Akquise@B2B: Neukundengewinnung im digitalen Zeitalter [2., aktualisierte Auflage] 3658409460, 9783658409463, 9783658409470

Dieses Buch zeigt, wie Unternehmer und Führungskräfte die Digitalisierung nutzen können, um Neukunden zu gewinnen und zu

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Akquise@B2B: Neukundengewinnung im digitalen Zeitalter [2., aktualisierte Auflage]
 3658409460, 9783658409463, 9783658409470

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Teil I Bestandsaufnahme – Was hat sich durch die Digitalisierung bereits verändert, wo stehen wir und wohin geht die Reise?
4 Digitalisierung bedeutet, Kundenverhalten und Geschäftsmodelle besser zu verstehen
Zusammenfassung
4.1 Vier Trends, die unseren Umgang mit Kunden verändert haben
4.1.1 Trend #1: Kostenlos, komfortabel und sofort
4.1.2 Trend #2: Asynchron und unverbindlich
4.1.3 Trend #3: Flexibel und vielleicht
4.1.4 Trend #4: Big & Small Data
4.2 Wie sprechende Maschinen unsere Geschäftswelt beeinflussen werden
4.2.1 Drei relevante Entwicklungen für mittelständische Unternehmen
4.2.2 Digitale Sprachschnittstellen und ihre Bedeutung für Unternehmer
4.3 Digitale Vertriebs- und Marketingtools, die Sie kennen sollten
4.3.1 Retargeting und Lookalike Audience
4.3.2 Videokommunikation
4.3.3 Terminplanung
4.3.4 Chat-Systeme & Chatbots
4.4 Sind unsere Kunden und Wettbewerber schon digital?
4.4.1 Wenn es bequem, einfach und kostengünstig ist, wird es sich durchsetzen
4.4.2 Was wäre, wenn …?
4.5 Geschäftsmodelle neu denken
4.5.1 Warum das „alte Marketing“ immer weniger funktioniert
4.5.2 Eine erfolgreiche Verbindung entsteht, wenn das Angebot zum Bedarf passt
Literatur
3 Wie die Digitalisierung schon heute die analoge Geschäftswelt bereichert
Zusammenfassung
3.1 Digitalisierung und menschliche Kommunikation
3.2 Was steht uns im B2B mit der Digitalisierung noch bevor?
3.2.1 Die drei Stufen der Digitalisierung erkennen und vorbereitet sein
3.2.2 Digitalisierung im Vertrieb ist ein Prozess und kein Zustand
3.2.3 Kernfragen zur Digitalisierung, die Sie sich stellen müssen
3.3 Digitalisierung bedeutet, Entscheidungen zu treffen
3.3.1 Regel 1: Entscheiden Sie sich für einen Anbieter mit einem soliden Geschäftsmodell
3.3.2 Regel 2: Never build your house on rented land
3.3.3 Regel 3: Eins nach dem anderen und das Wichtigste zuerst
3.3.4 Regel 4: Risiken eingehen, ohne riskant zu investieren
2 Interesse als Motor der Kundengewinnung im B2B
Zusammenfassung
2.1 Interesse finden statt wecken
2.1.1 B2B-Marketing heißt, bestehendes Interesse erkennen
2.1.2 Von der Werbebotschaft zur Fachzeitschrift
2.1.3 Vom Interesse zum Umsatz im B2B-Marketing
2.2 Automatisierung im B2B-Marketing
2.2.1 Werbung im ursprünglichen Sinne begreifen
2.2.2 Den digitalen Fußabdruck gewinnbringend nutzen
1 Verändertes Informations- und Kommunikationsverhalten
Zusammenfassung
1.1 Informationsquelle Internet
1.2 Soziale Netzwerke und Geschäftskunden
1.3 Mobil und „always on“
Teil II Zukunftsstrategie – Wie können wir Kundenbeziehungen durch digitale Werkzeuge stärken?
6 Digitale und analoge Arbeitshilfen für den Vertrieb
Zusammenfassung
6.1 Zentrale Datendrehscheibe CRM-System
6.1.1 Was alle CRM-Systeme können (müssen)
6.1.2 Zusatzfunktionen und Schnittstellen, die Sie einplanen sollten
6.2 Gesprächslandkarten: Sichere Basis für Routinetätigkeiten
6.2.1 Individuelle Gesprächslandkarte für Verkaufsgespräche
6.2.2 Bauplan für Ihre Gesprächslandkarte
5 Customer Journey planen und aussichtsreiche Leads generieren
Zusammenfassung
5.1 Customer Journey: Potenzielle Kunden auf eine Reise mitnehmen
5.1.1 Vom Content-Element zur Customer Journey
5.1.2 Bei der Planung der Customer Journey ist das Ziel der Weg
5.2 Content Marketing als Lead-Generator
5.2.1 Grundlagen für die erfolgreiche Leadgewinnung
5.2.2 In vier Schritten zu Leadgenerierung der Spitzenklasse
5.2.3 Übersicht der Anbieter von Besucheranalyse-Dienstleistungen
5.3 Leadmanagement als Prozess
5.3.1 Leadmanagement heißt Verkaufschancen gewichten
5.3.2 Cleveres Leadmanagement heißt Leads radikal filtern
Literatur
Teil III Methoden und Soft Skills – Wie müssen sich die Fähigkeiten von Menschen erweitern?
10 Soziale Netzwerke: XING und LinkedIn als Instrumente zur Neukundengewinnung
Zusammenfassung
10.1 Wie gelingt Verkaufen mit XING und LinkedIn?
10.2 Verkaufen per Video statt Prospekt
10.2.1 Video im Vertrieb – Welche Technik eignet sich?
10.2.2 Sales on Camera – So gelingt Vertrieb per Video
10.2.3 Scheitern an der Technik – Wie einfach ist es für den Kunden?
10.2.4 Zeit- und Kostenersparnis durch Video im Vertrieb
10.3 Verkaufen als „Superstar“?
10.4 Social Media professionell nutzen
9 Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling und Nicht-Präsentation
Zusammenfassung
9.1 Mit Geschichten fesseln statt erklären
9.2 Präsentieren oder Nicht-Präsentation?
9.2.1 Die klassische Präsentation – und warum sie ausgedient hat
9.2.2 Die Nicht-Präsentation
9.2.3 Elemente der Nicht-Präsentation und Tipps zur Umsetzung
Literatur
8 Skills, die heute im B2B-Verkaufsgespräch benötigt werden
Zusammenfassung
8.1 Echtes Verständnis als Credo für moderne Verkaufsgespräche
8.1.1 Der beste Einstieg in ein Verkaufsgespräch
8.1.2 Die wichtigste Frage im Verkaufsgespräch
8.1.3 Handlungsdruck methodisch herausfinden
8.1.4 Mit dem Visionsbrief die Entscheidung begünstigen
Literatur
7 Schriftliche und telefonische Anbahnung von Kundenbeziehungen im B2B
Zusammenfassung
7.1 Schriftlich Kunden gewinnen
7.1.1 Kundenakquise durch ein Anschreiben erfolgreich machen
7.1.2 Variationen zum Anschreiben zur Kundenakquisition
7.2 Telefonakquise – Clevere Wege zum Entscheider
7.2.1 Stolpersteine bei der telefonischen Akquise
7.2.2 Fünf Tipps zur Vorbereitung der Telefonakquise
7.2.3 Akquise per Sprachnachricht
7.3 Gesprächseinstieg und die ersten kritischen Sekunden bei der Akquise auf Veranstaltungen
Literatur
Teil IV Umsetzung – Welchen Fahrplan brauchen wir für die Digitalisierung in Marketing und Vertrieb?
12 Aktionspläne
Zusammenfassung
12.1 Aktionsplan: Persona
12.1.1 Wie gut kennen Sie Ihre Wunschkunden?
12.1.2 Wunschkunden fokussieren – dann findet man sie auch
12.1.3 Die wichtigsten Kriterien für Ihren Wunschkunden
12.1.4 So erhält Ihre Zielgruppe ein Gesicht
12.2 Aktionsplan: Webseite
12.2.1 Eine neue Webseite planen
12.2.2 Eine bestehende Webseite fit machen
12.2.3 IP-Tracking, Retargeting und Datenschutz
12.3 Aktionsplan: Redaktion
12.3.1 Recherche
12.3.2 Keyword- Recherche Ziel 1: Varianten finden
12.3.3 Keyword-Recherche Ziel 2: Wettbewerb analysieren
12.3.4 Themenplan
12.3.5 Produktion für Content effizient organisieren
12.4 Aktionsplan: CRM
12.4.1 Welche Funktionen hat ein CRM-System?
12.4.2 CRM-Systeme sind Adressdatenbanken
12.4.3 Protokoll aller Geschäftsvorfälle im CRM-System
12.4.4 Sales-Funnel wird durch CRM-System möglich
12.4.5 Aufgabenplanung und -steuerung im CRM-System
12.4.6 Marketingsteuerung durch ein CRM-System
12.4.7 Zugriff und Datenschutz im CRM-System
12.4.8 CRM-Systeme sinnvoll nutzen
12.5 Aktionsplan: Funnel
12.5.1 Das Struktur-Modell für einen Funnel
12.5.2 Feste und dynamische Funnel
12.6 Aktionsplan: Berichte
12.6.1 Forecast
12.6.2 Qualität der Pipeline
12.6.3 Umfragen
Literatur
11 Ihre Bestandsaufnahme
Zusammenfassung
11.1 Die Definition der Persona
11.2 Kernprobleme und -Interessen
11.3 Marketingprozesse
11.4 Vertriebsprozesse
Fazit: Nach der Digitalisierung ist vor der Digitalisierung

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Edition Sales Excellence

Stephan Heinrich

Akquise@B2B Neukundengewinnung im digitalen Zeitalter 2. Auflage

Edition Sales Excellence Reihe herausgegeben von Eva-Susanne Krah, Springer Gabler, Springer Fachmedien Wiesbaden, Wiesbaden, Hessen, Deutschland

Die Edition Sales Excellence bietet fundierte, praxisorientierte Fachinformation und Hintergrundberichte für alle Ebenen im Vertrieb – kompetent aufbereitet von renommierten Autoren aus Wissenschaft, Beratung und Vertriebspraxis. Indem sie neueste Forschungsergebnisse mit Beispielen und Erkenntnissen aus dem Vertriebsalltag verknüpfen, stellen die Fachautoren einen hohen Praxisbezug sicher und zeigen, mit welcher Dynamik sich vertriebsrelevante Themen wie beispielsweise Digitalisierung, Kundenbeziehungsmanagement, Pricing, Kundenprofitabilität, Vertriebsteuerung oder Führung entwickeln. Freuen Sie sich auf einen spannenden Mix aus theoretischem Wissen und praktischen Tipps.

Stephan Heinrich

Akquise@B2B Neukundengewinnung im digitalen Zeitalter 2., aktualisierte Auflage

Stephan Heinrich Content Marketing Star GmbH Trier, Deutschland

Die Online-Version des Buches enthält digitales Zusatzmaterial, das durch ein Play-Symbol gekennzeichnet ist. Die Dateien können von Lesern des gedruckten Buches mittels der kostenlosen Springer Nature „More Media“ App angesehen werden. Die App ist in den relevanten App-Stores erhältlich und ermöglicht es, das entsprechend gekennzeichnete Zusatzmaterial mit einem mobilen Endgerät zu öffnen. ISSN 2662-9208 ISSN 2662-9216  (electronic) Edition Sales Excellence ISBN 978-3-658-40946-3 ISBN 978-3-658-40947-0  (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020, 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Imke Sander Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Vorwort

„Digitalisierung“ ist ein omnipräsentes Schlagwort geworden. Viele Menschen können es schon lange nicht mehr hören – und ich selbst zähle mich mit dazu. Ich bin es müde, gezeigt zu bekommen, was Google, Apple, Amazon und die anderen Giganten aus den USA tun. Als mittelständischer Unternehmer kann ich daraus nur selten sinnvolle Konzepte für mein Geschäftsfeld ableiten. Digitalisierung meint auch nicht Elektrifizierung. Schlechte Prozesse bleiben schlecht, auch wenn man sie mit Computern durchführt. Der Begriff „digital“ ist von dem lateinischen Wort „digitus“ abgeleitet. Das Wort bedeutet schlicht Finger und bezieht sich auf die zählende Funktion, die Finger nicht nur in der Antike hatten. Digitalisierung bedeutet also in erster Linie, die Prozesse in Unternehmen zählbar, messbar und wiederholbar zu machen. In diesem Buch erspare ich meinen Lesern platte Vergleiche und Heldengeschichten aus dem Silicon Valley. Stattdessen suche ich eine ernste Auseinandersetzung mit der Frage, was wir hier in Europa tatsächlich anwenden können. Welche Konzepte zur Nutzung digitaler Technik passen so in unsere Geschäftspraxis, dass sie messbare Ergebnisse liefern? Neukundengewinnung im digitalen Zeitalter Kaum ein gesundes Unternehmen kann ohne Neukunden überleben. Fast alle Unternehmen haben Wachstumsziele. Selbst wenn kein wesentliches Wachstum vorgesehen ist, müssen Ausfälle durch ausscheidende Kunden ersetzt werden. Ein steter Zufluss an neuen Kunden ist also ein fester Bestandteil eines jeden soliden Geschäftsmodells. Die Gewinnung neuer Kunden auf herkömmliche Weise wird immer schwieriger. Wenn man Kaltakquise per Telefon und andere bewährte Methoden der 90er-Jahre nutzt, erhält man immer schlechtere Ergebnisse. Viele Kunden sind telefonisch nicht mehr so gut erreichbar. Einige haben gar keine Festnetztelefone mehr. Wie soll man da telefonisch neue Kunden gewinnen?

VII

VIII

Vorwort

Hat die Neukundengewinnung per Telefon ausgesorgt? Nein. Allerdings muss man bedenken, dass die Telefongewohnheiten der Menschen sich immer mehr verändern. Ich habe zum Beispiel kein Festnetztelefon mehr. Privat nicht und auch nicht in meinen Unternehmen. Alle Mitarbeiter nutzen ihr geschäftliches Mobiltelefon, und die Telefonnummer der Firma ist auf ein Call-Center umgeleitet, das die Anrufe aufnimmt und per E-Mail an die jeweiligen Mitarbeiter weiterleitet. Das bedeutet: Keine Chance für 08/15-Verkäufer, die um Rückruf bitten, nach dem „zuständigen Mitarbeiter für … fragen“ oder die Nachricht hinterlassen, dass sie „es später noch einmal versuchen wollen“. Wie sollen Unternehmen sich auf diese veränderten Bedingungen einstellen? Was können Verkäufer tun, um dennoch die richtigen Personen zu erreichen, die wir brauchen, um gute Geschäfte zu machen? Wie entwickelt sich moderne Akquise? So klappt Neukundengewinnung heute In diesem Buch erarbeiten wir die Methoden moderner Kundengewinnung. Die gute alte Akquise von Mensch zu Mensch hat längst nicht ausgedient, aber sie hat sich verändert. Statt ein Branchenbuch oder gekaufte Adressen von A bis Z durchzutelefonieren, was in den 80er-Jahren durchaus funktioniert hat, dürfen wir uns heute bessere Methoden einfallen lassen. Dabei geht es nicht darum, dass nur noch digitale Kommunikation sinnvoll ist – ganz im Gegenteil. Denn Geschäfte werden nach wie vor zwischen Menschen gemacht. Es ist nur so, dass sich unsere Gewohnheiten verändert haben. Wir kommunizieren anders als noch vor 20 Jahren. Selbst betagte Mitmenschen nutzen heute wie selbstverständlich die Kommunikation per WhatsApp oder sind auf Facebook unterwegs. Video-Botschaften in der Familie und mit Freunden sind längst an der Tagesordnung. Social Media nutzen wir zur Kommunikation mit unseren Freunden und auch als Konsumenten im Umgang mit Firmen. Wir bilden uns eine Meinung online und suchen Lösungen, bevor wir eine Anschaffung in Erwägung ziehen. Unsere Erwartungshaltung an den Umgang im Geschäftsleben ändert sich dadurch langsam, aber stetig. Einige besonders fortschrittliche Unternehmen haben bereits digitale Erfahrungen gesammelt, die jedoch nicht immer nur positiv waren. Es bleibt die Frage, was sich bewährt hat und was seriöse Unternehmen jetzt tun sollen. Eine neue Generation der Entscheider reift heran, die ohne Vorzimmer und Postmappe arbeiten wollen. Sie sind mobil und nur erreichbar, wenn sie selbst es wollen. Darauf dürfen wir uns einstellen. Die besten Konzepte für effiziente Neukundengewinnung In diesem Buch habe ich zusammengetragen, was moderne Unternehmen bei der Gewinnung neuer Kunden richtig machen. Das umfasst Themen wie Leadgenerierung, Akquise per Social Media und Verkaufsgespräche mit Skype & Co. Ebenso habe ich neue Ideen und Methoden für die Kaltakquise auf Veranstaltungen und für die schriftliche Akquise per E-Mail und anderen Medien für Sie aufbereitet.

Vorwort

IX

Wichtig ist jedoch vor allem, dass die grundsätzlichen Konzepte und Methoden zur erfolgreichen Kommunikation mit Interessenten, mit potenziellen Kunden und bestehenden oder wiederkehrenden Kunden entschlüsselt werden. Denn hier sollen Sie, liebe Leser, keine „Mach es so wie ich“-Geschichten aufgezwungen bekommen. Mein Ziel ist es, dass Sie die Zusammenhänge und Strukturen erkennen, damit Sie die für Ihr Unternehmen passenden Methoden und Konzepte herausgreifen und Ihren Vertrieb und Ihr Marketing auf die Anforderungen einer immer digitaler werdenden Welt einstellen können. Ergänzung zur 2. Auflage 2023 Auf dem Gebiet der Digitalisierung gibt es ständig Neuerungen: Werkzeuge ändern sich, Funktionen von Software werden neu gedacht und einiges kommt hinzu oder landet auf dem Schrottplatz der digitalen Geschichte. Beim Erarbeiten der zweiten Auflage habe ich Quellenangaben, Studien und Links überarbeitet und an den heutigen Stand angepasst.  Am Prinzip hat sich jedoch nicht viel geändert. Als Ersatz für das Credo des letzten Jahrhunderts „Tu Gutes und sprich darüber!“ ist der Königsweg in der digitalen Neukundengewinnung noch immer „Sei relevant und liefere Werte!“ Vermutlich wird es noch eine Weile dauern, bis dieser neue Standard für professionelle Kundengewinnung die althergebrachten Konzepte endgültig abgelöst hat. Umso mehr Motivation für Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt gleich den richtigen Weg einzuschlagen und die Kunden zu gewinnen, die Sie sich verdient haben. Stephan Heinrich

Inhaltsverzeichnis

Teil I

Bestandsaufnahme – Was hat sich durch die Digitalisierung bereits verändert, wo stehen wir und wohin geht die Reise?

1

Verändertes Informations- und Kommunikationsverhalten. . . . . . . . . . . . . 3 1.1 Informationsquelle Internet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 1.2 Soziale Netzwerke und Geschäftskunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1.3 Mobil und „always on“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

2

Interesse als Motor der Kundengewinnung im B2B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.1 Interesse finden statt wecken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2.1.1 B2B-Marketing heißt, bestehendes Interesse erkennen. . . . . . . 12 2.1.2 Von der Werbebotschaft zur Fachzeitschrift. . . . . . . . . . . . . . . . 13 2.1.3 Vom Interesse zum Umsatz im B2B-Marketing . . . . . . . . . . . . 15 2.2 Automatisierung im B2B-Marketing. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2.2.1 Werbung im ursprünglichen Sinne begreifen. . . . . . . . . . . . . . . 17 2.2.2 Den digitalen Fußabdruck gewinnbringend nutzen. . . . . . . . . . 17

3

Wie die Digitalisierung schon heute die analoge Geschäftswelt bereichert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.1 Digitalisierung und menschliche Kommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 3.2 Was steht uns im B2B mit der Digitalisierung noch bevor? . . . . . . . . . . . 22 3.2.1 Die drei Stufen der Digitalisierung erkennen und vorbereitet sein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 3.2.2 Digitalisierung im Vertrieb ist ein Prozess und kein Zustand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 3.2.3 Kernfragen zur Digitalisierung, die Sie sich stellen müssen. . . 25 3.3 Digitalisierung bedeutet, Entscheidungen zu treffen. . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3.3.1 Regel 1: Entscheiden Sie sich für einen Anbieter mit einem soliden Geschäftsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3.3.2 Regel 2: Never build your house on rented land . . . . . . . . . . . . 28

XI

XII

Inhaltsverzeichnis

3.3.3 3.3.4 4

Digitalisierung bedeutet, Kundenverhalten und Geschäftsmodelle besser zu verstehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 4.1 Vier Trends, die unseren Umgang mit Kunden verändert haben. . . . . . . . 31 4.1.1 Trend #1: Kostenlos, komfortabel und sofort. . . . . . . . . . . . . . . 32 4.1.2 Trend #2: Asynchron und unverbindlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 4.1.3 Trend #3: Flexibel und vielleicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.1.4 Trend #4: Big & Small Data . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 4.2 Wie sprechende Maschinen unsere Geschäftswelt beeinflussen werden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 4.2.1 Drei relevante Entwicklungen für mittelständische Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 4.2.2 Digitale Sprachschnittstellen und ihre Bedeutung für Unternehmer. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4.3 Digitale Vertriebs- und Marketingtools, die Sie kennen sollten. . . . . . . . . 39 4.3.1 Retargeting und Lookalike Audience. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4.3.2 Videokommunikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4.3.3 Terminplanung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 4.3.4 Chat-Systeme & Chatbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 4.4 Sind unsere Kunden und Wettbewerber schon digital?. . . . . . . . . . . . . . . 45 4.4.1 Wenn es bequem, einfach und kostengünstig ist, wird es sich durchsetzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 4.4.2 Was wäre, wenn …?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 4.5 Geschäftsmodelle neu denken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4.5.1 Warum das „alte Marketing“ immer weniger funktioniert. . . . . 49 4.5.2 Eine erfolgreiche Verbindung entsteht, wenn das Angebot zum Bedarf passt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

Teil II 5

Regel 3: Eins nach dem anderen und das Wichtigste zuerst . . . 29 Regel 4: Risiken eingehen, ohne riskant zu investieren. . . . . . . 29

 ukunftsstrategie – Wie können wir Kundenbeziehungen durch Z digitale Werkzeuge stärken?

Customer Journey planen und aussichtsreiche Leads generieren. . . . . . . . 55 5.1 Customer Journey: Potenzielle Kunden auf eine Reise mitnehmen . . . . . 55 5.1.1 Vom Content-Element zur Customer Journey. . . . . . . . . . . . . . 56 5.1.2 Bei der Planung der Customer Journey ist das Ziel der Weg. . . 59 5.2 Content Marketing als Lead-Generator. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 5.2.1 Grundlagen für die erfolgreiche Leadgewinnung . . . . . . . . . . . 60 5.2.2 In vier Schritten zu Leadgenerierung der Spitzenklasse . . . . . . 67 5.2.3 Übersicht der Anbieter von BesucheranalyseDienstleistungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Inhaltsverzeichnis

XIII

5.3

Leadmanagement als Prozess. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 5.3.1 Leadmanagement heißt Verkaufschancen gewichten. . . . . . . . . 73 5.3.2 Cleveres Leadmanagement heißt Leads radikal filtern . . . . . . . 78 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 6

Digitale und analoge Arbeitshilfen für den Vertrieb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 6.1 Zentrale Datendrehscheibe CRM-System. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 6.1.1 Was alle CRM-Systeme können (müssen). . . . . . . . . . . . . . . . . 81 6.1.2 Zusatzfunktionen und Schnittstellen, die Sie einplanen sollten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 6.2 Gesprächslandkarten: Sichere Basis für Routinetätigkeiten . . . . . . . . . . . 83 6.2.1 Individuelle Gesprächslandkarte für Verkaufsgespräche. . . . . . 85 6.2.2 Bauplan für Ihre Gesprächslandkarte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88

Teil III

 ethoden und Soft Skills – Wie müssen sich die Fähigkeiten M von Menschen erweitern?

7

Schriftliche und telefonische Anbahnung von Kundenbeziehungen im B2B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 7.1 Schriftlich Kunden gewinnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 7.1.1 Kundenakquise durch ein Anschreiben erfolgreich machen. . . 94 7.1.2 Variationen zum Anschreiben zur Kundenakquisition. . . . . . . . 97 7.2 Telefonakquise – Clevere Wege zum Entscheider. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.2.1 Stolpersteine bei der telefonischen Akquise . . . . . . . . . . . . . . . 98 7.2.2 Fünf Tipps zur Vorbereitung der Telefonakquise. . . . . . . . . . . . 100 7.2.3 Akquise per Sprachnachricht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 7.3 Gesprächseinstieg und die ersten kritischen Sekunden bei der Akquise auf Veranstaltungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109

8

Skills, die heute im B2B-Verkaufsgespräch benötigt werden. . . . . . . . . . . . 111 8.1 Echtes Verständnis als Credo für moderne Verkaufsgespräche. . . . . . . . . 111 8.1.1 Der beste Einstieg in ein Verkaufsgespräch. . . . . . . . . . . . . . . . 112 8.1.2 Die wichtigste Frage im Verkaufsgespräch . . . . . . . . . . . . . . . . 113 8.1.3 Handlungsdruck methodisch herausfinden . . . . . . . . . . . . . . . . 114 8.1.4 Mit dem Visionsbrief die Entscheidung begünstigen. . . . . . . . . 121 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

9

Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling und Nicht-Präsentation. . . . . 125 9.1 Mit Geschichten fesseln statt erklären. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 9.2 Präsentieren oder Nicht-Präsentation?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 9.2.1 Die klassische Präsentation – und warum sie ausgedient hat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

XIV

Inhaltsverzeichnis

9.2.2 Die Nicht-Präsentation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 9.2.3 Elemente der Nicht-Präsentation und Tipps zur Umsetzung. . . 133 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 10 Soziale Netzwerke: XING und LinkedIn als Instrumente zur Neukundengewinnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 10.1 Wie gelingt Verkaufen mit XING und LinkedIn? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 10.2 Verkaufen per Video statt Prospekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 10.2.1 Video im Vertrieb – Welche Technik eignet sich?. . . . . . . . . . . 144 10.2.2 Sales on Camera – So gelingt Vertrieb per Video . . . . . . . . . . . 146 10.2.3 Scheitern an der Technik – Wie einfach ist es für den Kunden?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 10.2.4 Zeit- und Kostenersparnis durch Video im Vertrieb. . . . . . . . . . 148 10.3 Verkaufen als „Superstar“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 10.4 Social Media professionell nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 Teil IV

 msetzung – Welchen Fahrplan brauchen wir für die U Digitalisierung in Marketing und Vertrieb?

11 Ihre Bestandsaufnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 11.1 Die Definition der Persona. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 11.2 Kernprobleme und -Interessen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 11.3 Marketingprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 11.4 Vertriebsprozesse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 12 Aktionspläne. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 12.1 Aktionsplan: Persona. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 12.1.1 Wie gut kennen Sie Ihre Wunschkunden?. . . . . . . . . . . . . . . . . 160 12.1.2 Wunschkunden fokussieren – dann findet man sie auch. . . . . . 160 12.1.3 Die wichtigsten Kriterien für Ihren Wunschkunden . . . . . . . . . 162 12.1.4 So erhält Ihre Zielgruppe ein Gesicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 12.2 Aktionsplan: Webseite. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 12.2.1 Eine neue Webseite planen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 12.2.2 Eine bestehende Webseite fit machen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 12.2.3 IP-Tracking, Retargeting und Datenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 168 12.3 Aktionsplan: Redaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 12.3.1 Recherche. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 12.3.2 Keyword- Recherche Ziel 1: Varianten finden. . . . . . . . . . . . . . 169 12.3.3 Keyword-Recherche Ziel 2: Wettbewerb analysieren . . . . . . . . 171 12.3.4 Themenplan. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 12.3.5 Produktion für Content effizient organisieren. . . . . . . . . . . . . . 176 12.4 Aktionsplan: CRM. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 12.4.1 Welche Funktionen hat ein CRM-System? . . . . . . . . . . . . . . . . 179

Inhaltsverzeichnis

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12.4.2 CRM-Systeme sind Adressdatenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 12.4.3 Protokoll aller Geschäftsvorfälle im CRM-System. . . . . . . . . . 180 12.4.4 Sales-Funnel wird durch CRM-System möglich. . . . . . . . . . . . 181 12.4.5 Aufgabenplanung und -steuerung im CRM-System . . . . . . . . . 181 12.4.6 Marketingsteuerung durch ein CRM-System. . . . . . . . . . . . . . . 182 12.4.7 Zugriff und Datenschutz im CRM-System . . . . . . . . . . . . . . . . 182 12.4.8 CRM-Systeme sinnvoll nutzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 12.5 Aktionsplan: Funnel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 12.5.1 Das Struktur-Modell für einen Funnel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 12.5.2 Feste und dynamische Funnel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 12.6 Aktionsplan: Berichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 12.6.1 Forecast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 12.6.2 Qualität der Pipeline. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 12.6.3 Umfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 Fazit: Nach der Digitalisierung ist vor der Digitalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Über den Autor

Stephan Heinrich ist Unternehmer, Autor und Vortragsredner. Bereits seit 2001 ist sein Businessmodell digital ausgerichtet. Mit seinem Team hilft er Vertriebs- und Marketingorganisationen, über sich selbst hinauszuwachsen – insbesondere durch Fokus auf die wahren Entscheider, professionelle Gesprächsführung auf Augenhöhe, der meist ungeliebten Kaltakquise und Preisverhandlungen ohne Reue – all das digital und mit konservativen Medien. Zu seinen Kunden zählen internationale Marktführer wie SAP, Hewlett Packard, Microsoft oder Lufthansa ebenso wie mittelständische „Hidden Champions“ und engagierte Jungunternehmer. Seine Agentur „Content Marketing Star“ richtet sich an mittelständische Unternehmer und Selbstständige. Das zwölfköpfige Team plant, realisiert und betreibt modernes Marketing und professionelle Leadgenerierung als Full-Service.

XVII

Teil I Bestandsaufnahme – Was hat sich durch die Digitalisierung bereits verändert, wo stehen wir und wohin geht die Reise?

Werfen wir einen Blick zurück auf die letzten zehn Jahre: Was hat sich durch die Digitalisierung entscheidend verändert? Privat nutzen wir in hohem Maße digitale Hilfsmittel. Das Smartphone hat sich auf breiter Front durchgesetzt. Jede noch so spontan entstehende Frage wird umgehend beantwortet. Zu jeder Zeit können wir die sprichwörtliche „information at your fingertipps“ abrufen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass das Internet als ständiger Begleiter bei uns ist. Geprägt durch die privaten Erfahrungen sind auch im Umgang mit Geschäftspartnern einige grundlegende Veränderungen erkennbar. Ich denke: Was bereits möglich ist, sollten wir sinnvoll nutzen. Denn wenn Technologie einen Wettbewerbsvorteil bewirkt, dann gewinnen die Anwender der Technologie über diejenigen, die sie ablehnen. Verdrängungsprozesse dieser Art konnten wir spätestens seit der Erfindung der Dampfmaschine hundertfach beobachten. Allerdings hat sich die Entwicklungsgeschwindigkeit enorm erhöht. Viele neue Technologien werden uns angeboten. Teilweise ist es für Laien nicht mehr zu erkennen, welche davon grundlegende Produktivitätsvorteile bringen und welche schon bald wieder verschwunden sein werden. Dieses Buch ist darauf ausgerichtet, Unternehmern und Selbstständigen einen Lageplan der Verheißungen, aber auch der Tretminen der Digitalisierung zu liefern. Und vielleicht auch zusätzlich einen Kompass, der Sie beim Weg der Digitalisierung Ihres Unternehmens sicher leitet.

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Verändertes Informations- und Kommunikationsverhalten

Zusammenfassung

Verkaufen hat immer mit Kommunikation zu tun. Wenn sich die Kommunikationsgewohnheiten in der Gesellschaft ändern, muss sich der professionelle Verkauf anpassen. Die professionelle Nutzung des Telefons hat in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts die Welt des Vertriebs entscheidend verändert. Jetzt erwartet uns eine Veränderung noch größeren Ausmaßes. In diesem Kapitel lesen Sie was sich jetzt schon verändert hat und warum kein Unternehmen diese Entwicklung verschlafen sollte.

1.1 Informationsquelle Internet Allem voran hat sich unser Informationsverhalten in den letzten 15 Jahren drastisch gewandelt. Während zu Beginn des neuen Jahrtausends die meisten Webseiten lediglich die Funktion einer Visitenkarte erfüllt hatten, sind sie heute ein wichtiger Bestandteil der Entscheidungsfindung für Geschäftspartnerschaften. Google als führende Suchmaschine hat seine Algorithmen immer weiter optimiert. Inzwischen geht es nicht nur darum, welchen Inhalt eine Webseite hat, um die Seite bei Suchanfragen anzuzeigen. Auch wenn niemand außerhalb des Google-Konzerns genau sagen kann, wie die Algorithmen arbeiten, lässt sich doch deutlich beobachten, dass drei Faktoren dafür verantwortlich sind, welche Inhalte angezeigt werden: • Inhalt • Verweise • Nutzerverhalten

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_1

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1  Verändertes Informations- und Kommunikationsverhalten

Grundsätzlich sollte der gesuchte Inhalt auf der jeweiligen Seite vorhanden sein. Jedoch reicht dies bei weitem nicht mehr aus, um in den Suchergebnisse nach oben zu rutschen. Früher genügte es völlig, ein Suchwort in einer bestimmten Häufung zu verwenden, um dann bei den Suchvorgängen prominent dargestellt zu werden. Suchmaschinenoptimierung (SEO) beschränkte sich damals darauf, einfach genügend oft ein Wort auf einer Seite zu verwenden. Ein Weltkonzern wie Google lässt es inzwischen jedoch nicht mehr zu, dass einige zwielichtige sogenannte „SEO-Spezialisten“ die wichtigste Funktion ihrer Suchmaschine ad absurdum führen. Schließlich kann Google die Beliebtheit der Suchmaschine nur dann erhalten, wenn Nutzer weiterhin die für sie relevanten Inhalte finden, wenn sie etwas suchen. Deshalb wurde schon vor einigen Jahren die Anzahl und Qualität der Verlinkung mit anderen Inhalten als Qualitätskriterium herangezogen. Je mehr andere Seiten auf eine bestimmte Seite verweisen, desto wichtiger und interessanter dürfte diese verlinkte Seite sein. Dieses Kriterium hatte zwischenzeitlich jedoch auch dazu geführt, dass ein sogenannter „Link-Tausch“ die Ergebnisse verfälschte. Diese Praxis bedeutet, dass zwei Seitenbetreiber gegenseitig aufeinander verlinken. Daher ist inzwischen auch die Attraktivität der verlinkenden Seite ein wichtiges Kriterium. Je berühmter die verlinkende Seite ist, desto mehr von diesem „Ruhm“ färbt auf die verlinkte Seite ab. Umgekehrt sind Links von zahlreichen unbedeutenden Seiten bisweilen sogar schädlich – vor allem dann, wenn diese nur bestehen, um auf andere Seiten zu verlinken. Weil die Technik immer weiter reift, ist Google inzwischen auch in der Lage zu erkennen, wie die Benutzer der Suchmaschine auf Suchergebnisse reagieren. Ein Kriterium ist, wie oft Benutzer bei einem auf der Suchergebnisseite angebotenen Suchergebnis auch tatsächlich darauf klicken. Noch wichtiger ist die Reaktion der Benutzer, sobald sie auf der Seite des Suchergebnisses angekommen sind. Im schlechtesten Fall klickt der Benutzer sofort auf den „Zurück“-Knopf, um auf die Suchseite zurückzukommen. Das wäre sicherlich ein Indiz dafür, dass das angebotene Suchergebnis eher irrelevant ist. Im besten Fall bleibt der Suchende länger auf der Seite und besucht vielleicht sogar weitere Unterseiten. Eine Reihe weiterer Kriterien, wie beispielsweise schnelle Ladezeiten und gute Lesbarkeit auf kleinen Bildschirmen von Smartphones, sind ebenfalls wichtige Kriterien für das Ranking bei Google geworden. Letztendlich kann man sagen, dass es Google durch verschiedene Maßnahmen immer besser gelingt, die Qualität der Suchergebnisse aus Sicht des Suchenden zu verbessern. Google Suche ist der Standard Vor einigen Jahren hat Google einen Begriff geprägt, den „Zero Moment of Truth“ oder kurz ZMOT. Dieses Konzept von Google erweitert das ursprüngliche Modell vom „First Moment of Truth“, also dem ersten Kontakt mit einem Produkt im Laden und dem „Second Moment of Truth“, dem Eindruck, den das Produkt bei der Nutzung macht. Der „Zero Moment of Truth“ ZMOT ist der Moment, noch bevor der Benutzer das Produkt

1.2  Soziale Netzwerke und Geschäftskunden

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im Laden berührt und sich schon im Internet über das Produkt informiert. Dadurch ändert sich das Einkaufsverhalten, weil potenzielle Kunden schon vor dem Kauf alles über das Produkt wissen, ihre Kontakte nach deren Erfahrungen befragen können und die Beurteilungen unbekannter Dritter lesen können, die bereits ihren „Second Moment of Truth“ hatten und von ihren Nutzungserfahrungen berichten wollen. Es gibt einige Studien, die belegen, dass die meisten Käufer bereits eine Präferenz und evtl. sogar eine Kaufentscheidung getroffen haben, noch bevor sie ein Ladengeschäft betreten oder einen Onlineshop aufsuchen. Diese Verhaltensänderung lässt sich auch im Kontakt zu Geschäftskunden beobachten. Interessierte bilden sich bereits eine Meinung, bevor sie zum ersten Mal einen potenziellen Lieferanten kontaktieren. Noch bevor der menschliche Kontakt zu einem Verkäufer gesucht wird, hat der potenzielle Kunde sich bereits über verschiedene Quellen einen Eindruck verschafft und möglicherweise sogar bereits intuitiv eine Vorauswahl oder gar Entscheidung getroffen. Deshalb ist es notwendig, dass Unternehmen diese Verhaltensänderung von Geschäftskunden in ihre Marketingstrategie einbauen. Wir werden das ausführlich in Teil 2 dieses Buches erörtern. Clevere Unternehmen nutzen diesen Trend, um bereits vor dem ersten Kontakt mit einem potenziellen, ehemaligen oder bestehenden Kunden eine Beziehung aufzubauen. Das war vormals erst möglich, nachdem ein menschlicher Verkäufer zu einem menschlichen Gesprächspartner auf der Kundenseite Kontakt aufgenommen hatte. Die digitalen Möglichkeiten erlauben es Unternehmen, eine Beziehung zu etablieren, noch bevor ein solcher Kontakt stattfindet. Dieses Kunststück gelingt bislang nur großen Marken mit entsprechendem Budget und vor allem im Konsumermarkt. Die Digitalisierung erlaubt es auch Unternehmen mit sehr kleinen Zielgruppen, in Nischenmärkten eine Art „Gefolgschaft“ zu bilden. Menschen der potenziellen Zielgruppe werden durch relevante Inhalte zu treuen Konsumenten von wertvollen und relevanten Informationen. Dadurch entsteht eine Bindung, die sich dann auszahlt, wenn der potenzielle Kunde seinen Beschaffungsprozess starten will, weil dann durch die etablierte Beziehung eine Präferenz zu einem Anbieter hergestellt wurde, die mit der Markenpräferenz im Konsumentenmarkt vergleichbar ist.

1.2 Soziale Netzwerke und Geschäftskunden Abgesehen von einigen wenigen, in der Presse bekannten Persönlichkeiten konnten durchschnittliche Angestellte oder Unternehmerpersönlichkeiten früher kaum besondere Bekanntheit erreichen. Hier hat in den letzten zehn Jahren eine grundlegende Veränderung stattgefunden. In der heutigen Zeit kann jeder sein „Profil“ öffentlich darstellen. Diese öffentliche Darstellung beschränkt sich nicht nur auf die üblichen Netzwerke, die vornehmlich privat genutzt werden, wie Facebook oder Instagram. Mittlerweile sind professionelle soziale Netzwerke wie XING oder LinkedIn im B2B genauso

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1  Verändertes Informations- und Kommunikationsverhalten

wichtig. Dabei gibt es mindestens zwei Aspekte, die für jeden Unternehmer relevant sind: • Unternehmensdarstellung • Personensuchmaschine Der Wert, den Verkäufer durch den richtigen Umgang mit den modernen Werkzeugen erzeugen können, ist immens. Verglichen mit dem Jahr 2000 eröffnen sich Verkäufern heute bei eher geringen Kosten unglaublich effektive Wege, um neue Kontakte zu knüpfen. Alle, die neue Kunden finden müssen, können dies mithilfe von sozialen Netzwerken ungleich schneller, direkter und effektiver tun. Es ergeben sich Möglichkeiten, die ohne Netzwerke wie XING oder LinkedIn nicht ansatzweise denkbar wären. Wer in stetigem, sinnstiftendem Kontakt mit seinen bestehenden Kunden bleiben will, findet dort Möglichkeiten, die mit herkömmlichen Mitteln kaum so bequem für beide Seiten umsetzbar wären. Dies alles nicht zu nutzen, wäre töricht. Denn die Geschichte zeigt: u

Wer sich Innovationen widersetzt, die letztlich wichtige Entwicklungsschritte sind, verschafft sich einen enormen Nachteil. Wer es jedoch versteht, die angebotenen Chancen zu nutzen, ohne dabei jeden Hype mitzumachen, der wird sich über enorme Wettbewerbsvorteile freuen können.

„Netzwerken“ war anfangs der Begriff für die Verbindung von Geschäftspartnern. Heute spricht man von Social Media Marketing. Im Fokus steht die Frage, wie Verkäufer mithilfe von XING oder LinkedIn Kontakte zu ihren bestehenden und potenziellen Kunden aufbauen und unterhalten können. Dabei geht es nicht so sehr darum, mithilfe dieser Netzwerke eine Kommunikation zu beginnen. Zunächst ist sehr hilfreich, dass man die internen Strukturen von Unternehmen durchdringen kann, um die Namen relevanter Zielpersonen, Multiplikatoren oder Empfehler zu erfahren. Selbst dann, wenn die Entscheider der Zielunternehmen nicht in diesen Netzwerken gelistet sind, kann auf diese Weise ein einfacher Einstieg in die jeweiligen Unternehmen gefunden werden. Wenn Sie nur ungefähr 15 Jahre zurückdenken – können Sie sich vorstellen, wie fantastisch die Möglichkeiten der Sozialen Medien wohl klangen? Zugriff auf Millionen Businesskontakte. Und dies nicht nur über reguläre Suchmaschinen. Sichtbar werden hier neben den geschäftlichen Daten auch die Verbindungen zu anderen Kontakten, die Ausbildung und die berufliche Historie sowie die aktuelle Stellung. Und noch wichtiger: Sichtbar wird ebenfalls Ihre Beziehung zu einem beliebigen Kontakt in XING. Haben Sie gemeinsame Bekannte? Über wie viele Zwischenschritte sind Sie bekannt? Welche Gemeinsamkeiten bestehen? Dabei wird schnell eine neue Dimension klar: Sie können sich nicht (mehr) auf einen Status als Beobachter zurückziehen. In XING und LinkedIn werden Ihre Aktivitäten dokumentiert. Sogar dann, wenn Sie lediglich eine fremde Profilseite aufrufen, kann das für diese Person sichtbar sein. Es könnte sein, dass diese Person wiederum auf Ihr Profil

1.2  Soziale Netzwerke und Geschäftskunden

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klickt. Das bedeutet, dass Sie dafür sorgen sollten, dass Sie selbst und Ihr Unternehmen eine gute Figur abgeben. Als Person und als Unternehmen sind Sie sofort als Teil der Markenöffentlichkeit erkennbar. Selbst als ehemaliger Mitarbeiter werden Sie noch mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht. Wie stellen Sie sich heute als Unternehmer, Mitarbeiter oder Ex-Mitarbeiter einer breiten Öffentlichkeit dar? Ist Ihr erster Eindruck eher einladend oder eher abschreckend? Ist der Besuch Ihrer Profilseite bei XING oder LinkedIn der Beginn oder das jähe Ende einer möglichen Zusammenarbeit? Anno dazumal suchte man in den Gelben Seiten oder in speziellen Branchenbüchern wie „Wer liefert was?“ nach einem Unternehmen, das die gewünschte Leistung anbietet. Daraufhin nahm man Kontakt auf und fragte dort nach einem Ansprechpartner, der einem das Leistungsangebot darlegen konnte. Heute sucht man in XING oder LinkedIn nach Branchen. Was dann erscheint, sind nicht nur Unternehmen, sondern auch Personen. Der Kunde sieht nicht nur Unternehmensdaten und Logos, sondern Profilfotos und Lebensläufe. Ihr Unternehmen stellt sich als Summe der dort arbeitenden Personen dar. Das gilt selbst dann, wen Sie als Unternehmer das nicht wollen oder nicht bewusst herbeigeführt haben. Was passiert, wenn man Ihren Namen googelt? Bei den meisten Menschen erscheint dann Ihr Profil bei XING oder LinkedIn. Wie ist der erste Eindruck, der dort entsteht? Wenn ich einen Anruf von einer unbekannten Person bekomme, eine Empfehlung erhalte oder auf sonstige Weise einen potenziellen Geschäftskontakt bekomme – das erste, was ich tue, um mich zu informieren, ist, deren Profil in XING und LinkedIn zu prüfen. Das ist sicherlich nicht unbedingt eine typische Verhaltensweise meines Jahrgangs. Meine Kinder, die beide im Moment Berufsanfänger sind, gehen soweit, dass Sie Menschen misstrauen, die nicht durch Profile in den Sozialen Medien öffentlich machen, wer sie sind. u

Vieles ist in Bewegung, aber eines bleibt: Geschäfte werden letztlich zwischen Menschen gemacht. Es geht vor allem darum, wie sich Geschäftspartner im B2B durch soziale Netzwerke effektiver finden können.

Ein Netzwerk lebt von Verbindungen. Das ist jedem klar. Um Ihre bestehenden Kontakte sinnvoll zu nutzen, sollten Sie stets darauf achten, dass Sie und Ihre Mitarbeiter bestehende Verbindungen in XING und LinkedIn praxisgerecht verwalten. Professionelle Unternehmen kennen ihre Kunden und deren Ansprechpartner. Sie sind im besten Fall in einer Kontaktverwaltung oder einem CRM-System gespeichert. Im Unternehmen haben Sie als Angestellter ein solches System vielleicht vorgegeben, als Selbstständiger suchen Sie es sich selbst aus. Eventuell arbeiten die Verkäufer auch nur mit einem simplen elektronischen Adressbuch wie Outlook. Was passiert, wenn Ihr wichtiger Ansprechpartner das Unternehmen verlässt, ohne dass Sie das gewusst haben? Im Regelfall müssten Sie sich nun zum Nachfolger durchfragen und eine neue Beziehung aufbauen. Wie wäre es, wenn Sie nie wieder einen

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1  Verändertes Informations- und Kommunikationsverhalten

Kontakt verlieren, auch wenn dieser überraschend seinen Arbeitgeber wechselt? Wenn Sie den kompletten Link zu Ihrem Vertriebskontakt aus XING oder LinkedIn in Ihrer Adressverwaltung bereithalten, dann werden Sie den Kontakt nie gänzlich verlieren. Auch dann nicht, wenn die betreffende Person die Firma wechselt, ohne dass Sie die neuen Kontaktdaten kennen. Denn wenn der Kontakt zu einem Menschen verloren geht, weil er oder sie den Arbeitgeber wechselt, können Sie den Kontakt wieder aufleben lassen, weil Sie das Profil der Person jederzeit auf XING oder LinkedIn wiederfinden und so den neuen Arbeitgeber und die dort eingenommene Position erfahren.

1.3 Mobil und „always on“ Das Internet hat die Kosten für die Vervielfältigung und Verteilung von Bildern, Text, Musik und Videos nahezu auf null gesenkt. Es ist daher möglich, fast kostenlos an Informationen zu gelangen, egal, in welcher Form sie vorliegen. Und es gibt keine Wartezeiten mehr, weil nahezu jeder inzwischen mit einem Smartphone ausgestattet in jeder Situation das gesammelte Wissen der Welt nutzen kann. Als Bill Gates 1995 seine Vision der „information on your fingertips“ für das Jahr 2005 verkündete, war es noch pure Utopie. Auch wenn es letztendlich noch einige weitere Jahre dauerte, diese Vision zu erfüllen – heute ist sie Realität. Das führt zu einer stark veränderten Erwartungshaltung: Fast jede Information muss sofort und kostenlos verfügbar sein, weil es sonst als Schwäche des Anbieters ausgelegt werden könnte. Diese Forderung wird von vielen als unerfüllbare Bürde gesehen. Allerdings ist es in Wirklichkeit eine mächtige Chance. Vorhandenes Interesse ist die beste Ausgangslage, um potenzielle Kunden zu finden und an Unternehmen und Marken zu binden. Noch in den 90er-Jahren war Information Mangelware. Durch diese Knappheit bekam sie einen gewissen Wert. Heute ist Information im Überfluss vorhanden. Kaum jemand sehnt sich nach einem Brief oder einer E-Mail. Zeitschriftenabonnements sterben aus. Die Information wird nicht mehr verteilt, sondern nach Bedarf abgerufen. Nicht mehr der Engpass der Medien steuert die Verteilung von Nachrichten und Inhalten, sondern das Interesse der Empfänger. Dieses veränderte Verhalten wurde ermöglicht durch Suchmaschinen und vor allem durch Google. Die Summe der weltweiten Ausgaben für Werbung wird für das Jahr 2021 mit rund 700 Mrd. US$ angegeben. Rund 178 Mrd. US$ davon fallen auf Werbung in der Suchmaschine von Google. Zum Vergleich: weltweit wurden für Fernsehwerbung rund 174 Mrd. US$ ausgegeben. Viele Unternehmer haben ernüchternde Erfahrungen mit Online-Werbung gemacht. Das liegt vor allem daran, dass sie den Wandel im Verhalten der Menschen hinsichtlich der Informationsbeschaffung nicht ausreichend berücksichtigt haben. Menschen, die einen Informationsbedarf haben, wollen nicht sofort mit Kaufangeboten überfallen werden. Sie wollen jedoch zunächst eine Antwort auf ihre Frage oder zumindest eine Befriedigung ihres Informationsanspruchs. Diese Antwort kann ein Produktangebot sein,

1.3  Mobil und „always on“

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jedoch wird das in den meisten Fällen nicht ausreichen. Wenn Sie nach „Wie bindet man eine Fliege?“ suchen, weil Sie auf einer Hochzeit als Trauzeuge geladen sind und Sie noch nie eine solche gebunden haben, dann ist das Letzte, was Sie jetzt brauchen, ein Sonderangebot, das Ihnen zwei Fliegen zum Preis von einer anbietet.

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Interesse als Motor der Kundengewinnung im B2B

Zusammenfassung

Marketing für Geschäftskunden (also B2B-Marketing) unterscheidet sich vom Consumer Marketing erheblich. In die Kauf- oder Investitionsentscheidungen sind mehrere Menschen involviert, und die Gründe für eine Anschaffung sind – zumindest vordergründig – rational und nicht emotional und impulsiv. Im professionellen Marketing sprechen wir Entscheider an, die man mit herkömmlicher Werbung kaum erreicht. Sie werden abgeschottet, um sie vor Zeitverschwendung zu schützen. Sie dennoch zu erreichen schafft man mit einer sehr einfachen Strategie, um die es in diesem Kapitel geht.

2.1 Interesse finden statt wecken Oft höre ich von meinen Kunden, dass die Entscheider sich nicht für ihre Produkte interessieren. Sie seien zu technisch, zu kompliziert oder nur für Fachleute erklärbar. Deshalb müsse man das Interesse der Entscheider erst wecken. Aber ist das die richtige Sicht auf die Dinge? Muss man Interesse wirklich wecken? Man weckt doch nur Schlafende. Und Interesse schläft nie. Ganz im Gegenteil! Interesse ist hellwach. Wenn wir uns für etwas interessieren, ist unser Wahrnehmungsfilter auf dieses Thema programmiert. Das kennen Sie, wenn Sie sich schon einmal für den Kauf eines bestimmten Fahrzeugs interessiert haben. Plötzlich sind die Straßen voll von diesem Modell. Oder wenn Sie gerade Eltern werden, sehen Sie auf einmal überall schwangere Frauen und kleine Kinder. Das ist das Zusammenspiel von Interesse und unserem Wahrnehmungsfilter. Entscheider interessieren sich nie für Produkte oder Dienstleistungen. Alles, was sie interessiert, ist das Ergebnis. Das ist derart profan, dass man kaum darüber schreiben © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_2

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2  Interesse als Motor der Kundengewinnung im B2B

möchte. Allerdings scheint es nötig, die Unternehmer immer wieder daran zu erinnern. Hier einige Praxisbeispiele, um diese Denkweise zu erläutern: Beispiele

• Verkaufstraining: Niemand will Verkaufstraining. Es kostet Zeit und Geld. Aber viele Entscheider wollen die Neukundenquote steigern, Preisnachlässe verringern, Kundenentscheidungen beschleunigen und/oder den durchschnittlichen Ertrag pro Kunde steigern. • Dehnschrauben: Man braucht diese Schrauben, wenn Schraubverbindungen bei wechselnden Temperaturen oder mechanischen Belastungen stets die gleiche Zugkraft haben sollen. Zum Beispiel bei Flanschverbindungen in Raffinerien. Wie wäre es, wenn man statt Schrauben „dichte Flansche“ anbietet? • Keramische Zentrierstifte: Diese sind von Vorteil in der Fertigung, speziell bei Schweißprozessen. Gegenüber den Stiften aus Metall haben Stifte aus Keramik eine bis zu 30-fache Haltbarkeit. Obwohl die Kosten für die Stifte selbst um das Fünffache höher liegen, bedeutet das nicht nur Einsparungen bei den Kosten für die Stifte, sondern auch geringere Stillstandszeiten für Werkzeugwechsel und dadurch deutlich sinkende Produktionskosten. • Rosendünger: Eher ein wenig beachtetes Produkt. Zielgruppe sind professionelle Rosenzüchter, und die interessieren sich für vieles. Beispielsweise wie man die Ausbeute pro Quadratmeter Gewächshaus erhöht, wie man die Haltbarkeit von Rosen bei Kühltransporten erhöht etc. ◄ Das Interesse ist bei unseren Entscheidern schon längst da. Dies zu finden und zu adressieren kann nur gelingen, wenn wir darauf verzichten, immer vom und über das Produkt zu sprechen.

2.1.1 B2B-Marketing heißt, bestehendes Interesse erkennen Wenn wir uns klargemacht haben, was unsere Zielperson, der Entscheider will, folgt der Schritt, bei dem wir die Begriffe finden, die von der Zielperson oder seinen Mitarbeitern tatsächlich verwendet werden. Es ist wichtig, dass wir nicht unsere Worte in den Vordergrund stellen, sondern die tatsächlich verwendeten Begriffe. Beispiel

Wenn man etwa Menschen erreichen will, die sich zum Thema „Akquise“ informieren möchten, dann wird man feststellen, dass auch Begriffe wie „Kundenakquise“, „Neukundenakquise“, „Neukundengewinnung“, „Kundengewinnung“ und verschiedene fehlerhafte Schreibweisen von „Akquisition“ verwendet werden.

2.1  Interesse finden statt wecken

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Daher ist die Recherche von Suchbegriffen und die damit verbundene Perspektive des Suchenden ein enorm wichtiger erster Schritt im B2B-Marketing. ◄ Eine clever durchgeführte Keyword-Recherche liefert mehrere Erkenntnisse: • Welche Suchworte und Suchwortkombinationen werden tatsächlich und in welcher Häufigkeit in meinem Zielmarkt und in meiner Sprache verwendet? • Wie sehr zeichnen sich bestimmte Suchbegriffe durch eine hohe oder geringe Wettbewerbsdichte aus? • Welche Varianten zu meinen zunächst angedachten Suchbegriffen gibt es und sind für meine Zielperson ebenfalls relevant? Dabei geht es nicht um die reine Menge von Suchanfragen. Eine geringe Variation der Schreibweise kann eine enorme Steigerung der Suchanfragen bringen. Man wird in diesem Fall den Content eventuell in mehreren Versionen mit unterschiedlichem Inhalt publizieren, um leicht abgewandelte Suchworte, wie zum Beispiel „Kaltakquise“, „Kaltaquise“, „Kalt-Akquise“ etc. jeweils zu bedienen. Möglicherweise fördert die Recherche zu Tage, dass die Zielgruppe mehrheitlich völlig andere Suchworte verwendet als die zunächst angedachten. Die Praxis zeigt, dass die Zielgruppe sehr oft schlicht und einfach anders denkt als die Experten auf der Anbieterseite. Es kann aber auch eine ganz bewusste Strategie sein, sich auf eine kleine Gruppe von Suchenden zu konzentrieren, weil diese ein ganz bestimmtes Problem zügig lösen will. Das am weitesten verbreitete Werkzeug zur Recherche von Suchwörtern ist „Google Keyword Planer“. Damit können wir genau ermitteln, wie häufig bestimmte Suchworte verwendet werden, und auch bestimmte Regionen und Sprachräume eingrenzen. Darüber hinaus man kann erkennen, in welchen Monaten des Jahres mehr oder weniger gesucht wird. Eine genaue Anleitung würde den Rahmen dieses Buches sprengen. Wenn Sie jedoch „Google Keyword Planer“ bei Google suchen, bekommen Sie verschiedene Texte und Videos bei YouTube angeboten, die den Vorgang im Detail beschreiben.

2.1.2 Von der Werbebotschaft zur Fachzeitschrift Cleveres B2B-Marketing bedeutet, für das vorhandene Interesse der Zielgruppe zu schreiben, statt über die eigenen Produkte oder Nutzenversprechen. Um die Zielgruppe noch emotionaler und eingängiger zu beschreiben, erstellen moderne Unternehmen eine Persona. Das ist der Fachbegriff für die virtuelle Zielperson, an die sich unsere Marketingbotschaften wenden. Im Idealfall ist diese Persona mit vielen Details beschrieben, damit Autoren sich eine Person vorstellen können, für die sie schreiben. Als Autoren brauchen Sie keine Spezialisten, die Ihr Produkt kennen und darüber schreiben können, sondern Kundenversteher, die das vorhandene Interesse der Zielgruppe

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2  Interesse als Motor der Kundengewinnung im B2B

kennen und adressieren. Das bedeutet, dass Sie Inhalte erstellen (lassen), die für Ihre Zielgruppe interessant sind. Ihr Produktangebot spielt dabei zunächst keine Rolle. Viele Unternehmen scheuen sich vor der Produktion von wertvollem Inhalt, weil sie keine oder wenig Erfahrung mit redaktioneller Arbeit haben. Das muss aber kein Hindernis sein. Wichtig ist, dass wir zunächst Klarheit schaffen, welche Persona wir erreichen wollen. Nehmen wir an, wir würden Führungskräfte im Mittelstand adressieren wollen, die sich gerade intensiv damit beschäftigen, welche Schritte sie zur Digitalisierung ihres Unternehmens gehen sollten und welche nicht. Als Beispiel für eine Persona verwenden wir einen 41-jährigen Geschäftsführer eines Maschinenbauunternehmens. Er hat das Unternehmen vor zwei Jahren von seinem Schwiegervater übernommen und will nun die nächsten Schritte zur Modernisierung des Unternehmens gehen. Für dieses Interessengebiet können wir Inhalte planen. Hier einige Ideen, welche Art von Inhalten wir anbieten könnten. • Probleme und Lösungen: Es ist relativ einfach, eine Resonanz zu einem bestimmten Problem und die zugehörige Lösung zu finden. Machen Sie sich auf die Suche nach den häufigsten Problemen Ihrer Zielperson. Beispiel: „Daten sicher in der Cloud aufbewahren“ wäre ein gutes Thema, weil viele Personen in der Zielgruppe für eine Lösung dankbar sind. • Listen: Listen sind sehr einfach zu erstellen. Beispiel: „Die 10 CRM-Systeme, die sich im Mittelstand bewährt haben“ kann leicht zusammengestellt werden. Diese Inhalte sind langlebig und wirken über viele Jahre, wenn sie einmal mit Sachverstand erstellt wurden. • Vergleiche: A oder B? Fragen, die sich die Zielgruppe stellt, werden durch einen Vergleich beantwortet. Beispiel: „Onlineshops auf einer Plattform aufsetzen oder selbst entwickeln lassen?“ Auch diese Inhalte sind sehr langlebig, weil einmal professionell recherchierter Inhalt über viele Jahre aktuell bleibt. • Kuration: Sammlungen von anderen Inhalten, die thematisch zusammenpassen mit Quellenangabe. Beispiel: „Die am meisten diskutierten Artikel zu Digitalisierungsprojekten“. • Checklisten: Eine Auflistung von Erinnerungspunkten, die für einen bestimmten Zweck dabei unterstützt, wichtige Dinge zu berücksichtigen und Aufgaben erfolgreich zu bewältigen. Beispiel: „Die ultimative Checkliste für gelungenes E-MailMarketing im Mittelstand“. • Anleitungen: Umfangreiche Anweisungen in schriftlicher Form, als Audio oder als Video, die den Umgang mit einer Sache umfassend erklären. Beispiel: „Wie man CRM-Systeme erfolgreich einführt“. • Infografik: Eine umfassende Grafik, die komplexe Informationen verständlich aufbereitet, oft über mehrere Bildschirmseiten lang. Beispiel: „Beliebte Werkzeuge zur Digitalisierung von Unternehmen“.

2.1  Interesse finden statt wecken

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• Studien: Eine nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellte umfassende Information, die Ergebnisse einer Umfrage oder Forschungsarbeit erörtert. Beispiel: „Umfang, Dauer und Budgets von Digitalisierungsprojekten im deutschsprachigen Mittelstand 2015–2018“. • Rezensionen und Tests: Besprechungen von Büchern, Videos, Spielen oder anderen Produkten, die für die Zielgruppe relevant sein könnten. Beispiel: „Publikationen zu Digitalisierungsprojekten von Fertigungsbetrieben“. Die Inhalte werden auf der unternehmenseigenen Internetpräsenz veröffentlicht. Nach und nach wächst die Anzahl der Artikel. Auf Dauer entsteht so ein Geflecht an Beiträgen und Texten, die im besten Fall miteinander verlinkt sind. Interessenten steigen über ein Thema ein und nutzen das Geflecht an Links und wertvollen Informationen.

2.1.3 Vom Interesse zum Umsatz im B2B-Marketing Die Währung im modernen Marketing sind Kontakte. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass es keine gute Strategie ist, den Medien und Verlagen die Hoheit über die eigene Zielgruppe zu überlassen. Viel besser ist es, wenn die Menschen, die als Zielpersonen ausgewählt wurden, freiwillig und gerne mit den Anbietern kommunizieren. Nur wenn die Zielpersonen selbst und freiwillig entscheiden, dass sie Informationen und andere Inhalte erhalten möchten, kann daraus eine Beziehung entstehen. Die Beziehung entsteht auf Basis eines psychologischen Prinzips – der Reziprozität. Die meisten Menschen wollen Schulden ausgleichen. Wenn Sie zu meinem Geburtstag an mich denken und mir eine Karte schreiben (eine richtige Karte – kein Katzenbild auf Facebook), dann nehme ich mir vor, das zurückzugeben. Wer gibt, löst dadurch ganz oft beim Begünstigten den Impuls aus, sich zu revanchieren. Dieser Impuls ist etwas, das Sie nutzen können, indem Sie zunächst geben, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten. Wenn Sie offensichtlich nur geben, um sofort entlohnt zu werden, wird das durchschaubar und funktioniert nicht. Aber wenn Sie mehrfach geben, ohne eine direkte Gegenleistung zu erwarten, lösen Sie dadurch eine starke Verpflichtung aus. Der Anbieter zeigt wertvolle Inhalte und bietet an, zusätzliche und weiterführende Informationen zu geben, wenn man dafür seine Kontaktadresse abgibt. Diese zusätzlichen Gaben nennt man Lead Magnet oder Opt-in-Bribe. Das sind oft E-Books, Filme, Kurse, Checklisten oder beliebige andere Formen von weiterführenden wertvollen Inhalten, die ebenfalls kostenlos sind – abgesehen von der Abgabe der Adresse. Neu hinzugewonnene Adressen sind der sichere Hinweis auf bestehendes Interesse. Die Zielperson hat freiwillig im Tausch gegen weiteren Inhalt ihre Adresse preisgegeben. Jetzt ist es an uns, dieses Interesse adäquat zu bedienen. Zunächst wollen wir genau das erfüllen, was der Interessent sich erwartet hatte: wertvollen zusätzlichen Inhalt. Wenn Sie sich für beispielsweise für eine ausführliche

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2  Interesse als Motor der Kundengewinnung im B2B

Anleitung zum Schnitt von Rosen interessiert haben, dann wollen Sie genau das und sicher keine Werbung für Rosendünger. Im weiteren Verlauf wollen wir weiter mit der Zielperson kommunizieren. Nachdem sie viele wertvolle Inhalte bereits bekommen hat, die genau zu ihren Interessen passen, wollen wir nun die entstandene Beziehung testen. Für die weiteren Nachrichten, die wir an die neuen Kontakte senden wollen, entsteht die Frage, was der Interessent am Ende tun soll. Abgesehen von einem Online-Kauf, der in vielen Fällen im Umgang mit Geschäftskunden in keiner Weise sinnvoll wäre, gibt es einige Ideen für die Aufforderung zur Tat: • Beratungsgespräch: Der Kunde soll seine Telefonnummer hinterlassen oder online in einem Buchungssystem einen Termin für ein Beratungsgespräch buchen. • Online-Treffen: Der Kunde nimmt an einem Webinar oder einem Online-Treffen teil, bequem von seinem Arbeitsplatz aus. • Besuch einer Ausstellung: Der Kunde nimmt an einer Ausstellung oder Roadshow teil und bucht dafür ein (kostenloses) Ticket unter Angabe seiner Kontaktdaten. • Bestellung eines Musters: Der Kunde bestellt ein Muster oder eine Musterpalette gegen einen geringen symbolischen Preis, der eventuell sogar auf eine Bestellung angerechnet werden kann. Das eignet sich für Papier oder Stoffmuster, Bodenbeläge, Farben und viele anderen Produkte, die einen haptischen Eindruck vermitteln. • Kauf eines Schwellenprodukts: Der Kunde kauft ein Buch, eine CD oder ein anderes geringwertiges Produkt, um dadurch zu beweisen, dass er bereit ist – wenn auch kleine Beträge – zu investieren.

2.2 Automatisierung im B2B-Marketing Kundenbeziehungen kann man nicht erzwingen. Das Konzept, an jede neu gewonnene Adresse eine Abfolge an Nachrichten zu senden, ist darauf ausgerichtet, einen Kontakt vom ersten Kennenlernen zu einer (Kauf-)Entscheidung zu führen. In den meisten Fällen ist es so, dass lediglich eine kleine Zahl der ursprünglich gesammelten Adressen zu einer Kaufentscheidung führt. Eine vergleichbar kleine Zahl an Personen meldet sich im Laufe der Zeit wieder ab und scheidet aus dem Pool der Interessenten aus. Neben den akut interessanten Verkaufschancen wächst also auf Dauer eine Gefolgschaft an Interessenten, die zwar noch nicht als Kunden infrage kommen, aber weiterhin Interesse zeigen. Dieses latente Interesse macht diese Zielgruppe sehr ertragreich. Auf Dauer ist es von Vorteil, wenn Sie Werbebotschaften, Sonderaktionen, Produktankündigungen und ähnliche Botschaften in diesem Kreis verbreiten, weil Sie autorisiert wurden, mit ihnen zu kommunizieren. Sie haben sich auf diese Weise eine Adressliste an hochinteressierten Menschen erarbeitet, die in wesentlich höherem Maße zu Kunden werden als irgend eine andere Auswahl von Zielpersonen, die noch keine Beziehung zu Ihnen hat.

2.2  Automatisierung im B2B-Marketing

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2.2.1 Werbung im ursprünglichen Sinne begreifen Sämtliche Werbeformen der Nachkriegszeit waren nach einem einfachen Prinzip erdacht: Man nutze vorhandenes Publikum von zumeist Massenmedien, um dieses Publikum mit zusätzlichen Botschaften zu beschallen. Ob das Individuum wollte oder nicht, wenn es die eigentlichen Inhalte der Zeitung, des Radiosenders oder des Fernsehsenders empfangen wollte, dann musste man die störenden Werbebotschaften eben in Kauf nehmen. Zu Beginn der Digitalisierung waren die Werbetreibenden und die Medien, die sich größtenteils durch Werbung finanzieren, nicht gerade einfallsreich. Sie übernahmen das Prinzip des „Unterbrechungsmarketings“: nervige Werbeeinblendungen, obwohl man eigentlich nur einen Artikel online lesen wollte, Nötigung durch Vorschaltfilme in VideoPortalen und andere Ideen, die uns von der eigentlichen Zielsetzung ablenkten. Inzwischen gibt es weitaus bessere Konzepte. Die Begriffe dazu sind „Inbound Marketing“, „Permission Marketing“ oder „Content-Marketing“. Ich nutze am liebsten den Begriff „Modernes Marketing“, weil die aufgeführten Fachbegriffe fälschlicherweise den Eindruck entstehen lassen, dass es sich um jeweils eine zusätzliche Methode handelt. Es ist aber nichts, was man in eine weitere Unterabteilung des Marketings einsortieren könnte, sondern es handelt sich um eine völlig andere Form des Marketings. Das neue Marketing nutzt vorhandenes Interesse, um Bekanntheit zu bewirken. Im Anschluss bewirkt es durch die verlässliche Beantwortung von Fragen eine gewisse Sympathie, und weil sich das konsistent wiederholt, entsteht schließlich eine Beziehung. Diese Abfolge ist natürlich, weil nahezu jede menschliche Annäherung so verläuft – oder abgebrochen wird. An den Übergängen von der Bekanntheit zur Sympathie und schließlich zur Beziehung werden immer einige Kontakte aussortiert, weil das Interesse doch nicht so stark war. Diesen Verlust kann man jedoch auch als Veredelung betrachten. Letztlich bewirken kostenlos angebotene wertvolle Inhalte Bekanntheit. Diese Inhalte können lehrreich, unterhaltsam oder informativ sein – oder sinnvolle Mischungen daraus. Manche der Interessenten werden vermehrt den Service nutzen, und aus der Verlässlichkeit der konsistenten, wertvollen Inhalte entsteht bei einigen Interessenten Sympathie. Und eine weitere Auslese ergibt schließlich wenige Interessenten, die sogar schon eine gewisse Beziehung zur Marke entwickeln. Dass sich auf der Basis von vertrauensvollen Beziehungen gute Geschäfte realisieren lassen, ist wirklich jedem bekannt, der erfolgreich im Geschäftsleben steht.

2.2.2 Den digitalen Fußabdruck gewinnbringend nutzen Menschen hinterlassen digitale Spuren, wenn sie sich durch das Internet bewegen. Das ist keine verschwörerische Behauptung, sondern eine technische Notwendigkeit. Wenn Sie mit einem Endgerät eine Seite im Internet aufrufen, dann wird eine Verbindung zwischen zwei Computern über das Internet hergestellt. Dazu ist es notwendig, dass

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2  Interesse als Motor der Kundengewinnung im B2B

beide Geräte – der Server, auf dem die Seite zur Verfügung gestellt wird, und ihr Endgerät – die eindeutige Adresse des jeweils anderen Computers kennen. Anders wäre eine Verbindung nicht möglich. Das ist vergleichbar mit einer Brieffreundschaft, bei der auch beide Teilnehmer die Adressen des jeweils anderen kennen, um die Nachrichten zu übermitteln. Man könnte allerdings ein Postfach nutzen, um seine wahre Adresse zu verschleiern, oder den Absender verheimlichen, um eine Antwort zu verhindern. Analog dazu kann man auch im Internet verschiedene Möglichkeiten nutzen, um seine Adresse zu verschleiern. In der Regel ist es jedoch so, dass die beiden IP-Adressen für beide Teilnehmer an der Kommunikation sichtbar werden. Allerdings gilt das nicht, wenn man sich mit seinem Endgerät über ein Mobilfunknetz oder einen DSL-Anschluss mit dem Internet verbindet. Bekannt werden nur diejenigen Adressen, die direkt mit dem weltweiten Netz verbunden sind. Wenn Sie also mit Ihrem privaten Rechner von zu Hause oder mit Ihrem Smartphone eine bestimmte Seite im Internet aufrufen, dann wird der Betreiber dieser Seite nur sehen können, dass Sie über einen Telekommunikationsanbieter auf seine Seite gelangt sind. Ihre persönliche IP-Adresse ist auf diese Weise nicht erkennbar. Das ermöglicht einen interessanten Service, den sogenannte IP-Tracker anbieten. Sie vergleichen die IP-Adresse des Besuchers mit einem weltweiten Verzeichnis aller IP-Adressen, wodurch klar wird, von welchem Unternehmen eine bestimmte Seite besucht wurde. Privatpersonen, die zumeist über DSL das Internet nutzen, und mobile Besucher werden herausgefiltert. Wenn Sie einen solchen IP-Tracker einsetzen, werden Sie erfahren, welche Unternehmen auf Ihrer Webseite waren und was dort genau und wie lange betrachtet wurde. Dadurch kann man nicht erfahren, welche Person in dem besuchenden Unternehmen auf Ihrer Webseite war. Allerdings dürfte es in den meisten Fällen bereits sehr hilfreich sein, wenn Sie wissen, welche Unternehmen sich offenbar gerade für Ihr Angebot interessieren. Auf diese Weise entsteht ein sogenanntes Lead. So bezeichnet man einen Datensatz, der zumindest eine Firma enthält, die als potenzieller Kunde infrage kommt. Leads können verschiedene Qualitätsklassen haben. Wenn bisher lediglich bekannt ist, dass ein unbekannter Mitarbeiter einer Firma Ihre Webseite besucht hat, ist das sicher noch eine geringe Qualität. Wenn durch weitere Recherche passende Ansprechpartner, Telefonnummern und andere Informationen hinzukommen, steigt die Qualität der Leads. In Kap. 7 werden wir verschiedene Strategien entwickeln, um neue Geschäftskontakte zu etablieren, auch wenn vorher noch kein direkter Kontakt bestand. Auch für die vorgelagerten Stufen der Kontaktaufnahme im Marketing sind ähnliche Funktionen bereits heute Stand der Technik. Der Fachbegriff dafür lautet Retargeting. Übersetzt werden könnte das in etwa mit „erneut ansprechen“. Vermutlich ist Ihnen die unangenehme Form dieser Technologie bereits begegnet, wenn Sie in irgendeinem Internet-Shop ein bestimmtes Produkt gekauft haben. Jetzt verfolgt Sie dieses Produkt quer durch das gesamte Internet. Das ist natürlich Unsinn, denn Sie haben es ja bereits gekauft. Trotzdem sollten wir diese Technologie nicht verteufeln. Das Problem hier ist, dass viele Marketing- und Werbeverantwortliche offenbar den Nutzwert dieses Werkzeugs noch nicht

2.2  Automatisierung im B2B-Marketing

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durchschaut haben. Denn Retargeting kann für den Kunden äußerst hilfreich sein, wenn es vernünftig eingesetzt wird. Beispiele

• Nehmen wir an, Sie haben einen bestimmten Drucker im Internet gekauft. Weitere Werbung zu diesem Drucker ist im Moment nicht hilfreich für sie. Aber wie wäre es, wenn Sie nach ca. acht Wochen, wenn vermutlich die Patronen des Druckers allmählich leer werden, einen Hinweis bekommen, wo Sie neue Farbpatronen rechtzeitig nachbestellen können? • Allerdings gehen die Möglichkeiten noch weit über das Anbieten von Produkten hinaus. Stellen wir uns vor, ein Leser eines Ihrer Artikel hat nicht weiter reagiert, obwohl er sehr viel Zeit mit diesem Artikel verbracht hat. Wäre es dann nicht sinnvoll, beim nächsten Erscheinen eines ähnlichen Artikels sämtliche Personen, die den Artikel gelesen, aber nicht weiter reagiert haben, wiederum auf den neuen Artikel hinzuweisen? • Oder wie wäre es, wenn Sie einen kurzen informativen Film zu einem bestimmten Produkt und dessen Anwendung im Internet platzieren? Nun könnten Sie eine weitere Botschaft nur an diejenigen Zonen ausliefern, die dieses Video mindestens bis zu einer bestimmten Stelle angesehen haben. ◄ Es ist möglich, Ihre Botschaften auf vielerlei Weise digital an relevante Zielgruppen auszusenden, ohne dass Sie diese bereits identifizieren können. Diese Technologie bietet Ihnen die Möglichkeit, erheblich Werbekosten einzusparen und gleichzeitig in besonderem Maße Relevanz für Ihre Zielgruppe zu erhalten.

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Wie die Digitalisierung schon heute die analoge Geschäftswelt bereichert

Zusammenfassung

Wenn man Menschen von Digitalisierung im Vertrieb sprechen hört, dann bekommt man viele unterschiedliche Aussagen. Von „Alles wird digital“ bis zu „Menschen kaufen noch immer von Menschen“ ist alles dabei. Meine These ist, dass beide Extreme richtig sind. Alles wird digital und dennoch bleibt es menschlich. Alle Unternehmer, die weiterhin erfolgreich sein wollen, müssen diesen Spagat schaffen: Es gilt, die Chancen der digitalen Angebote wahrzunehmen, ohne dumme Entscheidungen zu treffen, und gleichzeitig die menschliche Kommunikation zu stärken. Wie Sie beides erreichen können, erfahren Sie in diesem Kapitel.

3.1 Digitalisierung und menschliche Kommunikation Als ich ab 1970 in der Grundschule war, gab es die „Telefonisierung“ Deutschlands. Manche meiner Mitschüler hatten bereits ein Telefon zu Hause. Mit denen konnte man auch nach der Schule Kontakt aufnehmen, auch wenn das sehr teuer war. Alle anderen hatten diesen Trend nicht erkannt. Zehn Jahre später begann meine Digitalisierung: Ich kaufte von meinem in den Sommerferien im Lager bei SIEMENS mühsam verdienten Gehalt meinen ersten Computer: Einen TRS-80. Und weitere knapp zehn Jahre später war ich „online“ und einer der ersten Nutzer von CompuServe in Europa – sozusagen dem Vorläufer von AOL. Zu allen Zeiten gab es vehemente Kritiker, Ignoranten und Verächter der Entwick­ lungen. Und es gab immer Chancenfinder, vorsichtige Beobachter und Goldgräber. Erfolgreich waren im Rückblick fast immer die leisen, aber erfolgreichen „Early Adoptors“, also diejenigen, die früh erkannt haben, was die neue Technologie bringt, und die sie sich zunutze gemacht haben. Es waren diejenigen, die weder blindlings vorausgerannt sind, © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_3

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3  Wie die Digitalisierung schon heute die analoge …

noch misstrauisch in der Ecke saßen. Die besten Ergebnisse erzielten diejenigen, die auf die Welle warteten, die sie nutzen konnten. Digitalisierung in Ihrem Vertrieb: Sind Sie schon ausgewechselt worden? Wie ist das bei Ihnen? Warten Sie auf die Welle oder reiten Sie schon darauf? Sind Sie noch im Pausenraum oder schon auf dem Spielfeld? Warten Sie darauf, dass die Abseitsregeln der Digitalisierung geschrieben werden oder haben Sie schon angefangen, Tore zu schießen? Warten oder Gestalten – das ist die Frage! Ich finde es mehr als verständlich, wenn Sie denken, dass das langsam alles zu viel wird. Ich bitte Sie! Was denn noch? Wir können uns doch nicht überschlagen mit den Anforderungen, die jetzt an uns gestellt werden. Stimmt. Und dennoch reicht es nicht, sich auszuruhen. Es ist in Ordnung, wenn Sie sich Ruhe verordnen, aber dann müssen Sie sich auswechseln lassen, denn die anderen wollen weiterspielen. Immer weiter … Mein TRS-80 von 1978 ist längst auf dem Schrottplatz. Er hat sich überdauert, auch wenn er damals wirklich genial war und mein Leben geprägt hat. Vorbei. Heute stellt sich die Frage, wie gut wir als Verkäufer und Geschäftsleute auf die Digitalisierung vorbereitet sind. Stehen wir bereit oder sind wir im Herzen noch der gute alte TRS-80, der längst nicht mehr mithalten kann? Wir könnten ja die wesentlichen Anforderungen der sogenannten „Digitalisierung“ für den Vertrieb und Marketing einmal seriös strukturieren und uns überlegen, was auf uns zukommt. Sozusagen den Tsunami verstehen und vorbereitet sein, noch bevor das Seebeben entsteht. Mal sehen, ob das gelingt.

3.2 Was steht uns im B2B mit der Digitalisierung noch bevor? Während ich diese Zeilen schreibe, geht es der deutschen Wirtschaft gut. Es ist BoomTime, wunderbar! Wir sind die Größten. Das ist ein bisschen wie das Rufen des Wanderers im dunkler werdenden Wald. Es geht uns gut, weil wir wiederholt und über Jahre sehr gute Ergebnisse erreicht haben. Aber können wir darauf vertrauen, dass es so bleibt? Verstehen wir wirklich, was der Grund des Erfolgs ist? Oder halten wir nur still unsere Schürze auf und freuen uns über die Goldmünzen wie das Mädchen aus dem Grimm-Märchen? Eigentlich wissen wir genau, dass nach jedem Aufschwung auch wieder eine schlechtere Zeit kommt, in der wir noch cleverer und besser sein müssen, um als Unternehmen zu überleben. Vielleicht wäre es gut, wenn wir uns zunächst klarmachen, worauf es im Geschäftskundenvertrieb und -marketing wirklich ankommt. Ganz ohne Pathos und Techno-Quatsch.

3.2  Was steht uns im B2B mit der Digitalisierung noch bevor?

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3.2.1 Die drei Stufen der Digitalisierung erkennen und vorbereitet sein (1) Kunden finden Akquise ist die Aufgabe im Vertrieb, die vermutlich am meisten glorifiziert wird. Der weiße Ritter, der die neuen Kunden im Kampf gegen den gefährlichen Drachen für das Unternehmen gewinnt. Toll! Wie wäre es, wenn die besten Kunden von selbst kommen? Oder wenn sie wenigstens Signale senden würden, die uns zu ihnen führen? Streng genommen tun sie das längst. Um beim Märchen zu bleiben: Wir müssen nur die Brotkrumen richtig erkennen. Anders als Hänsel und Gretel streuen unsere Kunden zwar keine Brotkrumen, aber dafür noch deutlichere digitale Spuren. Wir können sie erkennen und damit arbeiten. Eine passende Marketingstrategie wird die interessiertesten potenziellen Kunden auf unsere Seite schleusen, weil sie dort finden, was sie brauchen. Manche davon werden sich zu erkennen geben und ihre Kontaktdaten hinterlassen. Das ist wunderbar. Diesen Kontakten können wir noch mehr Informationen zuspielen, um sie über die zuverlässige Lieferung wertvoller Informationen zu Vertrauten und schließlich zu Kunden zu machen. Das wird aber nur eine kleine Menge sein. Im besten Fall vielleicht zehn oder 20 % der Besucher – und das wäre schon viel. Was ist mit denen, die zwar interessiert sind, aber zu faul, um zu reagieren? Oder was ist mit Interessenten, die im Unternehmen nicht die Entscheider sind? Oder diejenigen, die sich gerade informieren, aber noch nicht erkannt haben, dass sie eine Lösung benötigen? Wenn jemand sich für ein Thema interessiert, auch ohne konkrete Kaufabsicht, ist das doch ein starker Hinweis, dass ein Problem besteht. Dieses Problem könnten Sie vielleicht sogar rentabel lösen – nur zieht das Ihr potenzieller Kunde noch nicht in Erwägung. Wäre es nicht ein schöner Impuls, diese Lösungsmöglichkeit mit diesem – im Moment noch anonymen – Kontakt zu besprechen? In Teil 2 dieses Buches gehen wir auf diese Möglichkeiten ausführlich ein. (2) Daten nutzen Unser Leben wird immer mehr von Daten bestimmt. Unsere Lieferanten wissen, wann wir was bestellt haben. Sie wissen, was wir uns angesehen, aber nicht bestellt haben. Und sie wissen auch, was uns noch interessieren könnte. Viele Menschen verstört diese Datenfülle. Jetzt mal eine gewagte These: Die Menge an Daten ist irrelevant – wichtig ist, was wir damit konkret anstellen. Ich selbst habe mehr als 40.000 Kontakte in XING. Ich bekomme jeden Tag eine E-Mail mit der Information, wer Geburtstag hat. Wenn es irgendwie geht, gratuliere ich. Oft schaffe ich es nicht. Es ist nicht wichtig, dass ich weiß, wer Geburtstag hat – es zählt nur, wem ich gratuliere. Statistisch haben etwa 110 meiner Kontakte pro Tag Geburtstag. Durchschnittlich nur zehn Geburtstage pro Tag bekomme ich angezeigt. Und manchmal nutze ich den Geburtstag für eine Kontaktaufnahme. Manchmal nutze ich

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3  Wie die Digitalisierung schon heute die analoge …

auch den Jahrestag der Betriebszugehörigkeit. Oder ein anderes Ereignis, das eine positive Nachricht verdient. Aber bitte nicht so: „Weil Sie Geburtstag haben, schenke ich Ihnen diesen Link, mit dem Sie einen Discount von 3 Prozent auf unsere professionellen Schmutzfangmatten erhalten. Das haben Sie sich verdient!“ So ein Quatsch ist nicht professionell. Das will keiner. Wenn Sie sich unsicher sind, ob Ihre Kommunikation funktioniert, machen Sie den Test. Fragen Sie sich, ob Sie so einen Text an einen entfernten privaten Kontakt senden würden. Wenn Sie sich schämen würden, ist das auch für das Geschäftsleben ein untrüglicher Hinweis. Wichtig ist, dass Sie nicht denken „Was will ich mitteilen?“, sondern „Was will mein (potenzieller) Kunde wissen?“ Wenn Sie diese einfache Botschaft umsetzen, dann kann die Datenflut einen echten Vorteil bringen. Dann werden die Kunden sich bedanken, statt genervt zu sein. Es gibt so viele neue Werkzeuge. Aber es gilt: „A fool with a tool is still a fool.“ Das Werkzeug Daten macht uns nicht per se schlauer – es sei denn, wir nutzen es sinnvoll. (3) Kommunikation vereinfachen Marketing ist die Unterhaltung mit vielen – Vertrieb ist, wenn die 1:1-Kommunikation begonnen hat. Anders als im Marketing geht es um die natürliche Form der Kommunikation zwischen Menschen. Weil die Medienangebote sich ändern, dürfen wir uns auf andere Medien einstellen, die im Vertrieb genutzt werden. Für die meisten von uns ist es längst normal, am Telefon Verkaufsgespräche zu führen. Aber wie steht es um die neuen Medien? Sie können bereits für 20 EUR pro Monat oder weniger einen virtuellen Verkaufsraum mieten. Kunden können mit einem Notebook oder einem Smartphone teilnehmen, und Sie können ein Gespräch führen, bei dem man sich sieht und miteinander sprechen kann. Außerdem ist es möglich, beidseitig Inhalte des jeweiligen Bildschirms zu präsentieren. • Text und Messenger: Für die meisten Menschen ist es völlig normal, sich per WhatsApp, SMS und Messenger zu unterhalten. Wie ist das in Ihrem Unternehmen? Können Kunden per Messenger Kontakt aufnehmen? Können Ihre Verkäufer diese Technik nutzen, um mit Kunden zu kommunizieren? • Sprachnachricht: Die Sprachnachricht wird immer wichtiger, weil Menschen ihr Smartphone zum zentralen Kommunikationsinstrument erklären. Wenn Sie jemanden nicht direkt erreichen, können Sie Nachrichten versenden. Auch WhatsApp & Co. bieten inzwischen die Möglichkeit, Nachrichten aufzuzeichnen und sie dann zu versenden. Diese Art der Kommunikation findet immer breitere Akzeptanz, weil es angenehm ist, nur zu sprechen und nichts tippen zu müssen. Die Kombination aus Telefonieren und SMS wird sich weiter durchsetzen. Welche Möglichkeiten bieten Sie Ihren Kunden, um auf diese einfache Art mit Ihrem Unternehmen zu kommunizieren?

3.2  Was steht uns im B2B mit der Digitalisierung noch bevor?

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3.2.2 Digitalisierung im Vertrieb ist ein Prozess und kein Zustand Vor einiger Zeit habe ich eine Pressemeldung eines bekannten Unternehmens in die Hände bekommen. Darin war zu lesen, dass man nun die Digitalisierung abgeschlossen habe. Bei genauerer Lektüre der Pressemitteilung konnte man erfahren, dass dieses Unternehmen die „Digitalisierung“ so verstand, dass nun bestimmte Prozesse nicht mehr auf Papier, sondern über eine Excel-Tabelle erledigt wurden. Das wirkt heute lächerlich. Bewahren wir uns davor, dass wir selbst uns mit einer Aussage dieser Art diskreditieren. Die Digitalisierung kann man nicht abschließen – man kann sich ihr jedoch stellen. Viele Veränderungen sind Reaktionen auf Anforderungen. Manche Veränderungen können Sie selbst gestalten, weil Sie oder Ihr Unternehmen als Vorreiter am Markt agieren. Am Ende wird gewinnen, was es für den Kunden einfacher macht, mit uns ins Geschäft zu kommen. Sorgen Sie dafür, dass Sie immer ein Auge auf diesen Kundenvorteil haben. Machen Sie es Ihren Kunden leicht, Sie zu finden, den Nutzen Ihrer Angebote zu verstehen, in Kontakt zu kommen und Entscheidungen zu treffen. Wenn Sie immer wieder auf diese Punkte achten, werden Sie die Digitalisierung nicht nur gut überstehen, sondern stark davon profitieren.

3.2.3 Kernfragen zur Digitalisierung, die Sie sich stellen müssen Vielleicht wollen Sie an dieser Stelle des Buches ein erstes kritisches Schlaglicht auf Ihr Unternehmen werfen? Später, in Teil IV des Buches, folgt noch eine ausführliche Bestandsaufnahme, woraus sich dann auch konkrete Handlungspläne ableiten. Diese kurze Checkliste soll Ihnen bei Ihrer Weiterentwicklung dabei helfen, sich und Ihren Mitarbeitern die richtigen Fragen zu stellen. Checkliste Digitalisierung

1. Kunden finden: Haben Sie den passenden (digitalen) Lockstoff ausgelegt, der Ihre Kunden anzieht – unabhängig vom Produktangebot? – Sind Sie bereits der beste Anbieter von relevanten Inhalten zu Ihrem Themengebiet? – Was tun Sie, um digitale Interessenten zu identifizieren und passend anzusprechen? – Welchen Prozess haben Sie etabliert, um vage Interessenten in verlässliche Käufer zu verwandeln? – Wie entwickeln Sie Ihre digitalen Begegnungen zu echten Gesprächspartnern? 2. Daten nutzen: Welches System nutzen Sie, um die Informationen zu Kunden und Interessenten zu verwalten? – Wie bilden Sie die Prozesse ab, um aus Kontakten Kunden zu machen?

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3  Wie die Digitalisierung schon heute die analoge …

– Wie überwachen Sie die wichtigsten Prozesse in Vertrieb und Marketing, um sie stetig weiterzuentwickeln? – Wie nutzen Sie Geburtstage und Jahrestage aktiv für die Kundenkommunikation? – Wie nutzen Sie Daten von Besuchern auf Ihrer Webseite für die Marketingund Vertriebsprozesse? 3. Kommunikation vereinfachen: Welche Formen der Video-Kommunikation nutzen Sie aktiv im Vertrieb? – Wie könnten Sie die Vor- und Nachbereitung von Verkaufsgesprächen durch Bewegtbildinhalte verbessern? – Welche Zugänge bieten Sie Ihren Kunden per WhatsApp, Messenger und anderen Textnachrichten? – Wie einfach kann man Ihnen eine Sprachnachricht zukommen lassen? – Wie einfach sind Sie für potenzielle Kunden zu finden? – Wie einfach ist es, schnell zu verstehen, welchen Nutzen Ihr Angebotsportfolio konkret bietet? – Wie einfach ist es, einen ersten Kontakt zwischen Ihnen und Kunden herzustellen – auch außerhalb der üblichen Öffnungszeiten? – Wie einfach machen Sie es Ihren Kunden, „Ja“ zu sagen?

Diese kurze Checkliste bietet eine erste Orientierung zum Stand der Digitalisierung in Ihrer Vertriebs- und Marketingorganisation. Damit können Sie alleine oder mit Ihren Mitarbeitern binnen kurzer Zeit ein ehrliches Bild Ihres digitalen Reifegrades erstellen und daraus ableiten, welche Prioritäten Sie als nächstes setzen sollten. In Kap. 11 finden Sie eine ausführliche Bestandsaufnahme. Wenn Sie diese ehrlich durchführen, bekommen Sie ein klares Bild zum Zustand Ihrer Organisation. In Kap. 12 folgen darauf aufbauend Aktionspläne, damit Sie die nächsten Schritte in der richtigen Priorisierung angehen können.

3.3 Digitalisierung bedeutet, Entscheidungen zu treffen So manche Neuerung der letzten Jahre hat sich als Flop erwiesen. Unternehmer scheuen sich davor, ihre Investitionen zu verlieren, deshalb sollte man genau prüfen, in welche neuen Ideen man sein Geld investiert. Auf der anderen Seite ist es schlecht, wenn man einen Trend verschläft und sich später mit einem Rückstand konfrontiert sieht, den man kaum noch aufholen kann. Zumeist entstehen neue Produkte in der digitalen Welt aus der kreativen Kraft von Start-ups. Diese sind Vorreiter in der Entwicklung neuer Ideen, aber selten solide

3.3  Digitalisierung bedeutet, Entscheidungen zu treffen

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finanziert. Es ist kein Geheimnis, dass die meisten Start-ups es nicht schaffen, ein profitables Geschäftsmodell zu etablieren. Deshalb verschwinden die meisten auch wieder vom Markt. Allerdings verändern diejenigen, die es schaffen, die Geschäftswelt grundlegend. Das ist so, weil das Durchsetzen einer neuen Idee in einem bislang verteilten Markt ein Qualitätsmerkmal darstellt. Wenn man es schafft, eine neue Idee an den Markt zu bringen, diese von der Zielgruppe positiv aufgenommen wird und diese Zielgruppe tatsächlich bereit ist, genug zu bezahlen, damit die Idee profitabel weiterentwickelt werden kann, dann muss diese Idee auch ökonomisch erfolgreich sein – zumindest für eine Weile. Das ist für Unternehmer wichtig, die bei der Digitalisierung in Vertrieb und Marketing auf Partner setzen, die entsprechende Dienstleistungen bereitstellen. Wenn Unternehmen sich digital weiterentwickeln, setzen sie auf Werkzeuge und Plattformen, die man online kaufen oder mieten kann. Von der Plattform der eigenen Webseite, CRM-Systemen bis zu Werbeformen und Social-Media-Plattformen reicht das Angebot an Dienstleistern, die sich zum Teil ergänzen und zum Teil jedoch auch im Wettbewerb zueinander stehen. Welchen Anbietern kann man vertrauen? Welche der Anbieter werden überleben? In welche Werkzeuge sollten Sie als Unternehmer Zeit und Geld investieren? Es ist nahezu unmöglich, eine sichere Prognose für die Zukunft abzugeben. Aber es könnte gelingen, ein Set von Regeln festzulegen, nach dem Unternehmer entscheiden können, ob sie auf eine bestimmte Technologie setzen sollten oder nicht. Hier folgen vier Regeln, nach denen Sie Ihre Partner, Dienstleister und Zulieferer für die Digitalisierung aussuchen sollten. Die Reihenfolge ist bewusst so gewählt, dass der erste Punkt eine viel größere Wichtigkeit hat als der letzte.

3.3.1 Regel 1: Entscheiden Sie sich für einen Anbieter mit einem soliden Geschäftsmodell Unternehmen brauchen einen Zufluss an Mitteln, um bestehen zu können. Am Anfang kann Gründungskapital und die kostenlose Arbeit der Gründer diesen Zufluss an Mitteln kompensieren. Auch die eine oder andere nachfolgende Kapitalerhöhung kann das Ausbleiben ausreichender Umsätze eine Weile lang ausgleichen. Früher oder später muss jedoch eine solide Struktur an zahlenden Kunden dafür sorgen, dass das Unternehmen überleben wird. Unternehmer haben ein Gespür für die Frage, ob eine Geschäftsidee erfolgreich sein kann, auch wenn sie sich im Moment noch in der Gründungsphase befindet. Das sollte Ihr erstes Entscheidungskriterium sein. Wenn Sie vor der Entscheidung stehen, ob Sie mit einem bestimmten Softwareanbieter oder Dienstleister zusammenarbeiten wollen, um diese Leistung in Ihre Geschäftsprozesse zu integrieren, dann sollten Sie sich fragen, ob Sie das Geschäftsmodell verstehen und daran glauben. Falls sich nicht erschließt, wie dieser Anbieter mit Gewinn arbeiten will, dann lassen Sie die Finger davon. Und wenn es bereits einen oder mehrere deutliche Marktführer gibt, dann muss es schon

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3  Wie die Digitalisierung schon heute die analoge …

außergewöhnlich gute Gründe dafür geben, dass Sie eine Wahl treffen, die auf keinen der Marktführer fällt. In den meisten Fällen lohnt es sich nicht, einen aufwändigen Auswahlprozess zu starten, in dem verschiedene Anbieter getestet und bewertet werden. Dadurch geht zu viel Zeit verloren. Fast alle digitalen Werkzeuge befinden sich in ständiger Weiterentwicklung. Wer mit einem der Marktführer geht, kann davon ausgehen, dass er das beste Angebot bekommt. Schließlich werden alle Systeme ständig nach den Kundenanforderungen weiterentwickelt und erweitert.

3.3.2 Regel 2: Never build your house on rented land Dieser Spruch soll bedeuten, dass es strategisch ungünstig ist, in etwas zu investieren, das man nicht bewegen kann, falls sich die Verhältnisse ändern. Kaum jemand würde eine Immobilie auf gemietetem Land errichten, wenn die Grundlage ein kurzfristig kündbarer Mietvertrag wäre. Diese Situation ergibt sich jedoch oft, wenn man Investitionen in Form von Zeit und Geld betrachtet, die im Rahmen der Digitalisierung von Vertrieb und Marketing anfallen. Würden Sie Ihre Geschäftsprozesse im Vertrieb auf ein System stützen, das Ihre Daten vereinnahmt und Ihnen keine Möglichkeit bietet, Ihre Daten auf ein anderes System zu übertragen? Wohl kaum. Oder würden Sie ein Versandsystem betreiben, das alle Adressaten für Sie speichert, aber bei jeder Aussendung selbst entscheidet, wer welche Botschaft bekommt und nach Belieben die Spielregeln ändert? Ganz sicher nicht. Deshalb sollten Sie sich genau überlegen, bis zu welchem Grad Sie auf externe Systeme setzen, die Ihre Daten als deren Eigentum betrachten. Es gibt professionelle Anbieter von Softwaredienstleistungen, die Ihre Daten zwar speichern, jedoch nur in Ihrem Auftrag. Die Daten gehören Ihnen. Ein ähnliches Vertragsverhältnis wie mit Ihrer Bank für Ihr Girokonto: Es bleibt Ihr Geld, auch wenn es die Bank aufbewahrt, wofür Sie im Gegenzug eine Servicegebühr zahlen. Aber es gibt auch andere Vertragsverhältnisse, wie beispielsweise bei Facebook, Twitter, YouTube & Co. Dort zahlen Sie nichts für den Service. Im Gegenzug müssen Sie damit leben, dass seitens der Anbieter jederzeit die Grundlage der Zusammenarbeit verändert oder eingeschränkt wird. Wenn Sie beispielsweise Tausende von sogenannten Likes oder Followern auf Facebook aufgebaut haben und das die Grundlage Ihres Geschäftsmodells ist, dann sollten Sie sich nicht wundern, wenn Facebook die Spielregeln ändert und Ihre Reichweite einschränkt – es sei denn, Sie bezahlen künftig dafür. Als Unternehmer sollten Sie die wesentliche Vertragsgrundlage verstehen und sinnvolle Entscheidungen treffen. Das bedeutet nicht, dass beispielsweise Facebook kein Kanal für Sie sein kann – ganz im Gegenteil. Allerdings sollte Ihre Strategie darauf ausgelegt sein, dass Facebook lediglich das Medium ist, das Ihnen die gewünschte Aufmerksamkeit bietet. Die Geschäftsbeziehung und die Bindung zu Ihrer Kund- bzw.

3.3  Digitalisierung bedeutet, Entscheidungen zu treffen

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Zuhörerschaft sollten Sie über Daten steuern, die Ihnen gehören und nicht nur geliehen sind.

3.3.3 Regel 3: Eins nach dem anderen und das Wichtigste zuerst Die Vielzahl an Plattformen, sozialen Netzwerken und Datendienstleistern ist sehr unübersichtlich. Kaum ein vernünftiger Unternehmer wird gleichzeitig und überall aktiv werden. Es lohnt sich, zunächst die Prioritäten zu setzen und dann nach und nach mit den verschiedenen Möglichkeiten zu spielen. Im zweiten Teil dieses Buches (Kap. 5 und 6) werde ich die grundlegenden Prinzipien der Digitalisierung in Vertrieb und Marketing vorstellen und Werkzeuge erläutern, die jeder Unternehmer nutzen sollte – und zwar unabhängig vom Hersteller des jeweiligen Werkzeugs. Zusätzliche Ideen finden Sie im Anschluss daran. So können Sie sich aussuchen, welche davon zu Ihrem Geschäftsmodell und Ihrer Kundenstruktur am besten passen.

3.3.4 Regel 4: Risiken eingehen, ohne riskant zu investieren Neue Möglichkeiten bieten neue Chancen. Einige davon werden nicht den gewünschten Erfolg bringen, andere dagegen schon. Bei den meisten Möglichkeiten werden Sie erst dann wissen, ob es sich lohnt, wenn Sie es ausprobiert haben. Wissen wir heute beispielsweise, ob die neuen Messenger-Bots das Marketing revolutionieren? Nein, aber wenn wir es mit moderatem Risiko ausprobieren können – warum nicht? Wird VideoWerbung auf Google, Facebook und Instagram genug Neukunden für Ihr Geschäftsmodell bringen? Vielleicht nicht, aber was spricht dagegen, in den nächsten zwölf Monaten kontinuierlich ein paar hundert Euro pro Monat zu investieren und es herauszufinden? Auf den ersten Blick scheint diese vierte Regel der dritten zu widersprechen. Aber bei genauerem Hinsehen ist es eine Ergänzung, denn wir wissen ja noch nicht, welche Maßnahmen in einer schnelllebigen Welt im kommenden Jahr unsere wichtigsten Werkzeuge sein werden. Dieselben wie vor 15 Jahren vermutlich eher nicht. Dieser letzte Punkt soll Sie ermutigen, ein bisschen Spielgeld einzuplanen. Was sollte Sie davon abhalten, ein paar Prozent ihres geplanten EBIT oder Jahresgewinns als Spielgeld zu definieren? Damit meine ich nicht, dass Sie es komplett abschreiben und keinen Return on Investment erwarten sollten. Aber Sie sollten Wagnisse eingehen, die selbst bei einem Totalverlust keine Bedrohung für Ihr Unternehmen darstellen, die jedoch gleichzeitig im Erfolgsfall so attraktiv sind, dass sich der Einsatz mehr als lohnt. Würden Sie über ein Jahr einige hundert Euro pro Monat und Vertriebsmitarbeiter investieren, wenn die realistische Chance bestünde, dass dieser künftig 50.000 EUR mehr Deckungsbeitrag für das Unternehmen bringt? Würden Sie den Gegenwert der

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3  Wie die Digitalisierung schon heute die analoge …

Vollkosten eines Mitarbeiters investieren, um die Anzahl Ihrer Leads und Neukundenanfragen zu vervielfachen? Vielleicht ja, wenn Sie es sich leisten können und eine Chance auf Erfolg besteht. Und welchen Verlust würde es dagegen bedeuten, wenn Sie nur auf Basis von Misstrauen oder Unverständnis auf solche Chancen verzichten würden? Unternehmer dürfen, sollen und wollen begrenztes und berechenbares Risiko eingehen. Schließlich wissen Sie vor Antritt einer Geschäftsreise auch nicht, ob es sich lohnen wird. Dort haben Sie jedoch Erfahrungswerte, die Ihre Entscheidung vereinfachen. Im Zusammenhang mit der Digitalisierung fehlen uns diese Erfahrungswerte. Dennoch müssen wir diese Wagnisse eingehen, wenn Sie erfolgversprechend erscheinen und das Risiko gering ist.

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Digitalisierung bedeutet, Kundenverhalten und Geschäftsmodelle besser zu verstehen

Zusammenfassung

Der Begriff „Digitalisierung“ wird von vielen Menschen mit „Computerisierung“ gleichgesetzt. So entsteht bisweilen das Missverständnis, dass es darum geht, bestehende Geschäftsmodelle künftig auf den Computer zu übertragen. Das ist jedoch zu kurz gesprungen. Digitalisierung bedeutet vielmehr, Prozesse und Abläufe messbar und wiederholbar zu gestalten. Das ist vor allem im Vertrieb eine interessante Aufgabe, weil die meisten Unternehmen im Vertrieb keine Methoden und Prozesse einsetzen, sondern darauf vertrauen, dass der Vertriebsmitarbeiter intuitiv das Richtige tut. In diesem Kapitel beschäftigen wir uns mit der Frage, welche technischen Möglichkeiten heute schon verfügbar sind und wie Sie diese in Ihre Unternehmensprozesse einbauen können.

4.1 Vier Trends, die unseren Umgang mit Kunden verändert haben Es gibt vier grundlegende Veränderungen, die unser Verhalten im Leben und im Geschäftsleben beeinflussen.

Elektronisches Zusatzmaterial Dieses Kapitel enthält Videos und Dateien, die mit der kostenfreien SN More Media App aus dem IOS- und Android-Store abspielbar oder downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen https:// doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_4. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_4

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4  Digitalisierung bedeutet, Kundenverhalten und Geschäftsmodelle …

4.1.1 Trend #1: Kostenlos, komfortabel und sofort Früher war die Telefonauskunft kostenpflichtig. Erinnern Sie sich? Noch im Jahr 2004 gab es einen Fernsehspot mit Verona Pooht, in der die Nutzung des Auskunftsdienstes „11880“ beworben wurde. Das lässt darauf schließen, dass es damals noch ein tragfähiges Geschäftsmodell war, ein Call-Center zu betreiben, das dem Kunden Gebühren für eine Auskunftsdienstleistung berechnet. Das wäre heute nicht mehr rentabel, denn das macht Google schneller und kostenlos. Information hat ihren Wert verloren. Das Internet bietet mehr Information, als ein normaler Mensch verarbeiten kann. Wir bemessen den Wert von Dingen an ihrer Verfügbarkeit. Je mehr davon einfach so erhältlich ist, desto geringer schätzen wir den Wert – egal, wie wichtig diese Dinge für unser Leben sind. Atemluft oder Trinkwasser sind sehr gute Beispiele dafür. Wenn wir im heutigen Markt bestehen wollen, dann müssen wir uns darauf einstellen, dass es diesen Anspruch gibt. Wenn es bei einem Anbieter mühsam ist, Preise oder andere Parameter der Zusammenarbeit zu erfahren, dann entscheide ich mich eben für den anderen. Wenn ich bei einem Anbieter aufwändige Formulare für eine Rücksendung ausfüllen muss, dann nehme ich beim nächsten Mal einen anderen. Ich denke, dass die „Kauf mit einem Klick“-Option bei Amazon einen großen Teil des heutigen Unternehmenserfolgs ausmacht. Soll ich wirklich bei einem anderen Onlineshop erneut alle meine Daten eingeben, wenn ich es bei Amazon mit einem Klick bekommen kann – selbst wenn es dort ein paar Cent teurer ist? Wer als Unternehmen bestehen will, muss diesen Trend genau beobachten und schneller als der Wettbewerb die Anforderungen des Marktes treffen oder, besser noch, übertreffen. Wenn vergleichbare Leistungen angeboten werden, aber ein Anbieter den Prozess vereinfacht, beschleunigt und mich in die Geschäftsbeziehung hineinschnuppern lässt, ohne dass ich Kosten habe, dann hat dieser Vorrang.

4.1.2 Trend #2: Asynchron und unverbindlich Zeit ist ein wertvolles Gut, weil es knapp ist. Moderne Werkzeuge des Arbeitsalltags – allen voran Computer und Smartphone – haben unsere Art zu arbeiten massiv beeinflusst. Wir sind optimiert bis an die Grenze des Möglichen. Gemeinsame Zeit ist schwer zu planen. Wenn Sie schon einmal versucht haben, beispielsweise zehn Freunde zu einem gemeinsamen Grillnachmittag zu organisieren, dann wissen Sie, wie schwer das ist, weil immer einer in Urlaub, auf Reisen oder sonst wie verhindert ist. Mehrere Menschen gleichzeitig in einen Raum zu bringen ist schwer und oft sehr teuer. Wir können effektiver sein, wenn wir die gleichzeitige Anwesenheit nicht als Voraussetzung für bestimmte Geschäftsprozesse einplanen. Es kann viel bewirkt werden, wenn wir genau hinsehen, was wir gemeinsam und gleichzeitig erledigen müssen und was nicht. Das wird unterstützt durch digitale Medien. Wenn es noch vor wenigen Jahren

4.1  Vier Trends, die unseren Umgang mit Kunden verändert haben

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so war, dass Sie die Nachrichten um 20 Uhr entweder live mitbekommen oder verpasst haben, dann können Sie heute jederzeit die Tagesschau der letzten Tage online ansehen. Kein Wunder, dass sich asynchrone Kommunikationsmedien wie WhatsApp, Facebook Messenger oder schlicht SMS so schnell durchgesetzt haben. Inzwischen kommen Sprachnachrichten über diese Kanäle hinzu und sogar Video-Botschaften sind mittlerweile fast schon langweiliger Standard. Verkäufer dürfen deshalb an ihren asynchronen Fähigkeiten arbeiten. „Beschaffe mir einen Termin beim Entscheider und ich kann verkaufen!“ Schön. Aber was ist, wenn du den Termin nur bekommst, wenn du einen guten Text verfassen kannst? Oder wenn du eine exzellente Nachricht auf der Mailbox des Entscheiders hinterlassen hast? Oder gar, wenn du eine Video-Botschaft per LinkedIn sendest? Zukunftsmusik? Vielleicht. Aber wenn ich mit Berufsanfängern spreche, ist eines klar: Wer asynchrone Kommunikation nicht beherrscht, der wird nicht ernst genommen. Daraus ergeben sich für die Kommunikation mit Kunden einige Änderungen, die ein wenig auch den ersten Trend des kostenlosen und sofortigen Informationsappetits betreffen: Menschen senden Botschaften digital und erwarten verbindliche Antworten – legen sich aber nicht verbindlich fest. Und damit sind wir schon beim nächsten Trend:

4.1.3 Trend #3: Flexibel und vielleicht Wenn Sie vor 1980 geboren sind, dann haben Sie sich als Teenager auch noch in der Schule mündlich zum Kino am Abend verabredet und dann war man auch zuverlässig da. Allenfalls war es möglich, noch am Nachmittag telefonisch Änderungen zu besprechen, aber das war aufwändig. Heute kann man sich noch Minuten vor dem Termin anders entscheiden und alle per WhatsApp informieren. Flexibel. Mal sehen. Vielleicht schaffe ich es. Das hat sich auch im Geschäftsleben ausgewirkt. Zum Beispiel in meinem. Wenn es noch vor zehn Jahren normal war, dass Veranstaltungen, Seminarteilnahmen und Termine sechs oder mehr Monate im Voraus gebucht wurden, ist es heute Standard, dass die Teilnahme an einer Veranstaltung zu etwa 50 % in der letzten Woche vor dem Termin gebucht wird. Das müssen wir als veränderte Realität akzeptieren. Verkäufer sollten daher noch besser verstehen, wie man Verbindlichkeit bewirkt. Nach wie vor werden Entscheidungen getroffen. Allerdings nur dann, wenn wir müssen – oder denken, dass wir müssen.

4.1.4 Trend #4: Big & Small Data Gehen wir 20 Jahre zurück. Ende der 90er-Jahre hatten bereits einige Unternehmen eine „Homepage“. Gängiges Kommunikationsmedium war das Telefax. Google war im September 1998 gerade mal gegründet. Stellen wir uns vor, damals wäre es möglich

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4  Digitalisierung bedeutet, Kundenverhalten und Geschäftsmodelle …

gewesen festzustellen, wer die versendeten Briefe aus einem Massenmailing gesehen hat oder wer die Tausende von Telefaxen einer Aussendung las und wer nicht. Wer tatsächlich interessiert war und wer nicht. Meine Großmutter lebt schon lange nicht mehr, aber vermutlich hätte ich erwogen, sie zu verkaufen, wenn ich damals an diese Information hätte gelangen können. Oder nehmen wir an, damals hätte jemand angeboten, dass Sie alle professionellen Besucher Ihrer Webseite identifizieren könnten. Oder wenigstens sagen können, welche Unternehmen sich für Sie interessieren. Garantiert wären beide Großmütter auf dem Basar gelandet. Kundenkommunikation auf Kosten der Großmütter ist nicht wirklich eine Option, daher Spaß beiseite: Heute ist es möglich, genau mit diesen Informationen zu arbeiten. Meine Wahrnehmung ist, dass die meisten Unternehmer davon gehört haben, diese Möglichkeiten aber in der Schublade „Science Fiction“ ad acta gelegt haben, obwohl es für die Kundengewinnung pures Gold wäre. Die angesprochenen Informationen bekommen Sie für den Gegenwert weniger Euro – zumeist für weniger als die Tankrechnung eines typischen Außendienstmitarbeiters. Also erschwinglich. Sehr seltsam, dass dennoch die wenigsten Unternehmen damit gezielt arbeiten. Trends als Indikator für unternehmerische Entscheidungen

Wikipedia definiert den Begriff „Trend“ unter anderem so: „Ein Trend (von engl. to trend ‚in einer bestimmten Richtung verlaufen‘ bzw. ‚drehen‘ oder ‚wenden‘[1]) ist ein Instrument zur Beschreibung von Veränderungen und Strömungen in allen Bereichen der Gesellschaft.“ (Wikipedia 2019) Unternehmer reagieren auf wichtige Änderungen des Umfelds. Die besten unter ihnen sogar schon, bevor die Mehrheit den Trend erkannt hat. Clevere Unternehmer reagieren auf die hier genannten Trends, indem sie ihre Geschäftsmodelle anpassen oder komplett umstellen – je nachdem, wie stark sie von den genannten Trends direkt betroffen sind.

4.2 Wie sprechende Maschinen unsere Geschäftswelt beeinflussen werden In unserer Fantasie sprechen wir schon seit den 60er-Jahren mit Maschinen und Robotern. Zumindest die Filmindustrie präsentiert uns seither Fiktionen, in denen Menschen mit Maschinen sprechen und beide sich in einem natürlichen Dialog verständigen. Wer heute schon mit Alexa, Siri und Google zu tun hat, der weiß, dass es vermutlich noch eine Weile dauern wird, bis die Maschinen wirklich so gut verstehen

4.2  Wie sprechende Maschinen unsere Geschäftswelt beeinflussen werden

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können, was wir von ihnen wollen, wie das die Anbieter dieser Systeme uns glauben machen wollen. Spracherkennung wird immer besser, ist jedoch Stand Frühjahr 2019 noch sehr weit von einer natürlichen Dialogführung entfernt – zumindest was die Produkte angeht, die man heute bereits kaufen kann. Und dennoch ist klar, dass die sprechende Maschine kommen wird und dadurch bestimmte Umbrüche am Markt stattfinden werden. Auch wenn in den kommenden Monaten noch nicht mit solchen Umbrüchen zu rechnen ist, sollten wir uns auf die wesentlichen Folgen dieser Umbrüche einstellen und schon jetzt die richtigen Entscheidungen treffen. Aus meiner Sicht haben diese drei Entwicklungen hohe Relevanz für mittelständische Unternehmen:

4.2.1 Drei relevante Entwicklungen für mittelständische Unternehmen (1) Sprachapplikationen für Geschäftskunden Was ist die Bindung Ihrer Geschäftskunden wert? Was würde es für Sie bedeuten, wenn Ihre Kunden nicht vor jeder Beschaffung mehrere Alternativen prüfen, sondern auf einfache und bequeme Weise bei Ihnen bestellen? Zumindest in Bezug auf kleinere Kaufentscheidungen und Alltagsgeschäft könnte das einiges vereinfachen. Beispiel

Nehmen wir als Beispiel einen Schraubenhersteller, der Handwerker und Werkstätten beliefert. Nehmen wir an, in der Werkstatt stünde künftig nicht das obligatorische Radio, sondern ein Lautsprecher wie der von Google mit der Spracherkennung „Alexa“. Die Mitarbeiter könnten wie gewohnt während der Arbeit Musik hören und sogar ihre bevorzugten Interpreten per Sprache auswählen: „Alexa, spiel das neue Album von xy“. Und in der gleichen Weise könnte man auch fragen: „Alexa, wie viele Senkkopfschrauben 4 × 40 haben wir noch auf Lager?“ Klar, dass die Antwort ebenso über den Lautsprecher kommt. Wenn die Zahl zu gering erscheint, könnte der Mitarbeiter per Sprache bestellen, ohne dafür seine aktuelle Arbeit zu unterbrechen, um auf einen Bildschirm zu sehen und ohne mit verschmutzen Händen eine Tastatur zu bedienen. „Alexa, bestelle fünf Päckchen mit Torx!“ „Es gibt diese Schrauben in Päckchen à 1000 und à 200. Welche meinst du?“ „Dann lieber ein Päckchen mit 1000.“ „Ok, es gibt die Schrauben als Edelstahlschrauben oder aus Messing. Messing ist etwa 15 % günstiger. Was soll ich bestellen?“ „Messing reicht.“ „Ok. Ich bestelle jetzt ein Päckchen mit 1000 Schrauben 4 × 40 mit Torx in Messing. Die Lieferung kommt spätestens übermorgen.“ ◄

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Das ist heute bereits theoretisch möglich. Wenn solche Systeme einfach zu bedienen sind und einen Vorteil für den Kunden bieten, dann ist klar, dass sie kommen werden. Wenn man beachtet, dass das Gerät selbst bereits unter 50 EUR an Konsumenten verkauft wird, dann kann man sich leicht ausrechnen, dass es durchaus finanzierbar sein dürfte, seinen wichtigsten Kunden eines oder mehrere solcher Geräte zu spendieren, um den Bestellprozess zu optimieren. Dabei ist es nicht notwendig, immer und sofort den Fokus auf die reine Bestellabwicklung zu lenken. Es kann ebenso sinnvoll sein, Sprachsysteme als wertvolles Werkzeug für seine Kunden zu sehen. Hier weitere Ideen: • Ein Arzt nutzt Spracherkennung, um seine Diagnose nicht zu notieren, sondern aufzuzeichnen. Das lenkt ihn nicht von seiner Diagnosetätigkeit ab und unterstützt ihn bei der Auswahl der möglichen Präparate für die Behandlung. • Eine Autowerkstatt nutzt ein Sprachsystem, um Diagnosen im Dialog zwischen dem Mitarbeiter und dem System zu unterstützen. Der Mitarbeiter kann beim Arbeiten Fragen zur Fehlerdiagnose stellen und bekommt auch ohne Bildschirm die passenden Informationen geliefert. Eventuell kann er auch Entnahmen von Ersatzteilen in der eigenen Warenwirtschaft auslösen. • Ein Mittelständisches Unternehmen bringt einmal wöchentlich eine Nachrichtenzusammenfassung der Branche als kurze Audio-Botschaft, die Kunden und Interessenten in ihrer „Tageszusammenfassung“ von Alexa empfangen können. So positioniert sich das Unternehmen als führender Anbieter und bleibt in der Wahrnehmung der potenziellen und bestehenden Kunden ganz oben. Ebenso sind Systeme denkbar, die verschiedene Fragen zu Fachthemen beantworten und dadurch bei Ihren Geschäftskunden zu einem unverzichtbaren Werkzeug werden, das kontinuierlich für relevante geschäftliche Zwecke genutzt wird und dann aus Gewohnheit eben auch, um gelegentliche Bestellungen durchzugeben. Früher haben wir Schreibtischunterlagen mit unserer Telefonnummer und Zettelblöcke mit unserer E-Mail-Adresse als Werbegeschenke verteilt, um zu erreichen, dass man sich an uns erinnert, wenn eine spontane Bestellung ansteht. Heute sind die Sprachsysteme vielleicht die digitalen Nachfolger. Schließlich kann man immer nur eine Schreibtischunterlage nutzen, und die meisten haben auch nur einen Zettelkasten auf dem Schreibtisch. Jetzt geht es vielleicht darum, das eine Sprachsystem zu entwickeln und beim Kunden zu platzieren, das eine enge Beziehung herstellt und spontane Bestellungen ermöglicht. (2) Dialogsysteme inbound und outbound Google hat auf der Entwicklerkonferenz 2018 mit seinem Projekt „Google Duplex“ (https://www.youtube.com/watch?v=fBVCFcEBKLM) einen Entwicklungsstand vorgestellt, der beeindruckend ist. In dem Video kann man sehen, wie das System bei einem Friseursalon anruft, um einen Termin zu vereinbaren, und später einen komplizierten Dialog mit einem Mitarbeiter eines Restaurants führt, um einen Tisch zu reservieren.

4.2  Wie sprechende Maschinen unsere Geschäftswelt beeinflussen werden

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Beide Dialoge sind so sehr dem menschlichen Sprachgebrauch angepasst, dass wohl nur ein sehr misstrauischer Gesprächspartner den Anrufer als Computer entlarven würde. Diese Entwicklung bedeutet, dass wir auch weniger digitalisierte Geschäftspartner automatisiert an unsere Prozesse anbinden können. Viele Prozesse in Unternehmen drehen sich um relativ profane Kommunikation mit Vertragspartnern. Kunden melden Adressänderungen, wünschen sich eine Änderung des Auftrags, fragen nach dem Liefertermin oder haben sonstige einfachste telefonische Fragen. Bereits in Kürze wird es möglich sein, einfache Vorgänge, für die man bislang einen Sachbearbeiter eine telefonische Nachfrage ausführen ließ, von einem Computersystem erledigen zu lassen. Beispiele hierfür: • • • • • •

unvollständige Bestellangaben telefonisch klären Termine mit Geschäftspartnern vereinbaren über Änderungen des Liefertermins informieren Mahnungen telefonisch nachfassen versendete Angebote telefonisch nachfassen Einladungen nachfassen, die ohne Reaktion blieben

Die Liste ist nahezu endlos fortführbar mit Aktivitäten, die bislang eine telefonische Interaktion zwischen zwei Menschen erforderte. Wir wissen im Moment noch nicht, wie aufwändig es sein wird, den Algorithmus solcher Gespräche zu programmieren oder über Parameter festzulegen. Dieser Aufwand dürfte ausschlaggebend sein, wie schnell solche Systeme verbreitet werden. Wenn es gelingt, die Programmierung solcher Systeme einfach zu gestalten, sodass es nicht wesentlich schwieriger als die Programmierung einer Webseite sein wird, dann dürfen wir schon bald damit rechnen, dass solche Automaten an der Tagesordnung sind. (3) Suchmaschinen fragen statt Suchworte eingeben Noch vor fünf Jahren war es üblich, die Suche bei Google mit einer eher unnatürlichen Aneinanderreihung von Worten zu füttern. Wenn man einen bestimmten Film in einer bestimmten Stadt im Kino sehen wollte, dann gab man „Star Wars Köln Kino“ ein, um die Kinos zu bekommen, die in Köln diesem Tag dem besagten Film zeigten. Inzwischen ist es üblich, solche Suchen mit den Worten „Ok Google“ oder „Hey Siri“ zu beginnen und dann eine natürliche Frage zu stellen: „Wo läuft heute Abend in der Nähe Star Wars?“ Was sich am Konsumentenmarkt durchsetzt, erobert in der Regel auch kurz darauf den Business-Bereich. Schon heute können wir feststellen, dass mehr und mehr Suchanfragen als natürliche Fragen formuliert werden. Auch Geschäftskunden werden ihre Suchanfragen mehr und mehr als komplette Sätze formulieren. Darauf sollten wir vorbereitet sein und die wichtigsten typischen Fragen unserer Kunden und die dazu passenden Antworten gut auffindbar machen.

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4  Digitalisierung bedeutet, Kundenverhalten und Geschäftsmodelle …

Das betrifft nicht nur die typischen Fragen zu den Produkten, sondern vor allem allgemeine Fragen zu den wichtigsten Themen unserer Kunden, unabhängig von unserem Leistungsangebot. Ein potenzieller Kunde für mich als Verkaufstrainer dürfte wohl viel eher nach „Wie bereite ich eine Preisverhandlung vor?“ suchen als nach „Wann ist das nächste Training von Stephan Heinrich?“. Wenn sich diese Art von Spracheingaben als Suchbegriff durchsetzt, müssen wir noch besser verstehen, was unsere Kunden denken und wir sie im Alltag unterstützen können. Dazu ist es notwendig, unsere Informationen über Produkten und Leistungen um Informationsangebote zu erweitern, auf die potenzielle Kunden zugreifen und dadurch eventuell erst später auf Angebote aufmerksam werden.

4.2.2 Digitale Sprachschnittstellen und ihre Bedeutung für Unternehmer Vielleicht werden wir schon bald mit einem technischen Durchbruch bei Sprachsystemen überrascht. Oder es dauert noch Jahre, bis sie sich tatsächlich in der Breite etablieren. Der Zeitpunkt ist noch offen, aber dass dieser Durchbruch kommen wird, ist klar. Besser, wir haben jetzt bei unseren unternehmerischen Entscheidungen diese wichtigen Punkte im Blick: • Auffindbarkeit als Problemlöser: Wir sollten darauf achten, dass wir nicht nur über unsere Marken- und Produktnamen auffindbar sind, sondern auch über die typischen Fragen und Problemstellungen unserer Kunden. Damit wir als Problemlöser gefunden werden, noch bevor wir als Lieferant infrage kommen. • Auswirkungen auf Mitarbeiter: Wenn die Sprachassistenten kommen, die Dialoge mit natürlichen Personen führen können, werden einige typische Assistenzberufe mit Telefonschwerpunkt nicht mehr gebraucht. Wir sollten diese Menschen jetzt weiterqualifizierten und auf neue Aufgaben vorbereiten. • Strukturgeber für Kundenkommunikation: Um die digitalen Prozesse in Marketing und Vertrieb zu beherrschen, brauchen wir Know-how, um die Strukturen dieser automatisierten Kommunikationsprozesse abzubilden. Dafür gibt es heute kaum typische Berufsbilder. Wir müssen uns das Wissen vermutlich zunächst selbst aneignen und geeignete Menschen mit psychologischem und kommunikationswissenschaftlichem Hintergrund einstellen. • Technische Kompetenz in der Applikationsentwicklung: Je nachdem, mit welchen Werkzeugen die Umsetzung der Kommunikationsstruktur in Systeme gelingen wird, brauchen wir interne oder externe Fachleute, um die technische Realisierung zu bewerkstelligen und die Funktion des Systems im Alltag zu sichern. Die meisten Kommunikationswerkzeuge, die wir heute zum Markt hin nutzen, basieren auf Text, Bild, Audio und Bewegtbild. Wenn Sprache als Dialoginstrument hinzukommt,

4.3  Digitale Vertriebs- und Marketingtools, die Sie kennen sollten

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verlassen wir uns bislang auf Menschen, die diesen Kundendialog für unsere Unternehmen durchführen. Durch den Einsatz von digitalen Systemen in der Kommunikation zum Markt brauchen wir ganz andere Kompetenzen im Unternehmen, um diese Anforderungen zu erfüllen.

4.3 Digitale Vertriebs- und Marketingtools, die Sie kennen sollten Es gibt noch eine Reihe von Werkzeugen, die wichtig sind, weil sie enorme Vorteile bieten. Sie können sich vermutlich lohnen, wenn Sie sofort tiefer in die jeweilige Materie einsteigen bzw. Mitarbeiter mit dieser Aufgabe betrauen. Zunächst müssen Sie diese Werkezuge jedoch verstehen, um entscheiden zu können, ob sie Ihrem Unternehmen Vorteile bieten können.

4.3.1 Retargeting und Lookalike Audience Der besondere Reiz dieser Werkzeuge liegt darin, dass Sie die Datenbasis von beispielsweise Google, LinkedIn oder Facebook nutzen können, um bestimmte Zielgruppen anzusprechen, ohne dass diese sich Ihnen gegenüber bereits zu erkennen gegeben hatten. Retargeting ist ein digitales Verfahren, das es ermöglicht, Werbebotschaften anhand von beobachtbarem Verhalten gezielt individuell zuzustellen. Das hat einen besonderen Reiz, weil Sie auf diese Weise Personen mit einem ganz eng definierten Ausgangsinteresse erneut ansprechen können, um eine bestimmte Handlung auszulösen. Nehmen wir an, Sie haben einen Artikel zum Thema „Digitalisierung im Mittelstand“ verfasst. Dieser Artikel hat im Laufe der letzten Wochen etwa 5000 Leser gefunden. Davon haben 80 Personen im Tausch gegen ihre E-Mail-Adresse mehr Informationen angefordert. Diese kennen Sie inzwischen namentlich und können deren Informationsinteresse weiter befriedigen. Etwa 1500 haben relativ schnell, also in weniger als fünf Sekunden, die Seite mit dem Artikel wieder verlassen. Diese Menschen haben offenbar etwas anderes gesucht und in ihrem Artikel nicht gefunden. Aber rund 2000 Personen haben mehr als zwei Minuten mit dem Artikel verbracht. Die meisten davon haben sich jedoch nicht zu erkennen gegeben und haben die Seite verlassen. Wie wäre es, wenn Sie jetzt gezielt diese rund 2000 Menschen mit einer Werbebotschaft auf einen weiteren Artikel zum gleichen oder ähnlichen Thema aufmerksam machen? Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie damit vorhandenes Interesse treffen, ist groß, und vielleicht sind diesmal der Artikel und die angebotene Zusatzinformation interessant genug, dass eine Kontaktadresse hinterlassen wird. Retargeting ist deshalb so mächtig, weil die jeweils angesprochene Zielgruppe sehr eng begrenzt werden kann. Dadurch ist die Ansprache ohne Streuverluste möglich. Gut gemacht, kann fast eine Art Dialog geführt werden, wenn man sich jeweils in die

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Kundenperspektive der Zielgruppe hineindenkt. Obwohl die einzelnen Identitäten der angesprochenen Retargeting-Gruppe für den Werbetreibenden nicht erkennbar sind, kann ein Personenkreis sehr direkt und mit maximaler Resonanz angesprochen werden. Die Methodik der sogenannten „Lookalike Audience“ nutzen verschiebe Algorithmen der anbietenden Plattformen wie beispielsweise Facebook, um ähnliche Individuen im Vergleich zu einer bestehenden Gruppe herauszufiltern. Nehmen wir an, Ihre bestehende Gruppe ist die Summe der etwa 1500 Personen, die sich für Ihren Newsletter interessiert haben und sich im letzten halben Jahr in die Liste eingetragen hatten. Jeder, der sich in eine solche Liste im in Deutschland üblichen Double-opt-in-Verfahren eingetragen hat, wurde nach Ausfüllen und Absenden des Anmeldeformulars auf eine sogenannten Dankesseite weitergeleitet. Dadurch kann man beispielsweise feststellen, welche der Facebook-Mitglieder diese Seite besucht hatten, und daraus eine Gruppe von Personen bilden. Um eine Lookalike Audience zu erzeugen, nutzen Sie diese Gruppe an NewsletterInteressenten, um daraus eine größere Gruppe an ähnlichen Personen zu ermitteln. Nehmen wir an, die Anzahl der Personen, die im deutschsprachigen Raum Facebook nutzen und deutsch sprechen, sind etwa 38 Mio. Menschen. Stellen wir uns vor, dass für jeden dieser Menschen eine Kugel in einen quaderförmigen Behälter gelegt wird. Jetzt wird oben an diesem Quader ein Magnet angebracht, der diejenigen Kugeln anzieht, die der Vergleichsgruppe bzgl. ihres Verhaltens und ihrer Interessen am ähnlichsten sind. Gleichzeitig wird gegenüber am unteren Ende des Quaders ein Magnet installiert, der genau diese Zielpersonen abstößt und dafür die genau gegenteilig gearteten Kugeln anzieht. Wenn man nun eine Weile den Behälter schüttelt und rüttelt werden sich oben die ähnlichsten Kugeln anordnen. Wenn alle Kugeln ihren Platz gefunden haben, können wir in Prozentschritten die obersten zehn Prozent, also zehn Schichten an Kugeln, in neue Behälter umfüllen und bekommen jeweils 380.000 Kugeln, die der Vergleichsgruppe am meisten ähneln. Facebook bietet die Möglichkeit, jede dieser zehn „Lookalike Audiences“, wie der Fachbegriff lautet, einzeln anzusprechen. Sie können Werbebotschaften also gezielt an die Personen ausliefern, die den Menschen am meisten ähneln, die bereits Interessenten oder Kunden sind. Ich halte diese Möglichkeit für außerordentlich leistungsstark und vielversprechend, um neue Zielgruppen mit sehr wenig Streuverlust anzugehen. Besonders relevant ist diese Methode für regionale Expansion. Wenn Sie beispielsweise in England bislang keine Aktivitäten unternommen haben, aber jetzt eine Filiale in England planen, können Sie auf der Basis Ihrer bestehenden Kunden oder Interessenten in Deutschland die ähnlichsten Kunden in England ansprechen. So können Sie schneller und kostengünstiger in neue Märkte expandieren. Falls Sie denken, dass Facebook nicht die Plattform ist, auf der Ihre Kunden sind, dann mag das grundsätzlich richtig sein. Allerdings ist bei 38 Mio. Nutzern, die älter als 18 Jahre sind, für den deutschsprachigen Raum eine durchaus repräsentative Menge an Personen. Auch wenn Facebook im Moment am weitesten fortgeschritten ist, was das Angebot an Möglichkeiten für Werbekunden bedeutet, werden Google und Microsoft,

4.3  Digitale Vertriebs- und Marketingtools, die Sie kennen sollten

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die hinter LinkedIn stehen, sicherlich aufholen und schon bald ähnliche Möglichkeiten anbieten (Abb. 4.1). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/ akquiseatb2b

4.3.2 Videokommunikation Reisezeiten sind in der Regel unproduktive Zeiten. Man kann jede Organisation verbessern, wenn man die unproduktiven Zeiten reduziert. Allerdings ist der Kontakt zum Kunden eine wichtige Voraussetzung, um im Vertrieb erfolgreich zu sein. Also stellt sich die Frage, wie man die unproduktiven Zeiten reduzieren kann, ohne dadurch das gewünschte Ergebnis zu gefährden. Naturgemäß sind die jeweils ersten Termine in einer Kundenbeziehung diejenigen, die in einem hohen Maße zu keinem späteren Verkaufserfolg führen. Schließlich wird hier zunächst ergründet, ob es überhaupt eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit gibt. Und es gibt die wiederkehrenden Termine, bei denen sich alle Teilnehmer bereits gut kennen und regelmäßige Treffen die gemeinsame Arbeit unterstützen sollen. In beiden Fällen rate ich dazu, diese Termine so zu verändern, dass sie in einem virtuellen Raum stattfinden können. Das bekannteste System ist „Skype“, das inzwischen zum Microsoft-Konzern gehört. Wir verwenden in meinen Unternehmen ein anderes System, das unter dem Namen Zoom.us vermarktet wird. Für einen Betrag unter 20 EUR pro Monat bekommt man dort

Abb. 4.1   Retargeting und Lookalike (► https://doi.org/10.1007/000-9ze)

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4  Digitalisierung bedeutet, Kundenverhalten und Geschäftsmodelle …

einen virtuellen Raum, in dem bis zu 50 Teilnehmer gleichzeitig ein Meeting abhalten können. Die Teilnahme kann mit jedem PC, Notebook, Smartphone oder Tablet erfolgen. Auch die Einwahl über eine herkömmliche Telefonleitung ist möglich, wobei dann keine visuellen Informationen ausgetauscht werden können. Die einzelnen Teilnehmer des Meetings sind nebeneinander oder wie in einem Mosaik angeordnet, sodass jeder jeden sieht, sofern der PC eine Kamera hat. Der Ton wird ebenfalls über das Netzwerk übertragen. Der Inhaber des Raumes kann alle andern Teilnehmer stumm schalten und einzeln sprechen lassen oder alle können nach Belieben Beiträge leisten. Weil jeder Teilnehmer seinen Bildschirminhalt übertragen kann, können auch Dokumente, Bilder oder Videos gemeinsam besprochen werden. Wer will, zeichnet das Meeting als Video auf und kann es so archivieren oder am Meeting verhinderten Personen zukommen lassen. Wenn dadurch nur 10 % der Reisezeiten eingespart werden, wäre das bereits ein großer Gewinn für die meisten Vertriebsorganisationen. Vielleicht können selbst interne Vertriebsmeetings auf diese Weise effektiver werden. Damit das gelingt, müssen bestimmte persönliche Fähigkeiten erlernt werden, was in Teil III dieses Buches noch näher besprochen wird.

4.3.3 Terminplanung „Schicken Sie mir mal drei Terminvorschläge, wann es bei Ihnen passt, ich gleiche das dann mal mit dem Kalender unserer Teilnehmer ab …“ Vielleicht kennen Sie solche Anfragen? Viel Zeit im Vertrieb geht verloren, weil man aneinander vorbei telefoniert, sich gegenseitig Nachrichten hinterlässt und seine Zeit wenig effizient verbringt, bis der Termin endlich steht. Das kann man einfacher haben. Es gibt viele verschiedene Systeme, die man für wenig Geld mieten kann, um Terminplanung zu digitalisieren. Dazu greifen die Systeme auf einen eigenen Kalender zu und bieten dem Betrachter nur die freien Termine an, ohne zu zeigen, wodurch die nicht freien Zeiten blockiert sind. Ich nutze dafür den Anbieter vcita.com. Dort definiere ich Terminraster, die ich meinen Kunden anbieten will. Das ist in meinem Fall beispielsweise ein zehnminütiges Telefonat, oder 30 min, um eine längere Frage zu beantworten oder 60 min, um eine Coaching-Session durchzuführen. Für jedes dieser Terminangebote gibt es einen Link, den ich an meine Kunden senden kann. Diese sehen dann die möglichen Tage und Zeiten. Dabei ist es möglich, für jedes der Terminangebote festzulegen, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten ich das grundsätzlich anbieten möchte. Und ich kann Vorbereitungszeiten mit einsetzen, sodass die Termine nicht direkt aneinandergereiht werden, sondern eine von mir bestimmte Vorlaufzeit berücksichtigt wird. Der Kunde sieht die freien Zeiten in meinem Kalender ein, vergleicht sie bequem mit seinem Kalender und bucht dann einen Termin. Ich kann festlegen, ob dieser automatisch eingetragen und bestätigt wird oder ob eine menschliche Person noch einmal prüft. So habe ich meine Terminplanung mit Abstimmungsgesprächen mit meinen Kunden enorm erleichtert.

4.3  Digitale Vertriebs- und Marketingtools, die Sie kennen sollten

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Wenn es darum geht, mit mehreren Personen aus unterschiedlichen Unternehmen einen gemeinsamen Termin zu vereinbaren, ist das noch aufwändiger. Hierfür bietet sich das Werkzeug doodle.com an. Dort kann einer der Teilnehmer sein Raster an freien Terminen eintragen und dann den Link veröffentlichen. Alle anderen Teilnehmer nutzen doodle als eine Art Abstimmungswerkzeug und kreuzen die Termine an, die möglich wären. Nachdem alle abgestimmt haben, ist auf einen Blick ersichtlich, zu welchem Termin alle oder die meisten können, und doodle wird auf Befehl mit einem Klick alle zu dem gefundenen Termin einladen. Wenn drei oder mehr Personen an einem Telefonat oder Treffen teilnehmen sollen, verbessert und erleichtert dies die Terminplanung ungemein (Abb. 4.2). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/ akquiseatb2b

4.3.4 Chat-Systeme & Chatbots Der Dialog mit Kunden ist ein zentrales Element aller Prozesse in Vertrieb und Marketing. Da liegt es auf der Hand, sich die Möglichkeiten anzusehen, die diesen Dialog digital möglich machen. Manche Dialoge sind nicht synchron, beispielsweise schriftliche Nachrichten und jede Form von Audio oder Video, die über bestimmte Median ausgespielt werden und auf die Kunden reagieren sollen. Hier geht es mir um den synchron geführten Dialog 1:1, für den ich zwei Stufen der Digitalisierung sehe: Chat-Systeme und Chatbots.

Abb. 4.2   Terminplanungstool (► https://doi.org/10.1007/000-9zd)

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4  Digitalisierung bedeutet, Kundenverhalten und Geschäftsmodelle …

Chat-Systeme kennen Sie möglicherweise als Kunde von verschiedenen Webseiten. Dort erscheint zumeist am Bildschirm unten rechts ein Symbol oder eine Miniaturfotografie eines Portraits und die Aufforderung zur Unterhaltung, wie beispielsweise „Hallo, ich bin Paul. Herzlich willkommen auf dieser Seite. Wie kann ich Sie unterstützen?“ Wenn Sie sich darauf einlassen, können Sie eine Frage stellen. Sobald Sie aktiv werden, wird seitens des Unternehmens der Webseite der Beginn des Dialoges mit Ihnen auf den Bildschirmen mehrerer Mitarbeiter angezeigt. Wenn einer diesen Dialog zu sich heranzieht, verschwindet er bei den anderen Mitarbeitern und dieser eine Mitarbeiter tritt in den schriftlichen Dialog mit Ihnen. Auf diese Weise können Sie Besucher Ihrer Webseite bzw. bestimmter Seiten Ihres Shops oder Ihrer Seite dazu auffordern, ins Gespräch mit einem Mitarbeiter zu gehen. Eventuell entwickelt sich daraus auch der Wunsch, ein Telefonat zu führen, und Ihr Mitarbeiter ruft den Kunden an. Wenn Sie ein Team von Mitarbeitern haben, das üblicherweise Telefonate mit Kunden führt, kann das eine deutliche Erhöhung der relevanten Gespräche mit Neukunden haben. Viele Kunden, die auf der Suche nach bestimmten Produkten oder Lösungen ins Internet gehen, scheitern oft, weil sich nicht finden, was sie wollen, oder unsicher sind, ob die angebotenen Lösungen passen. Die Möglichkeit zum sofortigen Dialog kann Ihnen einige Kunden bringen, die sonst still wieder gegangen wären. Chatbots sind Systeme, mit denen ein Teil des Dialogs, oder bei einfachen Situationen, sogar der komplette Dialog digitalisiert werden kann, ohne dass ein Mensch noch eingreifen müsste. Die zurzeit am Markt befindlichen Systeme, um Dialoge komplett zu automatisieren, stecken noch in den Kinderschuhen. Dennoch kann man damit sehr interessante Erfolge erzielen. Nehmen wir an, Sie haben ein regionale Vertriebsstruktur und bieten über Handelspartner Ihre Produkte an. Ein Chatbot könnte folgenden Dialog mit Besuchern auf Ihrer Webseite führen, die bereits länger als eine Minute auf der Seite sind: Beispiel

„Hallo, ich bin der elektronische Helfer der XY GmbH. Wäre es für Sie hilfreich, wenn Sie unsere Produkte auch einmal live und in Farbe ansehen könnten?“ Antwortmöglichkeiten: Ja|Nein|Ich habe eine andere Frage Angenommen, der Kunde entscheidet sich für Ja, dann könnte es so weiter gehen: „Ok. Das ist prima. Ich kann unseren nächstgelegenen Händler heraussuchen. Wie lautet Ihre Postleitzahl?“ Der Kunde gibt seine Postleitzahl an. Wenn es keine fünfstellige Zahl ist, fragt der Chatbot als nächstes: „Welches Land ist das?“ Antwortmöglichkeiten: Österreich|Schweiz|Luxemburg|Liechtenstein|Keines davon Als nächstes bietet der Chatbot eine Liste von bis zu drei Vertragspartnern an und sagt:

4.4  Sind unsere Kunden und Wettbewerber schon digital?

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„Bitte geben Sie mir Ihre E-Mail Adresse, damit ich Information dorthin senden kann.“ Wenn der Kunde die E-Mail angibt, könnte der nächste Text so lauten: „Wenn Sie noch weiterte Fragen haben, einfach hier Ihre Telefonnummer eingeben, dann informiere ich meinen menschlichen Kollegen, dass Sie mit ihm sprechen möchten.“ ◄ Selbstverständlich müsste man sich für jede der Antworten eine sinnvolle Weiterführung des Dialogs überlegen. Und man könnte immer dann, wenn der Chatbot die Antwort nicht interpretieren kann, den Verweis auf einen menschlichen Gesprächspartner anbieten. In vielen Fällen könnte man so einen Dialog für seine Kunden und Interessenten bieten, der spielerisch wirkt und der die häufigsten Fragen und Informationsbedürfnisse spielerisch erfüllt, statt auf ein Formular oder eine längere Liste mit häufig gestellten Fragen zu verweisen. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung dieses Buches sind mir vier Anbieter einfacher Chatsysteme bekannt, die auf unterschiedlichen Philosophien beruhen: • ManyChat.com – Ein Anbieter der es ermöglicht, auf einfache Weise einen Chatbot auf der Basis von Facebook Messenger zu erstellen. • ChatFuel.com – Ein Wettbewerber von ManyChat, der ebenfalls auf Facebook Messenger setzt. • Collect.chat – Ein System, das auf der Webseite Ihres Unternehmens läuft und einen Chat ohne ein fremdes Trägersystem wie Facebook ermöglicht. • Whatsbroadcast.com – Einer der Marktführer in Deutschland, der neben Facebook Messenger auch WhatsApp als Kanal anbietet. Ich empfehle Ihnen, dass Sie entweder selbst oder mit einer darauf spezialisierten Agentur erste Versuche machen und prüfen, ob und wie Chatbots von Ihrer Zielgruppe akzeptiert werden.

4.4 Sind unsere Kunden und Wettbewerber schon digital? „Unsere Kunden sind nicht digital affin. Sie lassen sich selbst E-Mails noch ausdrucken.“ Es war vor wenigen Monaten, als ich einen Vortrag über die Digitalisierung vor einem Branchenpublikum hielt. In der Pause nach meinem Vortrag stand ich mit einigen der geladenen Geschäftsführer an einem Stehtisch. Alle Teilnehmer waren Führungskräfte aus den Bereichen Spedition, Hafen und Reeder, die Großfrachten wie Seecontainer und Schüttgut beförderten. In dieser Runde klopfte mir ein gesitteter Herr väterlich auf die Schulter und sagte: „Was Sie da über die Digitalisierung im Vertrieb

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gesagt haben, betrifft uns nicht. Container bucht man nicht im Internet. Dazu braucht man einen Dialog mit einem Speditionskaufmann – anders ist das nicht vorstellbar.“ Ich sah in die Runde und fragte: „Darf ich Ihnen drei Fragen stellen?“ Sie nickten und ich fragte: „Wie haben Sie Ihre Übernachtung hier am Konferenzort gebucht?“ Alle bis auf einen, der nach Hause fahren wollte, nannten Online-Hotelportale. „Wenn Sie nicht mit dem Auto hier sind: Wie haben Sie Ihr Flug- oder Bahnticket gebucht?“ Und wieder sagten alle wie selbstverständlich „online“. Und dann stellte ich die dritte Frage: „Und glauben Sie wirklich, dass es so ein großer Unterschied ist, einen Seecontainer von A nach B zu buchen?“ Schweigsame Stille. Ich sagte: „Es ist nicht die Frage, ob es so einen Service geben wird. Die einzige Frage ist, wer ihn zuerst am Markt etablieren wird, denn die Tatsache, dass dieser Service für Kunden nur Vorteile haben wird, ist der Garant dafür, dass er kommen wird.“

4.4.1 Wenn es bequem, einfach und kostengünstig ist, wird es sich durchsetzen Die vielen Marktverschiebungen der letzten Zeit, die vor allem im Umgang mit Privatkunden jede Menge Geschäftsmodelle revolutioniert oder zumindest deutlich verändert haben, sind Zeuge der Veränderung durch digitale Kommunikationswege. Diese Tatsache hat mit der Digitalisierung nicht direkt zu tun. Es galt schon immer, dass eine grundlegende Revolution unserer Verhaltensweisen ausgelöst wird, wenn es bequemer, einfacher und kostengünstiger ist. Neulich habe ich bei meinem Kollegen Jürgen Schmid gelesen, dass die Weiterentwicklung der Kerze nie zur Glühbirne geführt hätte. Romantiker werden jetzt zu Recht sagen, dass Kerzen einfach schöner sind. Allerdings ist Beleuchtung im modernen Sinne ausschließlich mit Kerzen wohl kaum mehr möglich. Daher müssen wir akzeptieren, dass Verhaltensweisen sich durch Technologie ändern, auch wenn jede Form von Änderung für die menschlichen Gehirne eine enorme Überwindung bedeutet. Gewohntes ist einfacher zu verarbeiten, insbesondere wenn wir das Teenageralter hinter uns haben. Wenn ich mit Managern spreche, die für Kundenbeziehungen verantwortlich sind, dann höre ich häufig Aussagen in der Qualität von „unsere Zielkunden sind nicht auf WhatsApp“. Das klingt vernünftig, wenn man sich einen seriösen Unternehmer im Anzug mit Weste vorstellt, dessen Sekretärin die Postmappen auf seinen Schreibtisch legt. Aber wie ist es, wenn wir diesen Unternehmer als Opa sehen, der in der Kaffeepause die neuesten Fotos seines Enkels in WhatsApp betrachtet? Gehen wir einfach davon aus, dass sich die Dinge durchsetzen werden, die bequemer, einfacher und kostengünstiger sind. Selbst dann, wenn eine Neuerung nur eines dieser Kriterien erfüllt, kann das schon den Durchbruch bedeuten. Und wenn unsere Kunden heute noch nicht zu 100 % auf digitalem Weg erreichbar sein sollten, wird sich das ändern, sobald Sie oder einer Ihrer Wettbewerber dafür einen guten Grund liefern.

4.4  Sind unsere Kunden und Wettbewerber schon digital?

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4.4.2 Was wäre, wenn …? In diesem Zusammenhang hat mich eine Episode berührt, die Christoph Keese in seinem Buch „Silicon Valley“ (Keese 2014) schildert. Es geht um Gilbert Rühl, den CEO von Klöckner, einem internationalen Stahlgroßhändler mit deutschem Ursprung. Keese beschreibt in seinem Buch einen Anruf von Gilbert Rühl. Dieser hatte davon erfahren, dass Keese im Rahmen eines Programms des Axel Springer Verlages als Führungskraft ein halbes Jahr in Silicon Valley verbringen würde. Rühl bat Keese darum, ein Treffen mit Denkern und Gründern der dortigen Gründerszene zu vereinbaren. Ziel des Treffens: Ideen entwickeln, wie man Klöckner angreifen könnte, um den Konzern mit digitalen Geschäftskonzepten zu erschüttern oder gar obsolet zu machen. Eine mutige Herangehensweise eines Vorstandsvorsitzenden – zumindest für traditionelle Beobachter. Was aus dem Treffen und den nachfolgenden Jahren seit 2013 entstand, kann man sich auf den Webseiten von Klöckner ansehen. Rühl hat in mehreren Interviews erklärt, welche grundlegenden Änderungen der Händler von Stahlprodukten inzwischen vollzogen hat. Der Konzern hat Wege gesucht, die das eigene Geschäftsmodell besiegen könnten, und ist diese Wege selbst konsequent gegangen. Ein ungewöhnlicher Schritt für einen bezahlten Manager Es ist eher unüblich, dass Manager ihre Gratifikation aus solchen grundlegenden Strukturänderungen schöpfen. Das eigene Geschäftsmodell auf den virtuellen Schießstand der Wettbewerber und Start-ups zu stellen und dann das Feuer zu eröffnen – vielleicht eine grundlegende Idee, um inhabergeführte Unternehmen und Familienbetriebe auf veränderte Märkte vorzubereiten. Einmal nüchtern und emotionslos zu überlegen, wie man das eigene Unternehmen am schnellsten aus dem Markt drängen könnte. Die besten Ideen für diesen Angriff nochmals auf Machbarkeit prüfen und dann selbst im eigenen Unternehmen umsetzen. Vielleicht kann dieses Buch Sie ein wenig auf diesem Gedankengang begleiten. Was könnte von außen auf Sie und Ihr Unternehmen zukommen? Wie könnte man Ihre bisherigen Gewinnbringer angreifen, auch wenn das im Moment nicht wahrscheinlich erscheint. Welche Idee, die vielleicht sogar schon in den Schubladen Ihrer eigenen Ingenieure schlummert, wird Ihr Geschäftsmodell vernichten? Organisationen sträuben sich dagegen zu akzeptieren, dass der bisherige Erfolg auf Basis des bisherigen Geschäftsmodells angreifbar sein könnte. Besonders eindrucksvoll ist in diesem Zusammenhang der tiefe Fall von Kodak. Beispiel

Der Marktführer für Filmmaterial hatte bei der Forschung nach Digitalkameras die Nase vorne. Steve Sasson präsentierte 1975 bereits die erste Digitalkamera der Welt und Kodak ließ sich 1978 das Patent dafür eintragen. Dennoch durfte der junge Ingenieur damals auch innerhalb des Unternehmens nicht über seine Erfindung reden. Man erteilte ihm einen Maulkorb. Obwohl Kodak im Laufe der Jahre Lizenz-

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gebühren in Milliardenhöhe durch das Patent einsammeln konnte, ging der Konzern schließlich 2012 in die Insolvenz. Zu groß war das eigene Beharren auf den bisherigen Geschäftsmodellen. Es musste dem Management bereits spätestens 2003 klar geworden sein, dass die analoge Kameratechnik keine Marktbedeutung mehr haben würde. 2002 wurden halb so viele digitale wie analoge Kameras verkauft. Nur ein Jahr später überholte der Absatz der digitalen Kameras die analogen Modelle. Und bereits 2007 wurden praktisch keine analogen Kameras mehr verkauft. Und damit auch keine Filme mehr. Und ebenso kein Fotopapier und keine Chemikalien zur Entwicklung und auch kein Laborzubehör mehr. Die Marktbedeutung der Produkte von Kodak hatte sich innerhalb kürzester Zeit erledigt. Der Umsatz sank von 11,4 Mrd. US$ im Jahr 2005 auf 1,5 Mrd. US$ im Jahr 2017. Trend: rückläufig. ◄ Die dramatische Geschichte von Kodak und die Erfolgsstory von Klöckner interessieren mich vor allem aus einem Grund: Wie kann man im eigenen Unternehmen ähnlich mutige Entscheidungen treffen, wie Gilbert Rühl bei Klöckner? Und wie kann man eine Verdrängung vom Markt wie im Fall von Kodak vermeiden? Wie gelingt die Balance zwischen Stolz auf die bisherigen Erfolge und gesunder Unzufriedenheit mit dem aktuellen Weg?

4.5 Geschäftsmodelle neu denken Die Möglichkeiten der digitalen Welt haben Ansprüche entstehen lassen, die sich nun in die alte Geschäftswelt ausbreiten. Wenn es früher nötig war, in einen eigenen Server zu investieren, um Daten im Unternehmen zu teilen, gibt es heute Dienste wie Dropbox, Google Drive und ähnliches, die man kleinteilig mieten kann. Software wird nicht mehr gekauft, sondern pro Mitarbeiter und Monat abonniert. So werden große, schwierig zu bewertende Investitionen durch Entscheidungen über kleinere Beträge ersetzt. Das bewirkt eine Anspruchshaltung in der analogen Welt, die wir noch vor wenigen Jahren nicht für möglich gehalten hätten: Beispiele

• Ein Maschinenbauunternehmen, das sich auf Verpackungsmaschinen in der Pharmaindustrie spezialisiert hat, stellt fest, dass die Kunden keine Verpackungsmaschinen mehr kaufen wollen, sondern verpackte Medikamente. Ähnlich wie vor Jahren der Markt der Kopiergeräte eine neue Wendung nahm. Die Kunden wollten keine Kopiergeräte mehr kaufen oder leasen – sie wollten pro erstellte Kopie bezahlen.

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• Ein Hersteller von Spezialschrauben, die unter anderem in der Petrochemie verwendet werden, um Flanschverbindungen von Rohren trotz starker thermischer und mechanischer Belastung dicht zu halten, wird mit einer neuen Anforderung konfrontiert: Die Kunden wollen nicht unbedingt Schrauben kaufen, aber sie wollen dichte Flansche. ◄

4.5.1 Warum das „alte Marketing“ immer weniger funktioniert „Ich bin so toll im Bett, das musst du mal erlebt haben!“ Es erfordert nicht viel Erfahrung, um zu erkennen, dass dieser Spruch bei der privaten Akquise von Liebespartnern wenig erfolgversprechend ist. Und falls Sie jetzt anderer Meinung sind: Diese Methode wäre wohl nur dann erfolgreich, wenn der oder die Angesprochene im übertragenen Sinne am Verdursten ist. „Desperate“, wie es der schwer zu übersetzende Begriff im Englischen so gut auf den Punkt bringt. Sicherlich gibt es deutlich bessere Möglichkeiten für den Beginn eines Flirts. Wenn wir jedoch auf die Machart der Sprüche in Werbung und Verkauf blicken, dann stellen wir fest, dass hier leider immer noch genau dieses Prinzip von „Ich bin so toll …“ am meisten verbreitet ist. Es ist das aus der Ego-Perspektive behauptete Nutzenversprechen, das im Marketing noch immer dominiert. Gibt es nicht auch wesentlich bessere Ideen, um eine Verbindung zum Kunden herzustellen? Das bisherige Marketing ist aus mindestens zwei Gründen nicht mehr überlebensfähig. Beide Gründe lassen sich ganz einfach erklären: • Behaupteter Nutzen statt bewiesener Kompetenz: Im alten Marketing steht die Behauptung eines Nutzens im Vordergrund. Produkte und Dienstleistungen werden beschrieben und deren Nutzen ausführlich angepriesen. Beweise fehlen komplett oder werden durch Referenzen und Prüfungssiegel lediglich angedeutet. Im modernen Marketing kommen alle Karten auf den Tisch. Wissen wird transparent und Knowhow kann für den potenziellen Kunden bereits dessen Probleme lösen, noch bevor eine Geschäftsbeziehung beginnt. Die Kompetenz des Anbieters wird durch wertvolle Inhalte bewiesen, und es besteht bereits eine Vertrauensbeziehung, obwohl bislang noch kein direkter Kontakt zustande gekommen ist. • Unerwünschte Störung statt gewollte Information: Das alte Marketing stört den Konsumenten und unterbricht ihn bei seinen aktuellen Tätigkeiten. Werbung wird eingeblendet und soll die Zielperson erreichen, obwohl diese im Moment eine andere Intention hat. Der Konsument wird gestört und nutzt Möglichkeiten, um die unerwünschte Werbung zu umgehen. Das neue Marketing ist zurückhaltend und wird nur dann aktiv, wenn der Interessent Inhalte anfordert. Und es verstummt auf Wunsch des Konsumenten wieder. So obliegt dem Interessenten die Steuerung der Intensität und Quantität der Marketingbotschaften.

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4.5.2 Eine erfolgreiche Verbindung entsteht, wenn das Angebot zum Bedarf passt Das Prinzip erfolgreicher Verbindungen im Geschäftsleben ist ganz einfach. In der Natur nennt man dieses Prinzip Symbiose. Beide Beteiligten bekommen aus der Verbindung mehr, als sie geben – zumindest aus der jeweiligen Perspektive. Die Beispiele dafür sind mannigfaltig. Zwei Partner finden sich und geben dem anderen etwas, das dieser gut gebrauchen kann, obwohl es für den Gebenden eher ein wertloses Gut oder ein Nebenprodukt ist. Die Laus, die die Ameise mit Sekreten füttert und dafür Schutz genießt. Das Nilpferd, das sich putzen lässt und dafür dem Putzervogel Nahrung bietet. Diese Verbindungen lassen sich nicht beliebig kombinieren. Nur wenn es wirklich passt, funktioniert die Symbiose. Wenn wir dieses Prinzip auf unsere Geschäftswelt übertragen, stellen wir fest, dass der erste Schritt das Verständnis ist. Es geht darum, wirklich und tiefgründig zu verstehen, was den Kunden tatsächlich interessiert. In seinem Buch „Value Proposition Design“ hat dies Alexander Osterwalder mit seinen Co-Autoren sehr einprägsam auf den Punkt gebracht (Osterwalder et al. 2015). Man kann die Empfänglichkeit des Kunden auf drei Fragestellungen reduzieren: • A1. Bei der Erledigung welcher Aufgaben kann ich meine Zielgruppe wesentlich unterstützen? • A2. Welche Probleme, Unannehmlichkeiten und Schmerzen will meine Zielgruppe vermeiden? • A3. Welche Verbesserungen, Erfolge und Lustgefühle kann ich für meine Zielgruppe herbeiführen? Es hat sich bewährt, diese drei Fragen mehrfach an verschiedene Menschen zu richten, die mit unterschiedlichen Sichtweisen auf die Fragestellung blicken. In einem Unternehmen könnten das der Verkäufer, der Produktionschef, der Marketingspezialist, der Kundendienst, der Produktentwickler, der Controller oder die Unternehmensführung sein. Was so selbstverständlich klingt, findet in der Praxis oft nicht statt. Es lohnt sich, die Ideen der einzelnen Bereiche zu den drei Fragestellungen zu sammeln und zu konsolidieren. Schließlich kann man die gefundenen Punkte nach ihrer Wichtigkeit sortieren. Dieser Findungsprozess kann ganz bewusst auf mehrere Tage ausgedehnt werden, um kurzfristige positive oder negative Eindrücke richtig zu bewerten. Als Ergebnis bekommt man ein weites Verständnis davon, was aus Kundensicht der Bedarf ist. Jetzt geht es darum, diesen Bedarf geschickt mit einem passenden Angebot zu verbinden. Auch hier kann man diese Aufgabe mit drei einfachen Fragestellungen sehr gut lösen: • B1. Welche besonderen Eigenschaften, Merkmale und Beschaffenheit hat unser Angebot (Produkt oder Dienstleistung)?

4.5  Geschäftsmodelle neu denken

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• B2. Wie lösen, heilen oder lindern wir bestimmte Kundenprobleme? Welchen Schmerz oder Druck können wir abstellen? • B3. Wie machen wir unsere Kunden glücklicher, erfolgreicher, schneller, gesünder oder auf sonstige Art und Weise besser? Wie erfüllen wir deren Sehnsüchte und vielleicht sogar unausgesprochene Träume? Längst haben Sie erkannt, dass die jeweiligen Antworten auf die beiden Fragen 2 (pain = Schmerz) und 3 (gain = Zuwachs) später zusammenpassen sollten, um einen guten Vermarktungserfolg herzustellen. Im Idealfall können wir herausfinden, welche Schmerzen in welcher Intensität von unserer angestrebten Kundengruppe wahrgenommen werden. Und wir ermitteln, welche Wünsche und Träume besonders weit oben stehen und von unserer Zielgruppe als wichtig empfunden werden. Unser Angebot wird dann besonders erfolgreich sein, wenn aus der Sicht der potenziellen Kunden sofort erkennbar wird, dass es genau diese Prioritäten adressiert. Der Kunde kauft ja bekanntlich nicht ein Produkt oder eine Dienstleistung, sondern die Hoffnung, dass durch den Kauf seine Probleme gelöst und/oder seine Träume erfüllt werden. Lassen Sie uns noch einen Blick auf zwei typische Fehler dieser Methode werfen und überlegen, wie man sie bereits im Vorfeld abstellen kann. So vermeiden Sie typische Fehler und machen es von Anfang an richtig

• Fehler 1: Die Punkte in Frage 3 sind lediglich Umkehrungen der Punkte in Frage 2. Sicherlich ließe sich jede Verbesserung auch als behobenes Problem darstellen. Allerdings geht es hier um die tatsächlich und ursprünglich wahrgenommenen Probleme und die – auch ohne Problem – erwünschten Erfolge. Sicherlich bin ich auch glücklicher, wenn bestimmte Probleme abgestellt sind. Das ist aber nicht der Kern der Frage an dieser Stelle. Wenn ich als HobbyRosenzüchter akute Probleme mit Läusen habe, dann liegt auf der Hand, dass dies ein Problem ist, das ich lösen will. Und irgendwie ist es bestimmt auch ein Traum von mir, keine Läuse mehr zu haben. Allerdings kann ich mir als „gain“ eher das vorstellen: Der Traum von einem duftenden Rosengarten, der den ganzen Sommer über Freude bereitet. • Fehler 2: Die Fragestellungen nach den Eigenschaften und Leistungsmerkmalen des Produkts werden im direkten zeitlichen Zusammenhang mit der Frage nach den Kundenbedürfnissen gestellt. Dadurch entsteht nur eine verklausulierte Rechtfertigung des Status quo. Wenn Sie einige Tage verstreichen lassen, bevor Sie die gleiche Gruppe von Menschen erneut befragen, bekommen Sie bessere Ergebnisse. Und natürlich sollten Sie die zuletzt erarbeiteten Ergebnisse nicht zu Beginn der neuen Befragung erneut diskutieren.

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Wenn Sie jetzt die gefundenen Punkte zu den Fragen A2 und B2 sowie A3 und B3 miteinander verbinden und die besten Passungen herausarbeiten, dann ist die erfolgreiche Vermarktung nur noch eine logische Übung: So verbinden Sie Bedarf und Angebot

Sie dürfen die Aufgabenstellung des Kunden und die wichtigsten Antworten aus A2 und A3 heraussuchen, die passenden Punkte aus B2 und B3 wählen und das Ganze dann mit den wichtigsten Eigenschaften aus B1 begründen. Etwa nach dem Muster: „Wichtige Problematik (A1) bedeutet oft Schmerz (A2), obwohl Sie doch Erfolg (A3) wollen. Hier bekommen Sie Ergebnis (B3), wobei Schmerz (B2) verhindert wird, indem Sie Beschaffenheit (B1) nutzen.“ Das ist nur ein allgemeines Muster, jedoch stehen hier der Kunde und seine Perspektive im Mittelpunkt. Als Beispiel des Rosenzüchters könnte hier stehen: „Die private Rosenzucht im heimischen Garten kann viel Ärger und Sorgen mit Schädlingen und hässlichen Pilzen bedeuten, wo Sie doch nur einen duftenden und farbenfrohen Blickfang für sich und die Familie wollen. Mit dieser Methode bekommen Sie einen gesunden Rosengarten ohne schädliche Giftstoffe. Nutzen Sie die rein pflanzlichen Rezepte der Profizüchter für sich als engagierten Hobbygärtner.“

Wenn Sie die Vermarktung Ihrer Produkte und Leistungen an diesem einfachen Schema ausrichten, wird sich die Quote Ihrer erfolgreichen Kampagnen sicherlich erheblich verbessern.

Literatur Keese C (2014) Silicon valley. Albrecht Knaus, München Osterwalder A, Pigneur Y, Bernards G, Smith A, Wegberg TA (2015) Value proposition design. Campus, Frankfurt Wikipedia (2022) Trend. https://de.wikipedia.org/wiki/Trend_(Soziologie). Zugegriffen: 24. Dez. 2022 YouTube (2018) Google duplex demo (Google I/O 2018). https://www.youtube.com/ watch?v=fBVCFcEBKLM. Zugegriffen: 8. Mai 2019

Teil II Zukunftsstrategie – Wie können wir Kundenbeziehungen durch digitale Werkzeuge stärken?

Der erste Teil dieses Buches hat die Prinzipien der Digitalisierung erfasst. Vermutlich haben Sie bislang einen Überblick darüber gewonnen, was Sie im Auge behalten sollten und welche Schwerpunkte Sie auf Ihrem weiteren Weg zur Digitalisierung setzen wollen. Dieser zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit der Untersuchung verschiedener Werkzeuge, die Sie in Betracht ziehen könnten, um ihre digitale Entwicklung voranzutreiben. Betrachten Sie es als Kiosk der Möglichkeiten. Suchen Sie sich die Ideen aus, die am besten zu Ihren Zielen und Ihren Anforderungen passen. Die einzelnen Ideen sind so ausgewählt, dass Sie diese kombinieren können, aber nicht unbedingt alle davon umsetzen müssen. Verschaffen Sie sich hier einen Überblick und bilden Sie sich eine Meinung, welche der Anregungen Ihnen besonders geeignet erscheinen. Im vierten Teil des Buches sprechen wir über die Umsetzung der Ideen in die Praxis.

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Customer Journey planen und aussichtsreiche Leads generieren

Zusammenfassung

Wer Digitalisierung ernst nimmt, muss bereit sein, die Abläufe in Marketing und Vertrieb als Prozess zu betrachten. Wenn wir dies aus der Perspektive des Interessenten oder Kunden tun, dann nennt man das „customer journey“: die Abfolge von Kontakten eines Kunden mit einem Unternehmen und dessen Angebot wird als Reise betrachtet. Für das anbietende Unternehmen entscheidend ist, aus der Vielzahl von ersten Leads die wenigen relevanten Verkaufschancen zu finden, die, sofort zu bearbeiten sind. Wichtig ist aber auch, die noch kalten Leads durch einen ressourcensparenden, automatischen Prozess an das Unternehmen zu binden, damit sie dann, wenn konkreter Bedarf entsteht, sofort bedient werden können. Wie dies konkret zu bewerkstelligen ist, lesen Sie in diesem Kapitel.

5.1 Customer Journey: Potenzielle Kunden auf eine Reise mitnehmen Wenn man Menschen bewegen will, dann sollte man nicht nur den Bestimmungsort, sondern auch den Ausgangspunkt berücksichtigen, also die Reise von A nach B. Diese fast schon lapidar wirkende Weisheit wird in der Praxis des Marketings und Vertriebs leider immer wieder vergessen. Der Begriff der Customer Journey leitet sich aus dem Gedanken ab, dass ein Kunde mehrere Stationen besucht, bevor er eine Kaufentscheidung trifft. Diese Stationen werden bisweilen auch Touch Points genannt. Ergänzende Information Dieses Kapitel enthält Videos und Dateien, die mit der kostenfreien SN More Media App aus dem IOS- und Android-Store abspielbar oder downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen https://doi.org/10.1007/9783-658-40947-0_5. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_5

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5  Customer Journey planen und aussichtsreiche Leads generieren

Eine solche Reise mit mehreren Kontaktpunkten machen vermutlich die meisten ihrer potenziellen Kunden durch, bevor eine Kaufentscheidung fällt. In den wenigsten Fällen wird ein Kunde nach dem allerersten Kontakt bereits eine endgültige Investitionsentscheidung treffen. Daher lohnt es sich, diesen Prozess als Reise zu betrachten und zu planen, statt sich nur auf nur einzelne Elemente wie Anzeigen oder Artikel zu konzentrieren. Lassen Sie uns die einzelnen Schritte gehen, die erforderlich sind, um einen Menschen von einem ersten Kontakt zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zu bewegen.

5.1.1 Vom Content-Element zur Customer Journey Eine Webseite, eine Produktseite im Shop, eine persönliche Begegnung auf einer Messe, eine Anzeige in einer Zeitschrift, eine Plakatwand oder andere Berührungspunkte sind Kontakte mit Ihrem Unternehmen. Nach einem dieser Kontakte folgen vermutlich weitere Kontakte. Diese Abfolge von Kontakten kann man als Reise auffassen. Dabei ist es wichtig, nicht nur die einzelnen Touch Points zu betrachten, sondern vor allem auch die Verbindung dazwischen: Ist es eine stimmige Reise oder nur ein Staccato an beliebigen Eindrücken? Dabei geht es nicht nur um Online-Kontakte. Auch ein Anruf oder ein Besuch beim Kunden sind Berührungspunkte oder „Touch Points“, die als Abfolge mehrerer Stationen einer Reise betrachtet werden können. Eine Reise hat zumeist ein Ziel. Und genau das ist bei dieser Betrachtungsweise ein wesentliches Element: Wenn eine Person die „Customer Journey“ antritt, wollen wir sie nach Möglichkeit zu einem bestimmten Punkt führen. Anfang und Ende der Customer Journey festlegen Wenn Sie das Ziel der Customer Journey planen, dürfte es fast immer einen kommerziellen Hintergrund haben. Es wird damit zusammenhängen, dass ein potenzieller Kunde eine Kaufentscheidung trifft oder zumindest näher an diese Entscheidung herangeführt wird. Was aber sehr viele Unternehmen nicht berücksichtigen, ist der Ausgangspunkt der Reise. Von wo startet der Interessent? Was ist der Impuls, aus dem heraus er Kontakt zu Ihnen aufgenommen hat? Was war unmittelbar vor diesem Kontakt sein Gedankengang und sein zentrales Interesse? Sich in den Kunden hineinzuversetzen und den Ausgangspunkt seiner Reise zu verstehen, um ihn dort „abzuholen“, ist die wesentliche Idee, wenn Sie eine Customer Journey planen. Die Customer Journey ist nicht immer die kürzeste Verbindung von A nach B Eine Verkürzung der Reise, um Zeit zu sparen, kann ein Ziel sein, dürfte aber in den meisten Fällen nicht klappen. Vertrauen bildet die Grundlage für eine Kaufentscheidung, und das Wachsen dieses Vertrauens kann man von außen kaum beschleunigen – ähnlich wie beim Wachstum von Pflanzen wird eine Kaufentscheidung durch das sprichwörtliche „Ziehen am Grashalm“ nicht schneller erfolgen. Allerdings kann man die Bedingungen

5.1  Customer Journey: Potenzielle Kunden auf eine Reise mitnehmen

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herstellen, die optimales Wachstum unterstützen. Genau das wollen wir erreichen, wenn wir die Kundenbeziehung als Customer Journey planen. Wir wollen den Kunden und seine Bereitschaft, eine Verbindung einzugehen, nicht als Zustand sehen, sondern als Entwicklung, die wir ganz bewusst begleiten. Den Ausgangspunkt der Customer Journey planen Nehmen wir als Ausgangspunkt der Reise einen Messebesuch. Wir nehmen an, dass Sie einen Stand auf einer Messe oder einem Kongress hatten und mehrere Visitenkarten von potenziellen Kunden gesammelt haben. Ab hier sind viele Schritte denkbar. Man könnte auf den Gedanken kommen, sofort als erstes einen Katalog oder ein Bestellblatt zu versenden, um den Kunden zu einem Kauf zu bewegen. Lassen Sie uns das Beispiel des Herstellers von Rosendünger noch einmal bemühen. Angenommen, es gab eine Messe „Pflanzen und Erde“, an der Sie teilgenommen haben. Sie hatten eine Verlosung und in diesem Rahmen einige Teilnahmepostkarten von Interessenten ausfüllen lassen. Sie können jetzt sofort einen Prospekt mit einer anhängenden Postkarte für eine Bestellung von Rosendünger an alle Adressen versenden. Vermutlich würde sogar der eine oder andere kaufbereite Kunde direkt bestellen. Aber sicher nur diejenigen, die lediglich den letzten Impuls benötigten, um eine Bestellung abzusenden. Allerdings würden wir einige Chancen auf profitables Geschäft ungenutzt vergeben, wenn wir dies als einzige Maßnahme folgen ließen. Stationen der Customer Journey planen Stattdessen könnten wir mehrere aufeinander folgende Kontakte planen, mit denen wir nicht nur die heißen Interessenten zu einer Entscheidung führen, sondern auch möglichst viele andere Kontakte weiterentwickeln und zu Kunden machen. Der erste Schritt könnte der Versand einer Broschüre sein: „Die 12 wichtigsten Tipps für einen gesunden Rosengarten“ könnte ein kleines Heftchen sein, in dem Sie verschiedene Aspekte der Rosenzucht und auch, aber nicht nur, das passende Konzept zum Düngen erläutern. In dem Text zur Broschüre könnte genau das Gewinnspiel aufgegriffen werden: „Ihr Gewinn: Die wichtigsten Tipps für Ihren gelungenen Rosengarten.“ Ein nächster Schritt könnte dann ein weiterer Versand sein. Diesmal eventuell als E-Mail, wenn Sie die Adresse bekommen haben. Sie versenden dann wenige Tage später einen Hinweis auf ein Forum im Internet, in dem sich Rosenzüchter austauschen. Im Text der Nachricht könnten Sie einen Erfahrungsbericht eines Kunden mit dessen Bild seiner Lieblingsrose versenden, möglicherweise mit dem Hinweis, dass Sie an weiteren Fotos von besonders gelungenen Rosen interessiert sind. Der Kunde bewirbt sich für ein Verkaufsgespräch Die Messenachbearbeitung ist bei vielen Verkäufern ungeliebt: Man ruft die Kontaktperson an, die auf einer Messe am eigenen Stand war, und versucht, ein Gespräch zu beginnen. „Sie waren ja auf der Messe XY auf unserem Stand. Jetzt rufe ich Sie an, um zu fragen, … Bla, bla bla.“ Mal ganz abgesehen davon, dass die wenigsten Kunden

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direkt erreichbar sind, ist die Erfolgsquote sehr gering. Warum? Weil ein Messebesucher auf der Messe zig Gespräche zu seinem Interessensgebiet geführt hat und sich deshalb nach ein paar Tagen kaum mehr erinnert, mit wem er was besprochen hat. Im Gegensatz zu störenden Anrufen, die den Kunden unterbrechen, könnte man einen besonderen Schritt der Customer Journey planen, bei der ein potenzieller Kunde aktiv eine Kontaktaufnahme per Telefon einfordert. Sie könnten – wieder mit dem Beispiel des Rosenzüchters als Zielperson – ein kostenloses Analysegespräch anbieten. Dieses Gespräch zielt darauf, die äußeren Bedingungen und konkreten Wünsche abzufragen und dann ein individuell abgestimmtes Konzept zur Rosenpflege zu entwickeln. Die Gestaltung des Gesprächs kann so vorbereitet werden, dass einer Ihrer Wissensträger eine Reihe von Fragen entwickelt, die dem Kunden am Telefon gestellt werden. Ausgehend von den Antworten können dann Umfang und Zusammensetzung eines Pflegekonzepts angeboten werden. Darin enthalten ist ein Kalender, der die wichtigsten Zeitpunkte zum Düngen, Schneiden und Ausbringen von Pflanzenschutz enthält. Und ebenfalls die Zusammensetzung von Düngern und Schädlingsbekämpfungsmitteln mit Rezepturen und Produktangaben. Je nach Standort und Größe des Rosengartens bekommt der Kunde eine individuelle Empfehlung. Der besondere Vorteil dieser Methode im Gegensatz zum undifferenzierten Anrufen aller Kontakte ist der geringere Aufwand bei vermutlich gleichem oder sogar gesteigertem Erfolg. Wir müssen nicht mehr wertvolle Vertriebszeit damit vergeuden, Kontakte anzurufen, die im Moment nicht interessiert sind. Stattdessen rufen wir nur solche Kunden an, die aktiv um ein Beratungsgespräch bitten. Und welcher Verkäufer würde nicht gerne nur mit Kunden reden, die dieses Gespräch auch wollen und mit großer Wahrscheinlichkeit ein Problem haben, das sie lösen können? Bestimmt können Sie Ihre Customer Journey planen und dabei ein ähnliches Gesprächsangebot vorbereiten, das ein zentrales Informationsinteresse Ihrer potenziellen Kunden trifft. So können Sie erreichen, dass Ihre potenziellen Kunden ein Beratungsgespräch bei Ihrem Vertrieb aktiv einfordern, statt es von außen aufgezwungen zu bekommen. Klar, dass dieses Vorgehen bessere Gespräche anbahnen wird. Anderer Startpunkt – ähnliche Reise Wenn wir annehmen, dass dieses Konzept sich bewährt hat, könnten wir es auf andere Ausgangspunkte anwenden. Der potenziellen Kunde wird zunächst mit wertvollem Inhalt versorgt, später aufgefordert, sich selbst mit Fragen oder eigenen Beiträgen einzubringen und später werden lediglich diejenigen, die im Moment zu einem Beratungsgespräch bereit sind, zu einem Telefonat gebeten. Angenommen, dieses Prinzip hätte sich für unseren Rosenzüchter bewährt, dann läge es nahe, eine ähnliche Customer Journey auch für andere Ausgangspunkte zu planen. Wenn nicht eine Messebesuch der erste Kontakt war, dann vielleicht ein anderer Touch Point. So könnte man den Kunden von einem Blogartikel, einem Zeitungsartikel oder einem Radiobeitrag unterschiedlich „abholen“. Selbstverständlich könnten Artikel mit verschiedenen Inhalten auch jeweils diesen Inhalt als Ausgangspunkt wählen. Ein Artikel über die passende Zusammen-

5.1  Customer Journey: Potenzielle Kunden auf eine Reise mitnehmen

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stellung von Rosensorten bietet einen anderen Ausgangspunkt der Reise an als ein Artikel über die größten Fehler beim Düngen von Rosengärten. In dem einen Fall kann die Reise länger dauern und mehrere Stationen haben, während im anderen Fall das Interesse bereits warm oder sogar schon heiß ist und mit weniger Stationen zum Ziel der Reise geleitet werden.

5.1.2 Bei der Planung der Customer Journey ist das Ziel der Weg Die Konzentration auf die Gestaltung der Stationen einer Reise bilden im Content Marketing ein wichtiges Grundkonzept. Die Botschaften der einzelnen Inhalte sind ohnehin abgestimmt auf die Content-Strategie und die Ausgangssituation der Zielperson. Wenn es gelingt, konsequent von unterschiedlichen Ausgangssituationen jeweils eine passende „Customer Journey“ zu planen, wird das Content Marketing die gewünschten Ergebnisse liefern. Ausschlaggebend ist die Konzentration auf den ersten Touch Point des Interessenten. Nur wer auf passende Weise in seinem aktuellen Denkprozess „abgeholt“ wird, kann die Reise antreten und zu einem vorgesehenen Bestimmungsort kommen. Es ist wichtig, das Ziel einer Marketingmaßnahme zu kennen und eindeutig zu definieren. Um die Erfolgsquote zu erhöhen, ist es notwendig, die möglichen Positionen zu berücksichtigen, von denen aus eine Person die Reise antreten soll. Steter Anpassungsprozess der Customer Journey Im klassischen Marketing musste man lange überlegen und dann eine Entscheidung für die Umsetzung treffen. Mit einem oft erheblichen zeitlichen Vorlauf wurde dann die Kampagne veröffentlicht. Für Korrekturen fehlten dann jedoch fast immer das Budget und die Zeit. Machen Sie ganz bewusst jeweils einen Plan, um alle relevanten Ausgangssituationen und die davon ausgehenden Stationen der Reise zu bestimmen. Wenn Sie eine Customer Journey planen, wird das in den seltensten Fällen ein einmaliger Prozess sein. Die Möglichkeit, das genaue Verhalten der Zielperson zu testen und daraus weitere Schritte abzuleiten, ist vor allem bei Online-Aktivitäten besonders einfach durchführbar. Es lohnt sich, von Beginn an solche Korrekturen und Anpassungsprozesse mit einzukalkulieren. Ein steter Prozess aus Entwurf, Umsetzung, Messung und Korrektur, um dann wieder mit einem geänderten Entwurf in die Umsetzung zu gehen, ist der Kreislauf, der dem Online-Marketing eine wesentlich höhere Effizienz gibt (Abb. 5.1). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/ akquiseatb2b

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5  Customer Journey planen und aussichtsreiche Leads generieren

Abb. 5.1   Customer Journey (https://doi.org/10.1007/000-9zg)

5.2 Content Marketing als Lead-Generator Die Idee von modernem Content-Marketing ist einfach: Man produziert aus Kundensicht relevante Inhalte und erzeugt dadurch nach und nach eine Beziehung. Erst wenn diese Beziehung gefestigt ist, belastet man diese durch Aufforderungen. Diese Aufforderung kann ein Produktangebot sein, eine Bitte um eine Spende oder sich zu bewerben, eine Veranstaltung zu besuchen, weitere Daten wie die Telefonnummer anzugeben oder die Aufforderung zu einem telefonischen oder persönlichen Kontakt. Alle diese Arten von Aufforderungen zielen darauf ab, einen Schritt näher an eine Geschäftsbeziehung zu kommen. Der Einfachheit halber verwenden wir den Fachbegriff „Lead“. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es keine allgemeinde Definition der Qualität eines Leads gibt. Manche würde einen Eintrag in eine Liste, um einen Newsletter zu bekommen, bereits als Lead sehen. Für andere ist ein Lead nur ein Name eines Entscheiders, der bereits erklärt hat, dass er BANT, also Budget, Authority, Need und Timepressure hat. Hier geht es zunächst um die Frage, wie man die Leads methodisch gewinnt.

5.2.1 Grundlagen für die erfolgreiche Leadgewinnung Der Begriff „Lead“ bezeichnet im Marketing einen qualifizierten Interessenten, der sich generell für Ihr Unternehmen oder ein bestimmtes Produkt interessiert. Leadgewinnung kann auf unterschiedliche Art und Weise stattfinden – durch klassische Werbung, Content-Marketing oder auch persönlich durch Kaltakquise. Eine zentrale Aufgabe bei

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der Neukundengewinnung ist die zielgruppengenaue Generierung hochwertiger Leads, stets mit dem Ziel, eine umfangreiche Basis von potenziellen Neukunden zu schaffen. Grundsätzlich kann Leadgewinnung sowohl online wie auch offline erfolgen. Leadgewinnung online und offline

• Klassische Leadgewinnung: Offline Offline, also ohne Einsatz elektronischer Medien, sind Ihrer Kreativität bei der Leadgenerierung kaum Grenzen gesetzt. Offline Leads zu generieren, das bedeutet, alle Maßnahmen des klassischen Direktmarketings zu nutzen. Dazu gehören beispielsweise Printwerbung, die Akquise per Brief und Telefon oder auch die direkte Kaltakquise auf Messen oder Informationsveranstaltungen. Zeigt ein potenzieller Kunde bei diesen Leadgenerierungsmaßnahmen Interesse, so hinterlässt in der Regel irgendwo seine Daten oder gibt Ihnen eine Visitenkarte. Sie haben also einen neuen Lead gewonnen. Der Kunde gibt das Einverständnis, dass Sie ihn kontaktieren, um ihm weitere Informationen zu geben. Das bezeichnet man als „Lead“. • Moderne Leadgenerierung: Online Moderne Leadgewinnung findet heute (auch im B2B) keineswegs nur noch offline statt. Unternehmen, die auch in der Zukunft auf eine starke Basis von Interessenten zurückgreifen möchten, müssen sich den Herausforderungen der Digitalisierung stellen und ihre Online-Aktivitäten so gestalten, dass sie nachhaltig interessant für ihre potenziellen Kunden sind. Und zwar so interessant, dass die Besucher von Online-Inhalten sich freiwillig zu erkennen geben und weitere Informationen anfordern.

Möchten Sie als Unternehmen zumindest einen Teil Ihrer Leads online generieren, so benötigen Sie eine Strategie. Dazu möchte ich Ihnen folgende Tipps mit an die Hand geben: (1) Setzen Sie sich klare Ziele Was möchten Sie mit Ihren Online-Aktivitäten erreichen? Geht es Ihnen in erster Linie darum, möglichst viele Leads zu generieren oder möchten Sie eher den Bekanntheitsgrad Ihres Unternehmens oder Ihrer Produkte steigern? Was steht bei Ihrem Online-Marketing im Vordergrund? Auf den ersten Blick ist es eine gute Idee, die Menge an Leads zu erhöhen. Insbesondere dann, wenn es Zielvorgaben für die Leadgenerierung gibt, entstehen vor allem quantitative Ziele. Aber ist das sinnvoll? Wenn beispielsweise Marketing daran gemessen wird, wie viele Leads erzeugt werden, ist die Gefahr groß, dass man zwar viele Leads erhält, diese jedoch nicht ausreichend für den Vertriebskontakt vorbereitet sind. Fast immer ist es besser, die Anzahl der Leads nicht zu maximieren, sondern bestimmte

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Qualitätsfaktoren einzusetzen, um möglichst wenige, aber hoch relevante Kundenkontakte zu selektieren. Daher sollten Sie wesentlich mehr Augenmerk auf die Qualität der Leads setzen, als deren Quantität zu erhöhen. (2) User Experience: Denken Sie an Ihre Nutzer! Versetzen Sie sich in einen potenziellen Kunden: Wie würden Sie Ihren Auftritt im Internet beschreiben? Sind Ihre Produkte und Dienstleistungen für Ihre Kunden klar erkennbar? Findet der Nutzer schnell und ohne Umwege, wonach er sucht? Bedenken Sie, dass Nutzer Ihrer Webseite unterschiedliche Bedürfnisse haben können, je nachdem, wie konkret das Interesse bereits ist. • Kalt: Nutzer mit einem kalten Interesse sind in erster Linie auf der Suche nach generellen Informationen, ohne ein Bewusstsein für ein konkretes Problem zu haben. Können sich diese Nutzer schnell einen Überblick über Ihre Themenfelder verschaffen? Wenn Sie möchten, werfen Sie einen Blick auf die Webseite stephanheinrich.com/akquise. Hier könnte kaltes Interesse ganz allgemein Interesse an „Akquise“ bedeuten, ohne dass eine bestimmte Frage gestellt wird. Hier werden Menschen bedient, die noch nicht wissen, dass sie ein Problem haben, aber ein Thema interessant finden. • Warm: Warmes Interesse bedeutet, dass die Suche nach einer Lösung für ein konkretes Problem begonnen hat. Diese Interessenten wissen bereits, dass sie ein Problem haben, und suchen eine Antwort auf eine Frage oder eine Lösung für ein Problem. Gibt Ihr Angebot im Internet diesen Interessenten Antworten auf die wichtigsten Fragen, die sie in dieser Situation möglicherweise haben? Am Beispiel meiner Webseite wäre ein Artikel über „Akquise Anschreiben“ eine Antwort auf Fragen zum Erstellen eines solchen Briefes. Oder noch direkter findet man auf stephanheinrich.com/fragen eine Sammlung von typischen Fragen, die sich Verkäufer und Verkaufsleiter stellen, und die zugehörigen Antworten. • Heiß: Nutzer mit einem heißen Interesse stehen kurz vor einer endgültigen Kaufentscheidung. Diese Nutzer haben womöglich bereits für sich entscheiden, dass Ihr Unternehmen die passende Lösung für ein bestehendes Problem anbietet. Für diese Nutzer ist es wichtig, dass Sie die Rentabilität und die reibungslose Umsetzung Ihrer Lösung darstellen. Als Beispiel wird jemand, der sich für „Vertriebstraining“ interessiert, vermutlich auf der Suche nach einer solchen Dienstleistung sein und eine Möglichkeit suchen, ein solches Training zu buchen. Wenn Sie zu den unterschiedlichen Ausgangssituationen, Perspektiven und Geisteshaltungen Ihrer potenziellen Kunden jeweils gute Anknüpfungspunkte bieten können, dann erhöht sich die Chance, dass möglichst viele Personen die von Ihnen angebotenen Informationen als relevant einstufen. Je mehr Themen Sie für die unterschiedlichen Interessen bieten, desto größer ist die Chance, dass daraus gute Leads entstehen. Guter Kundenservice bedeutet vor allem Erreichbarkeit: Stellen Sie für Ihre Nutzer möglichst

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viele Kontaktpunkte bereit, die es ermöglichen, direkt mit Ihnen in Verbindung zu treten. Dazu gehören Kontaktformulare, Chats, Hotlines, Webinare oder Social-Media-Kanäle. Neben Texten, die auf Ihrer Webseite zu finden sind, können Sie auch mit nützlichen Videos oder Foliensätzen hilfreiche Inhalte erstellen. Eine Verbindung von beidem – Video und Folien – können Sie mit Webinaren erreichen. Mit diesen kostenlosen OnlineSeminaren bieten Sie Ihren Interessenten die Möglichkeit, sich noch intensiver über Ihre Themen, Problemlösungen und nützlichen Produkte zu informieren und direkt Fragen zu stellen. Für Sie hat dieses Angebot den Vorteil, dass Sie weitere Leads sammeln können, die Sie im Rahmen einer Content-Marketing-Strategie im Nachhinein weiter nutzen. Durch Ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken können Sie ebenfalls den aktiven Kontakt mit Interessenten pflegen. Sehen Sie Ihre Facebook-Seite daher nicht nur als reine Werbeplattform für Ihr Unternehmen und Ihre Produkte, sondern teilen Sie relevante Informationen, die Ihrer Zielgruppe einen Mehrwert bieten. Und reagieren Sie auf Fragen und Kommentare, um einen Dialog zu beginnen. (3) Bieten Sie Ihren Nutzern relevante Zusatzinformationen an Für eine effektive Leadgewinnung sollten Sie den Besuchern Ihrer Webseite oder Ihrer Facebook-Präsenz relevante Zusatzinformationen als Download anbieten. Im Gegenzug zu diesen Infos verlangen Sie nichts weiter als die E-Mail-Adresse des Besuchers – eventuell zusätzlich noch den Namen, um eine persönliche Ansprache zu ermöglichen. Wenn der Leser wirkliches Interesse an dem Thema besitzt und Sie mit Ihrer Webseite bis zu diesem Punkt zeigen konnten, dass Sie relevante Lösungen für sein Problem anbieten, so wird er Ihnen diese Daten gerne im Gegenzug für weitere Informationen überlassen. Achten Sie darauf, dass Sie nicht zu viele Informationen abfragen. So ist die Frage nach dem Unternehmensnamen oder der Anzahl der Mitarbeiter nicht ratsam, Diese Information können Sie zu einem späteren Zeitpunkt im Prozess der Leadgewinnung immer noch einholen. (4) Bieten Sie Nutzern an, direkt mit den richtigen Personen in Kontakt zu treten Business-Netzwerke wie XING oder LinkedIn können ein guter Einstiegspunkt sein und Ihre Akquisetätigkeiten unterstützen. Doch es geht auch umgekehrt: Verlinken Sie auf Ihrer Webseite relevante Ansprechpartner mit den dazugehörigen XING und LinkedIn-Profilen. Interessenten können so mehr über Ihre Ansprechpartner erfahren und gegebenenfalls direkt mit ihnen in Kontakt treten. Das Netzwerk XING ist ein wichtiges Businessnetzwerk und kann im B2B-Bereich als wertvoller Kanal zur Leadgewinnung dienen. Aber auch für Consumer wird ein Unternehmen greifbarer und „menschlicher“, wenn Zugriff auf die Profile der Mitarbeiter gewährt wird.

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Was Sie bei Ihren Maßnahmen beachten sollten

• Machen Sie sich die Möglichkeiten des Internets zunutze und bieten Sie bei all Ihren Angeboten Querverweise auf andere Inhalte an. Wenn Sie regelmäßig neue Inhalte einstellen, die immer neue Aspekte des Themenfelds abdecken, entsteht eine Sammlung an Inhalten, die miteinander vernetzt sein werden. • In allen Artikeln verlinken Sie auf andere relevante Artikel – ganz nach dem Vorbild von Wikipedia. Nach und nach erzeugen Sie so einen Know-howKnoten zu Ihrem Themenfeld. Sie besetzen dadurch nach und nach eine Vielzahl von benachbarten Begriffen zu Ihrem Kompetenzfeld. Auf dieses Weise steigen Ihre Auffindbarkeit und Ihre Reputation bei Suchmaschinen und in Online-Medien. • Früher hätte man eine statische Webseite konzipiert, die auf verschiedene Suchworte „optimiert“ ist. Heute erstellt man einzelne Seiten auf der Webseite, die jeweils einen einzigen Informationsbedarf abdecken. Dabei sind die Inhalte zum Teil redundant. So finden Sie beispielsweise auf stephanheinrich.com einzelne Artikel zu Suchworten wie Akquise, Akquisition, Neukundengewinnung und sogar zu abenteuerlichen Wortkonstruktionen wie Neukundenakquise. Dadurch wird erreicht, dass potenzielle Besucher ihre ursprüngliche Suchintention gleich zu Beginn erfüllt sehen und erst danach durch die Inhalte des Beitrags und weiterführender Beiträge von den Inhalten profitieren.

(5) So erhöhen Sie die Qualität der gewonnenen Leads Die Qualität eines Leads hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab. Hat ein Lead seine Kontaktdaten dem Unternehmen freiwillig überlassen – und somit echtes Interesse gezeigt –, so kann man in der Regel von einem qualitativ hochwertigen Lead ausgehen. Bei online generierten Leads besteht (zumindest in der EU) ein weiterer Vorteil: Hier kommen gesetzlich vorgeschriebene Verfahren zum Einsatz, die die Plausibilität eines Eintrags abfragen. So müssen Nutzer ihren Eintrag zunächst manuell in einer ersten E-Mail bestätigen, ehe sie weitere Nachrichten von Ihnen erhalten können (Double-OptIn). Offline generierte Leads können mit dem zusätzlichen Einverständnis ebenfalls in spezielle E-Mail-Versandsysteme importiert werden. Beispielsweise können Sie im Rahmen eines Vortrags anbieten, dass die Zuhörer ihre Visitenkarte abgeben können und dafür Zusatzmaterial zu Ihrem Vortrag bekommen. Oft sind schon die Folien selbst so interessant, dass Zuhörer gerne Ihre E-Mail-Adresse angeben, um mehr Information zu bekommen. Wichtig ist, dass Sie alle Leads nur mit Inhalten bespielen, die wirklich relevant sind. Sie bekommen die ausführliche Version des Ratgebers „Content-Marketing“ unter diesem Link https://content-marketing-star.de/content-marketing-b2b/ Damit können Sie alleine oder mit Ihren Mitarbeitern das Konzept in allen Details durch- und einen passenden Weg für Ihr Unternehmen ausarbeiten.

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(6) Verschaffen Sie sich mittels IP-Tracking Zugang zu Interessenten Die Leadgenerierung, also das Auffinden lohnender Vertriebskontakte, wird von Jahr zu Jahr teurer. Zielpersonen sind immer schwerer zu erreichen und die Chance auf Erfolg bei einem kalten Anruf ist inzwischen sehr gering. Wer moderne Methoden nutzt, kann diesen Trend für sich nutzen – vor allem, wenn man schneller ist als der Wettbewerb. Die Digitalisierung sorgt dafür, dass Kunden sich zunächst online eine Meinung bilden und erst danach bereit sind, mit einem Verkäufer zu sprechen. Verschiedene Studien haben ermittelt, dass ein großer Teil der Meinungsbildung und sogar der Entscheidung bereits gefallen sind, wenn der Kunde zum ersten Mal Kontakt zum Anbieter sucht. Wenn Sie relevanten Content auf Ihrer Seite haben und im Austausch gegen eine E-Mail-Adresse weiteres Material anbieten, werden Sie dadurch neue Leads gewinnen – das wissen Sie bereits. Hier geht es darum, auch die stillen Besucher zu identifizieren, die zwar ausführlich Ihre Inhalte konsumiert haben, die den Schritt zur Kontaktaufnahme jedoch verpasst haben. Die Utopie der modernen Leadgenerierung ist Realität geworden. In vielen Fällen sind die Vertriebsorganisationen bei der Neukundengewinnung noch immer so aufgestellt wie vor 20 Jahren. Es gibt Listen interessanter Zielunternehmen, und die werden telefonisch und/oder per Brief kontaktiert – kaum anders als in den 90er-Jahren. Als ich in den 90er-Jahren für die deutschsprachigen Niederlassungen eines US-amerikanischen Softwareunternehmens tätig war, haben wir ganz klassisch Adressen von potenziell interessanten Unternehmen gekauft. Dann wurde recherchiert, welche Person wohl der passende Entscheider für Investitionen sei, und ein Kontakt etabliert. Damals war es noch eine Quote von 1:20 durchaus realistisch, also ein erfolgreiches Telefonat bei 20 Versuchen. Wenn wir damals die Möglichkeiten gehabt hätten, die sich heute erschließen, hätten wir jede Menge Geld dafür gezahlt. Wenn Sie auch schon vor mehr als 20 Jahren im Vertrieb waren, stellen Sie sich doch bitte einmal diese Szene vor: Beispiel: Leadgenerierung – Besuch aus der Zukunft

Es ist das Jahr 1997. Aus einem blauen Blitz steigt ein Mann in Anzug und T-Shirt und bietet Ihnen diese Utopie an: Gegen ein geringes Investment bekommen Sie die Adressen der Unternehmen, die sich im Moment mit Ihrem Themengebiet beschäftigen. Sie müssen nichts weiter tun und bekommen täglich die Adressen aller Unternehmen, die sich Ihre Inhalte im Internet angesehen haben und sogar noch genaue Daten, welcher Inhalt von welchem Unternehmen wie lange angesehen wurde. Ende der 90er-Jahre war ich ein einem Unternehmen als Geschäftsführer angestellt, das Projektmanagementsoftware an große Organisationen verkaufte. Für den Gegenwert von monatlich rund 600 DM hätten wir jeden Tag eine Liste mit allen Unternehmen bekommen, die unsere Webseite besucht haben und dort Beiträge und Informationen abgerufen haben. Außerdem könnten wir sehen, wie lange sich die Besucher mit den einzelnen Beiträgen beschäftigt hatten. Dabei wäre genau zu

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erkennen, welchen Branchen die Unternehmen angehören und sie danach selektieren. Außerdem könnten wir sehen, welche Personen in dem Unternehmen arbeiten, soweit das aus LinkedIn und XING (beides damals noch nicht verfügbar) hervorgeht. Hätte es dieses Angebot damals gegeben, ich hätte es angenommen. Vermutlich sogar für den zehnfachen Preis. Dass es lediglich die Firmennamen und Standorte sein würden und nicht die Person selbst, hätte uns nicht gestört. Ohnehin wollten wir selbst bestimmen, mit welchen Entscheidern wir sprechen – unabhängig davon, welcher Mitarbeiter als erstes mit uns Kontakt aufgenommen hätte. Wir wussten schließlich, dass wir unsere Projekte nur an ganz bestimmte Entscheider verkaufen konnten. ◄ Gerade weil wir heute wissen, dass 80 % oder mehr der Entscheidungsfindung bereits erledigt ist, wenn Kontakt zum Lieferanten aufgenommen wird, müssen wir unsere Gewohnheiten bei der Leadgenerierung ändern. Gleichzeitig können wir auf kostengünstige Werkzeuge zurückgreifen, für die vor 20 Jahren so mancher Verkäufer die sprichwörtliche Großmutter verkauft hätte. Allerdings verpufft die Wirkung, wenn wir typische Fehler machen und die Zusammenhänge zwischen Marketing und Vertrieb schlecht bewältigen (Abb. 5.2). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: https://stephanheinrich.com/ akquiseatb2b/

Abb. 5.2   IP-Tracking (https://doi.org/10.1007/000-9zf)

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5.2.2 In vier Schritten zu Leadgenerierung der Spitzenklasse Schritt 1: Bauen Sie Ihre Expertise und die Relevanz für Interessenten auf Würden Sie mit einem Makler Geschäfte machen, der den Markt nicht kennt? Oder mit einem Rechtsanwalt, der in seinem Fachgebiet nichts zu sagen hat? Oder gar einem Zulieferer, der im betreffenden Fachgebiet offenbar keine Ahnung hat? Selbstverständlich nicht. Sie würden nur solche Anbieter in die engere Wahl nehmen, die offenbar kompetent und idealerweise bekannte Experten sind. Aber woran erkennt man das? Nehmen wir einmal an, Sie können nicht auf Empfehlungen von Geschäftspartnern oder auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Dann bleibt Ihnen nur, sich online umzusehen. Sie geben die Suchbegriffe, die Ihnen sinnvoll erscheinen, in die Suchmaschine ein und wühlen sich durch die Ergebnisse, bis Sie fündig werden. In vielen Fällen können Sie beim Durchlesen der Suchergebnisse noch immer nicht entscheiden, wer wirklich kompetent ist, aber die angebotenen Informationen werden Sie durchaus zu einer ersten Einschätzung bringen. Daraus folgt für Sie und Ihr Unternehmen: • Seien Sie relevant für die Begriffe, die Ihre potenziellen Kunden im Kopf haben, wenn diese in Ihrem Fachgebiet nach Lösungen suchen. Erstellen Sie sinnvolle Beiträge, die verschiedene Aspekte, Problemstellungen und Kundenperspektiven auffangen. • Zeigen Sie Expertise durch Relevanz. Beantworten Sie die wichtigsten Fragen potenzieller Kunden und Interessenten proaktiv durch Fachartikel, Studien, WhitePaper, Erklärvideos und sonstige hilfreiche Inhalte. Dadurch bewältigen Sie den ersten von vier Schritten zur modernen Leadgenerierung. Schritt 2: Erfassen Sie die Besucher Ihrer Webseite Wertvoller Inhalt ist noch nicht genug. Es ist die Grundlage, aber erst wenn Sie einen Prozess erschaffen haben, der die Konsumenten des kostenlosen Inhalts noch eine Stufe weiter führt, können Sie davon profitieren. Deshalb sollten Sie die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um das erste Interesse der Besucher in eine bleibende Kontaktbereitschaft zu wandeln. Im besten Fall ist Ihr angebotener Inhalt so überzeugend, dass der Besucher sofort und unmittelbar die Kontaktmöglichkeiten auf Ihrer Internetseite sucht und Sie anruft oder anschreibt. Das dürfte unserer Erfahrung nach höchstens in 0,5 % der Fälle so sein. Der Rest geht, ohne eine Spur zu hinterlassen. Diesen Wert können Sie deutlich verbessern, wenn Sie im Zusammenhang mit dem angebotenen Inhalt noch weiteren wertvollen Inhalt im Tausch gegen eine Kontaktmöglichkeit anbieten. Online dürfte das zumeist eine E-Mail-Adresse sein, an die Sie dann die weiterführenden Informationen versenden. Auf diese Weise bekommen Sie die Kontaktdaten von 2 bis 10 % der Besucher – je nachdem, wie interessant und wertvoll der zusätzlich angebotene Inhalt ist. Das ist eine wunderbare Steigerung, allerdings gehen die meisten Besucher, ohne dass Sie wissen,

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wer sich interessiert hat. Es gibt Dienstleister, die Ihnen genau sagen können, welche Unternehmen Ihre Webseiten besucht haben und was sie dort wie lange betrachtet haben. Das klingt verdächtig, ist jedoch nach geltendem Recht völlig legal. So funktioniert es: So erfahren Sie, wer sich für Sie interessiert

• Sie setzen einen kurzen Code in Ihre Webseite ein. Das ist eine Aufgabe für den Verantwortlichen Ihrer Webseite, die weniger als zehn Minuten Zeit kostet. • Ergänzen Sie Ihre bestehenden Datenschutzbestimmungen, um die Besucher nach allen geltenden Regeln auf den Umstand hinzuweisen, dass Sie diese bestimmte Software nutzen. • Sie müssen dem Besucher eine Möglichkeit bieten, diese Funktionalität zu deaktivieren. • Ab jetzt bekommen Sie laufend in einem System angezeigt, welche Unternehmen auf Ihrer Webseite waren, was sie dort wie lange angesehen haben, und Sie erhalten alle öffentlich bekannten Informationen zu dem Unternehmen.

In Abschn. 5.2.3 finden Sie eine Liste der Dienstleister, die Ihnen diese Besucheranalyse zur Verfügung stellen können. In dieser kurzen Übersicht haben wir Erfahrungen mit den einzelnen Tools notiert und eine Preisübersicht zusammengestellt. Schritt 3: Selektieren Sie die identifizierten Adressen Wenn Sie viele Besucher auf Ihren Webseiten haben, kann das schnell unübersichtlich werden. Dann ist es für Sie sinnvoll, zunächst die Spreu vom Weizen zu trennen: • Wer passt in Ihr Kundenprofil? • Wer ist vermutlich der beste Ansprechpartner für eine Kontaktaufnahme? • Wo besteht wirklich Interesse? Alle diese Fragen könnte man wunderbar beantworten, wenn man eine kompetente Person aus dem Vertrieb damit beauftragt, jeden einzelnen Kontakt zu prüfen und einen ersten Kontakt herzustellen. Allerdings dürfte das kaum wirtschaftlich sein. Es bieten sich verschiedene Wege an, um die ermittelten Unternehmen sinnvoll zu selektieren und die interessantesten Kontakte zu finden. Für den Fall, dass der Besucher sich freiwillig zu erkennen gab, besteht die Möglichkeit, mit Marketing-Automation und einer Abfolge von clever zusammengestellten Nachrichten die Beziehung zu intensivieren und schließlich eine Geschäftsanbahnung zu beginnen. Weil die meisten Besucher jedoch ohne Reaktion gehen, wollen wir die Ausbeute an Kontakten verbessern, indem wir die passiven Besucher analysieren und als potenzielle Kunden gewinnen.

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Eine Methode ist es, die besuchenden Unternehmen zu analysieren und diejenigen zu filtern, die in das gewünschte Kundenportfolio passen. Passende Unternehmen werden hinsichtlich der besten Ansprechpartner recherchiert. Das kann sehr gut mit XING oder LinkedIn geschehen. Dort lassen sich Ansprechpartner nach Funktionen ermitteln. Wenn die Zielperson – oder auch mehrere verschiedene Zielpersonen – ermittelt wurden, können wir mit der Selektion beginnen. Es ist wichtig zu erkennen, dass der Besuch der Webseite und die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema nur ein Indiz ist, ein Hinweis darauf, dass in dem Unternehmen ein gewisses Interesse besteht. Jetzt geht es darum, herauszufinden, ob die relevanten Personen in diesem Unternehmen im Moment dieses Interesse bestätigen. Interesse findet man, indem man Resonanz erzeugt. Man stimmt sozusagen einen Ton an und kann dann erkennen, ob der andere mitschwingt. Dieses Prinzip kann man jetzt auch anwenden. Dazu schreiben Sie einen kurzen Text, der inhaltlich stark ist und kein Produktangebot enthält. Hier ein Beispiel: Nehmen wir an, es handelt sich um das Angebot eines Experten für Vertrieb oder eine Agentur für die Gewinnung neuer Kunden. Dann könnte ein Text an den potenziellen Entscheider so lauten: Beispiel

Sehr geehrte/r … , wenn Sie dafür verantwortlich sind, komplexe Leistungen (oder „erklärungsbedürftige“ Produkte) zu vermarkten, bin ich daran interessiert, wie Sie diese These einschätzen: „Es wird von Jahr zu Jahr teurer, neue Kunden über klassische Kaltakquise anzusprechen.“ Vielleicht sind Sie daran interessiert, sich über dieses Phänomen auszutauschen? Und falls Sie vorher lesen wollen, wie ich über neue Methoden denke, hilft möglicherweise dieses Thesenpapier: http://URL … Viele Grüße & vielleicht bis bald >Name< ◄ Dieser Text könnte direkt über XING bzw. LinkedIn gesendet werden. Oder eventuell auch als E-Mail. Ebenso wäre es denkbar, dass der Text per Brief zugestellt würde. Selbstverständlich liegt die Erfolgsquote bei weitem nicht bei 100 %. Aber wenn es nur 1:4 oder gar nur 1:10 wäre, könnte sich eine solche Methode lohnen. Schließlich kann die Durchführung des Nachrichtenversandes delegiert werden. Nur die Kontaktaufnahme mit den relevanten Ansprechpartnern sollte dann von einem erfahrenen Mitarbeiter im Verkauf durchgeführt werden. Schritt 4: Stellen Sie Kontakt her Das Dümmste wäre, wenn der Anrufer dem potenziellen Kunden mitteilt, dass er weiß, dass dieser die Webseite besucht hat. So nach dem Motto: „Sie haben ja unsere Seite

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besucht. Deshalb rufe ich Sie an …“ Viel besser wäre es, wenn der Anrufer das Interesse voraussetzt, ohne zuzugeben, dass er weiß, dass ein solches Interesse besteht. Wenn also grundsätzliche Gesprächsbereitschaft hergestellt ist, könnte das Gespräch so beginnen: „Wenn Sie jetzt an die Kontaktaufnahme mit potenziellen neuen Kunden denken, was sind Ihre wichtigsten Themen – was liegt Ihnen besonders am Herzen?“ Es ist wichtig, dass an dieser Stelle professionelle Gesprächsführung einsetzt. Wir haben diesem Aspekt in Teil 3 des Buches Kap. 8 gewidmet. Entscheidend ist, dass das vermutete Interesse nicht einfach abgefragt wird, sondern der potenzielle Kunde selbst ausdrücken kann, was ihn im Moment interessiert. Spätestens ab diesem Moment kann der Kontakt vom Marketing an den Vertrieb übergeben werden, weil jetzt eine konkrete Verkaufschance geklärt werden muss. Leadgenerierung in modernen Unternehmen

Wir müssen uns davon verabschieden, dass es erfolgversprechend ist, irgendwelche Zielkunden anzusprechen. Kunden informieren sich ausführlich online, bevor der Beschaffungsprozess beginnt. Deshalb sollten wir dieses Verhalten in die Verkaufsarbeit einbauen. Wir können seit kurzem potenzielle Kunden ansprechen, noch bevor diese geplant haben, uns anzusprechen. Das ist eine enorme Chance, die Herausforderungen des digitalen Zeitalters für uns zu nutzen. Unternehmen, die das verstehen, werden enorm profitieren.

5.2.3 Übersicht der Anbieter von BesucheranalyseDienstleistungen Grundsätzlich arbeiten alle Systeme nach demselben Prinzip: Technisch gesehen ist jeder Besuch auf Ihrer Webseite ein Kontakt zwischen zwei Geräten via Internet. Dabei wird beiden Geräten die IP-Adresse des jeweils anderen Gerätes bekannt. Das ist technisch nicht zu verhindern. Es ist zwar untersagt, die IP-Adresse von Besuchern zu speichern und aufzubewahren, doch es ist legal, den Firmennamen zu speichern, der zu der IPAdresse gehört. Dieser Vorgang fällt nicht unter das Datenschutzgesetz, das lediglich die Speicherung personenbezogener Daten regelt, jedoch nicht die Speicherung von Firmendaten. Alle hier vorgestellten Dienstleister ziehen die Firmennamen aus einer Datenbank, in der alle IP-Adressen den rechtlich verantwortlichen Unternehmen zugeordnet sind. Dann nutzen sie den Firmennamen, um aus anderen Datenbanken weitere Informationen über die Firma zu beziehen. Der Unterschied zwischen den einzelnen Anbietern liegt in der Qualität der Erkennung der Firma und in der Qualität der gelieferten Informationen zu diesem Unternehmen. Bei der Erkennung werden alle Telekommunikationsunternehmen herausgefiltert, weil jeder Zugang über DSL-Anschlüsse oder mobile Geräte immer über eine der vielen IP-Adressen von Telekom, Vodafone und allen anderen Netzzugangs-

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dienstleistern erfolgt. Alle diese Adressen werden aussortiert, weil sich sonst ein falsches Bild ergäbe. Wenn also Telekommunikationsunternehmen zu Ihren Zielkunden gehören, werden Sie diese nicht auf den Listen Ihrer Webseitenbesucher finden. Das sollten Sie unbedingt in Erinnerung behalten! Es liegt in der Natur der Sache, dass Software sich weiterentwickelt oder Preisstrategien sich ändern. Hier die Liste der Dienstleister mit unseren Einschätzungen (Stand Juni 2019): Leadinfo www.leadinfo.com • Kostenloser Test: Ja Leadinfo B.V. ist niederländisches Unternehmen. Die Einhaltung deutscher Datenschutzbestimmungen ist daher sehr wahrscheinlich. Um die Funktion zu ermöglichen, muss ein Code auf der Webseite eingesetzt werden, und die Datenschutzbedingungen müssen entsprechend ergänzt werden. Das gilt für fast alle der hier vorgestellten Anbieter. Links zu XING und LinkedIn sind sehr gut umgesetzt. Die Benutzeroberfläche ist auf typische Anforderungen im Vertrieb ausgelegt. Wired Minds https://wiredminds.de/ • Kostenloser Test: Ja Die genauen Leistungsdaten des Vertrags werden jeweils mit den Interessenten besprochen und dann erfolgt ein individuelles Angebot. SalesViewer https://www.salesviewer.com/ • Kostenloser Test: Ja Ebenfalls ein deutscher Anbieter. Auch hier muss ein zusätzlicher Code auf der Webseite platziert werden. Die Oberfläche lässt zu, dass man Besucher einfach in verschiedene Kategorien einteilt und wiederkehrende Besucher erkennt. LeadFeeder https://www.leadfeeder.com • Kostenloser Test: Ja

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Ein System, das keine weiteren Veränderungen an der Webseite benötigt, wenn man bereits Google Analytics nutzt. Das ist von Vorteil, wenn man nicht die bestehende Datenschutzvereinbarung ändern will oder es aufwändig ist, Veränderungen an der Webseite zu bewirken. Der Anbieter sitzt in Finnland. LeadBoxer https://www.leadboxer.com/ • Kostenloser Test: Ja Sehr genaue Herleitung der Besucherströme und umfassende Möglichkeiten, um die Bewertung der Besucher selbst zu steuern. Dieser Anbieter aus den Niederlanden lässt die Benutzer umfangreiche Parameter nutzen, um die Wertigkeit der Leads zu bestimmen. Snitcher https://www.snitcher.com • Kostenloser Test: Ja Dieses Unternehmen aus den Niederlanden zeichnet sich durch eine schier unendliche Anzahl von Integrationen mit anderen Cloud-Services aus. Auch hier ist kein weiterer Code oder eine Änderung der Datenschutzrichtlinien nötig, wenn Sie bereits Google Analytics korrekt nutzen.

5.3 Leadmanagement als Prozess Die Arbeit im Vertrieb hat eine Menge mit aktiver Kundenakquise zu tun. Sie ist für viele Vertriebsmitarbeiter Hauptaufgabe – jedoch oft ungeliebt. Zu unbefriedigend sind die zahlreichen Absagen am Telefon oder die ständige Vertröstung auf „einen späteren Zeitpunkt“. Und das lässt sich in vielen Branchen mit klassischem Marketing oder PR auch nicht wirklich vereinfachen. Man wünscht sich eine Leadmanagement-Maschine, die in der passenden Geschwindigkeit neue Verkaufschancen produziert und an den Vertrieb übergibt. In letzter Zeit hat sich für diesen Reife- und Selektionsprozess der Begriff „Funnel“ durchgesetzt. Das ist das englische Wort für Trichter, und ich finde, es beschreibt den Prozess nur unzureichend. Ein Trichter ist dazu da, dass alles, was man oben einfüllt, unten in ein dafür vorgesehenes Gefäß läuft. Das ist bei einem Marketing- oder SalesFunnel aber bei Weitem nicht der Fall. Nur die wenigsten der Verkaufschancen, die oben eingefüllt werden, kommen später als zahlende Kunden wieder aus dem Funnel heraus. Man könnte sich allenfalls einen Trichter vorstellen, dessen Außenwand verschieden

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große Löcher hat. So verliert er den größten Teil der Flüssigkeit, die von oben eingefüllt wird, während nur ein kleiner Teil der Flüssigkeit in dem Zielgefäß landet.

5.3.1 Leadmanagement heißt Verkaufschancen gewichten Mit den modernen Methoden der „Marketing Automation“ lassen sich die Reaktionen der Interessenten messen und zumindest grob bewerten. Die Leads, die ein überdurchschnittliches Interesse gezeigt haben, gehen an den Vertrieb. Damit wird aus einem „Marketing-Lead“ ein „Sales-Lead“. Weil die Kosten für einen direkten oder telefonischen Kontakt wesentlich höher sind als für eine individualisierte E-Mail oder einen Brief, sollten nur die besten Leads diese Stufe erklimmen. Aber wie geht es jetzt weiter? Leads sind dazu da, in Umsatz verwandelt zu werden. Allerdings wird das vermutlich nicht bei allen Leads klappen. Manche werden zählbare Ergebnisse liefern und andere nicht. Aber wie können wir möglichst früh entscheiden, welche davon wertvoll sind und welche nicht? Viele Vertriebsorganisationen scheitern, weil sie keine guten Prozesse nutzen, um die weniger guten Chancen schnell herauszufiltern. Warum ist das so? Menschen tendieren dazu, unter Verlustangst schlechte Entscheidungen zu treffen. Und deshalb treffen Verkäufer schlechte Entscheidungen, wenn es um das Aussortieren von Leads geht. Verkäufer neigen dazu, große Mengen von Leads vor sich herzuschieben. Sie wandern von Wiedervorlage zu Wiedervorlage. Es werden immer mehr und die Frustration steigt. Eine wahre Sisyphosaufgabe. Und dabei wäre es so einfach, die weniger interessanten Leads schnell auszusortieren, damit der Überblick erhalten bleibt. Aber Menschen trennen sich ungern. Der sichere Verlust scheint unser Hirn dazu zu verleiten, kreative Lösungen zu finden, um die letzte Entscheidung aufzuschieben. Beispiel

Die Hälfte aller gerade geschlossenen Ehen wird binnen zehn Jahren wieder geschieden. Das schwankt sicher von Land zu Land, aber für Deutschland dürfte 50 % in etwa stimmen. Falls Sie weniger als zehn Jahre verheiratet sind – zu welcher Hälfte gehören sie? Nehmen wir an, wir könnten alle Ehepaare befragen, die am vergangenen Wochenende geheiratet haben. Stellen wir uns nun vor, dass wir die frisch gebackenen Paare nach ihrer Einschätzung fragen – und zwar einzeln und getrennt voneinander. Die Frage lautet: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie in zehn Jahren noch verheiratet sein werden?“ Angenommen, wir befragen die Beteiligten kurz nach der Eheschließung – was wäre wohl die erwartete Antwort? Sicher haben Sie schon selbst oder am lebenden Beispiel die Euphorie frisch verheirateter Ehepaare erlebt. Deshalb ist es wohl zu erwarten, dass die Antwort bei allen Betroffenen lautet: „Bei uns hundert

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Prozent.“ Und wenn das alle so einschätzen, ist klar, dass das insgesamt falsch ist, weil sicher nicht hundert Prozent aller Ehen die zehn Jahre schaffen werden. Führen wir das Gedankenexperiment fort: Was würde sich ändern, wenn wir in regelmäßigen Abständen von etwa sechs Monaten dieselben Beteiligten immer wieder einzeln und getrennt voneinander befragen würden? Wie würden sich die Antworten auf die oben genannte Frage ändern? Nun, nicht mehr alle Befragten würden als Antwort “hundert Prozent“ nennen. Aber welche Antworten sind zu erwarten? Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass sich nun Antworten mit geringen Prozentzahlen häufen. Aber ist das realistisch? Ist es wirklich vorstellbar, dass ein Befragter sagt: „In meinem Fall etwa 30 Prozent“? Ich denke nicht. Die Antworten sind digital. Entweder voller Zuversicht trotz aller Alltagsprobleme oder eher pessimistisch. Ja oder Nein. Es ist eine intuitive Einschätzung zur künftigen Entwicklung. Wir sind nicht in der Lage, eine korrekte statistische Aussage per Intuition zu machen. In Summe wird sich die Prozentzahl wohl den erwarteten 50 Prozent annähern, aber die einzelnen Aussagen sind im Sinne von ganz oder gar nicht. ◄ Wenn wir die Menschen zwingen würden, eine Prozentzahl zwischen 100 und 0 zu schätzen, dann wird das Ergebnis insgesamt schlechter, weil wir eigene Erwartungen „hineinrechnen“. Menschen sind außergewöhnlich schlechte intuitive Statistiker, was ein berühmtes Experiment zeigt. Der Nobelpreisträger Daniel Kahneman hat in seinem Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“ mehrere Experimente vorgestellt, die beweisen, dass unsere Fähigkeit, statistische Wahrscheinlichkeiten intuitiv zu bestimmen, durch den Effekt der Ähnlichkeit überlagert wird. (Kahneman 2012) Hier wirken Ähnlichkeiten und die damit zusammenhängenden Erfahrungen stärker als die logische Ermittlung der Wahrscheinlichkeit. Hier das Experiment in Kürze: Beispiel

Eine Gruppe von Testpersonen sollte einschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein zufällig unter allen Studenten einer Stadt ermittelter Student einer bestimmten Fakultät angehört. Das Ergebnis war so wie in vielen Universitätsstädten: Betriebswirtschaft liegt weit vor Informatik, weil viel mehr BWL-Studenten als Informatikstudenten vorhanden sind. So weit, so gut. Nun wird es interessant, denn zu dem zufällig ermittelten Studenten lieferte der Versuchsleiter noch eine Beschreibung. Diese Beschreibung enthielt stereotypische Merkmale eines Informatikers, also z. B. „intelligent bei geringer Kreativität“ und „Schreibstil eher fade“ sowie „ScienceFiction-Fan“. Testpersonen, die diese Beschreibung lasen und dann einschätzen sollten, welcher Fakultät der Student angehört, gaben nun fast immer an, dass es sich um einen Informatik-Studenten handelte. Das ist aber statistischer Unsinn, weil auch unter den Studenten mit eben jenen Eigenschaften die Zahl der BWL-Studenten

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höher ist als die der Informatiker. Die Testpersonen sind einem Einschätzungsfehler zum Opfer gefallen. Es ist schwierig, ad hoc eine Wahrscheinlichkeit zu berechnen. Das Erkennen der Ähnlichkeit mit bekannten Mustern ist jedoch viel einfacher. Daher tendieren wir in solchen Situationen zu statistischen Fehleinschätzungen, die bei genauerer Betrachtung und nüchternem Abstand wohl kaum passieren würden. ◄ Nach diesem Ausflug in die Wissenschaft können wir als bewiesen ansehen, dass wir schlecht in der Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten sind. Und das gilt erst recht, wenn wir selbst Betroffene sind. Wir tendieren dazu, die Situation mit anderen Situationen zu vergleichen und dann ein „Das-ist-bestimmt-so-ähnlich-wie-damalsUrteil“ zu fällen. Das hat dann allerdings nichts mit Wahrscheinlichkeiten, sondern mit der Euphorie oder dem Pessimismus des Einschätzenden zu tun. Was wäre also die richtige Vorgehensweise, wenn wir bessere Einschätzungen der Auftragslage erreichen wollen? Die Antwort liegt auf der Hand: Wir brauchen ein statistisches Verfahren, das auf Basis messbarer Fakten eine belastbare Zukunftseinschätzung liefert. Im Beispiel der Ehepaare und deren Trennungswahrscheinlichkeit gibt es einen Bericht einer Forschergruppe, der das sehr schön verdeutlicht. Diese Forscher analysieren Paar-Gespräche anhand verschiedener Gesprächsmerkmale. Dabei werden sowohl bestimmte inhaltliche Analysen durchgeführt (was wird besprochen, wie intensiv werden Themen behandelt etc.) und ebenso zwischenmenschliche Aspekte (Freundlichkeit, kleine und große Attacken, Konfliktbehandlung etc.). Anhand dieser Beobachtungen wird die Qualität der Beziehung messbar. Wiederum daraus lässt sich mit sehr guter Genauigkeit ableiten, wie lange die Paare wahrscheinlich noch zusammenbleiben werden. In Bezug auf den Forecast gilt das Prinzip der Messung in Verbindung mit der empirischen Ermittlung der Wahrscheinlichkeit. Wenn Sie diese Erkenntnis anwenden, dann sollten Sie in Erwägung ziehen, grundsätzlich so vorzugehen: Vorgehensweise für die Einschätzung der Verkaufswahrscheinlichkeit

1. Schaffen Sie sich ein sinnvolles System an Meilensteinen, die die Verkaufschancen eindeutig in Phasen einteilen. Beispielsweise – Phase F: Erster Verdacht (latenter Bedarf) – Phase E: Konkreter Nutzen geklärt – Phase D: Entscheider bekennt Handlungsabsicht – Phase C: Konkrete Verhandlungen und annehmbares Angebot – Phase B: Mündliche Auftragserteilung – Phase A: Auftragsabschluss 2. Legen Sie klare und eindeutige Kriterien fest, um die Projekte zweifelsfrei in die Phasen einzuordnen. Dabei ist es wichtig, dass es keine Grauzonen und keinen Interpretationsspielraum gibt. In diesem Beispiel kann die Phase E erst

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beginnen, wenn in einem Gespräch geklärt wurde, welchen Nutzen der Kunde konkret erwartet. Und Phase D beginnt erst, wenn der Entscheider identifiziert wurde und Ihnen gegenüber erklärt hat, dass er beabsichtigt, kurzfristig zu investieren. 3. Ermitteln Sie empirisch, in welcher Phase wie viele Projekte endgültig verloren werden. Daraus lässt sich im Umkehrschluss eindeutig bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit Projekte in einer bestimmten Phase später erfolgreich sein werden. 4. Stoppen Sie das Schätzen von Prozentzahlen. Schaffen Sie stattdessen nachprüfbare Merkmale, die die Phase der Verkaufschance zweifelsfrei festlegen. Legen Sie dann die ermittelte Prozentzahl auf die Auftragswerte und errechnen Sie so eine gewichtete Auftragswahrscheinlichkeit. Ganz ohne individuelle Bewertungen und ohne den Einfluss von Euphorie oder Pessimismus erhalten Sie so wesentlich bessere Ergebnisse.

Nehmen wir die vielleicht wichtigste Aufgabe zuerst: Das beherzte Selektieren der guten von den schlechten Chancen. Bestimmt kennen Sie das Märchen vom Aschenputtel. „Die guten ins Töpfchen – die Schlechten ins Kröpfchen“ ist das berühmte Zitat. Aschenputtel musste die Linsen aus der Asche heraussortieren und die Tauben halfen ihr. Daher die Guten ins Töpfchen zum Essen für die Menschen und die anderen ins Kröpfchen. „For the birds“, wie ein amerikanischer Ausspruch lautet, also überflüssig. Wenn man manche Vertriebsorganisationen betrachtet, stellt man fest, dass Verkäufer dazu neigen, eine vermeintliche Linse aus dem Staub zu fischen, sie abzuputzen, daran zu riechen, sie eventuell sogar im Mund zu säubern, um sie dann mutlos wieder zu den anderen in die Asche zu legen. Kennen Sie das? Sie melden sich zum dritten oder vierten Mal bei einem „interessanten Kontakt“ und der sagt sinngemäß: „Danke, dass Sie sich melden. Das Thema ist noch immer sehr interessant für uns. Allerdings ist es im Moment nicht passend. Lassen Sie uns doch in drei bis vier Monaten noch einmal telefonieren.“ Und wenn Sie ganz ehrlich sind, ist das fast der identische Wortlaut, den Sie in den Malen zuvor ebenfalls zu hören bekommen haben. Eine distanzierte Betrachtungsweise macht sofort klar, dass das keine attraktive Chance mehr ist. Nichts hat sich bewegt. Es wird immer wieder alles verschoben. Vielleicht denken Sie jetzt, Hartnäckigkeit wäre angebracht. „Jetzt dranbleiben“, ruft Ihnen vielleicht eine Stimme aus den Tiefen Ihrer ersten Vertriebstrainings zu. „Verkaufen beginnt beim Nein“ echot durch Ihren Kopf? Dieser Spruch kann getrost auf der Müllhalde der Vertriebsgeschichte entsorgt werden. Warum? Nun stellen Sie sich diese Situation vor: Sie sind in einer privaten Akquisitionssituation. Abends in einer Bar oder einer Diskothek. Und Sie haben ein potenzielles Schätzchen angesprochen. Leider lautet die Antwort „Nein!“. Und jetzt? Wie geht es weiter? Wenn Sie couragiert sind und es ernst meinen, werden Sie bestimmt noch ein- oder maximal zweimal testen, ob Schatzi

5.3 Leadmanagement als Prozess

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tatsächlich „Nein“ meinte oder eventuell doch „Vielleicht“. Aber wenn klar ist, dass die Antwort „Nein“ lautet, dann werden Sie sich neu orientieren. Und eben nicht dranbleiben. Gute Verkäufer machen das auch im Job. So sehr das hier aus der Distanz offensichtlich und klar ist, so wenig funktioniert es in der Praxis. Warum? Weil wir uns selbst manipulieren. Je mehr wir in eine Sache investiert haben, desto schwerer ist es, sie aufzugeben. Je mehr Zeit, Geld oder Herzblut wir bereits in ein Projekt, einen Kunden oder eine Beziehung investiert haben, desto schmerzhafter ist es, einen Schlussstrich zu ziehen. Fast immer ist es wesentlich wirtschaftlicher, die frei gewordenen Ressourcen in andere Projekte zu stecken, statt mit der rosa Brille immer wieder die eigenen Misserfolge zu wiederholen. Beispiel

Es gibt viele Menschen, die damals mehrere T-Aktien gekauft haben. Als sie dann deutlich an Wert verloren, hielten die meisten Privatanleger dennoch die Aktie. Viele warten heute noch darauf, dass sie den damaligen Einstandskurs wieder erreicht. Von außen betrachtet ist es kaum rational, sich so zu verhalten. Es wäre viel sinnvoller, die Aktien mit Verlust zu verkaufen und mit dem frei gewordenen Kapital ein besseres Investment einzugehen. Von außen ist das klar, aber wenn Sie selbst einer der T-Aktionäre sind, verstehen Sie vielleicht den Drang, solange zu warten, bis die Aktie den Wert des damaligen Kaufpreises wieder erreicht. ◄ Kann man sich Rat von Profis holen, die ähnliche Situationen tagtäglich zu meistern haben? Wie würde wohl ein Team der Notfallmedizin an so eine Aufgabe herangehen, wenn der Verdacht bestünde, dass der Patient tot ist? Sicher wäre die erste Maßnahme ein Versuch der Wiederbelebung. Sagen wir mit einem Defibrilator, eingestellt auf 100 Joule. Angenommen, der erste Versuch glückt nicht. Was dann? Ich nehme an, es gäbe einen zweiten Versuch. Aber was würde sich im Vergleich zum ersten Versuch ändern? Mit Sicherheit die Dosis. Ein professionelles Team würde sicher nicht den lieben langen Nachmittag immer wieder die gleiche Handlung bei immer gleichbleibendem Misserfolg durchführen. Die Alternative heißt: Eskalation! Ärzte haben zumeist einen Eid abgelegt, jeden Versuch zu nutzen, um Menschenleben zu retten. Und dennoch gibt es einen Moment, an dem ein Arzt mit der nötigen professionellen Distanz feststellt, dass der Patient nicht zu retten ist. Das gelingt, weil im Vorfeld die Abfolge der Eskalationsstufen festgelegt wurde. Das gleicht der Situation, in der Verkäufer stecken. Sie wollen jeden potenziellen Kunden gewinnen, und dennoch gibt es den Moment, an dem man erkennt, dass es nicht geht. Verkäufer können sich diese Entscheidung enorm erleichtern, wenn Sie die Abfolge der Eskalationsstufen vorher festlegen.

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5  Customer Journey planen und aussichtsreiche Leads generieren

5.3.2 Cleveres Leadmanagement heißt Leads radikal filtern Wie viele Untote sind in Ihrer Lead-Liste? Manchen davon sollte man in der Manier alter Dracula-Filme endlich den Holzpflock ins längst verweste Herz schlagen. Derart drastische Bilder benötigen wir, um in der konkreten Situation die richtige Entscheidung zu treffen. Legen Sie einen Eskalationsplan fest. Entscheiden Sie, wie oft Sie sich vertrösten lassen wollen. Einmal? Zweimal? Oder noch öfter? Egal, wie oft, aber legen Sie fest, wann Sie neue Maßnahmen einsetzen. Und dann planen Sie vorab, wie Sie reagieren, um (bildlich gesprochen) von 100 auf 150 oder 200 Joule hochzuschalten. Hier ein paar erste Ideen, was Sie sagen könnten, wenn Sie zum x-ten Mal vertröstet werden: Beispiele

• „Herr Kunde, wie ich sehe, ist das Thema für Sie im Moment nicht akut. Wir sind sehr darauf bedacht, niemanden zu seinem Glück zu zwingen. Daher darf ich Sie nicht mehr anrufen. Es steht Ihnen allerdings frei, mich jederzeit zu kontaktieren, wenn Sie den besprochenen Nutzen für sich realisieren möchten.“ • „Herr Kunde, wir nehmen das Thema Datenschutz sehr ernst. Weil wir in keiner Geschäftsbeziehung stehen, darf ich Sie ab jetzt nicht mehr anrufen. Allerdings können Sie diesen Bann brechen, indem Sie mich anrufen, sobald Sie bereit sind, die besprochenen Nutzeffekte in Ihrer Bilanz sichtbar zu machen.“ ◄ Denken Sie das wäre zu provokant? Ja, vielleicht ist es frech. Aber sicher hilft es dabei, die Kruste zu brechen und entweder neu zu beginnen oder Freiraum für andere interessante Chancen zu erzeugen. Ich bin davon überzeugt, dass durchschnittliche Vertriebsorganisationen mindestens 15 % ihrer Zeit mit völlig sinnlosen Vertriebsaktivitäten verschwenden, obwohl bei nüchterner Betrachtung schon vorher klar war, dass keine Aussicht auf Erfolg bestand. Wenn Sie sich einen Eskalationsplan zurechtlegen, können Sie diese 15 % Zeitreserve für Ihre Organisation sinnvoll einsetzen – und wer würde das nicht wollen? Und um ganz sicher zu gehen, definieren Sie ein Verfallsdatum. Wie bei verderblichen Lebensmitteln geben Sie dem Lead ein Verfallsdatum, sobald er an den Vertrieb geht. Die Zeitspanne legen Sie je nach Branche und Geschäftsmodell selbst fest. Zu diesem Datum verschwindet der Lead aus der Liste. Endgültig. Immer. Alle wissen das. So stellen Sie sicher, dass Sie nicht getäuscht werden von vermeintlich langen Listen von Verkaufschancen, die beim ersten Sonnenstrahl zu Staub zerfallen. Vielleicht haben Sie auch schon festgestellt: Die besten Chancen sind ohnehin diejenigen, die in kurzer Zeit von der ersten Kontaktaufnahme zur Entscheidung reifen.

Literatur Kahneman D (2012) Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler, München

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Digitale und analoge Arbeitshilfen für den Vertrieb

Zusammenfassung

Digitalisierung im Vertrieb bedeutet vor allem, dass Abläufe und Informationen eine sinnvolle Struktur bekommen. Das ist fast immer ein Reizthema, weil Verkäufer es gewohnt sind, ihre Arbeit nach eigenen Vorlieben zu gestalten. Die Einführung von gemeinsamen Methoden und zwingend zu nutzenden Werkzeugen ist jedoch die Voraussetzung, um Abläufe im Vertrieb wiederholbar zu machen. Nur dann können relevante Informationen über die Erfolgswirksamkeit genutzt werden, um diese Methoden immer weiter zu optimieren und zu verbessern. Zwei entscheidende Werkzeuge hierbei sind CRM-Systeme und Gesprächslandkarten. Dieses Kapitel soll Sie dabei unterstützen, ein passendes CRM-System zu wählen oder zu untersuchen, ob Sie das Potenzial Ihres bestehenden Systems ausreichend nutzen. Außerdem erfahren Sie, aus welchen Bausteinen Gesprächslandkarten bestehen und wie Sie diese effizient einsetzen.

6.1 Zentrale Datendrehscheibe CRM-System Unter einem CRM-System versteht man eine Software, die Firmennamen Ihrer bestehenden und potenziellen Kunden enthält sowie die Namen und Kontaktadressen der dortigen Mitarbeiter. Ebenso wird darin der Erfolg der Arbeit von Vertrieb und Marketing dokumentiert. Außerdem werden geplante Aktivitäten so abgespeichert, dass Ergänzende Information Dieses Kapitel enthält Videos und Dateien, die mit der kostenfreien SN More Media App aus dem IOS- und Android-Store abspielbar oder downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen https://doi.org/10.1007/9783-658-40947-0_6. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_6

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6  Digitale und analoge Arbeitshilfen für den Vertrieb

die Mitarbeiter aus Vertrieb und Marketing das System zur Unterstützung ihrer Arbeit nutzen können. Die meisten Unternehmen, die ich aus meiner Arbeit mit Vertriebsorganisationen kenne, haben kein CRM-System oder ein sehr unzureichend geeignetes Anhängsel an eine Warenwirtschaft. Das kann einen entscheidenden Einschnitt in die Leistungsfähigkeit von Vertrieb und Marketing bedeuten, weil der Vertrieb dann eigene Lösungen, Excel, Outlook oder andere Dateninseln nutzt, um seine Arbeit zu machen. Das bedeutet enorme Produktivitätsverluste selbst in kleinen Vertriebsorganisationen, weil Verkäufer viel Zeit in operative Aktivitäten stecken müssen. • „Schick’ mir eben mal deinen Forecast.“ • „Mache mir eine Liste deiner Kunden, die wir auf die XY-Messe einladen sollen.“ • „Trage deine Kunden, die ein Weihnachtsgeschenk bekommen sollen, in dieses ExcelSheet ein.“ • „Leite mir mal das E-Mail vom Kunden XY von letzter Woche weiter.“ • „Hast du schon das Angebot an XY nachgefasst?“ • „Wann hast du nochmal den nächsten Termin mit XY?“ All diese typischen Zurufe und deren Beantwortung werden überflüssig, wenn Vertriebsorganisationen ein CRM-System als Basisinstrument ihrer Arbeit einsetzen. Sämtliche Informationen zum Kunden, alle laufenden Projekte, jede Aussendung, jede eingehende digitale oder analoge Post wird konsequent dort gespeichert, und alle Aktivitäten, die der Vertriebsmitarbeiter plant und durchführt, werden dort dokumentiert. Das macht das CRM-System zu einem unverzichtbaren Werkzeug, das den Vertrieb bei seiner Arbeit unterstützt, unnötige Administrationsarbeit vermeidet und Vertretungen sowie Teamwork zwischen Außen- und Innendienst überhaupt erst möglich macht. Was nicht im CRM steht, existiert nicht Mit diesem Grundsatz kann man die optimale Nutzung eines CRM-Systems am besten beschreiben. Damit ist gemeint, dass es keine privaten Systeme geben darf, die für die eigentliche Arbeit genutzt werden, und dass das zentrale CRM-System nur genutzt wird, um „Offizielles“ einzutragen. Aussagen wie „Das muss ich noch ins CRM eintragen“ oder „CRM pflege ich am Freitag nach“ zeugen davon, dass das zentrale System des Vertriebs noch nicht akzeptiert wird. Es wäre falsch, wenn die Mitarbeiter mit anderen Werkzeugen ihre Termine, Notizen, E-Mails, Korrespondenz erstellen und sie dann noch sozusagen dokumentarisch übertragen müssen. Solche Prozesse gehen immer schief, weil Systeme auf Dauer nur funktionieren, wenn sie eine Erleichterung bieten. Wenn der Umgang mit Systemen eine zusätzliche Bürde ist, wird früher oder später die Disziplin nachlassen und das System wird irgendwann wieder abgeschaltet. Das zentrale CRM-System muss also geeignet sein, um sämtliche Informationen zu enthalten und andere Kalender, Adresslisten und Notizen ersetzen. Die Gefahr, dass dies

6.1  Zentrale Datendrehscheibe CRM-System

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nicht klappt, besteht dann, wenn das CRM ein System ist, das von Entscheidern aus der IT (nach Kriterien wie „einfache Schnittstelle zum ERP-System“) oder aus Finance („Verkäufer müssen gemessen werden“) ausgesucht wird.

6.1.1 Was alle CRM-Systeme können (müssen) Das Wichtigste ist, dass Ihr CRM-System die wesentlichen Datenarten und Ihre Beziehungen festhalten kann. Wesentliche Datenarten oder Entitäten sind: • • • • • • •

Firma (Name, Adresse, Webseite, Telefon, …) Person (Name, E-Mail, Telefone, …) Verkaufschance (Geplantes Ende, Status, Umsatzziel, …) Termin (Datum, Ort, Dauer, …) Aufgabe (Priorität, Datum, Aufgabenbeschreibung, …) Notiz (Überschrift, Inhalt, Typ der Notiz, …) Korrespondenz (Betreff, Inhalt, Datum, Anhänge, …)

Jede dieser zentralen Entitäten enthält die wesentlichen Daten der jeweiligen Entität. Die Beziehungen zwischen den Entitäten können sehr unterschiedlich sein und enthalten ebenfalls Daten. So kann eine Person mit einer Firma verknüpft sein. Dann interessiert uns, wie diese Beziehung geartet ist (Mitarbeiter, Ex-Mitarbeiter, Eigentümer, Mitglied z. B. bei Vereinen, …) und wie die Beziehung benannt wird („Abteilungsleiter XY, Geschäftsführer, Verwaltungsrat, …“). Beziehungen zwischen beispielsweise Verkaufschancen und Personen können ganz anders definiert sein. Hier würde vor allem interessieren, welche Rolle die jeweilige Person bei dieser Verkaufschance spielen wird (Entscheider, Beeinflusser, Abzeichner, Rechnungsempfänger, Einkauf, …). Es ist wichtig, dass ein CRM-System diese Grundfunktionen bietet, damit Sie die Nutzung der Daten im Vertrieb darüber solide steuern können. Das System muss stationär ebenso wie mobil nutzbar sein, damit es als zentrale Datendrehscheibe geeignet ist. Insbesondere Adressdaten, Termine und Notizen müssen auf Mobilgeräten verfügbar und einfach zu bedienen sein. Wichtig ist auch, dass die Aufzeichnung von allen E-Mails, die vom oder an Kunden gehen, im System mit einer passenden Zuordnung zu den Personen, Firmen und Verkaufschancen gespeichert und von allen berechtigten Personen einsehbar sind. Im Zusammenhang mit den Verkaufschancen gibt es unterschiedliche Modelle und Konzepte. In machen Systemen gibt es eine zusätzliche Entität „Leads“. Diese sind getrennt von den Verkaufschancen (Opportunities) und werden erst nach Bearbeitung zu Verkaufschancen umgewandelt bzw. geschlossen, wenn sie sich als ungeeignet erwiesen haben. Diese Trennung ist vor allem dann sinnvoll, wenn unterschiedliche Personen mit dem Qualifizieren von Leads und dem Verfolgen von Verkaufschancen betraut sind. Weil den unterschiedlichen Nutzern unterschiedliche Zugriffsrechte zugeteilt werden können,

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6  Digitale und analoge Arbeitshilfen für den Vertrieb

ist es auf diese Weise leichter, die Daten zu schützen. Insbesondere dann, wenn Sie eine externe Agentur zur Qualifizierung der Leads einsetzen wollen, ist diese Trennung sinnvoll. In allen anderen Fällen ist ein Lead nichts anderes als eine Verkaufschance mit einem noch geringen Reifegrad. Die wesentliche Funktion der Verkaufschancen ist es, eine Sammelfunktion für Aktivitäten und Notizen entlang eines Verkaufsprojekts zusammenzuführen. Insbesondere die Abbildung des Verkaufsprozesses ist die wichtigste Funktion eines professionellen CRM-Systems. In Abschn. 5.3.1 hatten wir eine Struktur von Phasen vorgeschlagen. Ein gutes CRM-System kann die Darstellung der Phasen vorgeben und den Verkäufer dabei unterstützen, die jeweils relevanten Aktivitäten im Blick zu behalten. Wenn alle Informationen sofort im CRM-System notiert werden, ist kein zusätzlicher Aufwand für Berichte oder Forecasts notwendig, weil die Führungskräfte zu jedem Zeitpunkt auf Knopfdruck alle Informationen haben und bei Fragen jede Detailinformation einsehen können. Weil Kalender und Erinnerungsfunktionen integriert sind, kann jeder Mitarbeiter sich darauf verlassen, dass er keine wichtigen Aktivitäten im Zusammenhang mit laufenden Verkaufschancen vergisst. Überfällige Aktivitäten können teamübergreifend angezeigt werden, damit auch bei Ausfall oder Urlaub eines Mitarbeiters automatisch die Vertretung eingreifen kann.

6.1.2 Zusatzfunktionen und Schnittstellen, die Sie einplanen sollten Für manche Anwendungen ist es entscheidend, dass zusätzliche Entitäten und deren Beziehungen zu den standardisierten Entitäten hinzugefügt werden können. So ist beispielsweise in meinem CRM zusätzlich die Entität „Seminar“ mit den Zeiten für Beginn und Ende, dem Seminartitel und weiteren Daten enthalten. Die Beziehungen zu den Personen definieren die Art der Beziehung (Teilnehmer, Ansprechpartner Orga, Rechnungsempfänger, …) und die Verbindung zu den Firmen definieren ebenfalls die Art der Beziehung (Seminarort, Auftraggeber, …). Mitarbeiter, die fast nur telefonieren, verdienen eine Anbindung an die Telefonie. So werden ausgehende Anrufe automatisch gewählt und bei eingehenden Anrufen sucht das System nach Möglichkeit bereits den passenden Datensatz anhand der Telefonnummer heraus und bietet dem Mitarbeiter diesen an, damit er ohne weiteren Aufwand seine Notizen machen kann. Weil das CRM-System die zentrale Arbeitsumgebung des Vertriebs sein sollte, ist die Zusammenarbeit mit anderen Systemen wichtig. Hier einige Schnittstellen, die Sie bei der Planung im Blick behalten sollten: • Alle eingehenden und ausgehenden E-Mails, die mit Kunden gewechselt werden, sollten im CRM-System verfügbar sein. Im Idealfall so, dass alle Nachrichten in chronologischer Abfolge zu einer Person oder einer Verkaufschance sichtbar sind.

6.2  Gesprächslandkarten: Sichere Basis für Routinetätigkeiten

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• Wenn Ihr Unternehmen für Marketingzwecke E-Mails an Interessenten und Kunden versendet, sollten auch diese Aussendungen im CRM verfügbar sein, damit der Mitarbeiter mit Kundenkontakt auf einen Blick die Informationshistorie aus Kundensicht nachvollziehen kann. • Wenn Sie einen Onlineshop betreiben, sollten alle Kaufvorgänge, die dort getätigt wurden, ebenfalls im CRM-System zugänglich sein. • Wenn Sie Ihre Rechnungen aus einer Warenwirtschaft oder einem ERP-System heraus erstellen, ist es notwendig, dass zumindest die Umsätze im CRM einsehbar sind, damit auch dort sinnvolle Auswertungen für Vertriebszwecke möglich sind. Beispielsweise könnte man alle Kunden, die bislang kontinuierlich bestellt haben, aber jetzt seit einem gewissen Zeitraum nicht mehr bestellen, auf eine Liste setzen und dem zuständigen Mitarbeiter im Vertrieb eine Aktivität übertragen, um Kontakt zum Kunden aufzunehmen und die Situation zu klären. Welches CRM-System ist das richtige?

Auf diese Frage gibt es nur eine Antwort: Kommt darauf an. Wenn Sie ausschließlich an Geschäftskunden verkaufen, dann sind CRM-Systeme richtig, die die klassische Vertriebsarbeit betonen. Andere Systeme sind auf den Kundendienst und vor allem auf Supportanfragen konzentriert. Eine branchenweit akzeptierte Übersicht und Bewertung der einzelnen Anbieter stellt das Marktforschungsinstitut „Gartner“ jedes Jahr in englischer Sprache zusammen. Sie finden es, wenn sie beispielsweise bei Google die Begriffe „Gartner Magic Quadrant CRM“ eingeben: https://www.google.de/search?q=Gar tner+Magic+Quadrant+crm

In Teil 4 dieses Buches werden wir uns noch detaillierter mit der Auswahl eines CRMSystems beschäftigen.

6.2 Gesprächslandkarten: Sichere Basis für Routinetätigkeiten Haben Sie schon einmal den Schlüssel in der Wohnung vergessen und beherzt die Haustüre zugezogen und sich ausgesperrt? Den meisten dürfte dieser bittere Moment der Erkenntnis noch gut in Erinnerung sein, wenn man merkt, dass man ohne fremde Hilfe nicht mehr zurück nach Hause kann. Aber warum passiert so etwas? Sicherlich ist kaum jemand intellektuell damit überfordert, erst zu prüfen, ob der Schlüssel da ist und erst dann die Tür von außen zu schließen. Diesen logischen Zusammenhang können bereits kleine Kinder verstehen. Und außerdem dürften Sie schon viele Male erfolgreich mit Schlüssel das Haus verlassen haben. Warum passiert dann tagtäglich dieses Malheur, mit dem Schlüsseldienste ein gutes Auskommen bestreiten? Warum passiert es so manchem nicht nur einmal?

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6  Digitale und analoge Arbeitshilfen für den Vertrieb

Ich habe eine These: Routine ist der schlimmste Feind der Professionalität. Ich denke, dass Tätigkeiten, die wir häufig ausführen, eine gewisse Nachlässigkeit anziehen. Ich veranstalte firmeninterne Seminare durchschnittlich an mehr als hundert Tagen pro Jahr. Eine gewisse Routine also. Und aus gutem Grund arbeiten mein Büro und ich mit einer Checkliste, auf der jede Kleinigkeit aufgelistet ist, die für die Vorbereitung nötig ist: Seminarunterlagen? Check! Moderationskarten? Check! Ausreichend Filzstifte? Check! Und so weiter. Wir machen das, weil sonst sicher irgendwann einmal der Tag käme, an dem ich morgens erst im Seminarraum feststellen würde, dass die Seminarunterlagen dieses eine Mal vergessen wurden. Verzeihlich? Statistisch ja, aber sehr unprofessionell, denn für diese eine Teilnehmergruppe ist es völlig unerheblich, dass es die anderen Jahre immer geklappt hat. Mit größtem Befremden würden wir die Ausrede eines Berufspiloten anhören, wenn er sagen würde: „Ich habe viele Jahre meines Lebens eine perfekte Landung nach der anderen hingelegt – mehr als 10.000 Landungen, wenn ich nicht irre. Jetzt habe ich einmal vergessen, das Fahrgestell auszufahren. Meine Güte! Das kann doch mal passieren …“ Kann passieren – darf aber nicht! Vor einiger Zeit habe ich mit meinem Kollegen Peter Brandl darüber gesprochen, der nicht nur Vortragsredner, sondern auch Berufspilot und Pilotenausbilder ist. Von ihm habe ich übrigens auch zuerst den Vergleich mit dem im Haus vergessenen Schlüssel gehört. Mich hat interessiert, wie damals in den 70er-Jahren die erfahrenen Berufspiloten darauf reagiert haben, dass plötzlich das laute Lesen von Checklisten zur Vorschrift wurde. Sie können sich bestimmt vorstellen, welche Flüche in so manchem Cockpit auf die Bürohengste losgelassen wurden, die sich so einen „unnötigen, weltfremden Bürokraten-Mist“ ausgedacht haben. „Sollen wir fliegen oder Zettel vorlesen?“ könnte ich mir auch als wütenden Ausruf vorstellen. Warum ich das hier erwähne? Na ja, vielleicht sind wir in modernen Vertriebsorganisationen heute da, wo die Piloten vor einigen Jahren waren. Checklisten werden als sinnvoll anerkannt, aber nicht routinemäßig eingesetzt. „Ich kann doch nicht vor dem Kunden meine Fragen vom Zettel ablesen und Häkchen machen!“ wäre der wütende Ausruf alter Hasen von der Verkaufsfront. Klingt vertraut? Zumindest erlebe ich diese Art von Widerstand immer wieder, wenn ich mit professionellen Verkäufern arbeite. Sie sagen dann, dass sie „es im Prinzip schon so machen“. Sie behaupten, dass sie „eine individuelle Checkliste für jeden Kunden“ haben oder erstellen. Oder sie sind sich ganz sicher, dass sie „die wichtigsten Punkt im Kopf haben und nicht aufschreiben müssen“. Eine ehrliche Antwort kann ich akzeptieren: Wenn eine Checkliste vor mir liegt, dann bin ich zu sehr von der Abfolge der Punkte gefangen. Dann kann ich nicht so gut auf den Kunden eingehen und verstehen, was er wirklich will. In vielen Jahren der Arbeit mit Vertriebsorganisationen habe ich mir Gedanken gemacht, wie man die simple, aber starre Sicherheit einer Checkliste mit der Flexibilität in einem Kundengespräch verbinden kann. Was dabei entstand, ist die inzwischen preisgekrönte Idee der Gesprächslandkarte.

6.2  Gesprächslandkarten: Sichere Basis für Routinetätigkeiten

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Beispiel

Stellen Sie sich vor, wir unterhalten uns über unsere Urlaubsreisen in Europa. Es ist eine Unterhaltung, zu der Sie und ich etwas beitragen. Wir fragen viel, tauschen Tipps und Erfahrungen aus und sprechen über unsere nächsten Pläne. Und während wir sprechen, liegt vor mir eine stark vereinfachte Karte von Europa. Nur die Landesgrenzen und ein paar wichtige Städte und Regionen sind eingezeichnet. Die Linien sind nur ganz zart in hellgrau gedruckt, etwa so, wie die Linien auf kariertem Papier, sodass man einfach drüberschreiben kann. Während wir miteinander sprechen, mache ich mir Notizen in die Flächen der Länder. Dazu muss ich nicht viel nachdenken, weil ich blind weiß, wo in etwa Dänemark auf meiner Karte ist. Oder Spanien. Oder Italien. So bekommt mein Gespräch Struktur und Orientierung, ohne dass eine Abfolge vorgegeben wird. Und noch wichtiger: Wenn ich in einem Land nichts notiert habe, bekomme ich ständig optisch die Rückmeldung: Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Ich kann dann entscheiden, ob ich noch das Gespräch darauf lenken will oder ob ich es bewusst auslasse. Vergessen von wichtigen Themen wird so unmöglich gemacht. ◄

6.2.1 Individuelle Gesprächslandkarte für Verkaufsgespräche Aus welchen Bausteinen Sie Ihre ganz persönliche Checkliste zusammenstellen, hängt unter anderem davon ab, für welche typischen Gesprächssituationen Sie die Landkarte entwerfen wollen. Möglich wären beispielsweise ganz unterschiedliche Anlässe, wie zum Beispiel Messegespräche, Telefonate und Kundenbesuche. Trotzdem laufen Gespräche in der Regel immer in vier Phasen ab: Einleitung, Forschung, Beweis und Verbleib. (1) Einleitung: Gespräche methodisch beginnen Die Einleitung ist sicher für alle emphatischen Verkäufer auch ohne Checkliste möglich, aber vielleicht wollen Sie einen Erinnerungspunkt schaffen, um die beste denkbare Gesprächsatmosphäre herbeizuführen? Und vielleicht ist es der Gesprächsteil, der häufig unterschätzt wird. Lassen Sie mich, um das zu verdeutlichen, diese kleine Geschichte erzählen. Beispiel

Es war bei einem Coaching, bei dem ich einen Klienten zu einem Kundentermin begleiten sollte. Der Klient hat sein Büro in Würzburg und der Kunde, den wir gemeinsam besuchen sollten, war in Frankfurt. Ich musste einige Überredungskünste einsetzen, um den Klienten zur Fahrt mit der Bahn zu bewegen. Ich wollte die Zeit nutzen, um das Gespräch vorzubereiten und auf dem Rückweg auch Zeit für

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Feedback zu haben. Widerwillig nahm er meinen Vorschlag an. Und es kam, wie es kommen musste: der Zug hatte Verspätung. Nicht genug, um den Kundentermin zu gefährden, aber wir hatten Verspätung. Weil der Kunde in der Nähe des Frankfurter Hauptbahnhofs war, war es kein Problem, sogar noch 15 Minuten vor dem Termin dort einzutreffen. Zu Beginn des Gesprächs fragt der Kunde: „Wie war die Anfahrt?“ Wie auf ein Startsignal hin legt mein Klient los: „Ich habe mich überreden lassen, mit der Bahn zu fahren. Normalerweise mache ich alle Strecken mit dem Auto. Ich weiß, dass da auch Staus in die Quere kommen können, aber da habe ich stärker das Gefühl von Kontrolle. Die Bahn war eine Erfahrung, die ich nicht mehr machen möchte.“ Und dann versuchte mein Klient, seinem Kunden eine Innovation zu verkaufen. Was er nicht merkte, war, dass er gerade eben bei der Einleitung einen Rahmen für das Gespräch geschaffen hatte, das alles andere als innovationsfreundlich war. Er hätte ja auch auf die Frage des Kunden sagen können, dass er sich hat überreden lassen, mit der Bahn zu fahren, sich zunächst überhaupt nicht wohl gefühlt habe, aber sich jetzt schon auf die Rückfahrt freue, wo er nicht am Steuer sitzen muss und sich die Nachbereitung des Termins vornehmen kann. Das wäre dann sicherlich eine bessere Einstimmung für ein Gespräch, bei dem der Kunde sein bisheriges Verhalten über Bord werfen und eine Innovation beauftragen soll. ◄ Vielleicht wäre es hilfreich, wenn Verkäufer sich vor dem Gespräch eine Einleitung in Form einer Geschichte zurechtlegen, um dem nun folgenden Gespräch den passenden Rahmen zu geben. Das kann durch eine methodische Vorbereitung sehr gut gelingen. (2) Forschung: das zentrale Herzstück Der ausführlichste Teil ist die Forschung, also der Teil, in dem Sie die Situation, die Probleme, den Handlungsdruck und die Nutzenvorstellung des Kunden erfragen. Diese Bereiche werden bestimmt die größten Flächen in Ihrer Gesprächslandkarte einnehmen. Ganz bestimmt ist es eine gute Idee, besonders gelungene Fragen wörtlich in die Karte zu drucken, damit Sie sich daran erinnern. Zumindest werden die besprochenen Baupläne zu den unterschiedlichen Fragetypen dort stehen, so dass Sie nichts vergessen können und alle wichtigen Fragen im Gespräch stellen. Die besondere Gefahr ist, dass Verkäufer, die bereits einiges an Erfahrung gesammelt haben, zu schnell zur Lösungspräsentation gehen und die Forschung überspringen wollen. Das hängt damit zusammen, dass sie in den Jahren ihrer Tätigkeit bereits viele ähnlich gelagerte Problemsituationen wie die aktuelle kennengelernt haben und deshalb vorschnell eine Standardlösung präsentieren und „verkaufen“ wollen. Das ist so, als würde ein Arzt Ihnen ein Rezept ausstellen, ohne Sie vorher untersucht zu haben.

6.2  Gesprächslandkarten: Sichere Basis für Routinetätigkeiten

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Beispiel

Sie haben sich die Hüfte geprellt und suchen einen Arzt auf. Beim Eintreten in den Raum sitzt der Arzt einige Meter entfernt hinter seinem Schreibtisch und fordert Sie auf, heranzukommen. Sie humpeln langsam mit etwa sieben Schritten zu seinem Schreibtisch. Währenddessen beobachtet Sie der Arzt genau und macht sich offenbar Notizen. Als Sie den Schreibtisch erreichen, stellen Sie fest, dass er sich keine Notizen gemacht hat, sondern ein Rezept ausgefüllt hat. Er reißt dieses Rezept ab und sagt: „Tragen Sie die grüne Salbe dreimal täglich auf die Hüfte auf und nehmen Sie abends vor dem Schlafengehen drei Tropfen von der Flüssigkeit, die ich Ihnen ebenfalls aufgeschrieben habe. Sie werden sehen – in vier Tagen ist alles wieder in Ordnung.“ Was halten Sie von diesem Arzt? Eine Koryphäe? Wohl eher nicht. Wir halten ihn für einen Scharlatan. Sehen wir uns die Geschichte mit einer kleinen Änderung an: Sie kommen ins Behandlungszimmer und der Arzt bittet Sie, zur Behandlungsliege zu gehen und die Hose auszuziehen. Währenddessen schreibt der Arzt das Rezept – was Sie aber nicht sehen können. Er kommt zu Ihnen und untersucht Sie zehn Minuten lang teilweise sehr schmerzhaft, indem er immer wieder verschiedene Stellen der Hüfte auf Beweglichkeit und Schmerzempfindlichkeit prüft. Zum Schluss überreicht er Ihnen ein Rezept mit den Worten: „Tragen Sie die grüne Salbe dreimal täglich auf die Hüfte auf und nehmen Sie abends vor dem Schlafengehen drei Tropfen von der Flüssigkeit, die ich Ihnen ebenfalls aufgeschrieben habe. Sie werden sehen – in vier Tagen ist alles wieder in Ordnung.“ ◄ Obwohl der Lösungsvorschlag in beiden Varianten dieser Geschichte völlig identisch ist, tendieren wir bei der zweiten Variante dazu, den Arzt wesentlich kompetenter einzuschätzen als bei der ersten Variante. Das hängt damit zusammen, dass wir als Laien den Lösungsvorschlag ohnehin nicht kompetent bewerten können. Wir wissen nichts über die Wirksamkeit von Salben und Tropfen, wenn wir nicht selber Medizin studiert haben. Vergleichbar ist es, wenn der Kunde unsere Kompetenz bewerten soll. Es ist sehr schwer für ihn, die Qualität des Lösungsvorschlags zu beurteilen, aber die Qualität der Untersuchung kann er einschätzen. Daher ist eine professionelle und ausführliche Fragetechnik so wichtig, um methodisch gute Vertriebsgespräche zu führen. In Teil 3 dieses Buches ist dem Vertriebsgespräch ein ganzer Abschnitt gewidmet (s. Abschn. 8.1), in dem klar werden wird, welche Art von Fragen wir stellen sollten, um möglichst genau und intensiv zu verstehen, was der Kunde entscheiden soll. (3) Beweisführung Erst wenn wir verstanden haben, was der Kunde wirklich will, welche Entscheidungsparameter für ihn relevant sind und welche Motive ihn zu einer konkreten Handlung bewegen werden, können wir eine sinnvolle Beweisführung durchführen. Weil wir wollen, dass diese Aussagen beim Kunden besonders in Erinnerung bleiben, sollten wir

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6  Digitale und analoge Arbeitshilfen für den Vertrieb

gehirngerechte Methoden entwickeln, um das, was wir zu sagen haben, langfristig zu verankern. Wir sollten unsere Ideen so präsentieren, dass der Kunde sie kaum mehr vergessen kann. Für die Beweisführung könnte man besonders clevere Ideen bereithalten, um die eigene Leistung in Metaphern zu erklären. In Teil 3 widmen wir ein ganzes Kapitel der Frage, wie man Storytelling für Vertriebsgespräche methodisch planen kann (s. Abschn. 9.1). (4) Verbleib und konkrete Vereinbarungen Und schließlich wollen wir auf jeden Fall sicherstellen, dass am Ende dieses Gesprächs ein konkreter Verbleib steht, dass also eine Vereinbarung zu den nächsten Schritten und die nun folgenden Aktivitäten mit dem Kunden abgestimmt sind. Nur wenn es gelingt, konkrete Aktivitäten zur weiteren Zusammenarbeit für beide Parteien, den Kunden und den Verkäufer, festzuhalten, besteht eine Chance auf eine tragfähige Zusammenarbeit. Solange der Kunde sich zurückerhält und nicht bereit ist, auch nur die kleinste Verpflichtung einzugehen, könnte man davon ausgehen, dass im Moment der Wunsch, eine Entscheidung zu treffen, nicht besonders groß ist.

6.2.2 Bauplan für Ihre Gesprächslandkarte Wenn es Ihnen gelingt, diese Strukturen für Gespräche fest in den Alltag zu integrieren, kann die Qualität im Vertrieb enorm steigen. Im Prinzip ist die Gesprächslandkarte eine Checkliste in grafischer Form. Sie erfüllt zwei Funktionen: • Zum einen ist sie eine Landkarte, die Orientierung gibt und alle wesentlichen Gesprächsfelder vorgibt. So können Sie jederzeit sehen, welche Teile des Gesprächs bisher noch nicht berührt wurden. Sie erkennen, welche Fragen Sie möglicherweise noch stellen müssen, um ein komplettes Gespräch zu führen. • Zum anderen ist die Gesprächslandkarte eine Notizstruktur, die Sie einlädt, Ihre Notizen in den vorgesehenen Bereichen und Feldern zu machen. Auf diese Weise wird die Gesprächslandkarte einerseits Themen und Struktur vorgeben und andererseits permanent rückmelden, welche Gesprächsbereiche bisher noch nicht berührt wurden. Aus welchen Bausteinen sollten Sie Ihre ganz persönliche Checkliste zusammenstellen? Ich möchte Ihnen eine Auswahl von Themen anbieten, die Sie verwenden können: • • • •

Struktur für eine Vorstellung der Person des Verkäufers Ziele des Kunden für dieses Gespräch Probleme, die durch Sie eventuell gelöst werden können Auswirkungen der Probleme (Schmerzen) nach Möglichkeit in Zahlen oder als Geldbetrag

6.2  Gesprächslandkarten: Sichere Basis für Routinetätigkeiten

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Abb. 6.1   Gesprächslandkarte (► https://doi.org/10.1007/000-9zh)

• • • •

Nutzen-Erwartung: Wie soll es sein, wenn das Problem gelöst ist? Entscheidungsverlauf und handelnde Personen Die Sicht des Kunden auf Ihr Unternehmen Eventuell weitere Fakten, die zur Bestimmung des Angebots oder für eine Preisauskunft nötig sind • Konkreter Verbleib: nächster Termin, (Vor-)Entscheidung sowie Inhalt und Struktur des nächsten Dokuments, das der Kunde bekommt: Angebot, Preisauskunft, Investitionsübersicht, Grob-Konzept, Referenzbeispiel oder andere Dokumente Es hat sich bewährt, dass Sie Beispiele für Formulierungen einbauen, um dem Nutzer der Gesprächslandkarte die Anwendung der Gesprächstechnik so einfach wie möglich zu machen. Sie können sich hier http://stephanheinrich.com/verkaufsgespraech Beispiele für Gesprächslandkarten herunterladen, die für unterschiedliche Zwecke verwendet wurden. Die Struktur einer Gesprächslandkarte ist für jede Branche und jedes Unternehmen individuell. Die oben genannten Punkte sind jedoch immer und in jedem Gespräch relevant. In Ihrer Branche gibt es vielleicht noch wichtige Erweiterungen. Aber achten Sie darauf, dass Sie nicht zu viele Fragen zu den Fakten einbauen (Abb. 6.1). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/ akquiseatb2b

Teil III Methoden und Soft Skills – Wie müssen sich die Fähigkeiten von Menschen erweitern?

Die Digitalisierung droht die Arbeit vieler Menschen überflüssig zu machen. Das mag stimmen. Auch wenn die nahe Zukunft besonders bedrohlich für die Chancen etlicher Menschen auf dem Arbeitsmarkt dargestellt wird, ist gleichzeitig unstrittig, dass künftig neue Fähigkeiten von uns verlangt werden. Das betrifft nicht nur den Umgang mit vielen neuen Werkzeugen, sondern auch die Kommunikationsfähigkeiten durch die Nutzung und Verbreitung neuer Medien. Aber auch die scheinbar altbekannten Tätigkeiten in Vertrieb und Marketing gehören auf den Prüfstand. Was sind die Qualitätsmerkmale eines guten Verkaufsgesprächs? Wie kann es gelingen, neue potenzielle Kunden zu einem Gespräch zu bewegen? Wie erzeugt man Attraktivität, wenn man schriftlich kommuniziert? In diesem dritten Teil des Buches beschäftigen wir uns mit den weichen Faktoren der Digitalisierung. Es geht darum, die menschlichen Verhaltensweisen und persönlichen Fähigkeiten zu betrachten, die wir jetzt und in Zukunft vermehrt brauchen werden.

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Schriftliche und telefonische Anbahnung von Kundenbeziehungen im B2B

Zusammenfassung

Wenn noch keine Geschäftsbeziehung existiert, muss der Verkauf zunächst die Gesprächsbereitschaft mit einem relevanten Gesprächspartner bewirken. Ausgehend von einem sogenannten „Lead“ beginnt der Verkäufer, die passenden Gesprächspartner eines Kunden zu ermitteln, und nimmt dann Kontakt auf. Dieser Vorgang, den man auch „Kaltakquise“ nennt, ist vergleichbar mit dem Versuch, einen Basketball aus 20 m Distanz in den Korb zu werfen. Das klappt manchmal, aber meistens nicht. Deshalb benötigen Verkäufer eine passende Einstellung und kommunikative Fähigkeiten, um diese Aufgabe zu bewältigen. Um welche es sich genau handelt, erfahren Sie in diesem Kapitel.

7.1 Schriftlich Kunden gewinnen In den meisten Fällen funktioniert professionelle Akquisition von Geschäftskunden nur im Dialog. Dazu sollte ein Verkäufer ein Gespräch mit einem Entscheider führen – entweder persönlich oder telefonisch. Damit dieses Gespräch stattfinden kann, brauchen wir eine gewisse Gesprächsbereitschaft beim Kunden. In den letzten Jahren hat die Erreichbarkeit der Entscheider immer weiter abgenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig, jedoch zeichnet sich ab, dass das Festnetztelefon immer weniger Bedeutung hat und durch das Smartphone abgelöst wird. Jeder, der ein Smartphone benutzt, sieht auf dem Display, wer anruft bzw. dass der Anrufer unbekannt ist. Das führt dazu, dass Anrufe von bislang unbekannten Anrufern zumeist nicht angenommen werden und auf der Mailbox landen. Wir werden uns später noch mit Anrufbeantwortern und Sprachnachrichten beschäftigen. Zunächst wollen

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_7

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wir uns Gedanken darüber machen, wie wir durch geschickte schriftliche Nachrichten erreichen können, dass unsere Kontaktaufnahme erwünscht und erwartet wird.

7.1.1 Kundenakquise durch ein Anschreiben erfolgreich machen Wenn Sie sich in die Situation eines Angerufenen hineinversetzen, werden Sie erkennen, dass Anrufe manchmal Überfällen ähneln: Der Anrufer ist auf sein Thema fokussiert und stülpt es dem Angerufenen einfach über. Auch wenn das angesprochene Thema grundsätzlich wichtig ist, kann man evtl. spontan nicht kompetent darüber reden. Wie wäre es, wenn man den potenziellen Kunden mit einem Brief auf das Telefonat vorbereitet? Das kann gut funktionieren, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Im Wesentlichen gibt es zwei Punkte, die Sie sich beantworten müssen, um herauszufinden, ob ein vorgeschalteter Brief hilfreich ist: 1. Ist der Entscheider vermutlich zu einem zufällig gewählten Zeitpunkt erreichbar? Hat er einen ausgefüllten Terminkalender oder ist er selbst häufig außer Haus unterwegs? 2. Ist das Thema, das Sie besprechen wollen, tagtäglich auf seiner Agenda? Oder muss der Entscheider sich gedanklich vorbereiten? Wenn Sie annehmen, dass Ihre Zielperson weder zufällig erreichbar sein wird, noch Ihr Gesprächsthema auf der täglichen Agenda hat, dann sollten Sie einen cleveren Schritt vor den Anruf setzen: einen Brief. Es ist entscheidend, dass es wirklich ein Brief auf Papier ist und keine einfache E-Mail. Der Grund dafür erklärt sich sofort. Der Brief besteht aus fünf Bestandteilen, die jeder für sich ein klares, eindeutiges Ziel verfolgen. Selbstverständlich können Sie die Formulierung beliebig anpassen, wenn der Zweck erhalten bleibt. (1) Überschrift im Kundenakquise-Anschreiben Auf den ersten Blick ist es ungewöhnlich, einem Brief eine Überschrift zu geben. Wenn man moderne schriftliche Kommunikation betrachtet, ist es das jedoch nicht. In jedem Zeitungsartikel, egal ob auf Papier oder im Internet, ist es die Aufgabe der Überschrift, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Lust auf den Rest des Textes zu machen. Genau das tun wir hier, denn die wesentliche Idee ist, ganz zu Beginn eine Aussage zu stellen, die Interesse und gleichzeitig Relevanz stimuliert. Nehmen wir als Beispiel meine Zielgruppe. Die Geschäftsführer und Vertriebsleiter Mittelständischer Unternehmen, die ihren Vertrieb weiterentwickeln wollen. Sie sind daran interessiert, die Leistungsfähigkeit ihres Teams zu verbessern. Nehmen wir an, mein zentrales Nutzenversprechen ist es, dass ein Mitarbeiter im Vertrieb eines Maschinenbauers durchschnittlich sein Potenzial auf 40.000 € mehr Deckungsbeitrag ausschöpfen kann. Das bedeutet, dass eine zwölfköpfige Vertriebsmannschaft rund

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500.000 € mehr Ertrag für das Unternehmen erreichen kann, wenn meine Dienste in Anspruch genommen werden. Wie kann eine gute Überschrift lauten? Es gibt viele Möglichkeiten, die ich ausprobiert habe. Am besten eignet sich dafür meiner Meinung nach ein Zitat. Und zwar ein Zitat der Zielperson selbst. Und weil das am besten funktioniert, empfehle ich ein vorweggenommenes Zitat in der Zukunft. Klingt das verrückt? Lassen Sie mich erklären, was ich genau meine. Nehmen wir an, wir schreiben diesen Brief im Herbst 2019. Nehmen wir an, mein Zielkunde ist die „ABC Kunststoffmaschinen AG“ und der Ansprechpartner ist der Geschäftsführer, Hans Huber. Dann könnte die Headline des Briefes so lauten: „Trotz größter Skepsis konnten wir tatsächlich den Ertrag unseres europäischen Vertriebsteams um eine halbe Million Euro steigern. Vor einem Jahr hätte ich das – in einem reifen Markt wie unserem – kaum für machbar gehalten. Hans Huber, Februar 2019“

Dieses Zitat ist so formuliert, wie es der Zielkunde von sich geben könnte, wenn unser gemeinsames Projekt erfolgreich verlaufen wird. Das erzeugt Aufmerksamkeit. Und genau das ist die Aufgabe der Headline. Noch ein gestalterischer Hinweis: Die Headline soll ganz bestimmt, so wie sich das für eine Überschrift gehört, ganz oben stehen. Vor allem anderen, unmittelbar am oberen Blattrand. Auf weitere Ideen zur Gestaltung des Briefes kommen wir noch. (2) Der erste Satz im Muster-Anschreiben Aber gleich nach der Anschrift und Anrede kommt ein Satz, der die erste Aufmerksamkeit der Überschrift aufgreift und voller Energie auf den restlichen Brief lenkt: „… meine 7 Mitarbeiter und ich stehen bereit, um dieses zugegebenermaßen herausfordernde Ziel in die Praxis umzusetzen.“ Es könnte hier auch stehen: „… bereits während der Postlaufzeit dieses Briefes konnten meine Kunden xx.xxx € zusätzlich erlösen.“ Hier ist das Ziel, Erstaunen und Neugier zu erzeugen und den Gedanken der Überschrift in den Text des Anschreibens zu übernehmen. (3) Testimonial sorgt für Relevanz Als nächstes dürfte dem Leser unseres Briefes vielleicht die Frage durch den Kopf gehen, was dies mit ihm selbst zu tun hat. Um diese latente Frage zu beantworten, bevor sie sich im Bewusstsein des Lesers stellt, kommt jetzt eine Aussage, die eben jene Relevanz unterstreicht. Das könnte sich so lesen: „Wenn wir mit den Geschäftsführern unserer Kunden aus der Kunststoff-VeredelungsBranche sprechen, nennen Sie uns häufig diese Erfolge unserer Zusammenarbeit: • 25 Mio. € mehr Auftragseingang auf der Leitmesse im Vergleich zu den 3 Jahren zuvor

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• Steigerung der durchgesetzten Verkaufspreise trotz Wettbewerbsdruck um mehr als 12 % • Halbierung der Entwicklungszeit und deshalb Versechsfachung des Absatzes in einem innovativ umkämpften Markt“ Das sind die Bausteine dieses Abschnitts. Zur Erinnerung: Es geht vor allem um Relevanz! Deshalb dürfen Sie diese Punkte beachten: 1. Nutzen Sie präzise die Funktionsbezeichnung wie sie ihre Zielperson für sich nutzt: Geschäftsführer, Vorstand, CEO oder was auch immer auf der Visitenkarte steht. 2. Nutzen Sie präzise die Branchenbezeichnung, wie sie auf der Unternehmensseite Ihres Kunden bei „Über uns“ verwendet wird. Dazu ist Recherche wichtig. Deshalb habe ich in diesem Beispiel auch „Kunststoff-Veredelung“ als Begriff benutzt, der beispielsweise genau in dieser Schreibweise auf der Webseite des potenziellen Kunden zu lesen ist. 3. Schreiben Sie die drei wichtigsten Ergebnisse der Zusammenarbeit mit Ihren Kunden auf und verwenden Sie eindeutige Aussagen zu Zahlen. Alle drei Bedingungen sind notwendig um Relevanz aus der Sicht des Kunden zu erzeugen. Dieses dritte Element ist entscheidend dafür, dass der Leser für sich zumindest unterbewusst erkennt: „Ah! Das ist ja genau das, was ich für mich als relevant erkenne. Das ist wichtig für mich!“ (4) Der Schluss Wenn man die vorangegangenen Zeilen oberflächlich liest, könnte im schlimmsten Fall der Eindruck entstehen, Sie würden versuchen, Ihren potenziellen Kunden zu belehren. Um das definitiv zu verhindern, lade ich Sie zu einer Formulierung ein, die einen knackigen Schluss ergibt, ohne zu bevormunden: „Herr Huber, die Frage, ob für die ABC Kunststoffmaschinen AG ähnliche Ergebnisse erzielbar sein werden, lässt sich vorerst noch nicht beantworten. Aber eines ist klar. Sie können die realistischen Chancen dieser Idee einschätzen und gemeinsam können wir die weiteren sinnvollen Schritte festlegen.“ Damit stellen Sie klar, dass Sie eben nicht belehrend sein wollen und nur vorstellen, was Sie und Ihr Unternehmen alles kann. Das würde nämlich nur völlig irrationale, aber emotional absolut erklärbare Gegenreaktionen erzeugen. Stattdessen schreiben Sie ehrlich und klar, worum es geht: Ein Gespräch unter Erwachsenen, um die Chancen der weiteren Zusammenarbeit zu prüfen. Das ist spannend, ohne anbiedernd zu sein. (5) Das PS Was lesen Sie in jedem Brief? Das „post scriptum“ wird immer gelesen. Oft zuerst. Deshalb richten wir im PS eine Botschaft an die Person, die höchstwahrscheinlich den Brief öffnen wird, nämlich die Assistenz. Weil wir längst wissen, dass wir unsere Botschaften

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empfängergerecht gestalten müssen, tun wir das auch hier. Also eine Botschaft an und in der Sprache der Assistenz: „Sie sind eingeladen zu einem Telefonat am soundsovielten um 11 Uhr 10. Falls der Termin nicht passen sollte, lassen Sie bitte >Vorname Name< einen Ersatztermin vereinbaren.“ >Vorname Name< ist selbstverständlich der komplette Name der Assistenz. Der ausgeschriebene Name erhöht die Chancen, dass die Assistenz den Absatz liest. Und bei einer professionellen Assistenz löst der Text vermutlich den Reflex aus, sofort im Kalender nachzusehen, was am genannten Datum sein wird. Das verringert erneut die Chance, dass der Brief evtl. weggeworfen wird und erhöht die Chance, dass Sie zum angegebenen Zeitpunkt die Zielperson erreichen werden. Der Stil und die äußere Form Sagen wir es in einem Satz: Der Brief sollte haptisch und gestalterisch das Beste sein, was der Empfänger in den letzten Monaten bekommen hat. Falls es eine Einladung zum Bundespresseball gab, sollte Ihr Brief in der gleichen Liga spielen. Haptisch, stilistisch und inhaltlich. Kein Schnick-schnack, aber Klasse. • • • • •

bestes Papier kein Logo auf dem Umschlag Briefmarke statt Frankiermaschine handgeschriebene Adresse kein Absender von außen erkennbar

Sehen Sie diesen Brief bitte nicht als Werbemaßnahme. Es geht darum, die Gedanken des Adressaten zu bewegen. Jetzt ist unser Ziel, dass die Gedanken Ihres Gesprächspartners auf das kommende Gespräch eingestimmt sind.

7.1.2 Variationen zum Anschreiben zur Kundenakquisition Vielleicht wollen Sie den Brief verwenden, um jemanden persönlich zu treffen, beispielsweise auf einer Messe oder einer anderen Branchenveranstaltung. Dann wollen Sie evtl. den Text im PS entsprechend abändern: „Auf der XY-Messe sind Sie eingeladen zu einem Fachgespräch am >Datum< um 11 Uhr 10 auf Ihrem/unserem Stand in Halle x. Falls der Termin nicht passen sollte, lassen Sie bitte >Vorname Name< einen Ersatztermin vereinbaren.“ Anschreiben digital In digitalen Zeiten müssen wir uns nicht sklavisch an das Digitale halten. Wir sollten es nutzen, wo es uns nützt. Und wir sollten bewusst gegensätzliche Akzente nutzen, wo es hilfreich ist. Deshalb ist der Brief so wirksam.

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Sicherlich haben Sie schon massenhaft Briefe weggeworfen, ohne sie zu öffnen. Aber können Sie sich vorstellen, einen edlen Brief ohne erkennbaren Absender wegzuwerfen, wenn Ihr Name mit Hand geschrieben ist? Wohl kaum. Deshalb setzen wir bewusst diesen Akzent per Post und nicht per E-Mail. Es ist ungleich schwieriger, eine digitale Nachricht so einzigartig zu machen, dass wir sie ähnlich wertvoll einschätzen.

7.2 Telefonakquise – Clevere Wege zum Entscheider Ist die Telefonakquise nicht schon längst Geschichte? Kann man heutzutage wirklich noch telefonisch an die Top-Entscheider herankommen? Ganz sicher ist die telefonische Kontaktaufnahme noch immer der wichtigste Weg zu den Entscheidern. Wer es beherrscht, die Telefonakquise souverän zu betreiben, wird noch immer gute Resultate damit erzeugen. Auch wenn das Medium Telefon nach und nach von Textnachrichten, Sprachnachrichten und Videokonferenzen abgelöst werden wird, ist es noch immer das primäre Mittel, um mit Sprache zu kommunizieren.

7.2.1 Stolpersteine bei der telefonischen Akquise Was tun bei unklarer Zielperson? Wenn Sie den Geschäftsführer einer GmbH oder den Vorstand einer Aktiengesellschaft als Zielperson haben, ist es einfach, an die Namen zu kommen. Schließlich finden Sie alle diese offiziellen Führungskräfte auf der Webseite des Unternehmens im Impressum. Wenn unsere Zielperson allerdings irgendwo darunter in der Organisation versteckt ist, können wir den Namen der Zielperson nicht so leicht finden. Eine Lösung wäre die Webseite des Unternehmens nach der gewünschten Funktion zu durchsuchen. Wenn das nicht gelingt, weil keine Namen und Funktionen veröffentlicht werden, dann können XING und LinkedIn eventuell helfen. Dort finden Sie evtl. die Personen und ihre genaue Funktionsbeschreibung, wie wir das bereits ausführlich besprochen haben. Wenn das alles nicht funktioniert, gibt es noch eine weitere Methode. Allerdings bitte nicht von unten nach oben kämpfen. Denn wenn wir uns von unten hocharbeiten würden, wäre das mühsam. Besser ist es, eine Person zu finden, die sich für den Nutzen unseres Angebots für das Unternehmen interessiert. Es spricht also alles dafür, ganz oben im Unternehmen anzufangen und von dort aus den passenden Entscheider zu finden. Sie dürfen gerne diese Vorgehensweise ausprobieren: Beispiel

Unsere Zielperson ist die Assistenz des Geschäftsführers. Deren Name dürfte leicht in der Telefonzentrale zu erfragen sein. Wenn wir sie am Telefon haben, stellen wir

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ihr diese Frage: „Angenommen, Herr >Geschäftsführer< müsste sicherstellen, dass >Unternehmen< im Zusammenhang mit >Nutzenversprechen< noch immer eine führende Position im Wettbewerbsvergleich einnimmt – angenommen, das wäre sein Ziel – wen bei Ihnen im Hause würde er damit beauftragen?“ Selbstverständlich ersetzen Sie >Geschäftsführer< und >Unternehmen< mit den richtigen Namen und fügen Ihr Nutzenversprechen ein. ◄ Warum klappt diese Methode? Nun, die Assistenz hat üblicherweise die Aufgabe, wichtige Angelegenheiten vorzusortieren und sicherzustellen, dass Angelegenheiten auf den richtigen Schreibtischen landen. Deshalb dürften Sie auf diese Weise schnell und einfach erfahren, wer Ihr Ansprechpartner ist. Entweder wird die Assistenz sinngemäß sagen, „Da kümmert er sich selbst darum“ oder Sie bekommen den Namen des richtigen Ansprechpartners. In beiden Fällen haben Sie jetzt Ihre Zielperson, und Sie können dort für die Akquisition ansetzen. Telefonakquise scheitert an der Durchwahl Mehr und mehr Unternehmen haben keine Telefonanlage mehr. Mitarbeiter nutzen die von der Firma gestellten Mobiltelefone, um sich telefonisch zu verständigen. Durchstellen ist out, weil es technisch nicht geht. Selbst wenn sie es wollen würden: Die Telefonzentralen können nicht so einfach auf die Mobiltelefone der Zielperson weiterleiten. Allerdings dürfen diese die Mobilnummern der Zielpersonen nicht weitergeben. Das wäre zwar ideal, weil Sie dann direkt am Mobiltelefon der Zielperson anrufen könnten. Nur klappt das leider nicht. Oder doch? Wenn die Telefonzentrale die Nummern nicht herausgibt – wen könnten Sie stattdessen fragen? Mein Kollege Tim Taxis empfiehlt eine ganz einfache Methode, die in vielen Fällen zum Ziel führt. Suchen Sie sich einen Verbündeten. Und wer, wenn nicht ein anderer Vertriebskollege, könnte diese Rolle übernehmen? Das ist die Idee: Sie rufen den Vertrieb Ihres Zielkunden an. Die Telefonnummer des Vertriebs finden Sie fast immer auf der Webseite. Schließlich will jedes Unternehmen für potenzielle Kunden erreichbar sein. Wenn Sie einen Ihrer „Kollegen“ am Telefon haben, könnte das im Dialog so laufen: Beispiel

„Guten Tag. Mein Name ist … Spreche ich mit dem Vertrieb von Firma X?“ „Ja, genau.“ „Prima. Das ist jetzt eine Bitte unter Kollegen. Darf ich ganz offen sprechen?“ „Ja … klar.“ „Ok. Sie kennen das bestimmt auch: Es gibt eine klare Idee, wie Sie Ihrem Lieblingskunden ein sinnvolles Angebot machen können, aber Sie finden auf den ersten Ansatz keinen Gesprächspartner. Kommt Ihnen das bekannt vor?“ „Ja, das kenne ich.“

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„Genau so geht es mir im Moment mit Ihrem Unternehmen. Ganz sicher könnte ich ein Thema anbieten, das Ihr >Funktionsbeschreibung< sofort sinnvoll umsetzen kann, aber die Telefonzentrale hat die Anweisung, keine Namen und keine Nummern herauszugeben. Aber das kennen wir ja beide – stimmt’s?“ „Leider ja. Das kenne ich auch.“ „Ok. Vielleicht kann ich mich einmal revanchieren. Und jetzt brauche ich Ihre Hilfe, wenn das geht. Wer ist denn bei Ihnen der beste Ansprechpartner für das Thema …?“ „Das dürfte unser XY-Leiter Herr Mayer sein.“ „Ah, danke. Das ist sehr hilfreich. Nur damit ich ihn jetzt auch gleich ansprechen kann: Wie erreiche ich den Herrn Mayer denn am besten telefonisch?“ „Das kann ich Ihnen nicht sagen …“ „Klar. Das verstehe ich. Aber wenn Sie ihn jetzt selbst erreichen wollen oder sicherstellen wollen, dass er die Informationen bekommt, die er benötigt – welche Nummer würden Sie dann anwählen und auch an einen lieben Kollegen weiter geben? Einfach nur, weil Sie helfen wollen und sich über ähnliche Unterstützung auch freuen würden?“ „Na gut. Hier ist die Nummer – aber von mir haben Sie die nicht bekommen.“ „Ehrensache. Danke.“ ◄ So oder so ähnlich könnte dieses Gespräch laufen. Vielleicht werden Sie diese Methode für sich abwandeln und anders vorgehen. Das Grundprinzip ist, dass Sie Verbündete im Unternehmen des Kunden suchen, die ähnliche Herausforderungen wie Sie zu meistern haben. Diese sprechen Sie an und machen Sie zu Kumpanen. Einfach so und ohne dass Sie eine bestimmte Gegenleistung anbieten. Klappt das? Ja, wenn Sie locker und freundlich sind. Probieren Sie es doch einfach mal aus!

7.2.2 Fünf Tipps zur Vorbereitung der Telefonakquise (1) Positive Grundeinstellung zur Telefonakquise durch Training Für viele Verkäufer ist jegliche Art der Akquise ein notwendiges Übel, das zum Berufsalltag schlicht und einfach dazugehört. Dementsprechend unmotiviert und lustlos wird sie daher in den meisten Fällen „durchgezogen“. Schnell wird man am Telefon schroff abgewiesen. Sätze wie „Nein, danke“, „Haben wir bereits“, „Brauchen wir im Moment nicht“ oder „Da kann ich Ihnen keine Auskunft geben“ sind Aussagen, die jedem bekannt sein dürften, der einmal in der professionellen Akquise gearbeitet hat. Dabei muss der Akquirierende teilweise ein dickes Fell haben, um die Freude an seinem Beruf auch bei der x-ten Absage nicht zu verlieren. Die negative Grundeinstellung resultiert nicht zuletzt aus dem persönlichen Umgang mit den vielen Absagen, die die Kaltakquise von Natur aus mit sich bringt.

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(2) Telefonakquise trainieren Es gilt also, dem Verkaufsmitarbeiter die Angst vor der professionellen Akquise zu nehmen oder sogar diese Angst mit den richtigen Praxistipps in potenzielle „Lust“ auf Akquise umzuwandeln. In vielen Fällen hilft dem Akquisiteur – und somit auch dem Unternehmen – ein professionelles Akquisetraining, in welchem ihm die Angst vor der Neukundengewinnung genommen wird und aus dem er neue Motivation schöpfen kann. (3) Kundengewinnung durch Persönlichkeit Der erste Eindruck spielt bei der Kundengewinnung eine große Rolle. Bestimmt kennen Sie diesen Typ von Menschen, die sofort und in jeder Gesellschaft Kontakte knüpfen und im Mittelpunkt stehen. Vielleicht sind sie auch so ein Typ Mensch, der sofort mit anderen Menschen in Kontakt kommt. Und wenn Sie eher zurückhaltend und mit Fachwissen punkten können, dann werden Sie gleich erfahren, wie Sie ebenfalls sofort Kontakt im Business aufbauen können. Der Erfolg bei der ersten Begegnung zwischen bislang fremden Menschen, hat viel mit Empathie zu tun. Damit meine ich, dass Menschen, die sich in andere Menschen leicht hineinversetzen können, bessere Chancen haben, Kontakte zu knüpfen. (4) Schüchtern und scheu bei der Kundengewinnung Ich vergleiche die mentale Einstellung zur Akquise und Kundengewinnung gerne mit dem Flirt zwischen zwei Menschen. Akquise ist in meiner Vorstellung nichts anderes als Flirten im Business: zwei Menschen begegnen sich, wissen noch nicht, ob sie zusammenpassen werden und wollen freundlich und erwartungsfroh herausfinden, ob eine gemeinsame Zukunft vorstellbar ist. Ganz im Gegenteil zu dieser eher leichten lockeren Einstellung ist die gelebte Praxis, wenn erste Annäherungsversuche im Geschäftsleben gemacht werden, oft ganz anders. Die Menschen, die andere Menschen ansprechen, um potenzielle Geschäftsbeziehungen zu beginnen, sind häufig sehr verkrampft und wenig locker. Ich stelle mir eine typische Begegnung auf einer Fachmesse vor. Der Verkäufer tritt zu dem Besucher, der gerade eben den Messestand des Unternehmens betreten hat. „Guten Tag kann ich Ihnen irgendwie weiterhelfen?“ Bestimmt haben Sie so eine Formulierung ebenfalls schon einmal gehört. Aber ist das ein guter Beginn? Würden Sie auf diese Weise einen Menschen ansprechen, den Sie im Privatleben begegnen? Es ist ja fast schon anmaßend zu glauben, dass ein Mensch, den wir nicht kennen, Hilfe benötigt. Offenbar ist diese Art der Begrüßung deshalb so populär, weil viele Verkäufer sich wünschen, dass Besucher des Messestandes ihre Hilfe brauchen. Aber wenn wir die Perspektive einmal wechseln und uns vorstellen, dass wir selbst auf einen Messestand gehen: Wünschen Sie sich in erster Linie Hilfe? Wohl kaum. Viel wahrscheinlicher ist es, dass Sie eine konkrete Frage haben. Oder dass Sie sich über ein bestimmtes Thema informieren wollen.

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(5) Perspektivenwechsel bei der Kundengewinnung Wenn wir die Gedanken eines potenziellen Kunden „vordenken“, können wir unsere Erfolge bei der Erstansprache wesentlich verbessern. Aber was sind diese Gedanken eines beliebigen Menschen, den wir noch nicht kennen? Nun, selbstverständlich können wir nicht wirklich in den Kopf des unbekannten Menschen hineinsehen. Allerdings können wir uns vorstellen, was er mit großer Wahrscheinlichkeit im Moment denkt. Wenn zwei Menschen sich zum ersten Mal begegnen, stelle ich mir vor, dass Sie sich diese Fragen über den jeweils anderen stellen: • • • •

Wer ist das? Was will er? Was habe ich von dieser Begegnung? Ist er freundlich oder muss ich vorsichtig sein?

Bestimmt könnten noch weitere, zusätzliche Fragen in den Köpfen kreisen. Und vielleicht stimmen Sie mir zu, dass diese vier Fragen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dabei sein dürften. Es ist also eine gute Idee, wenn wir proaktiv gute Antworten auf diese vier Fragen liefern können, um das Gespräch in Gang zu bringen. Tim Taxis (2018) hat zum Thema telefonische Kaltakquise ein umfassendes Buch veröffentlicht, das die Sichtweise des „Gestörten“ erläutert und konkrete Formulierungen liefert. Sehen wir uns dazu diese vier Fragen einmal etwas genauer an. • Wer ist das? Es gehört zu den grundlegenden Bedürfnissen, dass wir wissen wollen mit wem wir es zu tun haben. Auf Messen und Veranstaltungen tragen die Teilnehmer deshalb häufig Namensschilder. Aber selbst wenn der Name – zumeist klein und fast unleserlich – auf dem Namensschild lesbar ist, wäre es eine höfliche Geste, sich dennoch mündlich vorzustellen. • Was will er? In manchen Situationen ist durch die Situation selbst klar, was die Intention der Beteiligten ist. Wenn Sie beispielsweise eine Bäckerei betreten, ist in gewisser Weise klar, dass Sie etwas kaufen möchten. Viele Verkäufer erliegen dem Irrtum, dass klar ist, was der andere will, weil sie selbst mehrfach ähnliche Gespräche führen. So könnte man annehmen, dass ein Kunde, der einen Messestand betritt, sich informieren will. So klar ist das aber nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, was ein Mensch tatsächlich im Moment will, der einen Messestand betritt. Auch aus der Perspektive des Besuchers ist nicht immer klar, was der Verkäufer genau will. Also lohnt es sich, dies ganz zu Beginn der Begegnung so klar wie möglich zu machen. • Was habe ich von dieser Begegnung? Vor allem der Kunde dürfte sich fragen, was er selbst davon hat, dass er nun von einem bislang fremden Menschen angesprochen wird. Auch das mag vermeintlich irgendwie klar sein, jedoch ist es hilfreich, wenn der Verkäufer sofort auch diesen Punkt proaktiv beantwortet. • Ist er freundlich oder muss ich vorsichtig sein? Niemand möchte gegen seinen Willen manipuliert werden. Niemand möchte, dass ihm etwas verkauft wird – schon gar

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nicht, wenn er es nicht ausdrücklich will. Und selbst dann, wenn man etwas kaufen will, will man es nicht verkauft bekommen, sondern sich selbst entscheiden. Deshalb ist es wichtig, dass wir diese Freund-oder-Feind-Unsicherheit möglichst früh im Gespräch für den Kunden beantworten.

7.2.3 Akquise per Sprachnachricht Wer sich auf Kaltakquise am Telefon vorbereitet, der muss sich in diesen Tagen auf den Anrufbeantworter einstellen. Immer mehr Führungskräfte sind nur noch per Smartphone erreichbar. Und selten erreichen wir sie zu einem zufällig gewählten Zeitpunkt. Anrufbeantworter und Sprachbox stören Wenn wir auf Situationen treffen, die ungünstig sind, aber durchaus an der Tagesordnung, dann haben wir dafür ein Konzept. Wir wissen, wie wir auf alltägliche Blockaden reagieren. Beispielsweise ist es ganz normal, dass wir – auch wenn wir in Eile sind – anhalten, wenn die Ampel von Grün auf Gelb und schließlich Rot umschaltet. Wir erkennen das Signal, wissen, was es bedeutet, und haben eine Reaktion parat. Kaum jemand käme auf die Idee zu jammern und zu rufen „Oh je. Jetzt ist es wieder Gelb und dann Rot geworden. Was soll ich nur tun?“ Das wäre albern. Und dennoch höre ich in meinen Seminaren und Workshops die Teilnehmer klagen: „Was mache ich nur, wenn ich meinen Ansprechpartner nicht erreiche, sondern nur den Anrufbeantworter? Dann kann ich ja nicht verkaufen!“ Und wenn ich frage, wie oft das passiert, dann höre ich, dass es durchaus an der Tagesordnung ist. Manchmal ist das Offensichtliche schwer zu erkennen: Wenn eine bestimmte Aktion ungünstig, aber erwartet ist, dann haben wir im normalen Leben eine Antwort parat. Warum nicht auch im Geschäftsleben? Kaltakquise am Telefon mit der Mailbox Egal, wie häufig Sie statt einem menschlichen Gesprächspartner eine Mailbox, Sprachbox oder einen Anrufbeantworter antreffen – es wird passieren und Sie sollten vorbereitet sein. Wie kann man mit einer Sprachnachricht Aufmerksamkeit erzeugen? Wie kann man eine aufgezeichnete Nachricht spannend gestalten? Wie immer ist es sehr hilfreich, wenn wir uns in die Situation des Empfängers hineinversetzen: Was denkt er oder sie vermutlich, wenn die Sprachnachricht abgehört wird? Vor allem dann, wenn der Empfänger uns und die angezeigte Nummer zu der Nachricht nicht kennt, sollten wir seine aktuellen Bedürfnisse mit der Nachricht erfüllen. Wenn Sie sich selbst fragen, was Sie sich fragen, wenn Sie eine Sprachnachricht abhören, dann kommen Sie vielleicht auch zu diesen Fragen: • Wer ist der Absender? • Ist es dringend?

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• Betrifft es mich? • Was soll ich tun? • Was passiert, wenn ich es ignoriere? Weil wir die unbewussten Fragen unserer Gesprächspartner proaktiv beantworten wollen, sollten wir uns eine Struktur der Sprachnachricht überlegen, die genau diese Bedürfnisse erfüllt. Kaltakquise auf dem Anrufbeantworter Unser Ziel ist es, dass der Adressat der Sprachnachricht in irgendeiner Weise reagiert und Kontakt zu uns aufnimmt. Das sollten wir ihm so einfach wie möglich machen. So könnte eine Sprachnachricht lauten, wenn wir statt der Zielperson nur einen Anrufbeantworter erreichen: „Das ist eine Nachricht für >Vorname Nachname< von >Ihr Name< – schönen Guten Tag. Wenn Sie die Nachricht noch am >Datum< bekommen, lohnt es sich auf jeden Fall bis xx Uhr zurückzurufen, damit Ihr >Nutzenversprechen< rechtzeitig möglich wird. Rufen Sie jetzt bitte diese Nummer an: 0199 123 456 789. Ich wiederhole das 0 1 9 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9. Bis gleich. Das war >Ihr NameVorname Nachname< von >Ihr Name< – schönen Guten Tag.“ • Zeitlicher Bezug: Bis wann muss etwas geschehen? Beispiel: „Wenn Sie die Nachricht noch am >Datum< bekommen, lohnt es sich auf jeden Fall bis xx Uhr zurückzurufen.“ • Wozu? Was hat der Empfänger davon? Beispiel: „… damit Ihr „Nutzenversprechen“ rechtzeitig möglich wird.“ • Was soll getan werden? Beispiel: „Rufen Sie jetzt bitte diese Nummer an: 0199 123 456 789. Ich wiederhole das 0 1 9 9 1 2 3 4 5 6 7 8 9. Bis gleich. Das war >Ihr NameIhrer Unternehmenssoftware< für Sie messbar verbessert haben?“ • „Wenn es so etwas wie eine Zeitmaschine gäbe und wir jetzt Gelegenheiten hätten, auf diese Weise einen Blick in die Zukunft zu werfen, welche positiven Veränderungen könnten wir dann im Zusammenhang mit >Ihrer Unternehmenssoftware< heute in zwölf Monaten im besten Fall schon sehen?“ • „Lieber Kunde, stellen Sie sich vor, ich bin die Waldfee und Sie hätten sich bei mir eine ideale >Themenbereich Ihres Angebots< herbeigewünscht. Welche konkreten Ergebnisse würde das für Ihre Unternehmenszahlen im kommenden Jahr bedeuten?“ ◄ Diese drei Beispiele sind nach einem Bauplan erstellt worden, den Sie gerne für Ihre Fragen verwenden dürfen. Bauplan für Fragen nach der Nutzenerwartung

1. Annahme statt Abfrage: Hier wurden mehr oder weniger fantastische Annahmen formuliert, sodass die Fantasie angeregt wird. Je verrückter die Annahme, desto freier die Vorstellungskraft. Wenn Sie abfragen würden „Was wird sich verändert haben?“, dann bekämen Sie sicher eher vorsichtige Antworten oder gar ein „Ich kann doch nicht in die Zukunft sehen“. Aber wenn Sie bewusst den Konjunktiv verwenden und offen lassen, ob es tatsächlich so wird, dann steigt die Bereitschaft, über das Mögliche nachzudenken. 2. Positiver Fokus: Die Fragen lenken alle den Blick auf ein „erfolgreiches Projekt“ oder „positive Veränderungen“. Schon die Formulierung der Frage lässt das erwünschte Ergebnis im Kopf des Gesprächspartners entstehen. 3. Konkrete Zukunft: Bestimmt ist Ihnen aufgefallen, dass alle Formulierungen einen konkreten Zeitraum enthalten. Obwohl wir eine eher unrealistische Annahme wählen, um die Fantasie anzuregen, verwenden wir eine sehr präzise Aussage zum Zeitrahmen. Das dürfen Sie auch so übernehmen, damit die Antwort des Kunden nicht nur wilde Spekulationen, sondern eine auf den Zeitpunkt bezogene realistische Annahme enthält.

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8  Skills, die heute im B2B-Verkaufsgespräch benötigt werden

Wenn es uns gelingt, sowohl den Nutzen als auch den Schmerz des Kunden zu identifizieren, dann haben wir das wichtigste Ergebnis der Gesprächsführung erreicht, denn wir haben damit die beiden Komponenten für Investitionsentscheidungen gefunden. Beide zusammen ergeben den konkreten Bedarf. Solange wir nur ein Problem gefunden haben – und sei es noch so groß – sind wir nur beim latenten Bedarf. Denn wer ein Problem hat, der könnte eine Lösung gebrauchen. Das heißt noch lange nicht, dass er in eine Lösung investieren will, um einen neuen Status zu erreichen. Millionen von Rauchern führen das täglich vor: Obwohl Rauchen problematisch für die Gesundheit ist und obwohl es jede Menge Lösungsmöglichkeiten gibt, um davon weg zu kommen, gibt es noch immer genügend Nikotiniker. Wenn Sie Ex-Raucher sind, dann können Sie bestimmt nachempfinden, wie für Sie der Entschluss entstanden ist, Nichtraucher zu werden und in die Rauchentwöhnung zu investieren. Zum einen haben Sie sich konkrete Auswirkungen klar gemacht (Schmerz), von denen Sie irgendwann betroffen wären, wenn Sie weiter rauchen würden. Das alleine genügt aber noch nicht, um über die Hürden der ersten Tage ohne Zigaretten hinwegzuhelfen. Dazu benötigen Sie auch noch eine klare Vorstellung, was Sie genau erwarten wird, wenn Sie es geschafft haben. Das ist die Nutzenerwartung. Und diese beiden Komponenten zusammen, also Schmerz und Nutzenerwartung, diese beiden Teile ergeben den konkreten Bedarf. Latenter Bedarf bedeutet, dass Sie etwas gebrauchen könnten. Erst wenn es konkreter Bedarf wird, wollen wir entscheiden. Professionelle Berater und Verkäufer haben es gelernt, dieses Handwerkszeug anzuwenden. Sie sind in der Lage, die Spreu vom Weizen zu trennen. Sie benutzen diese Art der Fragetechnik, um „die Guten ins Tröpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen“ zu sortieren. Profis wissen, dass selbst trotz bester Methoden zur Rauchentwöhnung noch immer genügend Raucher existieren. Und ebenso gibt es jede Menge potenzielle Kunden, die nie zu Ihren Kunden zählen werden, obwohl alle Voraussetzungen gegeben sind. Professionelle Verkäufer nutzen Fragen, um zügig diejenigen zu finden, die sich wahrscheinlich entscheiden werden, und um dort ihre Kraft investieren – und eben nicht auf jeden latenten Bedarf hereinzufallen, um dann hartnäckig ihre wertvolle Zeit zu verschwenden. Wenn Sie sich darauf konzentrieren, den konkreten Bedarf zu finden und andere Verkaufschancen ohne konkreten Bedarf aussortieren, dann werden Sie Ihre Vertriebsarbeit optimieren. Wenn es Ihnen gelingt, die Struktur des Motivs des Entscheiders durch die drei Fragenbereiche Problem, Schmerzen und Vision herauszuarbeiten, dann bekommen Verkaufsgespräche eine wiederholbare Qualität. Sie können für sich selbst und Ihre Mitarbeiter definieren, dass es ein gutes Verkaufsgespräch war, wenn diese drei Fragen danach klar beantwortet werden können: 1. Was ist das wichtigste Problem des Entscheiders, das er mit unserem Angebot abstellen will? 2. Welche negativen betriebswirtschaftlichen Auswirkungen verspürt oder befürchtet der Entscheider? 3. Wie stellt sich der Entscheider seine Zukunft vor, in der das Problem beseitigt sein wird?

8.1  Echtes Verständnis als Credo für moderne Verkaufsgespräche

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Abb. 8.1   Gesprächsführung (► https://doi.org/10.1007/000-9zj)

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen die Beantwortung dieser drei Fragen zum Standard machen, dann wird die Qualität der Vertriebsarbeit automatisch steigen. Die intensive Arbeit um die Entscheidungssituation des Kunden zu verstehen wird einerseits zu besseren Angeboten führen und andererseits vergebliche Bemühungen früh im Verkaufsprojekt erkennen lassen – nämlich dann, wenn offenbar weder Schmerzen noch eine klare Vision erkennbar sind (Abb. 8.1). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/akquiseatb2b.

8.1.4 Mit dem Visionsbrief die Entscheidung begünstigen Was soll nach einem Verkaufsgespräch passieren, um die Entscheidung zu begünstigen? Mit dem Verkaufsgespräch wollen wir die Perspektive des Entscheiders genau verstehen und seine Sichtweise auf das Problem, dessen Auswirkung und seine Idee von einer Lösung aufnehmen. Was soll nun nach einem Verkaufsgespräch passieren, um die Entscheidung zu begünstigen? Hierfür eignet sich ein ganz bestimmtes Werkzeug: den Visionsbrief. Setzen Sie den Visionsbrief als Fundament für eine zügige Entscheidung nach dem Verkaufsgespräch ein. Der Visionsbrief verhindert einen unerwünschten Nebeneffekt des professionellen Verkaufsgesprächs, den Beicht-Effekt. Bestimmt sind Sie mit den grundsätzlichen Abläufen in einem Beichtgespräch vertraut. Bei allem Respekt vor diesem religiösen Ritual verwende ich dessen Struktur, um eindringlich zu erklären, was wir im Verkaufsgespräch unbedingt im Auge behalten müssen, wenn wir die spätere Entscheidung begünstigen möchten.

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8  Skills, die heute im B2B-Verkaufsgespräch benötigt werden

Wenn sich die beiden Gesprächspartner bei einem Beichtgespräch gegenüber sitzen, dann berichtet einer von seiner Seelenpein und der andere verspricht ihm Erleichterung. Wenn Sie diese nüchterne Rollenverteilung als Symbol akzeptieren, dann erkennen Sie vielleicht die Ähnlichkeiten, die sich zwischen der Beichte und einem gut geführten Verkaufsgespräch abzeichnen. Die Analogie wirkt auf den ersten Blick vielleicht an den Haaren herbeigezogen. Dennoch ist klar, dass ein Verkaufsgespräch in der Regel damit endet, dass man eine Lösung für das Problem des Kunden darstellt. Die Botschaft „Alles wird gut“ steht im Raum. Davor hat der Kunde sich seine Probleme „vom Herzen und von der Seele“ geredet. Er hat sich dadurch Erleichterung verschafft, denn wir alle wissen, dass geteilte Probleme halbierte Probleme sind. Durch das Gespräch wird der „Schmerz“ gelindert, und eine gewisse Erleichterung macht sich breit. Das ist keine gute Grundlage für eine zügige Investitionsentscheidung. Stellen Sie sich vor, der Kunde sagt so etwas wie: „Ja, schon möglich, dass wir im Moment nicht optimal aufgestellt sind und sicherlich einige tausend Euro unnötige Kosten haben.“ Das ist leicht gesagt und schnell vergessen. Dadurch, dass man es sagt, ist man „es los“, es ist nicht mehr drückend und schnell vergessen. Aber wie wäre das, wenn Sie sozusagen als Quittung ein Dokument, ein Protokoll oder einen körperlichen Beweis des Problems präsentiert bekommen? Wie wäre es, wenn sich das Problem sozusagen materialisiert, wenn der Visionsbrief also das materialisierte Problem wäre? Der Visionsbrief greift die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Kundengespräch auf und bringt sie nochmals schriftlich auf den Punkt. Die fünf Elemente des Visionsbriefs und ihre Wirkung

1. Problem: Nach einer kurzen Einleitung formulieren Sie das Problem nochmals, wie im Gespräch bereits geschehen – und zwar möglichst mit den exakten Worten des Kunden. Wichtig ist, dass alle der wesentlichen vom Kunden genannten Probleme kurz aufgeführt und gemäß der Einschätzung des Kunden bewertet werden. Am besten nutzen Sie hier eine Formulierung wie „Sie nannten uns diese wesentlichen Schwierigkeiten und Probleme …“ 2. Auswirkungen: Sie geben hier die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen des Problems so wieder, wie es der Kunde im Gespräch formuliert hatte – wenn möglich, mit konkreten Geldbeträgen. Dieser Punkt soll nicht Ihre Meinung, sondern die Aussagen und Einschätzungen des Kunden wiedergeben. 3. Lösungsideen: In diesem Abschnitt des Briefes geben Sie die Lösungsmöglichkeiten aus Sicht des Kunden und die evtl. präferierte Variante nochmals wieder. Hier kann auch stehen, wie der Kunde sich den Zustand nach der Lösung des Problems vorstellt. 4. Voraussetzungen: Sie betonen, dass der Kunde die ernsthafte Prüfung der Zusammenarbeit bestätigt hat. Hier können Sie auch zusätzlich die vom Kunden genannten Voraussetzungen für eine Zusammenarbeit nennen, wie zum Bei-

8.1  Echtes Verständnis als Credo für moderne Verkaufsgespräche

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spiel bestimmte Referenzkunden, technische Dokumente oder andere Voraussetzungen. Vielleicht wollen Sie hier eine Formulierung wie diese wählen: „Sie hatten gesagt, dass Sie sich vorstellen können, mit uns zusammenzuarbeiten, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind …“ 5. Konkreter Verbleib: Zum Schluss werden ein oder mehrere konkrete nächste Schritte vereinbart. Wenn Aktivitäten vereinbart sind, dann achten Sie bitte darauf, dass beide Seiten Verpflichtungen eingehen! Es darf nicht sein, dass nur Sie selbst Aufgaben erfüllen. Wenigstens eine symbolische Aufgabe muss auch der Kunde verbindlich übernehmen.

So fixieren Sie die wichtigsten Beweggründe nochmals schriftlich. Und wenn Sie diesen Brief an den Kunden senden, werden dadurch seine Aussagen bestätigt, und Sie schaffen durch den Brief Fakten. Die zuvor nur ausgesprochenen Probleme, Schmerzen und Nutzen materialisieren sich. Das wiegt wesentlich schwerer. Hier ein Textbeispiel: Beispiel

Sehr geehrter Herr XYZ, wir hatten ein Gespräch in angenehmer Atmosphäre in Ihrem Haus. Vielen Dank für die offene und inspirierende Unterredung. Für Ihre 45 Außendienstmitarbeiter suchen Sie eine Möglichkeit, Aufträge direkt beim Kunden erfassen zu können und die Verkäufer mit aktuellen Lagerbeständen zu versorgen. Im Laufe unseres Gespräches entstand weiterhin die Idee, bei nicht verfügbaren Artikeln automatisch Ersatzartikel vorzuschlagen. Heute leben Sie mit der Situation, dass Ihre Verkäufer nur einmal pro Tag Ihre Aufträge einreichen. Sie sind nicht in der Lage, ausverkaufte Artikel zu erkennen oder Ersatzartikel anzubieten. Rund 20 % der täglich eintreffenden Auftragspositionen können nicht wunschgemäß sofort geliefert werden. Das verursacht erhebliche Auftragsrückstände und zum Teil Stornos sowie Unzufriedenheit bei Kunden und Verkäufern. Sie sagten, dass Auftragsrückstände und Stornos auch die Ziele Ihres Logistikleiters und des Finanzvorstandes betreffen. Sie sagten auch, dass die Geschäftsleitung mit der bestehenden Situation der Auftragsrückstände bei gleichzeitiger Verfügbarkeit von Ersatzartikeln unzufrieden ist, weil dadurch konkrete Chancen auf Ertrag nicht für Ihr Unternehmen genutzt werden. Wir haben verschiedene Lösungsansätze diskutiert und die Anschaffung von mobilen Geräten, die Ihre Prozesse vor Ort beim Kunden unterstützen, erscheint Ihnen am passendsten. So können alle Entscheidungen gemeinsam mit dem Kunden anhand solider Fakten getroffen werden und dadurch sowohl die Kundenzufriedenheit als auch der Ertrag gesteigert werden. Ihr Kollege Herr Huber sah darüber hinaus

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8  Skills, die heute im B2B-Verkaufsgespräch benötigt werden

die Möglichkeit, aktuelle Aktionen und Promotionspreise ohne Zeitverzögerung zum Außendienst zu bringen und so die Wirksamkeit Ihrer Kampagnen messbar zu steigern. In unserer Besprechung haben Sie eingewilligt, unsere Lösung ernsthaft in Betracht zu ziehen. Sobald wir die technischen Voraussetzungen für die Inbetriebnahme unserer Lösung für Ihr Unternehmen geklärt haben, sind Sie bereit, einen zweitägigen Workshop als ersten Schritt zur Umsetzung zu beauftragen. Ich freue mich auf unseren nächsten Termin bei Ihnen im Haus, am … um …, wenn wir mit Ihrem Geschäftsführer über die nächsten Schritte sprechen und die Erreichung Ihrer Ziele konkret planen können. Mit freundlichen Grüßen ◄ Im Verkaufsgespräch die Entscheidung begünstigen Wenn Sie künftig nach jedem relevanten Kundengespräch eine Rückmeldung nach diesem Bauplan an den Kunden senden, werden sich sein Handlungsdruck und seine Vorstellung vom Ergebnis erheblich steigern. Bestimmt ist Ihnen aufgefallen, dass die wesentlichen Punkte des Visionsbriefes durch die Gesprächslandkarte gesteuert werden, die wir bereits in Abschn. 6.2 besprochen haben. Wenn Sie eine passende Gesprächslandkarte für sich erstellen und im Gespräch einsetzen, werden Sie Notizen zu den wesentlichen Problemen, deren Auswirkungen und dem Nutzen-Wunsch aus Kundensicht sozusagen automatisch bekommen. Auf diese Weise entsteht dann ganz einfach die Grundlage für den Visionsbrief, den Sie spätestens 24 Stunden nach dem Kundengespräch per E-Mail oder Post abschicken sollten. Mir ist es selbst in meiner Tätigkeit im Vertrieb schon oft passiert, dass ein Kunde nach dem Empfang eines solchen Briefes selbst aktiv wurde, Kontakt aufnahm und die Dringlichkeit der Problemlösung betonte. „Stimmt. Das alles habe ich gesagt. Aber jetzt, wo ich es nochmals lese, wird mir klar: Wir müssen dringend etwas tun …“ Wichtig bei diesem sehr wirksamen Werkzeug ist, dass Sie die Sprache des Kunden genau aufnehmen und 1:1 wiedergeben. Der Kunde soll seine Worte förmlich nochmals hören. Wenn Sie das erreichen können, dann haben Sie den Beichteffekt besiegt. Dann haben Sie ein Verkaufsgespräch geführt, das Ihnen alle Informationen bietet, um später ein überzeugendes Angebot abzugeben.

Literatur Kahnemann D (2012) Schnelles Denken, langsames Denken. Siedler, München Rackham N (1988) SPIN-selling. McGraw Hill, New York

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Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling und Nicht-Präsentation

Zusammenfassung

Auch wenn die wichtigste Fähigkeit eines guten Verkäufers das Zuhören ist, will gutes Reden ebenfalls gelernt sein. Menschen erzählen sich schon seit Urzeiten Geschichten. Von Kindesbeinen an sind wir fasziniert von guten Erzählungen. Professioneller Vertrieb bedeutet auch, die wichtigsten Botschaften so zu vermitteln, dass sie dauerhaft beim Empfänger haften bleiben. Mit klassischen Methoden und faktenbasierten Aussagen, wie sie in den meisten Vertriebsorganisationen an der Tagesordnung sind, gelingt das nicht besonders gut. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie erfolgreiches Storytelling funktioniert und wie Sie in Präsentationen Fragen Ihres Publikums beantworten, statt in die Kino-Falle zu tappen.

9.1 Mit Geschichten fesseln statt erklären Die Digitalisierung hat auf jeden Fall eines bewirkt: Information ist keine Mangelware mehr. Kunden wissen oft mehr über die zu verkaufenden Produkte als der Verkäufer. Die Möglichkeiten der Informationen mithilfe digitaler Medien sind schier unerschöpflich. Für viele Verkäufer ist es ungewohnt, ohne diesen Informationsvorsprung zu verkaufen. Sie sind es aus alten Zeiten gewohnt, dass sie gegenüber dem potenziellen Kunden einen Informationsvorsprung haben und durch Aufklärung und Weitergabe dieser Information einen wesentlichen Teil des Verkaufsgesprächs gestalten. Elektronisches Zusatzmaterial Dieses Kapitel enthält Videos und Dateien, die mit der kostenfreien SN More Media App aus dem IOS- und Android-Store abspielbar oder downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen https:// doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_9. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_9

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9  Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling …

Vor allem wenn es um „erklärungsbedürftige Produkte“ geht, haben wir fast immer komplizierte Sachverhalte. Vielleicht liegt das an dem Wort „erklärungsbedürftig“. Der Begriff bewirkt, dass wir denken, wir müssten unser Produkt erst erklären, bevor wir es verkaufen können. Und das ist fast immer ein Irrtum. Dieser Drang, etwas zunächst erklären zu müssen, kommt meist daher, dass Verkäufer zu viel Zeit damit verbringen, das Was und das Wie zu erklären. Besser wäre es, zunächst das Wozu ausführlich zu verstehen. Der Unterschied zwischen kompliziert und komplex Aber was bedeuten denn überhaupt Kompliziertheit und Komplexität, ist das nicht dasselbe? Nein. Komplexität ist das Maß an Zuständen, das ein System einnehmen kann. Eine Glühbirne beispielsweise ist entweder an, aus oder kaputt. Das ist eine geringe Komplexität im Vergleich zum menschlichen Organismus, der eine Vielzahl von Zuständen annehmen kann. Niemand käme auf die Idee, diese Komplexität reduzieren zu wollen. Man kann jedoch versuchen, sie zu verstehen. Kompliziertheit bedeutet, eine an sich einfache Sache unnötig schwierig auszudrücken. Aus der Perspektive des Betrachters erscheint etwas als kompliziert, wenn dieser nicht genügend Wissen, Können, Intelligenz oder die Bereitschaft hat, etwas zu verstehen oder zu beherrschen. Man kann also sagen, dass Komplexität in der Sache an sich festgelegt ist und weder verringert noch vergrößert werden kann. Umgekehrt ist die Kompliziertheit immer zu verhindern oder zu vermeiden, indem man Worte findet, die so einfach wie möglich das Wesentliche kommunizieren und Unwesentliches auslassen. Oder anders ausgedrückt: u

Es gibt keine komplizierten Sachverhalte, sondern nur komplizierte Erklärungen. Damit wir eine scheinbar komplizierte Erklärung verständlicher machen können, sollten wir uns zunächst auf das „Wozu“ konzentrieren.

Auf das „Wozu“ konzentrieren, statt das „Was“ oder „Wie“ erklären Dehnungsschrauben sind ein scheinbar kompliziertes Produkt. Ich möchte das aufzeigen, indem ich Dehnungsschrauben und ihre Funktion auf zweierlei Weise erkläre. Beginnen wir mit der Erklärung, was es ist. Eine Dehnungsschraube ist eine Schraube, die sich mechanisch verhält, wie eine Feder. Jede Feder hat eine sogenannte Federkennlinie. Dadurch wird ausgedrückt, wie sich die Kräfte der Feder verändern, je weiter sie auseinander gezogen wird. Eine Dehnungsschraube sieht üblicherweise so aus, dass sie an den beiden Enden jeweils ein Gewinde hat. In der Mitte zwischen den beiden Gewinden wird der Schaft der Schraube ein wenig schmaler. Durch die Beschaffenheit und Form sowie die Dicke des Schafts in der Mitte und die Materialien, aus denen der Stahl für die Schraube gefertigt wurde, wird die Federkennlinie einer Dehnungsschraube festgelegt. Wenn eine Dehnungsschraube

9.1  Mit Geschichten fesseln statt …

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verwendet wird, sorgt sie dafür, dass bei einem definierten Drehmoment bei der Montage die Zugkräfte der Schraube über mehrere Jahre immer gleich bleiben. Versuchen wir jetzt eine Erklärung, die sich eher auf das „Wozu“ konzentriert. Man braucht Dehnungsschrauben, wenn man in Maschinen oder Anlagen sicherstellen will, dass Schraubverbindungen über einen längeren Zeitraum stabil bleiben, auch wenn starke Temperaturunterschiede oder Rüttelkräfte wirken. Typische Einsatzgebiete sind Flanschverbindungen, die Rohre miteinander verbinden, Zylinderkopfdichtungen an Motoren und Windkraftwerke. Bestimmt erkennen Sie den Unterschied. Bei der zweiten Version haben wir nicht versucht zu erklären, wie eine solche Schraube funktioniert oder was es genau ist. Wir haben uns darauf konzentriert, den Sinn in den Vordergrund zu stellen und die gewünschten Ergebnisse zu erklären. Erklärungen die unvergessen bleiben Wenn wir eher trockene und nüchterne Zusammenhänge darstellen wollen, lohnt es sich, möglichst viele Bilder zu verwenden. Um zu erklären, was ich meine, nutze ich ein Beispiel von Vera Birkenbihl das zu den häufig zitierten Worträtseln gehört (Birkenbihl 2001). Bitte lesen Sie sich die nachfolgende Beschreibung einer kurzen Episode einmal durch. Nachdem Sie die Passage gelesen haben, schließen Sie bitte die Augen und versuchen, die Geschichte einmal nachzuerzählen. Hier der Text: Beispiel

Zweibein saß auf einem Dreibein und knabberte an einem Einbein. Da kam Vierbein und nahm Zweibein das Einbein weg. Da nahm Zweibein das Dreibein und schlug damit nach Vierbein. Da ließ Vierbein das Einbein fallen. Zweibein nahm sich sein Einbein zurück und setzte sich wieder auf Dreibein. Achtung! Bevor Sie jetzt weiter lesen, sollten Sie sich einen kleinen Moment Zeit nehmen und versuchen, die soeben gelesene Geschichte kurz nachzuerzählen. Ist es gelungen? Vermutlich hatten Sie Schwierigkeiten, sich an den genauen Verlauf der Geschichte zu erinnern. Lesen Sie nun die gleiche Geschichte mit etwas anderen Worten: Ein Mensch saß auf einem Hocker und knabberte an einer Hähnchenkeule. Da kam ein Hund und nahm dem Menschen die Hühnerkeule weg. Da nahm der Mensch den Hocker und schlug damit nach dem Hund. Da ließ der Hund die Hühnerkeule fallen. Der Mensch nahm sich seine Hühnerkeule zurück und setzte sich wieder auf den Hocker. ◄ Wie ist es Ihnen jetzt ergangen? Denken Sie, dass Sie diese Geschichte fehlerfrei nacherzählen können? Vermutlich schon. Dieses Beispiel von der inzwischen verstorbenen

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9  Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling …

Vera Birkenbihl zeigt, wie wir unsere Erklärungen gehirngerecht gestalten können. Letztlich geht es darum, dass wir komplizierte Texte vermeiden und stattdessen einfachere Geschichten erzählen. Die Eigenschaften von guten Geschichten Storytelling ist in aller Munde. Dieses Schlagwort bezieht sich auf die Tatsache, dass wir Geschichten, die einen Handlungsablauf beschreiben, besser in Erinnerung behalten können als die nüchterne Aneinanderreihung von Tatsachen. Wenn wir also erreichen wollen, dass unsere Erklärungen besser verstanden werden, dann sollten wir Storytelling mit einbauen. Die Brüder Chip und Dan Heath beschäftigen sich in ihrem Buch „Made to Stick“ (2007) mit der Frage, wie man Ideen so „verkauft“, dass sie hängen bleiben. Sie haben festgestellt, dass man erfolgreiche Ideen an wenigen charakteristischen Merkmalen erkennt, nicht erfolgreiche jedoch nicht kategorisieren kann, weil jede für sich einzigartig schlecht ist. In ihrem Buch haben die Brüder sechs Kriterien herausgearbeitet: 1. Einfach: Was kann man noch weglassen, ohne den Sinn zu verfälschen? Was ist zu kompliziert? Wie kann man es ohne Fremdworte sagen? 2. Unerwartet: Wo ist die Überraschung? Welche unerwartete Wendung gibt es? 3. Konkret: Wie kann man es mit bildhaften klaren, statt abstrakten Worten sagen? Welchen Bezug hat es zu hier, heute und uns? 4. Glaubhaft: Welche Zeugen gibt es? Welche Beweise kann man anführen? Wo ist es selbsterklärend? 5. Emotional: Wie kann man es emotional aufladen? Was bedeutet es für das Leben der Beteiligten? 6. Erzählend: Wie wird eine gute Geschichte daraus? Was muss ich beachten, damit es weiter erzählbar ist? Machen Sie sich eine Checkliste mit diesen sechs Punkten und arbeiten Sie immer wieder an Ihren Präsentationen, Herleitungen, Beispielen und Anekdoten, die Sie erzählen, um diese Kriterien von Mal zu Mal besser zu erfüllen. Sicher wird es nicht möglich sein, immer und in jedem Fall sämtliche Punkte abzudecken, aber je mehr dieser Kriterien erfüllt sind, je eindrucksvoller werden Sie. Erklären oder verstehen? Auch wenn das auf den ersten Blick unsinnig klingt – vielleicht ist es grundsätzlich eine gute Idee, sich auf das Verstehen statt auf das Erklären zu konzentrieren. Das kann ganz gut gelingen, wenn Sie statt einer Präsentation eine Nicht-Präsentation durchführen wollen. Dafür bereiten Sie sich vor, als würden Sie eine Präsentation machen. Das heißt, Sie haben Folien, Diagramme, Darstellungen, Produktmuster und viele andere Dinge dabei, um etwas Bestimmtes zeigen oder vorführen zu können.

9.2  Präsentieren oder Nicht-Präsentation?

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Bevor Sie allerdings damit beginnen, Ihre Präsentation durchzuführen, konzentrieren Sie sich auf das Verstehen. Dazu haben Sie die Teilnehmer bereits in der Vorbereitung oder Einladung darauf eingestimmt und sie gebeten, sich Fragen zu überlegen, die bei dieser Präsentation beantwortet werden sollen. Ganz zu Beginn bitten Sie die Teilnehmer, ihre Fragen auf Karten zu notieren, die Sie dann sofort an eine Pinnwand heften. So entsteht eine Übersicht aller wichtigen offenen Fragen, die das Publikum sich im Moment selbst stellt. Erst jetzt, nachdem Sie verstanden haben, welche Fragen im Publikum existieren, beginnen Sie damit, die Fragen mit ihrer vorbereiteten Präsentation zu beantworten.

9.2 Präsentieren oder Nicht-Präsentation? Stellen Sie sich vor, Sie erwachen ausgeruht und voller Tatendrang. Ein schöner Tag liegt vor Ihnen. Langsam kommt Ihr Verstand auf Touren. Die ersten Gedanken formen sich langsam in Ihrem Kopf und Sie denken: „Heute, also heute hätte ich große Lust auf eine schöne, ausführliche Präsentation.“ Schwer vorstellbar? Richtig, denn das ist völliger Unsinn! Wer denkt schon so etwas? Wer wünscht sich schon eine Präsentation? Wer will schon „über-zeugt“ werden? Eher vorstellbar wäre, dass Ihr erster Gedanke des Tages ist: „Heute will ich dieses oder jenes erreichen/schaffen/voranbringen/lösen. Hoffentlich finde ich jemanden, der mich versteht und mir dabei hilft.“ Wir denken nicht, dass wir eine neue Meinung brauchen. Niemand will in seiner aktuellen Sichtweise erschüttert werden. Keiner will belehrt werden. Angesichts dieser Erkenntnis ist es schwer zu verstehen, warum Unternehmen mit ihren Aussagen, Produktvorteilen, Nutzenversprechen ihre Kunden überzeugen wollen, obwohl das doch keiner will.

9.2.1 Die klassische Präsentation – und warum sie ausgedient hat Präsentationen werden immer raffinierter. Endlose Stunden fließen in ihre Gestaltung – egal, ob per Folie oder Notebook. Ohne eine ausgefeilte Präsentation lassen Unternehmen ihre Verkäufer kaum noch auf die Straße. Und dann passiert das Unglück: Stolz auf die schönen Bilder und die gelungenen Produkte wird präsentiert, was das Zeug hält, und dabei leider vergessen, was die größte Tugend im Verkauf ist: Zuhören! Auch hartgesottene Profis tappen in die Kino-Falle. Der Kunde lehnt sich zurück und sagt: „Nun zeigen Sie mal was Sie für uns haben …“ Stolz macht sich breit, die Brust schwillt an und der Verkäufer schwallt. Schon flimmern die Bilder über die Leinwand. Im schlimmsten Fall bei leicht abgedunkeltem Umgebungslicht. Das Resultat ist eine prächtige Show ohne zählbares Ergebnis. Hoch motiviert und bis zur Halskrause angefüllt mit Argumenten, Analysen und Referenzen gehen bestens ausgebildete Verkäufer zu ihren Geschäftskunden und wollen

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9  Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling …

überzeugen. Dabei wird leider vergessen, dass auch an diesem Tag niemand morgens mit dem Wunsch aufwachte, überzeugt zu werden oder seine Meinung ausgetauscht zu bekommen. Vor allem Entscheider sind mit einem gut dimensionierten Selbstbewusstsein ausgestattet und tragen ein eher schlecht skalierbares Ego mit sich herum. Also müsste doch auf den ersten Blick klar sein, dass gerade hier das „Überzeugen-wollen“ keine gute Strategie ist. Anhand von drei tragischen Fehlern möchte ich erklären, was in der Praxis von Vertrieb und Marketing immer wieder schief läuft. Beispiel: Paul

Dienstag 9 Uhr 30 im Besprechungsraum des Vorstands bei der ABC AG. Paul ist bei aller Routine doch ein wenig aufgeregt, als der CFO mit seinem Tross den Raum betritt und freundlich, aber machtbewusst grüßt. Seit mehr als zehn Jahren ist Paul als Account Manager im Verkauf von Unternehmenssoftware aktiv. Auf diesen Termin hat er sich besonders gründlich vorbereitet. Schließlich bekommt man nicht oft die Gelegenheit, vor dem Finanzvorstand eines DAX 30 Unternehmens zu präsentieren. Die Folienpräsentation zur neuen Version seines Produkts ist zigmal korrekturgelesen worden, und das Design und die bewegten Grafiken genügen allen Regeln der Kunst. Es wurde sogar eine professionelle Agentur für Foliendesign engagiert, um wirklich alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Die fachlichen Aussagen sitzen, und für alle Fälle begleitet ihn Gregor, einer der erfahrensten Berater des Unternehmens, der sicher auch die verzwicktesten Fragen beantworten kann. 10 Uhr 30 und die Show ist gelaufen. Paul und Gregor packen ihre Notebooks und Unterlagen wieder ein. Ein wenig erschöpft, aber glücklich über den reibungslosen Verlauf der Präsentation lächeln Sie sich zu. „Hast Du gesehen, wie viel der CFO mitgeschrieben hat? Das ist gut!“ Alle Fragen des Vorstands und seiner Fachleute konnten ad hoc beantwortet werden. Paul setzt im Geiste schon seinen Forecast von 45 % auf 70 % Wahrscheinlichkeit nach oben und rechnet sich seine Provision aus. Zeitgleich findet im Büro des Vorstands eine Nachbesprechung statt. Die drei auffälligsten Widersprüche zwischen der Erwartungshaltung des CFO und der Präsentation werden diskutiert. Besonders der Begriff „automatische Währungskonsolidierung“ scheint ein Reizwort für den ehemaligen Wirtschaftsprüfer zu sein. Anhand der Notizen seiner Mitarbeiter wird diskutiert, welche der Wettbewerber von Paul nun als nächstes eingeladen werden sollen. Das ist besonders ärgerlich für Paul, weil sein Produkt ganz bestimmt zu den Besten der Branche gehört und der Stolperstein „Währungskonsolidierung“ zwar eine mit Stolz vorgetragene Neuigkeit, aber kein zentraler Bestandteil des Softwarepakets ist. Ganz sicher jedoch kein Grund, sich gegen Pauls Unternehmen entscheiden zu müssen. Paul ist so beschäftigt damit, „überzeugend“ zu sein, und merkt dabei nicht, dass der Kunde bestimmte Begriffe völlig anders interpretiert als er selbst. Er zerstört die Entscheidungsreife, weil er Begriffe verwendet, die negativ verstanden werden. ◄

9.2  Präsentieren oder Nicht-Präsentation?

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Beispiel: Hans

Hans ist einer der wenigen Experten in der relativ neuen Marketing-Disziplin „Social Media“. Seine Fachartikel sind viel beachtet und sein erstes Buch mit beachtlichem Erfolg am Markt. Hans würde gerne mehr Beratungsprojekte bei größeren Industrieunternehmen und Mittelständlern durchführen. Seine Honorarvorstellungen sind nicht zu hoch und nicht zu gering. Alle Zeichen stehen auf Erfolg. Und dennoch will es nicht gelingen, einen nennenswerten Auftrag zu holen. Die Gespräche sind tiefgehende Diskussionen über die heutige Vorgehensweise beim Kunden und die gewünschten Änderungen. Hans kann im Gespräch fundiert darlegen, welche Strategie für den jeweiligen Kunden die beste ist. Und wenn weniger gut informierte Gesprächsteilnehmer andere Vorstellungen haben, kann Hans immer überzeugende Argumente liefern, warum er Recht hat. Hans geht nie mit einem Auftrag nach Hause. Er bekommt höchstens Gelegenheit, mit einem (kostenlosen) Vor-Projekt seine Brillanz unter Beweis zu stellen. Hans liefert kostenlos große Teile seines Know-hows. Ohne dies zu wollen, befördert er dadurch den Kunden in eine Geisteshaltung „Ach – So einfach ist das? Dann können wir das auch alleine“. Er verhindert eine Entscheidung, weil er zu viel Wissen abgibt und dadurch den ursprünglichen Grund für die Zusammenarbeit beseitigt. ◄

Beispiel: Marta

Marta hat zwei Studiengänge mit Bravour abgeschlossen. Ihre Expertise als Pädagogin, promovierte Psychologin und ihre Erfahrung als zertifizierte Projektleiterin hat schließlich den Ausschlag für ihren letzten Karriereschritt gegeben: Als Geschäftsführerin eines Bildungsunternehmens, das sich auf die „gesamtheitliche Exzellenz von Produktions- und Auftragsfertigungsunternehmen“ konzentriert, kann sie ihre Kompetenz voll zur Geltung bringen. Wer Marta sehr gut kennt, der weiß, dass sie von Selbstzweifeln belastet ist. Sie denkt von sich, dass sie trotz aller Qualifikation noch immer massive Wissenslücken im Bereich Projektmanagement hat. Und sie weiß, dass die Forschung in der Psychologie in großen Schritten voranschreitet und sie selbst nur mit Mühe mithalten kann. Bei Gesprächen mit Kunden will Marta mit aller Kraft beweisen, dass sie zu Recht als Expertin angesehen wird. Jede Denkpause des Kunden interpretiert sie als Aufforderung, neue Argumente auszusprechen. Ohne es zu merken, walzt sie jeden Gedanken platt. Zurück bleibt oft nur massive Verunsicherung wegen der Komplexität des Themas. Keine Entscheidung in Sicht. Martha verhindert Entscheidungen, weil sie akademisch diskutiert. Danach sind alle „Für“ und „Wider“ besprochen worden. Allerdings sieht der Kunde nachher mehr Alternativen als vorher. Entscheidung unmöglich. ◄

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9  Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling …

Verstehen oder Präsentieren? Paul, Hans und Marta, die drei Protagonisten dieser Verkaufsgeschichten, dienen als Anschauungsexemplare missglückter Verkaufsbemühungen. Alle haben eines gemeinsam: Es gelingt ihnen nicht, sich auf die Sichtweise des Kunden einzulassen. Zu sehr sind sie gefangen in ihrer „frohen Botschaft“. Zu sehr gleichen sie Missionaren, die sicher sind, dass ihre Wahrheit die einzige Wahrheit ist, die nun den Unwissenden überbracht wird. Zu sehr denken Sie, dass nur der, der etwas zu sagen hat, auch als kompetenter Gesprächspartner wahrgenommen wird. Wohl einer der am häufigsten gebrauchten Begriffe im Verkauf ist „überzeugen“. Man will überzeugende Argumente finden, eine überzeugende Präsentation vorführen und letztlich den Kunden von der eigenen Leistungsfähigkeit überzeugen. Diese Haltung ist bei genauerer Betrachtung jedoch mehr als überheblich: Wer überzeugen will, geht davon aus, dass die eigene Meinung besser ist als die des Gegenübers und dass der Andere seine Sichtweise gefälligst aufgeben soll, um nun gnädigerweise mit der wahren Meinung bekehrt zu werden. Ohne böse Absicht werden Verkäufer bis zur Halskrause angefüllt mit Argumenten, Analysen und Referenzgeschichten, um auf breiter Front überzeugend zu wirken. Dabei wird leider vergessen, dass eben niemand morgens aufwacht und sich wünscht, bekehrt oder belehrt zu werden. Im Kern der Sache bedeutet überzeugen wollen: „Ich bin klug. Du (noch) nicht. Aber ich bringe Dir jetzt meine Meinung bei und dann bist Du auch klug.“ Das ist anmaßend. Das ist Meinungsaustausch in seiner schlimmsten Form: Ich nehme Dir Deine Meinung weg und gebe Dir dafür meine Meinung. Wer will das schon? Kein Wunder, dass wir dagegen schon in frühester Jugend Abwehrmechanismen entwickelt haben. Wir wehren uns unbewusst gegen jede Form von unerwünschter Überzeugungsarbeit. Wir wollen nicht belehrt werden. Unsere Nackenhaare stellen sich auf, wenn wir Vorschläge bekommen und wir rächen uns. Vorschläge sind Gewaltakte und werden mit Rückschlägen geahndet, auch wenn viele Kunden zunächst aus Höflichkeit nur sagen „Wir melden uns, wenn die Sache für uns interessant wird …“. u

Wenn wir präsentieren, dann wollen wir die Zuhörer bewegen. Zu einer Entscheidung, zu einer neuen Sichtweise, einer anderen Meinung – wie auch immer.

Achtung: Wenn Sie jetzt denken: Ich will nicht bewegen, ich will nur informieren, dann können Sie jetzt mit dem Lesen aufhören. Noch ein letzter Tipp: Schreiben Sie lieber eine E-Mail oder einen Bericht. Wenn Sie nur informieren wollen und von Beruf nicht Nachrichtensprecher sind, ist die Präsentation das falsche Mittel. Bitte hören Sie damit auf, andere Menschen zu langweilen, indem Sie ihnen Fakten vorlesen. Eine Bewegung in dem hier gemeinten Sinne findet immer von einem Ausgangspunkt zu einem anderen, neuen Ausgangspunkt statt. Start – Ziel. Abholen – Bewegen – Abliefern. Viele vergessen das Abholen. Viele vergessen den Ausgangspunkt, die aktuelle Position, Meinung, Perspektive oder Sichtweise zu berücksichtigen. Und das

9.2  Präsentieren oder Nicht-Präsentation?

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führt dazu, dass der Rest der Überzeugungsarbeit nicht funktioniert. Nur wer berücksichtigt, was der Kunde heute denkt, der wird eine Chance bekommen, diese Position zu verändern. Sicher kann nicht jeder von allem „überzeugt“ werden. Aber wenn es klappen soll, kann es nur dann gehen, wenn man den Ausgangspunkt bei seinem Transport berücksichtigt. Wer Menschen bewegen will, muss wissen, wo sie im Moment stehen.

9.2.2 Die Nicht-Präsentation Die Methode der „Nicht-Präsentation“ stellt die aktuelle Kundenhaltung ins Zentrum des Interesses. Zunächst werden die Teilnehmer mit einer schriftlichen Einladung schon einige Tage vorher eingestimmt. Dabei werden sie aufgefordert, sich zu überlegen, welche Fragen sie sich im Rahmen der Präsentation beantworten wollen. Die Einladung gibt eine Liste von Beispielfragen, die andere Teilnehmer an ähnlichen Präsentationen früher schon gestellt haben. So vorbereitet, werden zu Beginn der Nicht-Präsentation die Fragen der Teilnehmer festgehalten und für alle Beteiligten visualisiert. Eventuell werden nun zusätzlich auch noch die Ziele der Teilnehmer abgefragt. Alles, was ab jetzt gezeigt wird, dient ausschließlich dem Ziel, die Fragen der Teilnehmer zu beantworten. Wer nach dieser Methode „präsentiert“ wird mehrere Erfahrungen machen: 1. Verständnis: In zum Teil ungeahntem Maße werden Sie verstehen, worum es dem Kunden wirklich geht. 2. Differenzieren: Weil mehrere Zuhörer voneinander weitgehend unbeeinflusst ihre Fragen aufschreiben, bekommen Sie ein klares Bild der unterschiedlichen Auffassungen und Wissensstände. 3. Lernen: Weil Sie natürlich die Fragen der Teilnehmer mitnehmen, lernen Sie dazu und erweitern Ihr Bild, was potenzielle Kunden so alles fragen und denken können. Wollen Sie Ihre Zuhörer wirklich verstehen und dann bewegen? Dann lesen Sie weiter, wie Sie das methodisch umsetzen.

9.2.3 Elemente der Nicht-Präsentation und Tipps zur Umsetzung Vorbereitung und Einladung Bestimmt kennen Sie die Namen und die E-Mail Adressen der Teilnehmer an Ihrer Präsentation. Falls nicht, beschaffen Sie alle Namen, die Sie bekommen können. Es ist ohnehin nicht besonders sinnvoll, zu einer Präsentation zu gehen, ohne die Zielgruppe und wenigstens deren grobe Ausgangssituation zu kennen. Nutzen Sie die Liste, um alle Ihnen bekannten Teilnehmer zur Präsentation einzuladen. Hier ein Textvorschlag:

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9  Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling …

Beispiel

Sehr geehrter Teilnehmer, in Ihrem Kalender ist bestimmt am … von … bis… bereits ein Termin eingetragen. Zu diesem Termin wollen wir gemeinsam über >Thema< sprechen. Mein Ziel ist es, Ihre Fragen lückenlos zu beantworten und Sie solide zu informieren. An bisherigen Präsentationen zu diesem Thema haben die Teilnehmer diese Fragen gestellt: • (Liste der Beispielfragen – mindestens fünf, höchstens 25) Bitte bereiten Sie sich schriftlich vor. Wenn Sie wenige Minuten in Ihre Vorbereitung investieren, können Sie dadurch unseren Termin ungleich effektiver gestalten. Fünf Minuten Vorbereitung können sich sehr schnell für alle Beteiligen lohnen. Wichtig ist, dass alle Fragen echte Fragen und keine Stichworte sind. Das mag jetzt detailverliebt klingen, aber während der Präsentation werden Sie sehen, dass diese Art der Vorbereitung einen enormen Gewinn an Zeit und Präzision bringt. Bitte nehmen Sie Ihre Frageliste zur Präsentation mit. Ich freue mich auf unseren Termin und werde mein Bestes tun, um die Zeit für Sie wertvoll, informativ und vielleicht sogar humorvoll zu gestalten. Mit den Besten Grüßen aus >Ort< >Vorname Name< ◄ Bei der Liste der Beispielfragen nehmen Sie vorweg, was man zu Ihrem Thema fragen könnte. So regen Sie die Teilnehmer an, sich Gedanken über das Thema zu machen. Dadurch können Sie selbstverständlich ganz elegant Einfluss auf die später gestellten Fragen nehmen. Sie notieren einfach solche Fragen, die Sie gut beantworten können. Seien Sie dennoch darauf gefasst, dass völlig andere Fragen kommen können, als Sie erwartet haben. Das ist jedoch nicht schlimm, sondern sogar gewollt! u Tipp  Weil Sie für den konkreten Termin aus den Gesprächen im Vorfeld bereits klar

formulierte Fragen des Kunden kennen, setzen Sie diese Fragen nicht auf die Liste. Stattdessen schreiben Sie diese Fragen schon in der Vorbereitung auf Moderationskarten und bringen Sie diese zur Präsentation mit. Sozusagen als Dienstleistung für den Kunden. Material Pro Teilnehmer bringen Sie einen Block mit statisch haftenden Moderationskarten mit. Diese sind aus einem bestimmten Kunststoff und haften, ohne Rückstände zu hinterlassen, auf Wänden, Fenstern und Türen. Ich verwende am liebsten die „Estatics L“ von Neuland, weil sie nicht so dünn und sind wie andere Hersteller und sich besser nutzen lassen.

9.2  Präsentieren oder Nicht-Präsentation?

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Bringen Sie auch die dazu passenden Filzstifte mit. Ich nutze dafür die ebenfalls bei Neuland erhältlichen Neuland „No.One Estatics“ mit spezieller Tinte zum Beschriften der statischen Moderationskarten aus Kunststoff. Wenn Sie planen, auf ein Flipchart zu schreiben, nehmen Sie ebenfalls Ihre eigenen Stifte mit. Sie finden wieder bei Neuland eine sehr breite Auswahl an Farben für breitere Stifte, die sich für Flipcharts eignen. Ich persönlich bevorzuge die „BigOne“ in Farben, die nicht alltäglich sind. Vielleicht finden Sie sogar Ihre Unternehmensfarben in der breiten Auswahl wieder. Falls Sie befürchten, kein Flipchart vorzufinden, gibt es auch hierfür eine Lösung mit statisch haftender Folie, die auf jedem Untergrund haftet und wie ein Flipchart beschriftet werden kann. u Tipp Weil die Farben Rot/Grün/Blau/Schwarz immer benutzt werden, ist es ein

gelungener Anlass, dieses Muster zu durchbrechen. Warum nicht dunkelrot, hellgrau, oliv, sonnengelb oder sonst eine Farbe benutzen, mit der Sie einen Aha-Effekt erzielen können? Nutzen Sie Ihr Smartphone, um später ein Protokoll der Karten zu fotografieren. Denkfehler, die Sie vermeiden sollten

• „Filzstifte brauchen wir nicht. Die sind doch in jeden Raum vorhanden.“ – Im Prinzip ja, aber garantiert dann nicht, wenn sie gebraucht werden. Seien Sie Profi! Schalten Sie unnötige Risiken aus. • „Meine Teilnehmer will ich nicht darauf hinweisen, dass sie Fragen aufschreiben sollen. Stichworte reichen aus.“ – Nein. Stichworte kann man nicht beantworten. Es müssen Fragen sein. Wenn Sie Stichworte akzeptieren, werden Sie später scheitern. • „Kartentechnik für Fragen will ich nicht! Ich nehme die Fragen lieber am Flipchart auf.“ – Gut gemeint, aber schlecht gemacht. Bei mehr als drei Teilnehmern können Sie es kaum schaffen, schnell genug zu schreiben. Außerdem beeinflussen alle extravertierten Menschen die anderen, die eher zurückhaltend sind. Nur die Kartentechnik liefert ein gutes Bild der Geisteshaltung der Zuhörer.

Fragen abholen Zu Beginn legen Sie die statischen Moderationskarten samt Filzschreibern auf den Besprechungstisch. Sie erklären: „Wir möchten uns bei unserem Termin auf die für Sie wichtigen Punkte konzentrieren. Wir haben bereits Fragen formuliert, von denen wir denken, dass Sie die Antworten darauf von uns erwarten.“

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9  Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling …

Sie haben eine Folie vorbereitet, die genau die Beispielfragen erneut darstellt, und zeigen diese jetzt. Sie bitten die Teilnehmer, ihre zusätzlichen Fragen zu notieren: „Jetzt ist der richtige Moment, um Ihre umfangreiche Vorbereitung herauszuholen.“ Diese Formulierung ist wichtig! Dann sagen Sie: „Falls Sie noch keine Gelegenheit hatten, Fragen zu notieren, nutzen Sie bitte diese Beispielfragen als Inspiration.“ „Wir bitten Sie, Ihre konkreten Fragen zu ergänzen. Wir werden dann dafür sorgen, dass unsere Präsentation darauf konzentriert ist, genau Ihre Fragen gezielt zu klären.“ Zum Schluss die Frage: „Wie lange wird es dauern, Ihre Fragen auf Karten zu notieren?“ Erfahrungsgemäß kommt jetzt ein Vorschlag im Bereich von zehn Minuten und Sie nehmen den an. Erklären Sie, dass Sie die Fragen einsammeln und an das für alle sichtbare Flipchart oder die Pinnwand hängen werden. Fragen fangen (fast) immer mit einem „W“ an und enden immer mit „?“. Hängen Sie Karten, die nur Stichworte enthalten, nicht auf. Bitten Sie den Autor um eine konkrete Frage und helfen Sie notfalls bei der Formulierung. Später, während der Präsentation lassen Sie zu, dass neue Fragen die bestehenden ergänzen. Sie weisen sogar ausdrücklich auf diese Möglichkeit hin. Zwischenfragen lassen Sie auf Moderationskarten notieren, oder Sie helfen bei der Formulierung: „Habe ich richtig verstanden, die zusätzliche Frage lautet …?“ Achten Sie darauf, dass Sie nur Fragen annehmen, die auch zu beantworten sind. Wenn sehr allgemeine Fragen, wie zum Beispiel „Wie lösen wir unser Archivierungsproblem?“ gestellt werden, dann helfen Sie dem Fragesteller, diese zu präzisieren. Die Frage „Was müssen wir tun, um die durchschnittlich 400 pro Tag anfallenden Ausgangsrechnungen zu archivieren?“ ist besser geeignet, um sie in einer Präsentation zu beantworten. Fragen, die zwar präzise formuliert sind, aber wegen ihrer Komplexität nicht sofort beantwortet werden können, markieren Sie und erklären dem Kunden: „Diese Frage(n) können wir hier und heute nicht abschließend beantworten. Sind Sie damit einverstanden, wenn Sie bis nächste Woche eine schriftliche Antwort auf diese Frage(n) per E-Mail erhalten?“ Das dürfte bestimmt auf Verständnis treffen. Ziele vereinbaren Als nächstes nehmen Sie ein neues Flipchart-Blatt mit der Überschrift „Ziele“. Bitten Sie die Runde, Ziele für dieses Gespräch zu definieren. Ziele lassen sich immer so formulieren: „Am Ende der Präsentation soll erreicht sein, dass …“. Schreiben Sie diesen Halbsatz oben an das Flipchart. Lassen Sie sich die Ziele der Teilnehmer zurufen und notieren Sie die genannten Ziele. Dabei ist wichtig, dass Sie die Formulierung so umgestalten, dass auch eine Chance besteht, die Ziele tatsächlich zu erreichen. Häufig werden Ziele genannt, die sich nicht auf die Besprechung, sondern auf die gesuchte Lösung beziehen. Unterscheiden Sie auf Ihrem Blatt Ziele, die während der Besprechung erreicht sein sollen

9.2  Präsentieren oder Nicht-Präsentation?

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(Besprechungsziele), und Ziele, die Ihr Kunde zur Lösung seiner Probleme verfolgt (Projektziele). Achten Sie genau darauf, dass Sie die Ziele richtig einordnen! Es kann sehr negativ wirken, wenn Sie ein Besprechungsziel setzen, das am Ende der Besprechung nicht erreicht werden kann. Solche Ziele hängen Sie besser bei Projektzielen auf. Sie können die Menschen vor allem dann für sich gewinnen, wenn Sie sie nicht überzeugen wollen. Die Nicht-Präsentation ist darauf ausgelegt, erst zu verstehen und dann zu verstanden werden. Falls Sie Stephen Coveys „Die 7 Wege zur Effektivität“ (2007) gelesen haben, dürfte Ihnen das bekannt vorkommen. Das Abholen der Fragen und Ziele gibt Ihnen ein gutes Bild auf die Perspektive Ihrer Zuhörer. Jetzt müssen Sie nur noch darauf eingehen und konsequent beantworten. Bestimmt haben Sie einen Weg gefunden, die wichtigen Fragen (also die des Entscheiders) als erstes zu beantworten. Veteranen der Nicht-Präsentation werden vor allem dadurch glänzen, dass sie die Fragen sinnvoll sortieren und im Block beantworten. Tipps zur Gestaltung der Folien Sehr viele Bücher sind über das Präsentieren geschrieben worden. Manches davon würde ich bestätigen, einiges jedoch nicht. Vielleicht ist diese Liste für Sie hilfreich. • Bilder und Metaphern: Jedes Kind weiß, Bilder sagen mehr als tausend Worte. Wissen Sie es auch? Halten Sie sich daran? Großflächige Bilder auf Folien und gesprochene Bilder (Metaphern) eignen sich besser, um in Erinnerung zu bleiben. • Effekte und Gimmicks reduzieren: Beim zweiten Mal sind von rechts hereinfliegende Buchstaben langweilig. Seien Sie bitte nicht der dritte … • Kein Versteckspiel: Noch schlimmer als übertriebene Show-Effekte sind Präsentationen, bei denen die Texte nur nach und nach eingeblendet werden. Niemand hört mehr auf das gesprochene Wort. Jeder wartet nur noch darauf, dass die nächste Zeile eingeblendet wird. Wenn Sie wollen, dass man Ihnen zuhört, dann zeigen Sie die komplette Folie auf einmal. • Große Schrift und wenig Worte: Reduzieren Sie die Worte auf jeder Folie um 50 %. Wenn das geschafft ist, halbieren Sie die Worte nochmals. Dann ist es sicher besser als vorher. • Ad hoc-Vorführungen vermeiden: Sie wollen ein großes System verkaufen. Viele Euros? Und dann zeigen Sie es mal eben live auf einem lächerlichen Notebook? Bitte nicht. Wenn Sie schon etwas zeigen müssen, dann als Screenshots. Den Rest bitte erst später im Detail vorführen, sobald die Zusammenarbeit besiegelt ist. • Einfachheit siegt: Denken Sie daran, dass Ihr Publikum die Struktur und die Inhalte Ihrer Präsentation heute zum ersten Mal hören. Nehmen Sie darauf Rücksicht? Besteht für „Unbedarfte“ eine Chance, Ihren Ausführungen zu folgen?

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9  Rhetorik im Verkaufsgespräch: Storytelling …

• Orientierung geben: Schaffen Sie Orientierungspunkte neben dem Hauptinhalt Ihrer Präsentation. Nutzen Sie ein Flipchart oder eine fest stehende Pinnwand als Orientierungskarte. Bewegen Sie sich als Präsentator zwischen dem Hauptbildschirm und der Übersicht, um ganz akzentuiert aufzuzeigen, was Sie im Gesamtkontext im Moment zeigen wollen. • Einsatz von Symbolen: Nutzen Sie Symbole, die fest stehen und nicht dem Wechselspiel von Folien oder PowerPoint unterzogen sind, um neben dem „Screen“ eine fest stehende reale Orientierung zu bieten. Protokoll Dafür benötigen Sie Ihr Smartphone oder einen Fotoapparat. Machen Sie Fotos von der Fragewand und von den Zielen. Beides kommt als erstes in Protokoll. Sie kündigen die Erstellung des Protokolls schon an, wenn Sie mit der Präsentation beginnen. Sie sagen: „Sie bekommen am Ende der Präsentation noch eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse. Bitte notieren Sie nach Belieben, und wenn wir eine der gezeigten Folien oder Zeichnungen für Sie zusätzlich ins Protokoll setzen sollen, sagen Sie das bitte.“ Nach ca. 30 min der Präsentation sagen Sie: „Bitte rufen Sie mir zu, was Sie in den letzten 30 min als wichtig erachtet haben. Stichpunkte genügen, ich übertrage das dann gerne in unser Protokoll.“ Sie notieren dann die Stichpunkte und liefern den Teilnehmern später das Protokoll. Das wird alle 30 min und zum Schluss wiederholt. Auf diese Weise schaffen Sie zwei Effekte: 1. Sie bekommen einen Original-Ton aus Sicht des Kunden und erfahren seine Erkenntnisse. Genau diesen Wortlaut im Protokoll zu verwenden, steigert den Wiedererkennungswert und Ihre Verkaufschance. 2. Sie lernen, was als Ergebnis Ihrer Präsentation beim Kunden ankommt. Daraus können Sie wichtige Schlussfolgerungen auf die Art und den Inhalt Ihres Vortrags schließen. Das Protokoll versenden Sie am besten unmittelbar nach der Präsentation an alle Teilnehmer. Abschluss Was für ein Bild: Am Ende der Nicht-Präsentation sind alle Fragen Ihres Kunden offensichtlich beantwortet und alle Besprechungsziele erreicht. Wer wird da nicht zu einem besonderen Schlusswort verleitet: „Jetzt, wo wir zeigen konnten, dass wir mit unserem Lösungsangebot alle Ihre Fragen beantworten können …“. Der psychologische Effekt dieser Vorgehensweise ist enorm:

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Literatur

Abb. 9.1   Nicht-Präsentation (https://doi.org/10.1007/000-007)

• Sie holen die Gesprächsteilnehmer aus ihrer passiven Haltung und erfahren ihre Fragen und Ziele. Wer nicht fragt, kann nachher nicht sagen, dass „noch Fragen offen sind“. • Die Besprechung bleibt spannend! Wenn nur behandelt wird, was ausdrücklich gefragt wurde, halten Sie die Aufmerksamkeit Ihres Publikums hoch. • Sie bleiben in Erinnerung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat Ihr Kunde diese Art der kompetenten Gesprächsführung so noch nicht erlebt. Sie positionieren sich als kompetenter Anbieter. Wer soll jetzt noch neben Ihnen bestehen? (Abb. 9.1) Alle Zusatzinformationen akquiseatb2b

finden

Sie

auch

unter:

http://stephanheinrich.com/

Literatur Birkenbihl V (2001) Stroh im Kopf: Vom Gehirn-Besitzer zum Gehirn-Benutzer. Gabal, Offenbach Covey S (2007) Die 7 Wege zur Effektivität: Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg. Gabal, Offenbach Heath D, Heath C (2007) Made to stick: why some ideas survive and others die. Random House, New York

Soziale Netzwerke: XING und LinkedIn als Instrumente zur Neukundengewinnung

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Zusammenfassung

Mittlerweile sind professionelle soziale Netzwerke wie XING oder LinkedIn im B2B genauso wichtig wie das Telefon. Der Wert, den Verkäufer durch den richtigen Umgang mit den sozialen Medien erzeugen können, ist immens. Verglichen mit dem Jahr 2000 haben Verkäufer heute bei eher geringen Kosten unglaublich effektive Wege zu neuen Kontakten. Alle, die neue Kunden finden müssen, können das mithilfe von sozialen Netzwerken ungleich schneller, direkter und effektiver tun. Es ergeben sich Möglichkeiten, die ohne Netzwerke wie XING oder LinkedIn nicht ansatzweise denkbar wären. Wer in stetigem, sinnstiftendem Kontakt mit seinen bestehenden Kunden bleiben will, findet dort Möglichkeiten, die mit herkömmlichen Mitteln kaum so bequem für beide Seiten umsetzbar wären. Dies alles nicht zu nutzen, wäre töricht. Wer es jedoch versteht, die angebotenen Chancen zu nutzen, ohne dabei jeden Hype mitzumachen, der wird sich über enorme Wettbewerbsvorteile freuen können. Mehr dazu in diesem Kapitel.

10.1 Wie gelingt Verkaufen mit XING und LinkedIn? „Netzwerken“ war anfangs der Begriff für die Verbindung von Geschäftspartnern. Heute spricht man von Social Media Marketing. Seit der „zweiten Version“ des Internets ist es seit vielen Jahren möglich, auch als Individuum eigene Inhalte einzustellen, Kommentare abzugeben, Produkte zu bewerten, zu bloggen und sich mit anderen Individuen öffentlich zu vernetzen. Mittlerweile hat uns längst die dritte Version des Internets, „mobile and always on“, erreicht. Es gibt sehr viele Publikationen, die sich mit der Vermarktung von Produkten und Dienstleistungen über soziale Medien befassen. Hier konzentrieren wir uns vor allem © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_10

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10  Soziale Netzwerke: XING und LinkedIn …

auf XING und LinkedIn als Werkzeuge im B2B-Vertrieb. Im Fokus steht die Frage, wie Verkäufer mithilfe von XING oder LinkedIn Kontakte zu ihren bestehenden und potenziellen Kunden aufbauen und halten können. Außerdem geht es darum, wie Verkäufer diese sozialen Netzwerke nutzen können, um neue Kontakte mit interessanten Zielpersonen, Multiplikatoren oder Empfehlen zu knüpfen. Wenn Sie nur ungefähr 15 Jahre zurückdenken – können Sie sich vorstellen, wie fantastisch die Möglichkeiten der sozialen Medien wohl klangen? Zugriff auf Millionen Businesskontakte. Und dies nicht nur über reguläre Suchmaschinen. Sichtbar werden hier neben den geschäftlichen Daten auch die Verbindung zu anderen Kontakten, die Ausbildung und die berufliche Historie sowie die aktuelle Stellung. Und noch wichtiger: Ihre Beziehung zu einem beliebigen Kontakt in XING wird sichtbar. Haben Sie gemeinsame Bekannte? Über wie viele Zwischenschritte sind Sie bekannt? Welche Gemeinsamkeiten bestehen? Dabei wird schnell eine neue Dimension klar: Sie können sich nicht (mehr) auf einen Status als Beobachter zurückziehen. In XING und LinkedIn werden Ihre Aktivitäten dokumentiert. Sogar wenn Sie eine fremde Profilseite aufrufen, kann das für andere sichtbar sein. Also sorgen Sie dafür, dass Sie eine gute Figur abgeben. Als Person und als Unternehmen sind Sie sofort als Teil der Markenöffentlichkeit erkennbar. Selbst als ehemaliger Mitarbeiter werden Sie noch mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht. Wie stellen Sie sich als Unternehmer, Mitarbeiter oder Ex-Mitarbeiter einer breiten Öffentlichkeit dar? Passen die verwendeten Fotos zu Ihrem Qualitätsanspruch im Unternehmen? Ist Ihr erster Eindruck einladend oder anschreckend? XING und LinkedIn als Spiegel des Unternehmens Anno dazumal suchte man in speziellen Branchenbüchern nach einem Unternehmen, das die gewünschte Leistung anbietet, und hat dort nach einem Ansprechpartner gefragt. Heute sucht man in XING oder LinkedIn nach Branchen. Was dann erscheint, sind nicht nur Unternehmen, sondern auch Personen. Der Kunde sieht nicht nur Unternehmensdaten und Logos, sondern Profilfotos und Lebensläufe. Ihr Unternehmen stellt sich als Summe der dort arbeitenden Personen dar. Was passiert, wenn man Sie auf XING oder LinkedIn sucht? Was passiert, wenn man die wichtigsten Schlagworte zu Ihrem Geschäftsangebot googelt? Tauchen Sie auf? Welche öffentliche Präsenz haben Sie im Zusammenhang mit Ihrem Thema? Vieles ist in Bewegung. Aber eines bleibt, und das wissen wir alle zur Genüge: Geschäfte werden letztlich zwischen Menschen gemacht. Es geht vor allem darum, wie sich Geschäftspartner im B2B durch soziale Netzwerke effektiver finden können. Ein Netzwerk lebt von Verbindungen. Das ist jedem klar. Um Ihre bestehenden Kontakte sinnvoll zu nutzen, sollten Sie stets darauf achten, Ihre bestehenden Verbindungen in XING praxisgerecht zu verwalten.

10.1  Wie gelingt Verkaufen mit XING …

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Kontakte sinnvoll verwalten Mit der Zeit nimmt die Zahl Ihrer Kontakte zu. Um den Überblick nicht zu verlieren, hat sich diese Idee bewährt: Als Profi im Verkauf arbeiten Sie mit einer Kontaktverwaltung oder einem CRM-System. Im Unternehmen haben Sie als Angestellter ein solches System vielleicht vorgegeben, als Selbstständiger suchen Sie es sich selbst aus. Eventuell auch nur mit einem simplen elektronischen Adressbuch wie Outlook. Wenn Sie nicht ohnehin in jedem Kontaktdatensatz ein eigenes Feld haben, in das Sie den Link zu Ihren XING-Kontakten speichern, dann sollten Sie wenigstens eine Notiz oder Ähnliches anlegen und dort den kompletten Link zu Ihrem Vertriebskontakt speichern. Das hat den großen Vorteil, dass Sie nie wieder den Kontakt verlieren können, auch wenn die betreffende Person die Firma wechselt, ohne dass Sie das merken. Denn wenn der Kontakt zu einem Menschen verloren geht, weil er oder sie den Arbeitgeber wechselte, können Sie den Kontakt wieder aufleben lassen, weil Sie das Profil der Person jederzeit auf XING oder LinkedIn wiederfinden und so den neuen Arbeitgeber und die dort eingenommene Position erfahren. Akquise via XING und LinkedIN Über die Akquise sind viele Bücher geschrieben worden. Gleichzeitig gehört diese Disziplin zu denjenigen, die oft ungeliebt sind, und jeder kann darüber mitreden, wie es nicht geht. Sicher ist, dass beileibe nicht alle Versuche zur Anbahnung von Neugeschäft erfolgreich verlaufen. Und gerade diese hohe Quote von Misserfolgen scheint die innere Ablehnung gegenüber der Akquise zu schüren. Dennoch sind sich die Experten darin einig, dass Akquisition vor allem im Umfeld der Geschäftskunden nach wie vor eine der wichtigsten Quellen für Neugeschäft ist. Wie kann man XING und LinkedIn am besten zur Ansprache von potenziellen Neukunden nutzen? Wenn Sie bereits mit dem Kontakt verbunden sind, genügt vielleicht eine kurze persönliche Nachricht nach diesem Muster: „Guten Tag XYZ, bitte lassen Sie mich gleich zur Sache kommen: Was könnten wir auf dem Gebiet von gemeinsam auf die Beine stellen, um zu erreichen? Was wäre ein erster sinnvoller Schritt dorthin? Sie sind eingeladen zu einem zehnminütigen Telefonat, um die nächsten sinnvollen Schritte zu besprechen. Wann passt das in Ihren Kalender?“ Falls Sie noch keinen direkten Kontakt haben, fragen Sie die Person, die Sie beide verbindet, ob sie Sie gegenseitig vorstellen kann. Falls Sie das nicht wollen, können Sie den potenziellen Neukunden auch direkt anschreiben und – wenn Sie das für sinnvoll halten – Ihren gemeinsamen Kontakt erwähnen: „Guten Tag XYZ, unser gemeinsamer Kontakt ABC brachte mich auf eine Idee: Was könnten wir auf dem Gebiet …“ Der Rest des Textes ist dann wie bei dem Kontakt, den Sie bereits kennen. Ansprache per Nachricht in XING und LinkedIn, E-Mail oder Brief? In Abschn. 7.1 hatten wir bereits die schriftliche Kontaktaufnahme besprochen. Die Kontaktaufnahme per XING oder LinkedIn hat den großen Vorteil, dass der Empfänger sich mit einem einzigen Klick ein Bild vom Absender machen kann. Das kann hilfreich

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10  Soziale Netzwerke: XING und LinkedIn …

sein, wenn Ihr Angebotsportfolio sofort klar ist und die angesprochene Person das auch sofort verstehen und einordnen kann. Wenn Sie denken, dass es sinnvoll ist, zunächst im Gespräch zu klären, was genau das Leistungsangebot für einen bestimmten Kunden sein kann, dann ist es evtl. besser, die Vorbereitung des Kontakts per Brief zu starten oder gleich anzurufen. In beiden Fällen können XING und LinkedIn hilfreich sein, um die passenden Personen in größeren Organisationen zu ermitteln und deren Kontaktdaten herauszufinden.

10.2 Verkaufen per Video statt Prospekt Video ist die beherrschende Kommunikationsform unserer Zeit. Gilt das auch für den Vertrieb? Wird die Kommunikation per Video das Telefon ablösen? Das Thema Video ist nicht neu. Bereits in den frühen 1960er-Jahren gab es seitens der Telefonhersteller Vorzeigeprojekte mit Bildübertragung. Ich selbst habe damals noch keine Erfahrungen mit Bildtelefonie machen können. Es hatte sich aber offenbar nicht durchgesetzt. Vielleicht liegt es an dem Effekt, den man auch den Telefax-Effekt nennen könnte: Obwohl das Telefax bereits 1843 erfunden wurde, konnte es sich erst 130 Jahre später wirklich nennenswert verbreiten. Woran lag das? Nun, es gibt keinen Grund, ein Faxgerät zu kaufen, wenn man einer der ersten Teilnehmer an diesem Kommunikationsdienst ist. Schließlich müsste man viel investieren und könnte das Gerät kaum zum Einsatz bringen. Die Kosten für ein Gerät waren hoch und die Chancen, einen Kommunikationspartner zu finden, waren gering. Erst in den 1970er-Jahren gelang der Durchbruch, weil vor allem japanische Unternehmen den Siegeszug des Faxgerätes vorantrieben. Endlich gab es ein Medium, mit dem die komplexen japanischen Schriftzeichen sicher übertragen werden konnten. Der massenhafte Erfolg des Faxgerätes in Japan brachte erschwingliche Preise und schließlich eine weltweite Verbreitung.

10.2.1 Video im Vertrieb – Welche Technik eignet sich? In unserer Zeit haben alle Menschen einen Computer im beruflichen Einsatz. Und ebenso verbreitet sind Smartphones, die ebenfalls hervorragend als Endgeräte für VideoKommunikation geeignet sind. Die Endgeräte sind also schon vorhanden, und deshalb steht jetzt der Verbreitung der Video-Kommunikation nichts mehr im Wege – wenn man weiß, wie die Technik funktioniert. Es gibt eine große Anzahl von Systemen, mit denen man eine geeignete Verbindung per Video aufbauen kann. Hier möchte ich mich auf einige wenige beschränken, die aufgrund ihrer Verbreitung erwähnenswert sind.

10.2  Verkaufen per Video statt Prospekt

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Skype: Vertrieb per Video-Kommunikation Das Unternehmen Skype (www.skype.de) ist inzwischen im Microsoft-Konzern aufgegangen. Der Name hat sich vielerorts als Kategorie-Begriff durchgesetzt. „Lass uns skypen“ versteht man als Aufforderung, statt dem Telefon die kostenlose Kommunikation per Internet zu wählen. Um teilnehmen zu können, benötigt man ein Konto bei Skype und bekommt dann ein „Skype Handle“. Das ist ein eindeutiger Name, der aus zusammenhängenden Buchstaben und Ziffern besteht. Bevor man sich kontaktieren kann, muss man sich gegenseitig autorisieren. Das verhindert SPAM und Missbrauch, ist jedoch für Neulinge mühsam zu verstehen. Vielleicht ein Grund, dass sich Skype nur relativ langsam verbreitet. Inzwischen geht man von etwa 1,3 Mio. Nutzern weltweit aus. Kürzlich wurde auch die Gruppenkommunikation mit mehr als zwei Teilnehmern möglich, sodass jetzt ein wesentlicher Nachteil gegenüber Wettbewerbern ausgeglichen wird. Google Hangout: Video-Kommunikation in Gruppen Zehn Jahre nach Skype kommt Google mit seinem Video-Kommunikationsdienst Hangout (hangouts.google.com) auf den Markt. Um ihn zu benutzen, benötigt man ebenso ein Google-Konto. Darüber hinaus ist der Dienst von Google mit Skype vergleichbar, auch wenn er zusätzliche Funktionen bietet, die wir später noch behandeln werden. Zoom: Meetingraum für den Vertrieb Meine bevorzugte Lösung für Video-Kommunikation im Vertrieb ist derzeit zoom.us. Zoom ist kostenlos, wenn man nur mit einem Gesprächspartner kommunizieren will. Bei mehr als zwei Teilnehmern ist die Gesprächsdauer auf 40 Minuten beschränkt. Die einfachste kostenpflichtige Variante bekommen Sie ab 15 EUR. Dann sind bis zu 100 Teilnehmer möglich. Der besondere Vorteil: Nur einer der Teilnehmer benötigt ein Konto beim Anbieter. Also können sich Verkäufer ein Konto anlegen, die anderen Gesprächspartner benötigen nur einen einfachen Link. Wenn man darauf zum ersten Mal klickt, wird automatisch eine Software installiert. Das gilt auch für Smartphones. Anschließend kann man einfach teilnehmen. Alle Beteiligten können eigenständig ihre Kameras und Mikrophone einund ausschalten. Ebenso können alle Teilnehmer ihren Bildschirminhalt übertragenen und so beispielsweise allen andern Teilnehmern Präsentationen zeigen. Die Video-Meetings können automatisch aufgezeichnet werden. Nach Beendigung der Video-Konferenz dauert es ein kurze Weile, dann ist eine Video-Datei verfügbar, die das Gespräch und alle Video-Inhalte enthält. Eine solche Aufzeichnung kann sehr hilfreich sein, wenn man dem Kunden das Gespräch im Nachgang zur Verfügung stellen möchte.

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10  Soziale Netzwerke: XING und LinkedIn …

10.2.2 Sales on Camera – So gelingt Vertrieb per Video Jeder weiß, was zu tun ist, um zu telefonieren. Bei der Kommunikation per Video sind die meisten Menschen allerdings ungeübt. Privat ist die Kommunikation per Video mehr oder weniger schon an der Tagesordnung. Jeder kann irgendwie damit umgehen – denken wir. Ausgebildete Kameraleute schlagen jedoch verzweifelt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn sie so manche Videonachricht sehen. Deshalb hier einige einfache, aber wichtige Informationen und Ideen, um per Video besser zu verkaufen. Perspektive erzeugt Emotionen Die Kamera entspricht dem Auge des Betrachters. Wenn Sie über WebCam kommunizieren, ist die WebCam das Auge des Kunden. Achten Sie darauf, dass die Kamera auf gleicher Höhe zu Ihren Augen ist. Wenn Sie eine normale Haltung einnehmen und ein Notebook verwenden, ist das Bild Ihrer Bildschirm-Kamera nicht optimal, weil es von unten kommt und Ihr Gesicht verzerrt. Deshalb ist es in diesem Fall vorteilhaft, wenn Sie Ihr Notebook auf einen Stapel Bücher stellen. Besser ist jedoch eine USB-Kamera, die man auf ein Stativ montieren kann. Dann ist die Höhe sehr gut einstellbar. Augenhöhe ist auch aus psychologischer Sicht wichtig. Wenn die Kamera zu nah ist, kann ihr Gesicht verzerrt wirken. Stellen Sie die Kamera lieber etwas weiter weg. Wenn Sie die Variante mit dem Notebook auf dem Bücherstapel wählen, planen Sie am besten eine zweite Tastatur und eine Maus ein. Hintergrund für Video-Kommunikation Ein neutraler, weißer Hintergrund ist optimal. Bitte achten Sie darauf, dass sich keine auffälligen Bilder im Hintergrund befinden, denn das würde Ihre Gesprächspartner ablenken. Für die Beleuchtung ist es wichtig, dass der Hintergrund ähnlich hell ist wie Ihr Gesicht im Vordergrund. Ein helles Fenster hinter Ihnen ist ebenso schlecht wie ein dunkler Raum. Für eine gute Video-Kommunikation sollten Sie gut erkennbar sein, und es ist vorteilhaft, wenn kein besonderer Helligkeitskontrast zum Hintergrund besteht. Licht für das Verkaufen per Video Wenn Sie eine weiche, gleichmäßige Ausleuchtung suchen, ist eine großflächige Beleuchtung mit wenig Abstand ideal. Direkt vor einem Fenster sitzend – mit dem Blick dorthin – haben Sie eine gute Ausleuchtung, wenn das Fenster keine direkte Sonneneinstrahlung hat. Abends sollten Sie eine Lampe haben, die Sie anstrahlt. Je größer die Fläche des Leuchtkörpers ist und je näher am Gesicht, je weicher wird das Licht. Umgekehrt erzeugt weit entferntes Licht mit kleiner Fläche ein hartes Licht, das sehr harte Schatten wirft (beispielsweise ein Halogenstrahler an der Decke).

10.2  Verkaufen per Video statt Prospekt

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Inzwischen gibt es günstige LED-Video-Leuchten, die auf Stative montiert werden können. Manche sogar mit Akku-Betrieb, sodass Sie unabhängig vom Stromnetz gute Aufnahmen machen können. Ton ist entscheidend, wenn Sie per Video verkaufen Machen Sie beim Ton keine Kompromisse. Ideal ist eine Kombination aus Kopfhörern und einem Großmembran-Mikrofon. So können Sie mit geringem Abstand zum Mikrophon viele Umgebungsgeräusche ausblenden und Ihre Sprache klingt deutlich ohne Hall und Rückkoppelung. Ich selbst nutze das Rode Podcaster, das man einfach an einem USB-Anschluss nutzen kann. Die nächstbeste Variante ist ein Headset mit Mikrophon, das über USB oder den Kopfhöreranschluss angesteckt wird. Eine Variante über BlueTooth ist nicht optimal, weil es bei Funkübertragung immer kleine Übertragungsverzögerungen gibt (Fachchinesisch: Latenzen), die dann zu Hall und anderen akustischen Störungen führen können. Bei wichtigen Verkaufsgesprächen per Video würde ich nach heutigem Stand der Technik noch immer ein Mikrofon und Headset mit Kabel nutzen. Verhaltensregeln für das Verkaufen per Video

• Verändern Sie Ihre Sprechweise nicht künstlich und verhalten Sie sich wie am Telefon. • Denken Sie daran, dass Sie möglichst immer in die Kamera blickten und nur noch peripher den Rest Ihres Bildschirms sehen. Das gilt zumindest so lange, wie Sie selbst sprechen oder Ihr Kunde spricht. Kurze Unterbrechungen des Augenkontakts sind ok, aber ohne diesen – wenn auch virtuellen – Augenkontakt ist es kaum möglich, eine Bindung zu erzeugen. • Wenn Sie Husten müssen oder es kurz laut in Ihrem Umfeld wird, können Sie temporär mit einem Klick Ihr Mikrophon stumm schalten und später wieder aktivieren. • Sorgen Sie dafür, dass die Internetverbindung während der VideoKommunikation nicht unnötig belastet wird. Dazu können Sie alle Programme beenden, die im Hintergrund das Internet nutzen. Typische Bandbreitenfresser sind: Dropbox, E-Mail und andere Programme, die ohne Ihr eingreifen Dateien synchronisieren.

10.2.3 Scheitern an der Technik – Wie einfach ist es für den Kunden? Egal, mit welchem System Sie arbeiten wollen, wichtig ist, dass Sie dem unerfahrenen Kunden eine Anleitung zukommen lassen, damit er ohne sich zu blamieren an der Video-Konferenz teilnehmen kann. Am besten Sie finden online eine Anleitung in der passenden Sprache oder Sie schreiben selbst eine.

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Wie bereits erwähnt, ist zoom.us meine aktuelle Wahl, weil man als Gesprächspartner einfach mit einem Klick auf einen Link teilnehmen kann. Aber auch hier gibt es Hürden: Manche Unternehmen blockieren aus Sicherheitsgründen das Installieren von zusätzlicher Software auf den firmeneigenen Notebooks. Daran kann auch eine VideoKommunikation mit Zoom scheitern. Am besten Sie geben dem Kunden die Gelegenheit, es vorher zu testen. Auch für Skype und Hangout kann es Blockaden geben, weil manche Unternehmen Streaming generell aus dem Unternehmensnetz verbannt haben. Eine Alternative wäre die Nutzung eines Smartphones. Alle genannten Dienste bieten jeweils eine App für iOS und Android an, mit der man einfach teilnehmen kann. Allerdings muss auch diese einmal geladen werden. Wenn alle Stricke reißen, wäre auch eine Einwahl per klassischem Telefon möglich. Wegen des dann fehlenden Bildkanals wäre das jedoch ein Rückschritt. Aber wenn ein einzelner Teilnehmer dabei sein möchte, im Moment jedoch auf Reisen ist und keine andere Möglichkeit hat, ist das ein akzeptabler Kompromiss. Alle hier genannten Dienste bieten die Möglichkeit, Bildschirm-Inhalte zu übertragen. Auf diese Weise können Sie Präsentationen mit PowerPoint & Co. leicht vorbereiten und Ihren Teilnehmern zeigen. Auch andere Inhalte Ihres Bildschirms können auf diese Weise mit einer Gruppe besprochen werden. Weil beispielsweise bei Zoom daraus automatisch eine Aufzeichnung entsteht, die man herunterladen und ggf. weiter bearbeiten kann, ist es auf diesen Weise sehr einfach, einmal durchgeführte Präsentationen ganz oder teilweise Dritten zur Verfügung zu stellen. Google Hangout bietet mit der Option „on Air“ eine Möglichkeit an, die Inhalte der Video-Botschaft sofort an eine breite Öffentlichkeit auszustrahlen. Gleiches bietet auch Facebook Live. Beide Varianten lassen es auch zu, dass der Teilnehmerkreis beschränkt wird, beispielsweise so, dass nur die Mitglieder einer bestimmten Facebook-Gruppe die Inhalte sehen können. Wenn Sie Erfahrung mit Messen, Roadshows und Konferenzen als Werkzeug für Vertrieb und Marketing gemacht haben, können Sie diese Technik im Vertrieb nutzen, um zusätzliche Teilnehmer hinzuzufügen, die live nicht teilnehmen können. Sie müssten lediglich diese Möglichkeit zur Teilnahme ankündigen und vor Ort die Technik dafür schaffen. Für geringe Zusatzkosten können Sie so eine ganze Menge mehr Teilnehmer einbinden.

10.2.4 Zeit- und Kostenersparnis durch Video im Vertrieb Wir können die neuen Möglichkeiten im Vertrieb nutzen, um dort, wo es sinnvoll ist, das Telefon abzulösen und vielleicht sogar Geschäftsreisen zu ersetzen. Gegenüber dem Telefon können wir die Wirkung der Kommunikation dadurch definitiv verbessern. Und dort, wo man Geschäftsreisen vermeiden kann, werden nicht nur Kosten gespart, sondern vor allem die unproduktiven Reisezeiten verringert. Auch wenn der direkte persönliche Kontakt die beste Variante ist, kann man so manche Reise durch eine professionell gemachte Video-Konferenz ersetzen.

10.2  Verkaufen per Video statt Prospekt

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Übung ist die einzig sinnvolle Methode, um das Medium nach und nach zu verstehen und sicher zu nutzen. Fangen Sie einfach an. Übern Sie mit Kollegen oder Freunden, bevor Sie den ersten Kunden in eine Video-Konferenz holen. Evtl. bitten Sie bei wichtigen Video-Konferenzen einen Kollegen, die Moderation zu übernehmen und auf die Technik zu achten, damit Sie sich ganz auf den Kunden konzentrieren können. Sobald Sie sich sicher und routiniert mit dem Werkzeug fühlen, schaffen Sie das auch alleine. Checkliste Video-Konferenz

1. Bandbreite – Sind alle Programme beendet, die im Hintergrund das Internet nutzen? – Wenn Sie in einem kleinen Büro mit mehreren Personen arbeiten: Lädt jemand anderes im gleichen Netzwerk gerade größere Datenmengen und reduziert ihre Bandbreite? 2. Perspektive – Kamera auf gleicher Höhe zu Ihren Augen. – Wenn Sie ein Notebook verwenden, sollten Sie es auf einen Stapel Bücher stellen. – Besser ist eine USB-Kamera, die man auf ein Stativ montieren kann. Dann ist die Höhe sehr gut einstellbar. – Je nach Entfernung von der Kamera kann ihr Gesicht verzerrt wirken. Im Zweifel etwas weiter weg stellen. 3. Hintergrund – Nutzen Sie einen unauffälligen Hintergrund, ggf. eine weiße Wand. – Der Hintergrund sollte ähnlich hell sein wie Ihr Gesicht im Vordergrund. 4. Licht – Ideal ist eine großflächige Beleuchtung mit wenig Abstand. – Wenn Sie direkt vor einem Fenster sitzen, das keine direkte Sonneneinstrahlung hat, ist das ideal. – Abends sollten Sie eine Lampe haben, die Sie anstrahlt. – Je größer die Fläche des Leuchtkörpers ist und je näher am Gesicht, desto weicher wird das Licht. Umgekehrt erzeugt weit entferntes Licht mit kleiner Fläche ein hartes Licht, das sehr harte Schatten wirft (beispielsweise ein Halogenstrahler an der Decke). 5. Ton – Ton ist vielleicht das Wichtigste. Machen Sie hier keine Kompromisse. – Ideal ist eine Kombination aus Kopfhörer und einem GroßmembranMikrofon. – So können Sie Umgebungsgeräusche ausblenden und Ihre Sprache ohne Hall und Rückkoppelung übermitteln. Mindestanforderung ist ein kabelgebundenes Headset mit Mikrophon.

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10  Soziale Netzwerke: XING und LinkedIn …

10.3 Verkaufen als „Superstar“? Die Digitalisierung hat eine neue Form von Öffentlichkeitsverständnis für Personen mitgebracht. Selbst Jugendliche und Teenager können heute eine Karriere als YouTube Star oder Instagram-Berühmtheit starten. Folglich erwarten wir, dass hochrangige Manager und Führungskräfte eines Unternehmens ebenso präsent in den digitalen Medien sind. Auch wenn nicht jeder das Talent dazu hat, sich als Star zu präsentieren, ist es notwendig, sich selbst und seine Auffassung zum Unternehmen und zum Produkt zu veröffentlichen. Steve Jobs hat sich wie kein anderer als Vordenker des gesamten Unternehmens positioniert. Im Laufe der Jahre erschienen auch weitere Führungskräfte von Apple bei den wesentlichen Präsentationen. Weil ich Steve Jobs persönlich als Chef kannte, als ich Mitte der 1980er-Jahre Marketingchef für NeXT Computer in Deutschland war, kann ich aus erster Hand sagen, dass er mit Sicherheit nicht von Natur aus ein bühnentauglicher Präsentator war. Er hat das jedoch erlernt. Ich denke, das können wir von uns und unseren Führungskräften ebenfalls erwarten. Am besten beginnen Sie so: In fünf Schritten zur professionellen Video-Präsentation

1. Suchen Sie sich eine erfahrene Video-Agentur und zeichnen Sie Ihre ersten Videos im Interviewstil auf. Das wirkt vertraut, weil wir diese Kameraeinstellung aus vielen Fernsehsendungen kennen. 2. Dabei steht die Kamera Ihnen gegenüber und filmt Sie, wobei Sie knapp neben die Kamera sehen, wo ein Interviewleiter sitzt, den Sie ansehen. Sie blicken also nicht direkt in die Kamera. Für viele weniger medienerfahrene Menschen ist es angenehmer, wenn man in ein reales paar Augen sieht, während man spricht. Dann ist es einfacher, nicht verklemmt oder irgendwie seltsam zu klingen. 3. Starten Sie mit einem kurzen fünf bis zehn Minuten langen Video pro Quartal, in dem Sie einen wesentlichen Aspekt des Unternehmens in die Öffentlichkeit tragen. Das könnte ein neues Kundenprojekt sein, ein neues Produkt, das auf den Markt kommt, oder sonst eine für die Öffentlichkeit wichtige Botschaft. Bitte keine Nachrichten, die zwar für Sie wichtig erscheinen, aber keinen direkten Nutzwert für die Menschen außerhalb des Unternehmens haben. Also beispielsweise keine Informationen über Jubiläen, Personalien oder Eröffnungen neuer Büros. 4. Im Laufe der Zeit können Sie weitere Interviewpartner integrieren. Lassen Sie Ihren Marketing-, Vertriebs-, Technik- oder Kundendienstleiter aus seinem Ressort berichten. Eventuell lassen sich die Videos zu einem Video zusammenschneiden, bei dem die oberste Führungskraft die generelle Richtung erklärt und die Führungskräfte in den einzelnen Sparten ihre Zusatzinformationen hinzufügen. Wenn Sie wissen wollen, wie das aussehen kann, sehe ich als eines der

10.4  Social Media professionell nutzen

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Vorbilder tatsächlich ein Video einer Produktankündigung von Apple zu Zeiten, als Steve Jobs noch lebte. 5. Je mehr Erfahrungen Sie auf diese Art und Weise sammeln, desto einfacher wird es für Sie sein, auch unvorbereitet vor eine Kamera und ein Mikrofon zu treten. Der Umgang mit diesen Medien ist relativ schnell zu erlernen, und wenn man regelmäßig Erfahrung damit macht, stellt sich schon bald eine gewisse Routine ein. Grundsätzlich ist jede Führungskraft und jeder Verkäufer, die in ihren Arbeitsleben sowieso bestimmte Kommunikationsanforderungen erfüllen müssen, auch dafür geeignet, vor der Kamera zu sprechen.

10.4 Social Media professionell nutzen Der Erfolg Ihres Engagements in den sozialen Medien ist zwar nicht direkt von Ihren Fähigkeiten vor der Kamera abhängig, jedoch eine willkommene Ergänzung. Lassen Sie sich von einem Profi eine Firmenseite auf den Plattformen LinkedIn, Xing, Facebook, YouTube und Slideshare einrichten. Alle wichtigen Führungskräfte sollten ebenfalls ein persönliches Profil auf LinkedIn, Xing, und Facebook haben. Wenn Sie jüngeres Publikum ansprechen, zusätzlich noch auf Instagram. Sorgen Sie dafür, dass auf den Unternehmensseiten regelmäßig Inhalte, Bilder, Videos, Präsentationen und andere Informationen veröffentlicht werden, die für Ihre Zielgruppe relevant sind. Dabei sollte es nicht nur um firmeninterne Themen gehen, sondern vor allem um Inhalte, die unabhängig davon für die Zielgruppe interessant sind. Sobald solche Inhalte auf der Firmenseite erscheinen, sollten Sie und Ihre wichtigsten Führungskräfte diese Inhalte auf ihren eigenen Profilen teilen und kommentieren. So könnten Sie beispielsweise ein Video, wie oben beschrieben, auf der Unternehmensseite veröffentlichen und dann dieses Video von allen relevanten Führungskräften in ihren jeweiligen Profilen teilen und individuell kommentieren lassen. Das kann in einem zeitlichen Abstand von mehreren Wochen auch mehrmals geschehen, damit durch den mehrfach geteilten und kommentierten Inhalt in Summe eine größere Reichweite entsteht. Reichweite vergrößern LinkedIn und Facebook bieten die Möglichkeit an, dort auf Unternehmensseiten veröffentlichte Beiträge an eine größere Zielgruppe als die Ihrer bisherigen Kontakte auszuliefern. Die Kosten dafür sind vergleichsweise gering. Beispielsweise kostet bei Facebook die Auslieferung eines Videos ca. zwei Cent pro Betrachter, der es mindestens zehn Sekunden gesehen hat (Stand Juni 2019). Damit lassen sich mit relativ kleinen Geldbeträgen große Zielgruppen erreichen. Weil diese Zielgruppen anhand der in den jeweiligen Profilen hinterlegten Informationen relativ genau selektiert werden können, kann auf diese Art und Weise mit geringen Streuverlusten eine vergleichsweise

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10  Soziale Netzwerke: XING und LinkedIn …

hohe Wirkung erzielt werden. Dabei ist es wichtig, dass die Inhalte, die auf diese Art beworben werden, nicht werblich sind, sondern eine wichtige Information für die Zielgruppe enthalten. Unternehmen oder Medium Vor allem konservativ eingestellte Unternehmer halten die Forderung nach Öffentlichkeit für übertrieben. In persönlichen Gesprächen höre ich oft das Argument, dass man ja schließlich kein Medienunternehmen sei, sondern beispielsweise ein Maschinenbauer. Meine Erwiderung auf solche Einwürfe ist, dass in der Zukunft alle Unternehmen in erster Linie Medienunternehmen sein werden und erst in zweiter Linie das, was sie heute sind. Um die Kunden der Zukunft zu erreichen, müssen wir akzeptieren, dass die digitale Wahrheit, also das, was digital über ein Unternehmen verfügbar ist, entscheidend für den Unternehmenserfolg ist. Die Generation meiner Kinder (es handelt sich dabei um junge Erwachsene) würde etwas, das man im Internet nicht findet, als nicht existent bezeichnen. Eine Führungskraft, die im digitalen Netz nicht auftaucht, existiert nicht – zumindest nicht in der Generation der nun nachfolgenden Entscheider. Jeder, der Kunden erreichen will, muss denken wie ein Medienunternehmen.

Teil IV Umsetzung – Welchen Fahrplan brauchen wir für die Digitalisierung in Marketing und Vertrieb?

Sicherlich werden in Ihrem Unternehmen die einen oder anderen technischen und methodischen Möglichkeiten bereits genutzt, in anderen Bereichen mag es jedoch noch Optimierungsbedarf geben. Nutzen Sie die Hinweise in diesem letzten Teil des Buches für eine Bestandsaufnahme, um den digitalen Reifegrad Ihres Unternehmens zu ermitteln. Dazu blicken wir in verschiedene Funktionen und Aufgaben. Am Ende soll eine Priorisierung gelingen, die Ihnen als Unternehmer deutlich macht, welche Schritte zunächst die wichtigsten sein können. Zu diesem Zweck konstruieren wir ein System aus Aktionsplänen. Jeder dieser Aktionspläne kann nach den besonderen Anforderungen Ihres Unternehmens ausgewählt und ausgerichtet werden. Die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen den Aktionsplänen sind jedoch unternehmensübergreifend. Je nach Unternehmenszweck und Geschäftsmodell können bestimmte Aktionspläne mehr oder weniger wichtig erscheinen. Das ist Prinzip des Zusammenspiels ist jedoch immer gleich.

Ihre Bestandsaufnahme

11

Zusammenfassung

In diesem Buch haben wir ganz unterschiedliche Aspekte der Digitalisierung in Vertrieb und Marketing betrachtet. Damit Sie als Unternehmer oder Führungskraft einschätzen können, mit welchen Maßnahmen Sie als erstes beginnen sollten, finden Sie in diesem Kapitel eine Bestandsaufnahme. Nehmen Sie sich mit Ihrem Team etwas Zeit und prüfen Sie die nachfolgenden Aussagen. Bitte wählen Sie zu jeder Aussage eine Einschätzung von 0 (nicht zutreffend) bis 5 genau (zutreffend). Diese Vorarbeit ist hilfreich, weil Sie im Anschluss auf der Basis Ihrer individuellen Punktzahl erkennen werden, welche Aktionspläne Sie im nächsten Schritt in Angriff nehmen sollten. Falls Sie nicht in Ihr Exemplar des Buches schreiben wollen, können Sie sich hier ein PDF mit der Bestandsaufnahme herunterladen: https://stephanheinrich.com/ akuiseatb2b

11.1 Die Definition der Persona Zunächst wollen wir den Unterbau der Marketing- und Vertriebsarbeit überprüfen. In jeder modernen Vertriebsorganisation ist nicht mehr (wie in den 60er-Jahren) die Produktion der Treiber der Vermarktung, sondern der Kunde und seine Interessen. Bitte legen Sie für jede der folgenden Aussagen Ihre Einschätzung auf einer Skala von 0 bis 5 fest. Die Zahlen benötigen wir später. Nicht zutreffend = 0, genau zutreffend = 5.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_11

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11  Ihre Bestandsaufnahme

Aussage 1 Wir haben eine klare Persona (Zielgruppe) oder mehrere klar umrissene Personae. 2 Die Personae sind jedem in Vertrieb und Markeng bekannt. 3 In der Persona sind mehrere deutliche Merkmale (Alter, Beruf, Lebenssituaon o. ä.) genau beschrieben. 4 Jeder im Vertrieb nutzt die Personae als Fokus und ignoriert vermeintliche Verkaufschancen außerhalb der Personae. 5 Unsere Zielperson(en) ist/sind so genau umrissen, dass wir ihr/ihnen Namen und Porträotos zuordnen können. 6 Wir überprüfen die Personae einmal pro Jahr und nehmen evtl. kleinere Korrekturen vor. Summe

Einschätzung 0 1 2 3 4 5

Bitte hier die Summe aller Punktzahlen 11.1.1 bis 11.1.6 notieren: … Wenn Sie eine Punktzahl von 18 oder weniger erreicht haben, sollten Sie als nächstes den Aktionsplan Persona (s. Abschn. 12.1) bearbeiten.

11.2 Kernprobleme und -Interessen Angebote von Unternehmen sind Lösungen für mehr oder weniger konkrete Probleme Ihrer Kunden. Daher ist es sinnvoll, diese Probleme zu kennen und präzise Lösungsangebote zu erarbeiten. Bitte legen Sie für jede der folgenden Aussagen Ihre Einschätzung auf einer Skala von 0 bis 5 fest. Die Zahlen benötigen wir später. Nicht zutreffend = 0, genau zutreffend = 5. Aussage 1 Wir haben eine Liste an Suchworten festgelegt, zu denen wir mit unseren Webseiten ein gutes Lisng bei Suchmaschinen erreichen wollen. 2 Wir haben die häufigsten Fragen und Probleme der Persona in der Praxis durch Anfragen und ähnliche Maßnahmen präzise ermielt. 3 Wir haben mehrere Perspekven und Suchgewohnheiten der Persona ermielt und bieten für alle Varianten hilfreiche Inhalte an. 4 Wir haben aus der Vielfalt der Medienplaormen (Text, Bild, Audio, Video etc.) diejenigen ausgewählt, die für die Persona am besten geeignet sind, und bedienen diese regelmäßig. Summe

Einschätzung 0 1 2 3 4 5

Bitte hier die Summe aller Punktzahlen 11.2.1 bis 11.2.4 notieren: … Wenn Sie eine Punktzahl von 12 oder weniger erreicht haben, sollten Sie als nächstes den Aktionsplan Webseite (s. Abschn. 12.1) bearbeiten. Bitte hier nur die Summe der Punktzahlen 11.2.3 und 11.2.4 notieren: … Wenn die Summe der Punkte aus Abschn. 11.2.3 und 11.2.4 weniger als 6 ist, sollten Sie den Aktionsplan Redaktion (s. Abschn. 12.3) bearbeiten.

11.3 Marketingprozesse

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11.3 Marketingprozesse Marketing ist die Kommunikation mit Vielen. Modernes Marketing verändert sich immer mehr, weil das laute Anbieten von Produkten und Dienstleistungen immer mehr Ablehnung erfährt. Insbesondere Geschäftskunden wollen zunächst eine Beziehung herstellen, bevor sie bereit sind, über Angebote nachzudenken. Bitte legen Sie für jede der folgenden Aussagen Ihre Einschätzung auf einer Skala von 0 bis 5 festlegen. Die Zahlen benötigen wir später. Nicht zutreffend = 0, genau zutreffend = 5. Aussage Wir produzieren regelmäßig passende Inhalte, die sich mit den Problemen und Fragen der Persona auseinandersetzen und Antworten bzw. Lösungen liefern. 2 Wir achten darauf, dass unsere Inhalte auf der Webseite mit unseren wich­gsten Suchbegriffen sichtbar sind und überwachen das laufend. 3 Unser Markeng ist darauf ausgerichtet, die Kontaktdaten von Interessenten zu sammeln (List Building). 4 Die Quantät der gesammelten Adressen (Audience) sowie deren Zufluss und Abfluss sind wichge Messkriterien, an denen wir Markengakvitäten messen. 5 Wir haben einen oder mehrere automasierte Nachrichtenabfolgen (Funnel), durch die neue Kontakte methodisch vom vagen Interessenten zum potenziellen Kunden entwickelt werden. 6 Jeder Funnel hat zu Beginn mehrere nicht werbliche Nachrichten, die das ursprüngliche Interesse des Kontaktes befriedigen und dadurch eine erste Beziehung auauen. 7 Jeder Funnel hat im Mielteil eine oder mehrere Nachrichten, die Fragen an die Interessenten stellen, wodurch wir deren Perspekve und Interessen immer besser verstehen lernen. 8 Jeder Funnel hat am Ende ein klares Ziel (Anruf, Bestellung, Terminvereinbarung, Veranstaltungsbesuch, Ladenbesuch etc.), auf das hin der komplee Funnel entwickelt wurde. 9 Wir entwickeln den oder die Funnel steg weiter, indem wir Klickraten analysieren und die Wirkungsweise des Funnels schriweise opmieren. 10 Wir kennen genau die Kosten, die wir für eine gewonnene Adresse haben. Summe 1

Einschätzung 0 1 2 3 4 5

Bitte hier nur die Summe der Punktzahlen 11.3.1 und 11.3.2 notieren: … Wenn die Summe der Punkte 11.3.1 und 11.3.2 weniger als 6 ist, sollten Sie den Aktionsplan Webseite (s. Abschn. 12.2) bearbeiten. Bitte hier nur die Summe der Punktzahlen 11.3.3 bis 11.3.9 notieren: … Wenn die Summe der Punkte 11.3.3 bis 11.3.9 weniger als 21 ist, sollten Sie den Aktionsplan Funnel (s. Abschn. 12.5) bearbeiten. Wenn die Punktzahl aus Abschn. 11.3.10 weniger als 3 ist, sollten Sie den Aktionsplan Berichte (s. Abschn. 12.6) bearbeiten.

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11  Ihre Bestandsaufnahme

11.4 Vertriebsprozesse Die Grenzen zwischen Vertrieb und Marketing verschwimmen immer mehr. Früher war das Marketing für Kommunikation mit Vielen verantwortlich – jetzt nähert sich Marketing der Zielgruppe 1. Das heißt dass Marketing seine Inhalte fast schon 1:1 nach den Interessen der einzelnen Kontakte ausprägen kann. Gleichzeitig wird vom Vertrieb immer mehr gefordert, mit Kunden und potenzielle Kunden methodisch zu kommunizieren und Digitalisierung im Vertrieb bedeutet vor allem, Prozesse und Methoden zu etablieren, die multiplizierbar und messbar sind. Bitte legen Sie für jede der folgenden Aussagen Ihre Einschätzung auf einer Skala von 0 bis 5 fest. Die Zahlen benötigen wir später. Nicht zutreffend = 0, genau zutreffend = 5. Aussage 1 Wir haben einen genau festgelegten Prozess zur Lead-Qualifizierung und können jedem Lead methodisch einen Wert bzw. eine Priorität zuordnen. 2 Wir arbeiten in einem systema­schen Verkaufsprozess, in dem jede Verkaufschance einen definierten Status (Phase/Meilenstein) hat, woraus die nachfolgenden Vertriebsaufgaben abgeleitet werden. 3 Wir führen Vertriebsgespräche methodisch (Checkliste) und könnend das Ergebnis jedes Gesprächs strukturiert noeren, sodass auch Unbeteiligte sofort den wesentlichen Inhalt des Gesprächs erfassen. 4 Wir speichern alle Vertriebsdaten digital in einem zentralen System (CRM), und es gibt darüber hinaus keine privaten Datenspeicher wie Outlook oder „Schublade“. 5 Wir glauben an das Prinzip „Was nicht im CRM steht, exisert nicht“. 6 Wir vermeiden parallele Datensammlung und separat geführte Listen neben dem CRM sowie manuellen Aufwand für Berichte und Auswertungen. 7 Wir nutzen standardisierte Berichte, die jedem Vertriebsmitarbeiter zur Verfügung stehen und für die Führung der Vertriebsorganisaon verwendet werden. Summe

Einschätzung 0 1 2 3 4 5

Bitte hier nur die Summe der Punktzahlen 11.4.1 bis 11.4.3 notieren: … Wenn die Summe der Punkte 11.4.1 bis 11.4.3 weniger als 10 ist, sollten Sie den Aktionsplan Funnel (s. Abschn. 12.5) bearbeiten. Bitte hier nur die Summe der Punktzahlen 11.4.4 bis 11.4.6 notieren: … Wenn die Summe der Punkte 11.4.4 bis 11.4.6 weniger als 10 ist, sollten Sie den Aktionsplan CRM (s. Abschn. 12.4) bearbeiten. Wenn die Punktzahl aus Abschn. 11.4.7 unter 4 ist, bearbeiten Sie bitte den Aktionsplan Berichte (s. Abschn. 12.6).

Aktionspläne

12

Zusammenfassung

In diesem Kapitel finden Sie die Aktionspläne, die je nach Ergebnis der Bestandsaufnahme in Kap. 11 empfohlen wurden. So bekommen Sie eine Priorisierung der nächsten Schritte, die Sie auf dem Weg zur Digitalisierung in Vertrieb und Marketing gehen sollten. Auch wenn Sie die Bestandsaufnahme nicht gemacht haben, können Sie die Aktionspläne durchgehen, wenn Sie die jeweiligen Themen im Unternehmen in Angriff nehmen wollen.

12.1 Aktionsplan: Persona Dieser Aktionsplan schafft die Grundlage für modernes Marketing. Zunächst erstellen wir ein Wunschkundenprofil, das Ihre Zielpersonen rational selektiert. Darauf aufbauend erstellen wir eine „Persona“, die aus der rationalen Beschreibung ein detailliertes Bild einer virtuellen Person besteht, die tatsächlich existieren könnte. Es liegt auf der Hand, dass wir als erstes die Kunden bedienen wollen, die leicht zu bekommen sind. Deshalb konzentrieren wir uns zunächst auf die besten Chancen. Aber woran erkennen wir diese? Hier erfahren Sie, warum Sie ein schriftliches Wunschkundenprofil brauchen und wie man es definiert.

Ergänzende Information Dieses Kapitel enthält Videos und Dateien, die mit der kostenfreien SN More Media App aus dem IOS- und Android-Store abspielbar oder downloadbar sind. Dazu einfach die Abbildungen, die das App-Logo tragen, scannen https://doi.org/10.1007/9783-658-40947-0_12. © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0_12

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12 Aktionspläne

12.1.1 Wie gut kennen Sie Ihre Wunschkunden? Es ist einfach enorm wichtig zu wissen, wer Ihre besten Kunden sind! Nur so können Sie schließlich die richtigen Menschen ansprechen. In der Welt der Tiere ist es so: Jedes Raubtier hat ein Wunschkundenprofil, nur dass man dieses in der Tierwelt als Beuteschema bezeichnet. Dieses Selektionsschema hat sich über Jahrtausende hin entwickelt und wurde immer weiter perfektioniert. Dieser Prozess war sehr hart: Ein Raubtier, das dem Beuteschema nicht gefolgt ist, musste entweder hungern oder wurde womöglich von allzu wehrhaften Opfern selbst getötet. So konnten durch natürliche Auslese nur die Tiere überleben, die eine optimale Jagdstrategie verfolgten. Löwen jagen keine Elefanten

Die Jagd auf einen Elefanten ist für Löwen viel zu aufwändig. Das viele Fleisch ist zwar verlockend, aber es dauert viel zu lange, um die Ernährung des Rudels sicher zu stellen. Auch wenn es mit viel Aufwand gelänge, endlich einen Elefanten zu stellen und zu erlegen, würde es einfach zu lange dauern. Aber auch kleine, harmlose Tiere wie Mäuse stehen eher nicht auf dem Speiseplan: Das Verhältnis zwischen Fleischmenge und Jagd-Aufwand ist so ungünstig, dass es sich nicht lohnt. Anders sieht es mit Antilopen oder Zebras aus: Es ist einfach, das schwächste Tier aus der Herde zu isolieren, und es bietet genug Fleisch, um das Rudel eine Zeitlang zu ernähren. Und es ist kein Fall bekannt, wo ein Zebra sich dem Kampf gestellt und einen Löwen verletzt hätte. Ein Löwe würde also zunächst immer nach leichter Beute suchen, denn hier ist die Aussicht auf eine erfolgreiche Jagd am größten. Erst wenn er nichts findet, erweitert er sein Beuteschema. Und nur dann, wenn er kurz vor dem Verhungern wäre und keine andere Möglichkeit mehr hätte, würde er aus Verzweiflung wohl auch einen Elefanten angreifen. Oder eine Maus fressen.

12.1.2 Wunschkunden fokussieren – dann findet man sie auch Als Vertriebsprofis können wir jede Menge von dieser Strategie lernen. Wenn wir bei der Kundenakquise genauso vorgehen wie der Löwe auf der Jagd, dann können auch wir mit der höchsten Erfolgschance auf Kundensuche gehen. Ich möchte Sie dabei unterstützen, Ihr individuelles Wunschkundenprofil zu erstellen. Dazu gibt es einige Kriterien, die helfen können. Vielleicht finden Sie noch weitere, die Ihnen passender erscheinen. Am besten gehen Sie so vor, dass Sie sich einige erfolgreiche Kundenbeziehungen heraussuchen und buchstäblich auf einem großen Tisch ausbreiten. „Erfolgreich“ bedeutet zweierlei:

12.1  Aktionsplan: Persona

161

1. Der Kunde war sehr zufrieden, weil es sich für ihn ein lohnendes Projekt war und eine sehr gute Rendite erreicht wurde. 2. Sie waren sehr zufrieden, weil es ein geringer Aufwand war, den Kunden zu bekommen, und die Rentabilität des Geschäftes überdurchschnittlich war. Legen Sie diese Aufträge, Projekte oder Investitionsverträge nebeneinander auf den Tisch und suchen Sie Gemeinsamkeiten. Bei dieser Suche können Sie sich an den folgenden Aspekten orientieren, die für die meisten Zielgruppen ausschlaggebend sein dürften: 1. Unternehmensdaten: Mit Unternehmensdaten sind alle quantifizierbaren Angaben wie Umsatz, Mitarbeiterzahl, Niederlassungen etc. gemeint. Überlegen Sie sich am besten für jeden in Frage kommenden Aspekt Ober- und Untergrenzen, die die Einschränkung erleichtern. 2. Geographie: Regionale Kriterien wie zum Beispiel die Entfernung von Ihrem Unternehmen, der Standort des Kunden im In- oder Ausland, Währungs- oder Wirtschaftsräume spielen sicherlich auch für Sie eine Rolle. Fast für alle Branchen sind sie wichtig für die Erreichbarkeit der Kunden, die Kosten oder die termingerechte Warenauslieferung. Auch Sprachräume spielen hier mit hinein, schließlich sind Sprachbarrieren ein großes Hindernis für die Kommunikation. 3. Branchenkriterien: Mit Branchenkriterien sind das Tätigkeitsfeld des Kunden oder auch Gemeinsamkeiten verschiedener Branchen gemeint. Ein Beispiel: Ein Supermarkt wird von vielen verschiedenen Branchen beliefert, die vielleicht durch eben diese Gemeinsamkeit eine Zielgruppe bilden könnten. Dabei lohnt es sich auch, die typischen Kunden und Lieferanten einer Branche zu betrachten. 4. Verhaltensmuster und Unternehmensphilosophien: Ein Feinkostladen stellt hohe Ansprüche an die Individualität seiner Ware und wird daher andere Lieferanten wählen, als ein Discounter, der eher den Geschmack der breiten Masse abdecken will. Daher können Unternehmensphilosophien ein wichtiges Kriterium für die Zielgruppendefinition bilden. 5. Besondere Ereignisse: Manchmal ist ein bestimmtes Ereignis ein guter Grund, einen Kunden anzusprechen. Beispielsweise ein Wechsel in der Geschäftsführung, die Eröffnung einer neuen Niederlassung oder auch die Feier eines Jubiläums. Veränderungen können zu solchen Ereignissen oft gut unternehmensintern begründet und durchgesetzt werden, was für Sie als Lieferant ein großer Vorteil ist. Manchmal ist aber ein gewisser Abstand zum Ereignis angebracht, beispielsweise bei der Ernennung eines neuen CEO. In diesem Fall ist es sinnvoll zu warten, bis die neue Führungskraft eingearbeitet und mit den bestehenden Strukturen vertraut ist. Zwei Monate wären wohl angebracht, wohingegen ein halbes Jahr schon zu lange wäre. 6. Entwicklungsziele und Marktanforderungen: Wenn Ihr Wunschkunde in den kommenden Monaten stark expandieren möchte, könnte das den Wechsel der bisherigen Logistiksoftware begünstigen. Denken Sie also an Wachstumsziele,

162

12 Aktionspläne

Eroberung neuer Märkte, aber auch an die Veränderungen der Marktanforderungen, beispielsweise durch neue gesetzliche Vorschriften, geänderte Subventionen etc. 7. Saisonale Besonderheiten und Marktzyklen: Für manche Unternehmen gibt es strategisch günstige Zeitpunkte zu bestimmten Jahreszeiten. Es gibt in vielen Branchen saisonale Höhepunkte, zu denen das Geschäft brummt und alle Beschaffungsprojekte ruhen. Und dann wieder Ruhephasen, die man als Anbieter nicht verpassen sollte. Finden Sie heraus, ob das auch bei Ihren potenziellen Kunden eine Rolle spielt! 8. Reifegrad: Mit Reifegrad meine ich in diesem Zusammenhang die Akzeptanz eines Produkts oder einer Dienstleistung. Zum Beispiel betrifft das die Bereitschaft einer Firma, Aufgaben an externe Dienstleister zu vergeben. Wenn die Kantine bereits von einem Catering-Service angeboten wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass auch IT-Dienstleistungen extern vergeben werden können. Im Gegensatz dazu ist bei einem Unternehmen, das eigene Abteilungen für diese Aufgaben beschäftigt, die Chance auf eine Auslagerung einzelner Bereiche eher gering.

12.1.3 Die wichtigsten Kriterien für Ihren Wunschkunden Nun arbeiten Sie ja nicht erst seit gestern im Vertrieb und haben daher bereits einige gute Kunden für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung. Vielleicht haben Sie ja sogar einen Lieblingskunden? Einen, bei dem Sie besonders erfolgreich waren, aber der ebenso zufrieden mit Ihnen war? Wo bei Abschluss des Projekts beide Seiten gleichermaßen glücklich waren? Wäre es nicht toll, wenn Sie nur noch solche Kunden hätten? Finden Sie heraus, welche Gemeinsamkeiten diese Kunden haben, um in Zukunft ähnliche Kunden zu finden. Et voilà: Das ist Ihr Zebra! Wenn Sie alles richtig gemacht haben, dann gibt es jetzt eine Liste von sechs bis zehn Kriterien, die Ihren Wunschkunden beschreiben. Diese Kriterien sollten bereits bei der Recherche erkennbar sein oder zu spätestens in einem ersten Gespräch mit einer Hilfskraft im Kundenunternehmen ermittelt werden können. So, wie die Umrisse einer Antilope oder eines Zebras auch schon von Weitem sichtbar sind und gut von denen eines Elefanten oder einer Giraffe unterscheidbar sind. In Zukunft sollten Sie zuallererst die Kunden ansprechen, die Ihrem Wunschkundenprofil am ehesten entsprechen. Sie bieten die größten Erfolgschancen. Damit die Erstellung der passenden Inhalte für Ihre Persona besonders leicht fett, entwickeln wie das Wunschkundenprofil zur Persona weiter. Viele Schriftsteller und speziell die moderne Form, die Blogger, berichten, dass sie sich eine ganz bestimmte Person vorstellen, für die sie schreiben. Manche geben dieser Figur sogar einen Namen. Und immer ist diese fiktive Person eine ideale Beschreibung der Zielgruppe, die von dem Content profitieren soll.

12.1  Aktionsplan: Persona

163

Bitte machen Sie nicht denselben Fehler wie die meisten Menschen an dieser Stelle: Denken Sie nicht, dass Sie auf mögliche Kunden verzichten, wenn Sie Ihre Auswahl der Zielperson sehr präzise und klar umreißen. Denn wenn Sie eine einzelne Person präzise ansprechen, dann gewinnen Sie diese mit einer hohen Wahrscheinlichkeit. Und Sie bekommen zusätzlich viele andere Interessenten, die „eigentlich“ gar nicht passen, aber sich dennoch angesprochen fühlen. Umgekehrt, wenn Sie pauschal und diffus in der Ansprache sind, werden Sie niemanden wirklich ansprechen. Also machen Sie sich zunächst ein möglichst klares Bild von Ihrer Zielgruppe. Nehmen wir ein Beispiel: Beispiel

• Ingenieure: Das ist sicher noch nicht spezifisch genug. Anfangs machen viele über der Zielgruppendefinition den Fehler, sich nicht festlegen zu wollen. Man will möglichst viele Personen ansprechen und niemanden ohne Grund ausschließen. Diese Verhaltensweise ist verständlich, aber gleichzeitig verhindert sie eine griffige Definition. Und diese muss gefunden werden, denn je beliebiger die Zielgruppe ist, desto weniger passt der Content. Versuchen wir, den Ingenieur ein wenig besser zu beschreiben. • Ingenieure in der Kunststoffindustrie: Schon besser. Jetzt ist die Zahl der möglichen Personen in der Zielgruppe bereits deutlich eingeschränkt und auch das Bild ist schon klarer: Wir wollen nur Ingenieure in der Kunststoffbranche ansprechen. Sicherlich gibt es in dieser Branche völlig andere Problemstellungen als etwa in der Stahlindustrie. Vielleicht könnte die Eingrenzung aber auch ganz anders aussehen. • Ingenieure, die Karriere machen wollen oder bereits seit kurzem eine Führungsrolle haben: Diese Definition ist weniger auf die Branche als auf die Haltung und Ziele der Person ausgerichtet. Ingenieure, die sich für ihre Karriere stark machen wollen, sind sicherlich an anderen Dingen interessiert als solche, die sich eher für Fachwissen interessieren oder sich bereits damit abgefunden haben, dass sie bis zur Rente keinen Karrieresprung mehr machen werden. ◄ Selbstverständlich können Sie auch eine Kombination verschiedener Kriterien nutzen, um wirklich genau die Zielgruppe anzusprechen. Hier einige Ideen, wonach Sie ihre Zielgruppe einschränken können: • Alter und Geschlecht: Auch wenn die geltenden Gesetze zur Gleichbehandlung beispielsweise bei Stellenausschreibungen diese Kriterien verbieten, ist eine Frau Mitte 20 sicherlich an völlig anderen Inhalten interessiert als ein Mann in den Fünfzigern. • Hobbys und Interessen: Menschen tendieren dazu, für Ihre privaten Interessen einen großen Teil ihres verfügbaren Einkommens auszugeben. Wenn Sie sich an Privatpersonen wenden, kann diese thematische Ausrichtung sehr lukrativ sein.

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12 Aktionspläne

• Unternehmensdaten: Wenn Sie eine berufliche Zielgruppe ansprechen, können Sie diese quantitativen Kriterien nutzen. Legen Sie am besten eine Unter- und eine Obergrenze fest, z. B. Umsatzgröße, Anzahl Mitarbeiter, Anzahl Niederlassungen, Anzahl der Geschäftsvorfälle. • Regionale Kriterien: Diese Art der Kriterien beziehen sich auf die Erreichbarkeit der Kunden und die Einfachheit der Warenlieferung oder Dienstleistungserbringung, z. B. Entfernung von Ihrem Unternehmen, Landesgrenzen, Sprachräume, gemeinsame Währungen oder Wirtschaftsräume. • Branchenkriterien: Diese beziehen sich auf das Tätigkeitsfeld der Zielunternehmen oder auf Branchengemeinsamkeiten. Ganz unterschiedliche Branchen können an Tankstellen liefern, und eben diese Gemeinsamkeit schafft ein Kriterium als Zielkunde. Ebenso ist es umgekehrt denkbar, dass alle Unternehmen, die beispielsweise im Stahlgroßhandel einkaufen, aufgrund dieses Beschaffungsweges eine Zielgruppe bilden. • Bestimmte Verhaltensmuster oder Unternehmensphilosophien: Diese können ebenfalls relevante Kriterien bilden. Ein Unternehmen kauft so ein, wie es gewohnt ist zu verkaufen. Diese Maßgabe gilt zumeist. So wird ein Discount-Anbieter wohl bei seiner Beschaffung eher pragmatische und günstige Lösungen wählen. Und ein Luxusartikelhersteller dürfte wohl eher nicht die allergünstigsten Anbieter bevorzugen. Unternehmen, die nachhaltige und umweltfreundliche Produkte herstellen, werden sich auch bei ihren Lieferanten entsprechend orientieren. • Besondere Ereignisse: Mögliche Ereignisse sind Wechsel von Führungskräften, Filialeröffnungen oder Schließungen, besondere Investitionen oder Projekte, etwa der Wechsel der Unternehmenssoftware. Dabei kann es auch richtig sein, einen bestimmten Abstand zu dem Ereignis abzuwarten. Bei einem Wechsel des CEO ist es vielleicht sinnvoll, die ersten drei Monate abzuwarten, aber nicht länger als sechs Monate, um ein bestimmtes Thema anzusprechen. Aber auch private Ereignisse wie Heirat, Geburt eines Kindes, Umzug, Scheidung, Erkrankungen oder Verlust des Arbeitsplatzes sind einschneidende Veränderungen, die eine Zielgruppe sehr gut näher eingrenzen können (Abb. 12.1). Alle Zusatzinformationen akquiseatb2b

finden

Sie

auch

unter:

http://stephanheinrich.com/

12.1.4 So erhält Ihre Zielgruppe ein Gesicht Wenn Sie die Zielgruppe zugespitzt haben, sollte ein nächster Schritt nicht fehlen: Geben Sie Ihrer Zielgruppe ein Gesicht! Auch wenn das für rational orientierte Menschen auf den ersten Blick albern klingen mag – selbst nüchterne Betrachter erkennen auf den zweiten Blick die besondere Kraft dieser Idee. In Content-Marketing-Kreisen spricht

12.1  Aktionsplan: Persona

165

Abb. 12.1   Wunschkundenprofil (▶ https://doi.org/10.1007/000-9zp)

man von „Personae“. Das sind virtuelle Figuren, mit Namen, Foto, Beruf, Altersklasse, Familienstatus und Wohnort, die wie eine reale Person allen Beteiligten bekannt sind. Ein Beispiel: Beispiel

„Dieter ist ein Ehemann Anfang 50, der auf sein Äußeres achtet. Die Kinder sind aus dem Haus und die entstandene Leere hat die Ehe einer Belastungsprobe unterzogen, die jedoch schließlich eine gute Entwicklung genommen hat: Dieter hat erkannt, dass er die letzten zehn oder 15 Jahre seiner beruflichen Schaffenskraft nicht mehr so sehr fremdbestimmt bewältigen will. Er will seine kommunikativen Fähigkeiten weiterentwicklen, denn er hat erkannt, dass dies auch in seinen privaten Beziehungen eine deutliche Verbesserung gebracht hat, obwohl er bisher dachte, dass Fakten das Wichtigste sind. Privat nimmt er sich deutlich mehr Zeit, um das Leben mit seiner Frau zu genießen, und freut sich insgeheim darauf, seinen noch nicht geborenen Enkeln die Aufmerksamkeit zu schenken, die er seinen Kindern karrierebedingt nicht geben konnte.“ ◄ Wie viel einfacher ist es, für so eine konkrete Person wertvolle Inhalte zu produzieren als für eine nur abstrakt beschriebene Zielgruppe? Wenn Sie sich eine oder mehrere solcher klar umrissenen Zielpersonen schaffen, dann werden Ihre Inhalte wesentlich ansprechender und reizvoller für die Zielgruppe. Sie werden mehr Resonanz in der speziellen Zielgruppe erreichen und sogar noch mehr Attraktivität für Ihre Inhalte auch

166

12 Aktionspläne

Abb. 12.2   Persona (▶ https://doi.org/10.1007/000-9zn)

bei den Personen schaffen, die nur am Rande der scharf umrissenen Zielgruppe stehen (Abb. 12.2). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/ akquiseatb2b

12.2 Aktionsplan: Webseite Mit diesem Aktionsplan sollten Sie sich auseinandersetzen, wenn Sie mit Ihrer Webseite unzufrieden sind. Auch wenn Sie erst seit kurzer Zeit eine neue Webseite haben, sollten Sie diesen Aktionsplan lesen und gegebenenfalls weitere Korrekturen an Ihrer Webseite in Auftrag geben. Vor zehn Jahren hat man Webseiten als eine Art Visitenkarte für das Unternehmen gestaltet. Besucher der Webseite sollten schnell erkennen, was es für Kontaktmöglichkeiten gibt und welche Produkte und Dienstleistungen das Unternehmen anbietet. Diese Inhalte sind immer noch wichtig für Webseiten aller Art, jedoch bei weitem nicht mehr ausreichend, um eine gute Auffindbarkeit im Internet herzustellen. Der wesentliche Inhalt für Auffindbarkeit ist sogenannter dynamischer Inhalt. Das sind wertvolle Informationen, die nicht unbedingt etwas mit Ihrem Produkt zu tun haben, aber für Ihre Zielgruppe (siehe Aktionsplan Persona, Abschn. 12.1) relevant sind. Diese Inhalte sind insofern dynamisch, als dass sie stetig erweitert werden. Ähnlich wie bei

12.2  Aktionsplan: Webseite

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einer Fachzeitschrift erscheinen dauernd neue Inhalte, die alle Aspekte des Interesses der Zielgruppe ansprechen. Gemeinhin nennt man solche dynamischen Inhalte auch „Blog“. Dieses Kunstwort (eigentlich „weblog“ aber zumeist nur in der Kurzform „blog“) setzt sich zusammen aus den beiden Begriffen „Web“, also Internet, und „Log“ als Abkürzung für Logbuch oder Tagebuch.

12.2.1 Eine neue Webseite planen Wenn Sie aktuell eine neue Webseite planen und in Auftrag geben wollen, gibt es einige Punkte, die Sie auf jeden Fall beachten sollten. Die meisten Webseiten weltweit werden auf der Basis eines Systems mit dem Namen WordPress erstellt. WordPress ist ein Content-Management-System, das an sich kostenlos ist. Die weitere Entwicklung wird dadurch finanziert, dass Unternehmen, die kostenpflichtige Zusatzleistungen zu WordPress anbieten, die Weiterentwicklung des Systems finanzieren. Diese Symbiose aus Produkten und einem kostenlosen, öffentlichen Softwarecode hat dazu geführt, dass WordPress mit großem Abstand das am weitesten verbreitete System am Markt ist. Dadurch sind relativ viele Ressourcen verfügbar, die WordPress erweitern. Außerdem finden Sie am Markt viele Freiberufler und Agenturen, die WordPress beherrschen. Sollte Ihre Agentur von WordPress abraten, so ist zu befürchten, dass diese Agentur Sie mit einem wenig verbreiteten und schwer zu programmierenden System an sich binden will. Wenn Sie also eine neue Webseite in Auftrag geben, bestehen Sie darauf, dass sie auf Basis von WordPress programmiert wird, oder suchen Sie sich eine andere Agentur.

12.2.2 Eine bestehende Webseite fit machen Falls Ihre bestehende Webseite nicht auf der Basis von WordPress entwickelt wurde und Sie im Moment nicht daran denken, die Webseite komplett neu aufzusetzen, dann sollten Sie einen Fachmann beauftragen, eine sogenannte Subdomain anzulegen. In dieser Subdomain kann dann WordPress als separates System installiert werden, das technisch gesehen von Ihrer bestehenden Webseite getrennt ist und dennoch auf die Attraktivität Ihrer kompletten Seite einzahlt. Eine solche Subdomain könnte dann zum Beispiel blog.ihrewebseite.com lauten. Dadurch muss Ihre Hauptdomain nicht verändert werden, und dennoch sind alle dynamischen Inhalte, die Sie künftig erstellen werden, geeignet, um auch die nicht dynamische Hauptseite besser auffindbar zu machen. Durch diese Technik mit Subdomains lassen sich technisch voneinander getrennte Systeme wie zum Beispiel Webseite Shop und Blog getrennt voneinander betreiben. Dennoch ist sichergestellt, dass alle Inhalte auf die Hauptdomain positive Auswirkungen haben.

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12 Aktionspläne

12.2.3 IP-Tracking, Retargeting und Datenschutz In Teil 2 dieses Buches haben wir bereits über die Möglichkeiten von IP Tracking informiert. Damit Sie in den Genuss dieser Information kommen können, sind gewisse Modifikationen an Ihrer Webseite notwendig. Ein Fachmann kann mit wenigen Klicks in wenigen Minuten die notwendige Veränderung vornehmen, sodass die technische Voraussetzung für IP Tracking und Retargeting gegeben sind. Diese sogenannten Pixel sollten auf Ihrer Webseite zu finden sein. Am besten geben Sie Ihrem Fachmann, der für die Webseite verantwortlich ist, den Auftrag, diese Codes auf Ihrer Webseite zu platzieren: • • • •

Google Analytics Code Facebook Pixel LinkedIn Pixel den Pixel ihrer bevorzugten IP Tracking Software

Falls Sie keinen geeigneten Dienstleister kennen, schreiben Sie mir auf [email protected] mit dem Stichwort „Tracking Code“ und ich werde Ihnen einen passenden Dienstleister vorschlagen. Sobald diese Voraussetzung erfüllt ist, können Sie sich mit dem Aktionsplan Redaktion auseinandersetzen.

12.3 Aktionsplan: Redaktion Dieser Aktionsplan hilft dabei, die richtigen Inhalte für Ihre Webseite zu planen und zu erstellen. Zunächst erläutern wir, wie Sie die passenden Themen und Begriffe ermitteln (Keyword Recherche), die Ihre potenziellen Interessenten vermutlich verwenden. Anschließend bekommen Sie eine Anleitung, wie man die eigentlichen Inhalte auf der Basis der Recherche plant und erstellt, sich auf die passenden Suchbegriffe fokussiert und überflüssige eliminiert.

12.3.1 Recherche Suchworte oder Keywords sind die Begriffe, über die Ihre Inhalte gefunden werden, wenn Ihre potenziellen Kunden Anfragen in Suchmaschinen eingeben. Ihre Zielgruppe tut das, weil sie Antworten auf ihre Fragen bzw. Lösungen für ihre Probleme sucht – zumeist lange, bevor eine konkrete Kaufabsicht entsteht. Was zunächst bei dem Begriff „Keyword“ verunsichern könnte, ist, dass es sich auf mehrere Worte oder ganze Sätze beziehen kann. Man spricht auch von sogenannten „long tail keywords“, wenn mehre Worte gemeint sind. Lassen Sie uns das an einem

12.3  Aktionsplan: Redaktion

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Beispiel analysieren. Nehmen wir an, wir möchten die geeigneten Keywords für einen Anbieter von Heizungsplanung ermitteln. Es handelt sich um ein Unternehmen, das sich mit der Planung und Berechnung von Heizungssystemen für größere Wohngebäude und Gebäude der öffentlichen Hand handelt. Wenn ein potenzieller Kunde den Suchbegriff „Wie plant man eine Heizung professionell?“ eingibt, erwartet er eine bestimmte Art von Ergebnis. Der Suchende könnte auch „Wie plant man eine Heizung?“ eingeben, um andere Inhalte zu finden. Bei dieser Suchanfrage erscheinen völlig andere Ergebnisse als zuvor. Ein professionelles Planungsunternehmen könnte ganz leicht mit beiden Suchanfragen weit oben landen, wenn es Content anbieten würde, der auf das Keyword „Heizung Plan professionell“ optimiert ist. u

Das Keyword ist die Perspektive des Anbieters und der Suchbegriff ist die Perspektive des Suchenden

Es lohnt sich also, verschiedenen Varianten von Suchanfragen zu testen um zwei Ziele erreichen:

12.3.2 Keyword- Recherche Ziel 1: Varianten finden Leichte Abwandlungen des Suchbegriffs können ganz unterschiedliche Ergebnisse bringen. Wer professionelles Content Marketing betreibt, sollte sich schon zu Beginn viele Gedanken zu den passenden Keywords machen. Entgegen dem alten Gedanken beim Online-Marketing, dass man eine Seite „optimiert“, ist es bei Content Marketing das Ziel, ein Portfolio von Inhalten auf einer Seite zu schaffen, die zu einem Themenkomplex passende Lösungen aus unterschiedlichen Perspektiven anbieten. Lassen Sie uns den Prozess der Keyword-Planung am Beispiel unseres Heizungsplaners einmal durchlaufen. Als erste Idee für ein Keyword könnte man „Heizungsanlage planen“ auswählen. Wenn man dieses Keywords als Suchbegriff bei Google eingibt, bekommt man ein erstes Suchergebnis. Unser Ziel ist im Moment jedoch, sinnvolle Varianten des Keywords zu finden, damit wir eine Übersicht über die relevanten Suchanfragen bekommen können und später den Content optimal planen können. Noch während man in Google den Suchbegriff „Heizungsanlage planen“ eingibt, erscheinen einige zusätzlich leicht abweichende Suchbegriffe als Vorschlag. Google nennt diese Funktion „Automatische Vervollständigung“. Angezeigt werden Suchbegriffe, von denen Google meint, dass sie jetzt relevant sind und die bereits von anderen Suchenden eingegeben wurden. Wir können diese Funktion sehr gut nutzen, um Ideen für alternative Keywords zu sammeln. Am besten wir legen uns eine Tabelle an, in der die verschiedenen Suchbegriffe untereinander stehen. Das kann man selbstverständlich mit den Varianten der Varianten immer weiter treiben und so einen ganzen Fundus an Keywords sammeln.

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12 Aktionspläne

Eine weitere Funktion von Google sind die „Verwandten Suchanfragen“, die am unteren Ende der Seite mit den Suchergebnissen angezeigt werden. Auch diese bieten uns Möglichkeiten für Variationen des Keywords an. Diese können wir ebenfalls in einer Liste sammeln, um auf diese Weise alle nur denkbaren Variationen des Keywords zu ermitteln. Automatisch Variationen des Keywords finden Das Werkzeug „Ubersuggest“ (http://ubersuggest.org/) bietet einen Automatismus an, um beliebige Varianten des Suchwortes zu finden. Man gibt lediglich ein Keyword ein, wählt die Art der Suche aus (Web, Bilder, Videos etc.) sowie die Sprache und bekommt dann eine lange Liste mit Variationen, die man sofort mit einem Klick als Liste exportieren kann. Ebenso bietet Google in seiner Werbeplattform „adwords“ den „keyword planner“ an. Hier kann man mit „Mithilfe einer Wortgruppe, einer Website oder einer Kategorie nach neuen Keywords suchen“. Auch hieraus resultiert eine Liste mit Variationen, die man nun weiter bearbeiten muss. Spektakulär ist die Präsentation der Recherche-Ergebnisse durch „answerthepublic“ (http://answerthepublic.com). Hier bekommen Sie die relevanten Suchanfragen von Google und Bing semantisch aufbereitet: zum einen danach, welche Fragen gestellt wurden, und zum anderen danach, welche Präpositionen im Zusammenhang mit dem Suchwort verwendet wurden. Welche Keywords sind relevant? Unser Zwischenergebnis ist eine lange Liste mit möglichen Keywords. Wir wissen allerdings nicht, welche davon wirklich relevant für uns sind. Die Relevanz eines Keywords kann man mit zwei Aspekten bestimmen: 1. Wie passt unser Angebot zur Intention des Suchenden? Diesen Faktor können wir bei der Planung des Suchwortes noch nicht abschließend klären. Das ist jedoch ein sehr wichtiger Faktor, wenn wir im weiteren Verlauf unserer Content-Marketing-Aktivitäten regelmäßig messen und analysieren. Allerdings sollten wir darauf achten, dass das sogenannte „Snippet“, also der erste Teil des Suchergebnisses, der in der Liste der Suchergebnisse auf Google angezeigt wird, zur Intention des Suchenden passt und die wichtigsten Worte sich darin wiederfinden. 2. Wie oft wird der Suchbegriff benutzt? Die Antwort auf diese Frage liefert uns das von Google angebotene Werkzeug „Keywords Planner“, das als Teil von „Google Adwords“ kostenlos angeboten wird. Sie benötigen dazu ein Konto bei Google Adwords, das Sie ebenfalls kostenlos bekommen können. Google bietet dieses Werkzeug seinen werbetreibenden Kunden an, um die passenden Keywords für Anzeigen zu ermitteln. Wir nutzen dieses Tool im Moment unabhängig von dem Plan, eine Anzeige zu schalten.

12.3  Aktionsplan: Redaktion

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Dazu loggen wir uns in Adwords ein und wählen im Menü „Tools“ und dann „Keyword-Planer“. Nun wählen wir die zweite Option „Daten zum Suchvolumen und Trends abrufen“ und bekommen eine Eingabemöglichkeit, in die wir unsere umfangreiche Liste der Keywords einsetzen. Dann wählen wir noch die geografische Region aus, in der die Analyse laufen soll. Wenn wir wollen, können wir auch Suchbegriffe ausschließen. Das kann sinnvoll sein, wenn man z. B. verhindern will, dass nur solche Abfragen gezählt werden, in denen bestimmte Worte nicht vorkommen. Weil unser Heizungsbauer private Hausbesitzer ausschließen will, könnte er das Wort „kostenlos“ wählen, um damit alle Suchanfragen auszuschließen, die dieses Wort enthalten. Als Ergebnis bekommen wir eine Tabelle, die in jeder Zeile ein Keyword, die durchschnittlichen Suchanfragen pro Monat, die Intensität des Wettbewerbs, der zu diesem Suchbegriff unter Werbetreibenden besteht, und schließlich den Gebotspreis pro Klick, den Google empfiehlt. Uns interessiert im Moment vor allem die Anzahl der Suchanfragen. Zusätzlich zu der Tabelle bekommen wir noch eine Balkengrafik, die zeigt, in welchem Monat üblicherweise wie viele Suchanfragen für alle Suchbegriffe in Summe anfallen. Wenn man mit der Maus über das kleine Symbol links neben einem der Zeilenwerte für die Suchanfragen fährt, ohne zu klicken, bekommt man eine Grafik angezeigt, die die Saisonalität nur für diesen einen Suchbegriff anzeigt. Die Recherche verfeinern Wir haben nun eine Liste mit relevanten Suchbegriffen, die die Häufigkeit in absteigender Reihenfolge anzeigt. Interessant ist, dass der ursprünglich gewählte Begriff „Heizungsanlage planen“ mit nur 70 Suchanfragen pro Monat weit hinter anderen Keywords liegt. Die Intensität des Wettbewerbs ist ein Hinweis darauf, wie viele unterschiedliche Werbekunden Anzeigen zu diesem Suchbegriff schalten. Man kann erkennen, dass es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Suchbegriffs und der Wettbewerbsintensität gibt. Das könnte daran liegen, dass bestimmte Keywords zwar häufig verwendet werden, aber nicht zu guten Ergebnissen bei der Konversion in Leads oder Anfragen geführt haben und deshalb diese Keywords inzwischen von den Werbetreibenden gemieden werden. Es könnte aber auch ganz einfach daran liegen, dass im Umfeld dieses Keywords bislang keine umfassende Recherche stattgefunden hat und daher diese Variante des Keywords von den Anbietern nicht beachtet wurde. Und damit kommen wir zum zweiten Ziel, das wir mit der Analyse von Keywords erreichen wollen.

12.3.3 Keyword-Recherche Ziel 2: Wettbewerb analysieren Jetzt, wo wir die Keywords ermittelt haben, sollten wir prüfen, welche unserer Wettbewerber bei den häufigsten Suchbegriffen ganz oben stehen. Es lohnt sich, deren

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12 Aktionspläne

Content zu verstehen und diesen aus der Perspektive der potenziellen Kunden und Interessenten zu betrachten. Wir werden uns noch mit der sogenannten „SkyscraperTechnik“ auseinandersetzen. Dabei geht es darum, den führenden Content zu analysieren und mit einer verbesserten Variante zu übertreffen. Hier wollen wir uns jedoch im Moment nur ansehen, wie sich unsere Keyword-Liste sinnvoll erweitern lässt, wenn wir die bislang besten Keywords erneut in die Suchbegriff eingeben. Wenn wir das mit dem Keyword „heizung berechnen“ tun, erscheint ganz oben ein Suchergebnis, das neue Impulse für weitere Keywords liefert. In diesem Fall ist es das Keyword „heizleistung ermitteln“. Außerdem bieten sich nun auch die Varianten mit „berechnen“, „rechnen“ und „planen“ an, die wir schon im letzten Durchgang mit anderen Substantiven kombiniert hatten. In diesem Beispiel zeigt sich, dass die Kombination „heizleistung berechnen“ mit durchschnittlich 1300 Suchanfragen im Monat und bis zu 2400 Suchanfragen in den Wintermonaten der bei weitem am häufigsten benutze Suchbegriff ist. Wir konnten also über die Analyse der Keywords des Wettbewerbs ein weiteres, wesentlich stärkeres Keyword recherchieren, das trotz der hohen Anzahl von Suchen im Moment noch wenig umkämpft zu sein scheint. Wenn wir für diese Suchanfrage den passenden Content erzeugen, werden wir vermutlich binnen kürzester Zeit in die oberen Suchergebnisse aufsteigen und können so potenzielle Kunden auf unsere Seite einladen. Die Wortkombination „heizleistung berechnen“ würde fünfmal so häufig eingegeben werden wie unser bislang stärkstes Keyword „heizung berechnen“ und sogar rund 40-mal häufiger als unser erstes Keyword „heizungsanlage planen“. Wenn Sie diese Methode bei Ihrer Planung der richtigen Suchbegriffe einsetzen, können Sie die Produktion des Content klar priorisieren und darauf achten, dass die aus Sicht der potenziellen Kunden passenden Begriffe verwendet werden. Diese Strategie zur Recherche von Keywords geht Hand in Hand mit der regelmäßigen Messung von Ergebnissen. Dazu wird man in gewissen Abständen den Erfolg der Keywords ermitteln und stetig verbessern.

12.3.4 Themenplan Es hat sich bewährt, nicht einfach drauflos zu schreiben und mit der Produktion von Content zu beginnen, wenn man gerade eine Idee hat, was man der Welt mitteilen will. Wesentlich besser ist es, zunächst zu überlegen, nach welcher Strategie man den Content erstellen und verbreiten will. Hierfür brauchen Sie keine unzähligen Strategiemeetings, sondern einen einfachen Fünf-Punkt-Plan. Wenn Sie sich danach richten, dann wird es später auch wesentlich einfacher, die Erfolge zu messen und nachzusteuern, wenn die gewünschten Ergebnisse ausbleiben.

12.3  Aktionsplan: Redaktion

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Sinn & Persona Wie bereits im Aktionsplan Persona (s. Abschn. 12.1) erläutert, steht eine fiktive Person im Zentrum unseres Interesses. Lassen Sie uns zunächst die Frage nach dem „Wozu“ nochmals in den Mittelpunkt stellen: Welchen Zweck erfüllt Ihr Content Marketing im Idealfall? Bitte beantworten Sie diese Frage aus der Perspektive der Zielperson und nicht aus Ihrer Sicht als Anbieter. Beispiel

Wir wollen für die Persona eine umfassende Anlaufstelle sein, um die nächsten Schritte zur Modernisierung des vom Schwiegervater übernommenen Unternehmens erfolgreich zu gehen. Dabei wollen wir ihm die wichtigsten Informationen geben, um zu beginnen. Und auch später, wenn er die ersten Erfolge oder Misserfolge verzeichnen kann, ist es unser Ziel, seine wichtigste Quelle für Antworten zu seinen inzwischen tiefergehenden Fragen zu sein. Dabei wollen wir auch die Stimmen anderer Unternehmer mit ihren Praxiserfahrungen zu Wort kommen lassen. Wir streben eine tief verwurzelte, vertrauensvolle Partnerschaft an, die sich auch auf unser Produktangebot erstreckt. Dazu wollen wir auch die Erfahrungen unserer Persona mit unseren Produkten verstehen und für die weitere Entwicklung daraus wertvolle Schlüsse ziehen, um ihn künftig besser bedienen zu können. ◄ Diese Sinngebung ist eindeutig und kann später sicherlich angepasst und verfeinert werden. Für den Anfang ist eine schriftliche Klarheit in dieser Detailstufe ausreichend, um alle an der Content-Produktion beteiligten Personen richtig einzustimmen. Inhalte & Themen Hier geht es darum, festzulegen, welche Inhalte für die Zielperson relevant sind und welche nicht. Letzteres ist vielleicht ebenso wichtig: Was wollen Sie nicht thematisieren? Entscheiden Sie, ob Sie nur eigenen, selbst erstellten Content verbreiten oder auch Inhalte anderer Anbieter erwähnen und besprechen wollen. Bestimmen Sie die Themen, die Sie abdecken werden. Das ist hilfreich, um Ihrer Strategie eine klare Kontur zu geben. So muss später nicht in jedem Einzelfall entschieden werden, ob ein Beitrag passt oder eben nicht. Beispiel

Im Zentrum unserer Beiträge stehen die Fragen zur Digitalisierung in mittelständischen Unternehmen. Dabei wollen wir auf die bekannten Beispiele aus Silikon Valley verzichten, außer sie sind auch für mittelständische Unternehmen direkt adaptierbar.

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12 Aktionspläne

Alle angeschnittenen Themen sollen für Unternehmen ab 50 bis maximal 500 Mitarbeitern ausgelegt sein, sodass die Relevanz für den Mittelstand sofort erkennbar ist. Wir wollen diese Kategorien nutzen: • Strategische Überlegungen • Vertrieb und Marketing • Produktion • Recht und Datenschutz • Personalwesen und Rekruiting ◄ Wenn Sie sich einen klaren Plan machen, welche Inhalte erscheinen sollen und welche nicht, wird es leichter, die weiteren Schritte der Erstellung zu planen. Formate & Medien Es gibt eine schier unendliche Möglichkeit für die Gestaltung von Content. Wir wollen uns auf der Basis der vorangegangenen Überlegungen zu den gewünschten Inhalten überlegen, auf welche Weise und mit welchen Medien wir diese Inhalte produzieren wollen. Dabei ist es durchaus ratsam, die Relevanz bestimmter Formate für die optimale Vermittlung des Inhalts zu prüfen. Für Vieles dürfte eine klassische Schriftform, evtl. mit Abbildungen, völlig ausreichen. Allerdings können Filme und Grafiken einen wesentlich höheren Wert darstellen, wenn sie gut gemacht sind. Bei diesem Teil der Content-Strategie kommt zum ersten Mal Ihr Budget zum Tragen. Die Produktion von professionellen Videos ist weitaus kostenintensiver als ein Artikel mit ein paar Abbildungen. Allerdings kann ein Film manche Inhalte wesentlich besser transportieren als ein Text. So könnte das aussehen: Beispiel

• In erster Linie wollen wir ausführliche Artikel produzieren, die das praktische Umsetzen von Digitalisierungsprojekten erklären. Die Gestaltung der Texte ist zeitlos und so, dass sie auch Jahre später noch relevant sind. Jeder Artikel bekommt mindestens ein zentrales Bild, das die Aussage des Artikels unterstreicht. • Die Artikel sollen regelmäßig alle 14 Tage erscheinen und einen Umfang von 10.000 Zeichen haben. • Einmal pro Quartal werden wir besondere Themen identifizieren, die sich für Video-Inhalte eignen. Das könnte z. B. ein Interview mit einem Mittelständischen Unternehmer sein. • Die Videos werden als sehr kurze Teaser produziert und gleichzeitig als ausführliche Video-Anleitung, die als Content-Upgrade nur im Tausch gegen Adressen zugänglich gemacht werden.

12.3  Aktionsplan: Redaktion

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• Einmal pro Jahr soll eine Infografik erscheinen, die wesentliche Aspekte der Digitalisierung im Überblick zeigt. Die Infografik soll zum Ausdrucken und evtl. auch als Poster bestellbar sein. • Jeden ersten Freitag im Monat bringen wir zusätzlich eine Zusammenfassung anderer Artikel zum Thema Digitalisierung im Mittelstand unter dem Titel „Digitaler Monatsrückblick“. Dazu werden interessante Artikel aus dem Internet gesammelt, mit einem kurzen Text zusammengefasst und mit dem Link zum Artikel veröffentlicht. ◄ So geplant wird schnell klar, wie viel produziert werden soll und was die Produktionskosten sind. Für die hier dargestellte inhaltliche Planung wäre eine halbe Stelle sicherlich ausreichend. Oder, wenn das Projekt Content Marketing ausgelagert werden soll, sind jährliche Kosten von etwa 40.000 EUR realistisch. Kanäle & Verbreitung Content kann nur dann seine Wirkung entfalten, wenn er von der Zielperson gefunden wird. Das kann grundsätzlich auf zweierlei Weise geschehen: 1. Die Zielperson sucht selbst aktiv: Im ersten Fall müssen wir dafür sorgen, dass unser Content unter den richtigen Suchbegriffen auffindbar ist. Das erreichen wir vor allem dadurch, dass wir den einzelnen Artikel auf die dafür vorgesehenen Suchworte optimieren. Das nennt man gemeinhin „SEO – Search Engine Optimization“, also Suchmaschinenoptimierung. Außerdem ist es auch denkbar, dass man bezahlte Werbung im Umfeld der Suchbegriffe schaltet, solange der Content noch nicht über natürliche Suche auffindbar ist. So könnte man den eigenen Inhalt durch bezahlte Anzeigen nach oben in den Suchergebnissen stellen. 2. Die Zielperson bekommt einen Hinweis: Es liegt auf der Hand, dass dieser Hinweis im natürlichen Umfeld der Zielperson auftauchen muss, damit er sein Ziel erreicht. Dafür gibt es eine natürliche und eine werbliche Möglichkeit: Wenn Sie bereits die Erlaubnis haben, Ihrer Zielperson eine Nachricht zukommen zu lassen, etwa per E-Mail, SMS, Telefon oder auf klassische Weise per Post, dann dürfen Sie diese Hinweise direkt adressieren. Sie können den Kunden direkt über neuen Content informieren. Außerdem können die sogenannten sozialen Medien genutzt werden, um Ihren Content bekannt zu machen, wenn Sie sich hier bereits eine gewisse Reichweite verdient haben. Wenn Sie neue, bisher unbekannte Personen ansprechen wollen, dann können Sie das tun, indem Sie sich den Zugang zu diesen Personen kaufen oder leihen. Möglich ist das, indem Sie im Umfeld der Zielgruppe in Zeitschriften oder online werben oder Sie Ihre Sichtbarkeit bei Messen, Kongressen oder anderen thematischen Zusammenkünften durch Werbung erkaufen.

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12 Aktionspläne

Insbesondere bei der modernen Online-Werbung sind inzwischen sehr effiziente Methoden verfügbar, um Zielpersonen zu erreichen. So lassen sich verschiedene Methoden nutzen, um genau die gewünschten Personen anzusprechen, ohne die Identität bereits zu kennen. Um unsere Persona, den Mittelständischen Geschäftsführer, mit möglichst großer Wahrscheinlichkeit und moderatem Mitteleinsatz zu erreichen, könnten wir so vorgehen: • Jeder erscheinende Artikel wird in den Social-Media-Kanälen Facebook, XING und LinkedIn mit einem Link zum Artikel verbreitet. • An den Tagen, an denen kein Artikel neu erscheint, verbreiten wir einen Link zu einem beliebten Artikel der Vergangenheit, so erscheint an jedem Tag eine neue Veröffentlichung bei Facebook, XING und LinkedIn. • Zusätzlich schalten wir am Tag der Veröffentlichung und am Folgetag eine Anzeige für die demografische Gruppe der Zielperson mit einem Budget von 10 EUR pro Tag.

12.3.5 Produktion für Content effizient organisieren Sobald Sie die vorangegangenen Schritte von der Auswahl der Themen und Begriffe über die passenden Inhalte und Formate abgeschlossen haben, geht es an die zeitliche Planung des Content. Jetzt geht es darum, möglichst effizient die Produktion und Veröffentlichung von wertvollen Inhalten zu planen und umzusetzen. Dabei ist die relative Zeitplanung, also die Erscheinungsweise, ebenso zu planen wie die Frage, wann welcher Inhalt und in welcher Reihenfolge erscheint. Die optimale Erscheinungsweise ist abhängig vom Tiefgang des Content: Je oberflächlicher, desto öfter kann er erscheinen. Es ist vorstellbar, den Witz des Tages zu präsentieren, aber kaum jemand wird zu einem Thema jeden Tag einen ausführlichen Artikel zu einem speziellen Interessensgebiet wie der Digitalisierung im Mittelstand konsumieren wollen. Ein Redaktionsplan ist im Wesentlichen eine tabellarische Darstellung, in der zeilenweise untereinander jeweils eine Ausgabe steht, die zu einem bestimmten Zeitpunkt erscheint. In den Spalten notiert man außer dem Erscheinungsdatum noch weitere wichtige Informationen, die für die Produktion und die spätere Verteilung wichtig sind. • Format: Artikel, Nachricht, Bild, Video, Webinar oder welches Format auch immer zu Ihrem Content passt. • Keyword: Für welches Keyword aus der Recherche soll der Beitrag optimiert werden? Dabei ist es wichtig, dass das Keyword in einem natürlichen Bezug zum Inhalt steht. „Keyword stuffing“, also das Zustopfen des Textes mit mehr oder weniger sinnlos aneinander gereihten Suchworten, bringt nichts. Der Inhalt sollte zunächst für den Leser optimiert sein und ihm genau das bieten, was er im Moment sucht. Daher ist diese Spalte vor allem für Search- und Inbound-Content relevant.

12.3  Aktionsplan: Redaktion

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• Titel: Der Titel ist der bei Google auf der Ergebnisseite dargestellte Titel der Inhaltsseite. Bei Blogartikeln und anderen Inhalten auf der eigenen Seite können Sie diesen Titel selbst festlegen. Auch bei Video-Inhalten auf YouTube legen Sie den Titel als wichtigste Orientierungshilfe für den Konsumenten fest. Wichtig ist hier, dass vor allem bei Search- und Inbound-Content sofort klar wird: „Hier ist die Antwort auf die Frage!“ Es kann sinnvoll sein, ähnliche oder gar fast identische Beiträge zu planen, die mit unterschiedlichen Titeln auf unterschiedliche Suchbegriffe optimiert sind. • URL: Auch die URL einer Seite kann man, zumindest auf den eigenen Seiten, gezielt mit planen. Es lohnt sich, die URL ebenfalls auf das wichtigste Keyword hin zu optimieren und kryptische URLs nach Möglichkeit zu vermeiden. • Exzerpt: Suchmaschinen zeigen in Verbindung mit dem Suchergebnis (SERP) neben dem Titel und der URL auch eine kurze Zusammenfassung des Inhalts an. Dieser wird von der Suchmaschine automatisch aus den ersten Worten des Inhalts gebildet, außer der Gestalter des Inhalts hat dieses sogenannte „snippet“ bereits explizit angegeben. Mit diesem einfachen Mittel können Sie ebenfalls dafür sorgen, dass Search- und Inbound-Content eine hohe Relevanz bekommen, wenn sich in diesem Exzerpt aus wenigen Worten bereits für den Suchenden das „Hier bin ich richtig“-Gefühl ergibt. Es geht hierbei also weniger um technische Suchmaschinenoptimierung als vielmehr um die Adressierung der passenden Begriffe des Suchenden. • Bildsprache: Selbstverständlich ist das vor allem für Bild- und Video-Inhalte relevant. Allerdings sollten Sie auch jedem Blog-Artikel mindestens ein passendes Bild zuordnen. Insbesondere im Zusammenhang mit der Verbreitung des Inhalts auf Social Media spielt das Bild eine besondere Bedeutung. Weil inzwischen auch Bilder im Zusammenhang mit Suchergebnissen angezeigt werden, ist es sinnvoll, im Rahmen der Redaktionplanung ein besonderes Augenmerk auf die Auswahl und Benennung von Bildern zu legen. • Social Media Text: Im Rahmen der Strategie, alle Posts in Social Media wieder auf eine eigene „Immobilie“ im Internet zu beziehen, lohnt es sich, die Texte, mit denen später auf den Content der eigenen Seite verwiesen wird, ebenfalls zu planen. Dieser Text wird für verschiedene Social-Media-Plattformen unterschiedlich ausfallen und je nachdem, welche Plattformen für Ihr Unternehmen relevant sind, Texte in unterschiedlicher Länge und mindestens ein Bild enthalten. Bei eigenen Seiten, wie zum Beispiel Blog-Artikeln, ist es technisch möglich, unterschiedliche Bilder und Texte für das Teilen auf Twitter, Facebook und Google+ vorzugeben. So würden dann beim Teilen des Links in den jeweiligen Plattformen die von Ihnen vorgegebenen passenden Bilder und Texte angezeigt. • Kategorie: Eine Kategorie kann dabei helfen, den Content später auf den eigenen Seiten zu ordnen und thematisch zusammenzufassen. Und es fällt erfahrungsgemäß leichter, wenn Inhalte einer Kategorie am Stück produziert werden. • Interne Bezüge: Planen Sie bewusst Links und Verweise auf andere Inhalte eigener Seiten ein. Dadurch verbessern Sie das Ergebnis für den Konsumenten Ihrer Inhalte, weil er ähnliche oder tiefergehende Inhalte findet. So kann man die Zielperson

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12 Aktionspläne

dazu verführen, länger zu verweilen. Google als führende Suchmaschine ist daran interessiert, dem Suchenden ein möglichst optimales Suchergebnis zu bieten. Wenn der Suchende auf der gefundenen Seite länger verweilt und sogar über interne Link tiefer einsteigt, ist das ein Qualitätsmerkmal, das sich positiv auf die Listung der Seite auswirken kann. • Externe Links: Auch Verweise auf fremde Inhalte können das Erlebnis für den Konsumenten des Content verbessern. Allerdings birgt jeder externe Link auch die Gefahr, dass der Besucher Ihre Seite wieder verlässt. Durch Verweise auf andere Seiten stärken Sie deren Bedeutung bei Google. Nicht zuletzt ist Wikipedia, als größte Referenz zur Klärung von Begriffen, deshalb fast immer auf dem ersten Platz, wenn nach bestimmten Begriffen gesucht wird. Wenn Sie die richtigen Parameter („nofollow“ und „Öffnen im neuen Fenster“) im Zusammenhang mit externen Links verwenden, sorgen Sie dafür, dass Sie mit dem Link nicht zu viel Autorität an die Zielseite abgeben und der Konsument leicht wieder zu Ihrer Seite zurückfindet. • Weiterverwendung: Bei der Planung von Content kann es die Wirtschaftlichkeit von Content Marketing erheblich verbessern, wenn man noch vor der eigentlichen Produktion über die weitere Verwendung von Inhalten nachdenkt. Jeder Artikel kann als Audio-Aufnahme zum Podcast werden und umgekehrt kann eine Mitschrift eines Podcast als Artikel in einem Blog dienen. Aus jeder Audio-Aufnahme lässt sich leicht ein Video erstellen und viele Videos könnten auch als reines Audio gut funktionieren. Planen Sie den Inhalt von Anfang an so, dass Sie ihn ohne großen zusätzlichen Aufwand in anderer Form und an anderer Stelle erneut als wertvollen Inhalt verwenden. Je weniger Ihr Content den Charakter von aktuellen Nachrichten hat, desto einfacher ist es, mit großem Vorlauf zu planen. Thematisch zusammenhängende Inhalte kann man leichter im Block planen und produzieren. Sobald die Inhalte produziert sind, kann man mit den passenden Systemen die automatische Veröffentlichung zum richtigen Zeitpunkt programmieren. Dann ist es auch nicht notwendig, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch manuell eingegriffen wird. Sämtliche eigenen Inhalte und die Posts in Social Media werden dann genau zum richtigen Zeitpunkt veröffentlicht.

12.4 Aktionsplan: CRM Dieser Aktionsplan soll Sie dabei unterstützen, ein passendes CRM-System auszuwählen bzw. Ihren Fokus auf die wichtigsten Funktionen Ihres vorhandenen Systems zu setzen. Das ist wichtig, weil ein CRM-System in vielen erfolgreichen Unternehmen das Rückgrat der Vertriebsorganisation ist. Noch immer gibt es Unternehmen, die noch ohne CRMSystem im Vertrieb arbeiten. CRM steht für Customer Relationship Management, und dabei handelt es sich um ein Werkzeug, das die Beziehungen zu Kunden verbessern soll.

12.4  Aktionsplan: CRM

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Wenn Sie heute noch kein solches System einsetzen, stehen Sie vor einem sehr großen Angebot unterschiedlicher Softwaresysteme. Viele Unternehmen fragen sich, welche Art von System sich am besten eignet. Um diese Frage zu klären, beschäftigen wir uns mit den Grundfunktionen eines CRM-Systems und ermöglichen damit eine Priorisierung.

12.4.1 Welche Funktionen hat ein CRM-System? Je nach Geschäftsmodell und Vertriebsstrategie benötigen Unternehmen unterschiedliche Funktionen. Deshalb sollten Sie sich zuerst darüber im Klaren sein, welche Funktionen für Ihre Geschäftsprozesse essenziell und welche Funktionen weniger wichtig sind. Bei dieser Frage sollten Sie sich nicht so sehr von Ihren bisherigen Prozessen leiten lassen. Viele Unternehmen machen den Fehler, dass die vor allem ihre aktuellen, nicht digitalen Prozesse im CRM abbilden wollen. Dadurch ergeben sich fatale Fehlentscheidungen, weil zum einen Aufwand betrieben wird, um Standardsoftware kostenintensiv anzupassen, und zum anderen Funktionen ungenutzt bleiben, weil man diese in einer analogen Welt nicht kannte.

12.4.2 CRM-Systeme sind Adressdatenbanken Um den Kontakt zu Kunden halten zu können, benötigen wir eine gute Datenqualität. Die Namen von Firmen und Personen, Adressen und Telefonnummern ist enorm wichtig, könnte jedoch auch von einem einfachen Adressbuch geleistet werden, das in jedem modernen Smartphone enthalten ist. Neben diesen Basisinformationen können jedoch auch Verknüpfungen in einem CRM-System gespeichert werden. Mögliche Verknüpfungen, die wichtige Informationen im Verkaufsprozess sein könnten, sind: • • • • •

Person A ist Vorgesetzter von Person B A ist Freund/Feind/Ehepartner/Alumni/Vereinskollege von B A hat B empfohlen A ist Ex-Mitarbeiter von Firma C (mit ehemaliger Funktion XY) Firma C ist Muttergesellschaft von Firma D

Eine sehr hilfreiche Information, die in keinem geschäftlich genutzen CRM-System fehlen sollte, ist der Link zu einem professionellen Netzwerk wie XING oder LinkedIn. Zu jeder relevanten Person können Sie deren Link zu ihrem Profil speichern. Sollte die Person irgendwann den Arbeitgeber wechseln, ohne dass Sie darüber informiert werden, können Sie sie dennoch über deren öffentliches Profil auch bei einem neuen Arbeitgeber wiederfinden.

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12 Aktionspläne

Weil einer der Grundsätze der europäischen Datenschutzgrundverordnung DSGVO die Datensparsamkeit ist, sollte man bei der Planung genau überlegen, welche Datenverbindungen wirklich notwendig oder zumindest besonders hilfreich sind. Beschränken Sie sich besser auf das Wichtigste und verzichten Sie auf interessante Datenverbindungen, die man zwar sehr einfach erheben kann, die jedoch kaum in der Praxis genutzt werden. In vielen Geschäftsmodellen, vor allem bei Privatkunden, kann es sinnvoll sein, den Kunden einen passwortgeschützen Zugang zu den wichtigsten Stammdaten zu geben und deren Pflege durch den Kunden zu erlauben. Vor allem die Anpassung von Adressdaten nach einem Umzug oder neue Telefonnummern können sehr gut auch durch den Kunden selbst verwaltet werden.

12.4.3 Protokoll aller Geschäftsvorfälle im CRM-System Für manche Geschäftsmodelle ist es wichtig, Geschäftsvorfälle zu Kunden und Interessenten zu protokollieren. Dazu gehören unter anderem diese Informationen: • Telefonate • Besuche • E-Mail und schriftliche Korrespondenz • Verkaufschancen und Angebote • Kaufvorgänge und Retouren • Teilnahme an Veranstaltungen • Aussendungen Auch beim Speichern dieser Informationen sollten Sie darauf achten, dass die Vorschriften der DSGVO eingehalten werden. Es kann für viele Geschäftsvorfälle sehr wichtig sein zu wissen, welche Vorfälle sich mit bestimmten Personen in der Vergangenheit ereignet haben. Beispielsweise erreichen mich immer wieder Anfragen nach Teilnahmebestätigungen bei Seminaren, die Jahre zurückliegen. Das nachträgliche Ausstellen verloren gegangener Teilnahmezertifikate ist eine Dienstleistung, die von meinen Kunden sehr geschätzt wird. Auch das Speichern von Kaufvorgängen kann essenziell sein, wenn dadurch dem Kunden eine gewisse Bequemlichkeit bei Reklamationen oder Nachkäufen ermöglicht wird. Aber auch ganz einfache Vorgänge wie E-Mails können eine wichtige Information sein. Vor allem dann, wenn mehrere Mitarbeiter eines Unternehmens mit Kunden in Kontakt stehen, ist das CRM-System meist die einzige Informationsquelle zur Kundenhistorie.

12.4  Aktionsplan: CRM

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12.4.4 Sales-Funnel wird durch CRM-System möglich Im Umgang mit Geschäftskunden sind in der Regel mehrere Kundenkontakte über einen längeren Zeitraum an der Tagesordnung. Selbst wenn nur ein Mitarbeiter Kontakt mit dem Kunden hat, ist es schwierig, den Überblick zu behalten, wenn die Zeitspanne von der Anbahnung bis zum Auftrag mehrere Monate umfasst. Informationen zum Ablauf des Verkaufsprojekts oder ausgetauschten Informationen, zu Angeboten und sonstigen relevanten Nachrichten können für langlaufende Verkaufsprozesse sehr wichtig sein. Es bietet sich an, die Prozesse bei der Entwicklung von Verkaufschancen durch das CRMSystem zu unterstützen. Auf diese Weise kann auch die Erstellung von Forecast- und Pipeline-Berichten automatisiert werden. Weil das CRM-System in reifen Verkaufsorganisationen als einziges Werkzeug eingesetzt wird, kann der Forecast ohne zusätzliche Arbeitszeit der Verkäufer per Knopfdruck erstellt werden. Außerdem können wichtige Aktivitäten zum Weiterentwickeln der Verkaufschancen als Prozess vorgegeben werden. Damit bekommen Verkäufer und Führungskräfte ein wichtiges Werkzeug, um die Einhaltung der wichtigsten Schritte auf dem Weg zur Entscheidung des Kunden zu überwachen.

12.4.5 Aufgabenplanung und -steuerung im CRM-System Abgesehen von den Prozessen und damit verbundenen Aufgaben bei der Begleitung von Verkaufschancen gibt es weitere Aufgaben, die im Vertrieb anfallen. Eine methodische Abfolge solcher Aufgaben kann über ein CRM-System transparent für Vertrieb und Kollegen gesteuert werden. Denn wenn ein CRM fehlt, entsteht in Organisationen meist viel interne Kommunikation per E-Mail oder Telefon, die den Status von Aufgaben bei anderen Kollegen abfragt. „Hast Du den Brief an XY versendet?“, „Wann war der letzte Termin bei ABC AG?“ oder „Was ist eigentlich aus dem Projekt Z geworden?“ sind typische Anfragen, die durch ein CRM-System überflüssig werden, weil jeder Beteiligte jederzeit selbst nachsehen kann. Mit einem CRM-System wird interner Kommunikationsballast überflüssig und die Produktivität steigt. Ebenso können Aufgaben, die man an Kollegen delegieren oder weitergeben möchte, direkt im CRM erstellt werden. Der Kollege wird zum geplanten Datum erinnert und kann die Aufgabe erledigen, ohne erst nach den Kontaktdaten des Kunden suchen zu müssen. Darüber hinaus lassen sich automatisiert Aufgaben erstellen, die durch Parameter gesteuert werden. Beispiele für solche Aktivitäten sind: • Kunden für Produkt X 30 Tage nach Kauf anrufen und Zufriedenheit erfragen bzw. Zusatzartikel anbieten. • Stammkunden, die mehr als 90 Tage keine Bestellung abgesendet haben, anrufen.

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12 Aktionspläne

• Kunden, die vor mehr als X Jahren Produkt Y gekauft hatten, kontaktieren und den Nachfolger Z anbieten. • Kunden, die im letzten Jahr auf Veranstaltung A waren und bisher keine Zusage für die anstehende Veranstaltung gegeben haben, anrufen und die Beweggründe erfragen bzw. Zusage bewirken.

12.4.6 Marketingsteuerung durch ein CRM-System Marketingmaßnahmen, die in der Regel für mehr als eine Person konzipiert werden, sind effektiver, je besser sie auf das Profil einzelner Personen zugeschnitten sind. Daher kann das CRM-System genutzt werden, um Informationen zu einzelnen Personen zu speichern. Marketing kann dann seine Aktivitäten auf der Basis dieser Merkmale besser ausrichten. Solche Informationen zu Kunden und Interessenten können so strukturiert sein: • Herkunft: Wie kam diese Adresse in unser System? Online, Visitenkarte auf Veranstaltung, Besuch Außendienst, Werbeaktion, Messeteilnahme etc.? • Interessen: Welches Interesse hat diese Person bislang gezeigt? Anfrage zu bestimmter Produktkategorie, Klicks auf bestimmte Links in E-Mails, Herunterladen bestimmter Online-Angebote etc.? • Kauf: Welche Produkte oder Dienstleistungen hat die Person bereits gekauft? Kategorie des Produkts oder der Dienstleistung, Umsatzgröße, Wiederkehrende Umsätze etc.? Aus der Kombination dieser Merkmale kann Marketing sehr präzise umrissene Zielgruppen für Maßnahmen auswählen. Ebenso kann der Vertrieb Auswertungen auf der Basis dieser Merkmale starten und eigene Aktivitäten im Zusammenhang mit Kundenterminen planen und umsetzen. Es versteht sich von selbst, dass die Speicherung dieser Daten unter Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erfolgen muss.

12.4.7 Zugriff und Datenschutz im CRM-System Wenn Sie in größeren Organisationen arbeiten, sollte die Zusammenarbeit der verschiedenen Personen durch ein sinnvolles Rechte-Konzept abgesichert werden. Nicht jede Person oder Funktion sollte alle Informationen kennen oder ändern können. Beispielsweise ist die korrekte Firmierung einer GmbH eine Information, die jeder Mitarbeiter lesen können sollte, jedoch ist es nicht unbedingt sinnvoll, dass diese Information von jedem beliebigen Mitarbeiter geändert werden kann. Bei anderen

12.4  Aktionsplan: CRM

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Informationen, wie z. B. dem Geburtstag einer Person, sollte diese Information nur für diejenigen Mitarbeiter einsehbar sein, die diese Information auch wirklich benötigen. Auch das Ändern oder Löschen von Datensätzen sollte nur bestimmten Personen oder Funktionen berechtigt sein. Evtl. sollte auch eine Funktion zum automatischen Protokollieren von Änderungen und Löschungen enthalten sein, um versehentlich durchgeführte Änderungen auch später noch rückgängig machen zu können.

12.4.8 CRM-Systeme sinnvoll nutzen Leider gibt es noch immer Unternehmen, in denen die Auswahl des CRM-Systems durch die IT-Abteilung erfolgt. Dann Entsteht oft ein CRM-System, das zwar praktisch zu warten ist, aber die wichtigsten Aufgaben des Vertriebs nicht unterstützt, sondern oft sogar behindert. Dadurch besteht die Gefahr, dass das CRM-System in der gelebten Praxis als Bürde verstanden und nicht als Werkzeug verstanden wird. Verkäufer „müssen etwas ins CRM stellen“, statt die Arbeit mit dem CRM als zentrales Werkzeug zu verstehen. Die Erfahrung zeigt, dass solche CRM-Systeme bei aller Entschlossenheit der Führung nach wenigen Jahren kläglich scheitern. Es lohnt sich, die Auswahl eines CRM-Systems in erster Linie anhand der Anforderungen aus der täglichen Praxis zu treffen. Im Anschluss finden Sie eine übersichtliche Checkliste, die Sie dabei unterstützt, die wichtigsten Funktionen für Ihre Anforderungen zu ermitteln. Widerstehen Sie der Versuchung, „alles“ zu wollen. Beschränken Sie sich auf die wesentlichen Anforderungen, die dann aber ohne jegliche Kompromisse erfüllt sein müssen. Orientieren Sie sich dabei an Ihrem Geschäftsmodell und nicht so sehr an den heute gelebten Vorgehensweisen und Tools, denn diese sind vermutlich durch die heute verfügbaren Werkzeuge geprägt. Ein neues CRM-System sollte einen messbaren Fortschritt bei der Unterstützung bedeuten und nicht unbedingt Ihre heutige Arbeitsweise oder kühne Träume, abbilden, was man alles noch machen könnte. Checkliste CRM-System

1. Stammdaten – Welche Daten wollen wir aus einem anderen System übernehmen (einmalig oder laufend)? – Welche Arten (Entitäten) von Daten brauchen wir? Möglich wären Personen, Firmen, Verkaufschancen, Aufgaben, Termine, Nachrichten, Dokumente, Anfragen (Leads), Verträge, Projekte, … – Welche Art von Verbindungen zwischen den Entitäten benötigen wir? Denkbar sind Firmenzugehörigkeit (aktuell und ehemalig), Funktionen im Buying Center von Personen bei Verkaufschancen, Mitgliedschaften, Verbindungen zwischen Personen, Teilnahme bei Terminen, …

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12 Aktionspläne

– Müssen wir Verbindungen zusätzliche Informationen zuordnen? Beispielsweise kann eine Verbindung zwischen zwei Personen eine Freundschaft oder ein Verwandtschaftsverhältnis sein. – Wer kann Stammdaten anlegen, bestätigen, ändern oder löschen? – Welche Daten kann der Kunde selbst anlegen oder ändern? 2. Protokoll – Welche Informationen wollen wir sammeln und protokollieren? – Wie kommen E-Mails in das CRM-System? – Wie kommt Korrespondenz auf Papier in das System? – Welche Daten zu Geschäftsvorfällen müssen in das CRM-System (Rechnungen, Lieferungen, Reklamationen, Vertragsänderungen, …) – Wie detailliert dokumentieren wir Besuche, Veranstaltungsteilnahmen, Messebesuche, Anrufe und andere wichtige Gesprächsinhalte, die nicht automatisch digital protokolliert werden? – Welche digitalen Fußabdrücke, Webseiteninteraktionen, Reaktionen auf E-Mails etc. wollen wir dokumentieren? – Welche Interaktionen von anderen Abteilungen mit Kundenkontakt wollen wir abbilden (Buchhaltung, Service, Telefonsupport, …)? 3. Funnel – Welche Struktur wollen wir unserem Vertriebsprozess geben (Wie viele Phasen, wie definiert)? – Welche Aktivitäten und Messpunkte wollen wir den einzelnen Phasen zuordnen? – Wie können wir die Erstellung von Forecast und die Steuerung der Pipeline automatisieren? – Welche statistischen Messwerte und Wahrscheinlichkeiten wollen wir aus unseren Daten ableiten, um das Unternehmen fundierter zu steuern? 4. Aktivitäten – Welche Abläufe und Prozesse lassen sich über das CRM steuern? – Wie können wir anhand von Daten aus dem CRM potenzielle Verkaufschancen ermitteln und dem Verantwortlichen als Aufgabe zur Kontaktaufnahme mit dem Kunden zuspielen? – Welche Aufgaben lassen sich automatisieren und dadurch den Vertrieb entlasten? 5. Marketing – Welche sinnvolle Struktur von Kategorien unserer Produkte und Dienstleistungen wollen wir festlegen? – Wie können wir unterschiedliche Interessensgebiete festlegen, nach denen wir Kunden und Interessenten sinnvoll einteilen wollen?

12.5  Aktionsplan: Funnel

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– Wie können wir effizient beim Anlegen der Datensätze die Herkunft festhalten? – Welche Parameter brauchen wir, um Personen zu Zielgruppen bzw. Personae zuzuordnen? 6. Rechte, Zugriff und Auswertungen – Welche Funktionen wollen wir festlegen? Möglich wäre Vertriebsverantwortliche, Service, Assistenz, Führung, Marketing, … – Welche Rechte zum Einsehen, Anlegen, Ändern oder Löschen bestimmter Datensätze ordnen wir bestimmten Funktionen zu? – Welche Auswertungen und Berichte wollen wir automatisch bestimmten Funktionen individualisiert zur Verfügung stellen? – Welche zusätzlichen Auswertungen wollen wir welchen Nutzern ermöglichen? – Wie bilden wir Teams und Teile der Organisation sinnvoll in der Rechtestruktur des CRM ab?

12.5 Aktionsplan: Funnel Dieser Aktionsplan soll Sie dabei unterstützen, einen automatischen Ablauf von Nachrichten mit Interessenten oder Kunden zu erstellen, der bestimmte Prozessschritte bei der Geschäftsanbahnung optimiert und wiederholbar macht. Ein wesentliches Element des modernen Marketings ist es, dass wir die Entwicklung des Interessenten zum Kunden als dynamischen Prozess betrachten. Der englische Begriff „funnel“, den man mit „Trichter“ übersetzen kann, hat sich als Fachbegriff für die Betrachtung der unterschiedlichen Stufen oder Phasen des Entscheidungsprozesses des Kunden herausgebildet. Auch wenn der Trichter nicht wirklich ein passendes Bild ist, weil dieser ja gerade den besonderen Zweck hat, dass alles, was oben hineingeht, auch unten wieder herauskommen soll. Das ist bei einem Marketing- oder Verkaufsprozess sicher nicht der Fall, weil kaum ein Unternehmen 100 % der Erstkontakte auch wirklich zu Kunden macht. Deshalb verwenden wir den Begriff „Funnel“ als Überbegriff für ein Modell, das die Entwicklung des Kunden über mehrere Reifegrade beschreibt, als Trichter, der einem auf der Spitze stehenden Dreieck gleicht. Damit soll angedeutet werden, dass die Anzahl der Kontakte pro Phase von oben nach unten abnehmen sollte. Für die einzelnen Phasen des Trichters hat sich noch keine allgemein anerkannte Bezeichnung herausgebildet. Das dürfte daran liegen, dass die Phasen erheblich mit dem Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens zusammenhängen und kaum generell für alle Marketing- und Vertriebsprozesse einheitlich entwickelt werden können.

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12 Aktionspläne

Selbst die oft verwendete Abfolge Lead-Prospekt-Contact, die in vielen CRMSystemen als Basiseinstellung vorgegeben ist, entbehrt einer eindeutigen Definition, die praktisch verwendbare Handlungsanweisungen für die jeweilige Stufe benennt. Daher wage ich hier den Versuch einer allgemein gültigen Nomenklatur, die als grobe Gliederung für alle Marketing-Funnel mit den evtl. anschließenden Vertriebsprozessen gelten kann.

12.5.1 Das Struktur-Modell für einen Funnel Dieses Modell weist jeder Adresse einen eindeutigen Zustand zu. Die Abfolge muss nicht grundsätzlich sequenziell sein, weil auch „Seiteneinsteiger“ möglich sind. • Problem – Kalter Einstieg über Problem: Auf der ersten Stufe finden sich Kontakte wieder, die zunächst über ihr wesentliches Problem auf uns aufmerksam geworden sind. Das sind die Kontakte, die noch nicht nach einer Lösung suchen, weil sie sich noch damit auseinandersetzen, das Problem zu erkennen. Wir nennen diese Kontakte „kalt“. Sie werden mit Content versorgt, der zunächst das Problem (er-)klärt. Sie werden sich entweder auf die nächste Stufe „Solution“ weiterentwickeln oder für sich erkennen, dass sie doch kein Interesse an weiteren Inhalten haben und sich abmelden. • Solution – Auf der Suche nach einer Lösung: In der nächsten Phase finden wir Kontakte, die für sich bereits das Problem erkannt haben und daher auf der Suche nach einer Lösung sind. Diese „warmen“ Kontakte können auch direkt auf dieser Stufe in den Funnel einsteigen. In dieser Phase versorgen wir die Kontakte mit Lösungen für ihre wichtigsten Probleme. Sie werden sich entweder weiterentwickeln und schließlich „heiß“ auf die Umsetzung einer Lösung werden oder das Problem abtun und sich vom weiteren Bezug der Informationen abmelden. • Close – Zeigt starkes Interesse., soll einem Kauf zugeführt werden: Hier finden wir Kontakte, die bereit sind, eine Entscheidung zu treffen. Sie sind sich des Problems bewusst und haben erkannt, dass Sie eine passende Lösung bieten. Selbst „heiße“ Kontakte können als Seiteneinsteiger in den Funnel geraten, wenn sie beispielsweise über Empfehlungen zu Ihnen kommen. Hier machen wir konkrete Kaufangebote. • Sold – Hat gekauft: Die letzte Phase des Funnel ist der erfolgte Umsatz. Hier finden wir alle, die ein bestimmtes Produkt gekauft haben. Von hier aus kann man die Marketingstrategie weiter umsetzen und aus Kunden aktive Referenzen machen, die uns und unsere Leistungen weiter empfehlen. • Mature – Soll noch reifen: Hier sammeln wir alle, die den Übergang von Close zu Sold innerhalb eines festgelegten Zeitraums nicht geschafft haben. Unsere Versuche, eine Entscheidung herbeizuführen, sind nicht geglückt. Wir setzen diese Kontakte bildhaft in einen Reifetank. Dort werden sie in größeren Abständen mit Informationen versorgt. Ab und zu prüfen wir, ob sie inzwischen wieder in eine der Phasen des Funnel einsteigen können.

12.5  Aktionsplan: Funnel

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• Out – Will auf weitere Informationen verzichten: Alle Kontakte, die sich aktiv dagegen entschieden haben, weitere Informationen zu bekommen. Obwohl sie uns irgendwann einmal dazu aufgefordert hatten, Nachrichten an sie zu versenden, haben sie zwischenzeitlich entschieden, dass sie nichts mehr von uns hören wollen. Wenn Sie die Regeln respektieren, werden Sie diesen Kontakten keine weiteren Nachrichten mehr senden. Jede Phase will andere Inhalte

Machen Sie sich beim Design eines Funnel bewusst, dass Sie in jeder Phase unterschiedliche Botschaften und Handlungsaufrufe (Call to Action) verwenden müssen, um die Weiterentwicklung von Kontakten zu begünstigen. Wenn Sie sich konsequent an das Modell halten, werden Sie künftig alle Beiträge genau einer der Phasen zuordnen. Das ist wichtig, weil ein Kontakt in der Phase „Problem“ auf völlig andere Inhalte positiv reagieren wird, als ein Kontakt in der Phase „Solution“. Sowohl Überschrift als auch der Rest des Inhalts müssen zu der Phase des Kontakts im Funnel passen.

12.5.2 Feste und dynamische Funnel Die einfachste Form des Funnel ist einer, der eine feste Abfolge hat. Wir machen einen Plan und senden nach und nach eine vorher festgelegte Anzahl an Nachrichten an die jeweiligen Kontakte. Bei der festen Abfolge planen wir die Nachrichten und legen fest, wie viele Nachrichten in der Phase „Problem“ wir versenden. Danach folgen weitere Nachrichten der Phase „Solution“ und so weiter. Der Vorteil dieser Methode ist, dass es technisch einfach umsetzbar ist. Allerdings ist der Nachteil, dass wir nur solche Kontakte letztlich konvertieren werden, die mit der vorgegebenen Geschwindigkeit einverstanden sind. Wenn wir beispielsweise drei Nachrichten der ersten Phase vorgesehen haben und dann ab der vierten Nachricht mit der nächsten Phase weiter machen, bekommen wir nur diejenigen Kontakte, die jetzt auch für den Phasenwechsel bereit sind. Wir verlieren diejenigen, die schon früher reif für Phase zwei waren, weil diese sich vermutlich bereits gelangweilt und schließlich abgemeldet haben. Und wir verlieren jene, die noch nicht soweit sind, in die nächste Phase zu gehen, denn sie werden die nun folgenden Nachrichten unpassend finden und sich ebenfalls abmelden. Dennoch ist diese Methode in den meisten Fällen sinnvoll. Vor allem dann, wenn wir bereits eine gewisse Erfahrung im Umgang mit Funnels und dem Verhalten von Zielpersonen haben.

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12 Aktionspläne

Dynamische Funnel sind selbstlernend Die andere Methode, einen Funnel zu gestalten, ist ein wenig komplizierter. Dafür lernen wir jedoch mehr über die Verhaltensweise der Zielpersonen und müssen weniger in Unsicherheit entscheiden. Das dynamische Modell kennzeichnet den Kontakt mit einer Phasenbeschreibung, je nachdem, woher der Kontakt kam, als er uns seine Adresse überließ. Dann behält er diese Kennzeichnung so lange, bis er durch sein Verhalten zeigt, dass er die Phase gewechselt hat. Sein Verhalten können wir aufgrund seines Klick-Verhaltens und seine Reaktion auf unsere Inhalte messen. Wenn beispielsweise am Ende eines Blogbeitrags mehrere Angebote für Artikel mit ähnlichen Themen stehen, können wir messen, ob das Individuum eher auf eine Überschrift der aktuellen Phase oder einer nachfolgenden Phase klickt. Ebenso könnten wir in einer E-Mail-Nachricht eine Handlungsaufforderung mit einer Botschaft der nächsten Phase betiteln. Nur solche Kontakte, die darauf klicken, wechseln in die folgende Phase. Berufsbild: Funnel-Designer Weil die Gestaltung des Funnel nur dann gelingen kann, wenn der Gestalter die Perspektive wechselt und die Beweggründe von real existierenden Menschen berücksichtigt, entsteht hier ein Berufsbild im Marketing, das die Erfahrung aus Vertrieb und Marketing benötigt. Hier werden Menschen gebraucht, die in der Lage sind, strategisch und planerisch zu denken. Gleichzeitig müssen sie jedoch auch reflektieren können, wie diese Pläne von einzelnen Zielpersonen tatsächlich angenommen werden. Die Qualität von Funnels entscheidet über den Erfolg im Marketing, weil nicht mehr eindimensionale Botschaften die Entscheidung auslösen, sondern eine Reise des Kunden (Customer Journey) entlang der verschiedenen Berührungspunkte (Touch Points) mit einem Anbieter entscheidend für den Marketingerfolg sind (Abb. 12.3). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/akquiseatb2b

Abb. 12.3   Funnel (▶ https://doi.org/10.1007/000-9zm)

12.6  Aktionsplan: Berichte

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12.6 Aktionsplan: Berichte Dieser Aktionsplan soll Sie dabei unterstützen, Berichte als festes Steuerungsinstrument zu betrachten. Das gilt für Führungskräfte und für Mitarbeiter gleichermaßen, denn in modernen Organisationen arbeiten beide Hierarchien auf Basis identischer Zahlen. Berichte entstehen automatisch aus IT-Systemen und stehen allen autorisierten Personen zur Verfügung. So wird zusätzliche Verwaltungsarbeit vermieden, weil ohnehin alle Informationen zur täglichen Arbeit im Vertrieb in einem modernen CRM-System gespeichert und stets aktuell sind. Verkäufer nutzen das CRM also nicht, um die Berichte für das Management zu erstellen, sondern das CRM erstellt die gewünschten Berichte in Echtzeit. Andere Ablageorte, separate Tabellen und sonstige private Notizen werden dadurch nicht nur überflüssig, sondern sogar schädlich. Gerade im Verkauf kann man sich mit Dutzenden oder vielleicht sogar Hunderten von Berichten beschäftigen. Ich möchte Sie ermutigen, hier besonders drastisch zu reduzieren und sich nur auf Themen zu konzentrieren, die wirklich wichtig sind, um den Vertrieb zu lenken und zu führen. Abgesehen von den Ergebnisberichten, die schlicht und einfach die nackten Zahlen wie Umsatz und Ertrag darstellen, lohnt es sich über zwei weitere wesentliche Berichte nachzudenken.

12.6.1 Forecast Vor allem dann, wenn komplexe Produkte und Lösungen verkauft werden, ist der sogenannte Verkaufszyklus oft mehrere Monate lang. Das bedeutet, dass zwischen der ersten Kontaktaufnahme mit dem potenziellen Kunden und dem späteren Abschluss einige Monate, manchmal sogar einige Quartale vergehen. Jeder Mitarbeiter im Verkauf hat eine bestimmte Anzahl von Verkaufschancen, an denen er oder sie arbeitet. Früher oder später sollen diese Verkaufschancen zu zählbaren Ergebnissen werden. Es ist notwendig, dass Unternehmen lange genug planen können. Dazu benötigen Sie die Einschätzung des Vertriebs, wann wie viel Auftragseingang und schließlich zählbarer Umsatz stattfinden wird. Der Forecast oder Umsatz Forecast ist eine Prognose, die sich logischerweise auf die Zukunft bezieht. Vorhersagen der Zukunft haben bislang noch keine wissenschaftliche Relevanz. Es ist schlicht unmöglich, die Zukunft genau vorherzusagen. Allerdings können wir aufgrund von Erkenntnissen der Gegenwart auf eine bestimmte Entwicklung in der Zukunft Rückschlüsse ziehen. Ähnlich wie bei der Wettervorhersage ist diese Einschätzung jedoch nur mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit möglich. Viele Unternehmen machen den Fehler, dass sie den einzelnen Verkäufer die Wahrscheinlichkeit schätzen lassen. Das ist falsch. Wenn man Betroffene die statistische Wahrscheinlichkeit von Ereignissen schätzen lässt, ergibt sich immer eine Unschärfe. Wir wissen, dass die statistische Wahrscheinlichkeit für den Fortbestand einer Ehe über den Zeitraum von zehn Jahren hinaus deutschlandweit in etwa bei 50 % liegt. Wenn wir jedoch Betroffene, also beispielsweise ein frisch ver-

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12 Aktionspläne

heiratetes Ehepaar fragen würden, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass die eigene Ehe länger als zehn Jahre hält würden die beiden frisch Verliebten vermutlich eine falsche Antwort geben. Sie vermischen Hoffnung mit Wahrscheinlichkeit. Ebenso ergeht es dem Verkäufer, wenn er genötigt wird, eine Wahrscheinlichkeit für den Erfolg einer Verkaufschance zu schätzen. Er wird dann Hoffnung mit Statistik verwechseln und sich von seiner inneren Haltung leiten lassen. Die Qualität von Umsatz-Forecast und Pipeline ist entscheidend für die Liquiditätssicherung von Unternehmen. Vor allem dann, wenn mehrere Mitarbeiter im professionellen Verkauf arbeiten, müssen Führungskräfte sicherstellen, dass die Vorhersagen zum Auftragseingang und zum Umsatz zutreffen. Und weil Vorhersagen immer ungewiss sind, prallen hier zwei Interessen aufeinander. Das Unternehmen will Sicherheit und „mit Blut unterschriebene Vorhersagen“ und die Mitarbeiter im Vertrieb schwanken zwischen Hoffnung und vorsichtiger Zurückhaltung. Wie soll man daraus einen relevanten Umsatz-Forecast erstellen? Vorhersagen vom Zufall befreien In vielen Vertriebsorganisationen gibt es die Anforderung an die Verkäufer, die einzelnen Fälle des Forecast mit einer individuellen Wahrscheinlichkeit zu belegen. Oft sind das vorgegebene Prozentzahlen wie 10, 30, 60 und 90 %. Ich habe mich immer gefragt, wie das die Verkäufer machen. Schließen sie die Augen und legen die flachen Hände auf den Konferenztisch beim Kunden, damit dann die Prozentzahl als Eingebung erscheint? Wohl kaum. Wie soll das also gehen? Wie kann man eine Wahrscheinlichkeit schätzen? Die ehrliche Antwort lautet: Das geht nicht. Also das Schätzen geht schon, aber es hat keine Aussagekraft. Was wir hier brauchen, ist statistische Relevanz. Und dafür gibt es zwei Voraussetzungen: 1. eine ausreichende Anzahl an Fällen 2. eine saubere statistische Auswertung Wenn Sie nur ein paar Verkaufschancen gleichzeitig im Unternehmen haben, ist eine sinnvolle Aussage des Forecast nicht gegeben. Wie soll man bei zehn Chancen mit unterschiedlichen Umsatzhöhen, Branchen und wenig Gemeinsamkeit eine statistische Relevanz herstellen? Das wird vermutlich nicht gelingen. Wenn Sie dagegen 50 oder mehr ähnliche Chancen im Unternehmen gleichzeitig betreuen, dann kann man damit anfangen, die Statistik als Vorhersageinstrument zu nutzen. Die statistische Auswertung braucht jedoch eine gute Vergleichbarkeit der Chancen. Das kann mit einem Meilensteinsystem gelingen. Meilensteine als Qualitätsgarant für den Forecast Investitionsentscheidungen entwickeln sich schrittweise. Auch wenn die Geschwindigkeit dieser Entwicklung bei ähnlichen Projekten sehr unterschiedlich laufen kann, ist es möglich, die grundsätzliche Entwicklung an bestimmten Reifegraden darzustellen.

12.6  Aktionsplan: Berichte

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Wenn anfangs nur eine zarte Aufmerksamkeit besteht, kann sich daraus Schritt für Schritt tieferes Interesse und schließlich eine Investitionsentscheidung entwickeln. Im Laufe dieses Prozesses findet eine Auslese statt, weil längst nicht jeder Anfangskontakt zu einem Kunden wird. Vielmehr ist es so, dass die Mehrzahl der Fälle nicht zum Erfolg führt. Es ist das Ziel der Meilensteine, diese Auslese zu begleiten und die Summe an Chancen realistisch zu bewerten. Messbare Wegpunkte statt Aktionen Wichtig ist, dass man die Meilensteine so gestaltet, dass sie keine Aktivitätsbeschreibungen, sondern unstrittig feststellbare Beobachtungen sind. Einige Unternehmen machen den Fehler, dass sie den Fortschritt in den Meilensteinen an Aktivitäten festmachen. Also würde sich beispielsweise der Meilenstein nach dem ersten Besuch ändern. Oder durch den Versand eines Angebots ändert sich der Status. Das ist jedoch methodisch falsch. Durch einen Besuch an sich ist ja noch keine Verbesserung hergestellt, und ein Angebot kann man auch jederzeit versenden. Entscheidend sind jedoch beobachtbare Zustände beim Kunden, die einen echten Fortschritt bedeuten. Also würde bei korrekter Definition nicht der Versand des Angebots eine Weiterentwicklung bedeuten, sondern erst die Zustimmung zum Angebot aus dem Mund des Entscheiders. Hier bekommen Sie ein solches Modell für den Geschäftskundenvertrieb. Es ist eine Weiterentwicklung des Meilenstein-Modells, das Michael Bosworth in seinem Buch „Solution Selling“ bereits 1994 vorgestellt hatte (Bosworth 1994). Es kann sicherlich noch beliebig auf Ihre Bedürfnisse angepasst werden. Nur beachten Sie bitte, dass Sie als Kriterien messbare Ergebnisse und keine Aktivitäten festlegen. Beispiel für den Aufbau eines Meilensteinmodells im B2B-Vertrieb

• E Begründeter Verdacht: Das könnte der Einstiegspunkt für Leads sein, also Verkaufschancen, die aus Marketingaktionen, Messen oder Anfragen entstanden sind. Es gilt nun, diese drei Ergebnisse herbeizuführen, um den Kunden weiter zu entwickeln: – Kunde passt in unsere Zielgruppe. – Vision wurde im Gespräch vermittelt. – Erster Visions-Brief/E-Mail versendet. • D Qualifizierter Kontakt: Wenn alle Punkte aus E und das erste Ergebnis aus D eintreten, dann wechselt der Kunde von E nach D. In dieser Phase geht es darum, den Kontakt zu qualifizieren und evtl. unpassende Chancen auszusortieren. Die angestrebten Teilergebnisse sind: – Kontakt hat Schmerz dargelegt. – Kontakt hat Vision ausgebildet. – Kontakt hat sich bereit erklärt, im Beschaffungsprozess weiter mit uns zu gehen.

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– Zugang zum Entscheider wurde vereinbart. • C Qualifizierter Zugang zum Entscheider: Wer gleich beim Entscheider einsteigt, der kann Stufe D sogar überspringen, denn C enthält die ähnlichen Teilergebnisse des Verkaufsprozesses – hier allerdings auf den Entscheider ausgelegt: – Zugang zum Entscheider erreicht. – Entscheider hat Schmerz dargelegt. – Entscheider hat Vision ausgebildet. – Entscheider hat sich bereit erklärt, im Beschaffungsprozess weiter mit uns zu gehen, und ist in der Lage, die Investition zu entscheiden. – Phasenmodell vorgeschlagen. – Einverständnis zum Ablauf der Entscheidungsfindung mündlich erklärt. • B Entscheidung steht aus: Diese Phase ist eine unangenehme Phase aus Sicht des Verkäufers. Hier geht Kontrolle verloren, und viele Verkaufsprojekte scheitern hier kurz vor dem Auftrag. Der Grund dafür ist, dass jetzt alle Karten auf dem Tisch liegen und der Kunde entscheiden kann, aber nicht muss. Ein erfahrener Verkäufer wird alles daran setzen, dass die Phase B nur kurz besteht und zügig in Phase A übergeht. – Termine besprochen. – Vorgespräch zum Angebot abgehalten. – Investition detailliert besprochen. – Angebot erstellt und verschickt. • A Umsatz in Greifweite: Jetzt ist nur noch die letzte Entscheidung zu fällen. Alle Vorgespräche sind geführt, es gibt bereits eine unverbindliche Zustimmung und die Verhandlung mit dem Einkauf hat begonnen. Nach dieser Phase kann es nur die Entscheidung Ja oder Nein geben. – Mündliche Zustimmung zum Angebot erreicht. – Detaillierte Verhandlungen mit dem Einkauf. • Gewonnen – Schriftlichen Auftrag erhalten. • Verloren – Lost Business Report erstellen. – CRM aktualisieren.

Meilensteine bringen statistische Kennzahlen Wenn ein Unternehmen eine Weile bereits mit Meilensteinen arbeitet, kann sich daraus eine sehr genaue Vorhersage für den Auftragseingang ergeben. Das hängt damit zusammen, dass ein einzelner Vorgang aus einer Phase entweder in die nächste Phase wechselt oder als verloren gilt. Auf dem Weg von E über D bis nach A gehen also in

12.6  Aktionsplan: Berichte

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jeder Phase einige Chancen verloren. Daraus kann man im Umkehrschluss ausrechnen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein beliebiger Vorgang in einer bestimmten Phase später zum Erfolg wird. Man kann also jedem Meilenstein eine statistische Erfolgswahrscheinlichkeit zuordnen, weil die zurzeit darin befindlichen Verkaufschancen mit einer klar feststellbaren Quote zu Umsatzträgern werden. Gewichtung des Umsatz-Forecast Wenn man diese Quoten als Prozentzahlen ausdrückt, dann kann man daraus den wahrscheinlichen Auftragseingang berechnen. Wenn zu den einzelnen Verkaufschancen bereits ein wahrscheinliches Auftragsdatum ermittelt wurde, dann kann man sogar den Auftragseingang pro Monat oder pro Quartal errechnen. Allerdings sollte man auch hier die Gesetze der Statistik berücksichtigen, denn je unterschiedlicher die einzelnen Verkaufschancen hinsichtlich der potenziellen Umsatzzahl sind, desto weniger aussagekräftig wird die Schätzung. Bei sehr ähnlichen Umsatzgrößen pro Auftrag werden die Schätzungen präziser. Das lässt sich auch ohne mathematische Vorkenntnisse leicht erkennen: Wenn ein sehr großer Umsatz neben mehreren mittleren und kleinen Umsätzen in der Listen der Verkaufschancen ist, dann ist der Abschluss dieser einen großen Chance ausschlaggebend für den Gesamtumsatz: Wenn dieser Umsatz realisiert wird, dann wird das Schätzergebnis weit übertroffen, wenn dieser eine Auftrag aber nicht zustandekommt, wird es kaum möglich sein, mit den restlichen Aufträgen die ursprünglich ermittelte Vorhersage zu erfüllen. Maßzahl dafür ist die sogenannte Standardabweichung. Diese statistische Größe gibt die durchschnittliche Abweichung der einzelnen Zahlen von einem Mittelwert an. Je größer diese Zahl ist, je weniger sicher ist der ermittelte gewichtete Schätzwert für den Umsatz. Je kleiner sie ist, je verlässlicher ist der mit der Eintrittswahrscheinlichkeit gewichtete Umsatz (Abb. 12.4). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/ akquiseatb2b

12.6.2 Qualität der Pipeline Als Pipeline bezeichnet man die Summe aller Verkaufschancen – so, als ob die potenziellen Aufträge wie bei einer Pipeline in der Ölproduktion die kontinuierliche Versorgung der Organisation mit Umsatz sichern. Um den steten Fluss zu erhalten, ist eine sinnvolle Verteilung der Summe aller Verkaufschancen innerhalb der Meilensteine sinnvoll. Deshalb sollte man eine optimale Verteilung festlegen und dann den Ist-Zustand gegen dieses Ideal vergleichen. So bekommt man wertvolle Informationen über die Qualität der Pipeline. In Anlehnung an die Einteilung einer Verkaufschance in verschiedene Phasen lässt sich auch die Verkaufsaktivität sehr gut steuern. Bleiben wir bei dem vorhin genannten

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12 Aktionspläne

Abb. 12.4   Forecast (▶ https://doi.org/10.1007/000-9zq)

Beispiel mit den Phasen E bis A. Jeder Verkäufer hat mehrere Verkaufsprojekte, an denen er gleichzeitig arbeitet. Nehmen wir beispielsweise an, dass es in Ihrer Organisation etwa 50 Fälle sind, mit denen ein Verkäufer sich durchschnittlich zum selben Zeitpunkt beschäftigen soll. Davon dürfte eine relativ große Zahl von Verkaufschancen noch im Bereich der ersten Kontaktaufnahme sein. Etwas weniger werden es dann in der nächsten Phase sein und wieder etwas weniger in der darauffolgenden. So könnte man eine typische Verteilung als Soll-Status festlegen. Jetzt ist es eine einfache Übung, in Excel oder einem anderen Berichtssystem die tatsächlichen Verkaufschancen pro Verkäufer mit einem Sollzustand zu vergleichen. So können Mitarbeiter und Führungskräfte auf einen Blick sehen, woran einzelne Verkäufer im Moment arbeiten und welche Tätigkeiten sie verstärkt anpacken sollten, um langfristig gute Ergebnisse zu erzielen. Mit dieser einfachen Methode gelingt es der Führungskraft, die Aktivitäten im eigenen Unternehmen zu steuern und dafür zu sorgen, dass eine gute Verteilung von Meilensteinen einen steten Auftragszugang gewährleistet (Abb. 12.5). Alle Zusatzinformationen finden Sie auch unter: http://stephanheinrich.com/ akquiseatb2b

12.6.3 Umfragen Dieser Bericht soll Sie dabei unterstützen, die Ergebnisse der Keyword-Recherche immer wieder zu prüfen und zu hinterfragen, ob Sie die Persona und ihre Interessen richtig einschätzen. Modernes Marketing ist ein agiler Prozess, bei dem kaum jemand

12.6  Aktionsplan: Berichte

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Abb. 12.5   Qualität der Pipeline (▶ https://doi.org/10.1007/000-9zr)

zu Beginn genau weiß, was im Detail funktionieren wird. Es gibt eine Zielperson, eine These für ein Problem und dessen Lösung, aber noch keinen Beweis dafür, dass diese These greifen wird. Ähnlich wie bei dem von Eric Ries (Ries 2014) propagierten Konzept zum Planen und Aufbau eines neuen Unternehmens kann man auch seine Marketingstrategie dynamisch gestalten. Im modernen Marketing sind Umfragen, Recherchen und Tests ein wichtiges Instrument, um die reale Interessenlage der Zielpersonen immer wieder neu zu ermitteln. Eine Umfrage kann noch vor einer Keyword-Recherche stehen, um die eigene These für eine Bedarfssituation zu testen. Oder sie kann die Ergebnisse einer Recherche vertiefen und genauer untersuchen. Als Beispiel eine Umfrage, mit der das Verständnis für Content Marketing gemessen wird und gleichzeitig ein nächster Schritt im MarketingProzess unserer Agentur angestoßen wird: https://de.surveymonkey.com/r/CMS-Studie Die erste Frage ist lediglich eine Einordnung der Teilnehmer nach Branchen. Dann folgt die eigentliche Kernfrage „Was ist Ihre spontane Aussage zu Content-Marketing?“ mit diesen vorgegebenen Antwortmöglichkeiten: • • • • •

Ich weiß nicht genau, was das ist. Ich weiß, was es ist, und halte nichts davon. Ich weiß, was es ist, aber ich/wir nutzen es im Moment nicht. Wir nutzen es, aber es bringt keine guten Resultate. Wir nutzen es und sind mit den Ergebnissen zufrieden.

Danach bekommt der Interessent weitere Aussagen oder Fragen, je nachdem, welche Antwort er bei der Kernfrage gab. So ermitteln wir bei den Kennern, welche Elemente

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des Content Marketing sie kennen und nutzen und bei den Nicht-Kennern bieten wir Möglichkeiten zur Information. Die Ergebnisse der Umfrage liefern uns als Anbieter einerseits hilfreiche Informationen über das tatsächliche Denken der Zielgruppe. Und die Ergebnisse sind für sich genommen wieder Content, über den es sich lohnt, einen Blogbeitrag zu schreiben. Und außerdem ist die Studie selbst in gewisser Weise wertvoller Inhalt, der Interessierte auf unser Informationsangebot aufmerksam macht und neue Kontaktadressen bringt. Ein anderes Beispiel ist die jährlich einmal laufende Kampagne eines Bildungsanbieters für einen Lehrgang, die auf einen Ausbildungsbedarf der Zielperson ausgelegt ist. Auf einer Seite wird der Lehrgang beschrieben und eine werbefreie Informationsschrift angeboten. Nachdem der Interessent seine Adresse online eingetragen hat, bekommt er vier Nachrichten im Abstand von jeweils ein bis zwei Tagen, die genau auf sein Interesse ausgelegt sind. Als fünfte Nachricht kommt die Bitte, eine Frage zu beantworten. Diese Frage ist eine Kurzumfrage mit zwei Elementen. Das erste Element ist eine gestützte Frage mit mehreren vorgegebenen Antwortmöglichkeiten, die herausfinden soll, was die wichtigste Motivation für den Interessenten ist, diesen Lehrgang zu belegen. Der Teilnehmer bekommt sechs verschiedene Beweggründe vorgelegt und soll die Wichtigkeit auf einer Skala angeben. Die zweite Frage ist eine offene Frage, bei der der Teilnehmer in ein Textfeld schreiben soll, welche wichtigste Frage im Zusammenhang mit dem Thema des Kursangebots ihm auf den Nägeln brennt. Interessant ist, dass gestützte Fragen in einer Umfrage wesentlich häufiger beantwortet werden als offene Fragen. So war die Beteiligung an der ersten Abfrage der Motivation zu etwa 90 % beantwortet worden, während die zweite, offene Frage weniger als 10 % Antworten bekam. Für die nächste Durchführung der Kampagne brachten beide Ergebnisse der Umfrage wertvolle Inhalte. Besonders wichtig war die Erkenntnis, dass die ursprünglich vom Auftraggeber ins Zentrum gerückte Motivation für die Teilnahme am Kurs aus der Sicht der Befragten nur ein kleiner Nebeneffekt war. Das hat erhebliche Auswirkungen auf die Folgekampagne, weil jetzt das wirkliche Interesse der potenziellen Zielgruppe viel genauer adressiert wird. Außerdem lassen sich bereits in einer frühen Phase der Kampagne die wichtigsten Faktoren benennen, die den Interessenten auf den Nägeln brennen. Dadurch steigt die Wirkung der Kampagne immer weiter. Es lassen sich nach und nach immer genauere Formulierungen und Begriffe finden, die mit der Zielgruppe noch mehr in Resonanz gehen.

Literatur Bosworth MT (1994) Solution selling: creating buyers in difficult selling markets. Irwin Professional Publishing, Burr Ridge Ries E (2014) Lean Startup: schnell risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen. Redline, München

Fazit: Nach der Digitalisierung ist vor der Digitalisierung

Neulich habe ich mich prächtig amüsiert, als ich eine Presseerklärung las, in der ein größeres Unternehmen den erfolgreichen Abschluss der Digitalisierung verlautbaren ließ. Man habe die Digitalisierung erfolgreich abgeschlossen. Diese Aussage alleine besitzt schon viel komisches Potenzial. Wenn man dann weiter liest, stellt man fest, dass mit „Digitalisierung“ gemeint war, man habe alle schriftlichen Prozesse von handschriftlich geführten Dokumenten auf elektronische Tabellen überführt. Spätestens jetzt ist der Witz perfekt. Weil Digitalisierung eben nicht Elektrifizierung bedeutet, ist es in diesem Zusammenhang nicht denkbar, den Prozess abgeschlossen zu haben. Digitalisierung ist das permanente Streben nach Messbarkeit und Wiederholbarkeit von geschäftsrelevanten Prozessen, um diese nach Möglichkeit zu automatisieren. Und da Werkzeuge und Medien sich stetig weiter entwickeln, ist es immer wieder notwendig, deren Möglichkeiten, Chancen und Gefahren für das eigene Geschäftsmodell zu beleuchten und zu verstehen. So wird es auch in der Zukunft immer wieder notwendige Anpassungen geben, selbst wenn der Status quo aktuell optimal sein sollte. Mit Gleichgesinnten pragmatisch zusammenarbeiten Der Begriff der Mastermind-Gruppe geht zurück auf den Autor Napoleon Hill. In der Recherche zu seinem ersten Buch, das 1925 erschien, untersuchte er die Verhaltensweisen der erfolgreichen Unternehmer Henry Ford, Thomas Edison, Alexander Graham Bell, Theodore Roosevelt, John D. Rockefeller und Charles M. Schwab. Hill stellte fest, dass die erfolgreichen Unternehmer sich zu kleinen Gruppe gleichgesinnter zusammenschlossen, um sich gegenseitig zu unterstützen und herauszufordern (Hill 1925). Hill legte das Konzept in seinem zweiten Buch „Think and grow rich“ etwas detaillierter dar (Hill 1937). Die optimale Gruppengröße hängt sehr von den Teilnehmern und deren Disziplin ab. In etwas größeren Gruppen entstehen meistens ein paar mehr Ideen und Lösungen. Dafür sind aber auch ein großes Durcheinander und wenig Fortschritt wahrscheinlicher. Zudem wird es immer schwieriger, einen geeigneten Termin zu finden. Weil in unseren geschäftigen Zeiten immer ein gewisser Prozentsatz an Teilnehmern verhindert © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 S. Heinrich, Akquise@B2B, Edition Sales Excellence, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40947-0

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Fazit: Nach der Digitalisierung ist vor der Digitalisierung

sein wird, schlage ich eine Gruppengröße von zehn Teilnehmern vor, so dass mindestens sechs bis acht Teilnehmer pro Treffen anwesend sind. Moderne Medien erlauben es, dass die Fehlenden später den Inhalt per Aufzeichnung erfahren können. Persönliche Treffen sind sehr sinnvoll, weil wir Menschen den direkten Kontakt schätzen. Wenn eine gewisse Kennenlernphase und der damit verbundene Vertrauensaufbau abgeschlossen ist, kann man auch zwischendurch Gruppentreffen per Skype oder Zoom anberaumen. Das Treffen sollte auf keinen Fall gestört werden. Restaurants oder andere öffentliche Einrichtungen scheiden daher meistens aus. Am besten eignet sich ein separater Raum zu Hause, ein Büro oder ein Konferenzraum. Der Abstand zwischen den einzelnen Treffen sollte nicht zu groß sein, weil sonst der Schwung schnell verloren geht. Allerdings sollte dazwischen auch genügend Zeit liegen, damit die Teilnehmer die Erkenntnisse in die Praxis umsetzen können. Evtl. ist ein Rhythmus mit persönlichen Treffen alle drei bis sechs Monate und ein Online-Treffen alle vier bis acht Wochen ein guter Rhythmus für Unternehmer und Führungskräfte. Die Dauer der persönlichen Treffen kann einen ganzen Arbeitstag ausmachen, während die Online-Treffen auf 60 bis 90 min begrenzt sein sollten. Der Inhalt der Treffen sollte mindestens die Elemente „Wissensgeschenk“ und „Heißer Stuhl“ umfassen. Wissensgeschenke für die Kollegen Jeder Teilnehmer bringt eine Erkenntnis zum Treffen mit. Das kann ein einfacher Tipp für ein Buch sein, aber auch eine komplexere Erkenntnis oder die konkrete Erfahrung mit einem Dienstleister oder einem Produkt, das man den anderen Teilnehmern empfehlen möchte. So profitieren alle Teilnehmer der Gruppe von wichtigen Erkenntnissen und Lernfortschritten aller Teilnehmer. Die Lerngeschwindigkeit der Gruppe steigt. Eine andere Möglichkeit ist es, für jedes Treffen ein bestimmtes Thema festzulegen. Denkbar wäre, eine bestimmte Frage oder Aufgabenstellung zu nehmen, und alle Teilnehmer bereiten sich darauf vor, genau zu diesem Thema eine Lösung oder eine Idee zu präsentieren. Heißer Stuhl für mehr Klarheit Ein Teilnehmer spricht von seiner größten Herausforderung und stellt dazu eine konkrete Frage. Klärungsfragen sind erlaubt. Dann ist der Teilnehmer, der virtuell auf dem heißen Stuhl sitzt, still und macht sich Notizen zum Feedback, das er bekommt. Jedes der anderen Mitglieder gibt seine Gedanken, Empfehlungen, Warnungen, Lösungen oder Anregungen preis. Es wird im Moment nichts diskutiert oder breitgetreten. Sobald alle Rückmeldungen abgegeben wurden, erklärt der Teilnehmer auf dem heißen Stuhl, was er aus den Rückmeldungen gelernt hat und welches konkrete Ziel er bis zum folgenden Treffen in der Praxis umgesetzt haben will. Danach kommt das nächste Mitglied auf den heißen Stuhl.

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Erfolg durch die passenden Teilnehmer Die Qualität einer Mastermind-Gruppe hängt sehr stark von der Motivation und Disziplin der einzelnen Teilnehmer ab. Deshalb ist es extrem wichtig, dass alle Mitglieder hinter der Idee des Masterminds stehen. Eine gesunde Mischung unterschiedlicher Teilnehmer ist sinnvoll, solange alle eine gewisse Veränderungsbereitschaft und Offenheit mitbringen. Ich persönlich bin selbst Mitglied in mehreren Mastermind-Gruppen, die sich jeweils ein Thema vorgenommen haben. Eine deutschsprachige Organisation von MastermindGruppen, die sich auf Digitalisierung von Vertrieb und Marketing konzentriert findet man hier: https://stephanheinrich.co/leaderteam Reisebegleitung in die Digitalisierung Machen Sie sich jetzt auf den Weg. Dieses Buch soll Sie dabei unterstützen die ersten Schritte zu machen – gerade dann, wenn Sie im Moment das Gefühl haben, dass die Anforderungen der Digitalisierung ein undurchsichtiges Wirrwarr darstellen. Die Bestandsaufnahme in Kap. 11 soll Sie dabei unterstützen, die Prioritäten zu klären. Beginnen Sie mit Ihrem größten Defizit. Vor allem Webseite und CRM sind wichtige Plattformen, auf denen alles Weitere aufbaut. Im Zweifel beginnen Sie damit. Suchen Sie sich Gleichgesinnte, die Sie auf Ihrem Weg zu guten Prozessen in Vertrieb und Marketing unterstützen. Sich gegenseitig zu motivieren kann eine sehr große Hilfe sein, wenn unerwartete Schwierigkeiten oder Rückschläge das Leben schwer machen. Vielleicht begegnen wir uns auf der Reise irgendwann, irgendwo. Und wenn Sie mich persönlich ansprechen wollen, finden Sie mich jederzeit in der digitalen Welt. Stephan Heinrich im Dezember 2022 Literatur Hill N (1925) The law of success: the 16 secrets for achieving wealth & prosperity. Dover Publications, New York Hill N (1937) Think and grow rich. The Ralston Society, Cleveland