In der Gesetzesbegründung heißt es, „dass sich die Aktionärsstruktur moderner börsennotierter Aktiengesellschaften erheblich gewandelt hat. Der langfristig unternehmerisch beteiligte Aktionär wird in der modernen Aktiengesellschaft zunehmend durch Anlegeraktionäre ergänzt oder von ihnen abgelöst, die ihre Beteiligung zum Zwecke der Kapitalanlage erwerben, unter Renditegesichtspunkten halten und aufgrund ihrer geringen Beteiligungsquote keine unternehmerischen Ziele in der Gesellschaft verfolgen wollen und auch objektiv nicht verfolgen können. Dieser Trend ist erwünscht. . . . Große börsennotierte Gesellschaften haben heute mehrere HunAktG, 2008, § 327a Rn. 11. Zu den typischen Anfechtungsvorbringen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse nach § 327a AktG siehe Bungert, BB 2006, 2761 ff. 209 Dazu K. Schmidt, GesR, 2002, § 21 II 3a (S. 614 f.). 210 Vgl. dazu Allg Begr RegE UMAG, BT-Drs.15/5092, S. 10 (liSp.); Fleischer, NJW 2005, 3525, 3526 (liSp.). 211 Dazu Noack, in: VGR, GesR 2004, Bd. 9, 2005, S. 37, 39. 212 So Allg Begr RegE UMAG, BT-Drs.15/5092, S. 10 (reSp.). 213 Allg Begr RegE UMAG, BT-Drs.15/5092, S. 10 f.

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derttausend, teilweise über eine Million Aktionäre weltweit. Es ist eine logische Konsequenz dieser strukturellen Veränderungen, auch die aktienrechtlichen Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen. Der Gesetzesentwurf versucht daher durch eine typisierende Betrachtung, Aktionäre mit eher unternehmerischem Interesse und solche mit vorrangiger Anlageorientierung anhand des ökonomischen Gewichts ihrer Beteiligung zu unterscheiden.“214 Mit der Neufassung des § 243 Abs. 4 AktG zum Rechtsschutz bei Informationspflichtverletzungen und Bewertungsmängeln sollen „Beschlussmängel, die Bewertungsfragen wie die Höhe oder Angemessenheit von Leistungen, Abfindungen oder Zuzahlungen betreffen, . . . die Wirksamkeit des Beschlusses nicht beeinträchtigen. Vielmehr sind derartige Bewertungsmängel im Spruchverfahren zu rügen und gerichtlich zu überprüfen“,215 womit statt des Bestandsschutzes durch die Anfechtungsklage dem Vermögensschutz der Vorrang gegeben und damit der Bestandsschutz der Mitgliedschaft weiter eingeschränkt wird.216 Das UMAG greift damit die jüngere Judikatur zum Anfechtungsausschluß bei bewertungsbezogenen Informationsmängeln auf217 und setzt die eingeschlagene Linie fort, die das Anteilseigentum von Kleinaktionären vornehmlich im Vermögensbereich ansiedelt. Zugleich werden allerdings die Quoren zur Durchführung eines Klagezulassungsverfahrens zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft aufbauend auf einer typisierenden Betrachtung der „Aktionäre mit eher unternehmerischem Interesse und solche mit vorrangiger Anlageorientierung“ herabgesetzt, vgl. § 148 Abs. 1 S. 1 AktG.218 Der Gesetzgeber setzt aber weiterhin auf die Ausübung mitgliedschaftlicher Teilhaberechte, auch wenn traditionelle grundlegende Aktionärsrechte wie das Auskunftsrecht und das Recht zur Geltendmachung von Beschlußmängeln im Ergebnis beschnitten werden,219 was die Einführung des Aktio214

Begr RegE UMAG zu §§ 147, 148 AktG, BT-Drs.15/5092, S. 21. Begr RegE UMAG zu § 243 Abs. 4 AktG, BT-Drs.15/5092, S. 26 (reSp.). U.a. die empirische Studie von Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629, zeigt, daß die Regelungen noch nicht ausreichen, um die mißbräuchliche Erhebung von Anfechtungsklagen einzudämmen; dazu näher unten S. 213 ff., insbesondere in Fn. 581. 216 Hierzu auch Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 449 f. 217 Dazu näher unten bei S. 173. Vgl. auch Winter, in: FS Happ, 2006, S. 363, wonach die Neuregelung des Beschlußanfechtungsrechts durch die Ausweitung des Spruchverfahrens und die Einführung des Freigabeverfahrens die „weitestgehende Novellierung des Rechts der Beschlußanfechtung“ seit dem AktG 1965 ist. 218 Dazu oben bei Fn. 215. Im Gegensatz zu § 147 AktG a. F. ist es ausreichend, daß die Anteile der ein Klagezulassungsverfahren beantragenden Aktionäre ein Prozent oder einem anteiligen Betrag von Euro 100.000 des Grundkapitals entsprechen. 219 Zur Änderung des § 131 AktG Spindler, NZG 2005, 825, 825 f.; Zöllner, GesRZ 2004, 5, 11 (reSp.). 215

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närsforums zum Zwecke der verbesserten Kommunikation zwischen Minderheitsaktionären, § 127a AktG, zeigt.220 Dieses soll „ein sinnvolles Korrelat zum zunehmenden Streubesitz und einer fortschreitenden Internationalisierung der Aktionärsstruktur [sein und] . . . zur Behebung eines grundlegenden Corporate Governance-Defizits beitragen: Der mangelnden Eigentümerkontrolle“.221 4. Jüngste Änderungen des Aktienrechts Die jüngsten Gesetzesänderungen mit für die Untersuchung bedeutsamen Auswirkungen auf das Aktienrecht, die sämtlich der Umsetzung von Richtlinien dienen, sollen nachfolgend ebenfalls nur mit Blick auf hierin hervorgehobene Aspekte der Aktionärsstellung betrachtet werden.222 a) Aktionärsausschluß infolge eines Übernahme- oder Pflichtangebots Mit der durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz eingeführten Möglichkeit eines übernahmerechtlichen Ausschlusses von Aktionären kann der als Bieter bezeichnete Hauptaktionär, der mindestens 95 % des stimmberechtigten Grundkapitals der Zielgesellschaft hält, nach Durchführung eines Übernahme- oder Pflichtangebots iSd. WpÜG anders als beim aktiengesetzlichen Minderheitenausschluß die übrigen Aktionäre der Zielgesellschaft statt eines Hauptversammlungsbeschlusses durch die Rechtskraft der landgerichtlichen Entscheidung ausschließen, § 39a Abs. 1 S. 1, Abs. 4, 5 220 Deutlich auch zu den Änderungen des Auskunftsrechts des Aktionärs Begr RegE UMAG zu § 131 AktG, BT-Drs.15/5092, S. 17 (liSp.): „Es geht dabei nicht um eine Beschneidung der Aktionärsrechte. . .“. 221 Siehe dazu Begr RegE UMAG zu § 127a AktG, BT-Drs.15/5092, S. 15 (liSp.). 222 Das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 8.7.2006, BGBl. I S. 1426, dient der Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG v. 21.4.2004, ABl. L 142/12 v. 30.4.2004. Durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz – TUG v. 5.1.2007, BGBl. I S. 10, wird die Richtlinie 2004/219/EG v. 15.12.2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG, Abl. L 390/38 v. 31.12.2004, umgesetzt. Das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19.4.2007, BGBl. I S. 542, dient der Umsetzung der Richtlinie Nr. 2005/56/EG über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedsstaaten v. 26.10.2005, ABl. L 310 v. 25.11.2005. Der mit dem RegE vorgelegte Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), BR-Drs. 847/08, soll der Umsetzung der Richtlinie über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften, Richtlinie 2007/36/EG v. 11.7.2007, Abl. L 184 v. 14.7.2007, dienen.

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WpÜG. In der Gesetzesbegründung wird insofern angeführt, daß „[l]angjährige gerichtliche Auseinandersetzungen im Spruch- oder Klageverfahren infolge der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen . . . hierdurch vermieden“ würden und gleichzeitig auch „den Interessen der Minderheitsaktionäre Rechnung getragen“ werde, da diesen eine Barabfindung anzubieten ist.223 Zur Rechtfertigung des neben dem aktiengesetzlichen Minderheitenausschluß stehenden übernahmerechtlichen Squeeze out nimmt die Gesetzesbegründung im Übrigen weitgehend auf die Begründung zu den §§ 327a ff. AktG und die darin enthaltenen verfassungsrechtlichen Ausführungen zur Stellung des Minderheitsaktionärs Bezug und bekräftigt nochmals im Hinblick auf die Beteiligungsgröße, daß fünf Prozent des Grundkapitals eine anerkannte Größenordnung für die Festlegung einer Minderheit sei.224 b) Steigerung der Transparenz über Emittenten Der Gesetzgeber verspricht sich von der Vielzahl der Änderungen kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlicher Gesetze durch das Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetz, die „Anlegern eine hinreichende Grundlage für ihre Investitionsentscheidungen geben, das Vertrauen der Anleger in das Funktionieren des Kapitalmarktes stärken und ihre Investitionsbereitschaft am Kapitalmarkt fördern“ sollen, eine Verbesserung der „für die Markteffizienz und den Anlegerschutz erforderliche[n] Transparenz am Kapitalmarkt“.225 Mit der Erweiterung der Meldepflichten durch Herabsenkung der Schwellenwerte beim Halten von Stimmrechtsanteilen in § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG soll die Beteiligungstransparenz weiter verbessert werden, da „Erfahrungen in jüngster Vergangenheit . . . gezeigt [haben], dass Aktionäre bereits mit einer Beteiligung unterhalb von fünf Prozent entscheidenden Einfluss auf den Emittenten nehmen können.“226 Die Begründung zur Einführung einer Meldeschwelle bei Erreichen von drei Prozent der Stimmrechtsanteile zeigt die 223 Allg Begr RegE Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz, BT-Drs. 16/1003, S. 14 (reSp.). 224 Begr RegE Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz zu § 39a WpÜG, BTDrs. 16/1003, S. 21 (reSp.). Zum Verhältnis zu den §§ 327a ff. AktG siehe aaO, S. 14 (liSp.). 225 Allg Begr RegE zum TUG, BT-Drs. 16/2498, S. 26 (liSp.). Allgemein hierzu auch Noack, ZIP 2005, 325 ff. 226 Begr RegE zu § 21 WpHG, BT-Drs. 16/2498, S. 34 (liSp.); siehe auch aaO, S. 28 (liSp.). Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/ 3644, S. 53 f., nehmen Bezug auf die Vorgänge bei der Deutschen Börse AG. Siehe auch die weitere Verschärfung der Mitteilungspflichten durch Art. 1 des Risikobegrenzungsgesetzes v. 12.8.2008, BGBl. I S. 1666; kritisch hierzu Fleischer, ZGR 2008, 185, 204 ff.

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Probleme der Zersplitterung des Aktienbesitzes und der Passivität insbesondere atomistisch beteiligter Aktionäre auf.227 c) Umwandlungsrechtliche Differenzierung notierter und nicht notierter Gesellschaften Das Zweite Gesetz zur Änderung des UmwG führt Vorschriften über grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften in das UmwG ein.228 Für den hier interessierenden Bereich wurde daneben in § 29 Abs. 1 S. 1 UmwG der Abfindungsanspruchs im Verschmelzungsrecht insoweit erweitert, als Aktionäre einer AG, die an der Börse notiert ist und auf eine nicht notierte AG verschmolzen wird, gegen Abfindung ausscheiden können. Die Regelung dient der Umsetzung der in der Macrotron-Entscheidung des BGH problematisierten faktischen Erschwerung der Veräußerung der nicht börsengehandelten Anteile und hebt zugleich neben der Bedeutung der Veräußerungsmöglichkeit der Anlage für den Aktionär der börsennotierten AG auch die unterschiedliche Rechtsqualität und die strukturellen Unterschiede der Aktionärsstellung in börsennotierter und nicht notierter AG gesetzlich hervor.229 d) Weitere Änderungen und Ausblick In dem Entwurf des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie (ARUG), das den Schwerpunkt bei der Umsetzung der Richtlinie zur Verbesserung der Transparenz und Information der Aktionäre und der Erleichterung der Teilnahme und Ausübung hauptversammlungsbezogener Aktionärsrechte in börsennotierten AG hat, werden unter anderem weitere Regelungen zur Eindämmung mißbräuchlicher Anfechtungsklagen vorgesehen. Dies soll dabei allerdings nicht durch eine Beschränkung der Anfechtungsbefugnis, sondern eine weitere Effektuierung des Freigabeverfahrens erfolgen, wofür 227

Dazu etwa Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.), oben bei Fn. 196. 228 Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19.4.2007, BGBl. I S. 542. Das Gesetz dient ausweislich der Begr RegE, BT-Drs. 16/2919, S. 1, auch der Umsetzung weiterer Änderungsvorschläge der Praxis und der Regierungskommission Corporate Governance. 229 Begr RegE zu § 29 Abs. 1 S. 1 UmwG, BT-Drs. 16/2919, S. 13 (liSp.). Nach der Stellungnahme des Bundesrates soll dies allgemein für Verschmelzungen börsennotierter auf nicht börsennotierte Gesellschaften gelten; siehe BT-Drs. 16/2919, S. 23 (liSp.); zu entsprechenden Forderungen im Schrifttum siehe Bayer/J. Schmidt, NZG 2006, 841, 845 (liSp.) mwN. in Fn. 64; zur Macrotron-Entscheidung unten S. 173 ff.

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die Gesetzesbegründung die Bedeutung der „Anfechtungsklage als Instrument des Aktionärsschutzes“ auch für Kleinaktionäre betont.230

II. Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Aktionärs Durch die Reformgesetze wird die Binnenorganisation der börsennotierten AG neuen, vom Kapitalmarktrecht dominierten Regeln unterworfen.231 Die durch das DeregulierungsG eingeführte Trennung des Rechts der AG abhängig von der Börsennotierung ihrer Aktien wurde durch das KonTraG mittels weiterer Erleichterungen für Gesellschaften außerhalb des durch § 3 Abs. 2 AktG definierten Anwendungsbereichs vertieft und durch das UMAG und weitere Reformgesetze ausgebaut.232 Es entwickeln sich zwei immer stärker voneinander abweichende Rechtsmaterien – das Recht der börsennotierten und das Recht der nicht notierten AG. Diese veränderte Struktur des AktG im Hinblick auf die unterschiedlichen Typen der AG, die in der Änderung des § 29 UmwG zum Ausdruck kommt, legt nahe, daß auch die Rechtsstellung des Aktionärs abhängig von der Börsennotierung unterschiedlich zu beschreiben ist. Dabei ist allerdings zu beachten, daß der Gesetzgeber in der Begründung zu den §§ 327a ff. AktG, die nicht zwischen börsennotierten oder kapitalmarktorientierten und kapitalmarktfernen AG unterscheidet, auf die „mitgliedschaftliche Stellung in einer Aktiengesellschaft, die das Aktieneigentum vermittelt“, abstellt, so daß der Gesetzgeber an dem mitgliedschaftlichen Ausgangspunkt des AktG festhält.233 Dies gilt auch für die börsennotierte AG, was sich an dem durch das UMAG neu gefaßten Gesetzeswortlaut des § 243 Abs. 4 S. 1 AktG zeigt, der von Mitgliedschaftsrechten der Aktionäre spricht und damit die Mitgliedschaftsstellung des (Klein-)Aktionärs auch in der börsennotierten AG voraussetzt. 230 Begr RegE ARUG zu § 246a AktG, BR- Drs. 847/08, S. 64, die als alternative Schutzinstrumente die verschärfte Organhaftung und ein Aktienamt nennt. Dies erscheint erstaunlich vor dem Hintergrund der Feststellung, daß „Aktiengesellschaften . . . keine lokal begrenzte, sondern einen internationalisierte Anteilseignerstruktur mit unter Umständen weltweit gestreutem Anteilseignerbesitz“ haben, vgl. Allg Begr RegE ARUG, aaO, S. 34. Der RegE ARUG, BR-Drs. 847/08, beinhaltet auch Regelungen zur Deregulierung des Vollmachtstimmrechts der Banken; vgl. hierzu den Überblick bei Seibert, ZIP 2008, 906 ff. (zum Referentenentwurf), und ders./ Florstedt, aaO, 2145 ff. (zum Regierungsentwurf); sowie Noack, NZG 2008, 441 ff. Reserviert zu den mit der Richtlinie erfolgenden Änderungen für das deutsche Recht Noack, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1203, 1207 ff.; Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 113; Spindler, in: VGR, GesR 2005, Bd. 10, 2006, S. 31, 53; siehe auch Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421 ff.; J. Schmidt, BB 2006, 1641 ff. 231 Dazu K. Schmidt, GesR, 2002, § 26 II 2h (S. 765). 232 Hierzu auch Fleischer, NJW 2005, 3525, 3530 (reSp.). 233 Allg Begr WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (liSp.); zur sogleich zitierten Regelung des § 243 Abs. 4 S. 1 AktG auch schon oben bei S. 124.

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1. Bedeutung der gesetzlichen Leitgedanken Die zunehmende Bedeutung des Kapitalmarktes und insbesondere institutioneller Anleger für die Finanzierung der AG rücken den Anleger verstärkt ins Blickfeld und gehen mit einem Ausbau kapitalmarktrechtlicher Vorschriften einher. Die Gesetzesbegründung zum KonTraG stellt auf die durchschnittliche Interessenlage des Anlegers ab, die auf eine langfristige Wertsteigerung der Anlage ausgerichtet sei. Diese Ausrichtung der Gesellschaften auf die Anlegerinteressen im Sinne einer stärkeren Orientierung an einer langfristigen Wertsteigerung für die Anteilseigner ist gesetzlicher Leitgedanke.234 Bei den Vorschriften zum Minderheitenausschluß, §§ 327a ff. AktG, fehlt das notwendige Bindeglied zum Kapitalmarktrecht, auch wenn sich das WpÜG in erster Linie als kapitalmarktrechtliche Regelung versteht, da sich die Vorschriften zum Minderheitenausschluß nicht auf börsennotierte Gesellschaften beschränken. Der Gesetzgeber begründet dabei die Erstreckung der Regelungen auch auf die nicht börsennotierte AG weniger mit der Interessenrichtung der Minderheitsaktionäre als mit Zweckmäßigkeitserwägungen, was nicht überzeugt.235 Neben der Unterscheidung von börsennotierter und nicht notierter AG ist in der Gesetzesbegründung auch die Differenzierung zwischen unternehmerisch orientierten Aktionären und Anlegeraktionären angelegt. Erstere erfahren weitergehenden Schutz, während bei letzteren die Einflußrechte nach der Gesetzesbegründung ohne weitergehende Bedeutung und damit nur beschränkt schutzwürdig sind. In der Zusammenschau mit den Gesetzesbegründungen der übrigen Reformgesetze zeigt sich, daß der Gesetzgeber den Aktionär der börsennotierten AG, der mit fünf Prozent oder weniger am Grundkapital beteiligt ist, vornehmlich 234

Zu erstem Begr RegE KonTraG zu § 128 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 19 (liSp.); zu letztem Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 11 (liSp.). 235 Der Gesetzgeber hat den Minderheitenausschluß bewußt nicht als kapitalmarktrechtliches Instrument im WpÜG verstanden, sondern ausdrücklich als gesellschaftsrechtliches Rechtsinstitut charakterisiert und deshalb in das AktG integriert. Die Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (liSp.), beschränkt sich auf die pauschale Aussage, daß keine „Beschränkung auf börsennotierte Gesellschaften erfolgen [soll], weil auch außerhalb dieses Bereichs ein Regelungsbedarf gesehen wird.“ Zustimmend Kiem, in: HdB kleine AG, 2008, Rn. 4.51 (S. 149), und ders., in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 329, 339 f.; Schäfer, NJW 2008, 2536, 2542 (liSp.); Spindler/Stilz/Singhof, AktG, 2007, § 327a Rn. 5; MünchKommAktG/Grunewald, 2004, Vor § 327a, Rn. 5; Hasselbach, in: KK-WpÜG, 2003, § 327a Rn. 18; Krieger, BB 2002, 53, 54; E. Vetter, AG 2002, 176, 184. A. A. Hüffer, AktG, 2008, § 327a Rn. 4a; Fleischer, in: GroßKommAktG, 2007, Vor 327a-f, Rn. 13, ders., ZIP 2006, 451, 458, und ders., ZGR 2002, 757, 770 ff.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 5, ders., AG 2005, 137, 140 (liSp.), und ders., ZIP 2001, 1230, 1232 ff.; Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 1. Kap. Rn. 34 (S. 22); Merkt, AG 2003, 126, 133 (reSp.); Hanau, NZG 2002, 1040, 1042 ff.; Drygala, AG 2001, 291, 297 f.

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als Anleger sieht, da dieser weder Willens noch in der Lage sei, sich mit Fragen der Geschäftsführung auseinanderzusetzen oder Einfluß auf das Gesellschaftsgeschehen zu nehmen, so daß seine Einflußrechte nur von zweitrangiger Bedeutung sind. Entgegen Habersack und Schürnbrand, die ein ambivalentes Bild der jüngeren Gesetzesentwicklungen im Hinblick auf Aus- bzw. Rückbau des Aktionärsschutzes und die Rechtsstellung des Aktionärs feststellen,236 steht die durch die Reformgesetze erfolgte Herabsenkung des Quorums zur Bestellung von Sonderprüfern und für einen Antrag auf Zulassung einer Klage zur Geltendmachung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft, §§ 142 Abs. 2 S. 1, 148 Abs. 1 S. 1 AktG, und der Meldeschwelle auf drei Prozent des Grundkapitals, § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG, nicht im Widerspruch zu dem dargelegten Verständnis des geringer beteiligten Aktionärs. Die Neuregelungen zur Veranlassung einer Sonderprüfung oder Aktionärsklage, die eine Beteiligung von einem Prozent des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von Euro 100.000 erfordern,237 dienen dem Vermögensschutz der Aktionäre. Verschiedene hauptversammlungsbezogene Minderheitenrechte, die als Ausprägung der verbandsmitgliedschaftlichen Position des Aktionärs angesehen werden können, setzen hingegen weiterhin grundsätzlich eine Beteiligung von fünf Prozent am Grundkapital voraus.238 Die Vorschrift zur Mitteilungspflicht der Beteiligung geht zurück auf rechtstatsächliche Aspekte und folgt insoweit keinem mit dem AktG dogmatisch abgestimmten Konzept,239 so 236 Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 17. Kap. Rn. 59 ff. (S. 928 ff.). 237 Daneben sind für die Bestellung eines Sonderprüfers bzw. die Klagezulassung noch weitere Voraussetzungen zu erfüllen; siehe §§ 142 Abs. 2 und 148 Abs. 1 AktG. Die Begr RegE UMAG zu §§ 147, 148, BT-Drs. 15/5092, S. 21, betont, daß „die Haftungsklage nicht jedem Aktionär mit einer Aktie eröffnet wird“, sondern nur einer „Minderheit von wirtschaftlichem Gewicht“, und stellt im Hinblick auf § 148 AktG auf den „Börsenwert von 100 000 Euro“ ab, was auf Anregung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 15/5693, S. 7 (reSp.), in den „anteiligen Betrag von Euro 100.000“ geändert wurde, wobei letztere, aaO, S. 11 und 13, fünf Prozent oder einen anteiligen Wert von einer Million befürwortete. 238 Das Einberufungsverlangen nach § 122 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 AktG und das Verlangen der Bekanntmachung von Gegenständen zur Beschlußfassung nach § 122 Abs. 2 AktG sowie das Anfechtungsrecht nach § 254 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 AktG erfordern eine Beteiligung von fünf Prozent des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von Euro 500.000. Das Antragsrecht auf Bestellung eines Sonderprüfers, § 142 Abs. 2 S. 1 AktG, setzt wie das Klagezulassungverfahren hingegen ein Prozent oder einen anteiligen Betrag von Euro 100.000 voraus. Das im RegE ARUG zu § 183a Abs. 3 AktG, BR- Drs. 847/08, S. 11, vorgesehene Antragsrecht auf Bestellung der Sachkapitalprüfer erfordert hingegen ein Quorum von fünf Prozent am Grundkapital. 239 Dazu oben bei Fn. 226. Ob die dort getroffenen Annahmen unter Bezugnahme auf „die Vorgänge um die Deutsche Börse AG, die deutlich machten, dass Aktionäre

B. Rechtsstellung unter Berücksichtigung normativer Entwicklungen

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daß sich hieraus keine Rückschlüsse für das gewandelte aktienrechtliche Verständnis vom Aktionär ziehen lassen. Die Stärkung der Mitverwaltungsrechte der Aktionäre durch das Aktionärsforum und die in dem Entwurf zum ARUG enthaltenen Regelungen zur erleichterten Ausübung hauptversammlungsbezogener Aktionärsrechte machen die Bedeutung des Stimmrechts deutlich, so daß auch der gering beteiligte Aktionär nicht bloßer Obligationär ist, ändern aber nicht die Gewichtung solcher Rechte des geringer beteiligten Aktionärs durch die Reformgesetze.240 Regelungsziele der Reformgesetze der letzten Jahre sind daher die Stärkung der Ausrichtung der AG auf den Kapitalmarkt und die Steigerung der Attraktivität der Aktie als Anlageform, die Orientierung der Geschäftspolitik an einer langfristigen Wertsteigerung für die Anteilseigner und der verbesserte Anlegerschutz. Die Gesamtschau zeigt dabei als einheitliche Tendenz die gesetzgeberische Entwicklung der Aktionärsstellung dahingehend, den Bestandsschutz der aktienrechtlichen Mitgliedschaft geringer beteiligter Aktionäre einerseits abzuschwächen und andererseits die Aktionäre möglichst davor zu bewahren, wertsummenmäßige Verluste zu erleiden.241 2. Weiterer Fortgang der Untersuchung Die zunehmende Differenzierung zwischen börsennotierten und nicht notierten Gesellschaften sowie die Ausrichtung des AktG, insbesondere der Sondervorschriften für börsennotierte Gesellschaften auf den Anleger und dessen kapitalmarktbezogene Interessen lassen die Frage aufkommen, ob insbesondere nach der Einführung der Vorschriften des von seinem Verhalten unabhängigen Ausschlusses des Minderheitsaktionärs eine rein verbandsrechtliche Ausformung der Rechtsstellung des Aktionärs die aktiengesetzlichen Änderungen durch die Reformgesetze der letzten Jahre ausreichend berücksichtigt. Im anschließenden Abschnitt sind dafür die gesetzlichen Leitgedanken der Reformgesetze und die aus der Zulassung auch mit einer Beteiligung unterhalb von 5 v. H. entscheidenden Einfluß auf den Emittenten nehmen könnten“, wie der Finanzausschuß, BT-Drs. 16/3644, S. 53 (reSp.), ausführt, zutreffend sind, erscheint zweifelhaft. Zu „Hedgefonds als aktivistischen[n] Aktionäre[n]“ und den Vorgängen bei der Deutsche Börse AG Engert, ZIP 2006, 2105, 2107 f. Nach dort in Fn. 23 zitierter Fundstelle hielten Hedgefonds ca. 30% der Stimmrechtsanteile; dazu auch Schmolke, ZGR 2007, 701, 711, und Fleischer, ZGR 2008, 185 ff., insbes. 189 f. 240 So aber Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 59 f., der dies als weiteres Argument für die nach wie vor bestehende mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs anführt. 241 So auch Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 449; insoweit zustimmend Habersack, AG 2005, 137, 140 (liSp.); siehe aber auch ders./Schürnbrand oben bei Fn. 236.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

des Minderheitsausschlusses folgenden Wertungen auszubreiten und für die Ausformung der Rechtsstellung des Aktionärs fruchtbar zu machen. Im Vorfeld sollen jedoch einige rechtstatsächliche Strukturen in der Publikumsgesellschaft herausgearbeitet werden.

C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen in den Publikumsgesellschaften Die Regierungsbegründung des AktG 1965 spricht davon, daß die AG typischerweise das Sammelbecken der Kapitalbeiträge Vieler ist.242 Mit dem DeregulierungsG wurde gesetzlich normiert, daß die AG nicht nur Rechtsform für kapitalistisch strukturierte Großunternehmen ist; der Gesetzgeber betont aber, daß das Aktienrecht am Leitbild der großen Publikums-AG ausgerichtet ist.243 Aus der vom Gesetzgeber angestrebten breiten Streuung der Kapitalbeiträge und der zunehmenden Ausrichtung von Vorschriften auf diesen Gesellschaftstypus folgt daher als Leitbild des AktG die börsennotierte Publikumsgesellschaft, deren Aktien sich im Streubesitz zahlreicher Publikumsaktionäre befinden.244 Das gesetzliche Leitbild des Publikums242 Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines II, bei Kropff, AktG, 1965, S. 14; siehe dazu schon oben S. 81. 243 Siehe dazu Begr RegE DeregulierungsG, BT-Drs. 12/6721, S. 5 (reSp.) (dazu schon oben S. 110); BGH v. 9.12.1977 – II ZR 136/76, BGHZ 70, 117, 123. Aus dem Schrifttum etwa Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1984, Einl. Rn. 90; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 268, 496; Röhricht, aaO, 1996, § 23 Rn. 167, und ders., ZGR 1999, 445, 469; Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 379; Claussen, AG 2001, 321, 322; Decher, in: GroßkommAktG, 2001, § 131 Rn. 47; K. Schmidt, GesR, 2002, § 26 III 2a (S. 771); Jäger, Aktiengesellschaft, 2004, § 2 Rn. 1; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 9, 22 ff. 244 Die Börsennotierung wird vom Gesetzgeber im Hinblick auf Publikumsgesellschaften wohl regelmäßig vorausgesetzt, vgl. etwa Allg Begr RegE UMAG, BTDrs. 15.5092, S. 10 (reSp.): „Die Aktiengesellschaften haben keinen lokal begrenzten, sondern weltweit gestreuten Anteilseignerbesitz. Die Kapitalmärkte erwarten die Aktien als standardisiertes und gleichmäßig ausgestaltetes Finanzprodukt“; dazu auch Allg Begr RegE ARUG, BR-Drs. 847/08, S. 28, und Begr RegE ARUG zu § 118 AktG, aaO, S. 37. Ein Großteil der in jüngerer Zeit vorgenommenen Änderungen des AktG zielen auf den Typus der börsennotierten AG ab, auch wenn dies nicht tatbestandlich verselbständigt wird. Die Differenzierung nach dem Wortlaut der Vorschriften abhängig von der Börsennotierung scheint keinem einheitlichen Konzept, sondern eher redaktionellen Aspekten zu folgen; vgl. auch Schäfer, NJW 2008, 2536, 2537 und 2538 (je liSp.). So beinhalten das Merkmal „nichtbörsennotiert“ etwa die §§ 67 Abs. 6 S. 2, 110 Abs. 3 S. 2, 130 Abs. 1 S. 3 und 134 Abs. 1 S. 2 AktG; hingegen stellen etwa die §§ 120 Abs. 3 S. 2, 121 Abs. 5 S. 2, 123 Abs. 3 S. 2 und 3, 125 Abs. 1 S. 3, 142 Abs. 7 Hs. 1, 149 Abs. 1, 161 S. 1, 171 Abs. 2 S. 2 Hs. 2, 175 Abs. 2 S. 1, 248a S. 1, 256 Abs. 7 S. 2, 261a und 328 Abs. 3 auf „börsennotierte Gesellschaften“ bzw. eine Zulassung der Aktien zu einer

C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen

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aktionärs ist anhand einer Betrachtung der Aktionärstypen in den börsennotierten Publikums-AG näher auszuformen.

I. Der Aktionär in der Publikums-AG Die typisierende Anschauung des Publikumsaktionärs durch den Gesetzgeber hat die Aktionärsstruktur in der börsennotierten Publikums-AG im Blick. Im Schrifttum werden die Begriffe Kapitalanleger, Publikums- und Kleinaktionär häufig synonym verwendet, eine klare Konturierung des Begriffes „Publikumsaktionär“ erfolgt aber nur selten.245 In der Literatur werden jenseits der von der Beteiligungsgröße abhängigen Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinaktionär als Aktionärstypen unter Berücksichtigung deren Interessen der Renten- oder Anlageaktionär, der Spekulations- und der Unternehmeraktionär genannt.246 Der Aktionär der ersten Gruppe beschränkt sich darauf, die Aktie lediglich als Kapitalanlage zu betrachten und die jährliche Dividende zu kassieren. Der Spekulationsaktionär hofft auf Kursgewinne an der Börse durch häufiges Umschichten seines Portfolios, um die gewünschte Rendite durch Gewinne bei An- und Verkauf statt durch langfristige Wertsteigerungen der Aktien und Dividendenausschüttungen zu erzielen. Der Unternehmeraktionär erlangt bei Ausschöpfung seiner Rechte und ausreichendem Stimmgewicht erheblichen Einfluß auf das Gesellschaftsgeschehen aufgrund seines Aktienbesitzes und übt den unternehmerischen Einfluß im Interesse seiner sonstigen Unternehmensbindung aus.247 Mit Blick auf die gewandelten tatsächlichen Verhältnisse in den deutschen Publikumsgesellschaften werden in den Gesetzesbegründungen der Reformgesetze unternehmerisch- und anlageorientierte Aktionäre unterschieden, ohne daß dies im Gesetzeswortlaut verfestigt ist. Auch bei dem anlageorientierten Aktionär steht allerdings der langfristig orientierte AktioBörse ab. Vgl. auch im Hinblick auf den weiteren Ausbau der Unterscheidung zwischen börsen- und nicht notierter AG die Ankündigung von Seibert, in: HdB kleine AG, 2008, Rn. 1.36 (S. 19 f.), „in zukünftigen Novellen zum Aktiengesetz“ auf dem eingeschlagenen Weg fortfahren zu wollen. Hierzu auch Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 1. Kap. Rn. 38 (S. 24); Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 55 und S. 81. 245 Hierzu Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 201 ff. Zu herrschendem und Minderheitsgesellschafter Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 I 3a (S. 417 f.). 246 So etwa Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 101 ff. (de lege ferenda); MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 3; monographisch Jung, Unternehmergesellschafter, 2003. 247 Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 101 (de lege ferenda); MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 3; Raiser/Veil, KapGesR, 2006, § 9 Rn. 6 (S. 48).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

när im Blickfeld des Gesetzgebers, wenn er mit dem KonTraG die Bedeutung der Orientierung an einer langfristigen Wertsteigerung hervorhebt und im UMAG den objektiv urteilenden Aktionär iSd. § 243 Abs. 4 S. 1 AktG als den vernünftigen und im wohlverstandenen Unternehmensinteresse handelnden Aktionär versteht, der keine kurzfristigen Ziele verfolgt, sondern an den langfristigen Ertrags- und Wettbewerbsfähigkeiten seiner Gesellschaft interessiert ist.248 Im Folgenden sollen die Beteiligungsverhältnisse in den deutschen Publikumsgesellschaften näher betrachtet werden, um hieraus Schlüsse für die Beschreibung des normtypischen Publikumsaktionärs ziehen zu können. 1. Aktionärsstrukturen in der börsennotierten Publikumsgesellschaft Die rechtstatsächlich bedeutsamen Veränderungen zeigen sich weniger beim Blick auf die Entwicklung der Anzahl börsennotierter Gesellschaften, als vielmehr auf deren Aktionäre.249 Befanden sich deutsche Unternehmen lange Zeit zumeist im Kontrollbesitz von Großaktionären, so erfolgte mit deren Rückzug im letzten Jahrzehnt eine erhebliche Veränderung der Aktionärsstruktur hin zu einem höheren Anteil von Streubesitz, vermehrten Börsengängen und einer Zunahme der Aktionärszahlen insgesamt sowie des Anteils ausländischer Aktionäre, darunter insbesondere institutioneller Anleger.250 Die gesteigerten Aktionärszahlen werden deutlich, wenn man sich die größten deutschen Publikumsgesellschaften ansieht. Die zehn Aktiengesellschaften mit den meisten Anteilseignern haben zwischen mehreren Hunderttausend bis zu mehrere Million Aktionäre.251 Die vom Gesetzgeber des 248 Zu erstem Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 10 und 11 (je liSp.); dazu schon oben bei Fn. 185 und Fn. 234. Zu letztem Begr RegE UMAG zu § 243 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 26 (liSp.). Zu den Gründen auch Seibert, AG 2004, 529, 531 (reSp.). Zum Unternehmeraktionär oben bei Fn. 214. 249 So waren im Jahr des Inkrafttretens des AktG 1965 627 und im Jahr 2006 851 Gesellschaften börsennotiert; vgl. DAI, Factbook, 2007, S. 01-1 und 02-5. Abweichende Zahlen bei Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 20 (656 zum Stichtag: 31.12.2006); siehe auch MünchKommAktG/Habersack, 2008, Einl. Rn. 11 (840 im Jahr 2004); siehe auch Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14-7034 S. 27 (reSp.). 250 So Seibert, AG 2002, 417, 418 (liSp.), sowie der Bericht des BMJ an den Deutschen Bundestag, NZG 2004, 948, 948 und 952 (je liSp.). Institutionelle Anleger sind insbesondere Versicherungs- und Kapitalanlagegesellschaften, Pensionsund Investmentfonds; dazu Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 144 f.; Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2007, § 1 Rn. 26; Schmolke, ZGR 2007, 701, 706, sowie ders., 704 ff., zu den Schwierigkeiten einer allgemeingültigen Definition. 251 Nach einer Statistik des DAI, Factbook 2007, Ziffer 08.5-1, haben die im DAX 30 notierten AG zwischen rund 30.000 (ThyssenKrupp AG) und 3 Mio. (Dt.

C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen

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AktG 1965 gewünschte breiteste Streuung des Eigentums252 ist damit insoweit erreicht.253 Im Hinblick auf die Möglichkeiten des Aktionärs, das Gesellschaftsgeschehen zu verfolgen und die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu überblicken, ist die Verteilung der Aktien zwischen institutionellen und Privatanlegern interessant. Danach stellt der Anteil institutioneller Anleger bei den genannten Gesellschaften regelmäßig die Mehrheit, bei einigen der großen börsennotierten Publikums-AG sogar den Großteil der Aktionäre dar.254 Legen diese Zahlen nahe, den Publikumsaktionär mit dem institutionellen Anleger gleichzusetzen, so ist allerdings auch das Umschichtungsverhalten der Aktionäre zu berücksichtigen. Danach wird der weitaus größere Teil der Aktien im Streubesitz gehalten, also von Aktionären, die diese typischerweise über die Börse erwerben und wieder veräußern.255 UnabhänTelekom AG; dazu Zahlen aus dem Jahr 2000) Aktionäre, wobei die zehn größten AG, soweit Zahlen verfügbar sind, jeweils über 0,5 Mio. Aktionäre haben; hierzu auch Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 534, 537 (liSp.). Der Streubesitz betrug dabei, sofern Angaben verfügbar sind, im Jahr 2006 meist deutlich über 50%, DAI, aaO, 08.5-1.2007. Nach einer Statistik der Börsenzeitung aus dem Jahr 2005 befinden sich zumindest 44% der Aktien (Metro), meist aber deutlich mehr Aktien im Streubesitz; siehe Becker, BZ v. 30.12.2005, S. 9. Nach einer Untersuchung der FAZ haben acht der DAX 30-Unternehmen einen Streubesitz von 100%, die durchschnittliche Streubesitzquote der DAX 30-Unternehmen liegt bei ca. 82%; siehe Sommer, FAZ v. 19.8.2005, S. 29; ebenso o. V., BZ v. 13.7.2005, S. 2 f. Als Streubesitz oder free float, der nach § 9 Abs. 1 BörsZulV im Sinne eines ordnungsgemäß gewährleisteten Börsenhandels Voraussetzung einer Börsenzulassung ist, sind die frei am Kapitalmarkt gehandelten Aktien zu verstehen, die im Publikum gestreut sind. Vgl. auch § 11 Abs. 1 S. 3 REIT-Gesetz v. 28.5.2007, BGBl. I S. 914, zum Begriff Streubesitz. 252 Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines II, bei Kropff, AktG, 1965, S. 14. 253 Wenn Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 695, davon spricht, daß die Anteilseignerstruktur in Deutschland von allgegenwärtigen Groß- und Mehrheitsaktionären gekennzeichnet ist, so trifft dies überwiegend auf kleinere börsennotierte Aktiengesellschaften zu. Zur ungenügenden Kontrolle des Managements durch die Eigentümer ders., aaO, 710, und zu den damit verbundenen Problemen G. H. Roth/Wörle, ZGR 2004, 565 ff. 254 Nach einer Statistik des DAI, Factbook 2007, Ziffer 08.5-1.2007, haben, soweit Zahlen verfügbar sind, die im DAX 30 notierten AG zwischen ca. zwölf Prozent (Adidas AG) und ca. 98% (Deutsche Börse AG) institutionelle Anleger und zwischen ca. 2% (Deutsche Börse AG) und ca. 39% (Bayer AG) Privatanleger. Daraus läßt sich ableiten, daß durchschnittlich gut die Hälfte des Grundkapitals der im DAX 30 zusammengefaßten Gesellschaften von institutionellen und rund ein Fünftel von Privatanlegern gehalten wird. 255 Nach Informationen des DAI, Factbook, 2007, 06-2-Dax (06-2-MDax), betrug der Umsatz der Aktien der DAX 30 (MDax 50) Unternehmen im Jahr 2006 an allen Börsen summiert knapp Euro 1.246 (134) Mrd., die Indexkapitalisierung ca. Euro 687 (95) Mrd., so daß annähernd durchschnittlich jede Aktie in diesem Jahr zweimal (1,5-mal) den Eigner wechselte. Die Umschlagshäufigkeit hat sich von 134% im Jahr 1994 auf 206% im Oktober 2007 gesteigert; vgl. DAI, aaO, 06-6.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

gig von der Befähigung zur Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen durch Ausübung von Aktionärsrechten über einen längeren Zeitraum, die bei einzelnen Aktionären dieser Anlegergruppe aufgrund des differierenden Sachwissens und der Beteiligungsquote unterschiedlich hoch ist, zieht es also diese Anlegergruppe vor, nach einem gewissen Zeitraum ihr Portfolio umzuschichten.256 2. Das Leitbild des Publikumsaktionärs Die Beteiligungsverhältnisse in den Publikumsgesellschaften zeigen die unterschiedlichen Anlegertypen auf. Das bedingt, den Begriff des Anlegers zu klären. a) Typik des Anlegers Der „Anleger“ ist kein aus dem Gesetz abzuleitender Rechtsbegriff, sondern ein Typus, dessen Merkmale aus dem Schutzbedürfnis der Praxis heraus zu beschreiben sind.257 Als Kriterien werden hierzu neben dem fehlenden Einfluß auf das unternehmensinterne Geschehen und der Unterlegenheit aufgrund geringer Beteiligungsquote, die es dem Anleger erschwert oder unmöglich macht, seinen Willen in die Finanzierungs- und Geschäftspolitik einzubringen, auch die kognitive bzw. fachliche Unterlegenheit genannt, da der Anleger mit seinen Finanzinvestitionen keine unternehmerischen Ziele zu verfolgen pflege und im Vergleich zu den geschäftlichen Akteuren weniger gut informiert sei.258 Gegentypus ist der qualifiziert oder mehrheitlich beteiligte Unternehmergesellschafter. b) Anlegerinteressen Neben den Unternehmeraktionären, die sich längerfristig an einer Gesellschaft beteiligen, schichtet der Anlegeraktionär seine Anlage regelmäßig 256 Halten institutionelle Anleger nach der Statistik unter Fn. 254 etwa die Hälfte des Grundkapitals der DAX 30-Unternehmen und befinden sich durchschnittlich ca. 82% der Aktien im Streubesitz, siehe Fn. 255, so kann daraus geschlossen werden, daß auch die Mehrzahl der institutionellen Anleger ihr Portfolio regelmäßig umschichtet. Das deckt sich tendenziell mit den Untersuchungen von Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 205, wonach etwa lediglich die Hälfte des Anteilsbesitzes der institutionellen Anleger im Festbesitz gehalten und der Rest ebenfalls Streubesitz ist. 257 Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 18; kritisch daher Habersack, AG 2005, 137, 140 (liSp.). 258 So Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 18; dazu auch Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 I 1 (S. 476 f.).

C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen

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am Kapitalmarkt um. Aktionäre der ersten Gruppe sind typischerweise an einer Einflußnahme weitergehend interessiert als diejenigen, die nach vergleichsweise kurzer Zeit ihre Beteiligung wieder veräußern. Der Anlegeraktionär, insbesondere der Kleinaktionär hat daher vornehmliches Interesse an der Vermögenskomponente seiner Beteiligung, die er vorwiegend als Kapitalanlage betrachtet, so daß es ihm vor allem um die Rendite seiner Anlage geht.259 Allerdings kann selbst der Kleinaktionär mit geringer Beteiligungsquote mittels der Anfechtungsklage erhebliche Möglichkeiten der Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen haben und auch stärker beteiligte Aktionäre wie institutionelle Anleger halten ihre Beteiligung teilweise als reine Finanzanlage, ohne auf das Gesellschaftsgeschehen durch Ausübung von Mitwirkungsrechten in der Hauptversammlung Einfluß zu nehmen, obwohl ihnen das aufgrund ihrer Beteiligungsquote möglich wäre,260 sondern bevorzugen offenbar die exit-Option.261 Trotz oder gerade wegen ihrer größeren Einflußmöglichkeiten üben diese ihren Einfluß eher außerhalb der Hauptversammlung und unmittelbar gegenüber dem Vorstand oder kapitalmarktlich durch die mit einem Des- oder Investitionsverhalten verbundenen Aussagen über die Geschäftspolitik der Gesellschaft aus.262 Dies kann erheblichen Einfluß auf das Gesellschaftsgeschehen haben, wie etwa das Verhalten kapitalnehmender Gesellschaften zeigt, sich freiwillig strengerem Recht zu unterstellen, um hierdurch Investorenvertrauen aufzubauen.263 259 Deutlich BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 (Macrotron): im Gegensatz zu einem Großaktionär, der mit seiner Beteiligung unternehmerische und nicht nur Anlageinteressen verfolge, bestehe das Engagement von Minderheitsoder Kleinaktionären „bei einer Aktiengesellschaft allein in der Wahrnehmung von Anlageinteressen“. Siehe auch BGH v. 16.11.1981 – II ZR 150/80, BGHZ 82, 188, 192 f. (Hoogovens) sowie v. 9.12.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 151 (Bremer Bankverein), wonach bei der Aktionärsminderheit der Charakter der Beteiligung als Vermögensanlage im Vordergrund stehe, so daß für sie der Schutz gegen Vermögensverluste entscheidend sei. 260 Hierzu Habersack, AG 2005, 137, 140 (liSp.); siehe auch Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2007, § 1 Rn. 26. 261 Schmolke, ZGR 2007, 701, 713 ff. mwN.; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 101; Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2007, § 1 Rn. 26. Dies zeigt auch das Verhältnis der Beteiligung institutioneller Anleger an den DAX 30-Gesellschaften, dazu oben in Fn. 254, zur Hauptversammlungsbeteiligung an den DAX 30-Unternehmen im allgemeinen; dazu unten in Fn. 266. 262 Zu erstem Begr RegE KonTraG zu § 129 Abs. 1 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 19 (reSp.), und Begr RegE UMAG zu § 123 Abs. 2a AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 35 (liSp.); zu letztem von Werder, ZGR 1998, 69, 81; Schaefer, NZG 2007, 900, 900 f.; Schmolke, ZGR 2007, 701, 713 f.; Siems, Konvergenz, 2005, S. 152 f. mwN. zu „bargaining“, „behind-the-scenes action“ und „secret backroom lobbying“. 263 Exemplarisch Schäfer, ZGR 2004, 416, 419, aus Sicht der Siemens AG zu den Anforderungen der New York Stock Exchange: „Wir sind jedoch bemüht, auch

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Auch für diesen Aktionärstyp steht die Rendite im Mittelpunkt des Interesses, die eher durch eine Des- und Neuinvestition in eine andere Anlage erreicht werden soll als durch eine unmittelbare Einwirkung auf das Gesellschaftsgeschehen mittels Ausübung von Aktionärsrechten. Die Aktionäre dieses Typus sind eher am Gesamtertrag ihrer Anlagen als an einzelnen Aktien interessiert, so daß sie ein diversifiziertes Portfolio halten.264 Die zunehmende Internationalisierung des Aktionärskreises begünstigt diese Passivität, da regelmäßig gebietsfremde Aktionäre in noch geringerem Umfang ihr Stimmrecht ausüben als gebietsansässige Aktionäre.265 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß statt einer Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen insbesondere durch Ausübung des Stimmrechts zur Steigerung der Rendite des Investments sowohl Klein- wie auch institutionelle Anleger – und sei es auch aus verschiedenen Gründen – ihr Portfolio umschichten. Betrachtet man noch die durchschnittliche Hauptversammlungsbeteiligung bei diesen Gesellschaften, bei denen zumindest zeitweise nicht mehr als die Hälfte des stimmberechtigten Kapitals vertreten war,266 erscheint es die unverbindlichen Anforderungen der NYSE soweit zu erfüllen, wie dies mit den Vorgaben des deutschen Rechts vereinbar ist. Nur dann werden wir von den amerikanischen Investoren als gleichwertige Anlagealternative zu amerikanischen Konkurrenzunternehmen, die den gesamten Katalog der NYSE-Anforderungen erfüllen müssen, angesehen.“ Siehe auch die bei Merkt, AG 2003, 126, 129 (liSp.) mit Fn. 34, zitierte Aussage des Vorsitzenden des Pensionsfonds der öffentlichen Angestellten Calpers (California Public Employees’ Retirement System), einer der größten Pensionskassen der USA, zur Corporate Governance in deutschen Unternehmen. Dazu auch Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 709 (liSp. mit Fn. 52). Zur Rolle institutioneller Anleger bei Unternehmensübernahmen auch U. H. Schneider/Burgard, DB 2001, 943, 965 (reSp.). Sofern nachfolgend von Einfluß gesprochen wird, ist darunter grundsätzlich die Einflußnahme durch die Ausübung von Beteiligungsrechten, die aus der Mitgliedschaft in der Gesellschaft folgen, zu verstehen. 264 Schmolke, ZGR 2007, 701, 719 f., auch zu weiteren Aspekten der geringen Einflußnahme. 265 Zu diesem Zusammenhang Grundmann/Winkler, ZIP 2006, 1421, 1423 (liSp.); Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 9 (reSp.); Spindler, in: VGR, GesR 2005, Bd. 10, 2006, S. 31, 33. 266 Nach Wadewitz, BZ v. 9.6.2005, S. 21, waren im Jahr 2005 bei zwölf der DAX 30-Unternehmen mehr als die Hälfte des stimmberechtigten Kapitals vertreten (dort zwischen ca. 53% (HypoVereinsbank) und 78% (Henkel)), während bei den anderen Unternehmen die Quote teilweise deutlich unterhalb von 50% lag (Deutsche Bank ca. 26%). Nach der bei MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 118 Rn. 15 mit Fn. 27, zitierten Statistik der Deutsche Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW) sank die durchschnittliche Präsenzquote bei den DAX 30-Unternehmen von ca. 61% im Jahr 1998 auf ca. 51% im Jahr 2002. Im Jahr 2005 betrug diese nach Angabe der DSW ca. 46%. Die Hauptversammlungspräsenzen haben sich aber im Durchschnitt seit 2005 wieder erhöht auf ca. 56% im Jahr 2007; dazu Baums, ZHR 171 (2007), 599, 601, und Seibert, NZG 2007, 841, 841 (liSp.), die dies auf die Ein-

C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen

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überzeugend, die Aktionäre nicht nach ihrer möglichen Befähigung zur Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen durch Ausübung von Aktionärsrechten einzuteilen, sondern ihren Interessen hieran. Aus der Beteiligungsquote des Aktionärs allein läßt sich allerdings nicht folgern, ob der Aktionär nur Anlage- und keine Einwirkungsinteressen hat, da auch stärker beteiligte Aktionäre ihre Mitwirkungsrechte nicht ausüben. 3. Folgerungen Der Publikumsaktionär erwirbt und veräußert seine Anlage über die Börse und investiert nicht dauerhaft in eine Anlage, sondern schichtet in gewissen zeitlichen Abständen sein Portfolio um,267 was auf Kleinaktionäre als auch institutionelle Anleger zutrifft. Charakteristikum ist mithin weniger die Größe ihrer Beteiligung an der Gesellschaft, sondern das Vorgehen, das Ziel der Gewinnmaximierung eher durch eine Entscheidung am Kapitalmarkt zu erreichen als durch eine gegebenenfalls länger andauernde Einflußnahme auf die Gesellschaft.268 Publikumsaktionär ist deshalb der Aktionär, der seine Anlageentscheidung über den Kapitalmarkt realisiert und statt durch die Ausübung von Aktionärsrechten auf das Gesellschaftsgeschehen durch Investition und Desinvestition Einfluß nimmt.269

II. Interessenrichtungen des Publikumsaktionärs Die Ausübung von Beteiligungsrechten steht damit für die Publikumsaktionäre in der börsennotierten Publikums-AG trotz der Bemühungen des Gesetzgebers jedenfalls nicht im Vordergrund des Interesses, sofern nicht unmittelbar ihre Vermögensposition berührt wird.270 Die mit dem Desinteresse einhergehende geringe Kontrolle der Unternehmensführung durch einflußunwillige Aktionäre und relative Zunahme an Stimmrechtsmacht stärker beteiligter Aktionäre, die, wie auch in der Gesetzesbegründung zu § 21 führung des neuen record date durch die Änderung des § 123 AktG zurückführen. Zur aktuellen Diskussion der Möglichkeiten von Präsenzsteigerung unten in Fn. 272. 267 Dazu auch Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 11; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 5 und 88 f. 268 So auch Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 205. 269 Überzeugend Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 203 ff. 270 Mit dem NaStraG wurde die „Erleichterung der Stimmrechtsausübung“ verfolgt (so ein Teiltitel der Gesetzesnovelle), um die Präsenz- und Vertretungsprobleme bei den Hauptversammlungen zu lösen; siehe dazu schon oben bei Fn. 193. Durch das ARUG soll die Ausübung hauptversammlungsbezogener Aktionärsrechte erleichtert werden, vgl. Allg Begr RegE ARUG, BR-Drs. 847/08, S. 27 f.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

WpHG angemerkt wird,271 faktisch erhebliche Stimmrechtsmacht etwa aufgrund geringer Hauptversammlungspräsenzen erlangen können, ist in jüngerer Zeit Gegenstand der Diskussion, der auch zu Vorschlägen führte, mittels eines Dividendenbonus die Teilnahme an der Hauptversammlung für institutionelle Anleger als auch geringer beteiligte Aktionäre wieder attraktiver zu machen, das Depotstimmrecht zu deregulieren und Nichtpräsenz in der Hauptversammlung als Zustimmung zu werten, wobei diese Vorschläge im Schrifttum eher kritisch aufgenommen wurden.272 Die Vorgehensweise des Publikumsaktionärs zur Gewinnmaximierung seiner Anlage wirft die Frage auf, ob sein Desinteresse an den Geschicken der Gesellschaft und das geringe Interesse an der Einflußnahme Folge einer ungenügenden Ausformung seiner Möglichkeiten ist, Einfluß auf das Gesellschaftsgeschehen zu nehmen,273 oder der Gesetzgeber des AktG 1965 und der Reformgesetze aufgrund der Strukturen der Publikums-AG eine solche Interessengewichtung bewußt in Kauf genommen hat. Im ersten Falle müßte die Rechtsfortbildung nach Möglichkeiten zur Verstärkung der Einflußnahme zu suchen. Im zweiten Fall dagegen wäre eher auf eine Förderung der Anlageinteressen abzuzielen und dafür zu klären, ob insbesondere der Schutz des Beteiligungswertes des Aktionärs in hinreichendem Maße gewährleistet ist. 1. Grundlagen zu den Interessen des Publikumsaktionärs Die Debatte über die (In-)Effizienz des Stimmrechts der Anteilseigner von Publikumsgesellschaften wurde in den USA schon vor einem halben Jahrhundert geführt.274 Die Literatur hat verschiedene Erklärungsmuster für die vergleichsweise geringe Einflußnahme durch Publikumsaktionäre her271 Vgl. Begr RegE TUG zu § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG, BT-Drs. 16/2498, S. 28 (liSp.); dazu schon oben S. 122 und 125 f. 272 Hierzu Seibert, in: FS H. P. Westermann, 2008, S. 1505 ff.; Storck/U. H. Schneider, AG 2008, 700 ff.; Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 3 III 3 (S. 85 ff.); Baums, ZHR 171 (2007), 599, 601; Dauner-Lieb, WM 2007, 9 ff.; Schmolke, ZGR 2007, 701, 738 ff.; Lenz, NZG 2006, 534 ff.; Spindler, in: VGR, GesR 2005, Bd. 10, 2006, S. 31 ff. Zum sinkenden Interesse ausländischer Anleger und von Kleinaktionären an der Hauptversammlungsteilhabe auch Begr RegE KonTraG, BTDrs. 13/9712, S. 18 (liSp.), zur Fassung des § 128 Abs. 2 S. 2 AktG. 273 Siehe auch Wiedemann, BB 1975, 1591, 1596, zum „Recht auf Desinteresse“ des „normalen“ Aktionärs; ebenso Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 452. 274 Dazu oben in der Einleitung, Fn. 4, sowie Grundmann, Treuhandvertrag, 1997, § 6 II 2b (S. 281), und Schmolke, ZGR 2007, 701, 702 ff., mwN. auf die USamerikanische sowie deutsche Literatur. Zum Problem ungenügender Eigentümerkontrolle auch schon Wiedemann, GesR I, 1980, § 2 II 2b (S. 124 f.); Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1984, Einl. Rn. 90.

C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen

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ausgearbeitet, die im US-amerikanischen Schrifttum schon früh organisationssoziologisch unter den Stichworten collective action und prisoners’ dilemma ausgebreitet worden sind, mittlerweile aber auch im deutschen Schrifttum vermehrt diskutiert werden.275 a) Kollektivhandlungsproblem und Gefangenendilemma Die geringe Motivation der Publikumsaktionäre zur Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen durch Ausübung der Herrschaftsrechte wurde unter Berücksichtigung verschiedener empirischer Untersuchungen unter dem Begriff collective action aufgearbeitet.276 Danach sinkt bekanntlich das Interesse des einzelnen Aktionärs insbesondere in der Publikumsgesellschaft an der Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen entsprechend seines Beteiligungsverhältnisses, da der Vorteil hieraus in geringem Maße nur ihm selber, zugleich aber allen anderen Aktionären zugute kommt. Mangels Koordination eines gemeinsamen Vorgehens mit anderen Publikumsaktionären gleicher Interessenrichtung entsteht dem einzelnen Aktionär bei dem Versuch der Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen ein vergleichsweise hoher finanzieller Aufwand für ein Tätigwerden, dessen Erfolg unbestimmt ist. Der Vorteil einer Einflußnahme im Interesse der Steigerung der Anlagerendite steht daher für diesen regelmäßig außer Verhältnis zu Aufwand und Kosten, die durch die Information über die Beschlußgegenstände der Hauptversammlung entstehen, und zu dem Nutzen einer Ausübung des marginalen Stimmrechts. Es liegt daher für den Einzelnen näher, statt dessen am Nutzen des Handelns Anderer teilzuhaben.277 Die Apathie des einzelnen Aktionärs ist also ökonomisch sinnvoll. Damit ist es auch für den einzelnen einfacher, seinem Urteil über die Unternehmensführung durch eine weitere 275 Hierzu etwa Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 687 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 13 II 3 b (S. 408 f.); aus dem Dissertationsschrifttum Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 205 ff. 276 Easterbrook/Fischel, Corporate Law, 1991, S. 66 f., unter Verweisung auf Mancur Olsen, The Logic of Collective Action, 1965, und Anthony Downs, An Economic Theory of Democracy, 1957. Aus dem deutschen Schrifttum etwa Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 3 (S. 73 ff.); Schmolke, ZGR 2007, 701, 707 f.; Siems, Konvergenz, 2005, S. 111 f.; G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 375 f.; Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 203 ff.; Kübler, in: FS Zöllner I, 1998, S. 321, 326; Spindler, AG 1998, 53, 63 (liSp.); Mülbert, Gutachten 61. DJT, 1996, S. 92 f. Siehe auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 36, zu diesem Problem im Rahmen von Aktionärs-Haftungsklagen. 277 Sog. Trittbrettfahrer- oder free rider-Problem; dazu Schmolke, ZGR 2007, 701, 707; Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 30. Siehe auch Dauner-Lieb, WM 2007, 9, 11 ff.; Spindler, in: VGR, GesR 2005, Bd. 10, 2006, S. 31, 35 ff.; G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 376 (liSp.); Kübler, in: FS Zöllner I, 1998, S. 321, 326.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Investition in diese Aktien oder eine Desinvestition Ausdruck zu geben als durch aktive Ausübung seiner Aktionärsrechte das Gesellschaftsgeschehen zu beeinflussen,278 so daß „die Aktionärsdemokratie auf dem Kapitalmarkt stattfindet“.279 Die Folge von Informationsdefiziten und -ungleichgewicht wird in der Spieltheorie mit dem Begriff des Gefangenendilemmas (prisoners’ dilemma) beschrieben, das die Wirkungen des Kollektivhandlungsproblems (collective action) in der AG noch verstärken kann,280 was in der juristischen Literatur in jüngerer Zeit für die systembedingte Schwäche der Publikumsaktionäre bei öffentlichen Übernahmeangeboten diskutiert wird.281 Die betroffenen Personen befinden sich in einer Situation, die ihnen eine Auswahlentscheidung zwischen unterschiedlich günstigen Entscheidungsalternativen bietet. Sie stützen dabei ihre Entscheidung nicht nur auf die eigene Beurteilung der Situation, sondern auch auf die Einschätzung, wie sich die anderen verhalten werden. Dabei könnten etwa in Übernahmesituationen die Aktionäre ein drohendes Übel gemeinsam abwenden oder eine Entscheidungssituation gemeinsam optimieren, entschließen sich jedoch mangels Absprache-, Koordination- oder Kooperationsmöglichkeit zu einem geringeren Übel, um nicht die Gefahr des größtmöglichen Übels auf sich nehmen zu müssen.282 Der Gedanke läßt sich über die Situation bei Übernahmeangeboten hinaus verallgemeinern und generell auf die Einflußnahme des Publikumsaktionärs übertragen. Insbesondere bei breit gestreutem Aktienbesitz ist eine Koordination der Interessen der Publikumsaktionäre bisher kaum möglich, so daß diese sich insoweit passiv verhalten und mittels Des- und Neuinvestition das Gesellschaftsgeschehen beeinflussen, anstatt von dem meist faktisch nutzlosen Stimmrecht Gebrauch zu machen.283

278 Schmolke, ZGR 2007, 701, 707 f.; G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 376 (reSp.); Kübler, AG 1994, 141, 144 (reSp.). 279 So die vielzitierte Feststellung von Mertens, AG 1990, 49, 52 (liSp.). 280 Zu dem der Spieltheorie entstammenden Modell siehe Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 63 Fn. 255 (S. 201); im Hinblick auf Übernahmeangebote siehe Hasselbach, in: KK-WpÜG, 2003, § 16 Rn. 3 Fn. 3. 281 So im deutschen Schrifttum etwa Geibel/Süßmann/Geibel, WpÜG, 2008, § 16 Rn. 29; Seiler, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2005, § 16 Rn. 30 f.; Möllers, in: KK-WpÜG, 2003, § 23 Rn. 2 ff.; Liebscher, ZIP 2001, 853, 856 (liSp.); Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 711; Witt, NZG 2000, 809, 811 ff. Siehe auch schon Assmann/Bozenhardt, ZGR-SH 9, 1990, S. 11; Procacca, ZGR 1990, 169, 187 f. 282 Hasselbach, in: KK-WpÜG, 2003, § 16 Rn. 32; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 711 (liSp.) mit Bsp. in Fn. 72. 283 Zum Aktionärsforum gemäß § 127a AktG sogleich unten bei Fn. 290.

C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen

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b) Folgerungen Die Apathie des Aktionärs in der Publikumsgesellschaft mit breit gestreutem Anteilsbesitz ist daher verständlich, so daß sich insbesondere der auf die Rendite seiner Anlage bedachte Kleinaktionär also aus vernünftigen Gründen passiv verhält,284 wovon auch der Gesetzgeber ausgeht.285 Im Interesse einer günstigen Informationsdichte zugunsten des einzelnen Aktionärs bestehen zwar umfangreiche aktienrechtliche Auskunfts-, Informations- und Berichtspflichten.286 Diese allein können aber nicht die Apathie der Publikumsaktionäre überwinden, da bei einer atomistischen Beteiligungsstruktur in der Publikumsgesellschaft für die Einflußnahme eine Stimmenbündelung erforderlich ist.287 Eine Stimmenpoolung war aber bislang nur schwer zu erreichen. Denn zum einen müssen Aktionäre mit mindestens drei vom Hundert am Grundkapital beteiligt sein, um einen meldepflichtigen Bestand nach § 21 Abs. 1 S. 1 WpHG zu halten, der öffentlich gemacht wird. Zum anderen können die Aktionäre bei der AG mit Namensaktien keinen allgemeinen Einblick in das Aktienregister nehmen, um sich Kenntnis über Personen, die ebenfalls Aktien der Gesellschaft halten, zu verschaffen; bei Inhaberaktien sind die nicht wesentlich beteiligten Aktionäre nicht einmal der AG und erst recht nicht den Mitaktionären bekannt, so daß die Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme gering sind.288 Überdies erfordert ein solches Vorgehen bei breiter Streuung der Aktien erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand. Auch wenn sich institutionelle Anleger hauptberuflich der Des- und Neuinvestition von Kapital in Aktiengesellschaften widmen, ist auch diese Anlegergruppe häufig und damit der Publikumaktionär an sich regelmäßig nicht Willens oder in der Lage, Geschäftsführungsfragen unter Würdigung aller Umstände zu entscheiden oder auf diese Einfluß zu nehmen.289 284 Dementsprechend versteht die Theorie des kollektiven Handelns die Passivität der Aktionäre für jeden einzelnen von ihnen als rational. Vgl. hierzu MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 3 und 63, und ders., AG 1998, 53, 60 (liSp.); Mülbert, Gutachten 61. DJT, 1996, S. 92; Easterbrook/Fischel, Corporate Law, 1991, S. 66 f.; und schon Hopt, Anlegerschutz, 1975, S. 88 ff. und 386. 285 Siehe Begr RegE KonTraG zu § 110 Abs. 3 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 16 (reSp.) (dazu schon oben bei Fn. 189). Siehe auch aaO zu § 128, S. 18 (liSp.). 286 Zu den Auskunftsrechten des Aktionärs siehe Begr RegE UMAG zu § 131, BT-Drs. 15/5092, S. 17 (reSp.). 287 Siehe hierzu oben Begr FraktE DeregulierungsG bei Fn. 176 sowie zu Beteiligungsschwellen von Minderheitsrechten; zu einzelnen Rechten oben bei Fn. 236 ff. und auch MünchKommAktG/Heider, 2008, § 11 Rn. 13; F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, Anh § 42; Schmolke, ZGR 2007, 701, 727 ff.; Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 138. 288 Dazu Noack, ZGR 1998, 592, 613 f.; siehe auch Siems, ZGR 2003, 218, 224 ff. 289 Schmolke, ZGR 2007, 701, 713 ff. mwN. in Fn. 73 ff.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Der Gesetzgeber hat hierauf mit dem in § 127a AktG statuierten Aktionärsforum eine wichtige, in ihrer Tragweite aber nur schwer abschätzbare Möglichkeit zur Verbesserung der Aktionärskoordination eingeführt, die den Zusammenschluß der Aktionäre zur gemeinsamen Ausübung ihrer Rechte unter Ausnutzung der durch das Internet gesunkenen Transaktionskosten erleichtern und hierdurch die Kontrolle des Gesellschaftsgeschehens durch die Anteilseigner verbessern soll.290 Die Erleichterung der Koordination des Stimmverhaltens und der verbesserte Informationsaustausch zwischen den Aktionären ist der richtige Weg zur Steigerung des Interesses der Publikumaktionäre an einer Einflußnahme und zur Effektuierung von Minderheitenrechten.291 Ob allerdings die angestrebte Verbesserung der Kommunikation unter den Aktionären und die Erleichterung der Stimmrechtsausübung zu einer ausreichenden Intensivierung der Eigentümerkontrolle führen werden, bleibt abzuwarten.292 2. Desinvestition statt Einflußnahme Das aus ökonomischen Gesichtspunkten verständliche geringe Interesse des Kleinaktionärs an einer Einflußnahme wird damit deutlich. Die Apathie auch der institutionellen Anleger läßt sich allerdings nicht allein aufgrund der Beteiligungsverhältnisse in der Publikumsgesellschaft und dem Informationsstand der institutionellen Anleger erklären. Denn diese sind teilweise in erheblichem Umfang an Publikumsgesellschaften beteiligt und beschäftigen sich hauptberuflich mit der Anlage in Aktien, so daß sie andere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung und -verarbeitung haben, die Erfolgsaussichten einer Einflußnahme keineswegs ungewiß sind und sich die Nachteile des zeitlichen und finanziellen Aufwands im Hinblick auf die einzelne Aktie relativieren. Institutionelle Anleger könnten daher nach ihrem Einflußpotential Unternehmergesellschafter sein, ihr tatsächliches Verhalten und ihre Beteiligungsabsicht entspricht aber häufig eher dem des einflußunwilligen und einflußlosen Kleinaktionärs.293 Selbst solche institutionellen 290 Dazu oben bei Fn. 221; siehe hierzu auch die zurückhaltende Einschätzung von Spindler, NZG 2005, 825, 827 f. 291 Auch auf europäischer Ebene wurde dieses Problem gesehen, wie die „Richtlinie über die Ausübung bestimmter Rechte von Aktionären in börsennotierten Gesellschaften“ zeigt; dazu oben in Fn. 222. 292 Nach Schmolke, ZGR 2007, 701, 729, findet sich in den Jahren 2005 und 2006 kein einziger Aufruf eines institutionellen Anlegers in dem Aktionärsforum. Seibert, NZG 2007, 841, 842 (liSp.), nennt zwei Aufforderungen, sich an einer Haftungsklage zu beteiligen, und führt aus, daß das Forum „sich bisher nur bescheiden entwickelt“ hat. 293 G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 375 (reSp.); hierzu auch schon Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 61; Baums, AG 1996, 11, 20.

C. Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen

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Anleger, die eine wesentliche Beteiligung an Publikumsgesellschaften halten, sind teilweise wenig geneigt, auf die Geschicke der Gesellschaft durch die Ausübung des Stimmrechts Einfluß zu nehmen, da diese regelmäßig erst Wirkung entfaltet, wenn sie andere Aktionäre davon überzeugen können, in ihrem Sinn abzustimmen.294 Auch diesem Verhalten liegen vermutlich ökonomische Gesichtspunkte zugrunde, wonach es etwa im Hinblick auf die Rendite günstiger sein kann, im Interesse der Risikostreuung die Anlagen zu diversifizieren und gegebenenfalls zu desinvestieren, anstatt eine kostenintensive Überwachung der Geschäftsführung und Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen anzustrengen, was durch die Möglichkeit der einfachen Des- und Neuinvestition des Kapitals in eine andere Gesellschaft begünstigt wird,295 da der häufige Mitgliederwechsel in der AG unter Inkaufnahme des geringeren Einflußinteresses im AktG angelegt ist.296 Die normtypische AG ist also eine sich am Kapitalmarkt durch eine Vielzahl von wechselnden Anlegern finanzierende Gesellschaft.297 Der Zuschnitt des AktG auf diesen Aktionärstyp ergibt sich auch aus der durch § 23 Abs. 5 S. 1 AktG stark eingeschränkten Satzungsautonomie, die auch dem Schutz der wechselnden Mitglieder Rechnung tragen soll, um die Handelbarkeit der Aktie zu gewährleisten.298 3. Folgerungen für den Schutz des Publikumsaktionärs Für den einflußlosen und einflußunwilligen Kleinaktionär steht die Vermögenskomponente der Beteiligung im Mittelpunkt des Interesses, Herrschaftsrechte haben nur geringe Bedeutung; aus dem Investitionsverhalten der institutionellen Anleger läßt sich entsprechendes häufig auch für diese sagen. Auch wenn der typische Publikumsaktionär nur Anlageinteressen verfolgt, ist aber allein hieraus noch kein normativer Gehalt zu entnehmen, es handelt sich vielmehr um eine rechtstatsächliche Beschreibung. Ob diese Situation eine Stärkung der Herrschaftsrechte der normtypischen Publikums294 Eingehend dazu Easterbrook/Fischel, Corporate Law, 1991, S. 67; Baums/ Fraune, AG 1995, 97, 97 ff.; Baums/von Randow, AG 1995, 145, 147; Spindler, AG 1998, 53, 63 (reSp.) mwN. in Fn. 89. 295 Dazu im Hinblick auf § 31 Abs. 1 WpÜG Fleischer/Kalss, WpÜG, 2002, § 1 IV 1b (S. 24 f.). 296 Zur aktiengesetzlichen Konzeption der AG als Börsengesellschaft vgl. S. 129. 297 So Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 195, mit Verweisung auf die Allg Begr RegE AktG 1965 bei Kropff, AktG, 1965, S. 15, und auf die Begr AktG 1884 zu § 2, in: Schubert/Hommelhoff, in: Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 412 (reSp.). Hierzu aus jüngerer Zeit auch Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 215. 298 Siehe hierzu Hüffer, AktG, 2008, § 23 Rn. 34 ff.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

aktionäre oder den Ausbau des wertmäßigen Schutzes ihrer Beteiligung erfordert, ist daher noch nicht geklärt. Die Abhaltung einer Hauptversammlung hat jedenfalls trotz sinkender Präsenzen eine wichtige Bedeutung im Hinblick auf die Information der Aktionäre und die Überwachung der Arbeit der Verwaltung, auch wenn die in der Versammlung physisch präsenten Aktionäre weder zahlenmäßig noch nach Stimmgewicht die Anteilseignerstruktur repräsentieren. Denn die Medien berichten zumindest bei den großen börsennotierten Publikumsgesellschaften hierüber ausführlich, was zu einer Disziplinierung des Managements führt, da dieses den Erfolg seiner Arbeit der breiten Öffentlichkeit und damit zumindest auch den in Deutschland ansässigen Aktionären präsentieren muß.299 Daneben ist zu berücksichtigen, daß es, wie Seibert formuliert, das Ende der Hauptversammlung in der heutigen Form bedeuten würde, wenn die Aktionäre tatsächlich in nennenswerter Zahl erscheinen und von ihren Rechten Gebrauch machen würden.300 Die unternehmerische Initiative geht allerdings mit zunehmender Passivität der Aktionäre bei breiterer Streuung der Anteile noch stärker auf die Verwaltung über. Ob dies dem Anliegen des AktG entspricht, ist anhand der gesetzlichen Regelungsziele des AktG 1965 und der Reformgesetze unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber angestrebten Funktion der Publikumsgesellschaft als Kapitalsammelstelle zu ermitteln. Im nachfolgenden Abschnitt soll daher die Rechtsstellung des Aktionärs unter Berücksichtigung dieser Regelungsziele näher betrachtet werden. Besonderes Augenmerk ist dabei auf das aktienrechtlich vermittelte Verhältnis von Beteiligungsrechten und Schutz der Vermögensposition zu richten.

D. Die Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung Das Binnenorganisationsrecht der AG, das historisch als reines Verbandsrecht entstanden ist, hat mit der permanenten Reform des Aktienrechts durch die Reformgesetze seit 1994 bedeutende Änderungen erfahren. Die im Abschnitt B zitierten Gesetzesbegründungen lassen die Regelungsziele der Reformgesetze der letzten Jahre deutlich werden: die verstärkte Ausrichtung der AG auf den Kapitalmarkt zur Stärkung ihrer Kapitalsammelfunktion und der Geschäftspolitik auf eine langfristige Wertsteigerung für die Anteilseigner, die damit verbundene Orientierung an den Interessen der 299

Hierauf weist Noack, in: VGR, GesR 2004, Bd. 9, 2005, S. 37, 56, hin. Seibert, AG 2004, 529, 529 (reSp.), zu dem teilweise dort aufgeführten Bericht an den Deutschen Bundestag, der sich vollständig in NZG 2004, 948 ff. findet. 300

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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Anleger und die Verbesserung des Anlegerschutzes. Bei der anschließenden Untersuchung kommt der Frage zentrale Bedeutung zu, ob das AktG nicht mit der Ausrichtung auf die Anlegerinteressen eine zusätzliche Dimension enthält, die Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Aktionärs und seinen Schutz in der börsennotierten AG entfaltet. Dabei sollen weder der verbandsrechtliche Ansatz und die Erscheinungsformen mitgliedschaftlichen Denkens in Frage gestellt, die Bedeutung mitgliedschaftlicher Teilhaberechte negiert noch generell gefordert werden, den Schutz des Aktionärs anstelle des verbandsrechtlichen Schutzes kapitalmarktrechtlich auf den Werterhalt seiner Anlage durch Realisierung des Vermögensschutzes auf dem Kapitalmarkt zu beschränken. Es geht also nicht um die Verdrängung verbandsrechtlicher Institute durch das Kapitalmarktrecht, sondern vielmehr die Synchronisation der Regelungsmittel zum Schutz des Aktionärs im Aktien- und Kapitalmarktrecht. Dafür ist zu klären, ob der aktiengesetzliche Schutz des Aktionärs auch seine kapitalmarktbezogenen Interessen umfaßt und wie dieser Aktionärsschutz durch kapitalmarktliche und verbandsrechtliche Mittel verzahnt werden kann, damit seine Rechtsstellung umfassend abgesichert ist.

I. Aktienrecht zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht Aktienrecht ist – wie Hopt ausführt – in Deutschland traditionell das Recht der AG und nicht das der Aktien.301 Durch die zunehmende Dichte kapitalmarktrechtlicher Vorschriften und die kapitalmarktorientierten aktiengesetzlichen Reformgesetze hat sich dieses Bild nicht vollständig gewandelt, auch wenn sich der zunehmende Einfluß des Kapitalmarktes im Aktienrecht deutlich zeigt. 1. Aktienrecht als Organisationsrecht eines zweckgebundenen Personenverbandes Die klassische Aufgabe der AG, die Transformation der Ersparnisse einzelner privater Haushalte in dauerhaft gebundenes, unternehmerisch eingesetztes Anlagekapital und ihre Bedeutung als „Kapitalpumpe“ ist unstreitig.302 Die Funktion der AG im Wirtschaftsleben wird damit im Hinblick 301 Hopt, in: FS BGH II, 2000, S. 497, 502. Die Argumentation der oben in Fn. 230 im Ersten Teil zitierten Literaturstimmen, die auf die Anzahl der Börsengesellschaften und nicht deren Aktionäre schauen, unterstreicht dies. 302 Zum ersten Aspekt Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 292; der Begriff „Kapitalpumpe“ stammt soweit ersichtlich von Schmalenbach, Aktiengesellschaft, 1950, S. 12. Hierzu auch MünchKommAktG/Habersack, 2008, Einl. Rn. 5;

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

auf ihre Kapitalmarktorientierung betont. In seinem verbandsrechtlichen Ausgangspunkt regelt das AktG als Organisationsrecht der sich über den Kapitalmarkt finanzierenden AG die Individualinteressen des Aktionärs als Mitglied in einem zweckbezogenen Personenverband und schützt diesen im Hinblick auf seine mitgliedschaftliche Position, die durch sein Stimmrecht als „vorzüglichstes Recht“ gesichert wird.303 Das Aktienrecht knüpft damit traditionell an der Mitgliedschaft an, die sowohl Vermögens- als auch Teilhaberechte beinhaltet und vermittelt.304 In Bezug auf das Außenverhältnis der AG sind die vom AktG wahrgenommenen Regelungsaufgaben beschränkt. Im Mittelpunkt steht das Innenrecht, also die Ordnung des Verbandes und des verbandseigenen Sondervermögens sowie die verbandsorientierte Abstimmung der an der Zweckverfolgung privater wirtschaftlicher Organisationen beteiligten Interessen.305 Das Organisationsrecht der AG wird zwar durch das Kapitalmarktrecht beeinflußt, ist aber genuines Gesellschaftsrecht, so daß die Betrachtung des Aktionärs als Investor am Kapitalmarkt auch nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf das Verbandsinnenverhältnis zuläßt.306 Ausgehend von den Regelungszielen des AktG 1965 und der Reformgesetze der letzten Jahre ist daher zu klären, ob die Regelungsziele auch die kapitalmarktlichen Funktionsbezüge in einer Weise berücksichtigen, daß die Anlageinteressen des Aktionärs Auswirkungen auf die Binnenordnung der AG entfalten, die Kapitalmarktorientierung also auch das Organisationsrecht der AG maßgeblich beeinflußt. Das normative Ziel, die Kapitalsammelfunktion der AG durch eine verstärkte Ausrichtung auf die Interessen der Anleger zu steigern, ist dabei eng mit der Frage verbunden, wie die vermögensmäßige Stellung des Aktionärs gesichert wird. Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 11; Kort in: GroßkommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 10, 61; Hommelhoff, ZGR-SH 12, 1994, S. 65 f.; Zöllner, in: Kölner Kommentar AktG, 1980, Einl Rn. 77, 79; Wiedemann, GesR I, 1980, § 6 II 2b (S. 319). Die Bedeutung der Kapitalsammelfunktion heben Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 97 ff., und Assmann, aaO, Rn. 268, hervor. 303 Allg Begr AktG 1884 zu § 13 II 1, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 465 (liSp.). Hierzu auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, 8.1 (S. 1237); Mülbert, in: GroßkommAktG, 1999, Vor § 118 Rn. 203. Siehe auch Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 68 (S. 204), unter Bezugnahme auf Hirschman, Exit, Voice, and Loyalty, 1970; dazu oben Erster Teil, S. 60 f. 304 Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 18 IV 1d cc (S. 327) mit Fn. 211. 305 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 353; Wiedemann, GesR I, 1980, § 1 II (S. 16 ff.) und § 7 III 2 (S. 382 ff.). 306 Dazu Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1535; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 356 mwN.

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2. Bedeutung der gesetzlichen Leitgedanken Die zunehmende Bedeutung des Kapitalmarktes für börsennotierte Gesellschaften und insbesondere institutioneller Anleger für die Eigenkapitalfinanzierung der AG rücken den Anleger verstärkt in das Blickfeld des Gesetzgebers und gehen mit einem Ausbau der Vorschriften einher, die auf den Besonderheiten der Kapitalmarktorientierung börsennotierter AG aufbauen und die kapitalmarktorientierte Trennlinie abhängig von der Notierung der Aktien an der Börse gemäß § 3 Abs. 2 AktG bzw. der Ausrichtung der Gesellschaften auf den Kapitalmarkt ausdehnen.307 Schon in der amtlichen Begründung des AktG 1965 sind die Kapitalmarktöffnung der AG und die Bedeutung der Kapitalsammelfunktion der AG angelegt. Der hierin enthaltene Regelungsansatz ist ausdrückliches Regelungsziel der Reformgesetze, wenn die Gesetzesbegründung zum KonTraG formuliert, daß die Ausrichtung der deutschen „Publikumsgesellschaften auf die Bedürfnisse und Erwartungen der internationalen Finanzmärkte“ gefördert werden soll.308 Der Gesetzgeber der Reformgesetze stellt damit auf die kapitalmarktbezogene Funktion des Aktien(organisations)rechtes sowie die Interessen der Anleger ab,309 und die gesetzgeberischen Ziele beinhalten den Anlegerschutz als gesetzlichen Leitgedanken.310 Der Schutz des Anlegers und die Berücksichtigung seiner Interessen sind damit als Regelungsziele der Reformgesetze bei der Auslegung des AktG zu berücksichtigen.311 3. Reichweite der Sondervorschriften für börsennotierte AG Als Typen der AG lassen sich die börsennotierte sowie die nicht notierte AG und bei letzterer offene und geschlossene Gesellschaft unterscheiden, womit also sämtliche Gesellschaftstypen bis auf die letzte kapitalmarktorientiert sind.312 Die geschlossene AG steht im Hinblick auf die Verbundenheit ihrer Mitglieder einer GmbH mit beschränktem Mitgliederkreis nä307 Vgl. hierzu die schon oben, S. 108 ff., erwähnten Gesetze; aus der Literatur etwa Fleischer, NJW 2002, 2977 ff.; Merkt, Gutachten 64. DJT, 2002, S. 24 ff. 308 Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 11 (reSp.). 309 Siehe hierzu Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs., 13/9712, S. 11 (reSp.), wo es heißt, daß mit den Regelungen „auch den Interessen von Gesellschaftern, Anlegern und Gläubigern Rechnung getragen werden“ soll; siehe auch oben S. 112 ff. 310 So schon zum AktG 1965 Wiedemann, BB 1975, 1591, 1596, ders., ZGR 1975, 385, 425, und ders., GesR I, 1980, § 9 III 1 (S. 495 ff.); Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 98. 311 Siehe auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 69. Zur Methodik siehe Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, Kapitel 4 2c (S. 149 ff.). 312 Die Begr RegE KonTraG unterscheidet zwischen börsenfernen und kapitalmarktorientierten Gesellschaften; siehe BT-Drs. 13/9712, S. 11 (reSp.). Die Arbeits-

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

her als der Publikums-AG, so daß auch das Gesetz zwischen dem Recht der privaten, geschlossenen AG und der kapitalmarktorientierten AG differenziert.313 Ausdrücklich erfaßt diese Unterscheidung allerdings nur die börsennotierten Gesellschaften im Sinne des § 3 Abs. 2 AktG, da einige aktienrechtliche Regelungen nur auf diese Anwendung finden.314 Damit drängt sich die Frage auf, ob die Konzeption der Rechtsstellung des Aktionärs nicht im Hinblick auf das AktG verfehlt und vielmehr zwischen dem Aktionär in der börsennotierten bzw. kapitalmarktorientierten AG und dem Aktionär einer privaten, geschlossenen AG auch strukturell zu unterscheiden ist. Hierfür ist das mit den Sondervorschriften für börsennotierte Gesellschaften verfolgte Ziel herauszustellen und im Anschluß an mögliche Auswirkungen dieser Vorschriften auf das übrige AktG zu klären, ob sich nicht eine eigenständige Rechtsmaterie für börsennotierte Gesellschaften gebildet hat, so daß sich gegebenenfalls auch die Rechtsstellung des Aktionärs nicht mehr einheitlich beurteilen läßt. a) Ziel der Sondervorschriften für börsennotierte Gesellschaften Der börsennotierten AG werden durch Sondervorschriften im AktG und weiteren Gesetzen Formalismen und Verhaltenspflichten auferlegt, um den Anforderungen des Kapitalmarktes nach wirksamer und durchsichtiger Unternehmensführung Rechnung zu tragen; insbesondere im Interesse des Anleger- wie auch des Funktionenschutzes bestehen für diese Gesellschaften strenge Vorschriften im Bereich der Unternehmensleitung, der internen und gruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 865 (liSp.), unterscheidet wie hier; siehe auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 22. 313 Dazu Fleischer, ZGR 2002, 757, 771. Der Begriff der Börsennotierung im Sinne des AktG ist enger als der Begriff der Kapitalmarktorientierung; Gesellschaften, deren Aktien nicht zum Handel im regulierten Markt, §§ 32 ff. BörsG, zugelassen sind, unterfallen nicht § 3 Abs. 2 AktG, sind aber dennoch kapitalmarktorientiert, etwa wenn die Gesellschaft den Handel ihrer Aktien im Freiverkehr nach § 48 BörsG veranlaßt hat. Siehe aber auch RegE des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG), BT-Drs. 16/10067, das den Begriff „kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaft“ in § 264d HGB definiert durch Verweis auf § 2 Abs. 5 WpHG (der nicht den Freiverkehr umfaßt) und in den §§ 100 Abs. 5, 107 Abs. 4 und 124 Abs. 3 S. 2 AktG idF des BilMoG verwendet. Zur Abgrenzung Hüffer, AktG, 2008, § 3 Rn. 6; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 66; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 12 f.; sowie (allerdings zu § 3 Abs. 2 AktG a. F., d.h. vor Erlaß des Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetzes) Heider, aaO, § 3 Rn. 38 ff.; Spindler/Stilz/Drescher, AktG, 2007, § 3 Rn. 5; siehe auch Hommelhoff, ZGR-SH 12, 1994, S. 65 ff. Zur Frage, ob nicht eine andere Einteilung angemessen wäre, unten in Fn. 328. 314 Zu den für börsennotierte Gesellschaften bestehenden Sondervorschriften oben in Fn. 244 sowie MünchKommAktG/Heider, 2008, § 3 Rn. 40 ff. und Rn. 44 ff.; siehe auch Spindler, aaO, Vor § 76 Rn. 65 ff.; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 50 ff.

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externen Überwachung, Rechnungslegung und Prüfung sowie der Transparenz und Publizität.315 Die Vielzahl der Vorschriften, die das Recht der börsennotierten AG den Anforderungen des Kapitalmarktes und des Anlegerpublikums anpassen, zeigen auf, daß sich das deutsche Unternehmensrecht auf dem Weg zu einem Sonderrecht für kapitalmarkt-aktive AG befindet.316 Damit gelten, wie Lutter ausgeführt hat, für „Börsengesellschaften . . . zusätzliche Regeln und Grundsätze nicht nur an der Börse, sondern auch in dem sie konstituierenden Gesellschaftsrecht.“317 b) Auswirkungen der Sondervorschriften börsennotierter Gesellschaften auf die Auslegung des AktG Die herkömmlich verbandsrechtliche Auslegung aktienrechtlicher Normen und die davon losgelöste Auslegung der Sondervorschriften des Kapitalmarktes werden der verstärkten Anbindung der börsennotierten AG an die Anforderungen des Kapitalmarktes nicht gerecht.318 Überdies wird den gesetzlichen Regelungszielen, der Steigerung der Kapitalsammelfunktion durch die Ausrichtung auf den Anleger und die damit korrelierende Stärkung des Anlegerschutzes, damit zu wenig Bedeutung beigemessen. Bei der Auslegung aktienrechtlicher Vorschriften sind über die verbandsrechtliche Auslegung hinausgehend diese gesetzlichen Regelungsziele zu beachten.319 Die vom Gesetzgeber intendierte Ausrichtung kapitalmarktorientierter Gesellschaften auf den Kapitalmarkt und den Anleger bedingt daher über die kapitalmarktorientierten Einzelregelungen hinaus eine kapitalmarktorientierte Auslegung des AktG. Hommelhoff folgert dies methodisch aus einer rechtssystematisch abgleichenden Interpretation.320 Im Hinblick auf kapitalmarktaktive Gesellschaften haben damit die kapitalmarktrechtlichen Sonderregelungen Auswirkung auch auf die Auslegung anderer aktiengesetzlicher 315 MünchKommAktG/Heider, 2008, § 3 Rn. 41 ff.; Spindler, aaO, Vor § 76 Rn. 68 ff. 316 So Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 771, und Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 376 ff. Hierzu auch Fleischer, ZIP 2006, 451, 454 ff.; Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 17. Kap. Rn. 7 (S. 894); sowie MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 66. Siehe aber auch Habersack/ Schürnbrand, aaO, Rn. 71 (S. 937): „Die ursprüngliche Einheit des Aktienrechts ist aufgelöst“. 317 Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 372. 318 Hierzu auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 68 ff.; Fleischer, ZIP 2006, 451, 453 ff. 319 Siehe auch Larenz, Methodenlehre, 1991, Kap. 4 2c (S. 328 ff.), zur Bedeutung der Regelungsabsicht des Gesetzgebers. Zu den Kriterien siehe Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, Kap. 4 1b (S. 137 ff.) und 2c (S. 149 ff.). 320 Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 771.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Vorschriften.321 Folge dieser Regelungsziele des Reformgesetzgebers ist die kapitalmarktorientierte Interpretation des Aktienrechts, seiner Rechtsinstitute und Einzelregelungen im Hinblick auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften,322 so daß die Kapitalmarktorientierung bei der Auslegung aktienrechtlicher Vorschriften zu beachten ist. c) Börsengesellschaftsrecht? Mit der zunehmenden gesetzlichen Trennung kapitalmarktorientierter bzw. börsennotierter und börsenferner AG geht die Frage einher, ob im Hinblick auf kapitalmarktorientierte Gesellschaften von „Börsengesellschaftsrecht“ gesprochen werden kann,323 so daß sich auch die Stellung des Aktionärs in kapitalmarktorientierter, insbesondere börsennotierter und börsenferner AG strukturell in einer Weise unterscheiden, daß die Rechtsstellung des Aktionärs nicht mehr einheitlich zu beurteilen ist. Allerdings darf trotz der beachtlichen Anzahl von Sondervorschriften im AktG für die börsennotierte AG und weiterer Vorschriften wie etwa des WpÜG, das Regelungen für Börsengesellschaften enthält,324 nicht übersehen werden, daß die prägenden Merkmale der AG nach der lex lata von diesen Änderungen nicht berührt werden. Die erstmalige Börseneinführung von Aktien ändert zwar den Kreis der auf die Gesellschaft anwendbaren Normen und ähnelt de facto einer Umwandlung, stellt aber de jure keinen Formwechsel dar,325 ändert nicht die Organisationsstruktur der AG und bedarf grundsätzlich auch keiner Satzungsänderung.326 Der Gesetzgeber hat den Schritt zu einem 321 MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 6 und 68 f.; siehe auch Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 17. Kap. Rn. 71 (S. 938); Fleischer, NJW 2005, 3525, 3530 (reSp.), und ders., ZIP 2006, 451, 455 (liSp.). 322 Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 768; dem zustimmend MünchKommAktG/ Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 68 ff.; Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 41. Siehe auch Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 383, sowie jüngst Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 58 ff. 323 So Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 514, mit Verweisung auf Nobel, in: FS Bär, 1998, S. 301, und Nachweisen zum ausländischen Recht, und ders., Gutachten 64. DJT, 2002, S. 20; ebenso Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 9, 58 und S. 66 ff.; siehe auch Möllers, AG 1999, 433, 434 Fn. 14 mwN. 324 Hierzu Schwark/Noack KMRK, 2004, Einl WpÜG Rn. 10, und Fleischer/ Kalss, WpÜG, 2002, § 1 IV 1a (S. 23 f.), die im Hinblick auf das WpÜG von Börsengesellschaftsrecht sprechen. 325 So Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 378; ähnlich Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 865 (reSp.); siehe auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 123 (de lege ferenda). 326 Einen Einfluß auf die innere Struktur der Gesellschaft für den umgekehrten Fall des Delisting verneint Henze, in: FS T. Raiser, 2005, S. 145, 147. Zur (strittigen) Frage der Hauptversammlungsmitwirkung beim Börsengang unten S. 477 ff.

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eigenständigen Börsengesellschaftsrecht nicht getan.327 Dementsprechend besteht auch kein vom Recht der privaten AG völlig losgelöstes Börsengesellschaftsrecht, vielmehr sind beide unter dem Dach des AktG geregelt. Für Börsengesellschaften gelten also bislang nur zusätzliche Regeln im Gesellschaftsrecht, so daß nicht zwei von einander losgelöste Gesellschaftstypen bestehen, die von grundlegend anderer Struktur sind.328 Als Konsequenz sind aktienrechtliche Vorschriften für die börsennotierte AG kapitalmarktorientiert auszulegen. 4. Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Aktionärs Die Mitgliedschaft des Aktionärs in der börsennotierten und der privaten AG sind damit zwar nach wie vor von einheitlicher Struktur. Mit der gesetzlichen Unterscheidung der Gesellschaftstypen abhängig von ihrer Kapitalmarktorientierung bzw. Börsennotierung sind die Sondervorschriften allerdings auch bei der Bestimmung der Rechtsstellung des Aktionärs zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber des KonTraG hat die Notwendigkeit betont, „die unterschiedlichen Bedürfnisse und Gegebenheiten der betroffenen Unternehmen zu berücksichtigen, . . . insbesondere jeweils zu prüfen . . ., ob eine Differenzierung zwischen kapitalmarktorientierten Gesellschaften und börsenfernen Gesellschaft vorzunehmen ist.“329 Aus der Kapitalsammelfunktion und dem 327 Dazu Mülbert ZHR 165 (2001), 104, 130; siehe auch Hopt, in: FS Drobnig, 1998, S. 525, 536 f.; Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 372; Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111, 114 f.; Habersack/Schürnbrand, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 17. Kap. Rn. 71 (S. 937 f.); sowie MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 65; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 76 Rn. 1, der von „Sonderrechtsmaterien“ spricht. Kritisch Windbichler, JZ 2008, 840, 842 (liSp.). 328 Die Reichweite einer stärkeren Ausdifferenzierung abhängig von der Börsennotierung bzw. Kapitalmarktorientierung der AG ist zunehmend mehr Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Zur Frage, ob „besondere Regeln für börsennotierte und für geschlossene Gesellschaften“ erforderlich sind, die Gegenstand des Deutschen Juristentags 2008 war, Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, sowie hierzu Richter, ZHR 172 (2008), 419 ff.; Schäfer, NJW 2008, 2536 ff.; Spindler, AG 2008, 598 ff.; Windbichler, JZ 2008, 840 ff. Vorschläge zur Deregulierung der geschlossenen AG finden sich bereits bei Albach/Corte/Friedewald/Lutter/Richter, Deregulierung, 1988. Siehe auch die Empfehlung der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 865 (liSp.), bei der Regelsetzung künftig stärker zwischen den drei verschiedenen Typen (börsennotierte und nicht notierte Gesellschaften, bei letzteren offene und geschlossene Gesellschaften) zu unterscheiden; kritisch hierzu, allerdings für eine weitere Differenzierung im Hinblick auf AG, die den Handel ihrer Aktien im Freiverkehr veranlaßt haben, Bayer, aaO, S. 92 ff.; dem zustimmend Spindler, aaO, 603 (reSp.); kritisch Windbichler, aaO, 846 (liSp.). 329 Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9573, S. 11 (reSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Anlegerschutz als Leitmaximen der Reformgesetze läßt sich ableiten, daß das Binnenorganisationsrecht der kapitalmarktorientierten Publikumsgesellschaft nicht als bloßes Organisationsrecht zu verstehen ist, sondern hierbei auch die Funktionszusammenhänge zwischen den Organisationsregeln und der Stellung der AG am Kapitalmarkt zu berücksichtigen sind. Die kapitalmarktorientierte Auslegung aktiengesetzlicher Vorschriften für kapitalmarktaktive Gesellschaften hat daher Auswirkungen auf das Binnenorganisationsrecht der AG und die Rechtsstellung des Aktionärs in der kapitalmarktorientierten AG. Seine Rechtsstellung, also Interessen, Rechte und Pflichten des Aktionärs können nicht unabhängig sein von seinen Anlegerinteressen am Kapitalmarkt.330 Die aktienrechtlichen Vorschriften sind also auch bei der Beschreibung der Rechtsstellung des Aktionärs, der Eigenkapitalgeber einer kapitalmarktorientierten AG ist, kapitalmarktbezogen auszulegen; das Kapitalmarktrecht entfaltet damit Rückwirkungen auf das Recht der Mitgliedschaft.331 Die einheitliche Struktur der Mitgliedschaft des Aktionärs in börsennotierter oder kapitalmarktorientierter und nicht notierter geschlossener AG ist dabei ebenso im Auge zu behalten wie die Besonderheiten, die sich aus den Sondervorschriften für Börsengesellschaften und der Realstruktur der AG für den Aktionär ergeben. Bei einer teleologischen Auslegung etwa der Normen, die dem Schutz des Vermögenswertes der Beteiligung des Aktionärs vor Eingriffen durch Mitaktionäre oder die Verwaltung dienen, ist damit der Aktionär auch und gerade in seiner Rolle als Anleger von Kapital zu schützen.332

II. Anlegerschutz zur Förderung der Kapitalaufbringung und Steigerung der Attraktivität der Anlageform Aktie Ob das AktG als Verbandsrecht auch innergesellschaftlich den Schutz des Anlegers nach seiner Anlageentscheidung und Investition von Kapital umfaßt, ist anhand seiner Zielsetzungen und damit verbundenen Schutzrichtungen zu klären. Dabei ist der Frage nachzugehen, ob der auf die Vermögensstellung ausgerichtete Schutz, der die Interessen des Kapitalanlegers in sich aufnimmt, mit den Grundströmungen des Aktienrechts zu vereinbaren ist.

330

So ausdrücklich K. Schmidt, GesR, 2002, § 1 II 3b (S. 15). Vgl. etwa zur kapitalmarktorientierten Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 131 AktG Hommelhoff, ZGR 2000, 747, 768 f., und auch ders., in: FS Lutter, 2000, S. 95, 104; K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 I 2b (S. 549). 332 Dazu auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 69; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 101 (de lege ferenda). 331

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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1. Die Bedeutung des Anlegerschutzes im Aktienrecht Die Verwirklichung der zentralen Leitgedanken der Reformgesetze, die Steigerung der Kapitalsammelfunktion der AG und die stärkere Orientierung an den Interessen des Anlegers, hängt entscheidend von der Attraktivität der Aktie als Anlageform ab. Dies erfordert eine Ausrichtung auf die Vermögensinteressen der derzeitigen Anleger sowie die Anlegerinteressen potentieller künftiger Anleger am Kapitalmarkt.333 Der Vorstand hat daher diese Zielgruppen bei der Ausübung der Unternehmensleitung zu berücksichtigen, um die Attraktivität der Aktie als Anlageobjekt zu steigern und, wie Servatius formuliert, eine „Synthese zwischen dauerhafter Bindung von Unternehmenskapital und häufig wechselndem Mitgliederbestand“ zu erreichen.334 a) Anleger und Kapitalsammelfunktion Die Ausrichtung auf den derzeitigen und potentiellen künftigen Anleger ist Voraussetzung zur Erreichung des gesetzlichen Regelungsziels, der Steigerung der Kapitalsammelfunktion der AG. Der Entschluß, Ersparnisse in unternehmerisches Eigenkapital zu überführen, erfordert neben der Schaffung und Erhaltung von Vertrauen auch des potentiellen, künftigen Anlegers in die Stabilität des Marktes und seiner Institutionen die Möglichkeit zur Abschätzung des Anlagerisikos, das er mit der Investition in die Anlage eingeht. Für dieses Risiko bedeutsam sind neben wirtschaftlichen Faktoren rechtliche Rahmenbedingungen, die ihm den Schutz seiner Anlage gewährleisten. Damit ist der Anlegerschutz für die Anlageentscheidung des potentiellen zukünftigen Anlegers wie auch die Entscheidung des Aktionärs über die Beibehaltung oder Umschichtung seiner Anlage ein bestimmender Faktor.335 Hierbei spielen insbesondere auch Vorschriften zum Minderhei333 Die Tätigkeit der Verwaltung ist nicht nur auf die Interessen der gegenwärtigen, sondern auch potentieller Aktionäre ausgerichtet, wie sich an der Form der Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger, § 25 AktG, und der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG zeigt, die einem unbestimmten Adressatenkreis als allgemein zugängliche Quelle zur Verfügung stehen. In der Konsequenz sind die vom Vorstand bei der Ausübung seines Leitungsermessens zu berücksichtigenden Interessen bei der börsennotierten AG weiter als bei der börsenfernen AG. Denn im ersten Fall hat der Vorstand auch Interessen der Anleger, also potentieller künftiger Aktionäre zu beachten, was aus der stärkeren Ausrichtung der Geschäftspolitik auf den Kapitalmarkt und die Anlegerinteressen folgt, wie sie mit den Reformgesetzen bezweckt wird. Dazu MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 67; Kort in: GroßkommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 55. 334 Servatius, Strukturmaßnahmen, 2003, S. 216 (Hervorheb. i. Orig.). 335 Vgl. hierzu Wymeersch, ZGR 2001, 294, 297 mwN. in Fn. 8.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

tenschutz in der AG eine bedeutsame Rolle.336 Für den potentiellen zukünftigen Anleger sind die rechtlichen Rahmenbedingungen des AktG zur Bewältigung der Kapitalanlegerrisiken entscheidend, sofern diese nicht durch kapitalmarktrechtliche Vorschriften abgefangen werden. Entsprechendes gilt nach der Anlageentscheidung im Hinblick auf den Bestand und die Umschichtung der Anlage. Ob der am Kapitalmarkt auftretenden AG Eigenkapital zufließt, hängt damit von der Gewährleistung des Anlegerschutzes auch durch aktienrechtliche Vorschriften ab. Mit den gesetzlichen Leitgedanken der Steigerung der Kapitalsammelfunktion der AG und ihrer verstärkten Ausrichtung auf die am Kapitalmarkt agierenden institutionellen und privaten Anleger korreliert der aktiengesetzliche Schutz des Aktionärs als Anleger und dabei insbesondere seines Beteiligungsvermögens. Den Vermögensinteressen der Anleger ist daher nach der Anlageentscheidung Rechnung zu tragen.337 b) Die Vermögensstellung des Aktionärs Die gesetzliche Ausrichtung auf die langfristige Wertsteigerung der Anlage des normtypischen Publikumsaktionärs berücksichtigt dessen vornehmliches Interesse, die Rendite seiner Anlage und damit verbunden die Stärkung der Vermögensposition. Dementsprechend zielt der Gesetzgeber nicht allein auf eine Steigerung der Einflußnahme durch den Publikumsaktionär auf das Geschehen in der AG ab, sondern richtet die Aufgaben und Pflichten der Verwaltung auch auf das vermögensbezogene Interesse des Publikumsaktionärs aus. Die Auslegung des AktG hat daher das Anlageinteresse des Publikumsaktionärs in besonderer Weise zu berücksichtigen, so daß die Rechtsstellung des Aktionärs sich nicht allein in verbandsrechtlichen Kategorien beschreiben läßt. Die verbandsrechtlichen Ordnungsmuster und Wertungsprinzipien sind mithin nur der Ausgangspunkt der Betrachtung der Rechtsstellung des Aktionärs, die kapitalmarktorientiert auch seine Anlegerstellung zu berücksichtigen hat. Hierdurch gewinnen die Vermögensrechte des Aktionärs und der Schutz seiner anteilsmäßigen Beteiligung an der AG eine weitergehende Bedeutung, da sie diesem Aktionär zur Verwirklichung seiner vornehmlichen Interessen dienen. Die Folgerungen münden in die These vom verbandsrechtlichen Schutz der Anlageinteressen des Aktionärs durch den Schutz seiner vermögensmäßigen Beteiligung. Das AktG hat die vornehmliche Bedeutung des Schutzes 336 Nach Fleischer, ZGR 2002, 757, 763 mwN. zu empirischen Untersuchungen in Fn. 35, hängen Breite und Tiefe nationaler Kapitalmärkte wesentlich von der Leistungsfähigkeit minderheitsschützender Vorschriften ab. 337 Dazu auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 69.

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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der vermögensmäßigen Beteiligung des Aktionärs und seiner Vermögensrechte durch die Reformgesetze ausgebaut; nicht das Stimmrecht steht beim normtypischen Publikumsaktionär im Mittelpunkt des aktienrechtlich vermittelten Schutzes, sondern seine Vermögensstellung. 2. Rechtsstellung des (Klein-)Aktionärs – Ansichten im Schrifttum Die Ansichten zur Rechtsstellung des geringer beteiligten Aktionärs bzw. Kleinaktionärs gehen entsprechend der im Ersten Teil angesprochenen unterschiedlichen Konzeptionen zum Verhältnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht auseinander. Mit Blick auf das Ersetzungsmodell wird der Aktionär verstärkt als Finanzier und Kapitalanleger gesehen und sei daher eher durch Kapitalmarkt- denn durch Gesellschaftsrecht zu schützen.338 Im Schrifttum ist dabei strittig, ob den Regelungen zum Minderheitenausschluß auch vor dem Hintergrund der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG und BGH eine Wertung dahingehend zu entnehmen ist, daß der mit nicht mehr als fünf Prozent am Grundkapital beteiligte Aktionär vorrangig als Anleger zu betrachten und der Vermögensschutz gegenüber dem Bestandsschutz seiner Beteiligung in den Vordergrund gerückt ist. Auslöser dieser Diskussion im jüngeren Schrifttum ist neben der Einführung der Regelungen zum Minderheitenausschluß auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, die das Erfordernis einer Rechtmäßigkeitskontrolle des Beschlusses zum Bezugsrechtsausschluß beim genehmigten Kapital zurückgedrängt hat.339 Die Sichtweise des Publikumsaktionärs in erster Linie als Kapital- oder Finanzanleger führt zu der Forderung, verbandsmitgliedschaftliche Schutzmechanismen zurückzudrängen.340 Zunehmend mehr Stimmen vertreten die Ansicht, daß der (Klein-)Aktionär der Publikumsgesellschaft „in erster Linie Finanz- und Kapitalanleger [ist], für den Aktien und festverzinsliche Wertpapiere je nach Lage des Kapitalmarktes eine völlig auswechselbare Anlagealternative sind.“341 Da der Kleinaktionär in der Publikumsgesellschaft 338 Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 14, und ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 443 ff.; zum Ersetzungsmodell oben S. 34 f. 339 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 (Siemens/Nold). 340 Zu erstem der damalige Vorsitzende des II. Zivilsenats des BGH, Röhricht, ZGR 1999, 445, 474 f.; zu letztem Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 97 ff., 154 ff., ders., in: GroßkommAktG, 1999, Vor § 118 Rn. 201, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 433 ff., insbesondere S. 434 f. und 449 f. 341 So Röhricht, ZGR 1999, 445, 474 f.; siehe auch Kort in: GroßkommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 10; ähnlich Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191, 205 und 211; sowie Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 1. Kap. Rn. 31 (S. 20); siehe auch Fleischer, ZIP 2006, 451, 454 (liSp.); MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 86 f. (de lege ferenda).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

vornehmlich Anlageinteressen habe und er eine besondere Bindung an „seinem Unternehmen“ nicht aufweise, stehe für ihn die Vermögenskomponente im Vordergrund.342 Er sei also weniger als Gesellschafter und Mitglied und mehr als Anleger zu sehen, dessen Schutz sich vorrangig auf das Vermögensinteresse konzentrieren solle.343 Im Mittelpunkt steht also nicht der verbandsrechtliche Schutz der Mitgliedschaftsstellung des Aktionärs, sondern der Schutz seines Vermögens. Die Ablösung des Aktienrechts von einer rein verbandsrechtlichen Konzeption und Berücksichtigung der Kapitalanlegerstellung stößt allerdings auch vor dem Hintergrund der jüngeren Gesetzesentwicklungen auf die Ablehnung namhafter Stimmen der Wissenschaft.344 So wird betont, daß der Aktionär Mitglied in einem Verband sei, so daß verbandsrechtlicher Aktionärs- und kapitalmarktrechtlicher Anlegerschutz auseinanderlaufen würden.345 Aus der Zweigleisigkeit der lex lata folge, daß der Aktionärsschutz sich nicht wie der Anlegerschutz auf den Schutz der Aktien-Investition beschränke, sondern den Schutz aller mitgliedschaftlichen Vermögens- und Verwaltungsrechte beinhaltete. Demgemäß lehnt Habersack eine Verallgemeinerung der in den §§ 327a ff. AktG enthaltenen Wertungen ab, da die Vorschriften aufgrund der erforderlichen Beteiligung des Hauptaktionärs eine Sondersituation beträfen und von dem praktischen Regelfall der breiten Streuung der restlichen Anteile ausgehen würden.346 Bayer führt an, daß das Gesetz zwischen der Person des Anlegers und der Person des Ak342 Vgl. Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 357, 364 (zum Bezugsrecht); Martens, ZIP 1992, 1677, 1690, und ders, ZIP 1994, 668, 672; Kübler/Mendelson/ Mundheim, AG 1990, 461, 466; Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 70; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 131 f.; umfassend hierzu auch Hommelhoff, ZGR 2000, 748 ff. Vgl. auch Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191, 210 f. 343 So etwa Joussen, AG 2000, 241, 251 ff.; Röhricht, ZGR 1999, 445, 474 f.; Schießl, AG 1999, 442, 446 (liSp.); Möllers, ZGR 1997, 334. Dazu auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 69; Bayer, Gutachten 67 DJT, 2008, S. 101 (de lege ferenda). 344 Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 140, ders., ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 139 ff., ders., NJW 2000, 2609, 2615, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 531; Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 194, und ders., Mitgliedschaft, 1996, § 18 IV 1 (S. 326 ff.); MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 243 Rn. 14, 56, ders., FS Kropff, 1997, S. 128, 132 ff., und ders., ZHR 161 (1997), 867, 870; Zöllner, AG 2002, 585, 590. Siehe aber auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 86 (de lege ferenda). 345 Bayer, ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 140 und passim; siehe aber auch ders., Gutachten 67. DJT, 2008, S. 58 ff.; Habersack, ZHR 165 (2001), 172, 196, und ders., Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 4b (S. 264 ff.), § 18 IV 1c (S. 304 ff.) und § 18 IV 1d (S. 326 ff.). 346 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 5 Fn. 21, und ders., AG 2005, 137, 140 (liSp.). Ebenso aus dem Dissertationsschrifttum Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 112.

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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tionärs differenziere und die Reduzierung des Aktionärsschutzes auf einen reinen Vermögensschutz daher auch für den Kleinaktionär in der Publikumsgesellschaft abzulehnen sei.347 Zöllner weist darauf hin, daß der Aktionär nach dem AktG Mitglied der Gesellschaft und nicht Obligationär sei; an der Zweiteilung von mitgliedschaftlicher Beteiligung und schuldrechtlicher Gläubigerstellung sei daher festzuhalten.348 Rechtswidrige Eingriffe in die Mitgliedschaft sind hiernach grundsätzlich auch dann nicht gestattet, wenn der finanzielle Schaden vollständig ersetzt wird, so daß etwa jeder Bezugsrechtsausschluß einer sachlichen Rechtfertigung bedürfe.349 Das AktG habe die Tendenzwende vom Schutz der Mitgliedschaft zum kapitalmarktakzentuierten Anlegerschutz nicht vollzogen, so daß für das Aktienrecht an dem rein verbandsrechtlichen und damit mitgliedschaftlichen Ansatz festzuhalten sei.350 Die unterschiedlichen Konzeptionen – anlegerorientierter Schutz durch Gewährleistung der Vermögensposition und verbandsrechtlicher Schutz als Bestandsschutz der Mitgliedschaft – sind nachfolgend anhand des Verhältnisses von Bestands- und Vermögensschutz aufzuarbeiten, um Erkenntnisse für die Rechtsstellung des Publikumsaktionärs zu erzielen.

III. Bestands- und Vermögensschutz im Aktienrecht Die aktienrechtlich gewährten Schutzrichtungen und das Verhältnis von Vermögens- und Bestandsschutz der Minderheit zeigen sich deutlich an den neuralgischen Stellen des Aktienrechts,351 der Auflösung der Gesellschaft gegen den Willen der Minderheit, dem Ausschluß aus dem Unternehmen im Fall der übertragenden Auflösung sowie aus der Gesellschaft im Falle des Vorgehens nach §§ 327a ff. AktG und in Folge eines Übernahme- oder Pflichtangebots nach § 39a WpÜG.352 Ausgehend von den Ansichten im 347 Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 531, ders., in: ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 139, und ders., ZHR 168 (2004), 132, 146 ff.; siehe aber auch ders., Gutachten 67. DJT, 2008, S. 58 ff. 348 Zöllner, AG 2002, 585, 591 (liSp.); so auch Habersack, AG 2005, 137, 139 (reSp.). 349 Bayer, ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 140, und ders., ZHR 168 (2004), 132, 150. 350 Habersack, AG 2005, 137, 140 (reSp.); MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 84. 351 Begriff nach Lutter, AcP 180 (1980), 84, 136; siehe auch H. P. Westermann, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 259, 260. 352 Zu den Ausschlußmöglichkeiten in neuerer Zeit Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vorb. § 327a Rn. 5 und 8, sowie Fleischer, in: GroßKommAktG, 2007, Vor §§ 327a–f Rn. 34, der im Anschluß an Wiedemann, GesR I, 1980, § 7 II 2a (S. 383), zwischen unmittelbarem und mittelbarem Gesellschafterausschluß unter-

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Schrifttum und der Rechtsprechung zum Schutz des Aktionärs bei Auflösung und übertragender Auflösung und den aus dem Minderheitenausschluß zu entnehmenden Wertungen ist dem Verhältnis von Bestands- und Vermögensschutz und der darin zum Ausdruck kommenden Rechtsstellung des Publikumsaktionärs nachzugehen. Dabei sind die Ausführungen des BVerfG zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der übertragenden Auflösung insbesondere auch deshalb darzustellen, weil der Gesetzgeber des WpÜG sich im Rahmen der Gesetzesbegründung zu den §§ 327a ff. AktG sowie in der Folge zu § 39a WpÜG mehrfach auf diese gestützt hat.353 Hierbei ist vor allem aufzudecken, ob der Schutz einer Aktionärsminderheit, die mit maximal fünf Prozent am Grundkapital beteiligt ist, statt auf mitgliedschaftliche (Bestands-)Interessen eher auf deren Vermögensinteressen abzielt, bevor im Anschluß auf die jüngeren Tendenzen in der Rechtsprechung des II. Senats des BGH einzugehen ist. Ausgangspunkt ist der Rechtsschutz der Minderheit im Falle der Auflösung der Gesellschaft. scheidet, wonach zum ersten Bereich die Kaduzierung gemäß § 64 AktG und die Einziehung von Aktien gemäß § 237 AktG sowie der Ausschluß aus wichtigem Grund zu zählen sind und zu letztem die übertragende Auflösung, die Kapitalherabsetzung auf Null und anschließende Kapitalerhöhung, die Zusammenlegung von Aktien und die Mehrheitseingliederung gehören, da diese Formen den Verlust der Mitgliedschaft jedenfalls nicht offen zum Ziel haben. Die genannten Arten des unmittelbaren Ausschlusses sind an dieser Stelle nicht näher zu betrachten, da sie an einem Verhalten des Aktionärs oder einer satzungsmäßigen Gestattung, § 237 Abs. 1 S. 2 AktG, anknüpfen; dazu unten S. 167 f. sowie unter dem Blickwinkel des Vermögensschutzes des Aktionärs bei Kaduzierung und Zwangseinziehung im Dritten Teil, S. 300 ff. Bei der Kapitalherabsetzung auf Null und anschließenden Kapitalerhöhung und der Zusammenlegung von Aktien im Rahmen einer Kapitalherabsetzung, die der Hilgers-Entscheidung v. 5.7.1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167, und der Sachsenmilch-Entscheidung des BGH v. 9.2.1998 – II ZR 278/96, BGHZ 138, 71 zugrunde lagen, knüpft der BGH im Hinblick auf die Pflicht des Mehrheitsaktionärs zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Mitgesellschafter an der Linotype-Entscheidung v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, und der Girmes-Entscheidung des BGH v. 20.3.1993 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, zur übertragenden Auflösung der Gesellschaft an, auf die nachfolgend noch einzugehen ist. Die Besonderheiten der Reichweite der Treubindungen bei Kapitalmaßnahmen sind im Rahmen der Untersuchung der Kapitalerhöhungen zu betrachten; dazu unten S. 242 ff. Die Mehrheitseingliederung, § 319 AktG, wird ebenfalls im Rahmen der Untersuchung der Hauptversammlungskompetenzen im Dritten Teil zu untersuchen sein; dazu unten S. 287 ff. 353 Die Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.), nimmt Bezug auf die Entscheidungen des BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 ff. (Feldmühle), v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. (DAT/ Altana) und v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868 (Moto Meter); die Begr RegE Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz zu § 39a WpÜG, BT-Drs. 16/1003, S. 21 (reSp.), nimmt auf die beiden erst genannten Entscheidungen Bezug; dazu schon oben S. 115 ff. und S. 121.

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1. Verhältnis von Bestands- und Vermögensschutz bei Auflösung der Gesellschaft Der Beschluß zur Auflösung der AG nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG verändert den Gesellschaftszweck von der werbenden Tätigkeit zur Liquidation und ist Grundlage der Abwicklung mit der am Ende stehenden Verteilung des Vermögens unter den Aktionären und des nachfolgenden Erlöschens der AG, §§ 271 Abs. 1, 273 Abs. 1 S. 2 AktG. Nach dem Gesetzeswortlaut hat es die Mehrheit in der Hand, eine Versilberung des Vermögens der AG zu erreichen, sofern sie mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt; Grenze der Wirksamkeit eines solchen Beschlusses ist dann allenfalls die Rechtsmißbräuchlichkeit. Da hierdurch Aktionäre, die mit bis zu einem Viertel am Grundkapitel beteiligt sind, aus dem Unternehmen gedrängt werden können und nur Anspruch auf den quotenmäßigen Teil des nach der Berichtigung der Verbindlichkeiten verbleibenden Vermögens der Gesellschaft haben, ist die Vorschrift unter Minderheitsschutzgesichtspunkten problematisch, da nicht der Bestand der Mitgliedschaft, sondern nur die anteilige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen geschützt wird. Stellt man im Interesse des Minderheitenschutzes an den Auflösungsbeschluß weitere Anforderungen im Sinne einer sachlichen Rechtfertigung, kehrt also das Regel-Ausnahme-Verhältnis hinsichtlich der Rechtmäßigkeit um, so daß der Beschluß nicht nur im besonders gelagerten Einzelfall rechtswidrig, sondern vielmehr zu seiner Wirksamkeit notwendig ist, daß das Vorgehen im Gesellschaftsinteresse liegt, erscheint dies vor dem Hintergrund der Gesetzessystematik problematisch. Ein solcher Beschluß könnte nicht allein per Mehrheitsentscheid beschlossen werden, da dieser konträr zum bisherigen Gesellschaftszweck steht und damit nie das bisherige Gesellschaftsinteresse fördert.354 Das AktG läßt aber in § 262 Abs. 1 Nr. 2 eine qualifizierte Mehrheit für den Auflösungsbeschluß ausreichen, so daß der Beschluß auch nicht eine sachliche Rechtfertigung erfordern kann und es damit bei dem Regel-Ausnahme-Verhältnis bleibt. Der BGH formulierte den viel zitierten Satz, daß der Auflösungsbeschluß seine sachliche Rechtfertigung in sich trage, und ergänzte dann in der Linotype-Entscheidung, daß es den Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft grundsätzlich gestattet sei, mit der nach Gesetz und Satzung vorgesehenen Mehrheit den Gesellschaftszweck zu beenden und 354 Zum Erfordernis sachlicher Rechtfertigung insbesondere der Beschlüsse im Kapitalerhöhungsrecht unten S. 242 ff. Zur Herleitung der materiellen Beschlußkontrolle grundlegend Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 II 1 (S. 344 f.); siehe daneben Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 214 ff.; Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 13 ff.; zum GmbH-Recht Winter, Treubindungen, 1988, § 9 III 3 (S. 141 ff.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

damit zugleich im Zuge der Vereinbarung über den Gesellschaftszweck geschaffene Rechte der Minderheit zu beseitigen. Hierbei sei Grenze nur die Rechtsmißbräuchlichkeit und nicht die Überprüfung des Liquidationsbeschlusses im Rahmen einer allgemeinen Inhaltskontrolle.355 Trotz des Eingriffs in die Mitgliedschaft, der nach dem BGH grundsätzlich eine Sachkontrolle erfordert,356 ist der Auflösungsbeschluß damit – wie Zöllner betont hat – der gemeinsamen Zweckverfolgung durch die Gesellschafter und in diesem Sinne auch dem Gesellschaftsinteresse von seiner Natur her diametral entgegengesetzt und kann folglich auch nicht auf seine Vereinbarkeit damit überprüft werden.357 Eine widersprechende Aktionärsminderheit wird also hier von den Fällen der Rechtsmißbräuchlichkeit abgesehen nicht weiter geschützt, als ihre Vermögensposition reicht. 2. Verhältnis von Bestands- und Vermögensschutz beim Ausschluß aus dem Unternehmen Ist die Auflösung der Gesellschaft gegen den Willen der Minderheit für sich gesehen schon problematisch, so kulminiert die Frage des Minderheitenschutzes in den Fällen, bei denen der Mehrheitsaktionär nach dem Betreiben der Auflösung den wesentlichen Teil des Unternehmens übernimmt und fortführt. Das Verhältnis von aktienrechtlichem Bestands- und Vermögensschutz im Fall des Ausschlusses der Aktionäre aus dem Unternehmen durch die Kombination der Übertragung des (wesentlichen Teils des) Gesellschaftsvermögens auf den Mehrheitsaktionär mit der vorangegangenen oder nachfolgenden Auflösung der Gesellschaft wird im Schrifttum dementsprechend kontrovers diskutiert. Der zugrunde liegende Sachverhalt, bei dem 355 BGH v. 28.1.1980 – II ZR 124/78, BGHZ 76, 352, 353 (zur GmbH); v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 189 f. (Linotype). So auch die h. M. im Schrifttum; siehe MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 72; Hüffer, aaO, 2001, § 243 Rn. 64, und ders., AktG, 2008, § 243 Rn. 28 und § 262 Rn. 11; Zöllner, AG 2000, 145, 155 (reSp.); Henze, ZIP 1995, 1473, 1475 f.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 449, und ders., ZGR 1981, 171, 176 und 179; Winter, Treubindungen, 1988, § 9 IV (S. 154 ff.); aus dem Dissertationsschrifttum Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 307 f. 356 Aus jüngerer Zeit BGH v. 9.2.1998 – II ZR 278/96, BGHZ 138, 71, 76 f. (Sachsenmilch), zur Notwendigkeit sachlicher Rechtfertigung bei der Kapitalherabsetzung, die der BGH für diese Konstellation verneint, an dem Grundsatz seiner bisherigen Rechtsprechung aber festhält und Hauptversammlungsbeschlüsse, mit denen ein Eingriff in die Rechtsstellung des Aktionärs verbunden ist, auf ihre sachliche Rechtfertigung hin prüft. Siehe auch BGH v. 5.7.1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167, 169 f. (Hilgers). 357 Zöllner, AG 2000, 145, 155 (reSp.), und schon ders., Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 II (S. 344).

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AG und Mehrheitsaktionär einen Vertrag über die Verpflichtung der AG zur Übertragung ihres Vermögens auf diesen iSd. § 179a AktG schlossen und anschließend die Hauptversammlung den Vertrag genehmigte und den Beschluß zur Auflösung der AG faßte, war Grund eines Rechtsstreits, der über das als Moto Meter-Methode bezeichnete Vorgehen durch mehrere Instanzen bis zum BVerfG geführt wurde, an dessen Ende die verfassungsrechtliche Anerkennung der Zulässigkeit der übertragenden Auflösung steht.358 Auf die Besonderheit dieser Konstellation – der Mehrheitsgesellschafter steht auf beiden Seiten des Erwerbsgeschäftes – soll nicht eingegangen werden, sondern vielmehr auf die Vorfrage der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens und damit das Verhältnis von Bestandsschutz der Mitgliedschaft und Gewährleistung des Vermögensschutzes. a) Bestandsschutz der Mitgliedschaft und Gewährleistung des Vermögensschutzes In seinem Kammerbeschluß vom 23.8.2000 hat das BVerfG sein im Beschluß vom 27.4.1999359 vertretenes Verständnis des geringer beteiligten Aktionärs börsennotierter Aktiengesellschaften primär als Anleger im Hinblick auf das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Aktieneigentum vertieft und ein generelles Bestandsinteresse des Aktionärs an seiner Mitgliedschaft abgelehnt.360 Auch wenn sich die Entscheidung mit Fragen der Verfassungsmäßigkeit der übertragenden Auflösung befaßt, ist sie in der Begrün358 Zum Begriff Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191, 193. Zur Rspr. LG Stuttgart v. 22.1.1993 – 2 KfH O 113/92, DB 1993, 472; OLG Stuttgart v. 21.12.1993 – 10 U 48/93, AG 1994, 411, 413 (Moto Meter I), und v. 4.12.1996 – 8 W 43/96, AG 1997, 136, 137 (liSp.; Moto Meter II); Revision vom BGH nicht angenommen durch Beschluß v. 5.12.1994 – II ZR 8/94; BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868 (Moto Meter). Wiedemann, ZGR 1999, 857, 860, bezeichnet den Vorgang als auflösungsbedingte Übertragung, der in einem vergleichbaren Sachverhalt einer Entscheidung des BayObLG v. 17.9.1998 – 3 Z 37/98, ZIP 1998, 2002 (Magna Media/WEKA), zugrunde lag; hierzu auch OLG Zweibrücken v. 25.4.2005 – 3 W 255/04, AG 2005, 778, sowie Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1999, 261. 359 BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana). 360 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868 (Moto Meter). Anlaß für die Entscheidung des BVerfG waren Verfassungsbeschwerden der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre gegen die oben (Fn. 358) genannten zivilrechtlichen Entscheidungen des LG Stuttgart v. 22.1.1993 und OLG Stuttgart v. 21.12.1993 und v. 4.12.1996. Zum unfreiwilligen Verlust der Mitgliedschaft in einem VVaG BVerfG v. 26.7.2005 – 1 BvR 957/96, NJW 2005, 2363, 2371 ff.; bestätigt durch BVerfG v. 15.2.2006 – 1 BvR 1317/96, NJW 2006, 1783, 1785 f. und v. 19.9.2007 – 1 BvR 2984/06, AG 2008, 27, 27 (reSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

dung verallgemeinerungsfähig, da sie weitreichende verfassungsrechtliche Ausführungen zum Leitbild des Publikumsaktionärs und dem Spannungsverhältnis von Mehrheitsherrschaft und Minderheitenschutz beinhaltet. Das BVerfG führt in bekannter Diktion aus, daß das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Aktieneigentum sowohl die mitgliedschaftliche Stellung als auch vermögensrechtliche Ansprüche vermittele, im Hinblick auf das mitgliedschaftliche Bestandsinteresse von Verfassung wegen aber keine Bedenken gegen den Ausschluß der Minderheit gegen ihren Willen bestünden.361 In Übereinstimmung mit den Ausführungen von Lutter und Drygala sei der Bestand der Mitgliedschaft nicht absolut geschützt, vielmehr trete das Bestandsinteresse des Kleinaktionärs im Rahmen einer Güterabwägung hinter die Interessen des Großaktionärs an der freien unternehmerischen Initiative zurück, sofern nur für einen angemessenen Vermögensschutz gesorgt würde.362 Als Abwägungsgesichtspunkt zieht dabei das BVerfG in Abkehr von dem im Feldmühle-Urteil hervorgehobenen gesamtwirtschaftlichen Interesse an Konzernstrukturen heran, daß Minderheitsaktionäre unternehmerische Entscheidungen des Großaktionärs zwar nicht verhindern, aber erschweren könnten, so daß schon ihre Existenz erheblichen Aufwand, potentielle Schwierigkeiten und gegebenenfalls Verzögerungen der unternehmerischen Maßnahmen, insbesondere von Strukturmaßnahmen durch die Erhebung von Anfechtungsklagen mit sich bringen würde.363 Das grundrechtlich gewährleistete mitgliedschaftliche Bestandsinteresse steht hiernach einem Ausschluß der Aktionärsminderheit nicht entgegen, wenn die vorrangige Berücksichtigung der Interessen des Großaktionärs „mit hinreichenden Schutzrechten für die Minderheitsaktionäre verbunden ist“, also die volle Erstattung des Vermögenswertes der Mitgliedschaft gewährleistet wird. Über die schon bisher getroffene Unterscheidung zwischen mitgliedschafts- und vermögensrechtlichen Elementen des korporativen Eigentums 361 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 871 (Moto Meter). 362 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 871 f. (Moto Meter); dazu Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191, 211, unter Verweisung auf die Feldmühle-Entscheidung des BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 282 ff., die dies auch mit einer rechtsvergleichenden Betrachtung US-amerikanischen Gesellschaftsrechts begründen; siehe aaO, S. 212 f.; in diesem Sinne wohl auch Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1389 f. 363 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 872 (Moto Meter). In der Entscheidung v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana), führte das BVerfG unter Bezugnahme auf die Entscheidung v. 7.8.1962 – 1 BvR 16/60, BVerfGE 14, 263, 281 f. (Feldmühle), als Begründungselement an: „Der Gesetzgeber darf auch weiterhin davon ausgehen, daß es ein beachtenswertes unternehmerisches Interesse an Konzernierungs- und Strukturmaßnahmen gibt. Seit dem Feldmühle-Urteil hat sich dieses Interesse sogar noch verstärkt“.

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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führt das BVerfG aus, daß der Grundrechtseingriff nicht besonders schwer wiege, da bei einem Ausschluß die Mitgliedschaft der Minderheitsaktionäre zwar auch in ihrer Leitungs- und Herrschaftskomponente beeinträchtigt werde.364 Diese sei aber nur von begrenzter Bedeutung, da die Aktionärsminderheit auf die Unternehmenspolitik regelmäßig keinen relevanten Einfluß nehmen könne. Das knüpft an die Ausführungen in der Feldmühle-Entscheidung an, wonach der Minderheitsaktionär aufgrund seiner geringen Möglichkeit zur Einflußnahme „weitgehend auf das Interesse an Rendite und Kurs beschränkt wird. Daher muß für ihn die Aktie typischerweise mehr reine Kapitalanlage als unternehmerische Beteiligung sein.“365 Das BVerfG führt weiter aus, daß für diesen Aktionärstyp „die Vermögenskomponente der Anlage, nämlich die Auswahlentscheidung des Aktieneigentümers hinsichtlich seiner Kapitalanlage“ im Vordergrund stehe.366 Der Minderheitenschutz dürfe sich daher auf die Vermögenskomponente der Beteiligung konzentrieren, so daß die Beeinträchtigung nicht unverhältnismäßig sei, „sofern die Aktionäre eine dem Wert ihrer Aktien entsprechende Entschädigung erhalten“. Verfassungsrechtlich gerechtfertigt wird der Ausschluß der Aktionäre überdies mit der Begründung, daß es den Aktionären bei voller wirtschaftlicher Entschädigung jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes in aller Regel möglich sei, „eine alternative Kapitalanlage in einem Unternehmen gleicher oder ähnlicher Ausrichtung zu finden“.367 Das BVerfG betont allerdings wie in der Feldmühle-Entscheidung, daß „neben einem wirksamen Schutz gegen einen Mißbrauch wirtschaftlicher Macht“ im „Hinblick auf die für die Minderheitsaktionäre im Vorder364 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 871 f. (Moto Meter). Das BVerfG unterscheidet mit dem mitgliedschafts- und dem vermögensrechtlichen Element zwei Einzelausprägungen des Aktieneigentums; BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvR 16/60, BVerfGE 14, 263, 281 f. (Feldmühle), v. 7.5.1969 – 2 BvL 15/67, BVerfGE 25, 371, 407 (Rheinstahl), v. 1.3.1979, BVerfGE 50, 290, 342 (Mitbestimmungsurteil), v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 (DAT/Altana), und v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587, 588 (reSp.) (Edscha) sowie v. 28.8.2007 – 1 BvR 861/06, AG 2007, 821, die einfachgesetzlich als gesellschaftsrechtliche Mitverwaltungs- und Vermögensrechte eingeordnet werden; siehe K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 III 3 (S. 557 ff.). 365 BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvR 16/60, BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle); ähnlich auch BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 305 (DAT/ Altana), und v. 20.9.1999 – 1 BvR 168/93, ZIP 1999, 1801, 1803 (reSp.) (Scheidemantel II). 366 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 872 (Moto Meter), unter Verweisung auf Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191, 210. 367 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 872 (Moto Meter); siehe auch BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. (DAT/Altana); bestätigt durch Entscheidung v. 29.11.2006 – 1 BvR 704/03, AG 2007, 228, 229 (Siemens/SNI). Kritisch hierzu Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1389.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

grund stehende Vermögenskomponente ihrer Kapitalanlage . . . gewährleistet sein [muß], daß die ausscheidenden Aktionäre eine dem Wert ihrer Aktien entsprechende Entschädigung erhalten“,368 und die tatsächlich gezahlte Entschädigung eine volle Entschädigung in diesem Sinne darstellt.369 Im Anschluß an Forderungen in der Literatur hebt das Gericht die Notwendigkeit von Regelungen zur gerichtlichen Nachprüfung der Abfindungshöhe hervor, wofür entweder das aktienrechtliche Spruchverfahren eröffnet sein oder die Wertkontrolle im Rahmen des Anfechtungsverfahrens erfolgen müsse.370 Die verlorenen Mitgliedschaftsrechte sind also sowohl im Falle einer fortbestehenden, aber geschmälerten Mitgliedschaft als auch im Falle des vollständigen Ausscheidens gegen Erhalt einer Abfindung vermögensmäßig vollständig zu kompensieren.371 b) Folgerungen aus der Rechtsprechung des BVerfG Das Verständnis der Aktionärsstellung knüpft an die Feldmühle-Entscheidung an, die den Ausschluß einer mit rund 21 % am Grundkapital beteiligten Minderheit mittels sogenannter Mehrheitsumwandlung auf Grund des 368 So der 2. Leitsatz des Beschlusses des BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 868 und 873 (Moto Meter). Dies orientiert sich an der Linie des BVerfG im Feldmühle-Urteil, BVerfGE 14, 263, 283, wenn es dort heißt: „Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser gesetzgeberischen Wertung ist freilich, daß die berechtigten Interessen der zum Ausscheiden gezwungenen Minderheit gewahrt werden. Dazu gehört einmal, daß ihr wirksame Rechtsbehelfe gegen einen Mißbrauch der wirtschaftlichen Macht zur Verfügung stehen; zum anderen muß Vorsorge getroffen sein, daß sie für den Verlust ihrer Rechtsposition wirtschaftlich voll entschädigt wird.“ Der Maßstab für die Höhe dieser Entschädigung ist den Beschlüssen des BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. (DAT/ Altana), v. 8.9.1999 – 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1804 (Hartmann & Braun) und v. 29.11.2006 – 1 BvR 704/03, AG 2007, 228 (Siemens/SNI), zu entnehmen. Zur übertragenden Auflösung auch BayObLG v. 17.9.1998 – 3 Z 37/98, ZIP 1998, 2002 (Magna Media/WEKA); OLG Stuttgart v. 4.12.1996 – 8 W 43/96, ZIP 1997, 362 (Moto Meter II); Henze, in: FS Wiedemann, 2001, S. 935, 945; und Wiedemann, ZGR 1999, 857, 862 f. 369 Das BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 873 (Moto Meter), stellt dabei klar, daß mangels eines funktionsfähigen Aushandlungsprozesses im Fall der übertragenden Auflösung anderweitige Kontrollmechanismen zur Verfügung stehen müssen. 370 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97, DNotZ 2000, 868, 874 (Moto Meter), im Anschluß an Wiedemann, ZGR 1978, 477, 493, und Windbichler, AG 1981, 169; siehe auch Henze, ZIP 1995, 1473; Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191, 195 ff., 215; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1999, 261, 266. 371 BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvR 16/60, BVerfGE 14, 263, 284 (Feldmühle), und v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 303 ff. (DAT/Altana); siehe auch BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 (Kali+Salz).

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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damaligen UmwG als zulässig erklärte. Danach wird der Minderheit kein genereller Bestandsschutz gewährt, sondern die Mitgliedschaft der Aktionäre einer grundrechtlichen Abwägung der gegenläufigen Interessen zugeführt, bei der der Schutz des Anteilseigentums der Minderheit hinter die Interessen der Allgemeinheit an einer freien Entfaltung unternehmerischer Initiative im Konzern zurücktreten könne.372 Im Moto Meter-Beschluß setzt das BVerfG sein Verständnis des Minderheits- bzw. Kleinaktionärs fort, das im DAT/Altana-Beschluß zur Bedeutung des Börsenkurses bei der Abfindung von Minderheitsaktionären auf die vorrangige Anlegerstellung des Kleinaktionärs abstellt, da dieser „die Aktie vorwiegend als Kapitalanlage“ betrachte,373 was das BVerfG schon im Feldmühle-Urteil vertreten hat, wonach dem Interesse des Kleinaktionärs durch Entschädigung hinreichend Genüge getan werde.374 Auch die im Moto Meter-Beschluß angeführte Begründung, daß Kleinaktionäre auf die Unternehmenspolitik keinen Einfluß nehmen könnten, so daß die herrschaftsrechtliche Seite ihres Aktieneigentums von vornherein begrenzt sei, findet sich ähnlich schon in der Feldmühle-Entscheidung.375 Das Zusatzargument zur Möglichkeit der anderweitigen Investition fußt auf dem Portfolio-Gedanken der modernen Kapitalmarkttheorie und läßt den Einfluß der Kapitalmarktorientierung der Publikums-AG auf die Rechtsstellung des Aktionärs deutlich zu Tage treten.376 Der verfassungsrechtliche Schutz des Kleinaktionärs im Hinblick auf die in der Aktie verkörperte Rechtsstellung bezieht sich danach vornehmlich auf die Vermögenskomponente und nur beschränkt auf die mitgliedschaftliche Komponente sowie die sich aus der mitgliedschaftlichen Teilhabe an einem Verband ergebenden Herrschaftsrechte.377 Gegen die Zulässigkeit der übertragenden Auflösung führt Wiedemann an, daß der gesellschaftsrechtliche Grundsatz eingreife, daß kein Gesellschafter gegen seinen Willen aus der Gesellschaft verdrängt werden 372 Vgl. BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 283 (Feldmühle); siehe dazu schon oben bei Fn. 9. 373 BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 305 (DAT/ Altana), unter Verweisung auf BGHZ 120, 141, 150 (Bremer Bankverein). 374 Dazu oben bei Fn. 365. 375 Vgl. BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 280 f. (Feldmühle). 376 Ähnlich auch schon BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 301 ff. (DAT/Altana). Kritisch hierzu Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1373; Fleischer, DNotZ 2000, 876, 877, und ders., ZGR 2002, 757, 764 mwN. Ob die Aussicht auf Vermögensschutz durch eine Desinvestition für den Anleger in jeder Konjunkturlage unbedingt vertrauenserweckend ist, erscheint fraglich; dazu näher unten bei S. 198 f. 377 Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 1. Kap. Rn. 32 ff. (S. 20 ff.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

dürfe.378 Neben dem Gedanken des venire contra factum proprium aufgrund des Umstandes, daß die Aktionärsmehrheit dem Publikum erst eine Beteiligung an der AG anbiete, das Unternehmen aber später alleine fortführen möchte, folgert er dies aus der Stärkung des Minderheiten- und Anlegerschutzes durch das Umwandlungsrecht, das die Möglichkeit des Hinausdrängens aus der Gesellschaft abgeschafft habe, und der Rechtsprechung zum Ausschluß aus der GmbH.379 Der Beschluß zur Auflösung der Gesellschaft sei überdies einer materiellen Beschlußkontrolle zu unterziehen.380 Dem wird im jüngeren Schrifttum entgegenhalten, daß mit den Vorschriften zum Minderheitenausschluß Regelungen in das AktG eingeführt wurden, die unter Abweichung bisher geltender verbandsrechtlicher Grundsätze den Ausschluß aus der Gesellschaft zulassen, der Auflösungsbeschluß keiner sachlichen Rechtfertigung bedürfe und entsprechendes auch für den Zustimmungsbeschluß zu dem Übertragungsvertrag gelte.381 Das überwiegend zustimmende Schrifttum hält daher mit dem BVerfG das Vorgehen der Moto Meter-Methode für zulässig und fordert keine sachliche Rechtfertigung des Beschlusses,382 da den Interessen der Kleinaktionäre im Regelfall mit einer Wertkontrolle hinreichend gedient und damit in einer Linie mit dem BGH zum Fall der Auflösung auch keine Inhaltskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses zur Auflösung oder der Genehmigung des Übertragungsvertrags erforderlich sei.383 Gegen die h. M. wird allerdings einge378

Wiedemann, ZGR 1999, 857, 865, unter Verweis auch auf US-amerikanische Literatur in Fn. 20 ff. Siehe auch ders., in: GroßkommAktG, 1995, § 179 Rn. 169 ff., 181. 379 Wiedemann, ZGR 1999, 857, 870 f. Zur Gesetzesbegründung zur Aufhebung der §§ 1, 15, 23, 24 UmwG a. F. schon oben in Fn. 179. Das UmwG trifft keine Regelung über das Zwangsausscheiden von Minderheitsgesellschaftern, sondern sieht ein Umtauschrecht, §§ 15, 125 und 196 UmwG, und unter bestimmten Umständen zugunsten der Aktionäre ein Recht auf Barabfindung, § 29, 125 und 207 UmwG, vor; siehe auch §§ 304 f. AktG. Zu letztem Wiedemann, aaO, 865 ff., unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BGH v. 16.12.1991 – II ZR 58/91, BGHZ 116, 359. 380 Wiedemann, ZGR 1999, 857, 869 ff., ders., GesR I, 1980, § 7 II 2b (S. 384) und 8 III 2a (S. 445), und ders., JZ 1989, 447, 448 ff. 381 Dazu MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 76. 382 Hüffer, AktG, 2008, § 179a Rn. 5; MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 73; Henze, in: FS Wiedemann, 2002, S. 935, 949, und ders., in: FS Peltzer, 2001, S. 181, 188 ff.; Reichert, ZHR-SH 68 (1999), S. 25, 30 ff.; a. A. Hanau, NZG 2002, 1040, 1042 ff. Zur Beschlußkontrolle siehe auch BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 874 f. (Moto Meter). 383 So schon Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191, 209, 215 ff.; ebenso MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 76 a. E.; Hüffer, aaO, 2001, § 243 Rn. 64, und ders., AktG, 2008, § 179a Rn. 10 und 12a; Zöllner, AG 2000, 145, 155 (reSp.). Insgesamt kritisch Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1388 f.

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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wandt, daß die Einführung der Regelungen zum Minderheitenausschluß nach §§ 327a ff. AktG zur Unzulässigkeit der übertragenden Auflösung führe.384 Den Gesetzesmaterialien ist allerdings nicht zu entnehmen, daß der Gesetzgeber das existierende Verfahren zum Ausschluß aus der AG einschränken wollte, das in der Praxis genutzt wurde und dem Gesetzgeber bekannt war, was auch durch die mehrfache Bezugnahme auf die Moto Meter-Entscheidung des BVerfG in der Gesetzesbegründung deutlich wird.385 Auch ist keine Änderung des verfassungsrechtlichen Eigentumsverständnisses ersichtlich, die einem solchen Vorgehen entgegenstünde. Übertragende Auflösung und Minderheitenausschluß nach §§ 327a ff. AktG mit ihren unterschiedlichen Beteiligungsvoraussetzungen und Verfahrensweisen stehen also nebeneinander.386 c) Die maßgebliche Beteiligungsquote Entsprechend strittig ist, ob die Kapitalquote von fünf Prozent des Grundkapitals eine maximale Ausschlußquote darstellt. Lutter und Drygala begrenzen die Minderheit, die kein unternehmerisches, sondern vornehmlich ein Anlageinteresse verfolgen, auf fünf Prozent der Beteiligung am Grundkapital. Begründet wird diese Ansicht mit den für Minderheiten geltenden aktienrechtlichen Schutzstandards und der mit anderen Ausschlußmethoden vergleichbaren Intensität des Eingriffs.387 In der Feldmühle-Entscheidung ging es dagegen um die Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses von Aktionären, die insgesamt mit rund 21 % am Grundkapital beteiligt waren.388 Das vom BVerfG im Jahr 2000 zugrunde gelegte „Anliegen, eine kleine Zahl von Minderheitsaktionären aus der Gesellschaft auszuschließen“, das der Gesetzgeber als grundsätzlich berechtigt anerkennt habe, bezieht sich zwar 384 Für eine Sperrwirkung der §§ 327a ff. AktG Wilhelm/Dreier, ZIP 2003, 1369, 1373 ff.; siehe auch Hanau, NZG 2002, 1040, 1047; kritisch MünchKommAktG/ Grunewald, 2004, Vor § 327a Rn. 9. 385 Siehe Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.), die auf die Feldmühle-Entscheidung des BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, Bezug nimmt. Siehe auch Fleischer, in: GroßKommAktG, 2007, Vor §§ 327a-f, Rn. 47, und ders., ZGR 2002, 757, 789. 386 So auch Schnorbus, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Vor 327a–327f. Rn. 12; Seibt, aaO, § 179a Rn. 25; Fleischer, in: GroßKommAktG, 2007, Vor §§ 327a-f, Rn. 47, und ders., ZGR 2002, 757, 788 f.; MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 74 mwN. in Fn. 140; M. Roth, NZG 2003, 998, 1000 (liSp.); Henze, in: FS Wiedemann, 2002, S. 935, 949; Wolf, ZIP 2002, 153, 156 f. 387 Lutter/Drygala, in: FS Kropff, 1997, S. 191, 195 ff., 215 und 220 (unter Heranziehung der Parallelwertung des § 320 Abs. 1 S. 1 AktG); Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1999, 261, 263 (reSp.). 388 Dazu schon oben bei Fn. 372 mwN.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

auf die dem zu entscheidenden Sachverhalt zugrunde liegende Beteiligung der ausgeschlossenen Aktionäre von etwa einem Prozent am Grundkapital und der Beschluß spricht mehrfach davon, daß es um die zwangsweise Entfernung von wenigen verbliebenen Minderheitsaktionären bzw. einer kleinen Zahl von Minderheitsaktionären gehe.389 Die im Schrifttum vertretene Folgerung, daß die Rechtsprechung ihre bisherige großzügigere Haltung nur insoweit beibehalten könne, als die betroffene Mehrheit weniger als fünf Prozent ausmache, ist aber nicht zwingend,390 da dem Kammerbeschluß jedenfalls nichts für einen gewandelten Eigentumsbegriff zu entnehmen ist, der dem Bestandsschutz ein stärkeres Gewicht einräumen würde.391 Allerdings sind die Wertungen des § 327a AktG sowie in Parallele dazu des § 39a WpÜG zu beachten, die den Ausschluß der Minderheitsaktionäre gerade von der Beteiligungsschwelle von fünf vom Hundert vom Grundkapital abhängig machen. Zwar stellt der Gesetzeswortlaut auf die Beteiligungsquote des Großaktionärs und nicht der Minderheitsaktionäre ab.392 Dies hat aber rechtstechnische Gründe, so daß die auf den ersten Blick eingängige Aussage, die Vorschrift sage nichts über die Minderheit, nicht überzeugt, wie auch die Argumentationsstruktur der Gesetzesbegründungen zeigt.393 Diese leitet die Rechtfertigung für ein solches Vorgehen aus der Beteiligungsquote der Minderheitsaktionäre, nicht aber der Beteiligungsquote des Großaktionärs her.394 Überdies erscheint es wenig einleuchtend und aus der Perspektive des individuellen Eigentumsschutzes ohne rechten Sinn, daß Kleinstbeteiligungen nur deshalb stärkeren Schutz genießen, weil der kumulierte Streubesitz eine bestimmte Grenze überschreitet.395 Entscheidend kann daher für den Schutzstandard nur sein, ob der einzelne Ak389

BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 872 f. So wohl aber Henze, in: FS Peltzer, 2001, S. 181, 189 f.; dagegen Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 437. 391 MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 75; Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 437; M. Roth, NZG 2003, 998, 1000 (liSp.); Henze, in: FS Wiedemann, 2002, S. 935, 953; wohl auch – allerdings kritisch – Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1389 f. 392 Aus dem Wortlaut der § 327a Abs. 1 S. 1 AktG, der auch die Minderheitsaktionäre legal definiert, ist nicht zu folgern, daß der Ausschluß zumindest zwei Minderheitsaktionäre voraussetzt; so auch Austmann, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 74 Rn. 5; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 11; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, § 327a Rn. 5. 393 Dazu schon oben S. 115 ff. 394 Allg Begr RegE WpÜG und Begr RegE zu § 327a AktG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 und 72 (liSp.), sowie Begr RegE Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz zu § 39a WpÜG, BT-Drs. 16/1003, S. 21 (reSp.). 395 So Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 437 f.; zustimmend MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 75. 390

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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tionär die Fünf-Prozent-Schwelle überschreitet oder nicht und damit im zweiten Fall als Anleger anzusehen ist, der vornehmlich Anlegerinteressen hat und daher im Rahmen einer Abwägung der widerstreitenden Interessen (nur) der Schutz seiner vermögensmäßigen Beteiligung besonders zu gewichten ist.396 Daher kommt es für die Frage des Schutzes auf die individuelle Beteiligungsquote, nicht aber auf die Beteiligungssumme aller außenstehenden Aktionäre an. Bis einschließlich dieser Beteiligungsgröße gilt statt des Bestandsschutzes der Mitgliedschaft nur eine Wertgarantie. 3. Aktionärsschutz zwischen Bestandsschutz und Wertgarantie Die verfassungsrechtliche Begründungslinie des BVerfG zum Verhältnis von Bestands- und Vermögensschutz legt es nahe, bei der Ausformung des Leitbildes des geringer beteiligten Publikumsaktionärs verstärkt dessen Anlegerstellung zu berücksichtigen. Ob sich hieraus der Schluß ziehen läßt, daß im Sinne der Konzeption von Mülbert die Gesellschaft durch bloße Ausgleichsgewährung zur Veranstaltung der Mehrheit geworden und nicht einmal eine fortdauernde Beteiligung der Minderheit notwendig ist,397 läßt sich zwar allein hieraus nicht ableiten, sondern ist auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts zu klären. Die Gesetzesbegründung zur Einführung der Vorschriften über den Minderheitenausschluß stellt aber auf verschiedene Entscheidungen des BVerfG ab, so daß zur Einordnung der Rechtsstellung des Aktionärs in der Publikums-AG die Ausführungen in diesen Entscheidungen besonders zu beachten sind. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob in Zusammenschau der mit den Reformgesetzen zunehmenden Ausrichtung des Aktienrechts auf den Anleger und dessen Interessen an einer langfristigen Wertsteigerung seiner Anlage und der Einführung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß ein Paradigmenwechsel im Aktienrecht hin zum reinen Vermögensschutz der geringer beteiligten Aktionäre stattgefunden hat. a) Einordnung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß in das System des AktG Im Gegensatz zu den Vorschriften über die Mehrheitseingliederung, die als Regelfall eine Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft vorsehen, § 320b Abs. 1 S. 2, 3 AktG, so daß die Beteiligung der Aktionärsminder396

Weitergehend M. Roth, NZG 2003, 998, 1000 (liSp.); Wolf, ZIP 2002, 153,

156 f. 397

So zur alten Rechtslage vor Einführung der §§ 327a ff. AktG MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 243 Rn. 91, der ein solches auf den Vermögensschutz beschränktes Verständnis als fragwürdig bezeichnet.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

heit regelmäßig nur auf eine höhere Konzernebene verlagert wird, ermöglicht das Ausschlußverfahren nach den §§ 327a ff. AktG wie auch § 39a WpÜG, die Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung vollständig aus der Gesellschaft wie auch der Unternehmensgruppe auszuschließen, so daß der mit nicht mehr als fünf Prozent am Grundkapital beteiligte Aktionär zwar auf den Vermögensschutz seiner Beteiligung, nicht aber auf deren Bestandsschutz vertrauen kann.398 Der Ausschluß bewirkt den Verlust jeder mitgliedschaftlicher Beteiligung gegen vermögensmäßige Entschädigung. Die Verpflichtung der Minderheit zum Zwangsverkauf ihrer Aktien an den Hauptaktionär ohne entsprechende Satzungsklausel,399 anlaßunabhängig und nicht im Zusammenhang mit einer Eingliederung durch Mehrheitsbeschluß nach § 320 AktG, die den Aktionär aus seiner Stellung als wirtschaftlicher Eigentümer der Gesellschaft drängt,400 war dem AktG bisher fremd. Der Ausschluß eines Aktionärs aus der Gesellschaft wurde vor der Einführung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß nur von Teilen des Schrifttums zugelassen und war abgesehen von einer Satzungsgrundlage allenfalls kraft eines wichtigen Grundes zu rechtfertigen und nicht allein aufgrund der Stellung als Minderheitsaktionär.401 Maßgeblich für den Ausschluß nach den §§ 327a ff. AktG und § 39a WpÜG ist anders als beim Mitgliederausschluß im Verbandsrecht im allgemeinen und auch dem GmbH-Recht damit nicht das Vorverhalten des auszuschließenden Gesellschafters,402 sondern das Interesse der Mehrheit an der 398

Die „Zweiklassengesellschaft“ in der AG, die Habersack, AG 2005, 137, 140 (liSp.), befürchtet, ist mit der Einführung der §§ 327a ff. AktG schon Realität geworden, da Minderheitsaktionäre einen anderen Schutz genießen als die Aktionäre, die mit mehr als fünf Prozent am Grundkapital beteiligt sind. 399 So den Vorgang in wirtschaftlicher Sicht beschreibend Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 1, und ders., ZIP 2001, 1230, 1236 (reSp.); E. Vetter, AG 2002, 176, 176 (reSp.). 400 Dazu auch Zöllner, GesRZ 2004, 5, 12 (liSp.). 401 Vgl. zu diesen beiden Konstellationen §§ 237 ff. AktG einerseits sowie die Kaduzierung bei Versäumung der Einlagepflicht nach § 64 AktG als Gesetzesbeispiel eines wichtigen Grundes andererseits. Für eine Zulässigkeit des Ausschlusses aus wichtigem Grund jenseits des § 64 AktG Becker, ZGR 1986, 383, 387 ff.; Hommelhoff, ZHR 151 (1987), 493, 516; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1993, § 237 Rn. 119 f.; K. Schmidt, GesR, 2002, § 28 I 5 (S. 803) (als ultima ratio zulässig); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 8; Schnorbus, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, Vor 327a–327f. Rn. 17; so wohl auch Wiedemann, GesR I, 1980, § 7 III 2a bb (S. 385; siehe auch S. 382); a. A. MünchKommAktG/Heider, 2008, § 11 Rn. 51; Brändel, in: GroßkommAktG, 1992, § 11 Rn. 42; Kraft, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 11 Rn. 33. Siehe auch BGH v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 191 f. (Linotype), sowie schon v. 1.4.1953 – II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 163 (zur GmbH), und v. 27.10.1955 – II ZR 310/53, BGHZ 18, 350, 365.

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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unternehmerischen Flexibilität, das nach der vom Gesetzgeber vorgenommenen Abwägung der Rechtsstellung des Minderheitsaktionärs vorrangig ist.403 Stellt man auf die vom Gesetzgeber vorgegebene Schwelle der Beteiligung von fünf vom Hundert am Grundkapital ab, bis zu der er die Aktionäre für eine Minderheit und in Abkehr der bisherigen Einschätzung überdies für nur beschränkt schutzwürdig hält, wird deutlich, daß damit eine Zweiteilung des Schutzstandards des Aktienrechts abhängig von der Beteiligungsquote der Aktionäre verbunden ist, so daß sich die Aktionärsstellung nicht mehr einheitlich beurteilen läßt.404 402 Ein GmbH-Gesellschafter kann ohne Ausschließungsklausel nur dann ausgeschlossen werden, wenn in seiner Person ein wichtiger Grund gegeben ist, der eine Fortsetzung der Gesellschaft unter seiner Beteiligung als untragbar erscheinen läßt; st. Rspr., etwa BGH v. 23.2.1981 – II ZR 229/79, BGHZ 80, 346, 349 f., und v. 1.4.1953 – II ZR 235/52, BGHZ 9, 157, 163; B/H/Fastrich, GmbHG, 2006, Anh. 34 Rn. 3 ff.; Scholz/H.Winter/Seibt, GmbHG, 2006, Anhang § 34 Rn. 21; Ulmer/Ulmer, GmbHG, 2006, Anh. § 34 Rn. 9 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 2004, § 34 Rn. 32; Michalski/Sosnitza, GmbHG, 2002, Anh § 34 Rn. 6. Sog. Hinauskündigungsklauseln sind im Personengesellschafts- und GmbH-Recht nach der h. M. grundsätzlich unzulässig; siehe dazu BGH v. 19.9.2005 – II ZR 173/04 und II ZR 342/03, BGHZ 164, 98 und 107; Goette, GmbH, 2002, § 6 Rn. 14 mwN. Zur Zulässigkeit des Ausschlusses in den Personengesellschaften abhängig von einem wichtigen Grund bzw. aufgrund vertraglicher Ausschlußklauseln siehe Wiedemann, GesR II, 2004, § 5 I 1c (S. 303 ff.). Kritisch zu diesem eklatanten Wertungswiderspruch der § 327a ff. AktG zum GmbH-Recht Grunewald, ZIP 2002, 18, 21 (reSp.); Habersack, ZIP 2001, 1230, 1234 f. 403 In der Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 31 f., werden als Kriterien für dieses Interesse vor allem angeführt, daß die Beteiligung von Minderheitsaktionären einen „erheblichen – kostspieligen – Formalaufwand“ verursache und die Praxis zeige, „daß Kleinstbeteiligungen oftmals mißbraucht würden, um den Mehrheitsaktionär bei der Unternehmensführung zu behindern und ihn zu finanziellen Zugeständnissen zu veranlassen.“ Dabei wird die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen ausdrücklich erwähnt. 404 Die Zulassung des Ausschlusses von Minderheitsaktionären bei einer Beteiligungsquote des Hauptaktionärs von 95% am Grundkapital, § 327a Abs. 1 S. 1 AktG, also auch noch eines mit fünf Prozent am Grundkapital beteiligten Aktionärs, ist vor dem Hintergrund unverständlich, als der Gesetzgeber anführt, daß der mit fünf Prozent am Grundkapital beteiligte Aktionär nach den §§ 327a ff. AktG ausgeschlossen werden kann, da im Aktienrecht eine Beteiligung von fünf Prozent am Grundkapital eine anerkannte Festlegung einer Minderheit darstelle. Die Gesetzesbegründung zu § 327a AktG verweist dabei auf die §§ 122 Abs. 2, 258 Abs. 2, 260 Abs. 2, 265 Abs. 3 AktG, die sämtlich Minderheitenrechte von einer Beteiligung abhängig machen, die grundsätzlich dem zwanzigsten Teil des Grundkapitals entspricht; siehe Begr RegE WpÜG zu § 327a AktG, BT-Drs. 14/7034, S. 72 (liSp.). Der Gesetzgeber stellt damit nur auf die Minderheit, nicht aber auf die bisher differenzierte Sichtweise ab, ob diese besonders schutzwürdig ist oder nicht. Es wäre daher eher stringent, aus den Minderheitenrechten ab einer Beteiligungsgröße von fünf Prozent am Grundkapital abzuleiten, daß nur bei einer kleineren Beteiligung ein Ausschluß möglich ist. Dies ließe sich mit dem etwas formalistisch anmutenden Ar-

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

b) Paradigmenwechsel im Aktienrecht? Die Einführung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß stellt eine Abkehr von verbandsrechtlich geprägten Kernüberzeugungen der aktienrechtlichen Doktrin dar und enthält eine entscheidende Veränderung der Grundlagen des Aktienrechts.405 Die Aktionärsminderheit ist vornehmlich im Hinblick auf die Vermögenskomponente ihrer Beteiligung geschützt, so daß ein Eingriff in ihre Rechtsposition unter Ausgleich des vollen Wertes der Beteiligung zulässig ist,406 da die Regelungen zum Ausschluß des Minderheitsaktionärs an Stelle der mitgliedschaftlichen Bestandsgarantie eine Wertgarantie setzen. Der Gesetzgeber hat sich damit im Rahmen der §§ 327a ff. AktG weniger an der verbandsrechtlich vermittelten Position des Aktionärs orientiert, da allgemein anerkannte verbandsrechtliche Grundgedanken zurückstehen. Dies läßt sich nur rechtfertigen, wenn man die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre, die mit nicht mehr als fünf Prozent am Grundkapital beteiligt sind, vornehmlich als Anleger sieht, so daß der Entzug der Mitgliedschaft gegen Gewährung eines vollwertigen Vermögensausgleichs eine hinnehmbare Beeinträchtigung ist, was für Aktionäre börsennotierter Unternehmen als vertretbar erscheint.407 Die §§ 327a ff. AktG gründen damit auf einem gewandelten Verständnis der Rechtsstellung des Aktionärs.408 Das Gesetz selbst sieht die Beteiligung gument umsetzen, daß § 327a Abs. 1 S. 1 AktG auf „Minderheitsaktionäre“ abstellt, also zumindest zwei Minderheitsaktionäre voraussetzt, von denen demgemäß der stärker beteiligte höchstens mit fünf Prozent abzüglich einer Aktie beteiligt sein könne; dagegen jedoch zu Recht die wohl h. M. in der Lit., vgl. oben in Fn. 391. Allerdings wird so ein Gleichlauf mit §§ 319 ff. AktG sichergestellt, was der Gesetzgeber ausdrücklich anstrebte; vgl. aaO, S. 32 (liSp.). 405 So Fleischer, ZGR 2002, 757, 766 f., der von Paradigmenwechsel spricht, und ders./Kalss, WpÜG, 2002, § 1 IV 1a (S. 24), sowie ders., ZGR 2007, 500, 508; zustimmend Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 103 und S. 107 (de lege ferenda; siehe aber auch ders., ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 140: „Paradigmenwechsel nicht vollzogen“; (Hervorheb. i. Orig.)); ebenso Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 2 (S. 154); E. Vetter, AG 2002, 176, 177; Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1083; Kiem, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 329, 332; dazu auch Zöllner, GesRZ 2004, 5, 5 (reSp.); siehe auch Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 450. 406 Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 450. 407 So Zöllner, GesRZ 2004, 5, 12 (liSp.); siehe auch Hüffer, AktG, 2008, § 327a Rn. 4a; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 5; Merkt, AG 2003, 126, 133 (reSp.); Fleischer/Kalss, WpÜG, 2002, § 3 IV 4b (S. 143), und ders., ZGR 2002, 757, 770 ff.; Hanau, NZG 2002, 1040, 1047; Drygala, AG 2001, 291, 298. Siehe auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 102 f. (de lege ferenda). 408 Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433 ff. insbes. 449 f.; Fleischer, ZGR 2002, 757, 766 f.; E. Vetter, AG 2002, 176, 177 (liSp.); Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1083. Siehe auch Hopt, in: Konzernrecht für Europa, 2001, S. 278, 291, zum Squeeze out:

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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des Aktionärs im Falle des Beteiligungsverhältnisses im Sinne des § 327a AktG und § 39a WpÜG als Kapitalbeteiligung und nicht als unternehmerische Beteiligung,409 so daß dieser Aktionär bei Eingriffen in seine Mitgliedschaft auch dadurch geschützt werden kann, daß ihm „eine volle wirtschaftliche Entschädigung für den Verlust der Rechtsposition gewährt wird“.410 Zwar ist ein solcher Ausschluß nur in der besonderen Beteiligungskonstellation zulässig, daß der Hauptaktionär mit mindestens 95 % am Grundkapital un- oder mittelbar iSd. §§ 327a Abs. 2 AktG bzw. § 39a Abs. 2 WpÜG iVm. § 16 Abs. 2 und 4 AktG beteiligt ist.411 Entscheidend ist aber, daß der mit fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligte Aktionär nicht auf seinen Verbleib in der AG vertrauen kann, das AktG und das WpÜG also einen solchen Ausschluß in Abkehr des verbandsrechtlichen Verständnisses überhaupt zulassen, was den Schutz der geringer beteiligen Aktionäre deutlich relativiert und damit auf einem gewandelten Verständnis von der Rechtsstellung des Aktionärs beruht. Die mit diesem Bruch fundamentaler gesellschaftsrechtlicher Prinzipien412 erfolgte Hinwendung des Aktienrechts zu einer vermögens- und nicht verbandsrechtlichen Konzeption begründet einen Paradigmenwechsel des Leitbilds des Publikumsaktionärs als Verbandsmitglied und Kapitalanleger, da die Position des Minderheitsaktionärs auf einen bloßen Vermögensschutz reduziert wird.413 Der Gesetzgeber hat unter Heranziehung der Rechtsprechung des BVerfG eine Abwägung getroffen zwischen den Interessen am Bestandserhalt des Mitgliedschaftsrechts und dem ökonomischen Interesse des Hauptaktionärs. Die Rechtsstellung des Minderheitsaktionärs verkürzt sich dadurch nicht auf einen reinen Anlagecharakter seiner Beteiligung, da bei der Bemessung der Abfindung auch der Verlust der Herr„Dahinter stehen Grundvorstellungen über das Aktieneigentum, nämlich ob Aktieneigentum ein noch irgendwie sächlich vermitteltes Eigentum ist (Aktie bzw. Anteil an der Gesellschaft . . .) oder doch letztlich nur eine geldwerte Position . . .“; zu weitgehend Wolf, ZIP 2002, 153, 156 ff. 409 So auch MünchKommAktG/Grunewald, 2004, Vor § 327a Rn. 8 mwN. 410 Allg Begr RegE WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.). 411 Hierauf weisen Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 5 Fn. 21 (der eine ausstrahlende Tendenz auf das Aktienrecht ablehnt), ders., AG 2005, 137, 140 (liSp.), und Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 112 hin; dazu schon oben bei Fn. 346. 412 So Hanau, NZG 2002, 1040 (liSp.); strikt ablehnend auch Zöllner, GesRZ 2004, 5, 11 ff.; siehe auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327a Rn. 5: „gesellschaftsrechtlich betrachtet ein . . . Fremdkörper“. 413 So auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 103 (de lege ferenda); Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vorb. § 327a Rn. 8; Fleischer, ZGR 2002, 757, 766 f.; Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1550; zurückhaltend Zöllner, GesRZ 2004, 5, 5 f.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

schaftsrechte zu berücksichtigen ist.414 Diese haben also Vermögenswert, so daß auch der maximal fünf Prozent der Anteile haltende Minderheitsaktionär nicht bloßer Obligationär ist.415 Der Gesetzgeber mißt aber der Vermögenskomponente eine überwiegende Bedeutung zu. Die von Mestmäcker aufgestellte These zur Mehrheitsmacht in der AG beschreibt die Stellung des mit bis zu fünf Prozent am Grundkapital beteiligten Publikumsaktionärs mit der Einführung der §§ 327a ff. AktG zutreffend.416 Dieser zurückgedrängte Bestandsschutz des Aktionärs gilt allerdings nicht für den Aktionär, der über mehr als fünf Prozent der Anteile an der Gesellschaft verfügt. Dieser ist nicht Minderheitsaktionär im Sinne des § 327a AktG, so daß ihm ein höheres Maß an Rücksichtnahme entgegenzubringen ist, die auch den Schutz seines Beteiligungsbestandes umfaßt. Damit muß dieser etwa beim Bezugsrechtsausschluß einen weiterreichenden Schutz genießen.417 Damit wird aber zugleich deutlich, daß ein in dieser Größenordnung beteiligter Aktionär ein besonders zu achtendes, schutzwürdiges Interesse am Erhalt seiner Beteiligungsquote am Grundkapital der AG hat, da diese über Vermögens- oder weiterreichend Bestandsschutz der Mitgliedschaft entscheidet. Mit der Einführung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß sind Maßnahmen in der AG, die diese Beteiligungsquote verschieben, daher insoweit weiterhin strengen Rechtmäßigkeitsanforderungen zu unterziehen. 4. Tendenzen in der jüngeren Rechtsprechung des BGH Mit der Sichtweise des BVerfG vom Minderheits- bzw. Kleinaktionär geht die jüngere Rechtsprechung des BGH einher, die richtungsweisende Neuorientierungen im System des Aktionärsschutzes beinhaltet.418 414 Dazu Begr RegE WpÜG zu § 327b AktG, BT-Drs. 14/7034, S. 32 (reSp.): bei der Bemessung sind „wertmäßig sowohl mitgliedschaftliche Herrschaftsrechte als auch Vermögensrechte der Minderheitsaktionäre zu berücksichtigen“. 415 Hierzu Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 1. Kap. Rn. 5 (S. 6); Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 109 (de lege ferenda); Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 139 Rn. 2. 416 Mestmäcker, Verwaltung, 1958, S. 352, in Anlehnung an das Preußische ALR: „Der Aktionär muß dulden, aber er kann liquidieren“. Siehe auch K. Schmidt, NZG 2001, 601, 603 (reSp.), zur Macrotron-Entscheidung des BGH (dazu unten S. 173 f.): „ ‚Dulde und liquidiere‘, heißt die uns aus der jüngeren Entwicklung des Aktienrechts nur zu bekannte Devise.“ Hierzu auch Seibert, NZG 2007, 841, 845 (liSp.). A. A. Habersack, AG 2005, 137, 140 (liSp.). 417 Hierzu Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433, 450; Fleischer, ZGR 2002, 757, 789; Bayer, Gutachten 67 DJT, 2008, S. 102 f. (de lege ferenda). 418 So K. Schmidt, NZG 2003, 601, in seiner Entscheidungsanmerkung zu BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 (Macrotron). Siehe auch Noack/

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a) Entscheidungen zu bewertungsbezogenen Informationsmängeln Die Neufassung des § 243 Abs. 4 AktG durch das UMAG, wonach bestimmte Informationsmängel dem Spruchverfahren zugewiesen werden, fußt auf zwei Entscheidungen des BGH zu Fällen des Formwechsels, wonach Anfechtungsklagen gegen Umwandlungsbeschlüsse nach § 193 UmwG, mit denen Verletzungen von Informations-, Auskunfts- oder Berichtspflichten geltend gemacht werden, dem umwandlungsrechtlichen Klageausschluß unterliegen, den § 210 UmwG zugunsten des Spruchverfahrens vorsieht. Das Anfechtungsverfahren und der Bestandsschutz des Aktionärs werden in diesem Fall zugunsten des Rechtsschutzes im Spruchverfahren und der Sicherung der Vermögenskomponente der Beteiligung bei bewertungsbezogenen Informationsmängeln zurückgedrängt.419 Der fundamentale Unterschied des Rechtsschutzes bei solchen Umwandlungs- und Strukturmaßnahmen wird in der Zusammenschau mit den vom BVerfG aufgezeigten Rechtsschutzmöglichkeiten bei der übertragenden Auflösung und im Falle des sogleich zu besprechenden Delisting deutlich.420 Der BGH setzt damit statt der Anfechtungsklage auf das Spruchverfahren, was zeigt, daß auch im Zusammenhang mit grundlegenden Entscheidungen über die Mitgliedschaftsstellung des Aktionärs der durch die Anfechtungsklage gesicherte Bestandsschutz nicht durchgängiges Schutzziel ist.421 b) Das Macrotron-Urteil Im Macrotron-Urteil hat der BGH für den Fall des Delisting ausgeführt,422 daß der Schutz der Minderheits- und Kleinaktionäre statt des AnZetsche, ZHR 170 (2006), 218, 232, zu den in der folgenden Fußnote genannten Entscheidungen: Übergang von der Mitgliederstellung mit Kassationsanspruch zu einer Anlegerstellung mit Ausgleichsanspruch; dazu auch Mülbert, in: FS Ulmer, 2003, S. 433 ff.; E. Vetter, AG 2002, 176, 177. 419 Vgl. BGH v. 18.12.2000 – II ZR 1/99, BGHZ 146, 179, 181 (MEZ), und v. 29.1.2001 – II ZR 368/98, NJW 2001, 1428 (Aqua Butzke). Der Rspr. zustimmend etwa Hüffer, AktG, 2008, § 243 Rn. 18b; Noack/Zetsche, ZHR 170 (2006), 218, 231 ff.; Veil, AG 2005, 567, 569 f.; Hirte, ZHR 167 (2003), 8 ff.; kritisch Luttermann, BB 2001, 382, 383 (reSp.). Siehe zur Neufassung des § 243 Abs. 4 AktG durch das UMAG oben S. 119 f. 420 Zu weiteren Konstellationen außerhalb des § 1 SpruchG Hirte, ZHR 167 (2003), 8, 25 ff.; Noack/Zetsche, ZHR 170 (2006), 218, 236 ff. 421 Zum Verhältnis des Spruch- zum Anfechtungsverfahren BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97, DNotZ 2000, 868, 874 (Moto Meter), oben Fn. 370, und zum Delisting BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 (Macrotron). 422 Zu den Details des Delisting, also dem Rückzug der Gesellschaft aus dem Amtlichen Handel und dem geregelten Markt an allen Börsen durch den Antrag des Vorstandes auf Widerruf der Zulassung der Aktien zur Börsennotierung nach §§ 38

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fechtungs- durch das Spruchverfahren im Hinblick auf das Pflichtangebot zum Kauf der Aktien durch die Gesellschaft oder den Großaktionär zu gewährleisten sei, was dem Vermögensschutz dient.423 Entgegen verschiedener Stimmen im Schrifttum stützt sich dabei das Beschlußerfordernis der Hauptversammlung nicht auf eine ungeschriebene Kompetenz im Sinne der Holzmüller-Doktrin,424 sondern auf den verfassungsrechtlich gewährleisteten Eigentumsschutz, da der Verkehrswert und die jederzeitige Möglichkeit seiner Realisierung Eigenschaften des Aktieneigentums im Sinne des Art. 14 GG seien.425 Durch das Delisting werde insbesondere nicht in den Bestand des Mitgliedschaftsrechts, die Mitgliedschaft als Vermögensbeteiligung oder die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs durch Mediatisierung seiner Mitwirkungsrechte eingegriffen, sondern ihre Verfügbarkeit eingeschränkt.426 Dieser verfassungsrechtliche Individualschutz wiederum bilde bei börsennotierten Gesellschaften einen unerläßlichen Bestandteil des Rechtsverhältnisses zwischen Gesellschaft und Aktionär.427 Da der Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes nicht in den Händen der Geschäftsleitung, sondern der Hauptversammlung liege, sei für Entscheidungen hierüber auch die Hauptversammlung zuständig.428 Abs. 4, 52 Abs. 2 BörsG a. F. (jetzt: Widerruf der Zulassung der Aktien zum Handel im regulierten Markt gemäß § 39 Abs. 2 BörsG n. F.) Henze, in: FS T. Raiser, 2005, S. 145 ff. Zu Fragen, die durch die Macrotron-Entscheidung aufgeworfen wurden, K. Schmidt, NZG 2003, 601, 604 (liSp.); Lutter, JZ 2003, 684, 686 (reSp.). 423 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 (Macrotron); Vorinstanzen LG München I v. 4.11.1995 – 5 HKO 10580/99, BB 1999, 2634, und OLG München v. 14.2.2001 – 7 U 6019/99, AG 2001, 364. 424 Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 24; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 43, und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 51; siehe auch Liebscher, ZGR 2005, 1, 19 f. Gegen eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung Habersack, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 35 Rn. 7 (S. 1038 f.); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 38, und ders., AG 2005, 137, 141 (reSp.); siehe auch Reichert, AG 2005, 150, 155; Arnold, ZIP 2005, 1572, 1574 (reSp.). 425 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 55 (Macrotron), unter Verweis auf die DAT/Altana-Entscheidung des BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/ 94, BVerfGE 100, 289, 305 f. Dazu K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603 (liSp.); Schön, in: FS Ulmer, 2003, S. 1359, 1382 f. Kritisch Henze, in: FS T. Raiser, 2005, S. 145, 150 ff.; Arnold, ZIP 2005, 1572, 1575 (reSp.); Wirth/Arnold, ZIP 2000, 111 ff. Hierzu jetzt auch BVerfG v. 19.4.2007 – 1 BvR 1995/06, ZIP 2007, 1055, 1055 (reSp.) (Jenoptik). 426 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54; der BGH nimmt dabei neben den Regelungen der §§ 327a ff. AktG und der Holzmüller-Entscheidung v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 ff. (Holzmüller), auch auf die Kali+Salz-Entscheidung v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, und die Guano-Entscheidung v. 20.5.1997 – II ZB 9/96, BGHZ 135, 374, 378 f., Bezug. 427 Siehe hierzu auch K. Schmidt, NZG 2003, 601, 602 (reSp.). 428 Vgl. BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 55.

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Der BGH stellt die Entscheidungsbefugnis der Hauptversammlung nicht in eine Linie mit anderen Beschlußkompetenzen zum Schutz des Beteiligungsvermögens der Aktionäre,429 so daß in der Konsequenz an den Beschluß geringe Anforderungen zu stellen sind und der Beschlußfassung keine weitergehende Schutzwirkung zukommt.430 Hierzu führt der BGH unter Verweisung insbesondere auf den Beschluß des BVerfG vom 23.8.2000 aus,431 daß ein adäquater Schutz der Minderheitsaktionäre nur dadurch erreicht werden könne, daß ihnen mit dem Beschlußantrag ein Pflichtangebot über den Kauf ihrer Aktien durch die Gesellschaft oder durch den Großaktionär vorgelegt werde.432 Es erscheine „nicht zweckmäßig, die Möglichkeit der Überprüfung, ob das Kaufangebot dem Verkehrswert der Aktien entspricht, durch das Institut der Anfechtungsklage sicherzustellen. . . . [Vielmehr] kann den Belangen der Beteiligten eher dadurch entsprochen werden, daß die Höhe des Angebotsbetrages in einem dafür geschaffenen Verfahren (Spruchverfahren) geklärt wird“.433 Der BGH liegt insoweit auf einer Linie mit dem BVerfG, wenn der Hauptversammlung der Eingriff in das Aktieneigentum einer Aktionärsminderheit, deren Beteiligungsquote indes nicht definiert wird, erlaubt ist, allerdings nur gegen Abfindung zum vollen Wert und dahingehendem Rechtsschutz.434 Daß der Senat dabei mehr die Entschädigung für den Verlust effektiver Veräußerungschancen als den Schutz 429

So stehen Entscheidungen etwa über den Bezugsrechtsausschluß nach § 186 Abs. 3 AktG oder Unternehmensverträge nach §§ 291, 293 ff. AktG in der Kompetenz der Hauptversammlung; siehe auch Lutter, JZ 2003, 684, 686 (liSp.), und zu solchen Beschlußkompetenzen näher unten S. 237 ff. 430 Der Senat läßt eine einfache Mehrheit genügen und verzichtet auf das Erfordernis eines Vorstandsberichts iSd. §§ 186 Abs. 4 S. 2 AktG, 8 UmwG wie auch auf eine Inhaltskontrolle des Beschlusses. Kritisch Lutter, JZ 2003, 684, 686 (liSp.); K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603 (reSp.) („bloße Legitimationskosmetik“). 431 BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97, DNotZ 2000, 868, 874 f. (Moto Meter). 432 Dazu schon Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 381, der als alternative Lösungswege eine Inhaltskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses oder ein Pflichtangebot, die Aktien zum vollen Wert zu übernehmen, diskutiert, für den ersten Fall aber anführt, daß im Falle der Wirksamkeit des Beschlusses die Minderheit nicht vor Verlusten geschützt sei. 433 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 57 f. Insoweit zustimmend K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603 (reSp.). 434 Der BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54, sowie das BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95 und 147/97, DNotZ 2000, 868 (Moto Meter), sprechen von Minderheits- und Kleinaktionär vornehmlich als Kapitalanleger, ohne diese Begriffe aber anhand einer Beteiligungsquote näher zu bestimmen. Anhaltspunkte gibt der Sachverhalt der Macrotron-Entscheidung, wonach 1,07% der Stammaktien und 8,5% der Vorzugsaktien der Gesellschaft sich im Streubesitz befanden, und der Moto Meter-Entscheidung, wonach der Hauptaktionär knapp 99% des Aktienkapitals hielt.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

der Minderheitsaktionäre vor einer Entscheidung der Verwaltung über den Rückzug von der Börse ohne Beteiligung der Hauptversammlung im Sinn hat,435 zeigt sich, wenn er ausführt, daß im Gegensatz zum „Großaktionär oder . . . Paketbesitzer, die mit ihrer Beteiligung unternehmerische und nicht lediglich Anlageinteressen verfolgen,“ für den „Minderheits- und Kleinaktionäre, deren Engagement bei einer Aktiengesellschaft allein in der Wahrnehmung von Anlageinteressen besteht, der Wegfall des Marktes hingegen wirtschaftlich gravierende Nachteile“ mit sich bringt.436 Ungeachtet des verfassungsrechtlichen Ansatzes, der im Schrifttum auf Kritik stößt,437 wird deutlich, daß der Minderheitsaktionär nach der Sichtweise des BGH weniger als Verbandsmitglied vor einem von der Aktionärsmehrheit getragenen Eingriff in die Mitgliedschaft denn kapitalmarktorientiert in seiner Stellung als Anleger am Kapitalmarkt mit dem Interesse an einer leichten Desinvestition seiner Anlage geschützt werden soll.438 5. Exkurs: Einige Anmerkungen zur börsenfernen, geschlossenen AG Da der Gesetzgeber davon abgesehen hat, den Ausschluß von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG als kapitalmarktbezogenes Rechtsinstitut lediglich für die börsennotierte Gesellschaft zuzulassen, ist der Aktionär unabhängig von einer Kapitalmarktorientierung der Gesellschaft von dieser Regelung betroffen. Dies rechtfertigt allerdings nicht, diese Sichtweise von der Rechtsstellung des Aktionärs unbesehen auf die börsenferne, geschlossene AG zu übertragen, auch wenn der Anwendungsbereich der §§ 327a ff. AktG sich nicht auf die börsennotierte AG beschränkt. In der Gesetzesbegründung zur Einführung der §§ 327a ff. AktG, die in der Gesetzesbegründung zu § 39a WpÜG bekräftigt wird, stützt sich der Gesetzgeber bei seinen kapitalmarktorientierten Ausführungen auf die Argumentationslinie des BVerfG. Die dort in Frage stehende Beteiligung der Aktionäre bezog sich in der Moto Meter-Entscheidung sowie in der Feldmühleund der DAT/Altana-Entscheidung, auf die vor allem in der Begründung der Sichtweise der Kleinaktionäre vornehmlich als Kapitalanleger mehrfach Be435

Dazu auch Habersack, AG 2005, 137, 141 (liSp.). BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54. 437 Die verfassungsrechtliche Herleitung ablehnend Habersack, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 35 Rn. 7 (S. 1038 f.); Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 38, und ders., AG 2005, 137, 141 (liSp.), je mwN.; ebenso Lutter, JZ 2003, 684, 686; K. Schmidt, NZG 2003, 601, 603 (liSp.). 438 Wohl ebenso Habersack, AG 2005, 137, 138 (reSp.). 436

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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zug genommen wird, jeweils auf die Stellung als Minderheitsaktionäre in börsennotierten Aktiengesellschaften. Überdies erstreckt sich die vom Gesetzgeber in den Begründungen der Reformgesetze ausgeführte Sichtweise des Kleinaktionärs als Anleger regelmäßig auf die börsennotierte AG.439 Schon allein deshalb können die Überlegungen zur Rechtsstellung des Aktionärs in der börsennotierten AG nicht unbesehen auf die geschlossene AG übertragen werden. Vor allem bestehen aber dort andere Bindungen gegenüber der Gesellschaft und den übrigen Gesellschaftern und auch der geringer beteiligten Aktionäre, so daß bei der Bestimmung der Rechtsstellung der Aktionäre die Realstruktur der Gesellschaft besonders zu berücksichtigen ist.

IV. Die Rechtsstellung des Publikumsaktionärs Das Verhältnis von Bestandsschutz der Mitgliedschaft und Vermögensschutz der Beteiligung zeigt die Bedeutung der Vermögenskomponente des Aktionärs und das damit korrelierende Erfordernis des Schutzes dieser Position auf. Nach der Rechtsprechung des BVerfG und dies fortführend im Falle des Vorgehens nach den §§ 327a ff. AktG und § 39a WpÜG wird der mit nicht mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligte Aktionär formell durch die Einräumung wirksamer Rechtsbehelfe und materiell durch eine volle wirtschaftliche Entschädigung bei Eingriffen in seine Mitgliedschaft geschützt. 1. Die Bedeutung der Vermögenskomponente der Aktie für den Publikumsaktionär Zugleich wird deutlich, daß die Attraktivität der Anlage in Aktien und damit die Verwirklichung des Regelungsziels der Kapitalsammelfunktion der Publikums-AG insbesondere für den mit maximal fünf Prozent am Grundkapital beteiligten Aktionär einen uneingeschränkten Schutz seiner Kapitalanlegerstellung bedingt. Nicht nur für den einflußunwilligen und einflußlosen Kleinaktionär hat damit die Vermögenskomponente eine vornehmliche Bedeutung, sondern auch für den Aktionär, der bei einer Beteiligung von im Grenzfall fünf Prozent am Grundkapital insbesondere über die Ausübung von Minderheitenrechten Einfluß nehmen kann.440 Mit der Zurück439 Siehe etwa Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.), und Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 16 (reSp.), zur Fassung des § 110 Abs. 3 AktG; dazu schon oben in Fn. 189. 440 So z. B. durch seinen Antrag auf Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen die Verwaltung nach § 147 AktG; siehe dazu und zu weiteren Minderheitsrechten oben bei Fn. 287.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

drängung des mitgliedschaftlichen Schutzes des Aktionärs gewinnen die kapitalmarktlichen Interessen, also seine Anlegerinteressen an Bedeutung. Diese sind damit im Binnenorganisationsrecht der AG verstärkt zu berücksichtigen, um die Beteiligung an der Publikumsgesellschaft auch für diese Aktionäre attraktiv zu gestalten und damit die vom Gesetzgeber gewünschte breite Streuung des Eigentums auf dem Gebiet des Aktienwesens zu gewährleisten.441 Wie schon Hopt früh ausgeführt hat, ist die Anlageorientierung der Aktionäre nicht zum Anlaß zu nehmen, den Schutz generell weiter zurückzunehmen; vielmehr bedarf der Schutz der Vermögensinteressen insbesondere dieser Aktionäre besonderer Berücksichtigung, da sie keinen oder nur geringfügigen Einfluß auf das Gesellschaftsgeschehen nehmen können.442 2. Die Bedeutung der Herrschaftsrechte, insbesondere des Stimmrechts für den Publikumsaktionär Mit der Einführung der §§ 327a ff. AktG hat der Gesetzgeber nicht dem geringen Interesse der Publikumsaktionäre an einer Einflußnahme gegengesteuert, sondern dieses Verhalten als Begründung für den Abbau des verbandsrechtlichen Schutzes der Beteiligung der Minderheitsaktionäre herangezogen und damit die Bedeutung der Mitwirkungsrechte weiter geschmälert. Verständlich wird diese Entwicklungsrichtung erst vor dem Hintergrund der Ausgestaltung der Herrschaftsrechte nach dem AktG 1965. Die Interessenrichtung des Publikumsaktionärs ist Folge der gesetzlichen Ausgestaltung, die der Gesetzgeber des AktG 1965 im Interesse der Funktionsfähigkeit der Publikums-AG bewußt in Kauf genommen hat. Die Zurückdrängung der Hauptversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung begründet der Gesetzgeber des AktG 1965 vornehmlich mit deren fehlendem Sachverstand. Nach der Regierungsbegründung zu den §§ 76 ff. AktG haben die „Aktionäre . . . im allgemeinen weder die Zeit noch die Übersicht, um Geschäftsführungsfragen unter Würdigung aller Gesichtspunkte entscheiden zu können.“443 a) Bedeutung der Herrschaftsrechte Schon der Gesetzgeber des AktG 1965 hat die Problematik der Ausübung von Beteiligungsrechten der Publikumsaktionäre gesehen, wenn er einerseits 441 442 443

Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines II, bei Kropff, AktG, 1965, S. 14. Hopt, ZHR 141 (1977), 389, 428. Begr RegE zum Vierten Teil des AktG 1965, bei Kropff, AktG, 1965, S. 96.

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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ausführt, daß die „Hauptversammlung den Einfluß erhalten muß, der der Eigentümerstellung der Aktionäre entspricht“, anderseits aber betont, daß sich „die Gesellschaft wirtschaftlich betätigen soll . . . und ihrer Aufgabe nur gerecht werden kann, wenn für eine sachkundige und entschlußfähige Geschäftsführung gesorgt ist“.444 Im Sinne der Funktionsfähigkeit der AG wurden die Teilhaberechte nicht gestärkt, was auch dem Interesse der Publikumsaktionäre entspricht. Mit den aktienrechtlichen Reformgesetzen wird diese Linie fortgesetzt und spitzt sich für den Minderheitsaktionär zu, da seine Beteiligungsrechte wie seine Beteiligung selbst nur noch beschränkt geschützt sind. Was für den Kleinaktionär auf der Hand liegt, wird für den institutionellen Anleger deutlich, wenn man seine Interessen und dabei insbesondere die oben dargestellte Diversifikationspolitik der institutionellen Anleger betrachtet.445 Mag anhand dieser Begründung noch nicht ausreichend deutlich werden, daß dies nach Ansicht des Gesetzgebers gleichermaßen für Kleinaktionär und institutionellen Anleger gilt, so führt die Gesetzesbegründung zur Änderung des Vollmachtsstimmrechts der Banken nach § 128 AktG deutlich aus, daß hierdurch „den Aktionären eine einfache und kostengünstige Möglichkeit [geboten wird], ihre Stimmen in der Hauptversammlung vertreten zu lassen. Auch diejenigen Kleinaktionäre und institutionellen Anleger, die aus ökonomisch einsichtigen Gründen einen eigenen Überwachungsaufwand nicht betreiben oder die sich als reine Finanzanleger sehen, können auf einfachem Wege die Stimmrechtsausübung delegieren.“446 Der Gesetzgeber geht also davon aus, daß sowohl Kleinaktionäre wie auch institutionelle Anleger an der eigenen Ausübung ihrer Beteiligungsrechte nur beschränkt Interesse haben. Vor diesem Hintergrund erscheint auf den ersten Blick fraglich, warum der Gesetzgeber ohne Differenzierung unternehmerisch interessierten und rein anlageorientierten Aktionären Stimmrechte zugesteht. Die Ausführungen des Gesetzgebers des AktG 1965 zu der Ausformung der Einflußnahme des Aktionärs und der Leitungsverantwortung der Verwaltung zeigen aber auf, daß die faktische Bedeutungslosigkeit des Stimmrechts des Publikumsaktionärs, insbesondere des Kleinaktionärs im Spannungsfeld zwischen der Einflußmöglichkeit der Eigentümer der Gesellschaft und der wirtschaftlichen Funktionsfähigkeit der Gesellschaft steht. Ein von der Beteiligungsgröße abhängiges Bestehen des Stimmrechts würde dieser aktienrechtlichen Kompromißlösung widersprechen. Überdies wird dem Stimmrecht auch der 444

Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines II, bei Kropff, AktG, 1965, S. 14; dazu schon oben S. 81 f. 445 Vgl. oben bei S. 132 f. 446 So Begr RegE KonTraG zu § 128 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 11 (liSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Kleinaktionäre vom Kapitalmarkt ein Wert zugemessen, so daß es schon allein unter rein ökonomischer Betrachtung nicht wertlos ist.447 b) Einordnung des Rechts auf Teilhabe an der Willensbildung in der Hauptversammlung Wenn in der Gesetzesbegründung zum KonTraG ausgeführt wird, daß die „Hauptversammlungen der Publikumsgesellschaften . . . ein Forum für eine inhaltliche Auseinandersetzung über die Geschäftspolitik, die Arbeit der Verwaltung und die in der Verantwortung der Hauptversammlung liegenden unternehmensstrukturellen Maßnahmen sein“ sollen,448 und in der Begründung zum UMAG davon gesprochen wird, daß die Hauptversammlung eine „auf die wesentlichen strategischen Entscheidungen konzentrierte . . . Plattform“ ist,449 so ist fraglich, ob dies wünschenswert erscheint. Jedenfalls ist aber eine Übergewichtung der Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung weder von der Mehrzahl der Aktionäre gewollt noch praktisch durchsetzbar oder gar ökonomisch sinnvoll. Die Interessenlage der Publikumsaktionäre rechtfertigt nicht nur, der Hauptversammlung die Entscheidung über Alltagsfragen der Geschäftsführung zu verwehren und dem Vorstand die Leitungsaufgabe nach § 76 Abs. 1 AktG zuzuweisen.450 Vielmehr wird auch deutlich, daß eine Verbesserung der Stellung des Aktionärs nur begrenzt durch Mechanismen möglich ist, die auf die Mitwirkungsbereitschaft und den Willen zur verbandsinternen Koalitionsbildung bei der Wahrnehmung ihrer Interessen aufbauen.451 Das AktG nimmt also die nur beschränkte Einflußmöglichkeit der normtypischen Aktionäre im Interesse der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft in Kauf, die durch die Leitungsverantwortung des Vorstandes und die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrates ausgeglichen wird. Das Gesetz sieht daher die geringe Einflußmöglichkeit und das damit korrelierende geringe Interesse an der Ausübung von Mitverwaltungsrechten als Notwendigkeit für die Funktionstüchtigkeit der AG an. Der auf die Rendite gelegte Interessenschwerpunkt ist also nicht negative Folge einer ungenügenden Gesetzesausformung, sondern die vom Gesetzgeber beabsichtigte Konsequenz der Struktur der Publikums-AG. 447

Dazu G. H. Roth, ZIP 2003, 369, 377. Begr RegE KonTraG zu § 129 Abs. 1 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 19 (reSp.). 449 Begr RegE UMAG zu § 131 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 17 (reSp.). 450 So Begr RegE Vierter Teil des AktG 1965, bei Kropff, AktG, 1965, S. 96: „Die Hauptversammlung soll, wie im geltenden Recht, nur dann über Geschäftsführungsfragen entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§ 119 Abs. 2).“ 451 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379. Siehe auch Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 3 III 2 (S. 84 f.). 448

D. Rechtsstellung zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung

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Allerdings hat der Gesetzgeber das Desinteresse und die mangelnde Erfahrung des normtypischen Publikumsaktionärs nicht zum Anlaß genommen, ihm die Entscheidung über die grundlegende Ausrichtung der Gesellschaft zu entziehen und die Finanzierungsbeziehung ähnlich einer Anlage in einem Investmentfonds auszugestalten. Aus der geringen Möglichkeit der Einflußnahme durch die Ausübung des Stimmrechts des Kleinaktionärs und dem eingeschränkten Schutz seiner Herrschaftsrechte ist daher insbesondere nicht zu folgern, daß der Kleinaktionär bzw. Minderheitsaktionär der börsennotierten Gesellschaft nur Investor und nicht Mitglied ist. Dies mag zwar der Interessenlage vieler Kleinaktionäre entsprechen, verwischt aber die strukturellen Unterschiede zwischen der Stellung des Aktionärs einerseits und des Inhabers eines Optionsscheins oder einer Anleihe andererseits und entspricht nicht der vom Gesetzgeber gewollten Kompetenzverteilung nach § 119 AktG.452 Vielmehr sind die Aktionäre etwa bei Satzungsänderungen, Eigenkapital- und Konzernbildungsmaßnahmen sowie bei Umwandlungsvorgängen zwingend zu beteiligen.453 Diese grundlegenden Entscheidungen betreffen Maßnahmen, die über das Gesellschaftsgeschehen hinausgehen, auch die im Verhältnis von Aktionär und AG getroffene Kapitalanlage betreffen und damit wegen der Bedeutung für die Anlage zugleich eine Investmententscheidung darstellen.454 Hier verfängt das Argument des fehlenden Sachverstands nicht, so daß die Aktionäre somit ebenso zu entscheiden haben wie beim Kauf und Verkauf ihrer Anlage. 3. Anlegerinteressen und Binnenorganisationsrecht Das neu justierte Verhältnis von Bestandsschutz der Mitgliedschaft und Vermögensschutz der Beteiligung und die gesetzgeberische Ausformung der Herrschaftsrechte des Publikumsaktionärs zeigt die Bedeutung der Vermögenskomponente seiner Beteiligung und das damit korrelierende Erfordernis des Schutzes dieser Position auf. Lutter hat darauf hingewiesen, daß die Stellung der Gesellschafter im Verband um so mehr in den Hintergrund rückt, je stärker die Gesellschafter ihre Beteiligung als Kapitalanlage be452

Dazu etwa auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 5; Bayer, ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 139. Nach der lex lata ist daher auch die Abschaffung des Aktienstimmrechts nicht möglich; zu diesem Ansatz G. H. Roth, Treuhandmodell, 1972, S. 206 ff. 453 Siehe dazu § 179, § 71 Abs. 1 Nr. 6 bis 8, §§ 182, 192, 202, 207, 221, 222 AktG, § 293 f. AktG und §§ 12, 65, 125, 193, 233, 240 UmwG. Die Begr RegE DeregulierungsG zu § 130 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 9 (reSp.), spricht von „Grundlagenbeschlüssen“. 454 Hierauf weist Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 (liSp.), hin. Siehe auch Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 3 III (S. 83 ff.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

trachten.455 In der börsennotierten Publikumsgesellschaft ist diese Entwicklung im Hinblick auf den Publikumsaktionär weit fortgeschritten, da die Anlegerstellung des Aktionärs und seine kapitalmarktbezogenen Anlegerinteressen in den Vordergrund gerückt sind, was vom Gesetzgeber nachvollzogen wurde. Die nur beschränkte Möglichkeit der Einflußnahme auf das Verhältnis zur AG und das damit entgegengebrachte gesteigerte Vertrauen im Hinblick auf den Schutz der vermögensmäßigen Beteiligung der Aktionäre führt zum Erfordernis eines gesteigerten Schutzes seiner Anlegerinteressen auch durch aktienrechtliche Schutzinstrumentarien. Damit ist aber noch nicht beantwortet, ob die kapitalmarktbezogenen Interessen des Aktionärs, sprich seine Anlegerinteressen als Wertungsprinzip im Gesellschaftsrecht auch durch eine Stärkung der verbandsrechtlichen Aktionärsrechte zu erreichen oder er verstärkt durch kapitalmarktrechtliche Institute zu schützen ist. Die gesetzlichen Regelungsziele der Aktienrechtsreform der letzten Jahre legen eine solche Ausrichtung der verbandsrechtlichen Rechte des Aktionärs nahe. Eine Verbesserung der Stellung des Aktionärs als Anleger läßt sich allerdings auch über kapitalmarktrechtliche Mittel erreichen. Die verschiedenen Möglichkeiten zur Verwirklichung des normativen Regelungsziels der Verbesserung des Anlegerschutzes und der Ausrichtung der Geschäftspolitik auf die langfristige Wertsteigerung der Anlage sind damit im Hinblick auf ihre Effizienz für den Anlegerschutz und ihre Vereinbarkeit mit dem Finanzierungsinteresse der AG zu vergleichen. Hierfür ist zu klären, ob das Verbandsrecht auch den Anlegerschutz in sich aufnimmt und auch diesem Regelungsziel dient oder es sich hierbei um getrennte Regelungsziele handelt. Im nachfolgenden Abschnitt ist dafür zu untersuchen, ob die aktienrechtlichen Organisationsregelungen, die den innergesellschaftlichen Bereich betreffen, auch der Stellung des Aktionärs als Anleger am Kapitalmarkt Rechnung tragen, so daß diese auch einem innerverbandlichen Anlegerschutz dienen.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht Die These vom Schutz der vermögensmäßigen Beteiligung des Aktionärs im Hinblick auf seine Anlegerinteressen durch kapitalmarkt- und aktienrechtliche Mittel ist nachfolgend zu konkretisieren. Dafür ist aufzuzeigen, inwiefern sich ein innerverbandlicher Anlegerschutz aus dem Verbandsrecht entnehmen läßt. Hierfür sind die Aufgabenteilungen zwischen marktlichem 455 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 126; dem zustimmend Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1095.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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und innergesellschaftlichem Anlegerschutz näher zu beleuchten und den verschiedenen Risiken des Anlegers und alternativen Schutzmöglichkeiten nachzugehen. Neben den Mechanismen des marktlichen und innergesellschaftlichen Anlegerschutzes und ihren Überschneidungen soll erörtert werden, ob und gegebenenfalls in welchen Bereichen sich der Anlegerschutz nur durch innergesellschaftliche Schutzmechanismen gewährleisten läßt. Die Darstellung mündet in die Untersuchung des Verhältnisses von innergesellschaftlichem Anlegerschutz und dem Schutz der Aktionärsstellung nach verbandsrechtlichen Zielsetzungen.

I. Aktienrecht und Kapitalmarktrecht Die Frage, inwiefern der Schutz der Anlegerinteressen des Aktionärs durch die eine oder andere Rechtsmaterie zu erreichen ist, hat beim Verhältnis von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht und den daraus zu folgernden Schutzmechanismen für den Aktionär anzusetzen. 1. Verbindungslinien und Überschneidungen Aufbauend auf der abstrakten Darstellung der Schutzrichtungen von Aktien- und Kapitalmarktrecht im Ersten Teil ist zu erörtern, ob Kapitalmarktund Gesellschaftsrecht mit dem Anlegerschutz ein gemeinsames übergeordnetes Regelungsziel in der Weise beinhalten, daß sich der Anlegerschutz sowohl durch kapitalmarktrechtliche als zumindest teilweise auch durch verbandsrechtliche Regelungen verwirklichen läßt. a) Unvereinbarer dogmatischer Gegensatz zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht? Es erscheint fraglich, ob der Charakter des Kapitalmarktrechts und des Verbandsrechts eine gegenseitige Ergänzung im Interesse des Schutzes des Aktionärs als Verbandsmitglied und Anleger zuläßt, da ein grundlegender dogmatischer Gegensatz zwischen dem rechtsformbezogenen Gesellschaftsund dem rechtsformübergreifenden Kapitalmarktrecht besteht.456 Das Kapitalmarktrecht als zumeist öffentlich-rechtliche Materie hat überwiegend zwingenden Charakter und sieht den Aktionär als Anleger auf dem Kapital456 So schon Kübler, SZW, 1995, 223, 225, und ders., AG 1994, 141, 145 ff.; ähnlich Schwark. in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1531, ders., in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1091 f., und ders., ZGR 1976, 271, 275. Siehe auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.392 (S. 1357).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

markt.457 Der von ihm vermittelte Anlegerschutz zielt nicht auf den Aktionär in seiner Stellung als Mitglied der AG, sondern auf jeden gegenwärtigen oder potentiellen Investor am Kapitalmarkt ab.458 Das rechtsform- und organisationsbezogene, grundsätzlich dispositive Gesellschaftsrecht ist dagegen als Teil des Privatrechts vom Grundsatz der Privatautonomie beherrscht; Grenzen bestehen an sich nur in den allgemeinen Schranken des Zivilrechts und bestimmten Typusmerkmalen, die im Verbandsrecht zwingend sind.459 Jedoch verbindet der Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 S. 1 AktG die Wertungen, die dem meist zwingenden Charakter des Kapitalmarktrechts und dem Grundsatz der Privatautonomie, der im Mittelpunkt des Verbandsrechts steht, zugrunde liegen.460 Mit der Einschränkung der Satzungsautonomie als zentralem Steuerungsinstrument im Interesse auch künftiger Aktionäre, deren Zweck herkömmlich in der Sicherstellung der Verkehrsfähigkeit der Aktien, der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte und der Einsparung von Transaktionskosten sowie dem Schutz der Kapitalanleger gesehen wird,461 rückt das Aktienrecht von der zwischen den Parteien bestehenden Privatautonomie des Vertragsrechts ab und ähnelt aufgrund seiner zwingenden Wirkung eher dem von Gleichordnung losgelösten öffent457 MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63; Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 6; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.436 f. (S. 1370 f.); siehe auch Assmann/Schneider, WpHG, 2006, Vor § 21 Rn. 6, und ders., AG 2001, 269, 271 f. 458 Assmann/Schneider, WpHG, 2006, Einl. Rn. 1; siehe auch Schäfer, NJW 2008, 2536, 2549 (reSp.); MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 60. 459 Vgl. dazu K. Schmidt, GesR, 2002, § 5 III (S. 109 ff.); Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 120 ff.; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 60, und ders., AG 2008, 598, 598 (liSp.); siehe auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, Kap. 5 4b (S. 239). 460 Vgl. Procaccia, ZGR 1990, 169, 179; siehe auch Fleischer, ZHR 168 (2004), 672, 686 ff.; zum Verhältnis von zwingendem und dispositivem US-Gesellschaftsrecht Easterbrook/Fischel, Corporate Law, 1991, S. 22 ff. sowie Romano, Corporate Law, 1993, Kapitel 1 (S. 1 ff.) und 5 (S. 85 ff.); dazu schon oben bei S. 34 ff. 461 Daneben werden noch Rechtssicherheit und -klarheit aufgrund der Vermeidung von Streitigkeiten über die Satzungsauslegung genannt. Zu den Schutzrichtungen des § 23 Abs. 5 S. 1 AktG in jüngerer Zeit Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 9, 27 ff.; Hüffer, AktG, 2008, § 23 Rn. 34; MünchKommAktG/Pentz, 2008, § 23 Rn. 150; Spindler, AG 2008, 598, 600 ff., und ders., in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 22. Kap. Rn. 45 ff. (S. 1025 f.); Henssler/Wiedemann, aaO, 1. Kap. Rn. 10 (S. 8); Spindler/Stilz/Limmer, AktG, 2007, § 23 Rn. 28; Fleischer, ZIP 2006, 451, 452 f. Zur Kritik, insbesondere im Hinblick auf nicht börsennotierte Gesellschaften auch Fleischer, aaO, sowie ders., ZHR 168 (2004), 672, 687 („Prokrustesbett“); Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 115 („aus ökonomischer und rechtsvergleichender Sicht überholt“); Raiser/Veil, KapGesR, 2006, § 9 Rn. 19 ff. (S. 52 f.); Spindler, AG 1998, 53 ff.; Hirte, ZGR-SH 13, 1998, S. 61, 64 f. und 71 ff.; Mertens, ZGR 1994, 426 ff. („eiserne Klammer“).

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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lich-rechtlichen Gedanken.462 Die Norm zur Einschränkung der Satzungsautonomie hat also kapitalmarktliche Legitimation.463 b) Der Anlegerschutz Der Anlegerschutz hat sich als Wertungsprinzip des Gesellschaftsrechts aus diesem entwickelt, wird im Gesellschaftsrecht vornehmlich als Schutz von Minderheitsaktionären thematisiert und ist im Kapitalmarktrecht als eigenständiger Grundsatz etabliert.464 Der Aktionär als Anleger vertraut der AG und ihrer Geschäftsführung sein Kapital an, so daß er nach dem Anteilserwerb den Risiken einer gegebenenfalls langfristigen Finanzierungsbeziehung ausgesetzt ist.465 Zu den Risikofaktoren, die sich damit für den Aktionär als Anleger ergeben, sind opportunistische und seinen Anlageinteressen zuwiderlaufende Maßnahmen der Geschäftsführung zu rechnen. Hierzu zählt auch ein Handeln der Hauptversammlung etwa in Form unvorhergesehener Satzungs- und Kapitaländerungen, wie beispielsweise die von der Hauptversammlungsmehrheit beschlossene Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß. Der Schutz des Anlegers nach der Anlageentscheidung vor solchen Maßnahmen kann durch Regelungen des Gesellschaftsrechts sichergestellt werden. Hierauf zielen insbesondere die aktiengesetzlichen Regelungen ab, die eine Verschärfung für börsennotierte Gesellschaften auf allen Gebieten der Corporate Governance verfolgen.466 Das AktG gewährleistet vornehmlich den Schutz des Anlegers ab dem Zeitpunkt der Investition von Kapital, das Schutzinstrumentarium entwickelt aber auch Vorwirkungen.467 462 In diesem Sinne schon Barz, GroßkommAktG, 1973, § 23 Rn. 18 („Absage an das Prinzip der Vertragsfreiheit“). Hierzu auch Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 120 ff. Zu den Prinzipien des öffentlichen Rechts, insbesondere des Verwaltungsrechts siehe Maurer, Allg VerwR, 2006, § 3 Rn. 12 f. (S. 47 f.); Wolf/Bachof/ Stober, VerwR Bd I, 1999, § 22 III 2b (S. 259). 463 So Hirte, ZGR-SH 13, 1998, S. 61, 64; Hopt, aaO, S. 123, 128 f.; MünchKommAktG/Pentz, 2008, § 23 Rn. 150; sowie die Stimmen in Fn. 461. Zu Recht wird daher gefordert, in der Umkehrung die Satzungsstrenge für nicht börsennotierte Gesellschaften zu lockern; dazu Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 38 mwN. 464 Fleischer, Gutachten 64. DJT, 2002, S. 20; einschränkend Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 II 1 (S. 468: nur fragmentarisch berücksichtigt). Siehe auch Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 15, sowie zur Schutzkonzeption des AktG 1884 und der Bedeutung des Anlegerschutzes Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 22 ff. 465 Dazu Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 f., der von Investmentkontrakt zwischen Anteilseignern und Gesellschaft spricht; kritisch hierzu Habersack, AG 2005, 137, 140 (reSp.). 466 Dazu MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63 ff. 467 Zur Entsprechenserklärung nach § 161 AktG, die nicht nur der Verbesserung des Informationsstandes des derzeitigen Aktionärs, sondern auch potentieller künftiger Aktionäre dient, oben bei Fn. 201.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Die seit 1994 zunehmende Herausbildung eines Sonderrechts für börsennotierte Aktiengesellschaften und der damit verbundene Ausbau von Informationsregelungen zugunsten des Aktionärs als Anleger zeigen die verstärkte Bedeutung des Anlegerschutzes im Aktienrecht auf. Da beide Rechtsmaterien darauf abzielen, den Kapitalanleger zu schützen, Regelungsziel von Kapitalmarkt- und Aktienrecht also der Anlegerschutz ist,468 erfordern die bestehenden Überschneidungen in den Schutzanliegen eine Synchronisation der verschiedenen Schutzmechanismen.469 2. Synchronisation des aktien- und kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutzes Mit der Darstellung der Überschneidungen von kapitalmarktrechtlichem und aktiengesetzlichem Anlegerschutz ist die Frage nach der Möglichkeit einer Verknüpfung von marktlichem und innergesellschaftlichem Anlegerschutz verbunden. a) Auflösung einander widersprechender Rechtsbehelfe Der normtypische Publikumsaktionär tritt bei seiner Investition in eine Aktie als Anleger am Kapitalmarkt auf, da er seine Anlage in die börsennotierte AG am organisierten Kapitalmarkt Börse erwirbt. Der Schutz des Aktionärs kann daher nicht unabhängig von seiner Anlageentscheidung beurteilt werden, so daß die kapitalmarktlichen Mittel zum Schutz des Aktionärs zu berücksichtigen sind.470 Allein anhand der unterschiedlichen rechtlichen Vorzüge des Ersetzungsmodells und des Ergänzungsmodells läßt sich ein Vorrangverhältnis von kapitalmarkt- oder gesellschaftsrechtlichen Schutzmechanismen nicht aufstellen. Sachgerecht und angemessen kann dies nur 468 Zum Anlegerschutz durch Kapitalmarktrecht schon oben S. 31 ff.; siehe auch Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 I 1 (S. 460 f.); Möllers, AG 1999, 433, 434. 469 Dazu schon oben bei Fn. 13 im Ersten Teil. Zum Erfordernis der Verzahnung auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 58 ff., siehe auch Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 2007, § 1 Rn. 48 ff., oben bei S. 94 ff.; Überschneidungen in den Schutzanliegen zeigen sich besonders deutlich bei den verschiedenen Regelungen im Aktien-, Bilanz- und Kapitalmarktrecht zur Information der Anleger; hierzu Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 119 f., Merkt, AG 2003, 126, 128 f., Fleischer/ Kalss, WpÜG, 2002, § 1 IV 1a (S. 23 f.), sowie schon Hommelhoff, ZGR 2000, 748 ff. Eine umfassende Beurteilung des Verhältnisses, insbesondere der Frage, in welchen Bereichen das Kapitalmarkt- eine Ersatzfunktion für das Verbandsrecht übernehmen kann, ist damit noch nicht erreicht; zu den Voraussetzungen einer solchen Abstimmung Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1531. 470 Siehe Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 104.

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konkret im Hinblick auf die Besonderheiten der einzelnen Regelungsbereiche und interdisziplinär im Dialog mit den ökonomischen Wissenschaften erfolgen.471 Hier entscheidend ist die konzeptionelle Verknüpfung dieser Rechtssysteme, ohne daß dadurch diese Generationenfrage abschließend beurteilt werden kann. Die Gegenüberstellung der Schutzinstrumentarien von Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht soll also nicht als Grundlage eines aufzustellenden Vorrangverhältnisses,472 sondern im Sinne der Auflösung einander widersprechender gleichrangiger Rechtsbefehle zur Klärung der Frage dienen, inwieweit der Schutz der vermögensmäßigen Beteiligung des Aktionärs als Anleger durch Gesellschafts- oder Kapitalmarktrecht erreicht werden kann.473 b) Schutzinstrumentarien von Aktien- und Kapitalmarktrecht Im Hinblick auf die sich überschneidenden Teilbereiche von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht ist entsprechend der Forderungen der Vertreter des Ersetzungsmodells zu fragen, ob kapitalmarktrechtliche Regelungen nicht effektiver bestimmte Schutzdefizite des Aktionärs beseitigen können.474 Da der Schutz des Aktionärs als Anleger in Deutschland nach der lex lata vornehmlich durch das Aktienrecht erfolgt,475 ist im Sinne der Synchronisation aktien- und kapitalmarktrechtlicher Schutzinstrumentarien ausgehend vom Aktienrecht zu klären, welche gesellschaftsrechtlichen Schutzinstrumente zurückgenommen werden können, wenn der Markt das gleiche oder annähernd das gleiche leistet wie bisher die Rechtsordnung.476 471

So Merkt, AG 2003, 126, 129 (reSp.). Zu den Modellen oben bei S. 34 ff. Am Recht der Unternehmenspublizität zeigt sich exemplarisch, daß die Frage nach dem Vorrang der einen oder anderen Materie verfehlt ist. Vorschriften zur Unternehmenspublizität finden sich im etwa HGB, dem AktG, im BörsG wie auch im WpHG. Die im Aktienrecht vorgesehene Bilanzpublizität der sich über den Markt finanzierenden AG ist in gleicher Weise zum Kapitalmarkt- wie zum Gesellschaftsrecht zu zählen; hierzu Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1535. 473 So Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 371 Fn. 39 (Hervorheb. i. Orig.); siehe auch Fleischer, ZIP 2006, 451, 456 f. Zur „Verzahnung“ von Aktien- und Kapitalmarktrecht oben S. 95 ff. Siehe auch das Vorgehen des BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/02, BGHZ 153, 47, 57 (Macrotron), wonach das Kapitalmarktrecht nicht ausschließt, daß den Minderheitsaktionären durch das Delisting ein vermögensrechtlicher Nachteil entsteht, so daß der BGH in der Folge auf verbandsrechtliche Schutzmechanismen zurückgreift. 474 So Kübler, AG 1994, 141 ff. Siehe auch Hirte, ZGR-SH 13, 1998, S. 61 ff. 475 Assmann/Schneider, WpHG, 2006, Vor § 21 Rn. 12 f.; siehe auch Fleischer, ZIP 2006, 451, 452 (reSp.). 476 So Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 375; gleichsinnig für das Konzernrecht K. Schmidt, GesR, 2002, § 17 II 4 (S. 498). Siehe auch MünchKommAktG/ Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63; Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 I 6 (S. 467). 472

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Weiterhin ist anhand des Abgleichs zu erschließen, ob aufgrund der kapitalmarktlichen Interpretation aktiengesetzlicher Normen kapitalmarktrechtliche Schutzdefizite des Aktionärs als Anleger durch Schutzmechanismen des AktG geschlossen werden können.477 Hierzu soll der Aktionärsschutz, der im Verbandsrecht durch die auf die Gesellschaft bezogenen Herrschafts- und Vermögensinteressen erreicht wird und im Rahmen der Anlegerstellung auf die kapitalmarktbezogenen Interessen des Aktionärs ausgerichtet ist, ausgeformt werden. Dabei erlaubt die Auslegung aktienrechtlicher Regelungen unter Berücksichtigung kapitalmarktrechtlicher Funktionsbezüge, die verbandsrechtliche Rechtsstellung des Aktionärs durch seine Anlegerstellung zu erweitern und so auf den Kapitalmarkt auszurichten. Für die Perspektive eines verbandsrechtlichen Anlegerschutzes im Interesse der Verknüpfung des marktlichen und innergesellschaftlichen Schutzes der Aktionäre ist bedeutsam, inwieweit der Vermögensschutz des Aktionärs durch kapitalmarktrechtliche Vorschriften und Institute ergänzt und teilweise überlagert wird.478

II. Abstimmung von Kapitalmarkt- und Aktienrecht zur Absicherung einer optimalen Anlageentscheidung Der börsennotierten AG kommt am Kapitalmarkt eine herausragende Stellung zu, da sie nationale und internationale Anleger als potentielle, künftige Kapitalgeber anspricht und den Kapitalmarkt in hohem Maße zur Kapitalsammlung in Anspruch nimmt. Die hierfür erforderliche Steigerung der Attraktivität der Aktie als Anlageform ist eng mit dem Schutz des Aktionärs als Verbandsmitglied und Anleger verbunden, der marktlich als auch innergesellschaftlich erreicht werden kann. 1. Anlegerrisiken und Anlegerschutz Für die Ausrichtung des Anlegerschutzes entscheidend sind die aus der Anlageentscheidung und Investition von Kapital folgenden Anlegerrisiken. a) Die Anlageentscheidung als archimedischer Punkt des Anlegerschutzes Vordringliches Ziel des Anlegerschutzes ist die Schaffung der Voraussetzungen, die dem einzelnen Anleger ermöglichen, eine möglichst optimale 477

Siehe auch Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1532. Dazu Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 372 ff.; Hommelhoff, ZGR 2000, 748, 769 f.; Bayer, ZHR-SH 71 (2002), S. 137, 140. 478

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Anlageentscheidung zu treffen und ihn zeitlich nach seiner Entscheidung und Investition von Kapital vor den Risiken einer nachteiligen Einwirkung auf seine Anlage schützen. Im Anschluß an Hopt lassen sich fünf Arten von Risiken unterscheiden, denen der Anleger typischerweise ausgesetzt ist: Informations- und Konditionenrisiko, letzteres das Risiko einer preis- und sachgerechten Anlageentscheidung, gehören zu den „vorkonstitutionellen“ Entscheidungsrisiken.479 Auf den Zeitraum nach der Anlageentscheidung und Investition von Kapital in eine bestimmte Anlage beziehen sich das Risiko, eine ungenügende Rendite bzw. Wertsteigerung zu erzielen (Ertragsrisiko), das Risiko, eine Wertverminderung der Anlage zu erleiden (Substanzerhaltungsrisiko), und schließlich das Risiko, das aus dem Umstand folgt, daß der Kapitalgeber nicht selber, sondern andere Unternehmensbeteiligte über das Schicksal der zur Verfügung gestellten Vermögenssubstanz bestimmen (Abwicklungs-, Verwaltungs- oder Interessenvertretungsrisiko).480 Dementsprechend läßt sich der Anlegerschutz mit Blick auf die Anlageentscheidung in den ex ante- und den ex post-Anlegerschutz einteilen.481 Da das Konditionenrisiko mit dem Informationsstand des Anlegers korreliert und damit eine Ausprägung des Informationsrisikos ist, sind für den ex ante-Anlegerschutz Regelungen wesentlich, die im Interesse einer möglichst optimalen Anlageentscheidung den Schutz des Anlegers bei seiner Investitionsentscheidung durch eine ausreichende Informationsvermittlung bezwecken, also das Informationsrisiko verringern. Mittels des der Anlageentscheidung zeitlich nachfolgenden ex post-Anlegerschutzes soll der Anleger vor nachteiligen Einwirkungen auf seine Anlage geschützt werden, die er in seine Investitionsentscheidung nicht einbezogen hat und die sich negativ auf die Rendite seiner Anlage auswirken. Der Zeitpunkt der Anlageentscheidung wird daher zutreffend als „archimedischer Punkt des Anlegerschutzes“ bezeichnet.482 b) Ansatzpunkte des Anlegerschutzes Durch den ex ante-Anlegerschutz soll der Anleger in die Lage versetzt werden, aufgrund rationaler Entscheidung in diejenige Anlage zu investie479

So Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 27. Vgl. Hopt, Kapitalanlegerschutz, 1975, S. 53 f., 82 ff., 337 ff. Die Literatur hat schon früh verschiedene Anlegerrisiken bei unterschiedlicher Systematisierung herausgearbeitet; siehe neben Hopt auch Schwark, Anlegerschutz, 1979, S. 10; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 367 ff. mwN. in Fn. 24; Kalss/Oppitz/ Zollner, Kapitalmarktrecht, Bd. I, 2005, § 1 Rn. 24. 481 Zu den Begriffen ex ante- und ex post-Anlegerschutz Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 116 ff. 482 So die Formulierung bei Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 105; siehe auch Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 III 3 (S. 452); Kalss/Oppitz/Zollner, Kapitalmarktrecht, Bd. I, 2005, § 1 Rn. 24. 480

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

ren, die unter Berücksichtigung der Rendite und des Risikos der Anlage die attraktivste Verzinsung in Aussicht stellt. Der Kapitalanleger benötigt hierfür im Zeitpunkt seiner Anlageentscheidung die Informationen, welche Grundlage für eine rationale Anlageentscheidung unter Berücksichtigung sämtlicher Risiken sind. Dem Informationsstand des Kapitalanlegers kommt also bei der Investitionsentscheidung fundamentale Bedeutung zu.483 Die Vermittlung ausreichender Informationen, die eine rationale Auswahlentscheidung im Hinblick auf die verschiedenen Anlagemöglichkeiten eröffnen, steht daher im Mittelpunkt des Schutzes, so daß die Information die eigentliche Aufgabe des Anlegerschutzes ist.484 Die Verbesserung des Anlegerschutzes läßt sich bei der Anlageentscheidung durch eine Verstärkung des Informationsflusses zugunsten des Anlegers wie auch nach der Anlageentscheidung durch den Ausbau der Verhaltensbindungen des Kapitalnehmers und der Einwirkungsmöglichkeiten des Kapitalgebers erreichen. Im Falle der vollkommenen Voraussicht insbesondere dieser Risiken durch den Anleger wäre der ex post-Anlegerschutz allein durch die Auswahlentscheidung zu erreichen, da der Anleger in seine Entscheidung auch sämtliche spätere Risiken miteinbeziehen könnte. Sind aber dem Anleger nicht alle für seine Anlageentscheidung bedeutsamen künftigen Veränderungen der Anlagebedingungen bekannt, kann er Substanzerhaltungs-, Ertrags- und Abwicklungsrisiken nicht ausreichend bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen, insbesondere wenn der Kapitalnehmer später für den Kapitalgeber nachteilige Situationen herbeiführt, nach der Anlageentscheidung eintretende Umstände zu Lasten des Kapitalgebers nutzt oder sich absprachewidrig verhält. Das Informationsrisiko des Anlegers umfaßt damit alle weiteren Risiken bei der Anlageentscheidung. Da bei realitätsnäherer Betrachtung dem Anleger für seine Entscheidung nicht sämtliche Informationen über zukünftige Entwicklungen am Kapitalmarkt im Hinblick auf seine Anlage zur Verfügung stehen, kommt der Sicherung des Anlegers im Nachgang an seine Entscheidung eine wesentliche Bedeutung zu.

483 So auch Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 373 f., und ders., ZBB 1989, 49, 57 ff.; siehe auch Möllers, AG 1999, 433, 434 (reSp.) mwN. in Fn. 18. 484 Hierzu Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 62 ff.; siehe auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 70; sowie Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 107 ff. Daher wird auch die ausreichende Information der Anleger als Zentralaufgabe des Kapitalmarktrechts angesehen; dazu schon im Ersten Teil S. 36 ff.

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2. Ex post-Anlegerschutz und Kapitalsammelfunktion der AG Die gesetzlichen Leitmaximen zielen darauf ab, die Tätigkeit der Verwaltung der kapitalmarktorientierten AG als Kapitalnehmer verstärkt auf die Interessen der Anleger auszurichten und so die Kapitalsammelfunktion der AG zu fördern. Diese Bindung baut auf einer Verstärkung der auf den Zeitpunkt der Anlageentscheidung ausgerichteten vertriebsbezogenen Anlegerschutzinstrumente als auch der Steigerung des ex post-Anlegerschutzes auf. Der ex post-Anlegerschutz stabilisiert die Anlageentscheidung, da hierdurch die Investition des Anlegers gegen nachträgliche, nicht vorhersehbare und damit bei der Anlageentscheidung nicht eingeplante Umweltveränderungen zumindest teilweise abgesichert werden kann. Bevor auf Entscheidungsalternativen des Anlegers ex post zur Förderung seiner Anlageinteressen einzugehen ist, soll vorab auf die Verknüpfung des Anlegerschutzes mit der Kapitalsammelfunktion und damit das Verhältnis von Primär- und Sekundärmarkt eingegangen werden. a) Primär- und Sekundärmarkt Für die Kapitalsammelfunktion der AG entscheidend sind die Preise der Aktie im Primärmarkt und damit zusammenhängend die Bereitschaft des Aktionärs, Kapital in die Anlageform Aktie zu investieren. Die Stabilisierung der Anlageentscheidung durch den ex post-Anlegerschutz dient diesem Regelungsziel. Zwar fließt dem am Kapitalmarkt sich finanzierenden Unternehmen nur im Primärmarkt Eigenkapital zu, also bei der Begebung von Beteiligungsrechten gegen Kapitaleinlagen.485 Die Höhe des Agio, der bei der Ausgabe oder Veräußerung eigener Anteile verlangt werden kann, korreliert aber mit den Kursen der Anlage im Sekundärmarkt, an dem die Wertpapiere gehandelt werden, so daß der Börsenkurs der Aktien den Preis bestimmt, zu dem die AG neues Eigenkapital aufnehmen kann, da sich der höchste Erwerbspreis der jungen Aktien stets am Kurs der alten Aktien orientiert.486 Je mehr das Preisgefüge auf dem Sekundärmarkt, also dem Börsenhandel, auf einer allokativ effizienten Verteilung der Aktien beruht, desto stärker nähert sich auch der Primärmarkt, also die Emission eines Wertpapiers, dem Ideal der Allokationseffizienz.487 Die Preise im Sekun485 Zu den Begrifflichkeiten Brunski, in: BankR-HdB, 2007, Vor § 104 Rn. 20 ff.; Hirte/Heinrich, in: KK-WpHG, 2007, Einl. Rn. 3; Kümpel, Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 127 ff. (S. 71 ff.). 486 So Hirte, ZGR-SH 13, 1998, S. 61, 72. Dazu allgemein auch Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 11 (liSp.). 487 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 120; siehe auch Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 II 3 (S. 469 f.). Zur Allokationseffizienz oben S. 37.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

därmarkt entfalten damit Rückwirkung auf die Emissionskurse. Denn ein Anleger wird Anteile des Unternehmens am Primärmarkt nur erwerben, wenn sie zumindest nicht teurer sind als die vergleichbaren Anteile, die am Sekundärmarkt angeboten werden.488 Dies ist insbesondere dann bedeutsam, wenn nur ein beschränktes Maß an Kapital zur Verfügung steht und verschiedene Anlageformen um denselben Anleger konkurrieren.489 Die allokative Effizienz des Sekundärmarktes beeinflußt daher die Plazierbarkeit weiterer Finanzprodukte im Primärmarkt, fördert damit die Kapitalsammelfunktion der AG und dient zugleich dem Schutz des Anlegers, da dieser über einen funktionsfähigen Sekundärmarkt seinen Schutz durch Desinvestition erreichen kann.490 b) Entscheidungsalternativen des Anlegers Bei einer Umschichtung der Anlage infolge eines Informationsmangels bei der Anlageentscheidung entstehen dem Anleger Informations- und Transaktionskosten aufgrund der Des- und Neuinvestition, die seine Rendite negativ beeinflussen und sich daher zumindest theoretisch im Kurswert niederschlagen. Diese Kosten lassen sich vermeiden, wenn der Anleger statt dessen auf den Kapitalnehmer in einer Weise Einfluß nehmen kann, daß nachträgliche Umweltveränderungen seine Renditeziele unberührt lassen, was damit die Rendite seiner Anlage und folglich den Kurswert aufgrund größerer Akzeptanz des Marktes erhöht.491 Mit der Verstärkung des ex postAnlegerschutzes durch einen Ausbau der Einwirkungsmöglichkeiten des Anlegers nach der Anlageentscheidung kann dieser auf Veränderungen der Anlagebedingungen reagieren und so seine Risiken verringern. Wirtschaftliche 488 Dazu näher aus betriebswirtschaftlicher Sicht Terstege, Bezugsrechte, 2001, S. 106 ff., für Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß. Dieser Gedanke wird etwa auch in § 186 Abs. 3 S. 4 AktG gesetzlich fortgeschrieben; dazu näher unten S. 250 ff. 489 Geld- und Kapitalmarkt konkurrieren sowie auf dem Kapitalmarkt verschiedene Anlageformen; der Unternehmensfinanzierungsmarkt ist nur ein Teilbereich des Kapitalmarktes; siehe hierzu Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 362 mwN. in Fn. 19. 490 Zum exit als Schutzmöglichkeit oben S. 60 f.; siehe hierzu auch Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 27 (S. 206). 491 Siehe auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, 8.412 (S. 1362), wonach vergleichsweise niedrigere Kosten die Akzeptanz des Marktes steigern. Hierzu auch Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 34 f. Zur Kostenbelastung des Anlegers bei Kauf und Verkauf von Wertpapieren Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, 8.413 ff. (S. 1362 ff.). Bei den Kosten für die Einwirkung auf den Kapitalnehmer, die sich auf die Rendite auswirken, sind allerdings auch die Kosten zu berücksichtigen, die beim Kapitalnehmer entstehen und die Gewinne des Kapitalnehmers und damit mittelbar die Rendite des Anlegers verringern.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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Voraussetzung hierfür ist, daß die hierdurch erzielte Renditesteigerung unter Einbeziehung der Absicherung eines gesteigerten Substanzerhaltungsrisikos die Kosten der Verstärkung des Anlegerschutzes übersteigt. Kosten entstehen dann zwar für die Einwirkung, nicht aber für die Auswahl und Investition in eine neue Kapitalanlage wie Informations- und Transaktionskosten. Sind erstere Kosten geringer als letztere, wird die Attraktivität der Anlageform gesteigert, wenn mit der Einwirkung zumindest derselbe Renditevorteil erzielt werden kann wie mit der Umschichtung der Anlage. Denn sie erhöht im Ergebnis die Rendite und dient damit der Ausrichtung auf die Anlegerinteressen. Die Bedeutung des ex post-Anlegerschutzes tritt zu Tage, wenn man die Möglichkeiten des Anlegers zur Stabilisierung seiner Anlage betrachtet. c) Grenzen des Anlegerschutzes durch Information bei der Anlageentscheidung Neben der Gewährleistung einer den Renditeerwartungen des Anlegers gerecht werdenden Investitionsentscheidung kann dieser auch nach seiner Investitionsentscheidung durch die Befähigung zur Einwirkung auf die Anlage bzw. das zugrundeliegende Rechtsverhältnis mit der kapitalnehmenden AG geschützt werden. Sofern die ex post auftretenden Risiken schon im Rahmen der Anlageentscheidung erkannt und berücksichtigt werden können, ist der Ausbau des ex post-Anlegerschutzes nicht notwendig. Es erscheint allerdings fraglich, ob in der Praxis ein auf der Verringerung asymmetrisch verteilter Informationen aufbauender Anlegerschutz durch Verbesserung der Markttransparenz und Information der Anleger im Interesse einer optimalen Anlageentscheidung ausreicht. Die Beschaffung und Auswertung von Informationen sind mit zunehmenden Kosten verbunden, je weitreichender die Informationen zu berücksichtigen sind.492 Auch bei vollkommenem Kenntnisstand trifft der Anleger nicht zwangsläufig die richtige Anlageentscheidung, wenn er nicht in der Lage ist, auf Grundlage sämtlicher Informationen auch über künftige Risiken sich rational zu entscheiden, was die oben knapp skizzierten Erkenntnisse der Kapitalmarkttheorie des behavioral finance zeigen.493 Erreichen die Informationen den Anleger zu 492

Dazu in jüngerer Zeit etwa Schäfer, NJW 2008, 2536, 2538 f. So auch Möllers, ZGR 1997, 334, 345; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 122, spricht von „beschränkter ökonomischer Rationalität“; siehe auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 30; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63 f., und ders., AG 2008, 598, 601 (reSp.); Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 20 (S. 166): „latente Überforderung der Anleger“. Zur Forschungsrichtung des behavioral finance oben S. 57 ff. Auch das Modell der Efficient Market Hyptohesis geht von der Irrationalität einzelner Anleger aus, die allerdings durch den Markt wieder ausgeglichen werde; dazu oben S. 55 ff. 493

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

spät oder hat etwa der Kapitalnehmer selber keine Informationen, ist der Anlegerschutz ebenfalls nicht gewährleistet; Anlegerschutz durch Information des Anlegers versagt überdies bei allseits fehlenden Informationen.494 Da überdies der Erkenntnismöglichkeit im Hinblick auf künftige Umweltveränderungen in der realen Welt Grenzen gesetzt sind, läßt sich der Anlegerschutz nicht allein durch eine Verbesserung seiner Stellung bei der Anlageentscheidung erreichen. Einwirkungsmöglichkeiten des Kapitalgebers auf die Finanzierungsbeziehung und Mittel zur Verhaltensbindung des Kapitalnehmers können daher den Anleger zumindest teilweise besser schützen als ein gesteigerter Informationsstand bei der Anlageentscheidung.495 Der kapitalmarktrechtliche ex ante-Anlegerschutz muß sich daher nach der Investitionsentscheidung fortsetzen, um auch dann den Vermögensinteressen der Anleger Rechnung zu tragen.496 Die Bedeutung des ex post-Anlegerschutzes steigt in dem Maße, wie dem Anleger bei seiner Investitionsentscheidung Informationen über spätere Umweltveränderungen, die sich auf seine Anlage nachteilig auswirken, nicht zur Verfügung stehen, da er hierdurch auch nach seiner Investitionsentscheidung das Finanzierungsverhältnis mit dem Kapitalnehmer in seinem Interesse beeinflussen kann. Der ex post-Anlegerschutz steigert damit die Attraktivität der Anlage und fördert hierdurch die Kapitalsammelfunktion der AG.497 3. Die Bedeutung des ex post-Anlegerschutzes für die gute Ordnung des Kapitalmarktes Die Bedeutung des ex post-Anlegerschutzes zeigt sich, wenn man die Auswirkungen eines Ausbaus des Anlegerschutzes auf die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes und die Finanzierungsfunktion der AG näher betrachtet. Von der Bereitschaft der Marktteilnehmer, erspartes Vermögen als Risikokapital bereitzustellen, hängt die Existenz und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes entscheidend ab. Schwark hat schon früh dargelegt, daß das Vertrauen der Anleger in die „gute Ordnung“ der Kapitalmärkte im Interesse der Kapitalmarktfunktion zu schützen ist, weil ohne das erforderliche 494

Dazu Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 121 f.; Möllers, ZGR 1997, 334,

345. 495

Möllers, ZGR 1997, 334, 345. Hierzu Fleischer, in: FS Immenga, 2004, S. 575, 576 ff. mit Verweisung auf grundlegende US-amerikanische Untersuchungen in Fn. 7 ff.; siehe auch schon oben S. 59. 496 Fleischer, Gutachten 64. DJT, 2002, S. 20; siehe auch MünchKommAktG/ Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 69; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 102 (de lege ferenda). Zur Notwendigkeit dieser Verknüpfung schon Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 105 ff., 116 ff.; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 343 ff. 497 So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 120.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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Vertrauen Investitionen der Kapitalanleger sich vermindern oder ganz ausbleiben.498 Die durch die Ordnungsaufgabe des Kapitalmarktrechts angestrebte Stärkung des Vertrauens in die Kapitalmärkte soll deren störungsfreies Funktionieren sichern. Dabei geht es beim Vertrauensschutz im Interesse des Funktionenschutzes auch um die Verhinderung unrichtiger Risikoeinschätzungen durch den Anleger.499 Auch wenn strittig ist, ob und inwieweit der Schutz des individuellen Anlegers für die Funktionsfähigkeit erforderlich ist, besteht Übereinstimmung insoweit, als es des Anlegerschutzes bedarf, um Marktversagen zu verhindern.500 Vom Anlegerschutz hängt also die Existenz und Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes entscheidend ab. Dient der Kapitalanlegerschutz damit auch der Gewährleistung eines funktionsfähigen bzw. effizienten Kapitalmarktes, gilt im Hinblick auf den Funktionenschutz des Kapitalmarktes entsprechendes für den ex post-Anlegerschutz, der die Stellung des Anlegers nach seiner Investitionsentscheidung verbessert und damit das Vertrauen in die Kapitalmärkte stärkt.501 Zusammenfassend fördert die Verstärkung des ex post-Anlegerschutzes und die hiermit verbundene Steigerung der Attraktivität der Investition von Kapital in die Anlage Aktie die Kapitalsammelfunktion der AG und verbessert die Aussichten auf langfristige Wertsteigerungen.

III. Schutz des anlageorientierten Aktionärs durch Gesellschaftsrecht Aus der grundsätzlichen Gleichrangigkeit von Verbands- und Kapitalmarktrecht folgt, daß der Anlegerschutz nicht strukturell durch die eine oder andere Rechtsmaterie zu leisten ist. Vielmehr sind die unterschiedlichen Rechtsschutzformen in ihren Auswirkungen auf den Schutz des anlegenden Aktionärs und die kapitalnehmende AG miteinander zu vergleichen 498 Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1092; so auch Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 II (S. 468 f.); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.390 (S. 1356); Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 58; siehe auch Begr RegE UMAG bei Fn. 213. Zur guten Ordnung des Kapitalmarktes oben im Ersten Teil bei Fn. 45. 499 Dazu Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1531; Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 II (S. 468 f.). Siehe auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 8.403 (S. 1359 f.); Schwark/Schwark KMRK, 2004, Einl WpHG Rn. 12. 500 Zu den str. Ansichten im Schrifttum im Hinblick auf eine individualschützende Dimension des Kapitalmarktrechts oben im Ersten Teil bei Fn. 47. Zur Bedeutung des Anlegerschutzes für den Funktionenschutz oben im Ersten Teil bei S. 36 ff. 501 So schon Wiedemann, BB 1975, 1591, 1592 ff., und ders., GesR I, 1980, § 9 (S. 472 ff.); siehe auch Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 63, und ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379; Caspari, ZGR 1994, 530, 533.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

und dem marktkonformeren Ansatz der Vorzug zu geben. Auf dem Verhältnis von Aktien- und Kapitalmarktrecht aufbauend sind hierfür nachfolgend die Schutzrichtungen von marktlichem und innergesellschaftlichem Anlegerschutz darzustellen, die aus den Anlegerrisiken zu entwickeln sind. Besonderes Augenmerk ist darauf zu richten, inwieweit sich der Schutz des Aktionärs als Anleger nach der getätigten Anlageentscheidung und Investition von Kapital im Verbandsrecht fortsetzt. 1. Reichweite des Schutzes des Anlegers Kann der Anleger die Risiken bei seiner Investitionsentscheidung nicht ausreichend berücksichtigen, kommt es auf den Schutz nach der Anlageentscheidung an. Dabei besteht einerseits die Möglichkeit der Einwirkung auf die Anlage selbst durch eine marktbezogene Entscheidung mittels Des- und Neuinvestition in eine andere Anlage und andererseits die Möglichkeit, auf das Verhältnis zum Kapitalnehmer im Interesse der Verbesserung der Anlagerendite Einfluß zu nehmen. Nach herkömmlicher Ansicht soll der Schutz des (künftigen) Aktionärs bei seiner Investitionsentscheidung kapitalmarktrechtlich und nach erfolgter Investition dagegen verbandsrechtlich erreicht werden, so daß der Anlegerschutz als Mittel zu Schaffung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes und zur Verhinderung informationsbedingten Marktversagens nach der Anlageentscheidung in den Regelungsbereich des Verbandsrechts verweist.502 Die kapitalmarktorientierten Vorschriften des AktG und die zunehmende Dichte kapitalmarktrechtlicher Vorschriften legen aber nahe, den Anleger auch nach der Anlageentscheidung statt durch gesellschaftsrechtliche Instrumente durch den Kapitalmarkt und das Kapitalmarktrecht zu schützen. a) Ex post-Anlegerschutz durch exit statt durch voice? Kann der Anlegerschutz nach der Investitionsentscheidung durch den Markt sichergestellt werden, also durch eine Entscheidung über Halten, Zukauf oder Verkauf der Kapitalanlage und Investition in eine andere Anlage, sind verbandsrechtliche Schutzinstrumentarien zur Einflußnahme auf die Rechtsbeziehung zu der kapitalnehmenden AG nicht notwendig oder können zumindest entlastet werden. Der Gedanke liegt etwa der Einführung der Sonderregelung für Eigenkapitalmaßnahmen börsennotierter Gesellschaften in § 186 Abs. 3 S. 4 AktG zugrunde, die den Bezugsrechtsausschluß erleichtert und die Aktionäre im Hinblick auf den Erwerb der Aktien zur Bei502 So Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379. Siehe auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 101 f. (de lege ferenda).

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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behaltung des bisherigen status quo auf den Kapitalmarkt verweist, auf dem sie nach Anschauung des Gesetzgebers ihren Schutz besorgen können.503 Dies führt zu der grundsätzlichen Frage, ob der Aktionär durch die Möglichkeit der Des- und Neuinvestition zumindest bei funktionierenden Kapitalmärkten ausreichend geschützt wird. Die Eckpunkte der unterschiedlichen Schutzansätze werden in der Literatur in Anlehnung an angloamerikanische Untersuchungen unter den Begriffen voice und exit diskutiert.504 aa) Ausgangspunkt der verschiedenen Schutzmöglichkeiten Der verbandsrechtliche Kerngedanke, daß sich die Mitglieder zur gemeinsamen Verfolgung des Gesellschaftszwecks unter Wahrnehmung ihrer Mitgliedschaftsrechte zusammenschließen, baut auf dem Stimmrecht der Aktionäre auf, zu dessen Schutz jedem Aktionär die Rechtsschutzmöglichkeit der Anfechtungsklage gewährt wird. Diese Schutzinstrumentarien sollen den Aktionär durch eine Einflußnahme auf die Finanzierungsbeziehung mit der AG schützen und dienen damit dem Bestandsschutz des Investments. Im Gegensatz dazu steht der kapitalmarktliche Anlegerschutz und in dessen Mittelpunkt die marktbezogene (Des-)Investitionsentscheidung des Anlegers.505 Der Schutzgedanke des exit, also Desinvestition und Werterhalt statt Einflußnahme und Bestandsschutz der Anlage, findet sich in der Rechtsprechung des BVerfG und der Schutz dieser Option in der Rechtsprechung des BGH wieder.506 Dabei bietet nicht nur der Verkauf der Anteile Schutz, sondern schon die Möglichkeit hierzu, da hierdurch der Kurs der Anteile und damit das Gesellschaftsgeschehen wie etwa in dem Extremfall der Unternehmensübernahme aufgrund gesunkener Kurse beeinflußt werden kann. Der Kapitalmarkt, insbesondere die Börse übernimmt damit eine Kontrollfunktion, da das Management auf die Folgen seiner Entscheidung für den Aktienkurs achten und dafür einen Angebotsüberhang nach den Aktien aufgrund der Unzufriedenheit der verkaufswilligen Aktionäre vermeiden wird.507 503 Die Geeignetheit des mit der Norm verfolgten Aktionärsschutzes ist im Dritten Teil noch näher zu betrachten. Siehe zu der Norm auch schon oben S. 110 ff. 504 Zu den Begriffen voice und exit schon oben S. 60 f. mit Fn. 170. 505 Mülbert, Aktiengesellschaft 1996, S. 117. 506 Zu den Ausführungen des BVerfG in der Moto Meter-Entscheidung zum ausreichenden Schutz der Minderheitsaktionäre durch Wertausgleich oben S. 159 ff. Der BGH betont in der Macrotron-Entscheidung die Bedeutung der Option des exit; dazu näher oben S. 173 ff. 507 Zur Marktkontrolle des Vorstandshandelns MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63; Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

bb) Schutz allein durch Kapitalmarkt und Kapitalmarktrecht? In der Literatur wird unter Rückgriff auf angloamerikanische Untersuchungen als die zwei Grundbedingungen des Anlegerschutzes die Beseitigung von Informationsasymmetrien zwischen Anlegern und Insidern, Letztere zu verstehen als Inhaber von Leitungsmacht und Informationsvorsprüngen in der Gesellschaft, sowie die Bekämpfung von Insichgeschäften durch solche Insider genannt.508 Die dort angeführten Grenzen des Schutzes vor solchen für Anleger nachteiligen Insichgeschäften durch kapitalmarktrechtliche Mittel erfordern danach ein funktionierendes Gesellschaftsrecht.509 Der Markt schützt wie in Fällen von Informationsasymmetrien nicht, wenn ein Marktversagen vorliegt, also wenn das Kapitalmarktrecht funktionstüchtige Märkte nicht sicherstellen kann.510 Denn der Schutz des Aktionärs als Anleger durch Desinvestition setzt bestehende Märkte und deren Funktionieren voraus, was auch das BVerfG im Moto Meter-Beschluß andeutet, wenn es im Hinblick auf die Gleichwertigkeit des Schutzes durch die exitOption ausführt, daß es den Aktionären bei voller wirtschaftlicher Entschädigung jedenfalls in Zeiten eines funktionierenden Kapitalmarktes in aller Regel möglich sei, in eine vergleichbare Anlage zu investieren.511 Sind die Märkte effizient im Sinne der Efficient Market Hypothesis,512 so spiegeln die Kurse sämtliche Informationen und damit etwa eine sich abzeichnende nachteilige Entwicklung der Finanzierungsbeziehung zur AG wider. Will der Aktionär dieser durch einen exit entgehen, werden diese auf den Erwerber der Anlage weitergegeben, der die Aktien regelmäßig nur gegen einen Preisabschlag übernimmt, so daß die Desinvestitionsmöglichkeit den Aktionär nicht unbedingt schützt.513 Die Verkaufsoption schützt überdies dann nicht ausreichend, wenn alle Aktionäre gleichzeitig verkaufen wollen oder Rn. 52 ff. (S. 193 ff.); Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 688; van Aaken, RabelsZ 2004, 288, 290 ff. Siehe auch Fleischer, ZGR 2008, 185, 205 ff.; Haar, JZ 2008, 964, 965 ff.; MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 121 ff.; sowie Allg Begr RegE KonTraG, BT-Drs. 13/9712, S. 11 (liSp.). 508 Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 702 f. mwN. in den Fn. 41 ff. Siehe dazu auch Begr RegE Zweites Finanzmarktförderungsgesetz oben Erster Teil, Fn. 44. 509 Wackerbarth, ZGR 2005, 686, 703 mwN. in Fn. 45. 510 Zu solchen Fällen von Marktanomalien oben S. 57 f. 511 Zur Bedeutung der Funktionstüchtigkeit der Märkte für die Verwirklichung dieser Schutzmöglichkeit BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 872 (Moto Meter); siehe auch BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. (DAT/Altana). Dazu auch schon Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 II 2 (S. 488); Assmann, ZBB 1989, 49, 59. 512 Zur Efficient Market Hypothesis näher oben S. 55 ff. 513 Dazu auch Hansmann/Kraakman, in: Anatomy of Corporate Law, 2004, Kap. 2.2.1.2 (S. 24 ff.); sowie Siems, Konvergenz, 2005, S. 104 f.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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ein Paketaktionär bereits seine Anteile veräußert hat, da bei einer Überschreitung der Marktkapazität die Kurse sinken.514 Sind die Märkte unvollkommen wie im Falle kapitalmarktlicher Funktionsdefizite, aufgrund mangelnder Breite und Tiefe des Marktes oder wie auch in Zeiten schlechter Konjunktur stellt die Möglichkeit der Desinvestition daher keinen ausreichenden Ausgleich dar.515 Die mit Einführung der Regelungen des WpÜG verstärkt geführte Diskussion um die Kontrolle der Unternehmensführung durch Unternehmensübernahmen zeigt die Notwendigkeit ausreichender Information und damit der Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarktes zum Schutz der Anleger deutlich auf. In der Theorie funktioniert eine solche Kontrolle der Unternehmensführung durch eine Unternehmensübernahme vor allem in einer Situation der Unterbewertung der Aktien, da dann der Erwerber bereit ist, Aktien und damit die Gesellschaft zu übernehmen und etwa die Geschäftsführung auszutauschen.516 Unterbewertet der Markt die Aktien und ergeht daher ein Übernahmeangebot, droht den Aktionären die Gefahr, in Unkenntnis des wahren Wertes ihre Aktien zum Börsenkurs und damit unter Wert zu veräußern. Der Aktionärsschutz über den Kapitalmarkt mittels exit versagt also in dieser Situation aufgrund einer Informationsasymmetrie.517 Neben solchen Fällen von Marktunvollkommenheiten aufgrund asymmetrisch verteilter Informationen wird die Möglichkeit der Einwirkung auf die Finanzierungsbeziehung auch dann relevant, wenn funktionstüchtige Sekundärmärkte fehlen, die eine Korrektur der Anlageentscheidung erlauben. Was für börsennotierte Publikumsgesellschaften als grundsätzlich unproblematisch erscheint, ist zumindest fraglich bei Börsenein- und -austritt.518 Aber auch bei der börsennotierten Publikumsgesellschaft kommen Zweifel an der Entlastung verbandsrechtlicher Schutzmechanismen auf, wenn der innere 514

Siems, Konvergenz, 2005, S. 105 mwN. Siehe auch Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 72 (S. 205) mwN. in Fn. 288 f. 515 Siehe dazu nochmals die knapp skizzierten Erkenntnisse der Kapitalmarkttheorie des behavioral finance oben S. 57 ff. 516 Sind die Aktien nicht unterbewertet, so kann etwa die Person des Erwerbers eine Übernahme aus ökonomischen Aspekten theoretisch rechtfertigen, wenn durch den Zusammenschluß der übernommenen Gesellschaft mit dem Erwerber Synergieeffekte verwirklicht werden können; hierzu etwa Easterbrook/Fischel, Corporate Law, 1991, S. 162 ff., Fleischer/Kalss, WpÜG, 2002, § 1 V (S. 32 ff). 517 Vgl. Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 452; U. H. Schneider, AG 2002, 125, 126 (liSp.). Hierzu auch Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1531. 518 Zum Delisting und den damit verbundenen Problemen des Aktionärs- und Anlegerschutzes oben bei S. 173 f. Siehe aber auch OLG Stuttgart v. 14.2.2008 – 20 W 9/06, AG 2008, 783, 785, zur Abfindungshöhe bei einer Marktineffizienz.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Wert der Gesellschaft deren Börsenwert übersteigt, was in den letzten Jahren durchaus vorkam519 und etwa in Abfindungs- und Entschädigungskonstellationen, aber auch bei der am Börsenkurs der Aktien orientierten Ausgabe neuer Aktien im Rahmen bezugsrechtsloser Kapitalerhöhungen nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG praktisch besonders relevant wird.520 Die Möglichkeit des Austritts des Gesellschafters kann daneben mit den Schwierigkeiten der Ermittlung der Abfindungshöhe verbunden sein und kostet ihren Preis, da dies wiederum einen ausreichenden Informationsstand des Anlegers erfordert. Gesellschaftsinterner Anlegerschutz, der nicht nur auf der Informationsverbesserung aufbaut, kann daher kostengünstiger und effektiver sein.521 Die Substitution von Aktionärsrechten durch den Ausbau des Kapitalmarktrechts und die verstärkte Sicherstellung der Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarktes etwa durch erweiterte Befugnisse von Aufsichtsämtern erscheint deshalb nicht als allein geeignetes Mittel, um die Aktionäre umfassend zu schützen.522 b) Aspekte des innergesellschaftlichen Anlegerschutzes Bestehen andere Schutzmöglichkeiten, die nicht über den Kapitalmarkt verwirklicht werden und dessen Funktionstüchtigkeit voraussetzen, können die Aktionäre auch in Zeiten beschränkter Funktionstüchtigkeit der Märkte geschützt werden. Damit der Anleger die Beziehung zu der kapitalnehmenden AG beeinflussen und hierdurch seinen Schutz besorgen kann, sind allerdings dem anlegenden Aktionär bei Eingehung dieser Beziehung oder nachfolgend ausreichende Einwirkungsmöglichkeiten auf dieses Verhältnis einzuräumen. Aufgrund der Besonderheiten des Vertriebs von Unternehmensbeteiligungen über die Börse ist eine einzelvertragliche Absicherung des Anlegers nicht möglich, so daß als Ergänzung des vertriebsrechtlichen Anlegerschutzes ein innergesellschaftlicher Anlegerschutz notwendig ist, der losgelöst von einzelvertraglichen Absicherungen Schutzwirkung zugunsten der Anleger entfaltet.523 In diesem Sinne schränkt auch § 23 Abs. 5 S. 1 AktG die Satzungsautonomie im Interesse von Gläubigern und künftigen Aktionären 519 Die Börsenentwicklung etwa zu Beginn der Dekade hat gezeigt, daß die Börsenpreise zum Teil nicht einmal die bilanzierten Substanzwerte der Unternehmen wiedergeben mögen. 520 Siehe auch Zöllner, GesRZ 2004, 5, 13 f. Zu den Problemen der Anteilsbewertung siehe auch die verschiedenen Ansichten, die das BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. (DAT/Altana), referiert. 521 So auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 122. 522 G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 33; dazu auch schon oben im Ersten Teil bei Fn. 166; sowie auch Schäfer, NJW 2008, 2536, 2538 f.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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ein.524 Der innergesellschaftliche Anlegerschutz reduziert damit die möglichen Zukunftszustände und stabilisiert hierdurch die Anlageentscheidung des Aktionärs.525 Der verbandsrechtliche ex post-Anlegerschutz verknüpft damit marktlichen und innergesellschaftlichen Schutz des Aktionärs und verbessert dessen Anlegerstellung. Die mögliche Einflußnahme des Aktionärs auf die Anlage und die Sicherstellung, daß der Kapitalnehmer auch nach der Anlageentscheidung des Kapitalgebers sich im Einklang mit dessen Interessen verhält, setzen damit den Kapitalanlegerschutz nach der Anlageentscheidung fort. Die Bedeutung des innergesellschaftlichen ex post-Anlegerschutzes tritt zutage, wenn man den Blick auf Entscheidungen in der AG wendet, die das Tätigkeitsspektrum der Gesellschaft und damit auch das von Fleischer als Investmentkontrakt zwischen Anteilseignern und Gesellschaft bezeichnete Rechtsverhältnis wesentlich betreffen, da grundlegende Strukturen des Anlageobjektes verändert werden.526 2. Folgerungen für den Schutz durch Verbandsrecht Bedeutsam für den Anlegerschutz ist daher nach der Investitionsentscheidung das verbandsrechtliche Organisationsrecht der AG.527 Der innergesellschaftliche Anlegerschutz soll hierfür den Aktionär nach seiner Anlageentscheidung vor nachteiligen Veränderungen seiner Anlage und deren Rendite bewahren, die aus der Sphäre der Gesellschaft und ihrer Organe stammen. Die hierzu dienlichen Regeln des Gesellschaftsrechts, die sicherstellen, daß die der Anlageentscheidung berechtigt zugrunde gelegten Erwartungen des Aktionärs nach dessen Beitritt zur AG nicht enttäuscht werden, fördern da523 Solche Vereinbarungen wären auch mit erheblich Kosten verbunden, da sie eine individuelle Information jedes Anlegers erfordern würden; dazu Spindler, AG 1998, 53, 58. Ohne eine Standardisierung, also der Gleichheit der Vielzahl von Finanzierungsbeziehungen zwischen Kapitalnehmern und -gebern läßt sich überdies kein Markt bilden und damit auch kein Markt- oder Börsenpreis feststellen; siehe Hirte, ZGR-SH 13, 1998, S. 61, 79. Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 377 f., weist darauf hin, daß sich der Schutz vor diesen Risiken an sich auch durch vertragliche Vereinbarungen zur Verhaltensbindung des Kapitalnehmers und Einräumung von Mitsprache- und Kontrollrechten des Kapitalgebers erreichen läßt, sich aber solche Vereinbarungen negativ auf die Flexibilität des Kapitalnehmers auswirken. Auf diesen Punkt ist später nochmals zurückzukommen. 524 Vgl. zur Bedeutung der Satzungsstrenge gemäß § 23 Abs. 5 S. 1 AktG oben S. 184 f. 525 So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 123. 526 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 f.; dazu schon oben bei Fn. 465. 527 MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63, Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 60, und ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

mit auch den institutionellen Anlegerschutz, da hierdurch die Anlageentwicklung den Erwartungen des Anlegers angenähert wird.528 Die Bedeutung des innergesellschaftlichen Anlegerschutzes als Form des ex post-Anlegerschutzes erschließt sich, wenn man neben der Gefahr nachteiliger Maßnahmen der Geschäftsführung auch die Gefahren durch das Verhalten der Aktionärsmehrheit oder einzelner Aktionäre berücksichtigt. Eine andersartige Entwicklung der AG als diejenige, die der Aktionär seiner Anlageentscheidung zugrundegelegt hat, kann sich dabei durch opportunistisches Verhalten der Geschäftsführung der AG als Kapitalnehmer und Partner der Finanzierungsbeziehung als auch durch die Ausübung von Teilhaberechten der Aktionärsmehrheit und -minderheit ergeben. a) Opportunistisches Verhalten der Geschäftsführung Die im US-amerikanischen Schrifttum unter dem Begriff des agency problem behandelten Gefahren für die Aktionäre, die mit der sog. PrincipalAgent-Theorie aufgearbeitet wurden und die Gefahren eines aus Sicht des Prinzipals suboptimalen Handelns des Agenten infolge der Trennung von Eigentum und Kontrolle beschreibt, wird auch in jüngeren Gesetzesbegründungen angesprochen.529 van Aaken nennt als Problemkreise die Schwierigkeiten der Kontrolle des Managements durch die Anteilseigner und verborgene Informationen über Möglichkeiten und Chancen der Gesellschaft, die das Management, nicht aber die Anteilseigner haben.530 Die dem Anleger drohenden Gefahren hat Assmann für das deutsche Recht konkretisiert. Er528 Hierzu Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379, und ders., ZBB 1989, 49, 62; dem zustimmend Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 121. 529 Dazu Shleifer/Vishny, 52 JoF 737, 740 ff. (1997), Hansmann/Kraakman, in: Anatomy of Corporate Law, 2004, Kap. 2 (S. 21 ff.); G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 28 ff.; Windbichler, JZ 2008, 840, 843 (liSp.); Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 110 ff., zu den verschiedenen Principal-Agent-Konflikten; Wiedemann, ZGR 2006, 240, 244 ff.; van Aaken, RabelsZ 2004, 288, 290, 294 ff., mit Verweis u. a. in Fn. 6 auf Berle/Means, The Modern Corporation and Private Property, 1932; Fleischer, WM 2003, 1045, 1048 f.; G. H. Roth, ZIP 2003, 369 ff. mit Verweis u. a. auf dies. sowie Jensen/Meckling, 3 JoFE 305 ff. (1976). Hierzu umfassend Arnold, Vorstandshandeln, 2007. Der Gesetzgeber nimmt hierauf Bezug in der Begr RegE KonTraG sowie UMAG oben bei Fn. 186 und Fn. 221. Siehe auch Hüffer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 7. Kap. Rn. 41 (S. 356: Vorstand allenfalls Agent der Gesellschaft, nicht der Aktionäre). 530 van Aaken, RabelsZ 2004, 289, 290 Fn. 6, zu moral hazard und hidden bzw. asymmetric information. Vgl. zu dem in der Informationstheorie als moral hazard und post-contractual opportunism bezeichneten Marktversagen auch Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 34; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 377. Ein besonders deutliches Beispiel zum moral hazard findet sich bei Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 29 (S. 174).

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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greift die Geschäftsführung gesellschaftsrechtlich eröffnete oder jedenfalls nicht verbotene Maßnahmen, die dem Anlageinteresse des Publikumsaktionärs zuwiderlaufen und die er nicht bei seiner Anlageentscheidung einkalkulieren konnte, wird der rationale Anleger in Zukunft von der Investition in eine solche Anlage absehen, wenn sich die Maßnahme zu Lasten seiner Rendite auswirkt.531 Zwar tritt eine Regulierung durch den Markt ein, wenn opportunistisches Verhalten der Verwaltung mit Kursabschlägen auf die Aktien verbunden ist; der Funktion der AG als Kapitalsammelbecken läuft dies aber zuwider, da dies zumindest zeitweise mit einer Verminderung der Attraktivität in diese Anlageform einhergeht.532 Grenzen setzt hier insbesondere der Unternehmensgegenstand, der den Tätigkeitsbereich des Verbandes nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG satzungsmäßig festlegt.533 Der Unternehmensgegenstand umreißt die Grenzen der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes im Sinne des § 82 Abs. 2 AktG und verwirklicht den ex post-Anlegerschutz,534 dient aber auch dem ex ante-Anlegerschutz durch die damit verbundene Information potentieller künftiger Aktionäre über den Tätigkeitsbereich der AG.535 Die Unternehmensleitung durch den Vorstand darf nicht über den Unternehmensgegenstand hinausgehen, hat diesen aber auch zugleich auszufüllen.536 Die Ein531 Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 60, und ders., ZBB 1989, 49, 62. Zu Abwicklungs-, Verwaltungs- oder Interessenvertretungsrisiko oben bei Fn. 480. 532 Dazu Spindler, AG 1998, 53, 64; Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 66 Fn. 34, hebt zutreffend hervor, daß der verkaufende Aktionär aufgrund des drohenden Kursverfalls weniger das Management als vielmehr sich selber bestraft. 533 MünchKommAktG/Pentz, 2008, § 23 Rn. 69; Stein, aaO, 2005, § 179 Rn. 101; Röhricht, in: GroßkommAktG, 1996, § 23 Rn. 80 je mwN. 534 Zur Beschränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes nach § 82 Abs. 2 AktG durch die Satzung siehe BGH v. 3.11.1980 – II ZB 1/79, BGHZ 78, 311; Hüffer, AktG, 2008, § 23 Rn. 21 und § 82 Rn. 8 ff.; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 82 Rn. 34; Pentz, aaO, § 23 Rn. 78; Habersack, in: GroßkommAktG, 2003, § 82 Rn. 23 ff.; Röhricht, aaO, 1996, § 23 Rn. 83 ff. 535 Aufgrund der Eintragungs- und Bekanntmachungspflicht nach §§ 39 Abs. 1, 40 AktG dient der Unternehmensgegenstand auch der Information des Rechtsverkehrs; dazu Röhricht, in: GroßkommAktG, 1996, § 23 Rn. 81. Siehe auch §§ 32 Abs. 3 BörsG, 7 WpPG iVm VO (EG) Nr. 809/2004 v. 29.4.2004, Abl. EU Nr. L 149 v. 31.12.2003 als kapitalmarktrechtliche Regelung zur Information bei Aktienemissionen; hierzu Reiner, AG 2006, 93 ff. 536 Neben dem unstreitigen ersten Fall besteht nach der wohl heute h. M. eine Verpflichtung des Vorstandes, den Unternehmensgegenstand der Satzung auch tatsächlich materiell auszufüllen; OLG Stuttgart v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, ZIP 2003, 1981, 1987; Hüffer, AktG, 2008, § 179 Rn. 9a; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 179 Rn. 18; MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179 Rn. 108; Habersack, in: GroßkommAktG, 2003, § 82 Rn. 25; Wiedemann, aaO, 1995, § 179 Rn. 60; Reichert, ZHR-SH 68 (1999), S. 25, 39 ff.; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 227 f.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

schränkung der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstandes durch den Unternehmensgegenstand dient mithin dazu, daß sich der Aktionär nicht in einer anderen Gesellschaft als dem von ihm ausgewählten Investitionsobjekt wiederfindet.537 Problematisch sind allerdings Situationen, bei denen die Verwaltung noch formell innerhalb der durch den Unternehmensgegenstand gesetzten Grenzen handelt, trotzdem aber tief in das Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre oder deren im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteressen eingreift, was der Holzmüller-Entscheidung zugrunde lag, in deren Rahmen der BGH die Notwendigkeit des Schutzes der Aktionäre auch vor solchen Maßnahmen betonte.538 b) Egoistisches Verhalten der Aktionärsmehrheit und einzelner Aktionäre Trifft die Aktionärsmehrheit in der Hauptversammlung Entscheidungen, die der Aktionär als Anleger bei seiner Investitionsentscheidung nicht erwartet hat und die seine Rendite negativ beeinflussen, haben diese ebenfalls nachteilige Auswirkungen auf die Bereitschaft zur Investition von Kapital. Grenzen werden dabei durch die Satzungsstrenge des AktG, bei Abstimmungen durch das Erfordernis bestimmter Mehrheiten und der mitgliedschaftlichen Treubindungen gesetzt.539 Wendet man den Blick auf Fälle des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien und dabei insbesondere auf die Kapitalerhöhung gegen Einlagen, bei denen die widerstreitenden Interessen von Verwaltung bzw. Aktionärsmehrheit und -minderheit Rechtsprechung und Schrifttum in besonderem Maße beschäftigen, zeigt sich das verbandsrechtliche Schutzspektrum. Hohe Mehrheitserfordernisse bei Hauptversammlungsbeschlüssen zur Erhöhung des Grundkapitals, das Bezugsrecht der Aktionäre und die Beschlußkontrolle zu seinem Ausschluß dienen dem Schutz der Minderheit. Die von einzelnen Aktionären erhobenen Anfechtungsklagen insbesondere gegen Kapitalerhöhungsbeschlüsse zeigen aber auch die Notwendigkeit des Schutzes der Aktionärsmehrheit vor Renditebeeinträchtigungen durch ein Handeln einer Aktionärsminderheit bzw. einzelner Aktionäre auf. 537

So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 123 f. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 123, 131 f. (Holzmüller). 539 Zu erstem Spindler, AG 1998, 53, 68 ff.; Hirte, ZGR-SH 13, 1998, S. 61, 74; zu zweitem Hüffer, AktG, 2008, § 133 Rn. 11 ff.; Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 2008, § 13 Rn. 21, für Hauptversammlungsbeschlüsse zu Umwandlungsmaßnahmen. Zu den mitgliedschaftlichen Treubindungen und der aus der mitgliedschaftlichen Treupflicht abgeleiteten materiellen Beschlußkontrolle Henze/Notz, in: GroßkommAktG, 2004, Anh §§ 53a Rn. 1 ff.; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 13 ff., 20 ff., und § 243 Rn. 22 ff.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 3 (S. 53 ff.). 538

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

205

Die durch das AktG vermittelten Grenzen der Einwirkungsmöglichkeiten der Aktionäre zu Lasten der Anlegerinteressen lassen deutlich werden, daß das aktienrechtliche Binnenorganisationsrecht auch dem innergesellschaftlichen Anlegerschutz dient, sofern der Vermögenswert der Beteiligung des Aktionärs durch solche Maßnahmen betroffen ist. 3. Die Doppelfunktion binnenorganisatorischer Regelungen Die verstärkte Ausrichtung auf den Kapitalmarkt durch eine Orientierung an den Interessen in- und ausländischer Anleger als Kapitalgeber verlangt von der börsennotierten AG, den Anforderungen der Anleger zu genügen, und dient zugleich dem Funktionenschutz des Kapitalmarkts. Das Binnenorganisationsrecht der AG hat sich an Anlegerinteressen und Anlegerschutzgedanken als Gestaltungsparametern zu orientieren, so daß sich der gesetzliche Leitgedanke des Schutzes der Anlegerinteressen damit auch auf das Binnenorganisationsrecht der AG auswirkt. Der Schutz des einzelnen Aktionärs hat sich zu einem Schutz der Aktionäre auch als Anleger im Rahmen des verbandlichen Binnenorganisationsrechtes weiterzuentwickeln, was insbesondere für die Aktionäre bedeutsam ist, die aufgrund der Zurückdrängung des verbandsrechtlichen Schutzes in besonderem Maße des Schutzes ihres Beteiligungsvermögens bedürfen. Die Aktionärsstellung ist damit in verbandsrechtlichen und anlegerorientierten Kategorien zu erfassen. Im Sinne des ex post-Anlegerschutzes haben auch Normen rein verbandsrechtlichen Ursprungs anlegerschützende Funktion, schützen den Aktionär also auch als Kapitalanleger, so daß diesen eine Doppelfunktion zukommt, da sie der Funktionsfähigkeit des Verbandes als organisierter Personenmehrheit mit gemeinsamer Zielsetzung und zugleich dem innergesellschaftlichen Anlegerschutz zur Verwirklichung der Finanzierungsfunktion der AG durch die Ausrichtung auf die Anlegerinteressen dienen.540 Schwierigkeiten bestehen dabei insofern, als die Aktionäre teils unternehmerische Interessen, aber auch teilweise nur Kapitalanleger- und nicht die dem Verbandsmitglied typischen Interessen haben.541 Die Möglichkeit der Verwirklichung des innergesellschaftlichen Anlegerschutzes ist vor diesem Hintergrund im folgenden Abschnitt näher zu untersuchen. Dabei ist zu klären, ob dieser Schutz nicht zu einer unzutreffenden Angleichung der Rechtsstellung der unterschiedlichen Aktionärstypen führt, die teils unter540 Hierzu auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 125; Fleischer, ZIP 2006, 451, 454 (liSp.); MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63. 541 Zur Inhomogenität der Aktionärsinteressen Fleischer, ZGR 2008, 185, 214 ff.; MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 3; Ekkenga, Anlegerschutz, 1998, S. 15 f.; Assmann, in: GroßKommAktG, 2000, Einl Rn. 67.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

nehmerische Interessen, teils aber auch nur Kapitalanlageinteressen haben. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage der Absicherung der Vermögensstellung vor nachträglichen unerwarteten Änderungen, die durch die Verwaltung oder die Hauptversammlung veranlaßt werden.

IV. Verhältnis des innergesellschaftlichen Schutzes des Verbandsmitglieds und des Anlegers Im vorletzten Teil des Abschnitts zum Anlegerschutz im Aktienrecht sind die Gemeinsamkeiten und Gegensätze des innergesellschaftlichen Schutzes des Verbandsmitglieds und des Aktionärs als Anleger aufzuzeigen und damit der Frage nachzugehen, inwiefern der Anleger durch Mittel des Verbandsrechts geschützt werden kann.542 Die Diskussion um den Schutz des Aktionärs als Anleger hat aufgrund der Gesetzesänderungen insbesondere durch das UMAG, das den Rechtsschutz der Aktionäre mehr im Bereich der Organhaftung und weniger im Bereich der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen verwirklichen will, und einem in jüngerer Zeit ergangenen Urteil des BGH zu den Individualklagerechten der Aktionäre neue Impulse bekommen.543 Ausgangspunkt des aktienrechtlichen Schutzes des Aktionärs ist die Sichtweise vom Aktionär als Verbandsmitglied. Traditionell schützt das Verbandsrecht den Aktionär im Hinblick auf seine mitgliedschaftliche Position, die durch sein Stimmrecht als „das vorzüglichste Recht des Aktionärs“ gesichert wird.544 Der Aktionär als Anleger von Kapital, der mit seiner Anlageentscheidung vor allem Vermögensinteressen verfolgt, wird durch Kapitalmarktrecht geschützt.545 Der Anlegerschutz durch Verbandsrecht zielt darauf ab, den Aktionär auch in seinen Anlegerinteressen durch innergesellschaftliche Mittel zu schützen. Nachfolgend sind Reichweite und Grenzen des innergesellschaftlichen Schutzes nachzugehen. Anzusetzen ist bei der Gegenüberstellung der Rechte und Interessen des Anlegers und Verbandsmitglieds.

542 543

Zu diesem Verhältnis schon Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 136 ff. BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249 (Mangusta/Commerzbank

II). 544 Siehe dazu Allg Begr AktG 1884 zu § 13 II 1, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 465 (liSp.); dazu schon oben bei Fn. 303. 545 MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 63; Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1537, und ders., in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1090; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 136, 149.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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1. Unterschiede in der Ausformung der Position des Anlegers und Verbandsmitglieds Die Frage nach den Unterschieden der Interessen und Rechte des Anlegers und des Verbandsmitglieds beschäftigt das Schrifttum schon seit langem, entfaltet aber mit der verstärkten Sichtweise der Minderheitsaktionäre vornehmlich als Anleger besondere Bedeutung für die aktiengesetzlichen Schutzmechanismen. Die traditionellen Ansichten im Schrifttum münden dabei in folgenden Gegensatz: Der Gesellschafter als Verbandsmitglied faßt seinen Entschluß zum Verbandsbeitritt infolge gründlicher Einsichtnahme in die Satzung und ist typischerweise Mitgesellschafter und Mitunternehmer; Charakteristika seiner Stellung sind seine Mitwirkungsbereitschaft und Teilhaberechte in der Unternehmergemeinschaft.546 Von zentralem Interesse für das Verbandsmitglied ist die Teilhabe durch Mitverwaltungsrechte und insbesondere das Stimmrecht als vorzüglichstes Recht zur Mitwirkung bei der Teilhabe an der Willensbildung. Daneben will der Gesellschafter den Wert seiner vermögensmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft mehren oder wenigstens erhalten.547 Verbandsmitglieder haben den als „Leitidee“ und als „finalen Sinn des Zusammenschlusses“ der Gesellschafter bezeichneten gemeinsam festgelegten Zweck als Inhalt ihres Rechtsverhältnisses auch gemeinsam zu verfolgen,548 der im Recht der Körperschaften die normative Leitlinie des Aktionärsverhaltens darstellt.549 Die Vermögensrechte beziehen sich auf die in Verfolgung des Verbandszwecks geschaffenen Vermögenswerte.550 Dem Anleger hingegen steht die Verfolgung eines überindividuellen Zwecks fern.551 Statt des verbandsrechtlichen Interesses an der Mitwirkung bei Maßnahmen zur Erreichung des Verbandszwecks stehen die Vermögensinteressen, also der Werterhalt und die Rendite des Investments im Mittelpunkt seines Interesses. Die Investitionsentscheidung des Anlegers wird regelmäßig nicht von der inhaltlichen Ausgestaltung der Satzung, sondern von Erwägungen anderer Art bestimmt, wie insbesondere dem aktuellen 546 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379; Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 I 1b (S. 478); siehe auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 101 (de lege ferenda), zum Mitunternehmer-Aktionär. 547 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 136. 548 Zu erstem Brändel, in: GroßkommAktG, 1992, § 3 Rn. 15; zu letztem Hüffer, AktG, 2008, § 23 Rn. 22. Zur Bedeutung des Verbandszwecks Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 und 109, und oben bei Fn. 39. 549 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 155; grundlegend Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 29 III (S. 322 ff.). 550 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 143. 551 So Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 2 (S. 154).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Börsenkurs, Kurs- und Dividendenerwartungen.552 Die Vermögensrechte nehmen eine zentrale Stellung ein, Mitverwaltungsrechte dienen nur als Hilfsmittel zur Verwirklichung dieser Rechte. Der Anleger will vor allem an den risikobehafteten unternehmerischen Erträgen teilhaben, ohne unternehmerische Leistungen und Mitwirkungserfordernisse erbringen zu müssen; sein Stimmrecht nutzt er allenfalls bei Grundlagen- und Strukturentscheidungen sowie bei Entscheidungen über die Besetzung der Geschäftsleitung und der Gewinnausschüttung.553 Darüber hinausgehend ist der Anleger an der Mitwirkung im Prozeß der Willensbildung, der Einflußnahme auf die Geschäftsführung oder der Wahrnehmung von Kontrollaufgaben kaum interessiert.554 Die Interessenunterschiede spiegeln sich damit in der unterschiedlichen Ausrichtung und Gewichtung der „Teilhabe“, die sich verbandsrechtlich auf die Mitwirkung zur Verfolgung des Verbandszwecks bezieht und für den Anleger im Wesentlichen auf die Leistung seiner Einlage beschränkt, und der unterschiedlichen Bedeutung der Vermögensrechte wider.555 Der Verbandszweck als überindividuelle, von den konkreten Interessen der einzelnen Verbandsmitglieder abgelöste und für alle Gesellschaftsorgane gleichermaßen verbindliche Leitmaxime ist damit der entscheidende Unterschied zwischen den Regelungszielen eines Gesellschaftsrechts, das vom Gesellschafter als Verbandsmitglied ausgeht, und einem Recht, dessen Leitbild im Anleger liegt. Im verbandsrechtlichen Sinn dienen die Strukturen zur Organisation der Willensbildung dazu, den überindividuellen Verbandszweck möglichst effizient zu erreichen. In der auf den Anleger ausgerichteten Organisation haben die einzelnen Investoren nur individuelle Interessen; der Verfolgung eines überindividuelles Interesses und damit auch der Gesellschaft stehen sie fern.556 Das Verbandsrecht vermittelt daher einen über das vertriebsbezogene Kapitalmarktrecht hinausgehenden Interessenschutz durch Einräumung gesellschaftsinterner Mitverwaltungsrechte, die dabei auch der Verwirklichung des Verbandszwecks dienen.557 Dies zeigt sich neben dem 552

Röhricht, in: GroßkommAktG, 1996, § 23 Rn. 167. Zu erstem Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379; zu letztem Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 II 2 (S. 488 f.), und ders., BB 1975, 1591, 1594; Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 202 f. 554 Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 59, und ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379. Siehe auch Wiedemann, GesR II, 2004, § 1 II 1 (S. 21); sowie Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 101 (de lege ferenda), zum Anleger-Aktionär. 555 Zum Begriff der „Teilhabe“ am Verband siehe Lutter AcP 180 (1980), 84, 88 f. 556 Dazu Lutter, AcP 180 (1980), 84, 89 ff.; siehe auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 142. 557 So Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 II 1b (S. 488). 553

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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Stimmrecht auch an dem Anfechtungsrecht des Aktionärs, das sicherstellen soll, daß die aus dem wirtschaftlichen Eigentum des Aktionärs fließenden Mitsprache- und Kontrollrechte verwirklicht werden. Dem Verbandsmitglied geht es um den Schutz seiner Mitgliedschaft und nur als Teil dessen um den Schutz seiner Vermögensinteressen, der Anleger will vor Eingriffen in seine Vermögensinteressen etwa durch die Mehrheit der Gesellschafter bei der Beschlußfassung geschützt werden. Die Verhaltensbindung der Geschäftsführung dient dem Verbandsmitglied zur Verwirklichung des Verbandszwecks, dem Anleger zur Stabilisierung seiner Anlageentscheidung. In verbandsrechtlicher Sicht bricht das Ausscheiden aus der Gesellschaft den Zusammenschluß der Gesellschafter zur Verfolgung des Verbandszwecks auf und stellt die ultima ratio dar, die erst nach Versagen sämtlicher sonstiger verbandsrechtlicher Mittel zum Schutz des Gesellschafters in Betracht kommt. Dem vorrangigen Interesse am Bestandserhalt steht seitens des Anlegers neben der Absicherung seiner Vermögensrechte das Wertinteresse seiner Vermögensposition gegenüber, die auch durch ein Ausscheiden erreicht werden kann, das damit Mittel zur Verwirklichung des Vermögensschutzes ist. Die grundlegenden Unterschiede in der Interessenlage von Anleger und Verbandsmitglied legen nahe, daß auch die Mechanismen zum Schutz dieser Interessen erheblich voneinander abweichen. 2. Innergesellschaftlicher Schutz des Anlegers durch Schutz des Aktionärs als Verbandsmitglied? Der deutsche Gesetzgeber hat ausgehend von dem Jahrhundertwerk der Aktienrechtsreform von 1884 den Aktionär als Kapitalanleger mit Mitteln des Gesellschaftsrechts und dabei vornehmlich durch den Aufsichtsrat als institutionalisierte Geschäftsleitungskontrolle zu schützen versucht.558 Weitere verbandsrechtliche Instrumente sind die Einräumung von Kontroll- und Mitwirkungsrechten der Aktionäre sowie rechtliche Bindungen der AG durch Verhaltenspflichten ihrer Verwaltungsorgane und Kapitalbindungen.559 Als Institute des innergesellschaftlichen Schutzes des Anlegers wer558 So Hommelhoff, in: FS Lutter, 2000, S. 95, 101; Kübler/Assmann, GesR, 2006, § 32 I 1 (S. 458 f.); Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 3 II (S. 74 ff.). Siehe zur Bedeutung des Aufsichtsorgans für den Anlegerschutz auch die Empfehlung der EU-Kommission v. 15.2.2005, Abl. L 52/51, S. 55. 559 Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 378 Fn. 41 mwN. Hierzu auch Hommelhoff, ZHR 151 (1987), 446, 458 f., und ders., ZGR-SH 12, 1994, S. 65, 74 ff.; Möllers, ZGR 1997, 334, 346; Raiser/Veil, KapGesR, 2006, § 9 Rn. 17 (S. 51 f.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

den dementsprechend im Schrifttum herkömmlich insbesondere Verhaltenspflichten der Verwaltung, der Aufsichtsrat als Überwachungsstelle, AnlegerMitentscheidungen und das Recht zum Ausscheiden aus der AG genannt.560 Daneben sind hierzu auch der in § 53a AktG normierte Grundsatz der Gleichbehandlung und die aktienrechtliche Treupflicht zu zählen.561 Ziel des innergesellschaftlichen Schutzes des Verbandsmitglieds ist, dieses vor einem Abweichen der Verwaltung vom Verbandszweck und dem Unternehmensgegenstand sowie einem Eingriff in den Bestand seiner Mitgliedschaft und mitgliedschaftlichen Einzelinteressen durch den Verband selbst oder durch die übrigen Mitglieder zu schützen. Schutzmechanismen im Hinblick auf das Handeln der Verwaltung sind die Pflichtenbindung der Geschäftsführung an den Verbandszweck und den Unternehmensgegenstand, die Rückverlagerung von Entscheidungskompetenzen auf das Organ Gesellschafterversammlung, Individualklagerechte, Gleichbehandlungsgebot und Treubindungen. Zum Schutz vor Beeinträchtigungen durch Beschlüsse der Gesellschafterversammlung dienen darüber hinaus unterschiedlich hohe Stimm- und Kapitalmehrheiten bei der Beschlußfassung je nach Intensität des Eingriffs und die mit der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen verbundene Beschlußkontrolle.562 Der innergesellschaftliche Anlegerschutz zielt darauf ab, Risiken des Anlegers zu minimieren, die Folge seines Informationsmangels bei der Anlageentscheidung sind und sich etwa aus einem späteren eigennützigen Handeln der Verwaltung ergeben.563 Die gesellschaftsrechtlichen Mittel dienen dem Schutz vor nachträglichen Veränderungen der Finanzierungsbeziehung, die sich negativ auf die vermögensmäßige Beteiligung und die Rendite des Anlegers auswirken. Neben einer für den Anleger günstigen Möglichkeit zur Desinvestition soll der Anlegerschutz durch die Absicherung seiner Anlage im Nachgang der Anlageentscheidung und Investition von Kapital erreicht werden. Durch Verhaltensbindungen der Verwaltung und der Gesellschafter kann sichergestellt werden, daß die Gesellschaft die der Anlageentscheidung zugrundegelegte Entwicklung nimmt und etwa eigennütziges Verhalten der Verwaltung zu Lasten der Anleger begrenzt wird. Das Recht auf Teilhabe an der hauptversammlungsförmigen Willensbildung und weitere Individualrechte dienen dazu, im Interesse der Beibehaltung des Anlagewertes und der 560 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 143 f.; Hommelhoff, ZHR 153 (1989), 181, 194 ff., und ders., ZGR-SH 12 (1994), S. 65, 74 ff. Siehe aber auch Kübler/ Assmann, GesR, 2006, § 32 I (S. 460 ff.); Möllers, ZGR 1997, 333, 346; sowie Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 22 f. 561 Hierzu Spindler, AG 1998, 53, 69 f. mwN. auch zur US-amerikanischen Literatur in Fn. 148. 562 Zu diesen Schutzinstrumenten oben S. 196 ff. 563 Dazu auch Wackerbarth, ZGR 2005, 688, 702.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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Rendite auf die Finanzierungsbeziehung zur AG Einfluß nehmen zu können.564 Die Möglichkeit des Ausscheidens aus der AG unter Werterhalt des Investments ermöglicht dem Anleger eine Umschichtung seines Portfolios.565 Im Sinne einer kapitalmarktorientierten Auslegung aktienrechtlicher Vorschriften und Grundsätze in der börsennotierten AG dient das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot wie die Treubindungen in der AG dem Schutz des Anlegers vor Eingriffen der Gesellschaftsorgane in seine vermögensmäßige Beteiligungsstellung.566 3. Zielkonflikte der beiden Schutzanliegen und Bewertung Der kursorische Aufriß der innergesellschaftlichen Mittel zum Schutz des anlageorientierten und des verbandsmitgliedschaftlichen Aktionärs zeigt auf, daß die verbandsrechtlichen Möglichkeiten nicht ohne weiteres geeignet sind, den anlageorientierten Aktionär gegen nachträgliche Veränderungen, die den Wert seiner Beteiligung und deren Rendite negativ beeinflussen, ausreichend abzusichern. Dies wird überdies deutlich beim Vergleich dieser Schutzmechanismen verbandsrechtlichen Ursprungs zur Förderung des Anlegerschutzes mit den Zielen des innergesellschaftlichen Schutzes des Verbandsmitglieds. Das Auseinanderlaufen der Interessenrichtungen der unterschiedlichen Aktionärstypen in der AG erschwert die Anwendung eines einheitlichen Schutzkonzeptes. Insbesondere ist die Hauptversammlungsteilhabe dabei nur begrenzt geeignet, den Schutz der vermögensmäßigen Beteiligung der Aktionäre sicherzustellen. Mit dem eingeschränkten Bestandsschutz abhängig von der Beteiligungsquote wächst die Bedeutung des Vermögensschutzes. Dem aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebot und den Treubindungen kommen daher im Hinblick auf den Schutz des Aktionärs und Anlegers vor Eingriffen in seine Vermögensstellung besondere Bedeutung zu, da sie dem Verbandsmitglied zum Schutz seiner Mitgliedschaft und dem Anleger zum Schutz seiner Anlegerinteressen dienen. Die oben aufgezeigte Einflußunwilligkeit bzw. Einflußlosigkeit der Publikumsaktionäre lassen es als zweifelhaft erscheinen, den Schutz durch eine Teilhabe an der Willensbildung in der Hauptversammlung zu verbessern und 564 Zum Begriff „Individualrecht“ siehe bereits die Allg Begr AktG 1884, § 13 III (Individualrechte), in Schubert/Hommelhoff, in: Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 465 f.; zur Unterscheidung von echten und unechten Individualrechten Mülbert, in: GroßkommAktG, 1999, Vor § 118 Rn. 236 ff. 565 Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 II 2 (S. 490); siehe auch Schindler, Austrittsrecht, 1996, S. 162 f. 566 Zum Schutz der Aktionäre als Anleger durch Treubindungen jeweils knapp MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 69; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 140; Schwark, in: FS Stimpel, 1985, S. 1087, 1093, 1111.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

damit in diesem Rahmen ihren Schutz durch Gleichbehandlungsgebot und Treubindungen zu erreichen.567 Vor diesem Hintergrund können außerhalb der Hauptversammlung bestehende Rechte zur Sicherung des Beteiligungsvermögens des Publikumsaktionärs eher geeignet sein, dieses Interesse zu schützen. Die grobe Skizzierung der innergesellschaftlichen Mittel zum Anlegerschutz läßt die Grenzen eine solchen Schutzes schon erkennen, wenn man die Schutzansätze und -instrumentarien betrachtet. Zur Bewältigung der Risiken des Publikumsaktionärs als Kapitalanleger sind verbandsrechtliche Vorkehrungen nur beschränkt geeignet, die auf der Mitwirkungsbereitschaft und dem Willen des Anlegers zur verbandsinternen Koalitionsbildung bei der Wahrnehmung seiner Interessen aufbauen.568 Die grundsätzlichen Unterschiede von Mittel und Ziel des innergesellschaftlichen Schutzes des Anlegers und des Verbandsmitglieds treten damit zutage. 4. Alternativen zum Anlegerschutz des Aktionärs Konzeptionell läßt sich der innergesellschaftliche Schutz des Aktionärs als Anleger einerseits durch eine Beschränkung der Eingriffskompetenzen der Verwaltung und der Mitgesellschafter durch Verhaltenspflichten der Verwaltung und eine Ausdehnung der an Hauptversammlungsbeschlüsse zu stellende, über deren formelle Voraussetzungen hinausgehende Rechtmäßigkeitsanforderungen erreichen. Andererseits besteht die Möglichkeit des Schutzes durch Haftung und damit eines repressiven Vermögensschutzes der Beteiligung, sofern ein Mitgesellschafter oder, hier von größerer Bedeutung, die Verwaltung einen Vermögensschaden zu Lasten des Gesellschaftsvermögens verursacht. Zwischen dem verbandsrechtlichen Schutz durch Stimmrecht und Anfechtungsklage und dem vermögensmäßigen Schutz des Kapitalanlegers durch eine Schadensersatzhaftung der Organe stehen mitgliedschaftliche Individualrechte und Ansprüche der Aktionäre, mit denen diese auch außerhalb der Hauptversammlung ihren (Vermögens-)Schutz besorgen können. a) Schutz durch Verhaltenspflichten, Stimmrechtskompetenzen und Beschlußkontrolle Wird der Handlungsspielraum der Verwaltung durch Verhaltenspflichten beschränkt und die Aktionäre vor Beschlüssen der Hauptversammlung, die in ihre Rechtspositionen eingreifen, über das reine Mehrheitserfordernis 567 568

Siehe oben S. 135 ff. Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

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hinausgehend geschützt, so kann hierdurch der Schutz der Aktionäre als Anleger verbessert werden. aa) Anlegerschutz durch Verhaltenspflichten der Verwaltung Anlegerschutz kann durch Verhaltenspflichten der Verwaltung erreicht werden, wenn diese sich an den Aktionärsinteressen orientieren. Eine zu starke Einengung des Handlungsspielraums ist allerdings der arbeitsteiligen Vermögensmehrung in der AG, die mittels der Unternehmensführung durch die Geschäftsleitung einerseits und der Zurverfügungstellung von Kapital durch die Aktionäre andererseits erreicht werden soll, abträglich, widerspricht der Organisationsstruktur der AG und damit auch dem Interesse der anlageorientierten Aktionäre. Problematisch an solchen Verhaltensbindungen zum Schutz der Aktionäre ist daneben die Gefahr einseitiger Interessenberücksichtigung durch eine Einflußnahme bzw. Bevorzugung von Mitgesellschaftern, die zur Begünstigung einzelner Aktionäre führen kann. Überdies besteht von den Renditeinteressen abgesehen regelmäßig kein einmütiges Interesse der Aktionäre, so daß Verhaltensbindungen nur schwer auszurichten sind, da Aktionäre teils Unternehmer-, teils aber auch nur reine Anlageinteressen verfolgen. Auch bei rein anlageorientierten Aktionären bestehen Interessenunterschiede abhängig davon, ob die Aktionäre mit der Kapitalanlage eine kurzfristige Spekulations- oder Gewinnmaximierung anstreben oder auf eine langfristige Profitsteigerung abzielen.569 Einmütigkeit besteht nur im Hinblick auf den Schutz der Vermögensrechte und des Vermögenswertes der Beteiligung der Aktionäre. bb) Anlegerschutz durch Teilhabe an der Willensbildung und Rechtmäßigkeitskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen Ob das Recht auf Teilhabe an der Willensbildung den Anleger gegen nachträgliche Umweltveränderungen ausreichend absichern kann, erscheint vor dem Hintergrund fraglich, als das Stimmrecht für den Publikumsaktionär und sein Interesse an der Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen auf diesem Weg gering ist und er allein mit der Stimmrechtsausübung seinen Schutz nicht erreichen kann. Grundlage einer Teilhabe an Beschlüssen 569 Dazu Kort in: GroßkommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 69; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 145; Assmann, in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 446; dazu auch oben bei Fn. 541. Neben dem auch mit der Beteiligungsgröße verbundenen Interesse an der Einwirkung auf die Geschicke der Gesellschaft ist für die Unterschiede in den Interessen der Aktionäre auch die angestrebte Dauer der Finanzierungsbeziehung von Bedeutung; hierzu näher oben S. 135 ff.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

zur Wahrung der Anlegerinteressen durch eine sachgerechte Ausübung insbesondere des Stimmrechts ist eine ausreichende Information des Anlegers; der Größe seines Anteils entsprechend hat der Anleger aber nur beschränkte Sachkompetenz und regelmäßig nur mäßiges Interesse, sich um die Geschicke der Gesellschaft zu kümmern.570 Die oben dargestellten rechtstatsächlichen Entwicklungen zeigen dies deutlich auf. Die notwendige Absicherung der Aktionäre als Anleger läßt sich auch dann nicht erreichen, wenn eine Beschlußfassung der Hauptversammlung nicht erfolgt. Neben den gesetzlichen und durch die Satzung geregelten Fällen sind zwar auch ungeschriebene Kompetenzen bei Grundlagen- und Strukturentscheidungen anerkannt.571 Die hiervon nicht umfaßten Geschäftsführungs- und Strukturentscheidungen können aber, ohne daß eine Befassung der Hauptversammlung erforderlich ist, gleichermaßen erheblich in die Anlegerinteressen eingreifen.572 Entsprechendes gilt für den Anleger, der Kapital in der Obergesellschaft investiert, im Hinblick auf Geschäftsführungs- wie auch Grundlagen- und Strukturentscheidungen in abhängigen Gesellschaften der Unternehmensgruppe.573 Gesellschaftsrechtliche Mittel zur Kontrolle und Erzwingung von Hauptversammlungsbeschlüssen erfordern ebenfalls Informationen, Zeit und Kosten, die der Publikumsaktionär regelmäßig nicht aufbringen kann oder will. Überdies überfordert eine ausdehnende Hauptversammlungskompetenz die Aktionäre und steht im Widerspruch zur Verteilung der Organkompetenzen der AG und dem Erfordernis schnellen Handelns in einer global vernetzten Wirtschaftsordnung.574 Eine Ausweitung der Beschlußkompetenz der Hauptversammlung erscheint aber vor allem auch vor dem Hintergrund der Interessenrichtung der Publikumsaktionäre nicht als geeignetes Mittel. Das Anfechtungsrecht des Aktionärs wird in der Regierungsbegründung zum AktG 1965 als „wirksamste Waffe des Aktionärs“ bezeichnet und dient der Sicherstellung der Verwirklichung der aus dem wirtschaftlichen Eigentum des Aktionärs fließenden Mitsprache- und Kontrollrechte.575 Die damit 570

Dazu umfassend S. 135 ff. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 123 ff. (Holzmüller), und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 (Gelatine); dazu näher im Vierten Teil. 572 So auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 137; dem zustimmend Hirte, WM 1997, 1001, 1002; zu Beispielen und Schutzmöglichkeiten für Fälle des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der AG oder einer Tochtergesellschaft in der Unternehmensgruppe unten im Dritten und Vierten Teil. 573 Zur Notwendigkeit der Befassung der Obergesellschaft mit Vorgängen in Tochtergesellschaften im Sinne der Holzmüller-Rechtsprechung BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 123 ff., und dazu näher im Vierten Teil. 574 Zur Kompetenzverteilung nach dem AktG 1965 oben S. 81 f.; zu letztem BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 ff. (Gelatine). 571

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erreichte Rechtmäßigkeitskontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen etwa bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß setzt zusätzlich dabei an, daß nicht allein die Mehrheitsmacht jeden Eingriff in die Rechtsstellung der Minderheitsaktionäre rechtfertigt, sondern vielmehr auch bewegliche Schanken der Mehrheitsherrschaft bestehen.576 Unterwirft man in diesem Sinne Hauptversammlungsbeschlüsse neben dem formalen Mehrheitserfordernis einer Rechtmäßigkeitskontrolle, so relativiert man den Gedanken des Mehrheitsprinzips, das die gemeinsamen Interessen der Aktionärsmehrheit über Interessen der Aktionärsminderheit stellt. Die dadurch entstehende Minderheitsmacht kann dazu führen, daß die Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzwingt, was an der Erhebung mißbräuchlicher Anfechtungsklagen besonders deutlich wird, die zu einer Lähmung der Beschlußkompetenz der Hauptversammlung führen können und den Gesetzgeber zu Änderungen des Anfechtungsrechts insbesondere durch das UMAG veranlaßt hat. Die Gesetzesbegründung zum UMAG hebt hervor, daß die Anfechtungsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse ein wichtiges Schutzinstrument jedes einzelnen Aktionärs unabhängig von seiner Beteiligungsquote oder der Dauer seiner Beteiligung aufgrund der „positiven Präventivwirkungen der Anfechtungsklage“ ist.577 Denn sie kann auch von dem mit nur einer Aktie beteiligten Aktionär gegen nahezu jeden Hauptversammlungsbeschluß erhoben werden und bietet aufgrund der damit verbundenen praktischen Sperrwirkung bei einem gegebenenfalls erforderlichen Vollzug des Hauptversammlungsbeschlusses im Handelsregister einen wirkungsvollen Schutz.578 Die daraus entspringende Minderheitsmacht konfligiert aber zugleich mit dem Mehrheitswillen und dem Erfordernis der Durchführung hauptversammlungspflichtiger Geschäftsleitungs- und Strukturmaßnahmen im Gesellschaftsinteresse.579 Hieran zeigt sich, daß die Möglichkeit der Anfechtung 575

Siehe dazu Begr RegE zu § 245 AktG 1965, bei Kropff, AktG, 1965, S. 332 f. Grundlegend dazu Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 (S. 339 ff.). 577 Begr RegE UMAG zu § 246a AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 29 (reSp.). 578 Siehe dazu den Begleitaufsatz von Lutter, JZ 2000, 837, 837 (liSp.), zu den Verhandlungen des 63. DJT zur Frage der Neuregelung der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Organhaftungsrechts. 579 Zum Mißbrauch des Anfechtungsrechts durch „räuberische Aktionäre“ (siehe den Ausatztitel von Lutter, Zur Abwehr räuberischer Aktionäre, in: FS Der Betrieb, 1988, S. 193 ff., und hierzu auch ders., ZHR 153 (1989), 446, 466) vgl. etwa BGH v. 22.5.1989 – II ZR 206/88, BGHZ 107, 296, 310 f. (Kochs Adler), sowie die empirische Studie von Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 ff. Solche mißbräuchliche Rechtsausübung gibt nicht erst seit jüngerer Zeit Anlaß zur Diskussion, sondern hat neben dem 63. und 67. auch schon den 24. Deutschen Juristentag im Jahre 1927 beschäftigt; dazu Noack, NZG 2008, 441, 445 (reSp.), sowie die Gutachten von Baums, Gutachten 63. DJT, 2000, S. 158 ff., und Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 107 (de lege ferenda). Aus dem reichhaltigen Schrifttum etwa Winter, in: RWS-Forum GesR, 2003, S. 457, 476 ff.; Martens, AG 2004, 238 ff.; Assmann, 576

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht unbedingt geeignet ist, den Anlegerschutz zu verwirklichen, da im Falle der Erhebung einer Anfechtungsklage aufgrund deren Blockadewirkung ein erheblicher finanzieller Nachteil der AG und damit mittelbar der übrigen Anleger drohen kann. Zu Recht weist daher die Gesetzesbegründung des UMAG im Hinblick auf die Einführung eines Freigabeverfahrens in § 246a AktG zur Vermeidung solcher Blokkaden darauf hin, daß „der betriebswirtschaftliche und der gesamtwirtschaftliche Schaden, die durch die Anfechtungsklage eines Kleinaktionärs und die daraus resultierende Handlungsunfähigkeit der Gesellschaft entstehen, durch das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen nicht mehr zu rechtfertigen“ sei.580 Die Zurückdrängung der nachteiligen Auswirkungen von Anfechtungsklagen durch die neben dem Freigabeverfahren angestrebte Ausdehnung des Spruchverfahrens auch im Rahmen des § 243 Abs. 4 AktG verdient Zustimmung. Allerdings kann dies nicht als Schlußpunkt der Modernisierung des Anfechtungsrechts betrachtet werden, wie auch der Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie, der auch Regelungen zur Eindämmung mißbräuchlich erhobener Anfechtungsklagen beinhaltet,581 und die im Schrifttum zunehmende Diskussion zur Einführung eines Mindestquorums für die Erhebung der Anfechtungsklage und den Schutz des Aktionärs durch die Ausweitung des Spruchverfahrens und materiell-rechtliche Ausgleichsansprüche zeigen.582 Unabhängig von den Problemen rechtsmißAG 2008, 208 ff.; Hemeling, ZHR 172 (2008), 379 ff.; Hüffer, AktG, 2008, § 245 Rn. 22 ff.; J. Vetter, AG 2008, 177 ff. Die damit verbundenen Probleme sind hier nicht näher aufzugreifen, da in diesem Fall die Klage nicht im Anlegerinteresse, sondern zur Erlangung dem Kläger nicht gebührender Sonderleistungen durch „Abkauf“ des sog. Lästigkeitswertes eingesetzt wird; dazu Hüffer, aaO, sowie BGH v. 10.10.2005 – II ZR 148/03, BGHZ 164, 241, 247 (Mangusta/Commerzbank I). 580 Allg Begr RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S. 1. 581 Zu den Schwächen des geltenden Beschlußanfechtungsrechts nach UMAG und der Verbesserung des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG, die der Eindämmung der seit dem Erlaß des UMAG „zahlenmäßig sogar noch vermehrt auftretenden Mißbrauchsfälle“ dienen soll, Allg Begr RegE ARUG, BR-Drs. 847/08, S. 28, und Begr zu §§ 246 und 246a AktG, BR-Drs. 847/08, S. 62 ff., sowie Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629 ff. 582 Für die Einführung einer Mindestbeteiligung als Voraussetzung der Anfechtungsbefugnis ähnlich wie in § 254 Abs. 2 S. 3 AktG zuletzt Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2008, 534, 541 (reSp.) und 542 f.; Assmann, AG 2008, 208, 211 f.; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 107; Hüffer, AktG, 2008, § 245 Rn. 27; Noack, NZG 2008, 441, 446, und ders., BB Heft 32 2007, erste Seite; Poelzig/ Meixner, AG 2008, 196, 210 ff.; Richter, ZHR 172 (2008), 419, 450 ff.; J. Vetter, AG 2008, 177, 188; Waclawik, ZIP 2008, 1141, 1145 ff.; kritisch Hemeling, ZHR 172 (2008), 379, 382 ff.; a. A. Baums/Drinhausen, ZIP 2008, 145, 148 ff.; Heidel, BB 2007, 2526, 2526 f.; hierzu zurückhaltend Arbeitskreis Beschlußmängelrecht, AG 2008, 617, 626 (reSp.), der eine weitreichende Neukonzeption des Beschlußmängelrechts vorschlägt. Zu Stimmen der schon vor dem Jahr 2000 geführten

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bräuchlicher Anfechtungsklagen wird schon hier deutlich, daß dieses verbandsrechtliche Kontrollinstrument allenfalls begrenzt dem Schutz der vorrangigen Interessen des anlageorientierten Aktionärs dient, da hierdurch nicht unmittelbar die Sicherung des Vermögenswertes seiner Anlegerposition erreicht, sondern vielmehr eine Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen durch Erhebung der Anfechtungsklage erforderlich wird.583 Die Geeignetheit des Stimmrechts in der Hauptversammlung und der Kontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses durch die Erhebung der Anfechtungsklage als Schutzinstrumentarien zur Verwirklichung des Anlegerschutzes nimmt also diametral zur zunehmenden Größe der Publikumsgesellschaften und deren Streubesitz ab. b) Schutz durch Haftung der Organe? Zentrale Vorschrift zur Haftung der Geschäftsleitung ist § 93 AktG, die in ihrem Abs. 1 die allgemeine Sorgfaltspflicht der Vorstandsmitglieder bei der Geschäftsführung festlegt,584 die Verantwortlichkeit gegenüber der GeDiskussion vgl. Baums, Gutachten 63. DJT, 2000, S. 103. In der Begr RegE ARUG zu § 246a Abs. 2 AktG, aaO, S. 64, wird die Einführung eines Beteiligungsquorums mit der Aussage abgelehnt, daß ein solches Quorum „rechtlich und rechtspolitisch fragwürdig“ erscheine, und statt dessen die Einführung eines Miniquorums für das Freigabeverfahren in § 264a Abs. 2 Nr. 2 AktG vorgeschlagen. 583 Vor dem Hintergrund der zunehmenden Differenzierung der Aktionärstypen und ihres Schutzes abhängig von ihrer Beteiligungsquote sowie der Ausrichtung der Stellung des geringer beteiligten Aktionärs auf dessen Anlegerposition durch die Reformgesetze überzeugt es, den Schutz dieses Aktionärstyps abhängig von der Beteiligungsquote nicht durch die Anfechtungsklage, sondern weitgehend durch ein Spruchverfahren und Ausgleichsansprüche zu erreichen. Zu Vorschlägen zur Ersetzung der Anfechtungsklage durch ein Spruchverfahren im Hinblick auf den Beschluß zur Verschmelzung des übernehmenden Rechtsträgers und zur Sachkapitalerhöhung Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2008, 534, 541, ders., NZG 2007, 497 ff., ders., NZG 2006, 737, 737 f., und ders., NZG 2000, 802, 803; Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 107, ders., ZHR 168 (2004), 132, 160, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 544 ff. und 548 ff.; Hüffer, ZHR 172 (2008), 8 ff.; J. Vetter, AG 2008, 177, 182 ff., und ders., ZHR 168 (2004), 8, 24 f. und 30 f.; Winter, FS Happ, 2006, S. 363, 376 ff., und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 699, 719 ff. Zum Verschmelzungsbeschluß auch Baums (Hrsg.), Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 151 (S. 175). Siehe auch zur verfassungsgemäßen Ausformung eines effektiven Rechtsschutz BVerfG v. 30.5.2007 – 1 BvR 390/04, NZG 2007, 587, 589 (liSp.) (Edscha), und v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/ 97, DNotZ 2000, 868, 874 (Moto Meter). 584 Die Vorschrift hat nach g. h. M. eine Doppelfunktion, da sie einerseits objektive Verhaltenspflichten eines Vorstandsmitglieds begründet und andererseits zugleich den Verschuldensmaßstab festlegt; vgl. Hüffer, AktG, 2008, § 93 Rn. 3a; Krieger/Sailer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 1; MünchKommAktG/ Spindler, 2008, § 93 Rn. 1; J. Semler, AG 2005, 321, 324 (liSp.); Hopt, in: Groß-

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sellschaft in den übrigen Absätzen regelt und aufgrund der Verweisung in § 116 S. 1 AktG auch auf das Handeln der Aufsichtsratsmitglieder Anwendung findet. Abgesehen von Sonderkonstellationen stehen Schadensersatzansprüche aufgrund sorgfaltswidrigen, das Gesellschaftsvermögen vermindernden Verhaltens grundsätzlich auch dann allein der Gesellschaft zu, wenn sich zugleich der Anteilswert der Aktionäre vermindert, § 93 Abs. 2 bis 4 AktG.585 Allerdings können Eingriffe in das Mitgliedschaftsrecht der Aktionäre deliktsrechtliche Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 1 BGB begründen.586 Bevor auf diese Ansprüche einzugehen ist, soll die Haftung nach § 93 AktG auch unter verfahrensrechtlichen Aspekten näher betrachtet werden. aa) Organhaftung nach §§ 93 Abs. 1, 116 S. 1 AktG Trotz der breit angelegten Sorgfaltspflicht in § 93 Abs. 1 und 2 AktG und der Haftung bei jeder schuldhaften Verletzung dieser Pflicht finden sich in der höchstrichterlichen aktienrechtlichen Rechtsprechung neben dem unter dem Namen ARAG/Garmenbeck berühmt gewordenen Urteil nur wenige Entscheidungen zur Organhaftung von Verwaltungsmitgliedern.587 Seinen Grund hat diese Entwicklung nicht im Haftungstatbestand, der weit angelegt ist, sondern in den Verfahrensregeln. Einzelne Aktionäre können keine eigenen Ansprüche aus § 93 AktG gegen Vorstandsmitglieder bei Pflichtverletzungen gegenüber der Gesellschaft geltend machen;588 vielmehr obKommAktG, 1999, § 93 Rn. 18 f., 72 und 78; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 93 Rn. 6 f. 585 Als Ausnahme ist § 117 Abs. 1 S. 2 AktG sowie verschiedene konzernrechtliche Vorschriften zu nennen (siehe jeweils Abs. 4 der §§ 309, 310, 317 und 318 AktG); dazu Hüffer, AktG, 2008, § 93 Rn. 19; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 93 Rn. 266; Fleischer, in: HdB VorstandsR, 2006, § 11 Rn. 111 (S. 363); Hopt, in: GroßkommAktG, 1999, § 93 Rn. 469 mwN. 586 BGH v. 12.3.1990 – II ZR 179/89, BGHZ 110, 323, 327, 334 (zum Vereinsrecht); MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 93 Rn. 267; Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 470 f. Umfassend hierzu Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 8 ff. (S. 113 ff.). 587 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmenbeck); aus der Instanzenrechtsprechung vgl. etwa OLG Düsseldorf v. 23.6.2008 – 9 U 22/ 08, NZG 2008, 713; OLG Frankfurt/M. v. 12.12.2007 – 17 U 111/07, AG 2008, 453; LG Dortmund v. 1.8.2001 – 20 O 143/93, DB 2001, 2591; LG Bielefeld v. 16.11.1999 – 15 O 91/98, AG 2000, 136 (Balsam/Procedo); siehe auch Lutter, ZIP 2007, 841, 842 (liSp.). Spektakuläre, bis zum BGH geführte Haftungsprozesse gegen Vorstandmitglieder gestützt etwa auf allgemeine zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen gab es in den letzten Jahren allerdings verschiedentlich; siehe etwa BGH v. 19.7.2004 – II ZR 402/02, BGHZ 160, 149 (Informatec), und v. 24.1.2006 – XI ZR 384/03, NJW 2006, 830 (Kirch/Deutsche Bank AG und Breuer).

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liegt dies von Rechts wegen dem Aufsichtsrat.589 Die Überantwortung der Geltendmachung von Ansprüchen durch den Aufsichtsrat und die begrenzten Möglichkeiten von Minderheitsaktionären zur Durchsetzung solcher Ansprüche hat sich daher als „Achillesferse der deutschen Corporate Governance“ erwiesen.590 Nach umfangreicher Diskussion und Kritik im Schrifttum an der aktiengesetzlichen Ausgestaltung der Organhaftung und den Vorschlägen der Regierungskommission Corporate Governance hat der Gesetzgeber mit dem UMAG das Organhaftungsrecht verfahrensrechtlich mittels einer Erleichterung der Klagedurchsetzung in § 148 AktG reformiert. Das Quorum zur Durchsetzung des Anspruchs aus § 93 AktG auf Veranlassung einer Aktionärsminderheit wurde auf ein Prozent des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von Euro 100.000 der Aktien herabgesetzt, vgl. § 148 Abs. 1 S. 1 AktG, mit der „die allzu prohibitiv wirkenden Altregelungen, nach der die Geltendmachung eines Ersatzanspruches bei börsennotierten Gesellschaften regelmäßig einen Aktienwert von mindestens zweistelliger Millionenhöhe voraussetzte, spürbar gelockert werden“ sollen.591 Mit der Herabsetzung des Quorums verbunden ist allerdings die Gefahr, daß die Möglichkeit der Geltendmachung solcher Haftungsklagen zu großzügig eingeräumt und dadurch der Mißbrauchsgefahr Tür und Tor geöffnet wird.592 Auf materiell-rechtlicher Ebene hat daher der Gesetzgeber unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Vorbilder des angelsächsischen Rechtskreises und neuerer Rechtsprechung des BGH in § 93 Abs. 1 S. 2 AktG eine sog. Business Judgement Rule eingeführt, um „zugleich sicherzustellen, daß die unternehmerische Entscheidungsfreiheit nicht durch unabwägbare Haftungsrisiken eingeschränkt wird“.593 588 Hüffer, AktG, 2008, § 93 Rn. 19; Krieger/Seiler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 93 Rn. 64; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 93 Rn. 172, 266; Schröer, aaO, 2004, § 147 Rn. 81; Fleischer, in: HdB VorstandsR, 2006, § 11 Rn. 111 (S. 363); Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 457 ff. 589 BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 254 (ARAG/Garmenbeck). 590 Hierzu Begr RegE UMAG zu §§ 147, 148 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 19 f. 591 Begr RegE UMAG zu §§ 147, 148 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 20 (reSp.). Zu den weiteren Voraussetzungen siehe G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 4, 88 ff.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 148 Rn. 5 ff. 592 Siehe zur Gesetzesentwicklung auch K. Schmidt, NZG 2005, 796 ff., wonach die §§ 147–149 AktG Ergebnis schwieriger Abwägung sind; siehe ders., aaO, 801 (liSp.); siehe auch Koch, ZGR 2006, 769, 770 ff., sowie G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 37 ff., zur Geeignetheit des Kleinaktionärs als Kontrollinstanz. 593 Begr RegE UMAG zu § 93 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 11 (liSp.), unter Bezugnahme auf BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244 (ARAG/Garmen-

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Ausdrücklich nicht umfaßt ist damit ein Schaden, der auf einer unternehmerischen Entscheidung des Vorstandes zum Wohle der Gesellschaft beruht, die gutgläubig und auf der Grundlage angemessener Information getroffen wurde, ohne dabei Sonderinteressen zu verfolgen.594 Die unternehmerische Entscheidung soll dabei „nicht verrechtlicht oder (schein-)objektiviert werden“, da eine solche „auch auf Instinkt, Erfahrung, Phantasie und Gespür für künftige Entwicklungen und einem Gefühl für Märkte und die Reaktion der Abnehmer und Konkurrenten“ beruht, die sich „nicht vollständig durch objektive Information ersetzen“ läßt.595 Dieser weite Sorgfaltsrahmen ist insoweit richtig, als dadurch sichergestellt wird, daß der Vorstand der AG weiterhin unternehmerische und damit risikobehaftete Entscheidungen trifft, deren Ausgang nicht mit letzter Sicherheit vorherzusagen sind. Ein aufgrund einer solchen Entscheidung eintretender Schaden ist nicht ersatzfähig und damit die Aktionäre insoweit nicht geschützt. Im Hinblick auf Wertverminderungen des Beteiligungsvermögens des Aktionärs ist überdies nur ein Gesellschaftsschaden ersatzfähig, der sich als „Reflexschaden“ auch bei dem mittelbar geschädigten Gesellschafter einstellt, mit dessen Ausgleich zugleich auch der Schaden des Gesellschafters ausgeglichen wird. Liegt nur eine Verminderung dessen Beteiligungsvermögens und kein Schaden der Gesellschaft vor, greift der Schutz des Aktionärs durch Schadensersatz auf Grundlage dieser Vorschrift nicht ein.596 Das damit angesprochene Spannungsverhältnis zeigt die Grenzen des Schutzes des Aktionärs als Anleger durch eine Haftung der Organe auf. Je strikter diese ist, desto risikoscheuer werden die Geschäftsführungsentscheidungen der Geschäftsleitung sein. Ein solches „übertrieben defensive[s] Verhalten, das zum Schaden der Gläubiger und Gesellschaft dazu führt, daß beck). Die Idee der Kodifizierung geht auf Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 299, zurück. Zum Vorbild der Business Judgement Rule des amerikanischen Rechts als Kerngedanke dieses Urteils Henze, NJW 1998, 3309, 3310 f., und ders., BB 2001, 53, 57, sowie Hopt/M. Roth, in: GroßKommAktG, 2006, § 93 Rn. 5 ff.; kritisch zur Herleitung J. Semler, AG 2005, 321, 324 (reSp.); Spindler, NZG 2005, 865, 871. 594 Zu diesen Voraussetzungen siehe Begr RegE UMAG zu § 93 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 11 (liSp.). 595 So Begr RegE UMAG zu § 93 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 11 f. 596 Gesellschaftsrechtspraktiker sehen es daher als fraglich an, ob die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen mehr Bedeutung erlangen wird; so etwa J. Semler, AG 2005, 321, 323 (liSp.). Nach MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 93 Rn. 3, ist allerdings einen Trend zu einer persönlichen Inpflichtnahme von Vorstandsmitgliedern zu beobachten. Nach Seibert, NZG 2007, 841, 841 (liSp.), ist bislang – soweit ermittelbar – nur eine gerichtliche Zulassungsentscheidung zur Sonderprüfung auf Grundlage des ebenfalls durch das UMAG geänderten § 142 Abs. 2, 4 AktG ergangen. Dazu LG München I v. 6.9.2007 – 5HK O 12570/07, NZG 2007, 916 ff., und OLG München v. 28.11.2007 – 7 U 4498/07, DStR 2008, 468, zur Übernahme der HypoVereinsbank.

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risikobehaftete Geschäftschancen nicht wahrgenommen werden“,597 läuft den Interessen der Aktionäre zuwider, da das Wagnis unternehmerischer Risiken mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen für den Aktionär den Inbegriff eines Investments als Eigenkapitalanleger darstellt.598 Daher soll § 93 Abs. 1 S. 2 AktG „den Bereich unternehmerischen Handlungsspielraums ausgrenzen aus dem Tatbestand der Sorgfaltspflichtverletzung nach Satz 1.“599 Ob in diesem Spannungsfeld zwischen zu strikter Haftung verbunden mit einer Risikoaversion der Geschäftsleitung, die zu erhöhter Bürokratie, Verrechtlichung der Handlungsabläufe, geringerer unternehmerischer Entscheidungsfreude und zu Absicherungsstrategien führen können,600 und einem zu breiten haftungsfreien Handlungsraum zu Lasten des Aktionärsschutzes das richtige Maß gefunden wurde, bleibt abzuwarten.601 bb) Haftung wegen Verletzung der Mitgliedschaft Umstritten, von der wohl h. M. aber bejaht wird auch ein Schadensersatzanspruch des einzelnen Aktionärs nach § 823 Abs. 1 BGB bei Eingriffen nicht nur Dritter, sondern auch der übrigen Aktionäre oder Gesellschaftsorgane in dessen Mitgliedschaftsrecht, zu deren Verfolgung der Aktionär selbst befugt ist. Voraussetzung ist danach aber, daß dem Aktionär nicht nur durch eine allgemein sorgfaltswidrige Geschäftsführungsmaßnahme, sondern aufgrund eines mitgliedschaftsbezogenen Eingriffs ein unmittelbarer Schaden entsteht, wofür in den rechtlichen Bestand der Mitgliedschaft oder in spezielle mitgliedschaftliche Rechte eingegriffen werden müsse. Reine Vermögensschäden, wie sie durch eine Schädigung der Gesellschaft als Reflex auch im Anteilsvermögen des Aktionärs hervorgerufen würden, genügen danach nicht, da die Mitgliedschaft nicht generell gegen Entwertungen geschützt sei.602 Die Gegenansicht will deliktische Ansprüche infolge einer innergesellschaftlichen Verletzung von Organpflichten nicht zu597 So die Warnung des BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 ff. (ARAG/Garmenbeck). 598 Dazu Fleischer, ZIP 2004, 685, 687 ff.; Paefgen, AG 2004, 245, 247 (reSp.); siehe auch Easterbrook/Fischel, Corporate Law, 1991, S. 93 ff., insbes. S. 93 a. E. 599 Begr RegE UMAG zu § 93 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 11 (liSp.). 600 So Begr RegE KonTraG zu § 147 AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 21 (liSp.). 601 Dazu auch Begr RegE UMAG zu §§ 147, 148 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 20 (reSp.). Siehe auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 37 ff. 602 BGH v. 12.3.1990 – II ZR 179/89, BGHZ 110, 323, 327, 334 (zum Vereinsrecht); MünchKommAktG/Habersack, 2008, § 116 Rn. 78; Spindler/Stilz/Casper, AktG, 2007, Vor § 241 Rn. 14 ff.; Wiesner, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 18 Rn. 11; Bayer, NJW 2000, 2609, 2612; Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 470 f., 473; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 93 Rn. 172;

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lassen, da sonst die Voraussetzungen gesellschafts- und verbandsrechtlicher Ansprüche und Rechtsbehelfe durch die deliktsrechtliche Haftung unterlaufen würden.603 cc) Schutzgrenzen Ohne die strittige Diskussion im Einzelnen aufgreifen zu können, inwieweit Aktionäre Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft oder die Organmitglieder geltend machen können, kann festgehalten werden, daß der Schutz durch Haftung in der gegenwärtigen Ausgestaltung nicht generell als geeignetes Schutzinstrumentarium angesehen werden kann. Insbesondere geringer beteiligte Aktionäre sind nur dann nicht faktisch schutzlos gestellt, wenn der Nutzen einer Klageerhebung mit den damit verbundenen Risiken und Kosten in Verhältnis steht. Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Situation der rationalen Apathie der Publikumsaktionäre läßt sich dies nur erreichen, wenn das von einem stärker beteiligten Aktionär angestrengte Urteil Wirkung erga omnes hätte und damit auch Kleinaktionären zugute kommt, die aus wirtschaftlich rationalen Gründen nicht selbst eine Klage anstreben.604 Auf deliktsrechtlichen Ansprüchen basierende Klagen, die zu einem inter partes wirkenden Urteil führen, sind daher von vornherein ungeeignet, den Schutz der Publikumsaktionäre breitflächig zu besorgen. Gilt anderes für das in §§ 148 Abs. 1 S. 1, 147 Abs. 1 S. 1 AktG eingeführte Aktionärsklageverfahren, das eine Art Prozeßstandschaft der Aktionärsminderheit für die klageunwillige Gesellschaft eröffnet,605 so sind damit zwar die Probleme der Geltendmachung der Organhaftung verfahrensrechtlich, allerdings aber noch nicht auf materiell-rechtlicher Ebene gelöst. Zum einen findet das Verfahren Anwendung auf Ersatzansprüche der AG gegen Verwaltungsmitglieder nach § 93 AktG, nicht aber auf solche der Aktionäre wie etwa im Fall eines rechtswidrigen Eingriffs in die Mitgliedschaft, vgl. § 148 Abs. 1 S. 1 AktG, so daß sorgfaltswidrige Eingriffe der Verwaltung in die Beteiligung der Aktionäre nicht hierunter fallen, die sich nur auf der Ebene der Gesellschafter realisieren wie etwa die Ausgabe von Aktien an Dritte zu unangemessenen Ausgabepreisen iSv. § 255 Abs. 2 monographisch Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 11 ff. (S. 171 ff.). Allgemein zum deliktsrechtlichen Schutz der Mitgliedschaft K. Schmidt, JZ 1991, 157 ff. 603 Krieger/Sailer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 95 Rn. 65; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 93 Rn. 271; Wiesner, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 18 Rn. 11; B/H/Zöllner, GmbHG, 2006, § 43 Rn. 2a (zur GmbH); Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 472 f. 604 Zur rationalen Apathie oben S. 136 ff. und Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 5 IV 4 (S. 192 ff.). 605 So Spindler, NZG 2005, 865, 866 (liSp.).

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S. 1 AktG im Rahmen von Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß.606 Zum anderen sind Beeinträchtigungen des Gesellschaftsvermögens möglich, die zwar den Wert der von den Aktionären der Obergesellschaft gehaltenen Beteiligung beeinträchtigen, nicht aber ohne weiteres mit einer Sorgfaltspflichtverletzung des Vorstandes einhergehen. Trifft der Vorstand seine unternehmerische Entscheidung zum Wohl der Gesellschaft, gutgläubig und auf der Grundlage angemessener Information, ohne dabei Sonderinteressen zu verfolgen,607 entsteht aber der Gesellschaft dennoch ein Vermögensschaden, so scheidet eine Haftung zu Recht aus. Den Aktionären ist damit aber nicht gedient, wie etwa die im Ersten Teil dargestellten breitflächig auftretenden Kursentwicklungen der Obergesellschaftsaktien bei der Veräußerung von Tochtergesellschaftsaktien zeigen. Entspricht das Handeln des Vorstandes den genannten Anforderungen, da es etwa nicht anders möglich ist, die Aktien der Tochtergesellschaft im Interesse der (Ober-)Gesellschaft erfolgreich zu plazieren, erleidet die Beteiligung der Aktionäre folglich eine Wertbeeinträchtigung, ohne daß diese haftungsrechtlich geschützt werden. Bleibt man bei den exemplarisch aufgezeigten Formen der Ausgabe von Aktien und sieht sich die Schutzmöglichkeiten der Aktionäre bei Kapitalerhöhungen an, die durch das verbandsrechtliche, im Dritten Teil noch näher darzustellende Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG erreicht werden soll, so bestätigen sich die aufgezeigten Probleme. In anderen Ländern wird der Schutz der Aktionäre durch eine Haftung der Geschäftsleitungsorgane bei Verletzung der ihnen bei der Ausgabe der Aktien obliegenden Sorgfaltspflicht gesucht. So wird nach Stimmen im Schrifttum in den USA in Gesellschaftssatzungen niedergelegt, wenn die Aktionäre bei Kapitalerhöhungen ein Bezugsrecht haben sollen, was dort bei den zum Kapitalmarkt hin geöffneten Gesellschaften eher unüblich sei, da Bezugsrechte die Plazierung von Aktien für die Gesellschaft unangemessen verteuern würden.608 Aktionäre würden daher über Treupflichten der Verwaltung geschützt, wobei al606 Es handelt sich dabei nicht um einen Schaden der Gesellschaft, da die AG Beteiligungen Dritter verkauft, wie Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 142 ff., zutreffend bemerkt; dem zustimmend Lutter, JZ 2007, 371, 372 (reSp.); Busch, NZG 2006, 81, 87 f. mit Bsp. in Fn. 79. So i. E. auch Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 152 f., wonach der geringere Emissionserlös beim Bezugsrechtsausschluß durch die Werteinbuße beim Aktionär zum Schaden wird. Noch a. A. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 204 Rn. 29; und Klette, DB 1968, 1101, 1103, die einen Schaden der Gesellschaft in der verminderten Bildung von Eigenkapital sehen. Zu den Ansprüchen, die durch die Haftungsklage der Aktionäre nach § 148 AktG verfolgt werden können, G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 59. 607 Zu diesen Anforderungen oben bei Fn. 594. 608 Kübler, ZBB 1993, 1, 2 f.; Claussen, WM 1996, 609, 610 f.; Rock/Kanda/ Kraakman, in: Anatomy of Corporate Law, 2004, Kap. 6.42 (S. 148).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

lerdings eingeräumt wird, daß die gerichtliche Durchsetzung der Verletzung dieser Pflichten – und zwar für beide Seiten – ebenfalls mit Kosten und Aufwand im Rahmen des Streitverfahrens verbunden sei.609 Haftungsklagen können überdies etwa wegen des damit verbundenen Ansehensverlustes für die Gesellschaft, der Beeinträchtigung der Arbeit der Organe und der Auswirkungen auf die Geschäftsbeziehungen zu Dritten für die Gesellschaft zu über die reine Schadensausgleichspflicht hinausgehenden Vermögensbeeinträchtigungen führen, die ähnlich einer Anfechtungsklage die Interessen der nicht klagenden Aktionäre erheblich beeinträchtigen können.610 Damit wird schon auf der abstrakten Ebene deutlich, daß ein umfassender Schutz der Aktionäre sich nicht allein durch eine Organhaftung erreichen läßt. c) Schutz durch Individualklagerechte Damit verdient der dritte Ansatz zum Schutz der Aktionärsstellung, der Aktionärsschutz durch Individualklagerechte der Aktionäre aus eigenem Recht, Beachtung.611 aa) Höchstrichterliche Rechtsprechung Der BGH hat hierzu erstmals im Jahr 1982 in der Holzmüller-Entscheidung Stellung bezogen, die nicht nur wegen der vom BGH vertretenen Ansicht zu ungeschriebenen Mitwirkungskompetenzen der Hauptversammlung, sondern auch aufgrund der Thesen zum Rechtsschutz der Aktionäre erhebliches Aufsehen erregte und zumindest im Hinblick auf letzteren Bereich zustimmend aufgenommen wurde.612 Der Senat sprach sich in der Ent609 Rock/Kanda/Kraakman, in: Anatomy of Corporate Law, 2004, Kapitel 6.42 (S. 148). Zu US-amerikanischen Untersuchungen zu Auswirkungen von Aktionärsklagen auf den Börsenkurs, die keine besonders signifikanten Wertzuwächse verursachen, Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 5 IV 4 (S. 194) mwN. in Fn. 162; G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 44 ff. 610 Dies wird auch von § 148 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AktG vorausgesetzt. Zu den Mißbrauchsrisiken Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 5 IV 4b (S. 196 ff.), unter Darstellung der Diskussion in den USA. 611 Zur Frage der Zulässigkeit einer actio pro socio im Aktienrecht Habersack, DStR 1998, 533, 533 f. 612 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122. Im Vorfeld forderte Knobbe-Keuk unter Rückgriff auf die Rechsprechung des Reichsoberhandelsgerichts zum (vermeintlichen) Recht auf gesetz- und satzungsmäßige Betätigung des Verbandes ein Abwehrrecht des einzelnen Aktionärs gegen „faktische Änderungen der Satzung“ und schaffte damit eine der beiden Grundlagen der Rechtsfortbildung durch das Holzmüller-Urteil; siehe dies., in: FS Ballerstedt, 1975, S. 239, 243 ff.; kritisch

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scheidung obiter dictum dafür aus, daß jeder Aktionär „einen verbandsrechtlichen Anspruch darauf [hat], daß die Gesellschaft seine Mitgliedsrechte achtet und alles unterläßt, was sie über das durch Gesetz und Satzung gedeckte Maß hinaus beeinträchtigt“. Damit erkannte der BGH eine allgemeine, auf einen verbandsrechtlichen Abwehranspruch gestützte und vom einzelnen Aktionär gegen die Gesellschaft zu richtende „Aktionärsklage auf Unterlassung oder Wiederherstellung“ an.613 Erst in der Siemens/ Nold-Entscheidung im Jahr 1997, die aufgrund der vom BGH neu bestimmten Voraussetzungen des Bezugsrechts der Aktionäre im Rahmen des genehmigten Kapitals viel Beachtung fand, hatte der Senat Gelegenheit, zu diesem Rechtsbehelf der Aktionäre im Hinblick auf das Bezugsrecht Stellung zu nehmen. An der dort getroffenen Feststellung, daß der Vorstand, der sich bei der Ausnutzung des genehmigten Kapitals nicht an die konkreten Voraussetzungen für einen Bezugsrechtsausschluß halte, damit rechnen müsse, „daß die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens zum Gegenstand einer Feststellungs- oder – soweit noch möglich – einer Unterlassungsklage, die beide gegen die Gesellschaft zu richten sind, gemacht wird“,614 hält der BGH in der Mangusta/Commerzbank II-Entscheidung fest, die wiederum zu Fragen des Bezugsrechtsausschlusses erging. Der BGH bestätigt mit dieser Entscheidung, daß der in seinen Mitgliedschaftsrechten beeinträchtigte Aktionär ein pflichtwidriges Organhandeln zum Gegenstand einer vorbeugenden Unterlassungsklage sowie einer Feststellungsklage machen könne, die sich gegen die Gesellschaft richte.615 Der Senat führt in dieser Entscheidung weiter aus, daß eine derartige Konstellation regelmäßig gegeben sei, wenn „eine Verletzung individueller Mitgliedschaftsrechte, insbesondere des Mitverwaltungs- und des Vermögensrechts, des einzelnen Aktionärs geltend gemacht wird. Die in einem solchen Fall von dem Feststellungskläger aufgeworfene Frage nach der Rechtswidrigkeit der mit einem Bezugsrechtsausschluß verbundenen Kapitalerhöhung berührt dessen Stellung als Aktionär und damit sein Rechtsverhältnis zur Gesellschaft.“616 Zur „Zulassung eines derartigen gerichtlichen Rechtsschutzes gegen unrechtmäßiges, kompetenzüberschreitendes Organhandeln“ stellt der BGH darauf ab, daß Vorstand und Aufsichtsrat im zu entscheidenden Fall „als Organe der Zöllner, ZGR 1988, 392, 421 f.; Flume, Juristische Person, 1983, 8 V 4 (S. 309 ff.); Habersack, Mitgliedschaft, § 18 IV (S. 297 ff.); Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 458; je mwN. 613 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 f. (Holzmüller). 614 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 (Siemens/Nold). 615 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 255 (Mangusta/Commerzbank II), unter Bezugnahme auf „BGHZ 136, 133, 140 f. – unter Hinweis auf BGHZ 83, 122, 125, 133 ff. – Holzmüller“. 616 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 255 (Mangusta/Commerzbank II).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Gesellschaft [handeln], die sich damit Kompetenzen anmaßen, die ihnen nach dem Gesetz und der Satzung nicht zustehen“, um später nochmals auf den Eingriff in die mitgliedschaftlichen Vermögens- und Herrschaftsrechte zurückzukommen.617 Dem BGH geht es also um den Schutz der Aktionäre durch Einräumung eines Rechtsbehelfs zum Zweck, die „vom Vorstand verletzte Ordnung zu erhalten oder wiederherzustellen und damit zugleich eigene Rechte zu wahren.“618 bb) Rechtliche Einordnung Die Bedeutung der Feststellungsklage wird in der Entscheidung von Vorfragen für Schäden gesehen, die im Aktionärs- und nicht dem Gesellschaftsvermögen auftreten.619 Da das Feststellungsurteil allerdings nur inter partes wirkt,620 dient diese wie die oben dargestellte, auf die deliktische Verletzung der Mitgliedschaft gestützte Haftungsklage vor dem Hintergrund deren Passivität nur beschränkt dem Rechtsschutz der Publikumsaktionäre. Anderes gilt aber für die vom BGH nicht weiter problematisierte Abwehrklage, die mit der Verurteilung zur Unterlassung der geplanten Maßnahme die Geschäftsführung faktisch blockieren kann.621 Seit jüngerer Zeit nimmt die instanzengerichtliche Rechtsprechung zu der von der Holzmüller-Entscheidung eröffneten Abwehrklage der Aktionäre zu, die sich etwa gegen Beteiligungsverkäufe,622 die Ausstattung eines genehmigten Kapitals für Sacheinlagen ohne vorherige Berichterstattung an die Aktionäre oder Werbemaßnahmen des Vorstandes zur Abwehr eines Übernahmeangebotes richteten.623 Vor dem Hintergrund der zunehmenden Erhebung solcher Kla617

BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 254 und 256 (Mangusta/ Commerzbank II). 618 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 259 (Mangusta/Commerzbank II), unter Bezugnahme auf BGHZ 83, 122, 134 (Holzmüller). 619 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 258 (Mangusta/Commerzbank II); Paschos, DB 2005, 2371, 2372; dem zustimmend Hirte, EWiR 2006, 65, 66; hierzu auch Busch, NZG 2006, 81, 87 f.; Goette, DStR 2006, 139, 143 (liSp.); kritisch Krämer/Kiefner, ZIP 2006, 301, 303 (reSp.) und 305 (liSp.); Reichert/Senger, Konzern 2006, 338, 346 f. 620 Goette, DStR 2006, 139, 143 (liSp.). 621 Der BGH weist in beiden Entscheidungen kurz obiter dicta auf die (vorbeugende) Unterlassungsklage hin; siehe BGH v. 10.10.2005 – II ZR 148/03, BGHZ 241, 244 (Mangusta/Commerzbank I), und II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 253 und 254 (Mangusta/Commerzbank II). 622 OLG Hamm v. 19.11.2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421 (Arcandor); LG Duisburg v. 29.5.2002 – 21 O 106/02, NZG 2002, 643 (Babcock-Borsig/HDW). 623 OLG Frankfurt v. 4.2.2003 – 5 U 63/01, AG 2003, 276 (Mangusta/Commerzbank II), Vorinstanz LG Frankfurt v. 25.9.2000 – 3/1 O 143/00, ZIP 2001, 117;

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gen und der leidvollen Erfahrungen mit mißbräuchlichen Anfechtungsklagen kann die Abwehrklage nur in engem Rahmen zugelassen werden.624 Denn diese birgt wegen ihrer Blockadewirkung zugleich erhebliches Mißbrauchspotential in sich, so daß es, wie auch der BGH feststellt, nicht darum gehen kann, „gewöhnliche, vom Vertretungsorgan allein zu verantwortende Geschäftsführungsmaßnahmen“ auf eine Klage des Aktionärs hin von den Gerichten überprüfen zu lassen.625 Über die rechtsdogmatischen Grundlagen eines solchen aus allgemeinen Grundsätzen des Verbandsrechts abzuleitenden Rechtsbehelfs, dessen Anwendungsbereich und Grenzen besteht kein Konsens, auch weil solche Sachverhalte der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur für die genannten Fälle der Verletzung von Hauptversammlungskompetenzen sowie des Eingriffs in das Bezugsrecht zugeführt wurden. So wollen Becker und Paefgen die Abwehrklage auch gegen gesetzes- und satzungswidriges Verhalten der Verwaltungsorgane zulassen.626 Der 63. Deutsche Juristentag im Jahr 2000 hat sich dagegen ausgesprochen, ein allgemeines Klagerecht gegen gesetzes- und satzungswidriges Verhalten der Verwaltungsorgane anzuerkennen, das durch eine Abwehrklage geltend gemacht werden könne, sondern eine solche nur für eine Abwehr von Eingriffen der Verwaltung in die Zuständigkeit der Hauptversammlung befürwortet.627 Letzteres kann wohl als h. M. angesehen werden. Es erscheint daher nicht überzeugend, dem Aktionär ein solches Klagerecht gegen gesetzes- und satzungswidriges Verhalten der Verwaltungsorgane einzuräumen, bei der es sich nicht mehr um einen Rechtsbehelf des Individualschutzes, sondern um eine rein objektive Rechtmäßigkeitskontrolle handeln würde. Eine solche findet zwar mit der Anfechtungsklage geLG Düsseldorf v. 14.12.1999 – 10 O 495/99, AG 2000, 233, 234. Weitere Beispiele bei Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 358 f., und Busch, NZG 2006, 81, 83 (liSp.) mwN. 624 Dazu Bungert, BB 2005, 2757, 2759 (liSp.); Lutter, JZ 2000, 837, 841 (reSp.); Paefgen, AG 2004, 245, 251 (liSp.). 625 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 134 (Holzmüller). 626 Becker, Verwaltungskontrolle, 1997, S. 75 ff., 598 ff., 613 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 11 (S. 294 ff.), ders., AG 2004, 245, 250 f., und ders., ZHR 172 (2008), 42, 76 ff.; so wohl auch jetzt Lutter, JZ 2007, 371, 372; a. A. Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 340 f.; Habersack, DStR 1998, 533, 537 (reSp.), und ders., Mitgliedschaft, 1996, § 18 II (S. 285 ff.). 627 Verhandlungen des 63. DJT 2000, abgedruckt in AG Report 2000, R 440 f.; so auch Wiesner, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 18 Rn. 9; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 363 f.; K. Schmidt, GesR, 2002, § 21 V (S. 646 ff.), und ders., in: GroßkommAktG, 1995, § 241 Rn. 5 f.; Lutter, JZ 2000, 837, 841 (reSp.); Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 459; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 356 f.; Schießl, AG 1999, 442, 449 (reSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

mäß § 243 Abs. 1 AktG eine gesetzliche Ausprägung.628 Das überwiegende Schrifttum lehnt ein solches Klagerecht des einzelnen Aktionärs auf objektive Rechtskontrolle jenseits der gesetzlich vorgesehen Fälle hingegen zu Recht ab, da ein allgemeines Abwehrrecht gegen Gesetzes- oder Satzungsverstöße durch die Verwaltung dem AktG fremd sei.629 Mit der Anfechtungsklage richte sich der Aktionär gegen einen Beschluß, an dem er selbst mitgewirkt habe, mit der Abwehrklage gegen ein Tätigwerden eines anderen Gesellschaftsorgans, dessen Rechtmäßigkeitskontrolle ihm nach der Kompetenzverteilung nicht oder jedenfalls nicht primär zustehe, so daß deswegen auch die Rechtsbehelfe von Anfechtungs- und Abwehrklage sich unterscheiden müßten.630 Überdies drohe die Gefahr, daß der in den Kompetenzbereich der Verwaltung fallende Entscheidungsraum einer durch die Aktionäre veranlaßten Gerichtskontrolle unterzogen würde und damit der mit dem UMAG zum Ausdruck kommende Freiraum im Rahmen unternehmerischer Entscheidungen systemwidrig eingeschränkt würde.631 Eine generelle Beschränkung der Abwehrklage auf Eingriffe in die Kompetenzen der Hauptversammlung erscheint allerdings zu eng. Die Aktionäre bedürfen auch des Schutzes vor Eingriffen in die Mitgliedschaft, die nicht zwingend mit der Verletzung der Hauptversammlungskompetenz einhergehen.632 In dem mit dem jüngeren Urteil entschiedenen Fall, in dessen Rahmen der BGH auf die entsprechenden Passagen im Siemens/Nold-Urteil Bezug nimmt, machten Vorstand und Aufsichtsrat unter Überschreitung des ihnen durch das Gesetz und den Ermächtigungsbeschluß gesteckten Rahmens pflichtwidrig von dem genehmigten Kapital Gebrauch, weshalb der BGH 628 Dazu K. Schmidt, GesR, 2002, § 21 V (S. 646 ff.); Baums, Gutachten 63. DJT, 2000, S. 201. 629 Siehe etwa Schürnbrand, ZHR 171 (2007), 731, 734; Wiesner, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 18 Rn. 9; K. Schmidt, GesR, 2002, § 21 V 3 (S. 648 ff.), und ders., GroßkommAktG, 1995, § 243 Rn. 5; Butzke, in: Obermüller/Werner/Winden, Hauptversammlung, 2001, O Rn. 105; Baums, Gutachten 63. DJT, 2000, S. 201 ff.; Lutter, JZ 2000, 837, 841 (reSp.). 630 So Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 362; Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 340; Zöllner, ZGR 1988, 392, 422. 631 Dazu Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 323 f.; auf Grundlage des alten Rechts schon Bayer, NJW 2000, 2609, 2611 (liSp.); Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 340 f.; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 354; Zöllner, ZGR 1988, 392, 420 ff.; Lutter, AcP 180 (1980), 84, 140 ff. 632 Dem zustimmend auch Paefgen, AG 2004, 245, 250 (liSp.), und ders., ZIP 2004, 145 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 357, 360; Bayer, NJW 2000, 2609, 2611 (liSp.); Zöllner, ZGR 1988, 392, 425 ff.; Habersack, DStR 1998, 533, 537; Lutter, BB 1981, 861, 864 (beschränkt auf den Eingriff der Verwaltung in das Bezugsrecht bei der Ausnutzung eines genehmigten Kapitals); kritisch Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 340; a. A. MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 37.

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wegen der damit verbundenen Beeinträchtigung der mitgliedschaftlichen Vermögens- und Herrschaftsrechte eine Abwehrklage zuließ.633 Allerdings ist die Berufung auf die Verletzung der Mitgliedschaft als ausreichendes Kriterium für eine Zulässigkeit der Abwehrklage problematisch, da dies im Ergebnis gleichbedeutend ist mit der Anerkennung eines umfassenden Rechts auf gesetzes- und satzungsmäßiges Handeln der Gesellschaftsorgane. So stützt der BGH in der Holzmüller-Entscheidung die Klage auch nicht auf die Verletzung der Mitgliedschaft und spricht auch nicht von Mitgliedschaftsrecht, sondern davon, daß jeder Aktionär einen Anspruch darauf habe, daß die Gesellschaft seine „Mitgliedschaftsrechte“ achte.634 In der Entscheidung aus dem Jahr 2005 stellt der Senat dementsprechend mehrfach auf die „Verletzung individueller Mitgliedschaftsrechte, insbesondere des Mitverwaltungs- und des Vermögensrechts, des einzelnen Aktionärs“ ab.635 Erforderlich ist also die Verletzung ausgewählter Mitgliedschaftsrechte, d.h. einzelner Verwaltungs- oder Vermögensrechte des Aktionärs, um eine solche Klage erheben zu können.636 Der Unterschied dieser vermittelnden Auffassung zu der wohl h. M. liegt darin, daß dem einzelnen Aktionär wegen eines hinreichend schweren Eingriffs in konkrete Aktionärsrechte die Abwehrklage zusteht, auch wenn eine, sei es auch ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz abgelehnt wurde. Dies geht konform mit der Zurückdrängung letzterer Kompetenzen durch die jüngere Rechtsprechung des BGH und den Interessen des Publikumsaktionärs,637 ohne daß eine Rechtsschutzlücke für den Aktionär entsteht. Habersack faßt zusammen, daß dieser Rechtsbehelf dann Geltung beansprucht, „wenn das Mitglied um seine – durch die jeweilige Verbandsordnung zu konkretisierenden – mitgliedschaftlichen Teilhaberechte gebracht wird und sich dieses Eingriffs nicht durch besondere gesellschaftsrechtliche Rechtsbehelfe nach Art der Beschlußmängelklage erwehren kann“.638 633 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 254 (Mangusta/Commerzbank II), unter Bezugnahme auf BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133 (Siemens/Nold). 634 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 (Holzmüller). 635 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 254 und 255 (Mangusta/ Commerzbank II). 636 So schon Zöllner, ZGR 1988, 392, 425 f.; ebenso Schürnbrand, ZHR 171 (2007), 731, 734; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, 2006, § 17 (S. 376 ff.); Baums, Gutachten 63. DJT, 2000, S. 212 ff.; Bayer, NJW 2000, 2609, 2611; Hoffmann-Becking, ZHR 167 (2003), 365, 371; Krieger, ZHR 167 (2003), 343, 356 ff.; hierzu auch Busch, NZG 2006, 81, 83 f.; Henze, in: FS Priester, 2007, S. 201, 217 f.; siehe auch Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 75 ff. 637 Vgl. BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 ff. (Gelatine); zur Interessenrichtung der Publikumsaktionäre oben S. 135 ff. 638 Habersack, DStR 1998, 533, 535 (liSp.).

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

Ohne Grund und Grenze der mitgliedschaftlichen Abwehrklage weiter vertiefen zu können, wird deutlich, daß es entscheidend darauf ankommt, welche mitgliedschaftlichen Individualrechte dem Aktionär zustehen. Da Grundlage dieses Rechtsbehelfs die Mitgliedschaft des Aktionärs ist, weil die Klage auf die Abwehr eines Eingriffs in einzelne mitgliedschaftliche Befugnisse abzielt, ist fraglich, ob diese auch Anwendung auf die rein anlageorientierten Aktionäre in der börsennotierten AG finden kann. Zwar sind auch diese Mitglieder und ihnen stehen Mitgliedschaftsrechte zu; allerdings steht der Schutz vor Beeinträchtigungen ihres Beteiligungsvermögens und der Verletzungen von vermögensmäßigen Teilhaberechten im Vordergrund ihres Interesses, so daß die unbeschränkte Zulassung eines Rechtsbehelfs zugunsten solcher Aktionäre, der über diesen Schutz hinausgeht, mit der gesetzlichen Wertung in Konflikt steht. Ein solcher Rechtsbehelf ist überdies ähnlich wie die Anfechtungsklage allenfalls mittelbar geeignet, das vorrangige Interesse des geringer beteiligten Aktionärs auf Schutz seiner Vermögensposition zu erreichen, ohne die mit der Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen verbundenen Erschwernisse auf sich zu nehmen, so daß die dort geäußerten Bedenken sich auf diesen Rechtsbehelf übertragen lassen.639 d) Folgerungen Bei der weiteren Untersuchung stehen entsprechend dem Untersuchungsgegenstand die mitgliedschaftlichen Individualrechte der Aktionäre in der börsennotierten AG und damit eine den Rechtsschutzmöglichkeiten vorgelagerte Frage im Mittelpunkt. Bestehen solche mitgliedschaftlichen Individualrechte, kann der Aktionär bei deren Verletzung seinen Schutz selbst besorgen. Sind diese vermögensbezogen, also Individualrechte bezogen auf den Schutz des Beteiligungsvermögens, so dienen diese auch dem Schutz der rein vermögensorientierten Anlegeraktionäre. Im nächsten Teil ist hierzu entsprechend dem Untersuchungsgegenstand auf die Rechte der Aktionäre beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile näher einzugehen.

639 Zur Geeignetheit der Anfechtungsklage im allgemeinen und den Problemen mißbräuchlich erhobenen Anfechtungsklagen im besonderen oben S. 213 ff. Auch insoweit erscheinen das auf den Vermögensschutz ausgerichtete Spruchverfahren und Ausgleichsansprüche vorzugswürdig. Zur Ungeeignetheit des Kleinaktionärs als Wahrer des Rechts auch G. Bezzenberger/T. Bezzenberger, in: GroßKommAktG, 2008, § 148 Rn. 27, 37 ff.

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V. Zwischenergebnis und weiterer Fortgang der Untersuchung Zwischen dem innergesellschaftlichen Schutz des Anlegers und des Verbandsmitglieds bestehen hinsichtlich der Ziele und der Bedeutung der Schutzinstrumente wesentliche Unterschiede, insbesondere in der Ausrichtung auf den Verbandszweck und der unterschiedlichen Gewichtung der Rechte zum Schutz der Vermögensinteressen im Vergleich zur Bedeutung der Mitverwaltungsrechte. Die Individual- und Minderheitenrechte als innergesellschaftliche Instrumente des aktiengesetzlichen Anlegerschutzes sind damit bei einer rein verbandsrechtlichen Auslegung nur bedingt geeignet, den Schutz des normtypischen Publikumsaktionärs innergesellschaftlich zu verwirklichen.640 1. Die Kompromißlösung des AktG Die Übereinstimmungen und Gegensätze zwischen einem auf das Verbandsmitglied und den Anleger ausgerichteten innergesellschaftlichen Aktionärsschutz haben ihre Bedeutung in der Kompromißlösung des AktG. a) Dimensionen des AktG Die Regelungsziele des AktG 1965 – Schaffung einer ebenso funktionsfähigen wie fairen Verbandsorganisation einerseits und Förderung der Kapitalsammelfunktion andererseits – sind verbandsrechtlich orientiert, beinhalten aber zugleich einen Kapitalmarktbezug. Zwischen den normativen Zielsetzungen des AktG 1965 besteht ein partiell unauflösbarer Konflikt.641 Zum einen haben sich im Zweckverband AG die Aktionäre als Verbandsmitglieder zur Erreichung eines überindividuellen Verbandszwecks zusammengeschlossen. Zugleich ist die kapitalmarktorientierte AG zum Kapitalmarkt hin geöffnet und hat auch die Interessen der Anleger, bei denen die Renditeinteressen im Vordergrund stehen, zu berücksichtigen. Aufgrund der mit den Reformgesetzen verstärkten Ausrichtung der AG auf die Kapitalmärkte und die Interessen der Anleger wird dieser Konflikt noch verschärft, da das Aktiengesetz mit seinem verbandsrechtlichen Ausgangspunkt zunehmend mehr Kapitalmarktbezüge aufnimmt und damit einem sich „abzeich640 So schon in der Bewertung Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 151. Kritisch auch Wiedemann, GesR I, 1980, § 9 III (S. 495 ff.). Siehe auch Assmann/Schütze, Kapitalanlagerecht, 1997, § 1 Rn. 60, und ders., in: GroßkommAktG, 1992, Einl Rn. 379. 641 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 153.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

nenden Paradigmenwechsel vom Korporationsrecht zum Recht kapitalmarktvermittelter Anlegergemeinschaften“ unterliegt.642 Im Spannungsverhältnis zwischen der Ausrichtung an den Interessen des Anlegers und des Verbandsmitglieds steht der aktienrechtliche Schutz des Aktionärs, der durch verbandsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Elemente beeinflußt wird. Die in der Zielsetzung wie auch in den hierzu dienlichen Mitteln bestehenden grundsätzlichen Unterschiede zwischen einem auf die Interessen des Kapitalanlegers und des Verbandsmitglieds ausgerichteten innergesellschaftlichen Schutz folgen aus den Regelungszielen des AktG und der damit verbundenen Stellung des Aktionärs zwischen Verbandsrecht und Kapitalmarkt.643 Die verschiedenen verbands- und kapitalmarktbezogenen Regelungsziele des AktG spiegeln sich in dem unterschiedlichen Gesellschafterschutz wider: Im verbandsrechtlichen Sinne ist dieser ausgerichtet auf den Schutz der Verbandsmitgliedschaft durch die Orientierung des Handelns am Verbandszweck, Sicherung des Bestands der Mitgliedschaft und der vornehmlichen Bedeutung der Mitverwaltungsrechte. Andererseits hat der Gesellschafterschutz auch die Anlegereigenschaft des Aktionärs, also die Bedeutung der Vermögensrechte zu berücksichtigen und statt des Bestandsinteresses den Werterhalt der Anlage sicherzustellen. Die Stellung des Aktionärs als Anleger, der der AG das notwendige Kapital zur Verfügung stellt, ist mit der besonderen Gewichtung seiner Vermögensinteressen verbunden; die Berücksichtigung seiner Kapitalanlegerinteressen im Rahmen des Minderheitenschutzes dient der Verwirklichung des Kapitalanlegerschutzes im Aktienrecht.644 Der innergesellschaftliche Schutz des Anlegers und des Verbandsmitglieds ist hinsichtlich Ziel und Gewichtung der Schutzinstrumente unterschiedlich ausgeformt. Dieser Unterschied ist in der Konzeption des AktG zwischen Verband und Kapitalmarkt angelegt, da das AktG verbands- und kapitalmarktrechtliche Dimension hat. Verklammerndes Element des verbands- und kapitalmarktrechtlichen Schutzes ist der Schutz der Vermögensposition, der das verbandsmitgliedschaftliche Interesse an der Vermögenssubstanz der Beteiligung und zugleich das Anlageinteresse umfaßt. Der herausragende Schutz der vermögensmäßigen Beteiligung dient den Anlegerinteressen und fördert damit die Ausrichtung der AG auf den Kapitalmarkt. Die verbandsfremden, auch auf den Funktionenschutz des Kapitalmarkts ausgerichteten Regelungsziele des Reformgesetzgebers integrieren den Anlegerschutz als Leitmaxime in das AktG und ermöglichen damit gesell642 643 644

So K. Schmidt, GesR, 2002, § 28 I 1a (S. 797). Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 151. So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 96.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

233

schafterschützende Regelungen, die auch auf den Anleger und seine Interessen ausgerichtet sind. Die Anlegerinteressen des Aktionärs sind folglich im Rahmen des innergesellschaftlichen Anlegerschutzes auch durch Schutzinstrumente des Verbandsrechts zu gewährleisten. Rechtsfunktional wird dies durch die kapitalmarktorientierte Auslegung des AktG bei den kapitalmarktorientierten Gesellschaften erreicht. Die Kapitalmarktorientierung des AktG ist damit insbesondere bei den Individualrechten des Aktionärs zu beachten. b) Der (Publikums-)Aktionär im Spannungsfeld zwischen Kapitalanlegerstellung und Verbandsmitgliedschaft Das Zusammenspiel verbandsrechtlicher und kapitalmarktorientierter Bezüge in der AG spiegelt sich in den unterschiedlichen Aktionärstypen zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegereigenschaft wider. Während der Unternehmeraktionär an der gemeinsamen Verfolgung unternehmerischer Tätigkeit durch Einsatz seiner Teilhaberechte interessiert ist und damit neben Anleger- auch verbandsrechtliche Interessen verfolgt, konzentriert sich das Interesse des Anlegeraktionärs weniger auf die Einflußnahme auf die Geschicke der Gesellschaft denn die Verwaltung seines Portfolios. Auch institutionelle Anleger, die nach der Größe ihrer Beteiligung eher als Unternehmeraktionär anzusehen sind, ähneln von ihrem Interesse an Einflußnahme durch Ausübung von Beteiligungsrechten und ihrem Investitionsverhalten einem Kleinaktionär. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen bei der Investition des Kapitals und den verschiedenen Beteiligungsstrukturen in den Gesellschaften läßt sich daher nicht ohne weiteres ein einheitliches Aktionärsinteresse abhängig von der Beteiligungsgröße ausmachen, so daß das Bestehen von Herrschaftsrechten des Aktionärs auch nicht hiervon abhängig gemacht werden kann. Das AktG gewährt deshalb den Aktionären dieselben Rechte und Pflichten unabhängig davon, welches Beteiligungsziel sie verfolgen. Der Schutz des Aktionärs erfolgt im AktG grundsätzlich mit verbandsrechtlichen Mitteln, so daß auch der „Nur-Anleger“ als voller Gesellschafter behandelt wird.645 Auch der Kleinaktionär, der nur Anlageinteressen verfolgt, ist Verbandsmitglied und Anleger, so daß auch er mittels verbandsrechtlicher Instrumente zu schützen ist. Mit der kapitalmarktorientierten Auslegung des AktG und der zunehmenden Dichte kapitalmarktrechtlicher Vorschriften gewinnt der kapitalmarkt(recht)liche Schutz allerdings erheblich an Bedeutung. Das vornehmliche Anlageinteresse ist bedeutsam für die Schutzrich645

Hirte, ZGR-SH 13, 1998, S. 61, 82.

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2. Teil: Die Rechtsstellung des Aktionärs

tung, die sich weniger auf die Mitgliedschaftsstellung als mehr auf die Vermögenskomponente des Anlegers bezieht, was für den Minderheitsaktionär in den Vorschriften zum Minderheitenausschluß, §§ 327a ff. AktG, seine Ausprägung im AktG findet. Um den unterschiedlichen Interessen gerecht zu werden, ist daher bei der Auslegung der aktienrechtlichen Vorschriften, die verbandsrechtlichen Ursprungs sind, die Kapitalmarktorientierung der Publikumsgesellschaft und damit zusammenhängend das Anlegerinteresse der Anlagegesellschafter verstärkt zu berücksichtigen. Der innergesellschaftliche (Individual-) Schutz des Aktionärs ist an seinen Kapitalanlegerinteressen auszurichten, um dadurch verbandsrechtliche Schutzinstrumentarien für einen innergesellschaftlichen Anlegerschutz fruchtbar zu machen. Gleichzeitig sind aber die Grenzen einer solchen Gesetzesauslegung zu beachten. Die Berücksichtigung der Kapitalmarktorientierung der Publikums-AG bei der Ausgestaltung des Gesellschafterschutzes ist dafür mit den Grundlagen des AktG und seinem verbandsrechtlichen Ausgangspunkt in Einklang zu bringen. Die Orientierung an dem Leitbild des Anlegergesellschafters kann daher nichts daran ändern, daß die AG ein Zusammenschluß ihrer Mitglieder zur Verfolgung eines überindividuellen Verbandszwecks ist. Der Aktionär ist Verbandsmitglied und Anleger, auch wenn sich, wie die Vorschriften zum Minderheitenausschluß zeigen, bei dem mit nicht mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionär die Anlegerstellung nach der aktiengesetzlichen Wertung in den Vordergrund gerückt ist. Die gesetzlich ausgeformte Aktionärsstellung realisiert damit den Kompromiß zwischen verbandsrechtlicher Herkunft und kapitalmarktlichem Verwendungszweck.

2. Weiterer Fortgang der Untersuchung Das Auseinanderlaufen der unterschiedlichen Regelungsziele und Mittel zum Schutz der verschiedenen Aktionärstypen insbesondere durch Vermögensrechte läßt sich nicht auf abstrakter Ebene auflösen, sondern hat anhand der mit den einzelnen Vorschriften des AktG verbundenen Schutzrichtungen im Hinblick auf die konkreten Interessen des Aktionärs zu erfolgen. Mit der Aufarbeitung der aktiengesetzlichen Regelungsziele ist der Boden bereitet für eine nähere Betrachtung der Rechte des Aktionärs in der börsennotierten AG. Die Regelungsziele sind dabei Grundlage für die Konkretisierung der Rechtsstellung des Aktionärs bei Maßnahmen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile und die sich daraus ergebenden Folgerungen für seine Rechte bei Umstrukturierungen in der unverbundenen AG und der AG als Obergesellschaft.

E. Anlegerschutz im Aktienrecht

235

Beim weiteren Fortgang der Untersuchung sollen die Auswirkungen der Kompromißlösung des AktG näher dargestellt werden. Von besonderem Interesse ist die Frage, ob der Vermögensschutz des Aktionärs nach der aktiengesetzlichen Systematik auch durch Individualrechte erreicht werden kann, die außerhalb der Hauptversammlung auszuüben sind. Der Reichweite von Gleichbehandlungsgebot und Treubindungen ist dabei besondere Beachtung zu schenken.

Dritter Teil

Der Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile Im Zweiten Teil wurden die Regelungsziele des AktG 1965 unter Berücksichtigung der Reformgesetze ausgebreitet. Das AktG zielt zum einen darauf ab, einen ebenso funktionsfähigen wie fairen Verband zu schaffen, zum andern soll durch die Berücksichtigung der Anlegerinteressen der Aktionäre die Kapitalsammelfunktion der AG gefördert werden. Das AktG versucht, durch diese gesetzlichen Ausrichtungen die im Hinblick auf ihren Einflußwillen und Anlageinteressen unterschiedlichen Aktionärstypen zu berücksichtigen. Deshalb hat auch der Kleinaktionär in der Publikumsgesellschaft unabhängig von seiner Beteiligungsgröße ein Stimmrecht; zugleich sind aber dessen Vermögensrechte und der Schutz seiner Vermögensposition in den Vordergrund gerückt. Im Dritten Teil ist dem vermögensmäßige Schutz der Mitgliedschaft des Aktionärs und damit der Frage nachzugehen, wie sich die verstärkte Ausrichtung auf die Anlegerinteressen im AktG verwirklicht. Hierfür sollen Fälle des Erwerbs fremden Vermögens durch die AG gegen Gewährung eigener Anteile untersucht werden. Dem Untersuchungsgegenstand entsprechend ist zuerst zu klären, ob sich aus den aktien- und umwandlungsrechtlichen Vorschriften, die Beschlußkompetenzen der Hauptversammlung regeln, ein allgemeiner Rechtsgedanke ableiten läßt, daß eine Aktionärsmitwirkung insbesondere aus Gründen des Vermögensschutzes dann besteht, wenn die AG eigene Aktien zum Erwerb fremden Vermögens verwendet. Dafür ist aufzuzeigen, welchen Schutzrichtungen ein solcher Beschluß dient und vor welchen Gefahren die Beteiligung der Hauptversammlung schützen soll, und darauf aufbauend zu klären, welche Pflichten der AG obliegen und welche Rechte den Aktionären zukommen für den Fall, daß eigene Aktien zum Erwerb fremden Vermögens durch die AG verwendet werden, eine solche Beschlußfassung gesetzlich aber nicht vorgesehen ist. Bei der Untersuchung geht es dabei weniger um die Beleuchtung des Konflikts zwischen Mehr- und Minderheit der Aktionäre, als vielmehr um Kompetenzprobleme zwischen Verwaltung und Aktionären, in deren Mittelpunkt der Kompetenzkonflikt von Vorstand und Hauptversammlung steht.

A. Mitwirkungserfordernis der HV bei Gewährung eigener Anteile

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A. Das Mitwirkungserfordernis der Hauptversammlung bei der Gewährung eigener Anteile Die gesetzliche Konzeption des Schutzes des Aktionärs vor der Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungswertes aufgrund der Ausgabe neuer oder der Abgabe bereits bestehender Aktien unter Wert sieht in verschiedenen Vorschriften des AktG das Erfordernis einer Hauptversammlungsbeteiligung vor. Die Mitwirkungserfordernisse der Hauptversammlung lassen sich dabei in zwei Gruppen einteilen: Die Hauptversammlung hat zum einen zu entscheiden, wenn die Anzahl der Aktien aufgrund der Ausgabe neuer Aktien geändert wird und damit eine Änderung der Beteiligungsquote der Aktionäre droht. Eine Beschlußkompetenz besteht aber auch bei der Gewährung bereits bestehender Aktien, die zum Erwerb fremden Vermögens (wieder)veräußert werden, da hier eine Änderung der Verteilung der von den Aktionären gehaltenen Aktien, also eine Änderung der Aktionärs- oder gleichbedeutend der Beteiligungsstruktur an der AG droht. Die Beschlußkompetenz der Hauptversammlung in diesem Fall ergibt sich vor allem aus § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG. Im nachfolgenden Abschnitt soll die Hauptversammlungsteilhabe aufgrund der Gewährung neuer Anteile im Rahmen einer Kapitalerhöhung untersucht werden, bevor im Anschluß auf diese Kompetenz im Rahmen der Abgabe bereits bestehender Aktien einzugehen ist.

I. Mitwirkungserfordernisse der Hauptversammlung zum Schutz der Aktionäre vor einem Eingriff in ihre Beteiligungsquote Gesetzliche Grundform der Kapitalerhöhung ist nach der Systematik des AktG die Kapitalerhöhung gegen Einlagen nach §§ 182 ff. AktG, die bei börsennotierten AG im Hinblick auf die Emissionsvolumen erhebliche Bedeutung hat, auch wenn von der Kapitalerhöhung durch genehmigtes Kapital nach den §§ 202 ff. AktG bei diesen Gesellschaften zahlenmäßig häufiger Gebrauch gemacht wird.1 Zentrale Vorschriften sind die §§ 182 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG, die Hauptversammlungskompetenzen für die Kapitalerhöhung und den Ausschluß des grundsätzlich bestehenden Bezugsrechts regeln.

1 Zur Bedeutung dieser Formen der Kapitalerhöhung und der Statistik MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 20 mwN. in Fn. 15 ff.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

1. Kapitalerhöhung gegen Einlagen und Ausschluß des Bezugsrechts Zum Schutz der Aktionäre vor den Auswirkungen von Kapitalerhöhungen gegen Einlagen sieht das Gesetz mit der Hauptversammlungskompetenz zur Entscheidung über die Kapitalerhöhung, § 182 Abs. 1 S. 1 AktG, dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG und dem Beschlußerfordernis zu seinem ganzen oder teilweisen Ausschluß, das durch das Verwässerungsverbot des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG flankiert wird, eine mehrfache Sicherung vor. Dabei bedarf der Hauptversammlungsbeschluß zum Bezugsrechtsausschluß einer Mehrheit, die mindestens drei Viertel des bei der Beschlußfassung vertretenen Grundkapitals umfaßt, § 186 Abs. 3 S. 1 AktG.2 a) Bezugsrecht und Bezugsrechtsausschluß Das im Aktienrecht erstmals in § 282 Abs. 1 HGB 1897 normierte Bezugsrecht, das in einem historisch langwierigen Prozeß aus der Mitgliedschaft entwickelt und bei Erlaß der Vorschrift des HGB als Schutzrechtsbehelf gegen die Selbstbegünstigung einzelner einflußreicher Aktionäre im Gesetz verankert wurde,3 soll die Aktionäre vor den Gefahren einer Kapitalerhöhung schützen, die der Gesetzgeber 1994 wie folgt formuliert hat: „Zum einen kann ein Aktionär, der an einer Kapitalerhöhung seiner Gesellschaft nicht teil hat, an Einfluß einbüßen (Einbuße der Stimmkraft), wenn sein relativer Anteil am Grundkapital dadurch verringert wird. Zum anderen können seine Aktien durch die Kapitalerhöhung an Wert verlieren, 2

Die Satzung kann nur im Hinblick auf den Kapitalerhöhungsbeschluß nach § 182 Abs. 1 S. 2 AktG eine geringere Mehrheit vorsehen, nicht aber für den Bezugsrechtsausschluß, § 186 Abs. 3 S. 2 AktG, was die Bedeutung des Bezugsrechts der Aktionäre aufzeigt; anders noch § 275 Abs. 1 HGB 1897 (einfache Mehrheit ausreichend), wie heute bereits § 153 Abs. 3 AktG 1937. Das Bezugsrecht, dessen Voraussetzungen gemäß §§ 182 Abs. 1, 2, 186 Abs. 3 S. 2, Abs. 4 AktG, europarechtlich abgesichert sind, vgl. Art. 29 der Zweiten Gesellschaftsrechtlichen (Kapitalschutz)Richtlinie, Nr. 77/91/EWG v. 13.12.1976, Abl. EG Nr. L 26 v. 31.1.1977, S. 1 ff. (Kapital-RiL, abgedruckt bei Habersack, Europäisches GesR, 2006, § 6 Rn. 80 (S. 173 ff.)), besteht auch beim genehmigten Kapital, bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sowie auch bei der Ausgabe von Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen und Genußrechten, § 203 Abs. 1 S. 1, § 212 S. 1 und § 221 Abs. 4 S. 2 AktG. 3 So Lutter, AG 2000, 343, 344 (liSp.), mit Verweisung auf Bernecke, Bezugsrecht, 1928, passim. Zur Entwicklung des Bezugsrechts Hirte, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 19. Kap. Rn. 56 ff. (S. 863 f.); MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 7 ff.; T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1918, 1922 mwN. Für den Ausschluß bestanden keine formalen Hürden, so daß keine Ankündigung in der Tagesordnung oder eine Begründung erforderlich war.

A. Mitwirkungserfordernis der HV bei Gewährung eigener Anteile

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wenn die neuen Aktien zu einem niedrigeren Betrag ausgegeben werden, als es dem wirklichen Wert bzw. dem Börsenkurs der alten Aktien entspricht (Verwässerung).“4 aa) Doppelfunktion des Bezugsrechts Über den Zweck des Bezugsrechts, das zum Kernbestand der Mitgliedschaft und damit zu den Grundpfeilern des Aktienrechts gezählt wird, besteht weitgehend Einigkeit, da das überwiegende Schrifttum mit der geläufigen Rechtsprechung des BGH dem Bezugsrecht eine Doppelfunktion einräumt. Dieser hat zu den Auswirkungen des Ausschlusses des Bezugsrechts unter Zusammenfassung seiner Rechtsprechung im Jahr 1992 ausgeführt, daß „der Entzug des Vorrechtes zur Investition von Kapital in das Unternehmen, an dem der Aktionär bereits Beteiligungsrechte hat, für ihn im allgemeinen einen schweren Eingriff in die Mitgliedschaft darstellt. Der Ausschluß dieses Rechts hat zur Folge, daß sich die Stimmrechtsquoten zu Lasten aller Aktionäre verschieben, wenn nur außenstehende Dritte bezugsberechtigt sind, oder daß sich Verschiebungen im Verhältnis der bisherigen Aktionäre untereinander ergeben, wenn sich das Bezugsrecht auf einen oder einen Teil von ihnen beschränkt. Ferner sinkt der Gewinn- und Liquidationsanteil der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre relativ ab. Sie können ihr Kapital nicht mehr in dem gleichen Verhältnis wie bisher in der Gesellschaft einsetzen und an deren Gewinn beteiligen.“5 Das Bezugsrecht gewährleistet danach, daß der Aktionär durch anteiligen Erwerb der neuen Aktien die bestehende Mitgliedschaft sowohl im Hinblick auf die Rechte zur Einflußnahme, insbesondere das Stimmrecht, als auch auf die Vermögenssubstanz ungeschmälert aufrecht erhalten kann, und garantiert damit als Schutz vor Einfluß- und Vermögensverwässerungen, die durch das Bezugsrecht gleichrangig geschützt werden,6 eine „doppelte Besitzstandsgarantie“.7 Der Ausschluß des Rechts auf Teilhabe an einer Kapitalerhöhung wird daher von der h. M. als eine Einbuße an den auf den Nennwert der Beteiligung orientierten Teilhabe- und Herrschaftsbefugnissen und damit als 4

Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (liSp.). BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 146 (Bremer Bankverein); siehe auch BGH v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 241 (Deutsche Bank), v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 321 (Holzmann), und v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 44 f. (Kali+Salz). 6 Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 13. 7 So Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 2; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 48, ders., ZHR 168 (2004), 132, 138 f., und ders., ZHR 163 (1999), 505, 508; K. Schmidt, GesR, 2002, § 29 III 2 (S. 903: Doppelfunktion); Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 7. 5

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

schwerer Eingriff in die Mitgliedschaft des Aktionärs gesehen, der nur in engen Grenzen gestattet sein darf.8 Die asymmetrischen Auswirkungen des Bezugsrechtsausschlusses stellt Lutter anschaulich dar:9 Die (Alt-)Aktionäre werden durch den Bezugsrechtsausschluß stets in ihren (anteiligen) Herrschafts- und Mitverwaltungsrechten beeinträchtigt, da ihr proportionales (Stimmen-)Gewicht in der AG sinkt. Sie erleiden überdies dann eine Vermögensverwässerung, wenn der Ausgabekurs der jungen Aktien und damit die Einlage der Neu-Aktionäre geringer ist als der anteilige Wert ihrer so erworbenen Aktien.10 Es besteht also die potentielle Gefahr der Beeinträchtigung der Vermögensinteressen der Aktionäre. Denn zum einen sinkt bei einer Ausgabe der neuen Aktien unter Wert die rechnerische Höhe des Liquidationsanspruchs der Altaktionäre nach § 271 Abs. 1 und 2 AktG, da sich der anteilige Vermögenswert pro Aktie an dem Gesellschaftsvermögen aufgrund der zu billigen Veräußerung vermindert. Überdies verringert sich bei gleichbleibender Rendite in der Zukunft die Höhe ihres Anspruchs auf den zukünftig anfallenden Gewinn aufgrund der Verminderung des anteiligen Vermögenswertes pro Aktie an dem Gesellschaftsvermögen. Maßgeblich für die Höhe des Dividenden- und Liquidationsanspruchs ist der in absoluten Beträgen gemessene Wert ihres Anteils am Gesellschaftsvermögen, der bei einer wertentsprechenden Ausgabe der neuen Aktien konstant bleibt, da Grundkapital und Gesellschaftsvermögen proportional zunehmen. Unterschreitet der Preis der neuen Aktien, also Einlage und Agio, deren inneren Wert, nimmt das Grundkapital und damit die Aktienanzahl stärker zu als das Gesellschaftsvermögen und die Altaktionäre erleiden einen teilweisen Verlust ihres Beteiligungswertes; damit sinkt auch die Höhe ihres Liquidations- und ihres Dividendenanspruchs. Eine Verwässerung der Vermögenskomponente tritt also dann ein, wenn sich der Wert des auf die einzelne Aktie entfallenden Anteils am Gesellschaftsvermögen aufgrund einer zu billigen Ausgabe der neuen Aktien vermindert. 8

Zur Rspr. siehe Fn. 5; aus dem Schrifttum etwa Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 2, 25; Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 142, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 509; Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 1 (S. 61); Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 13; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 59 ff., und ders., AG 1994, 429, 441; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 84; einschränkend Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 339 ff.; dazu näher oben S. 98 ff. 9 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 58. 10 Vollmer/Lorch, DB 1991, 1313, 1315 f., und im Anschluß an diese auch BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 147 f. (Bremer Bankverein), unterscheiden zwischen Verwässerung im engeren und im weiteren Sinn; dagegen zu Recht Martens, ZIP 1992, 1677, 1690 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 192.

A. Mitwirkungserfordernis der HV bei Gewährung eigener Anteile

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Das Bezugsrecht auf die mit der Kapitalerhöhung geschaffenen neuen Aktien, das bei Kapitalerhöhungen automatisch aus der Mitgliedschaft entsteht und Ausprägung des Gleichbehandlungsgebots nach § 53a AktG ist,11 steht daher allen Aktionären zu, so daß trotz dessen Unentgeltlichkeit kein Werttransfer zu Lasten einzelner Aktionäre stattfindet und so die schwierige Frage nach dem „wahren“ Wert der alten und neuen Aktien vermieden wird, da der Wertverlust der Altaktien durch das Bezugsrecht kompensiert wird.12 Hat der Aktionär kein Interesse, weiteres Kapital zu investieren, besteht die Schutzwirkung des Bezugsrechtes weiter, da der Aktionär dieses veräußern und so zwar nicht seiner Stimmrechtsverwässerung, jedoch durch den Erlös aus einer Teilliquidation eines ihm zustehenden Vermögenswertes einem Vermögensnachteil vorbeugen kann.13 Da der Ausgabebetrag der neuen Aktien bei börsennotierten AG typischerweise unter dem aktuellen Börsenpreis festgesetzt wird, um den Erwerbern einen Kaufanreiz zu geben, kommt dem Bezugsrecht als Recht zum Bezug der billigeren Aktien ein Vermögenswert zu, der durch den Verkauf realisiert werden kann.14 Im Interesse der Rendite seiner Anlage soll also das Bezugsrecht den Aktionär auch vor der Verminderung des Substanzwertes der Altaktien bei einem unter ihrem inneren Wert liegenden Bezugskurs und einer Verringerung des Gewinn- und Liquidationsanteils bei niedrigerem Bezugskurs schützen. Deshalb hat die Hauptversammlung über den Ausschluß des als „Grundrecht des Aktionärs“ qualifizierten und verfassungsrechtlich als Teil des mitgliedschaftlichen Aktieneigentums anerkannten mitgliedschaftlichen Bezugsrechts nach § 186 Abs. 3 S. 1 AktG zu entscheiden.15 11 Zu erstem siehe Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 9; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 19; Frey, in: GroßKommAktG, 2001, § 192 Rn. 30; zur Ableitung des Bezugsrechts aus der Mitgliedschaft auch Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 10; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 61; zu letztem MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 8; Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 5; Servatius, aaO; Peifer, aaO, Rn. 16 und 80; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 56; Henn, HdB AktR, 2002, Rn. 1246 (S. 665); Wiedemann, aaO, Rn. 13; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 12. 12 Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 69; aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht Terstege, Bezugsrechte, 2001, S. 109 ff., 124. 13 So Brakmann, Aktienemission, 1993, S. 46; ähnlich Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, A III 2 (S. 31). 14 Dazu Lutter, in: FS BGH II, 2000, S. 321, 325; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 24; siehe auch die ökonomische Betrachtung des Bezugsrechtswerts unter Heranziehung empirischer Untersuchungen von Terstege, Bezugsrechte, 2001, S. 211 ff. 15 So Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 56; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 7; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 1; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 508; siehe auch MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 55. Zur verfassungsrecht-

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

bb) Entwicklung der Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses Der Einführung des Bezugsrechts im Aktienrecht folgte mit deutlichem zeitlichen Abstand die Ausgestaltung der Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluß durch das Reichsgericht und den BGH, wonach der Bezugsrechtsausschluß jenseits der durch § 186 Abs. 3, 4 AktG gesetzten Schranken aufgrund des damit verbundenen schweren Eingriffs in die Mitgliedschaft des Aktionärs weitere Voraussetzungen haben müsse, deren Bestehen allenfalls aus der Berichtspflicht des Vorstandes gefolgert werden können.16 Auf Vorarbeiten im Schrifttum aufbauend führte der BGH in der Leitentscheidung zu den Anforderungen des Bezugsrechtsausschlusses im Jahr 1978 grundlegend aus, daß neben den formellen Voraussetzungen materiell als zusätzliche Schranke über den Gesetzeswortlaut hinaus der Beschluß auch „bestimmten sachlichen Anforderungen genügen“ müsse.17 Da lichen Anerkennung des Bezugsrechts BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 302 (DAT/Altana). Siehe auch Ziff. 2.2.2 des Deutschen Corporate Governance Kodex und dazu Kremer, in: Corporate Governance Kodex, 2008, Rn. 248 ff. Die Bedeutung des Bezugsrechts zeigt sich auch in § 31 Abs. 3 Nr. 3 des Diskussionsentwurf des Übernahmegesetzes, der ein Bezugsrecht der Aktionäre bei Vorratsbeschlüssen zu Kapitalmaßnahmen als Abwehrmittel von Übernahmen vorsah; dazu näher Hopt, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 62, 86 f. 16 Siehe auch BGH v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 326 (Holzmann), wonach in § 186 Abs. 4 S. 2 AktG die Bestätigung der materiellen Grundsätze über die sachliche Rechtfertigung eines Bezugsrechtsausschlusses liege. Die bloße Angabe im Vorstandsbericht, daß ein Bezugsrechtsausschluß vorgenommen werde, wäre sonst sinnlose Förmelei; dazu auch MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 71. 17 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 43 (Kali+Salz); dazu Lutter, ZGR 1979, 401 ff. Im Ansatz bereits RG v. 22.6.1923 – II 888/22, RGZ 107, 67, 71 f., 72, 75 (Vereinigte Stahlwerke); v. 31.3.1931 – II 222/30, RGZ 132, 149, 163 (Victoria Versicherungen): „Aus der Befugnis, im Wege des Mehrheitsbeschlusses zugleich auch für die Minderheit zu beschließen und damit mittelbar über deren in der Gesellschaft gebundene Vermögensrechte zu verfügen, ergibt sich ohne weiteres die gesellschaftliche Pflicht der Mehrheit, im Rahmen des Gemeininteresses auch den berechtigten Belangen der Minderheit Berücksichtigung angedeihen zu lassen und deren Rechte nicht über Gebühr zu verkürzen.“ Noch a. A. RG v. 8.4.1908 – I 595/07, RGZ 68, 235, 244 f. (Hibernia): Bezugsrechtsausschluß legitimes Mittel der Mehrheit zur Verfestigung ihrer Machtposition in der AG. Ähnlich auch noch BGH v. 27.9.1956 – II ZR 144/55, BGHZ 21, 354 (Minimax I), und v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 186 (Minimax II). Hierzu und zur Entwicklung der Rechtsprechung Zöllner, AG 2002, 585 ff.; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 105 ff. je mwN. Die in der Kali+Salz-Entscheidung formulierten materiellen Schranken des Bezugsrechtsausschlusses beruhen auf den von der Rspr. des RG aufgestellten Anforderungen, die von R. Fischer, in: GroßkommAktG, 1959, § 153 Rn. 16, Mestmäcker, BB 1961, 945 ff., und Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 (S. 335 ff.), ausgeformt wurden und Grundlage der späteren Rspr. des BGH sind. Siehe auch Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1971, § 186 Rn. 49 f.; Zöllner,

A. Mitwirkungserfordernis der HV bei Gewährung eigener Anteile

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eine Kapitalerhöhung „notwendigerweise auf den Zweck der Gesellschaft und damit auf deren Interessen bezogen“ sei, müsse auch ein mit ihr verbundener Bezugsrechtsausschluß „im Gesellschaftsinteresse seine Rechtfertigung finden“.18 Für ihn sei daher „eine besondere sachliche Begründung zu fordern, an die um so strengere Anforderungen zu stellen sind, je schwerer der Eingriff in die mitgliedschafts- und vermögensrechtliche Stellung des ausgeschlossenen Aktionärs wiegt“.19 Zusammengefaßt in der sog. Kali+Salz-Formel statuierte der BGH, „daß der Ausschluß des Bezugsrechts bei einer Kapitalerhöhung nur zulässig ist, wenn er aus der Sicht im Zeitpunkt der Beschlußfassung auch bei gebührender Berücksichtigung der Folgen für die ausgeschlossenen Aktionäre durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist.“20 Die erweiterten Anforderungen durch die „Prüfung, ob diese (ungeschriebene) sachliche Wirksamkeitsvoraussetzung erfüllt ist, schließt die . . . Abwägung der Interessen und die Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck ein.“21 Nach dem in einer Reihe von Folgeurteilen bestätigten Grundsatz ist der Ausschluß des Bezugsrechts sowohl an der Vereinbarkeit mit dem Gesellschaftsinteresse, auf seine Geeignetheit zur Erreichung des beabsichtigten Zwecks und seine Erforderlichkeit als auch an dem Verbot unnötiger und unverhältnismäßiger Beeinträchtigung der Interessen der Minderheitsaktionäre zu prüfen,22 was in der Instanzenrechtsprechung und der Literatur mit der Anforderungstrias „zur Förderung des Gesellschaftsinteresses geeignet – erforderlich – verhältnismäßig“ zusammengefaßt wird.23 Dabei erfordert die zu prüfende Beachtung aaO, § 243 Rn. 178 ff., 196, 200 f.; Füchsel, BB 1972, 1533 ff.; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1971, § 186 Anm. 2 ff., 12b. Die Beschlußkontrolle kann als institutionell verfestigte Ausprägung der Treupflicht gelten, wird aber von der Rspr. ohne ausdrückliche Rückkoppelung zur Treupflicht praktiziert; dazu Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 III 3 (S. 351 ff.), und ders., AG 2002, 585, 587 (liSp.). 18 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 44 (Kali+Salz). 19 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 45 (Kali+Salz). 20 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 46 (Kali+Salz). 21 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 46 (Kali+Salz). 22 BGH v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 321 (Holzmann), v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 145 ff. (Bremer Bankverein), und v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 241 (Deutsche Bank); dazu Lutter, JZ 1994, 914, 914 f., und ders., ZGR 1993, 291 ff.; Martens, ZIP 1994, 669 ff.; Bungert, WM 1995, 1; Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 357, 361 ff. Zusammenfassend BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 135 (Siemens/Nold). 23 Aus der Instanzenrechtsprechung etwa OLG Celle v. 29.6.2001 – 9 U 89/01, AG 2002, 292, 292 f.; OLG Schleswig v. 22.6.2001 – 5 U 8/00, WM 2002, 859, 860 (reSp.); OLG Stuttgart v. 12.9.1998 – 20 U 111/97, ZIP 1998, 1482, 1486 ff. (Daimler Benz); OLG Braunschweig v. 29.7.1998 – 3 U 75/98, ZIP 1998, 1585, 1587 ff. (VW); LG Frankfurt/M. v. 10.2.1997 – 3/1 O 119/96, ZIP 1997, 1030, 1033. Aus dem Schrifttum etwa Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 25 ff., und MünchKommAktG/ders., 2001, § 243 Rn. 58 ff.; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008,

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

des Übermaßverbotes, daß der angestrebte Nutzen für die Gesellschaft den „verhältnismäßigen Beteiligungs- und Stimmrechtsverlust der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre aufwiegen“ muß.24 Diese Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck sieht der BGH in der späteren Holzmannund der Deutsche Bank-Entscheidung dann als gegeben an, wenn die Hauptversammlung der Überzeugung sein durfte, der Bezugsrechtsausschluß sei das angemessene und am besten geeignete Mittel zur Verfolgung überwiegender Gesellschaftsinteressen.25 Im Gesellschaftsinteresse liegt dabei jedes mit dem Bezugsrechtsausschluß angestrebte Ziel, das dazu dient, im Rahmen des in der Satzung festgelegten Unternehmensgegenstandes den Gesellschaftszweck zu fördern.26 Er ist geeignet, wenn der angestrebte Zweck mit ihm erreicht werden kann, und erforderlich, wenn Entscheidungsalternativen nicht bestehen oder der Bezugsrechtsausschluß unter mehreren Möglichkeiten den Zweck am besten zu fördern vermag.27 Die Anforderungen an den Hauptversammlungsbeschluß zum Bezugsrechtsausschluß beim genehmigten Kapital wurden mit dem Holzmann-Urteil nochmals verschärft, das die in der Kali+Salz-Entscheidung aufgestellten Grundsätze übernahm, diese aber im Hinblick auf die Anforderungen an den Inhalt des Vorstandsberichtes nach §§ 203 Abs. 2 S. 2, 186 Abs. 4 S. 2 AktG bzgl. des Verwendungszwecks der Aktien, der konkret darzulegen sei, weiter ausdehnte.28 Aufgrund dieser strikten Anforderungen an die Konkre§ 186 Rn. 34; Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 43; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 137 ff.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 58 ff.; Zöllner, aaO, 1985, § 243 Rn. 195 ff. 24 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 46 f. (Kali+Salz). Hierzu hat sich eine breite Kasuistik gebildet; dazu Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 29 ff.; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 90 ff. 25 BGH v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 321 (Holzmann), und v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 244 (Deutsche Bank). 26 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 26; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 75; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 139 f.; Lutter, ZGR 1979, 401, 403. 27 BGH v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 321 (Holzmann), und v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 244 (Deutsche Bank). 28 BGH v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 327 (Holzmann), wonach die Ermächtigung des Vorstandes zum Ausschluß des Bezugsrechts nach § 203 Abs. 2 AktG den gleichen materiellen Anforderungen unterworfen sei wie der Ausschluß des Bezugsrechts im Rahmen der regulären Kapitalerhöhung durch die Hauptversammlung selbst. Die Voraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluß seien aber bereits zum Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses über den Bezugsrechtsausschluß bzw. der Ermächtigung des Vorstandes zur Entscheidung über denselben im Vorstandsbericht konkret darzulegen, um die Hauptversammlung in die Lage zu versetzen, sich ein Bild von der Stichhaltigkeit des Wunsches nach einer Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß gemäß § 203 Abs. 2 AktG zu machen.

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tisierung des Verwendungszwecks, die dem genehmigten Kapital die ihm eigene und für das Funktionieren unverzichtbare Flexibilität nahm, und der Flut von Anfechtungsklagen, die aufgrund der erheblichen Anforderungen gegen die Beschlüsse erhoben wurden,29 kam der Einsatz des genehmigten Kapitals als Finanzierungsinstrument weitgehend zum Erliegen.30 Das Deutsche Bank-Urteil des BGH im Jahr 1994, wonach bei einer größeren AG die Zulassung ihrer Aktien an ausländischen Börsen oder die Erweiterung ihrer Präsenz an ausländischen Finanzmärkten grundsätzlich im sachlichen Interesse der Gesellschaft liege, führte zu keiner Veränderung des dogmatischen Ausgangspunktes und brachte der Praxis nur Erleichterung in einem begrenzten Teilbereich.31 b) Die Kritik am Bezugsrecht Mit dem höchstrichterlichen Ausbau des Minderheitenschutzes bei Kapitalmaßnahmen und damit einhergehend den erhöhten Anforderungen, die Eigenkapitalmaßnahmen der Gesellschaften erschwerten und zugleich die Möglichkeit der Geltendmachung rechtsmißbräuchlicher Rechtsbehelfe erleichterten, sind beide Funktionen des Bezugsrechts – Schutz vor Veränderung der Beteiligungsquote und wirtschaftlicher Verwässerung – in die Kritik geraten. Diese richtet sich insbesondere aus dem Blickwinkel der großen börsennotierten Publikumsgesellschaften nicht nur gegen die Erfordernisse des Bezugsrechtsausschlusses bei der ordentlichen Kapitalerhöhung sowie beim genehmigten Kapital, sondern auch gegen das Bezugsrecht selbst.32 So wird gegen das Bestehen eines Bezugsrechts auch für Kleinaktionäre in der Publikums-AG angeführt, daß diese ohnehin keinen meßbaren Einfluß ausüben könnten und eine wirtschaftliche Verwässerung gerade durch die gesetzliche Anordnung des Bezugsrechts und der Bezugsfrist vorge29 Zur Rechtsprechung der Instanzengerichte siehe Martens, ZIP 1992, 1677, 1677 Fn. 1; Schockenhoff, AG 1994, 45, 46 ff. 30 Vgl. Henze, ZHR 167 (2003), 1: „Regelung des genehmigten Kapitals . . . mit der Holzmann-Entscheidung de facto außer Kraft gesetzt“; Volhard, AG 1998, 397: „Institut des bezugsrechtsfreien genehmigten Kapitals aus der Unternehmenspraxis eliminiert“; Martens, ZIP 1992, 1677, 1678: „Beschluß über eine Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluß gleicht einem Lotteriespiel, in dem Unternehmen nur außerordentlich geringe Gewinnchancen haben“. So auch die Bewertung von Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 2a (S. 71). 31 BGH v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 241 (Deutsche Bank). 32 Heinsius, in: FS Kellermann, 1991, S. 115 ff.; Martens, ZIP 1992, 1677 ff., und ders., ZIP 1994, 669 ff.; Kindler, ZHR 158 (1994), 339 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 303 ff. Deutlich Kübler/Mendelson/Mundheim, AG 1990, 461, 464 (liSp.) und 474 (reSp.): Bezugsrecht in der Publikums-AG weder notwendig noch zweckmäßig; jüngst auch Richter, ZHR 172 (2008), 419, 435 f.

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zeichnet werde, die ohne Bezugsrecht verhindert werden könnte.33 Generell gegen das Bezugsrecht wird vorgebracht, daß ein solches bei Barkapitalerhöhungen einen hohen zeitlichen und wegen des deshalb erforderlichen Abschlages einen hohen finanziellen Aufwand erfordere,34 bei ökonomischer Betrachtung für die Aktionäre von Publikumsgesellschaften ohne jeden finanziellen Wert sei und die optimale Eigenkapitalaufnahme durch die AG aufgrund des Sicherheitsaufschlags auf den Ausgabekurs behindere, der wegen der Volatilität der Märkte notwendig sei.35 Das Bezugsrecht sei ein Fremdkörper an den internationalen Kapitalmärkten, erschwere die Kapitalbeschaffung auf diesen unnötig und führe zu einem Standortnachteil deutscher Gesellschaften insbesondere gegenüber US-amerikanischen Gesellschaften aufgrund seines durch die Kali+Salz-Formel gewährleisteten Schutzes.36 Aufgrund des nicht prognostizierbaren Bezugsverhaltens der Altaktionäre erschwere das Bezugsrecht die Plazierung der (nicht bezogenen) Aktien bei anderen Investoren.37 Vom damaligen Vorsitzenden des II. Senats des BGH, Röhricht, wurde die Ansicht vertreten, daß in den großen Publikumsgesellschaften (anders für geschlossene AG) im Falle einer Barkapitalerhöhung die bezugsrechtsfreie Emission auch jenseits der zehn Prozent-Grenze des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG ohne die Erschwernisse der Kali+Salz- und der Holzmann-Rechtsprechung zulässig sein müsse. Röhricht stellt weiterhin Überlegungen an, ob als rechtliche Grenzen der Mehrheitsherrschaft insbesondere beim Bezugsrechtsausschluß statt durch eine Sachkontrolle auch das Verbot sachfremden und rechtsmißbräuchlichen Verhaltens ausreiche.38

33 Martens, ZIP 1992, 1677 ff., und ders. ZIP 1994, 669, 672; ähnlich T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1918, 1921 (liSp.). 34 Heinsius, in: FS Kellermann, 1991, S. 115, 122, 124 ff.; Martens, in: FS Steindorff, 1990, S. 151, 151 f., und ders. ZIP 1994, 669, 676. Sich dem anschließend Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 Abs. 3 S. 4, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (liSp.). 35 Angegeben wird eine Spanne von 15–25%; dazu Heinsius, in: FS Kellermann, 1991, S. 115, 129; Marsch-Barner, AG 1994, 532, 537; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 9 (liSp.); Kübler/Mendelson/Mundheim, AG 1990, 461, 473; in jüngerer Zeit T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1918, 1921 (liSp.). 36 Kübler/Mendelson/Mundheim, AG 1990, 461, 461 ff. und 474; Heinsius, in: FS Kellermann, 1991, S. 115, 121 f. und 130 f.; Kübler, ZBB 1993, 1, 1 ff., und ders., AG 1994, 141, 141 ff.; Claussen, WM 1996, 609, 610 ff. Nach Kindler, ZGR 1998, 35, 43, stellt insbesondere das Bezugsrecht bei der Sachkapitalerhöhung weitgehend einen Fremdkörper in der gegenwärtigen europäischen Rechtsentwicklung dar; einen rechtsvergleichenden Überblick gibt Wymeersch, AG 1998, 382 ff. Siehe auch Schwark, in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1534: Bezugsrecht wirkt auf globalisierten Kapitalmärkten als Fremdkörper. 37 T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1922 (liSp.).

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c) Bewertung Daß Aktionären auch mit atomistischer Beteiligung in der Publikumsgesellschaft ein Bezugsrecht zustehen muß, wird anhand der Gefahr deutlich, daß sich Neuaktionäre auch auf ihre Kosten zu billig in die Gesellschaft einkaufen; eine Ausgabe der Aktien unter ihrem Wert verwässert prozentual gesehen die Beteiligung des Klein- ebenso wie die des Großaktionärs.39 Auch wenn für den Kleinaktionär der Erhalt der Einflußquote nur von nachrangigem Interesse sein mag, so gilt dies regelmäßig nicht für den Schutz des Beteiligungswertes. Mit der Einführung der §§ 327a ff. AktG hat überdies die Frage des Schutzes der Beteiligungsquote eine andere Dimension erhalten, da der mit fünf vom Hundert und einer Aktie am Grundkapital beteiligte Aktionär erst dann zum Opfer eines Minderheitenausschlusses werden kann, wenn das Grundkapital erhöht wird, ohne daß er neue Aktien zeichnen kann. Zwar kann sich jedenfalls der Aktionär einer großen börsennotierten AG mit entsprechendem free float an der Börse mit Aktien eindecken, so daß seine Beteiligungsquote die Ausschlußschwelle überschreitet;40 die Verweisung auf die Möglichkeit des Nachkaufs der Aktien zum Börsenkurs am Kapitalmarkt zur Erhaltung der Beteiligungsquote setzt sich aber in aktienrechtlicher Hinsicht darüber hinweg, daß der Aktionär aus der Mitgliedschaft einen Anspruch auf Erhaltung seiner prozentualen Beteiligung hat,41 so daß auch aus diesem Grund das Gesetz mit der Vorschrift des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG den „vereinfachten“ Bezugsrechtsauschluß nur in begrenztem Umfang zuläßt.42 Weiterhin stellt es für Aktionäre mit größerer Beteiligung an börsennotierten Gesellschaften ein Problem in marktlicher Hinsicht dar, zu angemessenen Kursen Aktien über die Börse zu erwerben, um ihre Beteiligungsquote stabil zu halten. Überdies ist das Bezugsrecht nicht nur ein Kostenfaktor, sondern, worauf Marsch-Barner hinweist, ein Vertriebsweg für die Unterbringung neuer Aktien.43 Schließlich sind auch die alternativen Schutzmöglichkeiten, wie etwa in den USA, wo statt des präventiv schützenden Bezugsrechts auf die Treupflichten der Ver38 So Röhricht, ZGR 1999, 445, 473. Siehe auch die Stellungnahme der Arbeitsgruppe Europäisches Gesellschaftsrecht, ZIP 2003, 863, 873, und dazu kritisch Bayer, BB 2004, 1, 8. 39 So auch K. Schmidt, GesR, 2002, § 29 III 2d (S. 903); a. A. etwa Martens, ZIP 1992, 1677, 1691 (reSp.). 40 Zum free float näher unten S. 547. 41 Dazu auch Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 19 IV 1d cc (S. 326); Zöllner, AG 2002, 585, 590 f.; dem zustimmend MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 58. 42 Siehe zu dem Begriff die Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses zu § 186 Abs. 3 S. 4 AktG, BT-Drs. 12/7848, S. 9 (reSp.). 43 Marsch-Barner, AG 1994, 532, 537 (liSp.).

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waltung und damit auf repressive Haftungsklagen gesetzt wird, ebenfalls mit Kosten verbunden, die sich auch negativ auf den Anteilswert auswirken können.44 Auch unter ökonomischen Gesichtspunkten überzeugt die Kritik an einem grundsätzlich bestehenden Bezugsrecht nicht, wie jüngere wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen zeigen. Ein merklicher Zeitgewinn läßt sich nur bei einer Ausgabe der neuen Aktien an Paketaktionäre erzielen. Nach Terstege wird die tatsächliche Mindestdauer der Durchführungsfristen einer Bezugsrechtskapitalerhöhung regelmäßig deutlich überschätzt, da sich der Fristnachteil durch das Bezugsrecht auf eine fast bedeutungslose Größenordnung von drei bis neun Tagen beläuft und nur bei einer Ausgabe der Aktien an einige wenige Großanleger ein deutlicher Fristvorteil besteht; dann ist allerdings die Gefahr einer Änderung der Beteiligungsquote und der Vermögensverwässerung zu Lasten der anderen Aktionäre am größten.45 Das Argument des Risikoabschlages ist mit der Neufassung und Änderung des § 186 Abs. 2 und 5 AktG deutlich relativiert, der das Kursänderungsrisiko durch die Zulassung der Festlegung des Ausgabebetrages am Ende der Bezugsfrist und damit auch im Wege des sog. Bookbuilding-Verfahrens minimiert.46 Die Gesetzesänderung erlaubt, die „Grundlagen der Festlegung“ des Bezugspreises zu Beginn der Bezugsfrist und die Festlegung sowie den Bezugspreis selbst spätestens drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist zu veröffentlichen.47 Daneben ist zweifelhaft, ob – wie teilweise behauptet – der 44

Dazu oben im Zweiten Teil bei Fn. 609. So Terstege, Bezugsrechte, 2001, S. 194 ff., 203 ff., im Anschluß an Ekkenga, AG 1994, 59, 59 f., und ders., aaO, 208 ff.; dem zustimmend MünchKommAktG/ Bayer, 2005, § 203 Rn. 72; Zöllner, AG 2002, 585, 590 (liSp.). 46 Dazu auch Begr RegE TransPuG, BT-Drs. 14/8769 S. 23 (reSp.), wodurch das Kursänderungsrisiko eingeschränkt wird, was auch „im Interesse der Aktionäre [liegt], als dadurch die Form der Kapitalerhöhung gegen Einlagen unter Bezugsrechtseinräumung wieder attraktiver wird“. Siehe auch aaO zum Bookbuilding-Verfahren im Rahmen der Festlegung des Ausgabebetrages der neuen Aktien; zu diesem Verfahren näher unten S. 522 ff. Terstege, Bezugsrechte, 2001, S. 173 f., weist darauf hin, daß ein Scheitern der Kapitalerhöhung um so unwahrscheinlicher wird, je weiter der Bezugspreis der Aktien zu Beginn der Stillhaltefrist (Zeitraum von der Konditionenfestlegung, die insbesondere die numerische Fixierung des Bezugspreises umfaßt, bis zur letzten Möglichkeit der Anleger, ihre Kaufbereitschaft zu erklären, aaO, S. 127 f.) unterhalb des Bezugspreises festgelegt wird. Bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß korreliert aber anders als bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen mit der Verminderung der Gefahr des Scheiterns der Kapitalerhöhung eine Verstärkung der Gefahr der Vermögensverlagerung von Alt- auf Neuaktionäre. 47 Kritisch zu der Regelung aufgrund fehlender Konformität mit Art. 29 der Kapital-RiL (dazu oben in Fn. 2) T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1922 (liSp.); zu Gründen der – bislang – geringen praktischen Relevanz Busch, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 39 Rn. 53 (S. 1354). 45

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Kapitalmarkt auf bezugsrechtsfreie Kapitalerhöhungen positiver reagiert als auf Bezugsrechtsemissionen; jüngere empirische Untersuchungen kommen eher zu dem gegenteiligen Ergebnis.48 2. Vereinfachung des Bezugsrechtsausschlusses Die im Schrifttum vorgebrachte Argumentation gegen das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG war insoweit erfolgreich, als der Gesetzgeber mit der durch das DeregulierungsG eingeführten Sonderregel für Eigenkapitalmaßnahmen börsennotierter Gesellschaften die Voraussetzungen für den Bezugsrechtsausschluß gelockert hat. Mit der im Siemens/Nold-Urteil erfolgten Zurücknahme ungeschriebener Anforderungen der Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschluß beim genehmigten Kapital reagierte der BGH auf die Kritik im Schrifttum. a) Die Erleichterung bezugsrechtsfreier Kapitalerhöhungen börsennotierter Gesellschaften Die als gesetzgeberische Reaktion auf die Kritik der Praxis im Jahr 1994 eingeführte Erweiterung des § 186 AktG um die Vorschrift zum vereinfachten Bezugsrechtsausschluß, § 186 Abs. 3 S. 4 AktG, steht im Schnittfeld von Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht und ist Ausprägung des Sonderrechts für Kapitalmaßnahmen börsennotierter Gesellschaften.49 Das Gesetz entbindet hierfür von der Notwendigkeit einer besonderen sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses, sofern zu erwarten ist, daß der Eingriff in die Mitgliedschaft durch kapitalmarktlich bedingte Vorteile zugunsten der Aktionäre kompensiert wird.50 Die Vorschrift wurde dementspre48 Zu erstem Claussen, WM 1996, 609, 611; hiergegen MünchKommAktG/ Bayer, 2005, § 203 Rn. 72; Oechsler, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 4. Kap. Rn. 22 (S. 168) mwN. in Fn. 88. Terstege, Bezugsrechte, 2001, S. 188, zitiert empirische Studien, wonach bei der Ankündigung bezugsrechtsfreier Kapitalerhöhungen durchschnittlich deutlich negative Kurskorrekturen, hingegen bei der Ankündigung von Bezugsrechtsemissionen weniger negative oder sogar positive Kursreaktionen festgestellt wurden; dies erklärt er damit, daß Anleger erkennen würden, daß im ersteren Falle das größere Potential bestehe, neue Aktien bei bisherigen Nichtaktionären zu teuer zu plazieren, weshalb diese deshalb mit höheren Kursabschlägen reagieren würden. Siehe auch Brakmann, Aktienemission, 1993, S. 158 ff., 230 ff., wonach in den USA die Ankündigung einer Kapitalerhöhung mit einer negativen Kursreaktion einhergeht, in Deutschland aber eine solche Ankündigung zu positiven Kursreaktionen führt. 49 Eingeführt durch das Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts v. 2.8.1994, BGBl. I S. 1961. 50 So Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10.

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chend in der Wissenschaft kritisch gewürdigt bis strikt ablehnend aufgenommen, hingegen aus Sicht der Gesellschaftsrechtspraktiker begrüßt,51 so daß die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß nach dieser Vorschrift erhebliche praktische Bedeutung hat.52 aa) Der vereinfachte Bezugsrechtsausschluß nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG Ein vereinfachter Bezugsrechtsausschluß ist danach zulässig, wenn die Barkapitalerhöhung zehn Prozent des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabepreis der neuen Aktien den Börsenkurs der bereits notierten Aktien dieser Gattung nicht wesentlich unterschreitet.53 Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen alle vom Bezug der neuen Aktien ausgeschlossenen Aktionäre weder eine Vermögens- noch eine Stimmrechtsverwässerung erdulden müssen, da, wie der Rechtsausschuß formuliert, durch die Vorschrift die Unternehmensfinanzierung flexibler gestaltet werden soll, „ohne dabei schutzwürdige Interessen der Altaktionäre, insbesondere der Kleinaktionäre, zu beeinträchtigen“.54 Die Vorschrift geht vom Leitbild der börsennotierten 51

Zustimmend aus der Gesellschaftsrechtspraxis Groß, DB 1994, 2431, 2439; Marsch-Barner, AG 1994, 532 f.; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 8 ff.; siehe auch die BGH-Richter a.D. Henze, ZHR 167 (2003), 1, 4 ff.; Röhricht, ZGR 1999, 445, 473 (Begrenzung des von der Kali+Salz-Rechtsprechung angerichteten Schadens); aus der Wissenschaft unter Hinweis auf Unzulänglichkeiten der Vorschrift und damit verbundene Risiken sachwidriger Rechtsanwendung zustimmend Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39a, b; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 39; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 149 f.; Lutter, AG 1994, 429, 440 ff. Sehr kritisch Hirte, ZIP 1994, 356, 362 („öffnet Mißbrauch Tür und Tor“); Zöllner, AG 2002, 585, 591 f. („ermöglicht unglaubliche Missbräuche“), und ders., AG 1994, 336, 341 und 342 (liSp.: „ ,legale‘ Benachteiligung der Aktionäre“). 52 Dazu Busch, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 38 Rn. 3 (S. 1319). 53 Die Vorschrift ist nur anwendbar auf Aktien der Gattung, die bereits an der Börse gehandelt wird, nicht also auf erstmalige Börseneinführungen, was sich schon aus dem Wortlaut der Norm („Börsenpreis“) ergibt; siehe auch Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.); dazu etwa Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39c; Kraft/Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 90; Spindler/Stilz/Wamser, AktG, 2007, § 203 Rn. 93; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, Nachtrag zu § 186, 1994, § 186 Rn. 11; Marsch-Barner, AG 1994, 532, 536 (liSp.). Str. ist dabei aber, ob Notierung im Inland in inländischer Währung erforderlich ist; so Hüffer, aaO; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 153; im Ergebnis auch MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 87, oder auch Notierung an ausländischer Börse ausreicht; so etwa Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 42 (EWR-Staaten); Kraft/Krieger, in: MünchHdB GesR/ AG, 2007, § 56 Rn. 90; AnwK-AktG/Rebmann, 2002, § 186 Rn. 2 (unter der Voraussetzung, daß ausreichende Zukaufsmöglichkeiten bestehen); Lutter, aaO, Rn. 11; Marsch-Barner, aaO, 533 (reSp.). 54 Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/7848, S. 9 (reSp.).

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Publikums-AG mit breitem Streubesitz und vom Bezugsrecht ohnedies einflußloser Kleinaktionäre als auch davon aus, daß dem Wert der alten Aktien keine Verwässerung droht, wenn neue Aktien zu einem nachprüfbar angemessenen Ausgabebetrag begeben werden, und es entweder auf die Beteiligungsquoten der Altaktionäre nicht ankommt oder diese Aktien hinzukaufen können.55 Die Kapitalerhöhungen dieser Art beschränken sich auf zehn Prozent vom Grundkapital; das Gesetz unterstellt damit, „daß in diesen Fällen stets ein Nachkauf zur Erhaltung der relativen Beteiligungsquote über die Börse möglich ist“, wie die Fraktionsbegründung ausführt.56 Grund ist, daß die vom Bezug ausgeschlossenen Altaktionäre einen Einflußverlust nur vermeiden können, wenn sie nachkaufen, was bei größeren Kapitalerhöhungen nicht zu marktadäquaten Preisen erfolgen könnte. Das Verhältnis der Norm, deren Wortlaut als verunglückt bezeichnet werden kann,57 zu den allgemeinen Schutzvorschriften und insbesondere die Frage, ob hierdurch die Sachkontrolle anhand der dreigliedrigen Kali+SalzFormel abgeschafft oder die Norm gerade einen Anwendungsfall dieser enthält, sind umstritten.58 Die Kritik an der Norm richtet sich daneben gegen die Vorstellung, Verwässerungsschutz durch Anlehnung des Ausgabekurses an den Börsenpreis zu leisten, da dieser Ergebnis von Zufälligkeiten oder Manipulationen sein könne.59 Dementsprechend strittig ist, ob die Anwendung der Norm voraussetzt, daß der Börsenwert dem inneren Wert der Ak55 Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.); dazu Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39b; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 84. 56 Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.). 57 In diesem Sinne auch Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 150; Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39b. 58 Hierzu aus dem neueren Schrifttum etwa Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 42; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 76 ff.; Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77. Siehe jetzt aber BGH v. 11.6.2007 – II ZR 152/06, WM 2007, 2110, 2110 f., wonach die Vorschrift einen Spezialfall sachlicher Rechtfertigung eines Bezugsrechtsausschlusses normiert. 59 Zöllner, AG 1994, 336, 341 (reSp.), ders., AG 2002, 585, 592 (liSp.); so auch Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39b (Vorstellung weder richtig noch systemgerecht); siehe auch Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 27 f., und ders., ZIP 1995, 1, 9 f. Kritisch aus betriebswirtschaftlicher Sicht Terstege, Bezugsrechte, 2001, S. 181 ff., im Hinblick auf den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck, durch den vereinfachten Bezugsrechtsausschluß bei Kapitalerhöhungen der AG zu ermöglichen, „günstige Finanzierungsmöglichkeiten“ (siehe dazu Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10) wahrzunehmen. Danach ist eine günstige Finanzierungsmöglichkeit aus Sicht des Emittenten als eine Realisierung eines Bezugspreises zu verstehen, den der Emittent nach seinen eigenen Erwartungen für zu hoch hält, was die Anleger durch Ausnutzung von Informationsvorsprüngen übervorteile und daher der Gesetzgeberintention im Zusammenhang mit der gesetzlichen Regelung von Insidergeschäften im WpHG zuwiderlaufe.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

tien entspricht, wovon allenfalls unter normalen wirtschaftlichen Voraussetzungen ausgegangen werden kann. Nach der Gesetzesbegründung bedarf es bei Einhaltung der Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG „weder einer Interessenabwägung, wie sie für den Bezugsrechtsausschluß im Übrigen verlangt wird . . ., noch weiterer sachlicher Rechtfertigungsgründe“, weil und soweit die Altaktionäre dadurch nicht entrechtet werden.60 Der Bezugsrechtsausschluß habe keine nennenswerten Auswirkungen auf die Stellung des Aktionärs, da bei zumindest annähernder Identität von Ausgabe- und Börsenpreis eine ins Gewicht fallende Vermögensverlagerung auf die neuen Aktien weitgehend ausgeschlossen sei und einer Verwässerung des Stimmrechts durch einen Erwerb von Aktien über die Börse entgegengewirkt werden könne. Danach hat der bestehende Börsenkurs als Referenzgröße für den Ausgabekurs der neuen Aktien die Aufgabe, eine Verwässerung der Altaktien zu verhindern, wobei der von Gesetzes wegen zulässige Abschlag den Erwerbern einen Kaufanreiz gegeben soll.61 Auch ein Einflußverlust ist hiernach „dann nicht zu befürchten, wenn die Altaktionäre die Möglichkeit haben, ihren relativen Anteil am Grundkapital durch freien Zukauf über die Börse zu erhalten“.62 60 Vgl. Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.), unter ausdrücklicher Verweisung auf BGHZ 71, 41, 46 (Kali+Salz). Siehe auch Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 150; kritisch Hirte, ZIP 1994, 356, 359; Zöllner, AG 1994, 336, 341 (reSp.). 61 Dazu Busch, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 39 Rn. 87 (S. 1375). Die Anknüpfung an den „Börsenpreis“ führt in dreierlei Hinsicht zu noch ungeklärten Streitpunkten. Zum einen, ob ein Durchschnittsbetrag bei Mehrfachnotierung zugrundegelegt werden kann; so Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39d; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 42; Groß, DB 1994, 2431, 2434 (liSp.); a. A. Kraft/Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 90: Notierung an Börse mit größten Umsätzen; ebenso Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 71 (liSp.); Marsch-Barner, AG 1994, 532, 536 (reSp.). Weiterhin nach dem relevanten Zeitpunkt: Hüffer, aaO, und MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 87: 5 Börsentage idR ausreichend; Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 357, 372: 5–10 Börsentage; so auch Groß, DB 1994, 2431, 2434 f.; Lutter, AG 1994, 429, 442; Kraft/ Krieger, aaO: einige Tage vor Festsetzung des Ausgabebetrages; vage Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 153: nicht zu lange vor der Kapitalerhöhung; a. A. Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 59: Zeitpunkt der Einladung zur Hauptversammlung. Ebenfalls str. ist, wann Unterschreitung unwesentlich ist; für Obergrenze bei fünf Prozent bzw. Regelabschlag von drei Prozent: Ausschußbericht, BT-Drs. 12/7484, S. 9 (reSp.); Kraft/Krieger, aaO; Peifer, aaO; Hüffer, aaO; Wiedemann, aaO Rn. 152; Marsch-Barner, aaO, 537 (reSp.); enger Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1994, § 186 Rn. 15: drei Prozent Höchstgrenze. 62 Vgl. Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.), die sich damit ausdrücklich der Ansicht von Kübler, ZBB 1993, 1, 7 (reSp.), anschließt und die Formulierung der „Funktionslosigkeit des Bezugsrechts“ übernimmt.

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Die Norm berücksichtigt damit im Rahmen der Abwägung des Finanzierungsinteresses der Gesellschaft mit den Vermögensinteressen der Aktionäre neben dem Investitionsverhalten des Aktionärs die Reaktionen der Börse auf den Aktienkurs bei einer Angebotsverknappung im Markt. Da bei dieser Form der Kapitalerhöhung der Aktionär auf die Möglichkeit des Zukaufs angewiesen ist, um seine Beteiligungsquote zu wahren, ist die Sicherstellung ausreichender Zukaufsmöglichkeiten zu einem Preis erforderlich, die den Aktionär zudem vor einer Kapitalverwässerung schützt, was regelmäßig eine breite Streuung der neuen Aktien am Markt voraussetzt.63 Im Hinblick auf die vom Gesetz vorgegebene Interessenabwägung erfordert dies die Möglichkeit des Zukaufs der Aktien zu einem Kurs, der den Ausgabebetrag nicht wesentlich überschreitet, da sonst der Aktionär ebenso in seinem Vermögensrecht beeinträchtigt wäre wie bei einer Ausgabe der neuen Aktien an Dritte zu einem Kurs, der den Börsenpreis wesentlich unterschreitet. Der Schutz des Aktionärs wird neben dieser Zukaufsmöglichkeit durch die gesetzliche Beschränkung der vereinfachten Kapitalerhöhung auf zehn Prozent des Grundkapitals erreicht, da das Angebot im börslichen Handel und damit die Schutzwirkung der Nachkaufmöglichkeit bei größerer Nachfrage leicht an Grenzen stößt.64 Zudem wird der Aktionär mit einer geringen Beteiligungsquote und einer seinem Anteilsverhältnis entsprechenden Bereitschaft zur Investition in die Aktie vor einer übermäßigen Investition zur Beibehaltung seiner Beteiligungsquote geschützt. Zuletzt dient die gesetzliche Grenze im Ergebnis auch dazu, die vom Gesetzgeber in gewissem Umfang als zulässig erachtete Vermögensverwässerung der Beteiligung der (Alt-)Aktionäre infolge der Aktienplazierung mittels zulässigen Abschlags auf den Börsenkurs durch das Volumen der Emission zu beschränken. Nach dem überwiegenden Schrifttum ist daher der erleichterte Bezugsrechtsausschluß nur dann zulässig, wenn als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal gewährleistet ist, daß die neuen Aktien entweder an der Börse breit gestreut werden oder auf andere Weise für alle vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre die Chance besteht, den Quotenverlust durch Zukauf zum Börsenkurs auszugleichen.65 Liegen diese vom Gesetz implizit 63 Vgl. auch Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.) („Das Gesetz unterstellt damit, daß in diesen Fällen stets ein Nachkauf zur Erhaltung der relativen Beteiligung über die Börse möglich ist“). 64 Vgl. hierzu Lutter AG 1994, 429, 442 f.; a. A. Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77, 83. 65 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39g; Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 81 (S. 811); MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 88; Bayer, aaO, 2005, § 203 Rn. 78, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 541 ff.; Henze, ZHR 167 (2003), 1, 6; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 114; Wiedemann, aaO, 1995, § 186 Rn. 150; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, Nachtrag zu § 186, 1994, Rn. 4 und 17. Die Notwendigkeit einer breiten Plazierung ablehnend Kraft/Krieger,

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

vorausgesetzten Erfordernisse nicht vor, ist also insbesondere ein Zukauf über die Börse zu angemessenem Preis und damit auch die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der Beteiligungsquote nicht möglich, soll § 186 Abs. 3 S. 4 AktG nichts daran ändern, daß der Bezugsrechtsausschluß den allgemeinen Anforderungen, insbesondere einer sachlichen Rechtfertigung genügen muß.66 Im Gegenschluß wird der Norm entnommen, daß ein Bezugsrechtsausschluß grundsätzlich einer sachlichen Rechtfertigung nach den Kriterien der Eignung, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne bedarf.67 Äußerst strittig ist daneben, ob eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG für unzulässig zu halten ist, wenn als Ausgabekurs nur der Börsenkurs zugrundegelegt wird und der auf der Grundlage einer Unternehmensbewertung ermittelte innere Wert der Gesellschaft über deren Börsenwert liegt.68 Unterschreitet der Börsenkurs den inneren Wert, verkürzt die Vorschrift bei einer Ausgabe zum Börsenkurs bzw. knapp darunter den Schutz des BeMünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 91; Trapp, AG 1997, 115, 115 f.; Groß, DB 1994, 2431, 2439 (liSp.); wohl auch Marsch-Barner, AG 1994, 532, 538 (liSp.). 66 So Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39g; Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 61; Wamsler, aaO, § 203 Rn. 94; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 88; Bayer, aaO, § 203 Rn. 78; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, aaO, Rn. 149 ff.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, Nachtrag zu § 186, 1994, aaO Rn. 3 ff.; a. A. LG München I v. 6.10.2005 – 5 HK O 15445/05, AG 2006, 169, 169 f.; Kraft/Krieger, MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 92; Ihrig, in: FS Happ, 2006, S. 109, 113 ff.; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 67 (reSp.) und 72; Ihrig/ Wagner, NZG 2002, 657, 659 (liSp.); Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 26, und ders., ZIP 1995, 1, 9 (reSp.); Schwark in: FS Claussen, 1997, S. 357, 373 f.; Trapp, AG 1997, 115, 120; Martens, ZIP 1994, 669, 675 (liSp.). 67 So etwa in jünger Zeit MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 83; gegensätzlicher Ansicht Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 320. 68 Zum Börsenkurs als angemessenem Ausgabebetrag der neuen Aktien bei der Barkapitalerhöhung LG München I v. 6.10.2005 – 5 HK O 15445/05, AG 2006, 169, 169 (reSp.); Kraft/Krieger, MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 92; Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 83 (S. 812 f.); ausführlich Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 535 ff., gegen Hirte, ZIP 1994, 356, 358 f.; Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 72; ähnlich Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 585 ff.; Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 27 ff. Kritisch hierzu Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39b, e (entscheidend die aus dem Unternehmenswert abgeleitete Aktienbewertung); Zöllner, AG 2002, 585, 592 (liSp.), und ders., AG 1994, 336, 341; zur Maßgeblichkeit des inneren Wertes MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 15; Peifer, aaO, 2005, 186 Rn. 88; Bayer, aaO, § 203 Rn. 80; Henze, ZHR 167 (2003), 1, 5 f., und ders., in: FS T. Raiser, 2005, S. 145, 153. Zweifelnd auch OLG München v. 1.6.2006 – 23 U 5917/05, AG 2007, 37, 41 (liSp.). Zur Bedeutung des inneren Wertes auch BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 (Siemens/ Nold), und v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 41, 45 (Kali+Salz), und umfassend Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, passim und S. 347 für Abfindungskonstellationen.

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teiligungsvermögens der Aktionäre, wofür weder die systematische Stellung noch die Gesetzesbegründung spricht.69 Entgegen der Gesetzesbegründung und Teilen des Schrifttums halten insbesondere Stimmen aus der Wissenschaft eine Anfechtung gemäß § 255 Abs. 2 S. 1 AktG wegen eines unangemessen niedrigen Ausgabebetrages daher für möglich.70 bb) Bewertung und Folgerungen aus den mit der Norm verbundenen Wertungen Die Vorschrift trifft eine Interessenabwägung, wonach das Finanzierungsinteresse der Gesellschaft durch den Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre dem Aktionärsinteresse am Bezug der Aktien vorrangig ist, weil dem Aktionär aus einer solchen Finanzierungsmaßnahme keine relevanten Nachteile entstehen können und sollen. Die Pflicht der Organe der Gesellschaft zur Ermöglichung der Erhaltung der Beteiligungsquote über eine angemessene Festsetzung des Ausgabepreises der neuen Aktien ist gesellschaftsrechtlich begründet und ergibt sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht.71 Dem Grundanliegen der Norm, die Aktionäre auf den (funktionierenden) Kapitalmarkt zu verweisen, durch kapitalmarktrechtliche Verhal69 Zur Gesetzesbegründung oben bei Fn. 54; dazu auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 266 f. 70 Vgl. Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 11 (liSp.): „Ebenso kommt eine Anfechtung nach § 255 Abs. 2 AktG nicht in Betracht“; ebenso LG München I v. 6.10.2005 – 5 HK O 15449/05, AG 2006, 169, 170; zweifelnd OLG München v. 1.6.2006 – 23 U 5917/05, AG 2007, 37, 41 (liSp.); zustimmend Kraft/Krieger, MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 92; Spindler/Stilz/Wamsler, AktG, 2007, § 203 Rn. 94; Busch, NZG 2006, 81, 86 (liSp.); Schlitt/Schäfer, AG 2005, 67, 67 (reSp.) und 72; Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77, 81 f.; Martens, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 267, 277 f.; Hoffmann-Becking, ZIP 1999, 1, 10 (liSp.: unwiderlegliche Vermutung), und ders., in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 28 f. (einschränkende Auslegung des § 255 Abs. 2 AktG); Technau, AG 1998, 445, 451 (reSp.); Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 357, 365; enger jetzt ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1529, 1549 (bei Effizienz des Kapitalmarktes); Trapp, AG 1997, 115, 111 f. Hiergegen MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 88: § 186 Abs. 3 S. 4 AktG enthält „nur eine widerlegliche Vermutung, welche die Anfechtung nach § 255 Abs. 2 S. 1 AktG unberührt läßt“; ebenso Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39e und § 255 Rn. 5; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 44; Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 61; AnwK-AktG/Rebmann, 2002, § 186 Rn. 65; Zöllner, AG 2002, 585, 592 (reSp.); Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 100, ders., WM 1997, 1001, 1004 (reSp.), und ders., ZIP 1994, 356, 358 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 267 f., 341; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 149. 71 Schwark in: FS Claussen, 1997, S. 357, 370 f.; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 150; siehe auch Claussen, AG 1995, 163, 169 (reSp.).

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tens- und Informationspflichten zu schützen und so verbandsrechtliche Schutzinstitute zu entlasten, verdient der Zustimmung, da Minderheitenschutz in aller Regel vom Markt selbst geleistet werden kann.72 Mit der Orientierung des Ausgabebetrages der neuen Aktien iSd. § 186 Abs. 3 S. 4 AktG an dem Börsenkurs wird die These der Kapitalmarkteffizienz im Aktienrecht kodifiziert.73 Der vereinfachten Finanzierungsmöglichkeit, die einen Kompromiß zwischen Aktionärs- und Gesellschaftsinteressen herstellen will, sind allerdings durch die Bemessung des richtigen Ausgabebetrages und der Möglichkeit des Zukaufs Grenzen gesetzt. Die von der Norm bezweckte Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß, die zu keinen Nachteilen der Aktionäre führt, ist nur dann zu erreichen, wenn die der Norm zugrundeliegenden Erwägungen – Möglichkeit des Zukaufs zu angemessenen Kursen; aufgrund der Funktionstüchtigkeit des Kapitalmarktes entspricht der Börsenkurs dem inneren Wert der Aktien – erfüllt sind. Es ist daher überzeugend, die der gesetzlichen Regelung zugrundegelegten Voraussetzungen als widerlegliche Vermutung anzusehen und für den Fall ihrer Widerlegung zu dem von der Rechtsprechung entwickelten Gebot sachlicher Rechtfertigung des Bezugsrechtsausschlusses zurückzukehren.74 Auch wenn in jüngerer Zeit aufgrund der geänderten Rechtsprechung zu Abfindungsfällen zunehmend in Frage gestellt wird, ob sich die Beurteilung der Angemessenheit des Ausgabebetrages neuer Aktien nach dem inneren Unternehmenswert oder dem Börsenkurs richtet,75 erscheint die ausschließliche Ausrichtung am Börsenkurs für die Verwirklichung des Aktionärsschutzes durch Zukauf über die Börse auch vor dem Hintergrund der Entwicklungen der Börsenkurse in diesem Jahrzehnt als zweifelhaftes Maß zur 72 Hierzu Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10; Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39g; Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 129 f.; Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 378, und ders., in: FS BGH II, 2000, S. 321, 325, sowie ders., in: Kölner Kommentar zum AktG, Nachtrag zu § 186, 1994, § 186 Rn. 4; so auch Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 4b aa (S. 264 f.); Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 149 mwN.; Hirte, ZIP 1994, 354, 361; Bayer, ZHR 163 (1999), 504, 512 und 542 (Bezugsrechtsausschluß lediglich formaler, nicht materieller Qualität). Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 29, spricht von einem faktischen Bezugsrecht; ebenso LG München I v. 6.10.2005 – 5 HK O 15445/05, AG 2006, 169, 169 f.; kritisch dazu Zöllner, AG 2002, 585, 592 (liSp.), und ders., AG 1994, 336, 341. 73 So Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 58; hierzu näher oben S. 55 ff. 74 Henze, ZHR 167 (2003), 1, 6. 75 Zur Sachkapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 (Kali+Salz); zu den Abfindungsfällen dagegen BGH v. 12.3.2001 – II ZB 15/00, BGHZ 147, 108 (DAT/Altana), im Gefolge von BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 301 ff. (DAT/Altana), und v. 8.9.1999 – 1 BvR 301/89, ZIP 1999, 1804 (Hartmann&Braun).

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Sicherstellung des vermögensmäßigen Aktionärsschutzes.76 Denn Schutz durch die Zukaufsmöglichkeit am Kapitalmarkt ist nur zu erreichen, wenn dieser keine Funktionsdefizite aufweist, was in solchen Zeiten wohl nicht gegeben ist. Überdies stellt diese Form der Kapitalerhöhung für den stärker beteiligten Aktionär, der seine Beteiligungsquote halten will, jedenfalls dann ein Problem dar, wenn die Aktien nicht breit gestreut werden und es für ihn nicht ohne weiteres möglich ist, zu angemessenen Kursen Aktien über die Börse zu erwerben, um die Beteiligungsquote stabil zu halten.77 Insoweit ist den Aktionären durch die Verweisung auf den Zukauf über die Börse nicht gedient. b) Rückbau des Kontrollmaßstabes für den Bezugsrechtsausschluß Mit der Siemens/Nold-Entscheidung hat der BGH auf die Kritik der Praxis reagiert und sich von den im Holzmann-Urteil aufgestellten Anforderungen distanziert,78 was zu großer Erleichterung und Zustimmung der Gesellschaftsrechtspraxis geführt, in der Lehre dagegen Kritik ausgelöst hat.79 Sofern im Hinblick auf die Urteilsinterpretation Einigkeit besteht, als der BGH im Hinblick auf die Berichtspflicht Abstand von seinen früheren Anforderungen nimmt, ist die Folgefrage der Berechtigung der Kali+Salz-Formel nach diesem Urteil strittig und bisher nicht abschließend beantwortet. In den Leitsätzen der Entscheidung heißt es, die Hauptversammlung könne im Rahmen des genehmigten Kapitals „das Bezugsrecht der Aktionäre dann ausschließen oder den Vorstand zu dem Bezugsrechtsausschluß 76

So Henze, ZHR 167 (2003), 1, 6; a. A. Martens, ZIP 1994, 669, 672. Dazu mit Beispiel T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1918, 1921 (reSp.) mwN. Das von Claussen, AG 1995, 163, 169, ders., AG 1996, 609, 614 f., und Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 357, 373 ff., vorgeschlagene Vorerwerbsrecht von Großaktionären steht im Konflikt mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz. 78 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 139 f. (Siemens/Nold), v. 15.5.2000 – II ZR 359/98, BGHZ 144, 290, 292 (adidas), und v. 21.11.2005 – II ZR 79/04, BB 2006, 457. 79 Deutlich Volhard, AG 1998, 397, 403 f.: verdiente Quittung für überzogenen Minderheitenschutz und Tolerierung von Querulanten; zustimmend etwa auch Bungert, NJW 1998, 488 ff. Aus der Wissenschaft zustimmend Kindler, ZGR 1998, 35, 48 ff., der die Entscheidung für im Ergebnis richtig hält, hinsichtlich der Begründung jedoch auf eine von den Erfordernissen des Kapitalmarkts bestimmte Einschränkung des Bezugsrechts in Richtung auf einen reinen Vermögensschutz hinweist, wie Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 303 ff., dies für erforderlich hält. Im Ergebnis zustimmend auch Hüffer, AktG, 2008, § 203 Rn. 11a; dagegen Lutter, JZ 1998, 47, 50 f.: „Entscheidung ist ein Unglück“; Zöllner, AG 2000, 145, 155 Fn. 93: „die Türen zu weit aufmachende(n) Entscheidung“, und ders., AG 2002, 585 ff.; H. P. Westermann, in: FS Zöllner I, 1998, S. 607, 626 ff.; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 512 f.; differenzierend Hirte, EWiR 1997, 1013. 77

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

ermächtigen, wenn die Maßnahme, zu deren Durchführung der Vorstand ermächtigt werden soll, im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt und der Hauptversammlung allgemein und in abstrakter Form bekannt gegeben wird . . . Der Vorstand darf von der Ermächtigung zur Kapitalerhöhung und zum Bezugsrechtsausschluß nur dann Gebrauch machen, wenn das konkrete Vorhaben seiner abstrakten Umschreibung entspricht und auch im Zeitpunkt seiner Realisierung noch im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt.“80 Im Falle des Direktausschlusses habe der Vorstand „im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens sorgfältig zu prüfen, ob der allein ihm bekannte vollständige Sachverhalt die Durchführung des Hauptversammlungsbeschlusses . . . im Gesellschaftsinteresse rechtfertigt.“ Sei dies der Fall, könne der Vorstand von dem genehmigten Kapital unter Ausschluß der Aktionäre Gebrauch machen. Andernfalls habe er die geplante Durchführung zu unterlassen.81 Im Fall der Ermächtigung zum Ausschluß des Bezugsrechts durch die Hauptversammlung habe „der Vorstand in eigener Verantwortung zu prüfen, ob aus unternehmerischer Sicht der Ausschluß des Bezugsrechts der Aktionäre im Interesse der Gesellschaft“ liege. Sei dies aufgrund sorgfältiger und gewissenhafter Prüfung zu bejahen, könne der Vorstand von der Ermächtigung Gebrauch machen.82 Das Zustandekommen des Hauptversammlungsbeschlusses habe dabei weitergehende Voraussetzungen als die Erreichung der erforderlichen Mehrheit, da der Vorstand an konkrete Vorgaben gebunden sei: zum einen an den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand, zum anderen dürfe „der Vorstand von der Ermächtigung nur dann Gebrauch machen, wenn die Durchführung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft“ liege.83 Der Vorstand hat dabei zum Schutz der Aktionäre vor einer Verwässerung des inneren Wertes ihrer Aktien „bei der Bemessung des Ausgabebetrages neben § 9 Abs. 1 AktG auch die in § 255 Abs. 2 AktG gezogenen Grenzen“ zu beachten, die zugleich durch die ausdrücklich genannte Haftung des Vorstandes nach § 93 Abs. 2 AktG bei Überschreitung der Vorgaben des Ermächtigungsbeschlusses flankiert wird.84 Der Senat nennt als Grund für die Aufgabe der bisherigen Anforderungen die mangelnde Flexibilität 80 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, Leitsatz a und auch 139 f. (Siemens/Nold), unter ausdrücklicher Aufgabe der Holzmann-Entscheidung v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, Leitsatz b und 140 f. Bestätigt durch BGH v. 15.5.2000 – II ZR 359/98, BGHZ 144, 290, 292 (adidas), und v. 21.11.2005 – II ZR 79/04, BB 2006, 457, 458 (liSp.); siehe auch BGH v. 11.6.2007 – II ZR 152/06, WM 2007, 2110, 2110 (reSp.). 81 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 139 (Siemens/Nold). 82 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 139 (Siemens/Nold). 83 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 140 (Siemens/Nold). 84 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 140 f. (Siemens/Nold).

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und Vertraulichkeit aufgrund der bereits bei der Beschlußfassung notwendigen Mitteilung des konkreten Verwendungszwecks des genehmigten Kapitals und aller sonstigen für die Beurteilung des Gesellschaftsinteresses erheblichen Umstände sowie das daraus folgende erhöhte Anfechtungsrisiko. Die Wahrung der mitgliedschaftlichen Belange überantwortet die Hauptversammlung damit treuhandähnlich der Verwaltung, die letztlich über die Kapitalerhöhung entscheidet.85 Den leiseren Tönen des BGH läßt sich entnehmen, daß es dem BGH auch um die Funktionstauglichkeit der AG im internationalen Standortwettbewerb geht.86 aa) Erstreckung auf das genehmigte Kapital bei Bareinlagen und die Kapitalerhöhung gegen Einlagen? Die Reichweite der mit dem Urteil verbundenen Erleichterungen des Bezugsrechtsausschlusses, also die Frage nach der Ersetzung der Kali+SalzFormel durch das wohlverstandene Gesellschaftsinteresse für alle Ebenen der Entscheidungen von Hauptversammlung und Verwaltung zum genehmigten Kapital einerseits und die Übertragung dieser Grundsätze auf Bareinlagen und die Kapitalerhöhung gegen Einlagen andererseits ist nach wie vor nicht abschließend geklärt. Die Abweichung der Urteilsdiktion von der Kali+Salz-Formel, wonach der Ausschluß durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt sein muß, ist signifikant, da der Senat für Ermächtigungsbeschluß und Ausübungsentscheidung lediglich fordert, daß der Ausschluß im (wohlverstandenen) Interesse der Gesellschaft liegt.87 Der BGH erläutert nicht, wie diese Urteilspassage zu verstehen ist, verlangt aber jedenfalls nicht ausdrücklich eine Prüfung, ob die Ermächtigung zur Förderung des Gesellschaftszwecks geeignet und erforderlich sowie nach Abwägung der mit dem Bezugsrechtsausschluß einhergehenden Vorteile für die Gesellschaft und der damit verbundenen Nachteile für die Aktionäre verhältnismäßig ist.88 Der BGH hat überdies offengelassen, ob die Ausführungen über die im Streitfall zu beurteilende Fallkonstellation der genehmigten Kapitalerhöhung 85 Kindler, ZGR 1998, 35, 52; ähnlich Bungert, NJW 1998, 488 ff.; zustimmend Hüffer, AktG, 2008, § 203 Rn. 11a. 86 Vgl. die Presseerklärung des BGH, GmbHR 1997, R 220 f., mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die von dem Urteil erwartete Verbesserung der Standortbedingungen; hierzu Kindler, ZGR 1998, 35, 53. 87 Dazu BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 139 und 140 (Siemens/Nold), einerseits und BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 41, 46 (Kali+Salz), andererseits. 88 So auch – allerdings im Hinblick auf die Ermächtigung und gerade nicht deren Ausübung durch den Vorstand – Hüffer, AktG, 2008, § 203 Rn. 27 und 35.

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gegen Sacheinlagen hinaus auch bei Bareinlagen Geltung beansprucht und ob insbesondere dieser Prüfungsmaßstab für die Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses auch bei der ordentlichen Kapitalerhöhung Anwendung finden soll. Gegen eine Erstreckung auf Bareinlagen im Rahmen des genehmigten Kapitals läßt sich anführen, daß die Entscheidungsgründe ausdrücklich auf den Fall des „genehmigten Kapital[s] mit Bezugsrechtsausschluß oder der Ermächtigung des Vorstandes dazu für die Kapitalerhöhung mit Sacheinlagen“ abstellen.89 Auf der anderen Seite ist die Begründung breiter angelegt, wenn auf die Notwendigkeit hingewiesen wird, „die sich auf dem Kapitalmarkt bietenden Gelegenheiten rasch und flexibel ausnutzen zu können“.90 Der erste Leitsatz enthält überdies keine solche Beschränkung und betont darüber hinaus ausdrücklich die Aufgabe des in der Holzmann-Entscheidung zum Fall der Barkapitalerhöhung statuierten Prüfungsmaßstabs,91 was gegen eine enge Auslegung spricht, so daß die in der Entscheidung aufgestellten Grundsätze zumindest auch auf das genehmigte Kapital gegen Bareinlagen zu erstrecken sind.92 bb) Reichweite des „wohlverstandenen Gesellschaftsinteresses“ Einerseits wird das Urteil wohl mehrheitlich so verstanden, daß nur der Zeitpunkt verschoben wurde, zu dem das konkrete Vorliegen der Vorausset89

BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 139 (Siemens/Nold); die Entscheidung spricht im Zusammenhang mit den Anforderungen der Holzmann-Entscheidung weiterhin von einem Bezugsrechtsausschluß speziell im Rahmen der Sachkapitalerhöhung, siehe ebd., 136; dies wird bestätigt durch BGH. v. 15.5.2000 – II ZR 359/98, BGHZ 144, 290 ff. (adidas). 90 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 137; der Begründungsstrang wird aufgegriffen im Urteil v. 10.10.2005 – II ZR 148/03, BGHZ 164, 241, 246 (Mangusta/Commerzbank II), und bestätigt durch den Beschluß v. 11.6.2007 – II ZR 152/06, WM 2007, 2110, 2110 (reSp.). 91 Siehe die Sachverhalte zu den Entscheidungen des BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, und v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 320 (Holzmann). 92 So auch OLG Frankfurt v. 1.4.2003 – 5 U 54/01, ZIP 2003, 902, 907 (liSp.) (Vorinstanz zu BGH v. 10.10.2005 – II ZR 148/03, BGHZ 164, 241 (Mangusta/ Commerzbank I)); a. A. OLG Celle v. 29.6.2001 – 9 U 89/01, AG 2002, 292, 292 f.; aus dem Schrifttum Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 58 Rn. 17; Spindler/Stilz/Wamsler, AktG, 2007, § 203 Rn. 81, 83; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 67; Henze, ZHR 167 (2003), 1, 4; Bungert, NJW 1998, 488, 490; Kindler ZGR 1998, 35, 48 ff., 64 f.; Volhard, AG 1998, 397, 403; Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 357, 362. Kritisch gegen eine ausdehnende Anwendung Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 372 ff., wonach sich die Erleichterungen auf die börsennotierte AG beschränken sollten; Westermann, FS Zöllner I, 1998, S. 607, 630; Ulmer, ZGR 1999, 764, 765; implizit für eine solche Beschränkung im Wege der Urteilsinterpretation Hirte, aaO.

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zungen zu prüfen sei, nämlich vom Zeitpunkt der Ermächtigung durch die Hauptversammlung auf den des Bezugsrechtsausschlusses bzw. des Gebrauchmachens durch den Vorstand.93 Andererseits läßt sich aber anführen, daß die in der Kali+Salz-Entscheidung aufgestellten hohen Anforderungen an die materielle Rechtmäßigkeit nicht nur für den Ermächtigungsbeschluß, sondern auch für die Ausübungsentscheidung des Vorstands weitgehend aufgegeben sind, da sich die Prüfung der Rechtmäßigkeit des Bezugsrechtsausschlusses darauf beschränkt, ob die Kapitalmaßnahme dazu dient, im Rahmen des Unternehmensgegenstandes den Gesellschaftszweck zu fördern.94 So wird angeführt, daß Interessenabwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung entbehrlich seien und sich der Schutz der Gesellschafter insoweit auf eine Mißbrauchskontrolle beschränke.95 Für die Aufgabe des Erfordernisses sachlicher Rechtfertigung im bisherigen Verständnis, das durch die Holzmann-Entscheidung auf den Beschluß der Hauptversammlung über den Bezugsrechtsausschluß beim genehmigten Kapital bzw. die Ermächtigung des Vorstandes dazu als auch auf die in Ausübung der Ermächtigung getroffene Entscheidung des Vorstandes übertragen wurde, spricht, daß der BGH schon im ersten Leitsatz ausdrücklich die in der früheren Entscheidung aufgestellten Anforderungen an den Ausschluß des Bezugsrechts durch die Hauptversammlung oder den hierzu ermächtigten Vorstand generell und nicht eingeschränkt auf den Hauptversammlungsbeschluß aufgibt.96 Weiterhin spricht 93

So etwa Hüffer, AktG, 2008, § 203 Rn. 27 und 35; Krause, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 5 Rn. 49 (S. 189); Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 58 Rn. 19 und 44; Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 21 (S. 781 f.); MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 116; ebenso Peifer, aaO, § 186 Rn. 74; ähnlich AnwK-AktienR/Groß, 2002, § 203 Rn. 89; Rodloff, ZIP 2003, 1076, 1076 ff.; Zöllner, AG 2002, 585, 587 (liSp.), unter Bezugnahme auf Schumann, Bezugsrecht, 2001, S. 65 ff.; Natterer, ZIP 2002, 1672, 1678 f.; Ekkenga, AG 2001, 567, 569; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 63 ff., 79. Ebenso LG Darmstadt v. 7.10.1997 – 15 O 253/97, NJW-RR 1999, 1122, 1123 (liSp.). Wohl auch Pentz, ZGR 2001, 901, 904 f. Siehe auch Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1431 f. Gegen Ekkenga wiederum Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 2b Fn. 147 (S. 73). 94 Bungert, NJW 1998, 488, 490; Hofmeister, NZG 2000, 713, 714 und 717 ff.; Kindler, ZGR 1998, 35, 39 ff.: „Rechtsprechung zur sachlichen Rechtfertigung des Bezugsrechts aufgegeben“; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 2c (S. 74 ff.); siehe auch Lutter, JZ 1998, 50, 51. Wohl auch Spindler/Stilz/ Wamsler, AktG, 2007, § 203 Rn. 83, und Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 203 Rn. 29. 95 Vgl. Kindler, ZGR 1998, 35, 37 und 39 sowie 48 ff.; Lutter, JZ 1998, 50, 51; siehe auch OLG Stuttgart v. 12.8.1998 – 20 U 111/97, AG 1998, 529, 530 f. 96 Dazu BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, Leitsatz a und 136 f., unter ausdrücklicher Aufgabe der noch im Vorlagebeschluß an den EuGH in der gleichen Sache vertretenen Auffassung; siehe dazu BGH v. 30.1.1995, ZIP 1995, 372, 373.

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der BGH im zweiten Leitsatz und den Entscheidungsgründen nach der Darstellung der bisherigen Rechtsprechung nur noch davon, daß der Ausschluß im (wohlverstandenen) Interesse der Gesellschaft liegt, und gerade nicht von den strikteren Anforderungen der Kali+Salz-Formel.97 Die Folgerungen fallen deutlich unterschiedlich aus, wie das Verständnis der Entscheidung aus dem Jahr 1997 durch Richter des zuständigen II. Zivilsenats zeigt. Henze weist in seiner Interpretation des Urteils auf die Unterschiedlichkeit der Formulierungen sowie im Anschluß an die Darstellung der mit der Holzmann-Entscheidung auf den verschiedenen Ebenen begründeten sachlichen Anforderungen darauf hin, daß infolge der Siemens/NoldEntscheidung eine Abwägung der mit dem Bezugsrechtsausschluß für die Gesellschaft einhergehenden Vorteile gegenüber den damit verbundenen Nachteilen für die Aktionäre nicht mehr erforderlich sei. Notwendig sei lediglich, daß der Ausschluß im (wohlverstandenen) Interesse der Gesellschaft liege, was der Vorstand beim Ausschluß des Bezugsrechts durch die Hauptversammlung als auch im Falle seiner Ermächtigung hierzu zu prüfen habe.98 Hingegen betont Goette unter Verweisung auf die stetige Rechtsprechung vor der Siemens/Nold-Entscheidung, daß nach „der ständigen Rechtsprechung des II. Zivilsenats . . . der Bezugsrechtsausschluss bei einer Kapitalerhöhung . . . nur dann zulässig [ist], wenn er ‚. . . durch sachliche Gründe im Interesse der Gesellschaft gerechtfertigt ist‘, wobei ‚diese Prüfung die Abwägung der Interessen und der Verhältnismäßigkeit von Mittel und Zweck einschließt‘.“99 Diese Regeln würden auch in den Fällen einer Kapitalerhöhung im Wege des genehmigten Kapitals Geltung beanspruchen, wobei er allerdings später darauf abstellt, daß „die Durchführung im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegt.“100 97 Vgl. dazu nochmals BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, Leitsatz b, 139 und 140, sowie die Darstellung der bisherigen Rspr. ebd. 135 (Siemens/ Nold), einerseits und v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 41, 44 ff. (Kali+Salz), andererseits. Insoweit offenlassend MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 112: „Eindeutig ist der Sinn dieser abgeschwächten Formulierung nicht“; ausführlich Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 571 ff. 98 Henze, ZHR 167 (2003), 1, 3; so auch ders., in: FS Priester, 2007, S. 201, 204. Siehe auch den Hinweis von Röhricht auf das Verbot sachfremden und rechtsmißbräuchlichen Verhaltens als ausreichendes Schutzinstrumentarium einer Aktienplazierung entsprechend § 186 Abs. 3 S. 4 AktG auch jenseits der dort aufgestellten 10%-Grenze, ZGR 1999, 445, 472 ff.; dazu schon oben bei Fn. 38. 99 Goette, DStR 2006, 139, 141 (reSp.), unter Verweisung auf BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 46 f. (Kali+Salz), v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, BGHZ 83, 319, 321 (Holzmann), v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 145 f. (Bremer Bankverein), und v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 241 (Deutsche Bank); siehe auch ders., aaO, 142 (liSp.). 100 Goette, DStR 2006, 139, 141 (reSp.) einerseits und 142 (liSp.) andererseits.

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Überdies ist unklar, ob die Begrenzung des Prüfungsmaßstabs auf das wohlverstandene Gesellschaftsinteresse bei gebührendem Vermögensschutz der Minderheitsaktionäre als allgemeine Regel für Kapitalerhöhungsbeschlüsse anzusehen ist, was sich dem Urteil nicht entnehmen läßt, da die Argumentation des BGH sich im wesentlichen auf Sinn und Zweck des genehmigten Kapitals gründet. Entsprechend umstritten ist die Frage im Schrifttum. Das überwiegende Schrifttum vertritt die Ansicht, daß die Entscheidung das genehmigte Kapital zu einem eigenständigen Rechtsinstitut fortgebildet habe und den Prüfungsmaßstab des Bezugsrechtsausschlusses bei der ordentlichen Kapitalerhöhung unberührt lasse.101 Nach anderer Ansicht muß die abgeschwächte Beschlußkontrolle auch auf die ordentliche Kapitalerhöhung Anwendung finden, wenn man nicht den für den Schutz der Minderheitsinteressen jeweils geltenden Prüfungsmaßstab über die Wahl der Form der Kapitalerhöhung zur Disposition der Gesellschaftermehrheit stellen wolle.102 So weist Henze darauf hin, daß eine solche Beschränkung das Institut der ordentlichen Kapitalerhöhung zur Bedeutungslosigkeit verurteilen würde.103 Für letztere Ansicht läßt sich anführen, daß die verfahrensmäßigen Unterschiede der beiden Kapitalerhöhungsarten nicht rechtfertigen, unterschiedliche materielle Kontrollvoraussetzungen zugrunde zu legen,104 was sich allerdings auch als Argument für die Beibehaltung der hohen Rechtmäßigkeitsschwellen anführen läßt.105 In seinem zum Bezugsrechtsausschluß bei der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen ergangenen Urteil bestätigt der BGH die Grundsätze des Siemens/Nold-Urteils, stellt allerdings auch darauf ab, daß die „konkrete Prüfung, ob eine bestimmte Maßnahme von der Ermächtigung gedeckt und der Ausschluss des Bezugsrechts sachlich gerechtfertigt ist“, vom Vorstand vorzunehmen ist, „wenn er von der Ermächtigung Gebrauch macht“.106 Die Verweisung auf die Kali+Salz-Entscheidung läßt sich dabei als Bestätigung heranziehen, daß der BGH nicht den Prüfungsmaßstab habe ändern wollen, als in der Entscheidung von 1978 an der in Bezug genommenen Stelle unter 101 BGH v. 10.10.2005 – II ZR 148/03, BGHZ 164, 241, 245 (Mangusta/Commerzbank I). Dazu Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 1 und § 203 Rn. 11a; Ekkenga, AG 2001, 567 ff. und 615 ff. Siehe auch Kindler, ZGR 1998, 35, 49. 102 So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 2c (S. 74 f.); Bungert, BB 2001, 742, 744 (anwendbar auf Barkapitalerhöhung zur Finanzierung strategischer Großinvestitionen); Hofmeister, NZG 2000, 713, 714, 717 ff.; Kindler, ZGR 1998, 35, 49 f. und 65. 103 So Henze, ZHR 167 (2003), 1, 4. 104 So wörtlich auch Henze, ZHR 167 (2003), 1, 7. 105 In diese Richtung, also gegen eine Absenkung des Schutzmaßstabs beim genehmigten Kapital, MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 116. 106 BGH v. 21.11.2005 – II ZR 79/04, BB 2006, 457, 458, unter Verweisung auf BGHZ 71, 40, 45 f. (Kali+Salz) und BGHZ 136, 139 f. (Siemens/Nold).

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anderem auch die Notwendigkeit der Verhältnismäßigkeitsprüfung betont wird.107 Die Entscheidung von 2005 läßt sich aber auch anders verstehen, als dort der BGH im Hinblick auf die Ermächtigung zum Bezugsrechtsausschluß anführt, daß diese „von der Hauptversammlung auf ihre allgemeine Vereinbarkeit mit dem wohlverstandenen Gesellschaftsinteresse geprüft werden“ kann, bevor er in der zitierten Beschlußpassage auf die konkrete Prüfung durch den Vorstand und die Kontrolle durch den Aufsichtsrat abstellt.108 In der Mangusta/Commerzbank II-Entscheidung aus demselben Jahr scheint der BGH an der strikten Sachkontrolle des Bezugsrechts festhalten zu wollen, wenn er ausführt, daß „die durch die ‚Siemens/Nold‘-Entscheidung beabsichtigte und bewirkte Erleichterung bei der Herbeiführung eines Ermächtigungsbeschlusses zur Schaffung von genehmigtem Kapital nicht zu einer die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre, darunter insbesondere das Bezugsrecht, ungerechtfertigt verkürzenden, unkontrollierten Blankettermächtigung führen“ dürfe.109 Die Reichweite des abgeschwächten Erfordernisses des wohlverstandenen Interesses der Gesellschaft und damit die Anforderungen der sachlichen Rechtmäßigkeit an sich sind damit nicht geklärt.110 c) Fehlende Schutzwürdigkeit von Herrschaftsrechten beim Bezugsrechtsausschluß Weitergehend stellt sich die Frage, ob die Siemens/Nold-Entscheidung nicht als Teil einer Trendwende zu einer Neuorientierung des Minderheitenschutzes anzusehen ist.111 Unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der unternehmerischen Handlungsfähigkeit der Gesellschaft und der Sicherung des Instituts des genehmigten Kapitals und vor dem Hintergrund der Unternehmens- und Kapitalmarktrealität für die börsennotierten Publikums-AG wird ein solches Verständnis begrüßt, sofern durch die Vereinfachung des Prüfungsmaßstabes mißbräuchlichen Anfechtungsklagen der Boden entzogen würde, die häufig von nur atomistisch beteiligten Kleinaktionären gegen die mit großer Mehrheit gefaßten Hauptversammlungsbeschlüsse erhoben wurden, auf deren Stimmrechtsmacht die Kapitalmaßnahme faktisch keinen 107

Vgl. BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 46. BGH v. 21.11.2005 – II ZR 79/04, BB 2006, 457, 458 (liSp.). 109 BGH v. 10.10.2005 – ZR II 90/03, BGHZ 164, 249, 254 (Mangusta/Commerzbank II); siehe auch OLG Schleswig v. 18.12.2003 – 5 U 30/03, AG 2004, 155, 158; OLG Celle v. 29.6.2001 – 9 U 89/01, AG 2002, 292, 292 f.; sowie OLG München v. 15.5.2002 – 7 U 2371/01, AG 2003, 451, 452 (MHM Mode Holding AG). 110 So auch Busch, NZG 2006, 81, 85 (reSp.); Bungert, BB 2005, 2757, 2759 (liSp.). 111 Dazu auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 2c (S. 75). 108

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Einfluß hat. Allerdings weist Hüffer darauf hin, daß es systemgerechter erschiene, dieses Problem im Anfechtungs- und nicht im Kapitalerhöhungsrecht zu lösen.112 Der in dem Urteil angelegte deutliche Rückbau eines treupflichtgesteuerten Aktienrechtes läßt sich allerdings nicht allein damit rechtfertigen, auch wenn mißbräuchliche Anfechtungsklagen geeignet sind, diesem selbst die Funktionsgrundlagen zu nehmen.113 Die Ausrichtung des Urteils legt es nahe, den Schutzrichtungen des Bezugsrechts und der Reichweite der sachlichen Rechtfertigung weiter nachzugehen, um zu klären, ob die Herrschaftsrechte beim Bezugsrechtsausschluß noch schutzwürdig sind. aa) Die Entwicklung der Schutzrichtungen des Bezugsrechts Begrenzt man den in der Siemens/Nold-Entscheidung zugrundegelegten Prüfungsmaßstab nicht auf die dort behandelte Fallkonstellation, so sind Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß zulässig, wenn sie im wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft liegen und eine Beeinträchtigung der Vermögensposition der Altaktionäre nicht eintritt, § 255 Abs. 2 S. 1 AktG. In der Kali+Salz-Entscheidung hat der BGH noch auf die Schutzwürdigkeit der „mitgliedschafts- und vermögensrechtliche[n] Stellung der ausgeschlossenen Aktionäre“ und das Erfordernis hingewiesen, daß der mit der Maßnahme verbundene Nutzen für die Gesellschaft „den verhältnismäßigen Beteiligungs- und Stimmrechtsverlust der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionäre aufwiegen“ müsse. Das Bezugsrecht gewährleistet danach über den durch § 255 Abs. 2 S. 1 AktG sichergestellten Vermögensschutz hinaus auch ein relativ schutzwürdiges Interesse des Aktionärs am Erhalt der relativen Höhe seines Anteils und der damit verbundenen Stimm- und sonstigen Einflußrechte. Die Beeinträchtigung dieser Rechtsposition des Aktionärs durch den Ausschluß des Bezugsrechts ist damit nur zulässig, wenn die Durchsetzung des Interesses der Gesellschaft im Hinblick auf den „schweren Eingriff in seine Mitgliedschaft“ verhältnismäßig ist.114 Nach der überwiegenden Ansicht kommt damit § 255 Abs. 2 S. 1 AktG die Bedeutung eines Auffangtatbestandes zu, der eingreift, wenn das Bezugsrecht unter Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgebotes wirksam ausgeschlossen ist.115 Die 112 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 243 Rn. 55. Zum Problem mißbräuchlicher Anfechtungsklagen oben S. 213 ff. 113 So Hüffer, AktG, 2008, § 203 Rn. 11a; strikt ablehnend daher Lutter, JZ 1998, 50 ff. 114 BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 45–47 (Kali+Salz). 115 Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 4; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 56, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 530 ff.; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 1; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1984, § 255 Rn. 1.

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Gefahr der Stimmrechtsverwässerung wird durch die Siemens/Nold-Entscheidung nicht problematisiert, vielmehr richtet der BGH den Blick auf den Schutz der Aktionäre vor Verwässerungen ihres Beteiligungsvermögens.116 Die Schutzrichtungen des Bezugsrechtes und die sachliche Rechtfertigung seines Ausschlusses werden dementsprechend verstärkt diskutiert. Eine jüngere Auffassung im Schrifttum hält bei einem Bezugsrechtsausschluß zugunsten eines Großaktionärs eine materielle Rechtskontrolle im Sinne der Kali+Salz-Rechtsprechung weiterhin für erforderlich, will hingegen bei der Ausgabe neuer Aktien an außenstehende Dritte eine Mißbrauchskontrolle genügen lassen, weil davon auszugehen sei, daß die Verwaltung die Aktien nur im Unternehmensinteresse und auch stets zu angemessenen Bedingungen ausgebe.117 Daneben wird vorgeschlagen, die betraglichen Grenzen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG deutlich zu erhöhen.118 Weitergehend ist nach der Konzeption eines rein vermögensmäßigen Schutzes von Mülbert ein im Gesellschaftsinteresse liegender Bezugsrechtsausschluß stets zulässig, wenn nur sichergestellt ist, daß Vermögensverluste der Aktionäre vermieden werden.119 Aufgrund seines Ansatzes, daß eine über das Kriterium des Gesellschaftsinteresses hinausgehende Prüfung des Bezugsrechtsausschlusses an den ungeschriebenen Merkmalen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit mit der gesetzlichen Regelung der §§ 255 Abs. 2, 243 Abs. 2 S. 2 AktG nicht zu vereinbaren sei, hat Mülbert schon vor dem Siemens/Nold-Urteil grundlegende Einwände gegen ein positives Erfordernis sachlicher Rechtfertigung nach der Kali+Salz-Formel erhoben und insbesondere auf den Widerspruch der Verhältnismäßigkeitskontrolle zu der in § 243 Abs. 2 S. 2 AktG statuierten und nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von einer Abwägung von Gesellschafts- und Minderheitsinteressen unabhängigen Kompensationsmöglichkeit hingewiesen.120 Nach PaefSiehe auch Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 514 ff. (zur lex lata) und 544 (Überlegungen de lege ferenda). Dazu schon oben S. 103 ff. 116 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 140 f. (Siemens/Nold). 117 So T. Bezzenberger, ZIP 2002, 1917, 1924 ff., 1928 ff.; ähnlich auch Röhricht, ZGR 1999, 445, 473 f.; Schockenhoff, AG 1994, 45, 46 f. Differenzierend zwischen der Ausgabe der Aktien an einzelne Gesellschafter und Dritte im Hinblick auf das Sachgrunderfordernis auch Zöllner, AG 2002, 585, 587 (reSp.); zustimmend Busch, NZG 2006, 81, 85 f.; abl. Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 25. In die andere Richtung strikt beschränkend MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 119 ff., und ders., ZHR 168 (2004), 132, 168 ff.: Bezugsrechtsausschluß zugunsten des Mehrheitsaktionärs beim genehmigten Kapital verfassungsrechtlich unzulässig. 118 So Röhricht, ZGR 1999, 445, 473; dazu schon oben bei Fn. 38. 119 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 324 ff. 120 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 332 und 347 ff.; dem zustimmend Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 3b (S. 85); dazu oben S. 98 ff.

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gen ist es unverständlich, warum den Einzelinteressen der Minderheit insoweit eine größere Schutzwürdigkeit zukommen solle als den Interessen der Mehrheit, wenn das Gesellschaftsinteresse als die Bündelung gemeinsamer Aktionärsinteressen von der beschließenden Mehrheit ohne Einfluß von Interessenkonflikten und auf einer sorgfältig erarbeiteten Entscheidungsgrundlage artikuliert werde.121 bb) Die Kritik an dem Erfordernis sachlicher Rechtfertigung vor dem Hintergrund der jüngeren Entwicklungen Insbesondere der Konzeption von Mülbert wurde, wie im Zweiten Teil schon dargestellt,122 vehement entgegengehalten, daß der Kleinaktionär, auch wenn er vornehmlich Anlegerinteressen verfolgt, dennoch Mitglied der AG ist, so daß sich seine Rechtsstellung in der Publikums-AG weder allein auf die Rolle des Kapitalanlegers beschränken lasse noch daß die Vorschriften der §§ 243 Abs. 2 S. 2, 255 AktG dieses Konzept tragen würden.123 Läßt man mit dem restriktiven Verständnis der h. M. von § 243 Abs. 2 S. 2 AktG nicht die Beseitigung der Anfechtbarkeit gesellschaftsschädigender Beschlüsse durch direkte Kompensation der Nachteile der Minderheitsaktionäre durch die Mehrheit zu,124 ist noch nicht darüber entschieden, ob ein im Gesellschaftsinteresse liegender Beschluß auch dann Bestand hat, wenn er die überstimmte Minderheit im Verhältnis zur Mehrheit benachteiligt, solange nur die Mehrheit der Minderheit für die Benachteiligung Ausgleich gewährt.125 Die für eine Beschlußkontrolle nach der Kali+Salz-Formel eintretende h. M. trägt dem Rechnung, indem sie den Anwendungsbereich der Vorschrift stark einschränkt und hierfür annimmt, daß die Ausgleichsgewährung nach § 243 Abs. 2 S. 2 AktG bei der auf § 243 Abs. 1 AktG gestützten Anfechtung wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit keine Anwendung findet. Nach Ansicht von Paefgen stützt hingegen das aus der Gesetzessystematik abgeleitete Argument die nach der Siemens/Nold-Entscheidung indizierte Liberalisierung der Beschlußkontrolle in Richtung auf die Unbeachtlichkeit vermeintlicher Herrschafts- und Investitionsvorrechte der Minderheitsaktionäre im Verhältnis zum Gesellschaftsinteresse bei der Entscheidung über den Bezugsrechtsausschluß dogmatisch ab.126 Wenn auch die 121 122 123 124 125 126

So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 3a (S. 82). Oben S. 103 ff. So etwa Bayer, ZHR 168 (2004) 132, 140 mwN. in Fn. 40. Dazu oben S. 103 ff. So auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 3b (S. 82). So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 3b (S. 85).

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Begründung dieser Konzeption nicht allein auf die §§ 243 Abs. 2 S. 2, 255 Abs. 2 S. 1 AktG gestützt werden kann, so stellt sich der Ansatz nach den jüngeren Gesetzesentwicklungen in einem anderen Licht dar. Mülbert hat herausgearbeitet, daß im AktG und UmwG über § 243 Abs. 2 S. 2 AktG hinausgehend eine ganze Reihe von Regelungen bestehen, die den von einer qualifizierten Mehrheit getragenen Eingriff in die Interessen der Minderheitsaktionäre gegen Ausgleich zulassen.127 Paefgen, der in der Konsequenz den Schutz der Herrschaftsrechte durch das Bezugsrecht ebenso in Frage stellt, unterstützt diese Sichtweise mit weiteren Argumenten, wobei er die Beschränkung der Schutzrichtung insbesondere den Abfindungsregeln im Konzernrecht, §§ 305, 320b AktG, sowie der Beschränkung des Schutzes der Aktionäre bei der Liquidation der AG, §§ 264 ff. AktG, entnimmt.128 d) Abgleich mit den Ergebnissen des Zweiten Teils und Folgerungen Die im Zweiten Teil herausgearbeiteten Schutzrichtungen an den neuralgischen Stellen des Aktienrechts stützen die Sichtweise des nur vermögensmäßigen Schutzes des mit nicht mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionärs.129 Die Wertungen des AktG zum Schutz des Aktionärs vor fundamentalen Eingriffen in seine Rechtsstellung durch den Ausschluß aus der Gesellschaft bzw. des Unternehmens lassen den für die Minderheitsaktionäre auf den Wert des Beteiligungsvermögens beschränkten Schutz deutlich werden,130 der auch bei den Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen zu berücksichtigen ist. Die vermögensbezogene Ausrichtung des gesetzlichen Minderheitenschutzes zeigt sich in den Fällen des Ausschlusses aus dem Unternehmen in Konstellationen, wie sie der Linotype-Entscheidung des BGH sowie dem Moto Meter-Beschluß des BVerfG zugrunde lagen, und in Fällen des Ausschlusses aus der Gesellschaft, wie die §§ 327a ff. AktG zeigen.131 Läßt das Gesetz diesen stärksten Eingriff in die Mitgliedschaft zu, so kann der hiernach nur in seinen Vermögensinteressen geschützte Aktionär im Rahmen des Kapitalerhöhungsrechts nicht weitergehend geschützt werden; eine Grenze des Bezugsrechtsausschlusses wird also insoweit nur durch das Verwässerungsverbot nach § 255 Abs. 2 S. 1 AktG gesetzt. 127 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 154 ff.; dem zustimmend Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 3c (S. 86 ff.). 128 Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 5 III 3c (S. 86 ff.) und d (S. 90 ff.). 129 Hierzu oben S. 155 ff. 130 Dazu oben S. 177 ff. 131 Dazu oben S. 155 ff.

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Die Vorschriften zum Minderheitenausschluß machen aber zugleich deutlich, daß der Erhalt der Beteiligungsquote für den mit mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionär zentrale Bedeutung hat. Anders als für die mit höchstens fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Minderheitsaktionäre dient für den stärker beteiligten Aktionär das Bezugsrecht entscheidend auch dem Erhalt der Beteiligungsquote und damit der Absicherung des Verbleibs in der Gesellschaft, so daß ein rein vermögensmäßiger Schutz zu kurz greift. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG kann auch in der börsennotierten AG der Schutz der Beteiligungsquote dieses Aktionärs mittels der sachlichen Rechtfertigung von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht zurückgedrängt werden. Für einen Bezugsrechtsausschluß ist daher insoweit eine materielle Rechtskontrolle im Sinne der Kali+Salz-Rechtsprechung weiterhin erforderlich. Daneben ist eine Verschiebung der Beteiligungsquote von diesen Aktionären im Fall des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG nur dann hinzunehmen, wenn durch die Ausgabe zum oder nahe am Börsenkurs ein Schutz vor Vermögensverwässerungen sichergestellt ist und an der Börse ausreichende Zukaufsmöglichkeiten bestehen, mit denen sie die Verminderung ihrer quotalen Beteiligung ausgleichen können.132 3. Schutzrichtungen des Beschlußerfordernisses Zusammenfassend dienen die Beschlußerfordernisse nach den §§ 182 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 3 S. 1 AktG dem Schutz der Aktionäre vor einem Eingriff in Beteiligungsquote und -struktur abhängig von der Höhe ihrer Beteiligung am Grundkapital der AG sowie durchgängig vor einer Vermögensverwässerung. a) Ausschluß des Bezugsrechts und Eingriff der Verwaltung in Beteiligungsquote und -struktur sowie in den Beteiligungswert Das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG stellt den Vermögens- und Einflußerhalt der Aktionäre sicher. Der Bezugsrechtsausschluß führt zu Machtverschiebungen im Verhältnis der alten und neuen Aktionäre und stellt folglich einen Eingriff in die Aktionärsstruktur der AG dar,133 da der relative Stimmanteil des einzelnen Altaktionärs im Verhältnis zu den erwerbenden (Neu-)Aktionären zurückgeht, was in einer Konfliktlage zwischen 132

Dazu auch Henze, ZHR 167 (2003), 1, 6. Aktionärs-, nachfolgend auch Beteiligungsstruktur genannt, versteht sich als Struktur der Aktienverteilung der Gesellschaft, nicht als Struktur der Beteiligungen, die diese selbst hält. 133

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(qualifizierter) Mehrheit und Minderheit dazu benutzt werden kann, den Anteil der Minderheit gezielt zu verringern.134 Überdies ist die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß mit einem Eingriff in die Beteiligungsquote der Aktionäre verbunden, da mit der Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe der neuen Aktien an einzelne Aktionäre oder Dritte der prozentuale Anteil der (übrigen) Altaktionäre am Grundkapital sinkt. Die Einflußnahme auf die Beteiligungsquote verschiebt damit weitergehend als der Eingriff in die Beteiligungsstruktur nicht nur das Stimmverhältnis in der Hauptversammlung, was für geringer beteiligte Aktionäre, insbesondere Kleinaktionäre in den Publikumsgesellschaften, nur eine geringe Rechtseinbuße darstellt, da die Herrschaftsquote im allgemeinen nicht sonderlich relevant ist.135 Vielmehr kann sie auch dazu führen, daß der vom Bezugsrecht ausgeschlossene Aktionär mit dem Absinken seiner Beteiligungsquote unter bestimmte Schwellenwerte auch Minderheitenrechte verliert oder ein Minderheitenausschluß nach §§ 327a ff. AktG nun möglich ist.136 Werden die neuen Aktien unter Wert ausgegeben, vermindert sich außerdem der Anteil am Gesellschaftsvermögen jedes Aktionärs, was „der Sache nach eine Quersubventionierung der Bezugsberechtigten durch die vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Altaktionäre“ darstellt.137 b) Schutzrichtungen der Hauptversammlungskompetenzen nach §§ 182 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 3 S. 1 AktG Der Kapitalerhöhungsbeschluß nach § 182 Abs. 1 S. 1 AktG, das Bezugsrecht und das Beschlußerfordernis zu seinem Ausschluß nach § 186 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 S. 1 AktG bezwecken, die Aktionäre vor einem Eingriff in ihre Beteiligungsquote und die Beteiligungsstruktur der AG durch eine Ausgabe der neuen Aktien an Dritte oder einzelne Aktionäre und in den Wert ihrer Beteiligung durch Ausgabe der Aktien unter Wert zu schützen. Der Bezugsrechtsausschluß führt zwangsläufig zu einem Absinken der Beteiligungsquote und damit des Einflusses der (übrigen) Altaktio134 MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 7; für den Fall des Bezugsrechtsausschlusses zur Durchführung einer Verschmelzung Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 2008, § 13 Rn. 35; ähnlich Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 2 (S. 261). 135 So auch zu letztem Zöllner, AG 1994, 336, 341 (reSp.). 136 Zu letzterer Gefahr etwa Zöllner, AG 2002, 585, 592 (liSp.); MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 133. Zu den Minderheitenrechten siehe oben im Zweiten Teil Fn. 287. 137 So die viel zitierte Problembeschreibung von Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 1 (S. 260); siehe auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 262 ff.; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 13.

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näre. Werden die neuen Aktien unter Wert ausgegeben, wird der Wert der Beteiligung durch einen Eingriff in die Beteiligungsstruktur und damit korrelierend die Höhe des Gewinn- und Liquidationsanspruchs verwässert, da Grundkapital und Zahl der Aktien überproportional im Vergleich zum Gesellschaftsvermögen zunehmen. Der Bezugsrechtsausschluß ist daher einem Teilausschluß vergleichbar, so daß dieser nach dem Ausschluß eines Aktionärs aus der AG überhaupt den stärksten Eingriff in die Mitgliedschaft darstellt.138 Allein den Aktionären und nicht der Verwaltung ist daher nach § 186 Abs. 3 S. 1 AktG die Entscheidung über den Ausschluß des Bezugsrechtes vorbehalten. Problematisch ist, daß die Vorschrift zum vereinfachten Bezugsrechtsausschluß, § 186 Abs. 3 S. 4 AktG, Kapitalerhöhungen zuläßt, die im Interesse der Eigenkapitalfinanzierung der AG in gewissem Umfang zu einer Verwässerung der vermögensrechtlichen Beteiligung führen. Die Aktionäre haben eine solche hinzunehmen, sofern diese sich auf die vom Gesetz genannten bzw. vorausgesetzten Größenordnungen – Kapitalerhöhung bis zu zehn Prozent des Grundkapitals und Abschlag von bis zu fünf Prozent auf den Börsenkurs – beschränkt.139 4. Einordnung der Ergebnisse zur Rechtsstellung des Aktionärs Eckpunkte des Aktionärsschutzes werden durch das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG und die Möglichkeit des Minderheitenausschlusses nach den §§ 327a ff. AktG markiert. Die Vorschriften zum Minderheitenausschluß erlauben, die mit höchstens fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionäre aus der AG auszuschließen, so daß sich deren Schutz auf die Vermögenskomponente ihrer Anlage reduziert. Insoweit ist allerdings zu beachten, daß ein Aktionär weitergehend geschützt wird, wenn er mehr als fünf vom Hundert der Aktien der AG hält, so daß ein Verfahren nach §§ 327a ff. AktG nicht möglich ist. Damit wird zugleich deutlich, daß für diese Aktionärsgruppe die Beibehaltung der Beteiligungsstruktur, also der Aktienverteilung entscheidend ist. Zwar führt dieses schutzwürdige Interesse nicht dazu, daß hierdurch Veräußerungen von Mitaktionären an den künftigen Hauptaktionär nach § 327a AktG per se als treuwidrig anzusehen 138 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 50. Anschaulich Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, A II (S. 31), wonach wiederholte Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß zu einem „Ausschluß des Aktionärs in Raten“ führen; dem zustimmend Lutter, aaO, Rn. 7; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 509; Paefgen, ZIP 2004, 145, 153 (reSp.); MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 55; strikt a. A. Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 357, 365. 139 Zur Zehn-Prozent Schwelle siehe § 186 Abs. 3 S. 4 AktG, zur Fünf-ProzentSchwelle oben in Fn. 61.

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sind; allerdings ist fraglich und nachfolgend zu klären, ob eine Grenze nicht dort zu setzen ist, wo die Beteiligungsverhältnisse durch die Verwaltung der AG verschoben werden. Für die Aktionäre, die mit mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligt und damit solange vor einem Ausschluß geschützt sind, als ihre Beteiligungsquote am Grundkapital sich nicht ändert, dient damit das Bezugsrecht nicht nur dem Vermögens-, sondern auch dem Bestandsschutz; für sie haben die materiellen Rechtmäßigkeitsanforderungen an den Hauptversammlungsbeschluß zum Bezugsrechtsausschluß besondere Bedeutung. Der Aktionär mit einer höheren Beteiligungsquote als einem Viertel vom Grundkapital kann sich selbst schützen, indem er die Zustimmung zu der Kapitalerhöhung an die Forderung knüpft, hieran im Wege eines Bezugsrechtes quotal beteiligt zu werden. Der durch das gesetzliche Bezugsrecht vermittelte Schutz ist damit im Hinblick auf die Beteiligungsquote für die mit mehr als fünf Prozent bis zu einem Viertel am Grundkapital beteiligten Aktionäre, für den Schutz vor Vermögensverlusten hingegen für jeden Aktionär bedeutsam. Vor dem Hintergrund, daß der Gesetzgeber Herrschafts- und Vermögensrechte bis einschließlich fünf vom Hundert des Grundkapitals einheitlich bewertet, oberhalb dieser Schwelle ein Minderheitenausschluß aber nicht mehr zulässig ist, kann daher einem rein vermögensmäßig bezogenen Schutzkonzept nicht generell zugestimmt werden. Vielmehr sind die Herrschaftsrechte und vor allem die Beteiligungsquote der mit mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionäre in der Folge der Einführung der §§ 327a ff. AktG und der hieraus zu entnehmenden Wertung besonders schutzwürdig. Die §§ 327a ff. AktG stützen damit die auf § 243 Abs. 2 S. 2 AktG gestützte Konzeption der Schutzes durch einen Vermögensausgleich, allerdings gerade nur für Aktionäre, die mit nicht mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligt sind. Für die darüber hinausgehend beteiligten Aktionäre gilt dies nicht, so daß § 243 Abs. 2 S. 2 aufgrund der Wertung des § 327a AktG mit der h. M. teleologisch zu reduzieren ist, um die mit mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionäre nicht nur vermögensmäßig zu schützen.

II. Hauptversammlungskompetenzen zum Schutz vor einem Eingriff in die Aktionärsstruktur Die zentralen Schutzwecke des AktG für Fälle des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien im Rahmen der Kapitalerhöhung, die im Beschluß zur Kapitalerhöhung, dem Bezugsrecht und den Anforderungen an dessen Ausschluß eine deutliche Ausprägung finden, wurden aufgezeigt. Nachfolgend soll geklärt, ob die weiteren gesetzlich vorgeschriebenen

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Hauptversammlungskompetenzen in Fällen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien durch die AG vergleichbaren Schutzzwecken dienen. Hierfür sind die im AktG und UmwG vorgesehenen Beschlußkompetenzen näher zu betrachten. 1. Die Veräußerung eigener Aktien Die durch das KonTraG140 eingeführte Möglichkeit des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG erlaubt der AG, eigene Anteile bis zu einer Höhe von zehn Prozent des Grundkapitals im Interesse der Flexibilität der Eigenkapitalfinanzierung zurückzuerwerben und diese später wieder zu veräußern. Zentraler Zweck des § 71 Abs. 1 AktG ist die Sicherung der Kapitalerhaltung, wie sich aus der Zusammenschau mit § 57 Abs. 1 S. 2 AktG zeigt.141 In diesem Sinne gestattet die Vorschrift als Verbotsausnahme, eigene Aktien zu erwerben und diese weiterzureichen, wobei einzig in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG eine Befassung der Hauptversammlung mit dem Vorgang vorgesehen ist. Für den in Frage stehenden Regelungsgehalt der Norm ist die Wiederveräußerung der Aktien näher zu betrachten, da sich die Frage nach dem Schutz der Beteiligungsstruktur der AG und des Beteiligungswertes der Aktionäre auch hier stellt.142 Um die Verhaltensbindung der Verwaltung und den Schutzgrund für das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung nach S. 5 Hs. 1 der Vorschrift zu klären, sind die Auswirkungen der Wiederveräußerung zu untersuchen. a) Das Verhältnis von § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG zu S. 3 und 4 der Vorschrift § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG räumt der Hauptversammlung eine Mitwirkungskompetenz für den Erwerb, grundsätzlich aber nicht für die Wiederveräußerung eigener Aktien ein, sofern hierbei der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet wird, auf den in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG „klarstellend“ verwie140 Eingefügt durch Art. 1 Nr. 5 a cc KonTraG. Mit der Einführung des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG hat der Gesetzgeber Art. 19 Abs. 1 der Kapital-RiL umgesetzt (dazu oben in Fn. 2); dazu Weiß, WM 1999, 361. 141 Dazu Hüffer, AktG, 2008, § 71 Rn. 3. 142 Die Gefährdungslage unterscheidet sich damit von der bei der Veräußerung von Aktien durch Aktionäre, da hierbei für die übrigen Aktionäre nicht der Veräußerungspreis zu einer Gefährdung führen kann, sondern die Person des Erwerbers, insbesondere bei unternehmerischen Anteilserwerbern, sofern die Beteiligung gewisse Schwellenwerte erreicht.

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sen wird.143 Das Wiederveräußerungsverfahren ist nicht näher geregelt; allerdings läßt § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG die Veräußerung über die Börse zu. Das Gesetz ordnet in S. 5 Hs. 1 der Vorschrift an, daß die Hauptversammlung auch über die Wiederveräußerung zu beschließen hat, sofern die Aktien auf andere Weise veräußert werden. Trotz der systematischen Nähe zur Veräußerung über die Börse ist die „andere Veräußerung“ nicht als Abweichung von der Veräußerung über die Börse, sondern vielmehr als Abweichung von dem an alle Aktionäre gerichteten Erwerbsangebot unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu verstehen. Dies folgt aus Wortlaut und Systematik der Norm, die in S. 3 den Grundsatz der Veräußerung statuiert und mit S. 4 aufgrund der Bezugnahme auf die im vorangegangenen Satz aufgestellten Anforderungen ein Regelbeispiel für die Beachtung des Gebotes in S. 3 formuliert.144 Auf den Beschluß über diese Art der Veräußerung sind die strengen Vorschriften über den Bezugsrechtsausschluß entsprechend anwendbar, §§ 71 Abs. 1 S. 5 Hs. 2, 186 Abs. 3 und 4 AktG, so daß der Veräußerungs- mit dem Ermächtigungsbeschluß nach S. 1 der Vorschrift zu fassen ist, §§ 71 Abs. 1 S. 5 Hs. 2, 186 Abs. 3 S. 1 AktG.145 Dabei sind auch die Schranken des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG zu beachten, da das Beteiligungsvermögen der Aktionäre vergleichbar der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß gefährdet ist. Dafür spricht, daß der Gesetzgeber eigens anspricht, daß die Verwaltung die Aktien frei oder an Dritte zuteilen könne, es hierfür aber eines Hauptversammlungsbeschlusses unter entsprechender Anwendung der § 186 Abs. 3 und 4 AktG sowie eines Vorstandsberichtes und eines sachlichen Grundes bedürfe, da der Vorgang wirtschaftlich dem Bezugsrechtsausschluß entspreche, so daß ein 143 So die Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 13 (reSp.). Kritisch zu der Erwähnung der Geltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes unter Außerachtlassung insbesondere mitgliedschaftlicher Treubindungen durch den Gesetzgeber Martens, AG, August-SH, 1997, S. 83, 85; Paefgen, AG 1999, 67, 69 (liSp.); Hüffer, AktG, 2008, § 71 Rn. 19j. 144 Vgl. auch Hüffer, AktG, 2008, § 71 Rn. 19j. Kritisch zu dem Gedanken des Gesetzgebers, das Gleichbehandlungsprinzip mittels des Erwerbs über die Börse zu wahren, Paefgen, AG 1999, 67, 69 (liSp.). 145 Hierzu auch Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d AktG, BT-Drs. 13/9712, S. 13 f., wo es heißt: „Der Einschub ‚in diesem Falle‘ macht deutlich, daß die Anwendung des § 186 AktG auf den Fall einer Abweichung von der Gleichbehandlung der Aktionäre beschränkt ist.“ Der Gesetzgeber sieht dabei auch eine Wiederveräußerung sämtlicher Aktien an einen Dritten als eine Abweichung von dem in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG aufgestellten Grundsatz an; dazu näher unten S. 291 ff. So auch Benckendorff, Erwerb eigener Aktien, 1998, S. 285; Weiß, WM 1999, 353, 361 (reSp.); T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 127 (Rn. 151); Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 277; andeutungsweise auch LG Berlin v. 15.11.1999 – 99 O 83/99, AG 2000, 328, 329 (reSp.); a. A. Schumann, Bezugsrecht, 2001, S. 227, der die „andere Veräußerung“ als Gegensatz zu S. 4 der Vorschrift sieht.

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Gleichlauf mit den Schutzmechanismen bei der Kapitalerhöhung erreicht werden solle.146 In den Grenzen von § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 und 4 AktG ist damit die Wahl des Veräußerungsverfahrens dem Vorstand überlassen.147 Die Wiederveräußerung über die Börse ohne Ermächtigung der Verwaltung durch die Hauptversammlung ist dabei nur eröffnet, wenn „die Aktien der Gesellschaft an einer Börse gehandelt“ werden; bei nicht börsennotierten AG „bietet die Verwaltung den Rückerwerb allen Aktionären an und teilt bei einem Überangebot bzw. -nachfrage nach Quoten zu.“148 § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG setzt also einen bestehenden Handel der Aktien an der Börse voraus, so daß die erstmalige Börseneinführung dem nicht genügt. § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG liegt damit wie § 186 Abs. 3 S. 4 AktG der Gedanke zugrunde, Verwässerungsschutz durch die Veräußerung über die Börse leisten zu können bei einem Veräußerungspreis, der den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet.149 b) Schutzzweck des Beschlusses der Hauptversammlung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG Formell muß der Beschluß zur Wiederveräußerung eigener Aktien denselben Anforderungen wie ein Beschluß zum Bezugsrechtsausschluß bei der Kapitalerhöhung genügen, wie sich aus der Verweisung in Hs. 2 ergibt. Es liegt daher nahe, daß Interessenlage und Schutzbedürfnis sowie -zweck vergleichbar sind. Stimmen im Schrifttum sehen den Grund des Hauptver146 Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d, BT-Drs. 13/9712, S. 14 (liSp.). Zur Anwendung des § 255 AktG auch MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247, 225; Martens, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 269, 285 f. 147 Kritisch Wastl, DB 1997, 461, 462 und 465; Schumann, Bezugsrecht, 2001, S. 229 ff. Zur Ermächtigung des Vorstandes durch die Hauptversammlung, ähnlich wie beim genehmigten Kapital über den Ausschluß der Aktionäre bei der Wiederveräußerung zu entscheiden, T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 130 (Rn. 154). 148 Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d, BT-Drs. 13/9712, S. 13 f. Entsprechendes muß gelten, wenn Aktien anderer Gattung als die an der Börse notierten Aktien wiederveräußert werden. Die Gesetzesbegründung geht hierauf nicht ein; so aber auch Hirte, in: RWS-Forum GesR, 1999, S. 211, 246. 149 Dazu auch Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d, BT-Drs. 13/9712, S. 14 (liSp.), für den Fall des Vorgehens nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 AktG und die Verweisung auf § 186 Abs. 3 S. 4 AktG. Auch eine Veräußerung der Aktien zum Börsenpreis kann allerdings zu einer Vermögensverwässerung führen, wenn der innere Wert der Aktien über dem Börsenpreis liegt; dazu schon oben Fn. 70 und 76. In der Konsequenz müßte in solchen Fällen wie auch im Rahmen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG der Ausschluß des Erwerbsrechts sachlich gerechtfertigt werden.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

sammlungsbeschlusses zur Wiederveräußerung der Aktien daher auch in der mit einer Kapitalerhöhung identischen Interessenlage.150 aa) Auswirkungen der Wiederveräußerung eigener Aktien Im Gegensatz zur Begebung neuer Aktien wird im Fall der Wiederveräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG im Hinblick auf die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre nur der Status wiederhergestellt, der vor dem Rückerwerb der Aktien bestanden und sich aufgrund der Einschränkungen in § 71b AktG vorübergehend zugunsten der Aktionäre verändert hat. Die auf den Nennwert des Grundkapitals bezogene Beteiligungsquote des einzelnen (Alt-)Aktionärs bleibt also im Gegensatz zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß gleich.151 Haben Aktionäre die Anteile erst nach dem Rückkauf von Aktien durch die AG erworben, können deren Mitgliedschaftsrechte durch die Wiederabgabe der rückerworbenen Aktien vergleichbar einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß verwässert werden. Aber auch ihre auf den Nennwert des Grundkapitals bezogene Beteiligungsquote verändert sich anders als bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß nicht. Die Wiederveräußerung der Aktien greift damit nicht in die Beteiligungsquote der Aktionäre ein. Sie kann allerdings zu einer Änderung der Zusammensetzung des Aktionärskreises führen, wenn die 150 Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 81; Martens, AG 1996, 337, 343 (liSp.); ähnlich Huber, in: FS Kropff, 1997, S. 101, 118 f.; T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 129 (Rn. 153); Saria, NZG 2000, 458, 461. Siehe hierzu auch schon Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 2b (S. 173 ff.). 151 Hierauf weisen auch Escher-Weingart/Kübler, ZHR 162 (1998), 537, 544, Benckendorff, Erwerb eigener Aktien, 1998, S. 196 f., 281, und der Handelsrechtsausschuß des DAV, ZIP 1997, 163, 172 (liSp.), hin. A. A. T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 129 (Rn. 153 mit Bsp. in Fn. 326), der zutreffend darauf hinweist, daß die Aktionäre nach dem Rückerwerb eigener Aktien durch die AG und vor deren Wiederveräußerung im Hinblick auf ihre Mitwirkungs- und Vermögensrechte wegen der Wirkung des § 71b AktG so stehen, als wenn sich ihre Beteiligungsquote durch den Rückerwerb verbessert hat. Dadurch hat die Wiederveräußerung auch eine dem Eingriff in die Beteiligungsquote ähnliche Wirkung im Hinblick auf die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre. Diese Wirkung ergibt sich aber allein aufgrund der Rechtsfolgen des § 71b AktG, nicht aber wegen einer Änderung der Beteiligungsquote der Aktionäre durch Rückerwerb und Wiederveräußerung. So hält der im Bsp. von T. Bezzenberger genannte Aktionär vor dem Rückkauf, nach diesem und auch nach der Wiederveräußerung eine Aktie, so daß seine Beteiligungsquote konstant 1/10 beträgt. Der Rückerwerb eigener Aktien hat daher auch nicht die Wirkungen einer Kapitalherabsetzung; siehe aber Hirte, in: RWS-Forum GesR, 1999, S. 211, 240 (Rückerwerb eigener Aktien eine zumindest befristete Kapitalherabsetzung). Hierzu und den damit verbundenen Auswirkungen für die bei Beschlüssen bedeutsame Grundkapitalziffer MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71b Rn. 9 f.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71b Rn. 5.

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Aktien nicht an die bisherigen Aktionäre entsprechend ihrer Beteiligungsquote, sondern an einzelne Aktionäre oder Dritte veräußert werden.152 Dieser Eingriff in die Beteiligungsstruktur der AG ist allerdings weniger weitreichend als der Eingriff in die Beteiligungsquote, der im Falle der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß zusätzlich erfolgt.153 Durch die Wiederveräußerung der Aktien können sich damit die Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung ändern, nicht aber Minderheitenrechte verloren gehen, die an bestimmte Quoren gebunden sind.154 Denn die Beteiligungsquote des Aktionärs, der keine wiederveräußerten Aktien erwirbt, bleibt gemessen am Grundkapital gleich; nur seine Beteiligung im Verhältnis zu den Erwerbern der wiederveräußerten Aktien sinkt, so daß sich sein relatives Beteiligungsverhältnis ändert, was den Aktionär durch eine mögliche Veränderung der Mehrheitsverhältnisse bei Abstimmungen in der Hauptversammlung beeinträchtigen kann.155 152 Dazu MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 221, 247; Spindler/Stilz/ Cahn, AktG, 2007, § 71 Rn. 16; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 67, 81; Martens, AG 1996, 337; Peltzer, WM 1998, 322, 323, 327 ff. 153 Zu den Begriffen MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247; zu den Auswirkungen des Absinkens der Beteiligungsquote bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß oben S. 269 ff. 154 Zu dem durch das Bezugsrecht gewährten Schutz der Beteiligungsquote, die im Hinblick auf Minderheitenrechte relevant ist, Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 138, mit einer beispielhaften Aufzählung von (quorengebundenen) Minderheitenrechten; dazu auch oben in Fn. 136. 155 Nach Martens, AG 1996, 337, 343 (liSp.), ist die Gefahr einer Stimmrechtsverwässerung dann nicht ausgeschlossen, wenn die erworbenen Aktien zunächst breit gestreut waren und nunmehr als Paket auf einen schon maßgeblich beteiligten Aktionär übertragen werden; siehe aber auch MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247. Die unterschiedlichen Auswirkungen des Eingriffs in Beteiligungsstruktur und -quote wird im nachfolgenden Beispiel insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit des Minderheitenausschlusses, §§ 327a ff. AktG, deutlich: Hält ein Aktionär 51 der 1000 Aktien einer AG, die hiervon 100 zurückerwirbt und an einen anderen Aktionär wiederveräußert, der bisher 650 Aktien gehalten hat, ist der nicht hinzuerwerbende Aktionär vor und nach dem Rückkaufprogramm mit 51/ 1000 am Grundkapital beteiligt; nur sein relative Beteiligungsquote sinkt, da er im Vergleich zu dem anderen Aktionär vorher im Verhältnis von 51/650 beteiligt war und später nur mit 51/750 beteiligt ist. Der Eingriff in die Beteiligungsstruktur verschiebt also die Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung, so daß der hinzuerwerbende Aktionär unabhängig von anderen Aktionären etwa Satzungsänderungen und Kapitalerhöhungen vornehmen kann, nicht aber einen Minderheitenausschluß nach den §§ 327a ff. AktG. Erhöht dagegen die AG das Kapital durch Ausgabe von 100 Aktien und hat der Aktionär mit 51 Aktien hierauf kein Bezugsrecht, ist er nach der Kapitalerhöhung (absolut) nur noch mit 51/1100 statt 51/ 1000 am Grundkapital beteiligt; allein mit seinem Stimmgewicht kann der Minderheitsaktionär jetzt auch einen Minderheitenausschluß nicht mehr verhindern, siehe § 327a Abs. 1 S. 1 AktG.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Neben dem Eingriff in die Beteiligungsstruktur der AG droht eine Verwässerung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre, sofern die Aktien unter Wert veräußert werden. Damit vermindert sich die auf die absolute Höhe des Gesellschaftsvermögens bezogene Anteilsquote und zugleich auch die rechnerische Höhe des Liquidationsanspruchs des Aktionärs; bei unterstellt gleich bleibender Rendite des Kapitals in der Zukunft sinkt damit zudem die rechnerische Höhe des Gewinnanspruchs der Aktionäre. Da diese Wertbeeinträchtigung mit einem Vermögensvorteil der Erwerber der Aktien, die eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der AG erwerben, einhergeht, stellt die Wiederveräußerung auch kein gewöhnliches Umsatzgeschäft dar.156 Die Hauptversammlungsmitwirkung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG soll die Aktionäre also davor schützen, daß die Verwaltung durch die Wiederveräußerung an ihr genehme Aktionäre oder Dritte auf die Beteiligungsstruktur der AG Einfluß nimmt und durch eine Veräußerung unter Wert den Vermögenswert der Beteiligung der Aktionäre beeinträchtigt.157 bb) Schutzrichtungen des Hauptversammlungsbeschlusses Um die Schutzrichtungen des Hauptversammlungsbeschlusses nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG voll zu erschließen, sind die verschiedenen Formen der Veräußerung bei börsen- und nicht börsennotierter AG miteinander zu vergleichen. Drei Feststellungen sind hierfür aufgrund der bereits gewonnenen Ergebnisse der weiteren Untersuchung zugrunde zu legen: Rückkauf und Wiederveräußerung eigener Aktien berühren insbesondere die Stimmrechtsquote der (Alt-)Aktionäre bezogen auf das Grundkapital nicht, so daß sich die Notwendigkeit eines Beschlusses der Hauptversammlung nicht aus der quotalen Beeinträchtigung der Herrschaftsrechte ergeben kann. Bei einem Wiederveräußerungspreis der Aktien nicht wesentlich unter dem Börsenpreis wird der Beteiligungswert der Altaktionäre nicht verwässert und stellt aufgrund der Anonymität und Neutralität des Veräußerungsverfahrens auch keinen Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der AG dar.158 156 So auch Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 81; MünchKommAktG/ Oechsler, 2008, § 71 Rn. 23; T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 128 f. (Rn. 153). A. A. Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71c Rn. 27; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1983, § 71 Rn. 18; Benckendorff, Erwerb eigener Aktien, 1998, S. 281. 157 MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247; ebenso Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 81. 158 Dazu Martens, AG 1996, 337, 339 (reSp.); MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 251; kritisch Huber, in: FS Kropff, 1997, S. 101, 113 ff., unter Hinweis auf die Benachteiligung einzelner Aktionäre durch Kursschwankungen (für den Fall der Veräußerung).

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Eine erstmalige Börseneinführung von Aktien unterfällt nicht § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG. Vergleicht man die Voraussetzungen der Veräußerung an einzelne Aktionäre oder Dritte bei börsennotierter und nicht notierter AG, fällt auf, daß unterschiedslos ein Hauptversammlungsbeschluß nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG erforderlich ist. Der Grund hierfür liegt weder in der Gefahr der Beeinträchtigung insbesondere der Stimmrechtsquote, die bei der Wiederveräußerung nicht besteht, noch allein in der Gefahr der Vermögensverwässerung.159 Die Beschlußkompetenz der Hauptversammlung soll die Aktionäre vielmehr auch vor einem Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur schützen. Die Aktien dürfen damit nur dann an von der Verwaltung bestimmte Aktionäre oder Dritte veräußert werden, wenn diese hierzu von der Hauptversammlung ermächtigt wurde. Der Grund der Beschlußkompetenz wird noch deutlicher, wenn man die verschiedenen Veräußerungsformen bei der börsennotierten AG vergleicht. Denn im Falle der Veräußerung der Aktien an einzelne Aktionäre oder Dritte ist nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG ein Hauptversammlungsbeschluß erforderlich, nicht aber bei der Veräußerung nach S. 4 der Vorschrift. Da in dieser Konstellation bei der Veräußerung zu Börsenpreisen nach der gesetzlichen Konzeption keine Stimmrechts- und Vermögensverwässerung droht, kann der Grund für die Beteiligung der Hauptversammlung im Fall der Veräußerung nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG nur in der Gefahr des Eingriffs in die Beteiligungsstruktur liegen.160 Tragender Grund der Beschlußkompetenz der Hauptversammlung bei der Veräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG ist daher die Gefahr eines Eingriffs der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der AG, der zu einer Machtverschiebung zwischen den Aktionären führt, und das Risiko, daß die Erwerber die Anteile zu billig erwerben und so eine Quersubventionierung von Alt- zu Neuaktionären stattfindet.161 Das Gesetz zeigt damit, daß es nicht nur die Anlegerinteressen der Aktionäre 159

So die Unterstellung des Gesetzgebers; dazu oben bei Fn. 149. Folgt man nicht der Ansicht des Gesetzgebers, daß bei einer Veräußerung zu einem nicht wesentlich unter dem Börsenpreis liegenden Betrag keine Gefahr der Vermögensverwässerung droht, folgt die Kompetenz der Hauptversammlung nach S. 5 Hs. 1 der Vorschrift ebenfalls aus dem Eingriff in die Beteiligungsstruktur. Dann droht nämlich bei beiden Veräußerungsarten gleichermaßen eine Vermögensverwässerung, so daß die ungleiche Beteiligung der Hauptversammlung nur auf den Schutz vor Eingriffen in die Beteiligungsstruktur zurückgeführt werden kann. 161 Siehe auch T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71 Rn. 38 (der allerdings von einem Eingriff in die Beteiligungsquote spricht); MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 280. 160

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in der börsennotierten AG anerkennt und den Wert ihrer Beteiligung schützt, sondern auch die verbandsmitgliedschaftliche Komponente der Beteiligung durch den Schutz vor Eingriffen in die Beteiligungsstruktur berücksichtigt.162 2. Die Verschmelzung auf seiten der übernehmenden AG Zur Wirksamkeit der Verschmelzung eines übertragenden Rechtsträgers mit der übernehmenden AG hat die Hauptversammlung der übernehmenden AG einen zustimmenden Beschluß über die Verschmelzung zu fassen, es sei denn, daß sich mindestens 9/10 des Stamm- oder Grundkapitals der übertragenden Gesellschaft in der Hand der übernehmenden AG befinden, §§ 13 Abs. 1, 62 Abs. 1 S. 1 UmwG. a) Der Regelfall der Verschmelzung Den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers sind grundsätzlich Aktien der übernehmenden AG zu gewähren, §§ 2, 5 Abs. 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 Hs. 1 UmwG, die durch eine Kapitalerhöhung geschaffen werden können.163 Das Umtauschverhältnis der Aktien ist im Verschmelzungsvertrag festzulegen, § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG, was der Gleichbehandlung sämtlicher Anteilsinhaber dient.164 Bei dieser Festlegung des Umtauschverhältnisses besteht für die Aktionäre der übernehmenden AG die Gefahr der Überbewertung der Vermögenswerte des übertragenden Rechtsträgers. Mit dem Beschluß über die Verschmelzung nach § 13 Abs. 1 UmwG stimmt die Hauptversammlung zugleich über die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß nach § 69 Abs. 1 Hs. 1 UmwG ab. Die Vorschrift ordnet hierfür einen gesetzlichen Ausschluß des Bezugsrechts an, so daß der Vorgang einer Sachkapitalerhöhung entspricht, bei der das Bezugsrecht zugunsten der Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers ausgeschlossen 162

T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 130 (Rn. 150), zu dem ersten Aspekt. 163 Die Anteilsgewährungspflicht wurde bis zur Änderung des Abs. 1 S. 3 der §§ 54 und 68 UmwG von der h. M. als zwingendes Merkmal der Verschmelzung angesehen; siehe etwa OLG Hamm v. 3.8.2004 – 15 W 236/04, GmbHR 2004, 1533, 1534 (liSp.); Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 2008, § 2 Rn. 28; Widmann/ Mayer, UmwR, Lfg. 2/08, § 5 UmwG Rn. 20 ff.; Semler/Stengel, UmwG, 2007, § 2 Rn. 40. Schon damals a. A. Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 2006, § 68 Rn. 15; Grunewald, in: Lutter, UmwG, 2004, § 20 Rn. 64; Winter, in: FS Lutter, 2000, S. 1279 ff.: Anteilsgewährung typisch, aber kein zwingendes Prinzip. Zur neuen Rechtslage Mayer/Weiler, MittBayNot 2007, 368, 370 ff. 164 Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 2008, § 5 Rn. 20.

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ist.165 Die oben dargestellten Gefahren der Verwässerung für die Altaktionäre bestehen damit entsprechend bei dieser Form der Verschmelzung für die Aktionäre der übernehmenden AG.166 Aus dem Ausschluß des Bezugsrechts ex lege kann allerdings nicht gefolgert werden, daß das Gesetz kein Bedürfnis für einen Verwässerungsschutz sieht.167 Um den Schutzzweck des § 13 Abs. 1 UmwG herauszuarbeiten, sind daher Verschmelzungen im Sinne des § 68 UmwG zu betrachten, bei denen die Hauptversammlung nicht zugleich über eine Kapitalerhöhung abstimmt. Hält der übertragende Rechtsträger ausschließlich Aktien der übernehmenden AG und werden diese den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers gewährt, § 68 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und S. 2 Nr. 2 UmwG, ändert sich weder die prozentuale Stimmrechtsmacht der Aktionäre der übernehmenden AG noch ihre Beteiligungsquote. Entsprechendes gilt für den Fall, daß die übernehmende AG gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwG den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers eigene Aktien gewährt, die sie erworben hat und die bis zur Übertragung auf die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers nach § 71b AktG vorübergehend keine Rechte gewähren.168 Eine Gefährdung der Stimmrechtsmacht der Aktionäre der übernehmenden AG besteht wie bei der Wiederveräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 1 AktG nicht. Auch bleibt die auf den Nennwert des Grundkapitals bezogene Beteiligungsquote der Altaktionäre gleich, so daß in diese nicht eingegriffen wird. Allerdings droht den Aktionären wie im Fall des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG regelmäßig ein Eingriff in die Beteili165 Hüffer, ZHR 172 (2008), 8, 14 und 15; Grunewald, in: Lutter, UmwG, 2008, § 69 Rn. 7. 166 Hierzu auch Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 2008, § 13 Rn. 34; Bayer, ZHR 163 (1999), 506, 527 f. 167 So auch die h. M., die deshalb eine Anfechtung des mit dem Verschmelzungsbeschluß einhergehenden Kapitalerhöhungsbeschlusses der übernehmenden Gesellschaft gem. § 255 Abs. 2 AktG zuläßt, was im Umkehrschluß aus § 14 Abs. 2 UmwG und § 1 Nr. 4 SpruchG folgt; siehe dazu BGH v. 21.5.2007 – II ZR 266/04, NZG 2007, 714; Bork, in: Lutter, UmwG, 2008, § 14 Rn. 14; Widmann/Mayer/ Heckschen, UmwR, Lfg. 2/08, § 14 UmwG Rn. 60 ff.; Semler/Stengel/Gehling, UmwG, 2007, § 14 Rn. 17; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG, 2006, § 14 Rn. 22; Marsch-Barner, in: Kallmeyer, UmwG, 2006, § 14 Rn. 15 und § 69 Rn. 23. Kritisch hierzu und für eine Ausdehnung des Spruchverfahrens in jüngerer Zeit etwa Hüffer, ZHR 172 (2008), 8, 8 ff. mwN. in Fn. 7 f.; J. Vetter, AG 2008, 177, 189 (liSp.); Handelsrechtsausschuss des DAV, NZG 2007, 497, 497 ff.; Gehling, aaO, Rn. 35; Winter, in: FS Happ, 2006, S. 363, 372 ff., je mwN. Zum umgekehrten Fall des für die Gesellschafter des übertragenden Rechtsträgers nachteilig festgesetzten Umtauschverhältnisses vgl. §§ 14 Abs. 2, 15 UmwG und § 1 Nr. 4 SpruchG. 168 Zur Möglichkeit, kraft Ermächtigungsbeschluß nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 1 AktG Abfindungs- und Tauschaktien bereitzustellen, MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 290 ff.

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gungsstruktur, weil sich die Beteiligungsverhältnisse der Aktionäre der übernehmenden AG verschieben, sowie die Gefahr einer Vermögensverwässerung, wenn das Umtauschverhältnis im Sinne des §§ 5 Abs. 1 Nr. 3 iVm. 12 Abs. 2 UmwG wegen einer Überbewertung der Anteile des übertragenden Rechtsträgers nicht angemessen ist, was sich etwa bei unterstellter gleicher zukünftiger Rendite zu Lasten des Gewinn- und des Liquidationsanspruchs der Aktionäre auswirken kann. Im Fall des Verzichts der Anteilsgewährung gemäß § 68 Abs. 1 S. 3 UmwG droht den Anteilsinhaber keine Verwässerung aus einer Anteilsgewährung, eine Hauptversammlungskompetenz besteht aber grundsätzlich dennoch. Der Gesetzgeber des UmwBerG hatte allerdings bei der Einführung der Vorschrift Konzernverschmelzungen im Blick, so daß hieraus keine weiteren Schlüsse gezogen werden können.169 Der Beschluß der Hauptversammlung dient also dazu, die Aktionäre der übernehmenden AG davor zu bewahren, daß Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers aufgrund einer Überbewertung des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers die Aktien der übernehmenden AG zu billig erwerben. Die Festlegung des Umtauschverhältnisses soll nicht allein der Verwaltung obliegen, sondern bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung, um die Aktionäre der übernehmenden AG gegen die vermögensmäßigen Folgen einer Überlassung ihrer Aktien unter Wert an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers zu schützen. Überdies soll nicht allein die Verwaltung darüber entscheiden, wem Aktien der übernehmenden AG zu gewähren sind, da die Verwaltung hierdurch in die Beteiligungsstruktur der übernehmenden AG eingreift.170 b) Verschmelzungen im Sonderfall des § 62 UmwG § 62 Abs. 1 S. 1 UmwG erleichtert Verschmelzungen, bei denen 9/10 des Grund- oder Stammkapitals der übertragenden Gesellschaft von der aufnehmenden Gesellschaft gehalten wird, und enthält damit eine Sonderregelung zu § 13 Abs. 1 UmwG. Die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft erhalten hiernach Aktien der übernehmenden AG als Gegenleistung für die Übertragung des Gesellschaftsvermögens ihrer Gesellschaft, ohne daß die Aktionäre der übernehmenden AG dem zustimmen müssen. Gewährt die übernehmende AG gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwG den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers eigene Aktien oder hält der übertra169 Allg Begr RegE UmwBerG, BT-Drs. 16/2919, S. 12 (liSp.); Begr RegE UmwG zu § 58 UmwG, aaO, S. 13 (reSp.). 170 Nach Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 194 f., bezweckt die Hauptversammlungsmitwirkung allein den Schutz der Vermögensposition der Aktionäre.

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gende Rechtsträger Aktien der übernehmenden AG, § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UmwG, ist auch keine Kapitalerhöhung nach §§ 69 Abs. 1 UmwG, 182 ff. AktG notwendig und damit die Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft überhaupt nicht mit dem Vorgang befaßt.171 Durch die Verschmelzung wird damit in die Beteiligungsstruktur der übernehmenden AG eingegriffen und droht die Verwässerung des Beteiligungswertes der Altaktionäre aufgrund eines für sie ungünstigen Umtauschverhältnisses infolge der Überbewertung der Anteile an der übertragenden AG, ohne daß dies eines Beschlusses der Hauptversammlung bedarf. Die mit der Norm eröffnete Erleichterung der Verschmelzung entspricht damit nicht dem bislang aufgedeckten Schutzsystem des Aktienrechts.172 Allerdings ist zu beachten, daß der Aktionärsschutz durch die Möglichkeit eines Minderheitsverlangens nach § 62 Abs. 2 S. 1 UmwG zur Einberufung einer Hauptversammlung erreicht werden kann. Die Einbeziehung der Hauptversammlung dient dabei ebenfalls dazu, die Aktionäre der übernehmenden AG davor zu bewahren, daß die Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der AG eingreift und Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers die Aktien der übernehmenden AG aufgrund einer Unterbewertung der Aktien der übernehmenden AG zu billig erwerben.173 c) Schutzzweck der Hauptversammlungsbeteiligung der übernehmenden AG nach § 13 Abs. 1 UmwG Als Wertung läßt sich damit § 13 Abs. 1 UmwG entnehmen, daß eine Mitwirkung der Aktionäre aufgrund des Risikos besteht, daß die Verwaltung mit der Gewährung eigener Anteile der übernehmenden AG zum Erwerb 171 Liegt kein Fall des § 68 UmwG vor, ist also eine Kapitalerhöhung der übernehmenden AG zur Verschmelzung an sich erforderlich, ist str., ob in diesem Fall, bei dem sich eine Hauptversammlungsbeteiligung nur für die Kapitalerhöhung als Hilfsmaßnahme zu Durchführung Verschmelzung als Strukturmaßnahme ergeben kann, § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG Anwendung findet; dazu Hüffer, AktG, 2008, § 71 Rn. 15; MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 147; Martens, AG, AugustSH, 1997, S. 83 f., und ders., in: FS Boujong, 1996, S. 335, 339 ff. 172 Hierzu und zum stark umstrittenen Gesetzgebungsverfahrens zu § 62 UmwG siehe Grunewald, in: Lutter, UmwG, 2008, § 62 Rn. 1. Zum Widerspruch zu den Wertungen, die den §§ 293 Abs. 2, 319 Abs. 2 AktG zugrunde liegen, Habersack, in: FS Horn, 2006, S. 337, 343. Siehe aber auch Begr RegE zu § 62 UmwG, BTDrs. 12/6699, S. 103 (liSp.), die auf die Gefährdung durch die Haftung für Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft abstellt. 173 Siehe auch Grunewald, in: Lutter, UmwG, 2008, § 62 Rn. 14, wonach es in Anbetracht der wohl bestehenden Mehrheitsverhältnisse bei dem Minderheitsverlangen nach § 62 Abs. 2 S. 1 UmwG vornehmlich darum geht, den Minderheitsaktionären Auskunft sowie eine Möglichkeit der Anfechtung des Hauptversammlungsbeschlusses zu verschaffen.

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des Vermögens der übertragenden Gesellschaft in die Beteiligungsstruktur der AG eingreift und der Wert der Beteiligung und der Vermögensrechte der (Alt-)Aktionäre aufgrund einer zu billigen Abgabe durch ein für die Erwerber der Aktien günstiges Umtauschverhältnis sinkt.174 3. Die Auf- und Abspaltung auf seiten der übernehmenden AG Bei der Aufspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG überträgt ein Rechtsträger sein Vermögen als Gesamtheit auf die übernehmende AG und einen anderen Rechtsträger, bei der Abspaltung nach § 123 Abs. 1 UmwG einen oder mehrere Teile seines Vermögens jeweils als Gesamtheit auf die übernehmende AG gegen Gewährung von Aktien der übernehmenden AG, § 126 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Die Beteiligungsstruktur der übernehmenden AG ändert sich damit durch die Gewährung von Aktien gegen Aufnahme von Vermögensteilen ähnlich wie bei der Verschmelzung, so daß sich der Vorgang funktional als Verschmelzung eines Rechtsträgers auf mehrere Rechtsträger bzw. eine teilweise Verschmelzung darstellt.175 Daher hat die Hauptversammlung der übernehmenden AG wie bei der Verschmelzung über den Vorgang zu beschließen, §§ 125 S. 1, 13 Abs. 1 UmwG. Dieser Beschluß umfaßt auch den Kapitalerhöhungsbeschluß, sofern eine solche erforderlich ist, §§ 125 S. 1, 69 UmwG. Erfolgt die Auf- oder Abspaltung ohne Kapitalerhöhung der übernehmenden AG in Sinne §§ 125 S. 1, 68 UmwG,176 dient der Beschluß der Hauptversammlung der übernehmenden AG wie bei der Verschmelzung dazu, die Aktionäre der übernehmenden AG davor zu bewahren, daß die Verwaltung alleine über die Gewährung von Aktien an die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers entscheidet und von der Verwaltung ausgewählte Erwerber aufgrund einer Überbewertung des übertragenen Vermögens die Aktien der übernehmenden AG zu billig erwerben. Nach §§ 125 S. 1, 13 Abs. 1 UmwG soll die Hauptversammlung und nicht die Verwaltung über die Bewertung des übertragenen Vermögens und der Aktien der übernehmenden AG als auch darüber entscheiden, wer die Aktien an der AG erhält. 174

Die Mithaftung der übernehmenden Gesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG kann nicht der maßgebliche Grund für eine Mitwirkung der Hauptversammlung sein, da eine solche im Fall des § 62 UmwG nicht erforderlich ist, eine Mithaftung aber gleichsam besteht. So auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 193 (Fn. 184); siehe hierzu auch Grunewald, in: Lutter, UmwG, 2008, § 62 Rn. 1. 175 Hieraus erklärt sich auch die in § 125 S. 1 UmwG angeordnete grundsätzliche Anwendbarkeit der Vorschriften über die Verschmelzung. Dazu Teichmann, in: Lutter, UmwG, 2008, § 123 Rn. 5; Widmann/Mayer/Schwarz, UmwR, Lfg. 9/96, § 123 UmwG Rn. 1.1, bezeichnet diesen Vorgang als „umgekehrte Verschmelzung“. 176 Dazu etwa Teichmann, in: Lutter, UmwG, 2008, § 123 Rn. 18.

A. Mitwirkungserfordernis der HV bei Gewährung eigener Anteile

285

4. Die Ausgliederung auf seiten der übernehmenden AG Die Gründe der Beteiligung der Hauptversammlung bei Auf- und Abspaltung und damit auch der Verschmelzung lassen sich auf die Ausgliederung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 123 Abs. 3 UmwG übertragen. Hierbei gewährt die übernehmende AG dem übertragenden Rechtsträger Aktien, der aus seinem Vermögen einen Teil ausgliedert und auf die AG überträgt. Auch hierzu ist auf Seiten der übernehmenden AG ein Hauptversammlungsbeschluß notwendig, § 125 S. 1, 13 Abs. 1 UmwG. Die Gefahren aus der Bewertung des Teils des Vermögens des übertragenden Rechtsträgers und der Aktien der übernehmenden AG bestehen hier ebenso wie bei Auf- und Abspaltung und damit letztlich auch wie bei der Verschmelzung, da es für das Risiko der Aktionäre der übernehmenden AG unerheblich ist, ob die Aktien wie im Falle von Auf- und Abspaltung den Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers oder wie bei der Ausgliederung dem übertragenden Rechtsträger selbst gewährt werden. Die Mitwirkung der Aktionäre durch den notwendigen Beschluß der Hauptversammlung besteht als wiederum aufgrund des Risikos, daß in die Beteiligungsstruktur der AG eingegriffen wird und dadurch der Wert ihrer Beteiligung und der Vermögensrechte sinkt. 5. Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag beim „anderen Vertragsteil“ im Sinne des § 293 Abs. 2 AktG Die Hauptversammlung der AG als Obergesellschaft hat als „anderer Vertragsteil“ im Sinne des § 293 Abs. 2 S. 1 AktG dem Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag zu dessen Wirksamkeit nach § 293 Abs. 2 S. 2, Abs. 1 S. 2 bis 4 AktG zuzustimmen. Für den hier in Frage stehenden Regelungszweck der Norm ist bedeutsam, daß die AG einen außenstehenden Aktionär der beherrschten Gesellschaft auf dessen Verlangen dadurch abzufinden hat, daß sie diesem eigene Aktien gewährt, § 305 Abs. 2 Nr. 1 AktG.177 Nach der Gesetzesbegründung dient der Beschluß der Hauptversammlung der Obergesellschaft dazu, deren Aktionären die Entscheidung über die Eingehung des Vertrages aufgrund der damit verbundenen weitergehenden Pflichten der AG und Rechte der außenstehenden Aktionäre nach §§ 302 ff. AktG, mithin die Pflicht zur Übernahme von Verlusten der Gesellschaft, § 302 AktG, und zur Sicherheitsleistung für ihre Gläubiger, § 303 AktG, das Recht der außenstehenden Aktionäre auf Ausgleichszah177

Die Betrachtung beschränkt sich auf den gesetzlichen Regelfall des § 305 Abs. 2 Nr. 1 AktG, also auf die nicht abhängige und nicht im Mehrheitsbesitz stehende AG als „anderer Vertragsteil“.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

lungen, § 304 AktG, und Abfindung in Aktien des anderen Vertragsteils, § 305 AktG, einzuräumen.178 Strittig ist, ob der Schwerpunkt des Schutzes sich in erster Linie in der Verlustausgleichspflicht nach § 302 f. AktG oder der Abfindung in eigenen Aktien der außenstehenden Aktionäre nach § 305 AktG gründet. Grund der Hauptversammlungsbeteiligung ist nach der h. M. das erhöhte Risiko, das die Obergesellschaft mit der Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG übernimmt.179 Die Gegenansicht sieht den Grund für die Hauptversammlungszuständigkeit zumindest auch in der Pflicht der Obergesellschaft, die außenstehenden Aktionäre gegebenenfalls mit Aktien abzufinden, § 305 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AktG, und stützt sich dabei auf ein argumentum e contrario zur Rechtslage beim Betriebspacht- und Betriebsüberlassungsvertrag, da hierbei ebenfalls eine Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG, nicht aber eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung der Obergesellschaft bestünde.180 Die Verlustausgleichspflicht könne zumindest nicht der alleinige Grund für eine Hauptversammlungsbefassung sein.181 Hiergegen wird eingewendet, daß ein Zustimmungserfordernis auch in Fällen bestehe, bei denen mangels außenstehender Aktionäre das herrschende Unternehmen keine Abfindungspflicht treffen könne.182 Schon anhand der Gesetzesbegründung wird deutlich, daß der Abschluß eines Gewinnabführungs- oder Beherrschungsvertrages einen Beschluß der 178

Vgl. Begr RegE zu § 293 AktG 1965, bei Kropff, AktG, 1965, S. 381. BGH v. 24.10.1988 – II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, 335 f. (Supermarkt); v. 30.1.1992 – II ZB 17/91, NJW 1992, 1452, 1452 f. (Siemens); Hüffer, AktG, 2008, § 293 Rn. 17; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 293 Rn. 8; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 70 Rn. 21; Spindler/Stilz/ Veil, AktG, 2007, § 293 Rn. 37; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, § 293 Rn. 40; Kropff, ZGR 1984, 112, 120; a. A. MünchKommAktG/Altmeppen, 2000, § 293 Rn. 96, 102 ff. mit ausführlichem Hinweis auf die Entstehungsgeschichte, die dafür spricht, das Risiko der Ausgleichszahlung als entscheidenden Grund für das Erfordernis einer Hauptversammlungszustimmung anzusehen. Dazu auch Flume, DB 1989, 665, 667. 180 MünchKommAktG/Altmeppen, 2000, § 293 Rn. 93, und ders., ZIP 1998, 1853, 1859 (liSp.); so auch schon Sonnenschein, BB 1975, 1088, 1092 f.; Rehbinder, ZGR 1977, 581, 612 f. 181 MünchKommAktG/Altmeppen, 2000, § 293 Rn. 102 mwN. in Rn. 93 Fn. 203. 182 So Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 295 ff.; Hüffer, AktG, 2008, § 293 Rn. 17; Spindler/Stilz/Veil, AktG, 2007, § 293 Rn. 37; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 293 Rn. 40, und ders., in: KK-AktG, 2004, § 293 Rn. 40 (Hervorheb. v. Verf.): „Was die Konsequenzen aus den §§ 304, 305 angeht, ist einzuräumen, daß sie bei Fehlen außenstehender Aktionäre . . . für sich allein keine zureichende Begründung für die Zuständigkeit der Hauptversammlung liefern.“ Da die Streitfrage für Konstellationen bedeutsam ist, bei denen die Obergesellschaft keine AG ist und damit keine Aktien als Abfindung gewähren kann, ist sie hier nicht zu entscheiden. Eingehend dazu MünchKommAktG/Altmeppen, 2000, § 293 Rn. 98 ff. 179

A. Mitwirkungserfordernis der HV bei Gewährung eigener Anteile

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Hauptversammlung der Obergesellschaft nach § 293 Abs. 2 AktG auch deshalb erfordert, da zumindest die Möglichkeit der Abfindung außenstehender Aktionäre nach den § 304 f. AktG besteht. Die Hauptversammlung und nicht die Verwaltung soll also darüber befinden, ob die Obergesellschaft das Risiko einer Abfindung der Aktionäre der Untergesellschaft mit eigenen Aktien und damit eine Änderung der Beteiligungsstruktur der Obergesellschaft als auch die Gefahr einer Überbewertung der Aktien der Untergesellschaft eingehen soll.183 Es bestehen daher für die Aktionäre der Obergesellschaft im Hinblick auf die Bestimmung des Umtauschverhältnisses, das sich nach § 305 Abs. 3 AktG entsprechend der Verschmelzung der beiden Gesellschaften nach der Verschmelzungswertrelation richtet, vergleichbare Gefahren wie bei der Verschmelzung. Die Ausführungen zu den Gründen des Zustimmungserfordernisses der Hauptversammlung bei Verschmelzungen nach § 13 Abs. 1 UmwG gelten also entsprechend. 6. Die Eingliederung auf seiten der Hauptgesellschaft Auch im Falle der Eingliederung einer AG in eine andere AG, die zumindest 95/100 des Grundkapitals der einzugliedernden AG hält, bedarf es gemäß §§ 320 Abs. 1 S. 1 und Abs. 3, 319 Abs. 2 S. 1 AktG zur Wirksamkeit auch eines Beschlusses der Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellschaft im Sinne des § 319 Abs. 1 S. 1 AktG. Der Grund hierfür wird in den mit der Eingliederung verbundenen Risiken insbesondere aus den §§ 322, 324 Abs. 3 AktG gesehen.184 Das Zustimmungserfordernis folgt allerdings auch aus der Pflicht zur Abfindung außenstehender Aktionäre mit Aktien der Hauptgesellschaft nach § 320b Abs. 1 S. 2 AktG. Der Gesetzgeber sieht zutreffend den Grund darin, daß „die Eingliederung rechtlich die Mitte zwischen dem Abschluß des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit einer Aktiengesellschaft und einer Verschmelzung“ bildet, so daß die Ausführungen zum Grund der Hauptversammlungsbeschlusses beim Abschluß eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 293 Abs. 2 AktG und damit auch bei der Verschmelzung nach § 13 Abs. 1 UmwG hier ebenso gelten.185

183

So schon Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 196; dagegen Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, § 293 Rn. 40 Fn. 126. 184 Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, § 319 Rn. 6; MünchKommAktG/Altmeppen, 2000, § 319 Rn. 2, 11. 185 Begr RegE zu § 319 AktG 1965 bei Kropff, AktG, 1965, S. 422. Zum Zweck des Beschlusses auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 319 Rn. 3; Spindler/Stilz/Singhof, AktG, 2007, § 320 Rn. 9; MünchKommAktG/ Grunewald, 2000, § 320 Rn. 17 f.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

III. Zusammenfassung Zentraler Grund der Mitwirkungskompetenzen der Hauptversammlung bei den untersuchten Formen der Anteilsgewährung ist der Schutz der Aktionäre vor einer Beeinträchtigung des Wertes des Gesellschaftsvermögens durch einen Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur, der zugleich zu einem Einflußverlust führt. Durch die in den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG vorgesehenen Beschlußkompetenzen wird den Aktionären ein Mitwirkungsrecht bei der Festlegung der Veräußerungs-, Umtausch- bzw. Abfindungsbedingungen eingeräumt, um den Wert ihrer Beteiligung zu schützen. Die damit zugleich gegebene Befugnis der Aktionäre zur Entscheidung über die Person des Erwerbers räumt ihnen das Recht ein, darüber zu befinden, ob die Verwaltung mit der Ausgabe der Aktien an die Erwerber in die Beteiligungsstruktur der AG eingreifen darf und damit eine Machtverschiebung zwischen den (Alt-)Aktionären und den Erwerbern stattfindet. Das Mitwirkungserfordernis der Hauptversammlung nach § 186 Abs. 3 S. 1 AktG dient weitergehend auch dem Schutz der Beteiligungsquote der Aktionäre, soll also die Aktionäre vor einer Verminderung ihrer Quote am Grundkapital schützen, die bei einem Absinken auf fünf vom Hundert am Grundkapital zugleich den Schutz der Aktionäre auf die Anlagekomponente ihrer Beteiligung an der AG absinken läßt. Aus der Zusammenschau dieser Vorschriften ist zu folgern, daß das Gesetz die Aktionäre damit nicht nur vor einem Verwaltungshandeln schützt, das die Beteiligungsquote und damit den relativen Einfluß der Aktionäre gegen ihren Willen verändert, sondern auch vor einer Wertverwässerung ihrer Beteiligung, die mit einem Eingriff in die Aktionärsstruktur der AG verbunden ist. Eine entsprechende Gefährdung des Beteiligungswertes droht aber auch bei anderem Verwaltungshandeln wie der Veräußerung anderer Vermögenswerte unter ihrem Marktwert. Das Regelungsprinzip dieser Vorschriften ist daher noch weiter aufzuarbeiten, um aus der aktienrechtlichen Notwendigkeit der Hauptversammlungsbeteiligung auf die damit verfolgte Schutzrichtung schließen zu können. Bei all diesen Vorgängen, die der Hauptversammlungsbeteiligung bedürfen, gewährt die AG eigene Anteile als Gegenleistung für die Übertragung von Vermögenswerten. Entscheidender Unterschied zu einem Umsatzgeschäft, bei dem die AG einen Vermögenswert veräußert, ist die Gewährung eigener Aktien und damit von gesellschaftsrechtlich vermitteltem Einfluß als Entgelt dieses Geschäftes. Ist der Wert der Gegenleistung geringer als der Wert der Aktien, sinkt der Beteiligungswert der (Alt-)Aktionäre, während die Erwerber die Beteiligung und damit einen gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluß auf die AG zu billig erhal-

A. Mitwirkungserfordernis der HV bei Gewährung eigener Anteile

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ten. Die Vorschriften zur Beteiligung der Hauptversammlung dienen überdies auch dazu, die Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der AG, die dem Vorstand die Möglichkeit der Einflußnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises und damit die Machtverteilung in der Hauptversammlung gibt, zu bewahren.186 Regelungskern der Vorschriften ist also, die Aktionäre vor einer Ungleichbehandlung durch die Verwaltung zu schützen, die durch einen Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der AG droht und den Vermögenswert der Beteiligung der Aktionäre gefährdet.187 Dabei liegt eine Ungleichbehandlung nicht nur vor, wenn nur einzelne Aktionäre aufgrund eines Handelns der Verwaltung Aktien der AG zu billig erwerben können. Es geht bei dem von den Vorschriften verfolgten Schutz auch darum, die (Alt-)Aktionäre vor einer Bevorzugung der Erwerber durch eine Quersubventionierung zu schützen. Diese sollen die Aktien nicht zu einem günstigeren Preis erhalten als die Altaktionäre, die Beteiligung der Hauptversammlung soll also die Aktionäre vor einer Ungleichbehandlung „in der Zeit“ schützen. Im Sinne des Schutzes der Beteiligungsstruktur und des Beteiligungsvermögens ist es daher der Verwaltung nicht gestattet, zu Lasten der (Alt-)Aktionäre über die Verteilung vorhandener oder neu geschaffener Aktien entscheiden.188 Daneben läßt sich aus den §§ 182 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 3 S. 1 AktG schließen, daß den Aktionären ein voller Wertausgleich zu leisten ist, wenn sie im Interesse der AG eine quotale Beeinträchtigung ihrer Mitgliedschaft hinzunehmen haben. Das generell geltende Rechtsprinzip, daß die verlorenen Mitgliedschaftsrechte vermögensmäßig vollständig zu kompensieren sind und als Besitzstandsgarantie in einer Vielzahl von Ausgleichs- und Abfindungsansprüchen seine Ausprägung findet, ist nicht nur in Abfindungsfällen, bei denen der Aktionär freiwillig oder zwangsweise seine Aktionärs186 Hierzu Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 67; Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 589 f.; Hopt, ZGR 1993, 534, 546 f. Neben der Verteilung von Vermögensvorteilen besteht mit der Auswahl der Erwerber durch den Vorstand die Möglichkeit, daß dieser seine künftige (mittelbare) Kontrolle durch die Aktionäre beeinflußt, so etwa bei einer verstärkten Berücksichtigung einflußloser und einflußunwilliger Kleinaktionäre, die aufgrund der Problematik der collective action die Verwaltung nicht selbst kontrollieren und auch nicht ihre Kontrollmöglichkeiten etwa mittels des Depotstimmrechtes auf andere übertragen. 187 Vgl. zu den Schutzrichtungen auch Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 143 (zum Bezugsrechtsausschluß); MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 221 (zur Veräußerung eigener Aktien); Lutter/Drygala, in: Lutter, UmwG, 2008, § 5 Rn. 34 ff. (zur Verschmelzung). So auch, allerdings beschränkt auf den Schutz des Beteiligungsvermögens, Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 197. 188 Siehe dazu auch Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 365.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

stellung gegen Abfindung aufgibt, sondern auch im Falle der fortbestehenden, aber geschmälerten Mitgliedschaft zu beachten.189

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung Im nachfolgenden Abschnitt soll aufgedeckt werden, welche Pflichten der Verwaltung und welche Rechte der Aktionäre bestehen, wenn das Gesetz keine Entscheidung der Hauptversammlung darüber vorsieht, wer bei einer Veräußerung die Aktien zu welchem Preis erhalten soll. Der entwikkelte Grundsatz, daß die Verwaltung über die Verteilung vorhandener oder neu geschaffener Aktien aufgrund der damit verbundenen Gefahr der Subventionierung der Erwerber zu Lasten der (Alt-)Aktionäre und ihres Einflusses nicht entscheiden soll, ist hierfür fruchtbar zu machen. Dafür ist zu klären, ob den Aktionären auch außerhalb der Hauptversammlung Rechte auf Bezug der Aktien zustehen, die durch die AG ausgegeben oder veräußert werden, um hiermit der Gefahr eines Eingriffs in die Beteiligungsstruktur und der Wertverwässerung des Beteiligungsvermögens vorzubeugen.

I. Ungebundene Veräußerungsfälle Geht der Veräußerung anders als den unter Abschnitt A genannten Fällen kein Beschluß der Hauptversammlung voraus oder legt diese nicht fest, wie die Aktien zuzuteilen sind, so stellt sich die Frage, ob der Vorstand bei der Veräußerung der Aktien im Hinblick auf die Erwerberauswahl in der Entscheidung frei ist. Nachfolgend sind Veräußerungsfälle zu betrachten, bei denen die Aktionäre über die Ausgabe bzw. Veräußerung nicht beschlossen haben. Dabei ist der für die Unternehmenspraxis bedeutsamste Fall der Wiederveräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zuerst zu betrach189 Siehe hierzu die §§ 304 f., 320b, 327b AktG, §§ 29, 36, 125, 207 UmwG; zum Begriff der „Besitzstandgarantie“ Habersack Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 1 (S. 258). Siehe auch BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263 ff. (Feldmühle), v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289 ff. (DAT/Altana), und v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868 (Moto Meter); BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 (Kali+Salz); Hüffer, AktG, 2008, § 305 Rn. 18; Widmann/Mayer/Wälzholz, UmwR, Lfg. 08/08, UmwG § 30 Rn. 6 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 305 Rn. 36 ff.; Semler/Stengel/Zeidler, UmwG, 2007, § 30 Rn. 6; Müller, in; Kallmeyer, UmwG, 2006, § 30 Rn. 5; Hasselbach/Hirte, in: GroßKommAktG, 2005, § 305 Rn. 2; KK-AktG/Koppensteiner, 2004, § 305 Rn. 5; MünchKommAktG/Bilda, 2000, § 305 Rn. 59; Henze, in: FS Lutter, 2000, S. 1101, 1105 ff. Zur „vollen wirtschaftlichen Entschädigung für den Verlust der Rechtsposition“, die bei einem Vorgehen nach den §§ 327a ff. AktG oder der „Moto Meter“-Methode verfassungsrechtlich erforderlich ist, auch oben S. 155 ff.

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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ten, bevor auf die weiteren in §§ 71c, 65, 226 AktG enthaltenen gesetzlichen Regelungen einzugehen ist.190 Zum Abschluß sind Fälle der Ermächtigung des Vorstandes zur Ausgabe der Aktien unter Bezugsrechtsausschluß beim genehmigten Kapital, §§ 202, 203 Abs. 2 S. 1 AktG, und der Verwertung von Aktien, die im Rahmen einer Bezugsrechtskapitalerhöhung geschaffen werden und mangels Ausübung des Bezugsrechts oder Abschluß eines Zeichnungsvertrages durch Aktionäre vom Vorstand zu verwerten sind, zu untersuchen. 1. Veräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 AktG Die Veräußerung eigener Aktien ist nur in Nr. 8 des § 71 Abs. 1 AktG angesprochen; die übrigen Vorschriften zu zugelassenen Erwerbsmöglichkeiten regeln die Veräußerung nicht ausdrücklich, beschränken aber wie im Falle des Erwerbs nach Nr. 2, 4 Alt. 2 und 6 der Vorschrift den Verwendungszweck, so daß insoweit keine Veräußerungsfreiheit vorgesehen ist. Bei einem Vorgehen nach Nr. 3 der Vorschrift werden die Aktien nicht wieder in den Markt gebracht, sondern der Erwerb steht im Zusammenhang mit den oben angesprochenen Abfindungskonstellationen,191 so daß als ungebundene Veräußerungsfälle § 71 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1, Nr. 5 und 8 S. 3, 4 AktG näher zu untersuchen sind.192 a) Schutz der Aktionäre im Falle der Veräußerung der Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG Die Veräußerung eigener Aktien erfordert dem Wortlaut des § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG nach nur im Falle der Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz einen Beschluß der Hauptversammlung, bei dem die Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 und 4 AktG zu beachten sind, wie sich aus Hs. 2 der Vorschrift ergibt. Die Verweisung deutet aber an, daß die Aktionäre an sich durch ein bezugsrechtsähnliches Recht geschützt werden. Ob ein dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG vergleichbares Recht auf Zuteilung der wiederveräußerten Aktien zugunsten der Aktionäre be190

Zur praktischen Bedeutung Begr RegE ARUG zu § 71, BR-Drs. 847/08, S. 37; MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 289. Die Hauptversammlung kann die Entscheidungsmöglichkeiten des Vorstandes bei der Verwendung der zu erwerbenden Aktien beschränken; dazu Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 266 ff.; Möller, Rückerwerb eigener Aktien, 2005, § 13 Rn. 280 (S. 141); Kraft/Altvater, NZG 1998, 448, 449. 191 Oben S. 280 ff. 192 § 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG betrifft eine Sondersituation und § 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG findet nur für besondere Unternehmen iSd. §§ 1, 2 KWG Anwendung, so daß diese Vorschriften nicht untersucht werden.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

steht, war vor Einführung des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG strittig und hat sich auch nicht durch die Neuregelung geändert.193 aa) Das Erwerbsrecht der Aktionäre bei der Wiederveräußerung eigener Aktien Neben dem formalistischen Argument, daß es sich bei den eigenen Aktien gerade um keine jungen Aktien und daher um ein bloßes Umsatzgeschäft handele,194 stützen sich die ein Erwerbsrecht ablehnenden Stimmen im Schrifttum auf den Wortlaut des § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 2 AktG und die Verschiedenheit der Interessenlage gegenüber dem Fall des § 186 Abs. 1 AktG.195 Der Wortlaut der Norm („in diesem Fall“) zeige, daß die Vorschriften über das Bezugsrecht nur Anwendung finden würden, wenn die Hauptversammlung eine vom Gleichbehandlungsgebot abweichende Art der Veräußerung beschlossen habe. Diese sei also grundsätzlich möglich, so daß auch nicht zwingend ein Bezugsrecht bestünde. Im Unterschied zur Situation bei der Kapitalerhöhung erfolge keine Stimmrechtsverwässerung, sondern es bestehe nur die Gefahr der Vermögensverwässerung durch Ausgabe der Aktien zu einem unter ihrem inneren Wert liegenden Preis. Vor dieser Gefahr müsse aber nicht durch ein Bezugsrecht geschützt werden; ausreichend sei auch eine Verhaltenspflicht seitens des Vorstandes, die Vermögensinteressen bei der Wiederveräußerung zu wahren. Die „andere Veräußerung“ iSd. § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG und die damit verbundene Verweisung in Hs. 2 der Vorschrift auf Normen über den Bezugsrechtsausschluß läßt sich allerdings auch dahingehend verstehen, daß ein dem Bezugsrecht ähnliches Erwerbsrecht grundsätzlich besteht, das durch den Hauptversammlungsbeschluß nach Hs. 1 der Vorschrift ausgeschlossen werden kann.196 Ist damit der Wortlaut nur begrenzt ergiebig, kommt es entscheidend auf den Vergleich mit der Gefährdungslage bei § 186 Abs. 1 S. 1 AktG an. 193 Vor Einführung des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG so schon OLG Hamm v. 29.8.1983 – 8 U 304/72, ZIP 1983, 1332, 1334 (reSp., zu Kuxen); Hirte, KapGesR, 1997, Rn. 588 f. (S. 172 f.); einschränkend Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71c Rn. 27; ablehnend Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, 1983, § 71c Rn. 18; Piepenburg, BB 1996, 2582, 2584 (reSp.). 194 So Benckendorff, Erwerb eigener Aktien, 1998, S. 280 ff.; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1983, § 71c Rn. 18. 195 So und zum nachfolgenden Benckendorff, Erwerb eigener Aktien, 1998, S. 280 ff.; siehe auch Piepenburg, BB 1996, 2582, 2584, zu den Regelungsvorschlägen vor Verabschiedung des KonTraG. 196 In diesem Sinne MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 283 f.; T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 127 (Rn. 152).

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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Die Gesetzesbegründung regelt nicht ausdrücklich ein Erwerbsrecht; allerdings heißt es dort, daß „die Situation . . . wirtschaftlich dem Bezugsrechtsausschluß bei neuen Aktien“ entspricht, wenn die „Hauptversammlung . . . Abweichungen vom Grundsatz gleichmäßiger Zuteilung bei Wiederveräußerung der eigenen Aktien“ vorsieht.197 Danach ermöglicht die entsprechende Anwendung des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG, daß „die Verwaltung die Aktien frei oder an bestimmte Dritte zuteilen kann“.198 Daß der Vorgang wirtschaftlich einer Kapitalerhöhung entspricht, da Aktien gegen Geld gewährt werden, überzeugt.199 Es liegt nahe, daß damit außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift die Verwaltung nicht frei, sondern nur an die Aktionäre unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes zuteilen kann. So heißt es auch in der Gesetzesbegründung zur Klarstellung der Geltung des § 53a AktG in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG, daß die Verwaltung sich „bei Erwerb und Veräußerung der Aktien grundsätzlich strikt neutral zu verhalten und Chancengleichheit zu gewährleisten [hat]. . . . Ein Rückkauf- oder Wiederverkaufsangebot hat sich daher an alle Aktionäre zu richten“.200 Der Gesetzgeber geht also davon aus, daß die Wiederveräußerung sämtlicher Aktien an Dritte dem in der Vorschrift angesprochenen Gleichbehandlungsgebot nicht entspricht, also der von ihm mit der Verweisung auf das Gebot der Gleichbehandlung statuierte Grundsatz zu verstehen ist als Zuteilungsprivileg zugunsten der Aktionäre. Die Gleichbehandlung der Aktionäre ist mithin als gleiche Erwerbsmöglichkeit aller Aktionäre zu verstehen, so daß sich das Wiederverkaufsangebot der AG an alle Aktionäre unter Beachtung des Gebotes der Gleichbehandlung zu richten hat. Hierzu läßt sich auch anführen, daß aus dem in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG normierten Grundsatz gleicher Zuteilung als Ausprägung des Gleichbehandlungsgebots nach § 53a AktG die Verpflichtung der AG zur sog. aktiven Gleichbehandlung bei der Veräußerung und damit ein Anspruch gegen die AG auf Zuteilung der Aktien folgt,201 da das Erwerbsrecht eine spezielle Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist.202 Allein die Beachtung 197

Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d, BT-Drs. 13/9712, S. 14 (liSp.). Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d, BT-Drs. 13/9712, S. 14 (liSp.). Da diese auf § 186 AktG abstellt, während der Gesetzeswortlaut in Hs. 2 nur die Normen zum Ausschluß des Bezugsrechts nennt, erweckt Zweifel daran, daß allein anhand der Gesetzesbegründung das Problem zu erschließen ist. 199 So auch Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 35; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 81; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71 Rn. 38. 200 Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d, BT-Drs. 13/9712, S. 13 (reSp.). 201 Zu dem aus § 53a AktG abzuleitenden Abwehranspruch des Aktionärs bei Eingriffen in seine Mitgliedschaft Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 19; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53a Rn. 14. 202 Zu letztem siehe auch MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 69. 198

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

des in S. 3 der Vorschrift hervorgehobenen Gleichbehandlungsgrundsatz läßt allerdings eine Bevorzugung Dritter zu.203 Daß der Gesetzeswortlaut auf § 53a AktG abstellt, der Gesetzgeber aber einen Grundsatz gleichmäßiger Zuteilung bei der Wiederveräußerung eigener Aktien aufstellen wollte, läßt sich nur daraus erklären, daß für den Gesetzgeber der Erwerb eigener Aktien im Mittelpunkt der Überlegungen stand. In diesem Fall können neben der AG nur Aktionäre, nicht aber Dritte beteiligt sein, so daß eine Bevorzugung Dritter nicht in Frage steht.204 Einer solchen Auslegung der Norm zur Herleitung des Erwerbrechts steht auch nicht deren Charakter als Ausnahmevorschrift zum Verbot des § 57 Abs. 1 S. 1 AktG entgegen.205 Für eine solche Auslegung spricht, daß die Verhaltensbindung, die der Verwaltung durch das Gleichbehandlungsgebot auferlegt wird, einem Eingriff in die Beteiligungsstruktur der AG nicht entgegensteht und daher die Aktionäre nur ungenügend schützt,206 da der Gleichbehandlungsgrundsatz nur einer Ungleichbehandlung unter den Aktionären wehrt, eine Bevorzugung Dritter unter Benachteiligung aller Aktionäre aber zuläßt.207 Weiterhin läßt sich für das Bestehen eines Erwerbsrechts anführen, daß es widersinnig wäre, wenn das Gesetz dem Vorstand beim Rückerwerb eigener Aktien verwehrt, auf die Beteiligungsstruktur Einfluß zu nehmen, bei einer Beteiligungsveräußerung ihm dies aber gerade gestattet wäre.208 Oechsler führt 203

Dazu etwa MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 243 Rn. 67; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 243 Rn. 44. 204 Vgl. zu der hervorragenden Bedeutung des Erwerbs und den damit zusammenhängenden Überlegungen zur Gleichbehandlung der Aktionäre etwa Wastl/Wagner/Lau, Erwerb eigener Aktien, 1997; von Rosen/Helm, AG 1996, 434; Martens, AG 1996, 337, 342 f.; Claussen, AG 1996, 481, 491; Peltzer, WM 1998, 322, 329 (liSp.); Escher-Weingart/Kübler, ZHR 162 (1998), 537 ff.; Wiese, DB 1998, 609; siehe aber auch Martens, AG, August-SH, 1997, S. 83, 85 bei Fn. 16. 205 Dazu Larenz, Methodenlehre, 1991, Kap. 4 4a (S. 355 ff.), wonach methodisch gesehen kein Gebot besteht, die Merkmale von Ausnahmetatbeständen enger auszulegen als andere Normen; so auch MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 68; siehe aber auch Hüffer, AktG, 2008, § 71 Rn. 3; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71 Rn. 8, zum Verhältnis zu § 57 AktG. 206 Die Folgerung von Benckendorff, Erwerb eigener Aktien, 1998, S. 285, daß die Gleichbehandlung gewahrt sei, wenn alle Aktionäre gleichermaßen vom Erwerb ausgeschlossen sind, ist zwar zutreffend und verträgt sich mit dem Gesetzeswortlaut, entspricht aber nicht dem Willen des Gesetzgebers. Zur Beachtung des historischen Elements der Auslegung bei der Ermittlung des normativ maßgeblichen Sinnes der Gesetzes Larenz, Methodenlehre, 1991, Kap. 4 2a (S. 320 ff.) und 2c (S. 328). 207 Dazu Habersack, ZIP 2004, 1121, 1123 (reSp.); Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 31; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 80. 208 So MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 81.

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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noch als weitere Überlegung an, daß die rückerworbenen Aktien zum Vermögen der AG gehören, das den Aktionären anteilsmäßig zustehe. Wegen § 71b AktG trete erst mit der Wiederveräußerung der Aktien die Realisierung dieses Wertes ein, der niemand anderem als den Aktionären im Verhältnis ihrer Beteiligungsquoten zustünde.209 Der Gedanke überzeugt vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der untersuchten Hauptversammlungskompetenzen beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile. Ein Erwerbsrecht bei der Wiederveräußerung der Aktien schränkt die Einflußmöglichkeit der Verwaltung auf die Beteiligungsstruktur der AG ein, die diese durch eine freie Zuteilung der Aktien an einzelne Kaufinteressenten erreichen könnte, was aber der Gesetzgeber gerade verhindern wollte.210 Sollen also nur Dritte eine Erwerbschance erhalten, muß die Hauptversammlung über den Ausschluß des Erwerbsrechtes der Aktionäre beschließen. Nach der h. M. besteht damit ein dem Bezugsrecht ähnliches Erwerbsrecht der Aktionäre nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 und S. 5 AktG,211 das ihnen einen Anspruch auf Zuteilung der Aktien vermittelt und damit sicherstellt, daß die Verwaltung die Aktien nicht an ihr genehme Erwerber gegebenenfalls zu einem Preis veräußert, der neben dem Eingriff in die Beteiligungsstruktur auch das Beteiligungsvermögen der Aktionäre beeinträchtigt. Das Erwerbsrecht kann nach S. 5 der Vorschrift entsprechend dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG ausgeschlossen werden.212 Dem 209 MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247; zustimmend Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 81. 210 Zur entsprechenden Gefahr im umgekehrten Fall des Erwerbs eigener Aktien durch die AG Kopp, Erwerb eigener Aktien, 1996, S. 45; MünchKommAktG/ Oechsler, 2008, § 71 Rn. 22 f. 211 MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247; T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71 Rn. 41, und ders., Eigene Aktien, 2002, S. 123 ff. (Rn. 146 ff.); Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 81; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, 2006, § 21 II 1c bb (S. 484 f.); Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 35; Habersack, ZIP 2004, 1121, 1124; Bayer, ZGR 2002, 588, 593; Reichert/Harbarth, ZIP 2001, 1441, 1441 (liSp.); Kiem, ZIP 2000, 209, 214 f.; U. Huber, FS Kropff, 1997, S. 101, 118 f.; Martens, AG 1996, 337, 342 f.; aus dem Dissertationsschrifttum Möller, Rückerwerb eigener Aktien, 2005, § 13 Rn. 276 f. (S. 139 f.); Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 281; Seidler, Eigene Aktien, 2004, S. 271 f.; a. A. Benckendorff, Erwerb eigener Aktien, 1998, S. 285; differenzierend Schumann, Bezugsrechte, 2001, S. 226 (grundsätzlich Bezugsrecht, es sei denn, daß Aktien über die Börse veräußert werden). 212 Zur Rechtfertigung des Ausschlusses außerhalb von § 186 Abs. 3 S. 4 AktG führt der Gesetzgeber die Veräußerung an institutionelle Anleger, die Veräußerung als Gegenleistung für eine Sacheinlage oder die Einführung der Aktien an einer Auslandsbörse an; siehe Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d, BT-Drs. 13/9712, S. 14 (liSp.).

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Erwerbsrecht der Aktionäre ist allerdings durch eine Veräußerung über die Börse nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG genüge getan, was eine erhebliche Abweichung zu § 186 Abs. 3 S. 4 AktG darstellt, der nachzugehen ist. bb) Ausgestaltung des Erwerbsrechts Der Schutz vor Eingriffen in die Beteiligungsstruktur der AG und der Gefahr der Verwässerung des Beteiligungsvermögens ist bei der Kapitalerhöhung und der Wiederveräußerung eigener Aktien unterschiedlich ausgeformt. Nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG besteht grundsätzlich ein Bezugsrecht, das nach § 186 Abs. 3 S. 4 AktG erleichtert ausgeschlossen werden kann. Weitergehend sieht § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 4 AktG bei börsennotierten Gesellschaften als Regelfall die Wiedereinführung der Aktien in den Markt über die Börse vor, für den ein Beschluß der Hauptversammlung nicht erforderlich ist. Das Gesetz sieht damit die Veräußerung über die Börse nicht als einen Ausschluß des Erwerbsrechts an, sondern vielmehr als eine Form, dieses zu verwirklichen.213 Das nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG gewährte Erwerbsrecht unterscheidet sich damit vom Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG dadurch, daß es für eine Wiedereinführung der Aktien in den Markt über die Börse nicht ausgeschlossen werden muß, also kein Erwerbsvorrecht ist, sondern vielmehr die Aktionäre dahingehend absichert, daß sie die Aktien erwerben können, und zwar entweder über die Börse oder unmittelbar von der AG.214 b) Weitergabe unentgeltlich und durch Gesamtrechtsnachfolge erworbener Aktien, § 71 Abs. 1 Nr. 4 Alt. 1, Nr. 5 AktG Durch die Weitergabe unentgeltlich oder durch Gesamtrechtsnachfolge erworbener Aktien an einzelne Aktionäre oder Dritte wird in die Beteiligungsstruktur der AG eingegriffen. Die Gefahrenlage entspricht also insoweit der von § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG vorausgesetzten Gefahrenlage, sieht aber im Gegensatz dazu keine Befassung der Hauptversammlung vor. Zu erwägen ist also, ob die in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 4 AktG vorgesehenen Schutzmechanismen der Aktionäre, die ebenfalls keine Befassung der 213 So T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 126 (Rn. 150), und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71 Rn. 40. 214 Das Erwerbsrecht soll also sicherzustellen, daß die Wiederveräußerung nur dann über die Börse erfolgt, wenn die Aktionäre ihre Beteiligungsquote durch Zukauf an der Börse erhalten können, also der Markt für die Aktien hinreichend breit ist. Dazu auch T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 125 f. (Rn. 150), wonach den Aktionären bei Verstoß hiergegen Schadensersatzansprüche zustehen; siehe auch Kühneberg/Kessler, AG 1999, 453, 460 (liSp.).

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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Hauptversammlung bei der Wiederveräußerung vorsehen, einen allgemeinen Grundsatz enthalten, der auch für andere Fälle der ungebundenen Weitergabe eigener Aktien durch die AG Anwendung finden kann. c) Allgemeiner Grundsatz bei der Wiederveräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG Das Gebot der Gleichbehandlung, das in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG als Grundregel für Erwerb und Veräußerung zum Ausdruck kommt, ist für die Wiederveräußerung eigener Anteile als „Grundsatz gleichmäßiger Zuteilung bei der Wiederveräußerung der eigenen Aktien“ zu verstehen.215 Zum Schutz der Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der AG und der Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungswertes besteht ein Erwerbsrecht der Aktionäre auf die wiederveräußerten Aktien. Mit der aus diesem Grundsatz folgenden Verhaltenspflicht der Verwaltung korreliert der Anspruch jedes Aktionärs gegen die AG auf Zuteilung der Aktien unter Wahrung des Gleichbehandlungsgebotes.216 Dem Grundsatz ist bei der börsennotierten AG auch durch eine Veräußerung über die Börse genüge getan. Will die Verwaltung bei der Abgabe der Aktien von dem Zuteilungsgrundsatz abweichen, ist hierzu das Erwerbsrecht der Aktionäre mittels einer Beschlußfassung der Hauptversammlung auszuschließen, die sich nach den Vorschriften zum Bezugsrechtsausschluß, § 186 Abs. 3, 4 AktG, richtet. In der jüngeren Literatur wird vertreten, die Regelungen der § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG auf alle ungebundenen Veräußerungsfälle im Rahmen des § 71 Abs. 1 AktG auszudehnen.217 Nachfolgend ist daher zu klären, ob der Grundsatz über § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG hinausgehend auf § 71 Abs. 1 AktG sowie weitere Fälle ungebundener Veräußerung anzuwenden ist, bei denen die AG eigene Aktien veräußert.

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So ausdrücklich Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d, BT-Drs. 13/9712, S. 14 (liSp.); ähnlich Hüffer, AktG, 2008, § 71 Rn. 19j. 216 Vgl. MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 81. 217 So T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71 Rn. 38; MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 96 ff. und 247; Bungeroth, aaO, 2008, § 53a Rn. 10; zu § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG auch Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 279; Habersack, ZIP 2004, 1121, 125; Hirsch, Eigene Aktien, 2004, S. 181 f.; wohl auch Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 32; a. A. Reichert/Harbarth, ZIP 2001, 1441, 1449.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

2. Veräußerung eigener Aktien nach § 71c Abs. 1, 2 AktG Hat die AG eigene Aktien unter Verstoß gegen § 71 Abs. 1 oder 2 AktG erworben, § 71c Abs. 1 AktG, oder übersteigen die im Sinne des § 71 Abs. 1 und 2 AktG zulässig erworbenen Aktien die in Abs. 2 S. 1 der Vorschrift enthaltene Obergrenze von 1/10 des Grundkapitals, § 71c Abs. 2 AktG,218 sind im ersten Falle sämtliche Aktien, andernfalls nach Abs. 2 der Vorschrift der Teil der Aktien zu verkaufen, der die Obergrenze von 1/10 des Grundkapitals übersteigt. Die Vorschriften regeln dabei nur, in welchem Zeitraum die Aktien, nicht aber, auf welche Weise sie zu verkaufen sind. Für die hier in Frage stehende Pflicht des Vorstandes ist die Veräußerung aufgrund eines Erwerbs nach § 71c Abs. 2 AktG näher zu betrachten, da der Vorstand nur in diesem Fall bei der Auswahl des Erwerbers keinen rechtlichen Bindungen gegenüber Dritten unterliegt.219 Ob in diesem Fall der Veräußerung ein dem Bezugsrecht ähnliches Erwerbsrecht besteht, ist in der Literatur strittig. Vor Einführung des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG befürwortete die h. M. die Veräußerung durch öffentliche Versteigerung analog §§ 65 Abs. 3 S. 1 Var. 2, 226 Abs. 3 S. 1 Var. 2 AktG, da die Sicherung des höchsten Preises durch Versteigerung auch im Hinblick auf § 57 Abs. 1 AktG Vorrang habe.220 Nach Teilen der Literaturstimmen waren die Aktien bei Bestehen eines Börsenpreises den Aktionären unter Beachtung der die Gleichbehandlung sichernden Regeln des § 186 AktG zu diesem Preis anzubieten.221 Die Interessenlage im Hinblick auf den Aktionärsschutz entspricht der Wiederveräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG. 218 Dem Wortlaut des § 71c Abs. 2 AktG liegt ein Redaktionsversehen zugrunde, da auch die Voraussetzungen des § 71 Abs. 2 AktG vorliegen müssen. Andernfalls würde die Veräußerungspflicht schon aus § 71c Abs. 1 AktG folgen; dazu Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71c Rn. 8; MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71c Rn. 9. 219 Bei einem rechtswidrigem Erwerb nach § 71c Abs. 1 AktG bestehen rechtliche Bindungen aufgrund von Bereicherungsansprüchen infolge der Nichtigkeit des Erwerbsgeschäftes nach 71 Abs. 4 S. 2 AktG und regelmäßig einer verschärften Haftung der AG wegen Kenntnis der Umstände; dazu Hüffer, AktG, 2008, § 71c Rn. 7; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71c Rn. 28; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71c Rn. 7. 220 Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71c Rn. 27 und 30; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1983, § 71c Rn. 17 f.; OLG Oldenburg v. 17.3.1994 – 1 U 46/91, AG 1994, 417, 418 (Elsflether Werft); Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 425; siehe auch Reichert/Harbarth, ZIP 2001, 1441, 1449 (liSp.). 221 So Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71c Rn. 27; siehe auch Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 49.

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Die neuere Literatur befürwortet daher auch eine analoge Anwendung dieser Regelungen.222 Die Gefahr der Beeinträchtigung der Aktionärsinteressen bei der Veräußerung eigener Aktien besteht im Falle der Veräußerung nach § 71c Abs. 2 AktG ebenso wie bei § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG. Die von den früheren Literaturstimmen befürwortete analoge Anwendung der §§ 65 Abs. 3 S. 1 Var. 2, 226 Abs. 3 S. 1 Var. 2 AktG ist nach der Einführung des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG problematisch, da dieser Gedanke keinen Eingang in die § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG gefunden hat und dem Aktionärsschutz, der durch das Erwerbsrecht bezweckt ist, zuwiderläuft; statt der Erzielung des höchsten Preises durch eine öffentliche Versteigerung hat vielmehr der Schutz der Aktionäre Vorrang. Die § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG sind also aufgrund der Vergleichbarkeit der Interessenlage und einer Regelungslücke analog anzuwenden.223 Es besteht damit auch in den Fällen der Veräußerung eigener Aktien nach § 71c Abs. 2 AktG ein Erwerbsrecht der Aktionäre, das bei einer Veräußerung der Aktien über die Börse entsprechend § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG beachtet wird, wenn ein Börsenpreis besteht.224 Nicht börsennotierte Aktien sind bei einer Wiederveräußerung den Aktionären anzubieten; andernfalls können die Aktionäre ihr Recht entsprechend § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 2, 186 Abs. 3 S. 1 AktG durch einen Beschluß der Hauptversammlung ausschließen.225

222 MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71c Rn. 20; ebenso T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71c Rn. 10; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71c Rn. 34, 37; Henze/Notz, aaO, 2004, § 53a Rn. 35; Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 279 f.; Reichert/Harbarth, ZIP 2001, 1441, 1449 (liSp.); a. A. Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1983, § 71c Rn. 17 f. und aaO, 1989, § 186 Rn. 5; nicht eindeutig Hüffer, AktG, 2008, § 71c Rn. 7 (Veräußerung durch den Vorstand unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach pflichtgemäßem Ermessen); siehe auch OLG Oldenburg v. 17.3.1994 – 1 U 46/91, AG 1994, 417, 418 (reSp.) (Elsflether Werft). 223 T. Bezzenberger, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 71c Rn. 10; MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71c Rn. 20; Merkt, in: GroßKommAktG, 2007, § 71 Rn. 34, 38. 224 Hüffer, AktG, 2008, § 71c Rn. 7; MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 211; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71c Rn. 27. Die von Lutter, aaO, 1988, § 71b Rn. 14, erhobene Forderung der Zustimmung aller Aktionäre zu einer Veräußerung der Aktien außerhalb der Börse ohne gleichwertige Erwerbschance aller und die Bindung der Vorstandsentscheidung an die aus § 186 Abs. 1 AktG folgenden Grundsätze spricht nicht gegen das Bezugsrecht, sondern deckt sich mit Ausnahme der unterschiedlichen Abstimmungsquoren mit einer Analogie des § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG. 225 MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 255.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

3. Veräußerung von Aktien nach §§ 65 Abs. 3 und 226 Abs. 3 AktG a) Veräußerung kaduzierter Aktien nach § 65 Abs. 3 AktG Die Veräußerung von Aktien nach § 65 Abs. 3 S. 1 AktG ist Teil des Kapitalaufbringungsgebotes und soll der AG ermöglichen, bei einem Zahlungsausfall des säumigen Aktionärs nach § 64 Abs. 1 AktG und seiner Vormänner im Interesse der realen Kapitalaufbringung die Zahlung der rückständigen Geldeinlage zu erreichen.226 Läßt sich die Aktie nach einem Ausschluß des säumigen Aktionärs nicht bei den Vormännern verwerten bzw. konnte die rückständige Einlage nicht vollständig beigebracht werden, §§ 65 Abs. 1, 64 AktG, hat der Vorstand börsennotierte Aktien zum Börsenpreis zu verkaufen und Aktien ohne Börsennotierung im Sinne des § 383 Abs. 3 S. 1 BGB öffentlich zu versteigern, § 65 Abs. 3 S. 1 AktG. Durch diese Veräußerungsform soll nach der Gesetzesbegründung der „ausgeschlossene Aktionär . . . vor der Gefahr einer Verschleuderung der Aktie durch die Gesellschaft“ geschützt werden, so daß es Bestreben der AG sein muß, einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen.227 Im Sinne der realen Kapitalaufbringung und zum Schutz des ausgeschlossenen Aktionärs, dessen Ausfallhaftung nach § 64 Abs. 4 S. 2 AktG durch den Veräußerungserlös insoweit erlischt, hat die Erzielung eines möglichst hohen Erlöses Vorrang vor der bevorrechtigten Zuteilung der Aktien an Aktionäre. Aus der Norm läßt sich daher für die Frage nach den Verhaltenspflichten der Verwaltung und der Rechte der Aktionäre bei der ungebundenen Veräußerung eigener Anteile nichts entnehmen. b) Veräußerung neuer Aktien im Rahmen der Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung von Aktien Nach § 226 Abs. 3 S. 1 AktG sind die neuen Aktien, die im Rahmen der Kapitalherabsetzung durch Zusammenlegung von Aktien gemäß § 222 Abs. 4 S. 2 AktG infolge der Kraftloserklärung nach § 226 Abs. 1, 2 AktG 226

Siehe auch Hüffer, AktG, 2008, § 65 Rn. 1, zum Normzweck. Dazu § 65 Abs. 3 S. 2 AktG und auch Begr RegE zu § 65 AktG 1965 bei Kropff, AktG, 1965, S. 85. Das AktG sieht in der Folge den Schutz der Gläubiger im Hinblick auf die Durchsetzung des Gebots der Kapitalaufbringung bei der Versteigerung nach § 65 Abs. 3 S. 1 Var. 2 AktG als vorrangig an; zu erstem MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 65 Rn. 3; Hüffer, AktG, 2008, § 65 Rn. 1; zu letztem BGH v. 30.9.1991 – II ZR 47/91, AG 1992, 27, 28 (reSp.). Zu den Pflichten des Vorstandes siehe auch MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 65 Rn. 88; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 65 Rn. 26; Gehrlein, in: GroßKommAktG, 2000, § 65 Rn. 65; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 65 Rn. 39 und 43. 227

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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an Stelle der für kraftlos erklärten Aktien auszugeben sind, unverzüglich zu verwerten. Diese Pflicht zur unverzüglichen Verwertung der zusammengelegten Teilrechte besteht allein zum Schutz der Aktionäre, denen das Gesetz nicht zumutet, durch langes Zuwarten Kursverluste zu realisieren oder mit anderen in einer Zwangsgemeinschaft zu verbleiben.228 Die Verwertung der neuen Aktien entspricht der Verwertung gemäß § 65 Abs. 3 S. 1 AktG, so daß hierauf verwiesen werden kann. 4. Ungebundene Veräußerungsfälle bei Kapitalerhöhungen Der Vorstand schließt Zeichnungsverträge für die AG, wobei er die Vorgaben, die von der Hauptversammlung im Rahmen des Kapitalerhöhungsbeschlusses gemacht wurden, bei der Auswahl der Zeichner beachten muß. Haben die Aktionäre nicht zugleich bestimmt, wer zur Zeichnung der neuen Aktien zugelassen wird, hat der Vorstand hierüber zu entscheiden, wobei sich diese Situation vor allem in zwei Fällen ergibt: Das Bezugsrecht wird ausgeschlossen, ohne daß ein Erwerber bestimmt wird, was insbesondere im Rahmen des genehmigten Kapitals erfolgt, wenn der Vorstand auch dazu ermächtigt wird, über den Ausschluß des Bezugsrechts zu entscheiden. Daneben besteht auch die Möglichkeit, daß zwar ein Bezugsrecht der Aktionäre besteht, nicht sämtliche Aktionäre aber hiervon Gebrauch machen, so daß darüber zu entscheiden ist, wer die freien Aktien erhalten soll. a) Aktienausgabe ohne Bestimmung des Erwerbers Wird der Vorstand durch die Gründungssatzung oder einen satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluß ermächtigt, über den Ausschluß des Bezugsrechts zu entscheiden, §§ 202, 203 Abs. 2 S. 1 AktG, oder schließt die Hauptversammlung im Rahmen der Kapitalerhöhung das Bezugsrecht selbst aus und ergibt sich aus dem Zweck des Ausschlusses nicht, wer zum Bezug der neuen Aktien berechtigt ist, hat der Vorstand die Zeichner auszuwählen.229 In der Literatur wird dabei vertreten, daß außerhalb des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG die neuen Aktien gegen Bareinlage grundsätzlich an die Altaktionäre unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auszuge228 Spindler/Stilz/Marsch-Barner, AktG, 2007, § 226 Rn. 19; MünchKommAktG/Oechsler, 2001, § 226 Rn. 24. Zum Normzweck Hüffer, AktG, 2008, § 226 Rn. 14; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1993, § 226 Rn. 13, 26. 229 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 40 und § 204 Rn. 3; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 186; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 137; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 186 Rn. 60. Siehe auch RG v. 13.12.1927 – II 401/27, RGZ 119, 248, 254 (Hamburg Süd AG).

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

ben sind, da sich der Bezugsrechtsausschluß insoweit als nicht erforderlich erwiesen habe.230 Bei frei werdenden Bezugsrechten infolge des Bezugsrechtsausschlusses zur Vermeidung einer Spitzenbildung seien die neuen Aktien im Wege eines nachrangigen Bezugsrechts erst den Altaktionären unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und anschließend außenstehenden Dritten anzubieten.231 b) Bezugsrechtskapitalerhöhung und freie neue Aktien Verstreicht die Ausübungsfrist iSd. § 186 Abs. 1 S. 2 AktG als Ausschlußfrist für die Ausübung des Bezugsrechts fruchtlos, führt dies zum Verlust des Bezugsrechtsanspruchs.232 Da das Bezugsrecht nach allgemeiner Meinung nicht den übrigen Bezugsberechtigten anteilig zuwächst, kann die AG über nicht bezogene Aktien frei verfügen, ohne pflichtwidrig zu handeln, muß aber zu besten Kursen ausgeben; der im Kapitalerhöhungsbeschluß bestimmte Ausgabebetrag stellt dabei die Untergrenze dar. Will die Verwaltung davon abweichen, muß die AG die jungen Aktien nach h. M. unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes den bezugsberechtigten Aktionären anbieten.233 230 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 40 und § 204 Rn. 3; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 204 Rn. 5; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 204 Rn. 22; Peifer, aaO, 2005, § 186 Rn. 101; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 125; Wiedemann, aaO, 1995, § 186 Rn. 107; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 186 Rn. 95 f.; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 140. Siehe auch Ihrig, in: FS Happ, 2006, S. 109, 124. 231 Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 155; MünchKommAktG/ Peifer, 2005, § 186 Rn. 101. 232 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 16; Kraft/Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 73; Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 21; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 44; AnwK-AktG/Rebmann, 2002, § 186 Rn. 21; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 97; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 64; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 186 Rn. 30, 34 und 25. Siehe aber auch Ziffer 15 (1) Satz 2 der Sonderbedingungen für Wertpapiergeschäfte, wonach die Depotbank auch ohne ausdrückliche Weisung des Aktionärs berechtigt und verpflichtet, am letzten Handelstag des Bezugsrechts dieses für den Aktionär bestens zu veräußern. 233 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 16; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 12; Kraft/Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 73; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 44; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2183; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 53 und 97; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 66; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 186 Rn. 25 und 34; wohl auch Spindler/Stilz/

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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Dem vergleichbar ist die Situation, daß weniger Aktien nach § 185 AktG gezeichnet wurden als aufgrund der Kapitalerhöhung ausgegeben werden können, Aktionäre also das Bezugsrecht ausgeübt, nicht jedoch den Abschluß eines Zeichnungsvertrages verlangt haben. Die Aktien können an Dritte oder an die Aktionäre, dann aber unter Wahrung des Gleichbehandlungsgebotes, ausgegeben werden.234 Teilweise wird vertreten, daß die Aktien im Zweifel den Aktionären und bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften auch an Dritte ausgegeben werden dürfen.235 c) Die zugrunde liegenden Wertungen Hieraus läßt sich ableiten, daß das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG mehr ist als nur ein schuldrechtlicher Anspruch, der mit dem Beschluß der Hauptversammlung über den Bezugsrechtsausschluß endgültig ausgeschlossen ist. Die Pflichtenlage des Vorstandes läßt sich damit begründen, daß aus der Mitgliedschaft ein allgemeines Bezugsrecht folgt, das anders als das konkrete Bezugsrecht infolge des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht durch den Hauptversammlungsbeschluß im Sinne des § 182 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 3 S. 1 AktG ausgeschlossen wird.236 Die Interessensituation, insbesondere das Schutzbedürfnis der Aktionäre ergibt sich im ersten Fall aus den oben dargelegten Gefahren einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß. Hinsichtlich der freien neuen Aktien bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen entspricht dies der Situation, die § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG zugrunde liegt, da die Beteiligungsquote der bezugswilligen Aktionäre aufgrund der Ausübung ihres Bezugsanspruchs sich nicht ändert, sondern nur die Gefahr der Verschiebung der Beteiligungsstruktur und der Vermögensbeeinträchtigung durch eine zu billige Ausgabe der Aktien droht. Das von der überwiegenden Literaturansicht befürwortete Erwerbsrecht läßt sich folglich mit dem Schutzgedanken, der den Regelungen der § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG zugrunde liegt, erklären. Dann erscheint es aber unter Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 21. Kritisch Busch, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 39 Rn. 54 (S. 1355) und 67 (S. 1363); a. A. Herfs, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 4 Rn. 40 f. (S. 144 f.) und Rn. 99 (S. 166), der nur § 53a AktG anwenden will. 234 Hüffer, AktG, 2008, § 185 Rn. 25; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 185 Rn. 31; Schlitt/Seiler, WM 2003, 2175, 2183; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 185 Rn. 45; differenzierend Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 185 Rn. 26; a. A. RG v. 16.9.1927 – II 21/27, RGZ 118, 67, 71. 235 Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 18; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 12. 236 Dazu Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 60; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 18 f.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Rückgriff auf § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG angebracht, daß die Aktien über die Börse verkauft werden können, sofern diese Gattung schon notiert ist, und in anderen Fällen den Aktionären unter Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zum Erwerb anzubieten sind.

II. Rechte und Pflichten bei ungebundener Veräußerung eigener Aktien durch die AG In Fällen der ungebundenen Veräußerung eigener Aktien bedürfen die Aktionäre Schutz vor einem Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der AG und den Wert der Beteiligung der Aktionäre. Die untersuchten Vorschriften zu ungebundenen Veräußerungsfällen sehen eine Befassung der Hauptversammlung nicht vor, schützen aber die Aktionäre durch die Grundsätze der Gleichbehandlung und gleichmäßigen Zuteilung der Aktien, die im Wortlaut des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zum Ausdruck kommen bzw. vom Gesetzgeber vorausgesetzt werden. Zur Absicherung besteht grundsätzlich ein Erwerbsrecht der Aktionäre, dessen Grundlagen nachfolgend aufgedeckt werden sollen. 1. Grundlagen des aktienrechtlichen Erwerbsrechts Die Regelungen des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG finden auch auf andere Formen der Wiederveräußerung eigener Aktien Anwendung, da ein gleiches Schutzbedürfnis der Aktionäre besteht. Dies legt es nahe, ein allgemeines aktienrechtliches Erwerbsrecht grundsätzlich bei allen Fällen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien anzunehmen, bei denen die Hauptversammlung nicht über die Veräußerung entscheidet und keine abweichenden Wertungen zum Schutz einzelner Aktionäre wie im Rahmen der §§ 65 und 226 AktG entgegenstehen. a) Kritik in der Literatur Teile der Literatur stehen dem Gedanken eines allgemeinen Bezugsrechts kritisch gegenüber,237 so daß fraglich erscheint, ob damit nicht zugleich ein allgemeines Erwerbsrecht abzulehnen ist. Zuzustimmen ist dieser Ansicht 237 Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 125 f.; von allgemeinem Bezugsrecht sprechen etwa Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 6; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 18; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 60; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 14; siehe auch Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 186 Rn. 10, 15 (Bezugsgrundrecht); Habersack, ZIP 2004, 1121, 1124 (reSp.).

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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insoweit, als die § 186 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 S. 1 AktG nicht ein allgemeines Bezugsrecht regeln können, da Verfügungen über das Bezugsrecht wie dessen Veräußerung das aus der Mitgliedschaft folgende Recht des Aktionärs auf Teilnahme an weiteren Kapitalerhöhungen unangetastet lassen.238 Auch wenn die Paragraphenüberschrift ebenfalls von „Bezugsrecht“ spricht, stellt der Wortlaut des § 186 Abs. 1 S. 1 AktG im Gegensatz zu den oben zitierten Vorschriften gerade nicht auf den konkreten Bezugsrechtsanspruch, sondern vielmehr auf das allgemeine Bezugsrecht als Stammrecht ab, das untrennbarer Bestandteil der Mitgliedschaft ist und damit nicht Gegenstand einer Verfügung sein kann.239 Das Argument, daß die dogmatische Figur eines allgemeinen Bezugsrechts spätestens mit der Anerkennung des Mitgliedschaftsrechts für die Begründung entbehrlich geworden sei,240 ist zutreffend. So hat schon Wiedemann darauf hingewiesen, daß der Gesetzgeber mit der Einführung des Bezugsrechtsausschlusses eine auch ohne das gesetzliche Bezugsrecht bestehende allgemeine Pflicht der Mehrheit zur Interessenwahrung bestätigt hat, und auch im GmbH-Recht ist ohne gesetzliche Normierung das Bezugsrecht überwiegend anerkannt.241 Mittels des allgemeinen Bezugsrechts werden aber die Pflichtenlage der Verwaltung und die Rechte der Aktionäre stabilisiert.242 Daher wird das all238

Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 126. So auch Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 6; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 18 f.; Habersack, ZIP 2004, 1121, 1125 (reSp.); siehe auch Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 126, der ebenfalls die Mitgliedschaft als Grundlage des Bezugsrechts sieht. Nach Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 2 (S. 261), erklärt sich hieraus die Verselbständigung des konkreten Bezugsrechts. 240 Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 126. 241 Wiedemann, in: GroßkommAktG, 1971, § 186 Anm. 3, und ders., GesR I, 1980, § 8 III 2 (S. 446); siehe auch Lutter, AcP 180 (1980), 84 ff., 123, mit ausführlicher Begründung, daß ein Bezugsrecht im Recht der GmbH bestehe, ohne daß es hierzu einer gesetzlichen Regelung bedürfe. Ein gesetzliches Bezugsrecht der GmbH-Gesellschafter bejahen etwa B/H/Zöllner, GmbHG, 2006, § 55 Rn. 20; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 2004, § 55 Rn. 17, und ders., AG 1994, 336, 341 (liSp.); Michalski/Hermanns, GmbHG, 2002, § 55 Rn. 38 ff.; K. Schmidt, GesR, 2002, § 37 V 1a ee (S. 1174); so auch schon Lutter, aaO, und Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 III 2b (S. 448). Die Stimmen, die sich nicht für ein solches gesetzliches Bezugsrecht aussprechen, kommen teilweise zu ähnlichen Ergebnissen; siehe etwa Hachenburg/ Ulmer, GmbHG, 1991, § 55 Rn. 39 ff. (Anwartschaft der Gesellschafter auf Teilnahme an der Kapitalerhöhung); Winter, Treubindungen, 1988, § 15 (S. 262 ff.: Anwendung der Grundsätze der Gleichbehandlung sowie der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit). A. A. G. H. Roth/Altmeppen, GmbHG, 2005, § 55 Rn. 21; Meyer-Landrut, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, GmbHG, 1997, § 55 Rn. 19; Rowedder/Zimmermann, GmbHG, 2002, § 55 Rn. 29 f. 242 Zur vergleichbaren Kontroverse im Hinblick auf die gesetzliche Verankerung des Gleichbehandlungsgebots in § 53a AktG siehe Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 1; MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 2. 239

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

gemeine Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen, das aus der Mitgliedschaft der Aktionäre folgt, nicht allein wegen der Anerkennung der Mitgliedschaft als Rechtsverhältnis entbehrlich, was sich insbesondere bei Eingriffen in das Bezugsrecht der Aktionäre zeigt und auf die vergleichbare Figur des aktienrechtlichen Erwerbsrechts übertragen werden kann.243 b) Grundlagen des allgemeinen Erwerbsrechts Der Gesetzgeber hat Erwerbs- und Bezugsrecht der Aktionäre bei Wiederveräußerung eigener Aktien und Kapitalerhöhungen gegen Einlagen sowie die Kompetenz der Hauptversammlung zum Ausschluß dieser Rechte lediglich in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 und 186 AktG geregelt.244 Der Gesetzesbegründung des KonTraG, mit dem die Regelung des § 71 Nr. 1 Nr. 8 AktG eingeführt wurde, läßt sich nicht entnehmen, daß das Erwerbsrecht nur auf Fälle der Wiederveräußerung eigener Aktien infolge eines Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung Anwendung finden oder die Verwaltung bei anderen ungebundenen Veräußerungsfällen insbesondere in der Auswahl des Erwerbers frei sein soll. Sie formuliert vielmehr breiter angelegt einen „Grundsatz gleicher Zuteilung bei Wiederveräußerung eigener Aktien“, der sich als über die Vorschriften des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG hinausgehend darstellt und seine Entsprechung im Wortlaut des § 186 Abs. 1 S. 1 AktG findet. Die Erwägungen der Gesetzesbegründung zu den Gefahren einer Abweichung von diesem Grundsatz lassen sich auf alle Fälle ungebundener Veräußerungen eigener Aktien übertragen.245 Die analoge Anwendung ist auch geboten, da in sämtlichen Fällen die Interessenlage, insbesondere das Schutzbedürfnis der Aktionäre vergleichbar, aber nur in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 und 186 Abs. 1 S. 1 AktG eine ausführliche Regelung enthalten ist. Zum Schutz der Aktionäre besteht daher bei sämtlichen Fällen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien durch die AG, bei denen keine vorrangigen Rechtsansprüche Dritter oder Schutzinteressen einzelner Aktionäre bestehen, ein Erwerbsrecht der Aktionäre, auf das § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 AktG entsprechend Anwendung findet, sofern nicht im Recht der Kapitalerhöhung die Sonderbestimmung des § 186 Abs. 1 243 Siehe auch Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 126 und 145, der im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung ihres Bezugs- bzw. Mitgliedschaftsrechts im Wege der Naturalrestitution eine Zuteilung der Aktien an die Aktionäre befürwortet, die anhand der für das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG geltenden Verteilungsregel zu erfolgen habe. Diese Verteilungsregel, die ihre Ausprägung in dem gesetzlichen Zuteilungsmaßstab des § 186 Abs. 1 S. 1 AktG findet, korreliert mit dem allgemeinen Erwerbsrecht. 244 Siehe auch Habersack, ZIP 2004, 1121, 1124 (reSp.). 245 So auch Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 280.

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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S. 1 AktG eingreift.246 Eine Ausnahme gilt nur in den Fällen der §§ 65 Abs. 3 S. 1 Var. 2, 226 Abs. 3 S. 1 Var. 2 AktG, da hier die Erzielung eines möglicht hohen Preises im Interesse des Aktionärs Vorrang hat und ein Erwerbsrecht einer optimalen Verwertung im Wege der öffentlichen Versteigerung gerade entgegenstehen würde.247 Die beim Barverkauf im Falle des § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG erforderliche Hauptversammlungszustimmung zeigt in der Zusammenschau mit S. 4 der Vorschrift, daß für den verminderten Schutz der Aktionäre nicht allein die Kenntnis des Marktwertes der Aktien und damit eine an diesem Wert orientierte Veräußerung ausreicht, sondern zudem ein Eingriff in die Beteiligungsstruktur der AG ausgeschlossen sein muß. Der hierdurch vermittelte Vermögensschutz soll die Aktionäre vor einer Entwertung ihrer vermögensmäßigen Beteiligung an der AG bewahren, die mit einem Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur verbunden ist.248 Beim Schutz der Beteiligungsstruktur der AG steht die Sicherung des Einflusses aus der Mitgliedschaft im Vordergrund mit dem Ziel, Einflußmöglichkeiten auf Entscheidungen nicht zur Disposition der Verwaltung zu stellen. Dieser Gedanke liegt auch der Vorschrift über das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG zugrunde, die ein Erwerbsrecht der Aktionäre für den Fall einer ungebundenen Erstveräußerung in Form der Ausgabe neuer Aktien vorsieht, weitergehend aber auch vor der Veränderung der Beteiligungsquote durch die Vergrößerung des Grundkapitals mittels Ausgabe neuer Aktien und die damit relativ abnehmende Beteiligungsquote der nicht beziehenden Aktionäre schützt. c) Das aktienrechtliche Erwerbsrecht Nach dem in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG enthaltenen Grundsatz gleichmäßiger Zuteilung bei der ungebundenen Wiederveräußerung eigener Aktien, der schon vor Einführung der Vorschrift insbesondere im Hinblick auf die vom Gesetz angeordnete Veräußerung von Aktien nach § 71c Abs. 2 AktG anerkannt war, sind den Aktionären die Aktien unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots anzubieten. Damit beschränkt sich der Grundsatz nicht auf den Regelungsgehalt des § 53a AktG, sondern soll die Aktionäre neben einer Ungleichbehandlung im Sinne dieser Vorschrift durch eine Ver246

Vgl. auch Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 49; MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 96 ff.; Boese, Sachliche Rechtfertigung, 2004, S. 280. 247 Hierzu auch MünchKommAktG/Oechsler, 2001, § 226 Rn. 34. 248 Groß, AG 1994, 266, 276 (liSp.), ist darin zuzustimmen, daß das Bezugsrecht keinen allgemeinen Schutz vor Veränderungen des Vermögenswertes der Beteiligung hat; es soll aber den Aktionär gerade vor solchen Wertveränderungen durch die Ausgabe neuer Aktien schützen.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

äußerung an einzelne (Alt-)Aktionäre auch davor bewahren, daß die Verwaltung Neuaktionären die Beteiligung an der AG unter Wert anbietet und diese die Anteile zu einem im Vergleich zu den Altaktionären günstigeren Einstandskurs erwerben.249 Das Erwerbsrecht ist damit wie das Bezugsrecht nicht nur Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, sondern hat seine Grundlage in der Mitgliedschaft.250 Es gewährt damit den Aktionären über einen positiven Anspruch auf Gleichbehandlung hinausreichend einen Schutz vor einer Beschneidung ihrer Rechtsposition beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile durch Bevorzugung Dritter, der durch einen Anspruch gegen die AG auf Zuteilung der Aktien abgesichert wird.251 Das Gesetz anerkennt damit die Anlegerinteressen der Aktionäre börsennotierter Gesellschaften und den Schutz der Beteiligungsstruktur.252 Mit dem Recht der Aktionäre zum Schutz ihrer Mitgliedschaft korreliert zugleich eine Pflicht der Verwaltung, beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile, die un- oder mittelbar in gleicher oder verwandter Weise in die Mitgliedschaft eingreifen, den durch das Erwerbsrecht vermittelten Schutzbereich zu beachten.253 Nicht börsennotierte Aktien sind den Aktionären entsprechend ihrer Beteiligungsquote zum Erwerb anzubieten. Für eine ungebundene Wiederveräußerung eigener Aktien an einzelne Aktionäre oder Dritte, die anders als die Wiedereinführung in den Markt über die Börse gezielt an diese erfolgt, ist damit ein Beschluß der Hauptversammlung zum Ausschluß des Erwerbsrechts der Aktionäre erforderlich, der den Voraussetzungen des § 186 249 So MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 221, 247; dazu auch Peltzer, WM 1998, 322, 327 (liSp.), unter Bezugnahme auf die historischen Entwicklungen zum Rückerwerb eigener Aktien. 250 Zum Verhältnis von Bezugsrecht und Gleichbehandlungsgrundsatz MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 7 (Bezugsrecht nach § 186 AktG spezielle Ausprägung des Gleichbehandlungsgebots); Zöllner, AG 2002, 585, 588 (reSp.); Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 56, 136; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 186 Rn. 59; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, A I (S. 15); auch schon Füchsel, BB 1972, 1533, 1535. Aus der von G. Hueck, Gleichbehandlungsgrundsatz, 1958, S. 333 ff., und Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 28 V (S. 311 ff.), geforderten Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in den Fällen des Ausschlusses des Bezugsrechts zur Ausgabe an einzelne Aktionäre folgt zugleich, daß bei der Ausgabe an Dritte dieser Grundsatz gerade nicht greift; dazu auch Zöllner, AG 2002, 585, 588 (reSp.). 251 Siehe auch K. Schmidt, GesR, 2002, § 16 II 4b ee (S. 465). 252 Vgl. T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 126 (Rn. 150). 253 Nach BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 41, 45 (Kali+Salz), liegt die eigentliche Aufgabe des Bezugsrechts im Schutz der Mitgliedschaft; dazu näher oben S. 238 ff. Ähnlich Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 364. Zum Verhältnis der Rechte der Aktionäre und korrelierender Pflichten der Verwaltung MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 247.

B. Veräußerung von Anteilen ohne Zustimmungserfordernis der HV

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Abs. 3, 4 AktG entsprechen muß, § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 AktG.254 Die aktiengesetzliche Kompetenzregelung der Organe der AG steht dem nicht entgegen, so daß auch eine Befassung der Hauptversammlung mit dem Ausschluß des Erwerbsrechts hiermit vereinbar ist.255 2. Grenzen des aktienrechtlichen Erwerbsrechts § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG eröffnet der AG die Möglichkeit, aufgrund eines Ermächtigungsbeschlusses der Hauptversammlung erworbene eigene Aktien über die Börse wieder zu veräußern, wenn Aktien dieser Gattung bereits börsennotiert sind.256 Auch in anderen Fällen des Erwerbs eigener Aktien können diese damit über die Börse wieder in den Markt eingeführt werden, sofern Aktien dieser Gattung bereits börsennotiert sind, da diese Veräußerungsform aufgrund ihrer Anonymität und Neutralität den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt und wegen des bestehenden Börsenpreises das Beteiligungsvermögen nicht gefährdet wird. Der in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 und 186 Abs. 3 S. 4 AktG zum Ausdruck kommende aktienrechtliche Grundsatz, daß investitionsbereite Aktionäre die Möglichkeit haben sollen, durch Zukauf neuer Aktien ihren status quo zu erhalten, muß zwar auch bei der Wiederveräußerung eigener Aktien beachtet werden und wird durch das grundsätzlich bestehende Erwerbsrecht abgesichert. Dem allgemeinen aktienrechtlichen Erwerbsrecht der Aktionäre ist bei einer Veräußerung der Aktien einer börsennotierten AG über die Börse allerdings genüge getan, wenn der Markt hinreichend breit ist, so daß die Aktionäre über die Börse Aktien zukaufen können. Denn dann können die Aktionäre über den Erwerb weiterer Anteile an der Börse den Grundsatz gleicher Zuteilung selbst verwirklichen.257 254

So auch MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 96 ff. Zu über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden Kompetenzen der Hauptversammlung siehe BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 (Holzmüller). Die gegen die Holzmüller-Doktrin eingewandte generalklauselartige Erstreckung der Hauptversammlungskompetenz auf eine Vielzahl von Strukturmaßnahmen und die damit verbundene Rechtsunsicherheit (dazu Hommelhoff ZHR 151 (1987), 493, 507; H. P. Westermann, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 259; und unten Vierter Teil) ist hier nicht gegeben, da die Hauptversammlung nur beteiligt werden muß in Fällen ungebundener Beteiligungsveräußerung, bei denen das Erwerbsrecht der Aktionäre ausgeschlossen werden und die Wiedereinführung der Aktien in den Markt nicht über die Börse erfolgen soll. 256 Unter Börse ist dabei der Handel in allen Marktsegmenten zu verstehen, der zu einem Börsenpreis führt; hierzu Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d AktG, BTDrs. 13/9712, S. 13 (reSp.); und MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 253. 257 Zu den Unterschieden des Erwerbsrechts nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG und dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG schon oben S. 296. 255

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Der mindere Schutz der Aktionäre in diesen Fällen hat seinen Grund darin, daß die Veräußerung weder gezielt in die Beteiligungsstruktur der AG und die Beteiligungsquote der Aktionäre noch in den Wert deren Beteiligung eingreift. Da der nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zugelassene Erwerb sich auf einen Anteil von zehn Prozent des Grundkapitals beschränkt, hat die entsprechende Anwendung des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG zur Folge, daß jede am Börsenkurs orientierte Veräußerung unter den weiteren Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG erwerbrechtsfrei vorgenommen werden kann. Dabei fällt auf, daß bei einer Veräußerung zu Börsenkursen die §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 2, 186 Abs. 3 S. 4 AktG die Befassung der Hauptversammlung auch mit der Veräußerung fordern, während bei einem Vorgehen nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG eine solche nicht vorgesehen ist. Bei beiden Veräußerungsweisen ist nach der gesetzgeberischen Intention die vermögensmäßige Beteiligungsverwässerung aufgrund der Ausrichtung am Börsenkurs ausgeschlossen und auch die am Grundkapital orientierte Beteiligungsquote des Aktionärs ändert sich nicht, wenn der Aktionär an dem Veräußerungsvorgang nicht teilnimmt. Bei der Veräußerung infolge des Hauptversammlungsbeschlusses kann der Vorstand aber alle Aktien etwa an einen Erwerber veräußern und damit gezielt in die Beteiligungsstruktur eingreifen, was aufgrund der Anonymität der Veräußerung über die Börse gerade nicht möglich ist. Grund für die geringeren Anforderungen im Falle des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG bzw. des Ausschlusses der Aktionärsmitwirkung bei der Veräußerung von Aktien im Wege der Versteigerung, vgl. §§ 65 Abs. 3 S. 1 Var. 2, 226 Abs. 3 S. 1 Var. 2 AktG, und von bereits börsennotierten Aktien über die Börse nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG ist die Sicherstellung, daß die Aktien bei der Versteigerung zum höchstmöglichen Preis, in den anderen Fällen unter Orientierung am Marktwert verkauft werden,258 also die Gefahr einer Verwässerung des Beteiligungsvermögens nicht besteht oder vom Gesetzgeber als gering angesehen wird, und durch die Anonymität der Börsenveräußerung und das Kriterium des höchsten Preises bei der Versteigerung die Verwaltung hinsichtlich des Preises und der Person des Erwerbers kein Ermessen hat.

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Zu § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG T. Bezzenberger, Eigene Aktien, 2002, S. 126 (Rn. 150); MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 256; siehe im Übrigen auch Abs. 3 S. 1 Var. 1 der §§ 65, 226 AktG.

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts

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C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile Im folgenden Abschnitt sind auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse zum Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile die zwei tragenden Schutzrichtungen – Schutz vor einem Eingriff in die Aktionärsstruktur und des Wertes der Beteiligung der Aktionäre – weiter auszuarbeiten.

I. Zusammenfassung der Ergebnisse des Aktionärsschutzes beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile Der Schutz der Aktionäre vor den Gefahren, die mit dem Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile verbunden sind, wird aktienrechtlich in verschiedenen Vorschriften, die eine Hauptversammlungskompetenz statuieren, und dem ungeschriebenen aktienrechtlichen Erwerbsrecht der Aktionäre auf Anteile an der AG erreicht, das mit dem Erwerbsrecht und dem Bezugsrecht in den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8, 186 Abs. 1 S. 1 AktG eine spezielle Ausprägung erfahren hat. Gemeinsames Regelungsziel ist der Schutz der Aktionäre vor Eingriffen der Verwaltung in die Aktionärsstruktur der AG und das Beteiligungsvermögen der Aktionäre. 1. Schutzrichtungen der Beteiligung der Hauptversammlung Aus einer Zusammenschau der §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG sowie des § 186 Abs. 3 S. 1 AktG, die eine Beschlußfassung der Hauptversammlung für Fälle einer Veräußerung bestehender oder Ausgabe neuer Aktien der AG an einzelne Aktionäre oder Dritte vorsehen, läßt sich der vornehmliche Schutzgedanke entnehmen, der die Befassung der Hauptversammlung mit diesen Vorgängen erfordert und die Kompetenz des Vorstandes einschränkt. Den Aktionären soll die Entscheidung zukommen, ob eine solche Form des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien durchgeführt werden soll, die mit einem Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der AG verbunden ist und zu einer Wertminderung ihrer Beteiligung führen kann. Mit der Auswahl des Erwerbers der Aktien nimmt der Vorstand auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises Einfluß und damit auch auf die

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Machtverteilung in der Hauptversammlung. Der zweite Gesichtspunkt wird insbesondere dann relevant, wenn die Aktien nicht an der Börse gehandelt werden und daher mangels eines Marktpreises die Gefahr besteht, daß einzelne Altaktionäre oder Neuaktionäre eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu einem Preis erwerben, der unter dem angemessenen Wert der Aktien liegt, und damit der Wert der von den Altaktionären gehaltenen Beteiligung sinkt. 2. Schutzrichtungen des allgemeinen aktienrechtlichen Erwerbsrechts Damit entspricht der Schutzzweck der Vorschriften dem Regelungsgehalt des in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG nur beschränkt zum Ausdruck kommenden Grundsatzes, der die Aktionäre mittels des Erwerbsrechts neben einer Ungleichbehandlung im Sinne des § 53a AktG auch davor bewahren will, daß einzelne von der Verwaltung begünstigte Alt- oder Neuaktionäre die Beteiligung an der AG zu einem im Vergleich zu den Altaktionären günstigeren Einstandskurs erwerben. Der den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 und 186 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 AktG zugrundeliegende Schutzgedanke bezweckt, die Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur der AG und einer Verwässerung des Beteiligungswertes durch ein Erwerbsrecht an den wiederveräußerten oder neu ausgegebenen Aktien zu schützen, das ihnen entsprechend ihrer Beteiligungsquote zusteht und seine Grundlage in der Mitgliedschaft hat.259 Bei der Kapitalerhöhung werden die Aktionäre sowohl durch eine Beschlußkompetenz der Hauptversammlung als auch ein Bezugsrecht geschützt. Neben dem formalen Grund, daß die Kapitalerhöhung eine Satzungsänderung darstellt, die gemäß § 179 AktG einen Hauptversammlungsbeschluß erfordert, gründet sich das zweispurige Schutzsystem auf den besonderen Gefahren, die mit einer Kapitalerhöhung für die Aktionäre einhergehen, da neben der Vermögensbeeinträchtigung durch den Eingriff in die Beteiligungsstruktur auch eine Verschiebung der Beteiligungsquote der Aktionäre droht. 259 Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 46, wonach bei freien Veräußerungsfällen der Gedanke des § 186 Abs. 1 AktG eingreift. Siehe auch Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 364, und ders., in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 71c Rn. 27, wonach § 186 AktG nicht nur bei der Kapitalerhöhung, sondern auch bei der Veräußerung eigener Aktien zu beachten ist; das stimmt im Ergebnis mit der hier vertretenen Ansicht überein, da § 186 AktG ein spezielles Erwerbsrecht für neu ausgegebene, nicht aber für wiederveräußerte Aktien regelt, auf die das allgemeine Erwerbsrecht Anwendung findet; dazu etwa Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 3.

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts

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II. Der Schutz vor Eingriffen in den Wert der Beteiligung der Aktionäre Erwerben einzelne Aktionäre oder Dritte Aktien der AG unter Wert, erfolgt eine Vermögensverschiebung von den (Alt-)Aktionären, die vom Erwerb ausgeschlossen sind, hin zu den Erwerbern, der sich nachteilig auf den Beteiligungswert der ausgeschlossenen Aktionäre und die Höhe ihrer Vermögensansprüche auswirkt. Allerdings läßt sich allein aus der mit der Anteilsveräußerung verbundenen Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungswertes eine Kompetenz der Hauptversammlung zur Entscheidung über diesen Vorgang bzw. ein Erwerbsrecht der Aktionäre nicht herleiten, soweit auf die Wertverminderung des Gesellschaftsvermögens und damit zugleich des Beteiligungsvermögens der Aktionäre abgestellt wird. Denn der allgemeine aktienrechtliche Vermögensschutz wird durch die Haftungsregeln der §§ 93, 116 AktG gewährleistet, obliegt also, von den §§ 147 f. AktG abgesehen, dem Aufsichtsrat und nicht der Hauptversammlung bzw. den Aktionären. Die Besonderheit der untersuchten Veräußerungsformen liegt in der Art der Gegenleistung. Entscheidendes Abgrenzungskriterium zur Veräußerung sonstiger Vermögensbestandteile, die den Beteiligungswert bei einem Verkauf unter Wert vergleichbar beeinträchtigen, ist die Gewährung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der AG. Denn dann ist der Eingriff in den Wert der Beteiligung der Aktionäre mit einer Quersubventionierung zwischen Alt- und Neuaktionären und der Einflußnahme der Verwaltung auf die Aktionärsstruktur der AG verbunden. Die Verschaffung einer Beteiligung an der AG zugunsten anderer Aktionäre oder Dritte ist aufgrund der Schwierigkeiten der Bewertung der Anteile und der Veränderung der Beteiligungsstruktur der AG sowohl für den rein anlageorientierten als auch den Unternehmeraktionär gefährlich, da gleichermaßen eine Verwässerung des Beteiligungsvermögens droht. Der Schutz der Aktionäre vor einer Beeinträchtigung ihrer Vermögensposition vollzieht sich nach der Systematik des AktG durch das Gebot der Gleichbehandlung und den Grundsatz gleicher Zuteilung der Aktien einerseits und den Grundsatz der Wertäquivalenz zwischen dem Wert der neu ausgegebenen oder veräußerten Aktien und der dafür erhaltenen Gegenleistung andererseits, was deutlich wird bei den Vorschriften, die eine Veräußerung börsennotierter Aktien zum Börsenpreis (bzw. knapp darunter) zulassen.260 Dabei liegt der Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes insoweit 260

Hierzu auch Paefgen, AG 1999, 67, 68 (liSp.). Zur Wertäquivalenz und dem Schutz durch das Verwässerungsverbot nach § 255 Abs. 2 S. 2 AktG oben S. 238 ff. und eingehend noch unten im Fünften Teil, S. 484 ff.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

nicht in den Händen der Geschäftsleitung, sondern der Aktionäre mittels des Stimmrechts und des Erwerbs- und Bezugsrechts.261 Bietet die Verwaltung einzelnen ihr genehmen Aktionären Aktien unter Wert an, ist ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot offensichtlich. Nicht ohne weiteres läßt sich aber die Ungleichbehandlung begründen, wenn die Verwaltung die Aktien unter diesen Konditionen an Dritte ausgibt. Eine Ungleichbehandlung zwischen Aktionären besteht erst bei der Annahme des Erwerbsangebots der AG auf die Aktien durch die Erwerber, da diese erst ab diesem Zeitpunkt Aktionäre sind, nicht aber schon beim Tätigwerden der Verwaltung der AG durch Abgabe des Erwerbsangebotes. Die aktienrechtlichen Schutzmechanismen, Hauptversammlungsbeteiligung und Erwerbsrecht, schützen die Altaktionäre also auch vor solchen Konstellationen und damit einer Ungleichbehandlung gegenüber künftigen Aktionären, vermitteln also einen vorwirkenden Schutz vor einer Ungleichbehandlung. Der Grund ist darin zu sehen, daß diese Konstellationen bei unterschiedlichen Erwerbern in Anbetracht der vermögensmäßigen Auswirkungen auf die nicht erwerbenden Aktionäre nicht anders behandelt werden dürfen, da es für diese im Hinblick ihre Vermögensinteressen keine Rolle spielt, ob einzelne Aktionäre oder Dritte Aktien unter Wert beziehen.262 Für die zuletzt genannte Form der Ungleichbehandlung gibt allerdings der Wortlaut des § 53a AktG nichts her, da hiernach eine Gleichbehandlung bei bereits bestehender Beteiligung an der AG angeordnet wird.263 Wie bei den aktienrechtlichen Treubindungen zwischen AG und Aktionären, denen das gesellschaftsrechtliche Gleichbehandlungsgebot nahe steht,264 setzen nach herkömmlicher Ansicht gesellschaftsrechtliche Pflichtenbindungen die Mitgliedschaft voraus, so daß hiervon nicht eine Ungleichbehandlung zwischen Aktionären und Dritten umfaßt ist.265 Bevor hierauf nochmals näher einzugehen ist, soll die zweite Schutzrichtung der dargestellten Schutzmechanismen, der Schutz der Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur der AG, vertieft werden. 261

Siehe dazu auch BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/02, BGHZ 153, 47, 55 (Macrotron). 262 Im Hinblick insbesondere auf Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung und aktiengesetzliche Minderheitenrechte macht es dagegen einen Unterschied, ob Aktien an einzelne Aktionäre oder Dritte ausgegeben werden. 263 Siehe auch Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 173 f., zur Pflicht des Erwerbers von Aktien, der hiermit zugleich die Kontrolle über die AG erwirbt, zur Übernahme der verbleibenden Aktien, die weder aus der Treupflicht noch der Gleichbehandlung folge. 264 Näher zur dogmatischen Herleitung unten S. 338 f. 265 MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 6; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 31, 39; Henze, BB 1996, 489, 497 (liSp.); Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, Vorb. § 53a Rn. 3.

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts

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III. Der Schutz vor Eingriffen in die Aktionärsstruktur Die Teilhabe der Hauptversammlung an Entscheidungen über den Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien, die in verschiedenen Vorschriften geregelt ist, und das nur in einzelnen Vorschriften zum Ausdruck kommende Erwerbsrecht der Aktionäre dienen auch dem Schutz der Aktionäre vor einer Einflußnahme der Verwaltung auf die Aktionärsstruktur der AG. Die Aktionäre sollen davor bewahrt werden, daß die Verwaltung die Erwerber der Anteile bestimmt und damit Einfluß auf die Zusammensetzung des Anteilseignerkreises nimmt, da sich hierdurch Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung verschieben können, was das Einflußinteresse des mit mehr als fünf vom Hundert beteiligten Aktionärs und ein Bestandsinteresse des geringer beteiligten Aktionärs im Hinblick auf die Vorschriften in den §§ 327a ff. AktG beeinträchtigt.266 Nachfolgend soll aufgeklärt werden, ob eine aktienrechtliche Verhaltenspflicht des Vorstandes besteht, die diesem generell eine Einflußnahme auf den Aktionärskreis versagt, dem Vorstand also insoweit eine Neutralitätspflicht auferlegt ist. 1. Gegenläufige Ansichten zur Neutralitätspflicht des Vorstands nach AktG und WpÜG Den aktiengesetzlichen Vorschriften läßt sich nicht ohne weiteres eine Neutralitätspflicht des Vorstandes entnehmen, so daß die Frage deren Bestehens seit längerem strittig ist. Das WpÜG hat aufgrund der in § 33 eingeführten Regelung zum Handlungsumfang des Vorstandes in Übernahmesituationen neuen Anlaß zur Diskussion gegeben.267 Bevor auf die allgemeine aktienrechtliche Pflichtenbindung des Vorstandes einzugehen ist, soll die spezielle Pflichtenlage nach § 33 WpÜG untersucht werden, da Handlungen, die dem Vorstand hiernach in der Sondersituation eines aktuellen Übernahmeangebotes erlaubt sind, erst Recht in anderen Fällen gestattet sein müssen.268 Auf das Europäische Verhinderungsverbot nach § 33a Abs. 2 WpÜG,269 das an266 Zur Gefahr, daß der Vorstand sich nicht nur vom Gesellschaftsinteresse, sondern auch von eigennützigen Motiven leiten lassen könnte, oben in bei Fn. 186. 267 Zur Frage der Zulässigkeit einer Einflußnahme auf den Aktionärskreis schon Mestmäcker, BB 1961, 945, 946 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 76 Rn. 18, 26 und § 93 Rn. 61, und ders., AG 1990, 252, 257 ff., einerseits sowie Martens, in: FS Beusch, 1993, S. 529, 542 ff., und ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 151, 157 ff., andererseits. 268 Dies gilt zumindest im Hinblick auf Maßnahmen, die geeignet sind, eine Übernahme abzuwehren; dazu Bayer, ZGR 2002, 588, 618. 269 Eingeführt durch das Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz v. 8.7.2006, BGBl. I S. 1426; zur Parallelität der Tatbestände der Vorschriften siehe Begr RegE Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz zu § 33a WpÜG, BT-Drs. 16/1003, S. 19

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stelle des § 33 WpÜG tritt, wenn in der Satzung der Zielgesellschaft die Geltung des § 33 WpÜG ausgeschlossen ist (sog. opt in), ist nicht näher einzugehen, da sich die Vorschriften im Hinblick auf die hier zu untersuchende Pflichtenbindung des Vorstandes weitgehend entsprechen. 2. Verhaltenspflichten des Vorstandes nach WpÜG Die Verhaltenspflichten des Vorstandes der Zielgesellschaft bei feindlichen Übernahmen sind einer der meist diskutierten Problemkreise des Übernahmerechts. Die hiermit verbundenen Fragen haben aber auch jenseits von Übernahmesituationen Bedeutung, weil die besonderen Verhaltenspflichten in Übernahmesituationen Teil der allgemeinen Pflichten des Vorstandes sind. Im Mittelpunkt stehen dabei zwei Problemkreise: zum einen, ob an sich eine Neutralitätspflicht des Vorstandes im allgemeinen und im speziellen bei Übernahmeangeboten besteht und welche Reichweite sie hat; zum anderen, ob ein solches Verbot, auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises Einfluß zu nehmen, aus der Organpflicht des Vorstandes folgt oder aus der Kompetenz der Hauptversammlung und damit zusammenhängend, woraus ein solches Ver- bzw. Gebot abgeleitet werden kann. a) Regelungsgehalt des § 33 WpÜG Die Vorschrift des § 33 WpÜG regelt die Abwehr öffentlicher Übernahmeangebote für Aktien, die an einem organisierten Markt zugelassen sind, und enthält damit eine spezielle, das allgemeine Aktienrecht überlagernde Regelung.270 Gemäß § 33 Abs. 1 WpÜG darf der Vorstand der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten grundsätzlich keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebotes verhindert werden könnte, was schlagwortartig als Neutralitätspflicht umschrieben wird.271 (reSp.), und auch Diekmann, NJW 2007, 17, 17 (reSp.); Baums/Thoma/Kiem, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33a Rn. 6. 270 Nach der Gesetzesbegründung wird der aktienrechtliche Pflichtenmaßstab durch das WpÜG nicht verdrängt, sondern vielmehr konkretisiert; siehe Begr RegE zu § 33 WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 57 f. Weicht die Norm vom aktiengesetzlichen Pflichtenmaßstab ab, kommt ihr insoweit als lex specialis und lex posterior zu §§ 76, 93 AktG ein Vorrang vor den aktiengesetzlichen Normen zu; dazu Baums/ Thoma/Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 7; MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 50; Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 28 mit Fn. 62; Bayer, ZGR 2002, 588, 605. Zum Verhältnis des Verhinderungsverbots nach WpÜG und AktG siehe auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 31; Kort, in: GroßkommAktG, 2003, § 76 Rn. 104 f. 271 So etwa Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1363, unter Hinweis auf die Mißverständlichkeit dieses Begriffs. Die Begriffsbildung ist uneinheitlich; so wird von

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Mit dem hierin geregelten übernahmerechtlichen Verhinderungsverbot korreliert § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG, der eine Kompetenz der Hauptversammlung der Zielgesellschaft für solche Abwehrmaßnahmen unterstellt und die Möglichkeit statuiert, den Vorstand durch einen Vorratsbeschluß zu Handlungen im Hinblick auf künftige Übernahmeversuche zu ermächtigen, die an sich dem Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG unterfallen. Die daneben bestehende Möglichkeit der Hauptversammlung zur Fassung eines Ad-hoc-Beschlusses ist allgemein anerkannt.272 Soweit noch weitgehend Übereinstimmung besteht, als durch den Ermächtigungsbeschluß nur solche Hauptversammlungskompetenzen auf den Vorstand verlagert werden können, für die auch nach den allgemeinen aktienrechtlichen Regeln eine Ermächtigungsmöglichkeit besteht,273 sind im übrigen Bedeutung, Reichweite und Zusammenspiel von § 33 Abs. 1 und 2 WpÜG umstritten. Stillhaltegebot, Behinderungs-, Einmischungs- oder Vereitelungsverbot gesprochen; dazu MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 55. Entsprechend dem Wortlaut des Gesetzes wird hier von Verhinderungsverbot gesprochen; so auch Hopt, ZGR 2002, 333, 359; Bayer, ZGR 2002, 588, 618; Schlitt, aaO, Rn. 51; Baums/Thoma/Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 16. Der Gesetzgeber hat die Regelung in § 33a WpÜG unter der Überschrift „Europäisches Verhinderungsverbot“ eingeführt. 272 Auch wenn in § 33 Abs. 2 WpÜG nur die Kompetenz der Hauptversammlung zur Fassung eines Vorratsbeschluß statuiert und ein konkreter Ermächtigungsbeschluß auch in § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG nicht ausdrücklich vorgesehen ist, kann hieraus nicht geschlossen werden, daß eine Kompetenz der Hauptversammlung für konkrete Ermächtigungen gerade ausgeschlossen sein soll. Es handelt sich hierbei um ein Redaktionsversehen, so daß der Hauptversammlung eine solche Kompetenz aufgrund analoger Anwendung des § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG zusteht. Begründet werden kann eine Kompetenz der Hauptversammlung, Abwehrmaßnahmen konkret zu beschließen, aus einem Umkehrschluß des auf den Vorstand bezogenen Verhinderungsverbots nach § 33 Abs. 1, 2 WpÜG, einem Erst-Recht-Schluß aus der Aufsichtsratskompetenz nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG und der Kompetenz der Hauptversammlung zur Ermächtigung des Vorstandes nach Abs. 2 der Vorschrift sowie der Möglichkeit der erleichterten Einberufung der Hauptversammlung nach § 16 Abs. 4 WpÜG. Eine solche Kompetenz wird auch vom Gesetzgeber vorausgesetzt; siehe Begr RegE zu § 33 Abs. 2 WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 58 (reSp.); dazu auch Baums/Thoma/Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 75; MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 55; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 2003, § 33 Rn. 88; Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 89. Siehe auch § 33a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 WpÜG und dazu Begr RegE, BT-Drs. 16/1003, S. 19 (reSp.): „Die Hauptversammlung einer Zielgesellschaft unterliegt nicht dem Verhinderungsverbot“. 273 Der Wortlaut des § 33 Abs. 2 WpÜG kann nicht dahingehend verstanden werden, daß damit eine Delegationsmöglichkeit für alle in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallenden Maßnahmen eröffnet wird, da nicht davon ausgegangen werden kann, daß der Gesetzgeber mit der Schaffung der Vorschrift beabsichtigte, die allgemeine aktienrechtliche Zuständigkeitsordnung zu ändern. So auch Haarmann/ Schüppen/Röh, WpÜG, 2008, § 33 Rn. 24, 32; Baums/Thoma/Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 76; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007,

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b) Die Reichweite des Verhinderungsverbotes Der Vorstand der Zielgesellschaft hat eine eindeutige Position zu beziehen, wie § 27 WpÜG zeigt,274 der eine Pflicht des Vorstandes zur Anlegerinformation statuiert.275 Dieser darf in bestimmtem Umfang Werbung für das eigene unternehmerische Konzept betreiben, § 28 WpÜG, und auch die Suche nach einem Alternativangebot ist dem Vorstand nach § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 WpÜG gestattet, womit jedenfalls auch Einfluß auf die Aktionärsstruktur genommen wird. Eine strikte Neutralitätspflicht kann also nicht bestehen.276 Welche Abwehrmaßnahmen dem Vorstand im einzelnen gestatten sind, ist allerdings umstritten.277 Jedenfalls darf er durch solche den Aktionären nicht das Recht zur Entscheidung über das Angebot nehmen.278 Vor § 311 Rn. 19; Steinmayer/Häger, WpÜG, 2007, § 33 Rn. 26 ff.; Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2005, § 33 Rn. 174; MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 165 und 181 ff.; Thaeter/Brandi, Öffentliche Übernahmen, 2003, Teil 3, Rn. 318; Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 96; AnwK-AktienR/Haouache, 2002, § 33 WpÜG Rn. 12; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 2003, § 33 Rn. 88. 274 Diese Pflicht nach § 27 WpÜG wird zutreffend gegen das mit dem Begriff der Neutralitätspflicht umschriebene Verbot der Einflußnahme auf den Aktionärskreis eingewandt; so etwa Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 26; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 248; Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256, 1259 (reSp.); Kiem, ZIP 2000, 1509, 1510 (reSp.); Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1435. Dazu auch Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1380 ff., und ders., ZHR 166 (2002) 383, 418 ff. 275 Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 126. Schon nach geltendem Aktienrecht war die Verwaltung verpflichtet, über das Vorliegen eines Übernahmeangebotes zu informieren und zu der Frage Stellung zu nehmen, ob die beabsichtigte Übernahme im Interesse der Zielgesellschaft liege oder nicht. § 27 Abs. 1 WpÜG erstreckt diese Informationspflicht auch darauf, daß die Verwaltung sich zum konkreten Angebot des Bieters zu erklären hat, d.h. insbesondere zum Kaufpreis und den voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Übernahmeangebots. Hierzu Bayer, ZGR 2002, 588, 603; Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 102, und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1438; Hopt, aaO, S. 1361, 1380, ders., ZHR 161 (1997), 368, 411, und ders., ZGR 1993, 534, 556; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 76 Rn. 26. Zu der für die Entscheidung über den Verkauf der Anteile bedeutsamen Information der Aktionäre als Anleger durch den Vorstand und der Gefahr des Marktversagens aufgrund einer Informationsasymmetrie MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 295. 276 So schon auch Kiem, ZIP 2000, 1509, 1510 (reSp.); Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1433. 277 Zu den zulässigen und unzulässigen Verteidigungsmaßnahmen de lege lata MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 128 ff.; sowie schon vor Einführung des WpÜG Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1375 ff. 278 Deutlich Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 26 (Hervorheb. i. Orig.): „der Vorstand darf (und muss) Farbe bekennen, aber keine Fakten schaffen“; so auch Kiem, ZIP 2000, 1509, 1510 (reSp.), und schon Hopt, ZGR 1993, 534, 556; ähnlich

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts

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Losgelöst von der strittigen Frage, ob der Vorstand allgemeine Ermächtigungen durch die Hauptversammlung zur Abwehr von Übernahmeangeboten einsetzen darf,279 ist ihm gestattet, Abwehrmaßnahmen durchzuführen, denen der Aufsichtsrat vorher zugestimmt hat, § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG, was neben den Handlungen im Sinne der Alt. 1 der Vorschrift eine weitere Durchbrechung des grundsätzlichen Verhinderungsverbotes darstellt. Die Vorschrift, die erst in einem sehr späten Stadium Teil des Gesetzgebungsverfahrens wurde,280 ist dementsprechend rechtspolitisch äußerst umstritten, da sie nach Wortlaut und Systematik auch die Durchführung solcher Maßnahmen ermöglicht, die sich nicht als Handlung eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters iSd. Abs. 1 S. 1 Alt. 1 rechtfertigen lassen. Da § 33 Abs. 2 S. 4 WpÜG eine Aufsichtsratszustimmung zu Abwehrmaßnahmen des Vorstandes aufgrund einer abstrakten Ermächtigung durch die Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 S. 1 AktG erfordert, kann § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG nur dahingehend verstanden werden, daß auch in diesem Fall eine Ermächtigung zu Abwehrmaßnahmen durch die Hauptversammlung vorliegen muß, wenn die Maßnahme in den originären Kompetenzbereich der Hauptversammlung fällt.281 Daher kann allein die Zustimmung des Aufsichtsrates den Vorstand nur zu solchen Abwehrmaßnahmen ermächtigen, die nicht im Bereich der Kompetenz der Hauptversammlung liegen, da andernfalls die abstrakte Abwehrermächtigung nach § 33 Abs. 2 WpÜG im Ergebnis überflüssig wäre.282 Hierfür spricht neben der vom Finanzausschuß in Abs. 2 S. 1 der Vorschrift angeregten Einfügung in den Gesetzestext auch,283 daß hierdurch die Anlegerinteressen der Aktionäre MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 160; negativ abgrenzend Baums/ Thoma/Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 22. Siehe auch Begr RegE zu § 33 WpÜG, BT-Drs. 14/7039, S. 57 (reSp.): „Durch die in Satz 1 enthaltene Regelung soll den Adressaten des Übernahmeangebots, d.h. den Aktionären, ermöglicht werden, in Kenntnis der Sachlage selbst über ein Übernahmeangebot zu entscheiden.“ (Hervorheb. v. Verf.). 279 Dazu Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 19; MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 140, je mwN. 280 Grund ist eine Beschlußempfehlung des Finanzausschusses; siehe Begr Beschluß Finanzausschuß, BT-Drs. 14/7477, S. 53 (liSp.). 281 So auch MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 165; Bayer, ZGR 2002, 588, 613 f.; Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 96 ff.; siehe auch Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 8 (liSp.) und 12. 282 Bayer, ZGR 2002, 588, 613; so auch MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 195; Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 80; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 9 (liSp.). 283 Der Finanzausschuß regte an, den Wortlaut des Gesetzes im Hinblick auf die Handlungen, „die in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen“ zu präzisieren, was er wie folgt begründete: „Maßnahmen, die nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen in die Zuständigkeit der Hauptversammlung fallen, verbleiben

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

verstärkt berücksichtigt werden, da aus deren Sicht Abwehrvorratsbeschlüsse unter ökonomischen Aspekten zweifelhafte Wirkung haben. Denn solche eröffnen der Verwaltung die Möglichkeit, auch für die Aktionäre vorteilhafte Übernahmegebote abzuwehren.284 Daher verbleiben Maßnahmen, die nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen in die Kompetenz der Hauptversammlung fallen, weiterhin in der Zuständigkeit der Aktionäre.285 Im Schrifttum wird daraus gefolgert, daß eine Abwehrmaßnahme, die unmittelbar in die Zusammensetzung des Aktionärskreises eingreift, nur aufgrund einer speziellen Ermächtigung hierzu durch die Hauptversammlung nach § 33 Abs. 2 S. 1 WpÜG oder durch einen Ad-hoc-Beschluß nach § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG analog zulässig ist.286 Der Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG beschränkt sich danach auf die Ausnutzung allgemeiner Hauptversammlungsermächtigungen ohne unmittelbare Eingriffe in die Aktionärsstruktur wie die Ausnutzung eines genehmigten Kapitals unter Bezugsrecht oder des Rückkaufs eigener Aktien mit Zustimmung des betroffenen Aktionärs und originäre Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands.287 3. Pflichtenlage des Vorstandes nach AktG Auf die in der Literatur vor Einführung des WpÜG schon umfangreich diskutierte Frage, welche Pflichten des Vorstandes im Falle eines Übernahweiterhin in deren Zuständigkeit“; siehe Begr Beschluß Finanzausschuß, BT-Drs. 14/7477, S. 53 (liSp.). 284 Dazu auch Bayer, ZGR 2002, 588, 619; Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1433. Zur praktischen Bedeutung des § 33 Abs. 2 WpÜG Schwark/Noack KMRK, 2004, Einl WpÜG Rn. 2; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 12 (reSp.); Thoma, NZG 2002, 105, 111. 285 So Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, 2008, § 33 Rn. 49; Baums/Thoma/ Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 49; Steinmayer/Häger, WpÜG, 2007, § 33 Rn. 26; Fuchs, in: HdB VorstandsR, 2006, § 22 Rn. 138 (S. 901); MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 165; Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 80; Thaeter/Brandi, Öffentliche Übernahmen, 2003, Teil 3, Rn. 374; siehe auch die Begründung des Finanzausschusses in Fn. 283 sowie die weiteren Stimmen oben bei Fn. 273. 286 Bayer, ZGR 2002, 588, 614. 287 Bayer, ZGR 2002, 588, 614. Beim Rückkauf eigener Aktien greift der Vorstand zwar in die Aktionärsstruktur ein; dies erfolgt aber nicht unmittelbar, sondern erst infolge des Abschlusses eines Kaufvertrages mit dem Aktionär, also dessen Zustimmung in Form des Angebots oder der Annahme eines solchen der AG. Zur Unzulässigkeit von Kapitalerhöhungen ohne Hauptversammlungsbeschluß auch MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 165; Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 82.

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts

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meangebotes den §§ 76, 93 AktG entnommen werden können,288 soll nicht im allgemeinen eingegangen werden, sondern geklärt werden, ob der Vorstand auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises einwirken darf, sofern nicht die Hauptversammlung zugestimmt hat.289 Auch jenseits der im WpÜG geregelten Übernahmesituationen gehört es nach der wohl h. M. nicht zur Leitungskompetenz des Vorstandes, auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises einzuwirken.290 Nach anderen Stimmen sind der Verwaltung verschieden weitreichende Spielräume bis hin zu einer normalen Ermessensentscheidung dahingehend eröffnet, als sie darüber entscheiden darf, was für die Gesellschaft gut ist, so daß hiernach auch das Recht und im Einzelfall die Pflicht zur gezielten Einflußnahme auf die Aktionärsstruktur besteht.291 Gegen eine strikte Neutralitätspflicht wird vorgebracht, daß das Aktienrecht keine solche Pflicht im Hinblick auf die Zusammensetzung ihres Aktionärskreises kenne,292 vielmehr die Verwaltung nach geltendem Aktienrecht sehr wohl berechtigt sei, hierauf Einfluß zu nehmen,293 etwa bei Erwerb und Veräußerung eigener Aktien nach § 71 AktG, der Genehmigung der Veräußerung vinkulierter Aktien nach § 68 Abs. 2 AktG oder der Ausgabe neuer Aktien beim Bezugsrechtsausschluß insbesondere im Rahmen des genehmigten Kapitals nach §§ 202, 203 Abs. 1, 2 AktG.294 Zu differen288 Die umfangreiche jüngere Literatur fassen MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 44 ff., Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 424, Grunewald, AG 2001, 288, 288 f., die ältere Literatur Assmann/Bozenhardt, ZGR-SH 9, 1990, S. 101 ff., zusammen. Vgl. auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 12 (S. 336 ff.). 289 Solche ex ante-Verteidigungsmaßnahmen unterfallen nicht dem Regelungsbereich des WpÜG; dazu Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 102, 104; Bayer, ZGR 2002, 588, 618; und bereits Hopt, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 61, 85, zum Diskussionsentwurf des WpÜG. 290 So bei unterschiedlicher Terminologie Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 76 Rn. 15; Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 100; Hopt, aaO, 1999, § 93 Rn. 122, und ders., ZGR 1993, 534, 548 ff.; Schander, BB 1997, 1801, 1804; Immenga, AG 1992, 79, 81; Assmann/Bozenhardt, ZGR-SH 9, 1990, S. 113; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 76 Rn. 26; so auch schon Mestmäcker, Verwaltung 1958, S. 14 f., 139 ff., 146. 291 So etwa Martens, in: FS Beusch, 1993, S. 529, 542 ff.; dem zustimmend Bungert, NJW 1998, 488, 492 (liSp.). 292 Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 15d; Fuchs, in: HdB VorstandsR, 2006, § 22 Rn. 111 (S. 892); Bayer, ZGR 2002, 588, 598 f. 293 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, 2008, § 33 Rn. 13; wohl auch Grunewald, AG 2001, 288, 289 (reSp.). 294 Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, 2008, § 33 Rn. 13; Seibt, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 76 Rn. 15; Baums/Thoma/Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 8; von Falkenhausen, NZG 2007, 97, 97 (reSp.); Bayer, ZGR 2002, 588, 598 f.; Grunewald, AG 2001, 288, 289 (reSp.).

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

zieren ist hierbei allerdings in zweierlei Hinsicht: zum einen danach, ob die Aktionäre durch eine Beschlußfassung der Hauptversammlung oder auf andere Weise überhaupt an dem Vorgang beteiligt sind, und zum anderen, ob die Verwaltung, insbesondere der Vorstand den Aktionärskreis nur beeinflußt oder weitergehend unmittelbar in diesen eingreift. a) Aktiengesetzliche Neutralitätspflicht? Eine strikte Neutralitätspflicht des Vorstands dahingehend, daß ihm jede Einflußnahme auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises versagt ist, kennt das Aktienrecht nicht und eine solche kann auch nicht bestehen.295 Andernfalls wäre die Leitungskompetenz des Vorstandes nach § 76 Abs. 1 AktG erheblich eingeschränkt, was seiner Verpflichtung zum Ausgleich der in der Gesellschaft und ihrem Unternehmen zusammenlaufenden Interessen entgegenliefe.296 Ändert der Vorstand etwa die Unternehmensstrategie dahingehend, daß mit der neuen Geschäftstätigkeit der Gesellschaft höhere Gewinnchancen, aber zugleich auch größere Risiken verbunden sind, werden die Aktionäre an einer solchen Neuausrichtung nicht beteiligt, sofern diese sich im Rahmen des Unternehmensgegenstandes nach § 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG hält, und dies auch dann nicht, wenn hierdurch der Aktionärskreis etwa dadurch beeinflußt wird, daß weniger risikobereite Aktionäre in einer solchen Situation desinvestieren.297 Dem Vorstand kann daher im Sinne der Ausübung seiner Leitungspflicht nach § 76 Abs. 1 AktG nicht jede Einflußnahme auf die Aktionärsstruktur verwehrt sein, so daß es entscheidend auf die Abgrenzung einer zulässigen Einflußnahme von dem unzulässigen Eingriff in die Aktionärszusammensetzung ankommt. Gestützt wird diese Auffassung durch einen Umkehrschluß zu § 33 Abs. 1 S. 2 Alt. 3 WpÜG, wonach der Vorstand bei einer Zustimmung des Aufsichtsrats Handlungen vornehmen darf, die den Erfolg des Übernahmeangebots nach § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG vereiteln könnten, sofern sie nicht im Kompetenzbereich der Hauptversammlung liegen; bei Bestehen einer solchen Pflicht könnte aber die Aufsichtsratszustimmung allein nichts bewirken.298 295

Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 15d; Bayer, ZGR 2002, 588, 598. Zur Interessenabwägung Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 12; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 65 ff.; Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 52 ff., 64; Hopt, ZGR 2002, 333, 360, und ders., ZGR 1993, 534, 536; je mwN. Vgl. auch Begr RegE zu § 33 WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 58 (liSp.), zur Berücksichtigung der „in der Gesellschaft zusammentreffenden Interessen der Aktionäre, der Arbeitnehmer und des Gemeinwohls“; speziell dazu in Übernahmesituationen auch Kort in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1435. 297 Zur Frage, ob ein solcher Vorgang infolge der Holzmüller-Entscheidung des BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff., der Hauptversammlungszustimmung bedarf, siehe unten Vierter Teil. 296

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts

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Damit ist zwar der Verwaltung nicht jede Einflußnahme auf die Aktionärsstruktur versagt. Im gesetzlichen Regelfall entscheidet allein der Vorstand bei der Veräußerung vinkulierter Namensaktien nach § 68 Abs. 2 S. 1 AktG über die Erteilung der Zustimmung im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens.299 Beim Erwerb und der Veräußerung eigener Aktien und auch beim genehmigten Kapital unter Ermächtigung der Verwaltung zum Bezugsrechtsausschluß kann die Verwaltung über die Person des Erwerbers bzw. Veräußerers der erworbenen bzw. wieder abgegebenen eigenen Aktien oder der neu ausgegebenen Aktien entscheiden.300 Allerdings ist auch in diesen Situationen ein Beschluß der Hauptversammlung vorangegangen. Die Hauptversammlung hat über die Einführung des Zustimmungserfordernisses nach § 68 Abs. 2 S. 1 AktG in der Gründungssatzung oder später durch eine Satzungsänderung, § 179 Abs. 1 S. 1 AktG, zu beschließen und kann sich durch eine Regelung in der Satzung nach § 68 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 AktG die Möglichkeit offen halten, auch über die Erteilung der Zustimmung zur Übertragung der vinkulierten Namensaktien selbst zu beschließen. Gleiches gilt für die verschiedenen Formen der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß, bei denen die Aktionäre über das grundsätzlich bestehende Bezugsrecht und die Notwendigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses zu seinem Ausschluß geschützt werden. Entsprechendes gilt beim Erwerb eigener Aktien, § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 1 AktG, sowie bei deren Wiederveräußerung, wie oben näher dargestellt wurde.301 Damit sind der Verwaltung bei der Einflußnahme auf den Aktionärskreis auch im Vorfeld von Übernahmeangeboten enge Grenzen gesetzt, was sich – wie Hopt schon früh präzisiert hat – verbandsrechtlich daraus ergibt, daß ein unmittelbarer Eingriff in die Beteiligungsstruktur der AG einen Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse darstellt und daher eines Hauptversammlungsbeschlusses bedarf. Es ist also nicht Sache des Vorstandes, über die Zusam298

So Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 15d. So die g. h. M., etwa BGH v. 1.12.1986 – II ZR 287/85, NJW 1987, 1019, 1020; aus der Literatur MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 68 Rn. 72; Hüffer, AktG, 2008, § 68 Rn. 15; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 68 Rn. 30. Der Vorstand kann allerdings nach den Grundsätzen der Holzmüller-Entscheidung des BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, verpflichtet sein, vor seiner Zustimmung nach § 68 Abs. 2 S. 1 AktG eine Hauptversammlungszustimmung einzuholen, auch wenn eine solche der Satzung nach nicht vorgesehen ist, § 68 Abs. 2 S. 3 Alt. 2 AktG. Dazu Lutter, AG 1992, 369, 374 f. (Überschreitung der Grenze von 25% am Grundkapital); K. Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 759, 774. 300 Hüffer, AktG, 2008, § 203 Rn. 33; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 513 f.; siehe allerdings zu den weiteren Schranken oben bei S. 301 ff. 301 Dazu siehe oben S. 273 ff. 299

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mensetzung des Aktionärskreises zu entscheiden.302 Generell untersagt sind gezielte Eingriffe in die Aktionärsstruktur; solche darf allenfalls die Hauptversammlung, nicht aber die Verwaltung vornehmen.303 b) Der Eingriff in die Beteiligungsstruktur Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist mithin, ob den Aktionären die Entscheidung darüber verbleibt, ob sie Aktien verkaufen oder (hinzu)erwerben; die Grenze des Zulässigen ist damit überschritten, wenn die Verwaltung zielgerichtet in die Aktionärsstruktur eingreift, ohne hierzu durch Satzung oder Hauptversammlungsbeschluß ermächtigt zu sein.304 Ein unmittelbarer Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur ist nur rechtmäßig, wenn er auf einer wirksamen Satzungsgrundlage beruht, im Wege der Satzungsänderung oder einer qualitativ gleichwertigen Beschlußfassung der Hauptversammlung angeordnet wurde oder wie im Fall des Erwerbs eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 AktG ein Aktionär hierzu seine Zustimmung erteilt hat.305 302

Hopt, ZGR 1993, 534, 545 ff., ders., ZHR 161 (1997), 368, 391, ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1399 f., und ders., ZGR 2002, 333, 360, wobei die dort aufgezählten Maßnahmen im Vorfeld eines Übernahmeangebotes zwar übernahmerechtlich zulässig sind, damit aber nicht zugleich der Vorstand sämtliche dieser Maßnahmen unabhängig von einem Hauptversammlungsbeschluß treffen darf. Zur Hauptversammlungskompetenz in solchen Fällen siehe ders., ZGR 1993, 534, 548 ff. und 558 f., ders., in: FS Zöllner I, 1998, S. 253, 256, ders., in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 122, 127, und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1376; Kort, in: GroßkommAktG, 2003, § 76 Rn. 100, und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1430 und 1434; Hirte, in: GroßkommAktG, 2001, § 203 Rn. 95; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1 f.; Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 717 (reSp.); Krause, AG 2000, 217, 218 (liSp.); Michalski, AG 1997, 152, 159 (liSp.); siehe auch schon Assmann/Bozenhardt, ZGR-SH 9, 1990, S. 112 ff.; A. A. Martens, in: FS Beusch, 1993, S. 529, 542 ff.; Geibel/Süßmann/Schwennicke, WpÜG, 2008, § 33 Rn. 13. 303 So auch MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 133, und ders., ZGR 2002, 588 ff.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 95, und ders., ZGR 2002, 623 ff.; Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 591. Für eine entsprechende Einflußmöglichkeit des Vorstandes auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises dagegen Krause, AG 2000, 217, 217 ff.; Bungert, NJW 1998, 488, 492; Martens, in: FS Beusch, 1993, S. 529, 543 ff.; und wohl auch Fuchs, in: HdB VorstandsR, 2006, § 22 Rn. 111 (S. 892). 304 So auch MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 2; Bayer, ZGR 2002, 588, 598; Hopt, ZGR 2002, 333, 360 und 363, sowie ders., ZGR 1993, 543, 556; siehe auch die Stimmen in Fn. 302. 305 Dazu auch Bayer, ZGR 2002, 588, 599; die nach h. M. geringer verdichtete Pflichtenlage zu einer Zeit, zu der keine konkrete Übernahme droht, deckt sich hiermit, da Grenze der unmittelbare Eingriff in die Aktionärsstruktur ist; siehe zu dieser Pflichtenlage auch Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 27; Krause, AG 2002,

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts

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c) Zusammenfassung Entsprechend der untersuchten aktienrechtlichen Situation zeigt § 33 WpÜG in kapitalmarktlicher Hinsicht auf, daß Entscheidungen über die Zusammensetzung des Aktionärskreises nicht zu den Leitungsaufgaben des Vorstandes zählen.306 Der Gesetzgeber hat daher mit Einführung des § 33 Abs. 1 S. 2 und 3 WpÜG entsprechend der allgemeinen aktiengesetzlichen Kompetenzverteilung zum Ausdruck gebracht, daß gezielte Eingriffe in die Aktionärsstruktur nicht Sache des Vorstandes oder der Verwaltung, sondern der Hauptversammlung sind.

4. Herleitung der Kompetenzen und Rechtsfolge eines Verstoßes hiergegen Die Verhaltenspflicht des Vorstandes läßt sich im Hinblick auf Eingriffe in die Aktionärsstruktur als Organpflicht oder als Regelung der Kompetenzen zwischen Vorstand und Hauptversammlung verstehen, so daß hierüber ebenso die Meinungen auseinandergehen wie auch im Hinblick auf die Herleitung dieser Verhaltenspflicht des Vorstandes. a) Organpflicht oder negative Kompetenzregelung? Strittig und im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen bedeutsam ist,307 ob das Verhinderungsverbot als Organpflicht der Vorstandsmitglieder nach § 76 Abs. 1 AktG oder als Kompetenzregelung zu verstehen ist, die eine Veränderung der Aktionärsstruktur der AG in die Kompetenz der Hauptversammlung stellt.308 133, 136; Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1432 f.; Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 122, 127, und ders., ZGR 1993, 534, 559; a. A. Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, A III 2 (S. 43 ff.), und ders., ZIP 1989, 1233, 1237 f.; Mülbert, IStR 1999, 83, 88 Fn. 46. 306 So auch Ulmer, AcP 202 (2002), 143, 154; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 133. 307 Bei Annahme einer Organpflicht begründet deren Verletzung eine Haftung des Vorstands nur gegenüber der AG, nicht den Aktionären. Greift der Vorstand dagegen in die Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung ein, geht es weitergehend um die Frage des Eingriffs in deren Rechte und damit des effektiven Rechtsschutzes des Aktionärs. Hierzu Baums/Thoma/Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 90; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 246; Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1386 (Fn. 108). 308 Für ersteres von Aubel, Vorstandspflichten bei Übernahmeangeboten, 1996, S. 155 ff.; Mülbert, IStR 1999, 83, 88; wohl auch MünchKommAktG/Spindler,

326

3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Die oben untersuchten Vorschriften, die eine Hauptversammlungsbefassung mit dem Vorgang des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien vorsehen, statuieren eine Kompetenz der Hauptversammlung, über einen solchen Erwerb zu beschließen und der Verwaltung damit den Eingriff in die Beteiligungsstruktur zu gestatten. Das in der Literatur betonte Verhinderungsverbot des Vorstandes dient also der verbandsrechtlichen Kompetenzabgrenzung zwischen Verwaltung und Aktionären bzw. Hauptversammlung.309 Die Entscheidung über die Zusammensetzung des Aktionärskreises fällt in die Kompetenz der Hauptversammlung. Ein unmittelbarer Eingriff des Vorstandes in die Aktionärsstruktur stellt daher zugleich einen Eingriff in die Kompetenz der Hauptversammlung dar.310 Dies deckt sich auch mit dem allerdings strittigen Verständnis des Verhinderungsverbotes nach § 33 WpÜG. Auch wenn die Formulierung des § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG im Regierungsentwurf noch als Kompetenznorm ausgestaltet, später aber noch geändert wurde,311 sprechen die besseren Gründe für eine Einordnung als Kompetenznorm und nicht als bloße Statuierung einer Organpflicht.312 Will der Vorstand Maßnahmen ergreifen, die nicht von § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG gedeckt sind, muß er, sofern nicht eine Vorratsermächtigung nach § 33 Abs. 2 WpÜG erteilt wurde, durch einen Beschluß in der konkreten Übernahmesituation ermächtigt sein. Die Beschlüsse haben Bedeutung bei allen Abwehrmaßnahmen, die nicht von § 33 Abs. 1 S. 2 WpÜG gedeckt sind und weisen der Hauptversammlung damit eine grundlegende Kompetenz zu, so daß ein Handeln der Verwaltung jenseits dieser 2008, § 76 Rn. 32; für letzteres Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 100, und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1430; Bayer, ZGR 2002, 588, 598 f., 605; Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1080 (liSp.); Drygala, ZIP 2001, 1861, 1862; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 358; Hopt, ZGR 1993, 534, 548 f., der mittlerweile eine differenzierende Ansicht für Übernahmesituationen vertritt, wonach Verteidigungsmaßnahmen gegen Übernahmen grundsätzlich Sache der Hauptversammlung sind; ob sich hieraus eine Zuständigkeit der Hauptversammlung oder eine Vorstandspflicht ergebe, sei aus der konkreten Norm zu folgern; siehe ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1386. 309 So auch Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 244. 310 Bayer, ZGR 2002, 588, 601; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 17 f.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 95; Krieger, ZHR 163 (1999), 343, 358; Hopt, ZGR 1993, 534, 548 f., und wohl auch ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1376. 311 Dazu Möller/Pötzsch, ZIP 2001, 1256, 1259; siehe auch Drygala, ZIP 2001, 1861, 1870. 312 A. A. Haarmann/Schüppen/Röh, WpÜG, 2008, § 33 Rn. 32; Geibel/Süßmann/ Schwennicke, WpÜG, 2008, § 33 Rn. 18; Steinmayer/Häger, WpÜG, 2007, § 33 Rn. 56; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/Schneider, WpÜG, 2005, § 33 Rn. 87, 304; Schwark/Noack, KMRK, 2004, § 33 WpÜG Rn. 42; MünchKommAktG/Schlitt, 2004, WpÜG § 33 Rn. 59, 237; im Ergebnis auch Cahn, ZHR 167 (2003), 262, 283; Ekkenga, in: FS Kümpel, 2003, S. 95, 99 und 104, sowie ders., in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler, WpÜG, 2003, § 33 Rn. 6, 41.

C. Schutzrichtungen und -mechanismen des Aktienrechts

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Vorschrift ohne entsprechende Ermächtigung nach der gesetzgeberischen Entscheidung einen Kompetenzübergriff darstellt.313 b) Ableitung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur Ebenso ist die Ableitung des Rechtes der Aktionäre zur Entscheidung über einen Eingriff in die Aktionärsstruktur und damit korrelierend des den Vorstand treffenden Verbotes umstritten, wobei teilweise ein kapitalmarktrechtlicher Ansatz, teilweise ein aktienrechtlicher Ansatz vertreten wird. Im Hinblick auf Übernahmesituationen stützt sich der erste Ansatz neben der Unzulässigkeit eines Eingriffs in den Markt für Unternehmenskontrolle314 auf das kapitalmarktrechtliche Gleichbehandlungsgebot sowie das Verbot des Vorstandes, die Möglichkeit der Aktionäre zu vereiteln, ihre Aktien bestmöglich am Kapitalmarkt zu veräußern. In aktienrechtlicher Hinsicht wird vornehmlich die Pflicht des Vorstandes als fremdnütziger Interessenwahrer, das aktienrechtliche Gleichbehandlungsgebot nach § 53a AktG sowie das Verbot des mittelbaren Eingriffs in die Entscheidungsrechte der Aktionäre herangezogen.315 Mit dem bisherigen Verständnis des aktienrechtlichen Gleichbehandlungsgebots allein läßt sich ein Verbot des Vorstandes, in die Beteiligungsstruktur der AG einzugreifen, nicht erklären, da § 53a AktG einer Ungleichbehandlung zwischen Aktionären und Dritten nicht entgegensteht.316 Anderes könnte nur gelten, wenn man die Gleichbehandlungspflicht des Vorstandes erweitert, also diese auch das Verhalten des Vorstandes gegenüber künftigen Aktionären bestimmt.317 313 So auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 23; Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, § 33 Rn. 28 und 147 ff.; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 17 f.; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 425; Fleischer/Kalss, WpÜG, 2002, § 3 IV 4b cc (S. 130); Drygala, ZIP 2001, 1861, 1870; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 246; Winter/Harbarth ZIP 2002, 1, 17; differenzierend Baums/Thoma/Grunewald, WpÜG, Lfg. 5/07, § 33 Rn. 71 und 90; Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1386. 314 Dazu etwa Mülbert/Birke, WM 2001, 705, 706; Krause, AG 2000, 217, 218 ff.; so auch schon Hopt, ZGR 1993, 534, 546; kritisch Kort, in: GroßkommAktG, 2003, § 76 Rn. 101; U. H. Schneider, AG 2002, 125, 125 f., und ders./ Burgard, DB 2001, 963 ff.; Zöllner/Noack, AG 1991, 117, 126 f. 315 Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 76 Rn. 18, 26 und § 93 Rn. 61; Michalski, AG 1997, 152, 159; Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 122, ders., ZHR 161 (1997), 368, 411, und ders., ZGR 1993, 534, 545 f., 564, insbesondere auch zum kapitalmarktrechtlichen Gleichbehandlungsgebot aufgrund der Beschränkung des § 53a AktG auf das Verhältnis der Aktionäre. 316 So auch Hopt, ZGR 1992, 533, 545 f.; Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 247; Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260; Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1437. 317 Hopt, ZGR 1993, 534, 545 f., und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1394.

328

3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Die Mehrzahl der Stimmen zieht den Gedanken der Fremdinteressenwahrung aus der Treuhänderstellung von Vorstand und Aufsichtsrat gegenüber den Aktionären und der Gesellschaft heran, was dem Gesetzgeber Anlaß gab, das „Verbot erfolgsverhindernder Maßnahmen durch Vorstand und Aufsichtsrat“ in Übernahmesituationen neben dem drohenden Konflikt, in dem die Verwaltung im Hinblick auf die eigenen Interessen steht, aus der „Funktion des Vorstandes als Wahrer fremder Interessen, d.h. Interessen der Gesellschaft“ abzuleiten.318 Begründet wird dies im Schrifttum regelmäßig damit, daß es der allgemeinen Pflicht des Vorstandes zur Fremdinteressenwahrnehmung widerspreche, wenn er im eigenen Interesse Einfluß auf die Zusammensetzung des Aktionärskreises nehmen könne.319 Dem Vorstand sei danach untersagt, sich einen ihm genehmen Gesellschafterkreis zu schaffen;320 als Leitungsorgan der AG dürfe er das der Gesellschaft anvertraute Vermögen nicht gegen die Interessen der Aktionäre einsetzen.321 Die Gesetzesbegründung zum AktG 1965 stellt auf eine auf die Gesellschaft bezogenen Pflichtenlage ab, wonach „der Vorstand Verwalter fremden, den Aktionären gehörenden Eigentums ist“; dementsprechend wird auch angeführt, daß der Vorstand als Leitungsorgan der Gesellschaft die Interessen der Aktionäre als Eigentümer der Gesellschaft zu wahren habe.322 Die gegen diesen Begründungsansatz vorgetragenen Bedenken richten sich vornehmlich gegen ein hieraus abgeleitetes verbandsrechtliches Verbot der Einflußnahme des Vorstandes auf den Aktionärskreis, da der Vorstand 318 Begr RegE zu § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 57 (reSp.). Das Schrifttum stellt teils auf die Interessen der Gesellschaft, teils auf die der Aktionäre und häufig auch auf beide ab; siehe neben den in Fn. 315 genannten auch Assmann/ Bozenhardt, ZGR-SH 9, 1990, S. 112 ff.; Hirte/Schander, in: Übernahme börsennotierte Unternehmen, 1999, S. 341, 348 und 374 f.; Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1380 (Pflicht des Vorstandes zur Wahrung der Interessen von Gesellschaft und Aktionären) und ders., ZHR 161 (1997), 368, 391; Mülbert, IStR 1999, 83, 87; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 33; von der Stellung des Vorstandes als Treuhänder gegenüber den Aktionären sprechen Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1432 ff.; Bayer, ZGR 2002, 588, 602 f. 319 So neben den in Fn. 318 Genannten schon Mestmäcker, Verwaltung, 1958, S. 14 ff., 139 ff., und ders., BB 1961, 945, 946. 320 Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 15d; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 32; Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 100, und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1434; Schander, BB 1997, 1801, 1804 (liSp.). 321 So Maier-Reimer, ZHR 165 (2001), 258, 260; ähnlich Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1076 (reSp.: Vermögensfürsorgepflichten des Vorstandes), jeweils zu Übernahmeangeboten; siehe auch Siems, Konvergenz, 2005, S. 238 f. 322 Allg Begr RegE AktG 1965, Allgemeines III, bei Kropff, AktG, 1965, S. 15. Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1376, und ders., in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 122 mwN. in Fn. 424.

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

329

in Übernahmesituationen verschiedene Möglichkeiten der zulässigen Einflußnahme habe.323 Konkretisiert man allerdings dieses Verbot dahingehend, daß dem Vorstand untersagt ist, anstelle der Aktionäre die Entscheidung über die Aktionärsstruktur zu treffen, also etwa durch Ausgabe neuer oder Veräußerung eigener Aktien unmittelbar in den Aktionärskreis der AG einzugreifen, zieht dies die notwendige Grenze zu der dem Vorstand gestatteten Einflußnahme auf den Aktionärskreis.

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur Die zum Schutz der Aktionäre vor einer parteiischen Bevorzugung einzelner Aktionäre oder Dritter durch die Verwaltung bestehenden Schranken sind damit in Abgrenzung zur zulässigen Einflußnahme herauszuarbeiten.

I. Gebot der Fremdinteressenwahrung Anzusetzen ist bei dem Gebot der Fremdinteressenwahrung, das von der h. M. zur Begründung des Verhinderungsverbots des Vorstandes bei Übernahmeangeboten herangezogen wird und in der Gesetzesbegründung des WpÜG zum Ausdruck kommt, und damit der Frage der Einordnung der Stellung des Vorstandes als Treuhänder der Aktionäre. 1. Treuhänderstellung der Verwaltung der AG gegenüber den Aktionären? Die Verhaltensanforderungen an Vorstand und Aufsichtsrat begründen sich nach der h. M. mit dem Gebot der Fremdinteressenwahrung, was in allgemein bürgerlich-rechtlichen Kategorien gesprochen eine Pflicht des Treuhänders aus dem Treuhandverhältnis zur Verwaltung des Treuguts im Interesse des Treugebers darstellt.324

323 So etwa Merkt, ZHR 165 (2001), 224, 248 f. mwN.; siehe auch oben in Fn. 271 die Stimmen, die aus diesem Grund den Begriff Neutralitätspflicht ablehnen. 324 Zur rechtlichen Einordnung von Treuhandverträgen Grundmann, Treuhandvertrag, 1997, Einleitung (S. 8); Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, 2000, § 1 I 1 (S. 38).

330

3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

a) Die Vorstandsmitglieder als Treuhänder der Gesellschafter Der Vorstand und seine Mitglieder werden nicht nur im Rahmen von Übernahmekonstellationen, sondern auch in anderen Zusammenhängen als Treuhänder der Gesellschafter hinsichtlich des von diesen eingebrachten Kapitals bezeichnet,325 was sich so auch in der US-amerikanischen Literatur findet.326 Das Charakteristikum der fremdnützigen Treuhand, die Wahrnehmung fremder Belange unter Hintanstellung eigener Interessen, läuft insoweit parallel zur Pflichtenlage im Verband, als auch dort eigene Interessen gegenüber dem gemeinschaftlichen Zweck zurückzustellen sind.327 Ob eine solche Pflicht allerdings ihre Grundlage in einer zwischen den Vorstandsmitgliedern und den Aktionären bestehenden treuhandähnlichen Sonderbeziehung hat, erscheint fraglich.328 Denn der treuhandrechtliche Ansatz ist in zweierlei Hinsicht problematisch: Zum einen schafft eine solche Sonderverbindung im Verhältnis von Vorstandsmitglied zum Aktionär eine besondere Pflichtenbindung des Vorstandes sowie an sich eigene Ansprüche jedes Aktionärs aus dieser Sonderverbindung. Zum anderen leitet der Vorstand die Gesellschaft in eigener Verantwortung gemäß § 76 Abs. 1 AktG, seine aus der Organstellung folgenden Pflichten beziehen sich also auf die Gesellschaft und nicht die Aktionäre, wie auch die Einlagen der Aktionäre Vermögen der Gesellschaft sind, an dem die Aktionäre vermittelt über ihre Aktien beteiligt sind. 325 So etwa BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41 (Gelatine). Aus dem Schrifttum etwa MünchKommAktG/Spindler, 2008, Vor § 76 Rn. 45; Henssler/Wiedemann, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 1. Kap. Rn. 17 (S. 13); Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 169; Lutter, AG 2001, 349, 351 (liSp.), und ders., AG 2000, 343, 344 (reSp.); Ehricke, ZGR 2000, 351, 351 (zum GmbH-Geschäftsführer); Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 12 f.; Wiedemann, GesR I, 1980, § 6 IV 1b (S. 344). Monographisch hierzu Grundmann, Treuhandvertrag, 1997, § 3 IV 1a (S. 124 ff.) und § 11 I (S. 421 ff.) mit weiteren Bsp. auf S. 125 Fn. 154; siehe auch Fleischer, WM 2003, 1045, 1045 mwN. in Fn. 7 ff. Vergleiche des Verhältnisses der Aktionäre mit einem Treuhandverhältnis wurden schon Mitte des letzten Jahrhunderts gezogen; dazu Lutter, AcP 180 (1980), 84, 121 mwN. in Fn. 175. 326 Vgl. Easterbrook/Fischel, Corporate Law, 1991, S. 90 ff.; weitere Nachweise bei Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 127; Möllers, in: HdB Corporate Governance, 2003, S. 405, 410 Fn. 30; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 544 Fn. 208; Armbrüster, Treuhänderische Beteiligung, 2000, S. 11, 220; Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 III 1 (S. 444); zu den „fiduciary duties“ und ihrer praktischen Relevanz schon Mestmäcker, Verwaltung, 1958, S. 158 ff. Zu den hieraus für das deutsche Recht abgeleiteten Folgen Grundmann, Treuhandvertrag, 1997, § 4 II (S. 166 ff.), § 11 I (S. 421 ff.). 327 Zu letztem Lutter, AcP 180 (1980), 84, 93. 328 Anderes gilt für das Verhältnis zwischen den Aktionären bzw. allgemein den Verbandsmitgliedern; vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122 ff., sowie K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 III (S. 552 ff.).

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

331

b) Bewertung Der rechtsfunktionale Anknüpfungspunkt des Treuhandverhältnisses zwischen Vorstand und Aktionären erscheint schon fraglich. Nach Raiser stehen die Organmitglieder in einer treuhänderischen Beziehung nicht nur zur Gesellschaft, sondern auch zu den Gesellschaftern, über deren Vermögen und Gewinnchancen sie bei der Ausübung der Organbefugnisse disponieren;329 herzuleiten sei das Rechtsverhältnis aus dem Ineinandergreifen von Bestellung bzw. Anstellungsvertrag und Gesellschaftsvertrag.330 Wiedemann stellt hingegen darauf ab, daß die Organe nicht nur der juristischen Person, sondern erst recht den Mitgliedern zu äußerster Sorgfalt verpflichtet seien, da sie nicht nur Organe, sondern in erster Linie Amtsträger des Verbandes seien.331 Daneben hat Grundmann anknüpfend an den Gedanken, daß der einzelne Aktionär Treugeber im Verhältnis zu den Vorstandsmitgliedern als auch Treuhänder im Verhältnis zur Minderheit im Hinblick auf Mehrheitsbeschlüsse ist, die Figur des treuhänderischen Gesamtvertrages entwickelt.332 Die Annahme eines vertraglichen, anspruchsbegründenden Treuhandverhältnisses zu den Aktionären steht in Konflikt mit dem aktiengesetzlichen Organisations- und Haftungssystem. Da gemäß § 93 AktG die Vorstandsmitglieder nur der Gesellschaft gegenüber haften,333 kommt eine Haftung gegenüber den Aktionären nur aufgrund besonderer Ansprüche, insbesondere aus § 117 AktG und Delikt in Betracht, da andernfalls das Haftungskonzept des § 93 AktG und die in §§ 147 f. AktG normierte Verfahrensregelung für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen unterlaufen würden.334 Ansprüche der Aktionäre aus einem auftragsähnlichen Verhältnis mit den Vorstandsmitgliedern werden daher von Rechtsprechung und der Literatur abgelehnt,335 und auch die Stimmen, die ein Treuhandverhältnis befürworten, stützen eine Haftung der Vorstandsmitgliedern gegenüber den 329

Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 13. Vgl. auch Hachenburg/Raiser, GmbHG 1989, § 14 Rn. 46. 331 Vgl. Wiedemann, GesR I, 1980, § 4 IV 2b (S. 241); im Grundsatz zustimmend auch Flume, Juristische Person, 1983, § 8 V 3 (S. 308 Fn. 190); für Annahme fiduziarischer Pflichten der Mitglieder des Leitungsorgans gegenüber den Mitgliedern der Korporation bereits Mestmäcker, Verwaltung, 1958, S. 127 ff. 332 Grundmann, Treuhandvertrag, 1997, § 3 III (S. 122 ff.), § 4 II (S. 166 ff.), § 6 II (S. 265 ff.) und § 11 II (S. 458 ff.). 333 Dazu näher oben S. 218 ff. 334 So auch Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 469. Zur Organhaftung oben S. 217 ff. 335 Deutlich BGH v. 30.3.1967 – II ZR 245/63, NJW 1967, 1462, 1462 (liSp.), und v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 134 (Holzmüller). Danach steht der Vorstand in keiner unmittelbaren Rechtsbeziehung zu den Gesellschaftern. 330

332

3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Aktionären nicht auf eine Verletzung dieses Vertragsverhältnisses.336 Überdies widerspricht die Annahme eines Treuhandvertrags zwischen dem einzelnen Aktionär und dem Vorstandsmitglied, der das Organmitglied zur ausschließlichen Wahrung der individuellen Aktionärsinteressen verpflichtet, der verbandsrechtlichen Dogmatik des auf die AG selbst bezogenen Organverhältnisses, wie Mülbert anführt.337 Der Vorstand ist als Geschäftsleitungsorgan nach § 76 Abs. 1 AktG zur Leitung der Gesellschaft verpflichtet, was eine interessenpluralistische Unternehmensführung gebietet und eine Interessenabwägungspflicht beinhaltet.338 Danach haben die Vorstandsmitglieder ihr Handeln nicht lediglich an den gebündelten Interessen der Aktionäre auszurichten; vielmehr besteht eine unternehmensinteressenbezogene Verhaltenspflicht der Vorstandsmitglieder, wonach sie wohl primär, aber nicht ausschließlich die Interessen der Aktionäre zu beachten haben.339 Hüffer weist überdies darauf hin, daß ein Treuhandverhältnis zwischen Vorstand und den Aktionären aufgrund der Weisungsfreiheit des Vorstandes nicht bestehen könne.340 Ein Treuhandverhältnis kann daher nicht mit dem Organ selbst bestehen, da eine solche Annahme schon im Hinblick auf die Möglichkeit der Begründung von Rechten anstelle oder neben der gesetzlich vorgesehenen Organisation erhebliche Fragen aufwirft,341 und auch nicht mit seinen Mitgliedern, da dies in deren Person zu erheblichen Pflichtenkollisionen führen würde. 2. Treubindungen zwischen Vorstand und Aktionären? Läßt sich eine solche Pflicht des Vorstands aus einer treuhandvertraglichen Sonderbeziehung nicht herleiten, so sind damit nicht zugleich Treubindungen zwischen dem Vorstand und den Aktionären abgelehnt.

336 Siehe Raiser, ZHR 153 (1989), 1, 12 f., und Hachenburg/ders., GmbHG, 1989, § 14 Rn. 46; siehe auch Wiedemann, GesR I, 1980, § 4 IV 2b (S. 240 f.), § 6 IV 1b (S. 340). 337 So Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, Vor §§ 118–147 Rn. 194; dem zustimmend Habersack, WM 2001, 545, 548 (reSp.); Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 544, und ders., AG 2000, 309, 319. 338 Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 12 ff. mwN.; Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 40; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, aaO Rn. 17, 22 f.; hierzu schon oben in Fn. 296. 339 Dazu schon oben im Zweiten Teil bei Fn. 124. 340 Hüffer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 1, 2007, 7. Kap. Rn. 41 (S. 356). 341 Zu erstem Siems, Konvergenz, 2005, S. 200; zum zweiten Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, Vor §§ 118–147 Rn. 194.

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

333

a) Ansätze im Schrifttum In jüngerer Zeit wurde diese Frage im Hinblick auf die Rechte der Aktionäre beim Börsengang von Tochtergesellschaften diskutiert. Lutter hebt hierbei hervor, daß in Fällen der Veräußerung von Teilen der Unternehmensgruppe nicht nur die Organe der Gesellschaft an ihre allgemeinen Pflichten gebunden seien, sondern im Interesse des Aktionärsschutzes vor der Gefahr einer Beteiligungsverwässerung auch die Treupflicht der Gesellschaft und ihrer Organe gegenüber ihren Aktionären zu beachten sei.342 In einem weiteren Beitrag ergänzt er dies dahingehend, daß Vorstand und Aufsichtsrat in erster Linie der Gesellschaft zur Treue verpflichtet seien, aber zugleich auch das Vermögen der Aktionäre verwalten würden und folglich insoweit deren Treuhänder seien. Stünden jemandem im gesellschaftsrechtlichen Verbund Eingriffsbefugnisse in das Vermögen anderer zu, so sei er diesen zu treuer Handhabung dieser Befugnisse verpflichtet; die Kontrolle der Eingriffsbefugnisse durch die Treupflicht könne im Verhältnis von Verwaltung zum Aktionär nicht anders beurteilt werden als zwischen den Aktionären, wenn es um die treuhänderische Wahrung ihrer Vermögensinteressen gehe.343 Dagegen wurde von Habersack eingewandt, daß eine Treupflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären bislang nicht anerkannt sei und auch künftig nicht anerkannt werden solle, da die Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 1 AktG allein der Gesellschaft gegenüber zu sorgfältiger Geschäftsführung verpflichtet seien und eine unmittelbare Verpflichtung gegenüber den Aktionären sich aus dem AktG nicht begründen lasse.344 Fleischer führt ergänzend hierzu an, daß bei der Annahme gesellschaftergerichteter Organtreuepflichten ein erheblicher Abstimmungsbedarf mit der innerverbandlichen Haftungsordnung der Kapitalgesellschaft bestünde.345

342 Lutter, AG 2000, 342, 344 (Hervorheb. i. Orig.); siehe auch ders., aaO, 345 (liSp.). 343 Lutter, AG 2001, 349, 351. 344 Habersack, WM 2001, 545 548 f.; ähnlich Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 275; Kort, AG 2002, 369, 372 (reSp.); eine Treupflicht in diesem Verhältnis ablehnend auch Schanz, Börseneinführung, 2007, § 15 Rn. 11 (S. 554). Abl. aus der Rechtsprechung zur Frage einer Treupflicht im Hinblick auf eine Ableitung eines Bezugsrechts der Aktionäre der Obergesellschaft bei einer Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft aus Sanierungsgründen auch LG Kassel v. 21.3.2002 – 11 O 4233/01, AG 2002, 414. 345 Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 544 f.; zurückhaltend auch ders., AG 2000, 309, 319.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

b) Treubindungen zwischen Vorstand und Aktionären In Rechtsprechung und Literatur werden Treubindungen vornehmlich im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den Aktionären sowie im Verhältnis von Aktionären und der AG behandelt, hingegen auf das Bestehen einer Treubindung im Verhältnis zwischen Vorstand bzw. Aufsichtsrat und Aktionären, soweit ersichtlich, vor den Ausführungen von Lutter kaum eingegangen.346 Treupflicht der Aktionäre und des Vorstandes haben nur den Namen gemeinsam,347 wurzeln im ersten Fall in der Mitgliedschaft,348 auch wenn die Herleitung im einzelnen umstritten ist,349 die der Vorstandsmitglieder hingegen im mit der Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft.350 Zwischen den Aktionären und den Mitgliedern des Vorstandes besteht kein mitgliedschaftliches Rechtsverhältnis, sondern letztere sind Organmitglieder, so daß die aus ihrer Bestellung erwachsenden Organpflichten unmittelbar nur der Gesellschaft gegenüber gegeben sind.351 Betrachtet man die unterschiedlichen Herleitungen und den 346

Zur Entwicklung der Treupflichten im Aktienrecht aus jüngerer Zeit etwa Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 2 (S. 26 ff.). Zur Treupflicht der Verwaltungsorgane der AG gegenüber den Aktionären von Aubel, Vorstandspflichten bei Übernahmeangeboten, 1996, S. 128 ff., 152, der eine Haftung des Vorstandes aus Treupflicht unmittelbar gegenüber Aktionären bejaht; siehe auch Grundmann, Treuhandvertrag, 1997, § 5 (S. 192 ff.) und § 11 (S. 421 ff.). 347 So Lutter ZHR 162 (1998), 164, 176. Gegen eine zu starre Unterscheidung und separate Behandlung der Treubindungen zwischen Gesellschaft und Aktionären einerseits und dieser und Organmitgliedern andererseits Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 III 2 (S. 152 ff.). 348 Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 237, und ders., Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 I 3 (S. 342 ff.); Lutter, AcP 180 (1980), 84 ff.; Henze, BB 1996, 489, 491 f. 349 Dazu Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 I 1 (S. 338 f.); Lutter, AcP 180 (1980), 110 ff., 120 ff.; Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 63 f.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, §§ 5, 6 (S. 110 ff.). 350 Hüffer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 7. Kap. Rn. 78 (S. 373), und ders., AktG, 2008, § 84 Rn. 9; Fleischer, in: HdB VorstandsR, 2006, § 9 Rn. 5 (S. 288); Hopt, in: FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 921: Treupflicht des Vorstands im Aktienrecht am Modell des Auftrags ausgerichtet; Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949, 951. Siehe auch Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 3 I 2b (S. 65): doppelte Treupflichtbindungen aus Organstellung und Anstellungsverhältnis. 351 Hüffer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 7. Kap. Rn. 78 (S. 373); Fleischer, in: HdB VorstandsR, 2006, § 9 Rn. 6 (S. 289), sowie ders., WM 2003, 1045, 1046 (liSp.); Möllers, in: HdB Corporate Governance, 2003, S. 405, 409; Wiedemann in: FS Heinsius, 1991, S. 949, 950 f.; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, Vor §§ 118–147 Rn. 225; sowie Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 473; Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 12 III 2b, S. 205 f.; a. A. Wiedemann, GesR I, 1980, § 4 IV 2b (S. 241); Flume, Juristische Personen, 1983, § 8 V 3

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

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Gedanken, daß Treubindungen wechselseitige Rechte und Pflichten schaffen,352 wird erkennbar, daß sich Treupflichten der Verwaltung der AG gegenüber den Aktionären nicht ohne weiteres begründen lassen. Die Sichtweise des Aktionärs als Treugeber kann sich damit nur auf das Verhältnis zur AG beziehen.353 Damit ist allerdings nicht zugleich gesagt, daß Rechte der Aktionäre und Pflichten der Verwaltungsorgane der AG nicht in einer Art Wechselwirkung stehen. Deutlich wird dies bei den Ausführungen von Zöllner zu einem „treupflichtgesteuerten Aktienkonzernrecht“,354 wonach es sich hierbei nicht nur um ein Problem zwischen Mehrheit und Minderheit, sondern auch im Verhältnis der Aktionäre zur Verwaltung, insbesondere zum Vorstand der eigenen AG handele.355 Der besonders in der Unternehmensgruppe bestehenden Gefahr des Eingriffs in die Mitgliedschaft der Aktionäre durch den Vorstand356 werde daher durch Treubindungen der AG gegenüber ihren Aktionären vergleichbar solcher der Mehrheit gegenüber der Minderheit begegnet, da der Vorstand aufgrund seiner organschaftlichen Treupflicht gegenüber der AG die Pflichtenbindungen der Gesellschaft zu beachten habe.357 Der Schutz der Aktionäre, insbesondere der Minderheitsaktionäre vor einem Eingriff in ihre Mitgliedschaftsstellung durch das Vorstandshandeln wird daher aufgrund von Treubindungen der AG gegenüber den Aktionären und durch (S. 308 Fn. 190); von Aubel, Vorstandspflichten bei Übernahmeangebote, 1996, S. 130 ff. 352 Vgl. Lutter ZHR 153 (1989), 446, 452, zur Treupflicht des Aktionärs. 353 So Fleischer, in: HdB VorstandsR, 2006, § 9 Rn. 6 (S. 289); Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 469; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, Vor §§ 118– 147 Rn. 192; Hüffer, ZIP 1996, 401, 404 (liSp.); Schulz-Gardyan, Aktionärsklage, 1991, 37 ff.; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, Einl. Rn. 156. 354 So der Titel des Aufsatzes von Zöllner, ZHR 162 (1998), 235. 355 Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 247. 356 Zu diesem Problemkreis, der seit der Holzmüller-Entscheidung, BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, „notorisch“ ist (so Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 246 Fn. 32), unten Vierter Teil. 357 Zu den hier in Frage stehenden Treubindungen bei der Veräußerung von Anteilen der AG wird im Hinblick auf die Zustimmung zur Übertragung vinkulierter Namensaktien durch einen Aktionär als Veräußerer von Rspr. und Lit. betont, daß Hauptversammlung und Vorstand in diesen Fällen das Interesse der Gesellschaft zu beachten hätten, ohne dabei das Interesse des veräußernden Aktionärs außer acht zu lassen; siehe BGH v. 1.12.1986 – II ZR 287/85, AG 1987, 155, 156 (liSp.); MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 68 Rn. 72; Hüffer, AktG, 2008, § 68 Rn. 15; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 68 Rn. 30, und ders., AG 1992, 369, 370, 373. Die Hauptversammlung entscheide über die Übertragung vinkulierter Aktien nach pflichtgemäßem Ermessen, so daß Grundlage der Ermessensbindung die Treupflicht der Stimmberechtigten sei; so Reichert/Winter, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 209 ff.; zustimmend K. Schmidt, in: FS Beusch, 1993, S. 759, 776; dazu auch Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 467.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

die Verpflichtung der Organe auf das Gesellschaftsinteresse erreicht, da in diesem Rahmen die Interessen der Aktionäre zu berücksichtigen sind. c) Treubindungen zwischen AG und ihren Aktionären Im Hinblick auf den sich aus § 93 Abs. 1 S. 1 AktG ergebenden Pflichtenmaßstab der Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung ist anerkannt, daß sich dieser an der Sorgfaltspflicht eines treuhänderischen Verwalters fremden Vermögens zu orientieren hat, da die Vorstandmitglieder in einem Rechtsverhältnis zur Gesellschaft stehen, das Pflichten eines Interessenwahrungsvertrages begründet.358 Die Vorstandsmitglieder als Organmitglieder mit treuhänderischer Funktion haben die organschaftliche Treupflicht gegenüber der AG zu beachten, die im Rechtsverhältnis zwischen Organmitglied und Gesellschaft wurzelt, nach der h. M. aus der besonderen Verfügungsmacht über fremde Vermögensinteressen herzuleiten ist und den Vorstandsmitgliedern gebietet, der Gesellschaft loyal zu dienen.359 Hieraus folgt eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf das Gesellschaftsinteresse nicht nur bei eigener Interessenverfolgung etwa in Übernahmesituationen, sondern eine allgemeine Pflicht, alles zu unterlassen, was sich nachteilig auf das Unternehmen auswirken könnte.360 Diese Bindung des Vorstands an das Gesellschaftsinteresse und das Verbot eigennützigen Einsatzes von Befugnissen, die ihm zur treuhänderischen Wahrnehmung anvertraut sind, begründen eine Pflicht des Vorstandes zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Aktionäre bei der im Rahmen der Ausübung der Leitungskompetenz nach § 76 Abs. 1 AktG zu treffenden Abwägung der gegenläufigen Interessen. Daß Pflichten der AG gegenüber ihren Aktionären zu einer Bindung des Handelns der Organe der AG führen, ist dem Aktienrecht nicht fremd und zeigt sich an dem Gleichbehandlungsgebot nach § 53a AktG, das sich an die Gesellschaft selbst richtet, aber damit zugleich eine Verhaltenspflicht ih358 BGH v. 20.2.1995 – II ZR 143/93, BGHZ 129, 30, 34 (Girmes); OLG Düsseldorf v. 14.6.1996 – 17 U 172/95, AG 1997, 231, 235 (reSp.); OLG Hamm v. 10.5.1995 – 8 U 59/94, AG 1995, 512, 514 (reSp.) (Harpener/Omni); zum GmbH-Geschäftsführer etwa OLG Koblenz v. 10.6.1991 – 6 U 1650/89, ZIP 1991, 870, 871 (liSp.); Hüffer, AktG, 2008, § 93 Rn. 4; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 93 Rn. 24; Fleischer, in: HdB VorstandsR, 2006, § 9 Rn. 2 f. (S. 287 f.); ähnlich Möllers, in: HdB Corporate Governance, 2003, S. 405, 410; Henze, HRR Aktienrecht, 2002, Rn. 1052 ff.; Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 72, 144, 148; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 93 Rn. 6 und 57. 359 Dogmatische Herleitung, Umfang und Rechtsfolgen der organschaftlichen Treupflicht sind noch nicht endgültig geklärt; zur h. M. siehe oben bei Fn. 348 ff. 360 Möllers, in: HdB Corporate Governance, 2003, S. 405, 413; Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 145; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988 Rn. 57; § 116 Rn. 27.

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

337

rer sämtlichen Organe aufstellt.361 Nicht aus dem Wortlaut der Norm, aber aus ihrer systematischen Stellung im Dritten Teil des AktG läßt sich entnehmen, daß Normadressat des Gebotes und damit Schuldnerin der Gleichbehandlungspflicht die AG ist.362 Zweck und wesentlicher Gegenstand der Norm ist der Schutz der Mitgliedschaft des Aktionärs vor Eingriffen der Gesellschaftsorgane, so daß die Pflicht der AG gegenüber ihren Aktionären insbesondere auch von den Verwaltungsorganen zu beachten ist, was durch die organschaftlichen Treubindungen gegenüber der AG vermittelt wird.363 Das Gebot der Fremdinteressenwahrung, das sich für das Vorstandsmitglied als Verwalter fremden Vermögens ergibt, entspringt also einer auf die Gesellschaft bezogenen Pflichtenbindung, da der Vorstand als Leitungsorgan der Gesellschaft deren Interessen zu wahren hat,364 und ist als Ausprägung der Treupflicht der Vorstandsmitglieder gegenüber der AG anzusehen.365 Der Vorstand ist damit aufgrund seiner organschaftlichen Treubindungen gegenüber der AG gehalten, als Treuhänder des wirtschaftlichen Eigentums der Aktionäre die Geschäfte der Gesellschaft im wohlverstandenen Interesse der Aktionäre auszuüben, sich der AG gegenüber loyal zu verhalten und daher nicht in die Mitgliedschaft der Aktionäre einzugreifen.366 Damit wird auch der Grund der Pflicht des Vorstandes deutlich, sich eines Eingriffs in die Aktionärsstruktur zu enthalten, die sich schon aus dem geltendem Aktienrecht ergibt und in § 33 Abs. 1 S. 1 WpÜG seine Ausprägung findet.367 Diese Pflichtenbindung des Vorstandes folgt aus der Pflicht 361 So schon vor der Normierung des Gleichbehandlungsgebots in § 53a AktG G. Hueck, Gleichbehandlungsgrundsatz, 1958, S. 54. 362 MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 5; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 4; Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 53 a Rn. 7; aus der Rspr. OLG Düsseldorf v. 8.6.1973 – 19 W 21/72, AG 1973, 282, 284 (liSp.). 363 Zum Zweck des Gleichbehandlungsgebotes Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 4; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 26; Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 53a Rn. 7; BGH v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 186 (Minimax II); BGH v. 19.12.1977 – II ZR 136/76, BGHZ 70, 117, 121. 364 Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1376, und ders., in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 122. 365 Auch § 88 Abs. 1 S. 1 AktG ist als Ausprägung des Grundsatzes des Vorrangs des Interesses der Gesellschaft vor Eigeninteressen anzusehen; siehe MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 88 Rn. 1. Zur Geschäftschancenlehre, auch als corporateopportunities-Doktrin bezeichnet, Fleischer, in: HdB VorstandsR, 2006, § 9 Rn. 23 ff. (S. 294 ff.), und ders., ZGR 2001, 1, 8; Hopt, in: FS Mestmäcker, 1996, S. 909, 922 f. 366 Dazu auch Becker/Fett, WM 2001, 549, 552 (liSp.); Kort, in: GroßKommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 69. 367 Hirte, in: KK-WpÜG, 2003, Einl. Rn. 79, § 33 Rn. 1, 34; siehe auch Mülbert, ZHR 165 (1999), 104, 131 (Fn. 108: binnenorganisationsrechtliche Wirkung).

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

der AG, den Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten und sich daher jedes unmittelbaren Eingriffs auf den Aktionärskreis zu enthalten, die damit der Vorstand bei der Wahrnehmung seiner Leitungskompetenz aufgrund der ihm obliegenden Wahrnehmung der Interessen der Gesellschaft berücksichtigen muß. Eine selbe Pflichtenbindung ist in der Konsequenz auch für die Aufsichtsratsmitglieder zu bejahen.368 Noch nicht geklärt ist damit die Grundlage der Verpflichtung der AG, den Aktionären die Entscheidung über die Zusammensetzung des Aktionärskreises zu belassen.

II. Verbandsrechtliches Gleichbehandlungsgebot und Treubindungen zwischen AG und ihren Aktionären Tragende Grundsätze des Erwerbs- und des Bezugsrechts sind der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die Treubindungen der AG gegenüber ihren Aktionären, die nachfolgend untersucht werden sollen, um hieraus Erkenntnisse über das Verbot des Eingriffs in die Beteiligungsstruktur der AG zu gewinnen. 1. Gleichbehandlungsgebot Trotz der abweichenden Ansichten über die Herleitung besteht Einigkeit, daß § 53a AktG eine bereichsspezifische Normierung des allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung ist, der schon vor seiner im Jahr 1978 erfolgten Kodifizierung in Rechtsprechung und Literatur anerkannt war.369 Das an die Gesellschaftsorgane gerichtete, in vielen 368 Möllers, in: HdB Corporate Governance, 2003, S. 405, 413. Zu den Unterschieden der Treupflicht der Mitglieder des Aufsichtsrats zu derjenigen des Vorstandes, die nicht die Grundlagen, sondern nur die konkrete Ausgestaltung betreffen, siehe Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 147. 369 So Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 3 I 3 (S. 55), der als Begründungsansätze Beteiligtenwille, Gemeinschaftsverhältnis und Verbandsmacht nennt; ebenso Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, 2006, § 4 (S. 67 ff.). Der letzte Aspekt ist nach K. Schmidt, GesR, 2002, § 16 II 4b aa (S. 462 f.), unter Bezugnahme auf Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 II 2a (S. 428 f.), der entscheidende; dazu auch Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 15 f. mwN. in Fn. 52 ff. Siehe auch die Begr RegE zu § 53a AktG, BT-Drs. 8/1678, S. 13 (liSp.), und BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 150 (Bremer Bankverein), wonach in § 53a AktG nur klargestellt wird, was sowieso schon gilt. So auch die g. h. M. im Schrifttum, etwa MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 2; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53a Rn. 1; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 1, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 243 Rn. 45; Henze/Notz, aaO, Rn. 3 Fn. 6 ff. und Anh § 53a Rn. 22; Lutter/Zöllner, aaO, Vorb. § 53a Rn. 5 und § 53a Rn. 2; Habersack, Mitgliedschaft, 1996, § 18 I 2 (S. 281).

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

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Zusammenhängen bekannte Verbot willkürlicher oder sachwidriger Differenzierungen legt diesen auf, im Verhältnis zwischen Verband und seinen Mitgliedern gleiche Sachverhalte gleich und ungleiche nach ihrer Eigenart zu behandeln.370 Der Grundsatz erfaßt damit nur den mitgliedschaftlichen Bereich und gilt grundsätzlich nur für die Beziehungen zwischen der AG und ihren Aktionären.371 Eine Begünstigung Dritter zum Nachteil der Aktionäre unterfällt regelmäßig nicht der gesetzlichen Generalklausel des § 53a AktG, sondern kann allenfalls eine Haftung des Vorstandes nach § 93 AktG begründen.372 Der mit den untersuchten Schutzmechanismen des AktG, Hauptversammlungsbeteiligung und Erwerbsrecht, verfolgte Schutzzweck geht damit über den Schutzbereich des § 53a AktG hinaus, da die Aktionäre nicht nur vor einer unsachlichen Differenzierung zwischen den Gesellschaftern, sondern auch vor einer Bevorzugung Außenstehender geschützt werden. Das Verbot des Eingriffs der AG und der Verwaltungsorgane in die Aktionärsstruktur, dessen spezialgesetzliche Regelung das Verhinderungsverbot des § 33 WpÜG ist, läßt sich damit nicht allein anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes begründen. Den Treubindungen kommt daher besondere Bedeutung zu. 2. Treubindungen zwischen AG und Aktionären Die Diskussion um Treubindungen im Aktienrecht ist in ihren Facetten kaum noch zu überschauen, die Literatur hierzu füllt Bibliotheken.373 Es würde den Rahmen der Untersuchung sprengen, auf Herleitung und Reichweite der Treubindungen im Aktienrecht näher einzugehen. Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich dementsprechend darauf, diese im Hinblick auf den zu untersuchenden Problemkreis des Schutzes der Aktionäre 370 So K. Schmidt, GesR, 2002, § 16 II 4b (S. 462); siehe auch Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 II 2 (S. 427). Aus der Rspr. siehe BGH v. 9.11.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 150 f. (Bremer Bankverein); OLG Celle v. 19.7.2006 – 9 U 15/06, AG 2006, 797; sowie schon vor Einführung des § 53a AktG BGH v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 176 (Minimax II). Grundlegend Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, 2006. 371 MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 7; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 4; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 31; Henn, HdB AktR, 2002, Rn. 42 (S. 27 f.); Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 53a Rn. 17. 372 MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 6; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 39; Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, Vorb. § 53a Rn. 19; LG Lüneburg v. 24.1.1961 – 4 O 403/60, DB 1961, 402 (zur Genossenschaft). 373 Siehe beispielhaft hierfür den fast vier Seiten umfassenden Überblick zum Schrifttum bei Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

vor Eingriffen in die Aktionärsstruktur der AG, bei denen Vermögensverluste der Aktionäre drohen, näher zu untersuchen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Frage nach der Existenz von Treubindungen, ihrer Richtung und ihrem Umfang. a) Existenz und Richtung von Treubindungen im Verhältnis von Aktionären und AG aa) Herleitung der Treubindungen Trotz der erheblichen Regelungsdichte befaßt sich das AktG mit der Innenbeziehung zwischen AG und Aktionären nicht abschließend, da eine vollständige Ordnung wegen des komplexen Charakters dieses Verhältnisses, seiner Dauer und der damit verbundenen Zukunftsoffenheit nicht möglich ist.374 Die aktienrechtlichen Vorschriften können damit nicht allen möglichen Konfliktlagen gerecht werden und sind nicht als abschließendes Regelungsgefüge anzusehen, so daß zur Konkretisierung der Innenbeziehung zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern Generalklauseln mit wertungsausfüllenden Tatbestandsmerkmalen erforderlich sind.375 Die sich hieran anschließende rechtsfunktionale Frage, ob in gesetzlichen Bestimmungen normierte Generalklauseln herangezogen werden können, um hiermit den gesellschaftsrechtlichen Normenbedarf abzudecken und diesen Bereich so einer umfassenden Regelung zugänglich zu machen, wird von der h. M. verneint. Insbesondere der in § 242 BGB normierte Grundsatz von Treu und Glauben376 und die mitgliedschaftliche Förderpflicht iSd. § 705 BGB377 reichen danach nicht aus, um die Pflichtensituation zwischen 374 Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 69; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166, zum Bild der Gesellschaft als „nach vorne offenes Rechtsverhältnis“, sowie zur „Offenheit jedes Verbandes nach vorne“ ders., AcP 180 (1980), 84, 91 f., 110, und schon oben S. 87 ff.; Fleischer, ZGR 2001, 1, 4 f.; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 11. 375 Hüffer, AktG, 2008, § 117 Rn. 2, § 243 Rn. 31 f.; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 9; Röhricht, in: HdB Corporate Governance, 2003, S. 513, 516; Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 153. 376 Im älteren Schrifttum wurde insbesondere vertreten, die Treupflicht sei nichts anderes als die gesellschaftsrechtliche Verdichtung des in § 242 BGB statuierten allgemeinen Prinzips von Treu und Glauben; so etwa G. H. Roth, in: MünchKommBGB, 1985, § 242 Rn. 117; Staudinger/Keßler, 1979, Vorbem. zu § 705 Rn. 42. Siehe aber auch Burgard, ZIP 2002, 827, 834 f., und ders., in: FS Lutter, 2000, S. 1033, 1038; Hennrichs, AcP 195 (1995), 228 ff. Hiergegen etwa Henze/ Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 15; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 15, und ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 71; Winter, Treubindungen, 1988, § 3 II 3 (S. 13 ff.).

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

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Verband und seinen Mitgliedern und zwischen diesen abschließend auszuschöpfen.378 In Rechtsprechung und Schrifttum hat sich daher die Auffassung weitgehend durchgesetzt, daß im Verhältnis von AG und den Aktionären sowie zwischen diesen Treubindungen bestehen, wobei ihre Herleitung und Reichweite im Einzelnen umstritten sind.379 Der BGH hat sich zur Rechtsgrundlage der Treupflicht im Kapitalgesellschaftsrecht bisher nicht geäußert. Im Schrifttum ist die Rechtsquelle umstritten. Als rechtsfunktionaler Anknüpfungspunkt wird vornehmlich auf das mitgliedschaftliche Gemeinschaftsverhältnis, die mitgliedschaftliche Zweckförderungspflicht und die Korrelation zwischen Rechtsmacht und Verantwortung abgestellt.380 Treubindungen kommen daher in erster Linie eine 377 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff., ders., ZHR 162 (1998), 164, 166 f., und Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, GmbHG, 2004, § 14 Rn. 18: Geltungsgrund der Treupflicht ist die mitgliedschaftlich vermittelte Einwirkungsmöglichkeit auf die Interessen der anderen Gesellschafter in der Gesellschaft. Gegen den auf § 705 BGB gestützten Ansatz wird vorgebracht, daß die Gesellschafter nicht nur Pflichtenrechte, sondern auch eigennützige Rechte hätten und Rücksichtnahmepflichten im Verhältnis der Gesellschafter untereinander sich ebenfalls nicht auf die Förderpflicht zurückführen lassen würden; hierzu Staudinger/Habermaier, 2003, § 705 Rn. 50 f.; Ulmer, in: MünchKommBGB, 2004, § 705 Rn. 221 ff.; Zöllner in: Kölner Kommentar zum AktG, 1984, Einl. Rn. 169; Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 70. 378 Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 70. Zu § 242 BGB siehe auch Henze/ Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 15. Nach Lutter und Bayer ist die Treupflicht kein Fall des § 242 BGB, vielmehr Oberbegriff für sehr unterschiedliche (Haupt-)Pflichten, siehe Lutter/Hommelhoff/dies., GmbHG, 2004, § 14 Rn. 18. Zur Charakterisierung als Hauptpflicht auch Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 167, sowie ders., AcP 180 (1980), 84, 117. 379 Vgl. hierzu BGH v. 9.6.1954 – II ZR 70/53, BGHZ 14, 25, 38, der allerdings noch mit größter Vorsicht, Treubindungen zwischen AG und den Aktionären annahm; BGH v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 (Linotype), v. 19.9.1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107, 111 (BMW), v. 20.3.1993 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136 (Girmes), v. 22.6.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167, 3171 (liSp.), v. 5.7.1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167, 169 (Hilgers), und v. 25.11.2002 – II ZR 49/01, BGHZ 153, 32, 44 (HypoVereinsbank); die Rspr. praktiziert die Treupflicht, ohne sich zum Geltungsgrund näher zu äußern. Den Grundstein der Anerkennung von Treubindungen im Kapitalgesellschaftsrecht wurde mit dem ITT-Urteil des BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 17 ff., 21, gelegt. Zur Übersicht der Literaturstimmen siehe Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 7 mwN. in Fn. 27, 29, 34 (Literatur; Rechtsprechungsnachweise in Rn. 30); MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, Vor § 53a Rn. 18 mwN.; ferner zur Entwicklung der Treupflicht in der AG Henze/Notz, aaO, Rn. 1 ff.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 2 (S. 26 ff.). Kritisch bis ablehnend Immenga, in: FS 100 Jahre GmbHG, 1992, S. 189, 193; siehe auch Flume, Juristische Person, 1983, § 8 I (S. 268 ff.), und ders., ZIP 1996, 161, 163 ff.; dem zustimmend Wilhelm, in: FS Huber, 2006, S. 1019, 1027. 380 Dazu im Anschluß an Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 29 (S. 318 ff.) und § 30 I (S. 338 f.); Lutter AcP 180 (1980), 84, 110 ff., 120 ff.; K. Schmidt, GesR,

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Schrankenfunktion zu, können aber auch aktive Förder- und Fürsorgepflichten begründen. Rechtsdogmatisch werden Treupflichten in Verbänden nach der h. M. nicht als nur schuldrechtliche Sonderverbindungen, sondern organisationsrechtlich als Bestandteile des Mitgliedschaftsverhältnisses angesehen.381 Wie im Zweiten Teil herausgearbeitet,382 begründet die Mitgliedschaft als komplexe Sonderrechtsbeziehung zum Verband wie auch den Mitgesellschaftern Loyalitäts- und Rücksichtnahmepflichten und in gewissem Umfang auch Förder- sowie Fürsorgepflichten, wie insbesondere Lutter, K. Schmidt und Zöllner herausstellen.383 bb) Treubindungen der AG gegenüber den Aktionären Das mitgliedschaftliche Rechtsverhältnis zwischen Aktionär und AG, das im Gesetz durch die vielfachen wechselseitigen Rechte und Pflichten angesprochen und heute weitgehend anerkannt ist,384 begründet nicht nur Treupflichten der Aktionäre gegenüber der AG,385 sondern aufgrund seiner Gegenseitigkeit auch solcher Pflichten der AG gegenüber ihren Aktionären, auch wenn diese Richtung deutlich weniger Beachtung findet.386 Dem wird 2002, § 20 IV 1b (S. 588 f.); Henze, BB 1996, 489, 489 f.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 5 (S. 110 ff.). 381 BGH v. 25.2.1965 – II ZR 287/63, BGHZ 43, 261, 267 (zur GmbH), und v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype); K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 III 1 (S. 552 ff.) und § 20 IV 1b (S. 588); Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 237; Henze, BB 1996, 489, 491 ff.; ablehnend Hennrichs, AcP 195 (1995), 221, 242 ff.; siehe auch Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 15, und ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 65 f., 67 f., der Treubindungen aus dem Organisationsvertrag der Gründer ableitet. Differenzierend Winter, Treubindungen, 1988, § 6 I (S. 63 ff.) und II (S. 67 ff.). 382 Oben S. 87 ff. 383 Lutter AcP 180 (1980), 84, 102 ff., 122 ff.; Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 (S. 335 ff.); K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 1b (S. 589). 384 So schon auch Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 452 mwN. in Fn. 32. 385 Dieses den Aktionär in seinem mitgliedschaftlichen Bereich betreffende Verhältnis gegenüber der Gesellschaft wurde im Grunde stets anerkannt; aus der Rspr. etwa BGH v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype), v. 20.3.1993 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142 ff. (Girmes), und v. 5.7.1999 – II ZR 126/98, BGHZ 142, 167, 169, 170 (Hilgers); zur umfangreichen Literatur siehe die Nachweise bei MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, Vor § 53a Rn. 18; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 8; Brändel, in: GroßkommAktG, 1992, § 1 Rn. 85; Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, Vor § 53a Rn. 4 ff. 386 So MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, Vor § 53a Rn. 19; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53a Rn. 48, 55 und 59; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 19 und § 186 Rn. 5a; Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, 2006, § 5 II 2 (S. 88 ff.); Kiefner, Börsengang, 2005, S. 458 f.; Henze/Notz, in: GroßKommAktG,

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entgegengehalten, daß eine solche Richtung der Treubindungen nicht anzuerkennen sei, da die im Aktienrecht deutlich weniger stark ausgeprägte gesellschaftsrechtliche Treupflicht Ausfluß der mitgliedschaftlichen Position des Gesellschafters sei, so daß die Annahme einer solchen Richtung der Treupflicht ihrer Herleitung aus der Mitgliedschaft widerspreche. Überdies würden die zwingenden gesetzlichen Wertungen des AktG auch das Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Aktionären abschließend bestimmen.387 Da Treupflichten sich zum Schutz sowohl von Verbands- als auch von Mitgliederinteressen ergeben können,388 sind sie nicht lediglich Schutzinstrument etwa nur der Aktionärsminderheit, sondern dienen einer allgemeinen Abwägung von Interessen und Befugnissen, die dem Mitgliedschaftsverhältnis entspringen.389 Die eine Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären ablehnende Ansicht vermag daher nicht zu überzeugen, da Treubindungen als Ausfluß der Mitgliedschaft ein rechtsformübergreifendes verbandsrechtliches Prinzip bezeichnen und damit auch in der AG bestehen, mögen sie auch abhängig von den Strukturverhältnissen in der AG weniger intensiv sein als bei der GmbH.390 Unterschiede der Treubindungen in GmbH und AG bestehen daher nicht in der Frage ihrer Anerkennung und Richtung, sondern vielmehr in deren Wirkung und Reichweite. Denn hier maßgeblich ist nicht die Rechtsform des Verbandes, sondern das Machtpotential, das eine Beeinträchtigung mitgliedschaftlicher Interessen ermöglicht.391 Kommt der AG ein solches Machtpotential zu, so entfalten die 2004, Anh § 53a Rn. 52 und 87 ff.; Henze, HRR AktienR, 2002, Rn. 1055 f.; Habersack, WM 2001, 545, 549 (liSp.); Becker/Fett, WM 2001, 551, 556 (liSp.); Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 275; Lutter, in: FS BGH II, 2000, S. 321, 330 und AG 2000, 342, 344, sowie auch ders., AcP 180 (1980), 84, 122 f.; Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 236 Fn. 10; Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 579. Zur geringen Beachtung dieser Richtung der Treupflicht Verse, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 13. Kap. Rn. 26 (S. 600). 387 Kort, AG 2002, 369, 372 (reSp.), und ders., ZHR 166 (2002), 366, 368. Siehe auch schon Bälz, AG 1992, 277, 291 und 299. 388 Hierzu aus jüngerer Zeit Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 5 (S. 110 ff.), § 6 II 4 (S. 148 ff.). 389 Dazu auch K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 3 (S. 593); Lutter, AcP 180 (1980), 84, 120 ff.; in diese Richtung auch Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 237 und 246 (zu Treubindungen im Konzern). 390 Deutlich der BGH im Linotype-Urteil v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f.; zur Treupflicht als rechtsformübergreifendes Prinzip Henze ZHR 162 (1998), 186, 187 f.; Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166. Zu den Unterschieden in AG und GmbH B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, 2006, § 13 Rn. 28; zur Bedeutung der Realstruktur der Verbandes Lutter, AcP 180 (1980), 84, 109, und zu Realstruktur und Treupflicht Henze, BB 1996, 489, 490 (liSp.). 391 Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 9; K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 2 (S. 589 ff.); Henze, ZHR 162 (1998), 186, 187 f.; Brändel, in:

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Treubindungen im Verhältnis zu den Aktionären insoweit eine Schutzfunktion, als sie die Aktionäre vor Übergriffen der AG in ihre Mitgliederinteressen bewahren. Das Bestehen von Rücksichtnahme- und Fürsorgepflichten der AG gegenüber ihren Aktionären zeigt sich auch an dem in § 53a AktG normierten Gleichbehandlungsgrundsatz, der desselben Ursprungs und funktional den Treubindungen vergleichbar ist.392 Unabhängig von der im einzelnen umstrittenen dogmatischen Einordnung kann der Grundsatz als gesetzliche Ausprägung des Treupflichtgedankens insoweit gelten, als Treupflicht und Gleichbehandlungsgrundsatz zum Wesen der Mitgliedschaft gehören.393 Das in § 53a AktG statuierte Verbot begründet eine Pflicht der AG, die Aktionäre grundsätzlich gleich zu behandeln; entsprechendes muß dann auch für die Treubindungen gelten. Auch der BGH hat Treupflichten der AG gegenüber ihren Aktionären anerkannt, die der Gesellschaft gebieten, „dem einzelnen Aktionär eine ungehinderte und sachgemäße Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte zu ermöglichen und alles zu unterlassen, was dieses Recht beeinträchtigen könnte“.394 Treubindungen im Verhältnis von Aktionären und AG können also auch dieser Pflichten gegenüber ihren Aktionären auferlegen.

GroßKommAktG, 1992, § 1 Rn. 86; grundlegend zu diesem Geltungsgrund der mitgliedschaftlichen Treubindungen Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 I 4 (S. 343). Dazu oben S. 87 ff. 392 Zur funktionalen Vergleichbarkeit Winter, Treubindungen, 1988, § 6 III 4 (S. 82); Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 2, 10, und ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 72; B/H/Hueck/Fastrich, GmbHG, 2006, § 13 Rn. 24 ff.; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 8; zum Ursprung Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 3 I 3 (S. 55); Henze/Notz, aaO. 393 Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, 2006, § 5 III (S. 87 ff.); Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 7 f. mwN.; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 3 I 3. (S. 55); Brändel, in: GroßkommAktG, 1992, § 11 Rn. 13. Zum Verhältnis von mitgliedschaftlicher Treubindungen und Gleichbehandlungsgrundsatz Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 2, MünchKommAktG/ders., 2001, § 243 Rn. 45, 46, und ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 72 ff.; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 453, ders., AcP 180 (1980), 84, 122 f., und ders., JZ 1976, 225, 229; Winter, Treubindungen, 1988, § 6 III 4 (S. 82); siehe auch BGH v. 19.12.1977 – II ZR 136/76, BGHZ 70, 117, 121, und OLG Stuttgart v. 12.5.1999 – 20 U 62/98, AG 2000, 229, 230 (Breuninger-Gruppe); reSp.: Gleichbehandlungsgebot als Ausfluß der Treupflicht); näher zu Parallelen und Unterschieden Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 28 II (S. 303 ff.); Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 53a Rn. 80. 394 BGH v. 19.9.1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107, 111 (BMW); zur GmbH so auch schon BGH v. 15.5.1972 – II ZR 70/70, WM 1972, 931, 933 (reSp.).

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b) Rechtstheoretische und -dogmatische Präzisierung der Treupflicht der AG gegenüber den Aktionären Ob sich aus den Treubindungen neben der Einschränkung von Rechtsmacht, also Schutzpflichten der AG gegenüber ihren Mitgliedern, aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes auch ein Anspruch der Aktionäre gegen die AG ableiten läßt, ist strittig und als Frage des Umfangs und der Wirkung der Treupflicht zu klären. Mit der Anerkennung der Treubindungen im Verhältnis zwischen Verband und seinen Mitgliedern und einer daraus abzuleitenden Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären ist noch nichts über deren Umfang gesagt. Vielmehr ist die Frage des Bestehens von Treupflichten sorgsam zu unterscheiden von dem Problemkreis, ob sich diese Pflicht auch aktualisiert und weitergehend, ob hieraus Rechte der Aktionäre und Ansprüche gegen die AG abgeleitet werden können. Dafür sind Rechtscharakter, Funktion und Geltungsbereich der Treubindungen zu untersuchen. aa) Rechtscharakter der Treubindungen Entsprechend der Diskussion zu Herleitung und Umfang der mitgliedschaftlichen Treubindungen sind auch deren Rechtscharakter, ihre Funktion und Schutzrichtungen umstritten.395 K. Schmidt führt hierzu aus, daß mitgliedschaftliche Treubindungen „Teil des mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisses [und] . . . komplex wie die Mitgliedschaft selbst“ sind, um anschließend auf unterschiedliche Schutzrichtungen zu verweisen, die der fallbezogenen Präzisierung bedürften.396 Nach Lutter ist die Treupflicht ein „a priori existentes verbandsrechtliches Prinzip oder . . . als richterliche Generalklausel gewohnheitsrechtlich etabliert“, lasse sich aber „systematisch nur durch die Bildung von Fallgruppen erschließen“,397 und Winter geht von einem allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Prinzip aus.398 In dem weiten Feld von Meinungen können mitgliedschaftliche Treubindungen wohl noch übereinstimmend als eigenständiges Rechtsinstitut charakterisiert werden. Mit der Konkretisierung dahingehend, daß Treubindungen sich bestimmt durch die besondere Eigenart des Gemeinschafts- und Zweckbezugs im Verbandsrecht aus dem Bezugsrahmen des § 242 BGB herausgelöst und verselbständigt haben, ist der Bereich übereinstimmender Ansichten aber schon 395

Dazu näher oben S. 340 ff. K. Schmidt GesR, 2002, § 20 IV 1b, c (S. 588 f.). 397 Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166. 398 So der Untertitel der Arbeit von Winter, „Treubindungen im GmbH-Recht – Rechtsformaspekte eines allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Prinzips“, 1988. 396

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verlassen.399 Daher kommt nach Weber die gesellschaftsrechtliche Treupflicht einer ungeschriebenen Generalklausel am nächsten,400 wobei er jedoch zutreffend darauf hinweist, daß mit dieser Bezeichnung eine Unklarheit durch die nächste ersetzt sei. Mittels der Treupflicht als Generalklausel können Wertungen, die sich für bestimmte Bereiche herausgebildet haben, auf neue Bereiche übertragen werden, um dort bestehende vergleichbare Interessenkonflikte aufzulösen. Zugleich ist sie auch Ermächtigungsnorm, da sie es der Rechtsprechung durch Verzicht auf konkrete Regelungen zur Aufgabe macht, die erforderlichen Rechtssätze selbst zu finden.401 Es bedarf also zur näheren Konkretisierung des durch Treubindungen gewährten Schutzes eines Rückgriffs auf Fallgruppen. Damit sind aus der Generalklausel, wie Hüffer darlegt, Einzelnormen mit Tatbestand und Rechtsfolge zu entwickeln, die zur Entscheidung der verschiedenen Konfliktlagen geeignet sind.402 Die Entwicklung der Treubindungen anhand sachbezogener Fallgruppenbildung wird dabei entscheidend durch die von Lutter herausgearbeitete rechtsformübergreifende und vorrangig an der Realstruktur der Gesellschaft orientierte Sichtweise beeinflußt.403 bb) Funktion und Geltungsbereich der Treubindungen Der Zweck der Treubindungen als Instrument der Einwirkungskontrolle und als Sicherung des Vertrauensschutzes und der Förderpflicht ist aner399 So Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 I 1 (S. 132 f.). Zum Verhältnis zu § 242 BGB oben in Fn. 376. 400 Ähnlich MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, Vor § 53a Rn. 18; ebenso Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 15, und ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 68 ff.; Henze, ZHR 162 (1998), 186, 191 f., und ders., BB 1996, 489, 492 (liSp.); Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166. Siehe auch Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 19 mwN. in Fn. 61. Dies allerdings abl. Hennrichs, AcP 195 (1995), 228, 233, wonach nicht recht einsehbar sei, wo der Erkenntnisfortschritt bei einem Abstellen auf eine derartige „imaginäre“ richterliche Generalklausel liegen soll. 401 So Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 69. 402 Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 73. Vgl. auch Dreher, ZHR 157 (1993), 150, 169; Brändel, in: GroßKommAktG, 1992, § 1 Rn. 84. 403 Lutter, AcP 180 (1980), 84, 105 ff.; hierzu auch schon Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 13 I (S. 107 ff.); zustimmend Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53a Rn. 54; K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 2d (S. 592); Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949, 950 f. Der BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 19 (ITT), begründet die Treubindung des Mehrheitsgesellschafters gegenüber seinen Mitgesellschaftern in der GmbH mit der Erwägung, daß Organisation und Betätigung einer solchen Gesellschaft oft „dem unmittelbaren Einfluß ihrer Gesellschafter unterliegen und die inneren Verhältnisse der GmbH daher auf eine deutliche Nähe zu den Personengesellschaften angelegt sein können.“

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kannt,404 aber insbesondere das Verhältnis von Vertrauensschutz und Einwirkungskontrolle zueinander dogmatisch bis heute nicht abschließend geklärt. Da die Vielzahl aktienrechtlicher Vorschriften in dem nach vorne offenen Rechtverhältnis nicht allen möglichen Konfliktlagen gerecht werden können,405 es aber Pflichtenbindungen bedarf, dienen Treubindungen zum einen der oben dargestellten Verwirklichung der wechselseitig versprochenen Förderung des gemeinsamen Zwecks,406 zum anderen zur Einwirkungskontrolle als rechtliches Gegengewicht für gesteigerte Einwirkungsmöglichkeiten und der Steuerung der damit einhergehenden Einwirkungsgefahren und schließlich im Verhältnis der Mitgesellschafter untereinander auch zur Gewährleistung einer Mindestloyalität.407 Für den hier interessierenden Bereich der Treubindungen zwischen AG und Aktionären rückt die Funktion der Treupflicht als Rücksichtnahmepflicht des Verbandes gegenüber dem Mitglied und die Kontrolle der Einwirkung auf die Interessen der Aktionäre in den Vordergrund, wobei dem jeweils der Gedanke des Schutzes des entgegengebrachten Vertrauens zugrunde liegt.408 Hiernach ist die Treupflicht als Zusammenfassung nicht genau umschriebener Verhaltenspflichten das Gegenstück zu den Einwirkungsmöglichkeiten von Entscheidungsträgern im Verband. Macht soll nicht ohne Verantwortung, unbestimmt umschriebener Einfluß nicht ohne Bindung sein.409 Der Aktionär in der AG unterwirft sich durch seinen Eintritt in den Verband fremden Einflusses und räumt diesem dadurch eine Einwirkungsmacht im berechtigten Vertrauen darauf ein, daß, wie Zöllner formuliert, „Machtträger, die im Rahmen von Gesetz und Satzung Einfluß auf die Verfolgung des gemeinsamen Zwecks und auf die rechtliche Gestaltung von Verband und Mitgliedschaft gewinnen, von diesem Einfluß nicht zum Verbands- und Mitgliedernachteil Gebrauch machen, sofern dies nicht im Interesse des Verbandes und damit der Mitgliederge404 So spricht Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 73, von einem Doppelzweck der gesellschaftsrechtlichen Treubindungen. So auch Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 19. 405 Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166, und ähnlich schon ders., AcP 180 (1980), 84, 90 f. Dazu oben S. 87 ff. 406 Zur Zweckfördungspflicht nach § 705 BGB als Grundlage der Treubindungen Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff., und ders., ZHR 162 (1998), 164, 166 f.; dazu auch oben S. 87 ff. 407 Grundlegend Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 (S. 335 ff.); Wiedemann, JZ 1989, 447, 448. Siehe auch Winter, Treubindungen, 1988, § 3 III 2 (S. 16 ff.) und passim, sowie Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 167. 408 Vgl. Lutter, AcP 180 (1980), 84, 102 ff. und 122 f. Dazu auch Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 II 4 (S. 148). 409 Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 237, und ders., Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 I 3 (S. 342 ff.); siehe ferner BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15 (ITT); sowie Mestmäcker, Verwaltung, 1958, S. 345 und 348 ff.

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samtheit liegt“.410 Zöllner faßt seine Ergebnisse damit zusammen, daß dem Maß der Einwirkungsmöglichkeit, dem Spielraum des Ermessens für die Rechtsausübung und dementsprechend der Stärke des Anvertrauenmüssens eine Pflicht zur Rücksichtnahme auf Verbands- und Gesellschafterinteressen entspricht.411 Die AG trifft daher eine Rücksichtnahmepflicht gegenüber den Aktionären, die aus dem Rechtsverhältnis zwischen der AG und den Aktionären folgt.412 c) Treupflicht der AG gegenüber den Aktionären Aus dem Gedanken der Einwirkungskontrolle läßt sich ableiten, daß die AG auch im Hinblick auf die Beteiligungsquote der Aktionäre und die Aktionärsstruktur der AG insoweit Rücksicht zu nehmen hat, als diese in den Schutzbereich der Mitgliedschaft des Aktionärs fallen. Allerdings handelt es sich insoweit bei der börsennotierten AG um einen stark auf den Kapitalmarkt bezogenen Bereich, da Veränderungen von Beteiligungsquote und Aktionärsstruktur auf dem Kapitalmarkt stattfinden. Überdies sehen sich die Aktionäre teilweise eher als Anleger denn als Verbandsmitglied, so daß das Bestehen von Treubindungen insoweit als fraglich erscheint. aa) Treubindungen in der börsennotierten Publikums-AG? Die Bestimmung der Treupflichtinhalte und Pflichtenintensität primär anhand der konkreten Betrachtung der Gesellschaft anstatt ihrer Rechtsform beeinflußte die Diskussion um die Geltung der Treupflichten im Kapitalgesellschaftsrecht wesentlich. Die mit Urteilen der jüngeren Zeit betonte Bedeutung der eigenverantwortlichen Geschäftsführung durch den Vorstand und die mit der Siemens/Nold-Entscheidung erfolgte Rücknahme eines treupflichtgesteuerten Aktienrechts wirft die Frage nach der Berechtigung von Treubindungen zwar nicht im allgemeinen, jedoch im Hinblick auf die Minderheitsaktionäre in der Publikums-AG auf.413 Der Gedanke ist nicht neu, sondern wurde schon in der frühen Diskussion um Treubindungen der nur 410 So Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 237. Zur Bedeutung eines erheblich gesteigerten Vertrauensverhältnisses für die Entwicklung der Treubindungen und zum Gedanken des Vertrauensschutzes Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 II 1 (S. 141 f.); Hüffer, in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 74; hierzu und zum Vorrang der Einwirkungskontrolle gegenüber dem Vertrauensschutz auch Winter, Treubindungen, 1988, § 3 III 2 (S. 16 ff.). 411 Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 III 4 (S. 343). 412 Vgl. hierzu auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122 f. 413 Zu erstem Aspekt BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 ff. (Gelatine); zur Siemens/Nold-Entscheidung oben S. 257 ff.

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

349

mit einer Kapitalanlage beteiligten Aktionäre vorgebracht.414 Die Sichtweise des Gesetzgebers, der die Mitgliedschaft dieser Aktionäre vorrangig unter Vermögensaspekten betrachtet, wie die Vorschriften zum Minderheitenausschluß und die kapitalmarktorientierte Auslegung aktiengesetzlicher Vorschriften zeigen, und das damit einhergehende gewandelte Verständnis der Aktionäre von ihrer Beteiligung an der AG, die zunehmend als Form der Kapitalanlage denn als Mitgliedschaft begriffen wird, lassen aber Zweifel an Treubindungen aufkommen, die in unveränderter Weise den Mitgliedschaftsschutz dieses Aktionärstypus bezwecken.415 Bei der Frage der Rechtfertigung treupflichtgesteuerter Verhaltensbindungen der Organe in der AG ist allerdings zu beachten, daß mit der Einführung der Regelungen zum Minderheitenausschluß der Schutz des Beteiligungsvermögens für die Minderheitsaktionäre und der Beteiligungsquote für die mit mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionäre besondere Bedeutung erlangt. Auch wenn die erste Gruppe der Aktionäre verstärkt anlageorientiert ist und sich damit nicht als Verbandsmitglied sehen mag, kann dies nicht dazu herangezogen werden, ein treupflichtgesteuertes Aktienrecht auch zum Schutz dieser Aktionäre in Abrede zu stellen. Nicht verkannt werden darf zwar, daß Treubindungen in der börsennotierten Publikums-AG mit dem Idealtypus des Publikumaktionärs von anderer Dichte und anderer Richtung sind als solche in der geschlossenen AG. Eine Ablehnung der Treubindungen zugunsten der Aktionäre, die sich nur als Kapitalanleger sehen, oder eine Begrenzung auf die Schrankenfunktion der Treubindungen wird aber der Struktur der Aktionärsstellung nicht gerecht und übergeht das Verhältnis von Vertrauen dieser Aktionäre und Einwirkungsmacht der Entscheidungsträger in der AG.416 Es ist daher unter Beachtung der Realstruktur der Gesellschaft auf das Vertrauen der Aktionäre, das diese den zur Einwirkung befähigten Machtträgern entgegenbringen, und die Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsposition der Aktionäre abzustellen. Im ITT-Urteil, das den Treubindungen zwischen den Gesellschaftern der Kapitalgesellschaft in der Rechtsprechung des BGH zum Durchbruch verhalf,417 heißt es, daß „die für eine Gesellschaftermehrheit bestehende Möglichkeit, durch Einflußnahme auf die Geschäftsführung die gesellschafts414 Siehe dazu die bei Henze, BB 1996, 489, 489 (liSp.), zitierte Passage aus dem Werk „Der Treuegedanke im modernen Privatrecht“ von A. Hueck aus dem Jahr 1947. 415 Knapp Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 238; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.269 (S. 1466). 416 So aber Henze, BB 1996, 489, 492 (liSp.). 417 So BGH v. 5.6.1975 – II ZR 23/74, BGHZ 65, 15, 19 (ITT), zur GmbH und v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 (Linotype), unter ausdrücklicher Bezugnahme auf diese Passage zur AG.

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

bezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen“, verlangt. Überträgt man den Gedanken vom Verhältnis der Aktionäre, der dieser bedeutungsschweren Formel zugrunde liegt, auf das Verhältnis zur AG, so wird die Berechtigung von Treubindungen gerade zum Schutz auch anlageorientierter Aktionäre deutlich. Der Gedanke läßt sich dabei nicht nur auf Aktionäre mit Einfluß, sondern auch auf die anderen Machtträger der AG übertragen, wobei in der börsennotierten PublikumsAG mit zunehmend breitem Streubesitz und damit absinkender Eigentümerkontrolle die Einwirkungsmöglichkeiten des Vorstandes in den Vordergrund rücken. Das hohe Vertrauen, das Aktionäre mit nur geringen Einflußnahmemöglichkeiten den Entscheidungsträgern in der Publikums-AG bei der Anlage von Kapital entgegenbringen, bedarf als Gegengewicht der Pflicht der AG, auf die Interessen dieser Aktionäre in besonderer Weise Rücksicht zu nehmen. Ein gesteigerter Vermögensschutz der Aktionäre entspricht dabei dem Vertrauen dieser Aktionäre; für die mit mehr als fünf vom Hundert beteiligten Aktionäre erlangt hingegen deren Vertrauen in den Schutz der Beteiligungsquote besondere Bedeutung, so daß auch in diese Richtung Treubindungen bestehen müssen. bb) Treupflichten und Anteilsveräußerung Die Treupflichten bei der Ausgabe neuer oder Veräußerung bereits bestehender Anteile werden nicht nur im Hinblick auf die Veräußerung von Aktien durch Aktionäre diskutiert, sondern vor allem bei dem oben behandelten paradigmatischen Fall des Erwerbs fremden Vermögens durch die AG gegen Gewährung von Aktien, der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß.418 Die untersuchten Vorgehensweisen zum Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile stellen neben dem Mehrheits-/ Minderheitskonflikt wie im Fall eines Übernahmeangebotes auch ein Kompetenzproblem zwischen Vorstand und Hauptversammlung dar. Neben diesem Mehrheits-/Minderheitsproblem konfligieren nämlich auch das Interesse der AG an einer flexiblen Finanzierung durch Ausgabe neuer oder Wiederveräußerung bestehender Aktien und das Interesse der Aktionäre auf Bezug dieser Aktien.419 418 Zu Treubindungen von Aktionären bei Anteilsveräußerungen Wiedemann, GesR I, § 8 III 3 (S. 450 ff.), und ders., Minderheitenschutz und Aktienhandel, 1968; Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 460, und ders., ZHR 162 (1998), 164, 172 ff.; Grundmann, Treuhandvertrag, 1997, § 11 II (S. 458 ff.); Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 113 ff. Zur materiellen Beschlußkontrolle oben bei Fn. 17. 419 Zu diesem Konflikt K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 3 (S. 593), und auch BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 44 ff. (Kali+Salz).

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

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Nach Wiedemann ist die Pflicht zur treuhänderischen Verwaltung des gesamten Eigen- und Fremdkapitals eine Konkretisierung des allgemeinen Rechtsprinzips, wonach sich Einfluß und Verantwortung entsprechen müssen.420 Dieser auf den herrschenden Gesellschafter oder die herrschende Gesellschaftergruppe bezogene Geltungsgrund des Loyalitätsgebots läßt sich aber auch auf die Pflichten des Vorstandes und damit der AG gegenüber ihren Aktionären übertragen. Schon früh hat Lutter darauf hingewiesen, daß die AG, sofern sie ausnahmsweise eigene Aktien erwerben oder solche veräußern wolle, dies über die Börse oder in einem anderen Verfahren unter Gewährleistung strikter Neutralität zu erledigen habe. Dies folge aus der Rücksichtnahmepflicht des Verbandes gegenüber dem Einzelmitglied; wichtigste Ausprägung dieses Gebots der Loyalität sei die Pflicht zur mitgliedschaftlichen Gleichbehandlung.421 Das Gebot der Gleichbehandlung nach § 53a AktG schützt die Aktionäre nicht vor einer Bevorzugung Außenstehender, so daß der Schutz sich nicht in diesem Gebot erschöpft. Bei einer Zuweisung von Mitgliedschaftsrechten an die Gesellschafter ist daher der Grundsatz der Gleichbehandlung zu beachten und darüber hinausgehend sind die Gesellschafter vor einer Zuweisung an Dritte zu schützen, was durch Treubindungen im Verhältnis der AG zu den Aktionären abgesichert wird.422 Der Eingriff in die Aktionärsstruktur und die Beteiligungsquote ist daher als Eingriff in die Mitgliedschaft anzusehen, da allein dem Aktionär die Entscheidung hierüber zukommt, so daß diese in den Schutzbereich der Mitgliedschaft fällt. Die Treubindungen als Generalklausel zum Schutz vor Einwirkungen geben daher der AG auf, auch diesen Bereich der Mitgliedschaft der Aktionäre zu achten. 3. Treupflicht und Gleichbehandlungsgebot Der Schutz der Aktionäre vor einer Zuweisung der Aktien an Dritte hat seine Grundlage in einer Rücksichtnahmepflicht der AG gegenüber den Aktionären, die dieser gebietet, die Interessen ihrer Aktionäre beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien hinreichend zu berücksichtigen, was in dem Erwerbsrecht nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 AktG und dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG gesetzlich konkretisiert wird. Der Schutz vor der Gefahr, daß die AG einzelnen Aktionären oder Außenstehenden eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung unter Wert anbietet, 420

Wiedemann, GesR I 1980, § 8 II 3a (S. 432). Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122 f. 422 So Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 2004, § 55 Rn. 17, zum Bezugsrecht bei der Kapitalerhöhung der GmbH; dazu auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122; Timm, AG 1980, 172, 183 (liSp.), zur Veräußerung von Anteilen in der AG; siehe auch K. Schmidt, GesR, 2002, § 37 V 1a ee (S. 1174 f.). 421

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

also einer „Ungleichbehandlung in der Zeit“ zwischen Alt- und Neuaktionären,423 deckt sich mit dem Verständnis des Gesetzgebers des KonTraG. Hiernach beschränkt sich im Rahmen der §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 53a AktG der Schutz der Aktionäre bei der Wiederveräußerung von Aktien nicht auf ihre Gleichbehandlung. Vielmehr sind diese weitergehend und dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG vergleichbar durch das Recht auf Zuteilung der wiederveräußerten Aktien an die Aktionäre unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebotes geschützt.424 Das aktienrechtliche Erwerbsrecht, das in den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 bis 5 und 186 Abs. 1 S. 1 AktG spezielle Ausprägung findet und die Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur der AG und im Rahmen von Kapitalerhöhungen zusätzlich in die Beteiligungsquote der Aktionäre schützen soll, der mit einer Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens einhergehen kann, entspringt der Mitgliedschaft der Aktionäre. Die Pflicht der AG, sich solcher Eingriffe zu enthalten, ist damit aus den Treubindungen gegenüber den Aktionären abzuleiten.

III. Zusammenfassung und weiterer Fortgang der Untersuchung Die aktienrechtlichen Vorschriften zur Ausgabe neuer und Abgabe bereits bestehender Anteile durch die AG zielen darauf ab, die Aktionäre durch das Erwerbsrecht und die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses zu seinem Ausschluß vor einem Eingriff in die Aktionärsstruktur bzw. ihre Beteiligungsquote und der Gefahr einer Wertverwässerung ihres Beteiligungsvermögens zu bewahren. 1. Verbot des Eingriffs in Beteiligungsstruktur und Beteiligungsquote Als Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse läßt sich der Grundsatz formulieren, daß die AG sich jedes unmittelbaren Eingriffs in die Aktio423 Zu Vorwirkungen der Treupflicht Wittkowski, GmbHR 1990, 549; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, §§ 7 (S. 178 ff.), § 9 (S. 241 ff.); zustimmend K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 1b (S. 589); Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 41. A. A. MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, Vor § 53a Rn. 23 Fn. 22; siehe auch Lutter, ZHR 153 (1989), 446, 458: „Treupflicht setzt Mitgliedschaft voraus“. 424 Siehe dazu nochmals Begr RegE KonTraG zu §§ 71, 71d AktG, BT-Drs. 13/ 9712, S. 13 (reSp.): „Die Verwaltung hat sich bei Erwerb und Veräußerung der Aktien grundsätzlich strikt neutral zu verhalten und Chancengleichheit zu gewährleisten. Die Geltung des § 53a (Gleichbehandlung der Aktionäre) wird deshalb klarstellend hervorgehoben.“

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

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närsstruktur durch Ausgabe neuer oder Wiederveräußerung eigener Aktien zu enthalten hat, es sei denn, die Hauptversammlung beschließt anderes. Neu ausgegebene oder wiederveräußerte Aktien sind daher zuerst den Aktionären unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots zum Erwerb anzubieten. Nicht als ein solcher Eingriff anzusehen ist die Veräußerung eigener Aktien über die Börse, sofern Aktien dieser Gattung bereits börsennotiert sind und hiermit nicht die Beteiligungsquote der Aktionäre gezielt verändert wird. a) Regelungsziele Die Beschlußkompetenz der Hauptversammlung und das Erwerbsrecht entspringen der Mitgliedschaft der Aktionäre. Damit korrelieren Treubindungen der AG, die dieser auferlegen, neu ausgegebene oder wiederveräußerte Aktien den Aktionären unter Wahrung des Gleichbehandlungsgebots anzubieten. Gemeinsamer Regelungsgedanke der Vorschriften über die Hauptversammlungskompetenzen beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile und dem Erwerbsrecht der Aktionäre ist der Schutz der Aktionäre vor einer Veräußerung der Möglichkeiten zur Einflußnahme auf die AG zu Lasten der Aktionäre zu einem zu günstigen Einstandskurs. Das Gesetz will sicherstellen, daß zwischen der gewährten gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an dem Gesellschaftsvermögen und dem hierfür gezahlten Preis eine Wertäquivalenz besteht. Erleiden also die (Alt-)Aktionäre einen relativen Einflußverlust durch die Einräumung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, hat der Erwerber als Ersatz den vollen Wert für die Beeinträchtigung der (Alt-)Aktionäre zu leisten. Mit dem Schutz vor Wertbeeinträchtigungen der Beteiligung infolge einer zu billigen Aus- oder Abgabe der Anteile wird das Anlegerinteresse der Aktionäre geschützt. Der Schutz der Aktionärsstruktur und im Fall der Kapitalerhöhung der Beteiligungsquote dient überdies dem Schutz der Mitgliedschaft des Aktionärs. Denn mit einer Veränderung der Aktionärsstruktur verändern sich die Stimmverhältnisse in der Hauptversammlung und mit einem Absinken der Beteiligungsquote können Minderheitenrechte verloren gehen, so daß im äußersten Fall ein Minderheitenausschluß nach den §§ 327a ff. AktG möglich wird. b) Schutzinstrumentarien Aus der Offenheit des Systems der Korporation nach vorne folgt eine erhöhte Pflichtenbindung nicht nur der Mehrheit gegenüber der Minderheit, sondern auch der AG gegenüber den Aktionären, die auch von der Verwaltung zu beachten ist. Ein Eingriff in den Aktionärskreis ist der AG und damit der Verwaltung aufgrund des Loyalitätsgebots der AG gegenüber ihren

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3. Teil: Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile

Aktionären verwehrt.425 Das Interesse des Aktionärs an der Beibehaltung der Aktionärsstruktur ist zwar in geringerem Maße geschützt als in der Personengesellschaft, da insbesondere durch Anteilsveräußerungen die Struktur jederzeit verändert werden kann.426 Anderes gilt aber bei gezielten Eingriffen der AG und ihrer Verwaltung in die Aktionärsstruktur. Die AG trifft eine Pflicht zur Rücksicht gegenüber den Aktionären, die durch Beschlußerfordernisse der Hauptversammlung und das aktienrechtliche Erwerbsrecht abgesichert ist. Mangels anderslautendem Hauptversammlungsbeschluß muß daher die AG die wiederveräußerten oder neu ausgegebenen Aktien zunächst ihren Aktionären unter Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 53a AktG anbieten. Der Schutz der Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur, der durch die Vorschriften, die eine Hauptversammlungskompetenz für die Fälle des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile regeln, und durch das aktienrechtliche Erwerbsrecht bezweckt wird, folgt damit aus einer Rücksichtnahmepflicht der AG gegenüber ihren Aktionären, die auch dem Erwerbsrecht nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 und dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG zugrunde liegt. Wie die Regelungen der §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 und 186 Abs. 3 S. 4 AktG sowie § 33 WpÜG zeigen, ist die AG bei ihrem am Gesellschaftsinteresse auszurichtenden Handlungsrahmen verpflichtet, auch gegenüber den Interessen der Aktionäre in deren Eigenschaft als Anleger im Hinblick auf den Werterhalt deren Anlage Rücksicht zu üben. Dies wird bei der Börsennotierung der Anteile durch eine Veräußerung zu einem am Börsenkurs orientierten Preis und der Nachkaufmöglichkeit, §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 und 186 Abs. 3 S. 4 AktG, sowie durch die Sicherstellung der Veräußerungsmöglichkeit, § 33 WpÜG, gewährleistet. Der Grad der Rücksichtnahme auf diese Anlegerinteressen ist anhand des konkreten Einzelfalls zu beurteilen, wobei diese Interessen um so stärker zu gewichten sind, je höher der lediglich Anlageinteressen verfolgende Aktionärsanteil ist. Die Gesellschaft ist daher kraft ihrer Treupflicht gegenüber den Aktionären auch zur Rücksichtnahme auf deren marktbezogene Anlegerinteressen, also dem Schutz des Wertes ihrer Beteiligung und der Vermögensrechte verpflichtet.427 Die Aktionäre, die mitgliedschaftlich orientiert sind, werden weitergehend auch in diesem Interesse geschützt, als der AG der Eingriff in die Aktionärsstruktur und die Beteiligungsquote der Aktionäre auch deshalb 425 Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 15d; Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 100; Hopt, aaO, 1999, § 93 Rn. 122. 426 Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1434; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 113. Zur Übertragung der Mitgliedschaft in Personengesellschaften MünchKommBGB/Ulmer, 2004, § 719 Rn. 27 ff.; K. Schmidt, GesR, 2002, § 45 III 2b (S. 1322 f.). 427 So auch Mülbert, ZHR 165 (2001), 104, 133 und 136 f.

D. Ausformung des Verbots des Eingriffs in die Aktionärsstruktur

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untersagt ist, da ein solcher Eingriff zu einer Relativierung der Mitgliedschaftsrechte und zur Gefährdung des Bestandsinteresses dieser Aktionäre führen kann. Die Kompromißlösung des Aktienrechts, den Aktionär abhängig von seiner Beteiligungsgröße mehr als Anleger oder als Verbandsmitglied zu schützen, findet damit eine deutliche Ausprägung. Denn die verschiedenen Schutzinstrumentarien, Hauptversammlungskompetenz und Erwerbs- bzw. Bezugsrecht, dienen dem Vermögensschutz und damit dem Anlageinteresse aller Aktionäre. Dabei dient der von der Höhe der Beteiligungsquote unabhängig gewährleistete Schutz auch dem einflußlosen Aktionär, der sich nicht durch Ausübung seiner Einflußrechte schützen kann, da auch sein Beteiligungsvermögen durch das grundsätzlich bestehende Erwerbs- und Bezugsrecht sowie die in vermögensmäßiger Hinsicht bestehenden Anforderungen an dessen Ausschluß geschützt wird, vgl. §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4, 5 Hs. 2, 186 Abs. 3 S. 4 und § 255 AktG. Darüber hinausgehend vermitteln diese Instrumentarien den Schutz der Aktionärsstruktur der AG und im Fall der Kapitalerhöhung durch das Bezugsrecht den Schutz der Beteiligungsquote, was für die mit mehr als fünf von Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionäre von besonderem Interesse ist. Diese können zwar etwa eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß nicht verhindern, sofern sie nicht mit mehr als einem Viertel am Grundkapital der AG beteiligt sind; die genannten Schutzinstrumentarien greifen aber gerade auch zu ihren Gunsten ein. Das AktG bewältigt damit den Spagat zwischen dem Schutz der unterschiedlichen Interessen und Selbstschutzmöglichkeiten von Anleger und Verbandsmitglied. 2. Weiterer Fortgang der Untersuchung Im Vierten Teil sind die Überlegungen auf die Anteilsveräußerung in der Unternehmensgruppe zu erstrecken und die Ausführungen zu den Rechten der Aktionäre in der unverbundenen AG für eine Ausformung des Schutzes des Beteiligungswertes der Aktionäre der Obergesellschaft bei Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe fruchtbar zu machen. Dabei kommt den herausgearbeiteten Grundsätzen zum Schutz der Aktionäre entscheidende Bedeutung zu.

Vierter Teil

Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe Die Verwendung von Anteilen einer Tochtergesellschaft zum Erwerb fremden Vermögens ist ein geläufiges Mittel zur Unternehmensfinanzierung und -umgestaltung in der Unternehmensgruppe. In einer Vielzahl aktienund umwandlungsrechtlicher Vorschriften wird der Schutz des Beteiligungswertes der Aktionäre und der Beteiligungsstruktur der unverbundenen AG geschützt; die gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, die sich mit diesem Bereich in der Unternehmensgruppe befassen, sind jedoch dünn gesät. Das Gesetz enthält abgesehen von dem Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung der Obergesellschaft in §§ 293 Abs. 2, 319 Abs. 2 S. 1, 320 Abs. 1 S. 3 AktG sowie §§ 125 S. 1, 13, 65 UmwG kaum Vorschriften über Maßnahmen der Gruppen(um)bildung und -leitung zum Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft, so daß gesetzlich auch keine Beteiligung der Obergesellschaftsaktionäre etwa bei Kapitalerhöhungen konzernverbundener Tochtergesellschaften vorgesehen ist. Das folgt nicht zuletzt aus dem Katalog des § 119 Abs. 1 AktG, der auf die unverbundene AG zugeschnitten ist, nicht aber auf die besondere Situation für die Aktionäre einer AG abstellt, die Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe ist.1 Dies wirft die Frage auf, inwieweit ein Schutzbedürfnis besteht und ob Schutzvorschriften, die zugunsten der Aktionäre der unverbundenen AG Geltung beanspruchen, zum Schutz deren Position als Aktionäre der Obergesellschaft herangezogen werden können. Im Mittelpunkt der nachfolgenden Untersuchung stehen dabei die Auswirkungen des Erwerbs fremden Vermögens durch Gewährung von Anteilen einer Tochtergesellschaft auf die Rechtsstellung der Aktionäre der Obergesellschaft. Paradigmatisch sind hierfür die Kapitalerhöhung gegen Einlagen in der Tochtergesellschaft und die Veräußerung deren Anteile durch die Obergesellschaft zu betrachten. Für die Ausarbeitung der Schutzrichtungen des Aktienrechts in solchen Konstellationen sind die aufgedeckten Wertungen und Ergebnisse des Zweiten und Dritten Teils fruchtbar zu machen. Entscheidend ist damit, ob und wann der Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft die Rechtsstellung der 1 Dazu schon oben S. 43 ff.; zur Diskussion, ob der Katalog des § 119 Abs. AktG abschließend ist, unten bei Fn. 54.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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Aktionäre der Obergesellschaft in einer Weise zu gefährden droht, daß Schutzmechanismen zugunsten der Aktionäre wie etwa Hauptversammlungskompetenzen auf diese Vorgänge zu übertragen sind, die in der unverbundenen AG bestehen. Eine solche Ausweitung von Hauptversammlungskompetenzen steht grundsätzlich im Konflikt mit der vom AktG verfolgten, satzungsfesten Kompetenzordnung und der in verschiedenen Vorschriften bestimmt geregelten Hauptversammlungskompetenzen. Die Untersuchung hat dabei entsprechend dem Dritten Teil bei den Kompetenzen der Hauptversammlung, hier der Hauptversammlung der Obergesellschaft anzusetzen.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen an Tochtergesellschaften Mit der Verlagerung von Betriebsvermögen auf Tochtergesellschaften gehen mit dem verlagerten Vermögen die Leitungskompetenzen des Vorstandes der Obergesellschaft aus § 76 Abs. 1 AktG auf die Leitungsorgane der Tochtergesellschaften und Beschlußkompetenzen der Hauptversammlung nach § 119 AktG auf den Vorstand der Obergesellschaft als deren Vertretungsorgan in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft über. Der Vorstand nimmt damit Mitgliedschaftsrechte der Obergesellschaft in den Tochtergesellschaften wahr, so daß sich durch die Gruppenbildung der Zuständigkeitsbereich des Vorstandes hinsichtlich des Vermögens verändert, das von der Obergesellschaft auf eine Tochtergesellschaft ausgelagert wird, als er fortan die Rechte ausübt, die vor der Gruppenbildung der Hauptversammlung der Obergesellschaft zukamen. Bei der Beschlußfassung etwa über die Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft und den Ausschluß des Bezugsrechts übt der Vorstand der Obergesellschaft für diese das Stimmrecht aus. Der Hauptversammlung der Obergesellschaft stehen hierfür keine gesetzlichen Kompetenzen mehr zu, da die §§ 182 ff. AktG nur die Befassung der Hauptversammlung der das Kapital erhöhenden AG vorsehen. Der Vorstand entscheidet weiterhin in der Tochtergesellschaft für die Obergesellschaft als Aktionärin etwa nach §§ 58 Abs. 3, 174 Abs. 1 AktG über das Gewinnbezugsrecht im Hinblick auf den Bilanzgewinn der Tochtergesellschaft, was aufgrund der Möglichkeiten der Gewinnthesaurierung die Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft beeinträchtigen kann,2 und 2

Dazu MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 58 Rn. 58 ff.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 168 f.; Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 352 f., 361 ff., und ders., in: FS Goerdeler, 1987, S. 327 ff.; siehe auch BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 f. (Holzmüller); ausführlich Wahlers, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 73 ff.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

auch über die Auflösung der Tochtergesellschaft und den damit verbundenen Anspruch auf anteilige Beteiligung am Liquidationserlös nach §§ 262 Abs. 1 Nr. 2, 271 AktG. Damit gefährden oder verletzen solche Maßnahmen der Gruppen(um)bildung die Mitgliedsrechte der Aktionäre der Obergesellschaft nicht selbst. Vielmehr erfährt der Rechtsgegenstand, auf den sich die Mitgliedsrechte des Aktionärs beziehen, Veränderungen.3 Neben der faktischen Verkürzung der mitgliedschaftlichen Herrschaftsrechte durch diese sog. Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre der Obergesellschaft droht diesen überdies die Gefahr der Beeinträchtigung ihrer Vermögensrechte und ihres Beteiligungsvermögens, wenn etwa Anteile an der Tochtergesellschaft unter Wert an Dritte veräußert werden.

I. Grundlagen der Hauptversammlungskompetenzen Dieser Mediatisierungseffekt, der seine Grundlage in der mit jeder Gruppenbildung verbundenen Zuständigkeitsverlagerung hat, und die Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre der Obergesellschaft führt zu dem Spannungsfeld des Kompetenzverhältnisses von Vorstand und Hauptversammlung bei Gruppen(um)bildung und -leitung. Die durch die Gruppenbildung verursachte Kompetenzverschiebung in der Obergesellschaft im Hinblick auf das nun in der Tochtergesellschaft gebundene Vermögen und die damit verbundene Frage, ob diese Kompetenzverschiebung von der Hauptversammlung hin zum Vorstand durch gegenläufige Instrumente wie eine Ausdehnung der Hauptversammlungskompetenzen auf das in der Tochtergesellschaft gebundene Vermögen bei Maßnahmen der Gruppen(um)bildung und -leitung auszugleichen ist, stellen daher einen zentralen Diskussionspunkt im Recht der Unternehmensgruppe dar. 1. Von Holzmüller zu Gelatine und dem Beschluß von 2006 – Gang der Untersuchung Im Rahmen der berühmt gewordenen Holzmüller-Entscheidung, die zu den zentralen aktienrechtlichen Entscheidungen zu zählen ist,4 befaßte sich der BGH mit Maßnahmen grundsätzlicher Bedeutung in der AG als auch Fragen der Konzernbildung und -leitung5 oder genauer der Gruppen3

Hierauf weist Joost, ZHR 163 (1999), 164, 170, hin. In die gleiche Richtung schon RG v. 28.5.1895 – II 69/95, RGZ 35, 83, 86 ff. (Grubeneisenbahn); dazu Becker, Verwaltungskontrolle, 1997, S. 599 Fn. 202; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2335 (liSp.), auch mit Verweisung in Fn. 3 auf ausländische Lehrbuchliteratur. 4

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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bildung und -leitung.6 Im Mittelpunkt steht dabei das Kompetenzverhältnis von Vorstand und Hauptversammlung und das damit verbundene Spannungsfeld zwischen effektiver Wahrnehmung der Leitungsaufgaben durch den Vorstand einerseits und Schutz der Aktionäre vor damit einhergehenden Gefährdungen ihrer mitgliedschaftlichen Position durch eine „Störung der aktienrechtlichen Zuständigkeitsordnung“ andererseits.7 Das Urteil zog eine bis heute andauernde Diskussion über das im Wege höchstrichterlicher Rechtsfortbildung den Aktionären eingeräumte ungeschriebene Recht auf Mitsprache bei der Gruppenbildung und nachfolgend beabsichtigten Kapitalerhöhung und damit zusammenhängend über die Kompetenzen bei Gruppen(um)bildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen nach sich.8 Die unklare Reichweite der vom BGH geschaffenen Holzmüller-Doktrin und das überaus breite Meinungsspektrum im Schrifttum führte zu einer nur noch schwer zu überschauenden Diskussion über Grund und Grenzen ungeschriebener Hauptversammlungskompetenzen, die zu der pointierten Äußerung veranlaßte, daß „in Rechtsprechung und Literatur mehr offene als geklärte Fragen“ bestünden.9 Fundamentaler Kritikpunkt an der vom BGH vorgenommenen Rechtsentwicklung ist die Schwierigkeit klarer Grenzziehung des Eingreifens solcher Mitwirkungsbefugnisse, weshalb insbesondere aus Sicht der Unternehmenspraxis die bestehende Rechtsunsicherheit kritisiert wurde.10 Die unscharfe Trennlinie zwischen Leitungsaufgabe des Vorstandes und Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung stellt daher nach Teilen des Schrifttums den Ansatz insgesamt in Frage.11 5

So die gängige Bezeichnung, die auch Titel der Arbeit von Ebenroth aus dem Jahr 1987 ist. 6 Dazu oben S. 42 ff. 7 So BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 134 (Holzmüller). 8 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 ff., 141 ff., und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 (Gelatine). 9 Zimmermann/Pentz, in: FS W. Müller, 2001, S. 151, 152, mit einer Aufzählung bedeutsamer Streitpunkte, die vor den Entscheidungen des BGH vom 26.4.2004 nicht geklärt waren. Ähnlich MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 38; Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 280: „Einigkeit, so haben zwei Jahrzehnte Rechtsentwicklung gelehrt, ist nicht zu erzielen“. 10 So schon die frühen Stimmen im Schrifttum; vgl. Martens, ZHR 147 (1983), 377 ff.; Sünner, AG 1983, 169 ff.; Beusch in: FS Werner, 1984, S. 1 ff.; Heinsius ZGR 1984, 383 ff.; Werner, ZHR 147 (1984), 429 ff.; zusammenfassend H. P. Westermann, ZHR 156 (1992), 203, 214 ff.; aus neuerer Zeit Altmeppen, DB 1998, 49, 51, und H. P. Westermann, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 259, 269. 11 Kritisch Mertens, AG 2000, 157, 162 (liSp.), wonach sich aus dieser Unterscheidung „in ihrer Gesamtheit keine für die Rechtsanwendung taugliche Richtlinie entwickeln“ lasse. So etwa auch Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 208; ähnlich Joost, ZHR 163 (1999), 164, 174.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

Auch wenn sich anderen Urteilen des BGH am Rande entnehmen ließ, daß der Senat an der Holzmüller-Doktrin festhalten wolle,12 hatte der Senat erst im Jahr 2004 ein weiteres Mal die Gelegenheit, sich mit „ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnissen“ zu befassen.13 In den weitgehend gleichlautenden Entscheidungsgründen der Gelatine-Urteile hielt der Senat an seinem Ansatz aus dem Jahr 1982 unter Verweisung auf die Billigung durch das überwiegende Schrifttum grundsätzlich fest. Unter ausdrücklicher Nennung der die Praxis verunsichernden Diskussion um Grund und Grenzen einer über die ausdrücklich im Gesetz geregelten Fälle hinausgehenden notwendigen Mitwirkung der Hauptversammlung räumte der BGH der Erörterung der verschiedenen Streitpunkte und der im Schrifttum geäußerten Kritik an seinem Ansatz breiten Raum ein.14 Im Hinblick auf den im Schrifttum durchgängig bemängelten unklaren Anwendungsbereich betonte der Senat mehrfach den Ausnahmecharakter ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung, da solche „nur ausnahmsweise und in engen Grenzen anzuerkennen sind“.15 Zum anderen bezog der Senat Stellung zur normativen Grundlage dieser Befugnisse und dem erforderlichen Hauptversammlungsquorum, womit wichtige, seit dem Holzmüller-Urteil bestehende Streitpunkte höchstrichterlich geklärt wurden. Auf die im Mittelpunkt stehende Frage von Grund, Schutzzweck und Anwendungsbereich ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse ging der BGH ein, ohne diese allerdings abschließend zu behandeln, und auch der im Jahr 2006 ergangene Nichtannahmebeschluß des BGH zu einer Revision betreffend die in jüngerer Zeit besonders umstrittenen Kompetenzen bei Beteiligungsveräußerungen führte zu keiner abschließenden Klärung,16 so daß die Diskussion um Holzmüller-Kompetenzen noch nicht ihren Abschluß gefunden hat. Um diese im Hinblick auf die hier untersuchten Fallkonstellationen näher zu beleuchten, sollen die vom Holzmüller-Urteil vermittelten Schutzrichtun12 In den Entscheidungen v. 15.1.2001 – II ZR 124/99, BGHZ 146, 288, 296 (Altana/Milupa), und v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 (Macrotron), hat der BGH seine Auffassung ohne nähere Präzisierung bekräftigt. 13 So der mit einem Fragezeichen versehene Titel der Rezension von Ulmer, AG 1975, 15, zum grundlegenden Beitrag von Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347–365. 14 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 154/02, NZG 2004, 571, 575, und II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 (Gelatine); es wird nachfolgend nur letztere Entscheidung zitiert, da die Entscheidungen in wesentlichen Teilen identisch sind. Wird von der GelatineEntscheidung bzw. dem Gelatine-Urteil gesprochen, sind beide Urteile gemeint. 15 Siehe den ersten Leitsatz der Entscheidung v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30. 16 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24 (Hofbräu), zu OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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gen und daran anschließend der Diskussionsstand im Schrifttum betrachtet werden, bevor das Gelatine-Urteil und der Nichtannahmebeschluß und die daraus zu ziehenden Schlüsse für den Bereich ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen einer Tochtergesellschaft darzustellen sind. 2. Der Schutz der Aktionärsstellung im Holzmüller-Urteil Die Entscheidung des BGH fußte auf Vorarbeiten des Schrifttums,17 das jedoch keine von breiter Übereinstimmung getragene Lösung anbieten konnte.18 Der BGH nahm die dem Entscheidungsfall zugrundeliegende Gruppenbildung und nachfolgend beabsichtigte Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft zum Anlaß, das Kompetenzverhältnis von Vorstand und Hauptversammlung bei der Gruppenbildung und den sich anschließenden Maßnahmen allgemein zu behandeln und befaßte sich hierbei insbesondere mit zwei Problemkreisen:19 zum einen mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Vorstand eine klassische Ausgliederung,20 also die Übertragung von Betriebsvermögen im Wege der Einzelrechtsnachfolge, nur mit Zustimmung der Hauptversammlung vornehmen darf und ob diese eine innergesellschaftliche Angelegenheit ist oder auch das Außenverhältnis betrifft; zum anderen, welche Auswirkungen die mit der Ausgliederung geschaffene Unternehmensgruppenstruktur auf das Kompetenzverhältnis von Vorstand und Hauptversammlung hat und wann die Hauptversammlung der Obergesellschaft für Maßnahmen in der Tochtergesellschaft, im konkreten Fall eine Kapitalerhöhung, zuständig ist.21 Zu entscheiden war darüber, daß eine AG zwar nicht ihr ganzes Gesellschaftsvermögen, jedoch einen den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens darstellenden Betrieb auf eine zu diesem Zweck gegründete, im alleinigen Anteilsbesitz stehende Tochter17

Vornehmlich Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 357 ff., und ders., in: FS Barz, 1974, S. 199 ff.; U. H. Schneider, in: FS Bärmann, 1975, S. 873, 881 ff., und ders., in: Der GmbH-Konzern, 1976, S. 78, 95 ff. (bzgl. GmbH und Personengesellschaft als Obergesellschaft); Timm, AG als Konzernspitze, 1980, und ders., AG 1980, 172 ff.; Rehbinder, in: FS Coing II, 1982, S. 423. Siehe auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 15. 18 So Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 16; weitergehend K. Schmidt, in: FS Heinsius, 1991, S. 715, 718: von der Literatur zu wenig vorbereitet. 19 Zu der ebenfalls vom BGH entschiedenen Frage nach den Klagerechten des Aktionärs bei Eingriffen in seine Mitgliedschaft hier in Form von Kompetenzübergriffen siehe BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 133 ff., sowie schon Knobbe-Keuk, in: FS Ballerstedt, 1975, S. 239, 251 ff. Dazu oben S. 224 ff. 20 Zu diesem Begriff siehe Priester, ZHR 163 (1999), 187. 21 Zu erstem siehe die Leitsätze a) und d), zu letztem Leitsatz e), BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

gesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge ausgegliedert hatte und im Anschluß hieran deren Kapital erhöht werden sollte.22 Die vom BGH untersuchten Kompetenzen bei der Ausgliederung von Vermögen und der nachfolgend beabsichtigten Ausgabe neuer Anteile an der Tochtergesellschaft, die Maßnahmen der Gruppen(um)bildung bzw. -leitung darstellen, setzen beim Vorgang der Gruppenbildung an.23 a) Kompetenzen bei der Gruppenbildung Nach Ablehnung des Vorliegens einer faktischen Satzungsänderung24 entschied der BGH zur Erforderlichkeit einer Hauptversammlungszustimmung zur klassischen Ausgliederung, daß Gründung und Erwerb einer Tochtergesellschaft und ihre Ausstattung mit dem notwendigen Kapital zum gewöhnlichen Rahmen von Geschäftsführungsmaßnahmen gehören würden. Dieser Rahmen werde aber überschritten und begründe damit ausnahmsweise eine Vorlagepflicht des Vorstands nach § 119 Abs. 2 AktG, wenn die Maßnahmen, die durch die Außenvertretungsmacht des Vorstandes, seine Geschäftsführungsbefugnis und den Wortlaut der Satzung noch formal gedeckt seien, „so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen, daß der Vorstand vernünftigerweise nicht annehmen kann, er dürfe sie ausschließlich in eigener Verantwortung treffen, ohne die Hauptversammlung zu beteiligen.“25 Der Senat folgerte diese interne Vorlagepflicht des Vorstands aus einer Ermessensschrumpfung auf Null, deren Verletzung aber die uneingeschränkte Vertre22

Nach dem Urteil der Vorinstanz, OLG Hamburg v. 5.9.1980 – 11 U 1/80, ZIP 1980, 1000, 1005, machte der aus der AG ausgegliederte und in die hierzu neue gegründete H. KGaA eingebrachte Seehafen-Betrieb 80% des Substanzwertes der Gesellschaft aus. 23 Zu den Begriffen siehe Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 35. 24 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 130 (Holzmüller); dazu auch BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 36 f. (Gelatine), der in dem zu entscheidenden Fall ebenfalls einen solchen Satzungsverstoß durch Änderung oder Erweiterung des Unternehmensgegenstands ablehnte. Die Frage, ob der Vorstand durch eine Satzungsregelung zu derartigen im Kernbereich der Unternehmenstätigkeit liegenden Ausgliederungen ermächtigt werden kann, wurde ausdrücklich offengelassen; siehe dazu BGH aaO, 140. Zum Begriff der faktischen Satzungsänderung Hüffer, AktG, 2008, § 179 Rn. 9 f.; Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 216 f. 25 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131; mit dieser Begründungslinie zum Schutz des „im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteresses“ orientiert sich der Senat an der verfassungsrechtlichen Terminologie bei Fragen des Schutzes der Mitgliedschaft; dazu BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 276 f. (Feldmühle), sowie die jüngere Rspr. des BVerfG; dazu oben S. 158 ff.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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tungsmacht des Vorstands und damit die Wirksamkeit der Maßnahme wegen § 82 Abs. 1 AktG unberührt lasse.26 Ohne die qualitativen und quantitativen Voraussetzungen für die Erheblichkeitsschwelle eines solchen Eingriffs in die Aktionärsstellung weitergehend zu präzisieren, stellte der BGH einen solchen fest, da die Maßnahme „im Kernbereich der Unternehmenstätigkeit“ liege, den „wertvollsten Betriebszweig“ betreffe und „die Unternehmensstruktur von Grund auf“ ändere.27 Ergänzend führte der Senat hinsichtlich der Auswirkungen auf das Kompetenzverhältnis an, daß die Hauptversammlung durch die klassische Ausgliederung die Möglichkeit verliere, „im Rahmen der gemäß § 119 AktG der Hauptversammlung vorbehaltenen Befugnisse den Einsatz des abgespaltenen Betriebskapitals, das Risiko seines Verlusts und die Verwendung seiner Erträge unmittelbar zu beeinflussen.“28 b) Gruppenumbildung und -leitung Zum Bereich der nachfolgenden Gruppenumbildung bzw. -leitung stellte der BGH darauf ab, daß bei derartigen Maßnahmen „die Gefahr [besteht], daß der Vorstand namentlich durch Unternehmensverträge mit einem Dritten oder durch Aufnahme fremder Gesellschafter, etwa im Wege der Kapitalerhöhung, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre der Obergesellschaft vollends“ aushöhle, womit „zugleich (wie z. B. bei einem zu niedrigen Ausgabekurs für neue Aktien) konkrete Vermögensverluste verbunden sein“ könnten.29 Aufgrund der aus der Gruppenbildung folgenden Gefahr nachteiliger Auswirkungen solcher Maßnahmen in der Tochtergesellschaft auf die Mitgliedschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre der Obergesellschaft räumte der Senat der Hauptversammlung der Obergesellschaft Mitspracherechte zu gruppenumbildenden und -leitenden Maßnahmen ein,30 ohne allerdings entsprechend der Gruppenbildung ausdrücklich auf die Verdichtung des Vorlagerechts aus § 119 Abs. 2 AktG zurückzugreifen.31 Die Aktionäre 26

BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 f. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 f. 28 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136. 29 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137, mit Verweisung auf BGH v. 16.11.1981 – II ZR 150/80, BGHZ 82, 188 (Hoogovens). 30 Der BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 (Holzmüller), läßt ausdrücklich offen, ob diese Kompetenz ebenfalls besteht, wenn das Vermögen der Tochtergesellschaft anders als durch die Ausgliederung von Betriebsvermögen entstanden ist und wenn es sich nicht um eine 100% Tochtergesellschaft handelt. 31 Der BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 f., orientierte sich an Einzelvorschriften des AktG, wie die Heranziehung der verschiedenen Absätze des § 186 AktG zur Frage der Beteiligung der Obergesellschaft bei Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft zeigt. Zur Interpretation des Urteils durch den BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 38 (Gelatine), unten bei Fn. 76. Das 27

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

der beklagten Obergesellschaft dürften verlangen, an „grundlegenden, für ihre Rechtsstellung bedeutsamen Entscheidungen in der Tochtergesellschaft über ihre Hauptversammlung so beteiligt zu werden, wie wenn es sich um eine Angelegenheit der Obergesellschaft selbst handelte.“32 Der BGH beschränkte das wiederum nur intern wirkende Zustimmungserfordernis nicht auf Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft, sondern erstreckte dies auch auf die vom Senat beispielhaft genannten Entscheidungen über Unternehmensverträge, Weiterübertragung des Gesellschaftsvermögens gemäß § 361 AktG a. F. (jetzt: § 179a AktG) oder einen Auflösungsbeschluß in der Tochtergesellschaft nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG.33 Als Ansatzpunkt erwähnte der Senat dabei die „Tendenz bereits des geltenden Aktienrechts, das Minderheitsaktionäre auf mannigfache Weise vor einer Entwertung ihrer Mitgliedschaft durch unmittelbare oder mittelbare Eingriffe der Mehrheit und einer von ihr beeinflußten Verwaltung, gerade auch im Konzernverband, zu schützen sucht“, da faktische Verschiebungen der Zuständigkeitsund Vermögensordnung diese weit stärker als die Mehrheit träfen.34 Greifbare qualitative oder quantitative Kriterien nannte der BGH nicht, noch gab er einen dogmatischen Ansatzpunkt für die Verkürzung der Vorstandskompetenz.35 Im Hinblick auf die Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft führte der BGH abschließend aus, daß die „hiernach notwendigen Zustimmungsbeschlüsse . . . nach den gleichen Regeln und mit denselben Mehrheiten zu fassen [sind], die für entsprechende Kapitalbeschaffungsmaßnahmen in der Beklagten selbst nach den §§ 182 ff. AktG zu beachten wären.“36 Schrifttum schließt hieraus, daß der BGH für diesen Bereich von einer echten Hauptversammlungskompetenz ausgeht; so etwa MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 32 f.; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 30, und ders., Aktiengesellschaft, 1996, S. 369 mwN. in Fn. 38. Im Schrifttum wurde daran gezweifelt, ob der BGH sich in der Holzmüller-Entscheidung zur Begründung der Verpflichtung des Vorstandes überhaupt auf § 119 Abs. 2 AktG gestützt habe; dazu K. Schmidt in: FS Heinsius, 1991, S. 715, 719. 32 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140. 33 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140. 34 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 139. 35 Es handelt sich hierbei vornehmlich um einen Kompetenzkonflikt zwischen Vorstand und Hauptversammlung, zu dem ein Mehrheits-/Minderheitskonflikt hinzutreten kann und dann die mit dem faktischen Kompetenzverlust der Hauptversammlung verbundenen Folgen insbesondere für die Minderheitsaktionäre verstärkt; so auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 417; Baums, AG 1994, 1, 2; hierzu auch Zöllner, ZHR 162 (1998), 235, 242. Wohl anders BVerfG v. 23.8.2000 – 1 BvR 68/95, 1 BvR 147/97, DNotZ 2000, 868, 871 (Moto Meter), das die Bedeutung der Holzmüller-Entscheidung vornehmlich im Minderheitenschutz sieht, wenn es ausführt: „Wenn (noch) Minderheitsaktionäre vorhanden sind, müssen zudem nach der so genannten Holzmüller-Rechtsprechung des BGH grundlegende Strukturveränderungen der Gesellschaft durch einen Beschluß der Hauptversammlung gebilligt werden . . .“. 36 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 144 (Holzmüller).

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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3. Instanzengerichtliche Rechtsprechung und Ansichten des Schrifttums Nachdem das Schrifttum dem Urteil anfänglich insbesondere im Hinblick auf die Ausführungen zur Gruppenleitung überwiegend ablehnend gegenüberstand,37 hat sich im überaus umfangreichen nachfolgenden Schrifttum keine einheitliche Linie gebildet.38 Die instanzengerichtliche Rechtsprechung ist dem BGH bei unterschiedlicher Beurteilung der Reichweite in Begründungsansatz und Ergebnis gefolgt, ohne daß aber eine griffige und im Einzelfall praktikable Orientierung gefunden wurde.39 Im Schrifttum do37 Zu ablehnenden Stellungnahmen, die u. a. die Unbestimmtheit des Kriteriums „schwerwiegender Eingriff“ bemängelten und auf der Befürchtung einer Konzernbildungskontrolle ohne das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung eingrenzende Kriterien beruhten, etwa Rehbinder, ZGR 1983, 92, 108; J. Semler, BB 1983, 1566, 1571 f.; Sünner, AG 1983, 169 ff.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 395; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 434 f. und 453; Beusch, in: FS Werner, 1984, S. 1, 21 („Wunschbilder modischer basisdemokratischer Vorstellungen“); Kropff, ZGR 1984, 112, 123; Heinsius, ZGR 1984, 383, 388 („Wüste der Rechtsunsicherheit“); Götz, AG 1984, 85, 88 (liSp.: völlige Überdehnung des Aktionärsschutzes); H. P. Westermann, ZGR 1984, 352 ff.; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1987, Vorb. § 291 Rn. 21. Nahezu uneingeschränkte Zustimmung nur von Großfeld/Brondics, JZ 1982, 589 ff.; siehe auch Rehbinder, ZGR 1983, 92, 96 f.; Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825 ff. 38 Übersicht zum jüngeren Schrifttum bei Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 33 Fn. 163; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 35 f. Fn. 93 ff. 39 Dazu auch Zimmermann/Pentz, in: FS W. Müller, 2001, S. 151, 152. Zur Rspr. etwa OLG Hamm v. 19.11.2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421 (Arcandor); OLG Frankfurt/M. v. 21.6.2007 – 5 U 34/07, AG 2008, 862; OLG Düsseldorf v. 11.8.2006 – 15 W 110/05, AG 2007, 363; LG München I v. 8.6.2006 – 5 HK O 5025/06, DStR 2006, 2045 (Infineon); OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693 (Hofbräu; Vorinstanz zu BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/ 05, ZIP 2007, 24); LG Frankfurt/M. v. 11.1.2005 – 3/5 O 106/04, ZIP 2005, 579 (MG Technologies); LG München I v. 23.12.2004 – 5HK O 15081/04, AG 2005, 261 (IM Internationalmedia AG); OLG Karlsruhe v. 12.3.2002 – 8 U 295/00, AG 2003, 388 (Gelatine; Vorinstanz zu BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30); LG Duisburg v. 29.5.2002 – 21 O 106/02, NZG 2002, 643 (Babcock-Borsig/HDW); LG Koblenz v. 27.3.2001 – 1 HO 121/00, AG 2002, 102; OLG Celle v. 7.3.2001 – 9 U 137/00, AG 2001, 357 (AlliedSignal Chemical/Riedel de Haen), Vorinstanz LG Hannover v. 30.5.2000 – 26 O 79/98, AG 2001, 150; OLG München v. 14.2.2001 – 7 U 6019/99, NZG 2000, 273 (Macrotron), Vorinstanz LG München I v. 4.11.1999 – 5 HKO 10580/99, BB 1999, 2634; OLG Frankfurt/M. v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431 (AGIV); LG Stuttgart v. 9.10.2000 – 7 KfH O 66/2000, ZIP 2000, 2110, 2112 (reSp.; DaimlerChrysler); OLG Düsseldorf v. 31.8.2000 – 6 W 33/00, NZG 2000, 1078; LG Frankfurt/M. v. 15.5.2000 – 26 O 79/98, DB 2000, 1607; OLG Frankfurt v. 23.3.1999 – 5 U 193/97, ZIP 1999, 842 (Altana/Milupa), Vorinstanz LG Frankfurt/M. v. 29.7.1997 – 3/5 O 162/95, ZIP 1997, 1698; LG Heidelberg v. 1.12.1998 – O 95/98 KfH I, AG 1999, 135, 137

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

minieren mittlerweile die Stellungnahmen, die eine Anerkennung einer nur das Innenverhältnis zwischen Vorstand und Hauptversammlung betreffenden ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit billigen.40 Aufgrund des verallgemeinerungsfähigen Begründungsansatzes, des tiefen Eingriffs in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren Vermögensinteressen durch eine grundlegende Änderung der Gesellschaftsstruktur, stimmt die h. M. darin überein, die Hauptversammlungszuständigkeit nach der Holzmüller-Doktrin auch auf andere Änderungen der Gesellschaftsstruktur zu übertragen, die mit einem schwerwiegenden Eingriff in die Mitgliedschaft des Aktionärs einhergehen.41 a) Grundlegende Gegensätze im Schrifttum Infolge dieser offen gehaltenen Ausführungen des BGH gingen die Ansichten im Schrifttum zu der normativen Grundlage des Zustimmungserfordernisses und dem erforderlichen Hauptversammlungsquorum sowie zu den Anforderungen an die Wesentlichkeitsschwelle, die an eine die Hauptversammlungskompetenz erfordernde Umstrukturierungsmaßnahme zu stellen sind, weit auseinander. Insbesondere die in der instanzengerichtlichen Rechtsprechung42 und im Schrifttum vorgeschlagenen Wertgrenzen oder be(MLP); LG Karlsruhe v. 6.11.1997 – O 43/97 KfH I, ZIP 1998, 385 (Badenwerk); LG Düsseldorf v. 13.2.1997 – 31 O 133/96, AG 1999, 94, 95 (Neusser Öl und Fett); LG Hamburg v. 21.1.1997 – 402 O 122/96, AG 1997, 238 (Wünsche); OLG München v. 10.11.1994 – 24 U 1036/93, AG 1995, 232, 233 (EKATIT Rüdinger); LG Frankfurt/M. v. 10.3.1993 – 3/14 O 25/92, ZIP 1993, 830, 832 ff. (Hornblower/Fischer); OLG Köln v. 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110 (Winterthur/Nordstern), Vorinstanz LG Köln v. 3.2.1992 – 91 O 203/91, AG 1992, 238; LG Stuttgart v. 8.11.1991 – 2 KfH O 135/91, AG 1992, 236, 237. 40 So auch die Bewertung von Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 33; Reichert, in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 44; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 36, je mit ausführlichen Nachweisen. Aus dem jüngeren Schrifttum zustimmend neben ders. etwa Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 18, und ders. in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 284; Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211 ff.; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 40; K. Schmidt, GesR, 2002, § 28 V 2b (S. 870 ff.); Becker, Verwaltungskontrolle, 1997, S. 603 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 416 ff., 420 ff., 441 ff. Auswirkungen einer fehlenden Hauptversammlungszustimmung auch auf die Außenvertretungsmacht des Vorstandes bejaht dagegen bei Anwendung konzernrechtlicher Vorschriften Hübner, in: FS Stimpel, 1985, S. 791, 797 f. 41 Hierzu Henze, BB 2001, 53, 60 f.; Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 289 f., der dies auf den Rechtsschutz der Aktionäre beschränkt; a. A. etwa Groß, AG 1994, 266, 272, 275 Fn. 111, wonach die Entscheidung eine nicht verallgemeinerungsfähige Einzelfallentscheidung sei. Zu Beispielen von Umstrukturierungen, die eine Vorlagepflicht begründen können, H. P. Westermann, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 259, 269, und die Nachweise unten in Fn. 46.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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tragsmäßigen Größenordnungen und die Bemessungsgrundlage hierfür wichen erheblich voneinander ab.43 Daneben geforderte qualitative Kriterien unterschieden sich ebenfalls, so daß trotz Überschreitens der quantitativen Grenzen nach einem Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums eine Mitwirkung der Aktionäre dennoch ausscheiden sollte.44 Entgegen der stetigen Ausdehnung der Holzmüller-Befugnisse und dem Absinken der Wesentlichkeitsschwelle wurde vermehrt ein restriktiverer Standpunkt eingenommen, wonach die Maßnahme in quantitativer Hinsicht mehr als 50% des Aktivvermögens und in qualitativer Hinsicht den Kernbereich unternehmerischer Tätigkeit betreffen müsse.45 42 Siehe etwa LG Frankfurt/M. v. 10.3.1993 – 3/14 O 25/92, ZIP 1993, 830, 832 (Hornblower/Fischer), das eine Holzmüller-Zuständigkeit bereits bei einer Ausgliederung von zehn Prozent des Gesellschaftsvermögens oder des Grundkapitals bejahte, wobei die ausgegliederte Gesellschaft 50% der Umsatzerlöse machte. Anders LG Düsseldorf und LG Heidelberg unten bei Fn. 45. Hierzu und zu weiteren älteren Entscheidungen H. P. Westermann, in: FS Koppensteiner, 2001, S. 259, 262 ff. 43 Zu den quantitativen Anforderungsgrenzen der überwiegenden Ansicht im Schrifttum vor den Entscheidungen vom 26.4.2004, die sich zwischen 10 und 50% bewegten, wobei keine einheitliche Linie im Hinblick auf die Bezugsgröße bestand, siehe die Nachweise bei MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 46 (Fn. 146 ff.); Bungert, BB 2004, 1345, 1346 (liSp.) mit Fn. 7 ff.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2003, Vor § 311 Rn. 40 f. Fn. 181 ff.; Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 40 ff.; Zimmermann/Pentz, in: FS W. Müller, 2001, S. 151, 156 f. Siehe auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 527 f., der auch auf weitere wirtschaftliche Maßstäbe unter Heranziehung der betriebswirtschaftlichen Portfolio-Technik abstellen will; zustimmend Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 89. 44 Eine Holzmüller-Maßnahme liegt nach Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230, vor, wenn sich der Vorgang im Kernbereich der Unternehmenstätigkeit abspielt und die Unternehmensstruktur von Grund auf ändert; so auch Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 49; Krieger, MünchHdB GesR/AG, 1999, § 69 Rn. 8; Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, § 76 Rn. 52; Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 157. Dagegen wurde eine solche Zuständigkeit verneint bei Gruppenumbildungsvorgängen, an denen nur Tochtergesellschaften beteiligt sind; hierzu etwa Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 831. 45 LG Düsseldorf v. 13.2.1997 – 31 O 133/96, AG 1999, 94, 95 (Neusser Öl und Fett), wonach eine Zuständigkeit nicht besteht, wenn die Beteiligung unterhalb der Grenze von mindestens 50% der Aktiva liegt und nicht den Kernbereich der Unternehmenstätigkeit trifft; LG Heidelberg v. 1.12.1998 – O 95/95 KfH I, AG 1999, 135, 137 (MLP), zur Gründung bedeutender neuer Töchter mit Drittbeteiligung. Aus dem Schrifttum vor den Entscheidungen vom 26.4.2004 Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 225 f.; Hüffer, aaO, 2003, S. 279, 295 f. (mehr als 75%); Veil, ZIP 1998, 361, 369; Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 141; die jeweils auf mehr als 50% des Vermögens abstellen. Zusätzlich einen Eingriff in den unternehmerischen Kernbereich fordernd Reichert, ZHR-SH 68 (1999), S. 26, 45 und 73. Restriktiv Groß, AG 1994, 266, 271; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 195; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1210.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

Nach wie vor umstritten ist auch der die Zuständigkeit der Hauptversammlung begründende Schutzzweck und der Anwendungsbereich der Grundsätze im einzelnen, wobei insoweit das Gelatine-Urteil, das die Holzmüller-Grundsätze präzisierte, für die genannten Streitpunkte Klärung brachte.46 b) Einzelheiten Die teils erheblich differierenden Ansichten im Schrifttum und der Rechtsprechung lassen sich vor dem Hintergrund der Entwicklung der Diskussion eher verstehen. Ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung wurden in ihrem Ausgangspunkt aufgrund des der Holzmüller-Entscheidung zugrundeliegenden konzernrechtlich eingekleideten Sachverhaltes vor allem unter konzernrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet oder in einen unmittelbaren Zusammenhang mit Konzernsachverhalten gestellt,47 sind aber im Grundsatz ein Problem der Kompetenzen in der unverbundenen AG.48 Die vom BGH im Holzmüller-Urteil befürwortete Herleitung der Vorlagepflicht des Vorstandes aus § 119 Abs. 2 AktG, die auf breite Ablehnung des Schrifttums gestoßen ist,49 läßt den Schutzzweck der Hauptversammlungsbe46 Vgl. zu den im Schrifttum genannten zuständigkeitsbegründenden Maßnahmen, die zu einem erheblichen Teil auch für die unverbundene AG bedeutsam sind, Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 31 ff.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 41 ff.; Reichert, in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 27 ff.; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 61 ff.; Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 57 ff.; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 30. 47 Siehe Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 832 ff., und ders., in: FS H. Westermann, 1974, S. 347 ff. 48 So zum Holzmüller-Urteil die h. M.; siehe etwa Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 34; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 30; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 172 f.; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230 (liSp.), und dies, aaO, 805, 805 f.; Weishaupt, NZG 1999, 805, 806 (liSp.); von Riegen, Gesellschafterschutz, 1999, S. 38 ff.; LG Stuttgart v. 9.10.2000 – 7 KfH O 66/2000, ZIP 2000, 2110, 2112 (reSp.; DaimlerChrysler). 49 Der Heranziehung des § 119 Abs. 2 AktG zustimmend aus dem früheren Schrifttum Hüffer, AktG, 2004, § 119 Rn. 18, ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 287 ff.; Reichert, AG 2005, 150, 151 (liSp.), und ders., in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 45, und ders., ZHR-SH 68 (1999), S. 25, 45 f.; Butzke, in: Obermüller/Werner/ Winden, Hauptversammlung, 2001, L Rn. 77; F. J. Semler, MünchHdB GesR/AG, 1999, § 34 Rn. 42; Becker, Verwaltungskontrolle, 1997, S. 602 f.; Groß, AG 1996, 111, 112 f.; Großfeld/Brondics, JZ 1982, 589, 591; gegen das überwiegend ablehnende Schrifttum, das auf den Zusammenhang der in § 119 Abs. 2 AktG geregelten Befugnis mit der Verantwortlichkeit des Vorstandes nach § 93 AktG, insbesondere den Ausschluß dieser Verantwortlichkeit bei einem Handeln des Vorstandes auf der Grundlage eines Hauptversammlungsbeschlusses nach § 93 Abs. 4 S. 1 AktG hinweist; so etwa Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor

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teiligung nicht deutlicher werden.50 Das Schrifttum entwarf andere Begründungsvorschläge, gelangte aber zu keinem Konsens, da die Ansichten zum Schutzzweck und der Rechtsgrundlage der Befassung der Hauptversammlung weit auseinandergingen. Auch die Regierungskommission Corporate Governance sah sich außer Stande, einen konsensfähigen Regelungsvorschlag zu unterbreiten.51 Das breite Meinungsspektrum hat seinen Grund in dem doppelten konzeptionellen Gegensatz Gesellschaft versus Konzernunternehmen und Grundlagenkompetenz versus Ermessensreduktion.52 aa) Gesellschaft versus Konzernunternehmen Verfolgt man die im Schrifttum anzutreffenden Konzeptionen, so sind die von Lutter angestellten Überlegungen zu fusionsähnlichen Unternehmensverbindungen durch Erwerb von Mitgliedschaftsrechten an einer fremden Gesellschaft oder ihrer Vermögenswerte, nach denen jenseits einer Bagatellschwelle ein zustimmender Beschluß der Hauptversammlung der übernehmenden Gesellschaft erforderlich sein soll, der Ausgangspunkt.53 Trotz des § 311 Rn. 39; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 19 ff.; Liebscher, in: BeckHdB/AG, 2004, § 14 Rn. 49 f.; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 44; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 1999, § 69 Rn. 6; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 23, und ders., Aktiengesellschaft, 1996, S. 395 ff.; aus dem früheren Schrifttum etwa Mecke, Konzernbildung, 1992, S. 153; K. Schmidt, in: FS Heinsius, 1991, S. 715, 719 f.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 383 f.; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 438 ff. Das jüngere Schrifttum vor den Entscheidungen vom 26.4.2004 zog zur Begründung geschriebene Zuständigkeiten der Hauptversammlung heran und erstreckte diese im Wege der Analogie auf vergleichbare Sachverhalte; so etwa Kubis, aaO, 2004, § 119 Rn. 40; Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 82; Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 218 ff.; Heckschen/ Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 20; K. Schmidt, GesR, 2002, § 28 V 2b (S. 871 f.); Joost ZHR 163 (1999), 164, 169; Mülbert, aaO; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 179 Rn. 74 f. Kritisch Koppensteiner, aaO; gegen eine Gesamtanalogie OLG Köln v. 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 114 (Winterthur/Nordstern), und auch BGH v. 15.1.2001 – II ZR 124/99, BGHZ 146, 288, 295 (Altana/Milupa). 50 So aus dem älteren Schrifttum etwa K. Schmidt, in: FS Heinsius, 1991, S. 717 ff.; Koppensteiner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1987, Vorb. § 291 Rn. 21 ff.; Mertens, aaO, 1989, § 76 Rn. 51; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 171 ff.; Priester, ZHR 163 (1999), 187, 194 ff. 51 Baums (Hrsg.), Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 79– 82 (S. 118 ff.). 52 Zu erstem Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 387 ff.; zu letztem, insbesondere den dogmatischen Unterschieden der Figuren Ermessensreduktion und Hauptversammlungskompetenz Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 18, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 286 ff. 53 Lutter, DB Beilage 21, 1973, 1 ff., 12 ff., und ders., in: FS Barz, 1974, S. 199, 210 ff., zur Gruppenbildungskontrolle; ders., in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 357 ff. zur Gruppenleitungskontrolle.

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scheinbar klaren Wortlautes des § 119 Abs. 1 AktG und des Fehlens einer ausdrücklichen gesetzlichen Zuweisung soll die Hauptversammlung danach ungeschriebene Kompetenzen für grundlegende Entscheidungen haben, so daß die Entscheidungszuständigkeit ausnahmsweise bei der Hauptversammlung statt dem Vorstand liege.54 Kropff forderte erstmals hinsichtlich der Ausgliederung wesentlicher Geschäftszweige auf eine Tochtergesellschaft eine Mitwirkung der Hauptversammlung.55 Die ähnlichen Ergebnisse, zu denen Lutter wie auch der BGH gelangen, nämlich eine Befassung der Hauptversammlung mit Maßnahmen, die Auswirkungen auf die Mitgliedschaftsstellung der Aktionäre haben, dürfen nicht über den grundlegenden Unterschied hinwegtäuschen, der diesen Ansätzen zugrunde liegt. Mittels der Betrachtung des Unternehmens statt des durch die Rechtsform begrenzten Rechtsträgers wurde in der Konzeption von Lutter der Konzern als rechtlich gegliederte Wirtschaftseinheit in den Mittelpunkt gerückt und die Hauptversammlung als Grundorgan der rechtlich verfaßten Konzernunternehmung angesehen, aus der ungeschriebene konzernweite Zuständigkeiten zu folgern seien.56 Das überwiegende Schrifttum lehnt hingegen die im Ersten Teil schon kritisch beleuchtete Konzeption vom Konzernunternehmen ab und argumentiert wie der BGH rechtsträgerbezogen.57 bb) Grundlagenkompetenz versus Ermessensreduktion Die gegensätzliche, auf den Rechtsträger Obergesellschaft bezogene Konzeption stellt auf die mit Bildung und Umbildung der Unternehmensgruppe verbundene Mediatisierung, also die Machtverschiebung in der Obergesellschaft durch die Erweiterung der Befugnisse des Vorstandes auf Kosten der Hauptversammlung und die damit verbundene Verkürzung der rechtsträgerbezogenen Herrschaftsbefugnisse und Vermögensrechte der Aktionäre sowie die Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre 54 So Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 367. Zur Frage, ob der Katalog des § 119 Abs. 1 AktG abschließend ist, auch Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 284 f., und schon Geßler, in: FS Stimpel, 1985, S. 771, 780 f. 55 Kropff, in: FS Geßler, 1971, S. 111 ff. 56 So Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347 ff., und ders., in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 833, 841; Timm, AG 1980, 172, 173; ähnlich auch Mecke, Konzernbildung, 1992, S. 50. 57 So etwa Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 18, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 286 ff.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 34 mwN. in Fn. 166; Henze, BB 2001, 53, 61; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 33, und ders., Aktiengesellschaft, 1996, S. 384 ff. Dazu näher oben S. 48 ff.

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ab. Aufgrund ihres konzeptionellen Gegensatzes gehen die Stimmen dabei in ihrem Grundanliegen und ihrem Ergebnis deutlich auseinander, da ein Teil des Schrifttums eine Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung befürwortet und damit der Leitungskompetenz des Vorstandes engere Grenzen setzt als die auf die Reduktion des Vorstandsermessens zur Leitungskompetenz ausgerichtete Ansicht. Die vom UmwG 1994 eröffnete Möglichkeit, Vermögensteile unter Mitwirkung der Hauptversammlung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auszugliedern, §§ 125 S. 1, 13 Abs. 1, 123 Abs. 3 UmwG,58 belebte vor dem Hintergrund einer Entscheidung des LG Karlsruhe59 die zeitweise in ruhigeren Bahnen verlaufende Diskussion wieder und führte dazu, daß ein Teil des Schrifttums eine Kompetenz der Hauptversammlung insbesondere darauf stützte, daß die umwandlungsrechtliche Beschlußkompetenz der Hauptversammlung durch Analogie auf die klassische Ausgliederung zu übertragen sei oder Ausstrahlung auf diese entfalte.60 Hauptversammlungskompetenzen wurden danach nicht nur für die mit der Ausgliederung verbundene Gruppenbildung angenommen, sondern auch für Gruppenleitungsmaßnahmen wie Beteiligungsveräußerungen.61 In der Konsequenz der §§ 123 Abs. 3, 125, 13 UmwG wurde daher befürwortet, daß sich das Regel-Ausnahme-Verhältnis verschoben habe, also im Gegensatz zu den krassen, im Vorfeld der Vermögensübertragung liegenden Fällen der Holzmüller-Entscheidung für eine solche Kompetenz nur noch die Herausbildung von Ausnahmetatbeständen und damit von Bagatellgrenzen erforderlich sei, und der Anwendungsbereich dieser Kompetenz stetig ausgedehnt. 58

Zur Bedeutung der Holzmüller-Entscheidung nach dem UmwG K. Schmidt, ZGR 1995, 675, 677 ff. 59 LG Karlsruhe v. 6.11.1997 – O 43/97 KfH I, ZIP 1998, 385 (Badenwerk); ähnlich LG Frankfurt/M. v. 29.7.1997 – 3/5 O 162/95, ZIP 1997, 1698; siehe auch LG München I v. 8.6.2006 – 5 HK O 5025/06, DStR 2006, 2045 (reSp.) (Infineon), das eine analoge Anwendung des UmwG auf die klassische Ausgliederung ablehnt. 60 Dazu K. Schmidt, GesR, 2002, § 13 I 4b (S. 368) und § 28 V 2b (S. 872); R. Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen, 2000, S. 222 ff.; von Riegen, Gesellschafterschutz, 1999, S. 92 ff., 117 ff., 124 ff., 134 ff.; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 181 ff., der von Fernwirkung spricht; mit Einschränkungen Priester, ZHR 163 (1999), 187, 197 ff.; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 231 (Fn. 39), dies, aaO, 805, 806 (liSp.); Veil, ZIP 1998, 361, 366 ff.; Koppensteiner, in: FS Zöllner I, 1998, S. 295, 302 f.; Feddersen/Kiem, ZIP 1994, 1078, 1086 f.; ablehnend etwa Reichert, in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 47; Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 288 f.; von Rechenberg, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 359, 375 ff.; Bungert, NZG 1998, 367, 370 (reSp.); ablehnend auch LG Hamburg v. 21.1.1997 – 402 O 122/96, AG 1997, 238, 238 (reSp.) (Wünsche). 61 LG Frankfurt/M. v. 29.7.1997 – 3/5 O 162/95, ZIP 1997, 1698, 1701 f. (Altana/Milupa); siehe hierzu auch Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230 f.

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Ein erheblicher Teil der Stimmen sah dementsprechend in den Holzmüller-Grundsätzen das Konzept einer Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung und begründete ein Zustimmungsrecht der Hauptversammlung für grundlegende Entscheidungen oder Strukturmaßnahmen durch eine Gesamtanalogie insbesondere der §§ 179, 179a, 293 Abs. 2, 319 Abs. 1 und 2 AktG, 13 Abs. 1, 65 Abs. 1 UmwG.62 Diese auf den Rechtsträger bezogene Grundvorstellung billigt der Hauptversammlung solche Kompetenzen aufgrund der faktischen Rechtsverkürzung durch die Gruppenbildung zu, die Kompetenzen der Verwaltung auf Kosten der Hauptversammlung erweitert und damit korrelierend die rechtsträgerbezogenen Herrschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre verkürzt. Die auf Einzel- sowie auf Gesamtanalogien zu aktien- und umwandlungsrechtlichen Vorschriften sich stützenden Stimmen, die mit dem BGH eine nur das Innenverhältnis zwischen Vorstand und Gesellschaft betreffende Kompetenz bejahen, müssen dabei die Rechtsfolge der Vorschriften überwinden, die regelmäßig eine Beschränkung des Vorstandshandelns im Außenverhältnis vorsieht. Nach diesem Ansatz besteht eine originäre ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung für sog. Grundlagen- oder Strukturbeschlüsse, da die Aktionäre vor solchen außerhalb des Bereichs der Geschäftsführungsbefugnis liegenden Maßnahmen mit strukturänderndem Charakter geschützt werden sollen, die der Vorstand ergreift und damit mitgliedschaftliche Rechte und Interessen der Aktionäre gefährdet.63 Ausgangspunkt für die Abgrenzung der Kompetenzen ist hiernach die Unterscheidung zwischen Maßnahmen, die im Geschäftsführungsbereich und solchen, die im Strukturbereich liegen,64 wobei dem Vorstand die Kompetenz im ersten Bereich alleine, im letzten nicht originär und keinesfalls alleine verbleibe mit Ausnahme quantitativ geringfügiger Sachverhalte, bei denen 62 Neben den oben unter Fn. 49 und 60 Genannten etwa Lutter, in: FS Fleck, 1988, S. 169, 182 f., und ders., in: FS BGH II, 2000, S. 321, 328; Weißhaupt, NZG 1999, 804, 807; Wiedemann, GroßKommAktG, 1995, § 179 Rn. 74, 76; aus dem Dissertationsschrifttum etwa Dietz, Ausgliederung, 2000, S. 360; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 177 ff., 184 ff.; Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1994, S. 84 ff.; für Einzelanalogie etwa MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 41 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2003, Vor § 311 Rn. 36 mwN., siehe auch Baums (Hrsg.), Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 82 (S. 122 f.). 63 Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 9 IV 1 (S. 120 ff.); Emmerich/ders., Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 40, und ders., AG 2005, 137, 142 f. Zu diesen Strukturentscheidungen, die von Maßnahmen der Leitung abzugrenzen sind, Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 850; Wiedemann, GesR I, 1980, § 6 III 1 (S. 325). 64 Der BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 (Holzmüller), sieht in der Ausgliederung wesentlicher Teile des Betriebsvermögens auf eine Tochtergesellschaft eine „Strukturänderung“.

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nach Art einer Bagatellklausel die Kompetenz der Hauptversammlung zugunsten des Vorstandes beschränkt wurde.65 Die Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung zu Lasten der aus § 76 Abs. 1 AktG folgenden Leitungsaufgaben des Vorstandes rechtfertigt sich danach aus Gründen des Kompetenzschutzes wegen der mit solchen Maßnahmen verbundenen Gefährdung der Aktionärsrechte. Die Literaturstimmen, die eine Hauptversammlungszuständigkeit aufgrund der Anwendung des § 119 Abs. 2 AktG und einer Ermessensschrumpfung des Vorstandes zur Vorlagepflicht bei Betroffenheit des Kernbereichs der Mitgliedschaft und damit einen deutlichen engeren Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin befürworteten, befanden sich in der Minderheit.66 Das Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung gemäß der Holzmüller-Entscheidung ist danach nicht als Grundlagenkompetenz anzusehen, sondern dient einem übergesetzlichen Schutz der Aktionäre vor außergewöhnlichen und außergewöhnlich beeinträchtigenden Leitungsmaßnahmen, der nur bei Überschreitung hoch anzusetzender quantitativer und qualitativer Wesentlichkeitsmerkmale durch eine ausnahmsweise bestehende Beteiligung der Hauptversammlung erreicht werde.67 Hierdurch sollen die Aktionäre vor einer Beeinträchtigung ihrer Mitgliedsrechte und des Wertes ihrer Beteiligung durch eine übermäßige Inanspruchnahme der Vorstandsbefugnisse geschützt werden.68 Zur Ablehnung der Grundlagenkompetenz führte Hüffer an, der BGH habe auf eine rechtssatzförmige Verdichtung seiner Lösung bewußt verzichtet, so daß das Holzmüller-Urteil nicht als grundsätzlich angelegte und der Verallgemeinerung zugängliche Entscheidung zu verstehen sei.69 Die Leitungskompetenz des Vorstands nach § 76 Abs. 1 AktG sei vielmehr umfassend bis an die Schwelle der Satzungsänderung und anderer Maßnahmen, für die dem Gesetz nach ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung bestehe. Die Holzmüller-Zuständigkeit besteht danach aus reinen Individualschutzgründen, die Aktionäre sollen also vor einer Beeinträchtigung ihrer Mitgliedsrechte durch eine übermäßige Inanspruchnahme der Vor65 Zu diesen Begriffen Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 850 f.; K. Schmidt, in: FS Heinsius, 1991, S. 719, 719 f., 728 ff.; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 805 ff. 66 So vor der Gelatine-Entscheidung Hüffer, AktG, 2004, § 119 Rn. 18, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 286 ff.; sympathisierend Reichert, in: BeckHdB/ AG, 2004, § 5 Rn. 46, und ders., ZHR-SH 68 (1999), S. 25, 44 ff. Kritisch gegen eine Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung etwa auch Joost, ZHR 163 (1999), 162, 175; Martens, ZHR 147 (1983) 377, 384 ff. 67 Hüffer, AktG, 2004, § 119 Rn. 18, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 286 ff. 68 Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 289. 69 So Hüffer, AktG, 2004, § 119 Rn. 18, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 284 f.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

standsbefugnisse geschützt werden. Grundanliegen des Urteils sei der Schutz der Mitgliedschaft des Aktionärs vor einseitig ergriffenen Leitungsmaßnahmen, durch die das Gesellschaftsunternehmen und mit ihm die Mitgliedschaft als subjektives Beteiligungsrecht grundlegende Veränderungen erfahre.70 Es gibt danach keine ungeschriebenen Kompetenzen der Hauptversammlung für grundlegende Entscheidungen.71 Die Ermessensreduktion des Vorstandes in Holzmüller-Fällen bei Betroffenheit des mitgliedschaftlichen Kernbereichs hat danach ihren Grund im Schutz des Mitgliedsrechts des Aktionärs und dient vor allem der Verbesserung des Rechtsschutzes der Aktionäre gegen Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes.72 4. Die Gelatine-Entscheidung des BGH Im Jahr 2004 hatte der BGH Gelegenheit, die Reichweite der Holzmüller-Doktrin näher zu bestimmen und ist der im Schrifttum vielfach geäußerten Kritik an Grund, Herleitung und Ausformung der ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnisse und bestehenden Mißdeutungen des Holzmüller-Urteils entgegengetreten. In den zwei weitgehend wortgleichen Entscheidungen stellt der Senat Schutzzweck und Rechtsgrundlage für eine Befassung der Hauptversammlung, Schwellenwert und Mehrheitserfordernis ungeschriebener Zuständigkeiten klar,73 so daß die Entscheidungen überwiegend begrüßt werden.74 Der ausufernde Streit im Schrifttum zu der normativen Grundlage 70

Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 301. Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 289 und 290. Siehe auch Mertens, AG 2000, 157, 162 (liSp.), und Reichert, ZHR-SH 68 (1999), S. 25, 44 ff. 72 So Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 280 f., 283 und 290. 73 Der BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 (Gelatine), führt aus, daß ein solcher Beschluß einer Dreiviertelmehrheit des vertretenen Grundkapitals bedürfe und auch bei Existenz einer sog. Konzernklausel sowie einer Satzungsklausel erforderlich sei, die bestimmt, daß der Beschluß mit einfacher Mehrheit der Hauptversammlung gefaßt werden könne. So schon vorher MünchKommAktG/ Kubis, 2004, § 119 Rn. 55; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2003, Vor § 311 Rn. 45, je mwN. A. A. etwa Hüffer, AktG, 2004, § 119 Rn. 20; F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/AG, 1999, § 34 Rn. 42. In der Holzmüller-Entscheidung v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 f., hat der BGH lediglich für Gruppenleitungsmaßnahmen über die Höhe des Mehrheitserfordernisses entschieden, die der Mehrheit für die originär zuständige Hauptversammlungskompetenz entsprechen muß. 74 So auch die Bewertung von Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 18; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 44; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 37, und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 28. Der Entscheidung im Grundsatz zustimmend auch von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25 (reSp.); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 33, und ders., AG 2005, 137, 142; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 29; F. J. Sem71

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der Hauptversammlungszuständigkeit und der Festlegung einer Wesentlichkeits- oder Bagatellgrenze sowie dem erforderlichen Hauptversammlungsquorum dürfte wohl künftig in ruhigeren Bahnen verlaufen. Ob die Ausführungen des BGH, die zu diesen zentralen Streitpunkten Stellung nehmen, für ausreichende Klarheit sorgen, um die mit dem Holzmüller-Urteil verbundene Rechtsunsicherheit über die Kompetenzverteilung von Vorstand und Hauptversammlung zu beseitigen, ist allerdings derzeit noch kaum abzusehen. Da der BGH jenseits dieser Aspekte nicht für Klärung aller offenen Streitpunkte sorgte und auch in dem Nichtannahmebeschluß von 2006 nicht abschließend darlegt, welche Maßnahmen er einer Hauptversammlungsmitwirkung unterstellen will,75 hat die Holzmüller-Diskussion wohl noch nicht ihren Abschluß gefunden, auch wenn sie aufgrund der Schwellenwerte jedenfalls in praktischer Hinsicht wesentlich an Relevanz eingebüßt hat. a) Klärung verschiedener Streitpunkte Der dem Gelatine-Urteil zugrunde liegende Sachverhalt betraf eine Umstrukturierung des Beteiligungsbesitzes durch Einbringung der Anteile zweier ausländischer, im alleinigen Anteilsbesitz der Obergesellschaft stehender Tochtergesellschaften in eine weitere Tochtergesellschaft im Wege der Sachkapitalerhöhung. aa) Normative Grundlage ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten Der BGH leitet die Grundlage einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit für die Maßnahmen der Gruppenumbildung weder aus ler, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 34 Rn. 44; Böttcher/Blasche, NZG 2006, 569, 571 ff.; Kort, AG 2006, 272, 272 f.; Pentz, in: HdB VorstandsR, 2006, § 17 Rn. 154 ff. (S. 648 ff.); Adolff, ZHR 169 (2005), 310, 315 ff.; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1574 (liSp.); Liebscher, ZGR 2005, 1, 33; Pentz, BB 2005, 1397, 1403; Reichert, AG 2005, 150, 160; Bungert, BB 2004, 1345, 1354; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339; Fuhrmann, AG 2004, 339, 342; Götze NZG 2004, 585, 589; Hirte, EWiR 2004, 1161, 1162; knapp Just, EWiR 2004, 573, 574; Weißhaupt, AG 2004, 585, 591; aus neuerer Zeit nach wie vor kritisch Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231 ff.; Altmeppen, ZIP 2004, 999 ff.; Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 382 ff., und ders., KK-AktG, 2004, Vorb. § 291 Rn. 44 ff., und Simon, DStR 2004, 1482, 1485 (reSp.) sowie 1529, 1529 f., erblicken in der Möglichkeit der Aktionäre zur Ausgestaltung des Unternehmensgegenstandes einen hinreichenden Schutzmechanismus. 75 Der durch den Nichtannahmebeschluß zurückgewiesenen Revision lag eine Beteiligungsveräußerung zugrunde; zum Sachverhalt siehe die Vorinstanz OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

§ 119 Abs. 2 AktG, in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung, noch aus einer von der Mehrzahl der Stimmen im Schrifttum befürworteten Einzel- oder Gesamtanalogie her.76 Die Anwendung des § 119 Abs. 2 AktG im Holzmüller-Urteil führt der BGH dabei auf die Klarstellung der Rechtsfolge, die Wirksamkeit der Maßnahme im Außenverhältnis, zurück.77 Es liegt damit nahe, daß der BGH die Vorschrift von der tatbestandlichen Seite her als unpassend ansieht.78 Im Hinblick auf die tatbestandliche Geeignetheit von Einzel- oder Gesamtanalogien hält sich der BGH bedeckt, wenn er nur im Hinblick auf deren Rechtsfolge klarstellt, daß diese unpassend seien,79 „die Orientierung der in Betracht kommenden Fallgestaltungen an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen“ aber befürwortet.80 Das Ergebnis des BGH überzeugt insoweit, als es mit den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs nach Rechtssicherheit und -klarheit nur schwerlich zu vereinbaren wäre, wenn die Vertretungsmacht des Vorstandes von im einzelnen unbestimmten Anforderungen an Art, Umfang und Bedeutung der durchzuführenden Maßnahme abhängig wäre, so daß der Aktionärsschutz hinter das Prinzip des Verkehrsschutzes zurücktreten muß.81 Allerdings bestehen methodische Einwände gegen einen solchen Ansatz und die eigentliche Rechtsgrundlage ungeschriebener Zuständigkeit bleibt damit letztlich 76 Aus der Holzmüller-Entscheidung läßt sich anders als für den Bereich der Gruppenbildung wohl nicht eindeutig entnehmen, ob § 119 Abs. 2 AktG auch für den Bereich der Gruppenleitung gelten soll, wobei der BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 38 (Gelatine), diese aber so versteht. Dazu oben bei Fn. 31. Gegen eine Gesamtanalogie im Zusammenhang mit der Pflicht zur Offenlegung von Verträgen schon BGH v. 15.1.2001 – II ZR 124/99, BGHZ 146, 288, 295 (Altana/Milupa). Siehe auch Geßler, in: FS Stimpel, 1985, S. 771, 780; Seydel, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 429 (offene Rechtsfortbildung); sowie Zimmermann/Pentz, in: FS W. Müller, 2001, S. 151, 160 (gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung); gegen die h. M. im Schrifttum oben unter Fn. 62. 77 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41 f. (Gelatine). 78 Zugleich läßt der BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 42 (Gelatine), aber Raum für Interpretation, wenn er im Hinblick auf die Holzmüller-Entscheidung ausführt, „daß der Senat sich vor allem deswegen an § 119 Abs. 2 AktG angelehnt hat, weil er deutlich machen wollte, daß die von ihm angenommene Pflicht allein das Innenverhältnis betrifft“ (Hervorheb. v. Verf.), nachfolgend aber den weiteren Grund für die Heranziehung dieser Vorschrift nicht nennt. 79 Der BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 (Gelatine), führt an: Die „Analogie zu allen oder einzelnen aktienrechtlichen Vorschriften, die die Mitwirkung der Hauptversammlung bei bestimmten Maßnahmen anordnen . . ., mag zwar auf der tatbestandlichen Seite eher geeignet sein“ (Hervorheb. v. Verf.), was ebenfalls Raum für Interpretationen läßt. 80 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 (Gelatine). 81 So auch zur Beschränkung der Auswirkungen fehlender Mitwirkung der Hauptversammlung nach dem Holzmüller-Urteil Zimmermann/Pentz, in: FS W. Müller, 2001, S. 151, 165.

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offen, wenn der BGH den Meinungsstreit dadurch auflöst, daß er sich dafür ausspricht, „die zutreffenden Elemente beider Ansätze . . . aufzunehmen und diese besondere Zuständigkeit der Hauptversammlung als Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung anzusehen.“82 bb) Schutzzweck Unter wörtlicher Bezugnahme auf den zentralen Satz der HolzmüllerEntscheidung führt der BGH aus, daß bei Maßnahmen, die von der Vertretungsmacht des Vorstandes, dem Wortlaut der Satzung und der Geschäftsführungsbefugnis noch formal gedeckt sind, aber „ ‚so tief in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse eingreifen‘ . . ., daß diese Auswirkungen an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen“, eine Einschaltung der Hauptversammlung ausnahmsweise in Betracht kommen kann.83 Bei diesen Geschäftsführungsmaßnahmen sei der Vorstand, obwohl er dazu nach dem geschriebenen Gesetz nicht verpflichtet sei, aus dem Gesichtspunkt des tiefen Eingriffs in die mitgliedschaftlichen Befugnisse der Aktionäre intern gehalten, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen.84 Der Schutzansatz der Holzmüller-Entscheidung ist damit nach Sicht des BGH verallgemeinerungswürdig.85 Der Senat betont damit entgegen der insbesondere im 82

BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 (Gelatine), unter Verweisung auf Geßler, in: FS Stimpel, 1985, S. 771, 780. So auch LG München I v. 8.6.2006 – 5 HK O 5025/06, DStR 2006, 2045 (Infineon). Kritisch unter methodischen Aspekten und zur Lösung durch eine (Teil-)Analogie, die zwischen Tatbestand und Rechtsfolge, also Hauptversammlungspflichtigkeit und Wirksamkeit im Außenverhältnis unterscheidet, MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 37, und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 29; Fleischer, in: FS Canaris, 2007, S. 71, 79, und ders., NJW 2004, 2335, 2337 (liSp.); Weißhaupt, AG 2004, 585, 586; insgesamt kritisch Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 384 (reSp.: „freie Rechtsfortbildung“, „Der Wunsch ist Vater des Gedanken.“) und 385 ff., sowie ders., in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 47; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575 (liSp.); Liebscher, ZGR 2005, 1, 21 f. (Ergebnisbeschreibung); Habersack, AG 2005, 137, 142 f.; Pentz, BB 2005, 1397, 1403 (Rechtsfolge und Tatbestand der Referenznormen unpassend); offener Reichert, AG 2005, 150, 152 f. Aus dem Dissertationsschrifttum Kiefner, Börsengang, 2005, S. 177. 83 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine), unter ausdrücklicher Verweisung auf BGHZ 83, 122, 131 (Holzmüller). Siehe auch BGH v. 15.1.2001 – II ZR 124/99, BGHZ 146, 288, 295 (Altana/Milupa). 84 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41 und 44 f. (Gelatine). 85 Davon ist der BGH auch im Jahr 1982 ausgegangen, wenn er im Leitsatz a) der Holzmüller-Entscheidung die Ausgliederung nur als Beispielsfall eines schwerwiegenden Eingriffs in die Aktionärsstellung ansieht, die eine Hauptversammlungsbeteiligung erfordern kann; siehe BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122.

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früheren Schrifttum vertretenen Ansicht, wonach das AktG ungeschriebene Kompetenzen der Hauptversammlung zu Entscheidungen im Bereich der Geschäftsführungsmaßnahmen nicht zulasse, daß ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse auch für Geschäftsführungsmaßnahmen im weiteren Sinne betreffende Angelegenheiten bestehen können, sofern diese mit einem Eingriff in die Rechte der Aktionäre verbunden sind.86 Teile des Schrifttums treten für eine Einengung der Schutzrichtungen ein, indem sie „die mitgliedschaftliche Stellung des Aktionärs durch Mediatisierung seiner Mitwirkungsrechte“ als auslösendes Moment der zuständigkeitsbegründenden Gefährdung von Aktionärsinteressen ansehen, mit dem der BGH im Macrotron-Urteil die Gefahren zusammenfaßt, die er im Holzmüller-Urteil mit der Gefährdung der Mitgliedschafts- und Vermögensrechte der Aktionäre und der nachhaltigen Schwächung ihres Beteiligungswertes aufgefächert hat.87 Hierfür läßt sich anführen, daß der BGH im zweiten Leitsatz auf den Mediatisierungseffekt abstellt und in den Gründen in unmittelbarem Anschluß an die oben zitierte Passage erneut auf die Frage, bei welchen Maßnahmen eine Vorlagepflicht anzuerkennen sei, eingeht und in diesem Zusammenhang das Erfordernis eines „tiefen Eingriffs in die mitgliedschaftlichen Befugnisse der Aktionäre“ und den „Mediatisierungseffekt“,88 nicht aber die Schwächung des Anteilswertes thematisiert.89 In seiner Interpretation des Urteils führt Goette einerseits an, der Senat habe keine Festlegung „dahingehend getroffen, dass ausschließlich die Mediatisierung der rechtfertigende Grund für die exceptionelle Mitwirkungsbefugnis der Hauptversammlung“ darstelle, nachdem er vorher den doppelspurigen Begründungsansatz des BGH in der Holzmüller-Entscheidung betont. Andererseits führt er später ähnlich der Argumentationslinie von Röhricht 86 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 f. (Gelatine), gegen Mertens, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 76 Rn. 51; dem zustimmend K. Schmidt, in: FS Heinsius, 1991, S. 715, 720; siehe aber auch ders., GesR, 2002, § 28 V 2b (S. 871 f.). 87 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 (Macrotron), und v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 ff., insbes. 139 und 142 f. (Holzmüller); MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 37, 39, und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 28, 34; Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 34 und 40, und ders., AG 2005, 137, 142 ff.; Leuering/Simon, NJW-Spezial 2007, 124, 124 (reSp.); von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25 (reSp.); Reichert, AG 2005, 150, 152 ff.; wohl auch Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 68 Rn. 10; siehe aber auch Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 (liSp.). 88 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41 (Gelatine). 89 So Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 43, und ders., AG 2005, 137, 139 (liSp.); zustimmend Arnold, ZIP 2005, 1573, 1574 (reSp.). Wohl auch von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25.

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aus, daß nur solche Strukturmaßnahmen zustimmungspflichtig seien, „die für die Aktionäre der Muttergesellschaft einen Mediatisierungseffekt zur Folge haben“.90 Aus der Berücksichtigung des vom BGH zu entscheidenden Sachverhalts und der von ihm präzisierten Schutzrichtung ergibt sich aber, daß der BGH der zweiten Schutzrichtung, dem Schutz des im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteresses der Aktionäre, eine gleichrangige Bedeutung einräumt.91 Der BGH beschränkt den Grund einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit nicht auf den Mediatisierungseffekt, sondern betont ebenso den Wertverwässerungseffekt, was schon im zentralen Satz des Holzmüller-Urteils durchscheint, auf den im Gelatine-Urteil ähnlich einem Obersatz Bezug genommen wird, da dort der Senat bei dem tiefen Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse ansetzt.92 Hierzu führt er unter Bezugnahme insbesondere auf die Macrotron-Entscheidung aus, daß durch die notwendige Mitwirkung der Hauptversammlung der Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre begegnet werden solle.93 Gleichrangig stellt der BGH aber unter Übernahme und Verweisung auf die im Holzmüller-Urteil verwendete verfassungsrechtliche Terminologie auf das im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteresse ab.94 Hierfür nimmt der Senat Bezug auf die Passage des Holzmüller-Urteils, die sich mit der Kapitalerhöhung in einer durch Ausgliederung wesentlicher Betriebsteile entstandenen Tochtergesellschaft und der damit verbundenen Beeinträchtigung der Mitgliedschaft der Aktionäre und der Wertverwässerung ihrer Beteiligung befaßt,95 und führt aus: „Zugleich soll der Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstandes eintretenden nachhaltigen 90 Goette, AG 2006, 522, 525 (reSp.) und 527 (liSp.); Röhricht, in: VGR, Bd. 9, 2005, S. 1, 10 f. 91 Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG 2007, § 119 Rn. 29; Pentz, in: HdB VorstandsR, 2006, § 17 Rn. 153 (S. 647) und 155 (S. 649); so wohl auch F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 34 Rn. 38; Weißhaupt, AG 2004, 585, 587 (reSp.); dazu auch Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 (liSp.); OLG Hamm v. 19.11.2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421, 423 (reSp.) (Arcandor). 92 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40, unter Bezugnahme auf BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131. 93 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine), unter Verweisung auf BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 (Macrotron), und v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 136 und 139 (Holzmüller). Späteres Abstellen des „Mediatisierungseffekts“ als zustimmungsbegründendes Merkmal erfolgen unter Bezugnahme nur auf die Macrotron-Entscheidung; siehe aaO, 41 und 47 (Gelatine). 94 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131, und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine). 95 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 142 f. (Holzmüller).

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Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung gewährleistet werden“.96 Der Schutz des Aktionärs vor der Gefahr der Beteiligungsverwässerung ist damit ebenso Ansatzpunkt einer Hauptversammlungskompetenz wie der Mediatisierungseffekt. Dem wird entgegengehalten, daß ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten zum Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstandes eintretenden allgemeinen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung schon deshalb abzulehnen seien, weil dies der grundsätzlichen Struktur der AG widerspreche.97 Zwar ist richtig, wie dort angeführt, daß die Zuständigkeit der Hauptversammlung nach dem AktG 1965 entsprechend dem AktG 1937 zurückgedrängt werden sollte und auch der BGH der Einschränkung der Geschäftsleitungskompetenzen des Vorstandes wehrt.98 Hauptversammlungskompetenzen bestehen aber gerade auch wegen des Schutzes des Beteiligungsvermögens der Aktionäre, wie der Dritte Teil gezeigt hat.99 Mag man dem vom BGH als Obersatz gewählten Ansatz der HolzmüllerEntscheidung und der Wortwahl des BGH im Gelatine-Urteil, die eine Gleichrangigkeit der Schutzrichtungen betont und gerade nicht den Mediatisierungseffekt in den Vordergrund rückt, keine weitere Bedeutung zumessen, so erschließt sich die vom BGH eingeräumte Bedeutung des Schutzes der Beteiligungsvermögens bei Berücksichtigung des Sachverhalts des Urteils. Die der Entscheidung zugrundeliegende Umstrukturierung des Beteiligungsbesitzes erfolgte innerhalb der Unternehmensgruppe, beteiligt waren Tochtergesellschaften, die sämtlich im alleinigen Anteilsbesitz der Obergesellschaft standen; den Aktionären drohte keine Beteiligungsverwässerung, da sich wertmäßig das Vermögen der Obergesellschaft nicht änderte.100 Die Herausstellung der mit der Mediatisierung verbundenen Gefahren, wie sie schon im amtlichen Leitsatz angesprochen werden, beinhalten denn auch 96

BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine), unter Verweisung auf BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 142 f. (Holzmüller). 97 Dazu Simon, DStR 2004, 1528, 1529 (liSp.). 98 Vgl. Simon, DStR 2004, 1528, 1529 (liSp.); siehe auch Begr RegE Vor § 76 AktG 1965 bei Kropff, AktG, 1965, S. 96: „Die Hauptversammlung soll, wie im geltenden Recht, nur dann über die Geschäftsführung entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt (§ 119 Abs. 2).“ und zu § 119 AktG 1965, aaO, S. 165: „Nach Absatz 2 kann die Hauptversammlung über Fragen der Geschäftsführung nur entscheiden, wenn es der Vorstand verlangt. Auch diese Vorschrift entspricht dem geltenden Recht (§ 103 Abs. 2 AktG 1937).“ 99 Dazu zusammenfassend oben S. 311 ff. 100 Es erfolgte vielmehr nur eine Verminderung der Beteiligungsgegenstände, die von der Obergesellschaft gehalten wurden, durch Umhängung der Beteiligungen an den späteren Enkelgesellschaften auf die andere Tochtergesellschaft, wodurch der Wert deren Anteile entsprechend zunahm.

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keine Einengung der Schutzrichtungen, sondern sind fallbezogenen, wie die sachverhaltsbezogenen Ausführungen unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den im Macrotron-Urteil betonten Mediatisierungseffekt deutlich werden lassen.101 Dementsprechend rückt der BGH auch nicht die einschlägige Passage der Macrotron-Entscheidung in den Vordergrund, sondern stellt unter Bezugnahme auf den doppelspurig angelegten Schutzansatz der HolzmüllerEntscheidung auf den Gesichtspunkt eines tiefen Eingriffs in die mitgliedschaftlichen Befugnisse der Aktionäre ab.102 Der Senat spricht in seinen nachfolgenden grundlegenden Ausführungen auch nicht von der einen im Holzmüller-Urteil ausgeführten Schutzrichtung zum Schutz der „Mitgliedsrechte der Aktionäre“, sondern stellt auf den Schutz der mitgliedschaftlichen Stellung der Aktionäre ab, also auch auf die im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen, bevor er sich fallbezogen auf die durch die Beteiligungsumhängung drohende Schwere der möglichen Beeinträchtigung der Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre stützt.103 Die letzten Ausführungen machen deutlich, daß ein Eingriff in das Beteiligungsvermögen der Aktionäre durch solche, einer Satzungsänderung nahekommende Geschäftsführungsmaßnahmen, die in ihren Auswirkungen etwa Unternehmensverträgen oder Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG vergleichbar sind,104 eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit auch dann begründen können, wenn sie zu einer nachhaltigen Schwächung des Beteiligungswertes führen. Wie die Holzmüller-Entscheidung zeigt und der BGH in der Gelatine-Entscheidung betont, muß das geltende Kapitalgesellschaftsrecht die Mitglieder auch vor einer Entwertung ihrer Mitgliedschaft durch un- oder mittelbare Eingriffe schützen. Die vom BGH bestätigte ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bezweckt den Schutz der Aktionäre vor Rechtsminderungen durch Eingriffe in die Einfluß- und Mitwirkungsmöglichkeiten der Aktionäre auf die Gestaltung des Gesellschaftsgeschehens auf der einen Seite, sowie vor einer vermögensmäßigen Wertminderung der Mitgliedschaft auf der anderen Seite. Der angeführte, von dem zu entscheidenden Fall losgelöste zweite Schutzzweck der Hauptversammlungsmitwirkung, auf den sich der Senat dementsprechend in der Urteilsbegründung nicht weiter stützte, ist damit als gleichrangiger Grund einer Hauptversammlungskompetenz neben dem im zweiten Leitsatz der Entscheidungen angesprochenen Mediatisierungseffekt anzusehen,105 die je 101 102 103 104 105

tine).

BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41 (Gelatine). BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine). Zu erstem BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 (Gelatine). Dazu BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 f. (Gelatine). BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, zweiter Leitsatz (Gela-

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

für sich genommen eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit begründen können.106 Mit dem Schutz vor der Beeinträchtigung des vermögensmäßigen Beteiligungswertes droht der Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin allerdings nur denkbar weit zu werden. Es bedarf also einer deutlich einschränkenden Konkretisierung. In diesem Sinne wird daher ein Zusammenhang mit Gruppen(um)bildungsmaßnahmen oder ein anderer Eingriff in die innere Struktur der Gesellschaft, der deren rechtlichen oder wirtschaftlichen Aufbau verändert, gefordert.107 cc) Quantitative und qualitative Anforderungen, Aufgreifkriterien Der BGH tritt den für eine ausdehnende Hauptversammlungszuständigkeit eintretenden Stimmen entgegen, wenn er die Ausnahmezuständigkeit aufgrund ungeschriebener Mitwirkungsbefugnis schon in den Leitsätzen beider Entscheidungen betont und weiter ausführt, daß ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung bei Maßnahmen, die das Gesetz dem Vorstand als Leitungsaufgabe zuweist, nur ausnahmsweise und 106 Vgl. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137 und 142 f. sowie Leitsatz a) der Holzmüller-Entscheidung, und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine); ebenso Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 (liSp.). Siehe auch Goette, AG 2006, 522, 525 (reSp.): „Keine Festlegung hat der Senat dahingehend getroffen, dass ausschließlich die Mediatisierung [den] rechtfertigende[n] Grund . . . darstellt“; siehe allerdings auch ders., aaO, 527 (liSp.), und ders., DStR 2005, 603, 604 (reSp.): „Außer für die klassische Ausgliederung nach ‚Holzmüller‘ kommt dies – der Senat stellt hier auf den Mediatisierungseffekt ab – auch bei Umstrukturierungen in Betracht . . .“ (Hervorheb. v. Verf.). Siehe auch Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 29 (Mediatisierung nur ein Aspekt zur Rechtfertigung ungeschriebener Kompetenzen, nicht aber die einzig denkbare Grundlage); ähnlich Semler/Stengel/Schlitt, UmwG, 2007, Anh. § 173 Rn. 30; Bungert, BB 2004, 1345, 1350 (liSp.); Götze, AG 2004, 585, 588; zu erstem Urteil so auch Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 834. A. A. MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 37, und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 28, 34; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 43, und ders., AG 2005, 137, 140 (reSp.); Reichert, AG 2005, 150, 154 f.; sowie Liebscher, ZGR 2005, 1, 18 ff., 24; Simon, DStR 2004, 1528, 1529 (liSp.); siehe auch LG München I v. 23.12.2004 – 5 HK O 15081/04, ZIP 2005, 352, 353 (IM Internationalmedia AG); offengelassen von LG Frankfurt/M. v. 11.1.2005 – 3-5 O 106/04, ZIP 2005, 579 (MG Technologies). 107 Auf letztes weist Henze, in: FS T. Raiser, 2005, S. 145, 147, hin; vgl. auch Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 30. Siehe aber auch Habersack, AG 2005, 137, 140 (reSp.), der das Kriterium der Verwässerungsgefahr als notwendige Voraussetzung ansieht, und Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 f., der auf die einschneidende Veränderung des zwischen Anteilseignern und Gesellschaft bestehenden Investmentkontrakts abstellt.

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in engen Grenzen anzuerkennen seien, was er nachfolgend mehrfach wiederholt.108 Zu dieser „richterlichen Rechtsrückbildung“109 hebt der Senat hervor, daß „der Hauptversammlung . . ., von den gesetzlich geregelten Fällen abgesehen, die Mitwirkung an und die Einflußnahme auf Geschäftsführungsmaßnahmen versagt“ sei, um im Anschluß auf die vom Gesetzgeber des AktG 1937 betonte Ungeeignetheit der Hauptversammlung zur Mitwirkung an der Leitung der AG einzugehen. Zugleich stellt aber der BGH ihre „Grundlagenkompetenz für die ‚Verfassung‘ “ der AG und die Übernahme dieses Gedanken in das AktG 1965 heraus, wonach die Befugnisse der Hauptversammlung sich nur auf solche Entscheidungen erstrekken, die „so wesentlich für die weitere Entwicklung der Gesellschaft [seien], daß sie dem Vorstand nicht alleine überlassen bleiben könnten.“110 Insoweit unterstreicht der BGH wie schon in anderen Urteilen der jüngeren Zeit die Bedeutung der eigenverantwortlichen Geschäftsführungskompetenz des Vorstandes und führt hierzu aus, daß eine zu enge Bindung an die Zustimmung der Hauptversammlung sich nicht mit den Anforderungen einer global vernetzten Wirtschaftsordnung vertrage.111 Daher könne eine „im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene Mitwirkung der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstands nur in engen Grenzen, nämlich dann in Betracht kommen, wenn sie an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.“112 Einzig die Nähe der Eingriffsintensität der Maßnahme zu einer Satzungsänderung, die schon im Holzmüller-Urteil aufgegriffen wurde und in der anschließenden Diskussion keine Einigkeit über die Anwendungsfälle 108

BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 38 und 40 sowie 43 f. Zu diesem Begriff H. P. Westermann, in: FS Zöllner I, 1998, S. 607 ff., und ders., in: FS Koppensteiner, 2001, S. 259, 260 (Fn. 17) und 267. 110 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 (Gelatine), unter Verweisung auf Begründung RegE AktG 1965 Kropff, AktG, 1965, Vor § 76, S. 95 f.; bestätigt durch BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 251, 252 (Mangusta/ Commerzbank II). 111 So auch BGH v. 21.4.1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 (ARAG/ Garmenbeck), v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 139 (Siemens/Nold), und v. 10.10.2005 – II ZR 90/03, BGHZ 164, 249, 254 f. (Mangusta/Commerzbank II). 112 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 f. (Gelatine). Siehe auch die Begr RegE zu § 23 AktG 1965 bei Kropff, AktG 1965, S. 43, und zu § 119 AktG ebenda, S. 165, wonach die Hauptversammlung „über alle mit dem wirtschaftlichen und rechtlichen Aufbau der Gesellschaft zusammenhängenden Fragen“ entscheidet. 109

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

der Holzmüller-Doktrin gebracht hat,113 führt der BGH zur Präzisierung an.114 Ob dies weiterführend ist, erscheint zweifelhaft, da Satzungsänderungen in ihren Auswirkungen auf die Aktionäre völlig unterschiedlich sind und nicht zwingend einen erheblichen Eingriff in die Stellung der Aktionäre beinhalten.115 Das Erfordernis der Nähe der Umstrukturierung zu einer Satzungsänderung wird eher verständlich, wenn man den Begründungszusammenhang des Urteils betrachtet, wonach die Kompetenz nur bei substantiellen Eingriffen in die Struktur der Obergesellschaft bestehen soll.116 Die dort aufgestellten Anforderungen an die Art der Geschäftsführungsmaßnahme, die den Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit der AG und den wertvollsten Betriebszweig betreffen und die Unternehmensstruktur von Grund auf ändern muß, und ihre Größenordnung, die sich am Holzmüller-Fall zu orientieren habe,117 lassen deutlich werden, daß die Anwendung der Holzmüller-Grundsätze Ausnahmecharakter hat.118 Eine Befassung der Hauptversammlung kommt danach nur in Betracht, wenn neben der qualitativen Erforderlichkeit die Bedeutung der Maßnahme „für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung im vom Senat entschiedenen ‚Holzmüller‘-Fall erreicht“.119 Der Senat setzt damit wesentlich engere Grenzen für den Anwendungsbereich der Holzmüller-Grundsätze als der überwiegende Teil des Schrifttums. Im übrigen bleiben aber die Anforderungen an den Sachverhalt, der eine Hauptversammlungsbefassung er113 Der BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140 f. (Holzmüller), lehnte eine generelle Hauptversammlungspflichtigkeit der Obergesellschaft bei Maßnahmen in der Tochtergesellschaft, die in der unverbundenen AG mit qualifizierter Kapitalmehrheit zu fassen sind, im Hinblick darauf ab, daß einzelne Satzungsänderungen die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Obergesellschaft und ihrer Aktionäre nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigen. 114 So BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 f. (Gelatine). 115 So auch Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575; Kiefner, Börsengang, 2005, S. 177 f.; Koppensteiner, Konzern, 2004, 381, 382 f. und 384. 116 Siehe dazu erster Leitsatz des Urteils v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 (Gelatine). 117 In dem Urteil wird nicht deutlich, welche quantitativen Kennziffern entscheidend sind; der BGH erwähnt am Ende des Urteils Bilanzsumme, Eigenkapital, Umsatz und Ergebnis vor Steuern und stellt nur fest, daß diese im konkreten Fall weit unter der durch das Holzmüller-Urteil gesetzten Grenze liegen. 118 Siehe dazu nochmals die Leitsätze des Urteils v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, die jeweils den Ausnahmecharakter einer Hauptversammlungsmitwirkung betonen. Ähnlich Bungert, BB 2004, 1345, 1347; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575 (liSp.); Liebscher, ZGR 2005, 1, 15, und Reichert, AG 2005, 150, 153, halten eine Hauptversammlungsbefassung auch bei einem Schwellenwert von 75% für denkbar; ähnlich Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 27. Kritisch zu quantitativen und zur Bedeutung qualitativer Schwellenwerte Fleischer, in: FS Canaris, 2007, S. 71, 79 f. 119 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 (Gelatine).

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fordert, recht vage, da der Senat keine näheren Ausführungen zu den Aufgreifkriterien macht. b) Zusammenfassung Entsprechend seines vermittelnden Ansatzes bei der Bestimmung der Rechtsgrundlage, die er als Ergebnis offener Rechtsfortbildung ansieht, bestimmt der BGH zum Schutz der Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse vor einer Mediatisierung ihres Einflusses und der nachhaltigen Schwächung ihres Beteiligungswertes mit der h. M. im Schrifttum eine Kompetenz der Hauptversammlung für grundlegende Entscheidungen, die Änderungen der Verfassung der Gesellschaft nahe stehen.120 Zugleich schränkt der Senat deren Geltung mit der Minderansicht im Schrifttum ein, die als Grundlage der ungeschriebenen Zuständigkeit keine originäre Kompetenz der Hauptversammlung, sondern eine Reduktion des Vorstandsermessens aus Individualschutzgründen sieht, wobei der Schutzzweck jedoch nicht abschließend klargestellt wird. Die Rechtsprechung liegt damit insoweit auf einer Linie mit der Macrotron-Entscheidung, als durch die Herausstellung der Bedeutung der aus der Mitgliedschaft der Aktionäre abzuleitenden Mitgliedschaftsrechte und ihrer im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen verbands- und anlegerbezogene Elemente kombiniert werden.121 5. Der Beschluß des BGH von 2006 Mit einem in der Begründung äußerst knapp gehaltenen Beschluß hat der BGH die Beschwerde eines Aktionärs gegen die Nichtzulassung einer Revision gegen ein Urteil des OLG Stuttgart zurückgewiesen, das sich mit der Hauptversammlungspflichtigkeit von Beteiligungsveräußerungen befaßte.122 Dem lag eine Veräußerung der Hälfte der von der AG gehaltenen Kommanditanteile an einer Tochtergesellschaft und des hälftigen Miteigentumsanteils betriebsnotwendiger Grundstücke der AG sowie die Einräumung einer Option über den Erwerb unter anderem der restlichen Kommanditanteile und des restlichen Miteigentumsanteils zugunsten des Erwerbers zugrunde. Die Unbegründetheit der Feststellungsklage des Aktionärs stützte das OLG unter anderem nach Ablehnung gesetzlicher Zustimmungserfordernisse wie 120

BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 f. (Gelatine). A. A. Habersack, AG 2005, 131, 138 (reSp.), der dahin tendiert, daß der BGH in den Gelatine-Entscheidungen eine verbandsrechtlich geprägte Sichtweise hat. 122 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24 (Hofbräu); Vorinstanz OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693. 121

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

§ 179a AktG darauf, daß zweifelhaft sei, ob die Veräußerung einer Beteiligung unter die Holzmüller-Grundsätze falle, jedenfalls aber nicht die in der Gelatine-Entscheidung geforderte Wesentlichkeitsschwelle erreicht sei und auch kein Fall einer Unterschreitung des Unternehmensgegenstands vorliege.123 Dazu führte das Gericht aus, der BGH sehe die Rechtfertigung für eine solche Kompetenz neben dem Mediatisierungseffekt „nicht (kumulativ) zugleich im Schutz der Anteilseigner vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung“ und überdies werde der eingetretene Mediatisierungseffekt durch den Verkauf der Beteiligung strukturell gerade rückgängig gemacht.124 Daneben zog das Berufungsgericht die Wertungen des § 179a AktG heran, wonach Veräußerungsvorgänge im allgemeinen von der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands gedeckt seien.125 Der BGH beschränkt sich auf folgende Begründung: „Ein Mediatisierungseffekt – wie in den Fällen der sog. Gelatine-Rechtsprechung – ist bei der hier vorliegenden Beteiligungsveräußerung nicht gegeben; die Grenze des § 179a AktG wird nach den revisionsrechtlich einwandfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht überschritten.“126 Bei einer ersten Einschätzung gelangt man leicht zu der Schlußfolgerung, der BGH habe hiermit impliziert, daß nur im Falle eines Mediatisierungseffektes ungeschriebene Hauptversammlungspflichtigkeiten bestehen könnten und mangels Mediatisierungseffekt bei Beteiligungsveräußerungen solche daher ausscheiden.127 Damit stellt sich die Frage, ob der BGH durch die beiden Halbsätze dieses Satzes das Prüfungsprogramm abschließend abgesteckt hat. Wendet man sich nochmals dem ersten Halbsatz der Begründung des BGH zu, fällt als erstes die Bezugnahme auf die „Fälle“ der genannten Urteile des BGH auf. Der BGH hält damit an dem Gelatine-Urteil fest, das sich inhaltlich ausdrücklich nicht nur mit dem Mediatisierungseffekt, son123

OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 ff. OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 (liSp.), bezieht sich allerdings dabei unzutreffend auf Reichert, AG 2005, 150, 155, der für den zugrundeliegenden Fall einer hälftigen Beteiligung an der Tochtergesellschaft eine Mediatisierung für gegeben hält. 125 OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 (liSp.). 126 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24 (reSp.) (Hofbräu) (Hervorheb. v. Verf.), unter ausdrücklicher Verweisung auf BGHZ 83, 122 f. (Holzmüller) und BGHZ 159, 30 (Gelatine). 127 So denn auch von Falkenhausen in seiner Anmerkung, ZIP 2007, 24, 25 (liSp.); Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 9. Kap. Rn. 22 (S. 441); ebenso Leuering/Simon, NJW-Spezial 2007, 124, 124 (reSp.); Hirte, NJW 2008, 964, 966 (liSp.). Siehe auch OLG Hamm v. 19.11.2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421, 422 (liSp.) und 423 (reSp.) (Arcandor). 124

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dern auch mit dem Schutz des Anteilswertes der Aktionäre befaßt. Allerdings führten die dort behandelten konkreten Umstrukturierungen jeweils zu einer Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre.128 Die Bezugnahme auf die „Fälle“ in dem ersten Halbsatz ist daher als Verweisung auf die dem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalte, nicht aber als knappe Urteilsinterpretation dahingehend zu verstehen, daß die sog. Gelatine-Rechtsprechung nur dem Schutz vor den mit dem Mediatisierungseffekt verbundenen Gefahren dient. Die Verweisung auf die „hier vorliegende Beteiligungsveräußerung“ ist ebenfalls deutungsfähig, da dies als rein informativer Einschub ohne weitergehende Bedeutung, als allgemeine Bezugnahme auf Beteiligungsveräußerungen, aber auch als eine konkrete Bezugnahme auf den zu entscheidenden Fall und damit als nur konkret fallbezogene Aussage verstanden werden kann. In letzterem Fall ließe sich dem im Umkehrschluß entnehmen, daß für andere Fälle der Beteiligungsveräußerung, also etwa der vollständigen Veräußerung, ein Mediatisierungseffekt gegeben sein könne. Vom Wortlaut scheint dies näher zu liegen, kann aber vor dem Hintergrund des zu entscheidenden Falls der Teilveräußerung wohl nicht angenommen werden, da entweder nicht zwischen den Veräußerungsformen unterschieden oder gerade zu vollständigen Beteiligungsveräußerungen ausgeführt wird, daß das Vermögen wieder der Obergesellschaft zugeführt und daher der Mediatisierungseffekt rückgängig gemacht werde.129 Deshalb kann der erste Halbsatz wohl auch nicht als allgemeine Bezugnahme auf die Fälle von Beteiligungsveräußerungen verstanden werden.130 Der Begründungssystematik des BGH ist vor dem Hintergrund der Berufungsentscheidung, die verschiedenen Ansatzpunkten einer Hauptversammlungspflichtigkeit nachgeht, besondere Beachtung zu schenken. Der erste Halbsatz stellt auf die vom BGH behandelten ungeschriebenen Zuständigkeitsfälle und der zweite Halbsatz mit § 179a AktG auf geschriebene Zuständigkeiten ab, ohne aber damit eine erschöpfende Zuständigkeitsprüfung zu beinhalten.131 Ob die in dem ersten und zweiten Halbsatz ausdrücklich angesprochenen ungeschriebenen und ge128 Siehe dazu nochmals die Sachverhalte der Holzmüller- und der Gelatine-Entscheidung, bei denen eine Mediatisierung erfolgt war, sowie die drohende weitere Mediatisierung durch die beabsichtigte Kapitalerhöhung in Sachen Holzmüller, oben S. 361 f. und S. 375. 129 Zu diesem Argument OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 (liSp.), ohne allerdings zu differenzieren zwischen teilweiser und vollständiger Veräußerung. Näher dazu unten S. 412 ff. 130 So aber etwa von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25 (reSp.). 131 Der BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24 (reSp.) (Hofbräu), konnte sich nähere Ausführungen hierzu ersparen, da nach der Feststellung des Berufungsgerichts die in der Gelatine-Entscheidung präzisierten quantitativen Aufgreifgrenzen in jedem Fall nicht erreicht waren, vgl. OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

schriebenen Gründe einer Hauptversammlungszuständigkeit daher dahingehend zu verstehen sind, daß diese stellvertretend für die sonstigen ungeschriebenen und geschriebenen Gründe einer Hauptversammlungskompetenz im konkreten Fall als vom BGH nicht einschlägig angesehen werden, erscheint zweifelhaft. In der Folge tut man sich daher mit dem anfänglich naheliegenden Umkehrschluß schwer, der BGH habe den Mediatisierungseffekt als zustimmungsbegründendes Merkmal impliziert und nicht angesprochene Gründe für eine Hauptversammlungszuständigkeit würden vom BGH als nicht beachtlich angesehen. Der Erkenntnisgewinn aus der Auslegung des Beschlusses ist nach alldem gering. Die häufig fast schon pauschal verneinte grundlegende Frage, ob bei einer Beteiligungsveräußerung eine Mediatisierung eintritt, kann daher nicht durch eine Verweisung auf die Beschlußbegründung abgetan werden, sondern bedarf noch näherer Aufklärung. 6. (Un-)Klarheiten der jüngsten Rechtsprechung des BGH Hat der Grund der Hauptversammlungsmitwirkung mit der Anknüpfung an die Mediatisierung der Aktionärsrechte bei der erstmaligen Ausgliederung wie im Holzmüller-Urteil oder der weiteren Machtverschiebung wie im Gelatine-Urteil noch gewisse Konturen, so sind Grenzen im Hinblick auf den zweiten Grund für eine Hauptversammlungsmitwirkung – der nachhaltigen Schwächung des Beteiligungswertes – nur schwer festzustellen. Die Begründung der Gelatine-Entscheidung deutet nicht auf eine Einzelfallentscheidung hin, da sie ausweislich des zweiten Leitsatzes die ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenzen gerade nicht abschließend umschreibt,132 grundlegende Ausführungen zu dem Kompetenzverhältnis von Vorstand und Hauptversammlung beinhaltet und den durch die Bezugnahme in der Gelatine-Entscheidung auf den im Holzmüller-Urteil herausgestellten Grund des Zustimmungserfordernisses – der tiefe Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse – rechtssatzförmig verdichtet.133 Es bedarf daher nochmals der Betrachtung, in welchem Bereich ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten anzusiedeln sind. 132 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 f. sowie 41 (Gelatine); siehe auch den Wortlaut des 2. Leitsatzes: „Außer für Fälle von Ausgliederungen kann diese Ausnahmezuständigkeit jedenfalls für die Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft wegen des mit ihr verbundenen weiteren Mediatisierungseffekts in Betracht kommen.“ (Hervorheb. v. Verf.). 133 So auch Simon, DStR 2004, 1482, 1484 (liSp.); hiergegen – allerdings vor Erlaß der Gelatine-Entscheidung – Hüffer, AktG, 2004 § 119 Rn. 18.

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a) Verortung ungeschriebener Mitwirkungserfordernisse Bezieht der BGH zu einigen Streitpunkten der Holzmüller-Doktrin ausführlich Stellung, so werden die Grundlagen ungeschriebener Mitwirkungserfordernisse nicht ohne weiteres deutlich. aa) Ablehnung der Entwicklung einer konzernspezifischen Binnenordnung Was den inneren Geltungsgrund der Holzmüller-Doktrin angeht, führt der BGH am Anfang seiner Entscheidungen und recht deutlich aus, daß Holzmüller- und Gelatine-Urteil nicht auf die Entwicklung einer konzernspezifischen Binnenordnung abzielen, sondern der mit der jeweiligen Maßnahme verbundenen Gefahr für die Aktionärsstellung Rechnung tragen sollen und damit auch auf Vorgänge in der unverbundenen AG anwendbar sind. Die distanzierten Ausführungen des Senats im Jahr 1982 zu diesem Ansatz, wonach er nicht gehalten sei, darüber zu befinden, „inwieweit dieses Model einer ‚konzernspezifischen Binnenordnung‘ nach geltendem Recht begründbar, mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten zu vereinbaren und praktisch durchführbar“ sei, bekräftigt er mit der Gelatine-Entscheidung unter wörtlicher Bezugnahme hierauf, wenn er betont, daß die Holzmüller-Entscheidung für diese Lehre nicht in Anspruch genommen werden könne.134 Das Erfordernis einer Beteiligung der Hauptversammlung über die gesetzlich genannten Fälle hinaus, die „deren Einfluß auf eine Konzernbildung und -leitung zu stärken vermag . . . tritt indessen lediglich als Reflex der von dem Senat für erforderlich erachteten Beteiligung der Aktionäre ein.“135 Die Zuständigkeit der Hauptversammlung ist daher nach Ansicht des BGH in Übereinstimmung mit der überwiegenden Ansicht im Schrifttum nicht Ausdruck einer spezifischen Konzernverfassung, sondern rechtsträgerbezogen angelegt. bb) Grundlagenzuständigkeit oder Ermessensreduktion Der Senat geht in der Gelatine-Entscheidung auf die bis in jüngste Zeit strittige Vorfrage nach dem Verhältnis der Gesellschaftsorgane zueinander, also auf die Grundsatzfrage der Organkompetenz in solchen Fällen, „Reduktion des Vorstandsermessens“ oder „Grundlagenkompetenz der Haupt134 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 138 (Holzmüller), und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 (Gelatine). 135 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39 (Gelatine). Siehe auch BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 54 (Macrotron).

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versammlung“, ein. In der jüngeren Literatur wird hierzu angeführt, daß es dem BGH in der Entscheidung um die Mitwirkung der Aktionäre an mitgliedschaftlichen Strukturmaßnahmen gehe, da er auf den Mediatisierungseffekt als das auslösende Element einer ungeschriebenen Zuständigkeit abgestellt habe und dies auch durch die Distanzierung von § 119 Abs. 2 AktG zum Ausdruck bringe.136 Das im Holzmüller-Urteil zum Ausdruck kommende Verständnis von der Leitungskompetenz des Vorstandes, das dessen Befugnis zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft im Kern unberührt läßt und nur in engen Grenzen an die Mitwirkung der Hauptversammlung bindet,137 wird in der Entscheidung von 2004 bekräftigt. Der BGH sieht die Hauptversammlung dabei nicht als „oberstes Organ“ der Gesellschaft138 und tritt dem von Teilen des Schrifttums verfolgten Ansatz entgegen, der die Hauptversammlungskompetenz aus einer Verdichtung des Ermessens nach § 119 Abs. 2 AktG ableitet. Der Senat habe in der Holzmüller-Entscheidung die Rechtsgrundlage für die Einbeziehung der Hauptversammlung in den Entscheidungsprozeß aus § 119 Abs. 2 AktG hergeleitet, weil er damit deutlich machen wollte, daß die Leitungsmacht des Vorstands im Außenverhältnis uneingeschränkt sei.139 Der BGH legt sich zwar nicht auf eine Rechtsgrundlage und die seiner Ansicht nach bessere Eignung von § 119 Abs. 2 AktG bzw. der vorgeschlagenen Analogien fest; vielmehr bleibt die eigentliche Rechtsgrundlage ungeschriebener Zuständigkeit offen.140 Er tendiert aber dazu, die Analogie auf tatbestandlicher Seite eher für geeignet zu halten, die in Betracht kommenden Fälle einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz festzulegen, wenn er betont, daß anzuerkennen sei, daß der Gesetzgeber keine auch nur indirekte Verpflichtung des Vorstandes habe begründen wollen.141 Die Ausführungen des BGH zu den Grenzen der im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehenen Mitwirkung der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes lassen den Schluß zu, daß er von einer solchen Grundlagenkompetenz der Hauptversammlung in Grundfragen der Unternehmensverfassung ausgeht, sofern eine Leitungsmaßnahme den 136 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 40, gegen Hüffer, AktG, 2004, § 119 Rn. 18, und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 286 ff. 137 So Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 284. 138 Dies betont auch Goette, DStR 2004, 927, 928 (liSp.); ebenso HoffmannBecking, ZHR 172 (2008), 231. 139 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41 f. (Gelatine). 140 Vgl. auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 40; hierzu auch oben bei Fn. 82. 141 Dazu oben bei Fn. 79 und Fn. 111.

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rechtlichen oder wirtschaftlichen Aufbau der Gesellschaft als solchen berührt.142 Dabei betont aber der BGH, daß das AktG Rechte und Pflichten zur eigenverantwortlichen Geschäftsführung allein dem Vorstand zugewiesen habe, so daß die Hauptversammlung hiervon ausgeschlossen sei. Im Sinne der Eingrenzung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten führt der Senat weiter aus, daß diese nur in engen Grenzen, nämlich nur in solchen Fallkonstellationen zuzulassen seien, die „an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der Gesellschaft zu bestimmen, rühren und in ihren Auswirkungen einem Zustand nahezu entsprechen, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.“143 Mit dem Erfordernis, daß der Eingriff in die Aktionärsrechte seinen „Auswirkungen [nach] an die Notwendigkeit einer Satzungsänderung heranreichen“ müsse,144 greift der BGH das im Holzmüller-Urteil geforderte Kriterium der grundlegenden Änderung der Unternehmensstruktur auf und rückt mit diesem zentralen qualitativen Kriterium die zustimmungspflichtigen Maßnahmen in die Nähe von Satzungsänderungen und die Kompetenz der Hauptversammlung in Richtung einer Grundlagenkompetenz, was sich auch in dem Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit des Hauptversammlungsbeschlusses widerspiegelt.145 Unter Bezugnahme auf die Ausmaße der Ausgliederungskonstellation in der Holzmüller-Entscheidung führt der BGH abschließend zu der Wesentlichkeitsschwelle aus, daß eine „Durchbrechung der vom Gesetz vorgesehenen Kompetenz- und Arbeitsteilung“ nur in Ausnahmefällen in Betracht komme.146 Die Interpretation der Entscheidung durch Goette deutet ebenfalls darauf hin, daß der BGH entsprechend der wohl überwiegenden Meinung ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten im Bereich des Kompetenzschutzes ansiedelt und es sich daher bei den ungeschriebenen Mitwirkungsbefugnissen um eine in die Kompetenz der Hauptversammlung fallende Mitwirkung der Aktionäre an mitgliedschaftsrelevanten Strukturmaßnahmen, nicht dagegen um die Mitwirkung an außergewöhnlichen Leitungsmaßnahmen handelt.147 Denn danach kommt eine solche Zustän142 So auch Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337 (liSp.); siehe auch Emmerich/ Habersack, KonzernR, 2008, § 9 IV 1c (S. 122). 143 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 f. (Gelatine); dazu schon oben bei Fn. 112. 144 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine). 145 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 132; siehe auch Götze, NZG 2004, 585, 586 (reSp.); Fleischer, NJW 2004, 2335, 2337 (liSp.); siehe auch ders., aaO, 2337, sowie Goette, DStR 2004, 927, 928 (reSp.), zur Bedeutung des Quorums. 146 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 (Gelatine). 147 So Goette, AG 2006, 522, 527 (liSp.). Zu den Ansichten von Habersack und Hüffer oben Fn. 136.

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digkeit nur in Betracht, wenn die vom Vorstand ins Auge gefaßte Maßnahme in ihren Auswirkungen die Kompetenz der Hauptversammlung berührt.148 Die Hauptversammlungszuständigkeit dient daher dem Schutz vor mitgliedschaftsrelevanten Strukturmaßnahmen und nicht der Mitwirkung an außergewöhnlichen Leitungsmaßnahmen.149 b) Künftiger Anwendungsbereich der Holzmüller-Doktrin und Abstimmung mit Macrotron Das Gelatine-Urteil konkretisiert nicht näher, wann ein Eingriff in das im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteresse der Aktionäre vorliegt. Dies läßt sich mit der zu entscheidenden Fallkonstellation begründen,150 stellt damit aber in diesem Punkt nicht den Anwendungsbereich der Holzmüller-Grundsätze klar. Der BGH führt an, daß hierüber keine Einigkeit bestehe, trifft aber dennoch keine Aussage über den Kreis der einer Hauptversammlungszustimmung unterliegenden Geschäftsführungsmaßnahmen oder nähere Kriterien zu deren Konkretisierung.151 Die dem zu entscheidenden Fall zugrundeliegende „Umhängung“ von Beteiligungen an Tochtergesellschaften auf eine andere Tochtergesellschaft, die jeweils im alleinigen Anteilsbesitz standen, genügte den qualitativen Anforderungen, da sie die Mediatisierung verstärkte, wie der BGH ausführt. Was er als solchen eine Hauptversammlungszuständigkeit begründenden Eingriff betrachtet, läßt der BGH damit jenseits der Ausgliederung eines wichtigen Betriebs auf eine dazu gegründete Tochtergesellschaft wie im Fall Holzmüller und der Umstrukturierung des Beteiligungsbesitzes, über die im Gelatine-Urteil zu entscheiden war, als nicht entscheidungserheblich offen, so daß das Urteil in diesem Punkt keine weitere Klarheit bringt.152 Insbesondere der Eingriff in die Vermögensinteressen der Aktionäre ist auf vielfältige Weise möglich, was aber in diesem Umfang keine Hauptversammlungszuständigkeit begründen kann, da dann der vom BGH betonte Ausnahmecharakter der Grundsätze übergangen würde. 148 149

Goette, DStR 2004, 927, 928 (liSp.). Goette, AG 2006, 522, 527 (liSp.). So auch Paefgen, ZHR 172 (2008), 42,

75 ff. 150

Die Beteiligungsumhängungen, die Anlaß der Entscheidung waren, erfolgten von der Obergesellschaft auf eine im alleinigen Anteilsbesitz Tochtergesellschaft, so daß das Gesellschaftsvermögen durch diese Umstrukturierung nicht berührt wurde. Dazu schon oben bei Fn. 105. 151 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 38 (Gelatine), unter Verweisung auf BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140 (Holzmüller). 152 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine); dies betont auch Goette, DStR 2004, 927, 928 (liSp.).

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Die Unbestimmtheit der Hauptversammlungskompetenz auch nach der Gelatine-Entscheidung, die ihren Grund auch in der Herleitung der Zuständigkeit als Ergebnis einer offenen Rechtsfortbildung hat und durch die richterrechtliche Generalklausel des tiefen Eingriffs in die Mitgliedschaft verstärkt wird, läßt sich nur abmildern, wenn man sich an gesetzlichen Tatbeständen orientiert, die eine Hauptversammlungskompetenz begründen.153 So wird im Schrifttum als Grundlage der Holzmüller-Doktrin entgegen der Ansicht des BGH weiterhin eine Gesamtanalogie zu denjenigen Vorschriften betreffend gesetzliche Strukturentscheidungen befürwortet, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre schützen.154 Um der Zuständigkeit gewisse Konturen zu geben, ist daher bei Umstrukturierungen in der Unternehmensgruppe der Vergleich mit Maßnahmen erforderlich, die in der unverbundenen AG eine Hauptversammlungskompetenz begründen oder ansonsten in der Nähe einer Satzungsänderung stehen, wobei der BGH beispielhaft Unternehmensverträge und Umstrukturierungen nach dem UmwG anführt.155 Es bedarf daher des Rückgriffs auf aktienrechtliche Vorschriften, die den Aktionär in der unverbundenen AG vor vergleichbaren Eingriffen in seine Mitgliedschaft bewahren sollen. Als völlig offen wird man hingegen die Frage beurteilen müssen, in welchem Verhältnis Holzmüller- bzw. Gelatine-Entscheidung und das Macrotron-Urteil stehen,156 in dem der BGH für den Fall des Delisting zwar eine Hauptversammlungskompetenz bejaht, diesen aber gerade nicht als Holzmüller-Fall eingeordnet, sondern die Aktionärsmitwirkung auf das Eigentumsrecht der Aktionäre und die hiervon umfaßte Verkehrsfähigkeit der Aktie gestützt hat. Auf einer Linie mit dem Macrotron-Urteil liegen die HolzmüllerGrundsätze nur insoweit, als dem Schutz der Vermögensinteressen wesentliche Bedeutung eingeräumt wird, allerdings bei ersterem die für die Aktionäre entscheidende Veränderung auf ihrer Ebene durch die Aufhebung der Börsennotierung ihrer Aktien stattfand, bei den Holzmüller-Fällen hingegen nicht die Rechte der Aktionäre, sondern der Gegenstand, auf den sich diese beziehen, Änderungen erfährt und sich dies auf ihre Stellung auswirkt. Dem Rechtsschutz im Sinne der Macrotron-Entscheidung geht es dementsprechend ausschließlich um den Vermögensschutz, der im Ergebnis nicht durch 153 Neben dogmatischen Bedenken ist die Unbestimmtheit des auf § 119 Abs. 2 AktG gestützten Ansatzes einer der Hauptkritikpunkte, die die Literatur dem BGH vorgehalten hat; dazu MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 35; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 21 ff. 154 So Liebscher, ZGR 2005, 1, 7 ff. und 35; Kiefner, Börsengang, 2005, S. 179; zu weiteren Stimmen, die eine Teilanalogie befürworten, oben in Fn. 82. 155 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 f. (Gelatine). 156 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47 (Macrotron); dazu schon oben in S. 173 ff.

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den Hauptversammlungsbeschluß, sondern das Spruchverfahren erreicht wird.157 Die Gefährdung der Aktionärsstellung in Holzmüller-Situationen kann sich darüber hinausgehend auch auf die Einflußrechte der Aktionäre auswirken, so daß es eines vielschichtigeren Schutzes bedarf. Die Abgrenzung mittels Beschränkung der Holzmüller-Kompetenzen auf Fälle der Mediatisierung zu erreichen,158 läuft allerdings nicht konform mit der zweigliedrigen Schutzkonzeption, die der BGH in der Gelatine-Entscheidung nochmals betont. Für die daneben möglichen kompetenzbegründenden Eingriffe in die im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen ist allerdings im Sinne einer Eingrenzung des sonst unüberschaubaren Anwendungsbereiches zu fordern, daß diese Maßnahmen auf die innere Struktur der Gesellschaft einwirken oder anderweitig einer Satzungsänderung nahekommen.159 c) Ausnahmecharakter ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten Der BGH stellt in der Gelatine-Entscheidung klar, daß die Voraussetzungen für eine Durchbrechung der Kompetenz- und Arbeitsteilung in der AG regelmäßig erst in Fällen erfüllt seien, die in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft die Ausmaße der Ausgliederung im Holzmüller-Fall erreichen.160 Damit wird den meisten von Schrifttum und instanzengerichtlicher Rechtsprechung diskutierten Größenordnungen eine Absage erteilt und die Anwendbarkeit der Holzmüller-Grundsätze erheblich eingeschränkt. Der BGH hat sich nicht auf bestimmte Kriterien festgelegt, sondern nur einige beispielhaft aufgezählt, so daß Kennzahlen wie anteilige Bilanzsumme, anteiliges Eigenkapital, anteiliges Ergebnis vor Steuern, anteiliger Unternehmenswert bzw. anteilige Mitarbeiterzahl maßgebend sein können. Nimmt man 157 Dazu Koppensteiner, Konzern 2004, 381, 386; Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 23: „HV-Beschluß unverzichtbar, weil Aktionäre sonst hinsichtlich der Abfindungshöhe mangels Spruchverfahrens ohne Rechtsschutz blieben“; insoweit a. A. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 38, und ders., AG 2005, 131, 141 (reSp.). So auch LG München I v. 27.11.2003 – 5 HK O 5774/03, NZG 2004, 193, 194 f.; offenlassend BayObLG v. 28.7.2004 – 3Z BR 087/04, ZIP 2004, 1952, 1953. 158 So Habersack, AG 2005, 131, 140 (reSp.); ebenso Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575 f.; von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25 (reSp.); wohl auch Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 68 Rn. 10; dazu auch Liebscher, ZGR 2005, 1, 18 ff.; Reichert, AG 2005, 150, 155 (liSp.). 159 Henze, in: FS T. Raiser, 2005, S. 145, 157, nennt dies als maßgebliches Kriterium der Abgrenzung von Holzmüller- zu Macrotron-Fällen. Ähnlich auch Röhricht, in: VGR, GesR 2004, Bd. 9, 2005, S. 1, 8: „tiefgreifende, in ihren Wirkungen einer Satzungsänderung nahe kommende Änderung der Organisationsstruktur“. 160 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 (Gelatine).

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den Hinweis des BGH wörtlich, daß regelmäßig die Größenordnungen des Holzmüller-Urteils erreicht werden müssen, so muß die Kennziffer Substanzwert die Größe von ca. 80% des Wertes des Aktivvermögens der Obergesellschaft erreichen. Aus der nicht abschließenden Festlegung der entscheidenden Kennzahlen und Größenordnungen wird man folgern können,161 daß die quantitativen Anforderungen in einer Zusammenschau mit den qualitativen Erfordernissen anhand des konkreten Einzelfalls zu würdigen, also insbesondere wertmäßige Größenordnung und die Kennziffern in der Holzmüller-Entscheidung nur Orientierungsgrößen sind.162 Umstrukturierungsvorgänge in der Publikums-AG, die eine Befassung der Hauptversammlung erfordern, werden daher in der Unternehmenspraxis künftig wohl die seltene Ausnahme sein, wenn man die qualitativen und quantitativen Wesentlichkeitsgrenzen zugrundelegt, die der BGH in der Gelatine-Entscheidung konkretisiert hat.163 d) Abstimmung mit den Fähigkeiten und Interessen des Publikumsaktionärs an der Einflußnahme Der Vorstand als Verwalter fremden Vermögens hat Bindungen hinsichtlich des zulässigen Einsatzes des von den Aktionären investierten Kapitals zu unterliegen. Es überzeugt daher, daß neben den geschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten auch eine Reihe von Grundlagenentscheidungen bestehen, die das Verhältnis zwischen Anteilseignern und Gesellschaft so 161 Zur Fragwürdigkeit der Festlegung bestimmter Richtwerte durch die Rspr. Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, S. 260 f.; dazu auch Fleischer, NJW 2005, 2335, 2338 (liSp.), und ders., in: FS Canaris, 2007, S. 71, 79 f. 162 Siehe auch den zweiten Leitsatz der Entscheidung v. 26.4.2004 – II ZR 155/ 02, BGHZ 159, 30 (Gelatine): „in etwa die Ausmaße wie im Senatsurteil BGHZ 83, 122“. Die Bedeutung der Umstände des Einzelfalls hervorhebend auch Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 31; Emmerich/Habersack, Aktienund GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 47, und ders., AG 2005, 137, 142 f.; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 34; Goette, AG 2006, 522, 526 (reSp.); Arnold, ZIP 2005, 1573, 1576 (liSp.); Röhricht, in: VGR, GesR 2004, Bd. 9, 2005, S. 1, 9; Bungert, BB 2004, 1345, 1347; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2339 (liSp.); Hirte, EWiR 2004, 1161; Simon, DStR 2004, 1482, 1486 (reSp.); zur Holzmüller-Entscheidung auch Zimmermann/Pentz, in: FS W. Müller, 2001, S. 151, 156, 168. 163 Wie aber die Vorgänge bei der ehemals im DAX 30 notierten Altana AG zeigen, die ihre Tochtergesellschaft Altana Pharma AG und das darin gebündelte Pharmazie-Geschäft im Jahr 2006 veräußerte, das einen Großteil der Tätigkeit der Unternehmensgruppe darstellte, kommen solche Umstrukturierungen nicht nur bei kleineren AG vor noch handelt es sich gar um ein rein theoretisches Problem (zu den Vorgängen siehe Geschäftsbericht 2006 der Gesellschaft auf der homepage der Gesellschaft unter http://www.altana.com/de/publications.php).

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einschneidend verändern, daß der Vorstand vor ihrer Durchführung erst Rücksprache bei den Anlegern nehmen muß.164 Andererseits sind hierbei sowohl aus rechtlichen als auch aus wirtschaftlichen Gründen enge Grenzen zu setzen. aa) Interessen und Fähigkeiten der Aktionäre in der Publikums- und der kleinen AG Die Annahme ausgedehnter Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung einer Publikumsgesellschaft gerät in Gefahr, sich über den der AG zugrundeliegenden Gedanken der Arbeitsteilung zwischen Geschäftsführung und Anteilsinhabern hinwegzusetzen und die Zuständigkeitsgrenzen zu verwischen.165 Die Befassung der Hauptversammlung mit Vorgängen in der Tochtergesellschaft hat daher einen Ausnahmefall darzustellen, da andernfalls die Kompetenzordnung der AG übergangen würde. Dies entspricht auch insoweit den Interessen der Publikumsaktionäre, als diese – aus ökonomisch vernünftigen Erwägungen166 – im Hinblick auf die Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen nur gering sind, so daß es vor diesem Hintergrund als stimmig erscheint, wenn nur außerordentliche Beeinträchtigungen ihrer Einflußrechte durch Umstrukturierungen in der Unternehmensgruppe ihrer Zustimmung bedürfen. Anderes gilt allerdings für den Schutz ihres Beteiligungsvermögens, das im Mittelpunkt ihres Interesses steht.167 Es ist daher noch näher zu untersuchen, wie die Aktionäre bei Umstrukturierungen, die den Wert des Beteiligungsvermögens gefährden, geschützt werden. Ob diese Maßstäbe daneben auch in kleineren AG mit überschaubarem Kreis von Aktionären treffend sind, die sich eher als Mitunternehmer denn als Anleger fühlen und so auch von der Geschäftsleitung wahrgenommen werden (wollen), erscheint fraglich. Auch die Ausführungen des BGH zur Notwendigkeit schnellen Handelns ohne eine zu enge Bindung an das Er164 So auch Zimmermann/Pentz, in: FS W. Müller, 2001, S. 151, 156, 163; Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 (liSp.); der BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 41 (Gelatine), spricht von dem Geld, das dem Vorstand von den Aktionären anvertraut wurde und das er bei seiner Leitungstätigkeit zu verwalten hat. 165 Dazu auch Kort, in: GroßKommAktG, 2003, Vor § 76 Rn. 10; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 26; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 67 f. und 74. 166 Näher oben S. 135 ff.; siehe auch Hansmann/Kraakman, in: Anatomy of Corporate Law, 2004, Kap. 3, insbes. 3.1.2 (S. 33 ff., 46), sowie Arnold, Vorstandshandeln, 2007, § 3 I (S. 73 ff.). 167 Hierzu auch in diesem Zusammenhang Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 66 f. und 73.

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fordernis einer Beteiligung der „regelmäßig nur mit erheblichem Aufwand an Zeit und Kosten einzuberufenden Hauptversammlung“ und zur Wahrnehmung der sich in einer globalen Wirtschaftsordnung bietenden Chancen, die sich zu einem geläufigen höchstrichterlichen Begründungsstrang für die Begrenzung des Schutzes der Aktionäre durch Hauptversammlungsbeschlüsse entwickelt, überzeugt im Hinblick auf die Publikums-AG, erscheint aber jedenfalls bei kleineren AG mit überschaubarem Anlegerkreis nicht unbedingt angemessen.168 Es wäre überzeugender gewesen, zwischen börsennotierten und nicht notierten Gesellschaften zu trennen, da eine differenzierende Betrachtung den unterschiedlichen Strukturen und Interessen in Publikums- und kleiner bzw. nicht kapitalmarkorientierter AG eher gerecht wird.169 bb) Die Bedeutung der Maßnahme für die Anlageentscheidung des Aktionärs Der Gesetzgeber des AktG 1965 hat die Zurückdrängung der Hauptversammlung in Angelegenheiten der Geschäftsführung mit ihrem fehlenden Sachverstand begründet, da hiernach die Aktionäre „im allgemeinen weder die Zeit noch die Übersicht [haben], um Geschäftsführungsfragen unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte entscheiden zu können.“170 In seiner Begründung ergänzt der BGH, daß „die Hauptversammlung in Anbetracht ihrer inhomogenen, dem Zufall ausgelieferten Zusammensetzung und ihrer Ferne zu den jeweils zu treffenden Geschäftsführungsmaßnahmen ihrer ganzen Struktur nach für die Mitwirkung an der Leitung der AG ungeeignet ist“.171 In diesem Sinne handelt es sich bei den Maßnahmen, die die vom BGH betonte Wesentlichkeitsschwelle überschreiten, um grundstürzende 168 Zu diesem Begründungsstrang schon BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 137 (Siemens/Nold), v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 (Gelatine), und v. 21.11.2005 – II ZR 79/04, BB 2006, 457, 458 (liSp.). Zur erleichterten Einberufung der Hauptversammlung nach § 121 Abs. 4 AktG Hüffer, AktG, 2008, § 121 Rn. 11a ff. 169 So schon Liebscher, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 100 ff., was der BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 (Gelatine), aber nicht als Kriterium für die Anwendbarkeit der Grundsätze einfließen läßt. Siehe auch die Kritik von Lutter, JZ 1998, 50 ff., und ders., in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 372 ff., an der Siemens/Nold-Entscheidung am BGH, der nicht zwischen börsen- und nicht notierten AG unterscheidet; zustimmend Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 135; Hüffer, AktG, 2008, § 203 Rn. 11. Jetzt aber BGH v. 10.10.2005 – II ZR 148/03 und II ZR 90/03, BGHZ 164, 241, 242 und 249, 250 (Mangusta/Commerzbank I und II), der jeweils zumindest im Sachverhalt anführt, daß die beklagte Gesellschaft börsennotiert ist. 170 Begr RegE Vor § 76 AktG 1965, bei Kropff, AktG 1965, S. 96. 171 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 (Gelatine).

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Veränderungen, die nicht nur im Rahmen der Geschäftsführung der Gesellschaft bedeutsam sind, sondern auch die Anlageentscheidung des Aktionärs betreffen.172 Der Ansatz von Fleischer, wonach Abgrenzungskriterium die entscheidende Veränderung des zwischen den Anteilseignern und der Gesellschaft bestehenden Investmentkontrakts ist, überzeugt in seinem Grundanliegen, da bei solchen Entscheidungen der Gedanke des fehlenden Sachverstandes und der vom BGH ergänzte Gesichtspunkt der Ferne der Aktionäre zu den Geschäftsführungsmaßnahmen nicht verfängt. Denn die mit solchen Maßnahmen verbundenen strukturellen Veränderungen zeitigen zugleich Auswirkungen auf die Anlage des Aktionärs, da der Aktionär sich gegebenenfalls sonst in einer anderen AG wiederfinden würde, der er nicht beitreten wollte.173 Der Gesetzgeber gesteht dem Aktionär für solche, seine Anlage betreffende Entscheidungen ausreichenden Sachverstand zu. Fleischer weist daneben darauf hin, daß die Vorstandsmitglieder in solchen Fällen über keinen Wissensvorsprung gegenüber den Aktionären verfügen und namentlich beim Verkauf wesentlicher Vermögensbestandteile unter einem Interessenkonflikt leiden würden.174 Der deutliche Hinweis des BGH, daß der Vorstand sich in den Grenzen von Gesetz und Satzung zu halten habe und sich bewußt bleiben solle, daß er fremdes Vermögen verwaltet,175 läßt sich für den Ansatz von Fleischer anführen. Betrachtet man weiterhin das Aktionärsverhalten in der Publikums-AG, so erscheint es überzeugend, die Kompetenzen der Hauptversammlung nicht weiter auszubauen, da beim normtypischen Publikumsaktionär das Interesse an einer Einflußnahme über die Abstimmungsteilhabe gering ist. Die Untersuchungen im Zweiten Teil haben gezeigt, daß der Publikumsaktionär auch aus vernünftigen Gründen regelmäßig kein größeres Interesse an der Wahrnehmung seines Stimmrechtes hat, also weniger als Gesellschafter in der Hauptversammlung und mehr als Anleger durch die Entscheidung über Des- und Neuinvestition des angelegten Kapitals auf sein Investment Einfluß nimmt.176 Das rechtfertigt zwar nicht, Hauptversammlungskompetenzen über bedeutsame Strukturänderungen, die einen erheblichen Eingriff in die Mitgliedschaft des Aktionärs mit sich bringen, an sich zurückzudrängen. Eine Ausdehnung der Kompetenzen zur Entscheidung über sämtliche Umstrukturierungen in der Unternehmensgruppe, die 172 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 (liSp.); Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 30 f.; Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 68; a. A. Habersack, AG 2005, 131, 140 f. 173 Dazu Siems, Konvergenz, 2005, S. 211. 174 Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336; siehe auch Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 30 f.; Siems, Konvergenz, 2005, S. 211. 175 Dazu oben in Fn. 164; dies betont auch Goette, DStR 2004, 927, 928 (liSp.). 176 Dazu oben S. 136 ff.

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eine bestimmte Wesentlichkeitsschwelle nicht erreichen, entspricht jedoch nicht dem vordringlichen Interesse des Publikumsaktionärs. Damit wird zugleich deutlich, daß der Schutz der Aktionäre vor „einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung“177 anderweitig gewährleistet werden muß, wenn die Schwellenwerte nicht erreicht werden, die eine Befassung der Hauptersammlung nach der Holzmüller-Doktrin erfordern. e) Schutz der Aktionäre unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle – weiterer Fortgang der Untersuchung Der Aktionärsschutz wird bei Umstrukturierungsvorgängen in der Unternehmensgruppe von diesen „krassen“ Fällen abgesehen regelmäßig nicht durch eine Mitwirkung der Hauptversammlung nach den Holzmüller-Grundsätzen erreicht.178 Der BGH stärkt mit der Gelatine-Entscheidung die Leitungsmacht des Vorstandes im aktienrechtlichen Organisationsgefüge, was auf einer Linie mit dem Siemens/Nold-Urteil und dessen wirtschaftspolitischer Grundausrichtung liegt.179 Der hier wie dort der Verwaltung eingeräumte weite Gestaltungsfreiraum wirft aber zugleich die Frage nach verbandsinternen Gegenkräften auf, was an dem vom BGH in der Entscheidung zum genehmigten Kapital eingeschlagenen Weg verschärfter Verantwortlichkeit und Haftung der Organmitglieder denken läßt.180 Das liegt in der Tendenz der Rechtsentwicklung, das Betätigungsfeld klageaktiver Aktionäre vom Recht der Beschlußanfechtung weg und hin zur Organhaftung zu verlagern, was mit der vom UMAG ermöglichten Ausweitung der Verfolgung von Pflichtverstößen von Organmitgliedern durch Minderheitsaktionäre, vgl. §§ 148 Abs. 1 S. 1, 147 AktG, und dem Ausbau des Freigabeverfahrens, § 246a AktG, erreicht werden soll. Im Hinblick auf ihren Rechtsschutz unterhalb der Holzmüller-Schwelle sind die Aktionäre allerdings nicht unbesehen auf den Schutz durch das Haftungsrecht zu verweisen. Vorab ist zu fragen, ob der Schutz der Aktio177 So BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine), unter Bezugnahme auf BGHZ 83, 122, 142 f. (Holzmüller). 178 So schon vor der Gelatine-Entscheidung des BGH v. 26.4.2004 Hüffer, AktG, 2004, § 119 Rn. 18a, zur Beschreibung der quantitativen Anforderungen an einen die Hauptversammlungsmitwirkung begründenden Vorgang. 179 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 137 (Siemens/Nold); dazu siehe oben S. 257 ff. und bei Fn. 168. 180 In diesem Sinne Fleischer, NJW 2004, 2335, 2336 und 2339 (je reSp.); ähnlich Goette, DStR 2004, 927, 928 (reSp.). Zur Diskussion der aktiengesetzlichen Änderungen zur Verbesserung der Haftungsdurchsetzung durch das UMAG oben S. 217 ff.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

näre nicht statt des Ausbaus der Hauptversammlungszuständigkeiten, denen der BGH eine Absage erteilt hat, durch Rechte, insbesondere Vermögensrechte außerhalb der Hauptversammlung erreicht werden kann. Dies deckt sich insoweit mit den Ausführungen des Senats in der Gelatine-Entscheidung, als der BGH dort an prominenter Stelle im direkten Anschluß an den Schutzzweck ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse die Bedeutung des präventiven Schutzes der berechtigen Belange der Aktionäre hervorhebt.181

II. Anwendungsfälle der Holzmüller-Grundsätze Die Holzmüller-Grundsätze sollen im Hinblick auf zwei Formen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen konkreter beleuchtet werden, die vom BGH im Jahr 1982 behandelte Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft und im Anschluß hieran die im Schrifttum besonders umstrittene Veräußerung von Anteilen an der Tochtergesellschaft durch die Obergesellschaft, die auch dem Beschluß von 2006 zugrunde lag. Dafür sind zwei Aspekte bei der nachfolgenden Untersuchung zu unterstellen: zum einen, daß die Kapitalerhöhung bzw. die Anteilsveräußerung die quantitativen Erfordernisse erfüllt, die nach der Gelatine-Entscheidung an eine solche Maßnahme zu stellen sind, um eine Hauptversammlungszuständigkeit zu begründen; zum anderen steht die Tochtergesellschaft im alleinigen Anteilsbesitz der Obergesellschaft.182 1. Die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft standen im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Holzmüller-Entscheidung im Hinblick auf die von ihr behandelten Hauptversammlungszuständigkeiten bei Maßnahmen der Gruppenumbildung und -leitung. Aufgrund der mit 181

BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 f. (Gelatine). Das Erfordernis der Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft zu Kapitalmaßnahmen in der Tochtergesellschaft ist unabhängig davon, ob es sich um eine im alleinigen Anteilsbesitz der Obergesellschaft stehende Tochtergesellschaft handelt oder nicht. Die a. A. von Wackerbarth, AG 2002, 14, 16 f., 24, und ders., Grenzen der Leitungsmacht, 2001, § 16 III (S. 469 ff.), beruht auf der Annahme einer „rechtsträgerübergreifenden“ Betrachtung von Obergesellschaft und 100%iger Tochtergesellschaft, infolge dessen bei „den unternehmensbezogenen Gesellschafterrechten der Gesellschafter ein beschränkter Normanwendungsdurchgriff“ von oben nach unten stattfinde, was einer Erweiterung sämtlicher mitgliedschaftlicher Rechte der Obergesellschaft in die Tochtergesellschaft hinein entspreche. Die Ansicht steht aber im Konflikt mit den durch die Rechtsform gesetzten Grenzen der Gesellschaften als Rechtsträger und erscheint deshalb als problematisch. 182

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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solchen Kapitalerhöhungen verbundenen Gefahren für die Aktionäre der Obergesellschaft bejahte der Senat dort eine Hauptversammlungszuständigkeit, allerdings nur unter den sehr engen Voraussetzungen des von ihm entschiedenen Falles einer im alleinigen Anteilsbesitz der Obergesellschaft stehenden Tochtergesellschaft, die durch Ausgliederung des wertvollsten Betriebszweiges entstanden war.183 Der BGH führt in der Gelatine-Entscheidung unter Bezugnahme auf das Holzmüller-Urteil aus, daß der Senat schon dort „für die Hauptversammlung der Muttergesellschaft ein Mitwirkungsrecht auch bei grundlegenden Maßnahmen in der Tochtergesellschaft nach Durchführung einer der Zustimmung der Aktionäre bedürfenden Ausgliederungsmaßnahme anerkannt“ habe,184 so daß der Ausgliederung nachfolgende Umstrukturierungen von Beteiligungsgesellschaften einer Hauptversammlungskompetenz unterfallen können. Das noch nach der Holzmüller-Entscheidung mögliche Argument eines Vorrangs der Gruppenbildungsvor der Gruppenleitungskontrolle, das von der wohl h. M. schon vor der Entscheidung im Jahr 2004 abgelehnt wurde,185 ist damit als überholt anzusehen.186 Die Verstärkung des Mediatisierungseffektes, die der BGH in der Holzmüller-Entscheidung für Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft aufgrund der weiteren Ausgliederung von Kapital bejahte, kann daher auch nach Ansicht des Senats in der Gelatine-Entscheidung eine Kompetenz der 183

BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 142 und Leitsatz e) (Holzmüller). 184 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 (Gelatine), unter Verweis auf BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 141 ff. (Holzmüller). 185 Begründet wird das Nebeneinander von Gruppenbildungs- und Gruppenleitungskontrolle damit, daß das Schutzbedürfnis der Aktionäre durch die vorangegangene Zustimmung nicht entfällt und die Aktionäre, die nach der Gruppenbildung Aktien der Obergesellschaft erworben haben, im Hinblick auf die Einwirkungen auf ihre Mitgliedschaftsstellung infolge von Gruppenumbildungs- und Gruppenleitungsmaßnahmen ebenso schutzwürdig seien wie die Aktionäre, die über die Gruppenbildung schon abgestimmt haben. Gegen einen solchen Vorrang schon die früher h. M. vor der Gelatine-Entscheidung; siehe MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 70 mwN.; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vorb. § 291 Rn. 87; Fuchs, in: RWSForum GesR, 2001, S. 259, 265 f.; Henze, BB 2000, 209, 211 f.; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 1999, § 69 Rn. 34; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 364 ff.; Mecke, Konzernbildung, 1992, S. 229 ff.; Timm, ZIP 1993, 114, 116 ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 1 (S. 162 ff.), D III 2b (S. 173 f.); Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 848 ff.; so auch LG Frankfurt/M. v. 29.7.1997 – 3/5 O 162/95, ZIP 1997, 1700 (Altana/Milupa). A. A. Becker/Fett, WM 2001, 549, 552 f.; Westermann, ZGR 1984, 358, 367, 376; Rehbinder, ZGR 1983, 92, 99; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 425 ff. 186 Emmerich/Habersack, KonzernR, 2008, § 7 II 2 (S. 102) und § 9 I 2 (S. 115 f.), Emmerich/ders., Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 31 ff., insbes. 35 und 48, und ders., AG 2005, 137, 148 (reSp.); Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 3; Reichert, AG 2005, 150, 157 f.: siehe auch Arnold, ZIP 2005, 1573, 1575 (reSp.).

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

Hauptversammlung begründen, so daß hiernach eine Abstimmung der Hauptversammlung über die Gruppenbildung den Vorstand nicht von der Pflicht entbindet, nachfolgend die Hauptversammlung auch über Maßnahmen der Gruppenumbildung entscheiden zu lassen.187 Stellt man auf den vom BGH bezweckten Schutz der Aktionäre vor Eingriffen in ihre Mitgliedschaftsrechte und ihr Anteilsvermögen ab, ist die Form der Bildung der in Rede stehenden Beteiligungsgesellschaft für das Schutzbedürfnis der Aktionäre unerheblich.188 a) Die Kapitalerhöhung in der Holzmüller-Entscheidung Das Erfordernis der Hauptversammlungsbeteiligung ist nach der Holzmüller-Entscheidung auch auf Entscheidungen über Kapitalerhöhungen zu erweitern, worauf in der Gelatine-Entscheidung ausdrücklich Bezug genommen wird.189 Denn diese bergen hiernach besondere Gefahren für die Aktionäre der Obergesellschaft in sich, da sie „mittelbar dazu führen [können], daß die Mitgliedschaft ihrer Aktionäre beeinträchtigt, der Wert ihrer Beteiligung verwässert und ihre Bezugsrechte ausgehöhlt werden.“190 Dabei konkretisiert der BGH die Mittelbarkeit des drohenden Eingriffs in die Aktionärsposition nicht näher, sondern hält eine Mitwirkung unabhängig davon für geboten, ob die Obergesellschaft sämtliche neu ausgegebenen Aktien übernimmt oder ihre Bezugsrechte ausgeschlossen und die neuen Aktien an einen Dritten ausgegeben werden.191 Als wenig überzeugende Begründungen führte der Senat an, daß den Aktionären andernfalls die Chance entzogen werde, „ihre Beteiligung quantitativ und wertmäßig dadurch zu verbessern, daß sie selbst weiteres Kapital in ‚ihrem‘ Unternehmen anlegen“, und überdies mit der Kapitalerhöhung die Möglichkeit der Aufnahme fremder Gesellschafter durch spätere Anteilsveräußerungen wachse.192 Mit seinem weiteren Argument, daß durch die Kapitalerhöhung der „Obergesellschaft Betriebs187

BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 46 (Gelatine). Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 39; Reichert, in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 45; einschränkend ders., ZHR-SH 68 (1999), S. 25, 72; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 71; Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 92; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 1 (S. 162 ff.: Gleichbehandlung von Ausgliederung und Beteiligungserwerb); Heinsius, ZGR 1984, 383, 402 f.; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 420 f.; a. A. OLG Köln v. 24.11.1992 – 22 U 72/92, ZIP 1993, 110, 113 (Winterthur/Nordstern); dagegen Timm, ZIP 1993, 114, 117. 189 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 141 ff., und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 38. 190 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 142. 191 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143. 192 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143. 188

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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mittel, die sie [scil. die Aktionäre] dort investiert haben, entzogen und einem anderen Rechtsträger mit der Folge zugeführt [werden], daß sich Schwergewicht und Risiken des Kapitaleinsatzes und die entsprechenden Machtbefugnisse der Verwaltung noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagern“, kehrt der BGH zu seiner Ausgangsbegründung zurück, der Machtverlagerung in der Obergesellschaft.193 Das auf § 186 Abs. 3 AktG gestützte Argument einer drohenden Gefahr der Beteiligung Dritter durch Verzicht der Obergesellschaft auf ihr Bezugsrecht, die mit jeder Kapitalerhöhung zunehme, ist nicht ohne weiteres eingängig.194 Anzeichen dafür, daß der BGH mit der Gelatine-Entscheidung seine Rechtsprechung zur Kapitalerhöhung in Tochtergesellschaften ändern oder aufgeben wollte, sind nicht ersichtlich.195 Die Kapitalerhöhung gegen Einlagen in der Tochtergesellschaft unter Ausübung des Bezugsrechts durch die Obergesellschaft ist nicht näher zu betrachten, da hierdurch die Anteile nicht an Dritte ausgegeben werden, sondern nur weiteres Betriebsvermögen auf die Tochtergesellschaft verlagert wird, so daß der Vorgang eher der erstmaligen Ausgliederung von Vermögen entspricht.196 Nachfolgend ist daher auf die Kapitalerhöhung gegen Einlagen in der Tochtergesellschaft unter Bezugsrechtsausschluß, also mit Drittbezug, einzugehen. 193

BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143. Das im Rahmen der Kali+Salz-Entscheidung als tragender Grund der Beschlußkontrolle zum Bezugsrechtsausschluß vom BGH vorgebrachte Argument, daß für einen Aktionär der Entzug des Vorrechts, Kapital in „seinem“ Unternehmen investieren zu können, einen schweren Eingriff in seine Mitgliedschaft bedeute, vgl. BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 44 (Kali+Salz), und v. 9.12.1992 – II ZR 230/91, BGHZ 120, 141, 146 (Bremer Bankverein), überzeugt dort vor dem Hintergrund, daß damit nicht ein Vorrang der Eigen- vor der Fremdkapitalfinanzierung begründet werden soll, sondern im Rahmen einer Eigenkapitalfinanzierung in Frage steht, ob die neuen Aktien an alle oder einzelne Aktionäre oder gegebenenfalls auch nur an Außenstehende ausgegeben werden. Dazu auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 333 f. 194 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 (Holzmüller). 195 Das Schrifttum geht dementsprechend auch davon aus, daß der BGH seine Rechtsprechung zur Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft nicht korrigieren oder gar aufgeben wollte; vgl. Habersack, AG 2005, 137, 148 f.; Liebscher, ZGR 2005, 1, 23 f.; Reichert, AG 2005, 150, 157 f.; wohl auch Altmeppen, ZIP 2004, 999, 1001; Bungert, DB 2004, 1345, 1351; siehe auch Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 182 Rn. 73. 196 Nominelle Kapitalerhöhungen unterfallen nicht dem Untersuchungsprogramm, da sie weder zu einer Änderung der Beteiligungsstruktur noch zu einer Verlagerung von Unternehmensvermögen führen; dazu Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 41; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 77; Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 95; Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 851, und ders./ R. Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806. Die Schaffung eines genehmigten Kapitals richtet sich nach ähnlichen Grundsätzen wie den hier dargestellten.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

b) Gegensätzliche Ansichten im Schrifttum Übt die Obergesellschaft das Bezugsrecht nicht oder nicht vollständig aus und werden so Außenstehende an der Tochtergesellschaft beteiligt, bejaht das überwiegende Schrifttum mit dem BGH eine Hauptversammlungskompetenz.197 Die Konzeption des BGH stellt auf den Eingriff in die Mitgliedschaftsstellung der Aktionäre, also die Mediatisierung des Einflusses der Aktionäre und die nachhaltige Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung ab.198 Die Stimmen im Schrifttum begründen eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft vornehmlich mit der schwindenden Einflußmöglichkeit der Obergesellschaft und damit auch ihrer Aktionäre durch die Verwässerung ihrer Herrschafts- und Vermögensrechte.199 Neben dem Recht 197 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 58; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 49, und ders., AG 2005, 137, 149 (liSp.); Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 182 Rn. 75; Busch, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 39 Rn. 90 (S. 1376); Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; MünchKommAktG/ Peifer, 2005, § 182 Rn. 80 f. und § 186 Rn. 118; Kubis, aaO, 2004, § 119 Rn. 78; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 207 ff.; Busch/Groß, AG 2000, 503, 505 ff.; so schon Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 364 ff., ders., JZ 1981, 216, 219, und ders., in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 182 Rn. 53 f.; einschränkend Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 102, 95, für ein Zustimmungserfordernis nur bei einer Tochtergesellschaft, deren alleiniger Anteilsinhaber die Obergesellschaft ist, die daneben keine weiteren Gesellschaftsbeteiligungen hält und auch sonst keine unternehmerischen Aktivitäten entfaltet. A. A. Krieger, MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 43 (Gleichlauf Beteiligungsveräußerung und Reduzierung der Beteiligung durch Kapitalerhöhung). Nach Götz, AG 1984, 85, 87 f., und Werner, ZHR 143 (1983) 429, 448 und 452, schützt hingegen ein angemessener Ausgabekurs die Aktionäre ausreichend. Gegen eine solche Kompetenz bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften etwa Habersack, aaO, Peifer, aaO, Kubis, aaO, Rn. 77, je mwN. 198 Siehe dazu nochmals BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine), der mit diesen beiden Aspekten den nach BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 (Holzmüller), entscheidenden tiefen Eingriff „in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse“ definiert. 199 So etwa Habersack, WM 2001, 545, 546 (Gefahr einer Verwässerung der Herrschafts- und Vermögensrechte), und ders., AG 2005, 137, 149 (liSp.), der auf die Mediatisierung als maßgeblichen Grund der Hauptversammlungskompetenz abstellt; Wahlers, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 87; Mecke, Konzernbildung, 1992, S. 253 f.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 182 Rn. 53 f.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5a (S. 183); Westermann, ZGR 1984, 353, 375 f.; J. Semler, BB 1983, 1566, 1573 (liSp.). Eine Gefährdung des Beteiligungsvermögens erfolgt unabhängig von Schwellenwerten, so daß die Stimmen im Schrifttum, die ein Absinken unter bestimmte Schwellenwerte fordern, ausdrücklich oder zumindest der Sache nach vornehmlich auf den Einflußverlust der Aktionäre der Obergesellschaft abstellen. So fordern eine grundlegende Änderung des Mehr-

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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der Aktionäre, bei der Aufnahme neuer Gesellschafter mitzubestimmen,200 wird auch die Gefahr einer Verwässerung des Beteiligungsvermögens von Teilen des Schrifttums als maßgebender Grund für eine Hauptversammlungskompetenz angesehen.201 Dem wird entgegengehalten, daß sich Bewertungsprobleme bei jeder Veräußerung von Betriebsvermögen stellen würden, so daß der Aspekt des Vermögensschutzes eine Beteiligung der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei Kapitalmaßnahmen in Tochtergesellschaften nicht trage.202 c) Mediatisierung der Einflußrechte? Anders als bei der Bezugsrechtskapitalerhöhung werden im Fall des Bezugsrechtsausschlusses keine Vermögensteile innerhalb der Unternehmensgruppe und damit auch keine Kompetenzen innerhalb der Obergesellschaft verlagert, da Kapital von außen zufließt und damit den neuen Aktionären mit den Anteilen auch Einflußnahmemöglichkeiten auf das Geschehen in der Tochtergesellschaft gewährt werden. Es finden also Verschiebungen nicht im Verhältnis von Vorstand und Hauptversammlung, sondern zwischen der Obergesellschaft und den Neuaktionären statt. Das vom BGH zur Bezugsrechtskapitalerhöhung angeführte Argument, daß das investierte Kapital und die entsprechenden Machtbefugnisse der Verwaltung noch stärker auf die Tochtergesellschaft verlagert werden,203 greift daher hier nicht durch. Der Vorgang führt vielmehr zu einer Veränderung der Aktionärsstruktur der heitsverhältnisses oder ein Absinken der Beteiligung der Obergesellschaft an der Tochtergesellschaft unter 75, 50 oder 25% etwa MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 78; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 267 f.; Hirte, aaO, D III 5 (S. 182 ff., 186); Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 12 B III (S. 138 ff.) und § 16 C II 4, 5 (S. 174 f.); Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 365 f. Anderes gilt für den Fall der erstmaligen Aufnahme von Außenstehenden, da dann auch die Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungswertes als Grund der Hauptversammlungszuständigkeit angesehen werden kann. 200 Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 182 Rn. 117. 201 So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 420 ff., 441 ff.; siehe auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524; Habersack, WM 2001, 545, 546 (reSp.), jetzt aber wohl a. A. ders., AG 2005, 137, 140 (reSp.); Baums/Vogel, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 9.35 (S. 268); Wahlers, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 87; Martens, ZHR 147 (1983), 377, 412 f.; J. Semler, BB 1983, 1566, 1573 (liSp.). 202 MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 31 Fn. 72 (Wertveränderungen zu Lasten der AG stellen kein Zuständigkeitsproblem dar, sondern werfen allenfalls Haftungsfragen auf); aus dem älteren Schrifttum etwa Götz, AG 1984, 85, 87 (reSp.); Martens, ZHR 147 (1983), 377, 412 f. 203 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 (Holzmüller).

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

Tochtergesellschaft, so daß sich mit der Veränderung der Beteiligungsquote der Obergesellschaft deren Einfluß und damit mittelbar der ihrer Aktionäre auf das in der Tochter gebundene Vermögen zugunsten der Neuaktionäre verringert. aa) Gleichsetzung des Einflusses auf Ober- und Tochtergesellschaft Der mit dem Drittbezug der Kapitalmaßnahme verbundene Einflußverlust der Aktionäre rechtfertigt nur dann eine Beteiligung der Hauptversammlung, wenn er mit der Eingriffsintensität des Einflußverlustes bei einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß in der unverbundenen AG vergleichbar ist, also einen tiefen Eingriff in die Mitgliedschaft der Aktionäre darstellt, was von Teilen des Schrifttums angenommen wird.204 Dem ist zuzustimmen, wenn die Aktionäre entsprechend der Obergesellschaft in ihrer Gesellschafterposition betroffen sind, also der Rückgang an Einfluß der Obergesellschaft als Aktionärin der Tochtergesellschaft durch Aufnahme Dritter mit einer Beeinträchtigung der Beteiligungsrechte der Aktionäre gleichgesetzt werden kann. Hierauf gründet sich die Argumentation von Lutter, wonach die Hauptversammlung der Obergesellschaft für die Aufnahme neuer Gesellschafter in der Tochtergesellschaft genauso wie in der Obergesellschaft zu beteiligen sei. Dies folge aus dem Rechtsgedanken des § 186 Abs. 3 AktG, der dem Vorstand verbiete, den Einfluß der bisherigen Gesellschafter gegen deren Willen durch Aufnahme neuer Gesellschafter zu schmälern. Problematisch hieran ist die Nähe zur Gleichstellung des unmittelbaren Einflusses auf die Obergesellschaft mit dem mittelbaren auf die Tochtergesellschaft, da dies einen Wechsel des Bezugsobjektes von der rechtsträger- hin zur konzernunternehmensbezogenen Sichtweise beinhaltet.205 Es ist damit nicht weiterführend, die Kompetenz auf eine Veränderung des Einflusses der Aktionäre der Obergesellschaft stützen zu wollen. Weiterer Ansatzpunkt ist die Stellung der Obergesellschaft und damit nicht der individuelle Einfluß der einzelnen Aktionäre, sondern deren in der Hauptversammlung gebündelten Einfluß.

204 So etwa Wahlers, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 89; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 182 ff.); Rehbinder, in: FS Coing II, 1982, S. 423, 435; siehe auch Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 12 B III 2, 3 (S. 138 ff.), wonach Entscheidungen in der Tochtergesellschaft wegen der Aufnahme weiterer Gesellschafter nicht mehr nur im Interesse der Obergesellschaft und ihrer Aktionäre vorgenommen werden können. 205 So auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 419; ähnlich schon Götz, AG 1984, 85, 88.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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bb) Änderungen des Einflusses des Vorstandes und damit der Hauptversammlung Der BGH hat in der Holzmüller-Entscheidung nicht versucht, die Notwendigkeit der Hauptversammlungsbeteiligung mittels eines Vergleichs des Einflußverlustes zu begründen, sondern weist nur auf die Möglichkeit der Aufnahme Dritter in die Tochtergesellschaft durch die Kapitalerhöhung hin, ohne jedoch auf den hieraus folgenden Einflußverlust näher einzugehen.206 In der Gelatine-Entscheidung begründet er den tiefen Eingriff in die Rechtsstellung der Aktionäre mit einer unmittelbaren Einflußminderung der Obergesellschaft und ihres Vorstandes, die der Hauptversammlung der Obergesellschaft einen Einflußverlust zumute. Der BGH führt im Hinblick auf die Beteiligungsumhängung aus, daß der von der Hauptversammlung kontrollierte Vorstand der Obergesellschaft nicht mehr den Handlungsrahmen der Leitungsorgane der betreffenden Gesellschaft bestimme, sondern nunmehr eine weitere Ebene dazwischengeschaltet sei. Hiermit nehme der „Einfluß der herrschenden Obergesellschaft und deren Hauptversammlung auf die Führung der Geschäfte, aber auch auf die Entscheidung über die Gewinnverwendung und andere Maßnahmen dieses nunmehr zu einer Enkelgesellschaft gewordenen Unternehmens“ ab.207 In Fortsetzung der Begründungslinie der Gelatine-Entscheidung läßt sich argumentieren, daß der Einfluß der Hauptversammlung der Obergesellschaft im Hinblick auf das in der Tochtergesellschaft gebundene Vermögen verändert wird. Denn dies unterlag bisher dem alleinigen Einfluß des Vorstands der Obergesellschaft und unterliegt mit der Aufnahme Dritter auch dem Einfluß der Neuaktionäre. Auf den ersten Blick läßt sich daher aus der Heranziehung der Wertung des § 186 Abs. 3 AktG eine Kompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft annehmen, da sich die relative Herrschaftsmacht der Obergesellschaft und mittelbar damit auch ihrer Aktionäre ähnlich der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß in der unverbundenen AG verändert.208 Eine in Anlehnung an das Gelatine-Urteil auf den Einfluß der Hauptversammlung bezogene Argumentation ist aber problematisch. Denn der Ein206

BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 (Holzmüller). BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 (Gelatine); so auch MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 74. 208 So Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 357 ff.; siehe auch MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 182 Rn. 82; Kubis, aaO, 2004, § 119 Rn. 78; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 102; Wackerbarth, AG 2002, 14, 16 ff.; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 264 ff.; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1211 f.; Mecke, Konzernbildung, 1992, 293 ff.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 182 ff.); Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 16 C II (S. 172 ff.). 207

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

fluß der Hauptversammlung der Obergesellschaft wird bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß auf Dritte verlagert und damit relativiert, da ihr Vorstand nun neben Dritten, im Gegensatz zur Gelatine-Entscheidung aber überhaupt noch Mitgliedsrechte der Obergesellschaft in der Tochtergesellschaft ausübt. Eine Mediatisierung zugunsten der Verwaltung der Obergesellschaft, die entscheidender Ansatzpunkt für eine an sich mögliche Hauptversammlungsbeteiligung in der Entscheidung aus dem Jahr 2004 war, erfolgt damit nicht. Die Hauptversammlung der Obergesellschaft verliert Einfluß insoweit, als der Vorstand der Obergesellschaft aufgrund der Beteiligung Dritter in der Tochtergesellschaft eine Einflußminderung hinnehmen muß. Diese mittelbare Einflußminderung als Grund einer Hauptversammlungskompetenz heranzuziehen, ist nicht durchgängig überzeugend. Denn der Verlust an Einfluß vollzieht sich in Sprüngen, was sich in den im Schrifttum aufgeführten Schwellenwerten widerspiegelt.209 Zum anderen trifft die Verminderung der Einflußquote der Obergesellschaft deren Hauptversammlung in ihrer Gesamtheit, nicht aber einzelne Aktionäre.210 Entscheidend ist daher die zweite, in der Gelatine-Entscheidung hervorgehobene Schutzrichtung, der Schutz vor Eingriffen in die im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen der Aktionäre, der lediglich von einem Teil der Literatur ausdrücklich als maßgeblicher Grund für eine Hauptversammlungsbefassung angesehen wird.211 d) Schutz der Vermögensinteressen der Aktionäre? Der Schutz der im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen wird schon in der Holzmüller-Entscheidung im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß hervorgehoben. Der BGH führte aus, daß bei Maßnahmen in der Tochtergesellschaft die Gefahr bestehe, daß der Vorstand durch Aufnahme fremder Gesellschafter, etwa im Wege der Kapitalerhöhung, die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre der Obergesellschaft vollends aushöhle, was zugleich mit konkreten Vermögensverlusten für die Aktionäre verbunden sein könne.212 Die Hauptversammlungszustän209 Dazu schon Seydel, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 420; zu solchen Schwellenwerten siehe die Stimmen oben in Fn. 199. 210 Hierauf weist Kiefner, Börsengang, 2005, S. 289 ff., 296, hin. 211 Nur auf die Gefahr der Vermögensverwässerung stellen Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524; Semler/Volhard/J. Semler, HdB Hauptversammlung, 2003, § 1 Rn. 258 (S. 66); Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 419, 431 f., ab. Siehe auch MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 182 Rn. 81 und § 186 Rn. 118, der vornehmlich auf die Gefahr der Vermögensverwässerung abstellt. 212 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 137. Dazu schon oben bei Fn. 29.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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digkeit begründete er damit, daß die Mitgliedschaft der Aktionäre beeinträchtigt, der Wert ihrer Beteiligung verwässert und ihre Bezugsrechte ausgehöhlt würden.213 Der BGH sieht also in der Verminderung des Beteiligungswertes einen aktienrechtlich relevanten Eingriff in die Mitgliedschaft, der es rechtfertigt, daß sich die Hauptversammlung der Obergesellschaft mit diesem Vorgang zum Schutz vor einem solchen Wertverlust befaßt. Allein die Erweiterung der Möglichkeiten der Verwaltung, die Gewinnausschüttung der Tochtergesellschaft an die Obergesellschaft durch Thesaurierung auf der Ebene der Tochtergesellschaft zu vermindern und damit den Gewinnanspruch der Aktionäre seiner Höhe nach unmittelbar zu beeinträchtigen, führt jedenfalls im Hinblick auf einen effizienten Kapitalmarkt nicht zu einer Vermögensbeeinträchtigung, da mit der Gewinnthesaurierung der Kurs der Obergesellschaftsaktie zunimmt.214 Werden allerdings im Rahmen der Kapitalerhöhung die neuen Aktien der Tochtergesellschaft unter Wert an Dritte ausgegeben, sinken der Wert der an der Tochtergesellschaft gehaltenen Beteiligung und die Höhe des Liquidations- und Gewinnanspruchs der Obergesellschaft. Damit vermindert sich unmittelbar der vermögensmäßige Beteiligungswert jedes ihrer Aktionäre. Werteinbußen der von der Obergesellschaft gehaltenen Tochtergesellschaftsaktien reduzieren folglich zugleich den Wert der Obergesellschaftsaktien.215 Im Gegensatz zu den Herrschaftsrechten der Aktionäre berührt die Ausgabe der Aktien der Tochtergesellschaft unter Wert unmittelbar die Vermögenskomponente der Beteiligung der Aktionäre der Obergesellschaft und ihre Vermögensrechte. Der Vorgang hat insoweit gleiche Auswirkungen wie eine Kapitalerhöhung in der Obergesellschaft unter Bezugsrechtsausschluß.216 Dem BGH ist also 213 Vgl. BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine), unter Zitat der entsprechenden Passage der Entscheidung v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 (Holzmüller); dazu oben bei Fn. 96. 214 Zur Gewinnthesaurierung im Konzern Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 848, sowie die Stimmen oben in Fn. 2; zur Kapitalmarkteffizienz und den Auswirkungen einer Gewinnthesaurierung oben S. 59. 215 So auch Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 34; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 118 und § 182 Rn. 81; wohl a. A. Kort, AG 2002, 369, 372 (liSp.); Paefgen, Unternehmerische Entscheidung, 2002, § 15 III 5 (S. 516). 216 Hält eine AG als einzigen Vermögensgegenstand eine Beteiligung an einer Tochtergesellschaft, die den einzigen operativen Bereich der Unternehmensgruppe darstellt, wird dies wie in dem meinungsbildenden Beispiel noch deutlicher, das Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 365, anführt. Siehe auch Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 12 B III (S. 138) und IV (S. 141 f.), ders., AG 1980, 172, 183, und ders., ZGR 1987, 403, 416 f. Siehe auch OLG Celle v. 7.3.2001 – 9 U 137/00, AG 2001, 357, 358, zur Pflicht des Vorstandes zur Einholung der Zustimmung der Hauptversammlung für die Veräußerung des gesamten Vermögens der in eine Holding-AG eingegliederten einzigen Tochter.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

darin zuzustimmen, daß der Beteiligungswert der Aktionäre der Obergesellschaft durch eine solche Kapitalerhöhung verwässert wird, so daß insoweit die Heranziehung des § 186 Abs. 3 AktG überzeugt.217 Allerdings gibt nicht die Obergesellschaft, sondern die Tochtergesellschaft neue Anteile aus und Dritte beteiligen sich an der Tochtergesellschaft, also an einem einzelnen Vermögenswert der Obergesellschaft, nicht aber an dieser selbst. Mag dieser Vorgang auch wirtschaftlich dieselben Auswirkungen auf die Aktionäre der Obergesellschaft haben, in rechtlicher Hinsicht erfolgt die Kapitalmaßnahme in einem anderen Rechtsträger; allein aus der Vermögensbeeinträchtigung kann daher eine Hauptversammlungskompetenz nicht folgen. e) Eigener Ansatz: Schutz des Beteiligungswerts der Aktionäre bei Eingriffen in die Beteiligungsquote der AG Eine Hauptversammlungszuständigkeit ist aufgrund der Beeinträchtigung der im Anteilseigentum der Aktionäre verkörperten Vermögensinteressen nur dann gerechtfertigt, wenn die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß in der Tochtergesellschaft wie der entsprechende Vorgang in der Obergesellschaft weitergehend als ein für die Aktionäre vermögensmäßig nachteiliges Umsatzgeschäft der AG nicht nur deren Beteiligungswert beeinträchtigt, sondern aktienrechtlich relevant ist. Dafür müssen den im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen der Aktionäre bei Kapitalerhöhungen in Ober- und Tochtergesellschaft vergleichbare Gefahren drohen. Ebenso wie beim Erwerb fremden Vermögens durch die Hingabe eigener Aktien der unverbundenen AG kann die Hauptversammlungszuständigkeit aber nicht allein aus der Gefahr der Beeinträchtigung des Gesellschaftsvermögens und damit korrelierend der Vermögensrechte der Aktionäre herrühren. Denn der Vorstand der unverbundenen AG darf bis zur Grenze des § 179a AktG über das Gesellschaftsvermögen verfügen, ohne daß die damit verbundene Gefährdung der Vermögensinteressen der Aktionäre eine Hauptversammlungszuständigkeit begründet.218 Da in der Unternehmensgruppe 217 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 142 (Holzmüller). Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5a (S. 183), spricht von einem Bezugsrechtsausschluß auf der zweiten Ebene für die Aktionäre der Obergesellschaft, rückt allerdings die Auswirkungen auf die Herrschaftsrechte in den Vordergrund; so auch schon das frühe Schrifttum, etwa Martens, ZHR 147 (1983), 377, 412 f.; Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 12 B IV (S. 141); Wahlers, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 87; Heinsius, ZGR 1984, 383, 403; Westermann, ZGR 1984, 352, 372. 218 Hierzu Habersack, AG 2005, 133, 140 f.; so schon Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 365, zu § 361 AktG a. F. Weitere Literatur bei Fn. 202; siehe auch Joost, ZHR 163 (1999), 164, 170, zu den Schwierigkeiten, aus dem Aspekt

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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keine strengeren Regeln gelten können, rechtfertigt allein die mit den Schwierigkeiten der Unternehmensbewertung verbundene Gefahr der Vermögensbeeinträchtigung der Aktionäre durch eine Ausgabe der Anteile an der Tochtergesellschaft unter Wert eine Hauptversammlungsbeteiligung nicht.219 Es ist also nochmals auf die Bedeutung des Beschlußerfordernisses der Hauptversammlung nach § 186 Abs. 3 S. 1 AktG abzustellen. Das Zustimmungserfordernis des § 186 Abs. 3 S. 1 AktG soll gewährleisten, daß die Aktionäre die Entscheidung über den Ausschluß ihres Bezugsrechts nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG und damit über die Veränderung ihrer Beteiligungsquote und die drohende Gefährdung ihres Beteiligungsvermögens treffen. Grund ist die damit für alle Aktionäre einhergehende Gefahr einer Verminderung des Beteiligungswertes, des Verlustes von Minderheitsrechten, die von Beteiligungsquoten abhängig sind, und des aktiengesetzlichen Bestandsschutzes der Mitgliedschaft des mit mehr als fünf vom Hundert beteiligten Aktionärs. Bezugsrecht und Hauptversammlungskompetenz begrenzen damit die Einwirkungsmacht der Verwaltung auch zugunsten der Aktionäre, die geringer beteiligt sind, so daß diese Schutzinstrumentarien nicht nur dem Bestand der Mitgliedschaft und der daraus folgenden Einflußrechte, sondern auch dem Schutz des Vermögenswertes der Beteiligung dienen. Durch den Bezugsrechtsausschluß bei der Kapitalerhöhung ändert sich die Beteiligungsquote der Obergesellschaft wie die der Aktionäre in der unverbundenen AG, nicht aber ihrer Aktionäre. Da diese nicht unmittelbar an der Tochtergesellschaft beteiligt sind, sie also keine Einflußrechte auf das Geschehen in der Tochtergesellschaft haben, stehen sie im Hinblick auf die Interessen- und Schutzrichtung den geringer beteiligten Aktionären in der unverbundenen AG gleich. Denn wie diese, die aufgrund ihrer geringen Beteiligungsquote faktisch nur geringe Einflußmöglichkeiten haben, so daß das eingebrachte Kapital insoweit weitgehend deren Einfluß entzogen ist, konzentriert sich ihr Interesse auf den Vermögensschutz ihrer Anlage. Allerdings ist dort zustimmungsbegründendes Merkmal von beteiligungsvermögensgefährdenden Vorgängen die Änderung der Beteiligungsquote auch solcher Aktionäre an der AG. Der durch das Beschlußerfordernis vermittelte Schutz vor einer mit der eigenmächtigen Verschiebung der Beteiligungsquote durch die Verwaltung einhergehenden Wertbeeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre ist also mit der Gruppenbildung auf Fälle zu erweitern, in denen Vermögen der Obergesellschaft durch Einbringung in eine Tochtergesellschaft verlagert wird und Dritte daran eine Beteides Schutzes der Vermögensinteressen der Aktionäre Hauptversammlungskompetenzen herzuleiten. 219 A. A. wohl Wahlers, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 87 f.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

ligung in gesellschaftsrechtlicher Form erwerben. Dies rechtfertigt eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit bei Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle.220 2. Veräußerungen von Beteiligungen an Tochtergesellschaften Der BGH erwähnt im Holzmüller-Urteil beispielhaft als Maßnahmen, die eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft begründen können, die Weiterübertragung des Gesellschaftsvermögens der Tochtergesellschaft gemäß § 361 AktG a. F. (jetzt § 179a AktG) und die Auflösung der Gesellschaft, § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, da diese Vorgänge regelmäßig von besonderer Bedeutung für die Aktionäre der Obergesellschaft seien, geht aber nicht auf die Veräußerung von Anteilen an einer Tochtergesellschaft ein.221 Im Gegensatz zu dem vom BGH genannten Fall der Übertragung des Gesellschaftsvermögens findet die Beteiligungsveräußerung auf der Ebene der Obergesellschaft statt, da diese einen Vermögensgegenstand veräußert, so daß sich aus der Hauptversammlungskompetenz im Hinblick auf eine Veräußerung auf Tochtergesellschaftsebene nicht zugleich eine Kompetenz für die Veräußerung auf der Obergesellschaftsebene ableiten läßt. Allerdings können nach dem BGH auch Maßnahmen auf der Ebene der Tochtergesellschaft, die wie die Liquidation zu einem Rückfluß von Kapital an die Obergesellschaft führen, eine Hauptversammlungskompetenz begründen. Daneben läßt sich anführen, daß es im Hinblick auf den Aktionärsschutz inkonsequent wäre, wenn man mit dem BGH für den im Holzmüller-Urteil angesprochenen Fall der Vermögensübertragung durch die Tochtergesellschaft ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung der Obergesellschaft befürwortet, bei der Veräußerung der Beteiligung durch die Obergesellschaft selbst aber anders entscheidet.222 Der Versuch, die vom BGH erwähnten grundlegenden Entscheidungen anhand der von ihm beispielhaft aufgezählten Fälle,223 also dem Abschluß von Unternehmensverträgen, Kapitalerhöhungen, Weiterübertragung des Gesellschaftsvermögens und dem Auflösungsbeschluß in der Tochtergesellschaft näher zu konkretisieren und für die Fälle der Beteiligungsveräußerung fruchtbar zu machen, erscheint schwierig, da der Schutzzweck der hierfür erforderlichen Hauptversammlungsbeteiligung nicht einheitlich ist.224 Der BGH läßt in der 220

So auch schon Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 432. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140 (Holzmüller). 222 So Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 147. 223 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140 (Holzmüller). 224 Zum Schutzzweck der Hauptversammlungsbeteiligung bei Unternehmensverträgen nach § 293 Abs. 2 AktG siehe oben S. 285 f., zum Kapitalerhöhungsbeschluß gemäß § 182 Abs. 1 S. 1 AktG siehe S. 237 ff., und zu § 179a AktG siehe unten in 221

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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Gelatine-Entscheidung jenseits des von ihm zu entscheidenden Falls und der Fallgestaltung des Holzmüller-Urteils ausdrücklich offen, welche Maßnahmen eine Hauptversammlungskompetenz auslösen können. In seinem Beschluß von 2006 lehnt schließlich der BGH einen Mediatisierungseffekt bei der dort gegebenen Beteiligungsveräußerung ohne weitere Begründung ab.225 a) Die gegenläufigen Ansichten zur Beteiligungsveräußerung Eine Kompetenz der Hauptversammlung bei der Beteiligungsveräußerung ist dementsprechend nach wie vor umstritten.226 aa) Kompetenzbereich des Vorstands Nach Teilen des Schrifttums unterfällt die Veräußerung einer Beteiligung jenseits einer erforderlichen Änderung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes der Geschäftsführungskompetenz des Vorstandes und nicht der Hauptversammlung nach Holzmüller-Grundsätzen.227 Denn es mangele am Mediatisierungseffekt in Bezug auf das Gesellschaftsvermögen; vielmehr werde mit der Veräußerung der Beteiligung das im Gegenzug in das Gesellschaftsvermögen der Obergesellschaft fließende Kapital dem unmittelbaren Einfluß der Aktionäre wieder unterstellt und damit die durch die Gruppenbildung erfolgte Mediatisierung der Beteiligungsrechte der Aktionäre rückgängig gemacht.228 Die Beteiligungsveräußerung greife daher Fn. 250. Grund der Hauptversammlungsbeteiligung bei der Auflösung der Gesellschaft, § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, ist die Zweckänderung, da anstelle des bisherigen, regelmäßig auf Gewinnerzielung durch Betrieb des Gesellschaftsunternehmens gerichteten Zwecks der Abwicklungszweck tritt; dazu schon oben S. 157 f. 225 BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24 (Hofbräu). 226 Zu den Stimmen im Schrifttum siehe die Nachweise bei Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 43; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 10; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 62 ff., insbes. 63; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 91 ff.; Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 71 ff. 227 Zu Fällen, bei denen der Unternehmensgegenstand als Folge der Veräußerung endgültig nicht mehr ausgefüllt werden kann, OLG Celle v. 7.3.2001 – 9 U 137/00, AG 2001, 357, 358 (liSp.) (AlliedSignal Chemical), und LG Frankfurt v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431, 433 (AGIV). 228 OLG Hamm v. 19.11.2007 – 8 U 216/07, AG 2008, 421, 422 f. (Arcandor); OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 (liSp.) (Hofbräu); Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 (liSp.); Paefgen, ZHR 172 (2008), 42, 73; Singhof/ Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 67 (S. 107); MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 37, 39, und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 28, 34; von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25 (reSp.); Emme-

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

nicht in Aktionärsrechte ein, auch wenn der BGH ein Zustimmungserfordernis der Hauptversammlung der Obergesellschaft zur Auflösung der Tochtergesellschaft auf Obergesellschaftsebene bejaht habe und hierdurch ebenfalls das in der Tochtergesellschaft eingesetzte Kapital auf die Obergesellschaft zurückgeführt, also ebenfalls der Mediatisierungseffekt rückgängig gemacht werde.229 Angeführt wird weiterhin die Parallele zur Veräußerung anderer Vermögensgegenstände und die abschließend durch § 179a AktG vorgegebene Grenze der Hauptversammlungspflichtigkeit,230 das Fehlen gesetzlicher Anhaltspunkte für eine Zuständigkeit der Hauptversammlung und der Umstand, daß eine Satzungsermächtigung zum Erwerb der Beteiligung in der Regel auch als Befugnis gedeutet werden könne, vorhandene Beteiligungen wieder zu veräußern.231 Der damit verbundene Verlust unternehmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 43, und ders., AG 2005, 137, 144 ff.; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 10; Marsch-Barner, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 31 Rn. 34; Goette, DStR 2005, 603, 604 f., und ders., AG 2006, 522, 524, 526 und 527 (liSp.); Röhricht, in: VGR, GesR 2004, Bd. 9, 2005, S. 1, 10 ff.; Fuhrmann, AG 2004, 339, 341 (Fn. 22); aus dem Dissertationsschrifttum Kiefner, Börsengang, 2005, S. 452 ff. So vor der Gelatine-Entscheidung Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1211 ff.; Semler/Volhard/Schlitt, Unternehmensübernahmen, 2001, Bd. 1, § 23 Rn. 139; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 185 f.; Habersack, DStR 1998, 533, 535 f.; Seydel, Konzernbildungskontrolle, 1995, S. 441; Groß, AG 1994, 266, 275 f.; Mecke, Aktionärsentscheid, 1992, S. 282. So auch schon Sünner, AG 1983, 169, 170; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 447; Götz, AG 1984, 85, 89 (liSp.); hiergegen wiederum Paefgen, Unternehmerische Entscheidung, 2002, § 15 III 3 (S. 514 ff.). Siehe auch Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 91 ff., und Mertens, aaO, 1989, § 76, Rn. 52, wonach nur in Ausnahmefällen eine Vorlagepflicht des Vorstandes besteht. Differenzierend Reichert, AG 2005, 150, 155 f., und ders., in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 53: keine Kompetenz bei vollständiger Veräußerung der Beteiligung; Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; wohl auch Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577 (liSp.). 229 Vgl. BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140 (Holzmüller); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 43, und ders., AG 2005, 137, 145; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 10; Goette, AG 2006, 522, 527; Reichert, AG 2005, 150, 155 (liSp.; für den Fall der vollständigen Veräußerung); so auch schon Groß, AG 1994, 266, 271 und 275 f. Götz, AG 1984, 85, 88 f., folgert aus dem Umstand, daß auch die vollständige Veräußerung der Tochtergesellschaftsanteile nach allgemeiner Ansicht nicht der Mitwirkung der Hauptversammlung bedürfe, daß der BGH an diesem Punkt falsch liege. 230 Dazu OLG Stuttgart v. 13.7.2005 – 20 U 1/05, AG 2005, 693, 695 (Hofbräu); von Falkenhausen, ZIP 2007, 24, 25 f.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 44, und ders., AG 2005, 137, 144 ff.; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 10; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577 (liSp.); Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 93 ff.; so wohl auch Fleischer, in: Aktienrecht im Wandel, 2007, Bd. 2, 9. Kap. Rn. 22 (S. 441), im Hinblick auf BGH v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24 (Hofbräu). 231 Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 91; Groß, AG 1994, 266, 270.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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rischen Einflusses könne vor dem Hintergrund, daß dem Vorstand eine Konzernleitungspflicht nicht obliege, als solche ein Zustimmungserfordernis nicht begründen.232 Eine Maßnahme begründet die Zuständigkeit der Hauptversammlung danach nur, wenn aufgrund der Veräußerung der satzungsmäßige Unternehmensgegenstand nicht mehr ausgefüllt würde und damit eine Satzungsdurchbrechung vorliegt.233 Sofern auf die Gefahr für den Wert des Beteiligungsvermögens der Aktionäre der Obergesellschaft aufgrund einer verbilligten Abgabe der Beteiligung eingegangen wird, werden die Aktionäre auf die schadensersatzbewehrten Verhaltenspflichten der Organwalter und ein Vorgehen nach §§ 93, 116 AktG verwiesen.234 bb) Mediatisierung und Gefährdung des Beteiligungsvermögens Die Gegenansicht in der Literatur hält dem entgegen, daß es nicht überzeugend sei, wenn die Verkürzung der Aktionärsrechte durch die Gruppenbildung, nicht aber die teilweise weitaus schwerer wiegende vollständige Entäußerung der Beteiligungsrechte der Hauptversammlungszuständigkeit unterliege.235 Der BGH sehe in der Holzmüller-Entscheidung als Anknüp232

Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 44, und ders., AG 2005, 137, 148 f.; gegen Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1982, S. 447; Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 12 B IV (S. 142), und ders., ZIP 1993, 114, 117. 233 Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 43; Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577 (liSp.); Reichert, AG 2005, 150, 156 (liSp.); Altmeppen, ZIP 2004, 999, 1001 (liSp.); Simon, DStR 2004, 1528, 1530. 234 Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 235 f.; Hofmeister, NZG 2008, 47, 50 (Fn. 48); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 44, und ders., WM 2001, 545, 546 ff.; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 69 Rn. 43 Fn. 168; Liebscher, AG 2005, 1, 24; Busch/Groß, AG 2000, 503, 507 (reSp.); Groß, AG 1994, 266, 275 f.; Götz, AG 1984, 85, 87 (reSp.); dazu auch Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 154. Eine Hauptversammlungskompetenz ablehnend auch Goette, DStR 2005, 603, 604 f., und ders., AG 2006, 522, 527 (liSp.), sowie Röhricht, in: VGR, GesR 2004, Bd. 9, 2005, S. 1, 10 ff. 235 Auf dieses argumentum a fortiori stützen sich MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 202 Rn. 56; Götze, NZG 2004, 585, 588 (liSp.); wohl auch Bungert, BB 2004, 1345, 1349 f.; sowie vor der Gelatine-Entscheidung MünchKommAktG/ Kubis, 2004, § 119 Rn. 63; Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 230 f.; Reichert, ZHR-SH 68 (1999), S. 25, 69 f., der dies allerdings in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 53 ff., aufgegeben hat; Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 148; hierzu kritisch Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 91. Siehe auch OLG Celle v. 7.3.2001 – 9 U 137/00, AG 2001, 357, 357 (AlliedSignal Chemical), Vorinstanz LG Hannover v. 15.5.2000 – 26 O 79/98, AG 2001, 150; OLG Karlsruhe v. 12.3.2002 – 8 U 295/00, AG 2003, 388, 389 (Gelatine); OLG München v. 10.11.1994 – 24 U 1036/93, AG 1995, 232 233 (EKATIT Rüdinger); sowie LG Frankfurt v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431, 432 ff. (AGIV).

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

fungspunkt der Hauptversammlung nicht allein die Mediatisierung der Einflußrechte des Aktionärs, sondern weitergehend bedeutsame Eingriffe in die Mitgliedschaft des Aktionärs, also auch Eingriffe in das im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteresse als Grund für eine Befassung der Hauptversammlung mit diesem Vorgang.236 Ein solcher tiefer Eingriff in die Rechtsstellung des Aktionärs könne sich auch aus der Aufnahme Dritter in die Tochtergesellschaft ergeben.237 Der vom BGH in der Gelatine-Entscheidung betonte gleichrangige Schutz vor einer durch grundlegende Entscheidungen des Vorstandes eintretenden nachhaltigen Schwächung des Wertes der Beteiligung lege nahe, auch die Veräußerung wesentlicher Geschäftsbereiche als Holzmüller-Maßnahme anzusehen.238 Aufgrund des tiefen Eingriffs in die Rechtsstellung der Aktionäre besteht danach eine Hauptversammlungszuständigkeit bei der Beteiligungsveräußerung.239 Dabei bestehen teils erhebliche Unterschiede im Hinblick auf den näheren Schutzgrund wie auch bei der Frage, ob ein Hauptversammlungsbeschluß nur bei teilweiser oder auch bei vollständiger Veräußerung der Toch236 Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 18 f., und ders., in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 293 f.; F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 34 Rn. 38; Spindler/Stilz/ Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 30 ff.; Pentz, in: HdB VorstandsR, 2006, § 17 Rn. 166 (S. 654); MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 63; Ekkenga, AG 2001, 567, 576 f.; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524; R. Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen, 2000, S. 70 ff.; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230, und dies., ZIP 1998, 805 f. 237 Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524 f.; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230; Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 157; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 179 Rn. 75. 238 Bungert, BB 2004, 1345, 1350 (liSp.); F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/ AG, 2007, § 34 Rn. 38 (für Unternehmen im Kernbereich des Konzerns). 239 Neben den in Fn. 236 genannten Hirte, NJW 2005, 477, 480 (liSp.), und schon ders., Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 182 ff.: entscheidend danach Auswirkungen auf die Herrschaftsrechte); Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 231; Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 71 ff.; Wackerbarth, AG 2002, 14, 16, und ders., Grenzen der Leitungsmacht, 2001, S. 469 ff.; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524 f.; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 268 f.; Zimmermann/Pentz in: FS W. Müller, 2001, S. 153, 168; Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 155; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 372 f. und 434 f. (beschränkt auf Teilveräußerungen); Timm, ZIP 1993, 114, 117, und ders., AG als Konzernspitze, 1980, § 12 B III (S. 138 ff.); Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 848, und ders., in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 364 f.; aus der Rechtsprechung OLG Stuttgart v. 14.5.2003 – 20 U 31/02, AG 2003, 527, 532; LG Duisburg v. 29.5.2002 – 21 O 106/02, NZG 2002, 643, 643 f. (Babcock-Borsig/HDW); OLG Celle v. 7.3.2001 – 9 U 137/00, AG 2001, 357 (AlliedSignal Chemical), Vorinstanz LG Hannover, AG 2000, 150; LG Frankfurt v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431 (AGIV); OLG München v. 10.11.1994 – 24 U 1036/93, AG 1995, 232, 233 (EKATIT Rüdinger).

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

417

tergesellschaftsanteile erforderlich ist.240 Als Grund der Kompetenz wird die Notwendigkeit des Schutzes vor einem einschneidenden Eingriff in Struktur und Organisation der AG,241 einem mittelbaren Einflußverlust bzw. einem noch stärkeren Einflußverlust als bei der Ausgliederung242 als auch des Schutzes vor einer nachhaltigen Schwächung des Wertes der Beteiligung angesehen.243 Teilweise wird wie bei der Kapitalerhöhung gefordert, daß erstmals Gesellschafter neben der Obergesellschaft in die Tochtergesellschaft aufgenommen werden244 oder die Beteiligung der Obergesellschaft unter bestimmte Schwellenwerte sinkt.245 240 Nach Reichert, AG 2005, 150, 156 (liSp.), entfällt der zuständigkeitsbegründende Effekt der Mediatisierung des Gesellschaftereinflusses bei der Veräußerung der gesamten Beteiligung; ähnlich Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 372 f., 434 f. und 515. Siehe auch Liebscher, ZGR 2005, 1, 24; wohl auch Arnold, ZIP 2005, 1573, 1577 (liSp.). 241 Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 30 ff.; Fleischer, NJW 2005, 2335, 2336; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 202 Rn. 56. Vor der Gelatine-Entscheidung vom 26.4.2004 plastisch Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230 (wenn „die Verwaltung dem bisherigen unternehmerischen Konzept also nicht mit dem Skalpell, sondern mit der Axt zu Leibe rücken will“); Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 71, 74; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524 f.; Zimmermann/Pentz in: FS W. Müller, 2001, S. 153, 168 f.; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 1999, § 69 Rn. 8 (jetzt aber a. A. ders., aaO, 2007, § 69 Rn. 8); Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 157; Timm, ZIP 1993, 114, 117, und ders., AG als Konzernspitze, 1980, § 12 B III (S. 138 ff.); Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 848, und ders, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 364 f.; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 182 ff.); aus der Rechtsprechung LG Frankfurt v. 12.12.2000 – 3/5 O 149/99, AG 2001, 431, 433 (AGIV). 242 So zu erstem etwa Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 268 f.; Wakkerbarth, AG 2002, 14, 16 (liSp. mit Fn. 20); Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 182 ff.); zu letztem Reichert, AG 2005, 150, 156 (liSp.); Bungert, BB 2005, 1345, 1349 f.; Götze, NZG 2004, 585, 589; siehe auch Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 231: Ausübung der Mitgliedschaftsrechte auch in ihrer mediatisierten Form teilweise oder ganz nicht mehr möglich. 243 Wackerbarth, AG 2002, 14, 16 (liSp.); Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 268 f.; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 431 ff. 244 So Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 73; Wackerbarth, AG 2002, 14, 16 ff. Siehe auch Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 95. 245 So etwa Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 269; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 1999, § 69 Rn. 39, jetzt aber a. A. ders., aaO, 2007, § 69 Rn. 43; zu beiden Aspekten schon Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 366. Siehe auch Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, 1986, S. 444 ff., insbes. 447; Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 12 B II (S. 135 ff.), und ders., ZIP 1993, 114, 117, die eine Zuständigkeit der Hauptversammlung für den Fall, daß die Beteiligung einer bisher im alleinigen Anteilsbesitz der Obergesellschaft stehenden Tochtergesellschaft auf weniger als 75% reduziert werden soll, aufgrund des daraus resultierenden Verlustes an Leitungsmöglichkeiten des Vorstandes der Obergesellschaft befürworten. Dagegen Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 44, und dazu oben bei Fn. 232.

418

4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

Wollburg und Gehling stützen eine Hauptversammlungskompetenz auf den Rechtsgedanken des § 179a AktG, da die Vorschrift auch jenseits der Grenzen, die von der Vorschrift statuiert würden, nicht abschließend und die Vermögensübertragung nur ein besonderer Fall der faktischen Änderung der Satzungsregeln sei.246 Die Erweiterung des § 361 AktG a. F. hat erhebliche Kritik von Seiten der Literatur erfahren und der BGH hat sich der Herleitung einer Hauptversammlungskompetenz aus dieser Vorschrift nicht angeschlossen.247 Problematisch an der Heranziehung des § 179a AktG ist die damit verbundene erweiternde Auslegung über Sachverhalte hinaus, bei denen der AG einzelne, verhältnismäßig unbedeutende Gegenstände verbleiben.248 Die der Vorschrift unterfallenden, von der Satzung noch gedeckten Vermögensübertragungen sollen nach der Gesetzesbegründung eine Hauptversammlungszuständigkeit begründen, da es sich bei solchen Vorgängen „um eine faktische Satzungsänderung handeln kann“.249 Der Schutzgedanke der Vorschrift, der es um eine Kompetenzbegrenzung der Leitungsorgane und einen Schutz vor Umgehungen des UmwG geht, läßt deutlich werden, daß Beteiligungsveräußerungen nicht generell von einer Kompetenz der Hauptversammlung nach Holzmüller-Grundsätzen ausgenommen werden können.250 Eine an § 179a AktG orientierte Begründung deckt sich insoweit mit der Sichtweise des BGH in der Gelatine-Entscheidung, als diese für eine Hauptversammlungskompetenz eine „quasi-satzungsändernde“ Maß246 So, allerdings vor der Gelatine-Entscheidung, Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 155 f.; gegensätzlich argumentierend, wonach aus § 361 AktG a. F. zu folgern sei, daß unterhalb der Schwelle gerade keine Kompetenz der Hauptversammlung bestehe, im früheren Schrifttum etwa Werner, ZHR 147 (1983), 429, 443, und Ebenroth, Konzern, 1987, S. 39 f. 247 Für eine erweiternde Auslegung des § 361 AktG a. F. Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 11 (S. 114 ff.), und ders., AG 1980, 172, 176; dagegen BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 129, aus der Literatur etwa Hüffer, AktG, 2008, § 179a Rn. 23. 248 Die h. M. bejaht die Anwendbarkeit des § 179a AktG für den Fall, daß einzelne, unbedeutende Gegenstände bei der Gesellschaft verbleiben; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 128 (Holzmüller); so etwa auch Hüffer, AktG, 2008, § 179a Rn. 5; Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, 2007, § 179a Rn. 19; MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 17; Reichert, ZHR-SH 68 (1999), S. 25, 42; Lutter/R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 226 (reSp.). 249 Begr FraktE UmwBerG zu § 361 a. F., BT-Drs. 12/6699, S. 177 (reSp.). 250 Zum Schutzzweck des § 361 AktG a. F., dessen Inhalt im wesentlichen in § 179a AktG übernommen wurde, unten in Fn. 252 und K. Schmidt, in: FS Heinsius, 1991, S. 715, 721. Die Hauptversammlungskompetenz nach § 179a AktG soll die Dispositionsfreiheit der Aktionäre vor einer Unterwerfung des Gesellschaftsvermögens unter fremden Einfluß durch eine eigenmächtig handelnde Verwaltung und vor unangemessener Vertragsgestaltung aufgrund der faktischen Auswirkungen der Vermögensübertragung auf ihre Stellung schützen; vgl. MünchKommAktG/Stein, 2005, § 179a Rn. 5 ff.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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nahme fordert und eine Veräußerung nach § 179a AktG im Hinblick auf den Unternehmensgegenstand einer Veränderung nahe kommt, die allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann.251 Die Vorschrift hat den Charakter einer generellen Schutzklausel für die besonderen Situationen der Übertragung des (nahezu) ganzen Gesellschaftsvermögens.252 Grund der hiernach erforderlichen Hauptversammlungsbeteiligung ist der Schutz vor den mit der Vermögensübertragung verbundenen faktischen Auswirkungen auf die Aktionärsstellung, so daß man zum Ausgangspunkt der Holzmüller-Doktrin gelangt, dem tiefen Eingriff in die Mitgliedschaftsstellung des Aktionärs.253 Die Orientierung allein an § 179a AktG ist damit nicht weiterführend. Hirte bejaht ähnlich wie schon Lutter eine Kompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft aufgrund des Vergleichs der Teilbeteiligungsveräußerung mit einer Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft unter Bezugsrechtsausschluß und der Wertung des § 186 Abs. 3 AktG infolge der Gefahr einer „weiteren Verwässerung“ wie bei der Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft unter Bezugsrechtsausschluß.254 Dem wird entgegengehalten, daß der typische Eingriff eines Bezugsrechtsausschlusses in die Mitgliedsstellung des Aktionärs, die Verwässerung ihrer Beteiligungsquote und der Verlust ihres Bezugsrechts, bei der Beteiligungsveräußerung nicht vorliege.255 Bei der vollständigen Veräußerung der Tochtergesellschaftsanteile sind zudem die Obergesellschaft und die Erwerber der Anteile im Gegensatz zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß nicht 251 Gegen eine Ausdehnung des § 179a AktG über den Wortlaut hinaus und den Schutz der Aktionäre über den Kapitalmarkt Fuhrmann, AG 2004, 339, 342 (reSp.). Eine Satzungsänderung ist zwar nicht immer, aber wohl idR erforderlich, weil mit der Vermögensübertragung typischerweise eine Änderung des Unternehmensgegenstands einhergeht; dazu Hüffer, AktG, 2008, § 179a Rn. 8. 252 In der Begr FraktE UmwBerG zu § 361 AktG a. F., BT-Drs. 12/6699, S. 177 (reSp.), heißt es im Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift: „Sein wesentlicher Zweck ist, die Zuständigkeit der Hauptversammlung für den Fall zu begründen, daß sich die wirtschaftliche Struktur des Unternehmens der Aktiengesellschaft ändert, ohne daß die Zuständigkeit der Hauptversammlung schon aus anderen Gründen . . . gegeben ist.“ 253 Siehe auch K. Schmidt, GesR, 2002, § 30 V 2a (S. 927); Spindler/Stilz/Holzborn, AktG, 2007, § 179a Rn. 1. 254 Siehe Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 182 ff.), der im Anschluß an Lutter, in: FS Barz, 1974, S. 199, 212 f., auch auf die „Teilfusion“ abstellt; siehe auch Lutter, in: FS Stimpel, 1985, S. 825, 840. Anderer Ansatz jetzt bei dems./R. Leinekugel, ZIP 1998, 225, 230. 255 So Groß, AG 1994, 266, 275 f.; dem zustimmend Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 153 f. Siehe auch Mecke, Konzernbildung, 1992, S. 283: kein Eingriff in Beteiligungsstruktur.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

gleichzeitig an der Tochtergesellschaft beteiligt, so daß der Gedanke der Ungleichbehandlung nicht ohne weiteres eingreift.256 b) Eigener Ansatz zu den Fällen der Beteiligungsveräußerung Es überzeugt, die Veräußerung von Beteiligungen nicht von einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit auszunehmen, da eine Hauptversammlungskompetenz erst im Fall der Durchbrechung des Unternehmensgegenstandes die Aktionäre nicht ausreichend schützt.257 Dabei ist nur vordergründig zwischen der Veräußerung von Teilen und sämtlicher Tochtergesellschaftsanteile zu unterscheiden. Die Teilveräußerung steht der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß nahe. Die Gegenleistung fließt zwar im ersten Fall der Ober-, im zweiten Fall der Tochtergesellschaft zu, bei beiden Fällen ändert sich aber die Beteiligungsquote der Obergesellschaft und deren Aktionären droht gleichermaßen die Gefahr der Beeinträchtigung ihres Beteiligungsvermögens bei Ab- oder Ausgabe der Anteile unter Wert. Die Vorgänge sind also gleich zu behandeln. Selbst wenn man den Einflußverlust entsprechend der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß als aktienrechtlich relevant ansieht,258 läßt sich hiermit jedenfalls bei der Veräußerung sämtlicher von der Obergesellschaft gehaltener Tochtergesellschaftsanteile keine Hauptversammlungszuständigkeit begründen. Der gegenteiligen Ansicht im Schrifttum ist daher zuzugeben, daß sich eine Hauptversammlungsbefassung insoweit nicht mit dem Mediatisierungseffekt begründen läßt, als dieser vielmehr durch den Kapitalfluß rückgängig gemacht wird. Dieses breitflächig vorgetragene Argument ist allerdings vor dem Hintergrund des vom BGH betonten doppelspurigen Schutzansatzes näher zu betrachten. aa) Rückgängigmachung des Mediatisierungseffektes? Zum Zeitpunkt der Strukturentscheidung ist der Einfluß der Aktionäre gerade aufgrund der Mediatisierung gemindert. Die Beteiligungsveräußerung hat also die Rückgängigmachung der Mediatisierung durch Zufluß des Entgelts der Beteiligungsveräußerung an die Obergesellschaft zur Folge, was nichts daran ändert, daß gerade zum kritischen Zeitpunkt der Entscheidungs256

Auf die Ungleichbehandlung bei paralleler Beteiligung abstellend Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 434 f., und deutlicher S. 514 f. 257 Nach Busch/Groß, AG 2000, 503, 504 mit Beispielen in Fn. 12, ist der Unternehmensgegenstand häufig so weit gefaßt, daß er auch den Totalverkauf der Tochtergesellschaft zuläßt. 258 Hiergegen zu Recht Habersack, ZIP 2004, 1121, 1124 (reSp.).

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

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findung der Mediatisierungseffekt noch besteht. Daß es sich bei der Entscheidungsfindung um eine für die Aktionäre kritische Situation handelt, zeigt ein Vergleich der Beteiligungsveräußerung an Dritte mit einer Übertragung sämtlicher ausgegliederter Vermögenswerte auf die Obergesellschaft. Da bei der Beteiligungsveräußerung die Obergesellschaft die Beteiligung gegen das Entgelt der Veräußerung austauscht, stellt sich hier die Frage der Wertäquivalenz von Beteiligung und Entgelt. Es wird also nur dann der Mediatisierungseffekt vollständig rückgängig gemacht, wenn eine solche Äquivalenz besteht und nur in diesem Fall folgen keine für die Aktionäre nachteiligen Auswirkungen aus der Mediatisierung.259 Allerdings läßt sich allein aus dem geminderten Einfluß der Aktionäre zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Beteiligungsveräußerung entsprechend dem Vorgang bei der Kapitalerhöhung, die eine solche Einflußminderung begründet, keine Kompetenz herleiten. Dies führt zu dem zweiten vom BGH aufgestellten Schutzaspekt. bb) Gefahr der nachhaltigen Schwächung des Beteiligungswertes Nach dem vom BGH aufgestellten Schutzprogramm sind die Aktionäre gleichrangig vor einer nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung zu schützen, die durch grundlegende Entscheidungen des Vorstands eintreten können.260 Die Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungswertes besteht dabei gleichermaßen bei der Teil- und der vollständigen Veräußerung der Tochtergesellschaftsanteile. Allein aus der mit der Veräußerung verbundenen Vermögensgefährdung läßt sich allerdings eine solche Kompetenz nicht begründen, auch wenn die Gefahr droht, daß Unternehmensteile an Dritte verschleudert werden.261 Denn der allgemeine aktienrechtliche Vermögensschutz wird – wie oben dargestellt – durch die Haftung der Verwaltung auf Schadensersatz nach den §§ 93, 116 AktG gewährleistet, obliegt also nicht der Hauptversammlung. Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zur Veräußerung sonstiger Vermögensbestandteile, die bei einem Verkauf unter Wert den Beteiligungswert der Obergesellschaftsaktionäre vergleichbar beeinträchtigen, ist die Einflußnahme der Verwaltung auf die Beteiligungsquote der Tochtergesellschaft und die damit einhergehende Gefahr der Quersubventionierung zwischen 259 Ähnlich Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 524; a. A. Habersack, AG 2005, 137, 139 (liSp.), und Emmerich/ders., Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 43, der gerade nur den Schutz vor einer Mediatisierung aus der GelatineEntscheidung ableitet und dies gegen eine solche Kompetenz anführt. 260 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine). 261 Dazu auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 183). Zum Parallelproblem bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß oben S. 408 ff.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

Alt- und Neuaktionären.262 Wie bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß liegt neben dem Eingriff in die Beteiligungsstruktur der Tochtergesellschaft ein Eingriff in die Beteiligungsquote der Obergesellschaft vor, so daß auch für diesen Fall eine Hauptversammlungskompetenz bestehen muß. Dabei entsprechen sich der Eingriff in die Beteiligungsquote und die damit verbundene Gefahr der Vermögensbeeinträchtigung der Aktionäre der Obergesellschaft bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß und der Beteiligungsveräußerung, da im ersten Fall der Vorstand in seiner Funktion als Sachwalter des Vermögens der Obergesellschaft, im zweiten Fall als Vertreter der Obergesellschaft in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft entscheidet. Ein Unterschied besteht nur darin, als im ersten Fall der Tochtergesellschaft und im zweiten Fall der Obergesellschaft Kapital zufließt. Den zweiten Fall allein deshalb von der Hauptversammlungskompetenz auszunehmen, überzeugt vor dem Hintergrund der vom BGH angesprochenen Hauptversammlungskompetenz bei der Liquidation der Tochtergesellschaft nicht, da dort der Obergesellschaft ebenfalls Kapital zufließt.263 Die unterschiedliche Behandlung von Beteiligungsveräußerung und Veräußerung anderer Vermögensgegenstände rechtfertigt sich daher aus dieser Besonderheit der Beteiligungsveräußerung.264 Für den Fall der Veräußerung der gesamten Beteiligung an der Tochtergesellschaft überzeugt daher auch das im Schrifttum herangezogene argumentum a fortiori.265 Weitergehend als bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß und der teilweisen Beteiligungsveräußerung wird mit 262

Auch durch das Element der Ungleichbehandlung, das auf der Einräumung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung zugunsten der Neuaktionäre beruht, unterscheidet sich die Veräußerung von Tochtergesellschaftsanteilen entgegen Wollburg/ Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 154, von der Veräußerung eines Betriebes durch die Tochtergesellschaft, die allerdings zutreffend darauf abstellen, daß die Vermögensgefährdung in die Rechtsstellung des Aktionärs eingreift. Eine Hauptversammlungspflicht auch bei der Veräußerung von Betriebsteilen bzw. anderer Vermögensgegenstände bejahen Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 18a, Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 119 Rn. 31, sowie verschiedene instanzengerichtliche Urteile; siehe OLG München v. 10.11.1994 – 24 U 1036/93, AG 1995, 232, 233 (EKATIT Rüdinger); LG Duisburg v. 29.5.2002 – 21 O 106/02, NZG 2002, 643, 643 f. (Babcock-Borsig/HDW); OLG Celle v. 7.3.2001 – 9 U 137/00, AG 2001, 357 (AlliedSignal Chemical), Vorinstanz LG Hannover, AG 2000, 150; dazu schon oben in Fn. 239. 263 Siehe BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 140 (Holzmüller), und dazu schon oben bei Fn. 221. 264 Wollburg/Gehling, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 133, 154, Bernhard, DB 2000, 1873, 1881, und Habersack, WM 2001, 545, 547, halten eine unterschiedlichen Behandlung von Beteiligungssachverhalten und Einzelrechtsübertragungen für widersprüchlich; dem zustimmend Paefgen, Unternehmerische Entscheidung, 2002, § 15 III 5 Fn. 425 (S. 517); ähnlich Kiefner, Börsengang, 2005, S. 455. 265 Siehe die Angaben bei Fn. 235.

A. Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft

423

der vollständigen Veräußerung durch den Vorstand der Obergesellschaft in stärkster Weise in die Beteiligungsquote eingegriffen, da die Obergesellschaft nach dem Vorgang überhaupt nicht mehr an der anderen Gesellschaft beteiligt ist. Die Hauptversammlungszuständigkeit läßt sich daher auch nicht mit dem Argument ausschließen, daß die (vollständige) Veräußerung der Tochtergesellschaftsanteile ein actus contrarius zur Gruppenbildung sei und daher nicht der Hauptversammlungskontrolle unterfallen könne.266 Das Ergebnis ist auch deshalb stimmig, weil hierbei die Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre besonders groß ist, so daß diese erst Recht zu beteiligen sind, wenn die quantitativen Voraussetzungen eines solchen Veräußerungsvorgangs erfüllt sind.

III. Zusammenfassung und weiterer Fortgang der Untersuchung Ausgangspunkt ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung ist der vom BGH geforderte tiefe Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteressen durch Umstrukturierungen, die auf die Unternehmensverfassung der AG und damit die Mitgliedschaft der Aktionäre und ihr Beteiligungsvermögen ähnlich einwirken wie Satzungsänderungen.267 Der BGH hat dabei nicht näher konkretisiert, wann eine solche Umstrukturierung an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Verfassung der AG zu bestimmen, rührt, die eine ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeit begründet. Die vom BGH angeführten möglichen Auswirkungen einer Umstrukturierungsmaßnahme in der Unternehmensgruppe auf die Aktionärsstellung – Mediatisierung der Einfluß- und Vermögensrechte der Aktionäre und nachhaltige Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung – sind im Hinblick auf die untersuchten Anteilsveräußerungen nur teilweise geeignet, ein Mitwirkungsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft zu begründen. Denn beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft läßt sich eine aktienrechtlich relevante Mediatisierung der Einflußrechte der Aktionäre nicht durchgängig nachweisen. Da die Einflußminderung, die durch die Obergesellschaft vermittelt wird, die Aktio266 So aber Groß, AG 1994, 266, 275; Sünner, AG 1983, 169, 170, sieht die Veräußerung der Tochtergesellschaft lediglich als actus contrarius zur Gründung der Tochtergesellschaft, ihrem Erwerb und der Ausstattung mit Mitteln; entscheidend ist aber, ob ein tiefer Eingriff in die Mitgliedschaft des Aktionärs vorliegt, so daß sich die Beteiligungsveräußerung nicht mit diesem Argument von einer Holzmüller-Zuständigkeit ausnehmen läßt. 267 Siehe erster Leitsatz des BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 (Gelatine).

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

näre nur in ihrer Gesamtheit in der Hauptversammlung, also nur mittelbar und zudem abhängig von dem Überschreiten von Schwellenwerten berührt,268 kommt es für die Frage ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse entscheidend auf den Schutz der Vermögensrechte der Aktionäre und ihres Beteiligungswertes an. Im Gelatine-Urteil bestand kein Anlaß, zu der Beeinträchtigung der Vermögensinteressen der Aktionäre nähere Ausführungen zu machen, so daß der BGH diesen Ansatzpunkt ungeschriebener Hauptversammlungsmitwirkung nicht weiter präzisiert hat. Da der Senat die Befassung der Hauptversammlung auch nicht auf einzelne geschriebene Kompetenzen des Aktienund Umwandlungsrechts stützt, sondern diese als Ergebnis offener Rechtfortbildung betrachtet, wird nicht deutlicher, wann eine solche Hauptversammlungsbefassung erforderlich ist. Es bedarf also des Rückgriffs auf die geschriebenen Hauptversammlungskompetenzen in der unverbundenen AG. Nachfolgend sollen dafür die Schutzmechanismen, die das AktG beim Erwerb fremden Vermögens durch Gewährung eigener Aktien vorsieht, für Erwerbsvorgänge unter Verwendung von Anteilen von Tochtergesellschaften fruchtbar gemacht werden. Die Konkretisierung mittels der wertungsmäßigen Übertragung aktienrechtlicher Vorschriften steht im Einklang mit dem Ansatz des BGH, denn der Senat führt an, daß er von der tatbestandlichen Seite her eine Analogie zu einzelnen oder mehreren aktienrechtlichen Hauptversammlungskompetenzen grundsätzlich für geeignet hält, die in Betracht kommenden Fälle ungeschriebener Hauptversammlungskompetenz festzulegen.269 Das vom BGH betonte kompetenzbegründende Merkmal des tiefen Eingriffs in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteresse bedarf dabei der tatbestandlichen Verfestigung in einzelnen Fallgruppen, die sich an den gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen in der unverbundenen AG zu orientieren haben. Die Hauptversammlungskompetenzen beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft sind daher unter Berücksichtigung der im Dritten Teil ausgeführten Grundsätze zu Beteiligungsveräußerungen zu entwickeln.

268 Ob die Beteiligungsquote der Obergesellschaft von 90% auf 80% sinkt, ist für die Einflußrechte ohne Belang. 269 Zur Ungeeignetheit der Analogie der Vorschriften aufgrund der damit verbundenen Rechtsfolge, also Nichtigkeit im Außenverhältnis, BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 42 (Gelatine); dazu schon oben S. 375 ff.

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens

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B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen an Tochtergesellschaften Die oben dargestellten Ansätze zum Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft sind nachfolgend weiter auszuformen. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, ob der gemeinsame Schutzgedanke der im Dritten Teil untersuchten Vorschriften, die eine Hauptversammlungsbefassung mit Fällen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der AG vorsehen, beteiligungsspezifisch fortgeschrieben werden kann, so daß sich bei Umstrukturierungsmaßnahmen in der Unternehmensgruppe ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen für entsprechende Vorgänge herleiten lassen. Da die Kompetenz der Hauptversammlung in der unverbundenen AG bei der Gewährung eigener Aktien von Schwellenwerten unabhängig ist, die Hauptversammlung also bei jeder Veräußerung eigener Aktien an einzelne Aktionäre oder Dritte mitzuwirken hat, der BGH aber für solche Vorgänge in der Unternehmensgruppe eine quantitative Wesentlichkeitsgrenze aufgestellt hat, ist überdies zu klären, welche Schwellenwerte bei der Veräußerung von Anteilen der Tochtergesellschaft zu beachten sind.

I. Beteiligungsspezifische Fortschreibung der Hauptversammlungsmitwirkung Eine Befassung der Hauptversammlung mit Fällen der Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen zum Erwerb fremden Vermögens kommt nur in Betracht, wenn ein solcher Vorgang einen tiefen Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteressen darstellt.270 Ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen sind daher unter Heranziehung der gesetzlich geschriebenen Zuständigkeiten zu konkretisieren.271 Solche lassen sich nur dann annehmen, wenn vergleichbare Vorgänge in der Unternehmensgruppe auf die mitgliedschaftliche Position des Aktionärs in rechtlicher Hinsicht ähnlich einwirken wie gesetzlich geregelte Strukturmaßnahmen.272 Dafür sind neben dem Schutzzweck 270 Siehe dazu nochmals BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 131 (Holzmüller), und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine). 271 Zur Orientierung an gesetzlich festgelegten Mitwirkungsbefugnissen der Hauptversammlung und deren Zuständigkeit nach den Holzmüller-Grundsätzen als Ergebnis offener Rechtsfortbildung siehe nochmals BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/ 80, BGHZ 83, 122, 131 (Holzmüller), und v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 (Gelatine), und oben S. 423 f. 272 So auch Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 88, im Hinblick auf wirtschaftlich bedeutende (Des-)Investitionsentscheidungen.

426

4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

der Vorschriften auch die Regelungsabsicht des Gesetzgebers und allgemeine Rechtsprinzipien, die in das AktG Eingang gefunden haben, zu berücksichtigen. 1. Der Schutzzweck der Vorschriften Im Dritten Teil wurde der Schutz der Aktionäre vor den Gefahren der Gewährung bereits bestehender oder neu geschaffener Aktien durch die Verwaltung an einzelne Aktionäre oder Dritte als zentraler Schutzzweck der durch §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG, §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG und des § 186 Abs. 3 S. 1 AktG begründeten Hauptversammlungskompetenzen aufgearbeitet.273 Die Aktionäre und nicht die Verwaltung sollen über Maßnahmen entscheiden, die in die Aktionärsstruktur der AG eingreifen, abhängig von dem Veräußerungsbzw. Ausgabepreis deren Beteiligungsvermögen verwässern und im Fall der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß überdies deren Beteiligungsquote verändern und damit im Sinne der Terminologie der Holzmüller-Doktrin einen tiefen Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse darstellen. a) Ansätze im Schrifttum Der ganz überwiegende Teil des Schrifttums vor der Gelatine-Entscheidung stützte ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen auf Einzeloder Gesamtanalogien zu verschiedenen aktien- und umwandlungsgesetzlichen Vorschriften und auch nach der Entscheidung des BGH im Jahr 2004 werden Kompetenzen unter Orientierung solcher Vorschriften entwickelt.274 Die unterschiedlichen Analogievorschläge sollen nachfolgend nicht näher beleuchtet und daraufhin überprüft werden, ob die herangezogenen Vorschriften gemeinsame Schutzzwecke oder sie nur das vage Erfordernis einer Hauptversammlungsmitwirkung wegen grundlegender Entscheidungen gemein haben.275 Herauszugreifen sind vielmehr drei Ansätze, die dem eigenen nahe stehen, der die Wertungen der verschiedenen Vorschriften zu Hauptversammlungskompetenzen, die im Dritten Teil aufgedeckt wurden, auf die Unternehmensgruppe übertragen will. 273

Dazu oben S. 288 ff. Zum Schrifttum, das solche Analogien vorschlägt, oben bei Fn. 49; nach der Gelatine-Entscheidung ähnlich Liebscher, ZGR 2005, 1, 18 ff. 275 So die berechtigte Kritik an verschiedenen Analogievorschlägen von Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, C II 1 (S. 55); Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 409; Joost, ZHR 163 (1999), 164, 173 ff.; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 15 III 5 (S. 514 ff.). 274

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens

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Schon die frühen Stimmen im Schrifttum zu den ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeiten stellen auf den Eingriff in die Beteiligungsstruktur bei der Verwendung von Mitgliedschaftsrechten ab und begründen hieraus Mitwirkungsrechte der Aktionäre. So befürwortet Lutter bei den von ihm untersuchten fusionsähnlichen Unternehmensverbindungen für den Erwerb von Mitgliedschaftsrechten an einer fremden Gesellschaft oder ihrer Vermögensgegenstände eine Hauptversammlungszuständigkeit der „übernehmenden“ AG, wenn Gegenleistung des Erwerbs die Gewährung von Mitgliedschaftsrechten ist. In den § 186 AktG und §§ 340c Abs. 1, 353 Abs. 1 AktG a. F. (jetzt: § 13 Abs. 1 UmwG) komme zum Ausdruck, daß Rechtsgeschäfte mit Auswirkung auf Wert und Struktur der Beteiligung der Aktionärsmitwirkung bedürften. Dies gelte sowohl für die Hingabe eigener Aktien der „übernehmenden“ AG, die Verwendung eigener Aktien aus dem genehmigten Kapital sowie den Erwerb mittels Barkapital, sofern die Mittel durch anderweitige Veräußerung eigener Aktien beschafft würden.276 Hierauf aufbauend begründet Timm unter Heranziehung der §§ 71 Abs. 1, 186 Abs. 3, 192 Abs. 2 Nr. 2, 193 und §§ 293, 305, 319, 320 sowie § 340 AktG a. F. (jetzt: § 13 Abs. 1 UmwG) ein Mitwirkungserfordernis der Hauptversammlung für Rechtsgeschäfte, die Auswirkungen auf Wert und Struktur der Beteiligung der Altaktionäre insbesondere beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien haben.277 Die Ausführungen von Lutter und Timm kommen dem eigenen Ansatz nahe. An einen Punkt nur, auf den schon Mülbert hingewiesen hat, ist hiervon allerdings abzuweichen: Der Schutzzweck der §§ 293 Abs. 2 S. 1, 320 Abs. 1 S. 3, 319 Abs. 2 S. 1, 340 AktG (jetzt: § 13 Abs. 1 UmwG) ist nicht deckungsgleich mit dem des § 186 Abs. 3 S. 1 AktG, so daß die erstgenannten Vorschriften auch keine (bloße) konzernspezifische Fortschreibung des § 186 Abs. 3 AktG darstellen.278 Weitergehend als diese Vorschriften soll die Hauptversammlungskompetenz nach § 186 Abs. 3 AktG nicht nur gewährleisten, daß die Aktionäre zum Schutz ihres vermögensmäßigen Beteiligungswertes und der Aktionärsstruktur der AG, sondern auch im Interesse der Beibehaltung ihrer Beteiligungs- und damit Einflußquote die Entscheidungsmacht haben. Die Hauptversammlung ist also auch dann schon zur Entscheidung über den Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile berufen, wenn neben der Verwässerung des Beteiligungsver276 Lutter, DB Beilage 21, 1973, 1, 7 und 10, und ders., in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 365 ff. 277 Timm, AG als Konzernspitze, § 6 (S. 61 ff.) und § 7 (S. 71 ff., v. a. S. 76 f., S. 86), und ders., AG 1980, 172, 182 ff. 278 So auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 410, gegen Timm, AG als Konzernspitze, 1980, § 5 II 1 (S. 55) und § 7 (S. 71), sowie ders., AG 1980, 172, 183 f.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

mögens der Aktionäre eine Veränderung der Beteiligungsstruktur auf der Ebene der AG eintritt, die anders als bei der Veränderung der Beteiligungsquote die absolute Einflußquote der Aktionäre unberührt läßt.279 Der Ansatz von Mülbert, der einen den §§ 293 Abs. 2 S. 1, 320 Abs. 1 S. 3 iVm. 319 Abs. 2 S. 1 AktG, §§ 13 Abs. 1, 125 UmwG gemeinsamen Schutzzweck herleitet, wonach die Aktionäre aufgrund der Risiken, denen sie beim Beteiligungs- oder Vermögenserwerb gegen Gewährung eigener Anteile ausgesetzt sind, die Entscheidungskompetenz über diesen Vorgang haben sollen,280 deckt sich annähernd mit der eigenen Konzeption.281 Bei den Fällen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile besteht übereinstimmend für die (Alt-)Aktionäre die Gefahr, daß keine Wertäquivalenz zwischen erworbenem Vermögen und gewährten Anteilen besteht, sondern die Neuaktionäre die Anteile zu billig erwerben und damit der Beteiligungswert der (Alt-)Aktionäre gemindert wird. Diese Gefahr besteht gleichermaßen beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile nach den zitierten Vorschriften, bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß nach § 186 Abs. 3 AktG und ist nur um die Wiederveräußerung eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG zu ergänzen. Übereinstimmender Grundgedanke dieser Vorschriften ist, daß die Altaktionäre selbst über die Konditionen bestimmen sollen, zu denen Neuaktionäre an der AG beteiligt werden. Eine „Subventionierung“ der Neuaktionäre aufgrund einer Gewährung der Aktien unter Wert und die damit korrelierende Beeinträchtigung des Beteiligungswertes der Altaktionäre soll also nur mit deren Zustimmung erfolgen.282 Über die auf die Vermögenskomponente der Aktionäre bezogene Schutzkonzeption von Mülbert hinausgehend begründen diese Vorschriften mit Lutter und Timm eine Hauptversammlungsmitwirkung, um die Aktionäre 279 Zur Abgrenzung der Begriffe Beteiligungsquote und -struktur oben S. 275 ff. Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 411, sieht als Grund für die Hauptversammlungszuständigkeit bei den §§ 293 Abs. 2 S. 1, 320 Abs. 1 S. 3, 319 Abs. 2 S. 1 AktG, 13 Abs. 1 UmwG allein die Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungswertes. Ihm ist insoweit zuzustimmen, als nicht der „relative . . . Einfluß der Aktionäre gegen ihren Willen verändert“ (so ders., aaO, S. 411) wird, da „die relative, auf den Nennwert des Grundkapitals bezogene Anteilsquote konstant“ bleibt (ders., aaO, S. 194); es liegt aber ein Eingriff in die Aktionärs-, also Beteiligungsstruktur vor, da die Gesellschaft fremdes Vermögen gegen Gewährung von Anteilen erwirbt. 280 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 193 ff., 424 ff. 281 Kritisch zum Ansatz von Mülbert hingegen Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 15 III 3 (S. 512, 515 f.), mwN., im Hinblick auf die Übertragung des Schutzzwecks auf die Unternehmensgruppe (dazu näher unten in Fn. 304); a. A. Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 46, § 293 Rn. 40. 282 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 424. Dazu oben S. 269 ff.

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens

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vor einem damit einhergehenden Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur zu schützen, der dieser ermöglicht, ihr genehmen Erwerbern eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu verschaffen, was insbesondere in den Fällen der Veräußerung sämtlicher Anteile an der Tochtergesellschaft Bedeutung erlangt. Dementsprechend stellt auch Mülbert darauf ab, daß die Entscheidung über die Gewährung gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen, die eine Verlagerung von Vermögenswerten von den Altaktionären auf die Neuaktionäre bewirkt, nicht der bei solchen Vorgängen zu strikter Neutralität verpflichteten Verwaltung, sondern allein den Aktionären eingeräumt ist.283 Damit ist auch für die vermögensorientierte Konzeption der Eingriff in die Beteiligungsstruktur entscheidend. b) Beteiligungsspezifische Fortschreibung der Vorschriften Die §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG sowie § 186 Abs. 3 S. 1 AktG enthalten mit dem von ihnen vermittelten Schutz des Beteiligungswertes und der Beteiligungsquote der Aktionäre sowie der Beteiligungsstruktur der AG einen verallgemeinerungsfähigen Grund für die Befassung der Hauptversammlung. Es entspricht dem verbandsrechtlichen Grundverständnis der Kompetenzen in der AG, daß dem Vorstand ein Eingriff in den Aktionärskreis versagt ist, weil damit auch die Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre verbunden ist. Es bedarf also einer beteiligungsspezifischen Fortschreibung dieser Vorschriften.284 aa) Gleichwertiges Schutzbedürfnis Die Vorschriften sollen die Aktionäre davor bewahren, daß einzelne (Alt-) Aktionäre oder Dritte Aktien unter Wert erwerben. Damit bedarf nicht jede Maßnahme, die eine Gefahr für den Beteiligungswert der Aktionäre vermittelt, einer Hauptversammlungsmitwirkung, sondern nur Vorgänge, bei denen den Erwerbern durch die Gewährung von Anteilen an der AG gesellschaftsrechtlicher Einfluß eingeräumt wird, also eine Quersubventionierung zwischen Alt- und Neuaktionären droht. Denn nur dann stellt die Verminderung des Beteiligungswertes nicht nur einen Reflex, sondern eine erhebliche Beeinträchtigung der Aktionäre in ihren mitgliedschaftlichen Belangen dar. Es geht also um eine Art Gleichbehandlungsgebot in der Zeit.285 283

Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 424 f. Begriff nach Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 431; siehe auch ders., aaO, S. 414 f., 432, unter Bezugnahme auf Rehbinder, ZGR 1983, 92, 98. 285 So anschaulich Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 431. 284

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

Im Hinblick auf den Beteiligungswert besteht bei solchen Umstrukturierungsmaßnahmen in der Unternehmensgruppe vordergründig nur die Gefahr der Quersubventionierung im Verhältnis zwischen Neuaktionären und der Obergesellschaft als Altaktionärin. Ein solcher Fall der Quersubventionierung führt aber auch zu einer Vermögensverschiebung von den Aktionären der Obergesellschaft hin zu den Neuaktionären der Tochtergesellschaft. Denn die Aktionäre der Obergesellschaft sind durch die zu billige Veräußerung der Tochtergesellschaftsaktien im Hinblick auf ihr im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse genauso beeinträchtigt wie im Fall der zu billigen Veräußerung der Aktien der Obergesellschaft, da sich ihr Beteiligungswert mit der Verringerung des Beteiligungswertes der Obergesellschaft an den Tochtergesellschaftsaktien gleichermaßen vermindert. Mit dem Absinken der Beteiligungsquote der Obergesellschaft sinkt auch die anteilsmäßige Quote an Bilanzgewinn und Liquidationserlös, was bei einer Veräußerung der Tochtergesellschaftsanteile unter Wert nicht durch die von den Erwerbern gewährte Gegenleistung kompensiert wird und sich damit für das Gesellschaftsvermögen der Obergesellschaft und zugleich das Anteilsvermögen und die Vermögensrechte ihrer Aktionäre nachteilig auswirkt.286 Das Risiko der Vermögensverwässerung trifft also die Obergesellschaft und damit zugleich deren Aktionäre. Gegen das Schutzbedürfnis der Aktionäre der Obergesellschaft läßt sich jedenfalls nicht anführen, daß eine Quersubventionierung hier nicht zwischen den Aktionären einer Gesellschaft, sondern zwischen den Aktionären von Ober- und Tochtergesellschaft stattfindet und, wie bei der vollständigen Veräußerung der Tochtergesellschaftsanteile, veräußernde und erwerbende Aktionäre nicht gleichzeitig beteiligt sind. Denn der vom AktG bezweckte Schutz ist nicht abhängig von der Person des Erwerbers unterschiedlich intensiv. Vielmehr stellt das Gesetz auf den Wert des Beteiligungsvermögens der Aktionäre ab, so daß an den Ausgabepreis der Aktien bei einem Bezugsrechtsausschluß zugunsten eines Dritten dieselben Anforderungen zu stellen sind wie bei einer Ausgabe an einzelne Aktionäre, vgl. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG. Eine Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre droht dabei in besonderem Maße bei der vollständigen Veräußerung der Tochtergesellschaft an Dritte unter Wert, so daß in dieser Konstellation erst recht ein Schutzbedürfnis besteht. Wie in der unverbundenen AG ist damit entscheidender Ausgangspunkt der Eingriff des Vorstandes in die Aktionärsstruktur, hier der Tochtergesellschaft, und der Beteiligungsquote, hier der 286

Die Ansicht von Groß, AG 1994, 266, 274 (liSp.) und 275 (reSp.), wonach ein Eingriff in die Vermögensrechte nicht vorliege, ist daher abzulehnen. So auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 433 (Fn. 308). Siehe auch Hoffmann-Becking, ZHR 172 (2008), 231, 237, der eine Gefährdung der Aktionärsstellung in solchen Konstellationen vornehmlich im Hinblick auf das Gewinnrecht sieht.

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens

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Obergesellschaft, die zu einer Verminderung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre führen kann. bb) Vergleichbare Schutzzwecke Die Situation unterscheidet sich aber in einem Punkt deutlich von den Veräußerungsvorgängen, die den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG sowie des § 186 Abs. 3 S. 1 AktG zugrunde liegen. Diese Mitwirkungserfordernisse der Hauptversammlung sollen die Altaktionäre davor schützen, daß Neuaktionäre Anteile an ihrer Gesellschaft und damit gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluß auf diese zu billig erwerben. In den hier untersuchten Fällen der Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen an Dritte erwerben dagegen die Neuaktionäre nicht Anteile an der Gesellschaft der Altaktionäre, sondern an einem von dieser Gesellschaft gehaltenen einzelnen Vermögensgegenstand, der Tochtergesellschaft.287 Es erfolgt ein Eingriff in die Beteiligungsquote der Obergesellschaft an der Tochtergesellschaft und der Aktionärsstruktur letzterer Gesellschaft, nicht jedoch in die Beteiligungsquote der Aktionäre und die Aktionärsstruktur der Gesellschaft, an der sie unmittelbar beteiligt sind. Die Abgrenzung solcher Umsatzgeschäfte vom Erwerb fremden Vermögen gegen Gewährung von Anteilen, die den Neuaktionären eine Beteiligung in gesellschaftsrechtlicher Form verschafft, hat sich in gleicher Weise bei der Untersuchung des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile in der unverbundenen AG gestellt.288 Die Wertungen, die den genannten Vorschriften zugrunde liegen, sind also zu übertragen, um aus den in die Kompetenz des Vorstandes fallenden Umsatzgeschäften die verschiedenen Formen der Veräußerung von Tochtergesellschaftsanteilen auszusondern, die eine Zuständigkeit der Hauptversammlung der Obergesellschaft begründen. Betrachtet man den Grundgedanken, der diesen Normen zugrunde liegt und im Dritten Teil herausgearbeitet wurde, wird deutlich, daß es sich bei der Veräußerung der Tochtergesellschaftsanteile nicht um ein gewöhnliches Umsatzgeschäft handelt, sondern Neuaktionären eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung gewährt wird, die eine Befassung der Hauptversammlung mit diesem Vorgang rechtfertigt. Der von diesen Vorschriften bezweckte Schutz der Beteiligungsstruktur der AG und des Beteiligungswertes der Aktionäre soll diese davor bewahren, daß die Verwaltung Dritten gesellschaftsrechtlichen Einfluß verschafft, ohne daß die Minderung 287 Hierzu auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 15 III 5 (S. 515 ff.). 288 Dazu oben S. 288 ff.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

der Rechtsposition der Aktionäre vollständig vermögensmäßig ausgeglichen wird. Strukturell entspricht dies damit insoweit dem Vorgang in der Tochtergesellschaft, als dort die Beteiligungsquote der Obergesellschaft durch die Verwaltung verschoben wird und die Erwerber eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung erhalten, so daß die Gefahr besteht, daß der gesellschaftsrechtliche Einfluß, der den Dritten gewährt wird, und das Entgelt, daß auch den Wert der Aktien der Aktionäre beeinflußt, nicht ausgeglichen sind. Der absehbaren Kritik, daß die Vorschriften nur gegen Wertverschiebungen im Verhältnis der Aktionäre untereinander schützen sollen, nicht aber „Wertverschiebungen zwischen un- und mittelbar beteiligten Gesellschaftern“,289 ist damit entgegenzuhalten, daß nicht nur die Vermögensbeeinträchtigung der Aktionäre dem Vorgang in der unverbundenen AG entspricht, sondern auch die Eingriffsform. Die aktiengesetzliche Leitungskompetenz des Vorstandes findet daher dort ihre Grenzen, wo es um die Frage der Verteilung der Aktien und der Beteiligungsquote am Grundkapital sowie damit zusammenhängend der Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen und der vermögensmäßigen Rechtsposition der Aktionäre geht. Unmittelbare Eingriffe in die Aktionärsstruktur sind der Verwaltung verwehrt. Erhöht die Tochtergesellschaft ihr Kapital unter Bezugsrechtsausschluß oder veräußert die Obergesellschaft ihre Anteile an dieser, hat es der Vorstand der Obergesellschaft im ersten Fall vermittelt durch seinen Stimmverhalten in der Hauptversammlung der Tochtergesellschaft, im zweiten Fall unmittelbar in der Hand, dem Erwerber der Anteile die Möglichkeit der Einflußnahme auf das Geschehen in der Tochtergesellschaft zu Lasten der mit der Beteiligungsquote sinkenden Einflußmöglichkeiten der Obergesellschaft und damit auch deren Aktionären zu gewähren, was zu einer Gefährdung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre führt. Es liegt damit kein gewöhnliches Umsatzgeschäft vor, so daß die andersartige Behandlung als bei der Veräußerung von Betriebsvermögen durch die AG gerechtfertigt ist. Daß die Aktionäre nur mittelbar über den Vorstand der Obergesellschaft auf das Geschehen in der Tochtergesellschaft Einfluß nehmen können und die Minderung dieses Einflusses allein die Hauptversammlungskompetenz nicht begründen kann, wie sich im Rahmen der Untersuchung von Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften gezeigt hat,290 steht dem nicht entgegen. Im Dritten Teil wurde herausgearbeitet, daß die Vorschriften auch die Aktionäre schützen, die keine vom Gesetzgeber als schützenswert angesehe289 So Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 15 III 5 Fn. 423 (S. 516), gegen den Ansatz von Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 433, und die dabei angesprochenen Schwierigkeiten der Anwendung des § 186 AktG. 290 Dazu oben S. 400 ff.

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens

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nen Einflußmöglichkeiten haben und damit nur in ihrer Vermögensposition, nicht aber in dem Bestand ihrer Mitgliedschaft und den daraus folgenden Einflußrechten geschützt werden. Damit dienen die Vorschriften insoweit vornehmlich dem Vermögensschutz; die Gewährung gesellschaftsrechtlichen Einflusses zugunsten Dritter und zu Lasten der Aktionäre ist nicht zuständigkeitsbegründendes Merkmal, sondern dient der Abgrenzung von sonstigen Veräußerungsvorgängen.291 Entsprechendes gilt hier, da Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß oder etwa die Veräußerung von Anteilen der Tochtergesellschaft die Beteiligungsquote der Obergesellschaft ändern und aufgrund dieses Eingriffs der Verwaltung den Aktionären eine Beeinträchtigung ihres Beteiligungsvermögens droht. Der geminderte Einfluß, der im Hinblick auf die unverbundene AG bei den geringer beteiligten Aktionären regelmäßig nicht spürbar ins Gewicht fällt und im Hinblick auf die Tochtergesellschaft den Einfluß der Aktionäre nur mittelbar berührt, ist daher hier wie dort nicht der Schutzgrund, sondern vielmehr Abgrenzungskriterium zu nicht hauptversammlungspflichtigen Veräußerungsvorgängen. Die Gefahrensituation läßt sich damit in unverbundener AG und Unternehmensgruppe vergleichen, so daß in den beiden Fällen ein gleichwertiges Schutzbedürfnis besteht. Die durch Rechtsträger gesetzten Rechtsformgrenzen übergeht man hierbei nicht, da die Veräußerung der Tochtergesellschaftsanteile unter Wert unmittelbar den Beteiligungswert der Aktionäre der Obergesellschaft vermindert. Die vielbeschriebene Gefahr der Uferlosigkeit des Ansatzes, die auf eine Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens abstellt, besteht damit aufgrund des mit der Vermögensgefährdung verbundenen aktiengesetzeskonformen Ansatzes des Eingriffs in die Beteiligungsquote und -struktur nicht. 2. Folgerungen Der aus §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG, §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG und § 186 Abs. 3 S. 1 AktG folgende und auf die unverbundene AG bezogene Schutz der Aktionäre reicht nicht aus, um die Aktionäre vor einem Eingriff in ihre Mitgliedschaft zu schützen, da diese bei einem entsprechenden Vorgang in der Tochtergesellschaft in vermögensrechtlicher Hinsicht vergleichbar betroffen werden, die zitierten Vorschriften ihrem Wortlaut nach aber nicht auf Vorgänge in der Unternehmensgruppe Anwendung finden. Mit der Bildung von Vermögenswerten in der Tochtergesellschaft besteht ein Schutzbedürfnis der Aktionäre der Obergesellschaft, dem in der unverbundenen AG die genannten Vorschriften Rechnung tragen. Diese im Gesetz nicht ausdrücklich 291

Zum Schutz des Vermögens und des Einflusses oben S. 177 ff.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

geregelten Sachverhalte verlangen daher nach einem vergleichbaren Schutzinstrumentarium, da kein Grund ersichtlich ist, weshalb die Aktionäre bei einem entsprechenden Eingriff in der Unternehmensgruppe weniger geschützt werden sollen als bei dem vergleichbaren Vorgang in der unverbundenen AG. Es kann nach der ratio legis und dem von den Vorschriften bezweckten Schutz folglich keinen Unterschied machen, ob die Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre durch einen Vorgang in der unverbundenen AG oder der Unternehmensgruppe verursacht wird. Der Schutzzweck der Vorschriften ist daher mit der Gruppenbildung auf alle Vorgänge in der Tochtergesellschaft zu erweitern, bei denen die Gefahr eines zu billigen Erwerbs einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Tochtergesellschaft und damit einer Quersubventionierung besteht, sofern die Wesentlichkeitsschwelle überschritten wurde. Hierdurch wird sichergestellt, daß Dritte nicht allein durch ein Handeln der Verwaltung eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Tochtergesellschaft unter Wert erwerben und dadurch die Folgen eintreten, vor denen diese Vorschriften die Aktionäre in der unverbundenen AG gerade bewahren wollen, nämlich einer Beeinträchtigung des Anteilsvermögens und der Vermögensrechte.292 Daher steht dem Ergebnis auch nicht die Wertung des § 179a AktG entgegen, der eine Hauptversammlungskompetenz nur für den Fall der Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens vorsieht.293 Denn es geht anders als im Rahmen der Gesamtvermögensveräußerung um die Übertragung von Gesellschaftsvermögen, das gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluß verschafft, also mit einem Eingriff in den Aktionärskreis der Tochtergesellschaft und die Beteiligungsquote der Obergesellschaft verbunden ist. 3. Einheitliche Behandlung des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen Bei einer Kapitalerhöhung gegen Einlagen in der Tochtergesellschaft, über die der BGH im Holzmüller-Urteil zu entscheiden hatte, gibt die Tochtergesellschaft neue Aktien aus und nach dem Gesetzeswortlaut steht das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG nur ihren Aktionären zu. Unmittelbar betrifft der Vorgang nur die Obergesellschaft als deren Aktionärin, die Aktionäre der Obergesellschaft sind hiervon nur mittelbar betroffen. Entsprechendes gilt etwa bei der Veräußerung eigener Anteile durch die Tochtergesellschaft oder Gewährung solcher als übernehmender Rechtsträ292

So schon Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 432 f. Dazu und zur Auslegung des „ganzen Gesellschaftsvermögens“ iSd. § 179a Abs. 1 S. 1 AktG oben in Fn. 250. 293

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens

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ger im Rahmen einer Umwandlung. Veräußert hingegen die Obergesellschaft Anteile an der Tochtergesellschaft, findet auf der Ebene der Obergesellschaft ein Aktiventausch von Anteilen an der Tochtergesellschaft gegen das dafür geleistete Bar- oder Sachvermögen statt. Erwirbt ein Dritter Aktien der Tochtergesellschaft, die im Wege der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß geschaffen oder durch die Obergesellschaft veräußert werden, verschiebt sich allerdings die Beteiligungsquote der Obergesellschaft und die Aktionärsstruktur der Tochtergesellschaft gleichermaßen, was mittelbar auch die Aktionäre der Obergesellschaft aufgrund ihrer Beteiligung an dieser betrifft, so daß sich die Eingriffsrichtungen entsprechen. Stimmt man dem BGH zu, daß bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß in der Tochtergesellschaft die Gefahr der Beeinträchtigung der Mitgliedschaft der Aktionäre der Obergesellschaft und der Verwässerung des Wertes ihrer Beteiligung besteht und aus diesem Grund eine Mitwirkung der Hauptversammlung der Obergesellschaft erforderlich sein kann,294 ist eine solche Kompetenz ebenso bei der Veräußerung von Tochtergesellschaftsanteilen durch die Obergesellschaft zu bejahen und zwar auch im Fall, daß die Obergesellschaft sämtliche Anteile an der Tochtergesellschaft veräußert. Zwar wird hier eine zeitgleiche Beteiligung alter und neuer Aktionäre gerade nicht begründet;295 hier stehen zu bleiben überzeugt aber nicht.296 Denn es macht für die Aktionäre der Obergesellschaft im Hinblick auf die hiermit verbundenen Gefahren für ihr Beteiligungsvermögen wirtschaftlich keinen wesentlichen Unterschied, ob die Obergesellschaft sämtliche Tochtergesellschaftsanteile veräußert oder einzelne zurückbehält oder die Tochtergesellschaft ihr Kapital unter Bezugsrechtsausschluß erhöht.297 Überdies unterscheidet sich auch in rechtlicher Hinsicht der Eingriff in die Mitgliedsstellung der Aktionäre nicht qualitativ, sondern ist vielmehr nur quantitativ stärker, wenn die Obergesellschaft sämtliche Anteile an der Tochtergesellschaft veräußert anstatt einzelne Aktien weiterhin 294

BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 142 (Holzmüller). Dazu Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 30 mit Verweisung in Fn. 45 auf ders., Aktiengesellschaft, 1996, S. 434 f., für die vollständige Veräußerung der Beteiligung; siehe auch ders., aaO, S. 515, sowie S. 435, für den umgekehrten Fall des Erwerbs von Anteilen, so daß die Obergesellschaft Alleingesellschafterin der Tochtergesellschaft ist. 296 Siehe auch MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 63; so schon Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D 5 III 5a (S. 183), wonach Gefährdungen der Herrschafts- und Vermögensrechte unabhängig davon auftreten, ob Dritte im Wege der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß oder durch Anteilsveräußerungen beteiligt werden. 297 So auch Liebscher, ZGR 2005, 1, 24 ff. Ein Unterschied besteht nur darin, daß bei der Veräußerung der Obergesellschaft, bei der Kapitalerhöhung hingegen der Tochtergesellschaft die Vermögenswerte zufließen. 295

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

in ihrem Anteilsbesitz zu halten, da im ersten Fall die Beteiligungsquote der Obergesellschaft auf Null reduziert wird und damit zugleich der stärkste Eingriff in die Beteiligungsquote der Obergesellschaft vorliegt. Der den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG sowie § 186 Abs. 3 S. 1 AktG zugrunde liegende Gedanke, daß die Aktionäre neben dem Preis der Anteile auch über die Person des Erwerbers entscheiden sollen, greift daher bei allen Formen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen ein und vermeidet damit die von Teilen des Schrifttums befürwortete Ungleichbehandlung von Veräußerungs- und Kapitalerhöhungsfällen trotz deren identischer Auswirkungen auf die Position der Aktionäre. Als Abgrenzungskriterium vom gewöhnlichen Umsatzgeschäft, das zwar haftungsrelevant, nicht aber hauptversammlungspflichtig ist, unterscheidet sich diese Form des Erwerbs fremden Vermögens vergleichbar den entsprechenden Vorgängen in der unverbundenen AG durch den Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsquote der Obergesellschaft und den Aktionärskreis der Tochtergesellschaft. Der Erwerb fremden Vermögens durch die Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft ist also eine grundlegende Entscheidung, die eine Hauptversammlungsbeteiligung nach den Holzmüller-Grundsätzen erfordern kann. 4. Formen der Anteilsveräußerungen Bejaht man der Sache nach im Gelatine-Fall eine Hauptversammlungszuständigkeit, was der BGH mangels Erreichen der quantitativen Anforderungen nicht zu entscheiden hatte,298 so folgt diese allein aus der Einflußminderung, nicht aber aufgrund der Gefahr des Wertverlustes der Beteiligung. Kann also die Umhängung einer Beteiligung auf im Alleinbesitz der Obergesellschaft stehende Tochtergesellschaften die Vermögensinteressen nicht berühren, stellt sich die Frage, welche Umstrukturierungen des Beteiligungsbesitzes einen Eingriff in den Aktionärskreis und eine Schwächung des Beteiligungswertes der Aktionäre beinhalten, die einen Grund für eine Hauptversammlungsbefassung darstellen.299 Die beschriebenen Gefahren bestehen gleichermaßen bei einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß, Veräußerung von Anteilen der Tochtergesellschaft, bei Vermögensübertragungen im Wege der Umwandlung gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft wie Verschmelzungen der Tochtergesellschaft als übernehmende Gesellschaft mit einer dritten, außerhalb der Unternehmensgruppe stehenden Gesellschaft und Spaltungsvorgängen unter Beteiligung 298 299

BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 48 (Gelatine). Siehe dazu auch Heckschen/Simon, UmwR, 2002, § 4 Rn. 36, 39.

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens

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der Tochtergesellschaft als übernehmende Gesellschaft sowie beim Abschluß von Unternehmensverträgen und der Eingliederung, da in all diesen Fällen fremdes Vermögen gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft erworben wird bzw. eine Abfindung in Tochtergesellschaftsaktien erfolgen kann.300 Es handelt sich also um Fälle der Anteilsveräußerung mit Drittbezug, für die in der unverbundenen AG eine Hauptversammlungskompetenz zwingend ist.

II. Schranken der Hauptversammlungskompetenz Im Hinblick auf das Erfordernis einer weitreichenden Geschäftsleitungskompetenz und dem Desinteresse der Publikumsaktionäre an der Einflußnahme auf das Gesellschaftsgeschehen können ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen nur in engen Grenzen bestehen, wobei neben den richterrechtlichen Wesentlichkeitsanforderungen an solche Vorgänge auch die bestehenden gesetzlichen Schranken zu beachten sind. 1. Gesetzliche Schranken Sind nach dem Gesetz an den Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der unverbundenen AG geringere Anforderungen zu stellen, also insbesondere ein Hauptversammlungsbeschluß nicht erforderlich, so kann nichts anderes bei der vergleichbaren Art der Veräußerung von Anteilen der Tochtergesellschaft gelten. Das Gesetz setzt der Hauptversammlungskompetenz mit § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG bedeutsame Grenzen. Sind die Aktien der Gesellschaft bereits börsennotiert, entfällt hiernach ein Hauptversammlungsbeschluß bei der Veräußerung bereits bestehender Aktien über die Börse. Dem Schutz der Aktionäre vor einem Eingriff in die Beteiligungsstruktur der AG und der Verwässerung ihres Beteiligungsvermögens ist durch die anonyme Veräußerung zu Marktpreisen über die Börse genüge getan. Sind also Aktien der Tochtergesellschaft bereits an der Börse notiert, können weitere Aktien dieser Gattung über die Börse veräußert werden, ohne daß dies eines Hauptversammlungsbeschlusses der Obergesellschaft bedarf. Stellt man darauf ab, daß es dem Aktionär in der Unternehmensgruppe vornehmlich darum geht, daß der Vorstand nicht gezielt in die Aktionärsstruktur der Tochtergesellschaft eingreift und damit ihr Beteiligungsvermögen beein300

So auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 435; zur Eingliederung und den Unternehmensverträgen, allerdings aufgrund der damit verbundenen Haftungsrisiken, Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 49.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

trächtigt, sind Veräußerungen von Beteiligungen über die Börse auch jenseits der von § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG vorausgesetzten Zehn-ProzentSchwelle ohne Hauptversammlungsbeteiligung der Obergesellschaft zuzulassen, wenn sich der Veräußerungspreis an dem bereits bestehenden Börsenkurs orientiert. Entsprechendes muß unter diesen Voraussetzungen auch für neue Aktien jenseits der zehn-Prozent-Grenze, die § 186 Abs. 3 S. 4 AktG statuiert, gelten. 2. Richterrechtliche Wesentlichkeitsanforderungen Die vom Senat aufgestellten Anforderungen an die Art der Geschäftsführungsmaßnahme setzen in qualitativer Hinsicht voraus, daß der Vorgang einem Zustand nahe kommt, der allein durch eine Satzungsänderung herbeigeführt werden kann und in quantitativer Hinsicht die Größenordnungen des im Holzmüller-Urteil zu entscheidenden Ausgliederungsvorgangs erreicht.301 Übernimmt man die quantitativen Anforderungen,302 ist der Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft in der Publikums-AG wohl nur im Ausnahmefall auf der Ebene der Obergesellschaft hauptversammlungspflichtig. Zieht man zum Vergleich beispielhaft die Rechtslage bei der Kapitalerhöhung in der unverbundenen AG heran, fällt auf, daß dort die Hauptversammlung generell, mithin ohne Ausnahme nach § 182 Abs. 1 S. 1 AktG zu beteiligen ist, also auch bei nur geringen Kapitalerhöhungen. Entsprechendes gilt auch für den Beschluß zum Ausschluß des Bezugsrechts nach § 186 Abs. 3 S. 1 AktG, da diese Vorschrift keine de minimis-Klausel enthält. Auch bei der Wiederveräußerung eigener Aktien auf andere Art als über die Börse an Dritte oder einzelne Aktionäre nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG und bei Umwandlungsmaßnahmen ist die Hauptversammlung mit Ausnahme der Fälle nach § 62 UmwG unabhängig von Schwellenwerten zu beteiligen. Das Erfordernis der Überschreitung der hoch anzusetzenden Wesentlichkeitsschwelle als zuständigkeitsbegründendes Merkmal der Hauptversammlungsbeteiligung in der Unternehmensgruppe überzeugt vor dem Hintergrund der Interessen der Publikumsaktionäre an einer Einflußnahme, ist aber im Hinblick auf den Schutz des Beteiligungsvermögens problematisch.

301 Vgl. nochmals zu den beiden Kriterien BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 47 f. (Gelatine). 302 Der BGH legt sich nicht fest, welche quantitativen Kennziffern entscheidend sind; dazu oben S. 382 ff.

B. Aktionärsschutz beim Erwerb fremden Vermögens

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III. Zusammenfassung Im Kern bezwecken die in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG sowie § 186 Abs. 3 S. 1 AktG angeordneten Hauptversammlungskompetenzen, die Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur der AG oder weitergehend die Beteiligungsquote der Aktionäre und einer damit verbundenen Entwertung ihrer vermögensmäßigen Beteiligung durch eine zu billige Gewährung von Anteilen zu schützen. In der unverbundenen AG können die Aktionäre ihren Schutz dadurch besorgen, daß sie über den Preis und die Person des Erwerbers beschließen. In Fällen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft sind die Aktionäre der Obergesellschaft vor entsprechenden Gefahren zu schützen, da die Gewährung von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen an der Tochtergesellschaft unter Wert den Beteiligungswert der Aktionäre der Obergesellschaft und damit deren gesellschaftsrechtliche Beteiligung unmittelbar beeinträchtigt. Bei Vorliegen der qualitativen und quantitativen Voraussetzungen ist daher die Hauptversammlung der Obergesellschaft bei sämtlichen Formen der Anteilsgewährung mit Drittbezug zu beteiligen.303 Die Konzeption einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz, die an der Veränderung der Beteiligungsquote der Ober- an der Tochtergesellschaft und der damit einhergehenden Gefahr der Vermögensbeeinträchtigung ihrer Aktionäre ansetzt, entgeht dabei der Gefahr der unklaren Abgrenzung von Geschäftsführungs- zu Strukturentscheidungen, da eine Verschiebung der Beteiligungsquote zu letzterem Bereich zu zählen ist und damit nicht in die Leitungskompetenz des Vorstandes fällt.304 Daß es dabei um Vermögensschutz geht, steht dem nicht entgegen, da diese Schutzmechanismen in der unverbundenen AG auch zugunsten der Aktionäre bestehen, die dort bei entsprechenden Maßnahmen nach der Sichtweise des Gesetzes vornehmlich in ihrem Vermögensinteresse beeinträchtigt werden. Der BGH hat in seiner Entscheidung im Jahr 2004 klargestellt, daß er die qualitativen und quantitativen Anforderungen, die an eine Holzmüller-Konstellation zu stellen sind, als zuständigkeitsbegründendes und nicht -ausschließendes Merkmal ansieht und eine Beteiligung der Hauptversammlung in Geschäftsführungsmaßnahmen daher eine Ausnahme darstellen soll,305 303 Zu diesen Anforderungen BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 43 ff. (Gelatine). 304 Zu den Abgrenzungsschwierigkeiten von Geschäftsführung und Strukturmaßnahmen auch Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen, 2002, § 15 III 3 (S. 512, 515 f.), mwN. 305 So schon vor der Gelatine-Entscheidung treffend formuliert von Groß, AG 1994, 266, 272 (liSp.).

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

da eine zu enge Bindung an Beschlüsse „eine Lähmung der Gesellschaft zur Folge“ habe.306 Der durch ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten nach der Holzmüller-Doktrin vermittelte Schutz greift unterhalb der vom BGH in der Gelatine-Entscheidung nachdrücklich ausgeführten hohen Schwellenwerten nicht ein, so daß der Aktionärsschutz abgesehen von Fällen, die eine Satzungsänderung und deshalb eine Hauptversammlungsmitwirkung nach §§ 179, 23 Abs. 3 Nr. 2 AktG erfordern, nicht durch eine Beschlußkompetenz erreicht wird. Im Hinblick etwa auf Beteiligungsumhängungen, wie sie der Gelatine-Entscheidung zugrunde lagen, erscheint ein solch hoher Schwellenwert zumindest für börsennotierte Publikums-AG überzeugend, da ein Eingriff in die Einflußrechte der Aktionäre erheblich sein muß, um die Interessen der Publikumsaktionäre zu berühren. Im Hinblick auf die oben aufgedeckten Interessen der Publikumsaktionäre gilt allerdings etwas anderes für die Beeinträchtigung des Wertes deren Beteiligung. Im Anschluß ist daher der Frage nachzugehen, ob der Aktionär unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle insoweit schutzlos gestellt ist, was aufgrund der Einschränkung ungeschriebener Hauptversammlungszuständigkeiten durch das Gelatine-Urteil besondere Relevanz erlangt.

C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz Im Dritten Teil wurde aufgearbeitet, daß das Aktienrecht die Aktionäre mittels einer Beschlußkompetenz der Hauptversammlung und dem aktienrechtlichen Erwerbsrecht auf die neu ausgegebenen oder wieder abgegebenen Aktien schützt.307 Nachfolgend ist aufzudecken, ob die Aktionäre entsprechend den Regelungen in der unverbundenen AG in Fällen, in denen den Aktionären zum Schutz ihrer Position ein Erwerbsrecht auf die Aktien zusteht, vergleichbare Rechte außerhalb der Hauptversammlung haben, die den Schutz ihres Beteiligungsvermögens sicherstellen können. Paradigmatisch sollen hierfür die wesentlichen Aspekte der im Schrifttum bestehenden Diskussion zur Frage des Bestehens eines Bezugsrechts der Aktionäre der Obergesellschaft bei Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften betrachtet werden.

I. Unternehmensgruppenweites Bezugsrecht? Ein Bezugsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft auf die neuen Aktien bei Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften wurde von Lutter schon früh 306

Siehe hierzu BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 (Gela-

tine). 307

Dazu oben S. 311 ff.

C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz

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diskutiert und der Problemkreis auch vom BGH in der Holzmüller-Entscheidung angesprochen. Die abgeklungene Diskussion ist mit den Aufsätzen von Lutter zu den Rechten der Aktionäre beim Börsengang von Tochtergesellschaften wieder aufgelebt.308 Im Mittelpunkt stehen dabei die Fragen, ob der BGH ein Bezugsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft auf Aktien der Tochtergesellschaft angenommen hat, andernfalls, ob ein solches aus der Entscheidung abgeleitet werden kann und überhaupt mit dem Aktienrecht zu vereinbaren ist. 1. Frühe Stimmen in der Literatur und Ausführungen des BGH zum Bezugsrecht Anhand seines meinungsbildenden Beispiels und dem daraus abgeleiteten Gedanken, daß die Aufnahme fremder Gesellschafter in einer Tochtergesellschaft, in der die Obergesellschaft ihre gesamten unternehmerischen Aktivitäten verfolgt, wie eine Aufnahme in der Obergesellschaft selbst wirke, kommt Lutter zu dem Ergebnis, daß die Verwaltung der Obergesellschaft verpflichtet sei, „bei einer nicht nur unwesentlichen Veränderung in ihrer Beteiligung an einer Konzernuntergesellschaft die Interessen ihrer eigenen Aktionäre durch ein Angebot auf diese Mitgliedschaften (Veräußerung) nach den Regeln aus § 186 I, II u. V sicherzustellen oder die Bezugsrechte (Kapitalerhöhung) nach den gleichen Regeln an die eigenen Aktionäre weiterzuleiten.“309 Zugrunde liegt die Auffassung, daß Beteiligungen an Tochtergesellschaften ebenfalls gesellschaftsrechtlich vermittelten Einfluß auf das Konzernunternehmen gewähren. Damit sei für diese Beteiligungen zu klären, welches Organ der Obergesellschaft darüber zu entscheiden habe, wem gesellschaftsrechtlich vermittelter Einfluß auf die Konzernunternehmung eingeräumt wird, was aus einem Zu-Ende-Denken der materiellen Wertungen des § 186 Abs. 3 AktG folge.310 Der BGH kommt in der Holzmüller-Entscheidung mit seinem auf den Rechtsträger ausgerichteten Ansatz zu einem ähnlichen Ergebnis, wenn er im Hinblick auf die beklagte Obergesellschaft formuliert: „Es muß daher der bislang nicht beteiligten Hauptversammlung der Beklagten überlassen bleiben zu entscheiden, ob eine Kapitalerhöhung in der H. KGaA unter diesen Bedingungen durchgeführt oder ob etwa das Bezugsrecht der Beklagten ausgeschlossen und statt dessen ihren Aktionären in entsprechender Anwendung des § 186 Abs. 1, 2 und 5 AktG ein Bezugsrecht eingeräumt werden 308

Lutter, AG 2000, 342 ff., und AG 2001, 349 ff. Lutter, in: FS H. Westermann, 1974, S. 347, 365 (Hervorheb. i. Orig.). 310 Lutter, ZGR 1987, 324, 349; siehe auch ders., AG 2001, 349, 350 (reSp.: „konzerndimensionales Recht“); ähnlich Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212 (reSp.). 309

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

soll. Ist auch dies nicht gewollt, weil zum Beispiel Sacheinlagen erwünscht sind, kann dem die Hauptversammlung zwar ebenfalls zustimmen; ein solcher Beschluß bedarf aber besonderer sachlicher Rechtfertigung“.311 2. Bewertung Der Holzmüller-Entscheidung läßt sich damit ein unmittelbares Bezugsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft bei Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften nicht entnehmen.312 Vielmehr hat die Hauptversammlung das Recht zur Entscheidung und kann damit beschließen, das Bezugsrecht der Obergesellschaft auszuschließen und ihren Aktionären ein solches einzuräumen,313 was dafür spricht, daß dieses nicht per se besteht. Allerdings führt der BGH beispielhaft für Fälle einer Sacheinlage unter Verweisung auf die Kali+Salz-Entscheidung aus, daß in diesem Fall ein Beschluß der Hauptversammlung der Obergesellschaft, der das Bezugsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft ausschließt, besonderer sachlicher Rechtfertigung bedürfe.314 Dies legt nahe, daß der BGH in jedem Fall eine Entscheidung über ein Bezugsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft fordert, wenn das Bezugsrecht der Obergesellschaft ausgeschlossen wird, um entweder deren Aktionären ein solches einzuräumen oder andernfalls dieses zugunsten Dritter gerade auszuschließen. Damit wäre eine solche Rechtsposition weniger als der von Gesetzes wegen bestehende Bezugsrechtsanspruch, aber mehr als ein rechtliches nullum, wenn wie vom BGH ausgeführt die Zulässigkeit seines Ausschlusses an der Kali+Salz-Formel zu messen ist.315 311 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 f. (Holzmüller) unter ausdrücklicher Verweisung auf BGHZ 71, 40, 44 ff. (Kali+Salz). 312 So auch die h. M. im Schrifttum; vgl. Hüffer, AktG, 2008, § 119 Rn. 8 und § 186 Rn. 5a; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 182 Rn. 108 und § 186 Rn. 118; Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 238; Kort, AG 2002, 369, 371 (reSp.); Fleischer, ZHR 165 (2001), 515, 543; Habersack, WM 2001, 545, 546; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 210, wohl aber a. A. ders., in: FS Peltzer, 2001, S. 195, 202; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 272; Lutter, AG 2001, 349, 350 (reSp.); Trapp/Schick, AG 2001, 381, 386 (liSp.); Busch/Groß, AG 2000, 503, 506 (liSp.). Aus dem Dissertationsschrifttum etwa Kiefner, Börsengang, 2005, S. 203; Liebert, Bezugsrechtsausschluß, 2003, S. 43 f. Siehe auch Martens, ZHR 147 (1983), 377, 410 f. (Fn. 87: nicht ausdrücklich Stellung bezogen). Die Gelatine-Entscheidung v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, und die HofbräuEntscheidung v. 20.11.2006 – II ZR 226/05, ZIP 2007, 24, befassen sich nicht mit diesem Themenkreis. 313 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 f. 314 BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 144; siehe oben Zitat bei Fn. 311. 315 Zu den durch das Kali+Salz-Urteil gestellten Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluß oben S. 242 ff.

C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz

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Rechtskonstruktiv ist also der BGH vorsichtiger.316 Überdies ist zu berücksichtigen, daß der BGH in der Gelatine-Entscheidung im Hinblick auf die Kompetenzen der Hauptversammlung betont, daß das Holzmüller-Urteil nicht für das Modell einer konzernspezifischen Binnenordnung in Anspruch genommen werden könne,317 was gegen ein per se bestehendes Bezugsrecht spricht, sofern sich dieses über Rechtsformgrenzen hinwegsetzt.318 Unbenommen bleibt es aber der Obergesellschaft, ihr Bezugsrecht auszuschließen oder nicht auszuüben und statt dessen ihren Aktionären einzuräumen.319 Eine Pflicht der AG, ihren Aktionären ein Bezugsrecht an den Aktien der Tochtergesellschaft einzuräumen, läßt sich der Entscheidung ebenfalls nicht entnehmen.320 Der BGH betont nur die Pflicht der Obergesellschaft, die Zustimmung ihrer Hauptversammlung zu der Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft einzuholen.321 Weitergehende Schlußfolgerungen zum Bezugsrecht als die vom BGH eingeräumte „Zuweisungskompetenz“ der Hauptversammlung der Obergesellschaft im Hinblick auf dieses können also aus dem Holzmüller-Urteil nicht gezogen werden.322 Die Schutzkonzeption des BGH setzt also bei den Teilhaberechten in der Hauptversammlung an, nicht aber bei außerhalb der Hauptversammlung auszuübenden mitgliedschaftlichen Individualrechten. 3. Meinungsstand nach der Holzmüller-Entscheidung Das überwiegende Schrifttum nahm die Ausführungen des BGH im Holzmüller-Urteil zur Möglichkeit der Einräumung eines Bezugsrechts der Aktionäre der Obergesellschaft kritisch auf. 316

So auch Lutter, AG 2001, 349, 350 (reSp.). BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 39; dazu schon oben S. 389 f. 318 Aus jüngerer Zeit gegen eine konzerndimensionale Erweiterung des Bezugsrechts etwa Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 238; Kort, AG 2002, 369, 370 (reSp.). 319 Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 212; Busch/Groß, AG 2000, 503, 506 (liSp.); Baums, AG 1994, 1, 9 (liSp.); Kimpler, DB 1994, 767, 772. 320 Gegen eine solche Pflicht LG Kassel v. 21.3.2002 – 11 O 4233/01, AG 2002, 414, 416 (liSp.); Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 8: keine Pflicht der Obergesellschaft, neue Aktien der Tochtergesellschaft weiterzuleiten; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 5; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 117; Kort, AG 2002, 369, 371 f.; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 384 (liSp.); Busch/Groß, AG 2000, 503, 507 (liSp.); Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 67; Mecke, Konzernbildung, 1992, 255 f.; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 193; Werner, ZHR 147 (1983), 429, 452 (Fn. 57); so wohl auch Lutter, AG 2001, 349, 350 (reSp.). 321 So Leitsatz e) der Entscheidung v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 (Holzmüller). 322 Ähnlich LG Kassel v. 21.3.2002 – 11 O 4233/01, AG 2002, 414, 416 (liSp.). 317

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

a) Ablehnende Stimmen in Schrifttum und Rechtsprechung Im Hinblick auf eine „konzerndimensionale Ausweitung des Bezugsrechts“323 werden dabei vom überwiegenden Schrifttum neben rechtskonstruktiven Bedenken auch Zweifel an der Schutzwirkung eines solchen Rechts geäußert. So wird im Anschluß an Timm angeführt, daß die Aufnahme von anderen Gesellschaftern in der Tochtergesellschaft als der Obergesellschaft die Leitung dieser Gesellschaft erschwere.324 Durch eine solches Bezugsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft werde der vom Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG bezweckte Schutz der Beteiligungsquote nicht erreicht, da nunmehr auch die Aktionäre der Obergesellschaft beteiligt seien.325 Funktionell schütze das Bezugsrecht die Aktionäre nur vor einer Vermögensverwässerung ihres gebündelten Wertrechtes, ohne ihnen eine Durchgriffsquote an einzelnen Vermögensgegenständen der Obergesellschaft zu gewähren.326 Überdies sei zu bezweifeln, ob die Aktionäre der Obergesellschaft Interesse daran hätten, in der Tochtergesellschaft Mitgliedschaftsrechte neben dem Vorstand der Obergesellschaft auszuüben, wie der BGH dies unterstelle, da Anteilsbesitz an konzernabhängigen Gesellschaften erfahrungsgemäß weniger wert sei als der an der Obergesellschaft.327 Allein die Zuwendung von Minderheitsbeteiligungen in einer abhängigen Gesellschaft könne eine inhaltliche Beeinträchtigung der Beteiligung an der Obergesellschaft nicht ausgleichen.328 Konzeptionell wird schließlich einem solchen konzerndimensionalen Recht entgegengehalten, daß es sich nicht aus 323

Begriff nach Martens, ZHR 147 (1983), 377, 409. Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vor § 291 Rn. 101; Kort, AG 2002, 369, 371 (liSp.); Trapp/Schick, AG 2001, 381, 384; so schon Götz, AG 1984, 85, 88 (liSp.); Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 182 Rn. 108, § 186 Rn. 193; Mecke, Konzernbildung, 1992, S. 246, 255 f.; zur Ansicht von Timm siehe oben in Fn. 309. 325 Dazu Kort, AG 2002, 369, 371 (liSp.). 326 Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 67; zustimmend Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 273; Fleischer, ZHR 165 (2001), 505, 543; ähnlich Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 71 (S. 109 f.); Herfs, aaO, § 4 Rn. 30 f. (S. 140 f.). 327 J. Semler, BB 1983, 1566, 1572 (liSp.); Götz, AG 1984, 85, 87 f.; Heinsius, ZGR 1984, 383, 401; Westermann, ZGR 1984, 352, 376; siehe auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5c (S. 187 f.: Stimmrechtsmacht und Kapitalrisiko der Aktionäre stehen bei einer Beteiligung an der Tochtergesellschaft nicht in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander), und ders., in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 210; Mecke, Aktionärsstruktur, 1992, S. 255 f.; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 182 Rn. 108, § 186 Rn. 193. 328 Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 210, und ders., Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 182 ff.). 324

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einer Analogie zu § 186 AktG ableiten lasse und auf das Engste mit einer Konzernsicht verwoben sei, die sich in Spruchpraxis und Wissenschaft nicht habe durchsetzen können.329 Zwei jüngere instanzengerichtliche Entscheidungen, die sich mit diesem Problemkreis befaßten, lehnen ein solches Bezugsrecht ab bzw. enthalten sich einer Stellungsnahme hierzu.330 b) Bezugsrecht neben oder anstelle einer Hauptversammlungsbeteiligung Einen in Methodik und Ergebnis anderen Ansatz wählt Martens, der die Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften auf wenige Ausnahmefälle beschränken, den Aktionärsschutz aber gerade durch ein Bezugsrecht der Aktionäre gewährleisten will, so daß die neuen Aktien der Tochtergesellschaft nur bei einem überwiegenden Gesellschaftsinteresse in den engen Grenzen der durch die Kali+Salz-Entscheidung aufgestellten Kriterien anderweitig vergeben werden dürften.331 Die Aktionäre werden hiernach durch die Pflicht des Vorstandes, ihnen grundsätzlich die Aktien anzubieten, also statt einer entscheidungspolitischen Teilhabe vielmehr mittels einer materiellrechtlichen Anspruchsberechtigung geschützt.332 Die Stimmen, die ein solches Recht außerhalb der Hauptversammlungszuständigkeit entsprechend dem Vorschlag von Martens befürworten, befinden sich in der Minderheit.333 Lutter hat in jüngerer Zeit nochmals eine 329 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 5a; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 5; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 182 Rn. 82; Fleischer, ZHR 165 (2001), 505, 543 ff.; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 67. 330 LG Kassel v. 21.3.2002 – 11 O 4233/01, AG 2002, 414, 416; keine Stellung bezieht OLG Stuttgart v. 7.2.2001 – 20 U 52/97, DB 2001, 854, 858 (reSp., zur GmbH). 331 Martens, ZHR 147 (1983), 377, 409 ff. 332 So Martens, ZHR 147 (1983), 377, 413 f.; dem zustimmend Heinsius, ZGR 1984, 383, 403 f., unter Hinweis auf den „Schönheitsfehler“, daß das Bezugsrecht nur für Kapitalerhöhungen, nicht aber für die Veräußerung von Tochtergesellschaftsanteilen diene; abl. Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 418 Fn. 261; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vorb. § 291 Rn. 101. 333 So neben Martens, ZHR 147 (1983), 377, 413 f., auch Hirte, in: FS Peltzer, 2001, S. 195, 202, zum Fall des Börsengangs der Tochtergesellschaft, und Lüders/ Wulff, BB 2001, 1209, 1212 f.; wohl auch Baums/Vogel, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 9.61 (S. 285); aus dem Dissertationsschrifttum umfassend Kiefner, Börsengang, 2005, S. 305 ff.; aus dem betriebswirtschaftlichen Schrifttum Pellens, zfbf 45 (1993), 852, 857 f. Siehe auch Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1993, § 221 Rn. 101; MünchKommAktG/Habersack, 2005, § 221 Rn. 46. Zu einem

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Mitwirkungspflicht der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß der Obergesellschaft und bis zu dessen Ausschluß ein gesetzliches Bezugsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft befürwortet. Rechtskonstruktiv stützt er sich dabei auf eine Anlehnung an den in § 186 Abs. 1 S. 1 AktG enthaltenen Schutzgedanken und begründet ein solches Recht auch mit Gesichtspunkten der Treubindungen gegenüber den Aktionären.334 Ein solches Recht kann danach allerdings auch dann bestehen, wenn die Hauptversammlung über diesen Vorgang nicht beschließt, was dem Ansatz von Martens entspricht.335 Daneben wird im jüngeren Schrifttum ein „Bezugsrecht“ der Aktionäre auf die Aktien bei einer Kapitalerhöhung der Tochter aufgrund wirtschaftlicher Vergleichbarkeit mit dem Vorgang in der Obergesellschaft aus einer Analogie zu § 186 AktG hergeleitet. Einflußrechte der Aktionäre bezogen auf das Tochtergesellschaftsvermögen würden eingeschränkt und es bestünde die Gefahr einer Wertverwässerung, wobei allerdings erforderlich sei, daß Dritte einen maßgeblichen Einfluß auf die Tochter erhielten, was jedenfalls bei der Reduzierung der Beteiligung der Obergesellschaft unter 75% anzunehmen sei.336 Die ablehnende h. M. wendet sich insbesondere rechtskonstruktiv gegen eine Herleitung eines solchen Rechts aus einer analogen Anwendung des § 186 AktG und hält die Treupflicht als Begründungsansatz für untauglich.337

Zuteilungsprivileg beim Börsengang einer Tochtergesellschaft Becker/Fett, WM 2001, 549, 553 ff.; und Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 225 ff.; dazu näher unten Fünfter Teil. 334 Lutter, AG 2000, 342, 343, und AG 2001, 349, 350 (reSp.) und 351 f.; im Ergebnis ähnlich Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212 f. 335 Dazu für den Sonderfall des Börsengangs einer Tochtergesellschaft Lutter, AG 2001, 349, 351. 336 Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212; siehe auch Kiefner, Börsengang, 2005, S. 288 ff. 337 So aus dem jüngeren Schrifttum Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 71 (S. 109 f.); Herfs, aaO, § 4 Rn. 41 (S. 144 f.); Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 5; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 49, und ders., WM 2001, 545, 546; Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 45 (S. 265 f.); MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 117; Kubis, aaO, 2004, § 119 Rn. 76 Fn. 261; Kort, AG 2002, 369, 370 f.; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 543; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 272 f.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 210; Trapp/ Schick, AG 2001, 381, 384; Busch/Groß, AG 2000, 503, 506 (liSp.).

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4. Schutz durch materiellrechtliche Ansprüche statt entscheidungspolitischer Teilhabe Wendet man den Blick auf das beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen maßgebende Interesse der Aktionäre der Obergesellschaft am Schutz vor Verwässerung ihres Beteiligungswertes, so werden die Aktionäre auch in diesem Fall durch ein Bezugsrecht vor Vermögensverwässerungen geschützt.338 Die Betonung im Schrifttum, daß sich das Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG auf das gesamte Gesellschaftsvermögen beziehe und nicht eine Durchgriffsquote auf ein Aktivum gewähre,339 ändert nichts an der Beurteilung, da das Bezugsrecht neben dem Quoten- auch den Erhalt des Beteiligungsvermögens schützt, was für die Aktionäre der Obergesellschaft bei Maßnahmen in der Tochtergesellschaft relevant wird. Der geringere Wert des Anteilsbesitzes abhängiger Gesellschaften steht dem nicht entgegen. Bedeutsam sind im Hinblick auf das Bezugsrecht auch die vom BGH aufgestellten Wesentlichkeitsgrenzen, die für eine Hauptversammlungsbeteiligung nach Holzmüller-Grundsätzen überschritten sein müssen. Die Aktionäre können über ein solches Recht nur selbst entscheiden und hierdurch sich vor einer drohenden Gefährdung ihres Beteiligungswertes nur schützen, wenn die Hauptversammlung der Obergesellschaft hierzu überhaupt einen Beschluß faßt, was aber im Hinblick auf die vom BGH aufgestellten Wesentlichkeitsgrenzen insbesondere bei der börsennotierten Publikums-AG wohl die Ausnahme sein wird. Der vom BGH postulierte Schutz der Aktionäre vor einer nachhaltigen Schwächung ihres Beteiligungswertes und seine Zurückhaltung bei der Wesentlichkeitsgrenze zur Begründung einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit stellen daher den Vorschlag von Martens in ein neues Licht. Es ist also zu überlegen, ob der Schutz der Aktionäre statt einer entscheidungspolitischen Teilhabe vielmehr durch materiellrechtliche Ansprüche gewährleistet werden kann.340 Allerdings kann schon hier als Schwäche des Ansatzes die Einengung eines solchen Rechts auf Kapitalerhöhungen festgehalten werden. Denn die Aktionäre der Obergesellschaft werden bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß und Veräußerungen von Tochtergesellschaftsanteilen in gleicher Weise beeinträchtigt, da bei beiden Fällen in die Aktionärstruktur 338

Siehe auch Martens, ZHR 147 (1983), 377, 412 f., der allerdings auch auf den Schutz des Stimmrechtseinflusses abstellt. 339 Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 67; zustimmend etwa Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 543; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 273; Liebert, Bezugsrechtsausschluß, 2003, S. 43. 340 So auch Martens, ZHR 147 (1983), 377, 413 f.; siehe oben bei Fn. 332.

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der Tochtergesellschaft und damit in die Beteiligungsquote der Obergesellschaft eingegriffen wird und deren Aktionären eine Verwässerung ihres Beteiligungsvermögens droht.341

II. Beteiligungsspezifische Fortschreibung des aktienrechtlichen Erwerbsrechts Die Regelungen zu Maßnahmen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile in der unverbundenen AG lassen daran denken, entsprechend den dort bestehenden Schutzmechanismen in Fällen, bei denen keine Befassung der Hauptversammlung mit dem Erwerbsvorgang vorgesehen ist, den Schutz der Aktionäre durch das dem AktG zu entnehmende Erwerbsrecht zu erreichen. 1. Aktionärsschutz und Flexibilität der Geschäftsführung Trotz der vom BGH hoch angesetzten Wesentlichkeitsgrenzen für ungeschriebene Hauptversammlungsbefugnisse kann aus der Gelatine-Entscheidung nicht geschlossen werden, daß der BGH eine Verminderung des vermögensmäßigen Aktionärsschutzes im Interesse der Flexibilität der Geschäftsführung beabsichtigte. Deutlich wird zwar, daß der Schutz der Aktionäre mittels ungeschriebener Hauptversammlungsbefugnisse die Ausnahme sein soll, zugleich aber hebt der BGH die Bedeutung des Schutzes der Anteilseigner vor einer nachhaltigen Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung hervor.342 Damit stellt sich die Frage, ob die Aktionäre unterhalb der Wesentlichkeitsgrenze durch mitgliedschaftliche Individualrechte zu schützen sind, mittels derer sie außerhalb der Hauptversammlung ihren Schutz besorgen können. Der BGH bleibt in der Holzmüller-Entscheidung im Hinblick auf das Bestehen eines Bezugsrechts der Aktionäre bei Kapitalerhöhungen in der Tochtergesellschaft eher vage und das Gelatine-Urteil sowie der Beschluß von 2006 gehen auf den Problemkreis des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen nicht nä341 Ähnlich schon Heinsius, ZGR 1982, 383, 403 f.; auch Koppensteiner, in: KKAktG, 2004, Vorb. § 291 Rn. 102. 342 Vgl. dazu einerseits insbesondere die drei Leitsätze der Entscheidung v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30 (Gelatine), die jeweils den Ausnahmecharakter einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz ansprechen, und zum Vermögensschutz andererseits aaO, 40. Siehe auch BGH v. 10.10.2005 – II ZR 90/ 03, BGHZ 164, 249, 255 (Mangusta/Commerzbank II), wonach durch die Siemens/ Nold-Grundsätze „[k]einesfalls . . . aber der vom Gesetzgeber beabsichtigte Schutz der Aktionäre herabgesetzt und der Kompetenzbereich des Vorstandes zu Lasten der Hauptversammlung erweitert werden“ sollte; zu diesen Grundsätzen oben S. 257 ff.

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her ein. Da überdies das vom BGH vertretene Schutzkonzept auf der Beschlußfassung der Hauptversammlung der Obergesellschaft aufbaut, läßt sich den Entscheidungen nicht entnehmen, ob und wie der Schutz auf andere Weise als durch die Hauptversammlungsmitwirkung erreicht werden soll. a) Ausgangspunkt Im Spannungsfeld zwischen den strikten aktienrechtlichen Regelungen betreffend den Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien und dem vom BGH betonten Ausnahmecharakter ungeschriebener Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung nach Holzmüller-Grundsätzen steht die Frage nach dem Bestehen eines verlängerten Erwerbsrechtes zum vermögensmäßigen Schutz der Aktionäre. Richtet man den Blick auf den Regelfall des Unterschreitens der vom BGH aufgestellten Wesentlichkeitsgrenzen für die Hauptversammlungsbefassung nach Holzmüller-Grundsätzen, wird deutlich, daß es sich bei der Frage nach der beteiligungsspezifischen Fortschreibung des aktienrechtlichen Erwerbsrechtes um ein eigenständig zu lösendes Rechtsproblem handelt.343 Als Ausgangspunkt der Überlegungen sind zwei Fixpunkte festzuhalten: Dem Aktienrecht ist ein Grundsatz gleicher Zuteilung immanent, der der Verwaltung auferlegt, den Aktionären neu aus- oder wieder abgegebene Aktien der Gesellschaft unter Wahrung des Gleichbehandlungsgebotes anzubieten. Mit dieser Pflicht der Verwaltung korreliert das Recht der Aktionäre, das aus der Mitgliedschaft der Aktionäre folgt und den Aktionären einen Anspruch gegen die AG auf Zuteilung der Aktien gibt, der aus dem allgemeinen aktienrechtlichen Erwerbsrecht abzuleiten ist und in den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 und 186 Abs. 1 S. 1 AktG spezielle Ausprägung erfährt. Die Verwaltung darf von diesem Zuteilungsmaßstab bei sämtlichen Formen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Aktien der AG nur abrücken und einzelnen Aktionären oder Dritten die Aktien zum Erwerb anbieten, wenn die Hauptversammlung der AG dies beschlossen hat. Schutzzweck des Erwerbsrechts ist, die Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur der AG und dem damit verbundenen Risiko einer Verminderung ihres Beteiligungswertes und ihrer Vermögensrechte zu schützen. Die damit korrelierende Hauptversammlungskompetenz zum Ausschluß der konkreten Rechte der Aktionäre soll diesen die Entscheidung darüber belassen, ob mit dem Ausschluß dieser Rechte die Aktien den von der Verwaltung bestimmten Erwerbern angeboten und damit durch die Verwaltung in den Aktionärskreis eingegriffen werden soll, was mit dem Risiko einer Vermögensverschiebung von den Aktionären hin 343

So auch Lutter, AG 2001, 349, 351 Fn. 17.

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zu den Erwerbern, mit einer Änderung der Aktionärsstruktur und im Fall der Kapitalerhöhung zusätzlich einer Änderung der Beteiligungsquote der Aktionäre verbunden ist. In der Unternehmensgruppe besteht eine ungeschriebene Kompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft in sämtlichen Fällen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft, sofern man die Sonderfälle der Veräußerung der Anteile börsennotierter Gesellschaften über die Börse außer acht läßt. Grund ist die bei einer solchen Maßnahme drohende Gefahr, daß der Vorstand in die Beteiligungsquote der Obergesellschaft an der Tochtergesellschaft eingreift und hiermit den Beteiligungswert der Aktionäre der Obergesellschaft beeinträchtigt. Allerdings ist dabei zu beachten und in praktischer Hinsicht entscheidend, daß ein solches Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses nur bei Überschreitung einer hoch anzusetzenden, im Einzelfall zu bestimmenden Wesentlichkeitsgrenze besteht. b) Weiterer Fortgang der Untersuchung Für den weiteren Fortgang der Untersuchung ist daher zu klären, ob ein Schutzdefizit der Aktionäre aufgrund einer Anschauungslücke des Gesetzgebers besteht, die nach dem gesetzlichen Plan des Schutzes der Aktionäre vor den negativen Auswirkungen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen als ausfüllungsbedürftig anzusehen ist. 2. Schutzbedürfnis der Aktionäre Die Beschränkung der Hauptversammlungsbeteiligung auf krasse Fälle von Umstrukturierungen in der Unternehmensgruppe wehrt einer Aushöhlung der abgewogenen Kompetenzabgrenzung der Organe in der AG. Sie ist auch konsequent im Hinblick auf die Publikums-AG mit breit gestreutem Anteilsbesitz und einer Vielzahl von Publikumsaktionären, die zur Einflußnahme durch eine Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung unwillig sind, so daß es dem Interesse der Aktionäre zuwiderliefe, Hauptversammlungskompetenzen für Vorgänge in Tochtergesellschaften weitergehend als auf Ausnahmefälle auszudehnen. Aus der damit verbundenen Beschränkung des Schutzes läßt sich aber nicht schließen, daß unterhalb der vom BGH aufgestellten Wesentlichkeitsgrenzen kein Schutzbedürfnis der Aktionäre besteht. Die Ausführungen zur beteiligungsspezifischen Fortschreibung der §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG sowie § 186 Abs. 3 S. 1 AktG haben ge-

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zeigt, daß die Aktionäre durch eine solche Veräußerung der Anteile an der Tochtergesellschaft unter Wert in ihren mitgliedschaftlichen Belangen betroffen werden, was in der unverbundenen AG durch die Mitwirkung der Aktionäre nach diesen Vorschriften gerade verhindert werden soll. Die Beeinträchtigung ihres Beteiligungsvermögens stellt auch nicht einen bloßen Reflex einer falschen unternehmenspolitischen Entscheidung dar, so daß die Aktionäre nicht lediglich auf die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nach §§ 147 f. iVm. 93, 116 AktG zu verweisen sind.344 Vielmehr werden die Aktionäre durch eine Beschlußkompetenz geschützt. Die Aktionäre unterhalb der Wesentlichkeitsschwelle generell nur mittels Organhaftung vor einer Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens zu schützen, deckt sich nicht mit den Ausführungen des BGH in der Gelatine-Entscheidung zur Bedeutung des präventiven Schutzes des Beteiligungsvermögens der Aktionäre und den im Dritten Teil erarbeiteten präventiven aktienrechtlichen Schutzinstrumentarien.345 Da der BGH einer ausdehnenden ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz zu Recht eine Absage erteilt hat, die Aktionäre aber durch die Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen in gleicher Weise in ihrem Beteiligungsvermögen beeinträchtigt werden können wie bei der Gewährung von Anteilen der Obergesellschaft und damit ebenso schutzwürdig sind, besteht eine ausfüllungsbedürftige Schutzlücke. Es bedarf dabei einer einheitlichen Lösung, da sowohl bei der Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß als auch den Fällen der Veräußerung der Anteile an der Tochtergesellschaft die Beteiligungsquote der Obergesellschaft verändert wird und die Gefahr der Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre besteht. 3. Anschauungslücke des Gesetzgebers – Schutzdefizit der Aktionäre? Das AktG befaßt sich weder mit Mitwirkungsbefugnissen der Hauptversammlung, wie sie der BGH statuiert hat, noch mit Individualrechten der Aktionäre bei Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften oder sonstigen Formen des Erwerbs fremden Vermögens durch die Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen unter Drittbeteiligung,346 sondern enthält im Hin344

In diesem Sinne aber Habersack, AG 2005, 137, 147, und ders., WM 2001, 545, 548; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 545 f.; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 386 f.; Busch/Groß, AG 2000, 503, 507 (reSp.); Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 67. 345 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 f. (Gelatine); siehe dazu schon oben bei Fn. 181. 346 Auch § 320b Abs. 1 S. 1 bis 3 AktG und § 62 Abs. 1 UmwG regeln diesen Fall nicht, da die Vorschriften die Gewährung eigener Anteile an der eingliedernden

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blick auf die Hauptversammlungskompetenzen nur den Katalog des § 119 AktG, der trotz seines abschließend gemeinten Charakters ungeschriebene Hauptversammlungszuständigkeiten zuläßt.347 a) Anschauungslücke Das AktG ist grundsätzlich zugeschnitten auf das Einheitsunternehmen, was sich auch in den aktiengesetzlich statuierten Rechten der Aktionäre zeigt, so daß sich hieraus auch nichts zu den Fällen des Erwerbs fremden Vermögens durch die Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen entnehmen läßt.348 Es liegt also insoweit eine Anschauungslücke vor.349 Ihre Grundlage hat diese in dem eingeengten Blickwinkel des Gesetzgebers auf das Einheitsunternehmen und die Schutzrichtungen im Konzern, weshalb das Konzernrecht weniger im Hinblick auf die Kompetenzverschiebungen zwischen den Organen der Konzernobergesellschaft und einen damit notwendigen weitergehenden Schutz deren Aktionäre, sondern mehr als Schutzrecht für abhängige Gesellschaften und außenstehende Gesellschafter ausgeformt ist.350 Das gilt nicht nur für Hauptversammlungskompetenzen, sondern auch für mitgliedschaftliche Individualrechte wie das Erwerbsrecht. b) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes und Vergleichbarkeit der Sachverhalte? Dem läßt sich auch nicht entgegenhalten, daß dem Gesetzgeber diese Gefährdungssituation bekannt, er aber insoweit weiterhin untätig geblieben sei, da er eine Regelung dieses Bereichs nicht als nötig angesehen habe.351 oder übernehmenden Obergesellschaft zum Erwerb des Tochtergesellschaftsvermögens betrifft; hierzu oben S. 282 ff. zu § 62 UmwG und S. 287 zu § 320b AktG. 347 Dazu oben bei Fn. 54. 348 Als Ausnahme kann das sich inhaltlich auch auf verbundene Unternehmen beziehende Auskunftsrecht nach § 131 Abs. 1 S. 4 AktG genannt werden, wobei der Vorschrift aber nach der h. M. nur ein deklaratorischer Charakter zukommt; so MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 131 Rn. 62 mwN. in Fn. 122. Zur Bedeutung dieser Vorschrift im Konzern auch Schneider, in: FS Lutter, 2000, S. 1193, 1195 ff. 349 Dazu jetzt auch BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 40 (Gelatine), im Hinblick auf § 119 Abs. 2 AktG unter Bezugsnahme auf Hüffer, AktG, 2004, § 119 Rn. 18a, und Geßler, in: FS Stimpel, 1985, S. 771, 780. 350 Dazu näher S. 42 ff. 351 Allein aus der Untätigkeit des Gesetzgebers läßt sich noch nicht ableiten, daß eine bestehende Gesetzeslücke gerade nicht geregelt werden soll. Zur Parallele der Lückenhaftigkeit des kodifizierten AktG im Hinblick auf die Konzernbildung und des kodifizierten BGB vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Hinblick auf pVV und cic Wiedemann, 1988, Unternehmensgruppe, C I 2 (S. 45), und zur pVV

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Diese insbesondere im Hinblick auf die Frage nach einer analogen Anwendung des § 186 AktG zur Statuierung eines Bezugsrechts der Aktionäre auf Tochtergesellschaftsaktien vertretene Ansicht überzeugt daher nicht.352 Richtig ist allerdings, daß diese Vorschrift seit der Erkenntnis des Bestehens eines Schutzdefizits der Aktionäre in der Obergesellschaft, also spätestens seit dem Holzmüller-Urteil, insbesondere durch die Anfügung des S. 4 in Abs. 3 und die Neufassung der Abs. 2 und 5 der Vorschrift erhebliche Änderungen erfahren hat.353 Es wäre daher an sich möglich gewesen, dort auch ein Bezugsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft zu statuieren. Der Gesetzgeber hat also, wie der BGH hervorhebt, in Kenntnis der lang anhaltenden Diskussion Initiativen zur Regelung des Problems nicht ergriffen.354 Eine Gesetzeslücke ist aber insoweit nur dann abzulehnen, wenn der Gesetzgeber Bestimmungen absichtlich nicht in das Gesetz aufgenommen hat, da er keine Regelungsabsicht hatte.355 Im Gesetzgebungsverfahren zum UmwBerG 1994 sowie im Vorfeld der jüngeren Gesetzesreformen haben gewichtige Stimmen tiefgreifende Bedenken geäußert, die Holzmüller-Problematik in Gesetzesform zu fassen. So hat sich K. Schmidt gegen eine gesetzliche Verfestigung der Hauptversammlungskompetenzen im Sinne der Holzmüller-Doktrin ausgesprochen, da das gesetzgeberische Ziel eines allgemeinen Umgehungsschutzes gegen „faktische Strukturänderungen“ den Gesetzgeber überfordere und die Praxis damit vom Regen der Holzmüller-Doktrin in die Traufe einer lex stricta gelange.356 Und die Regierungskommission Corporate Governance sah in ihrem Bericht sowohl im Hinblick auf die Hauptversammlungskompetenzen als auch auf die Frage nach dem Bestehen eines Bezugsrechtes bei Börsengängen von Tochtergesellschaften von einer Empfehlung an den Gesetzgeals Gesetzeslücke (vor dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz) Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, 5. Kap. 2a (S. 193 f.). 352 So aber Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 45 (S. 265 f.); Kort, AG 2002, 369, 372; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 384; Semler/Volhard/ Schlitt, Unternehmensübernahmen, 2001, Bd. 1, § 23 Rn. 140; Busch/Groß, AG 2000, 503, 508 (liSp.); Götz, AG 1984, 85, 87 f.; siehe auch Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 71 (S. 110). 353 Zu § 186 Abs. 3 S. 4 AktG, der durch das DeregulierungsG v. 2.8.1994, BGBl. I S. 1961, angefügt wurde, und zur Änderung der Abs. 2 und 5 der Vorschrift durch das TransPuG v. 19.7.2002, BGBl. I S. 2681, oben S. 108 ff. 354 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 42 (Gelatine), unter Verweisung auf Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 301 f. 355 Dazu Larenz/Canaris, Methodenlehre, 1995, 5. Kap. 2a (S. 191). 356 So K. Schmidt, in: FS Heinsius, 1991, S. 715 ff., 727 ff., zu den in §§ 251, 252 des Diskussionsentwurfes eines neuen Umwandlungsrechts enthaltenen Umgehungsvorschriften; vor solchen Vorschriften über die „Verpflichtung zur Vermögensübertragung“ schon warnend ders., ZGR 1990, 580, 586 ff. Dem zustimmend Hüffer, in: FS Ulmer, 2003, S. 279, 289 Fn. 45.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

ber im wesentlichen mit der beachtlichen Begründung ab, daß auch von einer gesetzlichen Regelung nur neue Unklarheiten zu erwarten seien.357 Die im AktG bestehende Schutzlücke im Hinblick auf die Gefährdung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre durch den Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen ist damit zwar auf eine bewußte Untätigkeit des Gesetzgebers zurückzuführen.358 Diese hat ihren Grund aber nicht darin, daß der Gesetzgeber diesen Bereich nicht als regelungsbedürftig, sondern eher als nicht regelungsfähig ansieht.359 Hat der Gesetzgeber des AktG 1965 die Gefährdung von Konzernverbindungen auch für die Aktionäre der Obergesellschaft nur unvollständig erkannt, so liegt es auch nicht im gesetzgeberischen Plan, nach Erkenntnis des Bestehens dieser Regelungslücke ein derartiges Institut nicht zuzulassen. Das Fehlen einer Regelung kann daher nicht auf eine fehlende Regelungsabsicht des Gesetzgebers zurückgeführt werden.360 Im Hinblick auf die Gefährdung der Stellung der Aktionäre sind die Vorgänge in unverbundener AG und der Unternehmensgruppe vergleichbar. Durch den Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen wird auf der Ebene der Tochtergesellschaft in die Aktionärsstruktur sowie die Beteiligungsquote der Obergesellschaft eingegriffen, was zu einer Beeinträchtigung der vermögensmäßigen Beteiligung der Aktionäre führen kann, wie die untersuchten Fälle des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der Tochtergesellschaft zeigen. Im Hinblick auf die drohende Vermögensgefährdung sind daher die Vorgänge austauschbar und im Hinblick auf den Eingriff in die Beteiligungsquote und -struktur ähnlich.361 Die Aktionäre sind daher ebenso schutzwürdig, da bei einer Verwirklichung dieses Risikos das Beteiligungsvermögen der Aktionäre genauso verwässert wird wie im Falle der Unterbewertung der Aktien der Obergesellschaft. Die Sachverhalte stimmen daher in den für die rechtliche Bewertung maßgebenden Hinsichten überein. 357

Baums (Hrsg.), Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 79 bis 82 (S. 118 ff.) und Rn. 165 (S. 185 f.). Zum Zusammenhang des Berichtes und den jüngeren aktienrechtlichen Reformgesetzen oben S. 108 ff. 358 So Kort, AG 2002, 369, 372; Busch/Groß, AG 2000, 503, 508 (liSp.). 359 Siehe auch Altmeppen, ZIP 2004, 999, 1000 (reSp.), zum Vergleich der Schwierigkeiten der Konkretisierung der Holzmüller-Fälle und der Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften. 360 In diese Richtung auch Wackerbarth, AG 2002, 14, 16 mit Fn. 17; hiergegen wiederum Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 45 Fn. 4 (S. 265). 361 Eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte lehnen Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 45 (S. 265 f.), Habersack, WM 2001, 545, 547 ff., Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 273, und Busch/Groß, AG 2000, 503, 508 (liSp.), ab.

C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz

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4. Gesetzlicher Plan des Aktionärsschutzes Geschriebenes und ungeschriebenes Recht sind bei Eingriffen in die vermögensmäßige Beteiligung der Aktionäre sehr viel zurückhaltender als bei einem Eingriff in ihre Mitverwaltungsrechte. Es erscheint daher insbesondere im Hinblick auf den in der Gelatine-Entscheidung betonten Schutz des Beteiligungswertes der Aktionäre vor nachhaltigen Schwächungen durch grundlegende Entscheidungen fraglich, ob bei einem von hohen Schwellenwerten begrenzten Schutz der Aktionäre durch ungeschriebene Hauptversammlungskompetenzen stehen zu bleiben ist. Bei der Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen zum Erwerb fremden Vermögens besteht die Gefahr, daß diese den Erwerbern unter Wert angeboten werden, so daß der Vorgang maßgebend zu einer Beeinträchtigung des Beteiligungswertes der Aktionäre der Obergesellschaft führt. a) Erwerbsrecht und Verwässerungsverbot Ausgangspunkt der Gewährung der Anteile an der Tochtergesellschaft wie solcher der Obergesellschaft ist eine Ermittlung des Unternehmenswertes, sofern die Aktien nicht unter Orientierung am Börsenkurs veräußert werden sollen.362 Das AktG räumt den Aktionären bei der Wiederveräußerung eigener und der Ausgabe neuer Aktien in der unverbundenen AG ein Bezugsund Erwerbsrecht ein und sieht bei einem Ausschluß dieses Rechtes einen eigenen Anfechtungstatbestand in § 255 Abs. 2 S. 1 AktG vor.363 So dient das aus § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 und § 186 Abs. 1 S. 1 AktG abzuleitende Erwerbsrecht bei der Aus- und Abgabe von Aktien unabhängig von Schwellenwerten dem Schutz der Aktionäre davor, daß die Verwaltung Aktien an ihr genehme Erwerber unter Wert veräußert und damit neben dem Eingriff in den Aktionärskreis die Vermögensinteressen der Aktionäre beeinträchtigt. Im Hinblick auf die Angemessenheit des Ausgabebetrages bestehen danach hohe Hürden, da eine zur Anfechtung berechtigende Verwässerung dann eintritt, wenn die neuen Aktien zu einem Kurs ausgegeben werden, der den Verlust der mitgliedschaftlichen Vermögenssubstanz des vom Erwerb der Aktien ausgeschlossenen Aktionärs nicht vollständig kompensiert.364 § 255 Abs. 2 362 Zur Bestimmung des richtigen Ausgabekurses der Aktien im Falle des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG oben S. 249 ff. 363 Zum Verhältnis des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG zu den allgemeinen Anfechtungstatbeständen näher oben S. 98 ff. Zur Anwendung auf die hier besprochenen Maßnahmen Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 211, 213 und § 203 Rn. 131, 142, und ders., Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5 (S. 182 ff., insbes. 185). 364 So Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 2; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 515; Hirte, WM 1997, 1001, 1004; ausführlich Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 262 ff.; dazu näher unten Fünfter Teil.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

S. 1 AktG findet auch bei der Gewährung von Anteilen im Rahmen einer vermögensübertragenden Umwandlung für den hiermit einhergehenden Kapitalerhöhungsbeschluß der übernehmenden Gesellschaft Anwendung. Die Anteilsinhaber des übertragenden Rechtsträgers haben als Ausgleich der mit einem nachteilig festgesetzten Umtauschverhältnis verbundenen Beeinträchtigung ihres Beteiligungswertes ein Recht auf bare Zuzahlung, die sie im Spruchverfahren überprüfen lassen können, vgl. §§ 14 Abs. 2, 15 UmwG.365 Aktien- und Umwandlungsrecht sehen damit ein Schutzbedürfnis der Aktionäre vor Gefahren von Beteiligungswertbeeinträchtigungen aufgrund der Gewährung von Anteilen der kapitalerhöhenden bzw. übernehmenden Gesellschaft gegen Erwerb fremden Vermögens vor, so daß die Aktionäre durch eine Hauptversammlungsbefassung und das Erwerbsrecht geschützt werden. b) Genereller Vermögensschutz des Beteiligungswertes Der Gedanke, daß Beeinträchtigungen der Mitgliedschaft mit einem vollen Wertausgleich einhergehen müssen, der vermögensmäßige Beteiligungswert also in besonderer Weise zu schützen ist, zeigt sich neben § 255 Abs. 2 S. 1 AktG auch an weiteren Vorschriften des Aktien- und Umwandlungsrechts, wie der BGH schon in der Kali+Salz-Entscheidung ausführt. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG steht hiernach in einer Linie mit weiteren Regelungen, die im Interesse der Gesellschaft dem Aktionär eine quotale Beeinträchtigung seiner Mitgliedschaft abverlangen, für den mit seinem Beteiligungsverlust verbundenen Wertverlust aber einen vollen Wertausgleich zubilligen. Die Abfindungsvorschriften im Konzern- und Umwandlungsrecht, §§ 305 Abs. 3, 320b Abs. 1 AktG, §§ 30, 29 UmwG, die der BGH dort zitiert, lassen sich noch um die Abfindungsregelung des § 327b AktG ergänzen.366 Dies gründet sich auf dem vom BVerfG schon im Jahr 1962 aufgestellten, in jüngerer Zeit betonten und in der Gesetzesbegründung zur Einführung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß nach den §§ 327a ff. AktG herausgestellten generell geltenden Prinzip, daß die verlorenen Mitgliedschaftsrechte vermögensmäßig vollständig zu kompensieren sind.367 Dies gilt sowohl für den Vermögensausgleich im Falle einer fortbestehenden, aber geschmälerten Mitgliedschaft, als auch im Falle des vollständigen Ausscheidens gegen Erhalt einer Abfindung, wie im Zweiten Teil heraus365

Dazu oben S. 118 und S. 280 f. Der BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 (Kali+Salz), zitiert die §§ 305 Abs. 3 AktG, 320 Abs. 5 AktG a. F. (jetzt: § 320b Abs. 1 AktG) und § 12 UmwG a. F. (jetzt: § 30 UmwG). 367 Dazu oben S. 155 ff. 366

C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz

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gearbeitet wurde.368 Aktien dürfen daher nur zu einem Kurs ausgegeben oder wiederveräußert werden, der den Verlust der mitgliedschaftlichen Vermögenssubstanz des vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionärs vollständig kompensiert.369 Dementsprechend ist der Aktionär davor zu schützen, daß seine vermögensmäßige Beteiligung weder un- noch mittelbar ohne seinen Willen verkürzt oder geschmälert wird.370 Im Gegensatz zu den Herrschaftsrechten der Aktionäre, die infolge einer Abwägung der gegenläufigen Interessen eingeschränkt werden können, ist der Wert der Beteiligung der Aktionäre daher generell zu gewährleisten. Nach dem gesetzlichen Plan des Aktienrechts, den aktienrechtlichen Schutzrichtungen und -mechanismen müßte daher ein Recht der Aktionäre in einem solchen Falle geregelt sein, um diesen generellen Schutz zu gewährleisten.

III. Herleitung des aktienrechtlichen Erwerbsrechts in der Unternehmensgruppe Das allgemeine aktienrechtliche Erwerbsrecht und seine speziellen gesetzlichen Ausprägungen in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 und § 186 Abs. 1 S. 1 AktG folgen aus der Mitgliedschaft der Aktionäre. Nachfolgend ist daher zu klären, ob hieraus auch ein Recht im Hinblick auf die Tochtergesellschaftsaktien hergeleitet werden kann, das Korrelat zu einer aus den Treubindungen der AG gegenüber den Aktionären abzuleitenden Pflicht zur Zuteilung der Aktien unter Wahrung des Gleichbehandlungsgebots ist. 1. Ausgangspunkt Treubindungen im Verhältnis zwischen Aktionären und der AG, aus der eine Pflicht der AG und ein Recht der Aktionäre abgeleitet werden soll, können als mitgliedschaftliches Rechtsinstitut zur Anwendung kommen, wenn solche Veräußerungen im mitgliedschaftlichen Bereich wurzeln. Die im Schrifttum insbesondere im Hinblick auf Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften vertretene Ansicht, daß ein Erwerbsrecht sich nicht aus der Mitgliedschaft herleiten lasse, da das Bezugsrecht als mitgliedschaftsbezo368

Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 532. Dazu näher oben S. 158 ff. Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 140, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 515, 532 ff.; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 262 ff.; Habersack Mitgliedschaft, 1996, § 16 I 1 (S. 258 f.). 370 Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 56, stellt auf die Mitgliedschaft des Aktionärs im allgemeinen ab, was aber jedenfalls seit Einführung der §§ 327a ff. AktG nicht mehr durchgängig gilt. 369

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

genes Recht die Gesellschaftereigenschaft in der das Kapital erhöhenden Gesellschaft erfordere,371 steht einer unmittelbaren Anwendung des § 186 Abs. 1 S. 1 AktG auf solche Vorgänge entgegen, nicht aber einem Erwerbsrecht an sich. Denn Erwerbsvorgänge gegen Gewährung von Aktien der Tochtergesellschaft können die Mitgliedschaftsstellung der Aktionäre der Obergesellschaft, konkret deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse ebenso beeinträchtigen wie vergleichbare Vorgänge in der unverbundenen AG. Hierbei droht auch nicht die Gefahr der Durchbrechung der durch Rechtsträger gesetzten Grenzen; denn es geht um eine Pflicht der AG gegenüber ihren Aktionären und ein Recht dieser gegenüber ihrer Gesellschaft, auch wenn es sich bei den in Frage stehenden Anteilen um solche der Tochtergesellschaft handelt. Führt der BGH in der Holzmüller-Entscheidung an, daß solche Umstrukturierungsvorgänge in der Unternehmensgruppe in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und vor allem in deren im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteressen eingreifen können,372 sind auch im Hinblick auf solche Maßnahmen Treubindungen im Verhältnis der Obergesellschaft zu deren Aktionären zu beachten. Denn solche Vorgänge berühren den mitgliedschaftlichen Bereich der Aktionäre im Verhältnis zur AG.373 Allerdings ist damit noch nicht bestimmt, ob die Treubindungen der AG gegenüber ihren Aktionären nur Schutzpflichten vermitteln, wie im Dritten Teil herausgearbeitet wurde, oder auch zusätzliche Teilhaberecht begründen können.374 2. Reichweite der Treubindungen Dafür ist die Möglichkeit der Begründung eines Anspruchs anhand der Reichweite der neben rechtsbegrenzenden Rücksichtnahmepflichten bestehenden rechtsbegründenden Pflichten der AG gegenüber ihren Aktionären näher zu untersuchen. Im Hinblick auf die Reichweite anspruchsbegründender Treupflichten der AG gegenüber ihren Aktionären stellt sich dabei insbesondere die Frage, ob diese Treubindungen nur bestehende 371 Kort, AG 2002, 369, 370 (liSp.); Habersack, WM 2001, 545, 548; Trapp/ Schick, AG 2001, 381, 384; Heidkamp, Börsengang, 2003, S. 147. 372 Siehe dazu auch die Bezugnahme des BGH in der Holzmüller-Entscheidung auf die Kali+Salz-Entscheidung und die dort geforderten sachlichen Voraussetzungen an den Bezugsrechtsausschluß (siehe das Zitat bei Fn. 311), die den Treubindungen zuzurechnen sind. 373 Siehe zu Veräußerungsvorgängen in der unverbundenen AG oben Dritter Teil. 374 Siehe etwa Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 5a, der im hier untersuchten Zusammenhang das erste bejaht, das letzte aber ablehnt; ebenso Habersack, WM 2001, 545, 548; dem zustimmend Herfs, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 4 Rn. 30 (S. 141).

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Pflichten präzisieren, ergänzen und modifizieren oder weitergehend auch eigene Anspruchsgrundlagen liefern. a) Rechtsbegrenzung, Rechtsbegründung und Rechtsfortbildung Für die Treubindungen im Verhältnis von Mehr- und Minderheit und Verband und Mitglied ist strittig, ob diese nur Rechtsausübungsschranken darstellen und damit weder Ansprüche auf ein bestimmtes Verhalten noch auf Schadensersatz begründen375 oder weitergehend nicht nur rechtsbegrenzende, sondern auch anspruchsbegründende Wirkung haben.376 Nach der h. M. folgen aus den Treubindungen im hier zu untersuchenden Verhältnis zwischen AG und Aktionären nicht nur rechtsbegrenzende Rücksichtnahmepflichten, sondern auch anspruchsbegründende, aktive Förderpflichten, die allerdings vornehmlich als Pflicht der Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft befürwortet werden.377 Betrachtet man nochmals die Pflicht zur Gleichbehandlung, die funktional vergleichbar und desselben Ursprungs wie die Treupflicht ist,378 zeigt sich einerseits, daß sich die Pflichten rechtsbegrenzend auf das Verhalten der AG und ihrer Organe auswirken können. So versagt etwa das im Gleichbehandlungsgebot enthaltene Verbot der AG, Aktionäre unter gleichen Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung und in diesem Sinne willkürlich ungleich zu behandeln.379 Auf der anderen Seite hat die Pflicht zur Gleichbehandlung iSd. § 53a AktG zugleich rechtsbegründende Wir375 So für das Verhältnis von Mehr- und Minderheit etwa Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949, 950 f. 376 Siehe etwa Hüffer, AktG, 2008, § 179 Rn. 30 ff., § 53a Rn. 13 ff., 16 und 20: Pflicht zur positiven Stimmabgabe aus Treupflicht möglich; Lutter, ZHR 162 (1998), 162, 167 und 176 ff.; umfassend Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 142 ff.; siehe auch Spindler/Stilz/Cahn/Senger, AktG, 2007, § 53a Rn. 38. 377 Dazu MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, Vor § 53a Rn. 28; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 16, und ders., in: FS Steindorff, 1990, S. 59, 76; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 81 ff.; K. Schmidt, GesR, 2002, §§ 19 III 1a (S. 552 ff.), 20 V 3c (S. 616); Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 IV 2 (S. 166 f.); Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 166 f., 176 ff., ders., JZ 1995, 1053, 1054, ders., ZHR 153 (1989), 446, 467 ff., und ders., AcP 180 (1980), 84, 102 ff.; Henze, BB 1996, 489, 493; Brändel, in: GroßKommAktG, 1992, § 1 Rn. 88; Timm, WM 1991, 481, 483; Wiedemann, in: FS Heinsius, 1991, S. 949, 950 f.; Winter, Treubindungen, 1988, § 17 (S. 295 ff.). 378 Zum Verhältnis von Treupflicht und Gleichbehandlungsgebot oben S. 338 ff. 379 Hierzu MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 11 ff.; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 4; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 19 ff. Zur Bindung der Organe der AG an den Gleichbehandlungsgrundsatz Bungeroth, aaO, Rn. 5; Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 53a Rn. 25.

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

kung, auch wenn der Gleichbehandlungsgrundsatz vorrangig ein objektivrechtliches Postulat darstellt,380 da dieser Grundsatz auch ein dem einzelnen Mitglied zugewiesenes subjektives Recht beinhaltet. Hiermit können sich die Aktionäre gegen Maßnahmen der Gesellschaftsorgane wenden, sofern diese einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen.381 Der Grundsatz gibt dem einzelnen Aktionär damit Abwehransprüche gegen die Bevorzugung anderer in Form von Sondervorteilen. Hauptversammlungsbeschlüsse sind anfechtbar, wenn sie gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoßen,382 und es besteht ein Anspruch auf aktive Gleichbehandlung,383 so etwa einen Anspruch auf Gleichbehandlung bei Kapitalerhöhungen in der Gestalt des Bezugsrechts.384 Zwar ist nur der Gleichbehandlungsgrundsatz gesetzlich statuiert, womit die mit dieser Pflicht der Gesellschaft korrespondierenden Rechte der Aktionäre stabilisiert werden.385 Als umfassenderes Prinzip begründet aber auch die Treupflicht subjektive Rechte der Aktionäre gegenüber der AG als Korrelat deren Einwirkungsmöglichkeiten. Die rechtsdogmatische Einordnung der Treupflicht als Teil des mitgliedschaftlichen Rechtsverhältnisses 380 So K. Schmidt, GesR, 2002, § 19 III 3c bb (S. 559); Brändel, in: GroßKommAktG, 1992, § 11 Rn. 13. 381 MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 32 ff.; Fleischer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 53a Rn. 14; Spindler/Stilz/Cahn/Senger, AktG, 2007, § 53a Rn. 33 f.; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 127 ff. 382 Dazu MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 28 f.; Spindler/Stilz/ Cahn/Senger, AktG, 2007, § 53a Rn. 32; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 19 und 127. 383 MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, § 53a Rn. 32; Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 12; Spindler/Stilz/Cahn/Senger, AktG, 2007, § 53a Rn. 34; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53 Rn. 128; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 3 I 3 (S. 56); Lutter/Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1988, Vor § 53a Rn. 35, 41. Zu Unterlassungsansprüchen der Aktionäre wegen einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots, die zugleich einen Eingriff in die Vermögensrechte der Aktionäre darstellt, Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, Vor §§ 118–147 Rn. 224 iVm. 216; Schulz-Gardyan, Aktionärsklage, 1991, S. 124 f. Weitergehend Zöllner, ZGR 1988, 392, 405 f., 427, und Lutter, ZHR 162 (1998), 164, 179, die Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen gegenüber ungleich behandelnden Maßnahmen von Vorstand und Aufsichtsrat befürworten. Siehe auch Verse, Gleichbehandlungsgrundsatz, 2006, § 17 I (S. 379 ff.): Beseitigung des Gleichbehandlungsverstoßes, § 17 II (399 ff.): Schadensersatz, und § 17 III (S. 412 ff.): Unterlassen des Gleichbehandlungsverstoßes. 384 Dazu BGH v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 186 (Minimax II); aus dem Schrifttum etwa MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 80; Henze/ Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53 Rn. 125. 385 Hüffer, AktG, 2008, § 53a Rn. 3; Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 18.

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zeigt, daß diese auf Gegenseitigkeit beruht und daher auch Ansprüche der Aktionäre gegen die AG begründen kann. Der AG obliegende Treubindungen gegenüber ihren Aktionären haben damit nicht nur rechtsbegrenzende, sondern können auch rechtsbegründende Wirkung haben. Diese zwei Wirkungsrichtungen der Treubindung entsprechen den rechtsfunktionalen Anknüpfungspunkten der Treupflicht, der Korrelation zwischen Rechtsmacht und Verantwortung und der mitgliedschaftlichen Zweckförderungspflicht,386 die eine Schrankenfunktion wie auch eine Begründungsfunktion im Hinblick auf zusätzliche Handlungs- und Unterlassungspflichten vermitteln.387 Das Verhältnis zwischen der AG und ihren Aktionären wird daher nicht nur durch rechtsbegrenzende Formen der Rechtsbindungen, sondern auch durch Treupflichten in Gestalt von Handlungs- und Unterlassungspflichten bestimmt.388 So hat der BGH in Erweiterung des ursprünglich vorherrschenden Gedankens einer Treupflicht der Aktionäre später als ergänzendes Gegenstück auch die Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären ausdrücklich ausgesprochen. Hiernach muß die AG auf Grundlage der sie bindenden Treupflicht den Aktionären die Möglichkeit geben, ihre Mitgliedschaftsrechte ungehindert auszuüben und ungerechtfertigte Rechtsbeeinträchtigungen zu unterlassen.389 So wird in der Folge im Schrifttum befürwortet, daß Aktionären ein klagbarer Anspruch auf Erfüllung ihres Begehrens einzuräumen sei, wenn die AG diesen ein berechtigtes Begehren unter Verstoß gegen die ihr im Verhältnis zu den Aktionären obliegende Treupflicht abspreche.390 Da als Kehrseite der rechtsbegrenzenden Wirkung für den Verpflichteten Treubindungen zugunsten des Begünstigten rechtsbegründende Wirkung entfalten, können Ansprüche der Aktionäre gegen die AG aus dem Mitgliedschaftsver386 Hierzu K. Schmidt, GesR, 2002, § 20 IV 1b (S. 588), und dazu schon oben S. 87 ff. 387 Hierzu auch Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 IV (S. 161). Die Übergänge zwischen Handlungs- und Unterlassenspflichten sind fließend, wie die Überlegungen zur Gleichbehandlung der Aktionäre zeigen. Die Schrankenfunktion gewinnt vor allem Bedeutung im Rahmen von Mehrheits-/Minderheitskonflikten, bei denen wie in der Linotype-Entscheidung die Aktionärsstruktur der AG wesentlich durch Großaktionäre geprägt ist, die gemeinsam ihren Einfluß zu Lasten der Minderheit ausüben, oder die Minderheitsaktionäre wie im Girmes-Urteil Einwirkungsmacht haben; dazu oben S. 339 ff. 388 Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 238; Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 IV (S. 161). 389 BGH v. 19.9.1994 – II ZR 248/92, BGHZ 127, 107, 111 (BMW), und v. 20.3.1993 – II ZR 205/94, BGHZ 129, 136, 142 (Girmes): „nicht nur die Beziehungen zwischen den Aktionären und der Aktiengesellschaft . . . von der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht bestimmt“. 390 Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 142; so auch schon Lutter, AcP 180 (1980), 84, 122 f.

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hältnis und den Treubindungen abgeleitet werden. Wie Weber darlegt, können dadurch vorhandene Regelungen auf vergleichbare, nicht geregelte Sachverhalte ausgedehnt und Schutzlücken unter Rückgriff auf allgemeine Topoi der Treupflicht geschlossen werden, um so die rechtsbegründende Wirkung gesellschaftlicher Treubindungen zu entfalten.391 Hierbei handelt es sich nicht nur um neue Anwendungsbeispiele der rechtsbeschränkenden, -begründenden und rechtsanpassenden Wirkung von Treupflichten, sondern um institutionelle Ausformungen neuer Rechtsbereiche.392 b) Folgerungen Es ist daher dem BGH und den Ansichten im Schrifttum darin zuzustimmen, daß sich aus der Treubindung der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären auch eine Pflicht ableiten läßt, die im mitgliedschaftlichen Bereich liegenden berechtigten Anliegen eines Aktionärs, deren Erfüllung sachlich möglich und geboten ist, weil eine sachlich gerechtfertigte Ablehnung nicht in Betracht kommt, tatsächlich zu erfüllen.393 Im Einzelfall kann sich daher aus der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären die Pflicht ergeben, ihnen Vermögens- oder Mitwirkungsrechte einzuräumen, wobei die Reichweite der Treubindungen und damit hieraus abgeleiteter Rechte entscheidend von der Realstruktur der Gesellschaft abhängen.394 Die Ausprägung dieses Gedankens, der im Rahmen des § 186 Abs. 1 S. 1 AktG durch den Mehrheits-/Minderheitskonflikt und die in den Vordergrund gerückten Treubindungen in diesem Verhältnis verdeckt wird, zeigt sich deutlich bei dem Erwerbsrecht auf wiederveräußerte Aktien in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 AktG. Der Wortlaut der Vorschrift regelt mit der Bezugsnahme auf § 53a AktG nur ein Teilproblem. Der Gesetzgeber hat mit der Norm einen Grundsatz gleicher Zuteilung statuiert, der den Aktionär nicht nur vor einer Ungleichbehandlung gegenüber Mitaktionären, sondern auch einer Bevorzugung Dritter schützen soll.395 Die aus dem Grund391

So Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 IV 2 (S. 166 f.). Weber, Vormitgliedschaftliche Treubindungen, 1999, § 6 IV 4 (S. 173 ff.). Die Entwicklung gesetzlich nicht vorgesehener Einzelklagerechte der Aktionäre durch die Holzmüller-, Siemens/Nold- und Mangusta/Commerzbank-Rspr. des BGH (dazu oben S. 224 ff.) können als Rechtsfortbildung auf der Grundlage des Treupflichtgedankens angesehen werden; dazu Weber, aaO, § 6 IV 4g (S. 177). 393 So Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, § 53a Rn. 87 a. E. 394 Dazu auch BGH v. 1.2.1988 – II ZR 75/87, BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype), der für die Ausgestaltung der Treupflicht zwischen den Mitgliedern auf die Struktur der Gesellschaft abstellt. Entsprechendes hat aber auch für die Treupflicht zwischen der AG und ihren Aktionären zu gelten. 395 Zur Auslegung der Norm anhand teleologischer und historischer Aspekte oben S. 338 ff. 392

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satz gleicher Zuteilung abzuleitende Pflicht der AG entspringt ihrer Treupflicht gegenüber den Aktionären und findet in dem Recht der Aktionäre auf Zuteilung der Aktien und dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG seine Ausprägung. 3. Grenzen der Treubindungen und hieraus abzuleitender Rechte Aufgrund der Dichte der geschriebenen Regelungen ist die Begründung von Schutzinstrumentarien anhand von Treubindungen problematisch. Denn Grundentscheidungen sowie Einzelregelungen des AktG dürfen nicht durch eine vorschnelle Bejahung von Pflichten aufgrund von Treubindungen unterhöhlt werden. Auf der Treupflicht basierende Ansätze können also nur dort Raum finden, wo das Gesetz keine abschließende Entscheidung getroffen hat. a) Strukturelle Eingrenzung Die Anerkennung einer umfassenden aktienrechtlichen Treupflicht bringt eine Gefahr für die Rechtssicherheit mit sich, da sie sich negativ auf die Verläßlichkeit der von den Gesellschaftsorganen getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen auswirkt,396 so daß die Treupflicht nicht unreflektiert als genereller Begründungstopos für sonst nicht begründbare Rechtsfolgen herangezogen werden darf.397 Rechtsbegründungen anhand der Generalklausel der Treupflicht sind deshalb mittels der Entscheidungen zu entwickeln, die der Gesetzgeber im geltenden AktG getroffen hat. Für auf die Treupflicht gestützte Lösungsansätze ist daher kein Raum, wenn das Gesetz diesen Bereich abschließend regelt.398 Weiterhin ist zu beachten, daß eine ausdehnende Anwendung der Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären Gefahr läuft, den unternehmerischen Freiraum der Gesellschaft und ihres Leitungsorgans in nicht zu verantwortender Weise einzuschränken.399 Die vom BGH betonte Bedeutung der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit, die nicht durch eine zu enge Bindung an Hauptversammlungszuständigkeiten unterlaufen werden darf, ist 396 Dazu Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 12 und 97; Röhricht, in: HdB Corporate Governance, 2003, S. 513, 525 ff., 544 ff.; Brändel, in: GroßKommAktG, 1992, § 1 Rn. 89. 397 So Dreher ZHR 157 (1993), 150, 170; Westermann ZHR 156 (1992), 203, 207 f. und 210 f. 398 Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 97. 399 Hierzu auch Röhricht, in: HdB Corporate Governance, 2003, S. 513, 534 f.; Henze, ZHR 162 (1998), 186, 189; Wiedemann, ZGR-SH 13, 1998, S. 5, 22 f.

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hier besonders zu berücksichtigen, so daß ein aus Treubindungen abgeleiteter Aktionärsschutz nicht zu einem unverhältnismäßigen Effizienzabbau, Steigerung von Transaktionskosten und Schwerfälligkeit von Entscheidungsprozessen führen darf.400 Positive Handlungspflichten können also nur unter größter Zurückhaltung begründet werden. b) Personelle Eingrenzung? Eine Begründung von Treubindungen der börsennotierten Publikumsgesellschaft, aus der zugunsten von Anlegeraktionären Rechte hergeleitet werden, scheint in Widerspruch zu stehen mit der Zurückdrängung deren mitgliedschaftlicher Position durch die Reformgesetze der jüngeren Zeit und der kapitalmarktorientierten Auslegung aktiengesetzlicher Vorschriften. Stellt man auf den Ausgangspunkt ab, nämlich das Verhältnis des entgegengebrachten Vertrauens und der Einwirkungsmacht, so kann auch anlageorientierten Aktionären der Schutz durch Treubindungen allerdings nicht versagt werden.401 Im Hinblick auf deren Interesse und das der AG anvertraute Kapital können Treubindungen in diesem Verhältnis im Vergleich zu Treubindungen zugunsten unternehmerisch orientierter Aktionäre nicht bei der Frage ihrer Anerkennung, sondern vielmehr ihrer Richtung voneinander abweichen. Treubindungen im Verhältnis der AG zu ihren Aktionären werden bei der zunehmend breiteren Streuung der Aktien der börsennotierten Publikumsgesellschaften mit dem im Zweiten Teil dargestellten Absinken der Möglichkeiten zur Einflußnahme bedeutsam, da die Verwaltung damit korrelierend erhebliche Einwirkungsmacht hat.402 Entsprechendes gilt für Umstrukturierungen in der Unternehmensgruppe. Bestehen gesteigerte Einwirkungsmöglichkeiten der AG auf die vermögensmäßige Beteiligung der Aktionäre wie insbesondere bei Maßnahmen in der Unternehmensgruppe, die unterhalb der Holzmüller-Schwelle liegen und daher keiner Hauptversammlungszustimmung bedürfen, so entfalten Treubindungen begrenzende Wirkung, als hieraus eine Pflicht der AG zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Aktionäre abzuleiten ist. Damit korreliert allerdings auch ein aus der rechtsbegründenden Wirkung der Treubindungen folgendes Recht der Aktionäre, mit dem diese ihren Schutz erreichen können.

400

Dazu auch Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 12. Zur Berücksichtigung der Realstruktur der Gesellschaft bei der Bestimmung der Reichweite von Treubindungen auch Winter, Treubindungen, 1988, § 11 (S. 185 ff., insbes. S. 188). 402 Dazu oben S. 130 ff. 401

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c) Folgerungen Methodisch lassen sich Rechte der Aktionäre und daraus folgende Ansprüche gegen die AG nur einzelfall- oder fallgruppenbezogen beurteilen.403 Zum einen werden sonst Wertungen des Gesetzes übergangen, die bestimmte Bereiche des Verhältnisses zwischen AG und Aktionären abschließend regeln. Zum anderen ist die Treupflicht als solche nicht subsumtionsfähig, so daß sich allein hieraus nicht Voraussetzungen und Rechtsfolgen, sondern nur bestimmte Wertungsgrundlagen herleiten lassen. Überdies entscheidet die tatsächliche, auch im Wege eines Handelns oder Unterlassens eröffnete Einwirkungsmöglichkeit des einzelnen Gesellschafters auf die AG und umgekehrt, die Mitgliedschaftsstellung und die diese Stellung maßgeblich (mit-)bestimmende Realstruktur der Gesellschaft über Inhalt und Reichweite der Treubindungen.404 Es bedarf also einer einzelfallbezogenen Betrachtung der Fälle des Erwerbs fremden Vermögens durch Gewährung eigener Anteile, um nicht die Wertungen des AktG zu übergehen und die Rechtssicherheit durch „interessenjuristische Wünsche und freirechtliche Begehrlichkeiten“ zu gefährden.405

IV. Vereinbarkeit des Erwerbsrechtes mit gesetzlichen Wertungen Die Herleitung eines Erwerbsrechts zum Schutz der Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung ist nur zulässig, wenn sich ein solches aus den Rechtsprinzipien des Aktienrechts entnehmen läßt und nicht den Wertungen des AktG widerspricht. 1. Vereinbarkeit mit den Wertungen des AktG und UmwG Das Erwerbsrecht in den Fällen der Gewährung von Tochtergesellschaftsaktien muß mit den umwandlungsrechtlichen Wertungen, insbesondere den Spaltungsvorschriften vereinbar sein, und sich zum anderen in das aktiengesetzliche System der mitgliedschaftlichen Rechte der Aktionäre einordnen lassen.

403

Hierauf weist Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 230, hin. So Lutter in: FS BGH II, 2000, S. 319, 332, ders., AcP 180 (1980), 105, 109 und 126, und ders., ZHR 153 (1989), 446, 452 f.; Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 II 3b (S. 434), und ders., in: FS Heinsius, 1991, S. 949, 953. 405 So Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 I (S. 337), mit Zitat von Wieacker, Zur rechtstheoretischen Präzisierung des § 242 BGB, 1956. 404

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a) Erwerbsrecht und UmwG Im Hinblick auf die Spaltungsvorschriften, §§ 123 ff. UmwG, hat Habersack angeführt, daß sich ein gesetzliches Erwerbsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft auf Aktien der Tochtergesellschaft nicht mit den Wertungen dieser Vorschriften vertrage.406 Die Aktionäre der Obergesellschaft befinden über die Spaltung im Wege eines Hauptversammlungsbeschlusses, §§ 125, 13 Abs. 1, 65 UmwG, so daß sie es in der Hand haben, zu entscheiden, ob als Gegenleistung der Vermögensübertragung durch die Obergesellschaft Anteile von dem übernehmenden Rechtsträger an die Obergesellschaft selbst oder ihre Aktionäre gewährt werden sollen, vgl. § 123 Abs. 2 und 3 UmwG. Nach dem UmwG ist es also Sache der Aktionäre, zu entscheiden, ob sie Anteile des übernehmenden Rechtsträgers erhalten wollen. Dies deckt sich mit der Konzeption der Holzmüller-Entscheidung und bestätigt diese, wonach die Aktionäre im Hinblick auf Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften darüber zu befinden haben, ob ein Bezugsrecht der Obergesellschaft auf die neuen Aktien der Tochtergesellschaft an sie weitergereicht werden soll.407 Nach Habersack läuft die Forderung, den Aktionären der Obergesellschaft ein gesetzliches Bezugsrecht auf die durch eine Kapitalerhöhung geschaffenen Aktien der Tochtergesellschaft zu gewähren, darauf hinaus, die im Wege der Einzelrechtsnachfolge vollzogene Ausgliederung der Abspaltung anzunähern. Eine solche Annäherung sei aber nicht durch die Interessen der Aktionäre der ausgliedernden Gesellschaft geboten, was sich für die Ausgliederung durch die Wahlmöglichkeit nach § 123 UmwG zeige und durch § 125 S. 2 UmwG bestätigt werde.408 Die im Dritten Teil untersuchten Wertungen des AktG zeigen, daß die Aktionäre in Fällen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der unverbundenen AG entweder durch eine Beschlußkompetenz der Hauptversammlung oder ein Erwerbsrecht auf die Aktien geschützt werden. Das Schutzkonzept des UmwG und der Holzmüller-Doktrin setzt insoweit bei dem Hauptversammlungsbeschluß an und räumt den Aktionären damit die Möglichkeit ein, hierüber zu entscheiden und sich auf mögliche Gefahren bewußt einzulassen. Anderes gilt aber dann, wenn keine Hauptversammlungskompetenz besteht, also die Maßnahme in der Tochtergesellschaft nicht die Schwellenwerte erreicht, die der BGH in der Gela406 Habersack, WM 2001, 545, 547 f., speziell zum Erwerbsrecht beim Börsengang einer Tochtergesellschaft, das im nächsten Teil behandelt werden soll. 407 So auch Habersack, WM 2001, 545, 547 (reSp.); siehe auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 523. 408 Habersack, WM 2001, 545, 547 f.

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tine-Entscheidung betont, da dann auch die Wahlmöglichkeit des § 123 UmwG nicht zugunsten der Aktionäre besteht. In solchen Fällen des Erwerbs fremden Vermögens durch die Gewährung von Aktien in der unverbundenen AG, bei denen den Aktionären kein Mitentscheidungsrecht zukommt, werden diese grundsätzlich über das aktienrechtliche Erwerbsrecht geschützt. Die Aktionäre bei vergleichbaren Maßnahmen in der Unternehmensgruppe mit entsprechenden Gefahren für ihr Beteiligungsvermögen auf den Schutz durch eine Haftung der Organe nach den §§ 93, 116 AktG zu verweisen, entspricht nicht dem im AktG angelegten Schutz des Beteiligungsvermögens der Aktionäre vor einer Verwässerung durch die Gewährung gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen unter Wert. Das als Rechtsprinzip im AktG angelegte aktienrechtliche Erwerbsrecht dient dem präventiven Schutz der Aktionäre vor einem Eingriff des Vorstandes in den Aktionärskreis, der ihr Beteiligungsvermögen nachteilig beeinflußt, und dies gerade auch dann, wenn die Hauptversammlung hierüber nicht beschließt.409 b) Schutz der Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung? Nach § 118 Abs. 1 Hs. 1 AktG üben die Aktionäre ihre Rechte in den Angelegenheiten der Gesellschaft in der Hauptversammlung aus. Das Schutzsystem des UmwG setzt ebenfalls bei dem Beschluß der Gesellschafterversammlung nach § 13 UmwG an.410 Damit erscheint fraglich, ob ein außerhalb der Hauptversammlungskompetenz bestehendes Erwerbsrecht der Aktionäre mit den Wertungen des AktG und UmwG zu vereinbaren ist. Eine Gesamtbetrachtung der verschiedenen aus der Mitgliedschaft der Aktionäre folgenden Rechte zeigt allerdings, daß es sich bei den versammlungsgebundenen Rechten sämtlich um Verwaltungsrechte handelt, hingegen Vermögensrechte außerhalb der Hauptversammlung auszuüben sind.411 Hierzu zählen das Recht auf Zahlung der Dividende nach beschlossener Gewinnausschüttung, §§ 58 Abs. 4, 60 AktG, das Bezugsrecht nach beschlossener Kapitalerhöhung, § 186 Abs. 1 S. 1 AktG, und das Recht auf den anteiligen Liquidationserlös nach § 271 Abs. 1 AktG, wie auch das Erwerbsrecht nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 AktG. Im Gegensatz zu den ver409 Siehe zum Zweck der Hauptversammlungskompetenz beim Erwerb und einer nachfolgenden Wiederveräußerung der Aktien entgegen dem Grundsatz gleicher Zuteilung oben S. 273 ff. 410 Zum Sonderfall des § 62 Abs. 1 S. 1 UmwG siehe oben S. 282 f. 411 Hüffer, AktG, 2008, § 118 Rn. 7 f.; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 118 Rn. 17; Spindler/Stilz/Hoffmann, AktG, 2007, § 118 Rn. 9 f.; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 118 Rn. 34, 49; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 118 Rn. 16; zu der gängigen Einteilung der Aktionärsrechte in Verwaltungs- und Vermögensrechte Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Vor §§ 53–75 Rn. 37.

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sammlungsgebundenen Verwaltungsrechten können und sind die Vermögensrechte außerhalb der Hauptversammlung auszuüben, da es sich hierbei nicht um Aktionärsrechte in Angelegenheit der Gesellschaft im Sinne der Konzentrationsregel des § 118 Abs. 1 AktG, sondern um Gläubigerrechte handelt, die aus dem mitgliedschaftlichen Vermögensstammrecht folgen.412 Wie das Erwerbsrecht zeigt, besteht ein solches Recht auch, wenn im Vorfeld kein Beschluß über die Gewährung der Anteile gefaßt wurde. Ein solches Recht, das den Aktionären zur Ausübung außerhalb der Hauptversammlung eingeräumt wird, steht also mit den Wertungen des AktG und des UmwG nicht in Widerspruch. 2. Vereinbarkeit mit dem aktiengesetzlichen System der Vermögensrechte der Aktionäre Ergaben die Untersuchungen zur Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären, daß Treubindungen auch rechtsbegründende und -fortbildende Wirkung haben und daher hieraus auch mitgliedschaftliche Individualrechte hergeleitet werden können, so ist über die Vereinbarkeit der Herleitung eines solchen Rechts mit den Regelungen des AktG noch nichts gesagt. Hierfür bedarf es der Betrachtung der Individualrechte der Aktionäre insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob diese durch das AktG abschließend statuiert werden. a) Abschließender Charakter des AktG im Hinblick auf Individualrechte der Aktionäre? Die aktiengesetzliche Zulässigkeit der Erweiterung der Rechte der Aktionäre wird im Schrifttum vornehmlich im Zusammenhang mit der Frage diskutiert, welche Individualrechte in der Satzung geregelt werden können, die nicht bereits nach dem AktG gewährt werden. Eine Erweiterung der Rechte aller Aktionäre in der Gründungssatzung oder durch Satzungsänderung nach § 179 Abs. 1 und 2 AktG ist möglich, soweit das Gesetz die Stärkung von Aktionärsrechten gestattet.413 In der Kommentarliteratur wird als Beispiel zulässiger Rechtserweiterung regelmäßig auf die Möglichkeit hingewiesen, das allgemeine Bezugsrecht der Aktionäre nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG satzungsmäßig nach § 186 Abs. 3 S. 3 AktG so auszugestalten, daß das konkrete Bezugsrecht nur mit Zustimmung des einzelnen Aktionärs ausge412 Hüffer, AktG, 2008, § 118 Rn. 7; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 118 Rn. 46 f.; Mülbert, in: GroßkommAktG, 1999, § 118 Rn. 12; Wiedemann, aaO, 1995, § 186 Rn. 61; Henn, BB 1982, 1185 ff. 413 Brändel, in: GroßKommAktG, 1992, § 11 Rn. 33.

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schlossen werden darf.414 Für die Schaffung weiterer Vermögensrechte steht damit in Frage,415 ob dies mit dem aktiengesetzlichen System der Vermögensrechte der Aktionäre in Einklang zu bringen ist. Sofern nach dem Gesetz die Satzung dahingehend errichtet bzw. geändert werden kann, um den Aktionären ein solches Recht einzuräumen, steht eine solche Rechtserweiterung mit dem AktG in Einklang. Anzuknüpfen ist an § 58 Abs. 5 AktG, der die Möglichkeit einer Sachausschüttung vorsieht. Läßt sich hiernach eine Regelung in die Satzung aufnehmen, daß die Aktionäre einen Anspruch auf Zuteilung von Tochtergesellschaftsaktien haben, sofern sie einen entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluß iSd. § 58 Abs. 5 AktG fassen, so kann dieses Recht nicht als unvereinbar mit dem aktiengesetzlichen System der Aktionärsrechte angesehen werden. Zur Beurteilung der Frage zulässiger Rechte ist daher die Reichweite des § 58 Abs. 5 AktG vor dem Hintergrund des in § 23 Abs. 5 S. 1 AktG statuierten Grundsatzes der Satzungsstrenge zu beurteilen. aa) Zulässigkeit der Statuierung weitergehender Rechte als Sachausschüttung nach § 58 Abs. 5 AktG? Mit dem TransPuG wurde auf Empfehlung der Regierungskommission Corporate Governance die Regelung des § 58 Abs. 5 AktG zur Ermöglichung von Sachausschüttungen eingeführt, die zu einer Schonung der Liquidität führen und damit die Selbstfinanzierung der AG begünstigen soll, so daß auch im Interesse der Aktionäre eine Dividende erleichtert ausgeschüttet werden kann.416 Die Gesetzesbegründung sieht die Möglichkeit der 414 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 21; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 62 f.; Brändel, in: GroßKommAktG, 1992, § 11 Rn. 33; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 186 Rn. 54. Als weitere zulässige Rechtsbegründung wird in der Literatur die Erweiterung des Auskunftsrechts genannt; dazu Hüffer, aaO, § 23 Rn. 38; MünchKommAktG/Pentz, 2008, § 23 Rn. 161; Röhricht, in: GroßKommAktG, 1996, § 23 Rn. 190. 415 Herkömmlich werden als wichtigste aktiengesetzliche Vermögensrechte genannt: Dividendenrecht nach §§ 58 Abs. 4, 60 AktG, Recht zum Bezug neuer Aktien, §§ 186 Abs. 1 S. 1, 203 Abs. 1, 212 S. 1, 221 Abs. 4 AktG, und Recht auf den Abwicklungsüberschuß, § 271 AktG; so etwa Hüffer, AktG, 2008, § 11 Rn. 4; K. Schmidt, GesR, 2002, § 28 I 1a (S. 797); Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, Vor §§ 118–147 Rn. 226; Brändel, aaO, 1992, § 1 Rn. 82. Hierzu ist auch das Erwerbsrecht nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 AktG zu zählen. 416 Art 1 Nr. 3b TransPuG v. 19.7.2002, BGBl. I S. 2681. Zur Kapital-RiL, die in Art. 15 Abs. 1 d eine Sachausschüttung erlaubt, oben Dritter Teil Fn. 2 und Habersack, Europäisches GesR, 2006, § 6 (S. 126 ff.). Zur vormals h. M., die für die Regelung in der Fassung vor Änderung durch das TransPuG von dem Grundsatz ausging, daß die Dividende grundsätzlich in bar auszuschütten sei, Begr RegE TransPuG zu § 58 AktG, BT-Drs. 14/8769, S. 12 (reSp.); Hüffer, AktG, 2008, § 58 Rn. 31;

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Ausschüttung von Wertpapieren und insbesondere von Anteilen einer Tochtergesellschaft an die Aktionäre der Obergesellschaft als Regelfall an.417 Läßt man Fragen zum notwendigen Beschluß über die Sachausschüttung und der Bewertung der Sachausschüttung und der Ausschüttungsbegrenzung in § 58 Abs. 4 AktG außen vor, zeigt sich, daß es dem AktG nach zulässig ist, Anteile von Tochtergesellschaften auszuschütten. Rechtskonstruktiv unterscheidet sich diese Form der Zuteilung von Tochtergesellschaftsanteilen von dem von Martens vorgeschlagenen Erwerbsrecht, als bei der Sachdividende neben einer entsprechenden Satzungsbestimmung ein eigener Beschluß der Hauptversammlung erforderlich ist.418 Der Grund hierfür ist darin zu sehen, daß Dividendenleistungen, die sich vom gesetzlichen Regelfall der Bardividende deutlich abheben wie insbesondere die Ausschüttung von Gebrauchsgegenständen, in das Mitgliedsrecht der Aktionäre eingreifen können.419 bb) Vereinbarkeit eines solchen Rechtes mit dem Charakter des AktG Läßt es § 58 Abs. 5 AktG zu, in der Satzung eine Regelung aufzunehmen, wonach Aktien der Tochtergesellschaft an Aktionäre der Obergesellschaft ausgeschüttet werden, so verstößt die Einräumung eines solchen Rechtes nicht gegen das gesetzlich statuierte System der Individualrechte der Aktionäre. Im Gegensatz zur Sachdividende und der hiermit verbundenen Frage, ob die Aktionäre eine Sachausschüttung oder eine Bardividende erhalten, geht es bei der Frage des Erwerbsrechts darum, ob die Aktionäre unabhängig von der Gewinnverwendung anstelle Dritter einen Anspruch auf Zuteilung von Tochtergesellschaftsaktien gegen die Obergesellschaft haben. Die Sachdividende dient damit der Gewinnausschüttung; ein Erwerbsrecht auf Tochtergesellschaftsaktien entspricht eher dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG und dem Erwerbsrecht nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 AktG. Der in § 58 Abs. 5 AktG zur Sachausschüttung neben der Satzungsklausel erforderliche Hauptversammlungsbeschluß dient dazu, im Interesse der Aktionäre sicherzustellen, daß ihnen nicht anstelle des Anspruchs auf den festgestellten Bilanzgewinn etwas anderes, gegebenenfalls „Schlechteres“ zugewandt wird. Bei der Frage eines Erwerbsrechtes auf Aktien der Lutter/M. Leinekugel/Rödder, ZGR 2002, 204, 205; Hasselbach/Wicke, NZG 2001, 599 f.; M. Leinekugel, Sachdividende, 2001, S. 117 ff. Zu letztem auch Hirte, in: Hirte (Hrsg.), TransPuG, 2003, 1 Rn. 76 (S. 36). 417 Begr RegE TransPuG zu § 58 AktG, BT-Drs. 14/8769, S. 12 (reSp.). 418 Dazu auch Begr RegE TransPuG zu § 58 AktG, BT-Drs. 14/8769, S. 12 (reSp.). 419 So Hüffer, AktG, 2008, § 58 Rn. 32; ebenso Spindler/Stilz/Cahn/Senger, AktG, 2007, § 58 Rn. 103 ff.

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Tochtergesellschaft soll hingegen sichergestellt werden, daß den Aktionären überhaupt etwas zugewendet wird. Die rechtskonstruktiven Unterschiede insbesondere in Hinblick auf den notwendigen Beschluß nach § 58 Abs. 5 AktG, der erst den Anspruch der Aktionäre auf Bezug etwa börsennotierter Aktien der Tochtergesellschaft begründet,420 stehen deshalb einem von einem solchen Beschluß unabhängigen Erwerbsrecht nicht entgegen. Die Annahme eines Erwerbsrechtes entsprechend dem Vorschlag von Martens, das den Aktionären der Obergesellschaft Anspruch auf Zuteilung von Aktien der Tochtergesellschaft gewährt, ist daher mit dem aktienrechtlichen System der Individualrechte der Aktionäre zu vereinbaren. b) Erste Überlegungen zu den Grenzen eines solchen Rechtes Vor dem Hintergrund der Einführung des § 58 Abs. 5 AktG wurde im Schrifttum erwogen, Aktionäre der Obergesellschaft beim Börsengang von Tochtergesellschaften insbesondere vor der Verwässerung ihres Beteiligungsvermögens dadurch zu schützen, daß in der Satzung der Obergesellschaft eine Regelung im Sinne dieser Vorschrift aufgenommen wird.421 Die Sachausschüttung nach § 58 Abs. 5 AktG ist aber aufgrund der Notwendigkeit der Satzungsermächtigung und eines in jedem Einzelfall erforderlichen Hauptversammlungsbeschlusses ein wenig flexibler Weg und verschafft den Aktionären nur nach dem Beschluß der Hauptversammlung hierüber das Recht auf Erhalt der Sachdividende.422 Es besteht aber keine Pflicht, eine solche zu gewähren. Der Vermögensschutz durch eine Sachdividende nach § 58 Abs. 5 AktG erscheint damit als ungeeignet. Für den weiteren Fortgang der Untersuchung geben die Ausführungen des Gesetzgebers zu den inhaltlichen Anforderungen des Beschlusses nach § 58 Abs. 5 AktG allerdings bedeutsame Hinweise. Dieser führt aus, daß inhaltlich um so weniger Bedenken bestehen, je mehr die Sachdividende ihrer Art nach fungibel ist, also problemlos zu Geld gemacht werden kann.423 In der Gesetzesbegründung heißt es im Hinblick auf die Bedeutung der Bardividende hierzu: „Sofern es sich bei den ausgeschütteten Sachwerten um börsengehandelte Werte handelt, läßt sich gleichwohl eine mehrheitliche oder vollständige Sachdividende auch in diesen Fällen regel420

Hierzu MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 58 Rn. 108. So Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 548 f.; Schnorbus, ZIP 2003, 509, 510 (liSp.). 422 Anderes gilt, wenn eine solche Regelung schon in der Gründungssatzung enthalten ist; hierzu und zu den notwendigen Hauptversammlungsmehrheiten Hüffer, AktG, 2008, § 58 Rn. 31. 423 Begr RegE TransPuG zu § 58 AktG, BT-Drs. 14/8769, S. 13 (liSp.). 421

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4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

mäßig rechtfertigen. Der Aktionär kann die fungiblen Werte (vgl. § 3 Abs. 2) rasch veräußern. Nicht fungible, d.h. an Börsen gehandelte Werte aber (Aktien nicht börsennotierter Gesellschaften, Produkte der Gesellschaft etc.) können in den oben genannten Fällen nicht ohne weiteres die Bardividende vollständig ersetzen. Keine Bedenken bestehen aber, wenn alle Aktionäre zustimmen (kleine AG).“424 Als angreifbar kann danach abhängig vom Einzelfall die Ausschüttung von Aktien ohne Börsennotierung sein.425 Hierauf aufbauend sind nachfolgend die Grenzen eines solchen Rechtes näher darzustellen.

V. Grenzen des Erwerbsrechts Die Eigenkapitalaufnahme in Tochtergesellschaften durch Wiederveräußerung eigener oder Ausgabe neuer Aktien ist ein bedeutsames Mittel zur externen Finanzierung der Unternehmensgruppe. Entsprechendes gilt für die Veräußerung von Tochtergesellschaftsaktien durch die Obergesellschaft. Neben Finanzierungsaspekten durch den Erwerb von Barvermögen kann aus betriebswirtschaftlicher Sicht der Erwerb von Sachvermögen durch die Tochtergesellschaft notwendig sein. Das Erwerbsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft auf Anteile an der Tochtergesellschaft darf daher nicht dazu führen, daß die Unternehmensgruppenfinanzierung oder der Erwerb sonstigen Vermögens durch Ober- oder Tochtergesellschaften erschwert oder weitergehend faktisch oder rechtlich ausgeschlossen wird. 1. Allgemeine Grenzen Vor diesem Hintergrund kann ein Erwerbsrecht der Aktionäre auf Aktien der Tochtergesellschaft nur in engen Grenzen anerkannt werden. Insbesondere kann ein solches Recht dann nicht bestehen, wenn auch in der unverbundenen AG ein Erwerbs- oder Bezugsrecht der Aktionäre nicht besteht bzw. ausgeschlossen wird. In der unverbundenen AG zählen hierzu sämtliche Erwerbsvorgänge gegen Gewährung von Aktien der AG, bei denen diese andere Vermögensgegenstände als Barvermögen erwirbt, insbesondere also regelmäßig bei Kapitalerhöhungen mit Sacheinlage und Erwerb frem424 Begr RegE TransPuG zu § 58 AktG, BT-Drs. 14/8769, S. 13 (liSp.). In der Literatur werden als solche fungiblen Werte eigene Aktien oder solche von Tochtergesellschaften angesehen wie auch börsennotierte Anleihen; vgl. MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 58 Rn. 107; Spindler/Stilz/Cahn/Senger, AktG, 2007, § 58 Rn. 104 f.; Lutter/M. Leinekugel/Rödder, ZGR 2002, 204, 210 ff. 425 Hüffer, AktG, 2008, § 58 Rn. 32; Spindler/Stilz/Cahn/Senger, AktG, 2007, § 58 Rn. 105.

C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz

473

den Vermögens im Wege der vermögensübertragenden Umwandlung nach dem UmwG.426 Von vornherein scheidet ein solches Recht daher für die Fälle aus, bei denen andere Vermögenswerte als Barvermögen durch die Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen erworben werden; ein Erwerbsrecht der Aktionäre kommt daher nur dann in Betracht, wenn durch die Gewährung der Tochtergesellschaftsanteile Barkapital erworben werden soll. Dient die Veräußerung von Tochtergesellschaftsanteilen dazu, die Unternehmensgruppe umzustrukturieren und Kapital aufzunehmen, so ist dennoch nicht generell ein Erwerbsrecht zu befürworten. Ein aus der Treupflicht der AG gegenüber den Aktionären abzuleitendes Erwerbsrecht kann nur als Ergebnis einer Abwägung der beteiligten Interessen bejaht werden. Wie Henze ausführt, eröffnen Treupflichten nicht die Möglichkeit einer uneingeschränkten schematisierenden Anwendung. Vielmehr ist im Einzelfall und anhand von Fallgruppen zu prüfen, ob sie tauglich sind, eine angemessene Rechtsfolge zu tragen und einen mit dieser Rechtsfolge einhergehenden Vorteil der Aktionäre und damit korrelierenden Nachteil zu rechtfertigen.427 Stehen also Interessen der AG mit mitgliedschaftlichen Interessen der Aktionäre in Konflikt, bedarf es einer Abwägung.428 Dabei ist im Rahmen der Abwägung der gegenläufigen Interessen insbesondere zu beachten, daß die Veräußerung von Anteilen der Tochtergesellschaft mit der Gefahr einer Beeinträchtigung der Vermögensinteressen der Aktionäre einhergeht. Die Treupflicht dient allerdings dem Schutz der Aktionäre auch dann, wenn sich die Eingriffswirkung auf die mitgliedschaftlichen Vermögensinteressen der Aktionäre beschränkt, da auch hierdurch in die Mitgliedschaft der Aktionäre eingegriffen wird. Überdies ist der Schutzbereich der Treupflicht nicht allein auf rechtliche Nachteile beschränkt, sondern erfaßt auch wirtschaftliche Folgen, sofern mitgliedschaftliche Individualinteressen beeinträchtigt werden.429 Dies ist vorliegend zu bejahen, da es um den Schutz der im Anteilseigentum verkörperten Vermögensinteressen der Aktionäre geht. 426 Die Kapitalerhöhung mit Sacheinlage ist regelmäßig mit einem Bezugsrechtsausschluß verbunden; dazu Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 34. Bei Umwandlungen unter (partieller) Gesamtrechtsnachfolge ist ein Bezugsrecht der Aktionäre der übernehmenden AG bei einer Kapitalerhöhung zur Durchführung der Umwandlung schon nach dem Gesetz ausgeschlossen; siehe §§ 69 Abs. 1 S. 1 Hs. 1, 123 S. 1 UmwG, 186 Abs. 1 S. 1 AktG. 427 Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 238. Hierzu auch speziell für die Börseneinführung von Aktien von Tochtergesellschaften Lutter, AG 2001, 349, 352. 428 Grundlegend Zöllner, Stimmrechtsmacht, 1963, § 30 (S. 335 ff.); siehe auch Lutter, AcP 180 (1980), 84, 123. 429 Ziemons/Jaeger, AG 1996, 358, 361; Lutter/Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 242; Wiedemann, GesR I, 1980, § 8 III 3a (S. 451); Lutter, JZ 1976, 225, 229.

474

4. Teil: Anteilsveräußerungen in der Unternehmensgruppe

In der Zusammenschau dieser Gesichtspunkte mit den in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 und 186 Abs. 3 S. 4 AktG enthaltenen Wertungen wird deutlich, daß ein solches Recht grundsätzlich nicht bestehen kann, wenn Aktien der Tochtergesellschaft über die Börse veräußert werden, deren Gattung bereits an der Börse notiert ist. Denn die Veräußerung über die Börse garantiert wegen ihrer Anonymität eine Neutralität des Verfahrens und stellt den Vermögensschutz der Aktionäre wegen des bekannten Marktpreises regelmäßig sicher, so daß keine mit einem Eingriff der Verwaltung in die Beteiligungsstruktur der Tochtergesellschaft einhergehende Gefahr der Verwässerung des Beteiligungsvermögens aufgrund einer Begünstigung Dritter besteht. 2. Besonderheiten in der Publikums-AG Dem von Martens vorgeschlagenen Schutzkonzept durch einen materiellen Anspruch der Aktionäre gegen die Obergesellschaft läßt sich nur zustimmen, sofern im Hinblick auf börsennotierte Publikumsgesellschaft deren Besonderheiten berücksichtigt werden. Unabhängig von der dogmatischen Begründung eines solchen Rechtes bedarf es bei der börsennotierten Publikums-AG der Beachtung der im Zweiten Teil herausgearbeiteten Interessen der Publikumsaktionäre.430 Diese erwerben und veräußern ihre Beteiligung an der AG über die Börse, beteiligen sich also gerade an einer AG, deren Aktien an der Börse gehandelt werden und die damit wieder auf einfache Weise veräußert werden können. Aus der Börsennotierung ihrer Aktien als Kapitalanlage kann geschlossen werden, daß Publikumsaktionäre grundsätzlich kein Interesse daran haben, ein Bezugsrecht auf Aktien zu erhalten, die einer nicht notierten Gattung zuzuordnen sind und damit auch eine Desinvestition sowohl hinsichtlich der neuen Aktien als auch des Bezugsrechts nicht auf dem einfachen Weg der Veräußerung über die Börse möglich ist.431 Dafür spricht auch, daß nur bei einem Handel der Anteile an der Börse ein Kurswert öffentlich bekannt ist, der den Aktionären ermöglicht, die Aktien zu ihrem Marktwert zu veräußern.432 Besteht kein solcher Kurs, kann der mit dem Erwerbsrecht verfolgte Schutz des Beteiligungswertes der Aktionäre regelmäßig eher dadurch erreicht werden, daß die Obergesellschaft die Aktien zum besten Kurs veräußert und die Aktionäre an dem Veräußerungsgewinn mittelbar über ihre Beteiligung Anteil haben. 430

Dazu näher oben S. 135 ff. In diesem Sinne auch die Begr RegE zu § 58 AktG, BT-Drs. 14/8769, S. 13 (liSp.). 432 Schon allein aus diesem Grund kann kein (Vor-)Erwerbsrecht der Aktionäre an sonstigen Gegenständen bestehen, die von der AG veräußert werden. Ein solches Recht fordern auch diejenigen Stimmen in der Literatur nicht, die ein Erwerbsrecht bei Veräußerungen von Tochtergesellschaftsanteilen befürworten. 431

C. Wesentlichkeitsschwelle contra Aktionärsschutz

475

In der Zusammenschau dieser Aspekte kommt ein Erwerbsrecht daher in Publikumsgesellschaften nur in Betracht, wenn Anteile von Tochtergesellschaften veräußert werden, die bisher nicht börsennotiert sind, künftig aber deren Gattung notiert sein wird. Das lenkt den Blick auf eine besondere Form der Veräußerung von Tochtergesellschaftsanteilen, die diesen Anforderungen entspricht: der Börseneinführung von Aktien von Tochtergesellschaften. 3. Paradigma der Börseneinführung von Tochtergesellschaften Im Spannungsfeld zwischen diesen unterschiedlichen Voraussetzungen steht die erstmalige Plazierung von Aktien der Tochtergesellschaft an der Börse. Hier besteht noch kein Börsenkurs, der die Aktionäre vor einer Verwässerung ihres Beteiligungswertes schützt; andererseits haben die Aktionäre die Möglichkeit, durch eine spätere Veräußerung der Aktien über die Börse die Möglichkeit zur einfachen Desinvestition. Die Rechte der Aktionäre der Obergesellschaft bei der Börseneinführung von Tochtergesellschaften ist daher im nächsten Teil näher zu betrachten.

Fünfter Teil

Börseneinführung von Tochtergesellschaften Im letzten Teil der Untersuchung soll eine besondere Form des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien einer Gesellschaft der Unternehmensgruppe beleuchtet und damit die Überlegungen des Aktionärsschutzes in der börsennotierten Publikums-AG zwischen Verbands- und Kapitalmarktrecht auf ihre praktische Tauglichkeit überprüft werden: der Börsengang von Tochtergesellschaften.1 Diese besondere Form des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der Tochtergesellschaft, die hinsichtlich der Auswirkungen auf die Aktionäre der Obergesellschaft untersucht werden soll, war Gegenstand wirtschaftswissenschaftlicher Arbeiten schon zu Beginn der neunziger Jahre. Hierbei ist vornehmlich die Untersuchung von Pellens zu nennen, mit der er auf die Gefahren einer Vermögensverschiebung zwischen den Aktionären der Obergesellschaft und den Erwerbern der Tochtergesellschaftsanteilen hinwies, wenn diese Aktien zu einem unter ihrem Wert liegenden Emissionspreis und ohne Beteiligung der Aktionäre der Obergesellschaft an der Börse eingeführt würden.2 Die zunehmende Zahl der Börseneinführungen von Tochtergesellschaften in den letzten Jahren und die dabei auftretende teils erhebliche Differenz zwischen Emissionspreis und erster Börsennotierung während des Börsenbooms zu Beginn der Dekade hat die Diskussion der Gefahren für den vermögensmäßigen Beteiligungswert der Aktionäre der Obergesellschaft auch im aktienrechtlichen Schrifttum in Gang gebracht, nachdem Lutter hierauf hingewiesen, in zwei Beiträgen die gesellschaftsrechtlichen Aspekte eines Börsengangs von Tochtergesellschaften beleuchtet hat und dabei für ein Vorerwerbsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft eingetreten ist.3 Bevor die 1 Zu den Emissionsformen, die sich in erstmalige Inanspruchnahme des organisierten Kapitalmarktes durch den öffentlichen Verkauf von Aktien (Initial Public Offering) und nachfolgende Aktienemissionen (Secondary Public Offering), den Verkauf neu geschaffener (Primary Placement) und aus dem Anteilsbesitz der Aktionäre stammender Anteile (Secondary Placement) unterscheiden lassen, siehe Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 242 ff.; Jakob, IPO, 1998, S. 7. Hierzu auch Schäcker/Brehm, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 2 IV (S. 56 ff.). 2 Pellens, zfbf 45 (1993), 852, und die Habilitationsschrift dess., Aktionärsschutz im Konzern, 1994, S. 293 ff., 364 ff.; siehe auch Nick, Börseneinführung von Tochtergesellschaften, 1994. 3 Lutter, AG 2000, 342 ff., und ders., AG 2001, 349 ff.

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs

477

Ergebnisse des Dritten und Vierten Teils für die gesellschaftsrechtlichen Probleme eines Börsengangs von Tochtergesellschaften fruchtbar zu machen sind, soll im Vorfeld ein Blick auf die gesellschaftsrechtlichen Grundlagen geworfen werden.

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs Unterscheidet das AktG zunehmend mehr zwischen börsennotierter und nicht notierter AG, so enthält es dennoch keine besonderen Regelungen über den Börsengang. Gleichwohl dürfte feststehen, daß insoweit der kapitalmarktrechtliche Anlegerschutz keinen abschließenden Charakter hat, so daß auch aktienrechtliche Schutzinstrumentarien beim Börsengang einer AG zur Anwendung kommen.4 Die Kompetenzverteilung von Vorstand und Hauptversammlung und weitere Rechte der Aktionäre außerhalb dieser im Hinblick auf Börsengänge haben damit entscheidende Bedeutung. Nach der Darstellung der Kompetenzverteilung, die ihren Ausgangspunkt bei der unverbundenen AG und anschließend die Unternehmensgruppe in den Blick nimmt, sind die allgemeinen Vorstandspflichten bei der Ermittlung des Ausgabepreises und der Auswahl der Erwerber näher zu beleuchten. Die Ergebnisse sind für die Ermittlung des Emissionspreises und die Auswahl der Erwerber speziell für Fälle von Börsengängen fruchtbar zu machen.

I. Kompetenzverteilung bei Börsengängen Ob die Börseneinführung der Aktien der Tochtergesellschaft als solche eine Strukturmaßnahme darstellt, die nach Holzmüller-Grundsätzen einen Hauptversammlungsbeschluß der Obergesellschaft erfordert, ist ebenso wie die Kompetenz der Hauptversammlung für die Entscheidung über einen Börsengang in der unverbundenen AG umstritten.5 Regelmäßig wird in der unverbundenen AG der Beschluß über den Börsengang von dem Beschluß zur Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß und dem gegebenenfalls zusätzlichen Beschluß über die Wiederveräußerung eigener Aktien an der 4 Zum umgekehrten Fall des Delisting BGH v. 25.11.2002 – II ZR 133/01, BGHZ 153, 47, 53 ff. (Macrotron), sowie Habersack, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 35 Rn. 5 (S. 1037 f.); dazu schon oben S. 173 ff. 5 Fragen der Hauptversammlungskompetenz aufgrund einer formwechselnden Umwandlung in eine AG und der Vinkulierung der Aktien sowie des Unterschreitens des Unternehmensgegenstandes der Obergesellschaft wegen der vollständigen Veräußerung der Tochtergesellschaft bleiben außen vor; zu letztem speziell im Zusammenhang mit der Veräußerung über die Börse Lutter, AG 2000, 342, 343 (liSp.).

478

5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

Börse konsumiert.6 Die Frage stellt sich also in den Fällen der Börseneinführung bereits bestehender Anteile aus dem Anteilsbesitz der (Alt-)Aktionäre.7 1. Kompetenzverteilung in der unverbundenen AG Die Hauptversammlung wird im Rahmen des Börsengangs regelmäßig erst für den Beschluß über die Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß beteiligt, um die neuen Aktien (mittelbar) außenstehenden Erstzeichnern anbieten zu können, §§ 182 Abs. 1 S. 1, 186 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 AktG.8 Entsprechendes gilt bei der Wiederveräußerung eigener Aktien durch die AG über die Börse für den Hauptversammlungsbeschluß zum Ausschluß des Erwerbsrechts nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 Hs. 1 AktG. Der Hauptversammlungsbeschluß zur Kapitalerhöhung und zum Ausschluß des Erwerbs- bzw. Bezugsrechts konsumiert eine gegebenenfalls notwendige Beschlußfassung hinsichtlich der Börseneinführung, da der Beschluß sowohl hinsichtlich der Beschlußmehrheit9 als auch der Zielsetzung10 allen Maximalanforderungen an einen strukturändernden Beschluß in formeller und materieller Hinsicht genügt.11 Als Ausnahmefall, bei dem ohne einen 6 Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 55 (S. 100 f.); Groß, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 8 Rn. 57 (S. 360); MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 80. 7 Nach Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/288 (S. 10/176), sind Emission von Aktien allein aus dem Portfolio der Altaktionäre die Ausnahme; so auch MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 80; Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 58 (S. 102); Haag, aaO, § 23 Rn. 4 (S. 647): Plazierung von Altaktien eher selten, weil Investoren damit regelmäßig die Vorstellung verbinden, eine Gesellschaft, die kein neues Eigenkapital brauche, habe keine Wachstumsperspektive und stelle keine lohnenswerte Investition dar. Der Börsengang diene nur dem Ziel der Altaktionäre, „Kasse zu machen“. 8 Zur Möglichkeit, eine Regelung über eine angestrebte Börsennotierung der Aktien der Gesellschaft in der Satzung aufzunehmen, MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 80; Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 377. 9 Das Erfordernis der qualifizierten Mehrheit zum Ausschluß des Bezugsrechts nach § 186 Abs. 3 S. 1 AktG ist auch im Rahmen des § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1 AktG zu beachten; siehe MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 255 f., und oben S. 273 ff. 10 Der Börseneintritt rechtfertigt grundsätzlich einen Bezugsrechtsausschluß der Altaktionäre; siehe BGH v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239 ff. (Deutsche Bank); Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 31; Kraft/Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 81; Spindler/Stilz/Servatius, AktG, 2007, § 186 Rn. 45; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 96; Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 61; Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 379; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 159; kritisch MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 141; Lutter/Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 243; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, A III 3f (S. 66).

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs

479

unmittelbaren Beschluß der Hauptversammlung dem Kapitalmarkt Aktien zugeführt werden, besteht die Möglichkeit, daß Aktionäre ihre Aktien für eine Börseneinführung zur Verfügung stellen und die Aktien der Gesellschaft nicht vinkuliert sind.12 In solchen Fällen befürwortet die wohl h. M. eine Kompetenz der Hauptversammlung zur Entscheidung über die Börseneinführung aufgrund des strukturändernden Charakters und der schwerwiegenden Auswirkungen auf die Rechtsstellung der Aktionäre.13 Begründet wird dies aktiengesetzlich mit dem Wegfall von Privilegierungen infolge der Börsennotierung, die das AktG nicht notierten Gesellschaften gewährt,14 und in kapitalmarktlicher Hinsicht mit den durch die Börsennotierung erweiterten Pflichten nicht nur für die Gesellschaft wie etwa der Publizitätspflicht, sondern auch für die Aktionäre, etwa Ad-hoc-Publizität nach § 15 WpHG sowie die Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG.15 Mitteilungspflichten über Erwerb 11 So auch MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 80; Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 61; Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 379, und ders./ Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 240. 12 Lutter/Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 240; den Ausnahmecharakter einer solchen Hauptversammlungsmitwirkung betonen auch Trapp/Schick, AG 2001, 381, 383 (liSp.), und Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 466. 13 Wiesner, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 19 Rn. 8; Pentz, in: HdB VorstandsR, 2006, § 17 Rn. 164 (S. 653); siehe auch Bayer, Gutachten 67. DJT, 2008, S. 124 (de lege ferenda). Vor der Gelatine-Entscheidung v. 26.4.2004 so auch Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 236; Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 78; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 382 f.; Becker/Fett, WM 2001, 549, 550 (reSp.); Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 269 f.; Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 60 f.; Mülbert, in: GroßKommAktG, 1999, § 119 Rn. 30; Baums/Vogel, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 9.35 (S. 268), Rn. 9.55 (S. 281 f.) und Rn. 9.57 (S. 283); Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 378 ff., ders./R. Leinekugel, ZIP 1998, 805, 806 (liSp.), und ders./Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 240 f.; Vollmer/Grupp ZGR 1995, 459, 466. Aus dem Dissertationsschrifttum Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 201 f.; Erber, Börsengang, 2003, S. 40; a. A. Kiefner, Börsengang, 2005, S. 25. A. A. Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 56 (S. 101); Reichert, AG 2005, 150, 157 (liSp.), und ders./Harbarth, ZIP 2001, 141 ff.; MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 80; Schwark/Heidelbach KMRK, 2004, § 30 BörsG Rn. 52; Halasz/Kloster, ZBB 2001, 474, 476 ff.; Hopt, in: FS BGH II, 2000, S. 497, 541, und ders. in: FS Drobnig, 1998, S. 525, 536 f. Auf den Einzelfall abstellend Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 84; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 40, und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 37. 14 Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 236; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 270; zu solchen Vorschriften Hüffer, AktG, 2008, § 3 Rn. 5, und oben im Zweiten Teil, Fn. 244. 15 Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 270; Becker/Fett, WM 2001, 549, 550 (reSp.); Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 463; zur Entsprechenserklärung nach § 161 AktG auch Ekkenga, ZGR 2003, 878, 888.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

oder Veräußerung wesentlicher Beteiligungen nach §§ 21 ff. WpHG und das Insiderhandelsverbot nach § 14 WpHG. Diese und weitere gesetzliche Unterschiede zwischen dem Recht der börsennotierten und der nicht notierten Gesellschaften ließen die Börsenzulassung als einen Wechsel der Gesellschaftsstruktur erscheinen.16 Überdies werde der Eintritt neuer Gesellschafter erleichtert, wodurch sich die Gefahr einer Übernahme erhöhe.17 Dem wird entgegengehalten, daß die mit der Börsennotierung der Aktien einhergehenden erhöhten Pflichten der Gesellschaft gerade dem Schutz der Anleger und damit auch ihrer Aktionäre dienen, was entsprechend auch für Pflichten der Aktionäre gegenüber ihren Mitaktionären gelte. Mit der Börsennotierung trete ein Zuwachs an Rechten ein, demgegenüber die gesteigerten Pflichten nur als Einschränkung der hinzugewonnenen Handlungsmöglichkeiten anzusehen seien und die Mitteilungspflicht nur eine geringfügige Pflichtenerweiterung darstelle.18 Überdies habe die AG eine Börseneintrittstendenz; auch in der nicht notierten AG bestehe kein genereller Schutz vor Überfremdung, was auch die Regelung zur Anteilsvinkulierung zeige.19 Bei dem erreichten Stand der Differenzierungen zwischen dem Recht der börsennotierten und dem Recht der nicht notierten AG sprechen dennoch die besseren Gründe dafür, den Börseneintritt der Gesellschaft als Vorgang anzusehen, der neben der Beachtung kapitalmarktrechtlicher Vorschriften in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht eine Hauptversammlungsbefassung erfordert. Zwar führt der Börsengang nicht zu einer Änderung der Rechtsform, hat aber erhebliche Auswirkungen auf die Rechtsstellung des Aktionärs, wie auch § 29 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UmwG zum Ausdruck bringt.20 Denn der Börseneintritt führt nicht nur zur Geltung neuer bilanz- und kapitalmarktrechtlicher Vorschriften, sondern auch zur Anwendbarkeit aktienrechtlicher Sondervorschriften für die börsennotierten Gesellschaften nach § 3 Abs. 2 AktG, mit denen verschiedene Privilegierungen der kleinen AG entfallen, und zur kapitalmarktorientierten Auslegung des AktG.21 Für die hier unter16

Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 378, und ders./Drygala, in: FS Raisch, 2005, S. 239 ff.; siehe aber für den umgekehrten Fall des Delisting Henze, in: FS T. Raiser, 2005, S. 145, 147, wonach der Rückzug von der Börse keinen Einfluß auf die innere Struktur der Gesellschaft habe. 17 Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 270. 18 Reichert, in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 56; Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 62. 19 Reichert, in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 56; ähnlich MünchKommAktG/ Kubis, 2004, § 119 Rn. 80. 20 Eingefügt durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes v. 19.4.2007, BGBl. I S. 542.

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs

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suchten Fälle des Erwerbs fremden Vermögens durch die AG gegen Gewährung eigener Aktien enthalten insbesondere die Regelungen in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 und 186 Abs. 3 S. 4 AktG bedeutsame Änderungen des Aktionärsschutzes im Vergleich zur geschlossenen AG.22 Die Öffnung hin zur Börse ändert also die Struktur der Gesellschaft und ist daher als Strukturmaßnahme hauptversammlungspflichtig. Orientiert man sich an den für Holzmüller-Sachverhalte vom BGH aufgestellten Mehrheitserfordernissen, so bedarf der Beschluß der Hauptversammlung einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlußfassung anwesenden Grundkapitals.23 2. Kompetenzen in der Unternehmensgruppe Entsprechend der Situation in der unverbundenen AG sind die Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft bei Börsengängen von Tochtergesellschaften umstritten. Ausgangspunkt der Überlegungen sind unabhängig von der Form der Veräußerung die Kompetenzen der Hauptversammlung der Obergesellschaft beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen, da die Börseneinführung nur eine besondere Form der Veräußerung darstellt. Veräußert die Obergesellschaft einen Teil oder sämtliche Aktien der Tochtergesellschaft oder erhöht diese ihr Kapital unter Bezugsrechtsausschluß zur Ausgabe der Aktien an Dritte, ist nach den Holzmüller-Grundsätzen eine Hauptversammlungsbeteiligung in der Obergesellschaft erforderlich, wenn die quantitative Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist.24 Unterhalb dieser vom Einzelfall abhängigen Wesentlichkeitsgrenze scheidet eine Beteiligung der Hauptversammlung der Obergesellschaft aus. Fälle, bei denen eine Hauptversammlungsbeteiligung wegen der Börseneinführung erforderlich sein könnte, nicht aber durch einen notwendigen Beschluß der Hauptversammlung der Obergesellschaft über die Veräußerung bereits bestehender oder Ausgabe neuer Anteile konsumiert wird, sind schwer vorstellbar.25 21 Den Wegfall der aktienrechtlichen Erleichterungen und Vergünstigungen sehen auch Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 236, Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 61 f., Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 376 f., ders./Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 241, und Vollmer/Grupp, ZGR 1995, 459, 462, als entscheidenden Grund für die Hauptversammlungsbefassung an. 22 Siehe hierzu oben S. 249 ff. und S. 273 ff. 23 BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 f. (Gelatine); siehe auch Lutter, in: FS Zöllner I, 1998, S. 363, 379. A. A., allerdings vor dem Urteil des BGH, Seibt, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 37, 61 f.; Baums/Vogel, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 9.56 (S. 282); Lutter/Drygala, in: FS Raisch, 1995, S. 239, 241. 24 Dazu oben S. 382 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

3. Hauptversammlungsbefassung als Ausnahmefall Die Börseneinführung von Tochtergesellschaften bedarf nur einer Hauptversammlungszustimmung in der Obergesellschaft, wenn Aktien im Rahmen einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß in der Tochtergesellschaft geschaffen oder aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft veräußert werden. Allerdings ist für eine Befassung der Hauptversammlung der Obergesellschaft weitere Voraussetzung, daß die vom BGH aufgestellten quantitativen Wesentlichkeitsgrenzen überschritten sind, was bei der börsennotierten Publikums-AG als Obergesellschaft den Ausnahmefall darstellen wird.26

II. Vorstandspflichten bei der Ermittlung des Ausgabepreises Der Pflichtenrahmen des Vorstandes bei der Festsetzung des Ausgabekurses der Aktien für den Börsengang, insbesondere die Frage, inwieweit dem Vorstand ein Ermessensspielraum bei der Preisbestimmung zukommt, und nach welchen Kriterien die Erwerber auszuwählen sind, ist noch wenig geklärt.27 Der Ausgabekurs ist für die Altaktionäre von entscheidender Bedeutung, da hierdurch die Höhe der Werteinbuße ihres Beteiligungsvermögens zugunsten der Neuaktionäre bestimmt wird. Bevor auf die Besonderheiten beim Börsengang einzugehen ist, sollen nach einem Blick auf die Kompe25 Hierzu auch MünchKommAktG/Kubis, 2004, § 119 Rn. 81. Die überwiegende Ansicht lehnt zu Recht für solche Fälle eine Hauptversammlungsbeteiligung ab, da aus der Börsennotierung als solcher keine zusätzliche Beeinträchtigung der Mitgliedsstellung der Aktionäre der Obergesellschaft folgt. Denn die Geltung besonderer bilanz- und kapitalmarktrechtlicher Regelungen für börsennotierte Tochtergesellschaften und ihre Gesellschafter wirkt sich nicht in gleicher Weise auf die Stellung der Aktionäre der Obergesellschaft aus wie der Börsengang der eigenen Gesellschaft und ändert auch nicht die Realstruktur der Unternehmensgruppe. Dazu Pentz, in: HdB VorstandsR, 2006, § 17 Rn. 163 (S. 653); Reichert, AG 2005, 150, 157 (liSp.); Heckschen/Simon, UmwR, 2003, § 4 Rn. 78; Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 236; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 271; i. E. auch Kort, in: GroßKommAktG, 2003, § 76 Rn. 84. Aus dem Dissertationsschrifttum Kiefner, Börsengang, 2005, S. 25; Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 210; Erber, Börsengang, 2003, S. 79; Heidkamp, Börsengang, 2003, S. 123 f. A. A. Ziegler, Börsengang, 2005, S. 221. Auf den Einzelfall abstellend MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 40, und ders., in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 119 Rn. 37. 26 Hierzu auch Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 69 (S. 108); Lutter, AG 2001, 349, 350 (reSp.), wonach dies „eher seltene Fälle einer sog. Strukturmaßnahme“ sind. Dabei ging Lutter, aaO, 350 (liSp.), von einer wesentlich geringeren Wesentlichkeitsschwelle aus als der BGH in der Gelatine-Entscheidung v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 45 (Gelatine). 27 So auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 528; hierzu jetzt Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 85 ff. (S. 813 ff.); aus dem Dissertationsschrifttum Erber, Börsengang, 2003, S. 149 ff.; Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 125 ff.

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs

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tenzabgrenzung die Pflichten des Vorstandes bei der Ermittlung des Ausgabepreises und der Auswahl der Erwerber bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß untersucht werden. 1. Kompetenzabgrenzung Die Ermittlung und Festlegung des Emissionspreises der Aktien beim Börsengang der unverbundenen Gesellschaft erfolgt regelmäßig durch den Vorstand, der auch die Erwerber der Aktien auswählt.28 Werden neue Anteile an der Tochtergesellschaft ausgegeben und hat deren Hauptversammlung diese Entscheidung nicht an den Vorstand der Tochtergesellschaft delegiert, so bestimmt der Vorstand der Obergesellschaft über die Modalitäten der Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft und der Abgabe bereits bestehender, von der Obergesellschaft gehaltener Anteile. Weitgehend Einigkeit besteht insoweit, als der Vorstand die Festsetzung des Emissionspreises schon aus rechtlichen Gründen nicht einseitig den die Aktienemission begleitenden Konsortialbanken überlassen darf.29 Der Vorstand hat vielmehr dafür Sorge zu tragen, daß die vertraglichen Abreden mit dem Emissionskonsortium sein Recht zur alleinigen und letzten Entscheidung über die Höhe des Ausgabebetrags der Aktien unberührt lassen, er also den von den Erwerbern der neuen Aktien zu entrichtenden Betrag bestimmt.30 Diese Pflicht besteht ebenso bei der Wiederveräußerung eigener Aktien. Soweit der Ermächtigungsbeschluß keine Bestimmungen enthält, zählt der Bezugspreis beim genehmigten Kapital zu den Bedingungen der Aktienausgabe iSd. § 204 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AktG und bedarf daher zudem der Zustimmung des Aufsichtsrates.31 28 Sollen nicht nur neue, sondern auch bestehende Aktien aus dem Anteilsbesitz von Aktionären an die Börse gebracht werden, so werden diese als Verkäufer hierauf Einfluß nehmen. Zur praktischen Relevanz oben in Fn. 7. 29 Zur Stellung der Emissionsbanken, die regelmäßig ein Konsortium bilden, unten in Fn. 144. 30 Kraft/Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 90; Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 95 (S. 342); MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 109 (zur Bezugsrechtskapitalerhöhung); Bayer, aaO, 2005, § 204 Rn. 20; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 204 Rn. 9; Busch, WM 2001, 1277, 1279; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, Nachtrag zu § 186, 1994, § 186 Rn. 14. 31 Zur Zulässigkeit eines solchen Vorgehens BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 (Siemens/Nold), und v. 27.9.1956 – II ZR 144/55, BGHZ 21, 354, 357 (Minimax I); Hüffer, AktG, 2008, § 204 Rn. 5; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 204 Rn. 7; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 58 Rn. 23; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 204 Rn. 23, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 521; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 204 Rn. 15; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 204 Rn. 9 ff., 22. Der Aufsichtsrat kann dabei die Festlegung

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2. Allgemeine aktienrechtliche Vorgaben zur Ermittlung des Ausgabekurses Regelungen speziell zur Preisfestsetzung bei Börseneinführungen bestehen nicht, so daß die allgemeinen Vorschriften näher zu betrachten sind. Das AktG setzt zwei bedeutsame Schranken für die Preisfestsetzung. Nach § 9 Abs. 1 AktG ist die Ausgabe der Aktien unter ihrem Nennwert, also unter pari, generell unzulässig.32 Der dennoch bestehende weite Handlungsrahmen bei der Festsetzung des Ausgabe- bzw. Mindestbetrages wird durch das gesetzliche Verwässerungsverbot des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG für Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß erheblich begrenzt, wonach der Erhöhungsbeschluß der Hauptversammlung anfechtbar ist, wenn der sich daraus ergebende Ausgabe- oder der Mindestbetrag, unter dem die Aktien nicht ausgegeben werden sollen, unangemessen niedrig ist.33 Wann der Ausgabe- oder Mindestbetrag unangemessen niedrig ist, läßt sich dem Wortlaut der Vorschrift allerdings nicht entnehmen. Nachfolgend sind die Grenzen der Festsetzung des Ausgabe- bzw. Mindestbetrages bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen zu betrachten, bevor im Rahmen der Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß auf die Schranken einzugehen ist, die entscheidend durch § 255 Abs. 2 S. 1 AktG bestimmt werden. Im Anschluß daran ist aufzudecken, wie der Verwässerungsschutz bei Verwaltungsentscheidungen ausgestaltet ist, wenn die Hauptversammlung nicht wie von § 255 Abs. 2 S. 1 AktG vorausgesetzt über den Bezugsrechtsausschluß beschließt, so daß die Vorschrift zur Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht unmittelbar anwendbar und hierdurch der Aktionärsschutz nicht zu erreichen ist. Auf das höchst strittige Tatbestandsmerkmal des „unangemessen niedrigen“ Ausgabe- oder Mindestbetrags iSd. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG ist abschließend einzugehen. Normzweck des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG ist der ergänzende Schutz des in zulässiger Weise vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Aktionärs vor einer vermögensmäßigen Entwertung seiner Beteiligung, die bei allen Formen effektiver Kapitalerhöhung droht.34 Die Vorschrift setzt ihrem Wortlaut nach des Bezugspreises nicht im Wege eines vorab gefaßten Beschlusses in das Ermessen des Vorstands stellen. 32 Rechtsfolge einer Festsetzung unter pari ist die Nichtigkeit der Gesellschaftserrichtungserklärungen sowie der Erklärungen zur Übernahme der Aktien im Rahmen der Gründung nach § 134 BGB und des Kapitalerhöhungsbeschlusses gem. § 243 Nr. 3 Alt. 2 AktG. Hierzu Hüffer, AktG, 2008, § 9 Rn. 7 und § 182 Rn. 23; MünchKommAktG/Heider, 2008, § 9 Rn. 22, 29; Peifer, aaO, 2005, § 182 Rn. 45; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 182 Rn. 61. 33 Zu § 255 Abs. 2 S. 1 AktG schon oben S. 98 ff. und 237 ff. 34 So MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 56.

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs

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voraus, daß die Hauptversammlung in dem Erhöhungsbeschluß einen Ausgabe- oder Mindestbetrag der neuen Aktien festgelegt hat. Das Verwässerungsverbot nach § 255 Abs. 2 S. 1 AktG schützt die Aktionäre vor einer vermögensmäßigen Entwertung ihrer Beteiligung bei Kapitalerhöhungen gegen Einlagen unter Bezugsrechtsausschluß35 und erfaßt in analoger Anwendung auch Sachkapitalerhöhungen36 sowie entgegen der Terminologie des AktG alle Formen der effektiven Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß.37 Eine Anfechtung gem. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG scheidet mithin aus, wenn im Rahmen der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung eine Festsetzung eines unangemessen niedrigen Ausgabe- oder Mindestbetrags der neuen Aktien nicht erfolgt.38 Es stellt sich dann die Frage nach der entsprechenden Anwendung der Vorschrift in Fällen, in denen der eng formulierte Wortlaut des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG nicht eingreift.39 a) Bezugsrechtskapitalerhöhungen und Festlegung von Ausgabe- bzw. Mindestbetrag Bei Kapitalerhöhungen erfolgt die Bestimmung des Ausgabebetrages dem Gesetz nach durch die Hauptversammlung, § 182 Abs. 3 AktG. Grenzen 35 Zum Verhältnis des § 255 AktG zu den allgemeinen Anfechtungstatbeständen nach § 243 AktG oben S. 98 ff. 36 Geklärt seit BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 44, 50 ff. (Kali+ Salz). So auch die g. h. M. in der Literatur; siehe etwa Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 7, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 11; Schwab, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 6; F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 41 Rn. 126; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 12; Martens, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 267, 268 f.; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 5; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 255 Rn. 7. 37 Gemäß der Gesetzesterminologie richtet sich eine Kapitalerhöhung gegen Einlagen nach den §§ 182 ff. AktG, auf die die amtliche Überschrift des § 255 Abs. 1 AktG Bezug nimmt. Nach g. h. M. findet § 255 Abs. 2 S. 1 AktG aber auch Anwendung auf die bedingte Kapitalerhöhung und das genehmigte Kapital, §§ 192 ff. und §§ 202 ff. AktG; Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 1, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 2; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 7 und 9; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 6; Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 90 (S. 816 f.); Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 97; K. Schmidt, aaO, 1995, § 255 Rn. 3; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 255 Rn. 6. 38 Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 6, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 9; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 7; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 516 f. 39 Eine Festsetzung des (Ausgabe-)Betrages erfolgt etwa nicht bei Kapitalerhöhungen gegen Sacheinlagen gem. § 183 Abs. 1 S. 1 AktG; dazu näher Hüffer, AktG, 2008, § 183 Rn. 9, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 10; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 183 Rn. 13.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

setzt dabei auf der einen Seite das Verbot der Unterpari-Emission nach § 9 Abs. 1 AktG, auf der anderen Seite die Möglichkeit der Anfechtung wegen eines sog. faktischen Bezugsrechtsausschlusses nach §§ 255 Abs. 1, 243 Abs. 1, 186 Abs. 1 AktG, der tatsächlich einzelne oder alle Aktionäre daran hindert, von ihrem Bezugsrecht Gebrauch zu machen.40 Das Gesetz überläßt der Hauptversammlung bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen, in diesem Rahmen den Ausgabekurs bzw. Mindestbetrag frei festzusetzen. Die Hauptversammlung kann daher die unterschiedlichen Interessen nach unternehmerischen Gesichtspunkten frei bestimmen, also dem Interesse der Aktionäre am günstigen Bezug der Aktien oder dem Finanzierungsinteresse der AG den Vorrang einräumen,41 und kann die Entscheidungsbefugnis auch auf den Vorstand delegieren, was im Rahmen des genehmigten Kapitals von § 204 Abs. 1 AktG vorausgesetzt wird. Der Vorstand hat dabei die von der Hauptversammlung auferlegten als auch die von dieser selbst zu berücksichtigenden gesetzlichen Vorgaben und Beschränkungen zu beachten.42 Hat die Hauptversammlung die Festsetzung des Ausgabebetrages an die Verwaltung delegiert, was auch bei der ordentlichen Kapitalerhöhung zulässig ist, sofern sie zumindest über den Mindestbetrag beschließt, § 182 Abs. 3 AktG, ist strittig, welche Pflichten die Verwaltung treffen. Im Spannungsfeld zwischen dem Interesse der Aktionäre an günstigen Kursen zum Bezug der Aktien und dem Finanzierungsinteresse der AG ist nach einer älteren Ansicht die Verwaltung zur Ausgabe zu höchsten Kursen verpflichtet. Nach einer jüngeren Ansicht hat der Vorstand in den beschriebenen Grenzen den Ausgabebetrag nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen.43 Es überzeugt, daß der Vorstand in dieser Konstellation den Ausgabebetrag pflichtgemäß festsetzen kann, da den Aktionären hierdurch keine Gefährdung ihrer Position droht, so daß der Rahmen ähnlich weit sein kann wie der Entscheidungsrahmen der Hauptversammlung.44 40 Zum faktischen Bezugsrechtsausschluß Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 186 Rn. 13; Herfs, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 4 Rn. 38 (S. 143 f.); MünchKommAkG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 100; aus der Rspr. LG Düsseldorf v. 13.8.1998 – 31 O 104/97, AG 1999, 134, 134 f. (Nordhäuser Tabakfabriken). 41 G. h. M.; siehe nur Hüffer, AktG, 2008, § 182 Rn. 23; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 182 Rn. 19, 21. 42 Hüffer, AktG, 2008, § 204 Rn. 5; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 204 Rn. 7; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 204 Rn. 12, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 518; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 204 Rn. 5. 43 Zu erstem Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 182 Rn. 27; Klette, BB 1968, 1101, 1102 ff.; ähnlich Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 182 Rn. 69; zu letztem MünchKommAktG/Bayer, § 204 Rn. 13; Peifer, aaO, 2005, § 182 Rn. 50. 44 So Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 182 Rn. 23; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 518; siehe auch Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 182 Rn. 63.

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs

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b) Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß und Festlegung des Ausgabe- oder Mindestbetrages Hängt der vermögensmäßige Schutz des Beteiligungsvermögens der Aktionäre maßgebend vom Ausgabekurs der neuen Aktien ab, da die Aktionäre nicht davon unabhängig durch ein Bezugsrecht auf die neuen Aktien geschützt werden, so sind strengere Anforderungen an dessen Festsetzung zu stellen.45 Setzt die Hauptversammlung bei der Barkapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß einen Ausgabe- oder Mindestbetrag für die neuen Aktien fest, der unangemessen niedrig ist, ist der Beschluß gemäß dem Wortlaut des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG stets anfechtbar. Dabei ist zu differenzieren: Beschließt die Hauptversammlung einen unangemessen niedrigen Ausgabebetrag, kommt § 255 Abs. 2 S. 1 AktG unmittelbar zur Anwendung;46 ein Recht der Verwaltung zur Kurskorrektur besteht nicht.47 Ist hingegen der Mindestbetrag unangemessen niedrig festgesetzt, soll die Verwaltung nach der h. M. spätestens bis zu Beginn der Zeichnung iSd. § 185 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 AktG nach pflichtgemäßem Ermessen über den Ausgabebetrag entscheiden. Das Ermessen muß im Sinne eines angemessenen Ausgabebetrages ausgeübt werden, §§ 188 Abs. 2, 36 Abs. 2, 36a Abs. 2 AktG.48 Der Beschluß ist aber bereits wegen der Gefahr eines zu niedrigen Ausgabebetrages gem. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG anfechtbar.49 45

Zur Bedeutung des Bezugsrechts oben S. 238 ff. Hüffer, AktG, 2008, § 182 Rn. 23 und § 186 Rn. 41; MünchKommAktG/ Peifer, 2005, § 182 Rn. 47 und § 186 Rn. 104; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 519; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 182 Rn. 23; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 182 Rn. 71; Zöllner, ZGR 1986, 288, 303; Klette, DB 1968, 2203, 2205. 47 Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 182 Rn. 24; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 519; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 182 Rn. 23; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 182 Rn. 65. 48 Hüffer, AktG, 2008, § 182 Rn. 24; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 182 Rn. 2f f.; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 519; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 13, der auf § 186 Abs. 2 AktG abstellt; Wiedemann, aaO, 1995, § 182 Rn. 64 und 74; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 182 Rn. 24; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 182 Rn. 67 und § 255 Rn. 10. 49 Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 12; MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 17; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 13; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 182 Rn. 26. Allerdings ist noch eine Heilung möglich, wenn der Vorstand einen angemessenen Ausgabekurs festsetzt, so daß eine Anfechtung ausgeschlossen ist, sobald der Vorstand den festgesetzten Ausgabebetrag nicht mehr ändern kann; siehe Krause, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 5 Rn. 11 (S. 176); F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 41 46

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

Legt die Hauptversammlung weder Ausgabe- noch Mindestbetrag fest, ist der Beschluß auszulegen und dabei das Finanzierungsinteresse der AG mit den Beteiligungsinteressen der Aktionäre abzuwägen.50 Was danach gelten soll, ist umstritten. Entgegen der früher h. M. in Rechtsprechung und Schrifttum, wonach die Aktien zu pari auszugeben waren,51 sind nach der heute überwiegenden Ansicht die Aktien durch die Verwaltung zu einem angemessenen Kurs52 bzw. bestmöglich53 auszugeben. Begründet wird dies damit, daß zwar Systematik und Entstehungsgeschichte für eine Ausgabe zu pari sprechen,54 dies aber mit den berechtigten Interessen der vom Bezug der jungen Aktien ausgeschlossenen Aktionäre unvereinbar wäre, da die Aktionäre ebenso beeinträchtigt würden wie im Falle einer ausdrücklichen Mindestbetragsfestsetzung.55 Denn bei Schweigen des Beschlusses zur Barkapitalerhöhung stellt Rn. 127; Hüffer, aaO; Stilz, aaO; K. Schmidt, aaO; wohl auch Groß, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 39 Rn. 16 (S. 1334 f.). 50 Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 182 Rn. 23; MünchKommAktG/ Peifer, 2005, § 182 Rn. 51. 51 RG v. 6.12.1933 – I 177/33, RGZ 143, 20, 23, und v. 13.3.1934 – II 225/33, RGZ 144, 138, 142 f.; BGH v. 6.10.1960 – II ZR 150/58, BGHZ 33, 175, 178 (Minimax II); Baumbach/Hueck, AktG, 1968, § 182 Rn. 3; Godin/Wilhelmi, AktG, 1971, § 182 Anm. 6; Würdinger, AktR, 1981, § 35 III 2 (S. 178); diesen Standpunkt verteidigend Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 182 Rn. 74 ff. Diese Auffassung wurde im Gesetzgebungsverfahren zum AktG 1965 unterstellt; siehe Begr RegE zu § 255 AktG 1965 bei Kropff, AktG, 1965, S. 342. 52 Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 182 Rn. 23; MünchKommAktG/ Peifer, 2005, § 182 Rn. 54; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 182 Rn. 26 und 28; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 182 Rn. 68; Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, A V 5 (S. 98). Siehe auch Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 27: angemessenes Aufgeld nur, wenn Verwaltung hierzu aufgrund Hauptversammlungsbeschluß berechtigt, sonst Ausgabe zum geringsten Ausgabebetrag. 53 Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 8, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 15 ff.; Krause, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 5 Rn. 12 (S. 177); Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 9; Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 92 (S. 817); Groß, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 39 Rn. 16 (S. 1334); Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 97; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 519; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 4; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 255 Rn. 12; Klette, BB 1968, 977, 980 (liSp.), und ders., DB 1968, 2261, 2265 (reSp.). In diese Richtung auch BGH v. 13.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 (Kali+Salz). 54 Hierzu Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 182 Rn. 73, mit Verweisung auf die Gesetzesbegründung zum AktG 1965 oben bei Fn. 51. 55 Hüffer, AktG, 2008, § 182 Rn. 25; ähnlich Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 8; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 182 Rn. 54.

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nach h. M. der Nennbetrag der Aktien, § 9 Abs. 1 AktG, den Mindestbetrag dar, so daß eine Beschlußanfechtung aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 255 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 AktG möglich ist, wenn dieser geringste Ausgabebetrag der Aktien als Gegenwert der Emission unangemessen niedrig ist.56 c) Kapitalverwässerungsschutz bei Verwaltungsentscheidungen Beim genehmigten Kapital nach den §§ 202 ff. AktG ermächtigt die Hauptversammlung die Verwaltung regelmäßig,57 aber nicht notwendig, das genehmigte Kapital zweckgebunden durch Ausgabe der neuen Aktien auszunutzen, §§ 202 Abs. 2 S. 1 iVm. Abs. 1 AktG, über den Ausschluß des Bezugsrechts mit Zustimmung des Aufsichtsrates zu entscheiden, § 203 Abs. 2 S. 1 iVm. § 186 Abs. 3, 4 AktG, und auch den Ausgabebetrag der neuen Aktien festzusetzen, § 204 Abs. 1 AktG.58 Enthält der Ermächtigungsbeschluß keine Vorgaben zur Festsetzung des Ausgabe- oder Mindestbetrags, ist die Festsetzung des Emissionspreises in das Ermessen des Vorstandes gestellt. Setzt die Verwaltung in dieser Konstellation den Ausgabebetrag der neuen Aktien fest, scheidet eine Beschlußanfechtung nach § 255 Abs. 2 S. 1 AktG mangels Festsetzung eines Mindestbetrags oder Ausgabekurses durch die Hauptversammlung aus,59 was beim genehmigten Kapital unter Bezugsrechtsausschluß die Regel ist, da der Ermächtigungsbeschluß regelmäßig auch keinen Mindestbetrag nennt.60 Entsprechendes gilt, wenn der Vorstand ermächtigt wird, über den Bezugsrechtsausschluß (ebenfalls) zu entscheiden. Der durch § 255 Abs. 2 S. 1 AktG gewährte Verwässerungsschutz läuft dann leer, als der Hauptversammlungsbeschluß insoweit 56 Hüffer, AktG, 2008, § 182 Rn. 25 und § 255 Rn. 8, und MünchKommAktG/ ders., 2001, § 255 Rn. 12 und 17; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 9; Krause, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 5 Rn. 11 (S. 176); Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 519; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 182 Rn. 71; K. Schmidt, aaO, 1995, § 255 Rn. 4; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 182 Rn. 74; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 255 Rn. 12. 57 So MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 84; Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 29; siehe auch Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 56. 58 Dazu oben bei Fn. 31. 59 Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 8, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 13; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 7; Spindler/Stilz/ Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 7, 10; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 521; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 4, 10; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 255 Rn. 7. Aus der Instanzenrechtsprechung etwa OLG Karlsruhe v. 28.8.2002 – 7 U 137/01, NZG 2002, 959, 965 (MLP). 60 So Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 28.

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nicht anfechtbar ist, weil zum Zeitpunkt der Beschlußfassung durch die Hauptversammlung noch nicht feststeht, ob das Bezugrecht ausgeschlossen wird und ob die neuen Aktien unter Wert ausgegeben werden sollen.61 Daran schließt sich die Frage an, ob zugunsten der Aktionäre ein Kapitalverwässerungsschutz bei Verwaltungsentscheidungen besteht und an welchem Maßstab sich die Verwaltung in solchen Fällen zu orientieren hat. Ausgangspunkt der Betrachtung der dem Vorstand obliegenden Pflichten ist § 93 Abs. 1 S. 1 AktG, der den weitesten Rahmen der vom Vorstand zu beachtenden Verhaltensgebote absteckt. Aus dieser generellen Sorgfaltspflicht, die den Vorstand aufgrund der Bewehrung mit Ersatzpflichten nach § 93 Abs. 2 AktG dazu anhalten soll, die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden,62 läßt sich als Grenze folgern, daß es dem Vorstand versagt ist, Vermögen der Gesellschaft zu verschleudern,63 andererseits er Geschäftschancen im Gesellschaftsinteresse wahrzunehmen hat.64 Mit dieser Eingrenzung ist allerdings im Hinblick auf die Festsetzung des Ausgabepreises nicht mehr als ein äußerer Rahmen gewonnen. Der vom AktG mit dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG und dem Verwässerungsverbot gem. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG verfolgte Schutz vor Beeinträchtigungen des Beteiligungsvermögens legt nahe, daß die Verwaltung bei solchen Entscheidungen in besonderer Weise auf die Aktionäre und ihre Vermögensinteressen Rücksicht zu nehmen hat. Die Bedeutung des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG geht daher nach der h. M. über ihren eigentlichen Anwendungsbereich der Beschlußanfechtung hinaus. So hat der BGH im Siemens/ Nold-Urteil entschieden, daß „der Vorstand bei der Bemessung des Ausgabebetrages neben § 9 Abs. 1 AktG auch die in § 255 Abs. 2 S. 1 AktG gezogenen Grenzen beachten“ müsse, wenn er zum Bezugsrechtsausschluß und der Festlegung des Ausgabekurses für die neuen Aktien ermächtigt werde.65 61 Dazu Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 8 a. E., und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 13, 15 ff.; Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 521; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 4, 10; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 204 Rn. 22 f.; Zöllner, aaO, 1985, § 255 Rn. 7. 62 Zur Doppelfunktion der Vorschrift und zum Maßstab der Sorgfaltspflicht der Vorstandsmitglieder sowie zu den durch das UMAG eingeführten Regelungen oben S. 217 ff. 63 Hopt, in: GroßKommAktG, 1999, § 93 Rn. 111; ausführlich hierzu auch aus rechtsvergleichender Sicht Abeltshauser, Leitungshaftung, 1998, S. 190 ff. 64 Hüffer, AktG, 2008, § 88 Rn. 3; siehe auch Fleischer, WM 2003, 1045, 1054 (reSp.) mwN. zur Lehre der corporate opportunities. Dies betonend Begr RegE UMAG zu § 93 Abs. 1 S. 2 und 3 AktG, BT-Drs. 15/5092, S. 11 f.; dazu schon in der Einleitung. 65 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 133, 133, 141 (Siemens/Nold), und v. 15.5.2000 – II ZR 359/98, BGHZ, 144, 290, 295 (adidas). Hierzu auch Hüffer, AktG, 2008, § 204 Rn. 5, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 13; Veil,

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Die Verwaltung hat also dieselben gesetzlichen Vorgaben und Beschränkungen zu befolgen, die auch für die Hauptversammlung gelten.66 Kommt dem Vorstand bei Bestehen eines Bezugsrechts der Aktionäre jenseits der von § 9 Abs. 1 AktG festgesetzten Untergrenze ebenso wie der Hauptversammlung ein unternehmerisches Ermessen zu,67 so ist die Rechtslage geradezu gegensätzlich im Falle des Bezugsrechtsausschlusses. Begibt die Verwaltung in einem solchen Fall die Aktien unter Wert, also nicht zu einem angemessenen Kurs im Sinne des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG, handelt sie pflichtwidrig und macht sich schadensersatzpflichtig. An die Stelle der Anfechtung nach § 255 Abs. 2 S. 1 AktG bei einem unangemessen niedrigen Ausgabebetrag der Aktien tritt eine Haftung der Verwaltung auf Schadensersatz, da die Nichtbeachtung der Grenze für die Ausgabe der neuen Aktien als Pflichtverletzung iSd. §§ 93, 116 AktG zu qualifizieren ist.68 Der Vorschrift kommt also als Verwässerungsverbot zentrale Bedeutung bei der Ausgabe neuer Aktien zu. Der von ihr aufgestellte Maßstab für die Bemessung des Ausgabekurses kann aber ebenso auf die Pflichtenlage bei der Festlegung des Veräußerungspreises bereits bestehender Aktien übertragen werden.69 Denn bei der Abgabe bestehender Aktien zu einem unangemessen niedrigen Preis erleiden die Aktionäre einen gleichen vermögensmäßigen Verlust ihres Beteiligungswertes wie im Fall der Ausgabe neuer Aktien unter Wert an Dritte oder einzelne Aktionäre. Im Hinblick auf diese in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 204 Rn. 9; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 58 Rn. 32; Henze, BB 2001, 53, 58; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 97; Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 137; Kindler, ZGR 1998, 35, 50 f. 66 Hüffer, AktG, 2008, § 204 Rn. 5; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 204 Rn. 12, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 518; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 204 Rn. 10. 67 MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 204 Rn. 13, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 518; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 204 Rn. 10; dazu schon oben bei Fn. 43. 68 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 (Siemens/Nold); Hüffer, AktG, 2008, § 182 Rn. 25 und § 204 Rn. 5, sowie MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 13; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 204 Rn. 9; Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 58 Rn. 47; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 176 und § 204 Rn. 14, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 522; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 145 und § 204 Rn. 11; Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 137 f., und ders., ZHR 163 (1999), 554, 582 f.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 182 Rn. 27 und § 204 Rn. 11, 22 und 28 ff.; Zöllner, ZGR 1986, 208, 303. 69 Ähnlich auch Erber, Börsengang, 2003, S. 138, im Anschluß an Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 528 f.; wohl auch MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 18, da das von ihm angesprochene Bookbuilding-Verfahren vor der Änderung des § 186 Abs. 2, 5 AktG im Jahr 2002 nicht bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß möglich war. Zur Anwendung des § 255 AktG auf Veräußerungsfälle nach § 71 AktG oben im Dritten Teil bei Fn. 146.

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Pflichtenlage entscheidend ist damit, wann der Ausgabebetrag der Aktien iSd. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG „unangemessen niedrig“ ist. 3. Ausgabebetrag der neuen Aktien Erfolgt die Festsetzung des Ausgabebetrages durch den Vorstand bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß, ist er gehalten, einen möglichst hohen Ausgabekurs festzusetzen, um die Vermögenseinbuße der Altaktionäre möglichst gering zu halten.70 Strittig und bislang ungeklärt ist, wie hoch der Ausgabekurs nach diesen Vorgaben im einzelnen sein muß. Zwei Fragen sind hierbei auseinander zu halten. Zum einen, woraus der Ausgabebetrag der neuen Aktien unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Aktien herzuleiten ist, also was der maßgebende Vergleichswert der bereits bestehenden Aktien ist, und zum anderen, wann der Ausgabebetrag der neuen Aktien „unangemessen niedrig“ iSd. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG ist. Beide Bereiche werden im Schrifttum kontrovers diskutiert. a) Ermittlung des Ausgabebetrages Für die Konkretisierung der Bemessung des Ausgabebetrages ist nachfolgend zuerst auf den Grundfall der nicht notierten Gesellschaft einzugehen, bevor der Meinungsstand für die börsennotierte AG darzustellen ist, wobei über den Börsenbegriff des § 3 Abs. 2 AktG hinausgehend hierunter sämtliche Börsennotierungen zu verstehen sind. aa) Nicht notierte Gesellschaft und angemessener Ausgabebetrag Nach der Rechtsprechung des BGH in der Kali+Salz-Entscheidung zum Fall einer Sachkapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß hat sich die „Frage, welche Gegenleistung für die bei einer Kapitalerhöhung ausgegebenen neuen Aktien angemessen ist, . . . grundsätzlich nicht nach Börsenkursen, sondern dem ‚wirklichen‘, unter Einschluß stiller Reserven und des inneren Geschäftswerts zu ermittelnden Wert“ zu richten.71 Zur Begründung 70 Hüffer, AktG, 2008, § 204 Rn. 5; MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 204 Rn. 14, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 518 ff.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 97; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 204 Rn. 11; Zöllner, ZGR 1986, 288, 303; Klette, DB 1968, 977, 980 (liSp.); großzügiger wohl Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 204 Rn. 9; Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 137, und ders., ZHR 163 (1999), 554, 582. 71 BGH v. 19.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 (Kali+Salz), und v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 (Siemens/Nold); OLG Frankfurt/M. v. 1.7.1998 – 21 U 166/97, NZG 1999, 119, 121 (liSp.; ASI Automotive);

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verweist der BGH auf die Abfindungsregeln in den §§ 305 Abs. 3, 320 Abs. 5 AktG a. F. (jetzt: § 320b Abs. 1 AktG) und § 12 UmwG a. F. (jetzt: § 30 UmwG), „in denen der Begriff der Angemessenheit im Zusammenhang mit einer etwaigen vermögensmäßigen Benachteiligung von Aktionären eine Rolle spielt“.72 Die vom BGH getroffenen Aussagen zur Bedeutung des inneren Wertes sind übertragbar auf die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen und die Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital, da sich die Frage, wie die neu auszugebenden Aktien wertmäßig zu bemessen sind, dort gleichermaßen stellt.73 Dabei ist nach wohl h. M. als Wert der Aktien, der sich aus dem Wert des Gesellschaftsvermögens ergibt, der volle bzw. innere Wert maßgeblich,74 wie er namentlich für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation bei der Bestimmung der angemessenen Abfindung iSd. § 305 Abs. 3 AktG zugrunde zu legen ist.75 Diese Wertanforderung ist auch im Rahmen der Festsetzung des Einziehungsentgelts nach § 237 Abs. 1 S. 2 Fall 2 AktG,76 bei a. A. LG München I v. 6.10.2005 – 5 HK O 15445/05, AG 2006, 169; zweifelnd OLG München v. 1.6.2006 – 23 U 5917/05, AG 2007, 37, 40 f. Wie der BGH auch Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 5, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 15; Bayer, aaO, 2005, § 203 Rn. 15 und § 204 Rn. 14, ders., ZHR 168 (2004), 132, 140, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 525 f. und 532 ff.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 99, und ders., WM 1997, 1001, 1004; Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77, 90 f.; Cahn, ZHR 164 (2000), 113, 137; Paefgen, AG 1999, 67, 69 (reSp.); Bungert, NJW 1998, 488, 491 (liSp.); Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 262 ff.; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 204 Rn. 13; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 12. 72 BGH v. 19.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 (Kali+Salz); siehe auch BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 (Siemens/Nold). 73 Zu erstem Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 5, 7; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 99.; zu letztem BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 (Siemens/Nold). 74 BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 141 (Siemens/Nold), und v. 19.3.1978 – II ZR 142/76, BGHZ 71, 40, 51 (Kali+Salz); aus dem Schrifttum Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 20; Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 90 (S. 816 f.); sowie die in Fn. 71 Genannten. 75 Zur Ausrichtung der Abfindung im Rahmen des § 305 Abs. 3 AktG am vollen Wert siehe BVerfG v. 7.8.1962 – 1 BvL 16/60, BVerfGE 14, 263, 284 (Feldmühle), v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 305 ff. (DAT/Altana), v. 25.7.2003 – 1 BvR 243/01, AG 2003, 624, 625 (liSp.), und v. 29.11.2006 – 1 BvR 704/03, AG 2007, 228, 229 (liSp.) (Siemens/SNI). Aus dem Schrifttum Hüffer, AktG, 2008, § 305 Rn. 18; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 305 Rn. 36 ff.; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, § 305 Rn. 50 ff.; MünchKommAktG/Bilda, 2000, § 305 Rn. 59, je mwN.; umfassend monographisch Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 268 ff., 290 ff. 76 Hüffer, AktG, 2008, § 237 Rn. 17 f.; Veil, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 237 Rn. 16 f.; differenzierend MünchKommAktG/Oechsler, 2001, § 237 Rn. 69 f.; siehe auch Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 237 Rn. 64 ff.

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der Festsetzung der Barabfindung für die Erwerber fehlerhaft entstandener junger Aktien aus fehlgeschlagenen Kapitalerhöhungen, § 248 AktG,77 für die Bestimmung von Ausgleich und Abfindung nach den §§ 304 Abs. 2 S. 2 AktG und zur Bemessung der Barabfindung nach §§ 327a Abs. 1 S. 1, 327b Abs. 1 S. 1 Hs. 2 AktG78 maßgeblich.79 Begründet wird dies damit, daß ein Abstellen auf den inneren Wert den sonstigen Bestimmungen im AktG entspreche, was auch der BGH in der Kali+Salz-Entscheidung ausdrücklich anspricht,80 und dadurch die Geschlossenheit der aktienrechtlichen Konzeptionen zur Anteilsbewertung sichergestellt werde.81 Für die Bestimmung des inneren Wertes der Aktien geschlossener Gesellschaften nach dem Unternehmenswert unter Einschluß der stillen Reserven und dem inneren Geschäftswert ist hiernach regelmäßig eine Unternehmensbewertung nach den dafür entwickelten Grundsätzen erforderlich.82 Dies gilt auch für die erstmalige Börseneinführung einer Gesellschaft.83 bb) Börsennotierte Gesellschaft und angemessener Ausgabebetrag Für börsennotierte Publikumsgesellschaften gelten vor dem Hintergrund der §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 und 186 Abs. 3 S. 4 AktG Besonderheiten, da eine Veräußerung über die Börse zum Börsenkurs nach dem Wortlaut der 77 Hüffer, AktG, 2008, § 248 Rn. 7a, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 248 Rn. 21; Winter, in: FS Ulmer, 2003, S. 699, 702; Zöllner/Winter, ZHR 158 (1994), 59, 60 ff. und 65 ff.; Kort, ZGR 1994, 291, 314; a. A. Huber, in: FS Claussen, 1997, S. 147, 153 ff. (Abfindung ohne Beteiligung an stillen Reserven). 78 OLG Hamburg v. 11.4.2003 – 11 U 215/02, ZIP 2003, 1344, 1348 (reSp.; Philips/PKV); Hüffer, AktG, 2008, § 327b Rn. 5; Schnorbus, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 327b Rn. 2 ff.; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, § 327b Rn. 9; MünchKommAktG/Grunewald, 2004, § 327b Rn. 9. 79 So MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 15; hierzu auch Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, S. 290 ff., der Desinvestitionswert und inneren Wert als doppelte Untergrenze ansieht. 80 Vgl. oben bei Fn. 71. 81 So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 263. Dem zustimmend MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 15. 82 MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 204 Rn. 14, und ders., ZHR 163 (1999), 505, 533 f.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 99; Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77, 90 f.; Lutter, JZ 1998, 50, 51, und ders., in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 204 Rn. 13; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 12. Weitergehend Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 141: Unternehmensbewertung unerläßlich. Siehe auch Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 5: Ausgabebetrag muß nur angemessen sein, so daß das Bewertungsergebnis nur den Bezugspunkt bildet, nicht aber allein maßgeblich ist. 83 Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 99; Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77, 90 f.

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Vorschriften unabhängig vom inneren Wert der Aktien gestattet ist und nach letzterer Vorschrift Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß auch dann zulässig sind, wenn der Ausgabebetrag den Börsenkurs nur unwesentlich unterschreitet. Im Schrifttum wird daher kontrovers diskutiert, ob der Börsenkurs bei der börsennotierten AG die entscheidende Richtgröße für die Bemessung des Ausgabekurses ist oder es entsprechend der Kali+ Salz-Entscheidung doch auf den inneren Wert ankommt. Übersteigt der Börsenkurs der Aktien ihren inneren Wert, so soll nach Stimmen der Literatur der höhere Börsenkurs die entscheidende Größe sein.84 Hierfür wird angeführt, daß so eine Bevorzugung der Erwerber vermieden werde, die Aktien statt über die Börse zum niedrigeren Emissionskurs beziehen können.85 Das deckt sich insoweit mit der Rechtsprechung des BVerfG für die Fälle der Bemessung der Abfindung bei einem Ausscheiden aus der Gesellschaft, als der Börsenkurs bei der Wertermittlung nicht unberücksichtigt bleiben dürfe. Danach bleibt der Gesellschaft die Möglichkeit offen, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, daß der Börsenkurs den niedrigeren inneren Wert übersteigt.86 Es überzeugt, die Erwerber der Aktien zum Emissionskurs nicht gegenüber den Erwerbern an der Börse zu bevorzugen, so daß Richtgröße der Börsenkurs ist.87 Problematisch ist der Fall, daß der Börsenkurs den auf der Grundlage der Unternehmensbewertung ermittelten inneren Wert der Aktien nicht erreicht. Ob hier eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß unzulässig ist, wenn als Ausgabekurs nur der Börsenkurs zugrundegelegt wird, ist umstritten. Nach einem Teil der Stimmen im Schrifttum ist im Sinne dieser Vorschriften grundsätzlich auf den Börsenkurs abzustellen, jedoch der innere Wert entscheidend, wenn der auf der Grundlage der Unternehmensbewertung ermittelte innere Wert der Gesellschaft über dem Börsenwert liegt.88 84 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 18; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 267; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 255 Rn. 9. 85 So Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 267; siehe auch Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 4. 86 BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 289, 308 f. (DAT/Altana). 87 A. A. etwa Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 90 (S. 816 f.); Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 141 f.; Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 28. 88 Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 5, und MünchKommAktG/ders., 2001, § 255 Rn. 18; Peifer, aaO, 2005, § 186 Rn. 88; Bayer, aaO, § 203 Rn. 59; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 100, ders., WM 1997, 1001, 1004 (liSp.), und ders., ZIP 1994, 356, 359; Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 267 f.; Hoffmann-Becking, ZIP 1995, 1, 9 f.; Zöllner, AG 1994, 336, 341 (reSp.). Zu dieser Frage, die v. a. im

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Hüffer befürwortet dabei die Ableitung einer widerleglichen Vermutung aus dem Rechtsgedanken des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG, daß der Börsenkurs dem inneren Wert entspreche.89 Dem liegt zugrunde, daß Verwässerungsschutz nicht in jedem Fall durch eine Anlehnung des Ausgabekurses an den Börsenpreis geleistet werden könne, da es darum gehe, die Aktionäre vor einer Verwässerung des inneren Wertes zu sichern.90 Nach weiteren Stimmen ist jedenfalls im Rahmen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG nur der Börsenkurs entscheidend,91 was teilweise damit begründet wird, daß die Vorschrift lex specialis zu § 255 Abs. 2 S. 1 AktG sei.92 Ekkenga stützt dies darauf, daß andernfalls gerade an der Börse überbewertete Gesellschaften begünstigt würden, was auf eine Fehlallokation betrieblich nutzbarer Mittel hinauslaufe.93 Für Fälle des Beteiligungserwerbs soll nach Martens grundsätzlich der aktuelle Börsenkurs der Aktien entscheidend sein, wobei er zur Begründung auch die aus den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 und 186 Abs. 3 S. 4 AktG folgenden Wertungen heranzieht, wonach auch bei der Wiederveräußerung eigener Aktien Maßstab eines angemessenen Veräußerungspreises der Börsenkurs sei, wie jeweils S. 4 der Vorschriften zeige.94 Nach Bayer dürfen neue Aktien in Fällen, bei denen der wirkliche Unternehmenswert über dem Börsenkurs liegt, nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG zum aktuellen Börsenkurs ausgegeben werden.95 Die zu gewährleistende Nachkaufmöglichkeit der Altaktionäre stelle eine Kompensation dar, die den Unterschied zu AbfindungskonstellaRahmen der Kapitalerhöhung gem. § 186 Abs. 3 S. 4 AktG praktisch relevant wird, auch oben S. 249 ff. 89 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39e und § 255 Rn. 5; so auch Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 341; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 88. Kritisch Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 22. 90 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 39b; siehe auch Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 27 f., und ders., ZIP 1995, 1, 9 f. 91 Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77, 81 ff., und ders., AG 1994, 59, 65 (Zukaufsmöglichkeit ausreichend); Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 524 f., 536 f.; Technau, AG 1998, 445, 451; Trapp, AG 1997, 115, 117 f.; Schwark, in: FS Claussen, 1997, S. 347, 365 f.; Hoffmann-Becking, in: FS Lieberknecht, 1997, S. 25, 29. Siehe auch Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 92 (Ausnahme nur, wenn Börsenkurs wegen zu großer Marktenge nicht aussagefähig). Weitergehend Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 4. 92 Busch, AG 1999, 58, 59 (reSp.); Liebert, Bezugsrechtsausschluß, 2003, S. 157; abl. MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 21. Siehe hierzu schon oben in Fn. 70 im Dritten Teil. 93 Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77, 89. 94 Martens, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 267, 279 ff., 284 ff. 95 MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 59, der sich von seiner Ansicht in ZHR 163 (1999), 505, 535 ff., distanziert. Siehe auch Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 23.

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tionen in Fällen des freiwilligen oder zwangsweisen Ausscheidens des Aktionärs aus der AG rechtfertige, bei der die Entschädigung auch über dem Börsenkurs liegen könne.96 Weitergehend wird nach Cahn in Anbetracht der unterschiedlichen Regelungszwecke von Abfindung und Bestimmung des Ausgabepreises bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß die Übertragung der Grundsätze über die Abfindungsbemessung dem Anliegen des Verwässerungsschutzes nicht gerecht.97 Der innere Wert der Anteile zur Zeit der Kapitalerhöhung stelle bei der börsennotierten Publikumsgesellschaft einen Anhaltspunkt, nicht aber eine feste Grenze für die Bestimmung eines angemessenen Erwerbspreises dar.98 Insbesondere vor dem Hintergrund der jüngeren verfassungsrechtlichen Entscheidungen und der Ausführungen des Gesetzgebers zum Vermögensschutz in Ausschlußkonstellationen ist zu fordern, daß die vom Bezug der Aktien ausgeschlossenen Aktionäre wirtschaftlich voll entschädigt werden.99 Orientiert sich der Ausgabebetrag der Aktien am Börsenkurs, wird das Beteiligungsvermögen nicht nennenswert beeinträchtigt, wenn der Börsenkurs nicht den inneren Wert der Aktien unterschreitet. Die gewisse Verwässerung durch den Ausgabepreis, der den Börsenkurs nicht wesentlich unterschreitet, ist dabei als zumutbare Beeinträchtigung von den Aktionären hinzunehmen, wie § 186 Abs. 3 S. 4 AktG voraussetzt.100 Erreicht der Börsenkurs hingegen nicht den inneren Wert, was kein rein theoretisches Problem ist, wie etwa die Börsenkurse zu Beginn der Dekade zeigten, so kann eine Benachteiligung der Aktionäre auch bei bestehender Zukaufsmöglichkeit nur dann verhindert werden, wenn der Ausgabekurs den anteiligen Wert des Unternehmens widerspiegelt.101 Will eine börsenno96 MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 59, ders., ZHR 168 (2004), 132, 141, und ders., ZHR 163 (1999), 514, 536 f.; dem ist entgegenzuhalten, daß jede Veräußerung unabhängig von der Person des Erwerbers zum Börsenkurs den höheren inneren Wert der Aktien der Altaktionäre verwässert, da der Erwerbspreis unter diesem liegt, so daß der Zukauf die Altaktionäre nicht schützt. Eine Vermögensverschiebung von den Altaktionären hin zu den Erwerbern findet vielmehr nur dann nicht statt, wenn erste pro rata sämtliche neue Aktien erwerben wie bei einer Bezugsrechtskapitalerhöhung. So auch Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 585. 97 Zum Börsenkurs als Untergrenze bei der Abfindungszahlung gegen Ausscheiden BVerfG v. 27.4.1999 – 1 BvR 1613/94, BVerfGE 100, 259, 305 ff. (DAT/Altana), und dazu näher oben S. 155 ff. 98 Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 584 ff., insbes. 586. 99 Dazu oben S. 155 ff.; siehe auch MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 59. 100 Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 4. Dazu auch Begr FraktE DeregulierungsG zu § 186 AktG, BT-Drs. 12/6721, S. 10 (reSp.), und oben S. 249 ff. 101 So auch Henze, ZHR 167 (2003), 1, 6 f.; dazu auch Schwab, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 4; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 88;

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tierte Gesellschaft also in einer solchen Phase eine Kapitalerhöhung durchführen, kann sie das mit dem Bezugsrecht der Aktionäre tun. Nur so läßt sich ein Bruch mit dem einheitlichen Schutzsystem des AktG und UmwG vermeiden, das beim „wahren“ oder „inneren“ Wert ansetzt und die Aktionäre vor einer Vermögensverwässerung schützt.102 Es überzeugt dementsprechend, daß § 186 Abs. 3 S. 4 AktG abgesehen davon, daß hiernach in Zeiten funktionierender Kapitalmärkte und damit einem Börsenkurs der Aktien in Höhe ihres inneren Wertes eine Plazierung der Aktien auch knapp unterhalb des Börsenkurses zulässig ist, nur im Rahmen der Darlegungsund Beweislastverteilung Bedeutung zuzumessen ist. b) Die Angemessenheit des Ausgabebetrages Ebenfalls nicht abschließend geklärt ist, wann der Ausgabe- oder Mindestbetrag unangemessen niedrig im Sinne des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG ist, wobei die Stellungnahmen hierzu selten eine klare Antwort geben.103 Kontrovers diskutiert wird hierbei, ob ein gewisser Abschlag von dem maßgeblichen Aktienwert bzw. -kurs vorgenommen werden dürfe, um eine Veräußerung sicherzustellen. Bayer fordert, daß der Ausgabebetrag der neuen Aktien dem Wert der verlorenen Beteiligungsquote entsprechen müsse, so daß der Aktionär im Ergebnis von einem Vermögenssubstanzverlust verschont bleibe.104 Auch der zutreffende Hinweis, daß sich eine Plazierung der neuen Aktien auf dem Kapitalmarkt bei börsennotierten Unternehmen nur dann realisieren lasse, wenn die Aktienausgabe wenigstens leicht unter dem aktuellen Börsenkurs erfolge, rechtfertige jenseits des durch § 186 Abs. 3 S. 4 AktG vorgegebenen Rahmens keine Ausnahme.105 Mülbert kommt aus systematiumfassend Adolff, Unternehmensbewertung, 2007, passim und S. 347 für Abfindungskonstellationen: „gegenüber dieser Modellvorstellung vom informations- und allokationseffizienten Markt [ist] selbst im Bezug auf große, liquide und organisierte Aktienmärkte große Skepsis geboten: Preis und Fundamentalwert können signifikant auseinanderfallen.“ 102 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 268; dem zustimmend MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 20 f.; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 24. Das im Schrifttum vorgetragene Gegenargument, daß der innere Wert der Aktien vom Aktionär grundsätzlich nicht verwirklicht werden könne, ist nicht weiterführend, da daraus nicht der Umkehrschluß gebildet werden kann, daß mangels individueller Verfügbarkeit dieses Wertes der Schutz des Aktionärs nicht soweit, sondern nur bis zum Börsenkurs reicht. 103 So auch die Bewertung von Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 523. 104 Bayer, ZHR 163 (1999), 505, 525, 532 ff.; siehe auch ders., ZHR 168 (2004), 132, 140. 105 MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 57, 74 ff.

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schen Erwägungen zu dem Ergebnis, daß jede Ausgabe unter Wert verboten sei. Er begründet dies damit, daß eine Aktienausgabe unter Wert eine Vermögensverschiebung von den ausgeschlossenen Alt- zu den bezugsberechtigten Neuaktionären und damit ein Sondervorteil iSd. § 243 Abs. 2 AktG sei. Da § 255 Abs. 2 S. 1 AktG die Anfechtungsmöglichkeiten der vom Bezug ausgeschlossenen Aktionäre erweitern wolle, lasse sich das Ergebnis nur dann stimmig erreichen, wenn man jeden Sondervorteil für die Erwerber ausschließe.106 K. Schmidt schließt aus § 255 Abs. 2 S. 1 AktG, daß eine Ausgabe der jungen Aktien unter Wert nach der Einschätzung des deutschen Aktiengesetzgebers nicht generell unzulässig und in erster Linie eine Frage des Einzelfalls sei.107 Nach Zöllner dürfen „die Aktien grundsätzlich nicht unter Wert ausgegeben werden“.108 Allenfalls aus Gründen sicherer Plazierung einer Aktienemission darf nach Hirte von dem Börsenkurs abgewichen werden.109 Das entspricht im Ergebnis dem Ansatz von Hüffer, wonach der Ausgabebetrag unangemessen niedrig iSd. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG ist, wenn er den Wert der Aktien nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung verfehlt und diese Wertverfehlung nach den Umständen des Einzelfalls für die Aktionäre objektiv nicht hinnehmbar ist.110 Mit der vernünftigen kaufmännischen Beurteilung werde auf den auch sonst üblichen Maßstab abgestellt wie etwa im Rahmen des § 254 Abs. 1 AktG und hierdurch den Schwierigkeiten der Unternehmensbewertung und damit den vielfältigen Bewertungs- und Prognoseproblemen Rechnung getragen. Die Begrenzung auf objektiv nicht hinnehmbare Wertverfehlungen im Einzelfall eröffne einen notwendigen zusätzlichen Spielraum für die Festsetzung eines nicht angreifbaren Ausgabebetrages.111 Ein solcher Spielraum sei schon deshalb notwendig, da jede Kapitalerhöhung zumindest der Tendenz nach „unter Wert“ vorgenommen werde, da sonst eine Zeichnung neuer Aktien für Dritte ohne ausreichenden wirtschaftlichen Anreiz sei.112 Namentlich in Fällen der Veräußerung junger Aktien über die Börse sei ein Bewertungs106 Mülbert, Aktiengesellschaft, 1996, S. 262 ff.; dem zustimmend Hirte, WM 1997, 1001, 1004 (liSp.). 107 K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 12. 108 Zöllner, ZGR 1986, 288, 303. 109 Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 100; siehe auch Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 4. 110 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 15; siehe auch Spindler/Stilz/ Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 19. 111 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 16; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 19. 112 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 16. Ähnlich Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 4; F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/ AG, 2007, § 41 Rn. 127; Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 584; K. Schmidt, in: Groß-

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abschlag unvermeidbar und deshalb hinzunehmen, um die Marktfähigkeit herzustellen. Dazu gehöre „auch die Wahrung eines (möglichst geringen) Sicherheitsabstandes gegenüber dem bisherigen Börsenkurs“.113 Überdies könnten hierdurch die Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere die Person des Erwerbers der Aktien oder eine von ihm zu erbringende Sacheinlage berücksichtigt werden.114 Nach Cahn dient es nicht den Belangen der Gesellschaft und der Aktionäre, „am ‚Vergleich‘ wirklicher Werte unter Ausschluß eines Ermessens der Verwaltung betreffend die Festsetzung des Austauschverhältnisses“ strikt festzuhalten. Der Verwaltung sei daher ein unternehmerisches Ermessen bei der Festlegung des Ausgabepreises zuzugestehen; der Vorstand verstoße nur dann gegen seine Pflichten, wenn er Aktien zu einem Ausgabebetrag für eine geringere als die höchst erzielbare Gegenleistung ausgebe, ohne daß hierfür sachliche Gründe vorlägen.115 c) Zusammenfassung und Folgerungen Die Aktien dürfen grundsätzlich nicht unter Wert ausgegeben werden, sind also regelmäßig zum höchst erzielbaren Wert auszugeben und jede Preisfestsetzung darunter ist „unangemessen niedrig“ iSd. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG.116 Vor dem Hintergrund, daß § 186 Abs. 3 S. 4 AktG in Zeiten funktionierender Kapitalmärkte den Aktionären durch die gestattete, nicht wesentliche Unterschreitung des Börsenpreises im Rahmen der zehn ProzentKapitalerhöhung eine gewisse Vermögensverwässerung im Interesse der günstigen Finanzierung der AG auferlegt, läßt sich schließen, daß in diesem Rahmen eine Veräußerung auch knapp unterhalb des aktuellen Börsenkurses zulässig, im Übrigen aber nicht gestattet ist. Daneben ist aus dem Wortlaut des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG zu folgern, der mit dem Merkmal der AngeKommAktG, 1995, § 255 Rn. 12; kritisch Martens, in: FS G. Bezzenberger, 2000, S. 267, 275 ff. 113 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 18. 114 Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 3; F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 41 Rn. 127; siehe auch Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 5; Spindler/Stilz/Stilz, AktG, 2007, § 255 Rn. 19; Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 584; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 12; Zöllner, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1985, § 255 Rn. 9 f. 115 Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 583 f. und 586. 116 Hüffer, AktG, 2008, § 204 Rn. 5; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 255 Rn. 4; MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 182 Rn. 54; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 101 (in jedem Fall nur der höchsterzielbare Ausgabekurs angemessen); Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 344; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1989, § 204 Rn. 11, 13; Zöllner, ZGR 1986, 288, 303; Klette, DB 1968, 977, 980; siehe auch die Stimmen bei Fn. 52 und 53.

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messenheit Raum für eine allerdings durch § 243 Abs. 2 AktG eng begrenzte Wertungsentscheidung eröffnet, daß eine Abweichung von dem ermittelten Wert in vergleichbarem Umfang zu den von § 186 Abs. 3 S. 4 AktG gestatteten Vermögenseinbußen im Sinne einer erfolgreichen Aktienplazierung zulässig ist. 4. Bedeutung für die Preisfestsetzung bei der Börseneinführung von Aktien einer Tochtergesellschaft § 255 Abs. 2 S. 1 AktG findet unmittelbar Anwendung auf Kapitalerhöhungen, die der erstmaligen Börseneinführung von Aktien dienen.117 Aus der Vorschrift zu folgernde Wertungen lassen sich aber auch auf die Bemessung des Ausgabebetrages bei Kapitalerhöhungen in Tochtergesellschaften und der Veräußerung bereits bestehender Aktien der Tochtergesellschaft übertragen, die von der Obergesellschaft gehalten und mittels einer erstmaligen Börseneinführung veräußert werden sollen. Denn hier droht gleichermaßen die Gefahr der vermögensmäßigen Beeinträchtigung des Beteiligungswertes der Aktionäre der Obergesellschaft, wenn die Aktien unter Wert ausgegeben oder veräußert werden, da sich in beiden Fällen der Wert des Gesellschaftsvermögens der Obergesellschaft vermindert.118 Dementsprechend wird im Schrifttum eine Pflicht der Verwaltung, eine Beteiligung Dritter an der Tochtergesellschaft nur zu angemessenen Bedingungen zuzulassen und diese gegebenenfalls analog § 255 Abs. 2 S. 1 AktG zu überprüfen, um die Aktionäre der Obergesellschaft vor einer Verschleuderung von Vermögen unter Wert an Dritte zu bewahren, breiter gefordert.119 So befürworten Fleischer und Hirte eine analoge Anwendung des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG für die Bemessung des Veräußerungspreises oder Ausgabebetrages der Aktien bei der erstmaligen Börseneinführung von Aktien einer Tochtergesellschaft unabhängig davon, ob die Hauptversammlung der Obergesellschaft die Maßnahme gebilligt habe oder sie von der Verwaltung autonom ins Werk gesetzt worden sei.120 Hiernach ist es der Verwaltung der Obergesellschaft verwehrt, an einer Kapitalmaßnahme mitzuwirken, die 117 Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 99; Ekkenga, in: VGR, GesR 2000, Bd. 3, 2001, S. 77, 90. 118 Dazu näher oben S. 425 ff. 119 Neben Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 528 f.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 211, 208, und ders, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5a (S. 184 f.); auch Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 282; Lutter, AG 2000, 342, 344; Baums, AG 1994, 1, 10 (liSp.); in diese Richtung auch Heinsius, ZGR 1984, 383, 403; aus dem Dissertationsschrifttum Kiefner, Börsengang, 2005, S. 347 ff.; Erber, Börsengang, 2003, S. 138. 120 So Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 528 f. und 534.

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eine Ausgabe der Aktien an Dritte zu einem unangemessenen Preis erlaubt; die Angemessenheit des Ausgabekurses sei anhand des Maßstabs des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG zu überprüfen.121 Es überzeugt, die Wertungen des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG auch auf Formen der Veräußerung von Tochtergesellschaftsanteilen zu übertragen. Denn die vergleichbare Beeinträchtigung des Beteiligungsvermögens der Aktionäre der Obergesellschaft bei einer Ausgabe junger bzw. bereits bestehender Aktien der Tochtergesellschaft im Rahmen deren Börseneinführung rechtfertigt, daß der Vorstand der Obergesellschaft bei der hierfür erforderlichen Preisermittlung den Schranken des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG unterworfen ist.

III. Vorstandspflichten bei der Auswahl der Erwerber Die zunehmende Kritik an den teilweise intransparenten Zuteilungspraktiken bei überzeichneten Emissionen und bekannt gewordene Fälle fragwürdiger Bevorzugung von Mitgliedern der Verwaltung, Mitarbeitern und privilegierten Kunden haben zur Erstellung von Grundsätzen für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger geführt, die allerdings nicht rechtlich bindend sind.122 Für die Vorstandspflichten entscheidend sind daher die aktienrechtlichen Bestimmungen. 1. Ausgangspunkt der Vorstandspflichten Die Auswahl der Erwerber durch den Vorstand ist problematisch, da hierbei Interessenkonflikte drohen, denn der Vorstand greift in die Aktionärsstruktur der Gesellschaft ein und nimmt damit auf die Machtverteilung in der Hauptversammlung Einfluß, weshalb dem Vorstand ein solcher Eingriff grundsätzlich nicht gestattet ist, wie im Dritten Teil herausgearbeitet wurde.123 Hat die Hauptversammlung einen Ausschluß des Bezugsrechts beschlossen oder stellen abgebende Aktionäre Aktien zur Börseneinführung 121

Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 211 f. „Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger“ der Börsensachverständigenkommission im Auftrag der Bundesregierung v. 7.6.2000, ZBB 2000, 287 ff., deren Beachtung nach ihrer Präambel nur empfohlen wird und die darauf abzielen, die Transparenz von Preisfestsetzungs- und Zuteilungsverfahren zu verbessern, nicht aber in die Freiheit des Emittenten einzugreifen; hierzu Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 112 ff. (S. 348 ff.). Zur Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger auch Escher-Weingart, AG 2000, 164, 164 ff. 123 Zum Verbot des Eingriffs in die Aktionärsstruktur oben S. 315 ff. Zu Interessenkonflikten der Geschäftsleitung speziell bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß auch Terstege, Bezugsrechte, 2001, S. 336 ff. 122

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zur Verfügung, ist dem Vorstand in diesem Rahmen ein Eingriff in die Aktionärsstruktur gestattet. Allerdings darf er sich auch dann nicht von eigenen Interessen bei der Auswahl der Erwerber leiten lassen. Wie die Untersuchungen der Verhaltenspflichten des Vorstandes im Dritten Teil gezeigt haben, hat der Vorstand in jedem Fall seine Bindung an das Gesellschaftsinteresse zu beachten und sich einem eigennützigen Einsatz der Befugnisse zu enthalten, die ihm zur treuhänderischen Wahrnehmung anvertraut sind.124 2. Interessenabwägung und Verbot des Eingriffs in die Aktionärsstruktur Die Ausführungen im Schrifttum zu den Pflichten der Verwaltung bei der Auswahl der Erwerber sind im Vergleich zum Meinungsbild zur Frage der Angemessenheit des Ausgabekurses dünn gesät. Es ist daher nochmals auf die Ergebnisse des Dritten Teils zurückzukommen. a) Interessenabwägung Ausgangspunkt der Frage, welche Kriterien die Auswahl des Erwerbers zu bestimmen haben, ist die Verpflichtung des Vorstands, Leitungsentscheidungen im eigenen Ermessen zu treffen und die in der Gesellschaft und ihrem Unternehmen zusammentreffenden Interessen sachgerecht abzuwägen.125 Seine Ermessensausübung findet Schranken in der Pflicht, für den Bestand des Unternehmens und damit für dauerhafte Rentabilität zu sorgen.126 Im Hinblick auf die Attraktivität der Investition in die Aktie erlangt die Ausrichtung auf die Interessen der Aktionäre als Anleger und eine Orientierung an einer langfristigen Wertsteigerung der Aktien der börsennotierten AG im Rahmen der vom Vorstand vorzunehmenden Abwägung mit sonstigen Interessen besondere Bedeutung.127 Der Vorstand hat die unterschiedlichen Interessen zu würdigen und diese wie auch die mit der Festle124

Dazu oben S. 329 ff. Hierzu näher oben Dritter Teil Fn. 296. 126 Hüffer, AktG, 2008, § 76 Rn. 13; MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 76 Rn. 73 f.; Wiesner, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 19 Rn. 21; Kort, in: GroßKommAktG, 2002, § 76 Rn. 84. 127 Die Ausrichtung auf diese Interessen sind gesetzliche Leitmaxime der Reformgesetze der letzten Jahre; hierzu näher oben S. 124 ff. Zur Situation bei der Börseneinführung der Tochtergesellschaft und einer erforderlichen Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre der Obergesellschaft auch Lutter, AG 2000, 342, 344 (reSp.), und zur Ausrichtung des Vorstandshandelns auf die Aktionärs- wie auch Anlegerinteressen Kort in: GroßkommAktG, 2003, § 76 Rn. 52 ff. 125

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gung des Emissionspreises verbundenen Beeinträchtigungen der Interessen abzuwägen, so daß die Erzielung eines höchsten Kurses damit nicht alleiniges Kriterium für die Auswahl der Aktienerwerber ist. b) Verbot des Eingriffs in die Aktionärsstruktur Seitens des Emittenten besteht ein Interesse an der verstärkten Beteiligung institutioneller Investoren an Emissionen, da diese aufgrund erheblicher Zeichnungsvolumina zu der notwendigen Nachfrageintensität beitragen und damit wesentliche Bedeutung für den Erfolg insbesondere großer Emissionen haben.128 Achleitner weist daraufhin, daß eine breite Anlegerstruktur einer stabilen Kursentwicklung förderlich sei, so daß der Erfolg einer Aktienemission zu einem beträchtlichen Teil auch davon abhängen könne, inwieweit es gelänge, Aktien bei Privatanlegern zu plazieren.129 Der Vorstand wird also darauf zu achten haben, daß sowohl institutionelle als auch Privatanleger in ausreichendem Umfang Aktien erwerben können. Insbesondere bei größeren Emissionen mit beabsichtigter breiter Streuung der Aktien ist eine Bestimmung der Erwerber durch die Aktionäre im Rahmen des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht möglich, sofern hierfür andere Kriterien der Aktienzuteilung als das höchste Preisgebot als maßgebliches Kriterium gelten sollen.130 Weitere bedeutsame Gesichtspunkte für eine Aktienzuteilung an bestimmte Erwerber, wie etwa erhebliche Nachfragevolumina, die eine vollständige Plazierung der Aktien und damit den Erfolg der Emission sicherstellen, oder ein Anlageverhalten der Erwerber, das auf eine langfristige Investition in die Aktien ausgerichtet ist und damit einer stetigen Kursentwicklung förderlich sein kann, lassen sich mithin kaum durch einen Hauptversammlungsbeschluß festsetzen. Vielmehr hat eine Einschätzung der Qualität der Erwerber im Hinblick auf den Erfolg der Emission und eine nachfolgende stetige Kursentwicklung durch den Vorstand zu erfolgen.131 Als Grenze der Zuteilung ist in jedem Fall zu beachten, daß der Verwaltung ein Eingriff in die Aktionärsstruktur untersagt ist.132 Die Untersuchungen im Dritten Teil haben gezeigt, daß grundsätzlich neu ausgegebene oder wiederveräußerte Aktien den Aktionären unter Beachtung des 128

Hierzu auch Willamowski, WM 2001, 653, 658 (liSp.). Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 580. 130 Zu den nachteiligen Folgen des höchsten Preisgebotes als vorrangiges Zuteilungskriterium unten S. 512 ff. 131 Hierzu Willamowski, WM 2001, 653, 658. 132 Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 97 (S. 820 f.); MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 137 f.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 203 Rn. 92; diese Grenze befürwortet auch Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 591 f. 129

A. Gesellschaftsrechtliche Grundlagen des Börsengangs

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Gleichbehandlungsgebots nach § 53a AktG anzubieten sind, so daß der Vorstand über die Person des Erwerbers keine freie Entscheidung noch eine solche im Rahmen seines Ermessens tätigen darf, sondern gebunden ist.133 Anderes gilt nur dann, wenn ein entsprechender Beschluß der Hauptversammlung mit qualifizierter Mehrheit gefaßt wurde, da die Hauptversammlung befugt ist, auf die Zusammensetzung des Mitgliederkreises Einfluß zu nehmen, soweit dies für die überstimmten Aktionäre zumutbar ist.134 Wurde das Erwerbs- oder Bezugsrecht der Aktionäre nach §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 bzw. 186 Abs. 1 S. 1 AktG ausgeschlossen und legt der Beschluß nicht den Erwerber fest, hat der Vorstand diesen im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens zu bestimmen. Allerdings hat er hierbei vorrangig die Aktionäre zu berücksichtigen, was insbesondere im Rahmen von Barkapitalerhöhungen deutlich wird, da dort allein die Erzielung eines möglichst hohen Emissionserlöses für sich genommen den Ausschluß des Bezugsrechts nach h. M. nicht rechtfertigt.135 Im Schrifttum wird ergänzend angeführt, der Vorstand habe im Rahmen der Bestimmung des Ausgabekurses neben der Frage der Höhe des Emissionskurses auch die Bedeutung des neuen Aktionärs für die AG zu berücksichtigen136 So sehen der BGH und das herrschende Schrifttum einen Bezugsrechtsausschluß auch zur Erstplazierung von Aktien an ausländischen Börsen und teilweise auch zur Verstärkung der Präsenz an inländischen Börsen für zulässig an.137 133 Zu den Ausnahmen bei der Veräußerung börsennotierter Aktien über die Börse nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG bzw. §§ 65 Abs. 3 S. 1 Var. 1, 226 Abs. 3 S. 1 Var. 1 AktG sowie die Fälle der Versteigerung nach Var. 2 der letztgenannten Vorschriften oben S. 300 ff. 134 MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 133; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 162. 135 Zu erstem MünchKommAkG/Peifer, 2005, § 186 Rn. 91: Bezugsrechtsausschluß bei Barkapitalerhöhungen kommt nur selten in Betracht; siehe auch Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 154; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 65; zu letztem Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 33; Krause, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 5 Rn. 20 (S. 179: nur in Extremfällen gerechtfertigt); MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 136; Wiedemann, aaO; wohl auch Lutter, aaO, Rn. 65, 76; a. A. (unter Einschränkungen) Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 82; Peifer, aaO, Rn. 95; Timm, DB 1982, 211, 215; Hefermehl/Bungeroth, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, 1989, § 186 Rn. 130. Zu Besonderheiten in Sanierungsfällen OLG Celle v. 29.6.2001 – 9 U 89/01, AG 2002, 293; BGH v. 19.4.1982 – II ZR 55/81, NJW 1982, 2444, 2446 (Holzmann; insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 83, 319). 136 So Hüffer, AktG, 2008, § 255 Rn. 5, namentlich für Fälle der Sachkapitalerhöhung; F. J. Semler, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 41 Rn. 127; Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 584; K. Schmidt, in: GroßKommAktG, 1995, § 255 Rn. 12. 137 BGH v. 7.3.1994 – II ZR 52/93, BGHZ 125, 239, 242 f. (Deutsche Bank); OLG Frankfurt/M. v. 9.2.1993 – 5 U 31/92, WM 1993, 373 (Vorinstanz); neben dem Erfordernis ausreichend breiter Streuung ist noch zusätzlich ein überwiegendes

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

Ob es in diesem Rahmen etwa zulässig ist, Aktien zum Zweck der Gewährleistung einer kontinuierlichen Kursentwicklung an institutionelle Investoren auszugeben, die an einer langfristigen Anlage interessiert sind, wenn dies den Belangen der Gesellschaft und ihrer Aktionären dient, wird unterschiedlich beurteilt. So kann nach Cahn eine Ausgabe der Aktien unter Bezugsrechtsausschluß auch unter Abweichung des Ausgabepreises vom inneren Wert der Aktien gerechtfertigt sein, wenn ein besonderes Interesse der Gesellschaft an der Person des Erwerbers besteht, diese etwa institutionelle Anleger mit langfristigem Beteiligungsinteresse zur Stabilisierung der Kursentwicklung gewinnen will.138 Eine teilweise selektive Plazierung von Aktien an institutionelle Anleger im Rahmen des Bookbuilding-Verfahrens und die praktizierte Zuteilung nach „Qualität“ und „Integrität“ der Anleger ist danach zulässig. Nach Bayer bedarf hingegen die bevorzugte Zuteilung der Aktien insbesondere an Personen im Umfeld des Managements („friends and family“) oder ausgewählte institutionelle Anleger stets einer besonderen sachlichen Rechtsfertigung. Die Sachlage sei auch bei einer erstmaligen Börseneinführung nicht anders zu behandeln.139 Diese Maßstäbe lassen sich auch auf die erstmalige Einführung von Aktien einer Tochtergesellschaft übertragen, da auch hier der Aktionärsstruktur eine wesentliche Bedeutung für die weitere Kursentwicklung der Aktien zukommen kann, zugleich aber die Gefahr eines Eingriffs der Verwaltung in die Aktionärsstruktur droht. 3. Folgerungen Bei der Erwerberauswahl hat der Vorstand bzw. die Verwaltung das Ziel zu verfolgen, den Emissionserlös zu optimieren und eine geeignete Zusammensetzung des Anlegerkreises zu erreichen, um einen langfristigen Erfolg des Börsengangs sicherzustellen. Die Auswahl der Erwerber bei der Zuteilung der Aktien hat auch ein zu erwartendes künftiges Anlegerverhalten der Investoren zu berücksichtigen. Der subjektive Charakter dieser im Hinblick auf das Anlageverhalten prognostischen Aktienzuteilung läßt es schwer erscheinen, eine Trennlinie zur willkürlichen Zuteilung zu ziehen.140 Gesellschaftsinteresse erforderlich nach Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 31; Krause, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 5 Rn. 19 (S. 179); MünchKommAkG/ Peifer, 2005, § 186 Rn. 96; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 160; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 72; Bungert, WM 1995, 1, 2 ff.; enger MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 141. 138 Cahn, ZHR 163 (1999), 554, 584 und 591 ff.; siehe Willamowski, WM 2001, 653, 661 (liSp.). 139 MünchKommAktG/Bayer, 2005, § 203 Rn. 138. 140 Ähnlich Willamowski, WM 2001, 653, 658 (reSp.).

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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Damit muß dem Vorstand ein weiter Spielraum bei der Aktienzuteilung zukommen.141 Den gesetzlichen Grenzen der Vorstandskompetenz bei der Bestimmung des Ausgabepreises der Aktien kommt daher entscheidende Bedeutung zu.

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung Bevor auf die Besonderheiten in der Unternehmensgruppe einzugehen ist, sollen allgemeine Aspekte der Preisfindung bei der Börseneinführung von Aktien dargestellt werden. Ausgehend von den unterschiedlichen Interessen bei der Preisfestsetzung der Emissionsbeteiligten sind hierfür auf die Möglichkeiten der Preisermittlung und ein besonderes Phänomen bei der Kursbildung, das Underpricing-Phänomen, einzugehen. Anschließend ist nochmals auf die Vorstandspflichten zurückzukommen.

I. Interessen bei der Preisfestsetzung Die Ermittlung eines angemessenen Emissionspreises, zu dem die Aktien an die Anleger veräußert werden sollen, gehört zu den wesentlichen Elementen einer erfolgreichen Aktienemission, da der Preis den kurzfristigen Erfolg, nämlich den Mittelzufluß beim Emittenten und den abgebenden Aktionären, und den langfristigen Erfolg der Aktienemission aufgrund der weiteren Entwicklung des Börsenkurses erheblich beeinflußt.142 Wird der Emissionskurs der Aktien unterhalb des späteren Marktpreises festgelegt, was eine Emission regelmäßig erfordert, um das Interesse von Investoren zu wecken,143 so werden mit der Emission der Aktien neben der durch die Aktie vermittelten Möglichkeit der Einflußnahme vor allem auch Vermögensvorteile verteilt. Eine wesentliche Bedeutung kommt dann der Auswahl der Erwerber der Aktien zu, da diese darüber entscheidet, wer einen sol141 Weitergehend wohl Becker/Fett, WM 2001, 549, 556 (liSp.): Kompetenz, nach freiem Ermessen zu verteilen. 142 Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/259b (S. 10/165). 143 So etwa MünchKommAktG/Peifer, 2005, § 182 Rn. 46. Betrachtet man bei börsennotierten Aktien deren Börsenkurs als geeignete Bewertung der neuen Aktien, die im Rahmen einer Kapitalerhöhung ausgegeben werden, so wird ein geringer Abschlag von diesem Kurs regelmäßig als Kaufanreiz erforderlich, um in kurzer Zeit ausreichend Käufer für diese Aktien zu finden, was so auch der Gesetzgeber im Rahmen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG im Hinblick auf einen hiernach zulässigen Kursabschlag der neuen Aktien im Vergleich zu den Altaktien sieht; dazu näher oben bei Fn. 109 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

chen Vermögensvorteil vereinnahmen kann. Die Höhe des Emissionspreises wird maßgebend von den unterschiedlichen Interessen der an einer Emission Beteiligten beeinflußt, so daß nachfolgend die Interessen bei einer Aktienemission näher darzustellen sind. Hierbei sind jenseits der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen AG, Alt- und Neuaktionären auch die Interessen der emissionsbegleitenden Bank aufzuzeigen.144 1. Zielvorstellungen und Interessenspektrum von Veräußerer und Erwerber Der deutlichste Zielkonflikt im Rahmen von Aktienemissionen besteht zwischen den abgebenden Aktionären oder der Gesellschaft im Fall der Kapitalerhöhung und den Anlegern hinsichtlich der Höhe des Emissionspreises, da die Interessen der AG und der abgebenden Aktionäre typischerweise auf hohe Emissionspreise, sich neu beteiligender Anleger hingegen auf einen möglichst niedrigen Erwerbspreis gerichtet sind.145 Dieses Interesse der Gesellschaft oder der abgebenden Aktionäre ist allerdings insbesondere durch zwei Gesichtspunkte eingeschränkt: objektive und subjektive Faktoren erschweren die Emissionspreisfindung und wirken sich daher in der Tendenz dahingehend aus, daß nicht der höchste ermittelte Preis gewählt wird. Neben den Schwierigkeiten der Ermittlung des inneren Wertes der Aktien kann etwa auch das Börsenklima im Zeitraum der Emission gegen eine Ausgabe zu höchsten Kursen sprechen; als subjektiver Faktor muß etwa berücksichtigt werden, daß die Börsen stark von psycholo144 Regelmäßig werden insbesondere größere Emissionen von einem Konsortium aus mehreren Banken begleitet; zu dem Rechtsverhältnis zwischen den Konsortialbanken Grundmann, in: BankR-HdB, 2007, § 112 Rn. 84 ff. (S. 1244 ff.); Schanz, Börseneinführung, 2007, § 9 Rn. 22 ff. (S. 272 ff.); Ekkenga/Maas, in: Kümpel/ Hammen/Ekkenga, Kapitalmarktrecht, Stand 7/05, Kennz. 055 Rn. 51 f. (S. 38); Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/321a ff. (S. 10/19b ff.). Die vornehmliche Aufgabe des Emissionskonsortiums besteht in der festen Übernahme und/oder Unterbringung der Aktien; dazu Grundmann, aaO, Rn. 85 (S. 1245); Schanz, aaO, § 9 Rn. 33 ff. (S. 278 ff.); Schwintowski/Schäfer, BankR, 2004, § 23 Rn. 7 ff. (S. 936 ff.); Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/283 ff. (S. 10/176b ff.). Schon aus rechtlichen Gründen konzentriert sich das Emissionsgeschäft bei den Kreditinstituten iSd. § 1 KWG, vgl. Grundmann, aaO § 112 Rn. 2 (S. 3503), so daß nachfolgend von emissionsbegleitender Bank oder Emissionsbank gesprochen und aus Gründen der Darstellung von einer emissionsbegleitenden Bank ausgegangen werden soll. 145 Zur Interessenlage der Beteiligten Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 24 f. (S. 253 f.); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.253 (S. 1461); Schwintowski/Schäfer, BankR, 2004, § 23 Rn. 71 (S. 962); Escher-Weingart, AG 2000, 164, 167 (reSp.). Die entgangenen Mittelzuflüsse aufgrund zu niedrig angesetzten Emissionskursen werden als Kosten der Emission angesehen; siehe Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1396.

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

509

gischen Momenten bestimmt sind.146 Des weiteren kann ein Interesse des Emittenten bestehen, die Aktien an bestimmte Erwerber gegebenenfalls auch nicht zu höchsten Kursen zu veräußern. Will der Emittent in Zukunft im Rahmen einer Kapitalerhöhung weitere Aktien plazieren, was typischerweise mit der Öffnung zum Kapitalmarkt durch den Börsengang auch bezweckt wird, ist nicht nur der Emissionskurs bedeutsam, sondern auch die weitere Kursentwicklung, so daß auch der langfristige Erfolg des Börsengangs maßgebend durch die Preisfestsetzung bei der Börseneinführung bestimmt wird. Es besteht daher ein besonderes Interesse des Emittenten, daß der Kurs nach Ausgabe der Aktien steigt und nicht sofort unter den Ausgabepreis sinkt.147 Ein zu hoher Emissionspreis, der im Sekundärmarkt nicht gehalten werden kann, ist geeignet, das Ansehen der Gesellschaft am Kapitalmarkt zu schädigen und weitere Aktienemissionen zu erschweren.148 Ist die Obergesellschaft börsennotiert, können die negativen Signale, die von einem zu hohen Kurs der Tochtergesellschaftsanteile im Primärmarkt ausgehen, der im Sekundärmarkt nicht gehalten werden kann, nicht nur im Falle einer Teilveräußerung, sondern auch bei einer Veräußerung sämtlicher Tochtergesellschaftsaktien negativ auf den Kurs der Obergesellschaft durchschlagen.149 Als Gradmesser einer erfolgreichen Emissionspreisfestlegung kann daher nach Achleitner die Stabilität des Sekundärmarktpreises unter Ausklammerung nicht beeinflußbarer allgemeiner Markttrends herangezogen werden.150 Das beeinflußt zum einen die Festsetzung des Emissionspreises. Zum anderen hat das Ziel einer nachhaltigen positiven Entwicklung des Börsenkurses der Aktien auch Auswirkungen auf die Auswahl der Aktienerwerber. Denn die Gesellschaft wird zumindest für einen Teil des Emissionsvolumens etwa solche Erstzeichner bevorzugt auswählen, die nicht unmittelbar nach der Zuteilung die Aktien zum Zwecke der Gewinnmitnahme wieder veräußern und damit den Kurs destabilisieren. Eine Zuteilung der Aktien an institutionelle Anleger wird daher als emissionsfördernd angesehen, da diese die 146

Zu weiteren Aspekten der Kursbildung Jakob, IPO, 1998, S. 19 ff. Schanz, Börseneinführung, 2007, § 7 Rn. 58 (S. 235); Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 24 f. (S. 253 f.); Bacherl/Tenschert, in: HdB Corporate Finance, 2003, 3.4.5. (S. 3); Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 281; Escher-Weingart, AG 2000, 164, 167 (reSp.); Killat, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 215, 226. 148 Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 281; Killat, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 233, 244; Hornung/Wullenkord, zfbf 53 (2001), 57, 65 f.; R. Schmitz, ZfgK 1993, 842, 844. Zum Verhältnis der Kurse in Primär- und Sekundärmarkt oben S. 191 f. 149 Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 280 f. 150 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 550. 147

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

Aktien tendenziell länger halten sollen oder zumindest deren Anlageverhalten eher einzuschätzen sei. Andere Stimmen führen an, daß Privatanleger regelmäßig langfristig orientiert seien.151 Andererseits ist aber auch eine entsprechende Streuung und Liquidität der Aktien zu erreichen, was bei einer ausschließlichen Zuteilung an langfristig orientierte Investoren problematisch ist.152 Daneben werden weitere Aspekte für die Auswahl eines bestimmten Erwerberkreises genannt, die für die Zuteilung von Bedeutung sein können, wie etwa die Zuteilung an Geschäftspartner oder an Mitarbeiter, die hierdurch stärker an die Gesellschaft gebunden werden sollen.153 Im Gegensatz zu einem sämtliche Aktien abgebenden Aktionär, der nach dem Börsengang nicht mehr an der Gesellschaft beteiligt und damit typischerweise an höchsten Emissionskursen interessiert ist, haben die kapitalerhöhende Gesellschaft als auch abgebende Aktionäre, die auch nach dem Börsengang noch an der Gesellschaft beteiligt sind, weitergehende Interessen. So werden diese eine vorteilhafte Entwicklung der Preise im Sekundärmarkt und damit auch bestimmte Erwerber im Blick haben, die für die künftige Kursentwicklung vorteilhaft sind, auch wenn solche die Aktien nur unterhalb des höchst zu erzielenden Kurses erwerben. Das Interesse des Emittenten und der abgebenden Aktionäre läßt sich damit nicht auf einen möglichst hohen Emissionspreis reduzieren. 2. Interessen der emissionsbegleitenden Bank und Folgerungen Die emissionsbegleitende Bank hat die unterschiedlichen Interessen der Anleger und des Emittenten bzw. der abgebenden Aktionäre im Rahmen einer marktorientierten Preisfindung gleichermaßen zu berücksichtigen und für eine faire Verteilung des Emissionsrisikos der an der Emission Beteiligten Sorge zu tragen.154 Ihrerseits hat die Bank ein Interesse an einem nicht 151 Zum Anlageverhalten institutioneller Anleger Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 68 (S. 332); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.259 (S. 1463), der darauf hinweist, daß die restlichen Investoren regelmäßig als spekulativ orientiert und eher abgabebereit eingestuft würden und deshalb eine Neigung bestehe, institutionelle Anleger bei der Zuteilung zu bevorzugen; Fuchs, in: RWSForum GesR, 2001, S. 259, 278; Busch/Groß, AG 2000, 503, 509 (reSp.) mit Fn. 60; Jakob, IPO, 1998, S. 20. Nach Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 40 (S. 261), sind institutionelle und Privatanleger meist langfristig orientiert; zu letztem auch Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 580, wonach Privatanleger aufgrund langfristiger Aktieninvestitionen maßgeblich zu einer Minderung der Aktienvolatilität beitragen. 152 Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 40 (S. 261); Escher-Weingart, AG 2000,164, 167 (reSp.). 153 Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 40 (S. 261); Willamowski, WM 2001, 653, 659 (reSp.).

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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zu hohen Ausgabekurs, wenn sie das Plazierungsrisiko trägt. Eine Kursgestaltung in ihrem Sinne muß daher die Abnahme sämtlicher Aktien der Emission sicherstellen.155 Hierzu wird im Schrifttum angeführt, daß im Falle einer nicht vollständigen Plazierung sämtlicher Aktien durch die emissionsbegleitende Bank, die diese im Rahmen der Emission fest übernommen habe, nach Aufnahme des Handels an der Börse die latente Abgabebereitschaft der Bank sich nachteilig auf die Kursentwicklung auswirken könne.156 Auch insofern kann es im Interesse der Gesellschaft und abgebender Altaktionäre liegen, wenn die Aktien nicht zu höchsten Kursen emittiert werden, sofern hierdurch sämtliche Aktien plaziert werden. Dieses Interesse wird noch dadurch gestärkt, daß die Reputation der Emissionsbank leiden kann, wenn der Aktienkurs im Sekundärmarkt unter den Emissionspreis sinkt.157 Erhält die emissionsbegleitende Bank eine vom Emissionsvolumen abhängige Provision, ist sie allerdings schon kurzfristig nicht an zu geringen Emissionskursen interessiert. Dies wird noch durch ein langfristiges Interesse der Bank verstärkt, die sich nicht dem Vorwurf aussetzen will, Aktien der Gesellschaft zu niedrigen Kursen an die Börse gebracht zu haben.158 Angestrebt wird daher nicht ein Grenzpreis im Sinne eines Höchstpreises, sondern ein Wert, der den gegenläufigen Interessen aller Parteien gerecht wird.159

154 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.253 (S. 1461); Jakob, IPO, 1998, S. 85, und ders., aaO, S. 132 ff., zur sog. Delegated Monitor-Funktion der Emissionsbank. Daß die Emissionsbank auch im Interesse der künftigen Anleger tätig wird, zeigt sich an der Vereinbarung von Halte- und Marktschutzklauseln mit der Emittentin und Altaktionären, die die kapitalerhöhende Gesellschaft bzw. die abgebenden Aktionäre verpflichten, ohne Rücksprache mit der Emissionsbank keine weiteren Marktverkäufe zu tätigen, da sich dies negativ auf den Kurs auswirken könnte; dazu Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 36 (S. 90 f.); Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 88 ff. (S. 286 ff.).; Schwintowski/Schäfer, BankR, 2004, § 23 Rn. 45 (S. 950). 155 Escher-Weingart, AG 2000, 164, 168 (liSp.); Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1401; Jakob, IPO, 1998, S. 92 und 97 f. Dazu auch Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 24 (S. 253). 156 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 75 (S. 334), speziell zum Festpreisverfahren. 157 Jakob, IPO, 1999, S. 92; Serfling/Pape/Kressin, AG 1999, 289, 291 (reSp.). 158 Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 24 (S. 253 f.); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 550; Escher-Weingart, AG 2000, 164, 168 (liSp.); Schlick, Going Public, 1997, S. 130. 159 Arbeitskreis Finanzierung, zfbf 55 (2003), 515, 529; Jakob, IPO, 1998, S. 85; Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 569, spricht von der Festlegung des Preises als einer Kompromißlösung.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

II. Preisfindungsverfahren Der Erfolg einer Emission hängt entscheidend von einem marktgerechten Preis der angebotenen Aktien ab, so daß der Preisermittlung besondere Bedeutung im Rahmen der Vorbereitung des Börsengangs zukommt.160 Bevor auf diese Preisfindungsverfahren näher einzugehen ist, soll vorab ein Blick auf das als Underpricing oder Zeichnungsrendite bezeichnete Kapitalmarktphänomen bei der Börseneinführung geworfen werden.161 1. Underpricing-Phänomen Die moderne Kapitalmarktforschung weist über alle Ländergrenzen hinweg zum Teil erhebliche Differenzen zwischen dem Preis, den Anleger im Rahmen des Emissionsverfahrens zahlen mußten, und dem ersten Börsenkurs nach der Börseneinführung der Aktien nach.162 Vor allem bei der Plazierung der Aktien junger, wachstumsstarker Gesellschaften zeigt sich dieses Phänomen besonders deutlich, tritt aber auch im Rahmen der Börseneinführung großer Gesellschaften mit erheblicher Marktkapitalisierung auf.163 160 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.253 (S. 1461); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 569. 161 Dazu etwa Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 570; Klein/Meyer, in: Investor Relations, 2001, 5.2.1 (S. 266); Betsch/Groh/Lohmann, Corporate Finance, 2000, S. 368 f.; Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 189; Jakob, IPO, 1998, S. 112. 162 Nach Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827 ff., 832 f., beträgt die durchschnittliche Emissionsrendite für Börsengänge in Deutschland zwischen 1960 und 1995 ca. 15%. Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1399, ermitteln eine Emissionsrendite deutscher Aktienemissionen (betreffend den amtlichen Handel) in den Jahren von 1960 bis 1995 von ca. 16% und listen weitere 16 Untersuchungen anderer Wissenschaftler seit 1988 auf, bei denen Emissionsrenditen zwischen knapp zehn bis über dreißig Prozent festgestellt wurden. Am Neuen Markt wurden zeitweise Emissionsrenditen zwischen 45% und 65% erzielt; dazu Gerke/Fleischer, aaO, 833. Ergebnisse von Studien zum Underpricing-Phänomen in verschiedenen Ländern finden sich auch bei Klein/Meyer, in: Investor Relations, 2001, 5.2.1 (S. 267), Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45, 46, Jacquillat/Blättchen, Börseneinführung, 1999, S. 191, die speziell anhand empirischer Untersuchungen deutscher Aktienemissionen in verschiedenen Marktsegmenten im Zeitraum zwischen 1961 und 1992 Emissionsrenditen zwischen ca. zehn und dreißig Prozent feststellen konnten. Siehe auch DAI, Factbook, 2007, 03-6 und 03-7, wo sich eine Gegenüberstellung von Emissionspreisen und erstem Kurs deutscher Emissionen seit 1977 findet. 163 Zum Zahlenmaterial einzelner deutscher Emissionen siehe Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 531 f. mit Fn. 115 f.; Groß, ZHR 162 (1998), 318, 321 mit Fn. 10 f.; umfassend Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395 ff.; Neuhaus/Schremper, ZfB 73 (2003), 445 ff. Nach Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 832, betrugen die durchschnittliche Emissionsrendite der Aktien der 319 Gesellschaften, die zwi-

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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Kann die Emission ebenso erfolgreich durchgeführt werden, wenn die Aktien zu einem höheren Preis veräußert worden wären, der sich stärker an der ersten Börsennotierung orientiert, sind diese Kosten der Emission im Interesse der emittierenden Gesellschaft und deren Aktionäre zu senken. Entsprechendes gilt bei der Börseneinführung von Aktien der Tochtergesellschaft unabhängig davon, ob diese aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft stammen oder durch eine Kapitalerhöhung geschaffen werden, da der Wert der Beteiligung der Aktionäre an der Obergesellschaft hierdurch gleichermaßen negativ betroffen wird, wie die Untersuchungen des Vierten Teils gezeigt haben. Ist eine solche Differenz zumindest teilweise bewußt gewählt und läßt sich damit im Sinne des Erfolgs der Börseneinführung nicht vermeiden, kommt der Erwerberauswahl besondere Bedeutung zu, da mit einer Zuteilung der Aktien die Möglichkeit verbunden ist, diesen Preiszuwachs zu vereinnahmen und damit in kurzer Zeit erhebliche Gewinne zu realisieren. Nachfolgend sind daher Ursachen dieser Emissionsrendite, die im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum umfassend erörtert, aber wohl noch nicht abschließend geklärt sind,164 und die Möglichkeit der Verminderung der Zeichnungsrendite darzustellen. Eine erste Einteilung läßt sich dahingehend vornehmen, als beim bewußten Underpricing die Emissionskurse absichtlich niedriger als die voraussichtlichen Erstkurse festgesetzt werden, beim unbewußten Underpricing hingegen die Kurse am ersten Börsentag durchschnittlich höher liegen als die Emissionskurse, weil letztere fehlerhaft, also unabsichtlich zu niedrig angesetzt werden. a) Erklärungsmodelle der Kapitalmarkttheorie Hauptsächlich wird das Underpricing mit den Beziehungen zwischen dem Emittenten, der Emissionsbank und den Anlegern erklärt, wobei eine Vielzahl der Erklärungsmodelle den Grund des Underpricing als Folge asymmetrisch verteilter Informationen als auch in einer Marktunvollkommenheit ansieht.165

schen seinem Start am 10.3.1997 und Ende 2000 an den Neuen Markt gingen, knapp 50% (Aktien von zwanzig der insgesamt 339 am Neuen Markt Ende 2000 gelisteten Gesellschaften wurden nicht im Rahmen eines Börsengangs plaziert, sondern umplaziert). 164 Dazu Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 570. 165 Dazu Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 828 f.; Achleitner, InvestmentBanking, 2002, S. 570; Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 198 ff.; Wallmeier/Rösl, Finanzbetrieb 1999, 134, 136 f.; Schlick, Going Public, 1997, S. 159 ff. mwN. Zu weiteren Erklärungsmodellen Jakob, IPO, 1998, S. 121 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

aa) Informationsasymmetrien als Erklärungsansatz Der auf Informationsasymmetrien beruhende Erklärungsansatz leitet die Renditeanomalien bei Erstemissionen aus der asymmetrischen Allokation von Informationen zwischen den verschiedenen Emissionsbeteiligten her. Für das Verhältnis zwischen Emittent und Emissionsbank wird davon ausgegangen, daß die Emissionsbank die Nachfrage der Anleger nach einer bestimmten Neuemission besser einschätzen könne als der Emittent, was der Emissionsbank die Möglichkeit verschaffe, bei der Emissionspreisfindung ein Underpricing zu berücksichtigen. Um ihr Plazierungsrisiko zu minimieren, mache sie von dieser Möglichkeit auch Gebrauch.166 Informationsasymmetrien können auch zwischen Emissionsbank und den Anlegern bestehen, was im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum im Hinblick auf ein Informationsgefälle zwischen einzelnen Anlegergruppen diskutiert wird und auf das Modell von Rock zurückgeht, das die ungleiche Informationsverteilung zwischen den Anlegern als Grund des Underpricing-Phänomen ansieht.167 In diesem Modell wird differenziert zwischen informierten Anlegern, die zwischen über- und unterbewerteten Emissionen unterscheiden können, und uninformierten Anlegern, denen eine solche Fähigkeit nicht zu eigen ist. Die informierten Anleger wählen aus und zeichnen nur bei unterbewerteten Emissionen, während die uninformierten Anleger an allen Emissionen teilnehmen. Folge für die letztgenannte Anlegergruppe ist, daß diese einen überproportional hohen Anteil von Aktien aus überbewerteten Emissionen erwirbt, da sie bei solchen Emissionen hohe Zuteilungen erhalten,168 hingegen bei unterbewerteten Emissionen ihre Kaufaufträge durch die zusätzliche Nachfrage der informierten Anlegergruppe in den meisten Fällen rationiert werden.169 Da der Emissionsmarkt 166 Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 828, im Anschluß an Baron, 37 JoF 955, 960 ff. (1982), der nachweist, daß mit steigender ex ante-Unsicherheit über die zu erwartende Nachfrage auf dem Sekundärmarkt ein höheres Underpricing verbunden ist. Hierzu auch Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 202; Stehle/ Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1401, wonach die Emissionsbanken auch bei starker Konkurrenz nicht auf ein bewußtes, das Plazierungsrisiko beschränkendes Underpricing verzichten könnten, wenn die marktübliche Entschädigung wie insbesondere bei riskanten Emissionen keine ausreichende Entschädigung für die von der Bank zu erbringenden Leistungen darstelle. Einen kausalen Zusammenhang zwischen der Höhe des Underpricing und der im Vorfeld der Emission bestehenden Unsicherheit über den wahren Emissionswert weisen auch Beatty/Ritter, 15 JoF 213 ff. (1986), nach; dazu Serfling/Pape/Kressin, AG 1999, 289, 289 (reSp.). 167 Rock, 15 JoF 187 ff. (1986); dazu Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 828; Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1396 und 1401 f.; Wallmeier/Rösl, Finanzbetrieb 1999, 134, 136 f.; Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45, 47. 168 Sog. Fluch des Siegers oder Winner’s Curse; hierzu Jakob, IPO, 1998, S. 118 mwN. in Fn. 433.

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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ohne die uninformierte Anlegergruppe mangels ausreichender Nachfrage zusammenbrechen würde, müßten mittels des Underpricing deren Verluste kompensiert werden, die sie durch die Zeichnung überbewerteter Emissionen erleiden.170 Schließlich kann ein Informationsgefälle auch zwischen Emittent und den Anlegern bestehen.171 Nach diesem Ansatz können die Anleger den wahren Wert eines Unternehmens und dessen Zukunftsaussichten schlechter einschätzen als der Emittent. Dieser versucht, durch glaubwürdige Signale die Informationsasymmetrien zu reduzieren und auf die Qualität seines Unternehmens aufmerksam zu machen, um Vertrauen am Kapitalmarkt zu schaffen.172 Ein solches glaubwürdiges Signal könne z. B. das Underpricing sein, da es nur qualitativ hochwertigen Unternehmen möglich sei, die durch das Underpricing verursachten Kosten durch spätere Kapitalerhöhungen zu neutralisieren.173 bb) Weitere Formen von Marktunvollkommenheiten Im Mittelpunkt der Erklärungsmodelle, die bei dem Gedanken einer Marktineffizienz ansetzen, wird im finanzwirtschaftlichen Schrifttum unter anderem die Risikoaversion der Emissionsbanken genannt.174 Danach versuchen diese, die potentiellen Anleger, die bei risikoreichen Papieren eine Risikoprämie erwarten, dadurch zur Investition zu bewegen und eine ausreichend große Nachfrage zu erreichen, daß ein Zeichnungsanreiz in Form eines Preisabschlags auf den erwarteten Sekundärmarktpreis gewährt wird. Hierdurch minimieren die Banken ihr Plazierungsrisiko und beugen damit zugleich einer Gefährdung ihrer Reputation bei den Anlegern vor.175 Das festgestellte höhere Underpricing bei Börsengängen von jungen Wachstumsunternehmen mag seinen Grund daher auch in den besonderen Risiken 169

E. Theissen, ZfB 72 (2002), 1022, 1028; Kiss, Bank, 2001, 524; Stehle/ Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1396 und 1402. 170 E. Theissen, ZfB 72 (2002), 1022, 1028 und 1030. 171 Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 828; Wallmeier/Rösl, Finanzbetrieb 1999, 134, 137; Schlick, Going Public, 1997, S. 168 f. 172 Dazu näher Jakob, IPO, 1998, S. 136 f., mit Beispielen solcher Signale. 173 Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 828 f., im Anschluß an Allen/Faulhaber, 23 JoF 303 ff. (1989). 174 Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 200, die daneben als Begründung mangelnden Wettbewerb zwischen Emissionsbanken und die Folge spekulativer Nachfrage anführen. 175 Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 203 f.; siehe auch Jakob, IPO, 1999, S. 119 f., mit einer Erklärung zum Zusammenhang zwischen Reputation der Emissionsbank und Höhe des Underpricing.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

haben, die ein Anleger bei seiner Investition in diese Aktien im Vergleich zu einer Anlage in etablierte Gesellschaften eingeht.176 Das Underpricing wird im Hinblick auf eine Marktunvollkommenheit daneben dadurch erklärt, daß Emissionshäuser aufgrund mangelnden Wettbewerbs und der damit verbundenen Marktmacht in der Lage seien, bei Emissionen ein bewußtes Underpricing zur Reduzierung ihres Plazierungsrisikos anzusteuern.177 Auch wird das Underpricing von Neuemissionen sowohl auf kursstützende Maßnahmen der Emissionsbanken im Sekundärmarkt zurückgeführt als auch darauf, daß die Kurse im Sekundärmarkt durch eine fundamental nicht gerechtfertigte spekulative Nachfrage aufgrund einer systematisch zu positiven Einschätzung der Aktien von neu börsennotierten Gesellschaften über dem Emissionspreis liegen, also ein unbewußtes Underpricing vorliegt.178 b) Underpricing und Börsenzyklen Mit dem Underpricing eng verbunden sind zyklische Schwankungen sowohl im Hinblick auf die Anzahl der jährlich erfolgten Börsengänge als auch die Höhe des Underpricing, die in verschiedenen Kapitalmärkten und Zeiträumen nachgewiesen wurden. Phasen der Börsen-Hausse gehen mit einer verstärkten Plazierung von Aktien, einem hohen Underpricing und schlechten langfristigen Kursentwicklungen einher.179 Denn die Anleger verfolgen in diesen Phasen das Underpricing vorangegangener Börsengänge, schätzen die Emissionsrendite in diesem Zeitraum und die künftige Entwicklung der Emittenten überdurchschnittlich optimistisch ein und akzeptieren daher vergleichsweise hohe Bewertungen der emittierenden Gesellschaften, um die Emissionsrendite zu vereinnahmen.180 Durch strategisches Anleger176

Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 833. Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1401, und Schlick, Going Public, 1997, S. 169 ff., im Anschluß an Ritter, 57 JoB 215, 236 ff. (1984). 178 Sog. Bubble- oder Fads-Hypothese; hierzu Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1396 und 1400. Siehe auch Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 829 und 833, die als Erklärungsansatz des teilweise sehr hohen Underpricing am Neuen Markt in den Jahren 1997 und 1998 die Speculative Bubble- bzw. Fads-Hypothese sehen. 179 Grundlegend Ritter, 46 JoF 3 (1991). Die Phasen hoher Überzeichnungen werden als Hot-Issue-Phasen bezeichnet; siehe hierzu Ritter, aaO, 23 f.; im Hinblick auf den deutschen Aktienmarkt auch Neuhaus/Schremper, ZfB 73 (2003), 445, 447 mwN. in Fn. 5 und 447 ff. mit umfangreicher Auflistung empirischer Untersuchungen aus verschiedenen Ländern; Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 188 ff.; Jakob, IPO, 1998, S. 312 ff. 180 Dieses Anlegerverhalten wird im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum als Bandwagon Effect bezeichnet; siehe dazu Jakob, IPO, 1998, S. 126, 300; hierzu 177

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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verhalten wird die Nachfrage weiter verstärkt,181 so daß diese in einem solchen Zeitraum erheblich und der Börsenkurs von fundamentalen Unternehmensdaten abgelöst ist. Daneben wird vorgetragen, daß Vorstände im Hinblick auf drohende Prospekthaftungsklagen im Falle eines raschen Kursverfalls zögern, den am Markt erzielbaren Preis der Aktien auszureizen.182 Langfristig führt dies zu einer Korrektur durch die Anleger, wenn die operativen Ergebnisse der Emittenten die optimistischen Erwartungen nicht erfüllen können. Der Verkaufsdruck kann zu einer schlechteren Kursentwicklung im Vergleich zu solchen Gesellschaften führen, die außerhalb dieser Phasen Aktien an der Börse eingeführt haben.183 c) Zusammenfassung und Folgerungen Das Underpricing-Phänomen läßt sich allein mittels eines unbewußten Underpricing nicht abschließend erklären, auch wenn die Ermittlung des besten Emissionspreises mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist. Denn dann müßten sich Over- und Underpricing im Wesentlichen die Waage halten, während tatsächlich das Underpricing die Regel und ein Overpricing eher die Ausnahme ist, wie Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung zeigen.184 Die hohen Emissionsrenditen sprechen daher für die Hypothese eines bewußten Underpricing.185 auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 539. Deutlich auch Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827, 837, zu den Emissionsrenditen zwischen 1997 und 2000 am Neuen Markt: „Nach den ersten ausnahmslos rentablen Emissionen war es also schon fast irrational, die nächsten Emissionen nicht zu zeichnen“. 181 Zur sog. Majorisierung, also der Ausdehnung des Zeichnungsvolumens durch die Investoren in der Hoffnung, daß die Zeichnung zumindest teilweise zu einer Zuteilung führt, siehe Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 540; Achleitner, InvestmentBanking, 2002, S. 573 („Inflationierung der Nachfrage“); Schlick, Going Public, 1997, S. 117; zur sog. Konzertzeichnung, bei der potentielle Investoren gleichzeitig Depots bei mehreren Banken unterhalten, siehe Fleischer, aaO; Betsch/Groh/Lohmann, Corporate Finance, 2000, S. 369; Jakob, IPO, 1998, S. 128 mit Fn. 490; Schlick, aaO, S. 117 f. 182 Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 540; Jakob, IPO, 1998, S. 122 f.; Schlick, Going Public, 1997, S. 165 f. 183 Neuhaus/Schremper, ZfB 73 (2003), 445, 459. Diese Kursentwicklung werde weiterhin dadurch verstärkt, daß in solchen Zeiten Aktien von Gesellschaften an der Börse notiert würden, die noch nicht die ausreichende Stabilität für eine solche Kapitalmarktöffnung erreicht hätten. Neuhaus/Schremper, aaO, Fn. 43, verweisen als Beleg auf die hohe Insolvenzrate der Gesellschaften, die zwischen 1999 und 2000 erstmals Aktien am Neuen Markt plaziert haben. Grundlegend Ritter, 46 JoF 3, 9 ff. (1991), der 1526 Börseneinführungen in den Jahren 1975 bis 1984 untersuchte. 184 Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1395 ff., die 222 Börsengänge im Zeitraum von 1960 bis 1995 untersuchten, stellen deutliche Emissionsrenditen fest, die

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

Der Aufbau eines Emissions- oder Finanzstandings zählt zu den häufigsten, insbesondere auch von den Emittenten selbst genannten Gründen für ein bewußtes Underpricing, das damit seitens des Emittenten und der emissionsbegleitenden Bank seinen Grund in der von diesen angestrebten Kursentwicklung hat.186 Da sich die Gesellschaft noch nicht als eigenständige Kapitalmarktadresse etabliert hat, ist eine erstmalige Plazierung von Aktien regelmäßig mit einem Abschlag verbunden, um den Investoren einen Kaufanreiz zu geben.187 Im Hinblick auf die spätere Inanspruchnahme der Börse zur Deckung eines Eigenkapitalbedarfs besteht überdies ein erhebliches Interesse insbesondere des Emittenten, einen Emissionspreis festzusetzen, der eine Kurssteigerung ermöglicht oder sich zumindest im Gleichschritt mit dem Markt entwickelt und so den Anlegern den zutreffenden Eindruck einer Wertsteigerung ihrer Anlage vermittelt, damit diese auch zu einem späteren Zeitpunkt Interesse an weiteren Investitionen haben. Entsprechendes gilt für die emissionsbegleitende Bank, die im Hinblick auf ihr Renommee am Kapitalmarkt und ihr Plazierungsrisiko erhebliches Interesse an einer positiven Kursentwicklung hat.188 Werden insbesondere Gewinneinschätzungen zu hoch angesetzt, kann der Kurs im Sekundärmarkt unter den Emissionskurs sinken und so zu einem Vermögensverlust der Anleger führen, was für das Ansehen von Emittent und emissionsbegleitender Bank am Kapitalmarkt nachteilig ist, da der Eindruck entstehen kann, die Aktie sei zu teuer emittiert worden. Aus diesem Grund wird auch seitens des wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttums befürwortet, von einem Underpricing Gebrauch zu machen.189 Denn hierdurch ließen sich zum einen Unvollkommenheiten der Bewertung der Aktie aussich auf knapp 15% und für die Börsengänge seit 1987 noch auf über 7% belaufen; dazu schon oben bei Fn. 163. Kiss, Bank, 2001, 524, 524 ff. mwN., der 314 Börsengänge am Neuen Markt in den Jahren 1997 bis 2000 untersuchte, stellte fest, daß ein Overpricing, also das Übersteigen des Kurses der ersten Notierung durch den Emissionspreis, nur bei rund 9% der Börsengänge erfolgt, hingegen bei rund 70% der Börsengänge Zeichnungsgewinne von mehr als ein Prozent erzielt wurden; hierzu auch Jakob, IPO, 1998, S. 127 mwN. 185 So Stehle/Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1401. 186 Siehe etwa Hornung/Wullenkord, zfbf 53 (2001), 57, 64 ff.; Killat, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 215, 226. Hierzu auch Achleitner, InvestmentBanking, 2002, S. 570. 187 Zu diesem als IPO-discount bezeichneten Abschlag Hornung/Wullenkord, zfbf 53 (2001), 57, 64 f.; Killat, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 215, 226. Siehe auch Ekkenga/Maaß, Wertpapieremission, 2006, § 2 Rn. 128 (S. 93 f.). 188 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 485. 189 E. Theissen, ZfB 72 (2002), 1022, 1028 und 1030, der dies mit den Folgen der Informationsasymmetrien zwischen den Anlegern begründet; siehe auch Stehle/ Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1401 f.

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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gleichen, zum anderen eine positive Kursentwicklung im Sekundärmarkt erreichen, so daß ein bewußtes Underpricing bei Emissionen seit längerer Zeit praktiziert werde.190 Trotz der Steigerung der Emissionskosten kann daher auch seitens des Emittenten ein Interesse an einem gewissen Underpricing bestehen, um etwa eine hinreichende Kursstabilität und -entwicklung im Sekundärmarkt zu gewährleisten.191 Im Schrifttum wird daher von einem regelmäßigen Underpricing von zehn bis fünfzehn Prozent gesprochen.192 Das bewußte Underpricing ist also Teil einer erfolgreichen Emission der Aktien und des Aufbaus einer Reputation des Emittenten als investitionswürdiger Gesellschaft,193 so daß der Auswahl der Erwerber damit entscheidende Bedeutung zukommt. Daran schließt sich die Frage an, wie der Preis zutreffend zu ermitteln ist. 2. Preisfindungsverfahren Ziel des Preisfindungsverfahrens ist eine möglichst marktnahe Preisermittlung, um entsprechende Korrekturen des Marktes nach der Plazierung zu vermeiden,194 wofür neben dem Festpreis- das Bookbuilding- und das Auktionsverfahren zur Anwendung kommen.195 Während das Festpreisverfahren bis in die Mitte des letzten Jahrzehnts hinein das überwiegend angewandte Verfahren zur Preisfindung bei Erstplazierung von Aktien war, ist es mittlerweile vom Bookbuilding-Verfahren verdrängt worden.196 Das Auktionsverfahren, das vermehrt bei Aktienrückkaufen außerhalb der Börse ge190 Zu erstem Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45, 51 ff.; zu letztem Willamowski, Bookbuilding, 2000, S. 67. 191 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 570. 192 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 7 Rn. 59 (S. 225 f.: 10–20%); ähnlich Arbeitskreis Finanzierung, zfbf 55 (2003), 515, 529; Killat, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 215, 226; Escher-Weingart, AG 2000, 164, 168 (liSp.); Schürmann/ Körfgen, Familienunternehmen, 1997, S. 225; Schlick, Going Public, 1997, S. 159 ff. 193 So neben den in der vorangegangenen Fn. Genannten auch Neus, zfbf 46 (1994), 145 ff.; siehe auch Jakob, IPO, 1998, S. 202; Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 580. 194 So die Begr RegE Drittes Finanzmarktförderungsgesetz zu § 16 BörsZulV, BT-Drs. 13/8933, S. 154 (liSp.); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.258 (S. 1462 f.). 195 Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 24 ff. (S. 253 ff.); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 569 ff. 196 Hierzu Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 80 f. (S. 336); Stehle/ Erhardt, ZfB 69 (1999), 1395, 1396 f., wonach von den Börseneinführungen zwischen 1960 und 1995 in Deutschland 222 im Festpreisverfahren und 12 im Bookbuilding-Verfahren erfolgten. Zur Emissionspraxis in Deutschland bis 1997 auch Groß, ZHR 162 (1998), 318, 319.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

nutzt wird, wurde bisher bislang nur als Ausnahme bei der Einführung von Aktien an einer deutschen Börse angewandt.197 a) Festpreisverfahren Während das Festpreisverfahren in früheren Jahren gängiges Preisfindungsverfahren für sämtliche Formen von Emissionen war, diente es in jüngerer Zeit meist nur zur Bestimmung des Emissionspreises bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen der Aktionäre nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG.198 Aus dem Ablauf resultierende Nachteile des Verfahrens haben seine Bedeutung im Emissionsgeschäft erheblich reduziert.199 Auf der Grundlage einer Wertermittlung der Gesellschaft unter Berücksichtigung der Börsenbewertung vergleichbarer Gesellschaften und der allgemeinen Marktlage wird der Plazierungspreis oftmals lange vor der Veröffentlichung des Verkaufangebots festgesetzt.200 Auch wenn das Emissionskonsortium Rücksprache mit wichtigen Investoren über die Attraktivität der Aktien und einen angemessenen Emissionskurs trifft, kommt der Markt damit regelmäßig erst nach der Festsetzung des Emissionspreises zum Zug, da die Aktien dem Publikum zu einem vorgegebenen festen Preis angeboten werden, so daß die tatsächliche Einschätzung der Aktie durch die potentiellen Investoren und deren Nachfrage nach den Aktien nicht richtig erfaßt werden können.201 Das Festpreisverfahren hat damit im Falle der festen Übernahme der Aktien durch die emissionsbegleitende Bank zwar den Vorteil einer frühzeitigen Kenntnis des konkreten Emissionserlöses, geht 197 Hierzu Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 28 (S. 255). Zur sog. Dutch Auction Offer MünchKommAktG/Oechsler, 2008, § 71 Rn. 15, 241. 198 Der Vorstand mußte nach § 186 Abs. 2 bzw. Abs. 5 S. 2 Hs. 1 AktG a. F. im Bezugsangebot einen genau bezifferten Kurs angeben; dazu Hüffer, AktG, 2004, § 186 Rn. 19a, 52; Bosch/Groß, Emissionsgeschäft, 2003, Rn. 10/260 (S. 10/166); AnwK-AktienR/Rebmann, 2002, § 186 Rn. 24; Lutter, in: Kölner Kommentar zum AktG, 1995, § 186 Rn. 46; Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 182 Rn. 61 und § 186 Rn. 99; a. A. Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 1999, § 56 Rn. 67. 199 Seit 2001 wurden nur noch vereinzelt Emissionspreise im Rahmen der Vorbereitung von Börsengängen durch das Festpreisverfahren ermittelt; hierzu Schäcker/ Brehm, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 2 Rn. 40 (S. 55). 200 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.254 (S. 1461); Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/261 (S. 10/166); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 580 f. 201 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 73 (S. 334); Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/262 (S. 10/166); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 569. Teilweise werden im Vorfeld mit potentiellen institutionellen Anlegern Vorgespräche zur eigentlichen Preisfestsetzung geführt, um die Attraktivität der Aktie und damit den Emissionspreis besser einschätzen zu können; so Schanz, aaO, Rn. 72 (S. 333).

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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aber wegen der Marktferne der Preisermittlung und der Unkenntnis der tatsächlichen Investorennachfrage regelmäßig mit einem Emissionskursabschlag einher, so daß die Emissionsbank zu einem bewußten Underpricing neigt.202 Eine Maximierung des Emissionserlöses sei daher bei dieser Form der Preisfindung kaum möglich.203 Weitere Nachteile des Festpreisverfahrens seien eine hohe Volatilität, da Interessenten, die ihr mengenmäßiges Kaufziel nicht im Emissionsverfahren erreichen konnten, stärker über die Börse nachkaufen würden,204 und die fehlende Möglichkeit der Investorenauswahl, so daß keine Zuteilung nach der Qualität der Nachfrage erfolge.205 Der Gesetzgeber hat die Nachteile des Festpreisverfahrens zum Anlaß genommen, § 186 Abs. 2 AktG neu zu fassen und Abs. 5 S. 2 der Vorschrift durch das TransPuG zu ändern.206 Die Gesetzesänderung ermöglicht den Gesellschaften, den Ausgabebetrag der jungen Aktien auch dann im Bookbuilding-Verfahren zu ermitteln, wenn das Bezugsrecht der Aktionäre nicht ausgeschlossen ist.207

202 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 569 f.; Wallmeier/Rösl, Finanzbetrieb 1999, 134; zurückhaltender Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/261 (S. 10/166). Dieses Risiko der Banken wird bei sog. Best effort-Emissionen minimiert; dazu Schäcker/Brehm, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 2 Rn. 32 (S. 53); Singhof/Weber, aaO, § 3 Rn. 25 (S. 83); Haag, aaO, § 23 Rn. 11 (S. 649 f.). Um den Investoren einen Anreiz zur Investition in die bis dahin am Kapitalmarkt unbekannten und damit risikobehafteten Aktien zu geben und eine Plazierung sämtlicher Aktien zu erreichen, werde von diesem Preis in der Regel ein Preisabschlag von etwa fünfzehn Prozent vorgenommen. Singhof/Weber, aaO, § 3 Rn. 76 (S. 112: 10– 15%); Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 77 (S. 335); Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 27 (S. 255; allerdings ohne Zahlen); Fleischer, ZHR 165 (2001), 515, 529 f. 203 So Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 75 (S. 334). 204 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 75 (S. 334); Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.256 (S. 1462). 205 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 570; Fleischer, ZHR 165 (2001), 515, 530; Weiler, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 267, 269 f. 206 Art. 1 Nr. 22 a, b TransPuG v. 19.7.2002, BGBl. I S. 2681. Das bisherige Erfordernis der genauen Angabe des Ausgabebetrages gleichzeitig mit der Aufforderung zur Ausübung des Bezugsrechts machte ein Reagieren auf die aktuelle Marktsituation unmöglich und belastete jede Kapitalerhöhung mit Bezugsrecht mit einem Kursänderungsrisiko von etwa 3 Wochen; siehe die ausführliche Darstellung dieses Problems in Begr RegE TransPuG zu § 186 Abs. 2 AktG n. F., BT-Drs. 14/8769, S. 23 f. 207 Hirte, in: Hirte (Hrsg.), TransPuG, 2003, § 1 5a (S. 43 Rn. 92); Seibert, NZG 2002, 608, 612 (liSp.).

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

b) Bookbuilding-Verfahren Aufgrund der Schwächen der Emissionspreisermittlung im Festpreisverfahren hat sich die Preisbestimmung durch das sog. Bookbuilding-Verfahren in Deutschland seit Mitte des letzten Jahrzehnts durchgesetzt.208 aa) Ablauf Anders als beim Festpreisverfahren werden frühzeitig potentielle Investoren in die Preisfindung eingebunden, die dreistufig verläuft.209 Im Rahmen der ersten Phase bittet die emissionsbegleitende Bank eine kleine Zahl ausgewählter Investoren um ihre unverbindliche Einschätzung, zu welchem Ausgabepreis sie die Aktie des betreffenden Unternehmens zeichnen würden.210 Auf Grundlage deren Reaktion wird ausgehend von dem Mittelwert der Preiseinschätzungen eine Preisspanne von zehn bis fünfzehn Prozent bekannt gegeben.211 Nachfolgend können die Investoren innerhalb einer bestimmten Zeitspanne Gebote zur Zeichnung abgeben,212 an die sich die endgültige Emissionspreisfestlegung anschließt.213 Ausgehend von dem höchsten Preis innerhalb der Preisspanne, zu dem die Gesamtemission pla208 Zum Verständnis des Bookbuilding als vollständiges Emissionskonzept und das eigentliche Preisfindungsverfahren des Bookbuilding im engeren Sinn siehe Willamowski, Bookbuilding, 2000, S. 55; Jakob, IPO, 1998, S. 8. 209 Sog. Pre-Marketing-Phase, Ordertaking-Phase und anschließend sog. Bookbuilding-Periode; hierzu Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 30 (S. 256 f.); von zwei Phasen sprechen Groß, ZHR 162 (1998), 318, 320; Singhof/ Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 75 (S. 111). 210 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 83 (S. 337); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 571; bei den Investoren handelt es sich regelmäßig um institutionelle Anleger, was wegen der mangelnden Preissensitivität der Privatanleger aber nicht zu beanstanden sei; hierzu Weiler, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 267, 271; Willamowski, Bookbuilding, 2000, S. 37. 211 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 83 (S. 337); Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 30 (S. 256); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 571; Weiler, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 267, 272; Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/262b (S. 10/167), und ders., ZHR 162 (1998), 318, 321: 10 bis 20%. 212 Das von den Konsortialbanken an potentielle Investoren gerichtete „Verkaufsangebot“ richtet sich auf die Abgabe von Angeboten nach § 145 BGB durch die Anleger, stellt also nur eine invitatio ad offerendum dar; hierzu Begr RegE zu § 2 Nr. 4 WpPG, BT-Drs. 15/4999, S. 28; Groß, Kapitalmarktrecht, 2006, § 2 WpPG Rn. 10; so auch schon vor dem WpPG die h. M.; siehe Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 8 Rn. 57 (S. 360); Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/266 f. (S. 10/ 169 f.), und ausführlich ders., ZHR 162 (1998), 318, 323 ff.; Willamowski, WM 2001, 653, 655 (liSp.). 213 Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/263a (S. 10/167); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 572 ff.; Weiler, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 267, 273.

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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ziert werden kann, wird regelmäßig ein etwas niedriger Preis festgesetzt, wenn hierdurch eine breitere Streuung und Berücksichtigung strategischer Investoren erreicht werden kann.214 bb) Vorzüge und Schwächen Das Bookbuilding-Verfahren ermöglicht damit eine marktorientierte Preisermittlung und vergleichsweise stabile Aktienplazierung durch die Einbeziehung der Investoren in das Preisfindungsverfahren und führt hierdurch zu einer Maximierung des Emissionserlöses bei gleichzeitiger Senkung des Plazierungsrisikos für Emittent und Konsortium.215 Die Kontrolle des Zuteilungsverfahrens eröffnet die Möglichkeit der Einflußnahme auf den Kreis der Erwerber, so daß die Sicherung der Nachfrage im Sekundärmarkt im Rahmen des Bookbuilding-Verfahrens durch die Aktienzuteilung gefördert werden kann.216 Die Einbindung der Anleger verringert überdies das Risiko des Kaufs zu überhöhten Preisen.217 Trotz dieser verschiedenen Aspekte und insbesondere der Marktorientierung der Preisfestsetzung im Rahmen des Bookbuilding-Verfahrens, die insgesamt genommen das Underpricing minimieren müßten, konnte dieses nicht durchgängig wesentlich verringert werden,218 so daß der Preisermittlungsprozeß nicht ausnahmslos zu einer „Punktlandung“ führte und im Anschluß die Schwächen dieses Verfahren diskutiert wurden.219 Speziell für das Bookbuilding-Verfahren droht eine Bestimmung des Emissionspreises unterhalb des zu erzielenden Preises durch die Einbeziehung potentieller In214

Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 58 (S. 339). Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 88 (S. 340); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 575 f.; Jakob, IPO, 1998, S. 296, 299. 216 Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 32 (S. 258); Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 568; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 389; Weiler, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 267, 270. 217 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 2004, Rn. 9.260 (S. 1463); Blättchen/ Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 178; hierzu auch Kaserer/Kempf, ZBB 1995, 45 ff. 218 So Erber, Börsengang, 2003, S. 158; Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 178, 188; Serfling/Pape/Kressin, AG 1999, 289, 298. Siehe hierzu auch die empirischen Untersuchungen oben S. 512 ff., was besonders deutlich wird bei Gerke/Fleischer, zfbf 53 (2001), 827 ff., die sämtliche der 319 IPO am Neuen Markt zwischen dem 10.3.1997 bis zum 31.12.2000 untersuchen, bei denen die Aktien vornehmlich im Wege des Bookbuilding-Verfahrens plaziert wurden. Siehe auch Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 575. 219 So Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 531, gegen Hein, WM 1996, 1, 2; ähnlich Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/263a (S. 10/168); siehe auch Lutter, AG 2001, 349, 351 (liSp.). 215

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

vestoren in das Preisermittlungsverfahren und damit die Festlegung des Emissionspreises. Bieten die in der ersten Phase angesprochenen Investoren im eigenen Interesse für die Aktie weniger als nach den Ergebnissen ihrer Wertermittlung möglich wäre, kann dieses externe Underpricing die Spanne des Emissionspreises drücken.220 Während das interne Underpricing als anerkanntes Instrument zur richtigen Preisfestsetzung bewußt angewandt wird,221 liegt das externe Underpricing durch die institutionellen Anleger nicht im Interesse von Emittent und emissionsbegleitender Bank.222 c) Auktionsverfahren Einziges Entscheidungskriterium beim Auktionsverfahren ist die Höhe des gebotenen Preises, so daß sich dieses Verfahren grundlegend vom Bookbuilding-Verfahren unterscheidet, in dessen Rahmen auch weitere Kriterien bei der Emissionspreisfestsetzung und Zuteilung berücksichtigt werden können.223 In Deutschland werden Auktionsverfahren nur ausnahmsweise zur Preisermittlung für Aktienemissionen gewählt.224 Für die Bestimmung des Emissionspreises wird lediglich eine untere Preisgrenze festgelegt, die Grundlage der Gebote ist.225 In der anschließenden Zeichnungsfrist können die Anleger Angebote bzgl. Preis und Stückzahl abgeben, die im Orderbuch gesammelt und anhand dessen die Aktien zugeteilt werden. Die Zuteilung ist zu dem individuell gebotenen Preis möglich, so daß derjenige mit einem relativ hohen Gebot auch hohe Zuteilungschancen hat, allerdings für die Aktien unter Umständen mehr als erfor220 Durch die Anpassung des Kurswertes im Sekundärmarkt an den vom Markt eingeschätzten Wert der Aktien lassen sich aufgrund der bestehenden Differenz zwischen Emissionspreis und Börsenkurs schnelle Kursgewinne erzielen. Hierzu Willamowski, Bookbuilding, 2000, S. 67 ff., auch zu den Begriffen des internen und externen Underpricing. 221 Dazu oben S. 512 ff. 222 Willamowski, Bookbuilding, 2000, S. 68. 223 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 575. Hierzu auch Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 56 ff. 224 Soweit ersichtlich wurde dieses Verfahren erst für zwei IPOs (Börsengang der Trius AG im März 2000 und der Hydrotec Gesellschaft für Wassertechnik AG im September 2001) angewandt. Bei dem früheren Börsengang konnten Zeichnungsgewinne von deutlich über 50% erzielt werden; hierzu Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 90 mit Fn. 162 (S. 340 f.); Schäcker/Brehm, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 2 Rn. 41 (S. 55); Singhof/Weber, aaO, § 3 Rn. 77 (S. 112 f.); Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 28 (S. 255); Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 532 mit Fn. 118. Abweichende Zahlen bei Baumeister/Werkmeister, Finanzbetrieb 2001, 44, 49 (Zeichnungsgewinn von ca. 37%). 225 Weiler, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 267, 278.

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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derlich zahlt,226 kann aber auch zu einem einheitlich festgelegten Preis erfolgen, so daß das letzte noch zur Repartierung gelangte Gebot den Zuteilungspreis einheitlich bestimmt, zu dem alle Investoren bedient werden.227 Die starke Berücksichtigung der Nachfrage im Hinblick auf Preis und Stückzahl der Aktien nähert den Emissionspreis tendenziell stärker an die (Erst-)Börsenbewertung an als andere Preisermittlungsverfahren.228 Ob damit dem Emittenten zwangsläufig ein höherer Emissionserlös im Vergleich zum Bookbuilding-Verfahren zufließt,229 ist allerdings umstritten. So wird im finanzwirtschaftlichen Schrifttum im Hinblick auf die Zuteilung nach dem individuell gebotenen Preis angeführt, daß hierbei potentielle Anleger vorsichtiger bieten würden als im Bookbuilding-Verfahren, so daß die Emissionserlöse geringer als beim Bookbuilding-Verfahren seien.230 Das Zuteilungsverfahren ist jedenfalls transparenter, da alleiniges Kriterium für die Zuteilung die Höhe des gebotenen Erwerbspreises ist, so daß es auch bei der Überzeichnung keiner zusätzlichen Zuteilungsregeln bedarf.231 Kehrseite ist damit aber zugleich, daß eine gesteuerte Verteilung der Aktien auf verschiedene Investorengruppen nicht möglich ist und damit weitere Kriterien, die für eine Erwerberauswahl im Interesse der Gesellschaft und insbesondere ihrer Aktionäre bedeutsam sind, bei der Aktienzuteilung nicht berücksichtigt werden können.232 Überdies drohen bei dieser 226 Sog. amerikanische Tenderung oder diskriminierendes Tenderverfahren; hierzu Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 28 (S. 255); Jakob, IPO, 1998, S. 282; siehe auch Erber, Börsengang, 2003, S. 162. 227 Sog. holländische Versteigerung bzw. Dutch Auction; hierzu Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 575. Siehe auch Groß, in: BuB, 2003, Rn. 270f (S. 10/ 170h); Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 532; Weiler, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 267, 278; Jakob, IPO, 1998, S. 282 mit Fn. 992. Die Aktienzuteilung beginnt mit dem höchsten Gebot und erfolgt so lange von oben nach unten, bis das gesamte Emissionsvolumen plaziert werden kann. Dabei wird ein Mindestpreis vor Beginn des Plazierungsverfahrens festgelegt, um zu verhindern, daß Anteile unter Wert plaziert werden; dazu Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 77 (S. 112 f.); Fleischer, aaO, 532. 228 Vgl. Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 575; Weiler, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 267, 270; Schlick, Going Public, 1997, S. 185. 229 So Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 92 (S. 341); Erber, Börsengang, 2003, S. 162 f.; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 532. Kritisch Jakob, IPO, 1999, S. 286 f. 230 Dazu Jakob, IPO, 1998, S, 282 mwN. in Fn. 994, der dies auch mit dem Winner’s Curse erklärt. 231 Dazu Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 62; Baumeister/Werkmeister, Finanzbetrieb 2001, 44. 232 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 91 (S. 341); Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 30 (S. 255 f.); Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 62 ff.; Erber, Börsengang, 2003, S. 163; Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 575 f.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

Form der Preisfestsetzung auch erhebliche Nachteile im Hinblick auf die Kursentwicklung im Sekundärmarkt, da sich ein hoher Verkaufspreis tendenziell nachteilig auf die Kursstabilität im Sekundärmarkt auswirkt, da sich bei der Versteigerung nur die Optimisten durchsetzen würden, die höchste Preise bieten.233 Die Nachfrage dieses Teils der Investoren, die zu einem höheren Preis als dem Ausgabekurs gekauft hätten, sei schon gesättigt, so daß nur Kaufinteressenten übrig blieben, die ursprünglich weniger als den späteren Emissionspreis geboten hätten.234 Sinkt der Börsenkurs damit nicht zumindest unter den Ausgabekurs, werden potentielle Investoren Aktien nicht erwerben, wenn sie schon nicht im Auktionsverfahren berücksichtigt wurden, es sei denn, daß sie die Werthaltigkeit der Aktie nun höher einschätzen. Ob das Auktionsverfahren eher geeignet ist als das Bookbuilding-Verfahren, einen marktnahen Preis zu ermitteln und damit einem Underpricing entgegenzusteuern, wurde soweit ersichtlich bislang noch nicht empirisch untersucht. Allerdings wurde beobachtet, daß in den Ländern das geringste Underpricing zu beobachten ist, in denen Aktienplazierungen auch im Rahmen von Auktionsverfahren erfolgen.235 Verschiedene Stimmen stehen jedoch dem Auktionsverfahren kritisch gegenüber und halten es allenfalls für kleinere, überschaubare Emissionen geeignet, die hauptsächlich institutionelle Anleger erreichen sollen.236 Das Auktionsverfahren verdient aber vertiefter Erörterung wegen der höheren Plazierungsgerechtigkeit und der besseren Zuteilungstransparenz gegenüber dem Festpreis- und BookbuildingVerfahren unter Berücksichtigung empirischer Untersuchungen der Kapitalmarktforschung.237 Die beschriebenen Nachteile lassen aber fraglich erscheinen, ob dieses Verfahren künftig breiter angewandt wird.

233 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 575 f.; siehe auch Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 30 (S. 255 f.); Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 63 f.; Blättchen/Jacquillat, Börseneinführung, 1999, S. 185. 234 Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 533. 235 Hierzu Erber, Börsengang, 2003, S. 163 mwN. in Fn. 777. Bei einer in den USA erfolgten großen Aktienplazierung zur Börseneinführung im Wege des Auktionsverfahrens wurde trotz des erklärten Ziels der Festsetzung eines Höchstpreises zugleich die Möglichkeit eingeräumt, die Aktien zu einem niedrigerem Preis zu veräußern, um eine breitere Streuung zu erreichen und das Risiko des Börsengangs zu minimieren, was die praktischen Schwierigkeiten des Auktionsverfahrens aufzeigt; dazu Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 37 (S. 260). 236 Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/270f (S. 10/170h); Bacherl/Tenschert, in: HdB Corporate Finance, 2003, 3.4.5. (S. 19); Busch/Groß, AG 2000, 503, 508 (reSp.); kritisch Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 90 ff. (S. 340 f.). Siehe auch Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 38 (S. 260). 237 Ähnlich auch Fleischer, Gutachten 64. DJT, 2002, S. 78.

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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d) Möglichkeit der Verbesserung der Preisfindung Die Schwächen der einzelnen Preisfindungsverfahren und das teils erhebliche Underpricing haben in der finanzwirtschaftlichen und juristischen Diskussion zu verschiedenen Vorschlägen geführt, das Preisfindungsverfahren zu verbessern. Im Vordergrund steht dabei zum einen die Erhöhung der Bookbuilding-Spanne, zum anderen die Wahl eines modifizierten Auktionsverfahrens. aa) Erhöhung der Bookbuilding-Spanne Als Mittel zur stärkeren Berücksichtigung der Nachfrage im Rahmen des Bookbuilding-Verfahrens werden im Schrifttum Möglichkeiten einer Flexibilisierung der Preisfindung diskutiert.238 In den USA wird bei hohen Überzeichnungen von Aktienemissionen die Bookbuilding-Spanne nachträglich angehoben, um dem Underpricing entgegenzuwirken.239 Wird auch in Deutschland die ganze Breite der Bookbuilding-Spanne bei der Emissionspreisfestsetzung zunehmend ausgenutzt, erfolgt eine Festlegung des Ausgabekurses der Aktien außerhalb der ursprünglichen Spanne bisher eher selten.240 Eine solche Erweiterung der Bookbuilding-Spanne ist unter rechtlichen Aspekten nicht ausgeschlossen, da mit der zu Beginn der Orderperiode veröffentlichten invitatio ad offerendum noch keine rechtlichen Bindungen eingegangen werden, so daß eine Änderung des Emissionspreises unter Beachtung gewisser Informationspflichten möglich ist.241 bb) Wahl eines modifizierten Auktionsverfahrens Mit diesem Verfahren sollen Vorteile des Bookbuilding und des Auktionsverfahrens miteinander kombiniert werden, um eine Verbesserung der Preisermittlung durch eine Minimierung der Differenz zwischen Ausgabepreis 238

Fleischer, Gutachten 64. DJT, 2002, S. 80 f., 93. Hierzu Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 537. 240 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 86 mit Fn. 150 (S. 338); Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 537. 241 Dazu auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 537. Sofern das öffentliche Verkaufsangebot eine Spannenanhebung bereits ankündigt und in einer Weise umschrieben wird, daß für den Anleger Art und Umfang erkennbar sind, etwa eine Obergrenze für die Erhöhung der Preisspanne genannt wird, besteht kein Widerrufsrecht bzgl. des Angebots; siehe § 8 Abs. 1 S. 1 und 3 WpPG und hierzu Groß, Kapitalmarktrecht, 2006, § 8 WpPG Rn. 7; zur früheren Rechtslage ders., ZHR 162 (1998), 318, 328 und 332; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 538; Hein, WM 1996, 1, 5. 239

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

und Erstnotiz zu erreichen.242 Hierfür wird ein Mindestpreis festgelegt, der dem unteren Ende der üblichen Bookbuilding-Spanne entspricht.243 Nach Eingang sämtlicher Angebote wird unter Aufschlüsselung der Gesamtnachfrage in institutionelle und private Anleger für jeden gebotenen Preis eine Preis-Mengen-Funktion erstellt.244 Als Gleichgewichtspreis wird sodann jener Preis ermittelt, bei dem das Angebot mindestens mehrfach überzeichnet ist und zugleich eine Mindestzahl institutioneller Investoren einschließt.245 Den künftigen Aktionären wird ein Zeichnungsanreiz durch einen etwas unterhalb des ermittelten Gleichgewichtspreises festgelegten Emissionspreis gegeben.246 Im Schrifttum wird angeführt, daß sich hierdurch übertriebene Zeichnungsgewinne zurückführen und der gewünschte Interessenausgleich zwischen Investoren und Emittent erreichen ließe. Gleichzeitig würde gewährleistet, daß auch institutionelle Anleger nicht unterproportional bedacht werden, da der Preis nicht einziges Zuteilungskriterium sei.247 Allerdings besteht auch hier keine Auswahl der Investoren nach qualitativen Kriterien, was sich im Hinblick auf die Kursentwicklungen im Sekundärmarkt negativ auswirken kann.248 Zudem gibt es keine Erfahrungen, in welcher Höhe der erforderliche Abschlag auf den ermittelten Gleichgewichtspreis festzulegen ist, um bei maximierten Emissionserlösen zugleich eine ausreichende Investorennachfrage zu erreichen.249 Ob diese Form des Auktionsverfahrens geeignetes Mittel zur Emissionspreisfindung auch großer Emissionen unter dem Ziel ist, ein Underpricing soweit als möglich zu vermindern und eine stabile Kursentwicklung im Sekundärmarkt sicherzustellen, bedarf noch des Nachweises empirischer Untersuchungen insbesondere auch für den deutschen Kapitalmarkt.250 242

So Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 576. Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 576; so auch Erber, Börsengang, 2003, Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 535. 244 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 576; ebenso Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 535. 245 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 576; ebenso Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 535. 246 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 576. 247 Erber, Börsengang, 2003, S. 164. 248 Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 576; ebenso Erber, Börsengang, 2003, S. 164. 249 So zur kritischen Bewertung dieses Verfahren Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 576. 250 Weitergehend Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 536, wonach der Vorstand bei der Wahl dieses Preisfindungsverfahrens seiner Pflicht zur Verringerung übertriebener Zeichnungsgewinne genüge getan habe, unter Verweisung auf die Untersuchungen von Auktionsverfahren durch Wallmeier/Rösl, Finanzbetrieb, 1999, 134, 135; Jakob, IPO, 1998, S. 115. 243

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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III. Zusammenfassung und Folgerungen Sind die Preisfindung bei Börseneinführungen und die Erwerberauswahl im Interesse der günstigen Entwicklung der Kurse im Sekundärmarkt sehr komplexe und schwierige Verfahren, die für die Altaktionäre der Gesellschaft hinnehmbar sind, wenn sie über den Börsengang entscheiden konnten, so gilt anderes für die Aktionäre der Obergesellschaft beim Börsengang einer Tochtergesellschaft, wenn diese nicht zur Entscheidung berufen waren. 1. Schwierigkeiten von Preisfindung und Erwerberauswahl Eine generalisierende Betrachtung wird den Schwierigkeiten der Ermittlung des angemessenen Ausgabepreises und der Erwerberauswahl nicht gerecht. Denn bei der erstmaligen Börseneinführung von Aktien sind weitere Aspekte zu beachten als beim Verkauf von Aktien einer bereits börsennotierten AG, die eine Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluß vornimmt. Auch bestehen Unterschiede zwischen der erstmaligen Börseneinführung von Aktien in der unverbundenen AG und von Anteilen einer Tochtergesellschaft. Denn im ersten Fall ist eine Hauptversammlungsbefassung erforderlich, so daß die Aktionäre an dem Entscheidungsprozeß mittels ihrer Mitverwaltungsrechte teilhaben können; hingegen ist im zweiten Fall nur dann ein Beschluß der Hauptversammlung der Obergesellschaft notwendig, wenn die Wesentlichkeitsschwelle iSd. Holzmüller-Rechtsprechung erreicht ist, was wohl nur in Ausnahmefällen gegeben sein wird.251 Werden Aktien aus dem Anteilsbesitz der Altaktionäre plaziert, bestehen keine rechtlichen Vorgaben, die eine Untergrenze des Emissionspreises festsetzen. Anderes gilt aber für junge Aktien, die im Rahmen einer Kapitalerhöhung geschaffen wurden, da hierbei die Grenzen des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG zu beachten sind; entsprechendes muß für die Aus- und Abgabe von Tochtergesellschaftsaktien gelten. Aus den im Schrifttum vertretenen Ansichten zu § 255 Abs. 2 S. 1 AktG läßt sich ableiten, daß der Vorstand bzw. die Verwaltung die Aktien nicht zwingend zu höchsten Kursen auszugeben, sondern vielmehr die vielschichtigen Interessen der abgebenden Aktionäre bzw. der Gesellschaft zu würdigen und diese wie auch die mit der Festlegung eines höchst möglichen wie auch eines geringeren Emissionspreises verbundenen Vorteile und Beeinträchtigungen ihrer Interessen abzuwägen hat. Nach Hüffer trägt die Wahl eines marktnahen Preisfindungsverfahrens wie des Bookbuilding-Verfahrens zur Objektivierung bei und könne „im Rahmen der Gesamtbeurteilung als Indiz für einen angemessenen Aus251

Dazu oben S. 481 f.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

gabekurs iSd. § 255 Abs. 2 S. 1 AktG verwandt werden“.252 Denn zum einen besteht Interesse an einer Maximierung des Emissionserlöses, was einen möglichst hohen Emissionspreis erfordert. Anderes gilt aber für eine sichere Plazierung der gesamten Tranche und eine im Sekundärmarkt positive Kursentwicklung als Grundlage weiterer Eigenkapitalfinanzierungsmaßnahmen über die Börse, die insbesondere einen nicht zu hohen Emissionspreis erfordert.253 Daher kann es geboten sein, Aktien auch Anlegern zuzuteilen, die Anlageinteressen haben, die sich mit denen der Gesellschaft decken, auch wenn diese Anleger nicht den höchsten Preis zahlen. Hirte führt an, daß die Verwaltung der Obergesellschaft die Pflicht habe, zur Börseneinführung der Aktien der Tochtergesellschaft ein Emissionsverfahren zu wählen, das die Interessen der Altaktionäre ausreichend berücksichtige. Beim Bookbuilding-Verfahren sei dies gerade im Vergleich zu den früher üblichen Verfahren gegeben, da „eine ‚angemessene‘ Berücksichtigung der Interessen der Aktionäre nicht erfordert, einen möglichst hohen Preis für deren Aktien zu erzielen, sondern vielmehr bereits eine marktnahe Preisbildung diesem Erfordernis entspricht“.254 Es kann daher keine generelle Pflicht des Vorstandes zur Erzielung eines höchstmöglichen Emissionspreises unter Ausblendung dieser weiteren Aspekte bestehen; dem Vorstand muß also insoweit ein weiter Ermessensspielraum zukommen.255 Für eine vorsichtige, an den fundamentalen Unternehmensdaten orientierte Preisfestsetzung läßt sich anführen, daß das Underpricing nicht als stichtagbezogene Überrendite zwischen Ausgabepreis und erster Börsennotierung aufgefaßt werden darf, sondern erst mittelfristig Aussagekraft gewinnt.256 Dies deckt sich mit den Wertungen des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG, da hiernach der Vorstand grundsätzlich den höchstmöglichen Preis anzustreben hat, bei Vorliegen sachlicher Gründe die Zuteilung der Aktien unterhalb dieses Preises aber nicht in jedem Fall als unangemessen niedrig anzusehen ist. Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß 252 MünchKommAktG/Hüffer, 2001, § 255 Rn. 18, allerdings nicht speziell zur Börseneinführung von Tochtergesellschaften, sondern allgemein zur Ermittlung des Ausgabebetrages. 253 Schanz, Börseneinführung, 2007, § 7 Rn. 57 ff. (S. 236 f.); siehe auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 533; Killat, in: G. Volk, Going Public, 2000, S. 215, 226. 254 Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 212. 255 Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 533; Goette, in: FS BGH I, 2000, S. 123, 134; Lutter, AG 2001, 349, 352; wohl auch Habersack, WM 2001, 545, 549 mit Fn. 47; a. A. Erber, Börsengang, 2003, S. 172. 256 Jakob, IPO, 1998, S. 112, 125, 142. In diese Richtung tendierend wohl auch Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 281, wonach Phasen kurzfristiger Übertreibungen im Primärmarkt nicht zu einer unrealistisch hohen Preisfestsetzung zwingen sollen.

B. Preisermittlung und Erwerberauswahl bei der Börseneinführung

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„der Vorstand den bestmöglichen Ausgabekurs festlegen [muß], der sich ohne Gefährdung für eine nachhaltig positive Kursentwicklung erzielen läßt.“257 Auch darf und muß der Vorstand die weitere Kursentwicklung im Sekundärmarkt im Auge haben und dies nicht nur dann, wenn die Obergesellschaft einen Minderheits- oder sogar Mehrheitsanteil an der neu börsennotierten Gesellschaft hält, sondern auch bei einem vollständigen Verkauf, da eine schlechte Kursentwicklung der Aktie sich negativ auf das Ansehen der selbst börsennotierten Obergesellschaft auswirken kann. Orientiert sich die Höhe des Emissionskurses danach nicht an dem höchst möglichen Kurs, der bei der Börseneinführung zu erzielen ist, sondern weiterhin an den fundamentalen Unternehmensdaten und ist damit gegebenenfalls auch ein hohes Underpricing absehbar, kommt der Auswahl der Erwerber entscheidende Bedeutung zu. Denn diesen fließt bei einer Zeichnung der neuen Aktien die Emissionsrendite zu. 2. Gefahren für die Aktionäre der Obergesellschaft Die im Ersten Teil aufgeführten empirischen Untersuchungen für den deutschen, aber auch den US-amerikanischen Kapitalmarkt zeigen, daß die Ankündigung der Börseneinführung von Aktien der Tochtergesellschaft losgelöst von den üblichen Bewegungen des Kapitalmarktes zu Kursgewinnen der Aktien der Obergesellschaft führt. In Folge der Aktienplazierung vermindert sich regelmäßig der Kurs der Anteile an der Obergesellschaft, der die Kursgewinne aufgrund der Bekanntgabe des Börsengangs wieder relativiert. Zumindest eine Erklärung hierfür liegt in einem Underpricing der Aktien der Tochtergesellschaft, wobei die negativen Kursreaktionen in der Kapitalmarktforschung wohl letztlich nicht eindeutig geklärt sind.258 Dies führt zu der Frage, ob die regelmäßige Verminderung des Börsenwertes der Obergesellschaftsaktien ab dem Zeitpunkt der Börseneinführung der Tochtergesellschaft nicht zumindest durch eine Vereinnahmung der Zeichnungsrendite durch die Aktionäre der Obergesellschaft ausgeglichen werden kann. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wurde das Problem einer Vermögensverschiebung zwischen den Aktionären der Ober- und den Neuaktionären der Tochtergesellschaft schon früh behandelt.259 Im juristischen Schrifttum wird diese Vermögensverschiebung von den Aktionären 257

Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 534. Dazu oben S. 66 ff. 259 Pellens, Aktionärsschutz im Konzern, 1994, S. 258 ff., 293 ff., und ders., zfbf 45 (1993), 852, 857 f. und 864, 868 und 870; ähnlich Nick, Börseneinführung von Tochtergesellschaften, 1994, S. 233 ff. Dazu schon oben S. 65 ff. 258

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

der Obergesellschaft zu den Aktionären der Tochtergesellschaft erst in jüngerer Zeit diskutiert. Nach verschiedenen Stimmen im Schrifttum und der Regierungskommission Corporate Governance droht den Aktionären der Obergesellschaft eine nicht unerhebliche Wertverwässerung ihrer Anteile, wenn die Tochtergesellschaftanteile unter Wert ausgegeben werden.260 Im Schrifttum wird daher auch ein Schutzbedürfnis der Aktionäre der Obergesellschaft vor solchen Preisverwerfungen gesehen, was auch der Arbeitskreis „Finanzierung“ der Schmalenbach-Gesellschaft hervorhebt.261 Die Ausgestaltung des Aktionärsschutzes wird hingegen kontrovers diskutiert.

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft und Lösungsvorschläge des Schrifttums Bei der Plazierung von Aktien zur Börseneinführung werden diese an eine große Anzahl von Erwerbern veräußert, eine Preisverhandlung im üblichen Sinne erfolgt aber nicht. Vielmehr werden allenfalls deren unverbindliche Gebote aufgenommen und diese bei der Preisfestsetzung durch den veräußernden Emittenten und die emissionsbegleitende Bank genutzt.262 Die Preisfestsetzung gestaltet sich überdies anders als bei sonstigen Veräußerungsvorgängen, da Börsenkurse in besonderer Weise von psychologischen Momenten bestimmt sein können, was damit auch im Rahmen der Festsetzung des Emissionspreises zu berücksichtigen ist.263 Das Ziel einer positiven Kursentwicklung der Aktien und die Gefahr, daß ein zu hoher Emissionspreis im Sekundärmarkt nicht gehalten werden kann und daher geeignet ist, das Ansehen nicht nur der Tochter-, sondern auch der Obergesellschaft im Kapitalmarkt zu schädigen und die Chancen für weitere Emissionen zu schmälern, führen zu anderen, bei der Preisfestset260 Fleischer, Gutachten 64. DJT, 2002, S. 79 f.; Baums (Hrsg.), Regierungskommission Corporate Governance, 2001, Rn. 79–82 (S. 118 ff.) und Rn. 165 (S. 185 f.); Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 261; Becker/Fett, WM 2001, 549, 554 (liSp.); Lutter, AG 2000, 342, 344 (reSp.: Vermögensverwässerung geradezu vorgezeichnet), und AG 2001, 349, 351 (liSp.). So auch schon Martens, ZHR 147 (1983), 377, 412 f. Daneben verliert die Obergesellschaft und damit mittelbar ihre Aktionäre Einfluß auf die Tochtergesellschaft, worauf Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 261, zu Recht hinweist; allerdings lassen sich allein hieraus keine Rechte der Aktionäre herleiten; dazu näher oben S. 405 ff. 261 Arbeitskreis Finanzierung, zfbf 55 (2003), 515, 528 ff. 262 So auch Busch/Groß, AG 2000, 503, 504 Fn. 7 a. E. 263 So Escher-Weingart, AG 2000, 164, 167 (reSp.); siehe auch Busch/Groß, AG 2000, 503, 504 (liSp.) mit Fn. 7. Beispiele hierzu liefert Shleifer, Inefficient Markets, 2000, S. 16 ff.

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

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zung zu beachtenden Aspekten, die es rechtfertigen, die Aktien auch unterhalb des höchst möglichen Preises zu veräußern. Nicht die Preisfindung, sondern die Preisfestsetzung unterscheidet sich damit erheblich von der Veräußerung sonstiger Vermögensgegenstände und führt zu anderen Gefahren im Hinblick auf das Vermögen der Aktionäre, was das Underpricing deutlich zeigt.264

I. Ansätze im Schrifttum Diese teils erhebliche Differenz zwischen dem Emissionspreis und dem Börsenkurs am ersten Handelstag haben im juristischen Schrifttum zu verschiedenen Lösungsvorschlägen geführt, die nachfolgend vor dem Hintergrund der bisherigen Ergebnisse der Arbeit betrachtet werden sollen. Dabei lassen sich die verschiedenen Lösungsansätze im wesentlichen drei Modellen zuordnen, die als Mitwirkungs-, Aktienerwerbrechts- und als Haftungsmodell bezeichnet werden können.265 1. Das Mitwirkungsmodell a) Schutz durch Hauptversammlungsteilhabe Im Sinne der Holzmüller-Rechtsprechung wird von verschiedenen Stimmen gefordert, daß eine Börseneinführung von Aktien einer bedeutenden Tochtergesellschaft wegen der darin liegenden wesentlichen Strukturänderung der Hauptversammlungszustimmung der Obergesellschaft jedenfalls dann bedürfe, wenn die Tochtergesellschaft für den Gesamtkonzern eine wesentliche Bedeutung habe.266 Mittels einer Mitwirkung der Aktionäre der Obergesellschaft an der Entscheidung über eine Börseneinführung einer Tochtergesellschaft könnten die Aktionäre ihre Interessen selbst wahren, indem sie ihr Einverständnis zum Börsengang der Tochtergesellschaft etwa von der Einräumung eines Erwerbsrechts oder einer bestimmten Zuteilungsquote hinsichtlich der Tochtergesellschaftsaktien abhängig machen.

264

Dazu oben S. 512 ff. So die Einteilung von Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 262; siehe auch Erber, Börsengang, 2003, S. 14 ff.; 82 ff.; 132 ff. 266 So schon Baums/Vogel, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 9.35 (S. 268), Rn. 9.55 (S. 281 f.) und Rn. 9.57 (S. 283), siehe auch Lutter, AG 2001, 349, 351 (liSp.); Hirte, in: FS Peltzer, 2001, S. 195, 202; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1211 ff. 265

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

b) Schwächen des Mitwirkungsmodells Dieser in der Holzmüller-Entscheidung vorgegebene Lösungsweg greift aber zum einen in den meisten Fällen zu kurz, zum anderen überzeugt das Mittel nicht unbedingt.267 Die von der Gelatine-Entscheidung betonten quantitativen Wesentlichkeitsschwellen werden nur in Ausnahmefällen erreicht werden, auch wenn eine Kapitalerhöhung in einer Tochtergesellschaft oder die Veräußerung von Aktien aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft den qualitativen Anforderungen genügt, die das Urteil statuiert.268 Eine Kompetenz der Hauptversammlung der Obergesellschaft besteht daher nur in seltenen Fällen, so daß der Schutz hierüber regelmäßig nicht zu erreichen ist. Eine Ausdehnung der Hauptversammlungszuständigkeit überzeugt aber vor allem nicht. Eine zu enge Bindung des Vorstandes an die Zustimmung der Hauptversammlung verträgt sich nicht mit den Anforderungen einer global vernetzten Wirtschaftsordnung, wie der BGH in der Gelatine-Entscheidung zutreffend ausgeführt hat; eine im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehene Mitwirkung der Hauptversammlung bei Geschäftsführungsmaßnahmen des Vorstandes ist daher nur in engen Grenzen zuzulassen.269 Ein Absenken der Schwellenwerte würde die Hauptversammlung der Obergesellschaft mit Abstimmungspunkten überfrachten und entspricht auch nicht den Interessen der Aktionäre in der börsennotierten Publikums-AG, die von ihren Mitverwaltungsrechten nur in beschränktem Umfang Gebrauch machen.270 Als durchgängiges Instrumentarium des Vermögensschutzes kommt daher nur ein Recht der Aktionäre in Betracht, das unabhängig von einem Beschluß der Hauptversammlung ausgeübt werden kann. 2. Das Aktienerwerbrechtsmodell Im Mittelpunkt der juristischen Diskussion steht das von Lutter zum Schutz der Aktionäre geforderte unmittelbare Bezugs- oder Vorerwerbsrecht.271 Daneben bestehen neben dem Ansatz eines Zuteilungsprivilegs der Aktionäre verschiedene weitere Vorschläge, die sich in Herleitung und Ausformung insbesondere im Hinblick auf die Frage der Beteiligung der Aktionäre im Rahmen der Hauptversammlung und die Erstreckung eines solchen 267

BGH v. 25.2.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122, 143 f. Dazu näher oben S. 382 ff. 269 Siehe dazu BGH v. 26.4.2004 – II ZR 155/02, BGHZ 159, 30, 44 und öfter. 270 Dazu S. 129 ff. 271 Lutter, AG 2001, 349, 350 ff., und ders., AG 2000, 342, 343 ff.; so auch schon in Ansätzen Bruchner/Pospischil, in: HdB Konzernfinanzierung, 1998, Rn. 11.25 (S. 314). Zur schon früher diskutierten Vorschlägen des wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum oben S. 61 ff. und S. 476. 268

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

535

Rechts auf neue Aktien oder auch solche aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft unterscheiden.272 a) Schutz der Aktionäre durch Bezugsrecht und Erwerbsrecht Nach dem Ansatz von Lutter sind die Aktionäre der Obergesellschaft vor einer Verwässerung ihres Beteiligungsvermögens durch einen zu niedrigen Ausgabekurs der Aktien zu schützen, was durch ein Recht auf Bezug der Aktien der Tochtergesellschaft ähnlich dem Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG zu erreichen sei. In Holzmüller-Sachverhalten beständen neben einer Hauptversammlungskompetenz abhängig von der Herkunft der Aktien ein konzerndimensional erweitertes Bezugsrecht im Falle einer Kapitalerhöhung und ein Erwerbsrecht nach den Regeln des Bezugsrechts, wenn die Aktien aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft veräußert würden.273 Angesichts der diskutierten Schwellenwerte für eine Hauptversammlungsbefassung will Lutter den Schutz der Aktionäre auch außerhalb der Gesellschafterversammlung sicherstellen.274 Werde die Holzmüller-Schwelle nicht erreicht, sei die Verwaltung „verpflichtet, in Anlehnung an § 186 AktG und unter Berücksichtigung der dazu entwickelten Regeln und Aussagen den eigenen Aktionären ein Vorrecht einzuräumen.“275 Für diesen Bereich sei das Vorerwerbsrecht aus der Treupflicht der AG und ihrer Organe gegenüber den Aktionären abzuleiten und folge damit ebenfalls aus der Mitgliedschaft.276 Lutter spricht unabhängig davon, ob die Aktien durch eine Kapitalerhöhung der Tochtergesellschaft geschaffen oder aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft veräußert werden, „von einem Recht der Aktionäre der Obergesellschaft, nicht nur von ihrer Pflicht dazu in ihrem Organ Hauptversammlung“, und argumentiert mit dem Rechtsgedanken des § 186 AktG, wonach das Bezugsrecht der Obergesellschaft auf Aktien dann auf die Aktionäre übergehe, wenn die Obergesellschaft dieses nicht selbst ausübe.277 Dabei gelte für die Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft das gleiche 272 Becker/Fett, WM 2001, 549, 555 f.; aus dem Dissertationsschrifttum Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 235 ff.; Kiefner, Börsengang, 2005, S. 288 ff.; Nottmeier, Börsengang, 2007, S. 158 ff. 273 Lutter, AG 2001, 349, 350 f., und ders., AG 2000, 342, 343 (reSp.) und 344 (liSp.). 274 Lutter, AG 2001, 349, 351 (liSp.); ähnlich wohl Hirte, in: FS Peltzer, 2001, S. 195, 202. 275 Lutter, AG 2001, 349, 351 (reSp., Hervorheb. i. Orig.). 276 Lutter, AG 2001, 349, 351 und 353 (reSp.) sowie AG 2000, 342, 343 f.; nicht eindeutig ders., AG 2000, 342, 345 (liSp., Hervorheb. i. Orig.): „Vor-Erwerbsrecht der Aktionäre aus Bezugsrecht, Mitgliedschaft und Treupflicht der Gesellschaft und ihrer Organe“. 277 Lutter, AG 2001, 349, 350 (reSp.).

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

wie für die Veräußerung von Aktien aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft.278 Bei dem unterhalb der vom BGH im Holzmüller-Urteil aufgestellten Schwellen eingreifenden Erwerbsrecht handele es sich um ein eigenständig zu lösendes Rechtsproblem, in dessen Mittelpunkt der Schutz des Beteiligungsvermögens der Aktionäre stehe.279 Weitere Stimmen im Schrifttum befürworten bei solchen Vorgängen eine Entscheidungsteilhabe der Aktionäre der Obergesellschaft sowie ein auf eine Analogie zu § 186 AktG gestütztes „Bezugsrecht“, sofern Dritte maßgeblichen Einfluß in der Tochtergesellschaft erlangen.280 b) Weitere Ansätze im Schrifttum aa) Weitere Ansätze zum Schutz durch ein Erwerbsrecht Im Dissertationsschrifttum wird verschiedentlich befürwortet, den Aktionären ein Vorerwerbsrecht einzuräumen, wobei dies unter anderem auf Treubindungen gestützt wird.281 Teilweise wird ein solches Recht eingeschränkt auf neue Aktien aus einer Kapitalerhöhung in der Tochtergesellschaft, wobei dies mittels einer partiellen Einheitsbetrachtung des Konzernverbands in Fragen der Vermögenszuordnung aus einer Analogie zu §§ 221 Abs. 4 Var. 3 iVm. 186 Abs. 1 AktG herzuleiten sei.282 Daneben wird angeführt, daß bei der Veräußerung von Aktien aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft ein Recht der Aktionäre abzulehnen sei, da eine solche Desinvestitionsmaßnahme denselben Regeln wie sonstige Austauschgeschäfte unterliege, so daß im Vergleich zu Maßnahmen der Eigenkapitalaußenfinanzierung geringere Schutzmechanismen eingreifen sollen.283 bb) Zuteilungsprivileg der Aktionäre der Obergesellschaft Becker und Fett haben als einheitliche Lösung für die Veräußerung von Aktien aus einer Kapitalerhöhung der Tochtergesellschaft und aus dem Anteilsbesitz der Obergesellschaft im Rahmen eines Börsengangs ein Zutei278

Lutter, AG 2001, 349, 350 (reSp.). Lutter, AG 2001, 349, 351 (liSp.) mit Fn. 17; dazu schon Vierter Teil bei Fn. 343. 280 Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212; siehe auch Kiefner, Börsengang, 2005, S. 288 ff. 281 So etwa Ziegler, Börsengang, 2005, S. 225 ff.; Nottmeier, Börsengang, 2007, S. 182 ff. 282 Dazu Kiefner, Börsengang, 2005, S. 305 ff. (zu Aktien aus der Kapitalerhöhung). 283 Kiefner, Börsengang, 2005, S. 452 ff. 279

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

537

lungsprivileg als Schutzinstrumentarium vorgeschlagen.284 Ausgangspunkt ist dabei die Gefahr einer Vermögensverwässerung, wobei mittelbar auch die Herrschaftsrechte der Aktionäre der Obergesellschaft beeinträchtigt seien, da deren mittelbar über den Vorstand ausgeübter Einfluß auf die Tochtergesellschaft abnehme.285 Danach haben die Aktionäre der Obergesellschaft die Möglichkeit, nach Festlegung des Emissionspreises pro rata Aktien der Tochtergesellschaft bevorrechtigt zu zeichnen und können damit an dem aus dem Underpricing folgenden Vermögensvorteil teilhaben.286 Infolge der Reduzierung des grundsätzlich bestehenden Ermessens des Vorstandes der Obergesellschaft, die Aktien nach eigener Vorstellung zu verteilen, hätten die Aktionäre Anspruch, an der Zeichnung beteiligt zu werden. Dieses Zuteilungsprivileg sei aus der Treupflicht der Gesellschaft gegenüber ihren Aktionären und der Pflicht des Vorstandes herzuleiten, sich eines Eingriffs in die Mitgliedschaft der Aktionäre zu enthalten.287 Der Vorstand der Obergesellschaft habe dafür Sorge zu tragen, daß den Aktionären die gewünschten Anteile vom Emissionskonsortium zugeteilt würden, so daß nur dieser verpflichtet sei und daher die Rechtsträgergrenzen gewahrt würden.288 Im Unterschied zu dem Vorerwerbsrecht der Aktionäre sei diese Rechtsposition allerdings nicht übertragbar, um so die Interessen von Gesellschaft und Aktionären zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen.289 Ein weiterer Ansatz stützt sich auf eine Analogie zu § 255 Abs. 2 S. 1 AktG, da diese Vorschrift eine Ausprägung der Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären sei. Den Aktionären der Obergesellschaft sei ein Zuteilungsprivileg einzuräumen. Allerdings bestünde keine Ermessensreduzierung des Vorstandes bei der Aktienzuteilung auf Null; vielmehr habe dieser sein Ermessen auszuüben und dabei weitere Gesichtspunkte zu berücksichtigen.290 c) Kritik am Aktienerwerbrechtsmodell Die von Lutter vorgeschlagene Lösung ist auf breite Kritik gestoßen, die vielschichtig ist, sich vor allem aber gegen die rechtskonstruktive Herlei284 Becker/Fett, WM 2001, 549, 549 ff., 555 f., die jede Hauptversammlungsbeteiligung nach der Konzernbildung ablehnen. 285 Becker/Fett, WM 2001, 549, 553 (reSp.). 286 Becker/Fett, WM 2001, 549, 555 f. 287 Becker/Fett, WM 2001, 549, 556 (liSp.). 288 Becker/Fett, WM 2001, 549, 556. 289 Becker/Fett, WM 2001, 549, 556 (liSp.). 290 Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 235 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

tung des Vorerwerbsrechts richtet.291 So wird schon eine spezifische Gefährdung der Aktionärsinteressen, die besondere Regeln für den Börsengang von Tochtergesellschaften erfordern, verneint.292 Weitere Kritik erfahren die Ausführungen von Lutter aufgrund der rechtspraktischen Probleme des von ihm vorgeschlagenen Schutzinstruments.293 aa) „Holzmüller“ und Bezugsrecht Festzuhalten und wohl unstreitig ist, daß der BGH in der Holzmüller-Entscheidung ein solches Bezugsrecht nicht statuiert hat; vielmehr können danach die Aktionäre darüber befinden, müssen also beschließen.294 Die Entscheidung stützt auch nicht die Lehre einer konzernspezifischen Binnenordnung, so daß hieraus kein konzerndimensionales Bezugsrecht zu folgern ist, das im übrigen auch aufgrund der in Ersten Teil dargestellten Kritikpunkte an diesem Ansatz abzulehnen wäre.295 291 Hüffer, AktG, 2008, § 186 Rn. 5a; Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 66 ff. (S. 107 ff.); Herfs, aaO, § 4 Rn. 30 (S. 140 f.); Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-KonzernR, 2007, Vor § 311 Rn. 44, und ders., WM 2001, 545, 547 ff.; Kraft/Krieger, in: MünchHdB GesR/AG, 2007, § 56 Rn. 115; Schanz, Börseneinführung, 2007, § 10 Rn. 11 (S. 553 f.); Verse, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. 2, 2007, 13. Kap. Rn. 26 Fn. 126 (S. 600); Ekkenga, in: HdB VorstandsR, 2006, § 21 Rn. 97 (S. 820 f.); Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 44 ff. (S. 263 ff.); Schwark/Heidelbach, KMRK, 2004, § 37 BörsG Rn. 26; Koppensteiner, in: KK-AktG, 2004, Vorb. § 291 Rn. 97; Reichert, in: BeckHdB/AG, 2004, § 5 Rn. 55 (S. 379); Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 211, 238; Groß, in: BuB, 2003, Rn. 10/298b (S. 10/179 f.); Wackerbarth, AG 2002, 14, 20 f.; Kort, AG 2002, 369, 370 ff.; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 541 ff.; Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212 ff.; Semler/Volhard/Schlitt, HdB Unternehmensübernahmen, 2001, Bd. 1, § 23 Rn. 142 f. (S. 1129); Trapp/Schick, AG 2001, 381, 388 ff.; Busch/Groß, AG 2000, 503, 505 ff. Aus dem Dissertationsschrifttum i. E. zustimmend Nottmeier, Börsengang, 2007, S. 158 ff.; Ziegler, Börsengang, 2005, S. 223 ff.; Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 225 ff.; Erber, Börsengang, 2003, S. 82 ff.; a. A. Heidkamp, Börsengang, 2003, S. 137 ff.; Liebert, Bezugsrechtsausschluß, 2003, S. 41 ff. Differenzierend bzw. mit Einschränkungen auch Kiefner, Börsengang, 2005, S. 232 ff.; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 271 ff.; Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 214; siehe auch ders., in: FS Peltzer, 2001, S. 195, 202. Zweifelnd MünchKommAktG/Bungeroth, 2008, Vor § 53a Rn. 30. 292 Habersack, WM 2001, 545, 547 (liSp.); Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 545 f.; Busch/Groß, AG 2000, 503, 507. 293 Busch/Groß, AG 2000, 503, 509 f.; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 547; Trapp/Schick, AG 2001, 381, 388 f. 294 Dazu oben S. 441 ff. Im hier vorliegenden Zusammenhang so Kort, AG 2002, 369, 371 f.; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 543; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 272; Habersack, WM 2001, 545, 546 (reSp.); Lutter, AG 2001, 349, 350 (reSp.); Trapp/Schick, AG 2001, 381, 388 (liSp.); Busch/Groß, AG 2000, 503, 506; so auch schon Martens, ZHR 147 (1983), 377, 410 f.

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

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bb) Kritik an der rechtsdogmatischen Herleitung eines Vorerwerbsrechtes Daneben richtet sich die Kritik zum einen gegen die Herleitung aus der Treupflicht der AG und ihrer Organe, da letztere gegenüber den Aktionären nicht gegeben bzw. nicht ohne weiteres anzuerkennen sei.296 Ebenso wird Lutter entgegengehalten, daß das Bezugsrecht ein mitgliedschaftsbezogenes Recht sei und deshalb nur den Gesellschaftern, also nur der Obergesellschaft zustehe, nicht aber den dahinterstehenden Aktionären;297 eine Durchgriffsberechtigung käme nicht in Betracht.298 Der Ausgestaltung der Mitgliedschaft des Aktionärs durch das AktG lasse sich nichts für die Annahme eines Vorerwerbsrechts entnehmen.299 Mittels eines Rückgriffs auf die mitgliedschaftliche Treupflicht dürften nicht die Vorgaben des AktG, des UmwG und der Holzmüller-Entscheidung in ihr Gegenteil verkehrt und dem Aktionär ein Vorerwerbsrecht sowie bei dessen Verletzung eine Schadensersatzpflicht der Gesellschaft eingeräumt werden.300 Auch eine Analogie zu § 186 AktG stütze ein solches Ergebnis mangels Vergleichbarkeit der Sachverhalte nicht, da diese Vorschrift sich auf das gesamte Gesellschaftsvermögen beziehe, aber keine Durchgriffsquote auf ein einzelnes Aktivum gewähre.301 Eine Weiterleitung scheitere daran, daß dies den Ausschluß des Bezugsrechts der Obergesellschaft voraussetze und folglich nichts weitergeleitet werden könne.302 Die Aktienzuteilung stehe im Ermessen des Vorstandes, der sich lediglich nach Teilen des Schrifttums und dabei nur im Ausnahmefall zu einer Zuteilungspflicht verdichten 295

Dazu S. 42 ff. So etwa Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 544 f.; Habersack, WM 2001, 545, 548 (reSp.). 297 Kort, AG 2002, 369, 370 f.; Heidkamp, Börsengang, 2003, S. 147; Trapp/ Schick, AG 2001, 381, 384 (liSp.); je unter Bezugnahme auf Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 61. 298 Hirte, in: GroßKommAktG, 2001, § 202 Rn. 210; Liebert, Bezugsrechtsausschluß, 2003, S. 45. 299 Habersack, WM 2001, 545, 548 (liSp.). 300 Habersack, WM 2001, 545, 549 (liSp.); ähnlich Schanz, Börseneinführung, 2007, § 7 Rn. 11 (S. 553 f.). 301 Zu erstem Kort, AG 2002, 369, 372 (liSp.); Trapp/Schick, AG 2001, 381, 390 (liSp.); Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 273; Habersack, WM 2001, 545, 546; Becker/Fett, WM 2001, 539, 555; Busch/Groß, AG 2000, 503, 508 (liSp.), die auch schon das Bestehen einer planwidrigen Regelungslücke verneinen; dagegen Lüders/Wulff, BB 2001, 1209, 1212 (reSp.). Zu letztem Wunderlich, Börsengang, 2004, S. 148; Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 543; Fuchs, aaO; Liebert, Bezugsrechtsausschluß, 2003, S. 45; je im Anschluß an Wiedemann, in: GroßKommAktG, 1995, § 186 Rn. 67. 302 Becker/Fett, WM 2001, 549, 554 (reSp.). 296

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

könne.303 Ein Vorerwerbsrecht lasse sich zudem mit den Vorschriften zur Kapitalerhaltung, insbesondere mit § 57 AktG nicht vereinbaren.304 Überdies bestehe die Gefahr, daß Vermögensgegenstände unter Wert verkauft würden, generell und nicht nur bei Beteiligungsverkäufen, so daß bei einer Annahme eines Vorerwerbsrechts dieses dann nicht auf den Börsengang beschränkt werden dürfe. Die Schranke für unsachgemäße Vermögensveräußerungen werde aber durch die Schadensersatzpflicht gemäß § 93 AktG gesetzt.305 cc) Ausreichender Schutz durch Verbesserung des Preisfindungsverfahrens Fleischer hält es für ausreichend, das Preisfindungsverfahren zu verbessern, um so die Aktionäre zu schützen. Mittels einer Erweiterung der Bookbuilding-Spanne oder eines modifizierten Auktionsverfahrens, das Vorteile des Bookbuilding- und des Auktionsverfahrens miteinander verbinde, könnten die Aktionäre marktkonform geschützt werden. Solange durch eine solche Anpassung kein breitflächiges Schutzuntermaß zu Lasten der Aktionäre der Obergesellschaft bestünde, sei diesem kapitalmarktlichen Ansatz gegenüber einem auf Erwerbsrechten aufbauenden Schutzmodell der Vorzug zu geben.306 Dem Ansatz ist zuzustimmen, sofern der Aktionärsschutz ohne Überfrachtung mitgliedschaftlicher Institute marktkonform erreicht werden kann. Allerdings wird das Underpricing beim Bookbuilding-Verfahren wohl nicht vollständig ausgeräumt werden können, wofür schon die Präsenz dieses Phänomens spricht, und ein modifiziertes Auktionsverfahren erscheint mangels Möglichkeit der Erwerberauswahl nicht geeignet, eine optimale Kursentwicklung im Sekundärmarkt zu erreichen. Vor allem besteht nicht nur ein Problem bei der Bestimmung des richtigen Preises, sondern aufgrund des notwendigen Abschlags auf den ermittelten Emissionskurs auch bei der Frage, wer die Aktien erhalten soll. Habersack weist dabei zu Recht darauf hin, daß die Frage der Zuteilung der Aktien sich nicht in einem rechtsfreien Raum bewegen,307 also nicht in das freie Ermessen des Vorstandes gestellt werden dürfe. 303

Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 277. Becker/Fett, WM 2001, 549, 556 (reSp.); Trapp/Schick, AG 2001, 381, 390 (liSp.). 305 Busch/Groß, AG 2000, 503, 507 (reSp.); Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 545 f.; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 279; Habersack, WM 2001, 545, 547 und 549 (je liSp.); Trapp/Schick, AG 2001, 381, 390 f. 306 Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 536 f. und 548. 307 Habersack, WM 2001, 545, 549 (reSp.). 304

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

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dd) Rechtspraktische Anwendungsschwierigkeiten Die kritischen Stimmen im Schrifttum halten dem von Lutter vorgeschlagenen Erwerbsrecht teilweise auch praktische Aspekte entgegen.308 Neben Schwierigkeiten der Einbeziehung eines solchen Rechts in den Handel ähnlich dem Bezugsrechtshandel und der Identifizierung der Aktionäre der Obergesellschaft wird vor allem das mit einem solchen Recht gesteigerte Plazierungsrisiko angeführt.309 Zum einen sei durch ein Erwerbsrecht der Aktionäre eine Stellung der Kurse im sog. vorbörslichen Graumarkt erschwert.310 Trotz einer Preisfindung, die aufgrund sehr geringer Volumina nur selten das tatsächliche Nachfrageverhalten der Anleger reflektiere, präge die Graumarktentwicklung aufgrund der Öffentlichkeit der dort gebotenen Preise bis zu einem bestimmten Grad die spätere Investitionsentscheidung vor allem von Privatanlegern. Dieser Preis könne verzerrt werden, wenn die Aktionäre der Obergesellschaft die Möglichkeit hätten, gezeichnete Aktien im Graumarkt zu verkaufen.311 Zudem würden zumindest große Emissionen voraussetzen, daß ein Großteil der Emissionen frei plaziert werde, da ansonsten kein ausreichendes Interesse institutioneller Anleger bestünde.312 Außerdem sei unklar, ob in mehrstufigen Unternehmensverbindungen das Vorerwerbsrecht nur den Aktionären der Tochtergesellschaften oder auch den Aktionären der Obergesellschaft zustehe.313 ee) Kritik am Zuteilungsprivileg Gegen das Zuteilungsprivileg wird angeführt, daß dieses Zuteilungsprivileg der Aktionäre der Obergesellschaft starr sei, da das Ermessen des Vorstandes nach dem Ansatz von Becker und Fett auf Null reduziert sei, und 308

So vornehmlich Busch/Groß, AG 2000, 503, 509 f. Zu diesen Punkten Busch/Groß, AG 2000, 503, 509 f.; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 275 f. 310 Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 276; Busch/Groß, AG 2000, 503, 509 (reSp.). Der vorbörsliche Graumarkt ist Teil des sog. grauen Kapitalmarkts, der weniger streng staatlich reguliert und überwacht wird. Zur Abgrenzung des sog. grauen Kapitalmarktes zu den organisierten Märkten knapp Brunski, in: BankRHdB, 2007, Vor § 104 Rn. 8 f.; Schwark/Schwark, KMRK, 2004, WpHG Einl Rn. 13. Siehe aber auch zur Ausdehnung der Prospektpflicht auf den Grauen Kapitalmarkt nach § 82 f. VerkaufsprospektG durch das Anlegerschutzverbesserungsgesetz v. 28.10.2004, BGBl. I S. 2630, Spindler, NJW 2004, 3449, 3454 f. 311 So Busch/Groß, AG 2000, 503, 509 (reSp.). 312 So Busch/Groß, AG 2000, 503, 509 (reSp.). 313 Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 276. 309

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

sich im praktischen Ergebnis nicht von dem Ansatz von Lutter unterscheide, so daß es ebenfalls abzulehnen sei.314 3. Schutz der Aktionäre nur als Anleger – Das Haftungsmodell Die ein Erwerbsrecht der Aktionäre ablehnenden Stimmen halten den Schutz der Aktionäre mittels Haftung der Verwaltung gegenüber der Gesellschaft nach §§ 93, 116 AktG für ausreichend.315 Wie auch in sonstigen Fällen der Verschleuderung von Aktionärsvermögen seien die Aktionäre der Obergesellschaft bei einer Verletzung der Sorgfaltspflichten durch den Vorstand im Rahmen der Bestimmung des angemessenen Ausgabepreises durch die allgemeinen Haftungsregeln zu schützen.316 Dem naheliegenden Einwand, daß eine Haftung vornehmlich einen repressiven Schutz vermittelt, läßt sich entgegengehalten, daß jede Haftung wegen des damit verbundenen Drohpotentials auch Präventivwirkung entfaltet und das Management diszipliniert.317 Es bedarf daher der Einordnung in die im Zweiten Teil gefundenen Ergebnisse. Die bisherigen verfahrensrechtlichen Probleme im Zusammenhang mit Haftungsansprüchen, die aufgrund der wenig effektiven Durchsetzung in der Praxis den materiellen Anspruch entwerten, da der Aufsichtsrat nur als ultima ratio zum Mittel der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen greifen wird, zumal er sich hierdurch selber der Frage der Pflichtwidrigkeit im Hinblick auf seine Überwachungsfunktion und damit gegebenenfalls selbst der Haftung aussetzen würde,318 wurden im Schrifttum ausführlich diskutiert und werden durch die Regelungen des UMAG zumindest entschärft.319 Hierdurch wird die durch die bisherige Fassung des § 147 AktG zu eng gefaßte Möglichkeit der Aktionäre, Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand bzw. den Aufsichtsrat geltend zu machen, erweitert und damit die Präventivfunktion der Haftungsregeln verbessert. Für den hier untersuchten Bereich ist das Haftungsmodell aber kein geeig314

Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 276 f. So Busch/Groß, AG 2000, 503, 507 (reSp.); dazu auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 546. Aus dem Dissertationsschrifttum etwa Heidkamp, Börsengang, 2003, S. 169 ff. 316 Busch/Groß, AG 2000, 503, 507 (reSp.); Habersack, WM 2001, 545, 549 (liSp.); siehe auch Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 546 f. 317 van Aaken, RabelsZ 2004, 288, 290; siehe hierzu auch im Hinblick auf die durch das UMAG eingeführten und geänderten Organhaftungsregelungen K. Schmidt, NZG 2005, 796, 801 (reSp.), sowie Fleischer, in: HdB VorstandsR, 2006, § 11 Rn. 4 (S. 330). 318 So MünchKommAktG/Spindler, 2008, § 93 Rn. 2. 319 Dazu oben S. 119 ff. und 217 ff. 315

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

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netes Mittel, um die Aktionäre vor einem Schutz der Verwässerung ihres Beteiligungsvermögens zu bewahren, da weder die Präventivfunktion erreicht noch dem Kompensationsgedanke nachgekommen wird. Eine Haftung der Verwaltungsmitglieder setzt in jedem Fall voraus, daß sie gegen eine Sorgfaltspflicht verstoßen und hierbei schuldhaft handeln oder den entsprechenden Entlastungsbeweis nicht erfolgreich führen können, wie aus § 93 Abs. 2 S. 2 AktG folgt; hieran hat sich durch das UMAG nichts geändert.320 Die Pflichten des Vorstandes bei der Bemessung des Emissionspreises sind wenig geklärt. Schon die Frage, welche Aspekte von dem Vorstand bei der Bemessung des Emissionspreises zu berücksichtigen sind, lassen sich nicht eindeutig beantworten. Sofern dieser Bereich überhaupt thematisiert wird, billigen die oben angeführten Stimmen im Schrifttum dem Vorstand regelmäßig ein weites Ermessen bei der Preisfestsetzung zu.321 Eine zu niedrige Bemessung des Emissionspreises stellt also keinesfalls von vornherein eine Sorgfaltspflichtverletzung dar, da klarere Vorgaben wie etwa in den Fällen des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG nicht bestehen. Ein Bewertungsmaßstab für die Preisfestsetzung wie im letztgenannten Fall, bei dem auf den Börsenpreis abzustellen ist, besteht ebenfalls nicht, so daß es sich um eine kaum justiziable unternehmerische Entscheidung des Vorstands handelt. Als Maßstab einer erfolgreichen Emission und richtigen Preisfestsetzung kann nicht auf die Kursentwicklung kurz nach Handelsaufnahme und die Höhe des Underpricing abgestellt werden. Insbesondere in Phasen der Börsen-Hausse, die mit einer verstärkten Aktienplazierung einhergehen, ist das Underpricing typischerweise höher, da sich die Kursbildung von den Fundamentaldaten ablöst. Denn Ziel ist zugleich auch eine positive Kursentwicklung im Sekundärmarkt, so daß der Vorstand bei der Festlegung des Emissionspreises auch diese weitere Entwicklung im Auge haben muß und auch hierdurch der Sorgfaltsmaßstab seines Handelns geprägt wird. Bezieht man in der Konsequenz diese Kursentwicklungen in irgendeiner Form als Maßstab für die Bestimmung der Sorgfaltspflicht ein, erscheint es bei den allgemeinen Schwankungen der Börsenkurse und der weiteren Unternehmensentwicklung als kaum ermittelbar, wann der Emissionspreis insoweit nicht als angemessen angesehen werden kann, als der Vorstand seinen Sorgfaltspflichten bei dessen Festsetzung nicht genügt. Die Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung zeigen überdies, daß zumindest ein sich in gewissem Rahmen haltendes Underpricing die Marktpraxis darstellt, so daß auch die im Schrifttum bisweilen angestellten Vergleiche mit sonstigen Ver320 Hierzu Begr RegE UMAG zu § 93 Abs. 1 S. 2 und 3 AktG, BT-Drs. 15/ 5092, S. 11. 321 Dazu oben S. 484, 529 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

äußerungsvorgängen nicht weiterführend sind.322 Keinesfalls stellt daher ein Underpricing an sich eine Verletzung der Sorgfalt bei der Festsetzung des Emissionspreises dar, so daß es trotz der Beachtung der erforderlichen Sorgfalt durch die Vorstände zu Vermögensverschiebungen aufgrund eines Underpricing kommen kann. Zumindest in diesen Fällen besteht bei einem auf Haftung aufbauenden Schutzmodell eine Schutzlücke. Um nicht den Vorständen eine Haftung aufgrund eines unkalkulierbaren Risiko aufzubürden, muß der Sorgfaltsmaßstab bei der Festlegung des Emissionspreises entsprechend dem unternehmerischen Ermessen hierbei vergleichsweise großzügig sein, ist dann allerdings nicht tauglich im Hinblick auf einen präventiven Schutz der Aktionäre. Überdies schlägt der Kompensationsgedanke bei Börseneinführungen von Tochtergesellschaften regelmäßig fehl.323 Die erreichten Größenordnungen der Emissionsvolumina sind so erheblich, daß eine vollständige Kompensation aufgrund einer Ersatzleistung kaum erreicht werden kann.324 Das Haftungsmodell ist also ungeeignet, um den Schutz der Aktionäre der Obergesellschaft beim Börsengang von Tochtergesellschaften zu besorgen.

II. Das Erwerbsrecht als Schutz der Aktionäre beim Börsengang Auf der Grundlage der im Ersten Teil dargestellten Auswirkungen einer Börseneinführung von Aktien der Tochtergesellschaft auf den Börsenkurs der Anteile der Aktionäre der Obergesellschaft und der Ergebnisse des Vierten Teils ist die Kritik an dem von Lutter vertretenen Schutzansatz näher zu betrachten. 1. Aktienrechtliche Begründbarkeit Aufgrund der geäußerten Kritik an der rechtsdogmatischen Herleitung ist nochmals auf die Ergebnisse des Vierten Teils zu einem Erwerbsrecht der Aktionäre speziell vor dem Hintergrund der Börseneinführung der Tochtergesellschaftsaktien einzugehen. Ein Vorerwerbsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft beim Börsengang der Tochtergesellschaft fügt sich in den aktiengesetzlichen Schutz des vermögensmäßigen Beteiligungswertes der Aktionäre in der unverbundenen AG wie auch in der Unternehmensgruppe ein. 322

So im Ergebnis auch Ziegler, Börsengang, 2005, S. 221 ff. Diese Kompensationsmöglichkeit bejaht aber Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 283. 324 Hierzu mit Beispiel Lutter, AG 2001, 349, 352 (liSp.). 323

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

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Bei der Börseneinführung von Tochtergesellschaftsanteilen, die nur eine besondere Form des im Vierten Teils dargestellten Erwerbs fremden Vermögens ist, besteht die im Vierten Teil aufgefächerte Gefahr, daß der Vorstand in die Aktionärsstruktur eingreift, die Aktien unter Wert veräußert werden und dadurch das Beteiligungsvermögen der Aktionäre der Obergesellschaft verwässert wird. Insoweit entspricht dies der Gefahrenlage, die dem aktienrechtlichen Erwerbsrecht zugrunde liegt, das in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 und 186 Abs. 1 S. 1 AktG zum Ausdruck kommt. Zuzugeben ist den ablehnenden Stimmen, daß durch die Börseneinführung der Tochtergesellschaftsaktien wie im Fall der sonstigen im Vierten Teil untersuchten Veräußerungsformen keine aktienrechtlich relevante Verwässerung der Einflußrechte der Obergesellschaftsaktionäre droht,325 die im Rahmen der Kapitalerhöhung gegen Einlagen auch Grundlage der Begründung des Bezugsrechtes nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG ist. Trotz der planwidrigen Regelungslücke in § 186 AktG, die der Gesetzgeber erkannt, aber nicht geregelt hat, weil er diese nicht regeln wollte,326 kann daher ein Vorerwerbsrecht nicht auf eine Analogie zu § 186 Abs. 1 S. 1 AktG gestützt werden. § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 AktG bezieht sich nur auf die Wiederveräußerung bereits bestehender Aktien, so daß allein diese Vorschrift ebenfalls nicht zur Begründung eines Erwerbsrechtes genügt, das sich auf alte wie neue Aktien der Tochtergesellschaft bezieht. Abzustellen ist also auf die den §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3, 5 und 186 Abs. 1 S. 1 AktG zugrundeliegenden Wertungen und damit das allgemeine aktienrechtliche Erwerbsrecht. Der Mitgliedschaft des Aktionärs läßt sich das Recht entnehmen, bei Ausgabe oder Wiederveräußerung eigener Aktien ein Erwerbsrecht auf Bezug der Aktien pro rata zu haben. Da Treubindungen im Verhältnis zwischen der AG und ihren Aktionären auch rechtsbegründende Wirkung haben können, so daß diese den Aktionären eigene Ansprüche gegen die AG vermitteln, kann der Anspruch auf Zuteilung der Aktien aus der Treupflicht der AG gegenüber ihren Aktionären hergeleitet werden. Die Treubindungen gegenüber ihren Aktionären verpflichten die AG, nicht in die Mitgliedschaft der Aktionäre und damit auch nicht in den Wert ihres Anteilsvermögens einzugreifen. Sie gebietet daher der AG auch bei der Ausgabe oder Veräußerung von Tochtergesellschaftsaktien, die Interessen ihrer Aktionäre hinreichend zu berücksichtigen und diese vor einer Beeinträchtigung ihres Anteilsvermögens zu bewahren, wie im Vierten Teil ermittelt wurde. Dies kann abhängig von den Umständen des Einzelfalls die Pflicht der Obergesellschaft und das Recht ihrer Aktionäre begründen, Aktien der Tochter325 Das wird auch von Lutter nicht behauptet; siehe dens., AG 2001, 349, 351 (liSp.). 326 Dazu näher oben S. 451 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

gesellschaft an ihre Aktionäre weiterzuleiten und dies sowohl bei Aktien, die sie in ihrem Anteilsbesitz hält, als auch bei solchen, die durch eine Kapitalerhöhung der Tochtergesellschaft geschaffen werden. In einem solchen Fall ist das Ermessen des Vorstandes bei der Auswahl des Erwerbers der Aktien der Tochtergesellschaft insoweit reduziert, als er diese zuerst den Aktionären der Obergesellschaft anbieten muß.327 Dem steht auch nicht entgegen, daß das Recht auf Zuteilung beim Börsengang der Tochtergesellschaft nur dem Vermögensschutz, nicht aber dem Einflußerhalt dient. Wie die Ausführungen zum Erwerbsrecht im Dritten und Vierten Teil gezeigt haben, greift dieses auch zugunsten der Kleinaktionäre ein, um deren Vermögensposition zu schützen.328 Entsprechendes gilt dann auch hier, da das Vorerwerbsrecht dem Vermögensschutz aller Aktionäre der Obergesellschaft dient. Ein Recht auf bevorzugte Zuteilung ist dabei auch nicht per se als verdeckte Gewinnausschüttung iSd. § 57 AktG zu sehen, da ein solches Recht aus der Mitgliedschaft der Aktionäre abzuleiten ist und zu einer bevorzugten Zuteilung der Aktien zu einem Preis führt, wie er im Hinblick auf alle Erwerbsinteressenten festgelegt wurde.329 Daß der normtypische Publikumsaktionär sein Investment nicht dauerhaft hält, sondern regelmäßig sein Portfolio umschichtet und daher nur eine begrenzte Bindung zu der AG aufweist, läßt sich der Annahme eines solchen Rechts nicht entgegenhalten.330 Denn dies entspricht dem Anlageverhalten des normtypischen Publikumsaktionärs.331 Vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber zu einer der Leitgedanken der Reformgesetze erhobenen Steigerung der Attraktivität der Anlage in die AG durch eine Verpflichtung des Vorstandes auf eine Geschäftspolitik, die im wesentlichen eine langfristige Wertsteigerung der Aktien im Blick haben soll, ist der Schutz der Vermögensposition der Aktionäre besonders zu berücksichtigen, wie im Zweiten Teil aufgearbeitet wurde. Ein solches Recht dient damit dem Anliegen des 327

So Becker/Fett, WM 2001, 549, 556; beschränkt auf Ausnahmefälle so auch Henze/Notz, in: GroßKommAktG, 2004, Anh § 53a Rn. 92; Fuchs, in: RWS-Forum GesR, 2001, S. 259, 277 ff. 328 Hierzu oben S. 247 f., 312 und S. 440 ff. 329 In diesem Sinne auch Lutter, AG 2001, 349, 351 (reSp.); Wunderlich, Börsengang, 2004, 243 f.; Kiefner, Börsengang, 2005, S. 333. Ein Fall verbotener Rückgewähr durch eine zu billige Veräußerung von Aktien in der Unternehmensgruppe, wie MünchKommAktG/Bayer, 2008, § 57 Rn. 84 ihn nennt, liegt hier also nicht per se vor, da das Erwerbsrecht zugunsten der Aktionäre nicht zwangsläufig zu einem Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung führt. 330 So aber Henze, in: FS Ulmer, 2003, S. 213, 238; Meyer, in: HdB börsennotierte AG, 2005, § 7 Rn. 47 (S. 267). Hierzu auch Lutter, AG 2001, 349, 353 (reSp.). 331 Zur Normtypik des Publikumsaktionärs und dessen Anlageverhalten oben S. 128 ff.

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

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Gesetzgebers auch im Hinblick auf kurzfristig anlegende Aktionäre. Aus den genannten Gründen räumt das Gesetz daher auch solchen Aktionäre ein Bezugsrecht nach § 186 Abs. 1 S. 1 AktG ein, die Aktien nur kurzfristig halten und Bezugsrechte veräußern.332 2. Rechtssystematische Abstimmung eines Vorerwerbsrechts Ein Erwerbsrecht, das aus der Mitgliedschaft herzuleiten ist und den Aktionären der Obergesellschaft aufgrund der Treubindungen einen Anspruch gegen die Obergesellschaft gibt, kann allerdings nur dann befürwortet werden, wenn es sich in das aktienrechtliche Schutzsystem einfügt. Nachdem die Vereinbarkeit eines Erwerbsrechtes im allgemeinen mit dem Aktienrecht und dem aktienrechtlichen Schutzsystem im Vierten Teil untersucht wurde, ist nachfolgend nur auf die Besonderheiten der Börseneinführung einzugehen.333 a) Vorrang des Auktionsverfahrens? Aus dem Schutzsystem des Aktienrechts bei Eigenkapitalmaßnahmen läßt sich entnehmen, daß einem Erwerbsrecht der Vorrang vor der Erzielung des höchst möglichen Erlöses durch eine Versteigerung zukommt. Die §§ 65 und 226 AktG regeln zwar, daß die Aktien der nicht börsennotierten AG in diesen Fällen zu versteigern sind. Hierdurch soll im Interesse des Aktionärs, der mit seiner Einlagepflicht säumig ist oder dessen Aktien für kraftlos erklärt wurden, ein möglichst hoher Verkaufspreis erzielt werden. Es handelt sich aber um nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmevorschriften, die auf andere Fälle des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung eigener Anteile oder solcher einer Tochtergesellschaft nicht übertragen werden können, so daß auch kein Vorrang des oben beschriebenen Auktionsverfahrens zur Preisfindung und Erwerberauswahl besteht. b) Vereinbarkeit mit § 9 BörsZulV Die Vorschrift begründet eine Zulassungsvoraussetzung zur Notierung der Aktien, nach der die zuzulassenden Aktien im Publikum ausreichend breit gestreut sein müssen, wobei der Gesetzgeber dies fingiert, wenn mindestens 25 % des Gesamtnennbetrages der zuzulassenden Aktien vom Publikum erworben worden sind oder ein ordnungsmäßiger Börsenhandel auch mit 332 333

Zur Bedeutung des Bezugsrechts oben S. 237 ff. Siehe im Übrigen oben S. 465 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

einem geringeren Vomhundertsatz zu erreichen ist. Ob eine Zuteilung von Aktien an einen vom Emittenten festgelegten Personenkreis wie Mitarbeiter oder Geschäftspartner diesem free float unterfällt, ist strittig.334 Bei der Ausgabe von Aktien an die Aktionäre der Obergesellschaft ist eine solche breite Streuung jedenfalls dann erreicht, wenn es sich um eine normtypische Publikums-AG handelt, da deren Aktionäre sich aus verschiedenen Anlegertypen zusammensetzen. c) Rechtfertigung der Ungleichbehandlung der Veräußerungen von Aktien und sonstiger Vermögensgegenstände Die Annahme eines Erwerbsrechts auf die Aktien der Tochtergesellschaft setzt die Begründung voraus, warum bei der Veräußerung sonstiger Vermögensgegenstände durch die Obergesellschaft kein solches Erwerbsrecht besteht.335 Mit Lutter läßt sich ein solches Recht im Hinblick auf die Aktionärsstruktur in börsennotierten Publikumsgesellschaften grundsätzlich nur für die erstmalige Börseneinführung von Aktien einer Tochtergesellschaft annehmen.336 Wie im Vierten Teil herausgearbeitet wurde, kann beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien einer Tochtergesellschaft, deren Aktien bereits börsennotiert sind, ein solches Recht ebenso wenig begründet werden wie bei der Veräußerung sonstiger Vermögensgegenstände. Denn im ersten Fall besteht die Gefahr der Vermögensbeeinträchtigung nicht in einer Intensität, die ein Recht der Aktionäre auf Erwerb der Aktien begründet, und für den zweiten Fall haben die im Vierten Teil ausgebreiteten Wertungen des AktG gezeigt, daß Veräußerungsvorgänge bis zur Grenze des § 179a AktG grundsätzlich in die Kompetenz der Geschäftsleitung gestellt sind. Auch läßt sich ein solches Recht nicht allein mit Bewertungsschwierigkeiten begründen, da keine signifikanten Unterschiede bei der Preisermittlung zu Veräußerungsfällen außerhalb der Börse bestehen.337 Allerdings greifen die im Vierten Teil herausgearbeiteten Abgrenzungskriterien bei der Beteiligungsveräußerung zur Veräußerung sonstiger Vermögensgegenstände 334 Dies bejahend Schwark/Heidelbach, KMRK, 2004, § 9 BörsZulV Rn. 1; ablehnend Groß, Kapitalmarktrecht, 2006, §§ 1–12 BörsZulV Rn. 18, im Anschluß an die Grundsätze für die Zuteilung von Aktienemissionen an Privatanleger der Börsensachverständigenkommission; dazu oben in Fn. 122. 335 Dies führen als Argument gegen das von Lutter vorgeschlagene Erwerbsrecht etwa Habersack, WM 2001, 545, 547 (liSp.), und Busch/Groß, AG 2000, 503, 508, an. 336 So Lutter, AG 2001, 349, 351 (liSp.), und ders., AG 2000, 341, 343 (reSp.). 337 Hierauf weisen Busch/Groß, AG 2000, 503, 508 (reSp.), hin; zustimmend Habersack, WM 2001, 545, 547 (liSp.).

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

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auch hier ein, so daß die Veräußerung über die Börse nicht einer Veräußerung sonstiger Gegenstände gleichgestellt werden kann und das vorgetragene Abgrenzungsproblem sich mithin nicht stellt.338 Die teilweise geäußerte Ansicht, es handele sich hierbei um einen Aktiventausch wie jede andere Veräußerung, ist nicht weiterführend, wie die Ergebnisse des Vierten Teils der Arbeit zu den dort untersuchten Formen des Aktiventauschs bei der Bildung der Unternehmensgruppe durch Ausgliederung von Vermögensgegenständen und nachfolgenden Umgestaltung durch Veräußerungen der Tochtergesellschaftsanteile durch die Obergesellschaft zeigen. Lehnt man in solchen Situation das Schutzbedürfnis der Aktionäre unter Hinweis auf das geflügelte Wort des Aktiventauschs ab, übergeht man die Sonderheiten solcher Konstellationen und wird damit dem Vorgang schlicht nicht gerecht.339 Ist es überdies problematisch, wenn der Vorstand Einfluß auf den Aktionärskreis nimmt, so ist für den hier gegebenen Fall einer breiten Plazierung der Aktien nicht einsichtig, warum der Vorstand für die Tochtergesellschaft einen anderen Aktionärskreis aussuchen darf als denjenigen, der die Anteile an der von ihm geleiteten Gesellschaft hält. 3. Praktische Realisierbarkeit Auch praktische Schwierigkeiten dürfen nicht beiseite gelassen werden, sondern können eine angemessene Einschränkung des Schutzes der Aktionäre rechtfertigen, wie die jüngeren Entwicklungen in der Rechtsprechung zeigen.340 a) Vereinbarkeit mit dem Ziel marktgerechter Plazierung Ähnlich der Diskussion um den ökonomischen Sinn des Bezugsrechts könnte angeführt werden, daß ein Vorerwerbsrecht eine Ausgabe der Aktien zu höchst möglichen Kursen verhindere und daher den Aktionären mehr schade als nutze, da der Bezugspreis frühzeitig festgelegt werden müsse.341 Entsprechend dem Anliegen des Gesetzgebers bei der Änderung der Regelungen zur Bezugsrechtskapitalerhöhung, § 186 Abs. 2 S. und 5 S. 2 AktG, kann die Preisermittlung aber gerade im Einklang mit der im Rahmen des 338

Dazu oben S. 425 ff. Plastisch Wiedemann, Unternehmensgruppe, 1988, C I 1 (S. 43): „Mit einer derartigen Betrachtungsweise wird man indes dem sachlichen Vorgang so wenig gerecht, wie wenn man Allgemeine Geschäftsbedingungen als Inhalt vieler Einzelverträge beschreibt.“ 340 Deutlich etwa die Siemens/Nold- und die Gelatine-Entscheidung; dazu S. 397. 341 Dazu näher oben S. 245 ff. 339

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Bookbuilding zu prüfenden Anlegerinteressen erfolgen und die nachfolgende Preisbestimmung durch einen Zeitpunkt der Veröffentlichung des Erwerbspreises am Ende der Bookbuilding-Phase erreicht werden.342 Ein Vorerwerbsrecht schränkt zwar die Auswahl der Investoren ein, da die Aktionäre bevorrechtigt zu berücksichtigen sind, führt aber wie oben gesehen dennoch zu einer breiten Streuung der Anteile.343 In der Praxis gibt es eine wenn auch begrenzte Bevorzugung der Aktionäre der Obergesellschaft bei Börsengängen von Tochtergesellschaften, so daß ein Vorerwerbsrecht auch nicht generell als mit den Anforderungen des Marktes an eine Aktienplazierung unvereinbar angesehen werden kann.344 Vielmehr wird auch aus der Gesellschafts- und Kapitalmarktrechtpraxis vorgetragen, daß ein solches Recht der Aktionäre der Obergesellschaft sich aufgrund der positiven Öffentlichkeitswirkung vorteilhaft auf den Erfolg der Emission auswirken könne.345 Die vorgetragenen negativen Entwicklungen im Grauen Kapitalmarkt aufgrund des mit dem Vorerwerbsrecht begründeten Angebotsüberhangs nach Aktien, die institutionelle Anleger bei ihrer Investitionsentscheidung berücksichtigen würden, stehen dem nicht entgegen. Wie auch den Wertungen zur Aktienplazierung im Rahmen eines Bookbuilding-Verfahrens nach § 186 Abs. 2 und 5 AktG zu entnehmen ist, kann die Festlegung des Erwerbspreises entsprechend den oben dargelegten Grundsätzen zeitnah zum Ende der Ausübungsfrist erfolgen, so daß erst am Ende dieser Frist eine Berechnung des Wertes des Bezugsrechts möglich ist.346 Eine Störung des Graumarktes ist also hier wie auch bei der Börseneinführung von Tochtergesellschaftsaktien unter Bestehen eines Vorerwerbsrechtes nicht von vornherein anzunehmen.347

342

Zu den Phasen des Bookuilding-Verfahrens oben S. 522 ff. Oben bei S. 547 f. 344 Hierzu Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 72 (S. 110); siehe auch die Beispiele bei Pellens, zfbf 45 (1993), 852, 866, und Lutter, AG 2001, 349, 353 Fn. 38; so schon auch Hirte, Bezugsrechtsausschluß, 1986, D III 5c (S. 187 Fn. 136). Siehe auch S. 30 des Wertpapierprospekts der CropEnergies AG zum Börsengang dieser Tochtergesellschaft der Südzucker AG v. 15.9. 2006, der die Möglichkeit offenhielt, den Aktionären der Obergesellschaft bevorrechtigt Aktien der CropEnergies AG zu gewähren. 345 Singhof/Weber, in: HdB Unternehmensfinanzierung, 2008, § 3 Rn. 72 (S. 110). 346 Hierzu Achleitner, Investment-Banking, 2002, S. 574: „Ebenso interessieren die von Investoren im Zuge der Vermarktung geäußerten Meinungen sowie (insbesondere im Falle hoher Überzeichnungen) mögliche Entwicklungen der Aktien am ‚Grauen Markt‘.“ Zu weiteren Aspekten hinsichtlich der praktischen Realisierbarkeit eines solchen Rechtes, auf die hier nicht näher eingegangen werden kann, Kiefner, Börsengang, 2005, S. 326 ff.; Ziegler, Börsengang, 2005, S. 243 ff. 347 Dazu auch Kiefner, Börsengang, 2005, S. 339. 343

C. Gefährdungspotential für die Aktionäre der Obergesellschaft

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b) Einzelfallabhängigkeit Die Begründung des Vorerwerbsrechtes der Aktionäre mittels der Wertungen des AktG unter Heranziehung der Treubindungen in der AG bedingt eine Einzelfallabhängigkeit dieses Rechtes, so daß es der Abwägung der gegenläufigen Interessen bedarf und dabei auf den konkreten Einzelfall abzustellen ist. Entscheidend für die Begründung eines Erwerbsrechtes der Aktionäre als Anspruch gegen die AG unter Gesichtspunkten der Treupflicht sind danach Aspekte, die eine Vermögensverwässerung durch ein höheres Underpricing wahrscheinlich werden lassen. In Betracht kommen zum einen solche, die sich aus dem Unternehmen selbst ergeben, wie etwa die Bewertungsunsicherheit aufgrund einer vergleichsweise hohen Quote sog. intangible assets oder fehlender Vergleichbarkeit mit ähnlichen Unternehmen, deren Aktien bereits börsennotiert sind.348 Zum anderen ist die augenblickliche Marktverfassung zu berücksichtigen, so daß etwa in Zeiten starker Marktvolatilität ein solches Recht eher in Betracht kommt. Der aus der Herleitung aus den Treubindungen folgenden gewissen Unsicherheit über das Bestehen eines solchen Rechtes, die nach einer Beurteilung des Einzelfalles verlangt, ist mittels der Bestimmung von Wertgrenzen zu begegnen. c) Wertgrenzen Bei der Bestimmung einer Wertgrenze dürfen zwei Aspekte nicht aus dem Auge verloren werden. Zum einen ist eine solche Grenze aufgrund der Herleitung des Vorerwerbsrechts und dessen Einzelfallabhängigkeit nicht als starre Grenze, sondern eher als Anhaltspunkt für das Bestehen eines solchen Rechtes anzusehen. Zum anderen sind die Vielzahl der im Schrifttum vorgeschlagener Wertgrenzen und Kriterien für deren Bestimmung bei Holzmüller-Konstellationen und die Eingrenzungen des BGH in den GelatineEntscheidungen nicht übertragbar, da es hier nicht um eine Kompetenz der Hauptversammlung mit all ihren dargestellten Erschwernissen, sondern um ein außerhalb der Hauptversammlung auszuübendes Individualrecht der Aktionäre geht. Allerdings läßt sich als bedeutsame Grenze festhalten, daß die Grundentscheidung des Gesetzgebers, die dem Vorstand eine breite Kompetenz zur Geschäftsleitung einräumt, nicht durchbrochen werden darf. Vorgeschlagen wird ein grundsätzlich bestehendes Vorerwerbsrecht, dessen Ausschluß erst ab einer Wertgrenze von 50 % bezogen auf den Unternehmenswert der Tochtergesellschaft im Vergleich zum Börsen- oder Unter348

Dazu Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 527 f.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

nehmenswert der Obergesellschaft der Zustimmung der Hauptversammlung der Obergesellschaft bedarf, wobei dies u. a. auf die Wertgrenze der § 58 Abs. 2 sowie §§ 202 Abs. 3 S. 1 und 193 Abs. 3 S. 1 AktG gestützt wird.349 Problematisch an dem Ansatz ist, daß eine Hauptversammlungskompetenz nur im Ausnahmefall in Betracht kommt, diese Wesentlichkeitsschwelle aber nicht für mitgliedschaftliche Individualrechte Bedeutung erlangen kann. Abzustellen ist also auf eine Wesentlichkeitsschwelle für das Individualrecht. Eine gewisse Verwässerung des Beteiligungsvermögens bei Aktienplazierungen ist von den Aktionären hinzunehmen, wie § 186 Abs. 3 S. 4 AktG zeigt, wonach Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß zulässig sind, bei denen der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Auch wenn anders als dort hier gerade der Börsenpreis nicht bekannt ist, so gibt die Wertgrenze dieser Vorschrift doch einen gewissen Anhaltspunkt. Werden daher Aktien einer Tochtergesellschaft plaziert, die zusammengenommen mehr als zehn Prozent des Unternehmensoder Börsenwertes der Obergesellschaft darstellen, so kommt das Vorerwerbsrecht in Betracht. Unter dieser Schwelle müssen die Umstände des Einzelfalles so gestaltet sein, daß von einer außergewöhnlichen Wertverwässerung auszugehen ist, etwa wenn die Börse besonders volatil oder Unternehmens- und prognostizierte Marktbewertung mangels vergleichbarer Unternehmen besonders schwer fällt.

III. Zusammenfassung Im Schrifttum werden entsprechend der zunehmenden Diskussion des treffenden Schutzes von Kleinaktionären in der börsennotierten Publikumsgesellschaft verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen, die sich zwischen kapitalmarkt- und verbandsrechtlichen Konzeptionen bewegen. Der von der Mehrzahl der Stimmen bevorzugte Schutz durch eine Haftung der Organe greift allerdings zu kurz, so daß es des Rückgriffs auf das verbandsrechtliche Institut der Treubindungen bedarf, aus der das Vorerwerbsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft beim Börsengang der Tochtergesellschaft als Ausprägung des allgemeinen Erwerbsrechts herzuleiten ist. Die Ergebnisse bedürfen nachfolgend der Einordnung in die Gesamtkonzeption.

349

113.

Kiefner, Börsengang, 2005, S. 405 ff.; Heidkamp, Börsengang, 2003, S. 50 ff.,

D. Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt

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D. Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt Die Ergebnisse des Fünften Teils sind mit der im Zweiten Teil entwikkelten Konzeption von der Rechtsstellung des Aktionärs abzugleichen und mit den Ergebnissen des Dritten und Vierten Teils in Zusammenhang zu stellen. Im Anschluß sollen die Folgerungen für die Rechtsstellung des Aktionärs und sein Schutz zwischen Aktien- und Kapitalmarktrecht gezogen werden.

I. Einordnung der Ergebnisse des Fünften Teils Mit der Betrachtung der Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluß bei Kapitalerhöhungen in der unverbundenen AG in Zeiten von Marktineffizienzen und von Börsengängen von Tochtergesellschaften wurden im Fünften Teil zwei Schnittstellen der verbands- und kapitalmarktrechtlichen Dimensionen des AktG untersucht, bei denen die Zurückdrängung bzw. Begründung verbandsrechtlicher Schutzinstrumentarien und ein Schutz der Aktionäre durch den Kapitalmarkt besonders umstritten sind.350 Die Beantwortung der Frage, ob der Aktionär bei Formen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der AG oder einer Tochtergesellschaft eher durch marktliche Mittel aufgrund einer Sicherstellung eines funktionierenden Kapitalmarktes oder auch gesellschaftsrechtliche Instrumentarien zu schützen ist, baut auf der Vorfrage auf, vor welchen Gefahren die Aktionäre bei solchen Maßnahmen geschützt werden sollen. 1. Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt(recht) Im Zweiten Teil wurde herausgearbeitet, daß es den mit nicht mehr als fünf vom Hundert des Grundkapitals beteiligten Aktionären einer börsennotierten Publikums-AG vornehmlich um die Sicherstellung des Wertschutzes ihrer Kapitalanlage geht, während die stärker beteiligten Aktionäre gleichrangig zu schützende Interessen an der Beibehaltung der Quote ihrer Gesellschaftsbeteiligung und der daraus fließenden Einflußrechte haben. Denn Letztere wollen auf das Gesellschaftsgeschehen nicht nur Einfluß über Des- und Neuinvestition am Kapitalmarkt nehmen, sondern teilweise auch durch Ausübung verbandsmitgliedschaftlicher Teilhaberechte. Die Frage der treffenden Schutzrichtungen in der unverbundenen AG konkretisiert sich bei den im Dritten Teil untersuchten Formen der Aus- und Wiederab350

Zu erstem oben S. 482 ff., zu letztem S. 532 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

gabe von Aktien, da dort erhebliche Vermögenswerte und gesellschaftsrechtlicher Einfluß zu Lasten der (Alt-)Aktionäre verteilt werden und zudem wie im Falle von Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß die Beteiligungsquote der Altaktionäre geschmälert wird. Daher besteht bei solchen Formen des Erwerbs fremden Vermögens durch die AG grundsätzlich ein Erwerbsrecht, das den Aktionären die Möglichkeit weiterer Investitionen oder den Verkauf dieses Rechtes eröffnet und sie hierdurch vor Verwässerungen des Beteiligungsvermögens und der Beteiligungs- und Einflußquote der stärker beteiligten Aktionäre schützen soll. Dem Vorstand ist daher der Eingriff in die Aktionärsstruktur untersagt. Bei einem markteffizienten Börsenkurs der Aktien bestehen allerdings Erleichterungen, wie § 186 Abs. 3 S. 4 AktG zeigt. Dies erfordert aber eine breite Plazierung oder Zukaufsmöglichkeit insbesondere über die Börse, wie § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 AktG voraussetzt. Im Vierten Teil wurden diese Ergebnisse auf Vorgänge in der Unternehmensgruppe fortgeschrieben, wobei der Schutz des Beteiligungsvermögens im Mittelpunkt des Interesses sämtlicher Aktionäre bei solchen Maßnahmen in der Tochtergesellschaft steht. Im Fünften Teil wurden die bisher ermittelten Ergebnisse anhand eines Sonderfalls des paradigmatisch untersuchten Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien untersucht, des Börsengangs einer Tochtergesellschaft. Dabei wurde im Abschnitt A zu den gesellschaftsrechtlichen Grundlagen des Börsengangs anhand der Vorstandspflichten bei der Ausgabe von Aktien in der unverbundenen AG und der Bedeutung des § 186 Abs. 3 S. 4 AktG der Schutz des Aktionärsvermögens in der unverbundenen AG und der Unternehmensgruppe in Zeiten von Marktineffizienzen herausgearbeitet und hierdurch die Ergebnisse des Dritten Teils der Arbeit überprüft. Im Abschnitt C, der sich mit der Gefährdung der Aktionäre der Obergesellschaft durch den Börsengang der Tochtergesellschaft befaßt, wurden die Ergebnisse des Vierten Teils verifiziert. Die Bedeutung des Vermögensschutzes der Aktionäre beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der Tochtergesellschaft zeigt sich deutlich in Situationen einer Marktineffizienz, die im Ersten Teil anhand der Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung aufgearbeitet wurden. 2. Aktionärsschutz in Zeiten von Marktineffizienzen Bedeutsam wird die Frage des Schutzes der Aktionäre durch deren Verweisung auf den Zu- und Verkauf ihrer Anteile über den Kapitalmarkt in Zeiten, in denen der Markt aufgrund einer Marktineffizienz den Kurs der Aktien unterhalb ihres inneren Wertes ansetzt. Bei der im Abschnitt A untersuchten Frage, ob die Aktien zum Börsenkurs unter Bezugsrechtsausschluß ausgegeben werden dürfen oder den Aktionären im Rahmen einer

D. Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt

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Bezugsrechtskapitalerhöhung anzubieten sind, wurde aufgezeigt, daß eine Ausgabe zu Börsenkursen in solchen Fällen einen Verstoß gegen § 255 Abs. 2 S. 1 AktG darstellt. Das hat seinen Grund darin, daß die Möglichkeit der Des- oder weiteren Investition am Kapitalmarkt die Aktionäre in solchen Zeiten nicht schützt; insbesondere auch der Zukauf weiterer Aktien über den Kapitalmarkt bewahrt die vom Bezug der Aktien ausgeschlossenen Aktionäre nicht vor einer Verwässerung ihres Beteiligungsvermögens. Der Schutz des Vermögens der Aktionäre ist nur über das mitgliedschaftsrechtliche Institut des Bezugsrechts zu erreichen, so daß dieses in solchen Zeiten dem Gesetz nach nicht rechtmäßig ausgeschlossen werden kann, um die Aktien zu dem niedrigeren Börsenkurs auszugeben. In gegengerichteten Phasen von Marktübertreibungen entfalten mitgliedschaftliche Schutzmechanismen ebenfalls besondere Relevanz, wie der im Abschnitt C herausgearbeitete Schutz des Beteiligungsvermögens der Aktionäre der Obergesellschaft vor den Auswirkungen des Börsengangs einer Tochtergesellschaft aufgrund eines Underpricing der Aktien gezeigt hat, die im Ersten Teil auf der Grundlage der Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung dargestellt wurden. Ein starkes Underpricing bei der Börseneinführung von Aktien kann zumindest auch auf Übertreibungen im Markt zurückgeführt werden, da sich die Kurse von den Fundamentaldaten entfernt haben und der Markt die Unternehmens- bzw. Kursentwicklung zu positiv einschätzt. Bislang unklar und daher strittig ist, ob die Entwicklung des Aktienkurses der Aktionäre der Obergesellschaft bei einem Börsengang der Tochtergesellschaft auf einem Underpricing oder zusätzlich einer Marktanomalie beruht.351 Deutlich wird jedenfalls, daß der Schutz der Aktionäre aufgrund solcher Marktineffizienzen nicht durch den Kapitalmarkt zu erreichen ist. Um den Vermögensvorteil zu vereinnahmen, der mit der Erstzeichnung der Aktien der Tochtergesellschaft bei deren Börsengang verbunden ist und einen gewissen Ausgleich für die typischerweise nachfolgende negative Kursentwicklung der Aktien der Obergesellschaft gibt, greift das aus der Mitgliedschaft herzuleitende und auf Treubindungen gestützte Vorerwerbsrecht der Aktionäre. Der unzureichende Schutz der Aktionäre als Anleger durch Des- und Neuinvestition am Kapitalmarkt wirft allerdings zugleich die Frage nach dem Schutz durch Haftung auf, so daß es gegebenenfalls keines Rückgriffs auf verbandsrechtliche Institute bedarf, um die Aktionäre ausreichend zu schützen. Deutlich wird dies bei nachvertraglich opportunistischem Verhalten des Managements, das sich nachteilig auf die Position der Aktionäre auswirken kann und im Zweiten Teil dargestellt wurde. Die für eine Deregulierung des Aktienrechts zugunsten einer Verhaltenssteuerung durch funk351

Hierzu oben S. 65 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

tionierende Kapitalmärkte eintretenden Stimmen halten teilweise allerdings zwingende kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtliche Verhaltensbindungen und Haftungstatbestände für effektiver und effizienter als indirekte Sanktionen durch den Kapitalmarkt.352 Fraglich bleibt dabei, ob eine Verhaltenssteuerung durch Haftungsnormen geeignet ist, die Aktionäre ausreichend zu schützen, oder ob es weiterhin verbandsrechtlicher Schutzinstitute auch in börsennotierten Publikumsgesellschaften bedarf. 3. Bedeutung verbandsrechtlicher Institute Die sich an einzelnen Stellen des AktG auf Grundlage der jüngeren Gesetzesreformen andeutende Zurückdrängung des Schutzes mitgliedschaftlicher Individualrechte der Aktionäre und die Verstärkung deren Position im Hinblick auf das Verfahren zur Geltendmachung einer Organhaftung stehen auf den ersten Blick im Widerspruch mit dem gefundenen Ergebnis des Schutzes der Aktionäre durch verbandsrechtliche Institute, was durch jüngere Entwicklungen in der Rechtssprechung gestützt wird. a) Abgleich mit den Ergebnissen des Schutzes durch Haftung Die Notwendigkeit eines Schutzes der Aktionäre in ihrer mitgliedschaftlichen und anlageorientierten Rechtsposition durch gesellschaftsrechtliche Instrumentarien ergibt sich aus den Unzulänglichkeiten des Organhaftungsrechts, die im Zweiten Teil abstrakt aufgeworfen und im Fünften Teil konkret nachgewiesen wurden. Ein Schutz durch eine drohende Haftung ist nicht zu erreichen, wenn tatbestandlich die Haftung nicht greifen kann, weil der vom Gesetzgeber getroffene Ausgleich zwischen dem Schutz der Aktionäre vor Beeinträchtigungen ihrer Rechtsposition und einem ausreichenden Freiraum des Vorstandes zur Förderung unternehmerischen Handelns der Geschäftsleitung zu Recht einen gewissen Spielraum läßt, ohne den eine Unternehmensführung unter notwendiger Eingehung gewisser, wohl abgewogener Risiken letztlich im Interesse der Aktionäre nicht möglich wäre. Hält sich die Geschäftsleitung etwa bei der Bestimmung des Emissionspreises der Aktien in diesem Rahmen, so scheidet zu Recht eine Haftung aus, auch wenn dies zu Vermögensverwässerungen der Aktionäre der Ober352

In Ländern mit weit ausgebautem Kapitalmarktrecht wie den US-amerikanischen Securities Regulations wird dieses Problem nicht dem Kapitalmarkt durch eine Marktabstrafung aufgrund nachteiliger Kursentwicklung überlassen, sondern zur Verhaltenssteuerung auf kapitalmarktrechtliche Haftungsnormen gesetzt. Dazu und zum vorherigen stellvertretend Assmann, in: FS Kümpel, 2003, S. 1, 10. Zur straf- und zivilrechtlichen Verantwortlichkeit von Verwaltungsmitgliedern in den USA Hopt, in: FS Canaris, 2007, S. 105, 122 f.

D. Aktionärsschutz zwischen Aktienrecht und Kapitalmarkt

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gesellschaft führt. Kann überdies wie im Fall der Kapitalerhöhung in Zeiten der Unterbewertung der Aktien durch den Kapitalmarkt eine marktgerechte Ausgabe nur zu diesem Kurs erfolgen, der allerdings bei Ausschluß der Aktionäre ebenfalls zu einer Verwässerung deren Beteiligungsvermögens führen würde, schützt die Haftung nur, wenn man zu dem Ergebnis kommt, daß die neuen Aktien nur bei den Altaktionären plaziert werden dürfen, was aber zu einem Bezugsrecht zurückführt. Entsteht der AG kein Schaden, greift das aktiengesetzliche Organhaftungssystem mit seinem besonderen Verfahren nicht ein. Die Publikumsaktionäre könnten zwar gegebenenfalls ihren Individualschutz durch individuelle Haftungsklagen gegen die AG oder die Organmitglieder erreichen. Die rationale Apathie der Publikumsaktionäre wird aber erst recht bei der Aufwand und Kosten erfordernden Anstrengung einer Organhaftung mit völlig ungewissem Aufwand dazu führen, daß diese aus rationalen Gründen hiervon absehen.353 Anderes ließe sich erreichen, wenn ein Urteil aufgrund einer solchen Klage, die aus ökonomisch einsichtigen Gründen von einem stärker beteiligten Aktionäre erhoben würde, nicht nur inter partes, sondern auch zugunsten der nicht klagenden Publikumsaktionäre Wirkung entfalten würde. Problematisch bleiben allerdings auch dann die Erfüllung des Haftungstatbestandes und das Haftungsobjekt. Kann eine solche Klage gegen die AG erhoben werden, so zahlen die Aktionäre im Ergebnis selbst ihren Schaden. Richtet sich die Klage gegen die Organmitglieder, so besteht das faktische Problem, daß die zu leistende Schadensersatzsumme aufgrund der in einer börsennotierten Publikums-AG erreichten Größenordnungen der von den Aktionären angelegten Gelder und des im üblichen Gesellschaftsgeschehen bewegten Kapitals regelmäßig nicht von den Organmitgliedern aufgebracht werden kann. Dekken diese solche Haftungsgefahren durch Versicherungen ab, so tragen im Ergebnis die AG und damit letztlich die Aktionäre die Kosten. Damit gelangt man zu einer Kostenverteilung, die als fundamentales Argument gegen mitgliedschaftliche Individualrechte wie das Bezugsrecht geltend gemacht werden.354 Die Haftung nach den §§ 93, 116 AktG kann daher nicht als generelles Schutzinstitut der Aktionäre angesehen werden; vielmehr werden die Aktionäre in den hier untersuchten Fällen nach der Systematik des AktG durch ein Erwerbsrecht auf Aktien und den Beschluß zu dessen Ausschluß geschützt, der den Schranken des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG unterliegt. Mitgliedschaftliche Individualrechte der Aktionäre sind daher auch und gerade in der börsennotierten Publikums-AG grundlegendes Institut zum Schutz deren mitgliedschaftlichen und anlageorientierten Rechtsposition. 353 354

Zur rationalen Apathie der Publikumsaktionäre oben S. 137 ff. Exemplarisch dazu oben S. 245 ff.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

b) Einordnung haftungs- und verbandsrechtlicher Institute Die Verstärkung mitgliedschaftlicher Individualrechte der Aktionäre zum Schutz deren mitgliedschaftlicher und anlageorientierter Rechtsposition, die diese außerhalb der Hauptversammlung ausüben können, steht im Einklang mit den jüngeren gesetzlichen Entwicklungen des AktG und der Rechtsprechung. Die Vorschriften zum Haftungs- und Anfechtungsrecht im AktG, die durch das UMAG ergänzt oder geändert wurden,355 wollen den Schutz des Vermögenswertes der Beteiligung der Aktionäre durch eine erweiterte Haftung der Verwaltung erreichen, wofür die prozessuale Durchsetzung mittels Verlangens der Aktionärsminderheit erleichtert wird. Die Anfechtungsmöglichkeit, die mit Stattgabe der Anfechtungsklage zur Aufhebung des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses führt und damit auch einen ex post-Vermögensschutz gewährleistet, wird aufgrund leidvoller Erfahrung mit sogenannten räuberischen Aktionären eingeschränkt. Dies deckt sich insoweit mit der Siemens/Nold-Entscheidung, als der BGH dort anstelle der Stärkung der materiellen Beschlußkontrolle und damit des Schutzes durch das Individualrecht der Erhebung der Anfechtungsklage die Haftung der Verwaltung betont.356 Die zweite, in eine ähnliche Richtung deutende Entwicklung ist die Ausdehnung des Spruchverfahrens auf gesetzlicher Ebene und durch die höchstrichterliche Rechtsprechung insbesondere in der Macrotron-Entscheidung,357 was den Aktionären einen ex post-Vermögensschutz verschafft. Die Begründung eines mittels (Vor-)Erwerbsrechts geförderten ex ante-Anlegerund Aktionärsschutzes scheint daher der zunehmenden Tendenz im Aktienrecht zuwiderzulaufen, die dem ex post-Schutz durch eine Haftung der Verwaltung und der gerichtlichen Überprüfung der Abfindung im Spruchverfahren den Vorzug vor der Anfechtungsklage gibt, was gegen weitere mitgliedschaftliche vermögensbezogene Individualrechte vorgebracht werden könnte. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlage läßt sich aber den Wertungen, die den Entwicklungen auf Gesetzesebene und durch die Entscheidungen des BGH zugrunde liegen, nicht entnehmen, daß Individualrechte außerhalb der Hauptversammlung ein Fremdkörper in dem geschlossenen und widerspruchsfreien System des Verwässerungsschutzes darstellen.358 Denn solche bestehen auch ohne Beteiligung der Hauptversammlung; diese kann vielmehr ein solches Recht ausschließen, so daß sich im Regelfall mangels Hauptversammlungsbeschlusses die mit der Erhebung mißbräuchlicher An355

Dazu oben S. 119 ff. BGH v. 23.6.1997 – II ZR 132/93, BGHZ 136, 133, 140 f. (Siemens/Nold), und oben S. 257 ff. 357 Dazu oben S. 118 f.; zur Zurückdrängung des Anfechtungsrechts wegen Informationsmängeln in jüngeren Entscheidungen des BGH oben S. 173 f. 358 A. A. bzgl. letztem aber Fleischer, ZHR 165 (2001), 513, 546. 356

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fechtungsklagen verbundenen Gefahren für den Erfolg einer solchen Umstrukturierung nicht stellen.359 Das zentrale Anliegen der jüngeren Gesetzesentwicklungen und der Rechtsprechung des BGH, die Entlastung des Gesellschaftsgeschehens von den nachteiligen Auswirkungen egoistischer Ausübung mitgliedschaftlicher Individualrechte hier in Form der Anfechtungsklage, greift folglich nicht. Aus diesem Grund steht auch die angeführte Rechtsprechung des BGH nicht entgegen, da diese bei der Hauptversammlungsbeteiligung der Aktionäre ansetzt. Die Verweisung in das Spruchverfahren, die insoweit zu begrüßen ist, als hierdurch der Schutz des Aktionärsvermögens sichergestellt werden kann, ohne das Gesellschaftsgeschehen zu blockieren, läßt die Bedeutung dieser Schutzrichtung deutlich werden. Der BGH hat vor diesem Hintergrund eine Zurückdrängung des Vermögensschutzes der Publikumsaktionäre in Kauf genommen und hebt in der Gelatine-Entscheidung die Bedeutung des Vermögensschutzes und des präventiven Schutzes der Aktionäre hervor. 4. Vereinbarkeit mit der Sichtweise vom Publikumsaktionär Eine Herleitung weiterer Rechte der Aktionäre scheint in Widerspruch zu stehen mit der Sichtweise vom Publikumsaktionär, der einflußunwillig oder -unfähig ist, was vom Gesetzgeber in gewissen Rahmen hingenommen wird. Allerdings geht es bei diesen Rechten nicht um eine Erweiterung der Einflußrechte, sondern um deren Vermögensschutz und bei den stärker beteiligten Aktionären gleichrangig auch um den Schutz ihrer gesamten Gesellschaftsbeteiligung, was mit dem vornehmlichen Interesse des Publikumsaktionärs übereinstimmt. Besondere Bedeutung kommt auch in dieser Realform der AG den Treubindungen zu, wobei hier solche der AG gegenüber ihren Aktionären aufgrund der beschriebenen geringen Einflußmöglichkeiten Relevanz entfalten, da die Aktionäre der Mehrheit und bei breitem Streubesitz vor allem der Verwaltung in hohem Maße Kapital anvertrauen. Diese Treubindungen bestehen in der börsennotierten Publikums-AG zugunsten aller Aktionäre, allerdings mit unterschiedlicher Reichweite, was im Rahmen der im Dritten Teil betrachteten rechtsbeschränkenden Funktion 359 Da dieses Recht dem Vermögensschutz dient, wäre das Spruchverfahren der richtige Ort, um gegen seinen rechtswidrigen Ausschluß vorzugehen. Dies geht einher mit den zunehmenden Forderungen im Schrifttum, die Aktionäre mehr durch ein ausgebautes Spruchverfahren und materielle Ausgleichsansprüche als durch eine Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen zu schützen; dazu oben bei Fn. 583 im Zweiten Teil. Für den Rechtsschutz durch das Spruchverfahren in Fällen, in denen die Hauptversammlung nicht mit dem Vorgang befaßt ist wie bei der Ausgabe von Aktien beim genehmigten Kapital unter Bezugsrechtsausschluß Hüffer, ZHR 172 (2008), 8, 21 f.; Bayer, ZHR 168 (2004), 132, 160 f., und ders., ZHR 163 (1999), 505, 551; J. Vetter, ZHR 168 (2004), 8, 33 f.

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5. Teil: Börseneinführung von Tochtergesellschaften

und der im Vierten und Fünften Teil ausgearbeiteten rechtsbegründenden Funktion der Treubindungen deutlich wurde. Sind die Aktionäre mit nicht mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital einer solchen AG beteiligt, bedarf der Ausschluß ihres Bezugsrechts nicht der sachlichen Rechtfertigung und ist nur anfechtbar, sofern der Schutz ihres Beteiligungsvermögens nicht sichergestellt ist. Anderes gilt allerdings für den mit mehr als fünf vom Hundert beteiligten Aktionär, da dieser nach der Wertung des AktG weitergehende, schutzwürdige Interessen als das rein anlageorientierte Vermögensinteresse hat. Der Schutz des Vermögenswertes der Beteiligung ist aber zugunsten aller Aktionäre sicherzustellen, so daß Treubindungen auch gering beteiligte Aktionäre in vermögensrechtlicher Hinsicht zu schützen haben.

II. Folgerungen und Ausblick Den unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen der Aktionäre der Publikums-AG zwischen reinen Kapitalanlage- und Mitunternehmerinteressen versucht das AktG mit den verschiedenen Dimensionen des Aktionärsschutzes zu begegnen, die in jedem Fall den Vermögensschutz der Aktionäre sicherstellen sollen. Der Aktionär wird daher als Mitglied und Kapitalanleger gesehen. Abhängig von der Größe seiner Beteiligung überwiegt das eine das andere Element, so daß entweder der Vermögensschutz ganz im Vordergrund steht oder der Bestand der Mitgliedschaft und seine hieraus folgenden Einflußrechte gleichrangig sind. Der Schutz des Aktionärs als Verbandsmitglied und Anleger gründet sich daher im Aktienrecht auf beweglichen Schranken des Aktionärsschutzes abhängig von seinem Beteiligungsumfang. Da der Aktionärsschutz insbesondere in Zeiten von Marktineffizienzen nicht durch eine Verweisung der Aktionäre auf den Kapitalmarkt zu erreichen ist, kommt verbandsrechtlichen Schutzinstrumentarien auch zugunsten der rein anlageorientierten Aktionäre besondere Bedeutung zu. Entsprechendes gilt für die stärker beteiligten Aktionäre, da die Aufnahme des Marktes dem Erwerb weiterer Aktien über den Kapitalmarkt zu adäquaten Preisen Grenzen setzt, so daß die von einem Aktionär angestrebte Beibehaltung der Beteiligungsquote über den Markt nicht in jedem Fall sein Beteiligungsvermögen unberührt läßt. Vermögensbezogene Individualrechte der Aktionäre dienen daher nach wie vor auch Kleinaktionären zum Schutz ihrer Position. Solche Rechte sind aber nicht allein in der Hauptversammlung anzusiedeln. Zwar sind die gesetzgeberischen Bemühungen um eine Belebung des Hauptversammlungsgeschehen zu begrüßen, als hierdurch die Aktionäre Einfluß auf grundlegende Entscheidungen ausüben können, die auch den Aktionär in seiner Stellung als Anleger berühren, da solche Entscheidungen den Gegenstand seines In-

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vestments verändern können. Das Spannungsfeld zwischen der vermögensmäßigen Beteiligung der Aktionäre einerseits und deren Desinteresse bzw. Unfähigkeit zur Mitwirkung an Geschäftsführungsmaßnahmen sowie der Notwendigkeit einer weitreichenden Geschäftsleitungskompetenz im Sinne eines schnellen Handelns andererseits wird aber allein hierdurch nicht aufgelöst. Eine begrenzte Zulassung mitgliedschaftlicher Individualrechte, von denen die Aktionäre auch außerhalb der Hauptversammlung Gebrauch machen können und die der Verwirklichung der verschiedenen Schutzdimensionen des Aktienrechts dienen, sind gerade in diesem Spannungsfeld von besonderer Bedeutung. Für den Schutz der Publikumsaktionäre entscheidend ist dabei, daß der einzelne Aktionär ohne größeren Aufwand und Kosten ein solches Recht geltend machen kann. Sofern solche Rechte durch die Leitungsorgane der Gesellschaft verletzt werden, ist daher für den breitflächigen Schutz der Publikumsaktionäre maßgeblich, ob die Geltendmachung eines solchen Rechtes durch den einzelnen Aktionär zugleich für die anderen wirkt, so daß auch Aktionäre geschützt werden, die aufgrund ihrer geringen Beteiligung aus rationalen Gründen ihre Rechte nicht geltend machen. In diesem Sinne ist nochmals zu dem Ausgangspunkt der Arbeit zurückzukehren, der Sichtweise des Gesetzgebers von 1884. Dieser führt aus: „Im Gegensatz zu den Sonderrechten soll der einzelne Aktionär bei Geltendmachung der Individualrechte, wie bei den Mitgliedschaftsrechten, Träger und Vertreter des Gesamtwillens der Aktionäre sein und nicht vermögensrechtliche Ansprüche zu eigenem Vortheile gegen die Gesellschaft, sondern Rechte der Gesellschaft Namens und im Interesse derselben verfolgen. Während aber deren Geltendmachung bei normaler Leitung und Verwaltung den Organen der Gesellschaft obliegt und die Mitgliedschaftsrechte den Aktionär auf eine antheilige Mitwirkung verweisen, soll er durch die Individualrechte im Gegensatz zu den Mitgliedschaftsrechten, Willen und Recht der Gesellschaft selbständig und unabhängig von der Generalversammlung geltend machen können. Jede Ausdehnung sogenannter Individualrechte ist eine Gefahr für die Organisation und das gesunde Funktionieren der Gesellschaft. Sie lähmt die Energie und eine verantwortliche Thätigkeit von Vorstand und Aufsichtsrath, scheucht die tüchtigeren Elemente aus denselben zurück und nimmt den Aktionären das Interesse, ihren Einfluß durch Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, auf welche sie eigentlich angewiesen sind, zu gewinnen. Nur soweit solche Gefahr ausgeschlossen erscheint, kann und soll den Aktionären durch Individualrechte die Möglichkeit gegeben werden, . . . ihr eigenes Recht zu schützen.“360 360 Vgl. Begr AktG 1884 zu § 13, in: Schubert/Hommelhoff, Hundert Jahre modernes Aktienrecht, 1985, S. 466.

Zusammenfassung Ausgangspunkt der Untersuchung, in deren Mittelpunkt der Publikumsaktionär in der börsennotierten AG steht, ist die in der Einführung aufgeworfene Frage nach der Ausformung der Rechtsstellung des Aktionärs und seines Schutzes zwischen Aktien- und Kapitalmarktrecht. Die erreichte Dichte kapitalmarktrechtlicher Vorschriften wirft dabei nicht nur Anwendungsprobleme in mit dem Gesellschaftsrecht konkurrierenden Einzelbereichen auf, sondern vielmehr die Frage nach dem Verhältnis der beiden Regelungsbereiche im allgemeinen und der Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Anlegerposition und Verbandsmitgliedschaft im besonderen. Zunehmend mehr Stimmen im Schrifttum sehen den Aktionär als Kapitalanleger und wollen diesen vornehmlich mittels Ersetzung der herkömmlichen verbandsrechtlichen Schutzinstrumentarien durch das Kapitalmarktrecht schützen. Nach der gegensätzlichen Konzeption ist der Aktionär nach wie vor Verbandsmitglied, so daß der Schutz seiner Mitgliedschaftsposition durch das Gesellschaftsrecht zu erreichen ist. Kapitalmarktrechtliche Schutzinstrumentarien sollen danach nicht zur Verdrängung, sondern nur zur Ergänzung verbandsmitgliedschaftlicher Institute führen. Die Ausformung der Rechtsstellung des Aktionärs, die paradigmatisch für Formen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Aktien der unverbundenen AG und von Tochtergesellschaften untersucht wurde, um die hierdurch herausgearbeiteten rechtlichen Aspekte für die Beurteilung der Rechtsstellung des Aktionärs und dessen Schutz zwischen Aktienund Kapitalmarktrecht fruchtbar zu machen, bedarf neben der rechtlichen Auswertung eines Abgleichs mit den Ergebnissen der empirischen Kapitalmarktforschung zur Kapitalmarkteffizienz, die paradigmatisch anhand des Börsengangs von Tochtergesellschaften erfolgte. Das Spannungsverhältnis zwischen der notwendigen Freiheit unternehmerischer Entscheidungen der Geschäftsleitung einerseits und dem Schutz der Aktionäre durch Kapitalmarkt- und Gesellschaftsrecht andererseits wurde durch die Ergebnisse zwar nicht aufgelöst. Allerdings konnte die Stellung des Publikumsaktionärs und die Notwendigkeit verbandsmitgliedschaftlicher Schutzinstrumentarien konkretisiert und damit deren Reichweite exemplarisch anhand des Erwerbsrechtes der Publikumsaktionäre herausgearbeitet werden. 1. Im Ersten Teil wurde die Rechtsposition des Aktionärs zwischen Aktien- und Kapitalmarktrecht in der unverbundenen AG als auch in der

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Unternehmensgruppe und damit die Eckpunkte des Untersuchungsprogramms abgesteckt. Die Diskussionslinie hinsichtlich der Rechtsstellung des Aktionärs der börsennotierten Publikums-AG verläuft im Grenzbereich zwischen den unterschiedlichen Schutzmechanismen und -richtungen des Aktien- und Kapitalmarktrechts, die einerseits auf den Schutz des Aktionärs durch die Gesellschaftsstruktur, Organisations- und Verhaltensnormen im Verband und andererseits durch die Funktionstüchtigkeit des Marktes und damit auf den Schutz des Aktionärs als Anleger abzielen. Die Diskussion zu den Rechten des Aktionärs der Obergesellschaft einer Unternehmensgruppe setzt bei der Betrachtung der Unternehmensgruppe zwischen Einheit und Vielfalt an. Die Bedeutung des mitgliedschaftlichen Schutzinstrumentariums in Form der Beteiligung der Gesellschafter an Unternehmensentscheidungen als deutliche Ausprägung des verbandsmitgliedschaftlichen Aktionärsschutzes zeigt sich bei der Frage, inwiefern der Aktionär der Obergesellschaft über die Rechtsformgrenzen seiner Gesellschaft hinausgehend auch auf das Geschehen in nachgeordneten Gesellschaften Einfluß nehmen kann. Die von Teilen des Schrifttums vertretene organisations- und konzernverfassungsrechtliche Konzeption zur Verfassung der Unternehmensgruppe teilt der BGH mit der herrschenden Ansicht im Schrifttum nicht, sondern vertritt eine rechtsträgerbezogene Sichtweise. Die Annäherung an die sich damit anschließende Frage des Aktionärsschutzes in der Unternehmensgruppe und die Schutzgrenzen der sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung tendenziell andeutenden Zurückdrängung des verbandsrechtlichen Aktionärsschutzes, die statt dessen auf die Umsicht der Geschäftsführung bei der Unternehmensleitung und die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte vertraut, erfolgte anschließend anhand der Betrachtung des Börsengangs der Tochtergesellschaft als Sonderfall der Finanzierung und Umstrukturierung der Unternehmensgruppe unter finanzwirtschaftlichen Aspekten. Entsprechend den Auswertungen einer Vielzahl US-amerikanischer Börsengänge von Tochtergesellschaften gelangen deutsche Untersuchungen der empirischen Kapitalmarktforschung zu dem Ergebnis, daß der Kapitalmarkt eine solche Entflechtung konglomerater Strukturen mit einem Kursaufschlag bei der Bekanntgabe einer solchen Maßnahme honoriert, nach dem Börsengang aber negative Kurseffekte der Aktien der Obergesellschaft auftreten. Diese haben ihren Grund teils in dem festgelegten Ausgabepreis, beruhen aber wahrscheinlich auch auf einer Kapitalmarktanomalie, die im Widerspruch zur Theorie der Kapitalmarkteffizienz steht und Zweifel am alleinigen Schutz der Aktionäre mittels des Kapitalmarkt(recht)s hervorruft.

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2. Im Zweiten Teil wurden die konzeptionellen Grundlagen zur Rechtsstellung des Publikumsaktionärs gelegt, die anhand der Entwicklungen auf Gesetzesebene als auch der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgeformt wurden. Mit dem AktG 1965 hat der Gesetzgeber das Aktienrecht umfassend neu gestaltet und sich mit der Unternehmensgruppe und der Öffnung der AG zum Kapitalmarkt zwei zentralen Herauforderungen des modernen Aktienrechts angenommen. Die verbandsrechtliche Konzeption der AG und deren Kapitalsammelfunktion kommt dabei deutlich zum Ausdruck; das Spannungsverhältnis zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerstellung wird allerdings durch den Zentralbegriff des Aktionärs als wirtschaftlicher Eigentümer letztlich nicht aufgelöst. Die seit Mitte des letzten Jahrzehnts eingeleiteten Gesetzesreformen haben zu einer Reform des AktG in kleinen Schritten geführt und dieses neu ausgerichtet. Deutlich wird dies an der Zweiteilung in börsennotierte und nicht notierte AG, die unter dem Dach des einen Gesetzes zusammengefaßt sind und daher im Hinblick auf die kapitalmarktorientierte, insbesondere die börsennotierte AG eine kapitalmarktorientierte Gesetzesauslegung erfordern. Fügt man die einzelnen Facetten der in den Reformgesetzen zum Ausdruck kommende Sichtweise vom Publikumsaktionär zusammen, ergibt sich das gesetzgeberische Bild des Aktionärs der börsennotierten AG als Verbandsmitglied und Anleger, so daß sich das AktG insoweit von dem rein verbandsrechtlich orientierten Ansatz gelöst hat. Die Ausformung dieses Verständnisses von der Rechtsstellung des Aktionärs zeigt sich bei der Ausgestaltung der Schutzinstrumentarien des AktG, die durch die Rechtsprechung vorbereitet oder nachvollzogen wurden. Deutlich wird dies bei den untersuchten Formen des Ausschlusses der Aktionäre aus der Gesellschaft und dem Unternehmen, wobei erstere durch den Gesetzgeber mit der Einführung der Vorschriften zum Minderheitenausschluß, §§ 327a ff. AktG, ausgeformt und die Zulässigkeit letzterer Ausschlußform schon früh durch den BGH bestätigt wurde. Diese Ausschlußformen und damit zugleich die Sichtweise des (Klein-) Aktionärs vornehmlich als Kapitalanleger wurden vom BVerfG verfassungsrechtlich abgesegnet. Das gewandelte Verständnis von der Rechtsstellung des Publikumsaktionärs erfährt mit den §§ 327a ff. AktG seine deutlichste Ausprägung, die zum stärksten Bruch mit dem verbandsrechtlichen Ansatz des Schutzes der Mitgliedschaft führen und zum Ausdruck bringen, daß die Beteiligungsgröße bis zu der Ausschlußgrenze des § 327a Abs. 1 S. 1 AktG für den Aktionär der börsennotierten AG Kapitalanlagecharakter hat. In Übereinstimmung insbesondere mit der jüngeren verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist die Beteiligung des Aktionärs einer börsennotierten AG, die fünf vom Hundert am Grundkapital der AG nicht übersteigt, damit in vermögensmäßiger Hinsicht schutz-

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würdig, nicht aber in ihrem Bestand. Die von Mülbert vorgetragene hybride Rechtsstellung des Aktionärs zwischen Verbandsmitgliedschaft und Anlegerposition ist insoweit zutreffend. Anderes gilt für den mit mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionär, so daß mit der eingeführten latenten Ausschlußgefahr Maßnahmen der Geschäftsleitung, die zur Verminderung dieser Beteiligungsquote am Grundkapital oder im Vorfeld schon zur Verschiebung der Beteiligungsverhältnisse führen, besonderer Beachtung bedürfen. Wird der vornehmlich als Anleger gesehene Aktionär in den Ausschlußkonstellationen nur vermögensrechtlich geschützt, so kommt der Verwirklichung des Anlegerschutzes im Aktienrecht besondere Bedeutung zu. Zwischen dem innergesellschaftlichen Schutz des Anlegers und des Verbandsmitglieds bestehen hinsichtlich der Ziele und der Gewichtung der Schutzinstrumente wesentliche Unterschiede, insbesondere in der Ausrichtung auf den Verbandszweck und der unterschiedlichen Bedeutung der Rechte zum Schutz der Vermögensinteressen im Vergleich zum Schutz der Mitverwaltungsrechte. Die Übereinstimmungen und Gegensätze zwischen einem auf das Verbandsmitglied und den Anleger ausgerichteten innergesellschaftlichen Aktionärsschutz haben ihre Bedeutung in der Kompromißlösung des AktG. Aufgrund der mit den Reformgesetzen verstärkten Ausrichtung der AG auf die Kapitalmärkte und die Interessen der Anleger wird der Konflikt zwischen den Regelungszielen des AktG 1965 – Schaffung einer ebenso funktionsfähigen wie fairen Verbandsorganisation einerseits und Förderung der Kapitalsammelfunktion andererseits – noch verschärft, da das AktG mit seinem verbandsrechtlichen Ausgangspunkt zunehmend mehr Kapitalmarktbezüge aufnimmt und damit einem sich „abzeichnenden Paradigmenwechsel vom Korporationsrecht zum Recht kapitalmarktvermittelter Anlegergemeinschaften“ unterliegt. Im Spannungsverhältnis zwischen der Ausrichtung an den Interessen des Anlegers und des Verbandsmitglieds steht der aktienrechtliche Schutz des Aktionärs, der durch verbandsrechtliche und kapitalmarktrechtliche Elemente bestimmt wird. Das AktG gewährt den Aktionären grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten unabhängig davon, welches Beteiligungsziel sie verfolgen. Mit der kapitalmarktorientierten Auslegung des AktG und der zunehmenden Dichte kapitalmarktrechtlicher Vorschriften gewinnt der kapitalmarkt(recht)liche Schutz aber erheblich an Bedeutung. Allerdings ist auch der Kleinaktionär, der nur Anlageinteressen verfolgt, Verbandsmitglied und Anleger, so daß auch er mittels verbandsrechtlicher Instrumente zu schützen ist. Das vornehmliche Anlageinteresse ist aber bedeutsam für die Schutzrichtung, die sich weniger auf seine Mitgliedschaftsstellung

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als vielmehr auf die Vermögenskomponente des Anlegers bezieht, so daß der innergesellschaftliche (Individual-)Schutz dieses Aktionärs an seinen Kapitalanlegerinteressen auszurichten ist. Die traditionellen verbandsrechtlichen Formen des Rechtsschutzes, die mit einer Blockadewirkung verbundene Anfechtungsklage und die Abwehrklage des Aktionärs, sowie das Klagezulassungsverfahren zur Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegen Verwaltungsmitglieder sind anders als der Vermögensschutz im Spruchverfahren allenfalls beschränkt geeignet sind, das Anlegerinteresse als vorrangiges Interesse des normtypischen Publikumsaktionärs zu schützen. 3. Im Dritten Teil wurde herausgearbeitet, daß entscheidendes Abgrenzungskriterium der Veräußerung neu ausgegebener oder wieder abgegebener Anteile an der AG zur Veräußerung sonstiger Vermögensbestandteile, die bei einem Verkauf unter Wert den Beteiligungswert der Aktionäre vergleichbar beeinträchtigen, die Gewährung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der AG ist. Solche Erwerbsformen sind sowohl für den rein anlage- als auch den verbandsmitgliedschaftlich orientierten Aktionär gefährlich. Denn es droht eine Verwässerung des Beteiligungsvermögens und zudem die Gefahr gezielter Eingriffe in die Aktionärsstruktur, die Mehrheitsverhältnisse in der AG verschieben und das Einflußinteresse sowie den Bestand des insbesondere mit mehr als fünf vom Hundert am Grundkapital beteiligten Aktionärs im Hinblick auf die Vorschriften in den §§ 327a ff. AktG beeinträchtigen können. Die AG und ihre Verwaltung haben sich daher jedes unmittelbaren Eingriffs in die Aktionärsstruktur durch Ausgabe neuer oder Wiederveräußerung eigener Aktien zu enthalten, es sei denn, die Hauptversammlung beschließt anderes. Neu ausgegebene oder wieder abgegebene Aktien sind folglich zuerst den Aktionären unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots zum Erwerb anzubieten. Nicht als ein solcher Eingriff anzusehen ist die Veräußerung eigener Aktien über die Börse, sofern Aktien dieser Gattung bereits börsennotiert sind und hiermit nicht die Beteiligungsquote der Aktionäre gezielt verändert wird. Die untersuchten Beschlußkompetenzen zu solchen Veräußerungsvorgängen, §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 5 Hs. 1, 293 Abs. 2, 320 Abs. 1 S. 1, 319 Abs. 2 S. 1 AktG und §§ 13 Abs. 1, 125 S. 1 UmwG, gewähren den Aktionären ein Mitwirkungsrecht bei der Festlegung der Veräußerungs-, Umtausch- bzw. Abfindungsbedingungen, um den Wert ihrer Beteiligung zu schützen. Die damit zugleich gegebene Befugnis zur Entscheidung über die Person des Erwerbers räumt ihnen das Recht ein, darüber zu befinden, ob die Verwaltung mit der Ausgabe der Aktien an die Erwerber in die Beteiligungsstruktur der AG eingreifen darf und damit eine Machtverschiebung zwischen den (Alt-)Aktionären und den Erwerbern

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stattfindet. Das Mitwirkungserfordernis der Hauptversammlung nach § 186 Abs. 3 S. 1 AktG dient weitergehend auch dem Schutz der Beteiligungsquote der Aktionäre, also einer Verminderung ihrer Quote am Grundkapital, die bei einem Absinken auf fünf vom Hundert am Grundkapital zugleich den Schutz der Aktionäre auf die Anlagekomponente ihrer Beteiligung an der AG absinken läßt. Der aktiengesetzliche Schutz gründet sich allerdings nicht nur auf Beschlußkompetenzen, sondern auch auf mitgliedschaftlichen Erwerbsrechten. Dies zeigt das Bezugsrecht gemäß § 186 Abs. 1 S. 1 AktG und das in § 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 3 und 5 AktG nur beschränkt zum Ausdruck kommende Erwerbsrecht, das die Aktionäre neben einer Ungleichbehandlung auch davor bewahren will, daß einzelne von der Verwaltung begünstigte Alt- oder Neuaktionäre die Beteiligung an der AG zu einem im Vergleich zu den Altaktionären günstigeren Einstandskurs erwerben. Der diesen Vorschriften zugrundeliegende Schutzgedanke bezweckt, die Aktionäre vor einem Eingriff der Verwaltung in die Aktionärsstruktur der AG und einer Verwässerung des Beteiligungswertes an den wiederveräußerten oder neu ausgegebenen Aktien zu schützen, das ihnen entsprechend ihrer Beteiligungsquote zusteht und seine Grundlage in der Mitgliedschaft hat. Das zweispurige Schutzsystem bei der Kapitalerhöhung, also Beschlußkompetenz der Hauptversammlung und Bezugsrecht der Aktionäre, gründet sich auf den besonderen Gefahren, die mit einer Kapitalerhöhung für die Aktionäre einhergehen, da den Aktionären neben der Vermögensbeeinträchtigung und einem Eingriff in die Beteiligungsstruktur auch eine Verschiebung der Beteiligungsquote droht. Das Bezugsrecht bei Kapitalerhöhungen dient daher dem Schutz sämtlicher Aktionäre. Mit dem Schutz vor Wertbeeinträchtigungen der Beteiligung infolge einer zu billigen Aus- oder Abgabe der Anteile wird das Anlegerinteresse der Aktionäre geschützt. Der Schutz der Beteiligungsstruktur und im Fall der Kapitalerhöhung der Beteiligungsquote schützt überdies die Mitgliedschaft des Aktionärs in ihrem Bestand. Denn mit einer Veränderung der Beteiligungsstruktur verändern sich die Stimmverhältnisse in der Hauptversammlung und mit einem Absinken der Beteiligungsquote können Minderheitenrechte verloren gehen, so daß im äußersten Fall ein Minderheitenausschluß nach den §§ 327a ff. AktG möglich wird. Ein Ausschluß des Bezugsrechts ist daher nur zulässig, wenn die Aktionäre generell vor einer Verwässerung des inneren Wertes ihrer Aktien geschützt werden, § 255 Abs. 2 S. 1 AktG. Überdies ist im Hinblick auf den Schutz der Beteiligungsquote der mit mehr als fünf vom Hundert beteiligen Aktionäre erforderlich, daß dieser sachlich gerechtfertigt ist. Der Schutz der Aktionäre vor einer Beeinträchtigung oder Verwässerung ihrer Vermögensposition vollzieht sich nach der Systematik des

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AktG durch das Gebot der Gleichbehandlung und den Grundsatz gleicher Zuteilung der Aktien einerseits und dem Grundsatz der Wertäquivalenz zwischen dem Wert der neu ausgegebenen oder veräußerten Aktien und der dafür erhaltenen Gegenleistung andererseits, was bei den Vorschriften, die eine Veräußerung börsennotierter Aktien zum Börsenpreis bzw. knapp darunter zulassen, deutlich wird. Dabei liegt der Schutz des mitgliedschaftlichen Vermögenswertes insoweit nicht in den Händen der Geschäftsleitung, sondern der Aktionäre mittels des Stimm- und Bezugsrechts. Die Beschlußkompetenz der Hauptversammlung und das Erwerbsrecht entspringen der Mitgliedschaft der Aktionäre. Das Verbot des Eingriffs der AG und der Verwaltung in die Aktionärsstruktur, dessen spezialgesetzliche Regelung das Verhinderungsverbot des § 33 WpÜG ist, läßt sich dabei nicht allein anhand des Gleichbehandlungsgrundsatzes begründen, sondern folgt aus den Treubindungen der AG gegenüber ihren Aktionären. Diese binden die AG dahingehend, neu ausgegebene oder wiederveräußerte Aktien den Aktionären unter Wahrung des Gleichbehandlungsgebots anzubieten. Die Kompromißlösung des Aktienrechts, den Aktionär abhängig von seiner Beteiligungsgröße mehr als Anleger oder als Verbandsmitglied zu schützen, findet damit eine deutliche Ausprägung. 4. Der Vierte Teil der Untersuchung ist den Rechten der Aktionäre beim Erwerb fremden Vermögens durch Hingabe von Aktien einer Tochtergesellschaft gewidmet, die aufgrund der hiermit einhergehenden Gefahren für die Aktionäre der Obergesellschaft und der ungenügenden gesetzlichen Ausformung Anlaß einer seit der Holzmüller-Entscheidung im Jahr 1982 bestehenden aktienrechtlichen Diskussion um ungeschriebene Mitwirkungsbefugnisse der Hauptversammlung sind. Ausgangspunkt ist dabei der dort geforderte und in der Gelatine-Entscheidung im Jahr 2004 bestätigte tiefe Eingriff in die Mitgliedsrechte der Aktionäre und deren im Anteilseigentum verkörperte Vermögensinteressen durch Umstrukturierungen, die auf die Unternehmensverfassung der AG und damit die Mitgliedschaft der Aktionäre und ihr Beteiligungsvermögen einwirken. Die Auswirkungen einer solchen Umstrukturierungsmaßnahme auf die Aktionärsstellung – Mediatisierung der Einfluß- und Vermögensrechte der Aktionäre und nachhaltige Schwächung des Wertes ihrer Beteiligung – sind dabei im Hinblick auf die untersuchten Formen der Anteilsveräußerungen nur teilweise geeignet, ein Mitwirkungsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft zu begründen. Beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen der Tochtergesellschaft läßt sich eine aktienrechtlich relevante Mediatisierung der Einflußrechte der Aktionäre nicht durchgängig nachweisen, was die mit

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einer solchen Umstrukturierung verbundene nachhaltige Schwächung des Beteiligungswertes der Aktionäre in den Mittelpunkt rückt. Da die Gewährung von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen an der Tochtergesellschaft unter Wert den Beteiligungswert der Aktionäre der Obergesellschaft und damit deren gesellschaftsrechtliche Beteiligung vermögensrechtlich vergleichbar dem entsprechenden Vorgang in der unverbundenen AG beeinträchtigt, kann der Kompetenzgrund der im Dritten Teil untersuchten Hauptversammlungskompetenzen übertragen werden. Bei Vorliegen der quantitativen Voraussetzungen ist daher die Hauptversammlung der Obergesellschaft bei sämtlichen Formen der Anteilsgewährung mit Drittbezug zu beteiligen. Die Konzeption einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz, die an der Veränderung der Beteiligungsquote der Ober- an der Tochtergesellschaft und der damit einhergehenden Gefahr der Vermögensbeeinträchtigung ihrer Aktionäre ansetzt, entgeht dabei der Gefahr der unklaren Abgrenzung von Geschäftsführungs- zu Strukturentscheidungen, da eine Verschiebung der Beteiligungsquote zu letzterem Bereich zu zählen ist und damit nicht in die Leitungskompetenz des Vorstandes fällt. Daß es dabei hauptsächlich um Vermögensschutz geht, steht dem nicht entgegen, da diese Schutzmechanismen in der unverbundenen AG auch zugunsten der Aktionäre bestehen, die dort bei entsprechenden Maßnahmen nach der Sichtweise des Gesetzes vornehmlich in ihrem Vermögensinteresse beeinträchtigt werden. Der hierdurch vermittelte Schutz greift unterhalb der vom BGH in seiner Entscheidung im Jahr 2004 klargestellten hohen Schwellenwerte nicht ein, so daß der Aktionärsschutz abgesehen von Fällen, die eine Satzungsänderung und deshalb eine Hauptversammlungsmitwirkung erfordern, nicht durch eine Beschlußkompetenz erreicht wird. Dieses Ergebnis ist insoweit stimmig, als eine Beteiligung der Hauptversammlung an solchen Maßnahmen in Tochtergesellschaften zu Recht eine Ausnahme darstellt, da eine zu enge Bindung an Beschlüsse „eine Lähmung der Gesellschaft zur Folge“ hat, und dies auch den im Zweiten Teil aufgedeckten Interessen der Publikumsaktionäre entspricht. Der vom BGH geforderte Schutz der Aktionäre vor einer nachhaltigen Schwächung ihres Beteiligungswertes und seine Zurückhaltung bei der Wesentlichkeitsgrenze zur Begründung einer ungeschriebenen Hauptversammlungszuständigkeit läßt aber zugleich die Frage aufkommen, ob der Schutz der Aktionäre unterhalb dieser Wesentlichkeitsschwelle statt einer entscheidungspolitischen Teilhabe durch materiellrechtliche Ansprüche gewährleistet werden kann. Der Ansatz des BGH ist insoweit nicht weiterführend, als er bei den Teilhaberechten in der Hauptversammlung, nicht aber bei materiellrecht-

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lichen mitgliedschaftlichen Individualrechten ansetzt. Da ein Schutzdefizit der Aktionäre aufgrund einer Anschauungslücke des Gesetzgebers besteht, die nach dem gesetzlichen Plan des Schutzes der Aktionäre vor den negativen Auswirkungen des Erwerbs fremden Vermögens gegen Gewährung von Tochtergesellschaftsanteilen als ausfüllungsbedürftig anzusehen ist, und Erwerbsvorgänge gegen Gewährung von Aktien der Tochtergesellschaft die Mitgliedschaftsstellung der Aktionäre der Obergesellschaft, konkret deren im Anteilseigentum verkörpertes Vermögensinteresse ebenso beeinträchtigen können wie in der unverbundenen AG, ist die im Dritten Teil ermittelte zweite Schutzkonzeption des Erwerbsrecht zu übertragen. Unterhalb der vom BGH in Gelatine-Entscheidung betonten Wesentlichkeitsschwelle sind daher entsprechend den Ergebnissen des Dritten Teils die Aktionäre durch ein Erwerbsrecht zu schützen, wobei allerdings der Ansatz, der ein solches Recht nur für Kapitalerhöhungen befürwortet, zu eng ist, da die Aktionäre etwa bei Veräußerungen von Tochtergesellschaftsanteilen in gleicher Weise beeinträchtigt werden. Ein solches Recht der Aktionäre ist daher wie die im Dritten Teil der Arbeit untersuchten Erwerbsrechte aus der Mitgliedschaft der Aktionäre abzuleiten und als Konkretisierung der Treubindungen der AG gegenüber ihren Aktionären zu verstehen, die im Einzelfall rechtsbegründende Wirkung entfalten und die AG dazu verpflichten können, ihren Aktionären solche Rechte einzuräumen, die einzellfall- oder fallgruppenbezogen zu beurteilen sind. Es kommt also entscheidend auf die Ausformung der Mitgliedschaftsstellung und die diese Stellung maßgeblich mitbestimmende Realstruktur der Gesellschaft an. In der Zusammenschau dieser Gesichtspunkte mit den in §§ 71 Abs. 1 Nr. 8 S. 4 und 186 Abs. 3 S. 4 AktG enthaltenen Wertungen wird deutlich, daß ein solches Recht regelmäßig nicht bestehen kann, wenn Aktien der Tochtergesellschaft über die Börse veräußert werden, deren Gattung bereits an der Börse notiert ist, da diese Veräußerungsform wegen ihrer Anonymität eine Neutralität des Verfahrens garantiert und den Vermögensschutz der Aktionäre aufgrund des bekannten Marktpreises regelmäßig sicher stellt. Aufgrund der im Zweiten Teil herausgearbeiteten Interessen der Publikumsaktionäre kommt daher ein Erwerbsrecht in Publikumsgesellschaften grundsätzlich nur in Betracht, wenn Anteile von Tochtergesellschaften veräußert werden, die bisher nicht börsennotiert sind, künftig aber deren Gattung notiert sein wird. 5. Im Fünften Teil wurde herausgearbeitet, daß die Börseneinführung von Tochtergesellschaften einer Hauptversammlungszustimmung in der Obergesellschaft nur bedarf, wenn eine der im Vierten Teil untersuchten Veräußerungsformen vorliegt. Allerdings ist für eine Befassung der Haupt-

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versammlung der Obergesellschaft weitere Voraussetzung, daß die vom BGH aufgestellten quantitativen Wesentlichkeitsgrenzen überschritten sind, was bei börsennotierten Publikumsgesellschaften als Obergesellschaft den Ausnahmefall darstellen wird. Die anschließend untersuchten, von § 255 Abs. 2 S. 1 AktG aufgestellten Anforderungen an die Preisfindung zeigen, daß die Aktien grundsätzlich nicht unter Wert, sondern vielmehr zum höchst erzielbaren Wert auszugeben sind und jede Preisfestsetzung darunter „unangemessen niedrig“ ist. Vor dem Hintergrund, daß § 186 Abs. 3 S. 4 AktG in Zeiten funktionierender Kapitalmärkte den Aktionären durch die gestattete, nicht wesentliche Unterschreitung des Börsenpreises im Rahmen der 10 %-Kapitalerhöhung eine gewisse Vermögensverwässerung im Interesse der günstigen Finanzierung der AG auferlegt, läßt sich schließen, daß in diesem Rahmen eine Veräußerung auch knapp unterhalb des aktuellen Börsenkurses zulässig, im Übrigen aber nicht gestattet ist. Daneben ist aus dem Wortlaut des § 255 Abs. 2 S. 1 AktG, der mit dem Merkmal der Angemessenheit Raum für eine allerdings durch § 243 Abs. 2 AktG eng begrenzte Wertungsentscheidung eröffnet, abzuleiten, daß im Interesse einer erfolgreichen Aktienplazierung eine Abweichung von dem ermittelten Wert in vergleichbarer Weise wie die von § 186 Abs. 3 S. 4 AktG gestattete Vermögenseinbuße zulässig ist. Bei der Erwerberauswahl, die einen an sich verbotenen Eingriff in die Aktionärsstruktur darstellt und der Ermächtigung durch die Hauptversammlung bedarf, hat der Vorstand bzw. die Verwaltung das Ziel zu verfolgen, den Emissionserlös zu optimieren und eine geeignete Zusammensetzung des Anlegerkreises zu erreichen, um einen langfristigen Erfolg des Börsengangs sicherzustellen. Die Auswahl der Erwerber bei der Zuteilung der Aktien hat damit auch ein zu erwartendes künftiges Anlegerverhalten der Investoren zu berücksichtigen. Der subjektive Charakter dieser im Hinblick auf das Anlageverhalten prognostischen Aktienzuteilung läßt es schwer erscheinen, eine Trennlinie zur willkürlichen Zuteilung zu ziehen. Damit muß dem Vorstand ein weiter Spielraum bei der Aktienzuteilung zukommen. Den gesetzlichen Grenzen, die der Vorstandskompetenz bei der Bestimmung des Ausgabepreises der Aktien Schranken setzen, kommt daher entscheidende Bedeutung zu. Sind die Preisfindung und die Erwerberauswahl bei der Börseneinführung im Interesse der günstigen Entwicklung der Kurse im Sekundärmarkt sehr komplex und schwierig, die einen breiten Entscheidungsraum der Verwaltung erfordern und für die Altaktionäre der Gesellschaft hinnehmbar sind, wenn sie über den Börsengang entscheiden konnten, so gilt anderes für die Aktionäre der Obergesellschaft beim Börsengang einer Tochtergesellschaft, wenn diese nicht zur Entscheidung berufen waren.

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Aus den im Schrifttum vertretenen Ansichten zu § 255 Abs. 2 S. 1 AktG läßt sich ableiten, daß die Verwaltung die Aktien nicht zwingend zu höchsten Kursen auszugeben, sondern vielmehr die vielschichtigen Interessen der abgebenden Aktionäre bzw. der Gesellschaft zu würdigen und die mit den unterschiedlichen Emissionspreisen verbundenen Vorund Nachteile abzuwägen hat. Denn zum einen besteht ein Interesse an einer Maximierung des Emissionserlöses, was einen möglichst hohen Emissionspreis erfordert; anderes gilt aber für eine sichere Plazierung der gesamten Tranche und einer im Sekundärmarkt positiven Kursentwicklung, die insbesondere einen nicht zu hohen Emissionspreis erfordert. Es kann daher keine generelle Pflicht des Vorstandes allein zur Erzielung eines höchstmöglichen Emissionspreises unter Ausblendung dieser weiteren Aspekte bestehen. Vor dem Hintergrund des über alle Ländergrenzen hinweg nachweisbaren Underpricing ist dies allerdings problematisch, so daß der Auswahl der Erwerber entscheidende Bedeutung zukommt, da diesen bei einer Zeichnung der neuen Aktien die Emissionsrendite zufließt. Die im Ersten Teil aufgedeckte typische Verminderung des Wertes der Obergesellschaftsaktien ab dem Zeitpunkt der Börseneinführung der Tochtergesellschaft legt es nahe, daß diese Wertverminderung durch eine Vereinnahmung der Zeichnungsrendite durch die Aktionäre der Obergesellschaft ausgeglichen wird. Das Problem der Vermögensverschiebung zwischen den Aktionären der Ober- und den Neuaktionären der Tochtergesellschaft wird im juristischen Schrifttum erst in jüngerer Zeit und dabei insbesondere im Hinblick auf die Ausgestaltung des Aktionärsschutzes kontrovers diskutiert. Im Schrifttum werden entsprechend der zunehmenden Diskussion des treffenden Schutzes von Aktionären in der börsennotierten Publikumsgesellschaft verschiedene Lösungsmöglichkeiten zu ihrem Schutz vorgeschlagen, die sich zwischen kapitalmarkt- und verbandsrechtlichen Konzeptionen bewegen. Der von der Mehrzahl der Stimmen bevorzugte Schutz durch eine Haftung der Organe greift allerdings zu kurz, so daß es des Rückgriffs auf das verbandsrechtliche Institut der Treubindungen bedarf, aus denen das Vorerwerbsrecht der Aktionäre der Obergesellschaft beim Börsengang der Tochtergesellschaft als Ausprägung des allgemeinen Erwerbsrechts herzuleiten ist. Mit der Betrachtung der Anforderungen an den Bezugsrechtsausschluß bei Kapitalerhöhungen in der unverbundenen AG und von Börsengängen von Tochtergesellschaften wurden zwei Schnittstellen der verbands- und kapitalmarktrechtlichen Dimensionen des AktG untersucht, bei denen die Zurückdrängung bzw. Begründung verbandsrechtlicher Schutzinstrumentarien und ein Schutz der Aktionäre durch den Kapitalmarkt besonders umstritten sind. Anhand der Untersuchung wurde deutlich, daß das AktG versucht,

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den unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen der Aktionäre der Publikums-AG zwischen reinen Kapitalanlage- und Mitunternehmerinteressen mit den verschiedenen Dimensionen des Aktionärsschutzes zu begegnen, die in jedem Fall den Vermögensschutz der Aktionäre sicherstellen sollen. Der Aktionär wird daher als Mitglied und Kapitalanleger gesehen. Abhängig von der Größe seiner Beteiligung überwiegt das eine Element das andere, so daß entweder der Vermögensschutz ganz im Vordergrund steht oder der Bestand der Mitgliedschaft und seine hieraus folgenden Einflußrechte hierzu gleichrangig geschützt werden. Der Schutz der Aktionäre als Verbandsmitglied und Anleger gründet sich daher im Aktienrecht auf beweglichen Schranken des Aktionärsschutzes abhängig von seinem Beteiligungsumfang. Da der Aktionärsschutz insbesondere in Zeiten von Marktunvollkommenheiten nicht durch eine Verweisung der Aktionäre auf den Kapitalmarkt zu erreichen ist, wie bei der Untersuchung der Kursentwicklungen und Schutzmöglichkeiten der Aktionäre beim Börsengang von Tochtergesellschaften aufgedeckt werden konnte, kommen verbandsrechtlichen Schutzinstrumentarien auch zugunsten der rein anlageorientierten Aktionäre besondere Bedeutung zu. Entsprechendes gilt für die stärker beteiligten Aktionäre, da die Aufnahme des Marktes dem Erwerb weiterer Aktien über den Kapitalmarkt zu adäquaten Preisen Grenzen setzt, so daß eine Beibehaltung der Beteiligungsquote etwa bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß über den Markt nicht in jedem Fall das Beteiligungsvermögen der Aktionäre unberührt läßt. Für den Schutz der Publikumsaktionäre entscheidend ist dabei, daß der einzelne Aktionär ohne größeren Aufwand und Kosten ein solches Recht geltend machen kann. Sofern solche Rechte durch die Leitungsorgane der Gesellschaft verletzt werden, ist daher für den breitflächigen Schutz der Publikumsaktionäre maßgeblich, ob die Geltendmachung eines solchen Rechtes durch den einzelnen Aktionär zugleich für die anderen wirkt, so daß auch Aktionäre geschützt werden, die aufgrund ihrer geringen Beteiligung aus rationalen Gründen ihre Rechte nicht geltend machen. Der verfahrensrechtlichen Ausformung des Schutzes der Anlegerinteressen der Publikumsaktionäre wird also künftig noch größere Bedeutung beizumessen sein.

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Sachregister Aktiengesellschaft – börsennotierte AG 39, 77, 110 ff., 128 ff., 145 ff. – Empirische Daten 33, 119 f., 130 ff. – Kapitalmarktöffnung 54 ff, 64 f., 92 f., 99 f., 112 ff., 128 ff., 509 – Kapitalpumpe 82 f., 143 – Kapitalsammelfunktion 82 ff., 142 ff., 151 ff., 191 ff., 236 ff. – kleine AG 110 f., 145 ff., 176, 480 – Publikums-AG 33, 77, 110 f., 119, 128 ff. Aktienrecht – AktG 1965 44, 81 ff., 128, 178 f., 397 – Aktien- und Kapitalmarktrecht 31 ff., 94 ff., 143 ff., 183 ff., 188 ff., 198 ff., 553 – Börsengesellschaftsrecht 148 f. – DeregulierungsG 108, 110 ff. – jüngste Änderungen 109, 121 ff., 216 f. – Kapitalmarktorientierte Auslegung des AktG 147 f. – KonTraG 108, 112 ff., 130, 149 – NaStraG 109, 114 f. – Regierungskommission Corporate Governance 114, 219 – SpruchG 109, 118 f. – StückAG 108, 112 f. – TransPuG 109, 117 f. – UMAG 109, 119 ff., 130, 215 f., 219 f. – UmwBerG 109, 112 – Verbands- und Kapitalmarktrecht 34 ff., 143 ff., 183 ff., 188 ff., 195 ff., 206 ff. – WpÜG 109, 115 ff.

Aktionär – Aktionär als Anleger 34, 79, 95 ff., 98 ff., 114, 128 ff., 150 ff., 182 ff., 206 ff., 231 ff. – Aktionärsforum 120 f., 140 – Aktionärstypen 120, 129 ff. – Anfechtungsrecht 118 f., 160, 209 ff., 212 ff., 264 f. – Corporate Governance 27, 59, 69, 97, 113 f., 120 f., 128 ff., 219 – exit 60, 133, 196 ff. – Herrschaftsrechte 137 ff., 141 ff., 163, 172, 178 ff., 206 ff., 231 ff., 264 ff., 269 ff., 409, 457 – Individualrechte 87 ff., 177 ff., 224 ff., 468 ff. – Kleinaktionär 34, 98 ff., 111, 114, 117, 120, 126, 129, 135 ff., 153 ff., 159 ff., 172 f., 179 f., 222 ff., 233, 267 – Publikumsaktionär siehe Publikumsaktionär – Stimmrecht 122 ff., 134, 135 ff., 144, 180 f., 206 – Teilhaberechte 87 ff., 120, 135 ff., 144, 163, 178 ff., 202, 206 ff., 231 ff. – Vermögensrechte 83, 99 ff., 144, 152 f., 177 f., 206 ff., 229, 231 ff., 269 ff., 354, 377 ff., 408 ff., 423 ff., 468 ff. – voice 60, 196 ff. Aktionärsausschluß – Aktienrechtlicher Minderheitenausschluß 115 ff., 121 f., 125, 155 ff., 247, 268, 270, 315, 353, 456 – Auflösung der Gesellschaft 157 f. – aus wichtigem Grund 168 f.

Sachregister – Ausschluß aus dem Unternehmen 158 ff. – Ausschlußformen 155 – Bestandsschutz der Mitgliedschaft 117, 119, 155 ff. – Feldmühle-Entscheidung 112, 116, 158 ff. – Linotype-Entscheidung 157 f. – Mehrheitseingliederung 167, 287 – Moto Meter-Entscheidung 158 ff. – Übernahmerechtlicher Aktionärsausschluß 121 f., 155 f. – Vermögensschutz der Beteiligung 159 ff. Aktionärsklage – Anfechtungsklage 118, 120, 175, 213 ff., 227 f., 264 f. – Holzmüller-Entscheidung 224 ff. – Individualklage 224 ff. – Mangusta/Commerzbank II-Entscheidung 225 – Siemens/Nold-Entscheidung 225, 228 f. – Spruchverfahren 118 f., 120, 162, 173, 175, 215 ff., 393 f. Aktionärsstruktur siehe Beteiligung – Eingriff in die Beteiligungsstruktur Anleger 39, 54 ff., 94 ff., 98 ff., 128 ff., 142 ff., 206 ff., 231 ff. – Anlageentscheidung 38 f., 55 ff., 94 ff., 135, 151, 185 f., 195 ff., 209 ff., 397 f. – Anlegerinteressen 125 ff., 132 ff., 181 f. – Anlegerrisiken 59 ff., 185, 188 ff., 192 f., 196 ff., 210 f. – exit 60, 133, 196 ff. – institutioneller Anleger 129 ff., 135 ff., 145, 152, 179, 233, 504, 506 – Typik des Anleger 132 ff. – voice 60, 196 ff. Anlegerschutz – Bedeutung 59 ff., 150 ff., 182 ff., 233 f.

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– durch Gesellschaftsrecht 94 ff., 150 ff., 195 ff., 206 ff., 231 ff. – durch Verbandsrecht 150 ff., 206 ff., 231 ff. – ex ante-Anlegerschutz 37, 188 ff., 191 ff., 201 ff., 558 – ex post-Anlegerschutz 37, 188 ff., 191 ff., 194 ff., 558 – exit 196 ff. – im Aktienrecht 182 ff. – Synchronisation des Anlegerschutzes 186 ff. – Vermögensbezogenes Aktionärsschutzkonzept 98 ff. – voice 196 ff. Auktionsverfahren beim Börsengang siehe Preisfindung – Auktionsverfahren Ausschluß des Aktionärs siehe Aktionärsausschluß Beteiligung – Eingriff in den Beteiligungswert 269 f., 279 f., 283, 288 ff., 311 ff., 410 ff., 421 f., 455 ff. – Eingriff in die Beteiligungsquote 237 ff., 269 f., 288 ff., 311 ff., 352 ff., 410 ff. – Eingriff in die Beteiligungsstruktur 269 f., 272 ff., 279 f., 288 ff., 307, 311 ff., 315 ff., 327 ff., 352 ff., 504 ff. – Innerer Wert 119 f., 250 ff., 255 f., 257 ff., 492 ff., 554 ff. Bezugsrecht 238 ff., 269 ff., 303 f. – allgemeines Bezugsrecht 304 ff. – Bezugsrecht im Konzern 49, 440 ff. – Doppelfunktion des Bezugsrechts 239 ff. – Entwicklung der Schutzrichtungen 265 ff. – Kritik am Bezugsrecht 245 f. – Schutz der Herrschaftsrechte 265 ff. – Vermögensschutz 265 ff.

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Sachregister

Bezugsrecht bei Veräußerung eigener Aktien siehe Erwerbsrecht Bezugsrechtsausschluß 238 ff., 269 ff. – Deutsche Bank-Entscheidung 244 f. – Entwicklung des Bezugsrechtsausschlusses 242 ff. – faktischer Bezugsrechtsausschluß 486 f. – Hauptversammlungskompetenz 270 f. – Holzmann-Entscheidung 244, 260, 262 – Kali+Salz-Entscheidung 242 ff., 265 ff. – Kali+Salz-Formel 243, 257, 259 f., 267 – Mangusta/Commerzbank II-Entscheidung 264 – Sachkontrolle 242 ff., 245 f., 257 ff., 264 ff., 269 – Siemens/Nold-Entscheidung 249, 257 ff., 490 f. – Vereinfachter Bezugsrechtsausschluß 111, 196 f., 249 ff. – Vereinfachung des Bezugsrechtsausschluß 249 ff. – Verwässerungsverbot 238, 258 f., 265 ff., 268 f., 484 ff., 492 ff. Börsengang – Kompetenzverteilung 477 ff. – Preisermittlung und Erwerberauswahl 507 ff. Börsengang von Tochtergesellschaften 62 ff., 476 ff. – Auswirkungen auf Kurs der Obergesellschaftsaktien 65 ff. – Empirische Untersuchungen 66 ff. – Hauptversammlungskompetenz 481 f. – Preisfestsetzung 501 f. – Preisermittlung und Erwerberauswahl 507 Bookbuilding-Verfahren siehe Preisfindung – Bookbuilding-Verfahren

Collective Action siehe Publikumsaktionär – Kollektivhandlungsproblem Delisting 137 ff. Erwerbsrecht – Allgemeines aktienrechtliches Erwerbsrecht 304 ff., 312 – bei Wiederveräußerung eigener Aktien 292 ff. – beim Börsengang der Tochtergesellschaft 544 ff. – in der Unternehmensgruppe 448 ff., 457 ff. – Schutzrichtungen 312 f. – Vorerwerbsrecht siehe Vorerwerbsrecht Gleichbehandlungsgrundsatz – bei Kapitalerhöhung 301 ff. – bei Übernahmen 327 – bei Veräußerung eigener Aktien 273 ff., 291 ff., 297 f. – Eingriff in die Aktionärsstruktur 353 ff., 504 f. – Gleichbehandlungsgebot 91, 211, 241, 336 f., 338 ff., 449 f., 459 f. – Gleichbehandlungsgebot und Treubindungen 314, 338 ff. – Kapitalmarktliche Gleichbehandlung 327 Hauptversammlung – Aktionärsforum 120 f., 140 – Empirische Daten zur Hauptversammlungsbeteiligung 134 f. – Interesse des Publikumsaktionärs 74, 135 ff., 142 f., 180 f. Hauptversammlungskompetenz – bei Auf- und Abspaltung 284 – bei Ausgliederung 285 – bei Eingliederung 287 – bei Kapitalerhöhungen 237 ff., 269 ff.

Sachregister – bei Unternehmensverträgen 285 f. – bei Veräußerung eigener Aktien 273 ff. – bei Verschmelzung 280 ff. – beim Börsengang der Gesellschaft 478 ff. – beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen 288 ff. – Eingriff in die Aktionärsstruktur 272 ff., 311 ff. – in der Unternehmensgruppe siehe Hauptversammlungskompetenz in der Unternehmensgruppe – Schutzrichtungen 272 ff., 311 ff. Hauptversammlungskompetenz in der Unternehmensgruppe 357 ff. – Abstimmung mit Macrotron 392 ff. – bei Anteilsveräußerungen 412 ff. – bei der Gruppenbildung 362 f. – bei der Gruppenumbildung und -leitung 363 f. – bei Kapitalerhöhungen unter Bezugsrechtsausschluß 400 ff. – beim Börsengang von Tochtergesellschaften 481 f., 533 ff. – beim Erwerb fremden Vermögens gegen Gewährung von Anteilen 434 ff. – Gelatine-Entscheidung 358 ff., 374 ff. – Grundlagen 358 ff. – Holzmüller-Entscheidung 358 ff., 361 ff., 402 ff., 412 ff., 441 ff. – Kompetenzverschiebung 45 f., 357 ff., 452 ff. – Mediatisierung 358 ff., 370 ff., 405 ff. – Nichtannahmebeschluß 358, 385 ff. – Schranken der Hauptversammlungskompetenz 437 f. – Schutz des Beteiligungswertes 410 ff. – Ungeschriebene Mitwirkungsrechte 358 ff., 375 ff., 389 ff.

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– Vermögensschutz 408 ff. – Wesentlichkeitsschwelle 366 ff., 394 f., 438 Kapitalerhöhung 237 ff. – Ausgabe- und Mindestpreis 484 ff. – Ausgabebetrag der neuen Aktien 492 ff. – Bezugsrecht siehe Bezugsrecht – Bezugsrechtsausschluß siehe Bezugsrechtsausschluß – Genehmigtes Kapital 237 ff., 244 f., 257 ff., 484 ff. – Hauptversammlungskompetenz 237 ff., 269 ff. – Innerer Wert 250 ff., 255 ff., 257 ff., 492 ff., 554 ff. – Kali+Salz-Entscheidung 492 f. – Ordentliche Kapitalerhöhung 237 ff. – Sachkontrolle 242 ff., 246, 259 ff., 264 ff., 269 – Verwässerungsverbot 238, 258 f., 265 ff., 484 ff., 492 ff. – Vorgaben zur Ermittlung des Ausgabekurses 484 ff. Kapitalerhöhung im Konzern siehe Hauptversammlungskompetenz in der Unternehmensgruppe – Kapitalerhöhung Kapitalmarkt – der Anleger auf dem Kapitalmarkt 73, 79, 182 ff. – gute Ordnung des Kapitalmarkts 119, 194 f. – Kapitalmarkttheorie 54 ff. – Primär- und Sekundärmarkt 191 f., 199, 507 ff., 518 f., 529 ff., 533 ff., 540, 543 Kapitalmarkteffizienz 55 ff., 122 f. – Aktionärsschutz in Zeiten von Marktineffizienzen 554 ff. – Allokationseffizienz 55 f., 191 f. – behavioral finance 57 f., 60, 193

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Sachregister

– Efficient Market Hypothesis 55 ff., 198 – Informationsasymmetrie 38, 69, 193 f., 198 f., 514 f. – Informationseffizienz 55 – Innerer Wert 198 f., 250 ff., 255 f., 492 ff., 554 ff. – Marktanomalie 58, 68 ff., 514 ff., 554 ff. – noise trader 57 Kapitalmarktrecht 31 ff., 94 ff., 98 ff., 143 ff., 183 ff., 188 ff., 198 ff., 553 f. Konzern – Begriff des Konzerns 39 ff. – Betriebswirtschaftliche Erfassung 41 ff. – Holzmüller-Entscheidung 45 ff., 358 ff., 361 ff., 402 ff., 412 ff., 441 ff. – Konzernbildung 43 ff., 358 ff. – Konzernrecht 42 ff. – konzernspezifische Binnenordnung 48 f., 53 – Konzernumbildung und -leitung 45 f., 358 ff., 400 ff. – Konzernverständnis 46 ff. – Rechtswissenschaftliche Erfassung 42 ff. – Unternehmensgruppe 43 ff. Macrocron-Entscheidung siehe Delisting Mediatisierung 45, 174, 358 ff., 370 ff., 405 ff. Mitgliedschaft 87 ff., 91 f., 99, 124, 127, 144, 149 f., 153 ff., 155 ff., 228, 231, 238, 247, 249 – Bezugsrecht 238 ff., 269 ff., 303 f. – Erwerbsrecht 304 ff. – Haftung wegen Verletzung der Mitgliedschaft 221 f. – Vorerwerbsrecht beim Börsengang 544 ff.

Preisfestsetzung – Aktienrechtliche Vorgaben 484 ff. – Interessenlage 507 ff. – Kompetenz der Verwaltung 483 – Underpricing 70, 512 ff., 530, 540, 543, 555 Preisfindung – Auktionsverfahren 524 ff. – Bookbuilding-Verfahren 248, 522 ff., 550 – Festpreisverfahren 520 ff. – Preisfindungsverfahren 512 ff., 519 ff. Prisoners’ Dilemma siehe Publikumsaktionär – Gefangenendilemma Publikumsaktionär 100, 129 ff., 152 f., 177 ff., 186, 203, 211, 222, 226, 229, 231 ff., 384 ff. – Aktionär in der Publikums-AG 129 ff. – Bedeutung der Herrschaftsrechte 178 ff. – Bedeutung der Vermögenskomponente 177 f. – Empirische Daten 33, 130 f. – Gefangenendilemma 137 ff. – Interessenrichtungen 135 ff., 181 f. – Kollektivhandlungsproblem 137 ff. – Leitbild des Publikumsaktionärs 132 ff. – rationale Apathie 114, 139 f., 557 – Rechtsstellung des Publikumsaktionärs siehe Rechtsstellung des Aktionärs Rechtsstellung des Aktionärs – Aktionär als Investor 95 ff. – Aktionär als wirtschaftlicher Eigentümer 81 ff. – Anleger 95 ff., 98 ff., 142 ff., 171, 176, 206 ff., 231 ff. – Grundpositionen 80 ff. – Hybride Rechtsstellung 98 ff.

Sachregister – Individual-, Minderheiten- und Kapitalanlegerschutz 91 ff. – Jüngere normative Entwicklungen 108 ff. – Kleinaktionär 34, 98 ff., 111, 114, 117, 120, 126, 129, 135 ff., 153 ff., 159 ff., 172 f., 179 f., 222 ff., 233, 267 – Ökonomische Grundlagen und rechtstatsächliche Entwicklungen 128 ff. – Publikumsaktionär 177 ff., 233 ff. – Rechtsformübergreifende Grundgedanken 86 ff. – Verbandsmitglied 86 ff., 98 ff., 142 ff., 171, 176, 206 ff., 231 ff. – verfassungsrechtlicher Schutz 85 ff., 160 ff. – Vermögenschutzbezogener Aktionärsschutz 98 ff. Sachkontrolle von Hauptversammlungsbeschlüssen 100, 158, 164, 215, 242 ff., 246, 257 ff., 264 ff., 269 Schutz des Beteiligungsvermögens siehe Aktionärsausschluß – Vermögensschutz der Beteiligung shareholder value 64 f., 102, 113 Treubindungen 90 f., 204, 211, 473 ff. – bei Hauptversammlungsbeschlüssen siehe Sachkontrolle bei Hauptversammlungsbeschlüssen – Gleichbehandlungsgebot und Treubindungen 338 ff. – Grenzen 463 ff., 551 – in der Publikums-AG 559 – Treupflicht und Gleichbehandlungsgebot 338 ff. – Vorerwerbsrecht 534 ff., 554 ff. – zwischen AG und Aktionär 339 ff., 446, 457 ff., 545 – zwischen Vorstand und Aktionären 332 ff.

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Ungeschriebene Mitwirkungserfordernisse siehe Hauptversammlungskompetenz in der Unternehmensgruppe Veräußerung eigener Aktien 273 ff. – Erwerbsrecht 304 ff., 352 ff. – Hauptversammlungskompetenzen 273 ff. – im Rahmen der Kapitalherabsetzung 300 – in der Unternehmensgruppe 434 ff. – infolge Kaduzierung 300 f. – nach § 71 Abs. 1 AktG 291 ff. – nach § 71c Abs. 1, 2 AktG 298 f. – ungebundene Veräußerungsfälle 290 ff. – Veräußerungsfälle bei Kapitalerhöhungen 301 ff. Verbandsmitgliedschaft siehe Rechtsstellung des Aktionärs – Verbandsmitglied Vermögensschutz 100, 118, 120, 126, 153, 155 ff., 268, 307, 313 f., 355, 421 ff., 425 ff., 455 f., 497 – beim Aktionärsausschluß 158 ff. siehe Aktionärsausschluß, Vermögensschutz der Beteiligung – DAT/Altana-Entscheidung 176 – Feldmühle-Entscheidung 158 ff., 165 – Moto Meter-Entscheidung 158 ff., 165 – Vermögensschutzbezogener Aktionärsschutz siehe Rechtsstellung des Aktionärs, Vermögensschutzbezogener Aktionärsschutz Vorerwerbsrecht 54, 476 f., 534 ff., 544 ff. Vorstand – Ausrichtung auf Anlegerinteressen 151 f. – Business Judgement Rule 219 ff. – Haftung 35, 119, 217 ff., 248, 331, 542 ff., 556 f. – Leitungskompetenz 180, 322, 332, 336, 357

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Sachregister

– Neutralitätspflicht 315 ff., 322 ff. – Pflichten bei der Erwerberauswahl 502 ff. – Pflichten bei Ermächtigung zur Ausgabe genehmigten Kapitals 489 ff. – Pflichten bei Ermittlung des Ausgabepreises 482 ff. – Pflichten beim Bezugsrechtsausschluß 258 ff.

– Principal-Agent-Theorie 202 f. – Treuhänder 329 ff. – Treupflicht 332 ff. – Verhaltenspflichten nach AktG 320 ff. – Verhaltenspflichten nach WpÜG 316 ff. – Verhinderungsverbot 316 ff.