Adonaj - warum Gott "Herr" genannt wird 3161471938, 9783161471933, 9783161578281

Im Gefolge der Septuaginta-Übersetzung kyrios ('Herr') für den JHWH-Namen und der entsprechenden masoretischen

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Adonaj - warum Gott "Herr" genannt wird
 3161471938, 9783161471933, 9783161578281

Table of contents :
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Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung
I. Der Ersatz des Gottesnamens durch den Titel „Herr“
II. Die Septuaginta-Wiedergabe des Tetragramms durch κύριος
III. אׇדוֹן und אֲדֺנׇי: Forschungsgeschichte
IV. Adonaj: Gottesprädikat und Ersatzlesung. Zur Aufgabenstellung dieser Arbeit
2. Etymologie und Verwendung von אׇדוֹן und אֲדֺנׇי
I. Etymologie
II. Zur Erklärung der Form אֲדֺנׇי
III. ’dn/אדון als Bezeichnung für Menschen
a) adn/adt in Ugarit
b) Phönizisch ’dn und aramäisch mr’ als Bezeichnung für Menschen
c) אדן in außerbiblischen hebräischen Zeugnissen
d) אדון als Bezeichnung für Menschen in der Hebräischen Bibel
IV. ’dn-enthaltende Personennamen
a) Nichthebräische Personennamen mit ’dn
b) Hebräische Namen mit אדן
V. „Herr“ als Göttertitel außerhalb der biblischen Literatur
a) Ugarit
b) Phönizisch-punische Belege
c) Papyrus Amherst 63
d) JHWH als אדון
e) Aramäische und griechische Belege: Auf dem Weg zum Ersatz des Gottesnamens
f) Seitenblicke auf Quellen aus Babylonien, Persien, Kleinasien und Ägypten
g) Zusammenfassung
3. „Herr“ als Titel Gottes in den prophetischen Schriften
4. Amos
I. Vorkommen und Textkritik
a) Die hebräische Textüberlieferung
b) Die Septuaginta
c) Zur textkritischen Behandlung des אדני in Kommentaren
II. Der Sinn der Verwendung von אדני im Amosbuch
a) Forschungslage
b) Die Verwendung von אדני in den Visionen
c) Die Verwendung von אדני in den Völkersprüchen
d) Die restlichen Belege für אדני
e) Zusammenfassung
5. Hosea
6. Jesaja
I. Vorkommen von אׇדוֹן und אֲדֹנׇי
a) Vorkommen
b) Die Textüberlieferung
II. האדון יהוה צבאות in Jesaja 1–39
Exkurs: Die Bezeichnung JHWHs als König im Jesajabuch
III. אדני in Jesaja 1–39
a) Alleinstehendes אדני
b) (אדני יהוה (צבאות
c) אדני in prophetischen Redeformeln
Exkurs: Adonisgärtchen in Jes 17,10f.?
IV. Zusammenfassung zu Jes 1–39
V. אדני in Jes 40–55
VI. אדני in Jes 56–66
7. Micha
8. Zephanja
9. Jeremia
I. Vorkommen und Textkritik
II. Der Sinn der Verwendung von אדני im Jeremiabuch
a) Anreden an Gott
b) Prophetische Redeformeln
Exkurs: Adonis-Verehrung zu Zeiten Jojakims?
c) Zusammenfassung
10. Obadja
11. Habakuk
12. Ezechiel
I. Vorkommen und textliche Sicherung von אדני
a) Vorkommen und Verwendung
b) Das Problem der Septuaginta
c) Der Befund in Qumran
d) Targum Jonathan
II. Der Sinn der Verwendung von אדני im Ezechielbuch
a) אדני in der Anrufungsformel אֲהׇהּ אֲדֹנׇי
יְהוׅה
b) אדני in den Boten- und Gottesspruchformeln
c) Zur Funktion des Herrentitels
III. Folgerungen für literarkritische Analysen des Ezechielbuches
13. Sacharja
I. Protosacharja
a) אדני in Sach 1–8
b) אֲדוֹן כׇּל־הׇאׇרֶץ
II. Deuterosacharja
III. Zusammenfassung zum Sacharjabuch
14. Maleachi
15. Daniel
I. אדני
II. מרא
16. Zusammenfassung zu den prophetischen Büchern
17. „Herr“ als Titel Gottes in den historischen und poetischen Büchern
I. אׇדוֹן und אֲדֹנׇי in den historischen Büchern
a) אדני in Anreden an Gott
b) אדון und אדני in berichtenden Texten
c) Zusammenfassung zu den historischen Büchern
II. אׇדוֹן und אֲדֹנׇי in den poetischen Büchern
a) אדני und אדון im Psalter
Exkurs: Zum Problem des Elohistischen Psalters
b) אדני in den Klageliedern
c) אדני im Hiobbuch
d) Zusammenfassung zu den poetischen Büchern
18a
. אדני in den Texten aus Qumran
I. Gottesnamen in Qumran
a) Der Umgang mit dem heiligen Namen
b) Ersatzlesungen für das Tetragramm
c) Namen Gottes
II. אדוני in Qumran
a) Ersatz des Tetragramms
b) אדוני in freier Verwendung
c) אדון in freier Verwendung
d) Zusammenfassung zu אדוני
III. מרי/מרא
in den Texten aus Qumran
IV. Zusammenfassung
19. Ausblick: Gott und Christus als „Herr“ im Neuen Testament
20a. אדני – Warum Gott „Herr“ genannt wird
Verzeichnis der durchgängig benutzten Literatur
Stellenregister
Autorenregister
Sachregister

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Forschungen zum Alten Testament Herausgegeben von Bernd Janowski und Hermann Spieckermann

29

Martin Rosei

Adonaj warum Gott JcLerr' genannt wird

Mohr Siebeck

MARTIN RÖSEL, geboren 1961; 1980-87 Studium der evangelischen Theologie in Bonn und Hamburg; 1988-92 Wiss. Mitarbeiter an der Universität Hamburg; 1993 Promotion; seit 1993 Akademischer Rat an der Universität Rostock; 1999 Habilitation.

Die Deutsche Bibliothek -

CIP-Einheitsaufnahme

Rösel, Martin: Adonaj - warum Gott .Herr' genannt wird / Martin Rösel. (Forschungen zum Alten Testament ; 29) ISBN 3-16-147193-8

978-3-16-157828-1 Unveränderte eBook-Ausgabe 2019

© 2000 J. C. B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Guide-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier der Papierfabrik Niefern gedruckt und von der Großbuchbinderei Heinr. Koch in Tübingen gebunden. ISSN 0940-4155

Vorwort

Die hiermit vorgelegte Studie ist im Wintersemester 1998/99 vom Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg als Habilitationsschrift angenommen worden; für den Druck habe ich sie geringfügig überarbeitet. Dabei wurde nur in Ausnahmefallen Literatur nachgetragen, die nach dem Frühjahr 1998, dem Zeitpunkt der Abgabe, erschienen ist. Dieses Verfahren erschien vertretbar, da in der Zwischenzeit nur wenig publiziert wurde, was für die spezifische Fragestellung der Untersuchung neue Erkenntnisse gebracht hätte. Außerdem sollten weder der Umfang vergrößert, noch die angestrebte Lesbarkeit gefährdet werden. Für die Gutachten im Rahmen des Habilitationsverfahrens ist Prof. Dr. Dr. h.c. Klaus Koch, Prof. Dr. Hermann Spieckermann und Prof. Dr. Stefan Timm zu danken. Über die Aufnahme in die Reihe „Forschungen zum Alten Testament" durch Prof. Dr. Bernd Janowski und erneut Prof. Dr. Hermann Spieckermann habe ich mich sehr gefreut. Während der Ausarbeitung dieser Studie habe ich von vielerlei Seite Unterstützung und Ermutigung erfahren. Klaus Koch hat die Arbeit angeregt und ist ihr und mein beständiger, freundschaftlicher Begleiter gewesen. Im Hamburger Forschungskolloquium konnte ich mehrfach einzelne Teile der Kritik der Teilnehmer/innen aussetzen; die offene Diskussionsatmosphäre in dieser Gruppe war immer wohlwollend, anregend und hilfreich. In Rostock hat Dr. Rochus Leonhardt das Wachsen mit scharfem Sachverstand verfolgt; Dolly Preuß war bei der Literaturbeschaffung eine unverzichtbare Hilfe. Für die große Mühe des Korrekturlesens bin ich Anja Stadtland und Eva Winkelmann sehr dankbar. Im Frühjahr 1997 hatte ich die Ehre, die Grundthese der Untersuchung an der School of Theology in Claremont (Kalifornien) vorzutragen. Die gastfreundliche und zugleich dem gemeinsamen Forschen verpflichtete Atmosphäre, die ich dort erleben konnte, hat mich tief beeindruckt. Stellvertretend für die gesamte faculty sei Maijorie Suchocki und Marvin A. Sweeney an dieser Stelle gedankt. Endlich aber sollen die genannt werden, denen durch diese Arbeit am meisten zugemutet wurde: meine Frau Annette und unsere Söhne Jonas und Lukas. Ohne ihr liebevolles Wohlwollen und Verständnis für das Abtauchen in fremde Welten wäre die Studie nicht möglich gewesen. Rostock, im November 1999

Martin Rösel

Inhaltsverzeichnis

1. Einführung I. II. III. IV.

Der Ersatz des Gottesnamens durch den Titel „Herr" Die Septuaginta-Wiedergabe des Tetragramms durch KÜpvoi; ]ilX und , n i t : Forschungsgeschichte Adonaj: Gottesprädikat und Ersatzlesung. Zur Aufgabenstellung dieser Arbeit . .

2. Etymologie und Verwendung von fftK und I. Etymologie II. Zur Erklärung der Form III. ' ¿ n / p i N als Bezeichnung für Menschen a) adn/adt in Ugarit b) Phönizisch 'dn und aramäisch mr' als Bezeichnung für Menschen c) ]"tK in außerbiblischen hebräischen Zeugnissen d) ] n x als Bezeichnung für Menschen in der Hebräischen Bibel IV. '¿«-enthaltende Personennamen a) Nichthebräische Personennamen mit 'dn b) Hebräische Namen mit ]"!!< V. „Herr" als Göttertitel außerhalb der biblischen Literatur a) Ugarit b) Phönizisch-punische Belege c) Papyrus Amherst 63 d) JHWH als ]TtX e) Aramäische und griechische Belege: Auf dem Weg zum Ersatz des Gottesnamens f) Seitenblicke auf Quellen aus Baby lonien, Persien, Kleinasien und Ägypten . . g) Zusammenfassung

1 1 5 7 14

17 17 19 21 22 23 25 27 31 32 34 36 36 38 40 44 44 50 54

3. „Herr" als Titel Gottes in den prophetischen Schriften

56

4. Arnos

58

I.

Vorkommen und Textkritik a) Die hebräische Textüberlieferung

58 58

VIII

Inhaltsverzeichnis

b) Die Septuaginta c) Zur textkritischen Behandlung des "01K in Kommentaren II. Der Sinn der Verwendung von ^"tN im Amosbuch a) Forschungslage b) Die Verwendung von "OIX in den Visionen c) Die Verwendung von in den Völkersprüchen d) Die restlichen Belege für "OIN e) Zusammenfassung

59 61 62 62 63 68 69 75

5. Hosea

76

6. Jesaja

78

I.

Vorkommen von ]inK und

78

a) Vorkommen b) Die Textüberlieferung

78 79

II. rriK3S mir piNn in Jesaja 1-39

83

Exkurs: Die Bezeichnung JHWHs als König im Jesajabuch III. TIX in Jesaja 1-39 a) Alleinstehendes TIX

86 91 91

b) (msas) mrr TW c) , n x in prophetischen Redeformeln Exkurs: Adonisgärtchen in Jes 17,10f.? IV. Zusammenfassung zu Jes 1-39 V. TIN in Jes 40-55 VI. in Jes 56-66

102 104 107 109 111 119

7. Micha

125

8. Zephanja

128

9. Jeremia

131

I.

Vorkommen und Textkritik

II. Der Sinn der Verwendung von TtK im Jeremiabuch a) Anreden an Gott b) Prophetische Redeformeln Exkurs: Adonis-Verehrung zu Zeiten Jojakims? c) Zusammenfassung

10. Obadja

131 133 133 136 141 142

143

Inhaltsverzeichnis

IX

11. Habakuk

145

12. Ezechiel

147

I.

Vorkommen und textliche Sicherung von TIN

a) Vorkommen und Verwendung b) Das Problem der Septuaginta c) Der Befund in Qumran d) Targum Jonathan II. Der Sinn der Verwendung von ^"IK im Ezechielbuch a) "OIK in der Anrufungsformel rnrp ' n x rtnti b) , n s in den Boten- und Gottesspruchformeln c) Zur Funktion des Herrentitels III. Folgerungen für literarkritische Analysen des Ezechielbuches

13. Sachajja I.

Protosacharja a) in Sach 1-8 b) H ^ r r 1 » p i x II. Deuterosacharja III. Zusammenfassung zum Sacharjabuch

147 147 150 152 152 153 153 154 157 160

164 164 164 166 167 169

14. Maleachi

171

15. Daniel

174

I. 'HK

174

II. m n

175

16. Zusammenfassung zu den prophetischen Büchern

177

17. „Herr" als Titel Gottes in den historischen und poetischen Büchern . 181 I.

und -Onx in den historischen Büchem

a) TIN in Anreden an Gott b) p i X und 'HK in berichtenden Texten c) Zusammenfassung zu den historischen Büchern II. fTlN und in den poetischen Büchem a) "OIK und ]HN im Psalter Exkurs: Zum Problem des Elohistischen Psalters b) TIK in den Klageliedern

181 181 186 192 193 193 198 201

X

Inhaltsverzeichnis c) •'JIN im Hiobbuch

203

d) Zusammenfassung zu den poetischen Büchern

204

18. i nK in den Texten aus Qumran I.

206

Gottesnamen in Qumran

207

a) Der Umgang mit dem heiligen Namen

207

b) Ersatzlesungen für das Tetragramm

209

c) Namen Gottes

210

II. ^ H X in Qumran

211

a) Ersatz des Tetragramms

211

b) ''JHX in freier Verwendung

212

c) )HX in freier Verwendung

215

d) Zusammenfassung zu ^VIS

217

III. KID/"HD in den Texten aus Qumran

217

IV. Zusammenfassung

220

19. Ausblick: Gott und Christus als „Herr" im Neuen Testament

222

20. i n « - Warum Gott „Herr" genannt wird

227

Verzeichnis der durchgängig benutzten Literatur

231

Stellenregister

244

Autorenregister

251

Sachregister

255

1. Einfuhrung

I. Der Ersatz des Gottesnamens durch den Titel „H e r r " In seinem preisgekrönten Bestseller „Gott. Eine Biographie" notiert der katholische Theologe Jack Miles bei seinen Überlegungen zum zweiten Schöpfungsbericht, daß hier der Gottesname jahweh 'elohim (Gott der Herr) stehe. Er erläutert dann, daß die Wendung „der Herr", welche zur Wiedergabe des Eigennamens Gottes verwendet wird, „in Wirklichkeit eine Übersetzung des hebräischen Wortes edonaj, wörtlich »mein Herr«" sei1. J. Miles schließt sich im folgenden der Tradition an, das Tetragramm durchgängig mit „der Herr" wiederzugeben. Er nutzt aber die von den Texten vorgegebenen Benennungen „Gott" und „Herr" dazu, unterschiedliche Persönlichkeiten der einen göttlichen Gestalt darzustellen, deren Biographie er schreibt. Dabei bezeichne „Herr" die Seite Gottes, die stärker impulsiv handelt, „Gott" sei demgegenüber der ruhigere, überlegtere, den Menschen stärker zugewandte Aspekt im Handeln Gottes2. Mit dieser Differenzierung steht das Buch in einer langen Auslegungsgeschichte, die mit den frühesten Rezeptionsprozessen biblischer Texte begonnen hat. So wird, allerdings mit deutlich anderem Akzent, in der Genesis-Übersetzung der Septuaginta offenkundig zwischen Kupiot; als dem erbarmenden und 6 6eÖQ als dem strafenden Aspekt Gottes unterschieden3. Ähnlich haben die Rabbinen differenziert: „Wenn ich mich über meine Welt erbarme, werde ich YHWH genannt. ... Wenn ich die Geschöpfe richte, werde ich Elohim genannt."4 Philo von Alexandrien ist dagegen der erste bekannte Vertreter der von J. Miles gefolgten Deutung, wonach KUpioc; „der Herr" den herrschenden und ö 0eö13 iaVi • V I prn - • : 'anas • : • rnatoai TT:¡rnabp crta^ ni?o TIX DPX-P ••nm «SEI x'psn nrn-Dyn-riK N,Ssnt7 ^or ^an p1?29,14 nnnon raäa nrai vosn nnan rnatjn

Wieder wird (hier im Lagehinweis V. 13) verwendet, wenn es gegen die politischen Führer des Volkes geht, die in der Weissagung V. 14 als Weise (D'oan) und Kluge (cnaa) bezeichnet werden. Ihnen gegenüber wird Gott sich in dem angekündigten wunderbaren Geschehen als der eigentliche Herr erweisen. 30,20 Das letzte alleinstehende "OIX ist in dem gewiß späten Heilswort 30,18-26119 zu notieren. Doch der Text ist schwierig: Dem Volk, das auf dem Zion wohnt (V. 115 So O. KAISER, Grundriß der Einleitung, II, 41. Vgl. die ausgewogene Diskussion bei J. BARTHEL, Prophetenwort, 283f. Das auffällige 'JIK lenkt für ihn „den Blick auf eine zweite, 'metahistorische' Ebene, auf der Jahwe als Initiator des Unheils erscheint" (S. 288). 116

117

S o z . B . J . N . OSWALT, N I C , 5 0 7 .

U. BECKER, Jesaja, 228, erklärt 28,2 (und 4) für sekundär und stellt dann erstaunt fest, daß in dem verbleibenden jesajanischen Stück 28,1*.3 jeder direkte Hinweis auf Gott als Urheber des Gerichts fehlt, ohne zu überlegen, ob nicht er selbst diesen Hinweis entfernt hat. Nach R. KILIAN, Jesaja 13-39 (NEB), 158, ist dagegen das Stück 28,1-^J alt. " 8 Selbst von O. KAISER, Grundriß der Einleitung, II, 41; s. auch J. VERMEYLEN, Du Prophète Isaïe, 404f.; R. KILIAN, Jesaja 13-39 (NEB), 168. U. BECKER, Jesaja, 241-243, kommt auch hier zu dem Ergebnis, daß mit später Entstehung zu rechnen ist. 119 Dazu H. WILDBERGER, BK X/3, 1193f. Nach O.H. STECK, Der Abschluß der Prophetie im Alten Testament. Ein Versuch zur Frage der Vorgeschichte des Kanons, BThSt 17,1991,27, soll 30,18-26 erst bei der Schaffung des Komplexes Jes * 1-62 abgefaßt worden sein.

III. 'HX inJesaja

1-39

101

19), wird der Herr (V. 20) Brot der Not und Wasser der Bedrängnis geben: yr6 D'QI -is nnS •'nx ddS ]nri. V. 20a ist nach dem MT keine Heils-, sondern eine Unheilsweissagung, weshalb verschiedene Textveränderungen (s. BHS) bis hin zur Tilgung von 30,20a vorgeschlagen wurden120. Da zudem zwischen Anreden in der 2. Person Singular (V. 19.20b) und Plural (20a) gewechselt wird, scheint mir die Überlegung B. Duhms sinnvoll, daß der fragliche Vers aus einem anderen Zusammenhang eingedrungen ist121. Im jetzigen Zusammenhang stehen in der Ein- wie in der Ausleitung des Orakels in 30,18 und 26 das Tetragramm, TIK ist die einzige weitere Gottesbezeichnung, die, wenn sie nicht mit einem alten Orakel eingedrungen ist, möglicherweise wegen der Erwähnung des Zion verwendet wurde. Dies konnte auch an anderen Stellen beobachtet werden. 37,24

Abschließend sei auf den einzigen Text aus dem Anhang Kap. 36-39 hingewiesen, in dem von Gott als die Rede ist. Nach 37,22-29 ergeht ein Orakel Jesajas über Sanherib, in dem es V. 24 heißt, daß seine Knechte „meinen Herrn" geschmäht haben: ^"ix nann ^naif Ta 122 . Die parallele Stelle 2.Kön 19,23 hat ebenfalls "nx, liest aber T??1?? statt ^ "Di?. Herkunft und Alter des Stückes werden kaum zu klären sein123, doch die Zionsthematik (V. 22), die Bezeichnung Gottes als EiHp (V. 23) und der Hochmutsvorwurf stellen den Text gewiß in jesajanische Sprachtradition. Die auffallige Verwendung von als Objekt ist daher verständlich, zumal sie das Gegenüber von wahrem Herrn, fremdem König und dessen Knechten noch pointiert. Zusammenfassung

zu

alleinstehendem

Die Beobachtungen zum Gebrauch von alleinstehendem 'HN im Jesajabuch seien kurz gesammelt: Wie im Amosbuch ist festzuhalten, daß das Herrenprädikat offensichtlich zur Sprache der Visionsschilderung gehört. In Jes 6 wie in der „harten Schauung" Jes 21,1-10 dient es dazu, die Indienstnahme des Visionärs durch Gott auszudrücken, der Seher bekennt Gott als seinen Herrn. Die überwiegende Mehrzahl der sonstigen Belege steht in Unheilsansagen, von denen sich die meisten gegen Zion (3,17f.), einige auch gegen Jakob/Samaria wenden (9,7; 28,2). Häufig findet sich der Herrentitel auch bei Prophezeiungen gegen die Führer des Volkes (7,14; 9,16), so daß mit einem expliziten Gegensatz 120

So O. PROKSCH, K A T I X , 396; vgl. auch H. WlLDBERGER, BK X/3, 1190f. HK 111,1, 196f. Auch P. HÖFFKEN, N S K A T 18/1, 215f., löst V. 20a heraus, deutet ihn allerdings mit V. 25b auf die Katastrophe der Endzeit. Nach R. KILIAN, Jesaja 13-39 (NEB), 177, werden V. 1 9 + 2 0 Klagen der Zionsbewohner aufgegriffen. 122 Vgl. noch Ps 79,12, w o ebenfalls vom „Schmähen" Adonajs die Rede ist. 123 H. WlLDBERGER, Gottesnamen, 238f., Anm. 68, läßt eine Entscheidung offen, nach DERS., BK X/3, 1429, kann das Orakel nicht von Jesaja stammen. K. KOCH, Profeten I, 234, sieht Nähen zum Stil von Jes 7. Für U. BECKER, Jesaja, 30.40f., gehen diese Parallelen so weit, daß s.E. Jes 7 von 3 6 - 3 9 abhängig ist. 121

102

6. Jesaja

zwischen dem Herrn des Propheten und den falschen Herren des Volkes zu rechnen ist. Da alleinstehendes ^ i x in Texten steht, die trotz der Diskussionslage der gegenwärtigen Forschung als weitgehend unstrittig jesajanisch betrachtet werden können, vor allem 29,13 und 7,14; 8,7, wird das bei der Behandlung der ynxBelege gewonnene Bild gestützt: Die Verwendung des Herrentitels stellt ein Spezifikum der jesajanischen Botschaft dar. An einer Reihe von Stellen konnte zudem wieder wahrscheinlich gemacht werden, daß "Oix als „ mein Herr" zu verstehen ist, besonders in 6,1-11 und 7,14. b) (mxas)

mrr

^-in

Während in den anderen prophetischen Büchern in der überwiegenden Mehrzahl der Belege , n K mit dem Tetragramm verbunden ist, der Herrentitel also als Epitheton zum eigentlichen Namen steht, ist dies in den ersten Teilen des Jesajabuches eher selten der Fall. Außerhalb der Formeln finden sich nur sechs Stellen, 10,23; 22,5.12.14; 25,8 und 28,22. Dabei ergibt sich der auffällige Befund, daß nur in dem Text aus der sogenannten Apokalypse (25,8) die übliche zweigliedrige Wendung mir sonst aber zusätzlich nilOJS steht. Diese Stellen sind allesamt Unheilsansagen, fügen sich demnach auf den ersten Blick gut zu den bei alleinstehendem "OIK gemachten Beobachtungen. 10,23; 28,22 Die Verse 10,23 und 28,22 sind gemeinsam in den Blick zu nehmen, da in ihnen wortgleich davon die Rede ist, daß der/mein Herr JHWH Zebaoth Vertilgung und Beschlossenes über die ganze Erde bringen wird. Damit wird wohl die Ansage von 6,11 generalisiert124, die Verwendung von TlK mag ebenfalls von diesem Zusammenhang herrühren. Die seltene Formulierung nsnnin r t e findet sich sonst nur noch in Dan 9,27. Da auch der Kontext von 10,20ff. in der Regel als sehr jung angesehen wird, hat man in der älteren Froschung vermutet, daß 10,23 von dem älteren Vers 28,22 her formuliert sei125, die jüngere Forschung erklärt beide Stellen als nachexilische Fortschreibungen126. Da zumindest für 28,14-22* eine jesajanische Grundschrift anzunehmen ist127, sei demgegenüber überlegt, ob nicht 28,22 doch als älterer Text verstanden werden kann. Bereits H. Barth hat daraufhingewiesen, daß der Vers „ohne weiteres als Bestandteil der jesajanischen Einheit V7bff. gelten" kann128, wobei er

124

So R.E. CLEMENTS, NCBC, 115. Vgl. K. MARTI, Jesaja, 106f.; B. DUHM, HK 111,1, 78. 126 S. H. WILDBERGER, BK X/l, 413, und BK X/3, 1071.1080; W. WERNER, Eschatologische Texte, 111-116, zu 10,20-23. 127 So selbst O. KAISER, Grundriß der Einleitung, II, 41. Anders wiederum U. BECKER, Jesaja, 233. 128 Jesaja-Worte, 43. 125

III. 'HS inJesaja 1-39

103

allerdings das fiXiTbs'bs? am Schluß des Verses als „universale Ausweitung des Vernichtungsgeschehens" ausscheidet (S. 42). Hier kann jedoch angeführt werden, daß die Verbindung j n x r r b s vermutlich auf eine alte Tradition zurückgeht129; zudem findet sich Jes 6,3 die Aussage, daß die ganze Erde mit Gottes Herrlichkeit gefüllt ist, rn33 inNir 1 » f6a 130 , in diesem Vers findet sich ebenfalls der Gottes Macht betonende Kultname mN33. Es erscheint daher etwas voreilig, eine erst in später Zeit denkbare eschatologische Tendenz aus dieser Formulierung herauszulesen131. 22,1-14 Die anderen Belege für mX33 mrr 'HN in freier Verwendung finden sich in der Unheilsankündigung gegen Jerusalem 22,1-14. Es wird geweissagt, daß von Gott ein Tag des Getümmels und Zertretens und der Verwirrung kommt (V. 5), nixris rnrr rDinni noiDpi rrainp Di1; an jenem Tag wird Gott rufen, daß man weinen und klagen soll (V. 12): Kinn Di'3 n i x a s m i r Knp'l. Der Text wird in V. 14 durch rnrp 'HS "iöx abgeschlossen. Im selben Vers steht vorher, daß JHWH Zebaoth in meine Ohren offenbart habe (^Tip r6:m)132, daß es keine Vergebung geben werde. Andere als die zitierten Gottesbezeichnungen wurden in diesem Text nicht verwendet. Die Formulierung in V. 14b fehlt in der Septuginta ganz und wird daher in der Regel auch im MT getilgt133. Zwar könnte mit dem gleichen Recht auch angenommen werden, daß die Wendimg in der LXX fehlt, weil der folgende V. 15 mit niX33 rnrp "onx r e beginnt. Doch da im protojesajanischen Teil mrr ~inx in der Funktion als Schlußformel nur noch in 39,6 belegt ist, geht man wohl doch besser von einer Verlesung aus. Die in 22,5.12 verwendete Titulatur betont einmal mehr die Macht Gottes, der das angekündigte Verderben über Jerusalem und seine Bewohner bringen wird. Interessant ist auch die Beobachtung, daß sich besonders V. 12 in seinem Aufruf zu Bußübungen kultischer Sprache bedient134. So ist die Verwendung der Kultnamen Gottes leicht zu erklären. Der Abschnitt wird ganz oder teilweise als alter 129

Zu Ps 97,5; Jos 3,11.13 s. unten S. 189f. Auf den inhaltlichen Zusammenhang von Jes 6,3; 10,23 und 28,22 hat R. KNIERIM, Vocation, 67, aufmerksam gemacht. Ähnlich weist A.K. JENKINS, Development (s. oben Anm. 45), auf die universale Ausrichtung von 6,3 hin, die s.E. auch im Hintergrund der Völkerorakel steht. 131 Auch M.A. SWEENEY, FOTL XVI, 369, datiert V. 14-22 in die Zeit Hiskijas. 132 Bei A. EHRLICH, Randglossen zur hebräischen Bibel, IV, 1912,78f., findet sich der Vorschlag, "OlKa statt des "OtiO zu lesen, das davorstehende sei zum vorherigen Vers zu ziehen. Damit würde ein Schwursatz „bei dem Herrn JHVH der Heerscharen" entstehen, wie er auch in 5,9 als ursprünglich zu rekonstruieren sei (ebd., S. 20). Dagegen steht, daß m.W. der Schwuranfang oder ¡TliTa im AT nicht belegt ist, hinzu kommt die methodische Problematik, die Konjektur einer Stelle von der Rekonstruktion einer anderen her zu begründen. 133 S. B. DUHM, HK III, 1, 137, der Schlußsatz wirke „eher kläglich als feierlich"; H. WlLD130

BERGER, B K X / 2 , 8 0 9 . 134

S o H . WILDBERGER, B K X / 2 , 8 2 6 .

104

6. Jesaja

Text gewertet, wobei sich hinsichtlich V. 12 die Forscher einig sind135. Sollte V. 5 später sein, hätte sich der Redaktor einmal mehr am vorgegebenen Sprachgebrauch orientiert136. 25,8

Der letzte Beleg für mrp "OIN außerhalb geprägter Formeln findet sich in 25,8: D^a-bs byn n m i mrr ''jnx nnoi, die Tränen sollen von allen Gesichtern abgewischt werden. Dies ist die einzige Stelle innerhalb der Jesaja-Apokalypse, in der 'IIK verwendet wird, ansonsten stehen mrp (s. V. 8b. 10) oder miOS mrp (s. V. 6). Das Herrenprädikat paßt inhaltlich gut zu der Schilderung der uneingeschränkten Herrschaft Gottes, die sich über alle Völker und sogar den Tod erstreckt137; bei dem Siegesfest auf dem Zion wird er sich als Herr erweisen. Denkbar ist auch, daß "OIN auf Gebete zur Restitution Zions verweist. So ist Thr 2,18 die einzige andere Stelle, an der und nSJOT gemeinsam vorkommen; Klagen wie diese werden nun erhört. Der Überblick über die wenigen Stellen, an denen 'OIK in zusammengesetzten Gottesbezeichnungen außerhalb von Formeln begegnet, hat im wesentlichen das Bild bestätigt, das bei der Bearbeitung der "IHK-Texte und alleinstehendem "01K gewonnen werden konnte: Der Herrentitel steht vor allem dann, wenn Zion oder seinen politischen Führern Unheil angekündigt wird. Daher ist nur folgerichtig, daß dasselbe Prädikat später auch dann benutzt wurde, wenn Zion das endgültige Heil verheißen wird, dies konnte oben bereits in dem Textzusammenhang 1,24—26 beobachtet werden. c) ,nx in prophetischen Redeformeln In Jes 1-39 wurden die typischen Gattungen prophetischer Rede vergleichsweise selten benutzt138. So findet sich die ~iOK ro-Botenformel nur an insgesamt 12 Stellen139, von denen 7,7; 10,24; 21,6.16; 22,15; 28,16; 30,15140 mit "HX gebildet wurden. Von den 12 DtO-Gottesspruchformeln wurden 1,24 und 19,4 mit niK3X mrr ]riK formuliert, 3,15 mit TIN141. Nur in 21,6.16 findet sich allein135

S. K . KOCH, P r o f e t e n I, 2 0 3 ; H . WLLDBERGER, B K X / 2 , 8 1 2 . F ü r O . KAISER, A T D 18,

114, liegt jesajanischer Grundtext in lb—4 +12-14 vor, nach DERS., Grundriß der Einleitung, Ii, 42, sind in Kap. 22 Jesajaworte integriert, ohne daß diese genauer bezeichnet würden. J. VERMEYLEN, DU Prophète Isafe, 332-339, sieht den Grundbestand in lb-3.7.12-14. 136 R.E. CLEMENTS, The Prophecies of Isaiah and the Fall of Jerusalem in 587 B.C., VT 30, 1980,421^436, geht von einer zweistufigen Redaktion aus, deren erste in V. 5-8a zu finden ist. Sie orientiert sich im Sprachgebrauch (keine Prosa) enger an den älteren Stücken als die zweite (V. 8b-l 1). 137 S. zur Interpretation H. WILDBERGER, BK X/2, 966-968. 138 S. dazu den Überblick bei H. WlLDBERGER, BK X/3, 1702-1705. 139 Die Belege in Jes 36-39 werden hier nicht mitgezählt. 140 Die verbleibenden Stellen sind: 8,11; 18,4; 29,22; 30,12; 31,4. 141 Die restlichen Stellen sind: 14,22 (2x); 14,23; 17,3.6; 22,25; 30,1; 31,9; 37,34.

III. •'HS inJesaja

105

1-39

stehendes ^IK in einer solchen Formel, das oben S. 99 als nichtjesajanisch plausibel gemacht werden konnte. 3,15

Die Gottesspruchformel in 3,15 beschließt die in 3,1 begonnene Einheit, die mit rriK33 Hin1 ]i~it vg1- 37,13. In 12,5 wird die „ironisch hybride Frage"67 überheblicher Gegner zitiert: 131? f n x Ps 68,33 werden die Könige der Erde aufgefordert, "•ytK (