Achilleus, Coriolan und ihre Weggefährten: Ein Plädoyer für eine Behandlung des Achilleus-Zorns aus Sicht der vergleichenden Epenforschung 9783823364832, 3823364839

Das Buch versucht, die vor allem in der deutschsprachigen Homer-Philologie oft vertretene Position von der Einzigartigke

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Achilleus, Coriolan und ihre Weggefährten: Ein Plädoyer für eine Behandlung des Achilleus-Zorns aus Sicht der vergleichenden Epenforschung
 9783823364832, 3823364839

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1 Aufgabenstellung und Prämissen
2 Das Motiv des Heldenzorns in der nicht-griechischenTradition
2.1 Die Legende von Coriolan und ihre epischen Wurzeln
2.2 Die Parallelen zur Geschichte vom Zorn des Achilleus in der nichtgriechischenepischen Dichtung
3 Das Motiv des Heldenzorns in der griechischen epischenTradition
3.1 Die Herkunft des Motivs vom Zorn des Achilleus aus Sicht der Homer-Philologie des 20. Jahrhunderts
3.2 Die verschiedenen Zornmotive in der ‘Ilias’ und in der sonstigen Troja-Sage
3.3 Die Gewichtung der dargestellten Zeit in der Troja-Sage und die Fragenach dem chronographischen Epos
4 Das Motiv der Stadteroberung und der vorzeitige Tod desAchilleus
4.1 Achilleus als Stadteroberer
4.2 Das Motiv der Herbeiholung des überragenden Helden
4.3 Die Parallelen zwischen Achilleus und Neoptolemos
4.4 Der Tod des Achilleus vor Troja
5 Die Troja-Sage als Vereinigung mehrerer Helfermuster
5.1 Die unterschiedlichen Helfertypen und ihre Parallelen in der nichtgriechischenEpik
5.2 Die Vereinigung der verschiedenen Helfermuster
6 Schluss
6.1 Die Frage nach der Traditionalität des Patroklos
6.2 Die Funktion des Achilleus-Zorns in der vorhomerischen Troja-Sage
BIBLIOGRAPHIE
APPENDICES
INDICES

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CLASSICA MONACENSIA

Achilleus, Coriolan und ihre Weggefährten Ein Plädoyer für eine Behandlung des Achilleus-Zorns aus Sicht der vergleichenden Epenforschung

von Peter Grossardt

Gunter Narr Verlag Tübingen

Achilleus, Coriolan und ihre Weggefährten

CLASSICA MONACENSIA Münchener Studien zur Klassischen Philologie Herausgegeben von Niklas Holzberg und Martin Hose Band 36 · 2009

Peter Grossardt

Achilleus, Coriolan und ihre Weggefährten Ein Plädoyer für eine Behandlung des Achilleus-Zorns aus Sicht der vergleichenden Epenforschung

Gunter Narr Verlag Tübingen

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2009 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Werkdruckpapier. Internet: www.narr.de E-Mail: [email protected] Druck und Bindung: Laupp + Göbel, Nehren Printed in Germany ISSN 0941-4274 ISBN 978-3-8233-6483-2

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Vorwort Wie vielleicht manche andere wissenschaftliche Arbeit, so begann auch diese mit einer Fehlleistung ihres Verfassers. Als ich im Sommer 1995 in London mit einer Arbeit zu den Trugreden in der ‘Odyssee’ und ihren Parallelen in nichtgriechischen poetischen Traditionen befasst war, wurde ich auf verschiedene Arbeiten Albert Lords zum südslawischen Epos aufmerksam, bestellte aber in der British Library anstelle eines Artikels aus dem Jahre 1972 versehentlich einen nahezu vergessenen Artikel Lords aus dem Jahre 1969 und konnte zu meiner immensen Überraschung feststellen, dass sich in der klassischen Epensammlung des großen serbischen Folkloristen Vuk St. Karadi nicht nur Parallelen zum Heimkehrerplot der ‘Odyssee’ finden, sondern mit dem Lied von ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ auch eine Parallele zum Zornmuster der ‘Ilias’. Die Tragweite dieser von Albert Lord nur en passant vermittelten Beobachtung war mir sofort deutlich, und es war seither immer mein fester Wunsch, den Implikationen dieser Parallele einmal genauer nachzugehen. Als sich dann im Verlauf weiterer komparatistischer Arbeit mit der iranischen Geschichte von Rostam und Sohrab ein zweites nicht-griechisches Beispiel für Heldenzorn und Kampfboykott zeigte, bestand für mich kein Zweifel mehr, dass nun eine großflächige Suche nach weiteren Belegen oder Spuren dieses Handlungsmusters angezeigt war und dass eine systematische Auswertung dieses Materials erfolgen sollte, um abzuklären, wie wir uns die Funktion des Zornmotivs bei der Herausbildung der Troja-Sage am besten vorstellen können. Verschiedene andere, gerne ausgeführte Buchprojekte haben die Verwirklichung dieses Vorhabens dann doch um mehr als zehn Jahre verzögert, und auch meine Lebensumstände in den letzten Jahren ließen nur eine relativ geraffte Behandlung des Themas zu. Dass insbesondere die nicht-griechischen epischen Traditionen im folgenden recht summarisch behandelt sind und von mir zum Teil auch nur in Übersetzungen konsultiert wurden, liegt also nicht nur daran, dass die Arbeit trotz ihrem komparatistischen Ansatz in erster Linie für Klassische Philologen bestimmt ist, sondern begründet sich auch in sprachlichen Defiziten des Verfassers, deren Behebung die Durchführung des Projekts erneut um mehrere Jahre verzögert oder gar unmöglich gemacht hätte. Ich kann nur hoffen, dass ich die indischen, iranischen und irischen Traditionen dennoch im wesentlichen korrekt referiert habe und dass das hier entworfene Bild von der Vorgeschichte der ‘Ilias’ somit nicht von vornherein durch Verzerrungen beeinträchtigt ist. Die nunmehr der Öffentlichkeit vorgelegte Arbeit entstand in der großen Abgeschiedenheit und Stille der Bayerischen Akademie der Wissenschaften neben und nach einer anspruchsvollen lexikographischen Tätigkeit beim Thesaurus Linguae Latinae. Dennoch war München mit seinen reichen Bibliotheksbestän-

VIII den der ideale Arbeitsort für dieses Projekt, und es ist mir deshalb eine besondere Freude, dass das Buch nun in den ‘Classica Monacensia’ erscheinen kann und damit in einer Reihe, die den Namen der Isarmetropole schon in ihrem eigenen Titel trägt. Mein herzlicher Dank gilt daher den beiden Herausgebern, Professor N. Holzberg und Professor M. Hose, für die bereitwillige Aufnahme des Buchs in ihre Reihe und insbesondere Professor Hose für eine genaue Durchsicht des Manuskripts und für eine Reihe förderlicher Hinweise. Dass das Manuskript zuletzt in eine ansprechende Form gebracht werden konnte, verdankt sich dem Einsatz der Mitarbeiter des Verlags Narr, insbesondere Frau Chr. Esser und Herrn J. Freudl, die mir trotz zum Teil schwierigen Rahmenbedingungen immer die nötige Unterstützung zukommen ließen. Wenn diese Arbeit also über weite Strecken in einer gewissen Distanz zur universitären Welt entstand, so konnte das Buch doch immer wieder vom Kontakt mit dieser Welt und ihren Vertretern profitieren. Professor G. Danek (Wien) übermittelte mir eine unpublizierte deutsche Übertragung des genannten Lieds von Marko Kraljevi, die ich mit meinem eigenen Übersetzungsentwurf vergleichen konnte; Dr. J. F. Gaertner (Leipzig) war wiederholt dazu bereit, Fragen zur frührömischen Geschichte bzw. zu ihrer Darstellung in der römischen historiographischen Tradition mit mir zu besprechen; meine Münchner Latein-Studenten vom Wintersemester 2007/2008 arbeiteten mit mir das 2. Buch von Livius’ ‘Ab urbe condita’ durch und ließen mich damit manche These zum Wesen dieses Stücks Weltliteratur noch einmal überdenken; die Veranstalter der Metageitnia vom Januar 2008 in Konstanz gaben mir die Gelegenheit, einem kritischen Publikum meine Thesen zur epischen Prägung der Legende von Coriolan vorzutragen, und schließlich erlaubte mir Professor K. Sier kurz vor Abschluss des Manuskripts, mein Bild von der Entstehung der Troja-Sage den Hörern seiner Vorlesung zur ‘Ilias’ in Leipzig vorzustellen und mit ihnen zu diskutieren. Ihnen allen bin ich zu ebenso tiefem Dank verpflichtet wie Dr. U. Dubielzig (München), der das gesamte Manuskript einer akribischen Prüfung unterzog und mich mit heilsamer Kritik und hartnäckigen Fragen wiederholt dazu veranlasste, meinen Standpunkt zu modifizieren oder möglichst klar zu formulieren. Die Verantwortung für den gewählten Ansatz, für die Durchführung im Detail und vor allem für die Fehler, die meiner erwähnten ersten Fehlleistung gefolgt sein werden, liegt dennoch allein bei mir. Der Abschluss des Manuskripts erfolgte, von Korrekturarbeiten abgesehen, im Sommer 2008, weswegen auch die systematische Aufarbeitung der Forschungsliteratur zu diesem Zeitpunkt beendet wurde und Arbeiten, die nicht spätestens in Band 77 der ‘Année Philologique’ (2006) angezeigt waren, nur dann berücksichtigt werden konnten, wenn sie dem Verfasser aus anderer Quelle bekannt wurden. Nach 2008 erschienene Titel konnten in keinem Fall mehr verwertet werden. Konkrete Erläuterungen zur Anordnung der aufgenommenen Sekundärliteratur finden sich in der unten beigegebenen Bibliographie. Was die technischen Fragen zur Zitierweise antiker Autoren betrifft, so sind griechische Autoren

IX nach dem Abkürzungssystem des Wörterbuchs von H. G. Liddell und R. Scott zitiert, lateinische Autoren nach dem Index auctorum des Thesaurus Linguae Latinae. Die vereinfachte Transkription vor allem der iranischen und indischen Helden- und Götternamen ist der erwähnten klassisch-philologischen Ausrichtung der Arbeit geschuldet und sollte nicht als Respektlosigkeit gegenüber diesen alten Kulturen gewertet werden, die selbstverständlich ein eingehenderes Studium verdient hätten, als es im Rahmen dieser Arbeit gegeben werden konnte. Gewidmet sei das Buch meinen früheren Arbeitskollegen beim Thesaurus Linguae Latinae, die sich vielleicht wundern werden über den ‘un-lexikographischen’ Charakter dieser Studie, die aber dennoch den guten menschlichen Rahmen für meine Bemühungen gebildet haben.

Leipzig, Ende März 2009

Inhaltsverzeichnis 1.

Aufgabenstellung und Prämissen ...................................................

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2. Das Motiv des Heldenzorns in der nicht-griechischen Tradition .. 2.1. Die Legende von Coriolan und ihre epischen Wurzeln ................. 2.1.1. Die Tradition der Legende in der römischen Annalistik und die Angleichung Coriolans an Achilleus in der kaiserzeitlichen griechischen Prosa ................................................................................ 2.1.2. Der historische Hintergrund der Legende und ihre religionshistorische Verankerung ................................................................ 2.1.3. Die epischen Motive in der Legende von Coriolan ....................... 2.1.4. Das Motiv der dreifachen Bittgesandtschaft und die Frage nach dem Ursprung der Legende ............................................................ 2.2. Die Parallelen zur Geschichte vom Zorn des Achilleus in der nicht-griechischen epischen Dichtung ...........................................

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Das Motiv des Heldenzorns in der griechischen epischen Tradition .............................................................................................. 3.1. Die Herkunft des Motivs vom Zorn des Achilleus aus Sicht der Homer-Philologie des 20. Jahrhunderts ......................................... 3.2. Die verschiedenen Zornmotive in der ‘Ilias’ und in der sonstigen Troja-Sage ...................................................................................... 3.2.1. Die Zornszenen in der ‘Ilias’ ......................................................... 3.2.2. Die Zornszenen in der sonstigen Troja-Sage ................................. 3.3. Die Gewichtung der dargestellten Zeit in der Troja-Sage und die Frage nach dem chronographischen Epos .....................................

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3.

Das Motiv der Stadteroberung und der vorzeitige Tod des Achilleus ................................................................................................. 4.1. Achilleus als Stadteroberer ............................................................ 4.2. Das Motiv der Herbeiholung des überragenden Helden ................ 4.2.1. Das Motiv der Abholung verschiedener Helden in der Troja-Sage 4.2.2. Das Motiv der Abholung in nicht auf Troja bezogenen griechischen Sagen .................................................................................... 4.3. Die Parallelen zwischen Achilleus und Neoptolemos ................... 4.4. Der Tod des Achilleus vor Troja ...................................................

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4.

5. 5.1. 5.2.

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Die Troja-Sage als Vereinigung mehrerer Helfermuster ............... 91 Die unterschiedlichen Helfertypen und ihre Parallelen in der nicht-griechischen Epik ................................................................. 93 Die Vereinigung der verschiedenen Helfermuster ......................... 100

XII 6. 6.1. 6.2.

Schluss ........................................................................................... 108 Die Frage nach der Traditionalität des Patroklos ........................... 108 Die Funktion des Achilleus-Zorns in der vorhomerischen TrojaSage ................................................................................................ 112

Bibliographie 1. 2. 3. 3.1. 3.2. 3.3.

Abkürzungen für Wörterbücher, Handbücher und Fragmentsammlungen ................................................................................... Primärquellen (Ausgaben bzw. Übersetzungen der zitierten nicht-antiken Epen) ........................................................................ Sekundärliteratur ............................................................................ Literatur zur Legende von Coriolan, sonstige Literatur zur römischen Tradition .............................................................................. Literatur zur griechischen Tradition .............................................. Literatur zum indogermanischen und nahöstlichen Hintergrund und zur allgemeinen und vergleichenden Erzählforschung ...........

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Appendices 1. 2.

Das Lied von Marko Kraljevi und Mina von Kostur nach der Version von Vuk St. Karadi ....................................................... 141 Der Feldzug Markos gegen Arabien nach den dalmatinischen Versionen ....................................................................................... 145

Indices 1. 2. 3.

Namen mythologischer und historischer Personen ........................ 147 Griechische und lateinische Autoren ............................................. 150 Ikonographische Zeugnisse ............................................................ 159

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Aufgabenstellung und Prämissen

In der gräzistischen Forschungsliteratur wird gelegentlich die Einzigartigkeit der ‘Ilias’ bzw. des Motivs vom Zorn des Achilleus vertreten, zu dem sich keine Parallelen in anderen epischen Traditionen oder sonstigen traditionellen Erzählformen finden ließen 1. Der Zorn des Achilleus gilt dieser Forschungsrichtung demzufolge als freie Erfindung des Iliasdichters, als Erfindung eines Vorgängers, dessen Motive (im analytischen Sinne) in die erhaltene ‘Ilias’ eingegangen seien, als Motiv, das aus anderen Teilen der Troja-Sage auf die Endphase des Kriegs übertragen worden sei, oder als traditionelles, aber völlig untergeordnetes Motiv, das erst vom Iliasdichter in den Rang eines handlungstragenden Plots erhoben worden sei2. Eine ganz andere Position als diese unitarischen, analytischen und neoanalytischen Forschungszweige nimmt die (angelsächsische) oral-poetry-Forschung ein, die im Achilleus-Zorn ein traditionelles Motiv sieht, das auch in vorhomerischer Zeit bereits ganze Epen prägte und erfüllte. Diese letztgenannte Position kommt der Wahrheit m.E. näher als die zuvor umschriebene, wird aber von ihren Vertretern kaum näher begründet3, da die Traditionalität der homerischen Epen eine selbstverständliche Folge ihrer Mündlichkeit sei, die keines weiteren Nachweises bedürfe4. Somit handelt es sich um ein bloßes Postulat, das keine Überzeugungskraft besitzt für HomerInterpreten, die den Prämissen der oral-poetry-Forschung nicht Folge leisten und daher auch die davon abgeleiteten Schlüsse nicht akzeptieren werden. Die vorliegende Arbeit setzt sich somit zum Ziel, diesen fehlenden Beweis nachzuliefern 5 bzw. zu einem realistischeren Bild von der Funktion des Zornmotivs in der vorhomerischen Epik zu gelangen, als es die traditionelle Homer-Philologie geben konnte. Daher wird es zunächst darum gehen müssen, die nicht1

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So Reinhardt 1961, 20, Erbse 1983, 3, Griffin 1995, 134 und Edmunds 2002, 1 f. (implizit auch Radermacher 1915, 58 f., Sowa 1984, 100 und Fehling 1991, 45 f.; zur Position von Bowra 1952, 123 - 125 cf. unten Kap. 2.2 Anm. 132). Für die genaue Beschreibung dieser verschiedenen Positionen cf. unten Kap. 3.1. Für den Versuch, die These auf dem Weg der Namensanalyse zu erhärten, cf. unten Kap. 3.1; für den ebenfalls nicht problemfreien Versuch, die Traditionalität des Achilleus-Zorns über den Umweg des Paris-Zorns zu erweisen, cf. Walsh 2005, 197 - 201. So vor allem Nagy 1979 (S. 5: “The unity of a masterpiece like the Iliad may itself be the product of a lengthy evolution in the artistic streamlining of form and content.”; S. 48: “... that the quarrel of Achilles and Agamemnon in Iliad I is in all likelihood an equally traditional theme.”). Etwas anders Janko 1992, der in der ‘Ilias’ eine diktierte und damit ausgeweitete Form eines traditionellen Lieds vom Heldenzorn sieht (S. 38 und 106) und einen Ausgleich mit den Positionen der Neoanalyse versucht (S. 312 f.). Unbefriedigend ist auch eine Darstellung wie die von Griffin 1980a, 6 (= Griffin 2001, 8), der das Zornmotiv zu einem indogermanischen Grundmotiv erklärt, aber keine Belege dafür gibt, oder die von Edwards 2005, 304, der zwar ebenfalls von Parallelen für den Achilleus-Zorn spricht (“The central action of the plot, the withdrawal of the major hero from the battle ... is known in many cultures”), aber dann doch wieder nur auf den Zorn des Meleagros hinweist, der höchstwahrscheinlich erst vom Zorn des Achilleus abgeleitet ist.

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Aufgabenstellung

griechischen Beispiele für Heldenzorn aufzuzeigen und in ihren relevanten Einzelzügen zu diskutieren und dann in weiteren Schritten die daraus gewonnenen Erkenntnisse am griechischen Material zu erproben und damit ein in sich stimmiges Bild der Entwicklung der Troja-Sage in vorhomerischer Zeit zu erlangen. Die erste und wichtigste Grundvoraussetzung, auf der diese Arbeit beruht, ist die These, dass der griechische Mythos nicht nur traditionellen Stoff weitergibt, sondern sich auch zu weiten Teilen aus traditionellen Geschichtenmustern zusammensetzt. Diese Erkenntnis ergibt sich zuvorderst aus dem Vergleich mit anderen Erzähltraditionen, die dieselben Geschichtenmuster zu ihrem kulturellen Erbe zählen. So ist die Geschichte von der späten Heimkehr des Odysseus6, die auch in der Folge unser Paradebeispiel bleiben soll, durch eine Vielzahl von Heimkehrererzählungen aus nicht-griechischen Traditionen gestützt, die kaum von der ‘Odyssee’ abhängen können und damit den Nachweis liefern, dass das Muster nicht erst Erfindung des Odysseedichters oder seiner unmittelbaren (griechischen) Vorgänger war, und dass die Verbindung des Musters mit dem Namen und der Person des Odysseus somit sekundär ist7. Man findet in der Forschungsliteratur zwar auch gelegentlich die Gegenposition, d.h. dass die Parallelen zwischen der griechischen Tradition und den nicht-griechischen mittelalterlichen und neuzeitlichen Erzähltraditionen das Ergebnis einer Rezeption der griechischen Tradition durch die späteren Dichter seien. Namentlich Detlev Fehling hat diesen Forschungsansatz wiederholt verfolgt8. Doch sind die Entsprechungen zwischen der antiken und der nicht-antiken Tradition so zahlreich und betreffen häufig so entlegene Regionen, dass Fehlings These höchstens in Einzelfällen zutreffen kann und die generelle Einsicht über die Abhängigkeit des griechischen Mythos von vorgriechischen Erzählmustern nicht zu entwerten vermag 9. Ob dieses vorgriechische Substrat dann auch mit einer spezifisch indogermanischen Tradition gleichzusetzen ist, bleibt dabei prinzipiell offen. Für das Motiv des Heldenzorns bzw. für den Konflikt zwischen König und Held, liegt die Annahme relativ nahe, weil das Vergleichsmaterial dafür weitgehend aus dem indogermanischen Bereich stammt und weil Konflikte dieser Art sich gut in das hypothetische indogermanische Gesellschaftsmodell 6

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Zur Definition des Erzählmusters cf. Thompson, Motif-index N 681: “Husband (lover) arrives home just as wife (mistress) is to marry another”. Dies zum ersten Mal deutlich ausgesprochen von Radermacher 1915, 51, danach beispielsweise auch von Hölscher 1989, 32 - 34 und 51 f. und von Hansen 2002, 201 211. Cf. beispielsweise Fehling 1972, 1977 und 1991, 11 Anm. 21. Für eine grundsätzliche Kritik an Fehlings Forschungsansatz cf. Hansen 2002, 4 (mit Anm. 11) und 293 f. (für die spezifischere Frage nach dem Verhältnis zwischen der griechischen epischen Tradition und den nicht-griechischen Paralleltraditionen cf. unten Kap. 2.2). Für die dritte mögliche Erklärung der Parallelen, d.h. für die These der Polygenese, also der unabhängigen Entstehung aufgrund ähnlicher gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, cf. ebenfalls die Kritik von Hansen 2002, 4.

Aufgabenstellung

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fügen und zur dahinterstehenden Mentalität zu passen scheinen10. Doch zeigt wiederum die traditionelle Heimkehrererzählung, dass man hier vorsichtig sein sollte, weil dieser letztgenannte Geschichtentypus in nicht-indogermanischen Gesellschaften ebenso gut belegt ist wie in indogermanischen und daher auch gewandert sein muss, wenngleich die Vererbung vom indogermanischen Ursprungsvolk auf die Einzelnationen weiterhin ein denkbarer Übertragungsweg bleibt11. Wenn sich die Traditionalität von Erzählmustern also vornehmlich aus ihrer internationalen Verbreitung ergibt, so besteht dennoch ein zweiter Weg zu ihrem Nachweis im internen Studium der diversen nationalen Traditionen. Dies ist für bestimmte, gut dokumentierte Muster auch in der griechischen Tradition möglich 12, für die Heimkehrererzählung und für das Zornmuster jedoch eher schwierig, weil uns dafür im griechischen Bereich weitgehend die Kontrollmöglichkeit fehlt. Besser geeignet dafür sind Traditionen, die auch noch in der Neuzeit weiterexistierten, wie das mündliche südslawische Epos, und es war daher vor allem Albert Lord, der die Position entwickelte, dass im mündlichen Epos nicht nur Formeln und Einzelverse traditionellen Charakter haben, sondern auch typische Szenen und, was uns hier interessiert, ganze Geschichtenmuster13. Das Besondere dabei ist nun, dass solche Geschichtentypen wie die Hochzeitsgeschichten, die Rettungsgeschichten, die Heimkehrererzählungen und die

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Cf. den klassischen Rekonstruktionsversuch von Dumézil 1958, 7 - 33 mit der Unterteilung der indogermanischen Gesellschaft oder jedenfalls des indogermanischen Gesellschaftsmodells in die drei Klassen der Priester, Krieger und Landarbeiter (speziell zur Stellung des Königs in diesem Gesellschaftssystem cf. die S. 7 und 32 f.). Cf. die allgemeine Erörterung dieser Frage und die spezifische Anwendung der Methode auf die Heimkehrererzählung bei West 2007, 19 - 24 bzw. 438 - 440. Ein Beispiel dafür ist das Erzählmuster von der Rettung eines Ertrinkenden durch einen Delphin, wie es in der Erzählung von Arion und in anderen vergleichbaren Geschichten vorliegt (zusammengestellt und analysiert von Bowra 1963). Ein anderes Beispiel ist das Muster des Freierwettkampfs um die Hand einer Jungfrau und der Todesdrohung bei der zu erwartenden Niederlage, wie es schon in frühen Quellen für die böotische Atalante vorliegt (Hes. Frg. 72 - 76 M.-W.) und mit etwas anderer Akzentuierung für die Freier der Hippodameia (Pi. O. 1,67 - 88; Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 37; S. TrGF 4 F 471 - 477) und die der Marpessa (B Scholien zu Hom. Il. 9,557, III p. 412,3 - 17 Dind.; Scholien zu Pi. I. 4,92a, III p. 236,8 - 9 Drachm. [für die Übertragung des Musters von der Sage der Hippodameia auf die der Marpessa und für die mögliche Rolle des Bakchylides bei dieser Übertragung cf. Maehler 1997, 263 f.; generell zu den Motivübertragungen in der frühgriechischen Dichtung cf. Burgess 2006]). Lords Vorgänger Milman Parry hatte dem letztgenannten Aspekt nur vereinzelt Beachtung geschenkt; cf. Parry 1971, 336 und vor allem 449 f. (“the verses and the themes of the traditional song form a web in which the thought of the singer is completely enmeshed ... His major theme can be made up only of minor themes, his minor, only of lesser, and his lesser, only of the verses and phrases which he has heard from other singers”).

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Aufgabenstellung

Stadteroberungsgeschichten zwar gut definiert sind, dass sie aber häufig auch einen Überschneidungsbereich haben und somit ineinander übergehen können14. Ein etwas anderer Fall als diese aneinandergehängten Geschichtenmuster, die Lord beschreibt, ist die Einpassung eines Musters in ein anderes. Ein klassisches Beispiel dafür ist die Geschichte von der Suche des Telemachos nach seinem Vater in den ersten vier Büchern der ‘Odyssee’. Diese Erzählung wurde von vielen Gräzisten in der Blütezeit der Homer-Analyse als Fremdmaterial aus der ‘Odyssee’ ausgeschieden. Heute wird man kaum mehr zu einer solch radikalen Position neigen; doch dass in dieser Position ein Korn von Wahrheit steckt und dass sie sich nicht zufällig entwickelte, zeigt eben die vergleichende Epenforschung. Denn das Motiv der Selbstbehauptung eines jungen Mannes und seiner vergeblichen Vatersuche, wie von der Telemachie dargestellt, ist ebenfalls ein traditionelles Erzählmuster, das in der südslawischen Epik in unabhängiger Form vorliegt. Das Muster, vielleicht sogar in seiner Anwendung auf Telemachos, dürfte also auch in der griechischen Tradition zunächst unabhängige Form gehabt haben und wurde möglicherweise erst vom Odysseedichter in das bedeutendere Muster von der späten Heimkehr des Odysseus eingefügt15. Ein zweites Beispiel für die Einfügung einer an sich unabhängigen Erzählung in das Großepos ‘Odyssee’ ist die Geschichte von der Wanderung des Odysseus auf das Festland, vom mitgeführten Ruder und von dessen Verwechslung mit einer Worfschaufel, von Odysseus’ nachfolgenden Opfern für Poseidon und von seiner endgültigen Heimkehr nach Ithaka (Od. 11,121 - 137). Bei dieser Geschichte handelt es sich mit höchster Wahrscheinlichkeit um ein sehr altes volkstümliches Erzählmotiv, das seine Entsprechung in modernen griechischen und angelsächsischen Erzählungen von der Wanderung eines alten, müden Seemanns auf das Festland und von seiner definitiven Niederlassung weitab vom Meer findet. Dieses Motiv wurde aller Wahrscheinlichkeit nach erst vom Odysseedichter mit der Person des Odysseus verbunden und in den Kontext der ‘Odyssee’ eingebaut. Dabei kam es vor allem zu folgenden gravierenden Veränderungen: Die Geschichte, die sonst in der Form des rückwärtsgewandten Berichts erzählt wird, ist nun in die Form einer Prophezeiung des Teiresias gekleidet; und während die Erlebnisse des müden Seemanns, der mit seinem Ruder auf das Festland aufbricht, normalerweise eben tief im Binnenland ihr Ende finden, kehrt Odysseus nach seinem Opfer für Poseidon wieder nach Ithaka zurück 16. Interessant ist nun, wie die Erzählung vom Gang auf das Festland von der griechischen Mythologie in ziemlich genau der Form rezipiert wird, die der Odysseedichter ihr gegeben hatte. So zunächst im archaischen

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Lord 1960, 120 - 123. Für die selbständige Existenz des Suchermusters in der südslawischen Tradition cf. Bynum 1968, für die Einfügung in den größeren Zusammenhang des Heimkehrermusters cf. besonders Bynum S. 1302. Cf. die Analyse von Hansen 1990 und 2002, 371 - 378.

Aufgabenstellung

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Epos der ‘Telegonie’ 17 und dann im ‘Odysseus akanthoplex’ des Sophokles18. In diesen beiden Werken, die überhaupt als repräsentativ für die Behandlung dieses Motivs in der griechischen Literatur gelten können, ist das Rudermotiv zwar auf komplexe Weise in einen jeweils neuen Erzählzusammenhang eingefügt und tragisch reinterpretiert. Aber der eine Grundzug aus der homerischen ‘Odyssee’ bleibt erhalten, dass Odysseus eben von seiner Festlandwanderung wieder nach Ithaka zurückkommt, sein Leben also nicht im Binnenland beschließt, sondern auf der Heimatinsel. Das überragende Modell der ‘Odyssee’ hat also dafür gesorgt, dass im griechischen Erzählgut eine willkürliche Änderung sich verfestigte und nun ihrerseits traditionsbildend wurde. Mythen bzw. traditionelle Geschichtenmuster können also verändert werden, wenn ein bestimmter äußerer Anreiz in diese Richtung wirkt, und diese Änderung kann unter Umständen sogar dauerhaft werden, wenn eine Fassung von hoher Autorität dies so vorprägt. Häufig zeigt die ältere Mythenform dennoch eine gewisse Nachwirkung, indem ihre verdrängten Elemente in leicht veränderter Form anderswo wieder auftauchen. Dies lässt sich wieder besonders gut bei eingepassten Geschichten feststellen, so beispielsweise im Paradeigma von Niobe, wie es in der ‘Ilias’ in den Erzählzusammenhang der Auslösung Hektors, der Trauer seines Vaters Priamos und der Bewältigung dieser Trauer durch das gemeinsame Mahl von Achilleus und Priamos eingefügt ist (Il. 24,602 - 617). Niobe wird nach der üblichen Sagenform im Leid um ihre getöteten Kinder schnell versteinert19. In der Version der ‘Ilias’ dagegen war diese Fortsetzung der Geschichte unmöglich, weil im Kontext des vierundzwanzigsten Buches eine länger trauernde und zwischenzeitlich sogar wieder essende Niobe gebraucht wurde. Das Motiv der Versteinerung ist aber dennoch präsent, zum einen in der Versteinerung der Völker durch Zeus, was die lange Zeitdauer bis zur Bestattung erklären sollte (Il. 24,610 f.), und zum anderen in der schließlich doch noch erfolgten Versteinerung der Niobe (Il. 24,614 - 617). Es ist evident, dass hier für die Zwecke des mythologischen Paradeigmas ein traditionelles Motiv zunächst verdrängt wurde, dann aber an anderer Stelle doch wieder auftauchte20. Solche Prozesse sind aber nicht unbedingt nur auf Paradeigmata oder sonstige eingefügte Geschichten beschränkt, sondern können auch in selbständigen Erzählungen auftreten. So zeigt der homerische Demeter-Hymnos im Unterschied zu anderen lokalen Varianten der Geschichte eine Fortsetzung, in der Demeter auch nach Wiederfindung ihrer Tochter weiterhin zürnt und das

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Frg. 2 West sowie Procl. Chr. p. 102,8 - 9 Bern. und Apollod. Epit. 7,34 (cf. die Besprechung bei Grossardt 2003, 215 - 217, mit weiterer Literatur). TrGF 4 F 453 - 461a (cf. die Besprechung bei Grossardt 2003, 218 f.). Cf. beispielsweise Apollod. Bibl. 3,5,6 und Hyg. fab. 9,3. So richtig Willcock 1964, 142 (unter Hinweis auf Erkenntnisse, die Lord 1960, 97 anhand des mündlichen südslawischen Materials gewonnen hatte).

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Aufgabenstellung

Wachstum des Getreides unterbindet21. Zeus schickt darauf mehrere Gesandtschaften, die Demeter umstimmen sollen. Solche Zorngeschichten mit folgenden Bittgängen finden sich recht oft im Heldenmythos und wurden vielleicht erst von dort auf den Göttermythos übertragen. Typisch ist dabei eine Abfolge von drei Bittgesandtschaften, von denen erst die dritte erhört wird22. Der homerische Demeter-Hymnos folgt diesem Schema mit zwei gescheiterten Gesandtschaften der Iris bzw. eines Götterkollektivs (V. 314 - 324 bzw. 325 - 333). Danach folgt aber eine Abweichung in Gestalt des dritten Götterboten Hermes, der nicht zu Demeter, sondern in die Unterwelt geschickt wird und dort von Hades die zeitweilige Freilassung der Persephone erwirkt (V. 334 - 358). Erst danach gelangt eine dritte Gesandtschaft zu Demeter in Gestalt der Göttermutter Rhea, die nun ihre Tochter dazu bewegen kann, in den Kreis der Götter zurückzukehren und der Natur wieder ihr früheres Wachstum zu geben. Das typische Motiv der dritten erfolgreichen Gesandtschaft erfährt hier also eine Verzögerung, fällt aber dennoch nicht einfach weg und ist somit ein weiteres Beispiel für die Transposition traditioneller Erzählelemente. Wir werden unten vor allem in der Geschichte von Coriolan weitere Beispiele für solche Transpositionen kennenlernen. Ein weiterer Punkt, der sich an der Einpassung bestimmter Geschichten in einen größeren Erzählzusammenhang demonstrieren lässt, ist die Variabilität dieser Geschichten in Hinblick auf ihre Länge. So hat das Paradeigma von Meleagros mit einer Länge von etwa 70 Versen (Hom. Il. 9,529 - 599) eine beachtliche Ausdehnung, wie sie von kaum einem anderen homerischen Paradeigma erreicht wird. Dennoch sollte es wesentlich kürzer gewesen sein als die vorhomerischen mündlichen Epen von der Kalydonischen Jagd, für die wir eine Vielzahl von Einzelmotiven postulieren dürfen und damit sicher auch eine Länge von mehreren hundert Versen 23. Ähnliches gilt für die Erzählungen von Nestors Jugenderlebnissen im 11. Buch der ‘Ilias’ (V. 670 - 762), die zwar ebenfalls von beträchtlicher Länge sind, sich aber kaum messen konnten mit der echten peloponnesischen Epentradition, die wahrscheinlich hinter diesen Erzählungen stand24. Was für solche Paradeigmata oder Binnenerzählungen eine Selbstverständlichkeit ist, nämlich ihre Anpassung an den Kontext in Hinblick auf ihre Länge, lässt sich aber auch für selbständige Epen beobachten. Wiederum ist das Musterbeispiel die serbokroatische Epentradition, wo Feldstudien auch beim wiederholten Vortrag desselben Liedes durch denselben Sänger be21

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Nach der einfacheren lokalen Version der Erzählung hatte Triptolemos (oder Triptolemos zusammen mit seinem Bruder Eubuleus), ein attischer Königssohn, Demeter den Aufenthaltsort ihrer geraubten Tochter verraten und war dafür mit der Gabe des Ackerbaus belohnt worden (Paus. 1,14,2 - 3). Das Nachspiel der zürnenden Demeter, wie es der homerische Hymnos aufweist, entfällt damit. Cf. unten Kap. 2.2. Für die Rekonstruktion dieser mündlichen Epentradition cf. Grossardt 2001, 279 283. Zu dieser Tradition cf. zuletzt Vetta 2003.

Aufgabenstellung

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trächtliche Ausdehnungsunterschiede ergeben haben, die hauptsächlich durch die jeweiligen Umstände des Vortrags bedingt waren25. Diese Verformbarkeit der einzelnen Epen war dann auch die Voraussetzung für das bereits erwähnte Phänomen, dass mehrere Geschichtenmuster aneinandergeschlossen werden konnten und damit ganze Epenzyklen bildeten 26. Dieser Prozess muss in Griechenland schon lange vor der Entstehung von ‘Ilias’ und ‘Odyssee’ seinen Beginn genommen haben, weil beide Epen in verschiedensten Anspielungen auf einen komplett vorliegenden Zyklus der Troja-Sage hindeuten. Die Reaktion des einzelnen Sängers auf diese kulturelle Situation war dann die, sich einen Einstiegspunkt auszuwählen, von dem aus er einen bestimmten Handlungsausschnitt aus der Troja-Sage wiedererzählte. Beispiele für diese Technik sind das jeweilige Proömium von ‘Ilias’ und ‘Odyssee’, aber auch die Schilderung des Sängers Demodokos, der am der Hof der Phaiaken den Fall Trojas besingt, also nur gerade die letzte Phase des Trojanischen Kriegs, was mit einem entsprechenden Hinweis auf Demodokos’ Einstiegspunkt umschrieben ist (Hom. Od. 8,499 - 501: fai`ne d’ ajo idhvn, // e[nqen eJlwvn, wJ" oiJ me;n eju ssevlmwn ejpi; nhw`n // bavnte" ajpevpleion). Ein solches e[nqen eJlwvn weckt natürlich den Eindruck eines frei gewählten Handlungsausschnitts und war in den meisten Fällen wohl auch genau dies, der Ansatzpunkt für einen individuellen Vortrag. In gewissen Fällen kamen solche Formeln aber einer Täuschung gleich, weil die ‘Odyssee’ zwar in ihrem Proömium eine funktionsgleiche Formel benützt (1,10: tw`n aJmovq en ge, qeav, quvgater Diov", eijpe; kai; hJmi`n), wahrscheinlich aber gerade nicht an einem beliebigen Punkt der Handlung einsetzt, sondern an einem Punkt, der durch viele Vorgängerepen zu einem traditionellen Ausgangspunkt der Geschichte von der Heimkehr des Odysseus erhoben worden war. Denn der Dichter der homerischen ‘Odyssee’ verlieh zwar seinem Epos zweifellos eine sehr individuelle Gestalt und fügte beispielsweise, wie oben besprochen, das Muster von Telemachos’ Suche nach seinem Vater in sein Epos ein. Doch die Grobstruktur unserer ‘Odyssee’, die im zehnten Irrfahrtenjahr einsetzt und erst im Anschluss an Odysseus’ Fahrt von Kalypso zu den Phaiaken in einer eigentlichen Rückblende die vorangegangenen Abenteuer nachholt, dürfte traditionell gewesen sein. Diese Strukturierung mit einem kurzen Vorspann, einer ausführlichen Rückblende durch eine eingelegte Rede des zentralen Helden und einer anschließenden starken Konzentration auf den Moment der Heimkehr findet nämlich eine Vielzahl von Parallelen im südslawischen Heimkehrerlied und kann somit kaum individuelle Schöpfung des Odysseedichters gewesen sein 27. Die Formel tw`n aJmovq en ge weist somit auf einen nur scheinbar beliebigen Einstiegspunkt hin und deutet in Wahrheit darauf hin, dass der Odysseedichter durchaus in einer verbindlichen Tradition stand, 25 26

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Cf. Lord 1960, 113 - 119. Zur Herausbildung von epischen Zyklen cf. die (allerdings kritische) Darstellung von Foley 1999. So korrekt geschlossen von Danek 1996.

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Aufgabenstellung

die ihm diesen Beginn vorgab. Es wird Aufgabe dieser Studie sein zu prüfen, wie sehr das auch für die ‘Ilias’ gilt, also ob es vorhomerische Epen gab, die ebenfalls schon auf den Handlungsausschnitt des Zorns von Achilleus konzentriert waren. Die zweite Grundvoraussetzung dieser Arbeit, die in engem Zusammenhang mit der erstgenannten steht, ist die, dass die traditionellen Geschichtenmuster älter als ihre Verbindung mit einzelnen in die Weltliteratur eingegangenen Helden sind und dass dies dann erst recht für das Verhältnis zwischen den Mustern und bestimmten historischen Personen gilt, auf die die Muster appliziert wurden28. A. Lord hatte angenommen, dass es sich bei den überragenden Geschichtentypen im Kern um religiöse Motive handle, die ursprünglich das Schicksal von Göttern umschrieben hätten und erst allmählich im Zuge eines aufkommenden Rationalitätsbestrebens auf menschliche Gestalten bzw. historische Figuren übertragen worden seien 29. Diese Annahme ist möglich, aber keineswegs zwingend. Genauso gut denkbar ist, dass beispielsweise in der Geschichte vom abwesenden und erst im letzten Moment heimkehrenden Gatten eine menschliche Grundsituation bzw. männliche Urangst ihren Ausdruck gefunden hat. Was sich bei einer solchen Übertragung eines Geschichtenmusters auf einen bestimmten Helden beobachten lässt, ist ein Prozess der allmählichen historischen und geographischen Konkretisierung. Erneut kann die traditionelle Heimkehrererzählung als Modellfall dienen. Denn die Irrfahrten des Odysseus waren zunächst entweder nur im östlichen Mittelmeerraum angesiedelt gewesen30 oder in einem rein mythologischen Raum31. In nachhomerischer Zeit kam es dann aber im Zuge der allgemeinen Erschließung des westlichen Europa zu einer Verlegung der Irrfahrten in den westlichen Mittelmeerraum und zu einer Lokalisierung der einzelnen Irrfahrtenstationen in verschiedenen Gegenden Italiens32. Dasselbe lässt sich für das Nachspiel der Irrfahrten beobachten. Denn die zweite Reise des Odysseus war in vorhomerischer Zeit wohl einem zweiten Besuch der Unterwelt gewidmet gewesen 33 und wurde vom Odysseedichter, wie gezeigt, neu interpretiert als Gang auf das Festland mit einem Ruder. Die geographi28

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Für die Übertragung des Heimkehrermusters auf westeuropäische mittelalterliche Herrscher wie Karl den Großen und Herzog Heinrich von Braunschweig cf. Hölscher 1989, 49. Cf. Lord 1960, 120 und vor allem Lord 1972, 310 f. (Lord dachte dabei zur Hauptsache an die Vegetationsmythen vom sterbenden und wiederauferstehenden Gott, was er mit den Erzählmustern von der Abwesenheit und Rückkehr eines menschlichen Helden zusammenbrachte). Dies die bekannte These von Woodhouse 1930, 126 - 136 (zu einigen Qualifizierungen der These und ihrer moderneren Spielarten cf. Grossardt 1998, 37 - 43). In diese Richtung geht Danek 1998, 45, 155 und 200, der mindestens die Abenteuer mit Polyphemos, Aiolos und Kirke für traditionell hält, sie aber keinen realen geographischen Plätzen zuordnet. Cf. Robert 1921 - 1926, 1380 - 1397. Cf. die Diskussion bei Lord 1960, 182 - 185 und Grossardt 2003, 227 und 230 - 232.

Aufgabenstellung

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schen Angaben, die der Odysseedichter dabei macht, sind äußerst vage (23,267 f.: ejpei; mavla polla; brotw`n ejpi; a[ste’ a[nwgen [sc. Teiresias] // ejlqei`n). In der nachhomerischen Tradition wird diese Reise aber mit einem Gang auf das epirotische Festland gleichgesetzt, und die erwähnten a[stea werden mit Städten identifiziert wie Buneima, Trampya und Kelkea34, worin sicher einfach ein Versuch der jeweiligen (abgelegenen) Stadt zum Ausdruck kommt, Anschluss an den großen Heldenmythos zu finden 35. Es versteht sich fast von selbst, dass bei solchen Übernahmen eines unpersönlichen oder überpersönlichen Erzählmotivs in einen historischen Kontext die Geschichten oftmals erhebliche Änderungen erfuhren, die durch die sonstigen historischen Umstände bedingt waren36. Insbesondere in Rom, das einen entwickelten Mythos kaum kannte und die traditionellen Geschichten immer gleich historisierte37, ist mit einer stärkeren Verformung des jeweiligen Erzählmusters zu rechnen 38. Eine weitere Konsequenz dieser Feststellung über die Nachträglichkeit der Verbindung traditioneller Geschichtenmuster mit einzelnen Helden ist die, dass es nur in Ansätzen möglich ist, die Biographie eines griechischen Helden mit den Lebensläufen anderer epischer Helden in Deckung zu bringen. Gelegentlich sind solche Versuche zwar relativ aussichtsreich, wie etwa für das Verhältnis zwischen Achilleus und dem irischen Helden Cuchulainn, die ähnliche Kindheitserlebnisse mit frühen Heldentaten aufzuweisen haben und dann auch als Erwachsene vergleichbare Heldenrollen spielen39. Der Regelfall dürfte aber eher sein, dass nur je eine Lebensphase eines bestimmten Helden sich mit einer Lebensphase eines anderen Helden einigermaßen deckt. Dies liegt eben daran, dass die großen Epen auf traditionellen Erzählmustern aufbauen, die jeweils einen begrenzten Zeitraum behandeln, also auch nur eine bestimmte Phase im Leben eines Helden darstellen und dem jeweiligen Helden nur sekundär an34

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Lyc. Alex. 800 (mit den Scholien p. 252,13 - 16 Scheer); St. Byz. b 147 Bill.; Scholien zu Hom. Od. 11,122, p. 486,5 Dind.; Eust. zu Hom. Od. 11,120, I p. 402,27 - 28 Stallb. So zu Recht geschlossen von Malkin 1998, 150 - 155 (die Nachträglichkeit solcher Identifikationen zeigt sich unter anderem auch darin, dass es neben der epirotischen Lokalisierung des Rudermotivs auch eine arkadische gab [Paus. 8,44,4; cf. die Diskussion bei Grossardt 2003, 220]). Zu solchen Verformungen der “international folktale” bei ihrer Übernahme in einen historischen Zusammenhang cf. allgemein Hansen 2002, 15 f. Zum Problem der ‘Mythenlosigkeit’ Roms cf. Horsfall 1987 und Graf 1993. Für die Theorie G. Dumézils von der weitgehenden Erfindung der römischen Geschichte aus indogermanischen Mustern cf. die kritische Besprechung bei Cornell 1995, 77 - 79. Das folgende Kapitel zu Coriolan beruht also nicht auf der Grundannahme einer völligen Erfindung der Erzählung, sondern auf der These der Einpassung eines überlieferten Musters in einen realen historischen Kontext (sc. die Konflikte der Römer mit den Volskern und Latinern) und der damit verursachten Deformation des Erzählmusters. Zu den Parallelen im Lebenslauf von Achilleus und Cuchulainn cf. unten die Kap. 2.2 und 6.2.

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Aufgabenstellung

gehängt sind. Zwischen solchen Mustern sind offenbar fast beliebige Kombinationen möglich, wie beispielsweise der Fall des indischen Königs Rama zeigt, der eine Hochzeitsgeschichte mit Bogenprobe erlebt40, die ganz dem Muster der Heimkehr des Odysseus und seiner Bogenprobe und ‘wiederholten Hochzeit’ mit Penelope entspricht, der dann aber durch die Entführung seiner Frau Sita zum Sucher und Stadteroberer wird, also genau in die Rolle des Menelaos schlüpft41. Ein zweiter indischer Held, Arjuna, gewinnt seine Frau Draupadi ebenfalls auf dem Weg einer Bogenprobe42, ist also in dieser Hinsicht ebenfalls ein Doppelgänger des Odysseus, muss sich dann aber im großen Krieg der beiden Heldengeschlechter der Pandava und Kaurava seinem Bruder Yudhischthira unterordnen und gerät in ganz ähnliche Konflikte mit ihm wie Achilleus mit Agamemnon43. Man kann also nicht sagen, dass beispielsweise Rama und Odysseus auf denselben indogermanischen Helden zurückgehen und im Kern miteinander identisch sind. Eher zutreffend wäre die Aussage, dass Rama und Odysseus als zentrale Helden indogermanischer Nationen natürlich auch Züge altindogermanischer Heldentypen übernommen haben, dass es sich aber um je individuelle Heldenfiguren handelt, die erst in der jeweiligen Einzelnation Gestalt gefunden haben und dazu unterschiedliche indogermanische Heldencharakteristika kombiniert haben und wohl auch noch Eigenheiten oder Erlebnisse nicht-indogermanischer Helden an sich gezogen haben. Auch das Motiv vom Zug des Achilleus nach Troja und von seinem Kampfboykott sollte daher zur Hauptsache eben als dies behandelt werden, als Zorngeschichte, die nicht unbedingt in engster Verbindung stehen muss mit der Kindheitsgeschichte des Achilleus oder gar mit der anderer Helden44. Die dritte Grundvoraussetzung oder Prämisse, auf der diese Arbeit beruht, ist die Beobachtung der allgemeinen Erzählforschung, dass traditionelle Geschichtenmuster sehr leicht die literarische Gattung wechseln können, in der sie erscheinen (‘genre variance’). Die grundlegende Unterscheidung dabei ist die zwischen Legenden oder Mythen, also Erzählungen mit Wahrheitsanspruch, auf der einen Seite und folktales oder Märchen, also Erzählungen ohne solchen Anspruch, auf der anderen Seite. Einzelne Erzählungen können, wie gesagt, zwischen diesen Kategorien hin- und herwechseln, erleiden dann aber in der

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Ram. 1,66 (Goldman 1984, 250 - 252). Cf. unten Kap. 5.1. Mahabh. 1,176 - 182 (van Buitenen 1973, 347 - 358). Cf. unten Kap. 2.2. Problematisch daher der Versuch von Ahyan 2004, die gesamte Biographie des Achilleus mit der Ramas oder der Lanzelots und weiterer indogermanischer Helden in Übereinstimmung zu bringen. Dabei ist insbesondere vernachlässigt, dass Achilleus im Unterschied zu Rama eben nicht die Rückgewinnung der eigenen Frau anstrebt, sondern im Rahmen des Troja-Feldzugs eine klassische Helferrolle einnimmt (cf. unten die Kap. 4.1 und 5.1).

Aufgabenstellung

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Regel gewisse Änderungen in ihrer Präsentation45. Dasselbe gilt natürlich auf einer tieferen Stufe, denn für jede diese großen Kategorien gibt es wieder verschiedene Untergruppen. So gehören das Epos und die Geschichtsschreibung im Prinzip beide in die erste Kategorie, können aber dieselben Geschichten tradieren und tun das in ihrer jeweils eigenen Weise. Beispielsweise ist die römische Frühgeschichte bei den beiden Zeitgenossen Vergil (‘Aeneis’, Buch 7 - 12) und Livius (1,1 - 2) recht unterschiedlich behandelt, sowohl im Erzählstil wie in der Auswahl der dargestellten Ereignisse. Auch das Phänomen des griechischen Mythenrationalismus könnte man daher letztlich unter diesem Gesichtspunkt erklären. Von unmittelbarer Relevanz für die folgende Arbeit zum Zorn des Achilleus ist dabei, dass manche der großen griechischen Mythen als entwickeltere Formen einfacher Geschichtentypen angesehen werden können, also den angesprochenen Schritt von folktale zu legend getan haben. So ist die Geschichte vom Zug der Argonauten nach Kolchis in ihren Grundzügen eine typische Suchergeschichte46, und die Geschichte von der Heimkehr des Odysseus ist eine hochdifferenzierte Weiterentwicklung der einfachen Heimkehrergeschichte, wie sie in Märchen, Lokalsage oder Ballade vorliegt47. Was uns dabei besonders interessiert, ist die Tatsache, dass die Personenkonstellation der jeweiligen Erzählung von solchen Gattungswechseln im Kern unberührt bleibt. Einem Heimkehrer stehen also im wesentlichen seine Frau und sein Rivale oder seine Rivalen gegenüber, wozu dann häufig noch seine Familienangehörigen wie seine Mutter (oder sein alter Vater), seine Schwester und sein minderjähriger Sohn hinzutreten. Ebenfalls konstant sind die Figuren der Helfer. Unter diesen ragt in der Heimkehrergeschichte häufig die Figur des Dienstmanns hervor, der dem Heimkehrer in einiger Entfernung von seinem Haus oder Palast die erste Einkehr gewährt und ihn damit bei der endgültigen Regelung seiner häuslichen Verhältnisse unterstützt48. Es wird im folgenden unsere These sein, dass auch die Troja-Sage solche Helferfiguren kennt, und dass die Funktion dieser Figuren im Prinzip dieselbe geblieben ist von den ersten Anfängen der Troja-Sage an bis zu ihrer höchsten Entwicklungsstufe im Epos der geometrischen Zeit. Ein verwandter Gesichtspunkt der allgemeinen Erzählforschung ist der, dass es sich nicht als sinnvoll erwiesen hat, das Studium mündlicher Erzählformen

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Cf. Hansen 2002, 8 f. und 16. Cf. Miller 2000, 169 f. und Hansen 2002, 154 - 157. Theoretisch begründet und im einzelnen ausgeführt von Hölscher 1989, 25 - 34 (cf. außerdem die Einführung von A. Dundes zu Propp 1968, XIV, wo darauf hingewiesen ist, dass die Einzelmotive der Heimkehr des Odysseus den Funktionen 23 bis 31 von Propps Analyse des russischen Zaubermärchens entsprechen). Cf. Hölscher 1989, 187, der auf die Figur des Eumaios und auf zahlreiche parallele Figuren im deutschen und russischen Märchen hinweist.

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Aufgabenstellung

völlig zu isolieren von der Betrachtung schriftgebundener Dichtung49. Insbesondere in der epischen Dichtung lassen sich Werke, die sicher auf mündlichem Wege entstanden sind (wie beispielsweise die phonographisch aufgezeichneten südslawischen Epen), nicht definitiv trennen von Werken, für die eine Niederlegung mit Hilfe der Schrift ebenso gut denkbar ist wie eine längere mündliche Tradierung oder das persönliche Diktat durch den Dichter (der für die HomerPhilologie typische Zweifel50), oder für die gar die schnelle schriftliche Niederlegung durch den Dichter als gesichert gelten kann (wie z.B. für das mittelalterliche spanische Epos von El Cid). Wenn diese Werke nämlich in einem Kontext entstanden sind, in dem die traditionelle mündliche Epik noch lebendig war, so werden sie unweigerlich von dieser Dichtungstradition beeinflusst sein, auch wenn der einzelne Dichter vielleicht bereits den Übergang zur Schriftlichkeit vollzogen hat. Dies gilt für den poetischen Duktus, also für solche Bereiche wie die Metrik, die Formelnsprache und die stehenden Beiwörter, aber auch – in unserem Kontext entscheidend – für die traditionellen Geschichtenmuster, die in die ambitionierten Großepen der Übergangszeit zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit eingegangen sind. Das vierte grundlegende Prinzip dieser Arbeit (das aber eher ein Resultat als eine Prämisse sein soll) besteht darin, dass die traditionelle Homer-Philologie und die vergleichende Epenforschung einander ergänzen und daher zusammen ausgeübt werden sollten 51. Inbesondere Wolfgang Kullmann zog solche Bemühungen in Zweifel und unternahm in einem Rückblick auf die Forschungsrichtung der Neoanalyse eine strikte Scheidung zwischen der Neoanalyse oder motivgeschichtlichen Forschung auf der einen Seite und Fragen nach der Ursprungsform der Erzählung vom Trojanischen Krieg auf der anderen Seite und grenzte sich damit auch von der komparatistischen Forschung Uvo Hölschers ab, der aus dem Vergleich mit nicht-griechischen Suchergeschichten und Heimkehrererzählungen märchenartige Vorstufen von ‘Ilias’ und ‘Odyssee’ er49

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Cf. für das Folgende Foley 1990, 1 - 10, der die Unterscheidung zwischen oral text und oral-derived text vornimmt, aber festhält, dass die beiden Gruppen zusammen studiert werden sollten. Der Verfasser dieser Arbeit neigt zur konventionellen These einer schriftlichen Niederlegung der ‘Ilias’ durch ihren Dichter im späteren 8. oder allenfalls im früheren 7. Jahrhundert (womit sich auch die Form des monumentalen Großepos erklärt). Wie oben im Text erläutert, ist es aber für die vorliegende Studie ohne entscheidende Bedeutung, ob das Epos durch die persönliche schriftliche Fixierung oder durch ein Diktat des Dichters definitive Form fand. Jedenfalls ist die folgende Untersuchung, obwohl sie das Motiv vom Zorn des Achilleus ebenfalls als traditionell betrachtet, nicht als Stützung der These von G. Nagy (1992; 1996, 105 - 206) gedacht, wonach unsere ‘Ilias’ sich keinem individuellen Dichter verdankt, sondern erst allmählich durch einen überpersönlichen Prozess der Kristallisation ihre Gestalt erhielt (für Kritik an dieser These cf. beispielsweise Janko 1998 und Finkelberg 2000). Für eine Einführung in das Arbeitsgebiet der vergleichenden Epenforschung cf. Foley 2005.

Aufgabenstellung

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schlossen hatte. Nur die erstgenannte Forschungsrichtung, die sich auf die wenigstens in Fragmentform erhaltenen Kyklischen Epen stütze, sei eine tragfähige Grundlage für sichere Schlüsse, alles andere sei Spekulation52. Diese Trennung, die Kullmann vornimmt, ist sicher vernünftig, soweit damit ein klares methodisches Bewusstsein für unterschiedliche Forschungsansätze gemeint ist. Doch verbaut sich Kullmanns Beschränkung auf die eine Forschungsrichtung der Neoanalyse ihrerseits nun wieder den Weg zu weitergehenden Einsichten. Die richtige Herangehensweise ergibt sich vielmehr aus der Erkenntnis, dass für die Rekonstruktion vorliterarischer Mythenvarianten mutatis mutandis dasselbe gilt wie für die Rekonstruktion verlorener oder fragmentarischer literarischer Werke, also beispielsweise die Rekonstruktion verlorener klassischer Dramen. Die Rekonstruktion solcher Varianten bzw. Werke geschieht auf dem Weg der Hypothesenbildung, ist also stets legitim, ist aber auch jederzeit der Kritik und Verbesserung verpflichtet53. Was nun die vergleichende Epenforschung betrifft, also die Heranziehung nicht-griechischer literarischer Werke, so bietet sie eine wichtige Ergänzung und Kontrolle zu neoanalytischen Forschungsbemühungen. Denn wenn es sich zeigen lässt, dass die homerischen Epen Motivparallelen haben mit nicht-griechischen Epen und dass gegenseitige Abhängigkeit so gut wie ausgeschlossen ist, dann ist damit die Traditionalität des jeweiligen Motivs bewiesen 54. Auch vorhomerische Versionen der TrojaSage oder der Heimkehr des Odysseus stehen damit in dieser Tradition, und es wäre zumindest gefährlich, vorhomerische Mythenvarianten zu rekonstruieren, 52

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Kullmann 1992, 131 (“Ein Charakteristikum der neoanalytischen, motivgeschichtlichen Betrachtungsweise ist die strikte Beschränkung der Fragestellung auf Motive, die der den homerischen Epen unmittelbar voraufgehenden Erzählstufe angehören.”) und 133 (“Es erscheint sinnvoll, Spekulationen, die über diese Vermutungen hinausgehen, methodisch von der ‘neoanalytischen’ Betrachtungsweise streng zu unterscheiden.”). Cf. die von C. W. Müller vertretenen methodischen Prinzipien zur Frage der Wiederherstellung verlorener Tragödien (Müller 2000, 22 f.: “Den gleichen methodischen Prämissen [sc. wie sonstige historische Forschung, der Verf.] des hermeneutischen Zirkels unterliegt die Rekonstruktion eines literarischen Kunstwerks. Die Annäherung an das Original stellt sich als eine Abfolge konkurrierender Deutungsangebote dar. Die Entscheidung fällt nach Maßgabe des historisch Wahrscheinlichen, der Menge der abgedeckten Phänomene und der inneren Stimmigkeit des hergestellten Relationsgefüges der rezeptionsgeschichtlichen Befunde. Rekonstruktionen des Verlorenen verstehen sich als Sinnentwürfe, die offen sind für Modifizierung und Widerlegung.”). Cf. beispielsweise das Motiv der Prophezeiung an Odysseus, er werde ein langes Leben führen und einen späten sanften Tod sterben (Hom. Od. 11,134 - 137). Diese Prophezeiung in der Unterwelt findet Parallelen in altägyptischen und sogar nordamerikanischen Heimkehrererzählungen und war damit sicher traditionell. Die alternative Erzählung vom Tod des Odysseus durch den Speer seines Sohnes Telegonos war damit erst nachhomerische Ausprägung oder war, falls sie doch schon in vorhomerischer Zeit aufkam, Teil eines separaten Erzählmusters, das nicht mit der traditionellen Heimkehrererzählung verbunden war (näher ausgeführt in Grossardt 2003, 223 - 230).

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Aufgabenstellung

die dieser Tradition zuwiderlaufen 55. Es gibt also zwei Möglichkeiten zur ‘Füllung’ des ‘leeren Raums’ der mykenischen und der dunklen Jahrhunderte bzw. ihrer poetischen Traditionen, den Weg der Komparatistik und den Weg der Rückprojektion aus der schriftlich dokumentierten griechischen Tradition. Erst wenn es gelingt, mit diesen beiden Methoden ohne Verzerrung der überlieferten Dokumente ungefähr zum selben Resultat zu kommen, können wir einigermaßen sicher sein, dass unsere Rekonstruktion der vorhomerischen griechischen Mythenversionen korrekt ist. Die vergleichende Epenforschung kann somit mithelfen, bestimmte Fragen zu klären, die in der traditionellen HomerForschung umstritten sind und bei der reinen Beschränkung auf das griechische Material offenbar nicht zu entscheiden sind 56. Die Aufgabe wird es im folgenden also sein müssen, die vorliegenden Thesen zur Herkunft des Achilleus-Zorns bzw. überhaupt zur Herausbildung der TrojaSage einer Kritik zu unterziehen und durch ein neues plausibleres Modell zu ersetzen. Die Konzentration der Studie liegt somit auf dem diachronischen Aspekt und nicht auf dem synchronischen, weswegen auch die konkrete Gestaltung der Zornhandlung in der ‘Ilias’ 57 nicht Thema der Arbeit sein soll. Umgekehrt möchte die Untersuchung aber den einigermaßen festen Boden der Erforschung der traditionellen Geschichtenmuster nicht verlassen und verzichtet daher auf den Versuch einer Abklärung von Achilleus’ ‘ursprünglicher’ Identität, also auf eine Entscheidung der Frage, ob Achilleus nun ein alter Wassergott war 58, ein ehemaliger Totengott59 oder gar eine historische Person 60. Die Möglichkeit besteht sowieso, dass keine dieser Thesen korrekt ist, und dass Achilleus von Anfang an als Heros fungierte, der in der für Griechenland typischen Form im epischen Lied und in der religiösen Praxis an bestimmten Kultzentren seine Verherrlichung und Verehrung fand. Der Schwerpunkt der folgenden Darstellung soll also, wie gesagt, auf den traditionellen Geschichtenmustern liegen, weswegen ein Ausgreifen auf das nicht-griechische Material immer wieder nötig sein wird und die Studie überhaupt mit der römischen Geschichte von Coriolan beginnen soll. 55

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So ist das Motiv des Traums der Penelope in Hom. Od. 19,535 - 553 durch enge Parallelen im usbekischen Epos von Alpamisch als traditionell erwiesen. Die Position, dass der Traum lediglich Erfindung der Penelope sei zur Provokation ihres Mannes, ist damit nicht mehr vertretbar; cf. Grossardt 2006b (bes. S. 36 Anm. 54). Cf. beispielsweise die unten in Kap. 6.1 berührte Frage nach der Traditionalität der Figur des Patroklos. Für die Darstellung des Achilleus-Zorns in der ‘Ilias’ cf. die neueren Arbeiten von Zanker 1994, Latacz 1995, 28 - 65, Muellner 1996, Baudy 1998, 33 - 42, Austin 1999, 18 - 32, Wilson 2002, Cairns 2003, 46 - 48, Most 2003, Kuhn 2005, Walsh 2005 (bes. S. 187 - 196), Crespo 2006 und Rinon 2008. So die These von Fontenrose 1960, 210 und 256 (zu älteren naturmythologischen Deutungen cf. Escher 1894, 222). So die alternative These von Hommel 1980. Dies vertreten von Page 1959, 254.

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Das Motiv des Heldenzorns in der nicht-griechischen Tradition “Wo gibt es sonst grollende Helden?” (Karl Reinhardt, Die Ilias und ihr Dichter, S. 20)

Der erste Weg, um die These von der Erfindung des Zornmotivs durch den Iliasdichter oder einen unmittelbaren Vorgänger zu entkräften, ist das Studium verwandter Motive in nicht-griechischen Traditionen. Die Motive vom Heldenzorn bzw. von der Absonderung des großen Einzelnen von seiner Gemeinschaft und die daraus resultierenden Motive der (wiederholten) Bittgesandtschaft und der schließlichen Versöhnung und Wiedereingliederung des Helden sind nämlich keineswegs so singulär, wie in der Klassischen Philologie zumeist angenommen wird 1. Bei einem solchen Studium der nicht-griechischen epischen Traditionen stößt man auf einige genaue Parallelen zum Zorn des Achilleus wie beispielsweise auf die Geschichte des serbischen Helden Marko Kraljevi oder auf die des iranischen Nationalhelden Rostam. Andere Traditionen weisen etwas andere Muster auf, stehen aber in gewissen zentralen Punkten durchaus in Übereinstimmung mit dem Muster des Achilleus-Zorns und lassen sich vielleicht sogar auf dieses grundlegende Muster zurückführen. Um einen solchen Fall einer Teilparallele zum Achilleus-Zorn handelt es sich bei der Legende von Coriolan. Unabhängig von der Frage, ob hinter der Geschichte vom Kampf Coriolans gegen seine Vaterstadt in letzter Instanz das klassische Muster des Kampfboykotts steht, weist die römische Tradition vom abtrünnigen Senator nämlich zahlreiche Analogien auf mit der traditionellen Darstellung vom Schicksal des Achilleus, die kaum nur das Resultat eines Kulturtransfers von Griechenland nach Rom sein können. Eine solche Angleichung des einen Helden an den anderen fand zwar statt, doch handelte es sich dabei, wie wir gleich sehen werden, um ein spätes Phänomen, das lediglich noch zu einer stärkeren Profilierung vorgegebener Sagenzüge führte. Die Legende von Coriolan soll an dieser Stelle also in paradigmatischer Weise genauer analysiert und auf ihre altepischen Wurzeln zurückgeführt werden. Ein anschließender Überblick über die verwandten Motive in anderen epischen Traditionen soll dann einen weiteren Schritt leisten zur Integration des Achilleus-Zorns in die vergleichende Erzählforschung.

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Diese Position scheint das Resultat einer beinahe absichtlichen ‘splendid isolation’ zu sein. In der Fachliteratur zu den nicht-griechischen Traditionen finden sich nämlich durchaus immer wieder Hinweise zu den Parallelen zwischen Achilleus und den Helden der sonstigen indogermanischen Traditionen.

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Nicht-griechische Traditionen

2.1

Die Legende von Coriolan und ihre epischen Wurzeln

2.1.1 Die Tradition der Legende in der römischen Annalistik und die Angleichung Coriolans an Achilleus in der kaiserzeitlichen griechischen Prosa Aus der römischen Annalistik und ihrer Darstellung der Frühgeschichte der Republik ragt die Erzählung von Gnaeus Marcius Coriolanus heraus, der, von patrizischer Abkunft, sich gegen die Ansprüche der Plebs stellte, deswegen in die Verbannung gehen musste, zusammen mit seinen neuen volskischen Verbündeten Rom mit Krieg überzog, sich auch durch zwei Gesandtschaften von römischen Staatsrepräsentanten und Priestern nicht von seinem Zorn bzw. von seinen Eroberungsplänen abbringen ließ und erst durch eine dritte Bittgesandtschaft seiner Mutter Veturia und seiner Gattin Volumnia zur Umkehr bewogen werden konnte. Während Coriolan (nach der Hauptversion) sein Einlenken mit dem Tod durch die Volsker bezahlte, wurde zu Ehren seiner Angehörigen vor den Toren Roms ein Tempel der Fortuna muliebris errichtet. Diese Erzählung, die von der annalistischen Tradition in den Zeitraum von 493 bis 488 v. Chr. datiert wird, liegt zur Hauptsache in drei längeren Fassungen vor, in der Fassung des Livius (2,33 - 40), in der etwa zeitgleichen Fassung des Dionysios von Halikarnassos (6,91 - 8,62) und in der biographischen Darstellung Plutarchs. Plutarch ist – zumindest was den Kern der Geschichte mit der Verbannung Coriolans und seinem Feldzug gegen die Vaterstadt betrifft – ausschließlich von Dionysios abhängig 2. Livius und Dionysios stehen dagegen in der Tradition der Annalistik und hängen vor allem von Q. Fabius Pictor, Gn. Gellius, Valerius Antias und C. Licinius Macer ab3. Bestimmte Abweichungen zwischen den Versionen von Livius und Dionysios erklären sich also durch unterschiedliche Bezugnahme auf die ihnen vorliegenden Quellen bzw. durch die je eigenen Darstellungsziele4. Dennoch sind diese Abweichungen so marginal, dass sich durchaus von einer einheitlichen Tradition sprechen lässt. Höheund Schlusspunkt der Darstellung ist daher stets die Begegnung zwischen Mutter und Sohn, die auch des öfteren in isolierter Form vorliegt5.

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Cf. vor allem die Diskussionen von Peter 1865, 7 - 17 und Russell 1963 (noch bestätigt von Ahlrichs 2005, 28). Für die antike Tradition der Geschichte immer noch grundlegend Mommsen 1870 (ergänzend Lehmann 1951/1952); für die unmittelbaren Quellen unserer Dokumente in der jüngeren Annalistik cf. Ogilvie 1965, 315 f. und David 2001b, 266. Wichtig ist in Hinblick auf die folgende Diskussion, dass Dionysios unter seinen Quellen nur römische Autoren nennt (D.H. 7,1,4; 7,71,1; 8,56,1) und nicht auch auf Timaios hinweist. Cf. beispielsweise Reichenberger 1931, 23 - 29, Pabst 1977 und Olbrich 1993. Beispielsweise Val. Max. 5,4,1; Vir. ill. 19; App. Ital. 5; Polyaen. 8,25,3 und D.C. 5 Frg. 18.

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Wie der modernen Philologie6 so fielen auch antiken Autoren früh die Parallelen mit dem Zorn des Achilleus in der ‘Ilias’ auf. Hauptsächliche Zeugen dafür sind – neben gelegentlichen Hinweisen des Livius auf den Zorn Coriolans (2,35,6: quo maior ira in suos eminebat; 2,40,7: non tibi ... ingredienti fines ira cecidit?) 7, die mindestens eine unbeabsichtigte Parallele zu Achilleus herbeiführen – Dionysios von Halikarnassos und Plutarch, die zwar ebenfalls nicht explizit auf Achilleus hindeuten, aber dennoch ihre Erzählungen so gestalten, dass die absichtliche Parallelisierung der beiden Helden außer Zweifel steht8. Sicher vorgegeben war Dionysios dabei die Struktur der dreifachen Bittgesandtschaft der Magistrate, Priester und Angehörigen, die sich auch bei Livius so findet und daher Teil der vorausgehenden Annalistik gewesen sein muss. Dennoch konnte sie als Spiegelung dienen der einen Gesandtschaft der drei Emissäre Odysseus, Phoinix und Aias, die in der ‘Ilias’ Achilleus aufsuchen. Dass Dionysios dies so sah und die vorgegebenen Züge der Legende bewusst für seine schriftstellerischen Zwecke nutzte, zeigt bereits das erste Redenpaar mit der Rede der römischen Staatsbeamten, die von Dionysios mit der Rede von Agamemnons erstem Sprecher Odysseus (Hom. Il. 9,225 - 306) parallelisiert wird, und der Antwort Coriolans, die Analogien aufweist mit der des Achilleus (Il. 9,308 - 429). Denn so wie der römische Politiker Minucius einen Unterschied macht zwischen Coriolans Feinden und seinen Freunden in Rom (D.H. 8,23,2), so hatte auch Odysseus eine Unterscheidung vorgenommen zwischen der ‘Hassfigur’ Agamemnon auf der einen Seite und den sonstigen Kampfgefährten des Achilleus auf der anderen Seite (Il. 9,300 - 303), und so wie Coriolan seine Freundschaft zu den Gesandten bestätigt (D.H. 8,29,1), so hatte auch Achilleus trotz ablehnender Antwort weiterhin große Fürsorge gezeigt für die ausgeschickten Kampfgefährten (Il. 9,417 - 420)9. Noch deutlicher wird diese Analogie in der abschließenden Rede von Coriolans Mutter, die in ihrer Aufforderung zur Versöhnung Anleihen macht beim homerischen Gleichnis von den Litai, mit dem der alte Phoinix sein ehemaliges Pflegekind Achilleus wieder zum Einlenken bewegen wollte (D.H. 8,50,3: oJrw`sa [sc. Veturia] katafuga;" euJrhmevna" a{pasin ajnqrwvpoi" kai; paraithvsei" w|n a]n ejxamartavnwsi peri; ajllhvlou" iJkethriva" kai; litav"10), ihrem Sohn, 6

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Cf. bereits Soltau 1909, 68 f. und 109 f. und Aly 1936, 37 sowie in jüngerer Zeit vor allem Davies 2005. Zur Resonanz des Leitbegriffs ira im übrigen Werk des Livius cf. Janssen 1972 und 1975. Sehr allgemein der Hinweis von Hull 2003, 47 f. auf die jeweilige Präsenz von Freunden des Helden in den verschiedenen Bittgesandtschaften. Hull verkennt daher sowohl das Ausmaß dieser Homerisierung bei Dionysios und Plutarch wie auch den eigenständigen und damit späten Charakter dieser Anpassung an das homerische Modell. Deutlicher noch die Bezeigung seiner Freundschaftsgefühle in Il. 9,197 f. Sicher angeregt durch Hom. Il. 9,502 (kai; gavr te Litaiv eijsi Dio;" kou`rai megavloio) und 9,508 f. (o}" mevn t’ aijd evsetai kouvra" Dio;" a\sson ijo uvsa", // to;n de; mevg’ w[nhsan

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ganz so wie Phoinix, die Versöhnbarkeit selbst der Götter in Erinnerung ruft (8,50,4: qeoi; suggnwvmone" toi`" ajnqrwpivnoi" eijsi;n aJmarthvmasi kai; eujdiavllaktoi, kai; polloi; h[dh megavla eij" aujtou;" ejx amartavnonte" eujcai`" kai; qusivai" to;n covlon ejxilavsanto11) und ihn schließlich dazu auffordert, seinen unversöhnlichen Zorn aufzugeben (8,52,2: pauvsasqai to;n ajmeivlikton covlon12) und seiner Mutter damit unter ihren römischen Mitbürgern unvergänglichen Ruhm zu sichern (8,52,3: hJ ... timhv ... eu[kleian ajqavnaton oi[sei13). Mit diesem letzten Punkt gerät Veturia sogar in eine gewisse Parallelstellung zu Achilleus’ Mutter Thetis, die ihrem Sohn einst, wie Achilleus in der Presbeia selbst in Erinnerung ruft (Hom. Il. 9,413), die Bedingungen für ein solches klevo" a[fqiton genannt hatte. Plutarch knüpft genau an diese letztgenannte Parallele an und macht eben die Unterredung zwischen Mutter und Sohn zur Szene, die am stärksten die Achilleus-Handlung in Erinnerung ruft14. So ist es bei Plutarch vor allem das Motiv des Schweigens, mit dem Coriolan zunächst auf die Vorhaltungen seiner Mutter reagiert (Plu. Cor. 36,1: tau`ta th`" Oujoloumniva" legouvsh" oJ Mavrkio" hjkroa`to mhde;n ajpokrinovmeno". ejpei; de; kai; pausamevnh" eiJsthvkei siwpw`n polu;n crovnon, au\qi" hJ Oujoloumniva: “tiv siga`/"” ei\pen “w\ pai`…”), das an verschiedene Motive der homerischen und nachhomerischen Tradition anschließt15. Denn nachdem bereits bei Homer alle Gesandten mit Sprachlosigkeit auf die ablehnenden Worte des Achilleus reagiert hatten (Il. 9,430 f.: w}" e[faq’, oiJ d’ a[ra pavnte" ajkh;n ejgevnonto siwph`/ // mu`qon ajgassavmenoi: mavla ga;r kraterw`" ajpeveipen), griff Aischylos im 5. Jh. solche Schweigeszenen aus der ‘Ilias’ auf und gestaltete in seinen ‘Myrmidones’, also wahrscheinlich dem ersten Stück

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kaiv t’ e[kluon eujcomevnoio, mit entsprechenden negativen Konsequenzen bei NichtBeachtung der Litai). Die Entsprechung zu den Worten des Phoinix an seinen einstigen Zögling Achilleus in Hom. Il. 9,497 - 501 (streptoi; dev te kai; qeoi; aujtoiv, // ... // kai; me;n tou;" quevessi kai; eujcwlh`/" ajganh`/si // ... paratrwpw`s’ a[nqrwpoi // lissovmenoi ...). Cf. beispielsweise die Aufforderung des Phoinix in Hom. Il. 9,496 (ajll’, Acileu`, davmason qumo;n mevgan). Die Junktur ajmeivlikto" covlo", die Dionysios hier verwendet, verdankt sich wahrscheinlich einer Zusammenziehung von Il. 21,98 (ajmeivlikton d’ o[p’ [Achilleus in seinem Verhalten und seinen Äußerungen zu Lykaon]) und 15,217 (ajnhvkesto" covlo" [der Streit zwischen Poseidon und Zeus, in dem sich der Konflikt zwischen Achilleus und Agamemnon spiegelt]). Die Stelle ist vorbereitet durch D.H. 8,40,4 und 8,40,5, wo Veturia von den anderen Frauen für den Fall einer erfolgreichen Mission zu Coriolan bereits ajqavnaton klevo" vorausgesagt wird. Plutarch nimmt bestimmte Änderungen in der Benennung der zentralen Personen vor. So heißt bei ihm Coriolans Mutter ‘Volumnia’ statt ‘Veturia’ und seine Frau ‘Vergilia’ statt ‘Volumnia’. Da aber die Funktion dieser Personen bei Plutarch völlig dieselbe ist wie bei den anderen Autoren, sollte die folgende Benennung der Mutter als ‘Volumnia’ nicht verwirren. Zur Besonderheit dieses Motivs bei Plutarch gegenüber der Version des Dionysios cf. Russell 1963, 26 und Ahlrichs 2005, 396 f. und 402. Beide Autoren verkennen jedoch die epische bzw. dramatische Herkunft des Motivs.

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einer Achilleus-Trilogie, einen Dramenanfang, in dem der entehrte und grollende Achilleus selbst lange schweigend auf der Bühne saß und sich erst nach eindringlichem Zureden aus seiner Erstarrung löste16. Dies konnte schon immer aus einem Scholion zu Aristophanes’ ‘Fröschen’ geschlossen werden (Scholia vetera zu V. 912, p. 117 Chantry: o}" [sc. Acilleu;" ejn Murmidovsin] mevcri triw`n hJmerw`n oujde;n fqevggetai) und ist nun endgültig bewiesen durch einen neueren Papyrus-Fund aus den ‘Myrmidones’, wo Achilleus selbst in seiner Antwort auf die Rede des Phoinix zu seiner langen Gesprächsverweigerung Stellung nimmt (TrGF 3 F 132b,8: pavl]ai siwpw`17). Wenn also auch solche Szenen Plutarch zur Gestaltung seiner Darstellung angeregt haben dürften, so war sein eigentliches Vorbild wohl das erste Buch der ‘Ilias’, wo Zeus auf die Bitte der Thetis um Unterstützung ihres zürnenden Sohns zunächst keine Worte findet und so Thetis die Gelegenheit zu einer zweiten kurzen Rede gibt (Hom. Il. 1,511 - 513: w}" favto: th;n d’ ou[ ti prosevfh nefelhgerevta Zeuv", // ajll’ ajkevwn dh;n h|sto. Qevti" d’ wJ" h{yato gouvnwn, // w}" e[cet’ ejmpefuui`a, kai; ei[reto deuvteron au\ti" ...), bevor er sich dann endlich äußert, also ganz die analoge Rolle zu Coriolan spielt, der ebenfalls erst nach einer kurzen zweiten Einlassung seiner Mutter die Kraft zu einer Antwort findet (Plu. Cor. 36,4 - 5: kai; tau`t’ eijpou`sa prospivptei toi`" govnasin aujtou` meta; th`" gunaiko;" a{ma kai; tw`n paidivwn. oJ de; Mavr kio" ajnabohvsa": “oi|o n ei[rgasaiv m’ w\ mh`ter”) 18. Wie bei Dionysios war es also auch bei Plutarch vor allem Coriolans Mutter, die den willkommenen Anlass bot, um auf Thetis und damit auf die Geschichte vom Zorn des Achilleus zurückzuweisen19. Dass die genannten spezifischen Merkmale der Darstellungen von Dionysios und Plutarch aus der römischen annalistischen Tradition übernommen wären, ist im höchsten Grade unwahrscheinlich. Bei Plutarch bestehen diesbezüglich sowieso kaum Zweifel, weil er, wie gesagt, ausschließlich an Dionysios anknüpft und offenbar keine römischen Quellen benutzte. Doch auch bei Dionysios kann kaum ein Zweifel sein, dass er den Bezug zur ‘Ilias’ selber hergestellt hat. Wollte man die gegenteilige Auffassung vertreten, so müsste man annehmen, dass ein römischer Autor die homerischen Ausdrücke über unversöhnlichen Zorn und unvergänglichen Ruhm ins Lateinische übertragen hatte, und dass diese dann von Dionysios wieder in eine korrekte griechische Form gebracht 16

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Zum Leitmotiv des langen Schweigens von Achilleus am Anfang der ‘Myrmidones’ und der ‘Phryges’ (wahrscheinlich das erste und das letzte Stück der Achilleus-Trilogie) cf. Moreau 1996, 8. Die einstigen Zweifel an einer solchen Schweigeszene zu Beginn der ‘Myrmidones’, die beispielsweise Schadewaldt 1936, 45 Anm. 2 geäußert hatte, sind damit also entkräftet; cf. Bartoletti 1966, 123. Zum Motiv der umfassten Knie cf. auch D.H. 8,54,1 (allerdings ohne entsprechendes Schweigemotiv). Für eine weitere wahrscheinliche Motivübertragung von einer homerischen Frauengestalt (Hekabe) auf Veturia bei einem griechischen kaiserzeitlichen Schriftsteller cf. unten in Anm. 93 die Bemerkungen zu D.C. 5 Frg. 18,10.

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wurden. Einzig beim ältesten römischen Gewährsmann, Quintus Fabius Pictor, der griechisch schrieb, würde diese Schwierigkeit wegfallen. Doch ist es zweifelhaft, ob Fabius wirklich eine so detaillierte Darstellung der Gesandtschaftsszenen gab, und vor allem wird man kaum annehmen wollen, dass Dionysios, der selber auf die außergewöhnliche Länge und Detailliertheit seiner Darstellung hinweist (D.H. 7,66,5), sich für die rhetorische Ausgestaltung der Unterredungsszenen ausgerechnet an den ältesten Gewährsmann hielt20. Bei der Angleichung der Coriolan-Sage an die Geschichte vom Zorn des Achilleus, wie wir sie bei Dionysios und Plutarch finden, handelt es sich also um ein sekundäres Phänomen, das mithelfen sollte, die Geschichte an den griechischen kulturellen Kontext anzupassen21. 2.1.2 Der historische Hintergrund der Legende und ihre religionshistorische Verankerung Der historische Kern der Legende von Coriolan besteht sicher im Vordringen des Volkes der Volsker, dessen Wohnsitze wahrscheinlich zunächst im Apennin gewesen waren, in das südliche Latium22. Denn diese Wanderungsbewegung erfolgte in den ersten Jahrzehnten des 5. Jh.s, und es kann daher nur der Reflex einer solchen Entwicklung sein, dass die Annalistik die Geschichte von Coriolan just in diese Zeit datiert23. Auch das grundlegende Element eines bedrohlichen Feldzugs der Volsker gegen Rom dürfte historisch sein, denn die römischen Annalisten hätten keinen Grund gehabt, einen solchen Kriegszug zu erfinden, wenn er nicht tatsächlich stattgefunden hätte24. Merkwürdig allerdings ist, wie die Erzählung mehrere Elemente aufweist, die eher auf die latinischen Nachbargemeinden Roms hinweisen als auf die Volsker25: Coriolan sollte, wie noch zu zeigen sein wird, am besten als Bürger der latinischen Stadt Corioli gesehen werden; die Episode von der Ausweisung der auswärtigen Besucher aus 20

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Ähnlich wie mit Fabius Pictor verhält es sich mit L. Cincius Alimentus, der seine römische Geschichte ebenso wie Fabius in griechischer Sprache hielt und nur unwesentlich später als dieser arbeitete. Jedoch verweist Dionysios selber darauf, dass Cincius – nicht anders als Fabius – der frühen Zeit erheblich weniger Aufmerksamkeit schenkte als der Zeitgeschichte (D.H. 1,6,2), und es fehlen uns zudem Hinweise darauf, dass Cincius die Legende von Coriolan tatsächlich in sein Werk aufnahm. Allgemein für die Anpassung der Geschichte an den griechischen kulturellen Kontext cf. Swain 1990, 136 f., Freyburger 2001 und Ahlrichs 2005, bes. S. 527 - 538. Zur Einwanderung der Volsker nach Latium cf. die unterschiedlichen Darstellungen von Manni 1939 (bes. S. 238 f.), Cristofani 1992 und van Royen 1992. Cf. de Sanctis 1907, 113, Coarelli 1990, 153 f. und Cornell 1995, 307 (zu weit geht dagegen Forsythe 2005, 191, der Coriolan geradezu zu einem volskischen Feldherrn macht; cf. die im folgenden genannten Verbindungen Coriolans zu Latium). Cf. die Erörterungen von Cocchia 1895, 342 f. und die gleichgerichtete Bemerkung von Salmon 1930, 100 (“We might note that for reasons of self-glorification the Romans might invent victories or gloss over defeats. But why should they invent defeats inflicted on themselves?”). So festgehalten von Schur 1931, 656 f.

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Rom während der Ludi Magni26 würde besser auf die mit den Römern verwandten Latiner passen als auf die Volsker; und die anschließende Versammlung der Volsker am Caput Ferentinum, dem traditionellen Zentrum des latinischen Bundes27, deutet wieder in dieselbe Richtung. Es scheint sich hier also, wenn denn echte historische Tradition hinter diesen Detailschilderungen steht, um einen Krieg zwischen den Römern auf der einen Seite und einer Koalition aus den Volskern und einem Teil der latinischen Städte auf der anderen Seite zu handeln 28. Jedenfalls ist genau das die Situation, die für das Anfangsstadium des Kriegs von der Tradition überliefert ist, wonach die Römer, nach der Schließung eines Friedensvertrags mit den Latinern, unter der Führung des Konsuls Postumus Cominius die Volsker und insbesondere deren Hauptstadt Antium angegriffen und neben den volskischen Städten Longula und Polusca eben auch das latinische Corioli erobert hätten29. Diese Konstellation im Anfangsstadium des Kriegs steht nun in genauer Übereinstimmung mit der Konstellation im Schlussstadium bzw. mit dem Dualismus der beiden Heerführer Attius Tullius und Marcius Coriolanus30, wenn man sich nur vor Augen hält, dass Coriolan eben Latiner war und erst in der späteren annalistischen Tradition als Römer dargestellt wurde. Dass Coriolan ursprünglich nicht als Römer, sondern als Bürger der latinischen Stadt Corioli galt, ist nämlich tatsächlich eine naheliegende Annahme. Zwar wird der Name ‘Coriolanus’ in der Tradition darauf zurückgeführt, dass Coriolan in jungen Jahren die latinische Stadt Corioli fast im Alleingang erobert habe31. Doch kann dies kaum früheste Tradition oder gar historisches Faktum gewesen sein, weil diese Art der Namensgebung nach einer eroberten Lokalität, wie einige prominente Beispiele nahelegen, erst im späteren 4. Jh. v. Chr. aufkam32. Selbst wenn man dieses Argument nicht gelten lässt und die frühe Entstehung solcher Cognomina dennoch für denkbar hält33, so kann doch die relativ bescheidene Stadt Corioli, die später nicht einmal mehr lokalisiert

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Liv. 2,37; D.H. 8,3; Plu. Cor. 26,2 - 3. Liv. 2,38 (D.H. 8,4,4 ersetzt das Caput Ferentinum bezeichnenderweise durch die volskische Stadt Ecetra). So die Position von Piel 2006, 380 f., der annimmt, dass nur ein Teil der latinischen Städte im Jahre 493 mit Rom das Foedus Cassianum schloss, während die übrigen Städte sich mit den Volskern zu einem Bündnis vereinigten. Alternative Möglichkeit ist die von Schur 1931, 656 f. entworfene, wonach in der Legende von Coriolan zwei Konflikte der Römer mit ihren Nachbarn, ein Konflikt mit den Latinern und einer mit den Volskern, zu einem vereinigt wurden. Liv. 2,33; D.H. 6,91 - 94. Zu den epischen Wurzeln dieses Dualismus der Heerführer cf. unten Kap. 2.1.3. Liv. 2,33,5; D.H. 6,94,2; Plu. Cor. 11,1 - 2. So bereits die Folgerung von Mommsen 1870, 21 und 1878, 333 f. sowie beispielsweise von Pais 1894, 269 - 271 und Salmon 1930, 96. So Cornell 2003, 85 Anm. 45, der mögliche frühere Beispiele nennt.

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werden konnte34, schwerlich den Anlass für einen solchen Ehrentitel gegeben haben. Der Name Coriolans sollte daher in direkter Verbindung mit Corioli stehen und entweder den Stadtgründer bezeichnen35 oder (eher) den aus Corioli herkommenden Übersiedler oder Verbündeten 36, bezeichnet also so oder so einen Latiner. Somit war Coriolan nicht von Anfang an als Römer gesehen, sondern wurde erst nachträglich von seinen ‘Nachfahren’, der plebejischen Familie der Marcii, zu einem solchen gemacht37 und dann auch gleich in den Rang eines Patriziers38 erhoben39, wenn die Marcii die Geschichte Coriolans auch kaum aus dem Nichts heraus erfunden haben werden40, sondern eher ältere Traditionen aufgriffen und sie zum Nutzen der Gens abänderten. Als Zeitraum für diese Geschichtsfälschung oder eher Geschichtsbildung kommt vor allem das spätere 4. Jh. oder die erste Hälfte des 3. Jh.s in Frage, als die Marcii zu den führenden Familien der römischen Nobilität zählten und in gesellschaftliche Bereiche vorstießen, die bis dahin den Patriziern vorbehalten gewesen waren41. Erst nachdem Gnaeus Marcius auf diese Weise vom Coriolaner zum Römer gemacht worden war, konnte die Tradition seiner Benennung nach der eroberten Stadt aufkommen, und es ist sogar denkbar, dass die Eroberung von Corioli lediglich eine nachträglich erdachte Episode darstellt, die eben diesem Zweck 34

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Corioli ist je unabhängig erwähnt bei Dionysios (D.H. 5,61,3) und Plinius (nat. 3,69) unter einer Reihe von latinischen Städten, muss aber relativ früh aufgegeben worden sein (Plin. nat. 3,70: ita ex antiquo Latio LIII populi interiere sine vestigiis). So vertreten von de Sanctis 1907, 112. Doch spielt die Legende von Coriolan in der Hochzeit des latinischen Städtebundes und weist nicht auf eine mythische Frühzeit hin, sodass Coriolan (im Unterschied zu Romulus) kaum als Stadtgründer und Namensgeber der Stadt gedacht sein konnte. So Piganiol 1927, 84, Gagé 1976, 174 und Piel 2006, 370 Anm. 15 (die weitere theoretische Alternative, wonach die Stadt Corioli erst nachträglich im Anschluss an die heroische Person Coriolans erfunden worden wäre, scheitert daran, dass die einstige Existenz der Stadt doch sicher bezeugt ist; cf. oben Anm. 34). Berühmtestes römisches Beispiel für die Benennung einer Familie nach ihrem Herkunftsort ist der Fall der Königsdynastie der Tarquinier, die aus dem etruskischen Tarquinii stammten und nach ihrer Übersiedlung nach Rom das Nomen gentile ‘Tarquinius’ annahmen (Liv. 1,34,1 - 2 und 1,34,10). So zu Recht gefolgert von Schur 1931, 657 f. und David 2001a, 19. Dass Coriolan Patrizier war und nicht einfach nur vornehmer Plebejer, ergibt sich aus dem ganzen Duktus der Geschichte bei Livius und wird verschiedentlich expressis verbis bestätigt (D.H. 6,92,3; Val. Max. 4,3,4). Grundlegend dazu bereits Mommsen 1870, 23 - 26, der in der Geschichte Coriolans den Versuch einer Familie aus der plebejischen Nobilität sieht, sich auf eine Stufe mit dem Patriziat zu stellen. Dies gegen Mommsen zu Recht schon eingewandt von Bonghi 1879, 400 und Cocchia 1895, 317. Zur besonderen Stellung der Marcii in den Jahren der mittleren Republik cf. Münzer 1920, 29 - 31, 63 f. und 80 f. sowie – mit etwas anderer Akzentuierung – Hölkeskamp 1987, 42 f. und 72 f. Herausragender Vertreter der Familie war C. Marcius Rutilus, der in den Jahren 357, 352, 344 und 342 das Amt des Konsuls bekleidete und in den Jahren 356 und 351 erster plebejischer Diktator bzw. Zensor wurde.

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dienen sollte, den Namen des Helden nun neu zu erklären 42. Ob man sodann Coriolan überhaupt für eine erfundene Figur und damit für einen rein mythischen Vorfahren der Familie der Marcii hält43 oder ob man in ihm doch eine historische Person erblickt, ist dann eigentlich gar nicht mehr so wichtig. Entscheidend ist vielmehr seine feste Verwurzelung im südlichen Latium, die erst von der späteren Legende zugunsten einer römischen Herkunft des Helden aufgegeben wurde. Eine Episode in der Biographie des Helden, die bei Livius fehlt, aber bei Dionysios und Plutarch relativ viel Platz einnimmt, ist die vom frühen Raubzug Coriolans in das Gebiet von Antium. Coriolan agiert hier, noch vor seiner Verbannung aus Rom, als unabhängiger Feldherr, der in eigener Verantwortung handelt und selbst für die Bezahlung und Versorgung seiner Truppen zuständig ist, die im wesentlichen aus persönlichen Freunden und Klienten bestehen44. Verschiedene Interpreten haben daher in Coriolan den Vorläufer des spätmittelalterlichen Condottiero gesehen und in seiner Vorgehensweise einen typischen Zug des 5. Jh.s v. Chr. und damit einen der historischen Kristallisationspunkte der Erzählung erblickt45. Diese Sichtweise ist bei den instabilen politischen Verhältnissen, die in Rom zur Zeit des Übergangs von der Königsherrschaft zur Republik geherrscht haben müssen, durchaus plausibel, zumal andere Erklärungen für die Episode nicht unbedingt zwingend sind 46. Auffällig ist jedoch, dass Coriolan nur in der Episode des Raubzugs nach Antium diese unabhängige Rolle spielt. Für den Anfangs- und den Schlussteil der Legende – und diese Teile sind es, die das Rückgrat der Geschichte bilden – ist vielmehr bezeichnend, dass Coriolan im Dienste eines politischen Lenkers steht, für diesen die rein militärische Seite der Aufgabe übernimmt, ihm aber in den sonstigen Belangen nach wie vor untergeordnet ist47. Auch dieser Grundzug der Erzählung mag bis zu einem gewissen Grad den historischen Gegebenheiten der Zeit entsprechen; er verbindet sie aber jedenfalls in deutlicher Weise mit den ver-

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Dies die Annahme von Ihne 1868, 134, Schwegler 1870, 365 f. und Bloch 1881, 224. Zu dieser Position neigt beispielsweise Davies 2005, 141 mit Anm. 1; für die Gegenposition cf. vor allem Piel 2006 (programmatisch S. 369 f.). D.H. 7,19,2 - 4 und 7,21,3 (h\n de; peri; aujto;n eJtairiva megavlh nevwn eujgenw`n); Plu. Cor. 13,5 - 6. So Gerschel 1953, 38 - 40, Adam, Rouveret 1990, 328 f. und 347 f., Cornell 1995, 143 - 145, Adam 2001 und Wiseman 2004, 66 und 72. Alternative Erklärungen sind diejenige von Mommsen 1870, 11 f., der in der Episode einen jüngeren Zusatz der Erzählung sieht und darin einen Versuch erkennt, die Verbannung Coriolans aus Rom besser zu begründen, als die ältere Form der Erzählung vermocht hatte, und diejenige von Noè 1979, 93, die in der Episode eine Spiegelung der Auflösungserscheinungen des 1. Jh.s v. Chr. sieht. Dies auch in der jüngsten Darstellung von T. Cornell (2003, 84 - 91) missachtet, der einseitig die Episode des Raubzugs nach Antium in den Vordergrund stellt und das asymmetrische Spannungsverhältnis zwischen Coriolan und Postumus Cominius bzw. Attius Tullius unbeachtet lässt.

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schiedenen epischen Traditionen vom zürnenden Helden, auf die auch andere Züge von Coriolans Legende stark hindeuten48. Ein weiteres Motiv mit historischen Wurzeln findet sich am Schluss der Geschichte. Diese endet regelmäßig mit einem Hinweis auf den Tempel der Fortuna muliebris, der nach der erfolgreichen Bittgesandtschaft von Veturia und Volumnia am Ort des Geschehens vor den Toren Roms errichtet worden sein soll49. Dabei hätte der erleichterte Senat aus Dankbarkeit gegenüber den Frauen für die Finanzierung des Sakralgebäudes und einer Kultstatue gesorgt, und die Frauen selbst hätten auf eigene Kosten ein zweites Kultbild errichten lassen50. Die moderne Religionswissenschaft nimmt an, dass dieser Kult in den Jahren des frühen 5. Jh.s eingerichtet wurde und eben deswegen mit der Legende von Coriolan ein in dieselbe Zeit datiertes Aition erhielt; die Zweizahl der Statuen bzw. verehrten Gottheiten kam vielleicht durch den Einfluss der Stadt Antium zustande, wo sich ebenfalls ein berühmtes Kultzentrum und Orakel der Fortuna mit Doppelstatue befand 51; Veturia und Volumnia sind möglicherweise legendenhafte Spiegelung dieser Gottheit in Doppelgestalt, die der Stadt in Zeiten der Not ihren Schutz nicht versagte52. Dieser aitiologische Bezug ist äußerst wertvoll für die Beurteilung der Legende, denn er zeigt, dass die Erzählung weit in vorliterarische Zeit zurückreicht53, und dass mindestens die Bittgesandtschaft der Frauen ein sehr altes Motiv sein muss54. Somit kann man nicht davon aus48 49

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Cf. die unten in den Kap. 2.1.3 und 2.2 gegebenen Erläuterungen. Zu den archäologischen Überresten cf. Quilici Gigli 1981 und Egidi 1995 (bes. S. 310 und 312 f.). Liv. 2,40,11 - 12; D.H. 8,55 - 56; Plu. Cor. 37 (die weiteren Quellen zur Lage des Heiligtums und zu den dort stattfindenden Riten sind neben den Belegen zur Erzählung von Coriolan noch Fest. s.v. pudicitiae signum p. 282,18 - 22 Lindsay, Tert. monog. 17,4 und Serv. Aen. 4,19, I p. 464,13 - 15 Thilo; sie stimmen darin überein, dass das Heiligtum am vierten Meilenstein der Via Latina lag und dass der Kult den zum ersten Mal verheirateten Frauen vorbehalten war). Zur kultischen Verehrung Fortunas in Rom und Antium, zur möglichen Beeinflussung des römischen Kults durch den von Antium und zur aitiologischen Funktion der Legende von Coriolan cf. Otto 1910, 21 - 23 und Champeaux 1982, 370 - 373 (eher kritisch gegenüber der Annahme von Einflüssen aus Antium Boëls-Janssen 1993, 386 - 388). Cf. Gagé 1976, 190 f., Champeaux 1982, 343 - 345, Mustakallio 1990 und BoëlsJanssen 1993, 375 f. Die von Cornell 2003, 76 entworfene Alternativhypothese, dass es sich bei dieser aitiologischen Verbindung womöglich nur um späte gelehrte Spekulation gehandelt habe, scheitert an der festen Verankerung der Motivik in der annalistischen Tradition (cf. die folgende Anmerkung) und könnte auch die jeweilige Verbindung von Antium und Rom, die sich sowohl in der Legende wie in den kultischen Parallelen zeigt, nicht erklären. D.H. 8,56,1 berichtet, dass ein Stimmwunder der Gottheit, das sich damals bei der Aufstellung der Statue ereignet haben soll, bereits in den Priesterannalen verzeichnet sei. Damit sind sicher die ‘Annales maximi’ gemeint, die P. Scaevola gegen Ende des 2. Jh.s v. Chr. in 80 Büchern niederlegte. Doch da es sich, wie gesagt, um ein Prodi-

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gehen, dass erst Quintus Fabius Pictor oder ein anderer früher Historiker dieses Motiv der Bittgesandtschaft erfunden hat. Es gehört vielmehr einem mündlichen Erzählstratum an und war deswegen von Anfang an von den Gesetzmäßigkeiten mündlicher Erzählkunst geprägt. Der historische Kern der Legende wurde also, wie wir nun in einem weiteren Schritt im einzelnen zeigen wollen, von einer mündlich oder episch geprägten Erzählschicht überdeckt, die der Erzählung erst ihren exemplarischen Charakter verlieh 55. Eine solche Mischung aus historischen und legendenhaften oder epischen Elementen kann insbesondere für die Frühzeit der römischen Republik nicht überraschen, weil selbst erheblich spätere Phasen der römischen Geschichte noch ganz ähnlichen Prozessen ausgesetzt waren56. 2.1.3 Die epischen Motive in der Legende von Coriolan Dieser soeben skizzierte reale historische Hintergrund wird nun durch eine Reihe von Merkmalen überlagert, die die Legende eher in den Bereich epischer Heldendichtung verlagern57. Es sind dies vor allem die Kampfstärke Coriolans, seine besondere Jugendlichkeit, seine Unterstellung unter politische Autoritäten und das Motiv der dreifachen Bittgesandtschaft. Um die besondere Kampfstärke und den heldenhaften Mut Coriolans zu verdeutlichen, genügt es, die Schilderung zu zitieren, die Livius von der Eroberung Coriolis gibt, die Coriolan zu einem frühen Zeitpunkt seiner Laufbahn gelang. Danach hätte Coriolan die Stadt praktisch im Alleingang eingenommen (Liv. 2,33,7: is cum delecta militum manu non modo impetum erumpentium rettudit, sed per patentem portam ferox inrupit caedeque in proxima urbis facta ignem temere arreptum imminentibus muro aedificiis iniecit)58. Es verwundert daher nicht, dass B. G. Niebuhr gerade diese Episode als besondere Stütze für seine

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gium handelt, braucht das Motiv nicht Neuerung Scaevolas zu sein, sondern kann sich durchaus schon in den älteren Pontifikalannalen befunden haben, die mit Vorliebe Erscheinungen von religiöser Bedeutung verzeichneten. In unerreichter Formulierungskunst Mommsen 1870, 23 f. (“so erscheint die Erzählung von Coriolanus als ein erst später in die römischen Annalen eingefügtes und darum in allen Stücken denselben ungleichartiges und widersprechendes Einschiebsel”) und 24 (“so haben wir … hier … eine von Haus aus zeitlose nachweislich erst spät und auch dann nur theilweise in das Fastenschema eingefügte Erzählung mit glänzender personenreicher Darstellung, mit fast novellistischer Pragmatik, aber freilich ohne Zweifel auch von einer zu dem poetischen Werth im umgekehrten Verhältniss stehenden historischen Geringhaltigkeit”). Ebenfalls noch einer relativ frühen Zeit gehört die Geschichte von der angeblichen Eroberung Vejis durch den Diktator M. Furius Camillus an, die ähnlich legendenhafte Züge trägt wie die Erzählung von Coriolan (cf. unten Kap. 5.1). Für die mythische Überlagerung einer erheblich späteren Biographie, nämlich derjenigen von Caecilius Metellus (3. Jh.), cf. die paradigmatische Analyse von Brelich 1939. Für einen vergleichbaren Prozess der Episierung in der mittelalterlichen spanischen Tradition der Erzählung von El Cid cf. unten Kap. 2.2. Cf. die Parallelschilderungen bei D.H. 6,92,5 - 6 und Plu. Cor. 8,3 - 6.

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These sah, dass die Legende von Coriolan den ihr zugrundeliegenden historischen Kern weitgehend mit epischen Motiven überlagert habe59. Mindestens ebenso sehr von epischen Strukturen geprägt wie der frühe Angriff auf Corioli ist der spätere Feldzug gegen Rom. Episch ist dabei nicht nur die Durchschlagskraft, die dem einzelnen Helden zugebilligt wird, und zu einem raschen Durchmarsch durch Latium und zu einer äußerst bedrohlichen Situation für die Hauptstadt Rom führt, sondern eben auch diese Antinomie zwischen den Landstädten und der Hauptstadt. Denn Coriolan nimmt zunächst in einem eigentlichen Sturmlauf durch das südliche Latium eine Reihe von Landstädten wie Circei und Lavinium ein60, beginnt darauf die Belagerung Roms, lässt sich dann aber von den römischen Würdenträgern zu einer dreißigtägigen Kampfpause bewegen (in der die Belagerung natürlich nicht definitiv aufgehoben wird) und nimmt in dieser Zeit eine weitere Reihe von latinischen Landstädten ein 61. Beide Ausformungen des Motivs finden Parallelen in der internationalen Epik. So ist das Motiv der vorgängigen Eroberung mehrerer Kleinstädte durch eine Parallele im serbischen Heldenlied von Marko Kraljevi gestützt, und das Motiv der zwischenzeitlichen Eroberung der Kleinstädte während der Belagerung der Hauptstadt ist prominent belegt in der Erzählung vom Trojanischen Krieg und in der Geschichte von der Belagerung Valencias durch den spanischen Feldherrn El Cid62. Es handelt sich hier um eine richtiggehende Dialektik zwischen der Vielzahl der Kleinstädte auf der einen Seite und der einen Großstadt auf der anderen Seite und damit um ein typisches Crescendo im Erzählstil, das in mehreren Stufen auf den Endpunkt der Erzählung, die Einnahme der anvisierten Hauptstadt, hinführt. Dass Coriolan zuletzt von seinen Plänen zur Eroberung Roms ablässt, tut dieser Erzählstruktur keinen Abbruch. Das zweite epische Merkmal in der Biographie Coriolans ist seine besondere Jugendlichkeit. Diese findet vor allem bei der Erstürmung Coriolis Erwähnung (Liv. 2,33,5: erat tum in castris inter primores iuvenum Cn. Marcius, adulescens et consilio et manu promptus), ist aber eine Eigenheit, die Coriolan sich auch in der Folgezeit noch erhält, als er Rom angreift und nun zwar bereits verheiratet ist, aber immer noch als junger Ehemann gelten kann, weil seine Söhne noch im Kindesalter sind. Coriolan befindet sich zum Zeitpunkt seiner herausragenden Taten also im besten Heldenalter63. Allerdings hängt diese Eigenheit Coriolans nicht nur mit dem epischen Hintergrund der Legende zusammen, sondern auch mit den Darstellungskonventionen der annalistischen Geschichtsschreibung. Denn Dionysios von Halikarnassos erwähnt das junge Alter Coriolans nicht im Zusammenhang mit seinen Kriegstaten, sondern im Zusammenhang mit der Senatsdebatte über die geforderte Senkung des 59

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Niebuhr 1853, 488 f. (“Gn. Marcius Kampf vor einer Stadt die er allein erobert, ist der Gedanke eines Heldenliedes”). Liv. 2,39,2 - 4; D.H. 8,14 - 21; Plu. Cor. 28 - 29. D.H. 8,36; Plu. Cor. 31,4. Cf. die genauen Belege unten in Kap. 2.2 (Motiv ‘a’). Cf. die Diskussion zum Alter von Achilleus und Neoptolemos unten in Kap. 4.3.

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Getreidepreises (D.H. 7,21,4: sunacqeivsh" ga;r uJpe;r touvtwn boulh`" kai; tw`n presbutevrwn, wJ" e[qo" h\n aujtoi`" , prwvtwn ajpofhnamevnwn ta;" eJautw`n dianoiva" ..., ejpeidh; kaqh`ken eij" tou;" newtevrou" oJ lovgo", aijthsavmeno" ejxousivan para; tw`n uJpavtwn eijpei`n o{sa bouvl etai ... lovgon diexh`lqe [sc. Coriolan] kata; tou` dhvmou toiovnde). Coriolan nimmt hier im Gegensatz zur gemäßigten Position der älteren Senatoren eine sehr radikale, gegen die Plebs gerichtete Haltung an, und ein solcher jugendlich-radikaler Konservativismus scheint ein Topos der annalistischen Darstellung zu sein, der auch an anderer Stelle dem Geschehen seine Farbe verleiht. So wendet sich beispielsweise bei Livius (2,28,9) eine Gruppe junger Senatoren (minimus quisque natu patrum) im Zusammenhang mit der Frage von Schuldknechtschaft und allgemeiner Wehrpflicht gegen die relativ volksfreundlichen Konsuln und fordert sie zum Rücktritt auf, und bei Dionysios von Halikarnassos (6,39,1) unterstützen die jüngeren Senatoren in vorher abgesprochener, aber rabiater Form die Motion des Appius Claudius zur Wahl eines Diktators64. Dennoch handelt es sich bei Coriolans jugendlichem Alter um eine Eigenschaft, die gut zur sonstigen epischen Prägung der Legende passt, wie mehrere Passagen bei Plutarch zeigen, der immer wieder auf den jugendlichen Kampfesmut des Römers hinweist65. Coriolans jugendlich-militärische Tatkraft könnte also ebenso gut zu seiner Zeichnung als ultrakonservativer Patrizier geführt haben wie umgekehrt sein politischer Radikalismus zur Ausformung seines Bildes als überragender Soldat. Der Umstand, dass Coriolan als großer Einzelner agiert, während sonst die jungen Heißsporne als anonyme Gruppe von Politikern auftreten, spricht im Grunde eher für die erste Möglichkeit, und wir hätten dann auf diese Weise auch eine Erklärung dafür, wie es kommt, dass der Ahnherr einer plebejischen Familie mindestens in der Zeit vor seiner Verbannung eine ausgesprochen plebejerfeindliche Politik betreibt66. Ein drittes typisches Merkmal epischer Helden ist ihre Unterstellung unter eine Führungsgestalt von eher ziviler Natur, also eine eigentliche ‘Arbeitsteilung’ zwischen dem Helden, der in den Krieg zieht, und dem König oder sonstigen politischen Würdenträger, der das Geschehen von seinem Herrschersitz aus lenkt67. In Coriolans Heldenbiographie ist diese Konstellation mehrfach zu beobachten:

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Die kritische Position von Salmon 1930, 96, der Coriolans Jugendlichkeit als eines der historisch unglaubwürdigen Elemente der Erzählung betrachtet, weil Coriolan gleichzeitig auch einflussreiches Mitglied des Senats sei, ist also im Prinzip berechtigt, verkennt aber die spezifische Funktion, die das Motiv innerhalb der annalistischen Tradition hat. Plu. Cor. 3,1 (ejstrateuvsato de; prwvthn strateiva n e[ti meirakivon w[n); 22,2 (frühere militärische Auseinandersetzungen zwischen Coriolan und Attius Tullius im Jugendalter). Diese Schwierigkeit zu Recht hervorgehoben von Cocchia 1895, 321 - 324. Cf. unten die Folgerungen zum Verhältnis von dux und rex in Kap. 2.2.

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Obwohl Coriolan, wie oben angemerkt, die Stadt Corioli praktisch im Alleingang erobert, steht er doch unter dem Oberkommando des Konsuls Postumus Cominius, der sich allerdings bald um von außen andrängende Volsker kümmern muss, sodass Coriolan freie Hand für seine Aktionen hat68. In ähnlicher Weise kommt es nach dem Seitenwechsel Coriolans zu den Volskern zu einer Verteilung der Aufgaben zwischen Coriolan, der den Angriff gegen Rom übernimmt und ins Feld zieht, und Attius Tullius, dem Oberhaupt der Bewohner von Antium, der von Antium aus die politische und organisatorische Führung wahrnimmt (Liv. 2,39,1: imperatores ad id bellum de omnium populorum sententia lecti Attius Tullius et Cn. Marcius, exsul Romanus, in quo aliquanto plus spei repositum; D.H. 8,13,3: sfovdra hjgavsqh th;n gnwvmhn oJ Tuvllo", kai; to; drasthvr ion tou` ajndro;" eijdw;" kai; ejpituce;" tai`" mavcai" ejpevtreyen ejkeivnw/ th`" e[xw stratia`" a[rcein; 8,57,4: h\n [sc. Tullius] de; th`" uJpomenouvsh" stratia`" ejn tai`" povlesin hJgemwvn; Plu. Cor. 27,1 und 28,1 - 2). Damit stehen Coriolan und Tullius in einem ähnlichen Verhältnis der (asymmetrischen) Rivalität zueinander wie etwa Achilleus und Agamemnon oder El Cid und König Alfonso im altspanischen ‘Cantar de mio Cid’, und es ist daher nicht verwunderlich, dass mindestens die griechischen Gewährsmänner der Legende immer wieder auf den Neid verweisen, den Coriolan mit seinen überragenden militärischen Leistungen bei seinem politischen Vorgesetzten zuletzt erregt habe (D.H. 8,57,3: touvtw/ [sc. Tullius] d’ ... to;n fqovnon ouj dunamevnw/ katevcein; Plu. Cor. 39,1: misw`n pavlai kai; barunovmeno" dia; fqovnon oJ Tuvllo" ejpebouvleuen ajnelei`n eujquv"). Ein letztes Motiv, das sich in vielen Epen findet, ist die mehrfache, häufig dreifache, aber gelegentlich auch zweifache oder vierfache Bittgesandtschaft zum zürnenden Helden 69. Dass es sich bei den Bittgesandtschaften der Beamten, der Priester und der Frauen Roms, die nacheinander zu Coriolan gelangen und ihn von seinen Kriegsplänen abzubringen versuchen, um ein episches Motiv handelt, zeigen aber nicht nur die Parallelen in den diversen epischen Nationaltraditionen, sondern auch eine merkwürdige Episode, die zwischen der ersten und der zweiten Gesandtschaft eingeschoben ist. Bereits Livius spricht nämlich von einer Wiederholung der ersten offiziellen Gesandtschaft der Repräsentanten des Staates zu Coriolan (2,39,12: iterum 68

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Liv. 2,33,4 - 9; D.H. 6,92; Plu. Cor. 8 (nach Dionysios und Plutarch steht Coriolan sogar noch während der Stadteroberung unter dem nominellen Oberkommando eines römischen Beamten, nämlich des Titus Larcius). Mommsen 1870, 14 schließt aus Liv. 2,33,9, dass die Heldentat Coriolans erst nachträglich mit dem Konsulat des Cominius in Verbindung gebracht wurde; doch konzediert auch er (S. 11 Anm. 3), dass Coriolan bereits in den ältesten Erzählungen unter der Leitung eines übergeordneten Feldherrn stand. Cf. die Zusammenstellung unten in Kap. 2.2 (der Hinweis von Davies 2005, 144 Anm. 12 auf das “folk-tale device” der “division of a narrative into three parts” ist also korrekt, lässt sich aber weiter präzisieren in Richtung der epischen Herkunft des Motivs).

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deinde iidem missi non recipiuntur in castra). Dionysios von Halikarnassos führt aus, dass Coriolan den römischen Gesandten zunächst 30 Tage für die Erfüllung seiner Forderungen, d.h. der Rückgabe der volskischen Gebiete, gegeben habe (8,35,5) und dass er der wiederholten Gesandtschaft eine weitere Bedenkzeit von 3 Tagen eingeräumt habe (8,37,2)70. Hier ist zweifelsohne der römische Brauch des Ius fetiale gespiegelt71, das es den Staatsbeamten erst dann erlaubte, die Nachbarn mit Krieg zu überziehen, wenn diesen zunächst eine Entschädigungsforderung überbracht und ihnen eine Bedenkfrist von insgesamt 33 Tagen gewährt worden war; erst danach konnte der Krieg durch eine zweite Gesandtschaft feierlich erklärt werden72. Vergleicht man nun diesen historischen Brauch mit unserer Legende, so fällt auf, dass in der Erzählung von Coriolan die Rollen zwischen Angreifer und Verteidiger vertauscht sind, weil nach den Regeln des Ius fetiale die kriegswillige Partei einen solchen Gang ins gegnerische Territorium unternahm, nicht die von Krieg bedrohte. Es bestehen hier also zwei Auffälligkeiten, zum einen die genannte Vertauschung der Rollen und zum anderen die merkwürdige Kombination dieses politischen Brauchs, der keine weitere Verzögerung des militärischen Vorgehens zuließ, mit den folgenden Gesandtschaften der Priester und der Angehörigen. Dies kann nur bedeuten, dass sich hier zwei an sich unvereinbare Konzepte gegenseitig überlagert haben, und da zum einen die Geschichte immer auf die erfolgreiche Intervention der Veturia zuläuft und zum anderen der wiederholte, aber zweimal erfolglose Gang der Staatsrepräsentanten nicht für sich bestehen könnte, so ist sicher die Abfolge der drei Gesandtschaften unterschiedlicher Personenkreise das primäre Motiv und die Anspielung auf das Ius fetiale nur die sekundäre Einfügung73. Wer diese Einfügung vorgenommen hat, lässt sich natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber ihr Urheber ist sicher im Kreis der politisch denkenden römischen Historiker zu sehen, denen offenbar das Stufenschema der drei Gesandtschaften nicht genügte. Mit anderen Worten, dieses Schema gehört ursprünglich einer Sphäre an, die der Geschichtsschreibung fremd ist, und in diesem Fall kann es sich nur um die epische Sphäre handeln. Das Motiv der mehrfach wiederholten, zuerst scheiternden und zuletzt gelingenden Bittgesandtschaft ist also epischer Natur 70 71 72

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Die entsprechenden Passagen bei Plutarch sind Cor. 30,8 und 31,7. So richtig beobachtet von Dumézil 1978, 250 - 252. Liv. 1,32,9 (si non deduntur, quos [sc. homines et res] exposcit [sc. legatus], diebus tribus et triginta – tot enim sollemnes sunt – peractis bellum ita indicit); Serv. auct. Aen. 9,52, II p. 313,30 - 314,1 Thilo (post tertium autem et tricesimum diem quam res repetissent ab hostibus, fetiales hastam mittebant); D.H. 2,72,8 (hier eine Frist von dreimal zehn Tagen). Dies scheint auch Livius noch gespürt zu haben, der, wie Dumézil richtig anmerkt, in seiner der letzten Gesandtschaft der Familienangehörigen vorausgehenden Bemerkung nur von zwei gescheiterten Gesandtschaften spricht (2,40,3: qui [sc. Coriolanus] nec publica maiestate in legatis nec in sacerdotibus tanta offusa oculis animoque religione motus esset).

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und verdankt seine Herkunft, wie wir in dieser Arbeit zu zeigen versuchen, einer genuin italischen Tradition. 2.1.4 Das Motiv der dreifachen Bittgesandtschaft und die Frage nach dem Ursprung der Legende Diese soeben entworfene These von der indigenen Herkunft des Gesandtschaftsmotivs steht völlig konträr zur These einer Übernahme des Motivs aus der griechischen literarischen Tradition. Insbesondere O. Schönberger bekannte sich nach ersten Versuchen anderer Interpreten zu dieser Konkurrenzthese, sah aber in der Erzählung von Coriolan nicht eine Spiegelung des Zorns des Achilleus, sondern eine genaue Nachbildung der Geschichte von Meleagros, wie sie im neunten Buch der ‘Ilias’ erzählt ist (Il. 9,529 - 599). Urheber dieser kreativen Nachbildung sei Ennius mit seinen ‘Annales’ gewesen74. Gegen diese These Schönbergers lassen sich, abgesehen von dem Umstand, dass aus der entsprechenden Passage der ‘Annales’ keine Fragmente erhalten sind, vor allem folgende zwei Punkte vorbringen: Wenn die Bittgesandtschaften bei Coriolan tatsächlich durch das Paradeigma von Meleagros inspiriert wären, so dürfte man eine recht genaue Übereinstimmung zwischen den beiden Szenen erwarten (die Schönberger tatsächlich aufzuzeigen versucht). In Wahrheit ist aber der Aufbau der beiden Szenen recht unterschiedlich75, da die Bittgesandtschaften bei Meleagros sich nicht aus sieben Delegationen zusammensetzten (wie Schönberger annimmt), sondern aus drei, nämlich aus offiziellen Priestergesandten, aus Familienangehörigen und aus Freunden (Il. 9,574 - 589)76, denen danach noch als vierte bittende Kraft Meleagros’ Frau Kleopatra folgt, die den zürnenden Helden aber nicht aufsucht, sondern von Anfang an in seiner Nähe ist (Il. 9,590 - 596). In der Geschichte von Coriolan sind es zwar ebenfalls drei Bittgesandtschaften, aber die Zusammensetzung der einzelnen Gesandtschaften und vor allem ihre Anordnung unterscheidet sich sehr vom homerischen Gegenstück, denn die Freunde des Helden – bei Homer an dritter Stelle – erscheinen hier zuerst und zwar sowohl in ihrer Eigenschaft als Repräsentanten des Staats wie auch als persönliche Vertraute77, die Priester – bei Homer die erste, rein offizielle Delegation – kommen nun an zweiter Stelle78, und die Mutter und die Frau des Helden sind

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Schönberger 1955 (ein erster Hinweis auf die Parallele zwischen Coriolan und Meleagros findet sich bereits bei Dornseiff 1939, weiterverfolgt wurde Schönbergers These von Hull 2003, bes. S. 45 f.). Dies zu Recht gegen Schönberger eingewandt von Bonjour 1975, 171 - 173 und Davies 2005, 144 Anm. 12. Zur Strukturierung der Bittgesandtschaften im Paradeigma von Meleagros cf. Lohmann 1970, 258 - 260, Alden 2000, 244 - 248 und Grossardt 2001, 22 f. Zur freundschaftlichen Stellung der offiziellen Gesandten gegenüber Coriolan cf. D.H. 8,22,4 und Plu. Cor. 30,4. Liv. 2,39,12; D.H. 8,38,1 - 2; Plu. Cor. 32,1 - 3.

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Teil derselben dritten Delegation, gehören also nicht zwei verschiedenen Gruppen an wie bei Homer. Wenn sich also nur eine sehr unvollkommene Deckung zwischen den beiden Szenen erreichen lässt, so besteht ein zweiter Einwand gegen Schönbergers These in der römischen Tradition selbst. Denn der älteste römische Gewährsmann ist Quintus Fabius Pictor, der vor Ennius schrieb79, und wir finden bei Livius einen wichtigen Hinweis auf die Gestaltung der Erzählung durch Fabius, bei dem Coriolan zuletzt nicht von den enttäuschten Volskern getötet worden sei, sondern ein bitteres Alter als Verbannter bei den Volskern durchleben musste (Liv. 2,40,10 - 11 = Fab. Pict. Frg. 21 Chassignet: apud Fabium, longe antiquissimum auctorem, usque ad senectutem vixisse eundem invenio; refert certe hanc saepe eum exacta aetate usurpasse vocem multo miserius seni exsilium esse). Livius weist nur gerade auf diesen abweichenden Schluss hin und zeigt sonst kein Bewusstsein einer generell divergenten Erzählung bei Fabius80. Es ist also von vornherein anzunehmen, dass auch Fabius das Motiv der aufeinanderfolgenden Gesandtschaften kannte. Tatsächlich ist das Motiv der lebenslangen Verbannung – ebenso wie das des Meuchelmords durch die Volsker – nur als Fortsetzung der Erzählung vom Kriegszug des Helden gegen Rom und von seinem späten Einlenken denkbar, das ihn in diese prekäre Stellung zwischen den beiden Kriegsparteien brachte: Die Volsker mussten enttäuscht sein über Coriolans plötzliches Nachgeben und rächten sich dafür mit der Missachtung seiner Person bzw. – nach der verschärften Variante – sogar mit seiner Ermordung. Die Römer dagegen konnten Coriolan nicht wieder bei sich aufnehmen, da er einen Kriegszug gegen die Vaterstadt geführt hatte und nur aus privaten Gründen schließlich davon abgelassen hatte. Das Motiv der endgültigen Verbannung passt somit bestens zusammen mit dem Motiv der aufeinanderfolgenden Gesandtschaften bzw. mit dem Anliegen Fabius Pictors, der ein ernstzunehmender politischer und militärhistorischer Schriftsteller sein wollte. Denn die offiziellen Gesandtschaften hatten noch die Macht, die Verbannung wieder aufzuheben 81; die Gesandtschaft von Coriolans Mutter und Frau war dagegen nur noch als letzte Steigerung und Verzweiflungstat denkbar und war natürlicherweise nicht mehr mit einem solchen Angebot verbunden. Wollte man dieser soeben entwickelten Position mit radikaler Skepsis begegnen, so könnte man allenfalls einwenden, dass Fabius Pictor eben nur von der Verbannung Coriolans aus Rom und von seinem darauf folgenden langdauernden Exil sprach und keinen Bezug nahm auf irgendwelche Kriegszüge des Senators gegen seine Heimatstadt. Diese Gegenposition ist an sich schon unwahrscheinlich, weil Fabius der Verbannung des Helden kaum soviel Auf79

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Das Geschichtswerk des Fabius entstand vielleicht schon um 210 v. Chr., spätestens aber um 200 v. Chr. (cf. Badian 1966, 4 und Timpe 1972, 956); die ‘Annales’ des Ennius erschienen erst nach 184 v. Chr. (cf. Skutsch 1985, 6). Auf diesen Umstand weist zu Recht schon Mommsen 1870, 1 f. und 14 f. Dies ist schon bei Livius impliziert und findet sich dann explizit in der griechischen Tradition (D.H. 8,25,4; Plu. Cor. 30,3).

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merksamkeit geschenkt hätte, dass spätere Historiker ihn noch zitieren, wenn diese Verbannung ohne irgendwelche politischen Folgen geblieben wäre. Die Position fällt aber völlig in sich zusammen, wenn man bedenkt, dass ein weiteres Standardelement der Geschichte, die Erneuerung der Ludi Magni in Rom, die regelmäßig zu den kriegerischen Auseinandersetzungen überleitet, ebenfalls bereits für Fabius gesichert ist82. Wenn also bereits bei Fabius ein solcher Kriegszug Coriolans gegen die Heimatstadt vorlag, so muss die Bedrohung auch wieder irgendwie abgewendet worden sein, und dies kann nur auf dem Wege der verbalen Überzeugung erfolgt sein. Dass aber gleich die Frauen Roms Coriolan entgegengezogen wären, ist nahezu ausgeschlossen, denn dies würde, wie gesagt, dem Duktus einer ernsthaften historiographischen Abhandlung entgegenstehen, die sicher zunächst von offiziellen politischen Maßnahmen berichtete. Es spricht also alles dafür, dass auch Quintus Fabius Pictor schon die dreifache Gesandtschaft von Staatsbeamten, Priestern und Familienangehörigen aufwies. Die Frage ist somit die, wie Fabius zu diesem Motiv kam, und es lassen sich drei mögliche alternative Antworten darauf geben: 1. Fabius Pictor erfand das Motiv selber. 2. Fabius Pictor übernahm das Motiv von einem älteren Historiker, und da uns kein älterer römischer Historiker bekannt ist, käme dafür nur ein griechischer Gewährsmann in Frage, vor allem Timaios von Tauromenion, an den Fabius sich wohl des öfteren anschließt83. 3. Fabius (und vielleicht vor ihm schon Timaios) übernahm das Motiv aus alter italischer Tradition. Wenn wir mit Timaios beginnen, so müsste das Motiv des Historikers für die Gestaltung eines dreifachen Bittgangs darin bestanden haben, seinem griechischen Publikum ein vertrautes Element zu liefern, also durch die Analogie der Motive auf die Parallele zwischen Coriolan und Achilleus oder Meleagros hinzuweisen. Nun scheint es aber, dass Timaios hauptsächlich an der Zeitgeschichte interessiert war, also an den Kriegen der Römer mit Pyrrhos, und die Frühgeschichte Roms nur als erklärenden Vorsatz betrachtete, den er recht summarisch behandelte84. Es ist daher von vornherein nicht als wahrscheinlich zu betrachten, dass er die Legende Coriolans, wenn er sie denn überhaupt in sein Geschichtswerk aufnahm, über die in seinen lokalgeschichtlichen Quellen vorgefundenen Elemente hinaus weiterentwickelte und mit griechischen Elementen anreicherte. Zudem besteht für eine solche Annahme dasselbe Problem wie für die oben diskutierte These Schönbergers; denn wenn Timaios den Versuch 82

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Fab. Pict. Frg. 19 und 20 Chassignet (= Cic. div. 1,55 und D.H. 7,71,1); cf. Mommsen 1870, 1 Anm. 1. Wie beispielsweise von Momigliano 1990, 100 f. vertreten (skeptischer Timpe 1972, 928). Cf. Timpe 1972, 936 und 959 und Momigliano 1990, 99 f.

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unternommen hätte, eine wenig ausgearbeitete römische Legende an den griechischen kulturellen Hintergrund anzupassen, dann dürften wir eine möglichst enge Parallele erwarten. Das ist aber, wie oben gezeigt, weder für den Vergleich zwischen Coriolan und Achilleus der Fall85 noch für den zwischen Coriolan und Meleagros. Ähnlich steht es mit der Annahme einer weitgehend selbständigen Ausarbeitung der Erzählung durch Fabius Pictor. Die Geschichte dürfte bei Fabius, wie erwähnt, bereits in ziemlich reicher Ausgestaltung vorgelegen haben, und dies passt durchaus zum generellen Aufbau seines Geschichtswerks, weil Fabius die Frühzeit bis zum Jahre 450 einigermaßen ausführlich darstellte, nur die folgenden Jahre ziemlich summarisch behandelte und dann die Punischen Kriege zum Hauptgegenstand seines Geschichtswerks machte86. Was nun die Gesandtschaften angeht, so haben wir oben gesehen, dass Fabius wahrscheinlich schon die drei Einzelgesandtschaften kannte und den einzelnen Bittstellern auch eine präzise Funktion im Sinne eines Kontrasts zwischen den verschiedenen Gruppen zuwies. Das braucht aber nicht zu bedeuten, dass erst Fabius das DreiStufen-Schema in die Geschichte einführte. Denn zum einen sollte das letzte Glied in der Abfolge mit dem Bittgang der Veturia viel älter sein als die Darstellung des Fabius, weil dieses Motiv aitiologische Bedeutung für den Tempel der Fortuna muliebris vor Rom hatte87; und zum anderen hat die DreierFolge, wie oben ausgeführt, eher epischen Charakter und sperrte sich in gewissem Sinne sogar gegen eine Vereinnahmung durch die Historiker88. Auch eine Orientierung an griechischen Vorbildern kann Fabius kaum zur erstmaligen Aufnahme des Motivs angeregt haben. Denn er müsste damit dasselbe Ziel verfolgt haben wie Timaios, d.h. dem griechischen Publikum seines griechisch verfassten Werkes ein vertrautes Element zu liefern, und dann dürften wir wiederum erwarten, dass er seine Erzählung möglichst gut an die griechischen Vorbilder anpasste, also beispielsweise die Priester zur ersten offiziellen Delegation machte wie im Paradeigma von Meleagros (Hom. Il. 9,574 - 580) und den Freunden einen selbständigen Rang gab und ihre Gruppe nicht mit der offiziellen politischen Delegation zusammenfallen ließ. Dies ist aber, wie gezeigt, gerade nicht die Form der Erzählung, die wir bei Livius und Dionysios von Halikarnassos finden, und wir können daher auch für die ältere Annalistik keine solche genaue Analogie zwischen der Erzählung von Coriolan und der der griechischen Helden postulieren. Überhaupt war die Parallele zwischen Coriolan und Meleagros oder Achilleus keineswegs sehr offenkundig, solange nicht schon das Motiv der wiederholten Gesandtschaft vorlag. Denn Meleagros und Achilleus haben sich vom eigenen Kriegslager zurückgezogen und werden da85

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Hier kam eine etwas größere Annäherung, wie gezeigt, erst durch die Andeutungen von Dionysios von Halikarnassos und Plutarch zustande. So das Resultat der Untersuchungen von Timpe 1972 (bes. S. 938 - 940, 944 und 948). Cf. die Bemerkungen oben in Kap. 2.1.2. Cf. oben Kap. 2.1.3.

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her auch von der eigenen Kriegspartei zur Rückkehr in den Kampf aufgefordert. Coriolan dagegen bedroht eine Nachbarstadt und wird daher auch von den Vertretern dieser Partei angefleht, von seinem Vorhaben abzulassen. Auch für Fabius Pictor ist eine solche selbständige Erweiterung der Geschichte durch ergänzte Gesandtschaften somit abzulehnen. Es bleibt damit die dritte Möglichkeit eines altitalischen und damit vorliterarischen Motivs der drei aufeinanderfolgenden Gesandtschaften, mithin einer indigenen Tradition, die ohne den (frühen) Einfluss der homerischen Darstellung zustande kam89. Wiederum bleiben aber zwei Alternativen, zum einen die Möglichkeit, dass die durch das Aition für Fortuna muliebris vorgegebene Gesandtschaft der Frauen erst nachträglich durch weitere Gesandtschaften ergänzt wurde, und zum anderen die Möglichkeit, dass ein präexistentes Motiv einer dreifach gestuften Gesandtschaft für die Bildung des Aitions für Fortuna muliebris herangezogen wurde. Für die erste Möglichkeit hat sich J. Champeaux entschieden, die in einer großangelegten Studie zu den verschiedenen Kulten der Fortuna in Rom und Umgebung zum Schluss kam, dass das Heiligtum der Fortuna muliebris an der alten Stadtgrenze die doppelte Funktion gehabt habe eines spezifischen Schutzes der Familie und eines allgemeinen Schutzes der Stadt Rom vor ihren Feinden90. Hinter dem Motiv der Bittgesandtschaft von Veturia und Volumnia zu ihrem Sohn bzw. Ehemann Coriolan stehe der archaische Brauch der Entblößung der einheimischen Frauen vor feindlichen Kriegern mit dem Ziel, diese von ihren Eroberungsplänen abzubringen 91. Dieses archaische, im Falle Coriolans vielleicht sogar historische Motiv sei dann im Zuge des römischen Dezenzdenkens zu einer einfachen Bittgesandtschaft herabgestuft worden92. Das Problem mit dieser Erklärung ist aber, dass im Falle Coriolans, von einer späten Ausnahme abgesehen, keine Belege vorliegen für ein solches Motiv entblößter Brüste93, 89

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Unser Befund trifft sich also mit der allgemeinen Annahme Mommsens (1870, 25), dass mit der Erzählung von Coriolan vorliterarische Tradition vorliege. Champeaux 1982, 369 (“Fortuna Muliebris joint à ses compétences physiologiques sur la vie de la femme un rôle social, puisqu’elle veille sur l’ensemble du sexe féminin et surtout sur les matrones. Ce qui, bien sûr, lui interdit toute fonction politique, mais lui confère, par un paradoxe qui n’est qu’apparent, une mission défensive et pour ainsi dire militaire.”). Champeaux 1982, 366 - 368 (unter Berufung auf Beispiele aus dem keltischen Bereich). Champeaux 1982, 367 (“Bien avant les annalistes, la tradition orale et, sans doute, les cantilènes épiques qui retraçaient les exploits de Coriolan, avaient dû, comme dans la légende d’Horace et avec le même souci de décence moralisatrice, substituer la parole et les sentiments familiaux à un geste dont la signification originelle, au demeurant, leur eût échappé, et qui eût perdu toute valeur rituelle pour ne plus être qu’obscène et provocant.”). Die Ausnahme ist der von Champeaux gar nicht herangezogene Beleg von D.C. 5 Frg. 18,10 (thvn te ejsqh`ta katarrhxamevnh [sc. Veturia] kai; tou;" mastou;" prodeivxasa th`" te gastro;" aJyamevnh “ijdouv” e[fh, “tevknon, au{th se e[teken, ou|toiv se ejx-

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und dass Champeaux doch wieder keine Erklärung findet für die beiden Bittgesandtschaften der Staatsrepräsentanten und der Priester94, die ebenfalls ganz auf die verbale Überzeugung setzen und daher besser zusammenpassen mit dem erhaltenen Motiv der Überzeugung durch die reinen Worte Veturias als mit dem postulierten Motiv des entkleideten Oberkörpers. Auch für die vorliterarische Zeit bietet somit die Annahme, eine ursprüngliche Erzählung mit nur einem Bittgang sei später durch eine Darstellungsform mit drei Bittgängen ersetzt worden, kaum zu überwindende Schwierigkeiten. Sehr ökonomisch ist dagegen die Annahme, dass hier das vorgeprägte Motiv einer mit rein verbalen Mitteln arbeitenden dreifachen Gesandtschaft verwendet und für die Bildung des Aitions des Tempels von Fortuna muliebris herangezogen wurde. Grund für diese Neubewertung ist die oben erwähnte häufige Verwendung solcher wiederholter Bittgänge in epischen Dichtungen, die um einen überragenden, häufig jugendlichen Helden kreisen. Dieses altepische Motiv scheint nun in der Geschichte von Coriolan bis zu einem gewissen Grad historisiert worden zu sein, zunächst im Sinne einer Differenzierung zwischen den beiden offiziellen Gruppen der Magistraten und der Priester und dann in einem weiteren Schritt durch die Einfügung eines Hinweises auf den Brauch des Ius fetiale. Doch die grundlegende Dichotomie zwischen den erfolglosen offiziellen Gesandtschaften und der erfolgreichen Gesandtschaft der Familienangehörigen entspricht vollkommen dem sonstigen epischen Muster und dürfte daher auch der Legende von Coriolan von Anfang an zu eigen gewesen sein. Die Frage ist nun, ob man noch etwas weitergehen und die Geschichte Coriolans überhaupt auf das dominierende Muster von Heldenzorn und Kampfboykott zurückführen kann, wie es für Achilleus, aber auch für andere epische Helden wie Marko Kraljevi, Rostam und Karna bezeugt ist. Dies ist nicht zwingend, weil auch in der Geschichte des keltischen Helden Cuchulainn das Motiv der dreifachen Bittgesandtschaft über die Kriegsfronten hinweg, wie wir es in den erhaltenen Fassungen der Legende von Coriolan finden, vorliegt95. Dennoch ist das Motiv der Bittgesandtschaft zum zürnenden Helden innerhalb des eigenen Kriegslagers sicher der einfachere und natürlichere Fall, der

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evqreyan”). Doch entwickelte Dio hier einfach die bei Livius und Dionysios vorgefundenen Elemente weiter (Mommsen 1870, 2) und verfügte über keine vorlivianischen Quellen. Außerdem entspricht das Motiv der entblößten Brüste bei Dio nicht wirklich der von Champeaux rekonstruierten Version, da es sich hier nicht um einen apotropäischen Akt gegenüber feindlichen Kriegern handelt, sondern um einen drastischen Appell einer Mutter an ihren Sohn. Parallele und mögliche Anregung dafür war die Entblößung Hekabes vor Hektor beim Versuch, ihren Sohn von der Konfrontation mit Achilleus abzuhalten (Hom. Il. 22,79 f.: mhvthr d’ au\q’ eJtevrwqen ojd uvreto davkru cevo usa, // kovlpon ajniemevnh, eJtevrhfi de; mazo;n ajnevsce). Champeaux 1982, 367 Anm. 160 verweist lediglich auf die erwähnte Arbeit Schönbergers, ignoriert aber die damit verbundenen Probleme. Cf. die Darstellung unten in Kap. 2.2.

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vielleicht auch hinter der Erzählung von Cuchulainn steht96. Ebenso könnte hinter der kanonischen Fassung der Erzählung von Coriolan eine ältere Version stehen, in der Coriolan dem eigenen Lager seine Kriegsdienste verweigerte und daher auch von Bittstellern seines eigenen Lagers aufgesucht wurde. Hauptsächlicher Anhaltspunkt für die Rekonstruktion einer solchen Version ist – neben bestimmten Nachrichten über einen heroischen Kult Coriolans in Antium97 – der oben erwähnte Grundzug in Coriolans Biographie, nämlich seine untergeordnete Stellung gegenüber einer politischen Führergestalt. Dabei ist der Interessengegensatz, der bei der Eroberung von Corioli zwischen Coriolan und dem römischen Konsul Postumus Cominius in Erscheinung tritt, noch von eher harmloser Natur 98. Umso heftiger aber verläuft der von den Quellen immer wieder betonte Konflikt Coriolans mit Attius Tullius, dem Oberhaupt von Antium. Der Konflikt mit Postumus Cominius ist also wohl lediglich eine abgeleitete Dublette zum Konflikt mit Tullius, und dieser Umstand deutet darauf hin, dass in diesem letztgenannten Konflikt – und nicht im Konflikt Coriolans mit den Vertretern Roms – der Kern der Geschichte liegt, und dass es in der ursprünglichen Fassung der Legende Tullius war, dem Coriolan ab einem bestimmten Zeitpunkt seine Dienste verweigerte, weswegen er durch Bittgesandtschaften seines eigenen volskischen oder latinischen Lagers zum Einlenken bewegt werden musste. Da aber in unseren Quellen, wie gesagt, immer nur das Motiv des Bittgangs der Römer ins feindliche Lager der Volsker vorliegt, müssten wir in diesem Fall eine spätere Umkehrung des traditionellen Motivs von Zorn und Kampfenthaltung annehmen. Ein Grund für eine solche Umkehrung lässt sich allerdings relativ leicht finden, denn Coriolan muss, wie oben dargestellt, fast zwangsläufig ursprünglich ein latinischer Held und damit ein Gegner Roms gewesen sein und wurde erst im 4. oder 3. Jh. zum Römer und Patrizier gemacht. Mit dieser globalen Veränderung der Erzählung bzw. mit der Einpassung in den größeren historischen Zusammenhang der politischen und militärischen Geschehnisse zur Zeit der frühen Republik müssen auch in den Einzelmotiven Veränderungen aufgetreten sein. Es ist also durchaus denkbar, dass Coriolan in der älteren Legende als Latiner auf Seiten der Volsker kämpfte, aber aufgrund eines Konflikts mit deren Oberhaupt den weiteren Kampf verweigerte und erst nach mehreren Bittgesandtschaften (vielleicht zuletzt durch die Frauen der Volsker und der Latiner) den Kampf wieder aufnahm und den Krieg gegen Rom fortsetzte99. 96

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Zur Möglichkeit einer Zornhandlung in älteren Versionen der Erzählung von Cuchulainn cf. unten Kap. 6.1. Cf. die folgende Besprechung von D.H. 8,59,2 - 4 und Plu. Cor. 39,9. Dass es sich um ein eher latentes Spannungsverhältnis handelt, zeigt sich beispielsweise in Livius’ Bemerkung, wonach Coriolan mit seinen Heldentaten den Ruhm seines Vorgesetzten verdunkelt habe (2,33,9: tantumque sua laude obstitit famae consulis Marcius, ut ...), was aber nicht zu einem offenen Konflikt führte. Eine Spur einer solchen Erzählung findet sich vielleicht noch in der Tradition vom ehrenvollen Begräbnis (mit folgender heroischer Verehrung), das Coriolan zuletzt von

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Diese Legende könnte gleichzeitig als Aition für den Kult der Fortuna in Antium gedient haben und wäre dann mit Coriolans ‘Naturalisation’ als Römer als ganze (mit den notwendigen Veränderungen) auf Rom übertragen und zur Erklärung für das dortige Fortuna-Heiligtum gemacht worden. Der kanonisch gewordene Konflikt Coriolans mit der Plebs und seine anschließende Verbannung wären dann ein Reflex des älteren Streits mit dem Oberhaupt der Volsker und des Rückzugs vom Kampf. Andere Szenarios sind selbstverständlich nicht ausgeschlossen 100. Doch haben wir im einleitenden Kapitel gesehen, dass bei der Einpassung eines traditionellen Geschichtenmusters in einen historischen oder sonstigen erweiterten Zusammenhang typischerweise Deformationen des Musters auftreten, und dass Motive, die auf diese Weise in den Hintergrund gedrängt werden, an anderer Stelle wieder auftauchen können. Genau dies scheint mit der Legende von Coriolan passiert zu sein: Das typische epische Spannungsverhältnis zwischen Held und König bzw. der offene Konflikt zwischen den beiden zeigt sich hier gleich zweimal (zunächst in milderer Ausprägung mit dem römischen Konsul Postumus Cominius, dann in schärferer Form mit dem volskischen Staatsoberhaupt Attius Tullius) und findet vielleicht sogar noch eine weitere Spiegelung im Konflikt Coriolans mit der römischen Plebs. Das relativ einfache Muster vom Kampfboykott eines Helden und von den Bittgängen seiner Mitbürger und Angehörigen scheint hier aufgelöst und ersetzt durch die Verbannung des Helden in den Nachbarstaat und durch den Kriegszug gegen die alte Heimat; dennoch finden sich auch hier die typischen Elemente wie die wiederholten Bittgänge, die mehrfache Ablehnung der Bitten und die Zuspitzung des Geschehens in der Konfrontation des Helden mit seinen nächsten Vertrauenspersonen – all dies nun in der komplizierteren Form der Gesandtschaft über die Kriegsfronten hinweg, aber dennoch genau mit dem Crescendo des üblichen Musters. Unsere These, dass hinter der Legende von Coriolan das epische Motiv von Heldenzorn und Kampfenthaltung steht, wird sich kaum je definitiv erweisen lassen, scheint aber doch mindestens gut begründbar. Die eingangs geschilderte Annäherung Coriolans an Achilleus durch Dionysios von Halikarnassos und Plutarch würde dann bedeuten, dass die Legende zuletzt wieder zu ihrem Aus-

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den Volskern erhalten haben soll (D.H. 8,59,2 - 4; Plu. Cor. 39,9), denn diese Tradition passt besser zu einem Helden aus den eigenen Reihen, mit dem man sich ausgesöhnt hat, als zu einem ermordeten Überläufer (cf. die folgende Diskussion zur Überlieferung der Legende in Antium). Beispielsweise könnte Coriolan, in einer mittleren Phase in der Entwicklung der Legende, als römischer Patrizier für Rom gekämpft haben und zunächst dort das Muster der Kampfenthaltung und der anschließenden Bitten erlebt haben, bevor dann das Motiv seines Exils bzw. seines Seitenwechsels zu den Volskern aufkam. Eine solche Version könnte aber den überlieferten Konflikt mit Attius Tullius nicht gleichermaßen gut erklären wie die oben skizzierte und böte auch zeitliche Probleme, da sie wesentliche Schritte in der Entwicklung der Legende erst auf den Zeitpunkt nach der ‘Verpflanzung’ des Helden nach Rom verlegt.

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gangspunkt zurückkehrte. Aber auch in der klassischen römischen Darstellung von Livius und seinen Vorgängern, die noch keinen solchen sekundären Prozess der Annäherung an die ‘Ilias’ durchmachte, sind die Parallelen zwischen Coriolan und Achilleus sicher deutlich genug, um die Einordnung Coriolans in die Klasse der trotzigen epischen Helden zu gestatten. Als Träger für ein solches frühes Motiv des Kampfs eines latinischen Helden für die Volsker und seines zeitweiligen Kampfboykotts (oder, wenn man diese Rekonstruktion nicht annimmt und lieber bei der belegten Variante bleibt: als Träger für die Geschichte vom Kampf eines römischen Helden gegen die Vaterstadt) kommen altitalische Epen in Frage, also etwa das, was später in Rom unter dem Stichwort der Carmina convivalia den Ruhm und die Aura eines großen Rätsels erlangte101. Die Annahme ist also mit einer generellen Unsicherheit behaftet. Immerhin bestehen im Falle Coriolans aber konkretere Anhaltspunkte in Nachrichten des Dionysios von Halikarnassos über die Errichtung eines Grabmonuments für Coriolan in Antium (D.H. 8,59,4: sunagagovnte" ta; leivyana e[qayan ejn tw`/ aujtw`/ cwrivw/ cwvmati uJyhlw`/ dia; poluceiriva" cwsqevnti mnh`ma ejpivshmon ejrgasavmenoi) und über die anhaltende Rühmung des Helden im Lied (D.H. 8,62,3: ouj gevgonen ejx ivthlo" hJ tou` ajndro;" mnhvmh, ajll’ a[/detai kai; uJmnei`tai pro;" pavntwn wJ" eujsebh;" kai; divkaio" ajnhvr). Wahrscheinlich sollte man das letztgenannte Zeugnis nicht zu wörtlich nehmen und allenfalls als Indiz für ältere Dichtung lange vor der Zeit des Dionysios betrachten102. Zusammen mit dem erstgenannten Zeugnis über ein Grabmonument, das ja in irgendeiner Form einen anhaltenden Heroenkult impliziert haben muss, kann man aber doch auf eine lokale Lied- oder Erzähltradition schließen, die vor allem die Leistungen Coriolans im Krieg zu ihrem Gegenstand gemacht haben mag. Relativ früh aber dürfte die Erzählung dann auch andere Überlieferungsträger gefunden haben 103 und zum Inhalt von Familientraditionen, etwa Trauerreden mit Hinweisen auf die Vorfahren des jeweils Verstorbenen, geworden sein 104. Auf diese Weise dürfte die Legende allmählich einen stärkeren politi101

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Cic. Brut. 75; Cic. Tusc. 1,3 und 4,3 (= Cato orig. VII 13 Chassignet); Non. p. 77,2 - 5 Mercier (= Varro, ‘De vita populi Romani’ Frg. 394 Salvadore). Zur Frage nach der Historizität dieser Tafellieder, die schon zu Catos und zu Ciceros Zeit nicht mehr erhalten waren, cf. die skeptische Haltung von Dahlmann 1950 und die positivere von Momigliano 1990, 92 f., Cornell 1995, 12 und West 2007, 64. So geschlossen von Cocchia 1896, 554 f. (kühn dagegen Cornell 2003, 93 f., der an eine kontinuierliche Liedtradition bis in die Zeit von Dionysios hinein denkt). Zur Typik solcher Formulierungen, die nicht an eine bestimmte kultische oder sonstige Liedtradition gebunden sind, cf. die Parallele bei X. Cyn. 1,10 zum Mythos der Kalydonischen Jagd (Meleva gro" de; ta;" me;n tima;" a}" e[labe pavnte" a/[dousi), was neben epischen und lyrischen Traditionen mindestens auch auf die Tragödie, aber wahrscheinlich auch schon auf frühe Prosafassungen hindeutete. Cf. die Einleitung und den dortigen Hinweis auf das Phänomen des Gattungswechsels (‘genre variance’) bzw. auf Hansen 2002, 8 f. und 16. Zur möglichen Herkunft der Erzählung aus der Familientradition der Marcii bereits Mommsen 1870, 24; danach beispielsweise Hull 2003, 36.

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schen Anstrich bekommen haben und immer wieder den Erfordernissen der Zeit angepasst worden sein, bis schließlich die Übernahme der Erzählung in die schriftliche Annalistik ihre weitgehende Fixierung veranlasste105. 2.2

Die Parallelen zur Geschichte vom Zorn des Achilleus in der nichtgriechischen epischen Dichtung

Beherrschendes Thema der ‘Ilias’ ist der offene Konflikt zwischen Agamemnon und Achilleus, also zwischen dem König und seinem kampfstärksten Vasallen, und der dadurch verursachte Kampfboykott des Achilleus. Dieser Zorn des Helden setzt sich auch dann noch fort, als zunächst drei Gesandte des reumütigen Königs, nämlich Odysseus, Phoinix und Aias, gemeinsam zu Achilleus gelangen und nacheinander drei Bittreden halten106. Erst Achilleus’ Freund Patroklos schafft es zuletzt in einer eigentlichen Verzweiflungsaktion, den Helden zumindest teilweise umzustimmen107. Eine Spiegelung und verdichtete Form dieses Musters finden wir im Paradeigma von Meleagros, das Phoinix seinem ehemaligen Ziehsohn Achilleus vorträgt (Hom. Il. 9,529 - 599). Hier haben wir es sogar mit einer vierfachen Stufung von Bittgängen bzw. Bittreden zu tun, und wieder schafft es zuletzt eine Vertrauensperson des zürnenden Helden, seine Frau Kleopatra, ihn doch noch aus seiner Verhärtung zu lösen und wieder zum Kampf zu bewegen108. Dieses Muster der Beleidigung eines Helden, seines Zorns, seines Rückzugs vom Kampf und seiner verzögerten Versöhnung findet in der epischen Dichtung verschiedener indogermanischer Nationen durchaus eine Reihe von Parallelen und Teilparallelen. Wenn wir mit den Teilparallelen beginnen, so ist zunächst die soeben besprochene Legende von Coriolan zu nennen, die zumindest in der schriftlich fixierten Form der römischen Annalistik nicht das Muster von Zorn und Kampfboykott zum Schaden des eigenen Lagers kennt, sondern den militärischen Kampf gegen die Vaterstadt und deshalb eine dreifache Bittgesandtschaft über die Kriegsfronten hinweg. Bemerkenswerte Parallele dafür ist das mittelalterliche irische (prosimetrische) Epos ‘Táin bó Cúalnge’109. Dort greift Königin Medb im Streit um einen Prachtsstier zusammen mit vier Provinzen die fünfte irische Provinz an. Wichtigster Verteidiger dieser Provinz Ulster ist der

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Zum mündlichen Charakter der frühesten römischen Überlieferung und zu ihrer schließlichen Fixierung im Medium der Schrift cf. allgemein Suerbaum 2002, 354 f. Hom. Il. 9,225 - 306 (Odysseus), 9,434 - 605 (Phoinix) und 9,624 - 642 (Aias). Hom. Il. 16,1 - 100. Zum Aufbau im Paradeigma von Meleagros cf. oben die Anm. 76. Hier zitiert nach der Version des ‘Buchs von Leinster’ aus der Mitte des 12. Jh.s (nach den Kapiteln und den Seitenzahlen der Editionen bzw. Übersetzungen von Windisch 1905 und O’Rahilly 1967).

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jugendliche Held Cuchulainn, der, im Auftrag seines Onkels Conchobar 110, alleine das anrückende Heer an der Grenze aufhält und für viel Blutvergießen sorgt. Daher schickt Königin Medb zweimal einen Boten zu Cuchulainn mit der Bitte, wenigstens in der Nacht die Waffen ruhen zu lassen111. Doch Cuchulainn weist das Ansinnen zweimal zurück und hört erst auf den dritten Boten, seinen ehemaligen Erzieher Fergus112. Eine andere Konstellation weist das mittelalterliche spanische Lied von El Cid auf. Dort liegt ein traditioneller Konflikt zwischen dem König und seinem Feldherrn vor, und El Cid wird im Gefolge einer Intrige aus Kastilien verbannt. Der Held bleibt seinem König aber im Herzen treu und erobert für ihn verschiedene Städte im Gebiet der Mauren. Dennoch ist er auch an einer formalen Versöhnung interessiert und schickt deshalb seinen Neffen Alvar Fáñez dreimal als Gesandten mit Geschenken zum König, was aber erst beim dritten Mal zur völligen Aussöhnung und zur Aufhebung der Verbannung führt113. Es handelt sich hier im Unterschied zur ‘Táin’ und zur Legende von Coriolan also nicht um Bittgänge über die Kriegsfronten hinweg, sondern um einen Konflikt und um dessen Bereinigung zwischen verschiedenen Gruppierungen desselben (königlichen) Lagers. Was aber das Lied von El Cid gerade im Zusammenhang mit der Legende von Coriolan besonders interessant macht, ist der Umstand, dass wir es hier im Kern mit einem historischen Stoff zu tun haben, der zudem gut durch zeitgenössische Quellen dokumentiert ist. Im Unterschied zum epischen Helden wurde der reale Cid aber zweimal von König Alfonso VI. verbannt, und das zweite Mal mit endgültiger Wirkung114. Die wichtigste historische Quelle, die lateinisch geschriebene Chronik ‘Historia Roderici’ aus dem früheren 12. Jh., verzeichnet diese Vorgänge genau, weiß aber nur von einem Bittgang eines Vertrauten von Cid (im Anschluss an die zweite Verbannung) zu 110

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Für das Spannungspotential, das in dieser Personenkonstellation steckt, und für die damit gegebene Parallele zum Konflikt zwischen Agamemnon und Achilleus (Konflikt des Helden mit dem politischen Oberhaupt, Entfernung vom Kampffeld, Tod eines jungen Vertrauten, Wiedereintritt in den Kampf unter der Aureole eines Feuerscheins) cf. unten im analytischen Teil die Punkte ‘c’, ‘g’ und ‘i’ (allgemein zu den Parallelen zwischen Cuchulainn und Achilleus cf. Moorman 1971, 13; zum Wahlzwang zwischen einem langen Leben und ewigem Ruhm, dem die beiden Helden ausgesetzt sind, cf. Bader 1980, 62 f., Griffin 1980b, 98 - 100, Campanile 1990, 267 269 und Ford 1994). ‘Táin’ Kap. IX (Windisch 1905, 202 - 204 und 214 - 226; O’Rahilly 1967, 176 f. und 178 - 181). ‘Táin’ Kap. X (Windisch 1905, 232 - 238; O’Rahilly 1967, 182 f.). ‘Poema de mio Cid’ V. 870 - 898 (Smith 1972, 28 f.; Eggarter 1968, 50 f.) und V. 1316 - 1384 (Smith 1972, 43 - 45; Eggarter 1968, 74 - 78): zweifacher vergeblicher Bittgang; V. 1831 - 1915 (Smith 1972, 58 - 61; Eggarter 1968, 100 - 104): dritter erfolgreicher Bittgang. Zum realen Hintergrund unseres Liedes (erste Verbannung im Jahre 1081, Wiederaufnahme im Jahre 1087, endgültige Verbannung im Jahre 1089) cf. Smith 1972, XXV - XXX.

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berichten 115, der zudem negativ behandelt wird116. Der Dichter des ‘Poema de mio Cid’, der wahrscheinlich um 1200 arbeitete, erlaubte sich also erhebliche Veränderungen seiner Vorlage117, zog die beiden Verbannungen zu einer zusammen und gestaltete die verschiedenen Motive in einer Weise aus, die eine Annäherung an die sonstigen Erzählungen über Konflikte zwischen König und Held bewirkte. Wir haben es also – wie in der Legende von Coriolan – mit einer Verschmelzung von historischen Tatsachen und von vorgeprägten poetischen Motiven zu tun, und wieder ist es das Motiv der dreifachen Gesandtschaft, mit zwei gescheiterten Versuchen und einem letzten erfolgreichen Versuch, das den ‘Poema de mio Cid’ in dieselbe Tradition wie unsere anderen Texte stellt118. Der einzige wesentliche Unterschied besteht darin, dass der Held selber einen Bittsteller ausschickt und dass es dreimal dieselbe Person ist, die den Bittgang antritt. Dennoch ist es auch hier eine Vertrauensperson des Helden, die die wichtige Mission übernimmt, ganz so wie es auch bei Coriolan und Cuchulainn eine Vertrauensperson gewesen war, die zuletzt für eine erfolgreiche Mission sorgte. Wenn wir nun von den Teilparallelen zu den vollständigen Parallelen zum Zornmuster des Achilleus übergehen, so ist das wichtigste Parallelbeispiel sicher die Geschichte von Marko Kraljevi im serbischen Lied von ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’119. In diesem Lied bildet eine Heimkehrer115

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Menéndez Pidal 1956, 936 (“Rodericus [sc. El Cid] autem perpendens et plenarie omnino cognoscens inimicorum suorum dolosis detractionibus et falsis accusationibus regem contra se fuisse ita iratum ... quendam militem suorum probissimum ... protinus ad regem misit”). Menéndez Pidal 1956, 936 (“rex autem, vehementer contra illos iratus, suam excondictionem licet iustissimam non solum ei accipere, verum etiam benigne audire noluit” [‘excondictio’ mittellateinisch für die Zurückweisung einer Verleumdung]). Zur freien Behandlung der ‘Historia Roderici’ durch den Dichter des ‘Poema’ cf. allgemein Smith 1983, 143 f. (generell zum novellistischen, pseudo-historischen Charakter des Epos cf. Spitzer 1948). Ein anderes Beispiel für die Aufnahme mündlicher Erzähltraditionen ist die Schilderung des Auftritts von Pedro Bermúdez, einem Neffen El Cids, vor dem Gerichtshof des Königs in den V. 3306 - 3308 (Smith 1972, 100; Eggarter 1968, 172). Die anfängliche Sprechhemmung und der darauf anhebende Redefluss entsprechen genau der Schilderung, die Homer von der diplomatischen Mission des Odysseus in Troja gibt (Hom. Il. 3,216 - 224). Da eine so genaue Kenntnis der ‘Ilias’ für das hohe spanische Mittelalter auszuschließen ist, muss es sich zwangsläufig um ein mündliches episches Erzählmotiv handeln, das zweimal unabhängig voneinander aufscheint. Karadi 1969, 261 - 268 (Übersetzung in Low 1922, 91 - 100 sowie unten in Appendix 1). Zum historischen Hintergrund dieses Epos und zur Aufzeichnung der zitierten anonymen Version in der ersten Hälfte des 19. Jh.s cf. Koljevi 1980, 77 und 195 f. (generell zu den Liedern um Marko Kraljevi cf. Popovi 1988, Fisher 1990 und Foley 1991, 96 - 134). Die Parallele des Mittelteils dieses Lieds mit der ‘Ilias’ wurde m.W. zuerst gesehen von Lord 1969, 19 f. (S. 20: “... has a resemblance to part of Achilles’ tale in the Iliad.”) und 30 (“... the pattern of Achilles’ withdrawal, waiting for his country’s enemies so to press his overlord that the need for the hero’s return is extreme ...”).

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geschichte von der Art der ‘Odyssee’ den äußeren Rahmen, in den der Kriegszug des serbischen Helden Marko eingefügt ist, der vom Sultan in Istanbul zu Hilfe gerufen wird und zusammen mit diesem übers Meer setzt, um die arabische Stadt Kara-Okan anzugreifen. Marko wird aber im Verlauf der Belagerung von den Türken beleidigt und zieht sich vom Kampf zurück 120. Der in Bedrängnis geratene Sultan schickt darauf zweimal vergeblich einen Bittbrief zu Marko121 und erreicht erst in höchster Not mit einem dritten Bittbrief das Einlenken des Helden 122. Von mehr episodischer Natur, aber dennoch deutlich sind die Motive in der iranischen und in der indischen Tradition. Im iranischen Nationalepos ‘Schahname’ des Dichters Ferdausi (10./11. Jh.)123 ist das Zornmotiv in die bekannte Geschichte von Rostam und Sohrab, eine Parallele zum griechischen TelegonosMotiv, eingebaut124. Hier wird der Held Rostam vom iranischen König gegen den Eindringling Sohrab, seinen unerkannten Sohn, zu Hilfe gerufen125. Da er aber dem Hilferuf nicht sofort Folge leistet, wird er vom König beleidigt und reagiert mit Zorn und Kampfenthaltung126. Der König, der sein Fehlverhalten bald einsieht, schickt nun seine Heeresführer zu Rostam. Die Bitte um Verzeihung wird aber zunächst abgewiesen, bis zuletzt der königliche Ratgeber Gudarz, der Vater von Rostams Schwiegersohn, den Helden in einer zweiten Bittrede zum Einlenken bewegen kann127. Es ist also im Vergleich mit der ‘Ilias’ und dem Lied von Marko Kraljevi eine Reduktion auf zwei Bittreden zu beobachten. Sonst sind die Erzählstrukturen aber praktisch die gleichen, und

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‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 89 - 111 (Karadi 1969, 263; Low 1922, 93 f.). Zum Verhältnis zwischen Sultan und Held in diesem Lied cf. Popovi 1988, 133 - 135; Popovi übergeht jedoch die starke latente und in gewissen Momenten auch manifeste Spannung zwischen den beiden Führergestalten. ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 126 - 132 und 140 - 146 (Karadi 1969, 263 f.; Low 1922, 94 f.). ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 154 - 159 (Karadi 1969, 264; Low 1922, 95); für eine genauere Besprechung dieses Liedes cf. unten Kap. 4.1. Zu den älteren (verlorenen) Ausgestaltungen der iranischen Nationaltradition vom 7. bis zum 10. Jh. und zur Frage nach den mündlichen und schriftlichen Quellen Ferdausis cf. Yamamoto 2003, 53 - 80; kritisch zur Annahme mündlicher Quellen Omidsalar 2005. In der Folge zitiert nach den Vers- und Seitenzahlen der Übersetzung von Clinton 1996 und den Seitenzahlen der Übersetzung von Ehlers 2002. Zur Verwendung des Motivs vom Vater-Sohn-Kampf in der griechischen und in der iranischen Tradition cf. die unten gegen Ende des Kapitels folgenden Bemerkungen. Zum Thema des Konflikts zwischen König und Held im ‘Schahname’ cf. Davis 1992, 36 - 39, speziell zur Kampfenthaltung Rostams und zur Vergleichbarkeit der Episode mit dem Zorn des Achilleus cf. Davis 1992, 60 - 62 und 105 (allgemein zur Vergleichbarkeit des Heldentypus von Rostam und Achilleus cf. Davidson 1994, 101 und 2005, 274 f. [allerdings ohne Hinweis auf das Zornmotiv]). ‘Schahname’, Rostam und Sohrab V. 359 - 437 (Clinton 1996, 63 - 77; Ehlers 2002, 129 - 133).

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wichtig ist insbesondere, dass es wieder eine enge Vertrauensperson ist, die wie in den meisten bisher besprochenen Erzählungen die Versöhnung erwirkt. Stärker verändert ist das Muster schließlich in der großen indischen Nationaltradition des ‘Mahabharata’ mit dem Krieg zwischen den beiden miteinander verwandten Sippen der Pandava und Kaurava128. Der Held Karna, der auf der Seite der Kaurava und deren König Duryodhana in den Krieg zieht, gerät noch vor Kriegsbeginn auf einer Versammlung in einen Streit mit dem Sippenoberhaupt Bhischma und kündigt an, so lange nicht kämpfen zu wollen, bis Bhischma selber sich vom Kampf zurückziehe oder tot sei129. Nachdem der Krieg dann begonnen hat und zu ersten Schwierigkeiten für die Kaurava geführt hat, begibt sich König Duryodhana zu Karna, um diesen umzustimmen, doch Karna beharrt auf seiner genannten Bedingung; darauf zieht Duryodhana zu Bhischma und bittet ihn, sich zugunsten von Karna vom Kampf zurückzuziehen, doch Bhischma will weiterhin selber kämpfen130. Erst als Bhischma im Sterben liegt und sich auf dem Totenbett mit Karna aussöhnt, ist dieser bereit, wieder zu kämpfen131. Das Muster des Konflikts zwischen König und Held ist hier also durch die Einfügung einer dritten Partei, durch das Sippenoberhaupt Bhischma, erweitert. Dennoch kommt es auch hier zu den erwartbaren Bittgängen und zur üblichen verzögerten Aussöhnung. Es besteht also eine recht stattliche Reihe von Parallelen zum Zorn des Achilleus und zu seiner langwährenden Kampfenthaltung, wie sie in der ‘Ilias’ dargestellt ist132. Letztlich ist das nur die äußerste Zuspitzung des Konflikts

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Das ‘Mahabharata’ ist nach heutigem Wissensstand in verschiedenen Schichten in der Zeit zwischen 400 v. Chr. und 400 n. Chr. entstanden, wobei der Kern der Geschichte aber schon einige Jahrhunderte älter als die ältesten erhaltenen Textschichten sein kann (van Buitenen 1973, XXIII - XXV). Das Epos ist in der Folge nach der Einteilung in Bücher und Kapitel zitiert, wie sie in der kritischen Ausgabe und in den modernen englischen (und russischen) Übersetzungen gegeben ist. Bei Passagen, in denen keine moderne englische Übersetzung vorliegt, ist die ältere Übersetzung von K. Ganguli zitiert (mit den dortigen Seitenzahlen und der abweichenden Einteilung der Bücher in Kapitel). ‘Mahabharata’ 5,61 (van Buitenen 1978, 330 f.); die Parallele zwischen Achilleus und Karna ist beobachtet von McGrath 2004, 41 f. ‘Mahabharata’ 6,93 - 94 (Ganguli 1973, 244 - 247 [hier als Mahabh. 6,98 - 99 gezählt]). ‘Mahabharata’ 6,117 (Ganguli 1973, 312 - 314 [hier als Mahabh. 6,124 gezählt]). Überholt ist damit die Darstellung von Bowra 1952, 123 - 125, der als Parallele für den Zorn des Achilleus nur auf das altnordische ‘Lied von Hamdir’ aus der ‘Edda’ hinwies, wo es zu einem Streit zwischen Halbbrüdern kommt, der aber nicht die Form eines Kampfboykotts, sondern sogleich die Form einer tätlichen Auseinandersetzung annimmt. An derselben Unkenntnis der indogermanischen Zorngeschichten krankt aber auch noch die Position von Schrott 2008, 257 f., der im grollenden Achilleus eine Spiegelung des assyrischen Königs Sanherib sieht, der in der Auseinandersetzung mit den Kilikern aus Angst vor dem Geist seines Vaters nicht selber in den Kampf zog und lieber seine beiden Generäle (nach Schrott die Vorlage für Agamemnon und Me-

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zwischen König und Held, rex und dux, wie er in indogermanischen und sonstigen epischen Traditionen immer wieder zu beobachten ist133. Die wichtigste Konstante besteht dabei darin, dass der zürnende Held von so überragender Bedeutung ist, dass dem fehlbaren König oder der Gemeinschaft nichts anderes übrigbleibt, als Abbitte zu leisten, und immer erfolgen diese Überzeugungsversuche auf dem rein verbalen Weg des Appells an Vernunft und Verantwortungsgefühl und nehmen nie die Form einer physischen Überwältigung oder etwa einer magischen Bindung an. Stets scheitern diese Versuche aber 134, bis dann zuletzt wiederum auf dem Weg des rein verbalen Appells doch noch die Überzeugung gelingt. Die kanonische Zahl der Bittgesandtschaften oder Bittreden ist offenbar, auch wenn Abweichungen nach oben und nach unten möglich sind, die Zahl drei135. Wenn man nun nach diesem ersten summarischen Überblick die Frage nach der Vergleichbarkeit zwischen dem Zorn des Achilleus und den anderen genannten Erzählungen in einem zweiten Schritt analytisch angeht, so sind es vor allem die folgenden Punkte in der Geschichte von Achilleus, zu denen sich in den verschiedenen epischen Traditionen zahlreiche Parallelen finden lassen: a) Eroberung einer größeren Anzahl kleiner Städte in der Umgebung der belagerten Stadt Troja durch den Helden Achilleus (Il. 9,328 f.) b) Streit des Helden mit König Agamemnon, drohende Ermordung des Königs, Verhinderung der Eskalation durch eine Intervention der Göttin Athene (Il. 1,53 - 222, bes. V. 188 - 222) c) Rückzug des Helden vom Kampf infolge der Ehrverletzung (Il. 1,223 - 303) d) Aufenthalt des Helden bei seinem Freund und Gefolgsmann Patroklos (Il. 1,306 f.; 9,190 f.; 11,602 - 617) e) vergebliche Bittgesandtschaften zu Achilleus (Il. 9,182 - 657)

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nelaos) vorschickte, aber eben keineswegs aus Zorn so handelte und sich auch nicht in der Stellung eines Verbündeten eines übergeordneten Großkönigs befand. Zum Konflikt zwischen dem König und seinem Gefolgsmann, wie er vor allem in indogermanischen Epen, aber auch in anderen Traditionen oft auftritt, cf. die Arbeiten von Bowra 1952, 105, Moorman 1971, Jackson 1982, Miller 2000, 177 - 187, Louden 2006, 160 - 163 und West 2007, 411 f. Gegenbeispiele dafür sind verschiedene Zornszenen in der ‘Ilias’, in denen der zürnende Held schon auf den ersten Appell reagiert. Doch handelt es sich dabei immer um Nebenepisoden; cf. unten Kap. 3.2.1. Drei Besucher mit je drei Bitt- und Antwortreden finden sich auch im alttestamentarischen Buch ‘Hiob’ (näher ausgeführt bei Louden 2006, 179 - 182). Allerdings lässt sich Hiob auch vom dritten Redner nicht überzeugen, von seinem Hadern mit Gott abzulassen, und kann (ähnlich wie Achilleus in der ‘Ilias’) erst von einer vierten, deutlich jüngeren Person wieder mit Gott versöhnt werden.

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f) erfolgreiche Bittgesandtschaft des Patroklos (Il. 16,1 - 100) g) Verlust des Freundes im Kampf (Il. 16,257 - 867) h) Selbstmordabsichten des Achilleus, Aggression dann auf den Gegner Hektor gerichtet (Il. 18,1 - 147) i) vorläufiger Kampfeintritt des Achilleus mit Feuer über dem Haupt; obwohl er nicht bewaffnet ist, fliehen die Feinde panisch vor ihm (Il. 18,202 - 231) j) Aussöhnung mit König Agamemnon (Il. 19,40 - 276) k) endgültiger Wiedereintritt in den Kampf, Sieg (‘Ilias’, Buch 20 - 22) Es kommen also für einen Vergleich mit der ‘Ilias’ neben der römischen Tradition von Coriolan (Röm.) vor allem die spanische Tradition von El Cid (Span.), die mittelalterliche irländische Tradition von Cuchulainn bzw. das Epos ‘Táin bó Cúalnge’ (Irl.), die iranische Tradition des ‘Schahname’ (Iran.), die indische Nationaltradition des ‘Mahabharata’ (Ind.) und das serbische Heldenlied von Marko Kraljevi (Serb.) in Frage. Die darin zu beobachtenden Parallelen zu den einzelnen Elementen des Achilleus-Zorns sind die folgenden (bereits diskutierte Motiv werden nur noch kurz erwähnt): zu a) Röm.: Coriolan erobert eine Vielzahl von latinischen Städten, zum Teil schon vor dem Beginn der Belagerung Roms, insbesondere dann aber in der dreißigtägigen Kampfpause, die auf die erste Gesandtschaft der stadtrömischen Repräsentanten folgt136; Span.: aus Kastilien verbannt, unternimmt El Cid Raubzüge ins Gebiet der Mauren; während der dreijährigen Belagerung Valencias erobert Cid viele Städte in der Umgebung137; Serb.: die Truppen des Sultans von Istanbul und ihr serbischer Verbündeter Marko Kraljevi erobern viele kleinere Städte in der Nähe der arabischen Stadt Kara-Okan, bevor sie mit der Belagerung der Residenzstadt selbst beginnen138. zu b) Ind.: Arjuna, einer der fünf Pandava und somit jüngerer Bruder von König Yudhischthira, fühlt sich von seinem Bruder beleidigt, weil dieser ihm Feigheit in der Schlacht vorgeworfen hatte und ihn aufgefordert hatte, seine besondere Waffe, den magischen Bogen Gandiva, abzugeben; Arjuna will sich darauf mit dem Schwert auf seinen Bruder stürzen, lässt sich aber von seinem Cousin Krischna (einer Inkarnation des Gottes Vischnu) überzeugen, dass dies ein Frevel gegen die überlieferte Religion wäre139. 136 137 138

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Liv. 2,39,2 - 4; D.H. 8,14 - 21 und 8,36; Plu. Cor. 28 - 29 und 31,4. ‘Poema de mio Cid’ V. 1167 - 1169 (Smith 1972, 38; Eggarter 1968, 66). ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 80 - 88 (Karadi 1969, 262 f.; Low 1922, 93). ‘Mahabharata’ 8,49 (Vasil’kov, Neveleva 1990, 166 - 170; Ganguli 1974, 176 - 180 [hier als Mahabh. 8,69 gezählt]). Zur allgemeinen Übereinstimmung des Konflikts

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zu c) Irl.: Cuchulainn fühlt sich von seinem Onkel Conchobar, dem König von Ulster, im Stich gelassen; er möchte daher nicht mehr für Ulster kämpfen (cf. unten die Fortsetzung des Motivs in den Punkten g und i)140; Ind.: der indische Held Karna boykottiert nach einem Streit mit dem Sippenoberhaupt Bhischma den Kampf für König Duryodhana141; Iran.: Rostam wird bei seinem Eintreffen am Hof des Königs von diesem beleidigt und zieht sich vom Kampf gegen den Angreifer Sohrab zurück 142; Serb.: Marko wird von den Türken beleidigt und zieht sich vom Kampf zurück 143. zu d) Serb.: Marko verbringt die Zeit der Kampfenthaltung zusammen mit seinem Blutsbruder Alil-Aga144. zu e) Röm.: Bittgesandtschaften der Staatsbeamten und Priester gelangen vergeblich zu Coriolan145; Span.: El Cid schickt zweimal seinen Neffen Alvar Fáñez zu König Alfonso und bittet um Verzeihung; trotz zunehmendem Wohlwollen des Königs bleibt Cid die endgültige Aussöhnung vorerst noch verwehrt146; Irl.: Königin Medb schickt zweimal vergeblich einen Boten (Fiachu, Mac Roth) zu Cuchulainn mit der Bitte um einen Waffenstillstand147; Ind.: König Duryodhana trifft sich mit Karna, um diesen umzustimmen, doch Karna beharrt auf seiner zuvor genannten Bedingung148; Iran.: der König schickt seine Heeresführer zu Rostam mit dem Angebot einer Versöhnung, Rostam lehnt zunächst ab 149; Serb.: der in Bedrängnis geratene Sultan schickt zweimal vergeblich einen Bittbrief zu Marko150.

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zwischen Arjuna und Yudhischthira mit dem zwischen Achilleus und Agamemnon cf. Katz 1989, 33 f. und Vielle 1996, 141 f. (generell zum Heldentypus Arjunas cf. Allen 1999); zur Parallele in den hier behandelten Szenen cf. von Simson 1982, 216. ‘Táin’ Kap. XV, 4 (Windisch 1905, 318 - 328; O’Rahilly 1967, 194 - 196). ‘Mahabharata’ 5,61 (van Buitenen 1978, 330 f.). ‘Schahname’, Rostam und Sohrab V. 359 - 383 (Clinton 1996, 63 - 69; Ehlers 2002, 129 f.). ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 89 - 111 (Karadi 1969, 263; Low 1922, 93 f.). ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 112 - 116 (Karadi 1969, 263; Low 1922, 94). Liv. 2,39,10 - 12; D.H. 8,22 - 38; Plu. Cor. 30 - 32. ‘Poema de mio Cid’ V. 870 - 898 (Smith 1972, 28 f.; Eggarter 1968, 50 f.) und V. 1316 - 1384 (Smith 1972, 43 - 45; Eggarter 1968, 74 - 78). ‘Táin’ Kap. IX (Windisch 1905, 202 - 204 und 214 - 226; O’Rahilly 1967, 176 f. und 178 - 181). ‘Mahabharata’ 6,93 - 94 (Ganguli 1973, 244 - 247 [hier als Mahabh. 6,98 - 99 gezählt]). ‘Schahname’, Rostam und Sohrab V. 403 - 414 (Clinton 1996, 71 - 73; Ehlers 2002, 131 f.). ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 126 - 132 und 140 - 146 (Karadi 1969, 263 f.; Low 1922, 94 f.).

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zu f) Röm.: erfolgreiche Bittgesandtschaft von Mutter und Frau zu Coriolan151; Span.: die dritte Gesandtschaft von Alvar Fáñez zum König wird schließlich durch Erfolg belohnt; die Verbannung Cids ist nun aufgehoben152; Irl.: Königin Medb schickt zuletzt Fergus, den einstigen Erzieher Cuchulainns; dieser erzielt eine vorläufige Einigung mit Cuchulainn153; Iran.: Rostam lässt sich von seinem Verwandten Gudarz überzeugen, dem König doch wieder zu Hilfe zu kommen 154; Serb.: Marko reagiert auf den dritten Bittbrief155. zu g) Irl.: ermüdet vom langen Kampf, schläft Cuchulainn während drei Tagen und Nächten; in dieser Zeit greifen die Knaben von Ulster in den Kampf ein, insbesondere Cuchulainns Cousin Follomain, der im Kampf ums Leben kommt (cf. oben Punkt c und unten Punkt i)156. zu h) Ind.: nach dem abgebrochenen Angriff auf seinen Bruder Yudhischthira (oben Punkt b) wird Arjuna von tiefer Reue erfasst und will sich selbst das Leben nehmen, doch Krischna kann ihn davon abbringen; Arjuna richtet nun seine Aggression gegen Karna, den Helden aus dem gegnerischen Lager157. zu i) Irl.: Cuchulainn tritt nach seinem langen Schlaf wieder in den Kampf ein, um Follomain zu rächen158; während er sich für den Kampf rüstet, verzerrt sich sein Körper und es erscheint insbesondere ein Feuer über seinem Haupt159; zu einem späteren Zeitpunkt ist Cuchulainn schwer verwundet und liegt in Fesseln; er kann daher nicht an der entscheidenden Schlacht teilnehmen; doch als er den gewaltigen Kampfeslärm hört, sprengt er seine Fesseln, und weil er momentan keine Waffen bei sich hat, zieht er mit dem bloßen Streitwagen in den Kampf, bewirkt aber auch so die überstürzte Flucht der Feinde160. 151 152 153 154

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Liv. 2,40,3 - 9; D.H. 8,45 - 54; Plu. Cor. 34 - 36. ‘Poema de mio Cid’ V. 1831 - 1915 (Smith 1972, 58 - 61; Eggarter 1968, 100 - 104). ‘Táin’ Kap. X (Windisch 1905, 232 - 238; O’Rahilly 1967, 182 f.). ‘Schahname’, Rostam und Sohrab V. 415 - 425 (Clinton 1996, 73 - 75; Ehlers 2002, 132). ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 154 - 159 (Karadi 1969, 264; Low 1922, 95). ‘Táin’ Kap. XVII, 1 - 2 (Windisch 1905, 336 - 350; O’Rahilly 1967, 197 - 199); für eine nähere Besprechung des Motivs cf. unten Kap. 6.2. ‘Mahabharata’ 8,49 (Vasil’kov, Neveleva 1990, 170 - 173; Ganguli 1974, 180 - 184 [hier als Mahabh. 8,70 gezählt]). ‘Táin’ Kap. XVII, 3 (Windisch 1905, 352 - 386; O’Rahilly 1967, 199 - 203); dass der Auftritt vor den Feinden in beiden Fällen auf eine Phase der Kampfenthaltung folgt und auf den dadurch verursachten Tod eines Gefährten, betont schon Bader 1980, 71 74. ‘Táin’ Kap. XVII, 3 (Windisch 1905, 372 - 374: “Es wurden ... die Funken von rothem Feuer in Wolken und in Dünsten über seinem Haupt gesehen, von dem Kochen des wahrhaft wilden Zorns, der über ihm in die Höhe gestiegen war.”; O’Rahilly 1967, 202); cf. die detaillierte Besprechung dieser Parallele zwischen Cuchulainn und Achilleus bei Bader 1980, 63 - 71, Walsh 2005, 234 - 245 und Clarke 2006, 261 - 264. ‘Táin’ Kap. XXVII (Windisch 1905, 872 - 882; O’Rahilly 1967, 268 f.).

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zu j) Span.: König Alfonso und El Cid treffen sich zu einer formellen Aussöhnung; der neue Bund wird besiegelt durch eine Vereinbarung zur Heirat der beiden Infanten mit den Töchtern Cids161; Ind.: Karna und der auf dem Totenbett liegende Bhischma söhnen sich aus, Karna wird nun wieder für die Kaurava kämpfen 162; Yudhischthira und Arjuna söhnen sich nach ihrem Streit (oben Punkt b und h) wieder formell aus163; Iran.: der König und Rostam söhnen sich nach der erfolgreichen Vermittlung durch Gudarz wieder miteinander aus164. zu k) Serb.: Marko entscheidet die Schlacht zugunsten des Sultans165. Natürlich stellt sich wie für die Geschichte von Coriolan auch für die anderen Erzähltraditionen die Frage, ob sie nicht von der ‘Ilias’ abhängig sein können. Eine detaillierte Antwort darauf würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Einige Hinweise sollen dennoch gegeben werden. Was die westeuropäischen Traditionen der erwähnten spanischen und irischen Epen angeht, so sind diese in einem Zeitraum entstanden, der der Wiederentdeckung Homers und der sonstigen griechischen Literatur vorangeht, denn diese vollzog sich erst im 14. und 15. Jahrhundert durch die allmählich nach Italien gelangenden griechischen Gelehrten. Von einer direkten Beeinflussung des ‘Poema de mio Cid’ und der ‘Táin’ durch die homerischen Epen kann also auf keinen Fall die Rede sein. Allenfalls an eine indirekte Beeinflussung der irischen Tradition kann man denken166, etwa durch die spätantiken ‘Acta diurna’ des Dares Phrygius, da diese Schrift im Hochmittelalter nach Irland gelangte, ins Altirische übersetzt wurde und in engem Kontakt mit den genuin irischen Epen poetisch ausgestaltet wurde167. Allerdings darf man nicht vergessen, dass die ‘Acta diurna’ zur kaiserzeitlichen Gattung der Homer-Epanorthose zählen, in der die Motive der Troja-Sage regelmäßig stark verändert sind. So wird zwar, was die hier besonders interessierenden Motive betrifft, auch bei Dares Patroklos von Hektor getötet (Kap. 19), und für Achilleus ist erneut eine Zornepisode bezeugt (Kap. 28), was wieder zunächst zu einer erfolglosen Gesandtschaft führt (Kap. 30) und dann zu einem halbherzigen Einlenken des Achilleus (Kap. 32). Diese Motive sind aber 161 162 163

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‘Poema de mio Cid’ V. 2012 - 2163 (Smith 1972, 63 - 67; Eggarter 1968, 109 - 116). ‘Mahabharata’ 6,117 (Ganguli 1973, 312 - 314 [hier als Mahabh. 6,124 gezählt]). ‘Mahabharata’ 8,50 (Vasil’kov, Neveleva 1990, 173 - 177; Ganguli 1974, 184 - 186 [hier als Mahabh. 8,71 - 72 gezählt]). ‘Schahname’, Rostam und Sohrab V. 426 - 437 (Clinton 1996, 75 - 77; Ehlers 2002, 132 f.). ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 160 - 171 (Karadi 1969, 264; Low 1922, 95). Zur Frage nach der Beeinflussung der irischen epischen Tradition durch die antike Dichtung cf. allgemein Ó hUiginn 1993, 137 - 141 und Sayers 1996. Cf. Clarke 2006, 265 - 268.

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hier nicht in derselben Weise miteinander verbunden wie in der ‘Ilias’, und insbesondere fällt der Tod des Patroklos nicht in die Zeit von Achilleus’ Kampfboykott. Wenn also, wie oben angedeutet, die Kampfpause Cuchulainns, der Tod Follomains und die Racheaktion Cuchulainns168 tatsächlich in Übereinstimmung stehen mit der Kampfenthaltung des Achilleus, dem Tod des Patroklos und der Strafaktion des Achilleus, so beruht diese Parallele sicher nicht auf dem Einfluss der ‘Acta diurna’. Eher möglich wäre eine Motivübernahme aus der ‘Ilias Latina’, die in der frühen Kaiserzeit entstand und danach zusammen mit den ‘Acta diurna’ und der lateinischen Version der ‘Ephemeris belli Troiani’ des Diktys von Kreta das westeuropäische mittelalterliche Bild der Troja-Sage prägte. Die Erzählung der Ereignisse ist hier stark gerafft, doch sind die Motive der ‘Ilias’ in der korrekten Reihenfolge wiedergegeben. Allerdings fehlen auch wichtige Motive, und insbesondere unterbleibt in der Wiedergabe des 18. Buches der ‘Ilias’169 der Hinweis auf den Auftritt des unbewaffneten Achilleus und auf den Feuerschein über seinem Haupt170. Auch die ‘Ilias Latina’ kann somit nicht das Vorbild für die in Rede stehenden Episoden der ‘Táin’ gewesen sein 171. Überhaupt ist zu sagen, dass mündliche Vorformen der ‘Táin’ und schriftliche Fassungen einzelner Episoden wahrscheinlich schon im 7. und 8. Jh. zirkulierten und in dieser Weise schon allgemeine Bekanntheit erlangten, bevor schließlich im 11. Jh. die erste schriftliche Langfassung des Epos entstand 172. Zu dieser frühen Zeit ist aber erst recht nicht mit einer Prägung der irischen Erzählungen durch die antike Literatur zu rechnen, weswegen man für die genannten Parallelen auf die Hypothese früher Wandermotive oder gar indogermanischer Erbmotive angewiesen bleibt. In etwas anderer Form stellt sich die Frage für die südslawischen Epen, denn diese entstanden in geographischer Nähe zu Griechenland und zum byzantinischen Reich, das die klassische griechische Tradition bewahrte. Ein Eindringen der antiken Motive in die slawische Volkskultur wäre also relativ leicht möglich gewesen, zumal der epische Liedgesang in den Ländern des Balkans bereits für das Mittelalter bezeugt ist und zunächst eher im aristokratischen Umfeld gepflegt wurde, bevor dann die bäuerliche Bevölkerung außerhalb der politischen Zentren zur hauptsächlichen Trägerin dieser Dichtungsart wurde173. Doch war die Tradition des mündlichen Liedsangs bei den Südslawen nahezu unberührt von der schriftgebundenen Literatur der Hochkultur, in der die Rezeption der 168 169 170 171

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Die obigen Motive ‘g’ und ‘i’. ‘Ilias Latina’ V. 839 - 891. Das obige Motiv ‘i’. Wenn die ‘Ilias Latina’ das direkte Vorbild gewesen wäre, müsste man sich auch fragen, wieso dann verschiedene Motive in der ‘Táin’ in doch recht anderer Gestalt erscheinen als in der homerischen Tradition (Follomain ist Cousin von Cuchulainn, nicht Freund wie Patroklos; ein Schlaf des Helden führt zum Tod des Gefährten, nicht ein Kampfboykott usw.). So Ó hUiginn 1993, 151 - 156 und Tristram 1995, 69 f. und 76 f. Cf. Koljevi 1980, 11 - 66 und Lord 1995, 191.

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byzantinischen Literatur stattfand174. Eine Herausbildung des epischen Gesangs im Sinne eines Absinkens der klassischen griechischen Literatur in die populäreren Strata der südslawischen Dichtungstradition ist daher a priori sehr unwahrscheinlich. Zum selben Ergebnis führt eine genauere Betrachtung der hauptsächlichen Liedinhalte. Die weitverbreitete südslawische Heimkehrererzählung zeigt unzweideutige Parallelen zur homerischen ‘Odyssee’ und gehört damit sicher demselben Geschichtenmuster und derselben Tradition an. Neben den Parallelen finden sich aber auch entscheidende Unterschiede, die deutlich machen, dass der südslawische Typus nicht von der ‘Odyssee’ abgeleitet, sondern lediglich mit ihr verwandt ist175. Um hier ein wichtiges Element herauszugreifen: In der ‘Odyssee’ kündigt der verkleidete Heimkehrer wiederholt die baldige Rückkehr des vermissten Helden an. Im südslawischen Lied besteht der Inhalt der vorgebrachten Trugreden dagegen regelmäßig in der falschen Meldung vom Tod des Hausherrn. Dies kann aber nicht einfach eine Umkehrung des Trugplots der ‘Odyssee’ sein, weil auch in vielen anderen Kulturen der angebliche Tod des Hausherrn Inhalt der Trugreden ist. Es verhält sich also vielmehr so, dass die Ausformung der Trugreden in der ‘Odyssee’ die Umkehrung des üblichen Musters ist176. Was nun das Zornmotiv und das serbische Lied vom Kampfboykott des Marko Kraljevi betrifft, so sind die Grundstrukturen wiederum eng verwandt mit den homerischen Motiven. Dennoch gibt es einen entscheidenden Unterschied zwischen Marko und Achilleus: Marko tritt nach seinem Wiedereintritt in den Kampf einen ungefährdeten Siegeszug an; Achilleus dagegen kommt vor der Eroberung der Stadt ums Leben und scheint sogar den Tod zu suchen 177. Es führt durchaus ein Weg von einer einfachen Ausgestaltung des Grundmusters, wie es in der serbischen Tradition vorliegt, zu einem weitaus komplexeren, wie es die griechische Sage zeigt178. Aber es führt absolut kein Weg von der tragischen Ausformung der Geschichte in der ‘Ilias’ zum ‘naiven’ Reckentum eines Marko Kraljevi. Die größte Wahrscheinlichkeit für eine Prägung der nicht-griechischen Traditionen durch die ‘Ilias’ bestünde daher an sich für die iranische und die 174

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So Lord 1960, 135 (“The Southern Slavs had a tradition of written literature since the end of the ninth century ... Yet this written tradition had no influence on the form of the oral tradition until the nineteenth and twentieth centuries. The two existed side by side ...”). Ihre engste Parallele findet die serbokroatische Heimkehrererzählung in manchen Punkten denn auch nicht in der ‘Odyssee’, sondern im zentralasiatischen Heimkehrerlied, insbesondere in der usbekischen Tradition von der Heimkehr des Helden Alpamisch (cf. Lord 1991, 211 - 244). Ausführlich dazu Grossardt 1998, 12 - 31 (bes. S. 29 Anm. 99). So jedenfalls die Darstellung in der ‘Ilias’ (18,98 - 100 und 18,114 - 116). Für den Unterschied zwischen dem untragischen Ausgang der serbischen Erzählung und dem tragischen Ausgang der griechischen cf. unten Kap. 4.1 und 4.4.

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indische Nationalkultur, weil uns für diese beiden Länder Nachrichten verschiedener Autoren vorliegen über antike Übersetzungen der homerischen Epen 179 bzw. der klassischen Tragödien von Sophokles und Euripides180 in die jeweilige Landessprache. Doch ist die Historizität dieser Nachrichten umstritten 181. Denkbar ist auch einfach, dass wir es hier mit dem griechischen Chauvinismus zu tun haben, dem daran gelegen war, die Überlegenheit der eigenen Kultur über andere darzulegen182, oder dass hier eine vage Kenntnis der authentischen indischen Epen vorliegt, die zum falschen Schluss führte, dass es sich um Übersetzungen aus dem Griechischen handeln müsse183. Selbst wenn diese Nachrichten historisch sind, so bedeutet das noch nicht notwendigerweise, dass diese Übersetzungen weite Verbreitung fanden, und dass die Motive von ‘Ilias’ und ‘Odyssee’ dann auch tatsächlich in die einheimische Dichtungstradition einflossen. Schließlich ist zu bedenken, dass die großen indischen Epen wie das ‘Mahabharata’ und das ‘Ramayana’ schon relativ früh ihre Form fanden und daher in ihrem Handlungsmuster trotz offensichtlichen Parallelen zur Geschichte vom Trojanischen Krieg nicht einfach von solchen Übersetzungen, die ja ohnehin erst nach dem Feldzug Alexanders des Großen entstanden wären, abhängig sein können184. Diese Schwierigkeit besteht für das iranische Epos des ‘Schahname’ nicht, weil dieses erst an der Wende vom 10. zum 11. Jh. entstanden ist. Daher müssen hier die einzelnen Motive etwas näher betrachtet werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist zunächst auffällig, dass die Geschichte von Rostam und Sohrab, in die die Episode vom Zorn Rostams eingebaut ist, dem internationalen Muster des Vater-Sohn-Kampfes zugehörig ist und zwar genau in der Form, in der es auch in der irischen Legende von Cuchulainn und Connla und in der russischen Byline von Il’ja und Sokol’niek vorliegt, d.h. der Vater tötet hier jeweils nach langem Zweikampf seinen unerkannten Sohn 185. Nur die griechische Tradition kennt mit der Tötung des Odysseus durch seinen Sohn Telegonos die genaue 179

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D.Chr. 53,6 - 7 (kai; par’ Indoi`" fasin a[/desqai th;n ÔOmhvrou poivhsin, metalabovntwn aujth;n eij" th;n sfetevran diavl ektovn te kai; fwnhvn); Ael. VH 12,48 (o{ti Indoi; th`/ parav sfisin ejp icwrivw/ fwnh`/ ta; ÔOmhvrou metagravyante" a/[dousin ouj movnoi ajlla; kai; oiJ Persw`n basilei`", ei[ ti crh; pisteuvein toi`" uJp e;r touvtwn iJstorou`sin). Plu. Alex. M. Fort. 1,5, 328 d (ajll’ Alexavndrou th;n Asivan ejxhmerou`nto" ”Omhro" h\n ajnavgnwsma, Persw`n kai; Sousianw`n kai; Gedrwsivwn pai`de" ta;" Eujripivdou kai; Sofoklevou" tragw/diva" h\/don). Mit echter historischer Tradition rechnen Derrett 1992, 48 - 51 und Dognini 1997, 75 - 77. So Fornaro 2002, 93 - 97. Dies die Annahme von Passaloglou 1993, 21. Cf. die näheren Erläuterungen unten in Kap. 5.1. Für das Muster und seine internationale Verbreitung cf. Rosenfeld 1952, van der Lee 1957, Hoffmann 1970, Miller 1994 und West 2007, 440 - 442 (etwas weiter entfernt vom üblichen Typus ist die indische Geschichte vom Kampf zwischen Arjuna und seinem Sohn Vabhruvahana; umstritten ist schließlich, ob auch das altdeutsche Hildebrandslied dem Geschichtentypus angehört).

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Umkehrung des Musters. Es ist kaum anzunehmen, dass die frühgriechische Tradition des Telegonos den Ausgangspunkt der ganzen Geschichte bildete, dass dann von unbekannter Hand die Umkehrung des Musters vorgenommen wurde, und dass diese neue Form der Geschichte in der Folge internationale Verbreitung fand. Wie im oben diskutierten Fall des Inhalts der Trugreden in der Heimkehrererzählung verhält es sich natürlich genau entgegengesetzt: Die Griechen waren mit dem internationalen Typus vertraut, verkehrten ihn aber in sein Gegenteil186, weil sie in der besonderen Situation waren, eine Erklärung für den Tod des Odysseus finden zu müssen187. Die Rahmenhandlung von Rostam und Sohrab ist also nicht von der griechischen Tradition abhängig. Dasselbe gilt nun auch für die eingebaute Zornepisode. Denn diese ist – wie die parallele Erzählung von Marko Kraljevi – von relativ einfacher Natur und führt nicht zu denselben tragischen Verwicklungen wie der Zorn des Achilleus. Ein solcher Ausgang mit dem Tod des zürnenden Helden wäre im ‘Schahname’ auch gar nicht möglich gewesen, weil Rostam noch seinen Kampf gegen Sohrab zu bestehen hatte. Denn der VaterSohn-Kampf ist im ‘Schahname’ eindeutig das übergeordnete Motiv und das Zornmotiv nur die Episode. Wollten wir also tatsächlich annehmen, dass die Perser sich bei der Ausformung ihres Nationalepos von der ‘Ilias’ beeinflussen ließen, so müssten wir auch annehmen, dass sie zunächst aus dem komplizierten und tragischen Zornmuster der ‘Ilias’ das einfache und untragische Zornmuster Rostams herstellten und dass sie dieses Muster dann in das Muster des VaterSohn-Kampfs einfügten. Doch gab es keinen Grund, das kompliziertere Muster zu vereinfachen, solange man nicht von vornherein die feste Absicht hatte, es zu einer Episode des Vater-Sohn-Kampfes zu machen; und es gab umgekehrt auch kaum einen Grund, überhaupt eine solche Episode in den Vater-Sohn-Kampf einzufügen, solange nicht ein einfaches Zornmuster vorlag. Die Annahme einer Rezeption der ‘Ilias’ durch die persische Tradition führt somit in die Aporie, und es verhält sich sicher so, dass die persischen Dichter ein altes untragisches Zornmuster aufgriffen und ohne Schwierigkeiten in die Geschichte vom VaterSohn-Kampf einbauten 188. Ein allgemeines Argument für die gegenseitige Unabhängigkeit der griechischen Tradition und der verschiedenen nicht-griechischen Traditionen besteht

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Die Umkehrung des Musters lag nahe, weil in diesen Geschichten häufig der Sohn zunächst den Vater zu töten droht, bevor der Vater sich dann doch durchsetzt (so das ‘Schahname’, Rostam und Sohrab V. 619 - 1011 [Clinton 1996, 107 - 175; Ehlers 2002, 144 - 166] und die Erzählung von Cuchulainn und Connla [Cross, Slover 1969, 174]), oder die Geschichte in Harmonie endet (so der Kampf zwischen Arjuna und Vabhruvahana im ‘Mahabharata’ 14,78 - 82 [Ganguli 1975, 135 - 141; hier als Mahabh. 14,79 - 81 gezählt]). Cf. die näheren Erläuterungen in Grossardt 2003, 228 - 230. So wie bei Marko Kraljevi das einfache Zornmuster in das Muster der Heimkehrergeschichte eingebaut ist.

Nicht-griechische Traditionen

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zudem darin, dass die Troja-Sage, wie wir unten sehen werden 189, aus verschiedenen Helfermustern zusammengesetzt ist, während Epen wie die ‘Táin’ oder der Kriegszug des Marko Kraljevi gegen die Araber nur auf einem solchen Muster beruhen. Die Geschichte von der Abholung und vom Zorn des Achilleus ist also nur eine Komponente im komplexen Gefüge der Troja-Sage, und es entsprach sicher nicht der Arbeitsweise früher epischer Dichter, aus mehreren zusammengefügten Mustern ein bestimmtes Muster wieder herauszudestillieren und zur Grundlage ihrer Erzählung zu machen. Wenn wir abschließend noch einmal zurückblicken, so lässt sich sagen, dass wir mit der südslawischen Geschichte von Marko Kraljevi, mit der iranischen Geschichte von Rostam und mit der indischen Geschichte von Karna über mindestens drei vollentwickelte Zorngeschichten verfügen, die denselben Ablauf mit den Teilmotiven ‘Beleidigung des Helden’, ‘Zorn und Rückzug des Helden’, ‘drohende Niederlage seiner Kriegspartei’, ‘vergebliche Bitten des Königs um Rückkehr des Helden’, ‘schließliches Einlenken des Helden’, ‘(vorübergehender oder endültiger) Sieg’ aufweisen wie die ‘Ilias’. Andere Geschichten wie die ‘Táin’, das Lied von El Cid und die Legende von Coriolan weisen nicht das ganze Muster auf, zeigen aber immerhin bedeutende Teilparallelen. Genau wie bei der Rückkehr des Odysseus handelt es sich damit auch beim Zorn des Achilleus um ein Beispiel für ein internationales Erzählmuster, und der aus der vergleichenden Epenforschung gewonnene Befund spricht also entschieden gegen die Annahme, dass das Zornmotiv erst vom Iliasdichter oder von einem seiner unmittelbaren Vorgänger aufgebracht wurde. Ob sich diese Sichtweise auch anhand des griechischen Materials bestätigen lässt, wird die weitere Untersuchung zeigen müssen.

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Kap. 5.

3

Das Motiv des Heldenzorns in der griechischen epischen Tradition

3.1

Die Herkunft des Motivs vom Zorn des Achilleus aus Sicht der HomerPhilologie des 20. Jahrhunderts

Wie oben in Kapitel 1 angedeutet, ist es eine verbreitete, wenn auch nicht allgemein vertretene Position in der Homer-Philologie, dass das Motiv vom Streit zwischen Achilleus und Agamemnon, das wir aus dem ersten Buch der ‘Ilias’ kennen, und der anschließende Kampfboykott des Achilleus Erfindung des Iliasdichters oder eines unmittelbaren Vorgängers gewesen seien. Die genaue Ausformulierung der Theorie hängt dann vom jeweiligen grundsätzlichen Standort des Interpreten in der Homer-Philologie ab. So nahm der bekannte Analytiker E. Bethe an, dass das Motiv vom Zorn des Achilleus nicht dem Endredaktor der erhaltenen ‘Ilias’ zuzuordnen sei, sondern aus einer älteren ‘Ilias’ stamme und aus dieser in unseren Text übernommen sei1. Bei dieser älteren Dichtung bzw. bei dieser Urmenis habe es sich aber keineswegs um ein traditionelles episches Motiv gehandelt, sondern um eine Erfindung des älteren Iliasdichters, der damit die Troja-Sage mit einer neuen Perspektive versehen und so die weitere Tradition bestimmt habe2. Ein prominenter Unitarier wie C. Rothe erkannte dagegen im Streit zwischen Agamemnon und Achilleus eine hochindividuelle Gestaltung und bekannte sich daher zur These einer Erfindung des Achilleus-Zorns durch den Iliasdichter selbst3. Als gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Neoanalyse aufkam und den klassischen Streit zu überwinden versuchte4, kam es zu einer Reihe neuerer Positionen, die hier zunächst in Kürze vorgestellt werden sollen, bevor sie im weiteren Fortgang der Untersuchung einer eingehenderen Kritik unterzogen werden. Nach J. Th. Kakridis stellen die homerischen Epen den Höhe- und Endpunkt einer langen epischen Entwicklung dar. Den Großepen ‘Ilias’ und ‘Odyssee’, die die Handlung weniger Tage in monumentaler Breite erzählen, seien we1 2 3

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Bethe 1914, 310 f. Bethe 1914, 355; Bethe 1922, 366 f.; Bethe 1927, 46 - 48. Rothe 1910, 171 f. Zur dritten zeittypischen Erklärung des Achilleus-Zorns, d.h. zur Ableitung von der Legende des Meleagros, die G. Finsler (1908, 215 - 217) und D. Mülder (1910, 49 - 56) entwickelten und die auch U. von Wilamowitz-Moellendorff (1916, 335) in Erwägung zog, cf. die Hinweise bei Grossardt 2001, 3. Für die Denkrichtung der neoanalytischen Homer-Philologie, die vor allem in Arbeiten von J. Th. Kakridis, H. Pestalozzi, W. Schadewaldt und G. Schoeck entwickelt wurde, cf. die konzisen Darstellungen von Kullmann 1981 und Willcock 1997. Das wichtigste Postulat der Neoanalyse besteht darin, dass die Ereignisse um Antilochos, Memnon und Achilleus, die den Inhalt der ‘Aithiopis’ ausmachen, schon vorhomerischer Sagenstoff waren und durch Motivübertragungen in die ‘Ilias’ hineingenommen wurden bzw. zur Bildung des Schicksals von Patroklos herangezogen wurden (für jüngere Kritik an dieser These cf. die Arbeiten von Burgess 1997 und Kelly 2006).

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sentlich bescheidenere Epen vorangegangen, die die ganze Troja-Sage in linearer Form wiedergegeben hätten5. Die überragende und geniale Leistung des Iliasdichters sei es dann gewesen, in diesen linearen Erzählablauf das Motiv vom Zorn des Achilleus hineinzuerfinden und damit einen Kriegsverlauf von zehn Jahren im Spiegel weniger Tage zu erfassen 6. Kakridis spitzte mit dieser These allerdings lediglich eine Forschungsposition weiter zu, die einige Jahrzehnte zuvor Th. W. Allen bereits in Ansätzen entwickelt hatte. Danach ging der ‘Ilias’ eine chronikartige Aufzeichnung der Troja-Sage voraus, die im wesentlichen noch in der ‘Ephemeris’ des Diktys von Kreta vorliege. Aus dieser Chronik habe der Iliasdichter bestimmte Motive herausgegriffen und ausgeweitet7. Diese These fand bereits unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung energischen Widerspruch bei A. Lang, der auf die Herkunft der mittelalterlichen europäischen Epen aus einfachen Erzählmustern (und nicht durchgängigen Chroniken) hinwies, was auch für die homerischen Epen eine entsprechende Entstehungsgeschichte wahrscheinlich mache8. In der Tat steht und fällt die Entstehungshypothese von Allen ebenso wie die von Kakridis mit der Annahme chronographischer Epen oder Prosatexte, weswegen die unten folgende Kritik eben dieser These einer chronographischen Sagenform ihr Augenmerk wird schenken müssen. Ebenfalls von einer feststehenden und gleichmäßig linear erzählenden TrojaSage in vorhomerischer Zeit gingen andere Neoanalytiker aus. Im Unterschied zu Kakridis und Allen nahm dieser Forschungszweig allerdings nicht an, dass das Motiv des Achilleus-Zorns im neunten Kriegsjahr freie Erfindung des Iliasdichters gewesen sei oder von ihm aus einem vorgegebenen Kernmotiv monumental ausgeweitet worden sei, sondern versuchte, den Beweis zu führen, dass dieses Zornmotiv aus anderen Motiven mit Streit und Zorn abgeleitet sei. So vertrat A. Heubeck die These, dass das Modell des homerischen AchilleusZorns im Streit zwischen Achilleus und Agamemnon auf Tenedos im ersten Kriegsjahr, wie er in den ‘Kyprien’ erzählt ist (Procl. Chr. p. 41,51 - 52 Bern.),

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Kakridis 1949, 91 - 93 (S. 91: “... we must admit that the natural form of an epic is chronographic, precisely the form which is taken by the cyclic epics, and not dramatic, as is that of the Iliad.”). Kakridis 1971, 23 (“Achilles getting angry and Achilles calming down are Homer’s inventions.”). Allen 1910, 228 (“Homer chose two episodes in it [sc. in der vorhomerischen Chronik], the Quarrel between Agamemnon and Achilles, and the return of Ulysses. The episodes existed, Homer did not invent them.”) und 232 (“The Menis is ancient, the expansion and emphasisation of it are Homeric.”) sowie Allen 1924, 168 f. und 198 f. Lang 1913, 4 (“The early mediaeval epics and the traditional ballads do not go for their facts to such chronicles as we know to have actually existed, but merely to popular memory of the events, which from the first is purely fantastic and romantic.”). Allerdings scheint, wie oben in Kap. 2.2 angemerkt, mit dem Lied von El Cid doch ein Fall vorzuliegen, wo ein mittelalterliches Epos aus traditionellen Erzählmotiven und historischen Dokumenten gespeist ist.

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gelegen habe9. W. Kullmann neigte ebenfalls zu dieser These10, brachte aber noch eine andere Möglichkeit in die Diskussion ein, nämlich dass das homerische Motiv aus dem Streit zwischen Thersites und Achilleus im zehnten Kriegsjahr (‘Aithiopis’ bzw. Procl. Chr. p. 68,6 - 10 Bern.) abgeleitet sei11. Jedenfalls liege die Erklärung für das homerische Motiv vom Streit des Achilleus mit Agamemnon außerhalb des Handlungsrahmens der ‘Ilias’12. Die weitere Untersuchung wird also prüfen müssen, ob solche Übertragungsprozesse denkbar sind und ob eine solche Annahme eines abgeleiteten Achilleus-Zorns überhaupt notwendig ist. Eher dem traditionellen Unitarismus als der Schule der Neoanalyse zuzurechnen ist K. Reinhardt. Reinhardt ging daher auch nicht von der Übertragung des Zornmotivs vom ersten oder zehnten Kriegsjahr auf den Handlungsabschnitt der ‘Ilias’ aus, sondern verfolgte die These, dass es bereits in älteren Darstellungen der Troja-Sage eben der Streit um die beiden Kriegsgefangenen Chryseis und Briseis gewesen sei, der zum Zorn des Achilleus geführt habe. Da die Entführung der beiden Frauen auch für die ‘Kyprien’ belegt sei (Procl. Chr. p. 43,64 - 65 Bern.), handle es sich um ein traditionelles Motiv, das zudem nicht folgenlos bleiben konnte. Denn ebenso wie die Entführung der Helena zu einem Krieg führte, so musste auch der Streit um die beiden kleinasiatischen Frauen der Vorbereitung wichtigerer Handlung dienen13. Diese These Reinhardts lässt sich durch den genauen Vergleich zwischen den ‘Kyprien’ und der ‘Ilias’ weiter stützen 14. Die Frage ist nur, ob der Kampfboykott des Achilleus schon in der vorhomerischen Troja-Sage handlungstragende Züge hatte oder ob es sich dabei lediglich um ein untergeordnetes Motiv mit episodischem Charakter handelte, wie nach Reinhardt vor allem J. Latacz annahm15 und wie auch in jüngster Zeit wieder verschiedene führende Homeristen zu denken geneigt sind16. 9

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Heubeck 1950, 33 f. (Vorläufer dieser These, wenn auch in sehr konfuser Form, war Pestalozzi 1945, 39 und 48). Kullmann 1960, 92 und 271. Kullmann 1960, 210 f., 225 und 302. Eine weitere Übertragungstheorie, die von Schadewaldt 1959, 181 f. und 186 f., wonach der Zorn des Achilleus auf Agamemnon durch den Rachezorn auf Memnon hervorgerufen sei, fand m.W. nur bei Schoeck 1961, 12 und 14 f. ungefähre Nachfolge. Reinhardt 1961, 50 - 63 (cf. bes. die rhetorische Frage auf S. 56: “Sollen wir annehmen, daß es erst nur Geschichten, kleinere Epen vom Raube der beiden [sc. Chryseis und Briseis, der Verf.] gab, zu denen später die Geschichte von den Folgen, vom Heldenstreit um die Geraubten hinzuerfunden wurde?”). Für die Vergleichbarkeit des Streits um Helena mit dem Streit um Chryseis und Briseis und für die Traditionalität der beiden Motive cf. ferner Lang 1995, 150 f. Cf. unten die Bemerkungen zur Junktur zwischen den beiden Epen. Latacz 1989, 116 (“Selbst ein zeitweiliger Kampfboykott Achills könnte in vorhomerischer Dichtung bereits vorgekommen sein. ... Ganz unwahrscheinlich aber ist es, daß dieses Teilstück der Sage: ‘Streit Achilleus-Agamemnon und Achilleus’ Groll’, die Bedeutung einer ‘Durchgangsstation’ jemals zuvor schon überschritten hatte und als alleiniger Gegenstand eines Epos angekündigt worden war.”; Wiederholung dieser

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Wichtigstes Konkurrenzmodell zu dieser These der “Durchgangsstation” ist heute, wie eingangs erläutert17, die These G. Nagys. Wie Reinhardt und dessen Nachfolger postuliert Nagy ein altes Motiv vom Zorn des Achilleus, sieht darin aber keine bloße Episode, sondern ein handlungstragendes Motiv, auf das die Troja-Sage schon lange zugeschnitten war. Nagy rekurriert dabei, soweit er seine These nicht überhaupt aus dem traditionellen Charakter des Heldenepos ableitet, auf die Namensforschung18. Grundlage der Argumentation ist die mutmaßliche Herausbildung des Namens ‘Achilleus’ als Hypokoristikon der Langform *Aciv-laÛo", also einer Zusammensetzung aus a[co" und laov", wie sie zuerst L. Palmer vorgeschlagen hatte19. Es würde sich damit um ein Possessivkompositum handeln, und die Bedeutung des Namens wäre dann etwa ‘der mit der leidvollen Armee’ oder ‘der ein Leid für die Armee ist’20. Da dieses Leid, das die griechische Armee zu erdulden hat, die Folge von Achilleus’ Zorn und Kampfboykott ist, sei somit die Traditionalität des Menis-Themas erwiesen. Weil nun zudem der Name ‘Achilleus’ schon auf mykenischen Tontafeln präsent ist und verschiedene nicht-mythische Privatpersonen bezeichnet21, müsse dieses mythische Thema des Achilleus-Zorns schon weit in mykenische Zeit zurückreichen, denn ein solch ominöser Name, wie es der des Achilleus nach dieser Analyse ist, konnte nur dann zu einem verbreiteten Personennamen werden, wenn er durch den epischen Gesang bereits eine höhere Aura erlangt hatte22. Nun ist es aber keineswegs sicher, dass die relativ hohe Zahl (auch nichtominöser) homerischer Namen, die sich auf mykenischen Tafeln finden, wirklich schon den Schluss auf entsprechenden Heldengesang in hochmykenischer Zeit zulässt23. Denkbar ist auch das umgekehrte Verhältnis, also eine Aufnahme sprechender historischer Namen durch die Dichter, die in nachmykenischer Zeit für die Herausbildung oder weitere Ausgestaltung der Troja-Sage sorgten 24. Außerdem scheint die linguistische Analyse des Namens durch Palmer und Nagy nicht ganz korrekt zu sein. Das Studium der üblichen griechischen Kom-

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These in Latacz 2000, 151 und 157). Ähnlich aber auch schon von Scheliha 1943, 270, die die Figur und das Schicksal des Patroklos als Erfindung des Iliasdichters ansah, mit der das ältere Motiv vom Zorn monumental ausgestaltet worden sei (“So wird die Geschichte vom Zorn Achills, die vielleicht in der älteren Sage nur eine Episode des troischen Krieges bildete, bei Homer, durch die Gestalt des Patroklos, zum Wendepunkt dieses Krieges.”). Zum traditionellen, aber untergeordneten Charakter des Achilleus-Zorns in der vorhomerischen Dichtung cf. auch Burgess 2001, 59 - 63 und Danek 2001, 166 f. und 177. Oben Kap. 1. Nagy 1976 und 2004. Palmer 1963, 79. Nagy 1979, 69 (“whose laós has ákhos”); Palmer 1979, 258 (“a grief to the army”). KN Vc 106 und PY Fn 79,2; cf. Aura Jorro, Dic. Mic. I 44. Nagy 1976, 210; Palmer 1979, 258 f. (etwas allgemeiner schon Bowra 1955, 25). Schon gar nicht auf eine epische Darstellung des Troja-Zuges, wenn man diese als Reflex der Zerstörung von Troja VIIa betrachtet. So argumentiert von Heubeck 1957, 43 und Lesky 1967, 755 f.

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positionsmuster und die indogermanischen Parallelen weisen eher auf ein verbales Rektionskompositum hin mit der Bedeutung ‘der die Armee erschreckt’25, und damit wäre natürlich die gegnerische Armee gemeint, wie beispielsweise im Namen Menevlao" - ‘der dem (gegnerischen) Heerhaufen standhält’26. ‘Achilleus’ wäre so gesehen kein ominöser Name, sondern ein sogar sehr ehrenvoller Name für ein Mitglied einer aristokratischen Kriegergesellschaft, konnte also jederzeit einem Neugeborenen gegeben werden und so zuletzt Eingang finden in die mykenischen Verzeichnisse und in den epischen Heldengesang. Ein hohes Alter der Sage vom Zorn des Achilleus ließe sich dann aus dem Namen des Helden nicht schließen, und der thematische Konnex zwischen dem Leid der Griechen und dem Namen und der Person des Achilleus27 hätte sich dann erst aus einer Neuinterpretation des Namens durch den Iliasdichter oder einen Vorgänger ergeben 28. Jedenfalls scheint die linguistische Analyse des Namens von Achilleus keine genügende Basis für den Nachweis eines traditionellen MenisThemas zu sein, weswegen wir auf die Motivanalyse bzw. auf die vergleichende Epenforschung angewiesen bleiben. 3.2

Die verschiedenen Zornmotive in der ‘Ilias’ und in der sonstigen TrojaSage

3.2.1 Die Zornszenen in der ‘Ilias’ Das erste Argument gegen die These einer freien Erfindung des Achilleus-Zorns durch den Iliasdichter ist das häufige Vorkommen vergleichbarer Streit- und Zornszenen in der ‘Ilias’ selbst29. Es handelt sich dabei um verschiedene Nebenepisoden wie den Zorn des Paris (Il. 6,321 - 368), den Zorn der verschiedenen 25

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Holland 1993, 26: “he frightens the laov"” (dies ist überdies nur eine der von Holland erwogenen Analysemöglichkeiten; denkbar ist für ihn auch eine Ursprungsform *Acivlo", die rein suffixaler Natur ist und kein Element laov" enthält). So beispielsweise die Analyse bei von Kamptz 1982, 58 f. und 62 und noch West 2007, 458 Anm. 33 (kaum zwingend angesichts semantischer Parallelen wie menecavrmh" oder meneptovlemo" ist der Einwand von B. Mader im ‘Lexikon des frühgriechischen Epos’ [Vol. 3, S. 127], dass laov" immer nur für das eigene Kriegsvolk stehen könne). Auffällig ist auch, dass selbst die deutlichsten Belege, die Nagy anführen kann, keine gemeinsame Verwendung der beiden Wörter a[co" und laov" zeigen; cf. die Belege in Hom. Il. 16,22 (Patroklos zu Achilleus: toi`o n ga;r a[co" bebivh ken Acaiouv") und 16,237 (Achilleus im Gebet an Zeus: mevga d’ i[yao lao;n Acaiw`n), wo jeweils nur einer der beiden Begriffe aufscheint. Cf. Leukart 1992, 393 Anm. 40, der den Namen zwar anders analysiert als Holland, aber stark betont, dass laov" zunächst das gegnerische Kriegsvolk meinte und erst durch den Iliasdichter auf Achilleus’ eigenes Volk bezogen worden sei. Gemeint ist im folgenden also immer das spezifische Motiv von Streit und Kampfboykott. Ein in Kampfhandlungen umgemünzter Rachezorn bleibt daher ebenso unberücksichtigt wie rein verbale Streitszenen, die nicht zu einem Kampfboykott führen (z.B. Hom. Od. 3,130 - 183).

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anonymen griechischen Helden (Il. 13,83 - 135) und den des Aineias (Il. 13,455 - 469)30, zu denen noch zwei Spiegelungen des Motivs vom Achilleus-Zorn hinzukommen in Form der Thersites-Szene (Il. 2,211 - 277) und des Streits zwischen Zeus und Poseidon (Il. 15,157 - 228)31. Zwar bauen diese Szenen nicht auf einem so festen Formelnschatz auf wie beispielsweise die homerischen Opferszenen oder die Ankleideszenen, die der Dichter ganz nach Belieben anschwellen lässt oder auf das Grundlegende reduziert. Für eine mündliche Poetik, die nach ‘type-scenes’ sucht, sind die Zornszenen daher vielleicht ein Grenzfall. Aber es lässt sich dennoch ein fest ausgeprägtes Vokabular feststellen, mit dem die jeweilige Umgebung mäßigend auf den zornerfüllten Helden einzuwirken versucht. Dazu gehören solche Wörter wie meqivhmi und meqhmosuvnh für die Fernhaltung vom Kampf32, Wörter für das ‘Beugen’ bzw. Umstimmen des zürnenden Helden wie ejpignavmptw33, metastrevfw34 und streptov" 35 und Vokabeln für das ‘Heilen’ des Streits wie ajkevomai36 oder ajkestov" bzw. ajnhkestov" 37. Solche metaphorischen Begriffe oder die wiederholten Allegorien 38 und Sentenzen39, mit denen auf den zürnenden Helden eingewirkt wird, zeigen, dass es sich hier um eine traditionelle Thematik handelt und nicht um einen Typus von Kleinszene, den erst der Iliasdichter in Anlehnung an das Großmotiv des Achilleus-Zorns erfunden hätte. Genau dies sagt denn auch der Erzieher Phoinix in seinen Worten an Achilleus, in denen er auf den überlieferten Charakter solcher Erzählungen hinweist (Il. 9,524 - 526: ou{tw kai; tw`n provsqen ejpeuqovmeqa kleva ajndrw`n // hJrwvwn, o{te kevn tin’ ejpizavf elo" covlo" i{koi: // dwrhtoiv te pevlonto paravrrhtoiv t’ ejpevessi), wenn auch die darauf folgende Geschichte vom Zorn des Meleagros gerade nicht traditionell war, sondern höchstwahrscheinlich vom Iliasdichter selbst für sein Epos so eingerichtet wurde40. Der wesentliche Unterschied dieser Kleinszenen zum Zorn des Achilleus ist nur ihr episodischer Charakter und die damit verbundene jeweilige schnelle Aussöhnung, also das Fehlen von abgewiesenen und wiederholten Bittgesandtschaften. Doch macht gerade dieser Unterschied deutlich, dass der Zorn des Achilleus nicht ein beliebiges episches Motiv war, sondern eines, das eine 30

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Nähere Besprechung dieser Szenen und Hinweise auf die ältere Literatur bei Grossardt 2001, 27 - 30 (zur Wertung des Paris-Zorns cf. nun auch Stoevesandt 2008, 110 f.). Detaillierte Besprechung der beiden Szenen bei Grossardt 2001, 31 - 33. Hom. Il. 6,330; 6,523; 13,97; 13,108; 13,114; 13,116; 13,118; 13,121. Hom. Il. 9,514. Hom. Il. 15,203. Hom. Il. 9,497; 15,203. Hom. Il. 13,115. Hom. Il. 13,115; 15,217. Hom. Il. 9,502 - 512 (das Gleichnis von den Litai). Hom. Il. 13,115; 15,203. Für die Erfindung des Motivs vom Zorn des Meleagros cf. beispielsweise Willcock 1964 und Grossardt 2001, 9 - 40 (andere Episoden wie die vom Zorn des Paris können ebenfalls Erfindung des Iliasdichters gewesen sein; entscheidend ist, dass der Typus dieser Episoden höchstwahrscheinlich traditionell war).

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Sonderstellung einnahm in der vom Iliasdichter imaginierten poetischen Welt und damit wohl auch schon in der vorhomerischen traditionellen Troja-Sage. 3.2.2 Die Zornszenen in der sonstigen Troja-Sage Neben den eben besprochenen kleineren Zornszenen aus der ‘Ilias’ gibt es eine Reihe von weiteren Streit- und Zornszenen in der Troja-Sage. Die Relevanz dieser Szenen für die Frage nach dem Zorn des Achilleus im neunten Kriegsjahr besteht darin, dass verschiedene Interpreten in ihnen das mögliche Vorbild für dieses zentrale Motiv der ‘Ilias’ gesehen haben. Das erste Zornmotiv in der zeitlichen Abfolge der Troja-Sage ist der Streit zwischen Achilleus und Agamemnon auf Tenedos vor der Landung in der Troas. Die Nachrichten darüber sind spärlich und bestehen zur Hauptsache in Proklos’ Referat der ‘Kyprien’, wo es heißt, dass Achilleus erst nachträglich zu einem Gastmahl des Agamemnon eingeladen worden sei und auf diese Zurücksetzung mit Zorn reagiert habe (Procl. Chr. p. 41,51 - 52 Bern.: kai; Acilleu;" u{stero" klhqei;" diafevretai pro;" Agamevmnona). Dieses Referat lässt sich ergänzen durch zwei bei Chrysippos (SVF II 180,20 = ‘Kyprien’ Frg. 25 Bern.) überlieferte Hexameter, die wahrscheinlich auf das frühgriechische Epos zurückgeführt werden dürfen und das Bedauern des Agamemnon über die heftige Reaktion des Achilleus zum Ausdruck bringen (oujk ejfavmhn Acilh`i colwsevmen a[l kimon h\tor // w|de mavl’ ejkpavglw", ejpei; h\ mavla moi fivlo" h[hn). Die Szene in den ‘Kyprien’ war also wohl ganz auf den Streit zwischen dem König und seinem wichtigsten Helden konzentriert41, und es empfiehlt sich daher nicht, diese Nachrichten mit dem ersten Lied des Demodokos in Od. 8,75 - 82 bzw. mit dem dort berichteten Streit zwischen Achilleus und Odysseus in Verbindung zu bringen42. Diese Verbindung der beiden Themen scheint erst Sophokles in seinen ‘Syndeipnoi’ (TrGF 4 F 562 - 571) vorgenommen zu haben, wo insbesondere F 566 von heftigen Schmähungen bzw. Provokationen des Odysseus an die Adresse des Achilleus berichtet. Dieser Wortwechsel dürfte aber, wie der Hinweis auf den kampfeswütigen Hektor bzw. auf die drohende Abreise des Achilleus zeigt (diaganaktei` kai; ajpoplei`n levgei), vom neunten Buch der ‘Ilias’ abhängen, wo Odysseus ebenfalls auf die Kampfkraft Hektors hinweist (Il. 9,304 - 306) und damit gleichfalls nur die Drohung zur Abfahrt erntet (Il.

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Darauf deuten auch die Erwähnung der Szene bei Arist. Rh. 1401 b 16 - 20 (h] ei[ ti" faivh to; ejpi; dei`pnon klhqh`nai timiwvtaton: dia; ga;r to; mh; klhqh`nai oJ Acilleu;" ejmhvnise toi`" Acaioi`" ejn Tenevdw/: oJ d’ wJ" ajtimazovmeno" ejmhvnisen, sunevbh de; tou`to ejpi; tou` mh; klhqh`nai) und die Verarbeitung bei Dict. 2,36 (maxime indignatus, quod reliquis ducibus ad cenam deductis solus contemptui habitus intermitteretur) hin; cf. die weitere Besprechung bei Huxley 1969, 136 f. und Roussel 1991, 217 f. Wie unternommen bei Von der Mühll 1954, 2 f. (etwas anders Marg 1956, 18 f., der zwar ebenfalls die Vereinigung der beiden Motive in den ‘Kyprien’ annimmt, aber im Unterschied zu Von der Mühll darin keine Originalkonzeption sieht, sondern den sekundären Einfluss durch das 8. Buch der ‘Odyssee’).

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9,356 - 363)43. Eine solche Angleichung an das homerische Epos entspricht ganz der bekannten Vorliebe des Sophokles für ‘Ilias’ und ‘Odyssee’ und sollte daher nicht schon auf das Kyklische Epos zurückprojiziert werden44. Es ist somit anzunehmen, dass die Szene in den ‘Kyprien’ einen relativ einfachen Verlauf hatte; Agamemnon muss, wie das zitierte Fragment 25 Bern. zeigt, bald schon seinen Fehler bereut haben und dürfte durch Boten oder durch einen persönlichen Bittgang wieder die Versöhnung herbeigeführt haben45. Die Frage ist, wie sich dieses einfache Zornmotiv zum weitaus berühmteren und folgenreicheren Zornmotiv aus der ‘Ilias’ verhält. E. Bethe und A. Severyns beantworteten diese Frage im Sinne einer Abhängigkeit der ‘Kyprien’ von der ‘Ilias’46, A. Heubeck genau umgekehrt im Sinne einer Inspiration des Iliasdichters durch die aus den ‘Kyprien’ bekannten Motive47. Nach den obigen Ausführungen zur Traditionalität der kleineren Zornszenen in der ‘Ilias’ scheint aber weder die eine noch die andere Annahme wirklich notwendig. Wie nämlich schon die Lokalisierung des Konflikts auf Tenedos vor Kriegsbeginn zeigt, kann der Streit in den ‘Kyprien’ nur vorübergehende Bedeutung gehabt haben, weswegen er gut in das oben gezeichnete Bild vom traditionellen Charakter solcher Szenen passt. Aus Sicht der vergleichenden Epenforschung lässt sich zudem darauf hinweisen, dass die Plazierung des Streitfalls am Anfang des Kriegszugs durchaus dem entspricht, was wir in nicht-griechischen Epen finden. So ziehen sich insbesondere der iranische Held Rostam und vor allem der indische Held Karna noch vor Beginn der Kampfhandlungen aus dem gemeinsamen Wehrbündnis zurück48. Es ist also nicht anzunehmen, dass die ‘Kyprien’ in diesem Punkt von der ‘Ilias’ abhängen. Aber auch für den Streit zwischen Achilleus und Agamemnon im neunten Kriegsjahr ist die Annahme eines solchen Sekundärstatus bzw. einer Abhängigkeit vom Motiv des Streits auf Tenedos nicht notwendig. Denn auch für einen Streit, der erst in der Schlussphase des Kriegs nach langer vergeblicher Belagerung einer Stadt ausbricht, gibt es eine wichtige Parallele im traditionellen Heldenepos, nämlich im Lied von der Belagerung der Stadt Kara-Okan durch Marko Kraljevi49. Sowohl der Streit auf Tenedos wie 43

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Ebenfalls von der ‘Ilias’ beeinflusst ist F 562, wo der Besuch der Thetis bei Achilleus sicher auf die entsprechenden Szenen im homerischen Epos zurückgeht (bes. Il. 1,348 - 430). Besser als die Position Von der Mühlls daher diejenige Roberts (1921 - 1926, 1138 Anm. 2: “Sophokles hat in seinen Suvndeipnoi ... die Erzählung der Kyprien mit der Odysseestelle q 73 kombiniert”). Die Passage in den ‘Kyprien’ stünde damit in Übereinstimmung mit den verschiedenen oben besprochenen kleineren Zornszenen in der ‘Ilias’, die immer schnell in der Versöhnung enden. Bethe 1922, 237; Severyns 1928, 304 (vorbereitend dazu schon Welcker 1849, 150). Heubeck 1950, 33 f. (ebenfalls in diese Richtung neigend Kullmann 1960, 92 und 271, ablehnend dagegen Burgess 2001, 63). Cf. oben Kap. 2.2. Cf. die Kap. 2.2 und 4.1 bzw. die unten in Appendix 1 abgedruckte Übersetzung aus dem hier relevanten Mittelteil des Lieds.

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auch der spätere Streit im Schiffslager kommen also an einem typischen Platz im traditionellen Epos zu stehen. Beide Streitfälle sind somit je unabhängige Manifestationen des traditionellen Motivs vom Konflikt zwischen einem König und seinem Vasallen, die demzufolge keinen besonderen Einfluss aufeinander ausgeübt haben dürften. Eine zweite kyklische Szene, in der W. Kullmann das mögliche Vorbild des Achilleus-Zorns in der ‘Ilias’ gesehen hat, ist diejenige vom tödlichen Streit des Achilleus mit Thersites und von seiner nachfolgenden Entsühnung durch Odysseus (‘Aithiopis’ bzw. Procl. Chr. p. 68,6 - 10 Bern.: kai; Acilleu;" Qersivthn ajnairei` loidorhqei;" pro;" aujtou` kai; ojneidisqei;" to;n ejpi; th`/ Penqesileiva/ legovmenon e[rwta: kai; ejk touvtou stavsi" givnetai toi`" Acaioi`" peri; tou` Qersivtou fovnou. meta; de; tau`ta Acilleu;" eij" Levsbon plei`, kai; quvsa" Apovllwni kai; Artevmidi kai; Lhtoi` kaqaivretai tou` fovnou uJp’ Odussevw"50) bzw. von Achilleus’ anschließender Ermahnung durch seine Mutter Thetis und von seiner daraus resultierenden Vermeidung eines Kampfes mit Memnon, bis schließlich der Tod des Antilochos dieses Verhalten obsolet macht (p. 68,12 14 Bern.: kai; Qevti" tw`/ paidi; ta; kata; to;n Mevmnona prolevgei ...). Dieser Streit um Thersites bzw. die daran anknüpfenden Geschehnisse seien der Handlungskomplex, auf den auch schon die ‘Kyprien’ vorausdeuten, wenn sie anmerken, dass die Kampfverweigerung des Achilleus eine spürbare Entlastung für die Troer sein werde (Procl. Chr. p. 43,66 - 67 Bern.: kai; Dio;" boulh; o{pw" ejpikoufivsh/ tou;" Trw`a" Acilleva th`" summaciva" th`" ÔEllhvnwn ajposthvsa") 51. Nun ist aber auf jeden Fall die Handlungskonstellation in den beiden Szenen sehr verschieden. Der Streit des Achilleus mit Agamemnon ist, wie gezeigt, der typische Konflikt des Königs mit seinem besten Helden, der nur durch eine erfolgreiche Bittgesandtschaft wieder gelöst werden kann; das übrige Heerlager ist in diesem Streit nur Zuschauer und kann dann allenfalls Hilfe bei der Bittgesandtschaft leisten. Der Streit des Achilleus mit Thersites dagegen führt zu einer Spaltung des gesamten Heeres in zwei Lager (stavsi"), wobei es völlig unklar ist, ob Achilleus den Agamemnon nun für oder gegen sich hat. Auch muss die folgende Entsühnung den Zweck gehabt haben, Achilleus wieder als vollwertiges Mitglied in die Gemeinschaft aufzunehmen und damit den Konflikt zu beenden; ansonsten müsste man von einem widersinnigen Motiv sprechen, das völlig aus den üblichen Erzählformen der frühgriechischen Tradition ausscheren würde52. Es ist also unmöglich, von einer ununterbrochenen Absonde50 51

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Kurz resümiert auch in Apollod. Epit. 5,1. Kullmann 1960, 210 f., 225 und 302 (“Motivisch ist natürlich die Kampfenthaltung wegen des Zorns gegen Agamemnon mit dem Kyprienmotiv verwandt.” und “... ist die Wahrscheinlichkeit, daß das Motiv in dem Zusammenhang, in dem es in den Kyprien steht, primär, also vorhomerisch ist, größer als das Umgekehrte.”). Dies also gegen Kullmann 1960, 211 (“Zwar findet vor Memnons Auftreten eine Entsühnung vom Mord durch Odysseus statt; aber es ist keineswegs gesagt, daß mit der persönlichen Entsühnung die stavsi" völlig beseitigt war.”). Es dürfte genügen, hier auf Achilleus’ Vater Peleus hinzuweisen, der nach der Tötung seines Halbbruders

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rung bzw. Kampfenthaltung des Achilleus bis zur Auseinandersetzung mit Memnon auszugehen, und auch für die Zeit unmittelbar vor dem Kampf mit Memnon ist eine solche Annahme problematisch, weil wir nicht wissen, was der genaue Inhalt der Warnung oder Mahnung der Thetis (Procl. Chr. p. 68,12 Bern.) gewesen war und wie Achilleus darauf reagierte53. Genauso gut denkbar wie eine völlige Kampfenthaltung des Achilleus ist eine vorsichtigere Kampfweise, also ein Ausweichen auf andere Kampfplätze als diejenigen, auf denen Memnon gerade agiert. So jedenfalls schildert Quintus Smyrnaios die Schlacht, wo Achilleus und Memnon beide mit Erfolg kämpfen, aber erst nach dem Tod des Antilochos aufeinander stoßen54. So oder so bleiben die Unterschiede zum Streit des Achilleus mit Agamemnon beträchtlich, und es führt kein Weg von der Thersites-Szene aus der ‘Aithiopis’ zum ersten Buch der ‘Ilias’. Proklos’ Bemerkung zum Schluss der ‘Kyprien’ (p. 43,66 - 67 Bern.: kai; Dio;" boulh; o{pw" ejpikoufivsh/ tou;" Trw`a" Acilleva th`" summaciva" th`" ÔEllhvnwn ajposthvsa") kann somit ebenfalls nicht auf den Streit mit Thersites vorausweisen, sondern muss den Streit des Achilleus mit Agamemnon im Auge haben. Die Frage ist nur, ob die ‘Kyprien’ (wie es eine unbefangene Lektüre der ‘Chrestomathie’ an sich nahelegen würde55) dieses Motiv voll ausführten und den Zwist mit einer Versöhnung enden ließen 56, ob die ‘Kyprien’ nur vom Ausbruch des Streits berichteten und damit zur ‘Ilias’ mit ihrer vollen Ausführung des Motivs überleiten wollten57, oder ob es gar erst Proklos war, der das Motiv in sein Referat aufnahm mit dem Ziel, die ‘Ilias’ vorzubereiten 58. Entscheidend für die Beantwortung der Frage scheint der Umstand, dass Proklos in seinem Referat der ‘Kyprien’ nicht nur dieses Motiv von Streit und Kampfenthaltung nennt, sondern auch das Motiv der Eroberung der Städte aus der Umgebung Trojas bzw. der Erbeutung der Chryseis und der Briseis (Chr. p. 42,62 - 43,65 Bern.), das zu diesem Streit zwischen Agamemnon und seinem

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Phokos von Aigina nach Thessalien flüchtete, dort von König Eurytion entsühnt und zum Schwiegersohn erwählt wurde (Pherekydes von Athen, FGrHist 3 F 1b) und nach der unabsichtlichen Tötung Eurytions auf der Kalydonischen Jagd weiter nach Iolkos flüchtete und dort von König Akastos entsühnt und in die Gemeinschaft aufgenommen wurde (Apollod. Bibl. 3,13,2); cf. Grossardt 2001, 179 und 190. So zu Recht eingewandt von Burgess 1997, 3 - 6. Q.S. 2,202 - 242 und 2,388 - 401. Auch für den ersten Streit zwischen König und Held auf Tenedos verzichtet Proklos auf eine explizite Erwähnung der folgenden Versöhnung, dennoch ist diese deutlich impliziert (Procl. Chr. p. 41,51 - 52 Bern.). So die These von Burgess 2001, 137 - 140, der allerdings annimmt, dass die ‘Kyprien’ (in ihrer ältesten Form) überhaupt den ganzen Trojanischen Krieg abdeckten. Dies die bekannte Position von Welcker 1849, 149 und Bethe 1922, 212 f. (ähnlich – wenn auch z.T. in etwas modifizierter Form – beispielsweise noch Huxley 1969, 126 und 128 f., Scaife 1995, 171 f., Dowden 1996, 48, Davies 2001, 46 - 49, Marks 2002, 1 - 3 und Debiasi 2004, 119). Dies die zweite von Kullmann 1960, 210 f. diskutierte Möglichkeit.

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Vasallen führt; und da die Eroberung der verschiedenen Städte und die dabei erfolgte Erbeutung der jungen Frauen nicht nur aus Proklos bekannt ist, sondern auch in den Homer-Scholien für die ‘Kyprien’ bezeugt ist (Frg. 27 und 28 Bern.), kann die Aufnahme dieses Motivs in die ‘Kyprien’ also nicht bezweifelt werden. Da nun aber auch schon die ‘Ilias’ verschiedentlich in kleinen Vignetten auf diese Beutezüge hinweist59, gelangen wir hier sogar auf einen hinter den ‘Kyprien’ liegenden Zeitraum zurück60. Das Motiv der Beutezüge hatte also traditionellen Charakter und war weder Erfindung des Iliasdichters noch des Dichters der ‘Kyprien’. Ein weiterer Punkt, den K. Reinhardt, wie oben (Kap. 3.1) angemerkt, mit Nachdruck vertrat, ist der, dass die Geschichte eines Frauenraubs im Rahmen des frühgriechischen Mythos nicht folgenlos bleiben konnte und entweder (wie im Fall der Helena) zu Krieg oder (wie im Fall von Chryseis und Briseis) zu einem internen Streit führen musste. Für die ‘Kyprien’ bedeutet dies, dass sie entweder selbst schon diesen Streit zwischen Agamemnon und Achilleus ausführten oder dass sie wenigstens dazu überleiten bzw. die monumentale Gestaltung des Themas in der ‘Ilias’ vorbereiten wollten (die dritte der oben skizzierten Alternativen, d.h. dass erst Proklos das Motiv von der Absonderung des Achilleus vom Griechenheer in sein Referat der ‘Kyprien’ aufgenommen habe, lässt sich daher mit großer Sicherheit ausschließen). Wenn die erste Alternative die richtige ist61, dann hatte das Motiv vom Heldenstreit in den ‘Kyprien’ tatsächlich nur Durchgangscharakter. Daraus zu schließen62, dass das Motiv immer nur solchen Charakter gehabt haben konnte und dass erst der Dichter der ‘Ilias’ dem Motiv überragende Bedeutung gab, wäre allerdings gefährlich. Denn bei den ‘Kyprien’ handelt es sich, wie bei allen Kyklischen Epen, um eine relativ späte Verschriftlichung der Troja-Sage, deren Erzählduktus nicht unbedingt der Ereignisgewichtung in den frühesten mündlichen Fassungen der Troja-Sage entsprochen haben muss. Was not tut, ist somit eine nähere Betrachtung der TrojaSage in Hinblick auf ihren Umgang mit der dargestellten Zeit, also eine Überprüfung, ob die Troja-Sage tatsächlich von einer so linearen und gleichmäßigen Gestalt ist, wie das in der Forschungsliteratur immer wieder suggeriert wird63.

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Hom. Il. 1,366 - 369; 2,688 - 694; 6,414 - 428; 16,57; 19,291 - 300 und 20,92. Bedeutsam ist insbesondere, dass Frg. 27 der ‘Kyprien’ (= T Scholien zu Hom. Il. 16,57, IV p. 172,14 - 15 Erbse) bestimmte Widersprüche zur ‘Ilias’ aufweist in der Frage der Heimat der Briseis und damit nicht einfach von der ‘Ilias’ abhängig sein kann (so zu Recht Kullmann 1960, 207 - 209). Darauf deutet, wie oben in Anm. 55 erläutert, der Umstand hin, dass für Proklos die Aussöhnung nach dem Streit eine Selbstverständlichkeit war, die nicht mehr eigens erwähnt zu werden brauchte. Wie von J. Latacz getan (cf. oben Anm. 15). So etwa noch bei Burgess 2001, 60 (“But I view the Troy story as being a series of major actions spread over ten years, each of importance for the overall narrative.”).

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Die Gewichtung der dargestellten Zeit in der Troja-Sage und die Frage nach dem chronographischen Epos

Die These von der monumentalen Aufblähung eines präexistenten Zornmotivs wird ebenso wie These der Erfindung des Achilleus-Zorns durch den Iliasdichter oder die alternative These der Motivübertragung aus anderen Teilen der Troja-Sage meist damit begründet, dass der ‘Ilias’ eine lineare, chronographische Sagentradition vorangegangen sei, die der Iliasdichter zu seinem Großepos umgeformt habe64. Zur Überprüfung dieser Position ist eine genauere Betrachtung der TrojaSage in Hinblick auf ihren Umgang mit der dargestellten Zeit notwendig, also eine Abklärung der Frage, in welche Kriegsjahre grundlegende Ereignisse fallen wie das Kerngeschehen um die Entführung Helenas, der Tod von selbständigen Königen im Heer Agamemnons oder der Fall Trojas mit dem Tod des Priamos und der weiteren Mitglieder seiner Familie. Dabei ergibt sich folgendes Bild65. Die Ereignisse vor Kriegsbeginn: – Kürung Aphrodites zur schönsten Göttin durch Paris66 – Entführung der Helena durch Paris67 – erste Versammlung in Aulis68 – Überfahrt nach Kleinasien, Kampf mit Telephos69 – zweite Versammlung in Aulis70 – Opferung der Iphigeneia71 – Fahrt nach Tenedos, Verletzung des Philoktetes72

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Cf. neben den oben genannten Thesen von Allen 1910, 228 und Kakridis 1949, 91 93 vor allem noch Kullmann 1960, 365, Heubeck 1974, 148 f. (S. 149: “Die chronologisch bestimmte, reihende Ordnung von Episoden ist abgelöst durch das Bestreben, ein einziges zentrales Geschehen in den Mittelpunkt zu stellen und die Fülle des Episodischen aus der steten Bezogenheit auf die thematische Mitte zu gestalten.”), Kullmann 1981, 41 f. und Burgess 2001, 145 (mit Anm. 42). In der folgenden Übersicht sind nur die Belege aus den homerischen und Kyklischen Epen bzw. aus der ‘Chrestomathie’ des Proklos und der ‘Bibliotheke’ des Apollodoros gegeben, weil diese Werke am besten den frühgriechischen Sagenschatz wiedergeben. Spätere Belege, insbesondere aus der klassischen Tragödie und der hellenistischen Dichtung, finden sich in den einschlägigen Kapiteln von Robert 1921 1926. Hom. Il. 24,25 - 30; Procl. Chr. p. 39,6 - 11 Bern.; Apollod. Epit. 3,2. Hom. Il. 6,288 - 292; Procl. Chr. p. 39,12 - 20 Bern.; Apollod. Epit. 3,3 - 4. Procl. Chr. p. 40,33 - 35 Bern.; Apollod. Epit. 3,11 - 16. Procl. Chr. p. 40,36 - 41,38 Bern.; Apollod. Epit. 3,17. Hom. Il. 2,299 - 330; Procl. Chr. p. 41,42 - 45 Bern.; Apollod. Epit. 3,21. Procl. Chr. p. 41,45 - 49 Bern.; Apollod. Epit. 3,22. Hom. Il. 2,721 - 723; Procl. Chr. p. 41,50 - 51 Bern.; Apollod. Epit. 3,23 - 27.

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Die Landung in der Troas im ersten Kriegsjahr: – Tod des Protesilaos im Kampf73 – Tötung des Kyknos durch Achilleus74 – vergebliche Gesandtschaft von Menelaos und Odysseus in die Stadt zur Rückforderung Helenas; Beginn der Belagerung75 Die Kriegsjahre 2 bis 8: – Tötung des Königssohns Troilos durch Achilleus76 – Streifzüge durch die Umgebung von Troja, Eroberung vieler kleiner Städte77 – Hungersnot im Kriegslager der Griechen, Tötung des Palamedes78 Die Handlung der ‘Ilias’ im neunten Kriegsjahr79 Die Geschehnisse im zehnten Kriegsjahr: – Kampfeintritt der Amazonen80 – Kampfeintritt Memnons, Tod des Antilochos, Tod des Achilleus81 – Streit um die Waffen des Achilleus, Selbstmord des Aias82 – Herbeiholung des Philoktetes, Tötung des Paris83 – Herbeiholung des Neoptolemos84 – Diebstahl des Palladions85 – List des Trojanischen Pferds, Eroberung der Stadt, Ermordung verschiedener Mitglieder der troischen Königsfamilie86 73 74 75

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Hom. Il. 2,695 - 710; Procl. Chr. p. 42,53 - 54 Bern.; Apollod. Epit. 3,30. Procl. Chr. p. 42,54 - 55 Bern.; Apollod. Epit. 3,31. Hom. Il. 3,205 - 224 und 11,122 - 142; Procl. Chr. p. 42,55 - 57 Bern.; Apollod. Epit. 3,28 - 29. ‘Kyprien’ Frg. 41 I Bern. bzw. Procl. Chr. p. 42,63 Bern.; Apollod. Epit. 3,32 (für die Andeutung in Hom. Il. 24,257 cf. z.B. die Besprechung bei Robertson 1990, 64). Hom. Il. 2,688 - 694; 9,128 - 132; 9,328 f.; 9,663 - 668 usw.; ‘Kyprien’ Frg. 27 - 28 Bern. bzw. Procl. Chr. p. 42,61 - 43,65 Bern.; Apollod. Epit. 3,32 - 33. ‘Kyprien’ Frg. 29 - 30 Bern. bzw. Procl. Chr. p. 43,66 Bern.; Apollod. Epit. 3,8 und 6,8 (bereits nach der Version der klassischen Tragödie). Für die Plazierung des Achilleus-Zorns ins neunte Kriegsjahr cf. die Arbeit von Aumüller 1996/1997 (für die Gegenposition der Plazierung ins zehnte Kriegsjahr cf. zuletzt wieder Heitsch 2008, 229 Anm. 4). Procl. Chr. p. 67,4 - 68,8 Bern.; Apollod. Epit. 5,1. Hom. Od. 4,187 f. und 11,522; Procl. Chr. p. 68,10 - 69,18 Bern.; Apollod. Epit. 5,3 4. Hom. Od. 11,543 - 551; Procl. Chr. p. 69,22 - 24 und p. 74,3 - 5 Bern.; Apollod. Epit. 5,5 - 7. Hom. Il. 2,724 f.; Procl. Chr. p. 74,6 - 9 Bern.; Apollod. Epit. 5,8. Hom. Od. 11,508 f.; Procl. Chr. p. 74,10 - 11 Bern.; Apollod. Epit. 5,11. Procl. Chr. p. 75,17 - 18 Bern.; Apollod. Epit. 5,13. Hom. Od. 8,499 - 520 und 11,523 - 537; Procl. Chr. p. 75,19 - 23 und p. 88,3 - 89,23 Bern.; Apollod. Epit. 5,14 - 23.

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Wir können also eine eindeutige Konzentration der hervorstechenden Kriegsereignisse in den Jahren ‘eins’ bzw. ‘neun’ und ‘zehn’ feststellen. Für die lange Zeit dazwischen finden wir nur kleinere Scharmützel bzw. Eroberungszüge in der Umgebung Trojas und als einzige bedeutsamere Ereignisse den Tod des Troilos und die Hinrichtung des Palamedes, wobei aber dieses letztgenannte Motiv von den ‘Kyprien’ bzw. in Proklos’ ‘Chrestomathie’ schon wieder sehr nahe an das Motiv vom Zorn des Achilleus herangezogen wird. Von einer ‘Chronik’, in der für jedes Kriegsjahr gleichmäßig die Ereignisse eingetragen wären, lässt sich also auf keinen Fall sprechen, und es ist wichtig, dass die Kyklischen Epen und die ‘Ilias’ mit ihren diversen Vor- und Rückverweisen genau dasselbe Bild der Konzentration auf die Eckpunkte des Kriegs ergeben bzw. dieselbe Ereignisarmut in den Kriegsjahren zwei bis acht festhalten. Es handelt sich also um einen allgemeinen Zug der Troja-Sage, und wenn die Sage vom Trojanischen Krieg so wenig chronographisch gearbeitet war, so müsste das wohl auch für die (vorhomerischen) Epen vom Trojanischen Krieg gegolten haben, denn diese waren zweifelsohne die hauptsächlichen Überlieferungsträger der Sage. Anstelle des neoanalytischen Modells einer chronographischen Epentradition, über die sich erst der Iliasdichter genial hinweggesetzt habe, empfiehlt sich also eher die Annahme einer epischen Tradition, die immer schon das Schwergewicht auf den Anfangs- und den Schlusspunkt des Trojanischen Kriegs gelegt hatte und die dazwischen liegenden Jahre stets mit einer summarischen Bemerkung wie ‘während der langen Belagerung der Stadt eroberten die Griechen viele Städte der Umgebung’ abgetan hatte87. Kakridis’ These eines vorhomerischen chronographischen Epos müsste also durch die These einer zwar linearen, aber gerade nicht chronikartigen epischen Form ersetzt werden. Die Frage ist also, wie es zu einer solch merkwürdigen Hybride wie der Troja-Sage kommen konnte, in der einerseits ein langer Zeitraum von zwanzig oder dreißig Jahren erfasst ist, in der aber dennoch eine unverkennbare Konzentration auf wenige herausragende Ereignisse vorliegt. Die Antwort auf diese Frage liegt zunächst darin, dass eine solche Rekonstruktion der Troja-Sage, wie sie soeben gegeben wurde, tatsächlich nur ein Konstrukt ist. Schon die Kyklischen Epen mit ihrer jeweiligen Konzentration auf einen Abschnitt des Krieges88 und erst recht die klassischen Tragödien zeigen, dass eine solche Gesamtbehandlung des Trojanischen Kriegs mit all seinen 87

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Im obigen Vergleich zwischen der ‘Ilias’ und den nicht-griechischen Epentraditionen (Kap. 2.2) das Motiv ‘a’. Die sehr weitgehende These von Burgess 2001, 143 f., dass ursprünglich alle Kyklischen Epen oder zumindest die ‘Kyprien’ und die ‘Ilias Parva’ den ganzen Trojanischen Krieg abgedeckt hätten, erscheint nun auch bei ihm selbst in abgeschwächter Form (Burgess 2005, 348) und lässt sich nicht wirklich vereinbaren mit Aristoteles’ Bemerkungen in der ‘Poetik’ (1459 a 30 - b 7), wo der Philosoph zwar die punktuelle Stoffwahl der homerischen Epen den überdehnten Kyklischen Epen entgegenhält, dann aber für die ‘Ilias Parva’ doch wieder nur Handlungsausschnitte nennt, die auf die Handlung der ‘Ilias’ folgen.

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Einzelmotiven natürlich ein unpoetisches Unterfangen gewesen wäre. Zu einer so ausgedehnten und detailreichen Behandlung konnten sich erst Mythographen und späte Philologen wie Apollodoros oder Proklos verstehen. Schon die Vignette vom Liedvortrag des Demodokos in Od. 8,499 - 520 macht ja deutlich, dass im frühgriechischen Epos durchaus die Beschränkung des einzelnen Vortrags auf eine abgerundete thematische Einheit, also hier auf die Eroberung Trojas mit Hilfe des hölzernen Pferds, gewünscht war. Dies ist aber nur ein Teil der Antwort. Der andere Teil besteht im Hinweis auf den allgemeinen traditionellen Charakter epischer Dichtung, d.h. auf die eingangs erwähnte Besonderheit, dass im mündlichen oder mündlichkeitsgeprägten Epos dem einzelnen Dichter üblicherweise nicht nur der Sagenstoff vorgegeben ist, sondern auch die Erzählform in bestimmten traditionellen Mustern 89. Dies ist im griechischen Bereich besonders deutlich für die Heimkehr des Odysseus, deren Zugehörigkeit zur Troja-Sage und Einreihung in die verschiedenen anderen Nostoi für einen Grammatiker wie Proklos selbstverständlich war 90, die aber dennoch dem Standardmuster der Heimkehrergeschichte, wie sie auch in nicht-griechischen Kulturen vorliegt, folgt. Dasselbe gilt nun auch, wie hier gezeigt werden soll, für die Geschichte von der Eroberung Trojas. Denn das vorhin festgestellte Muster von der langen vergeblichen Belagerung einer Stadt und von den zwischenzeitlichen Raubzügen in der Umgebung (mit Eroberung kleinerer Städte)91 hat seine Entsprechung in mehreren nicht-griechischen Erzähltraditionen, die wir oben besprochen haben 92. Einigermaßen deutlich ist das schon im Angriffszug Coriolans gegen Rom und in der Geschichte der dreijährigen Belagerung von Valencia durch El Cid93. Die beste Parallele zur Troja-Sage bildet in dieser Hinsicht aber das serbische Lied von Marko Kraljevi. Denn dort ist in der Tat das Motiv der langen Belagerung mit dem des Heldenzorns verbunden, und wir erfahren, dass der türkische Sultan nach seiner Überfahrt nach Arabien zwar vierundvierzig am Meer gelegene Städte eroberte, 89 90

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Cf. oben Kap. 1. Procl. Chr. p. 101,1 - 2 Bern. (meta; tau`tav [sc. nach den ‘Nostoi’] ejstin ÔOmhvrou Oduvsseia: e[p eita Thlegoniva" bibliva duvo ...). Cf. oben Anm. 77. Jones 1995, der annimmt, dass der Trojanische Krieg in der ursprünglichen Tradition nur ein Jahr gedauert habe und erst in der weiteren Entwicklung der Sage auf eine Dauer von zehn Jahren erweitert worden sei, was dann die Kyklischen Dichter zur Auffüllung der Zwischenzeit mit Eroberungszügen in der Umgebung genötigt habe (S. 106: “My point is that raiding parties are irrelevant to the problem of the capture of Troy. They come to have the place they do because the Cyclic poets could think of no other way of expanding the War to a ten-year one.”), verkennt also die Traditionalität genau dieses Kernmotivs (cf. auch unten Kap. 4.2.2 die Bemerkungen zur zehnjährigen Dauer des Kampfs zwischen den Olympischen Göttern und den Titanen). Cf. die Eroberung der Kleinstädte in der Umgebung Roms (Liv. 2,39,2 - 4; D.H. 8,14 - 21 und 8,36; Plu. Cor. 28 - 29 und 31,4) bzw. Valencias (‘Poema de mio Cid’ V. 1167 - 1169 [Smith 1972, 38; Eggarter 1968, 66]).

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aber das eigentliche Ziel des Angriffs, die Stadt Kara-Okan, drei Jahre lang nicht einnehmen konnte, was in wenigen Versen abgehandelt wird94. Erst danach folgt in weit ausführlicherer Darstellung die Beleidigung des Helden, die völlige Umkehrung der Kriegssituation und die drohende Niederlage und zuletzt der Wiedereintritt Markos in den Kampf und die Einnahme der Stadt. Narrativer Sinn des Zornmotivs in einem solchen Epos ist somit die äußerste Zuspitzung der Situation und die dadurch erfolgte Hervorhebung der Stadteroberung95. Eine mächtige Stadt kann, etwas überspitzt formuliert, in einem ambitionierten Epos nur nach langer ermüdender Belagerungszeit und zuletzt drohender Niederlage erobert werden; alles andere wäre eben nicht dichtendes Epos, sondern faktenorientierte Geschichtsschreibung. Dasselbe wie für das Lied von Marko Kraljevi dürfte nun eben auch für die Troja-Sage gegolten haben, wie vor allem die erwähnte Übereinstimmung der ‘Ilias’ und der ‘Kyprien’ für die ereignisarmen Kriegsjahre zwei bis acht nahelegt. Grundmuster und damit Urform der Troja-Sage ist also eine Erzählung, die den Raub einer Frau beschreibt, die Versammlung des Heers (erstes Kriegsjahr), die lange Zeit der vergeblichen Belagerung (x Kriegsjahre) und zuletzt die Eroberung der Stadt und die Rückgewinnung der Frau (letztes Kriegsjahr). Dieses Grundmuster blieb stets erhalten und bewahrte sich die Konzentration auf das Anfangs- und das Schlussjahr des Kriegs, die allerdings eine erhebliche narrative Ausgestaltung und Umformung erfuhren96. Die dazwischenliegende Zeit der Belagerungsjahre blieb demgegenüber immer untergeordnet97. Eine gewisse Ausgestaltung ist zwar auch hier zu beobachten, indem die verschiedenen Städte, die Achilleus in der langen Belagerungszeit eroberte, mit Ortschaften wie Thebe, Lyrnessos und Pedasos gleichgesetzt werden98. Doch dienen diese Eroberungsgeschichten bereits wieder der Erklärung für die Präsenz von Chryseis und Briseis vor Troja und damit der Vorbereitung des Streits zwischen Agamemnon und Achilleus. Diese Raubzüge haben also kaum eigenständige

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‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 84 - 88 (Karadi 1969, 262 f.; Low 1922, 93). Cf. den detaillierteren Vergleich zwischen der ‘Ilias’ und dem Lied von Marko Kraljevi unten in Kap. 4.1. Zu dieser Ausgestaltung und Umformung, die vor allem das letzte Kriegsjahr betraf, cf. die nähere Besprechung unten in Kap. 6.2. Im Prinzip richtig, wenn auch auf einer teilweise überholten Konzeption zum Verhältnis zwischen ‘Ilias’ und ‘Kyprien’ beruhend, daher die Position Friedrich G. Welckers zur Zahl der zehn Kriegsjahre bzw. zur Ereignisarmut in den ersten acht oder neun Jahren (Welcker 1849, 263 f.: “Diese Zahl aber ist eine bloße Formel, nicht ohne Kraft im Allgemeinen für das Eroberungsgemälde einer Stadt, aber mehr als Vorgrund, nicht zur Ausfüllung mit Begebenheiten, zu einer fortlaufenden Geschichte bestimmt.”). Hom. Il. 2,688 - 694; 6,414 - 428; 19,291 - 300 und 20,92; ‘Kyprien’ bzw. Procl. Chr. p. 42,62 - 43,65 Bern.

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narrative Bedeutung 99, und auffällig bleibt, dass die ‘Ilias’ von den insgesamt dreiundzwanzig Städten, die Achilleus erobert haben will (9,328 f.: zwölf Inselstädte und elf Festlandstädte), nur die drei erwähnten mit Namen nennt und nur beiläufig auf die Eroberung verschiedener Inseln wie Lesbos, Skyros und Tenedos hinweist. Gelegentlich findet sich zwar später die individuelle Nennung weiterer Städte, die Achilleus eingenommen haben soll. So erwähnt etwa Flavius Philostrat in Kap. 33 seines ‘Heroikos’ neben Lesbos noch Abydos und die thrakische Chersonesos100; der Mythograph Apollodoros listet eine lange Reihe von westkleinasiatischen Städten auf mit Smyrna und Kolophon als den südlichsten Beispielen 101; und Eustathios versucht vor allem die elf Festlandstädte zu identifizieren, nennt aber neben Thebe, Lyrnessos und Pedasos ausschließlich Städte in der nördlichen Troas wie Zeleia, Adrasteia, Pitya, Perkote, Arisbe und Abydos und muss sogar noch eine Lücke in seinen Quellen konstatieren 102. Doch zeigt der Umstand, dass die meisten dieser Städte als Eroberungsziele des Achilleus in der ‘Ilias’ eben nicht genannt sind, dass hier keine vorhomerische Tradition vorliegt, und die geringe Überschneidung zwischen den Listen von Apollodoros und Eustathios legt nahe, dass es sich stattdessen jeweils um nachhomerische lokale Tradition103 und zuletzt um gelehrte Systematisierung handeln dürfte, die erst durch das homerische Epos ausgelöst war104. Unser Resultat ist also, dass die von J. Kakridis formulierte Alternative bzw. die Frage, ob die chronographischen Epen vom Typus der Kyklischen Epen oder die dramatischen, auf einen kurzen Handlungsausschnitt beschränkten Epen vom Typus der ‘Ilias’ und der ‘Odyssee’ die ältere Erzählform waren105, falsch gestellt ist. Älteste Darstellungsform ist vielmehr ein kurzes, aber umfassendes Epos, das die ganze Geschichte vom Trojanischen Krieg erzählte, die lineare Erzählform wählte, aber Schwerpunkte setzte im Anfangs- und im Schlussjahr des Kriegs. Sowohl die Erzählform der Kyklischen Epen wie die der homerischen Epen sind Ableitungen oder Weiterentwicklungen dieser alten 99

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Immerhin schaffen sie in der für die ‘Ilias’ typischen Weise wichtiges Hintergrundskolorit, das auf die schließliche Zerstörung Trojas vorausdeutet; cf. Taplin 1986. Philostr. Her. 33,23; 33,28 - 29 und 33,34. Apollod. Epit. 3,33. Eust. zu Hom. Il. 2,691, I p. 502,2 - 4 vdValk. Cf. die oben in Kap. 1 erwähnte späte Lokalisierung der Irrfahrten des Odysseus und die erst nachträglich erfolgte Gleichsetzung der von Odysseus besuchten festländischen Orte mit bestimmten epirotischen Gemeinden. Auf eine späte Herausbildung dieser Traditionen deutet auch beispielsweise die Diskrepanz in den Äußerungen über die Stadt Abydos hin, von der Philostrat und Eustathios berichten, dass sie den Eroberungszügen des Achilleus zum Opfer gefallen sei (cf. die in den vorherigen Anmerkungen genannten Belege), während die HomerScholien (b und T Scholien zu Hom. Il. 4,500, I p. 533,13 - 15 Erbse; b und T Scholien zu Hom. Il. 9,328, II p. 467,73 - 74) genau umgekehrt bemerken, dass Achilleus die Stadt nicht zu erobern vermochte. Kakridis 1949, 90 - 93.

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Darstellungsform. Diese Weiterentwicklungen haben zwar ihren jeweils eigenen Charakter; aber es ist bei der langen mündlichen Epentradition im mykenischen und nachmykenischen Griechenland anzunehmen, dass beide abgeleiteten Darstellungsformen ihre eigene langwährende Geschichte hatten und sich dabei ständig gegenseitig beeinflussten 106. Die Frage nach der Bedeutung des Achilleus-Zorns im vorhomerischen Epos, also die Frage nach seiner marginalen oder zentralen Funktion für die Troja-Sage, kann dann nur vor dem Hintergrund eines solchen Entstehungsmodells sinnvoll beantwortet werden.

106

Im Ansatz dazu schon Burgess 2001, 145 (“It is tempting to imagine that two separate genres of narrating the war developed, one chronicle-like in its cataloging of events, another more meditative in exploration of particular episodes”). Allerdings fehlt bei Burgess ein Hinweis auf die hier postulierte einfache Vorstufe.

4

Das Motiv der Stadteroberung und der vorzeitige Tod des Achilleus

4.1

Achilleus als Stadteroberer

Die zahlreichen Detailparallelen zwischen dem Zorn des Achilleus und den verschiedenen Zorngeschichten aus nicht-griechischen Traditionen zeigten, dass der Zorn des homerischen Helden keineswegs so einzigartig ist, wie in der Forschungsliteratur oft angenommen wird, und dass das Motiv daher kaum individuelle Erfindung eines griechischen Ependichters gewesen sein kann1. In die gleiche Richtung wies die Untersuchung der Tiefenstruktur der Troja-Sage, wie sie sich aus einem Vergleich der ‘Ilias’ mit den Kyklischen Epen ergibt. Grundgerüst der Troja-Sage ist demnach die lange erfolglose Belagerung einer Stadt, die zwischenzeitliche Eroberung mehrerer Kleinstädte in der Umgebung und die schließliche Beschleunigung der Handlung und die Einnahme der belagerten Stadt nach einer bestimmten Anzahl von Jahren dank der entscheidenden Leistung eines oder mehrerer Helfer2. Eine nicht-antike Erzählung, die dieses Muster in reiner Form repräsentiert, ist das südslawische Epos ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ nach der von Vuk St. Karadi im früheren 19. Jh. notierten anonymen Version 3. Hier finden wir alle entscheidenden Elemente wie die Herbeiholung des Helden durch einen sonst machtlosen König, die lange vergebliche Belagerung der feindlichen Stadt, die Einnahme der Städte in der Umgebung4 und die schließliche Eroberung der feindlichen Hauptstadt5. In dieses Muster eingebaut ist nun die Be1 2 3

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5

Oben Kap. 2.2. Oben Kap. 3.3. Interessanterweise zeigt von den verschiedenen Versionen des Lieds, die Koljevi (1980, 77 und 195 f.) auflistet, nur diese eine Version von V. St. Karadi das Muster der Kampfenthaltung. Die anderen Versionen aus dem 18. Jh., die V. Bogii (1878, Nr. 7 [S. 20 - 24], Nr. 86 [S. 233 - 238] und Nr. 87 [S. 239 - 242]) in Dalmatien sammelte, kennen wohl den äußeren Rahmen der Heimkehrergeschichte nach dem Muster des Odysseus und kurze Hinweise auf den Feldzug nach Arabien (Nr. 7 [V. 61 - 70]: Dauer des Feldzugs von drei Jahren; Nr. 86 [V. 30 - 33]: siegreicher Ausgang des Feldzugs), nicht aber das Zornmotiv (cf. die übersetzten Auszüge unten in Appendix 2). Es handelt sich in der Version von Karadi also offenbar um eine Verbindung zweier traditioneller Muster, ähnlich wie im Lied von der Eroberung Budapests (unten Kap. 5.1) das Muster von der späten Herbeiholung eines Helden mit dem Heimkehrermuster verbunden ist. Die Eroberung der kleineren Städte am Meer geht in der Geschichte von Marko Kraljevi der eigentlichen Belagerung Kara-Okans voraus und ist damit genau genommen nicht Teil der Belagerungszeit (V. 84 f.; Karadi 1969, 262; Low 1922, 93). Damit besteht ein gewisser Unterschied zur Troja-Sage, in der die Einnahme der Kleinstädte durch Achilleus in die Zeit der Belagerung fällt. Da aber so oder so noch erhebliche Zeit bis zum Fall der Hauptstadt vergeht, ist das Motiv dennoch in beiden Fällen letztlich funktionsgleich. Die Einnahme von Kara-Okan ist im Lied von Marko Kraljevi nicht explizit erwähnt, doch versteht sie sich nach langer Belagerung und völliger Besiegung des Feinds (V.

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leidigung des Helden und sein Rückzug vom Kampf, die dadurch verursachte schwere Bedrängnis des Königs bzw. die drohende endgültige Niederlage, die Rückberufung des Helden und zuletzt die Eroberung der Stadt – all dies im letzten Kriegsjahr. Ein solcher Aufbau entspricht in jeder Weise den Anforderungen an eine spannende Geschichte bzw. an eine in sich stimmige Handlungskonstellation. So darf die Stadt erst nach einer Reihe von Jahren erobert werden, weil bei einer schnelleren Eroberung gar nicht einzusehen wäre, worin das Besondere der Heldentat lag. Dafür findet sich in den vorangehenden Jahren das Ersatzmotiv der Eroberung einer bestimmten Zahl von kleineren Städten der Umgebung, womit für das nötige Crescendo gesorgt ist. Der angreifende König ist schwächer als sein Gegner (oder allenfalls gleich stark), was gar nicht anders sein kann, weil er sonst die Stadt sofort erobern würde und das erwähnte Crescendo ausbliebe. Der König benötigt daher einen Helfer, wodurch die Eins-zueins-Situation durch einen spannungsreiche Dreierkonstellation abgelöst wird. Dieser Helfer muss von überragender Stärke sein, weil auch er sonst die gegnerische Stadt nicht erobern könnte. Eben weil er aber von überragender Stärke ist, führt sein Kampfboykott zur annähernden Niederlage des Königs, und nach der genau gleichen Logik führt sein erneuerter Kampfeinsatz schließlich zur endgültigen Besiegung der Feinde. In einer solchen Geschichte hat also jedes Handlungselement seinen genauen Platz und jede Figur ihre exakte Funktion. Die einzige Unstimmigkeit, über die der Leser hinwegsehen muss, ist die, dass der herbeigerufene allesüberragende Held die gegnerische Stadt nicht sofort erobert, sondern erst bei seinem zweiten Einsatz nach vorübergehender Kampfenthaltung. Aber auch dies ist letztlich ein Teil des erwähnten Crescendo, das der Geschichte ihr Interesse und ihre Abrundung verleiht. Achilleus hat nun in vielen Bereichen dieselbe Rolle inne wie Marko Kraljevi, d.h. auch er wird eigens herbeigeholt und erobert eine Vielzahl kleinerer Städte, auch er bildet eine dritte Kraft zwischen einem König und dessen Gegner, auch er ist von überragender Stärke und auch er bringt daher mit seinem Kampfboykott den eigenen König an den Rand einer Niederlage. Die erste Folgerung, die wir aus dieser Parallele ziehen können, ist die, dass das Zornmotiv für Achilleus traditionell gewesen sein muss, dass Achilleus also bereits in vorhomerischen Darstellungen der Troja-Sage dasselbe Handlungsmuster von Zorn, Absonderung und Rückkehr in die Gemeinschaft durchlebte wie später in der ‘Ilias’. Denn die anderen Motive dieses Erzählmusters wie die Abholung, die lange Kriegsdauer, die besondere Stärke des Helden und die spannungsreiche Konstellation zwischen Kriegsfürst und Held sind auch in den Kyklischen Epen bezeugt, sind also überhaupt Teil der Troja-Sage, und es wäre merkwürdig, wenn in der südslawischen Tradition das Muster in seiner Gesamtheit vorläge, wenn es im griechischen Bereich aber zunächst nur in partieller Form existiert hätte und erst durch den Iliasdichter oder einen unmittelbaren 160 - 171; Karadi 1969, 264; Low 1922, 95) von selbst (cf. die deutlicheren Hinweise auf die Eroberung im dalmatinischen Lied in Appendix 2b).

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Vorgänger mit der Einfügung des Zornmotivs vervollständigt worden wäre6. Es verhält sich natürlich umgekehrt: Das Muster war sowohl der slawischen wie der griechischen Tradition als ganzes vererbt worden und konnte dann allenfalls innerhalb der einzelnen Tradition bestimmte Veränderungen erleiden. Die zweite, nicht minder wichtige Folgerung aus der Parallele zwischen den beiden Helden ist die, dass auch Achilleus, ebenso wie Marko Kraljevi, einst die Rolle eines Stadteroberers gespielt haben muss. Dies liegt, wie oben gezeigt wurde, in der Logik der Dreierkonstellation von König, gegnerischem König und Helden, wird aber im speziellen Fall noch dadurch gestützt, dass es den Griechen nur mit Mühe gelingt, Achilleus überhaupt nach Troja zu holen, und Sinn und Logik solcher erschwerter Einberufungen ist es, dass der jeweilige Held dann eine besondere Rolle bei der Stadteroberung spielt. Zwar gibt es, wie wir sehen werden, eine Ausnahme von dieser Regel in Gestalt des argivischen Sehers Amphiaraos. Doch herrschen für die Sage vom Zug der Sieben gegen Theben besondere Bedingungen, weil der Kriegszug überhaupt scheitert. Für die Sage vom Zug der Griechen gegen Troja ist dies aber gerade nicht der Fall, und da Achilleus nicht nur unter Schwierigkeiten für den Feldzug gewonnen wird, sondern auch der stärkste Held auf griechischer Seite ist, wurde er sicher einst als Stadteroberer gefeiert. Andernfalls müsste man für den Sagenzug seiner erschwerten Herbeiholung von einem unökonomischen, rein ornamentalen Motiv sprechen, wie es gerade für die frühe Sagenentwicklung nicht anzunehmen ist7. Nun ist aber Achilleus in der dokumentierten Sage zur Zeit der Stadteroberung bekanntlich schon einige Zeit tot, da er bei einem Angriff auf das Skaische Tor von Paris und Apollon mit einem Pfeilschuss getötet wird8. Allerdings wird seine Eigenschaft als mindestens potentieller Stadteroberer in der ‘Ilias’ immer wieder in Erinnerung gerufen. So äußert Achilleus einmal selber, er wolle einzig zusammen mit Patroklos die Stadt erobern9. Dies ließe sich als Hybris interpretieren, wie ja Patroklos beim folgenden überkühnen Angriff auf Troja seinen Wagemut tatsächlich mit dem Tod bezahlen muss. Andererseits findet sich eine völlig gleichartige Willensäußerung in einer Rede des Diomedes, der ebenfalls nur zusammen mit seinem Kampfgefährten, nämlich Sthenelos, die Stadt erobern will10, und in diesem Fall handelt es sich nicht um bloße Prahlerei oder leeres Wunschdenken, da die beiden Helden kurze Zeit zuvor zusammen mit den anderen Epigonoi die Stadt Theben erobert haben und sich nun auch für die 6

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Auch die relativ häufige Einfügung kleinerer Zornszenen in der ‘Ilias’ (oben Kap. 3.2.1) ist kein Gegenargument, da die betroffenen Helden nicht dieselben überragenden militärischen Fähigkeiten haben wie Achilleus und somit leicht für einen kurzen Moment in den Vordergrund gestellt, dann aber auch wieder ohne große Folgen von der Handlungsbühne entfernt werden konnten. Zur narrativen Funktion des Herbeiholungsmotivs cf. auch unten Kap. 4.2. Hom. Il. 19,416 f.; 21,277 f. und 22,358 - 360; ‘Aithiopis’ bzw. Procl. Chr. p. 69,15 16 Bern.; Simon. Frg. 11,7 f. W.2 ; Pi. P. 3,101; Apollod. Epit. 5,3. Hom. Il. 16,97 - 100. Hom. Il. 9,48 f.

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Eroberung Trojas mindestens gewisse Chancen ausrechnen können11. Eine andere Hindeutung des Iliasdichters auf die überragende Stärke des Achilleus und auf seine Fähigkeit zur Eroberung Trojas findet sich im Anschluss an den Kampf mit Skamandros, als Achilleus nach seiner Befreiung aus den Fängen des Flussgotts auf Troja zuhält und nur durch eine Intervention Apollons an der vorzeitigen Einnahme der Stadt gehindert werden kann12. Ein dritter Hinweis auf potentielle Stadterobererqualitäten ist die wiederholte Verwendung des Epithetons ptolivporqo" bzw. ptolipovrqio", das in den homerischen Epen von den aktiven Helden nur Achilleus13 und Odysseus14 zugeteilt ist. Achilleus ist es, wie gesagt, vom Schicksal nicht verstattet, den Fall Trojas zu erleben, weswegen die Scholien die Verwendung des Epithetons durch die vorangegangene Eroberung der dreiundzwangig kleineren Festlands- bzw. Inselstädte erklären15. Dies ist aber bei der untergeordneten Bedeutung dieser Kleinstädte eine schwächliche Erklärung, und die enge Koppelung mit Odysseus, der ja tatsächlich für den Untergang Trojas verantwortlich ist16, zeigt, dass für den Iliasdichter auch Achilleus durchaus die Qualitäten eines Troja-Bezwingers hat17. Viertens schließlich tötet Achilleus in der ‘Ilias’ den eigentlichen Stadtverteidiger Hektor, und der Iliasdichter macht es sehr deutlich, dass damit das Schicksal der Stadt besiegelt ist, wenn auch die Niederlage nicht unmittelbar bevorsteht18. Diese Hinweise des Iliasdichters zeigen, dass wahrscheinlich auch er keine Version von der tatsächlichen Eroberung Trojas durch Achilleus mehr kannte, dass er aber in der tradierten Figur des thessalischen Helden durchaus das Potential für einen solchen Handlungsverlauf sah – und dies völlig zu Recht. Denn – so dürfen wir aus Sicht des vergleichenden Epenstudiums hinzufügen – die Eroberung der belagerten Stadt durch den größten Helden des angreifenden Heeres ist das tevlo", auf welches eine solche Handlungskonstellation hinzielt, und es muss daher fast zwangsläufig hinter der Troja-Sage, wie wir sie aus der ‘Ilias’ und aus den Kyklischen Epen kennen, eine ältere Sagenform stehen, in der die Ereignisse tatsächlich diesen Verlauf nahmen. Merkwürdig ist aber, dass es in der Troja-Sage noch eine ganze Reihe weiterer Helden gibt, die die Rolle eines Stadteroberers für sich in Anspruch nehmen können, und dass für all diese 11 12 13 14 15

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Hom. Il. 4,404 - 410. Hom. Il. 21,544 - 546. Hom. Il. 8,372; 15,77; 21,550 und 24,108. Hom. Il. 2,278 und 10,363; Od. 8,3; 9,504 usw. T Scholien zu Hom. Il. 15,77, IV p. 25,7 - 9 Erbse; cf. die Besprechung bei Esposito 2007. So beispielsweise Hom. Od. 1,2. Dies näher ausgeführt bei Oka 1990. Cf. neben der zuletzt erwähnten Arbeit von Oka 1990 vor allem die von Dubielzig 1996, der nachweist, dass die zwölf Städte, die Achilleus zu Wasser erobert, und die elf Städte, die er zu Land erstürmt (Hom. Il. 9,328 f.), durch Troja als vierundzwanzigste Stadt ergänzt werden – nicht im realen Sinne, sondern in der Form einer symbolischen Parallele zu Hektor, der das vierundzwanzigste Opfer des Achilleus auf seinem Rachefeldzug für Patroklos ist und damit für den Untergang Trojas steht.

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Helden eine bestimmte Geschichte von ihrer Abholung von zu Hause besteht. Wir müssen uns also nun diesem Abholmotiv und seinen sagenmotivischen Implikationen zuwenden. 4.2

Das Motiv der Herbeiholung des überragenden Helden

4.2.1 Das Motiv der Abholung verschiedener Helden in der Troja-Sage Für verschiedene Helden der Troja-Sage gibt es Erzählungen von ihrer Abholung von zu Hause oder von einer sonstigen Herbeiholung durch eine eigens ausgesandte Delegation. Typisch ist dabei, dass die Abholung gegen den Widerstand des Helden oder seiner Umgebung erfolgt, dass sie aber dennoch gelingt, und dass der Held dann eine entscheidende Rolle bei der Eroberung der Stadt spielt. Einfachstes Beispiel für dieses Muster ist dasjenige des thessalischen Helden Philoktetes, der wegen einer schweren Verwundung vom griechischen Heer auf der Insel Lemnos zurückgelassen worden war, nun aber durch Sehersprüche nach Troja gerufen wird, weil ohne ihn bzw. ohne den Bogen des Herakles, der seit dessen Tod in Philoktetes’ Besitz war, die Stadt auch weiterhin nicht erobert werden könne19. Die Herbeiholung durch Odysseus und Diomedes oder eine andere Delegation erfolgt, wie oben bemerkt, gegen schwerste Widerstände des gedemütigten Helden, glückt aber zuletzt wider Erwarten doch noch20. Seine spezielle Mission vor Troja erfüllt Philoktetes, indem er Paris mit seinem Bogen tötet21, was ihm sogar den Ehrentitel eines Eroberers der Stadt einbringt (Pi. P. 1,52 - 54: e{lkei teirovmenon ... // ... Poivanto" uiJo;n toxovtan: // o}" Priavmoio povlin pevr sen, teleuvtasevn te povnou" Danaoi`"). Da all dies bereits in der ‘Ilias Parva’ erwähnt war und da auch der Iliasdichter im Schiffskatalog bereits darauf anspielt, kann man sicher sein, dass es sich um ein gut verankertes vorhomerisches episches Motiv handelt22.

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Die Prophezeiung kam vom gefangenen troischen Seher Helenos (‘Ilias Parva’ bzw. Procl. Chr. p. 74,6 - 7 Bern.; B. Frg. 7 M.; S. Ph. 603 - 613 und 1337 - 1347) oder vom griechischen Seher Kalchas (Apollod. Epit. 5,8; Q.S. 9,323 - 332). So bereits Hom. Il. 2,724 f., die ‘Ilias Parva’ bzw. Procl. Chr. p. 74,6 - 7 Bern. und Pi. P. 1,52 f.; dann die klassische Tragödie mit dem jeweiligen ‘Philoktetes’ des Aischylos (TrGF 3 F 249 - 257), des Euripides (TrGF 5 F 787 - 803) und des Sophokles. Spätere Quellen sind D.Chr. 52; Apollod. Epit. 5,8; Dict. 2,33 und 2,47; Q.S. 9,333 443 und Hyg. fab. 102,3; cf. die Besprechung der Belege bei Schnebele 1988 und Scanzo 2003. ‘Ilias Parva’ bzw. Procl. Chr. p. 74,7 - 8 Bern.; S. Ph. 1426 - 1428; Lyc. Alex. 61 - 64; D.Chr. 11,117; Dict. 4,19; Q.S. 10,206 - 363. So Kullmann 1960, 113, der mit Recht darauf hinweist, dass es für den Iliasdichter keinen Grund geben konnte, Philoktetes im Schiffskatalog zu erwähnen, wenn die Sage von seiner Aussetzung auf Lemnos nicht schon vorhomerische Tradition war.

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Zweites ebenso deutliches Beispiel ist die Herbeiholung des Odysseus von Ithaka. Hierfür gibt bereits die ‘Odyssee’ einen Beleg, der zwar von sehr knapper und episch-rationaler Natur ist, aber dennoch auf den Unwillen des Helden hindeutet23. Die klassische Version vom vorgetäuschten Wahnsinn des Odysseus und von seiner Überlistung durch Palamedes findet sich zuerst in den ‘Kyprien’24 und ist dann der ganzen Antike präsent25. Von einem Orakel oder von einem Seherspruch, der die Anwesenheit des Helden verlangt hätte, ist nichts bekannt26. Dennoch erfüllt auch Odysseus mit der List des Trojanischen Pferdes eine entscheidende Funktion, und der narrative Sinn des Abholmotivs besteht also wieder darin, einen Helden herbeizuschaffen, ohne den Troja nicht erobert werden könnte27. Sinnfälligen, wenn auch sehr grausamen Ausdruck erhält diese Erobererrolle dann auch darin, dass es nach einer der Varianten eben Odysseus ist, der nach Einnahme der Stadt Hektors Sohn Astyanax tötet und damit die dynastische Kontinuität im Herrscherhaus von Troja abbricht28. Dritte analog gebaute Geschichte ist diejenige des Neoptolemos. Neoptolemos war nach der Sage auf Skyros als Sohn von Achilleus und Deidameia geboren worden, und wird nach Achilleus’ Tod von Skyros nach Troja geholt29. Er selbst scheint dabei keine Widerstände zu entwickeln, doch ist zumindest eine gewisse Überredungsarbeit von seiten der Abgesandten gegenüber Neo-

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Hom. Od. 24,115 - 119 (... // spoudh`/ parpepiqovnte" Odussh'a ptolivporqon). ‘Kyprien’ bzw. Procl. Chr. p. 40,30 - 33 Bern. Beispielsweise S. ‘Odysseus mainomenos’ TrGF 4 F 462 - 467; S. Ph. 1025 f.; Apollod. Epit. 3,7; Luc. Dom. 30; Hyg. fab. 95,2 und Serv. Aen. 2,81, I p. 230,20 - 25 Thilo-Hagen (eine späte Abweichung lediglich bei Philostr. Her. 33,4, wo Odysseus sogar als besonders kampfbegierig hingestellt ist). Allenfalls kann man sagen, dass dieser Sagenzug im Orakel des Helenos über die notwendige Entwendung des Palladions aus Troja (Apollod. Epit. 5,10) impliziert ist, weil es dann just Odysseus ist, der diese Heldentat vollbringt. Allerdings fällt die Prophezeiung des Helenos erst in das letzte Kriegsjahr und damit in eine Zeit, zu der Odysseus schon zehn Jahre vor Troja verbracht hat. Mögliche Erklärung für das Fehlen eines Orakels zur eigentlichen Herbeiholung des Odysseus ist der Umstand, dass Odysseus wahrscheinlich schon in den ältesten Formen der Troja-Sage als Helfer von Agamemnon und Menelaos Teilnehmer des Feldzuges war (cf. unten die Kap. 5.1 und 5.2). So bereits sehr deutlich die Aussage der Athene zu Odysseus in Hom. Od. 22,230 (sh`/ d’ h{lw boulh`/ Priavmou povli" eujr uavguia). Zur grausamen Tötung des Astyanax durch Odysseus und zum damit verfolgten Zweck cf. die ‘Iliupersis’ Frg. 5 Bern. bzw. Procl. Chr. p. 89,20 Bern. und E. Tro. 719 - 739 und 1133 - 1135 (zur alternativen Tötung durch Neoptolemos cf. die folgende Diskussion; ohne spezifische Nennung des Mörders bleiben E. Andr. 8 - 11; Apollod. Epit. 5,23; Q.S. 13,251 - 257; Ov. met. 13,415 - 417 und Hyg. fab. 109,2). Zuerst impliziert bei Hom. Il. 19,326 - 333, dann ausgeführt bei Hom. Od. 11,508 f. und in der ‘Ilias Parva’ (Procl. Chr. p. 74,10 - 11 Bern.). Spätere Zeugen sind Pi. Frg. 52f,98 - 104 M.; S. ‘Skyrioi’ TrGF 4 F 553 - 561; Apollod. Epit. 5,11 und Philostr. Jun. Im. 1b.

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ptolemos’ Großvater Lykomedes vonnöten 30. Dass Neoptolemos’ Präsenz vor Troja unerlässliche Bedingung für die Einnahme der Stadt ist, war wohl bereits epische Tradition31 und ist dann insbesondere bei Sophokles sehr deutlich ausgesprochen (Ph. 346 f.: wJ" ouj qevmi" givgnoit’, ejpei; katevf qito // path;r ejmov", ta; pevrgam’ a[llon h] ’m’ eJl ei`n) 32. Herausragende Leistungen des jungen Helden sind die Beteiligung an der List des hölzernen Pferdes33 und vor allem die Tötung von König Priamos am Altar von Zeus Herkeios34 bzw. die Tötung seines Enkels Astyanax durch die grausame Schleuderung des Kindes herunter von den Mauern von Troja35. Entsprechend konnte auch Neoptolemos von den Dichtern als Stadteroberer gefeiert werden (Pi. Frg. 52f,104 M.: o}" dievpersen Ilivou povl[in). Wie die Parallele mit den oben erwähnten Fällen des Philoktetes und des Odysseus erweist, beziehen sich solche Äußerungen aber nicht unbedingt auf eine generell hervorstechende Leistung bei der Einnahme der Stadt, also beispielsweise auf eine Überwindung besonders vieler Gegner, sondern eben auf die Bezwingung eines Mitglieds der Königsfamilie36. Narrativer Sinn des Orakelmotivs und des Motivs der Herbeiholung ist bei all diesen Helden also die Konfrontation mit einem Gegenspieler, der die feindliche Stadt repräsentiert und dabei selbst gar keine besonders kriegerische Natur sein muss. Kern des Motivs ist einfach die Bezwingung des offiziellen Repräsentanten der Gegenseite, ohne den diese im Prinzip gar nicht mehr existiert. Für die Abholung des Achilleus schließlich durch eine spezielle Delegation gibt es bereits in der ‘Ilias’ zwei Hinweise37. Danach kamen Nestor und Odysseus nach Thessalien zu König Peleus, wurden dort gastfreundlich empfangen und engagierten Achilleus und dessen Gefährten Patroklos für die gemeinsame Sache; die beiden Väter der jungen Helden, Peleus und Menoitios, gaben dem jeweiligen Sohn noch mahnende Worte mit auf den Weg. Die Geschichte bewegt sich also ganz in der höfisch-zivilisierten Welt des griechischen Epos und ist vom selben Rationalismus geprägt wie die Geschichte von der Abholung des Odysseus nach der Version der ‘Odyssee’ (24,115 - 119). Wie für die Anwer30 31

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Apollod. Epit. 5,11. Dies nahegelegt durch den von Apollod. Epit. 5,10 referierten Seherspruch des Helenos (gerafft auch Philostr. Jun. Im. 1b,3). Sinnig auch die Parallelisierung von Neoptolemos und Philoktetes in der Rede des Herakles bei S. Ph. 1434 f. (ou[te ga;r su; [sc. Neoptolemos] tou`d’ [sc. Philoktetes] a[ter sqevnei" // eJl ei`n to; Troiva" pedivo n ou[q ’ ou|to" sevq en), weil beide erst im letzten Kriegsjahr herbeigeholt werden. Hom. Od. 11,523 - 532. ‘Iliupersis’ bzw. Procl. Chr. p. 88,13 - 14 Bern. (etwas anders die ‘Ilias Parva’ Frg. 16 II Bern. = Paus. 10,27,2); dann beispielsweise Pi. Frg. 52f,113 - 115 M.; E. Hec. 21 24; E. Tro. 16 f. und 481 - 483; Apollod. Epit. 5,21 und Verg. Aen. 2,526 - 558. ‘Ilias Parva’ Frg. 21,3 - 5 Bern.; Paus. 10,25,9 (zur alternativen Version der Tötung des Kindes durch Odysseus cf. die obige Diskussion). Hyperbole ist somit auch Lyc. Alex. 52 f. (leuvssw se, tlh`mon [sc. die Stadt Troja], deuvteron puroumevnhn // tai`" t’ Aija keivo i" cersiv). Hom. Il. 9,252 - 259 und 11,765 - 790.

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bung des Odysseus so besteht aber auch für die Gewinnung des Achilleus eine zweite weitaus häufigere Version, die diesen konventionell-epischen Rahmen sprengt und von einem Versteck des Helden auf Skyros zu berichten weiß. Dort soll Achilleus nämlich in Mädchenkleidern verborgen gewesen sein, wurde aber dann von Odysseus überlistet und so gewissermaßen zur Teilnahme am Trojanischen Krieg gezwungen 38. Die jeweils nur knappe Schilderung der beiden Geschichten in ‘Ilias’ und ‘Odyssee’ im Vergleich mit den erheblich farbigeren und detailreicheren Alternativversionen bzw. die weitaus größere Verbreitung der Alternativversionen, die im Kyklos und in der Tragödie dominieren, deutet darauf hin, dass die beiden rationaleren Erzählungen erst von den Dichtern der homerischen Epen so erfunden wurden mit dem Zweck, die beiden Abholgeschichten ins Episch-Würdevolle zu heben39. Namentlich Achilleus ist damit vom Makel einer unfreiwilligen Kriegsteilnahme befreit. Doch zeigt gerade der Umstand, dass der Iliasdichter sich zu einer solchen Mythenbeugung genötigt fühlte, dass das Motiv des Widerstands organisch zu diesen Geschichten gehört. Denn die Geschichten von der Eroberung einer fremden Stadt leben, wie oben gezeigt, ganz wesentlich von ihrem Crescendo, also von einer langen Hinauszögerung der schließlichen Eroberung und von einer Vielzahl von Hindernissen auf dem Weg dahin. Die Herbeiholung eines außergewöhnlichen Helden gegen den Widerstand seiner Familie oder seiner selbst ist somit ein äußerst brauchbares Motiv für die Erzeugung des gewünschten Crescendo, und man müsste, wie oben vermerkt, von einem unökonomischen und stumpfen Motiv sprechen, wenn dem Helden dann nicht auch eine entscheidende Rolle bei der Einnahme der Stadt zukäme40. Ebenso wenig Zufall ist es somit, dass es für Achilleus genauso wie für Philoktetes und Neoptolemos eine starke, bereits frühgriechische Tradition gibt, dass ohne ihn Troja nicht erobert werden könne41. Solche Orakelsprüche sind vielmehr natürlicher Bestandteil des nun zur genüge etablierten Musters. Die Frage ist aber, welcher besondere Beitrag des Achilleus zur Eroberung Trojas mit dem Motiv des Orakelspruchs und mit der Geschichte von der Abholung in Skyros vorbereitet wird. C. Robert und D. Fehling dachten an die Tötung Hektors, die im 22. Buch der ‘Ilias’ erzählt wird42. Doch ist umstritten, wie tra38

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‘Kyprien’ Frg. 19 I Bern. (= B Scholien zu Hom. Il. 19,326, IV p. 223,1 - 9 Dind.); E. ‘Skyrioi’ TrGF 5 F 681a - 686; Apollod. Bibl. 3,13,8; Philostr. Jun. Im. 1a; Ov. met. 13,162 - 180; Stat. Ach. 1,198 - 282; Hyg. fab. 96. So richtig bereits Fehling 1991, 20 f. (generell zum Mentalitätsunterschied zwischen den homerischen und den phantastischeren Kyklischen Epen cf. Griffin 1977). Dies im Kern richtig erfasst von Fehling 1991, 13 f. ‘Kyprien’ Frg. 19 I Bern. (= B Scholien zu Hom. Il. 19,326, IV p. 223,1 - 3 Dind.: crhsmou` de; doqevnto" mh; aJlwvsesqai th;n “Ilion cwri;" Acillevw" ...); Hypothesis zu E. ‘Skyrioi’ TrGF 5 F 681a - 686, Test. IIa (Zeile 22 - 25: oiJ de; peri; t[o;n Agamev-] / mnon[a] crhsmw`n aujtou;" k[eleuovn-] / twn c[wr]i;" Acillevw" mh; p[oiei`sqai] / th;n st[ra]teiv[a]n ...); Apollod. Bibl. 3,13,8 (wJ" de; ejgevneto ejnnaeth;" Acilleuv", Kavlcanto" levgonto" ouj duvnasqai cwri;" aujtou` Troiva n aiJr eqh`nai); Ov. met. 13,168 f. Robert 1921 - 1926, 1107 Anm. 5; Fehling 1991, 12 f.

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ditionell die Figur Hektors in der Troja-Sage war43, und selbst wenn Hektors Rolle als Stadtverteidiger und ältester Sohn des Priamos bzw. seine Bezwingung durch Achilleus in der Troja-Sage fest verankert waren, so treten doch nach seiner Tötung noch so bedeutende Gegner wie Penthesileia und Memnon auf den Plan. Es ist daher unwahrscheinlich, dass mit dem grundlegenden Motiv des Orakels bzw. der Abholung gegen Widerstände lediglich die Tötung eines einzelnen Gegners geraume Zeit vor Kriegsende vorbereitet war. Wenn also das Orakel wirklich auf die Tötung Hektors abzielte, so müssen diese Motive in einer sehr alten Tradition stehen, in der unmittelbar auf Hektors Tötung die Eroberung der Stadt folgte. Jedenfalls zeigt die Analogie mit den Abholgeschichten von Philoktetes, Odysseus und Neoptolemos, dass auch Achilleus – in einer frühen Phase der Sage – beim Einmarsch in Troja beteiligt war und wahrscheinlich sogar den entscheidenden Beitrag leistete zur Eroberung der Stadt. In der erhaltenen Sage ist dies gerade nicht mehr der Fall, und die Aufgabe des Mythenforschers muss es somit sein abzuklären, wie es zu dieser ganz grundsätzlichen Veränderung des Troja-Mythos kam. 4.2.2 Das Motiv der Abholung in nicht auf Troja bezogenen griechischen Sagen Bevor wir uns aber der Frage nach der Veränderung in der Heldenrolle des Achilleus zuwenden können, müssen wir noch weitere griechische Beispiele von Abholgeschichten besprechen. Es handelt sich zunächst um den Kampf der Götter mit den Titanen in Hesiods ‘Theogonie’. Dieser findet seine Entscheidung damit, dass Zeus die drei Giganten Briareos (auch: Obriareos), Kottos und Gyges, die er selbst in die Unterwelt verbannt hatte, wieder als Helfer herbeiholt44. Der Kampf mit den Titanen hatte nämlich bereits zehn ganze Jahre gedauert, ohne dass eine der beiden Seiten sich im großen Ringen entscheidend hatte durchsetzen können45. Daher hatte Gaia, die älteste Göttermutter, dazu geraten, die drei Riesen mit ihren je hundert Armen und fünfzig Köpfen herbeizuholen, weil anders der Sieg nicht zu gewinnen sei46. Zeus hört auf diesen Rat, lässt die Giganten kommen und bittet sie um ihre Hilfe, die diese aus Dankbarkeit für die Befreiung gerne versprechen 47. In der nun folgenden großen Entscheidungsschlacht48 geben zuletzt die drei Giganten mit ihren Felsgeschos-

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Zur Diskussion der Frage cf. Burgess 2001, 64 f. Hes. Th. 617 - 628. Hes. Th. 629 - 638 (V. 635 - 638: oi{ rJa tovt’ ajllhvloisi mavchn qumalgev’ e[conte" // sunecevw" mavr nanto devka pleivo u" ejniautouv", // oujd ev ti" h\n e[rido" caleph`" luvsi" oujde; teleuth; // oujdetevroi", i\son de; tevlo" tevtato ptolevmoio). Hes. Th. 624 - 628 (V. 627 f.: aujth; gavr sfin [sc. den Olympischen Göttern) a{panta dihnekevw" katevl exe, // su;n keivnoi" [sc. den drei Giganten] nivkhn te kai; ajglao;n eu\co" ajrevsqai). Hes. Th. 639 - 666. Hes. Th. 666 - 712.

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sen den Ausschlag 49. Die unter die Erde verbannten Titanen werden fortan von den drei Riesen bewacht50. In dieser Geschichte ist einiges etwas ungereimt. So wechseln die drei Giganten ständig zwischen der Oberwelt und der Unterwelt hin und her. Bereits Uranos hatte nämlich sämtliche Kinder von ihm und Gaia, zu denen die drei Riesen zählen, in die Unterwelt verbannt51; Zeus hatte nach seiner Machtübernahme alle Brüder seines Vaters Kronos, also wohl auch die drei Riesen, befreit52, die Riesen danach aber, wie erwähnt, wieder verbannt53; nach ihrer Herbeiholung schickt er sie zuletzt wieder in die Unterwelt, wo sie dann immerhin die ehrenvolle Funktion von Gefängniswächtern der Titanen bekleiden. Merkwürdig bleibt dabei aber trotzdem die Dankbarkeit und Hilfsbereitschaft der Riesen gegenüber Zeus bei ihrer zwischenzeitlichen Herholung in die Oberwelt54, denn es war ja eben Zeus gewesen, der zuvor ihren Frevelmut mit der Verbannung bestraft hatte. Ebenso merkwürdig ist das Verhalten der Gaia, die in einer früheren Phase der Weltentstehung das Geschlecht der Titanen gegen ihren Mann Uranos zum Kampf angestiftet hatte55, nun aber ganz auf Seiten der Olympier gegen das Geschlecht der Titanen, also ihre eigenen Kinder, zu stehen scheint56. Schließlich ist es auch noch etwas befremdlich, dass Zeus nach der Überlistung seines Vaters mit dem verschluckten Stein zwar sofort die Macht übernehmen kann 57, dann aber doch noch in einen zehnjährigen Krieg mit den Titanen hineingezogen wird. Verschiedene dieser merkwürdigen Erzählelemente finden eine Parallele im zweiten großen Kampf der Götter, in dem gegen die Giganten beim nordgriechischen Phlegra. Auch dieser Kampf scheint lange unentschieden zu bleiben, bis die Götter schließlich durch ein Orakel erfahren, dass nur ein Sterblicher die Giganten bezwingen könne (Apollod. Bibl. 1,6,1: toi`" de; qeoi`" lovgion h\n uJpo; qew`n me;n mhdevna tw`n Gigavntwn ajpolevsqai duvnasqai, summacou`nto" de; qnhtou` tino" teleuthvsein). Zeus lässt daher Herakles durch Athene herbeiholen (Zeuv" ... ÔHrakleva de; suvmmacon di’ Aqhna`" ejpekalevsato), und mit Herakles’ Hilfe gelingt es dann sehr bald, die Giganten zu besiegen. Wie alt diese Mythenvariante ist, lässt sich schlecht sagen, weil die Teilnahme des Herakles am

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Hes. Th. 713 - 721. Hes. Th. 722 - 735. Hes. Th. 147 - 160. Hes. Th. 501 - 506. Hes. Th. 617 - 620. Cf. die Rede des Kottos in Hes. Th. 655 - 663. Hes. Th. 161 - 210. Allerdings scheint Gaia immer einfach Partei zu nehmen für das jüngere Geschlecht in seiner Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Vorgängergeschlecht, weswegen sie auch ihrer Tochter Rhea gegen Kronos beisteht, als dieser seine Kinder verzehrt (Hes. Th. 468 - 480). Hes. Th. 501 - 506 (V. 506: toi`" [sc. seinen Waffen Blitz und Donner] pivsuno" qnhtoi`si kai; ajqanavtoisin ajnavssei).

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Kampf mit den Giganten zwar schon früh belegt ist58, das Motiv seiner gesonderten Herbeiholung aber erst bei Apollodoros begegnet. Immerhin gibt es dafür aber eine Parallele in den Pindar-Scholien, wo neben Herakles auch noch Dionysos als zweiter Halbgott entscheidend in den Kampf eingreift59. Wieder erfahren die Götter aber erst durch eine Weissagung, dass sie die Hilfe von nicht-göttlichen bzw. halbgöttlichen Wesen benötigen, und dieses Mal kommt die Weissagung von Gaia selbst60. Wie im Mythos vom Titanenkampf ist es also Gaia, die zuletzt den entscheidenden Hinweis gibt, und wieder sind ihre eigenen Kinder (die Titanen, die Giganten) die Leidtragenden. Diese verschiedenen Ungereimtheiten sprechen deutlich dafür, dass die soeben besprochenen Motive aus epischen Zusammenhängen über Kämpfe unter Menschen auf die großen Götterschlachten übertragen sind. Möglicherweise stand hier sogar die Troja-Sage selbst Pate, worauf vor allem das Motiv des Orakels bzw. der Befragung von Gaia hindeutet, was mit den verschiedenen Orakeln und Sehersprüchen über die zwingend erforderliche Kriegsteilnahme von Achilleus, Philoktetes und Neoptolemos zusammenstimmt. Entsprechend ist die Wirkung der herbeigeholten Helden, also der Riesen im Titanenkampf und des Herakles im Gigantenkampf jeweils durchschlagend. Im Unterschied zur Troja-Sage ist es aber in den Götterschlachten jeweils nur ein Helfer bzw. ein Helferkollektiv 61, das die Entscheidung herbeiführt. Wir haben es also jeweils mit einem sehr viel einfacheren Muster zu tun als in der Troja-Sage, in der immer wieder neue Helfer angefordert werden. Wie noch im Detail zu zeigen sein wird, fand diese Vereinigung der Helfermuster in der Troja-Sage schon geraume Zeit vor der Entstehung der ‘Ilias’ statt62. Umso bemerkenswerter ist es somit, dass das einfache Muster noch Hesiod und den vielleicht sogar nachhesiodeischen sonstigen epischen Dichtern der Götterkämpfe bekannt war. Ein weiterer bemerkenswerter Punkt ist schließlich das Motiv der zehn vergeblichen Kriegsjahre in der Auseinandersetzung mit den Titanen. Denn diese Zahl entspricht natürlich genau den zehn Jahren der vergeblichen Belagerung Trojas. Die Zahl ist also ebenfalls der traditionellen Troja-Sage entnommen oder sie geht zurück auf einen allgemeinen Topos des langjährigen unentschiedenen Kriegs, ist also

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Beispielsweise Hes. Th. 954, Hes. Frg. 43a,65 M.-W., Pi. N. 1,67 - 69; S. Tr. 1058 f. und E. HF 177 - 180 und 1272. Eine Spur dieser Mythenvariante scheint auch in D.S. 4,15,1 vorzuliegen. Scholien zu Pi. N. 1,67, III p. 26,23 - 27,4 Drachm. (fasi;n eijrhkevnai th;n Gh`n mh; a[llw" aJlw`nai touvtou" [sc. tou;" Givganta"], eij mh; summachvseian aujtoi`" [sc. toi`" qeoi`"] duvo tw`n hJmiqevwn: ÔHraklevo u" toivnun kai; Dionuvsou sunelqovntwn ejkravthsan oiJ qeoi; tw`n Gigavntwn). Die drei Riesen im Titanenkampf können ohne weiteres als einheitliches Helferkollektiv, gewissermaßen als eine Person, angesehen werden, weil sie zusammen abgeholt werden und zusammen in den Kampf eintreten. Ähnliches gilt für die gemeinsame Hilfeleistung des Herakles und des Dionysos im Gigantenkampf. Cf. unten Kap. 5.2.

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so oder so ein Indiz dafür, dass für den Trojanischen Krieg schon lange die Zahl von zehn Jahren feststand63. Dass es sich aber sowohl in den Götterkämpfen wie im Streit um Troja im Kern um ausgesprochene Helfergeschichten handelt, wird besonders deutlich im Vergleich mit bestimmten panhellenischen Mythen, die nicht diesem Muster zugehörig sind, nämlich dem Argonautenzug und der Sage von der Kalydonischen Jagd. Diese Aussage mag zunächst widersinnig erscheinen, weil sowohl der Zug nach Kolchis wie die Jagd auf den kalydonischen Eber auf der Versammlung einer Vielzahl mythischer Helden beruhen und eben aus diesem Grund als panhellenische Mythen gelten können64. Doch die entscheidenden Taten, also die Erbeutung des goldenen Vlieses bzw. die Erlegung des kalydonischen Ebers, bleiben jeweils dem Helden vorbehalten, der die anderen Helden erst um sich geschart hatte, also Jason bzw. Meleagros. Entsprechend besteht in diesen Mythen immer die Tendenz, andere überragende Helden, die dem Ruhm des jeweiligen lokalen Helden hätten gefährlich werden können, aus der Handlung auszuschalten. In der schlichter gebauten Sage von der Kalydonischen Jagd bedeutet das einfach, dass die Abwesenheit des Herakles gelegentlich mit seiner Dienstverpflichtung bei Königin Omphale von Lydien begründet wird65. In der komplexeren Sage vom Zug der Argonauten nach Kolchis dagegen war beispielsweise die Teilnahme des Theseus in der früheren Tradition noch festgehalten 66; im hellenistischen Epos wurde seine Teilnahme dann aber bestritten mit dem Hinweis auf seine Gefangenhaltung in der Unterwelt67. Herakles erscheint im Unterschied zu Theseus regelmäßig unter den Argonauten; doch wird auch er in fast allen Berichten wieder vorzeitig aus der Handlung genommen. Die Begründungen für sein Ausscheiden sind dann unterschiedlich und nehmen unter anderem die Form an, dass Herakles schon in Thessalien zurückgelassen wurde, wo er Wasser holen gegangen war68, dass die Argo sich über sein Gewicht beklagt hatte69, und vor allem dass Herakles nach dem verschwundenen Hylas suchte70. Nicht zu verkennen ist damit auf jeden Fall der Unterschied zur klassischen Ausformung der Troja-Sage, wo Agamemnon und 63

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Die Parallele im Kampf mit den Titanen ist also ein weiteres Argument gegen die These von Jones 1995 (cf. oben Kap. 3.3 Anm. 92), dass die Troja-Sage bis in hochepische Zeit nur den Zeitraum eines Jahres umfasst habe. Die Argonautensage wurde daher von Meuli 1921, 1 - 24 geradezu als Helfermärchen definiert (für eine Einordnung dieser These cf. zuletzt Davies 2002, 8 - 10). Apollod. Bibl. 2,6,3. Apollod. Bibl. 1,9,16 (Qhseu;" Aijgevw" Aegius: Aijgeu;" Qhsevw" codd.; wahrscheinlich nach Pherekydes von Athen, also mindestens auf das 5. Jh. zurückgehend). A.R. 1,101 - 104. Hes. Frg. 263 M.-W.; Pherekydes von Athen FGrHist 3 F 111b; Hdt. 7,193,2. Pherekydes von Athen FGrHist 3 F 111a; Antimachos von Kolophon Frg. 69 Matthews. Kinaithon Frg. 6 Bern.; A.R. 1,1153 - 1357; Theoc. 13; Val. Fl. 3,481 - 740 (weitere Belege für die genannten Varianten und Hinweise auf andere Versionen bei Grossardt 2001, 253 f.).

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Menelaos gerade für die entscheidenden Taten auf andere Helden angewiesen bleiben. Ein Sonderfall ist schließlich die Geschichte des Argivers Amphiaraos, der als einer der Sieben am Zug gegen Theben teilnahm. Amphiaraos war seherisch begabt und wusste, dass der Feldzug scheitern würde und den Tod aller Beteiligten mit Ausnahme seines Schwagers Adrastos nach sich ziehen würde. Daher wollte er sich dem Kampf entziehen. Doch Adrastos und der ins Exil verbannte Thebaner Polyneikes bestachen Amphiaraos’ Frau Eriphyle mit einem goldenen Halsband und erzwangen so die Teilnahme des Helden71. Amphiaraos’ größte Tat im Kampf war die Tötung des Thebaners Melanippos; als er darauf zur Flucht gezwungen war, rettete ihn Zeus vor seinen Feinden, indem er mit seinem Blitz eine Erdspalte öffnete, in der Amphiaraos versank. An der Stelle seines Todes bei Theben befand sich fortan ein Kultzentrum, und ein weiteres bedeutendes Heiligtum, das berühmt war für sein Traumorakel, bestand in Oropos an der Grenze zwischen Böotien und Attika72. Amphiaraos teilt also mit Achilleus sein Wissen über den unglücklichen Ausgang zumindest der eigenen Kampfteilnahme und dementsprechend seine Abneigung gegen die Beteiligung am Krieg. Dass Amphiaraos somit nicht als Sieger aus Theben heimkehrt, sollte dennoch nicht als Argument dafür gewertet werden, dass auch Achilleus in der Troja-Sage immer schon vorzeitig ums Leben kam. Denn der Zug der Sieben gegen Theben endet ja überhaupt mit einer Niederlage, während der Sieg der Griechen über Troja sicher immer eine Konstante der Erzählung war. Das Motiv, dass Amphiaraos nicht am Kampf teilnehmen wollte, sollte daher vielleicht einfach von Anfang an den tragischen Charakter des Unternehmens andeuten, der in der Gestalt des Amphiaraos gewissermaßen seine personifizierte Form fand73. Das generelle Muster, dass Helden, die nur unter Schwierigkeiten für den Kampf gewonnen werden können, dann auch eine entscheidende Rolle in der Schlacht spielen sollten, ist damit also nicht in Frage gestellt.

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Cf. die im wesentlichen gleichlautenden Darstellungen von Homer (Od. 11,326 f. und 15,244 - 247), Sophokles (El. 837 f.), Asklepiades von Tragilos (FGrHist 12 F 29), Diodor (4,65,5 - 6), Apollodoros (Bibl. 3,6,2), Hygin (fab. 73) und Servius (Aen. 6,445, II p. 68,17 - 69,6 Thilo-Hagen). Zum Tod des Amphiaraos bei Theben cf. beispielsweise Pi. O. 6,12 - 14; Pi. N. 9,24 27; E. Supp. 500 f. und 925 - 927; Apollod. Bibl. 3,6,8 und Paus. 2,23,2; zu den mantischen Fähigkeiten des Amphiaraos und zu seinem Traumorakel cf. vor allem Pi. P. 8,39 - 56; A. Th. 587 f.; Hdt. 1,46 - 52 und Paus. 1,34. Jedenfalls steht die seherische Qualität, die Amphiaraos schon zu Lebzeiten vorweisen konnte, in engster Verbindung zu seiner späteren Eigenschaft als Erteiler von Orakeln, da er nicht nur in Oropos als Heros und Gott verehrt wurde, sondern auch sonst in der Peloponnes und in Mittelgriechenland eine Reihe von Heiligtümern und Orakelstätten sein eigen nannte (cf. die Übersicht bei Robert 1921 - 1926, 918 - 921 und die detaillierte Besprechung bei Sineux 2007).

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Die Parallelen zwischen Achilleus und Neoptolemos

Eine wichtige Frage für die Entstehung der Troja-Sage ist, wie oben in Kap. 4.1 angedeutet, die nach dem frühen Tod des Achilleus und nach seinem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Trojanischen Krieg. Noch keine Erklärung dieses Phänomens, aber Teil seiner Beschreibung ist der Hinweis auf die zahlreichen Parallelen zwischen Achilleus und seinem Sohn Neoptolemos. Es sind dies im wesentlichen die folgenden 74: a) Die immer wieder betonte Ähnlichkeit von Vater und Sohn75: Diese entspricht zwar einem real zu beobachtenden Phänomen bzw. epischer Konvention76, wird aber doch so oft erwähnt, dass hier mehr also nur eine Alltagsbeobachtung über die Ähnlichkeit zwischen Eltern und Kindern vorliegen dürfte. b) Die besondere Jugendlichkeit der beiden Helden während ihrer Zeit vor Troja: Diese findet ihren Ausdruck unter anderem in der Erklärung des Namens von Neoptolemos, der in unseren Quellen entweder auf Neoptolemos’ eigene Jugendlichkeit bei seinem Eintreffen im Kriegslager zurückgeführt wird77 oder auf die Jugendlichkeit seines Vaters in derselben Situation78. c) Das Orakel von der notwendigen Präsenz des jeweiligen Helden für die Eroberung der Stadt: Wie wir oben gesehen haben, war das Motiv wahrscheinlich schon im Epischen Kyklos mit beiden Helden verbunden und gehörte sowieso zur Struktur solcher Geschichten. Die Frage, ob das Motiv zuerst auf den Vater oder auf den Sohn appliziert wurde, ist daher im Grunde müßig79. d) Die Herbeiholung von Skyros: Wie wir oben gesehen haben, sind die strukturellen Merkmale der beiden Geschichten wieder völlig dieselben. Allerdings ist die Tradition hier für Achilleus sehr viel farbiger und detailreicher als für

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Weitere, in unserem Zusammenhang aber etwas weniger aussagekräftige Parallelen bei Fontenrose 1960, 207 - 209 und Anderson 1997, 38 - 48. TrGF 2 F 363 (ouj pai`" Acillevw", ajll’ ejkei`no" aujto;" ei\ [vielleicht aus dem ‘Philoktetes in Troja’ oder den ‘Skyrioi’ des Sophokles]); S. Ph. 357 f. (ojmnuvnte" [sc. die Griechen vor Troja] blevp ein // to;n oujkevt ’ o[nta zw`nt’ Acilleva pavlin); Philostr. Her. 52,2; Philostr. Jun. Im. 1b,3 und 10,1; Q.S. 7,176 f. und 7,445 f. Cf. die Feststellung der großen Ähnlichkeit zwischen Odysseus und Telemachos durch Helena und Menelaos (Hom. Od. 4,137 - 154). ‘Kyprien’ Frg. 19 I Bern. (= B Scholien zu Hom. Il. 19,326, IV p. 223,10 - 12 Dind.: Puvrron to;n u{steron Neoptovlemon klhqevnta, o{sti" toi`" ”Ellhsi nevo " w]n sunestrateuvsato meta; qavnaton tou` patrov"); ‘Kyprien’ Frg. 21 III Bern. (= Serv. Aen. 2,13, I p. 215,10 - 11 Thilo-Hagen). ‘Kyprien’ Frg. 21 I Bern. (= Paus. 10,26,4: o{ti Acilleu;" hJlikiva/ e[ti nevo" polemei`n h[rxato); Aa und T Scholien zu Hom. Il. 19,326, IV p. 635,55 - 56 Erbse; b Scholien zu Hom. Il. 19,326, IV p. 636,65 - 66 Erbse; Philostr. Her. 46,4. Fragwürdig daher die Position von Oka 1990, 20 Anm. 13, der im Orakel über Achilleus eine bloße Dublette zum Orakel über Neoptolemos sieht.

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Neoptolemos und hatte offenbar soviel Eigendynamik, dass der Iliasdichter sich zu einer Transformation der Erzählung ins Episch-Rationale genötigt sah. e) Der Kampf in den Waffen des Achilleus: Nach der epischen Standardversion erhält Neoptolemos nach seinem Eintreffen im Griechenlager von Odysseus die Waffen seines Vaters80. Wer sich den erbitterten Streit zwischen Aias und Odysseus um diese Waffen in Erinnerung ruft, aber auch die enorme Aufwertung, die Patroklos durch das Anlegen der ersten Waffengarnitur des Achilleus erfährt81, wird darin kein Motiv von sekundärer Bedeutung erblicken, sondern eine weitere wichtige Parallele zwischen Achilleus und seinem Sohn. Diese Parallelen zeigen, dass Neoptolemos eine Art von ‘Doppelgänger’ seines Vaters ist, dass er in gewisser Weise als ‘zweiter Achilleus’ zu sehen ist. Ein Punkt, bei dem es sich noch einen Moment zu verweilen lohnt, ist das Alter des Achilleus. Denn Achilleus oszilliert in merkwürdiger Weise zwischen dem Status eines gereiften Königs und dem eines jugendlichen Helden82. Wenn wir die antiken Theoretiker zu Worte kommen lassen, so war Achilleus bei der ersten Überfahrt der Griechen nach Kleinasien fünfzehn Jahre alt83. Da der Überfall auf Mysien im zweiten Jahr nach der Entführung Helenas stattfand und danach acht Jahre bis zur zweiten Sammlung in Aulis vergingen84, war Achilleus also beim Überfall auf Troja 24 Jahre alt und im zehnten Kriegsjahr, zur Zeit seines Todes, 34 Jahre. Sein Sohn Neoptolemos, der noch auf Skyros gezeugt worden war und im zehnten Kriegsjahr nach Troja gelangte, war damals somit etwa achtzehn Jahre alt. All dies ist also noch knapp im Rahmen der biologischen Möglichkeiten, aber nur wenn man von zwei Sammlungen in Aulis und von einer dazwischenliegenden Zeit von neun oder zehn Jahren ausgeht, wovon der Iliasdichter aber mit Ausnahme einer kurzen Andeutung (Il. 24,765 f.) keine Kenntnis zeigt85. Hinzu kommt die erwähnte Schwierigkeit in der Einstufung des Achilleus. Denn Achilleus erscheint immer wieder als der ungestüme jugendliche Held, der

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‘Ilias Parva’ bzw. Procl. Chr. p. 74,11 Bern.; Apollod. Epit. 5,11. Hom. Il. 16,130 - 144 und 16,278 - 283. Diese merkwürdige Uneindeutigkeit in der Einstufung seines Alters hat Achilleus mit Coriolan gemeinsam, der ebenso wie Achilleus als jugendlicher Heißsporn erscheint, gleichzeitig aber schon respektierter Politiker und Armeechef ist (oben Kap. 2.1.3). Apollod. Epit. 3,16; mit dieser Betonung der besonderen Jugendlichkeit des Achilleus stimmt überein, dass Achilleus bei der Werbung um die Hand der Helena in Sparta aus Altersgründen nicht beteiligt war (Hes. Frg. 204,87 - 92 M.-W.; Apollod. Bibl. 3,10,8). Apollod. Epit. 3,18. Zur Unterdrückung des Überfalls auf Mysien durch Homer und zum Alter des Neoptolemos bei seinem Kriegseintritt cf. Kullmann 2005, 26 f.

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einer väterlichen oder freundschaftlichen Anleitung dringend bedarf86. Entsprechend hat der Streit des Achilleus mit Agamemnon durchaus die Züge eines Generationenkonflikts zwischen dem rebellierenden ‘Sohn’ oder ‘angry young man’ und dem Vertreter der dominierenden Generation im mittleren Lebensalter 87. Dies alles mag man vielleicht als moderne Projektion abtun oder auf die besonderen Verhältnisse in der ‘Ilias’ zurückführen, in der, wie gesagt, die zehnjährige Vorbereitungszeit auf den Feldzug nach Troja weitgehend ignoriert ist. Ein sehr deutliches allgemeines Indiz für die Jugendlichkeit des Achilleus ist aber seine Schnellfüßigkeit. Diese findet ihren Ausdruck in der ‘Ilias’ in den Formeln povda" wjkuv" 88, povda" tacuv"89 und tacevessi povdessi90, die dort ganz für Achilleus reserviert sind oder ihm zumindest prominent gewidmet sind91. Achilleus’ Schnelligkeit ist aber auch Thema in nicht-iliadischen epischen Motiven wie der Verfolgung des Troilos und muss daher schon in der vorhomerischen Troja-Sage ein traditionelles Charakteristikum des Helden gewesen sein 92. Dass solche Schnellfüßigkeit ein hervorstechendes Merkmal gerade der jüngsten Krieger war, sagt die ‘Ilias’ verschiedentlich 93, und dass sie damit einen Generationenunterschied markiert zu reiferen Helden wie Odysseus, wird dann insbesondere in der ‘Odyssee’ zu einem eigentlichen Leitmotiv94. Alles deutet somit darauf hin, dass Achilleus in der Stufung der Generationen der Schicht der jugendlichen Krieger angehört, also der genau gleichen Schicht wie sein Sohn. Neoptolemos ist damit, wie gesagt, ein Doppelgänger seines Vaters, oder anders formuliert: im langen Verlaufe der Entwicklung der Troja-Sage wurde irgendwann die eine Person des Achilleus in zwei Personen aufgespalten, in die des Vaters und in die seines beinahe mit ihm identischen Sohnes95. Warum es zu einer solchen Doppelung kam, ist nach allem, was oben über die Rolle des Achilleus in der Troja-Sage gesagt wurde, relativ leicht zu 86

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Nach Hom. Il. 9,438 - 443 hatte Peleus den Phoinix als väterlichen Betreuer des Achilleus nach Troja geschickt; nach Hom. Il. 11,785 - 789 hatte auch Patroklos als älterer Freund die Aufgabe, auf Achilleus zu schauen. Cf. beispielsweise Rosner 1976, 318 und Wöhrle 1999, 54 - 61. In der ‘Ilias’ ausschließlich für Achilleus verwendet mit rund dreißig Beispielen (1,58; 1,84; 1,148 usw.). In der ‘Ilias’ auch für Meriones, Aineias und Antilochos verwendet, aber am häufigsten für Achilleus (13,348; 17,709; 18,354; 18,358). In der ‘Ilias’ ausschließlich für Achilleus verwendet (20,189; 21,564), in der ‘Odyssee’ einmal für den Kreter Orsilochos (13,261). Zum Thema der Schnellfüßigkeit des Achilleus in der ‘Ilias’ cf. insbesondere die Arbeit von Dunkle 1996/1997. So Hölscher 1989, 30 f. in Anlehnung an die ‘Kyprien’ Frg. 41 I Bern. bzw. Artefakte wie LIMC Achilleus Nr. 287 und 288 (weniger zwingend die Deutung von Achilleus’ Schnellfüßigkeit als Relikt alter Märchenstrukturen durch Davies 2002, 13 f.). Hom. Il. 15,569 - 571 (Antilochos), 16,808 - 811 (der noch den Krieg lernende Euphorbos) und 20,407 - 410 (Polydoros, der jüngste Sohn des Priamos). Cf. Grossardt 1998, 54 - 59 und 405 - 407. Dies schon die Schlussfolgerung von Fontenrose 1960, 209 und Baudy 1998, 46 f.

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sehen. Achilleus ist vom Kern seines Wesens her ein Stadteroberer, konnte diese Rolle aber – von einem bestimmten Punkt in der Entwicklung der Troja-Sage an – nicht mehr erfüllen. Daher wurde die Person seines Sohnes neu in die Sage eingeführt, der nun in der Schlussphase des Trojanischen Kriegs die Rolle des jugendlichen Helden und Stadteroberers zu spielen hatte. Mit anderen Worten, die mythologische Figur des Neoptolemos und die Sage von seiner Teilnahme am Trojanischen Krieg hätten sich gar nie herausbilden können, wenn nicht Achilleus zunächst Stadteroberer, in einer späteren Phase der Sagenentwicklung aber tragisch sterbender Held gewesen wäre. Die nun schon mehrfach aufgeworfene Frage ist also, wie es zu dieser Mythenform des vorzeitigen Todes von Achilleus kommen konnte. 4.4

Der Tod des Achilleus vor Troja

Der Tod des Achilleus beim Angriff auf das Skaische Tor gehört zu den Sagenmotiven, die sowohl durch die direkte Darstellung im Epischen Kyklos96 wie durch Vorverweise auf zukünftige Handlung in der ‘Ilias’97 verbürgt sind. Vollstrecker des Todes ist dabei immer Apollon oder der Gott im Verein mit Paris. Diese identische Behandlung des Motivs durch die beiden Hauptzeugen für den frühgriechischen Mythos zeigt deutlich, dass es sich um ein fest eingewurzeltes, altes episches Motiv handelte. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass Achilleus immer wieder Prophezeiungen über seinen frühen Tod von der Hand des Apollon erhält. So erreichen Achilleus und seine Eltern schon während seiner Kindheit allgemeine Prophezeiungen über einen frühen Tod vor den Toren Trojas98. Konkreter ist dann die Warnung, die Achilleus bei seinem Auszug nach Troja von seiner Mutter Thetis erhält, nämlich die, Tenes, den eponymen Helden von Tenedos, nicht zu töten, weil er sonst selber durch Apollon getötet werde99. Aktualisierung dieses sagenprägenden Motivs sind dann weitere Warnungen der Thetis, mit denen sie ihren Sohn auffordert, tödliche Kämpfe mit Hektor und Memnon zu vermeiden, weil dies wieder den Zorn der Götter nach sich ziehen werde100. Achilleus kann als Held solchen Warnungen natürlich kein Gehör schenken, womit sein Schicksal besiegelt ist. Warum es gerade Apollon ist, mit dem Achilleus in die tödliche Auseinandersetzung gerät, lässt sich relativ leicht erklären. Achilleus konnte als größter 96 97 98

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‘Aithiopis’ bzw. Procl. Chr. p. 69,15 - 16 Bern.; Apollod. Epit. 5,3. Hom. Il. 19,416 f.; 21,277 f. und 22,358 - 360. ‘Kyprien’ Frg. 19 I Bern. (= B Scholien zu Hom. Il. 19,326, IV p. 222,31 - 32 Dind.: Phleu;" de; proginwvskwn o{ti moirivdion h\n ejn Troiva/ qanei`n Acilleva); Hypothesis zu E. ‘Skyrioi’ TrGF 5 F 681a - 686, Test. IIa (Zeile 12 - 13: Qevtido" tou` paido;" Acillevw[" th;n eiJmar-] / mevnhn ejp egnwkuiva"); Philostr. Jun. Im. 1a,2; Ov. met. 13,162 - 164; Hyg. fab. 96,1. Apollod. Epit. 3,26 (Qevtido" proeipouvsh" Acillei` mh; ktei`nai Tevnhn: teqnhvxesqai ga;r uJpo; Apovllwno" aujtovn); Plu. Quaest. graecae 28, 297 e - f. Hom. Il. 18,96 (Hektor); ‘Aithiopis’ bzw. Procl. Chr. p. 68,12 Bern. (Memnon).

Achilleus

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griechischer Held natürlich nur einem Gott zum Opfer fallen, und Apollon war dafür besonders prädestiniert, weil er als jugendlicher Gott dem thessalischen Königssohn am stärksten glich und damit in der Person des Achilleus gleichsam sein menschliches Ebenbild tötete101. Apollon und Achilleus erfüllen damit das in der griechischen Mythologie immer wieder zu beobachtende Szenario des tödlichen Konflikts zwischen einem Gott und seinem menschlichen Stellvertreter 102. Schwierig zu beantworten bleibt aber nach wie vor die noch grundsätzlichere Frage, warum überhaupt es jemals zu einer solchen Sagenentwicklung kam, in der Achilleus nicht als Sieger aus Kleinasien heimkehrte, sondern sein Leben vor Troja ließ, denn damit unterscheidet sich Achilleus fundamental von solchen Parallelfiguren wie Marko Kraljevi, Rostam, Cuchulainn und El Cid, die alle siegreich von ihren Kriegszügen zurückkehren. Auf diese Frage gibt es wahrscheinlich keine einzig gültige Antwort. Ein Teil der Antwort liegt wohl in der allgemeinen griechischen kulturellen Entwicklung in nachmykenischer und geometrischer Zeit, die zum einen ein Menschen- und Heldenbild favorisierte, das den Werten der Jugendlichkeit und der individuellen Entfaltung hohen Stellenwert einräumte, zum anderen aber auch eine tragische Weltsicht herausbildete, die dann eben wieder die Problematik einer solchen Lebenshaltung aufzeigte und dies gerade am frühen Tod dieser Helden demonstrierte. Modellhelden ihrer Generation wie Aias von Salamis, Antilochos, Protesilaos oder Palamedes konnten den Krieg daher nicht überleben. Dies war nur älteren Helden wie Nestor, Idomeneus und Odysseus möglich oder Helden der nächsten Generation wie Neoptolemos. Dass auch Achilleus den Krieg nicht überlebt, ist daher zum Teil einfach durch seine Zugehörigkeit zu dieser Generation der jungen Krieger bedingt103. Eine spezifischer auf ihn selbst zugeschnittene Erklärung für den frühen Tod des Achilleus dürfte daneben in den angedeuteten religionsgeschichtlichen Bezügen liegen. Denn Achilleus war als thessalischer 101

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Grundlegend dazu Burkert 1975, 19 (“Ein entschieden jugendlicher Held mit langem Haupthaar, dem es nicht bestimmt ist, Gatte und Vater zu werden, den auf dem Höhepunkt der Jugend Apollons Pfeil trifft, ist Achilleus.” ... “Achilleus, fast ein Doppelgänger Apellons, steht zum Gott offenbar im gleichen Verhältnis wie Iphigenie zu Artemis ... der Heros als umdunkeltes Spiegelbild des Gottes in der unauflöslichen Polarität des Opfers. Darum muss Achilleus durch Apollon fallen ...”); danach zum Antagonismus zwischen Apollon und Achilleus auch Chirassi Colombo 1977, 236 240, Nagy 1979, 62 - 64 und 142 f. und Nieto Hernández 1997. Allgemein dazu Burkert 1977, 291 und 311. Der Gott und der durch ihn ums Leben gebrachte Heros sind dabei typischerweise vom selben Geschlecht; für einen Konflikt über die Geschlechtergrenzen hinweg cf. aber die tödliche Auseinandersetzung zwischen der Jagdgöttin Artemis und dem menschlich-heroischen Jäger Meleagros (Grossardt 2001, 261 - 269). Locus classicus für die Alternative zwischen Heldenruhm und frühem Tod auf der einen Seite und langem Leben und Ruhmlosigkeit auf der anderen Seite ist natürlich die Formulierung in Hom. Il. 9,410 - 416. Die kritische Replik darauf ist Hom. Od. 11,488 - 491.

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Achilleus

Landesfürst gleichzeitig auch Stammesheros der im 11. oder 10. Jh. in die Troas eingedrungenen äolischen Siedler104. Wahrscheinlich schon bald nach dieser Landnahme identifizierten die neuen Siedler den an der Westküste der Troas gelegenen Hügel Beik Tepe mit dem Grab des Achilleus105 und richteten hier ihr kultisches Zentrum ein, das damit zum Kristallisationspunkt einer neuen regionalen Identität wurde106. Wenn Achilleus also in der Troas begraben war, dann musste er auch dort gestorben sein. Somit konnte er auch nicht mehr als siegreicher Held aus Kleinasien nach Griechenland heimgekehrt sein. Dass aber neben diesen allgemeinen kulturellen Gründen und neben den religionsgeschichtlichen Ursachen auch noch sagenimmanente Gründe zur Herausbildung der Legende von Achilleus’ frühem Tod führten, soll das nächste Kapitel verdeutlichen.

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Zur Einwanderung der Äoler in die Troas cf. beispielsweise Gauer 2000, 9 - 12 und Hertel 2008, 187 - 193. Zur Identifikation des Grabhügels des Achilleus mit dem Beik Tepe cf. Cook 1973, 173 und 186 und Rose 2000, 65 f. (zur alternativen Identifizierung mit einem weiter nördlich gelegenen Hügel cf. Hertel 2003, 166 f.). Das Grabmal ist zuerst erwähnt bei Hom. Il. 23,125 f. und 23,245 - 248; bei Hom. Od. 24,80 - 84 und in der ‘Aithiopis’ bzw. bei Procl. Chr. p. 69,22 Bern. So die Folgerung von Högemann 2002, 1131 f.

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Die Troja-Sage als Vereinigung mehrerer Helfermuster

Das letzte Kapitel dürfte gezeigt haben, dass die Troja-Sage überdeterminiert ist, dass also eine Vielzahl von Bedingungen für die Eroberung der Stadt genannt ist1, und dass es mehrere Helden gibt, die eigens herbeigeholt werden und den Ehrentitel eines Eroberers der Stadt für sich in Anspruch nehmen können, den sie sich unter anderem dadurch verdienen, dass sie ein Mitglied des troischen Königshauses töten2. Dies widerspricht sicher dem ursprünglichen Sinn des Abholmotivs, denn ein überragender Held, der gegen Widerstände herbeigeholt werden muss, sollte dann auch die entscheidende Rolle bei der Einnahme der Stadt spielen können, ohne sich diesen Ruhm mit anderen teilen zu müssen3. Es wird im folgenden somit darum gehen müssen zu zeigen, wie diese verschiedenen Motive zusammenkamen und so gemeinsam das komplexe Gebilde der Troja-Sage ausformten. Einen völlig entgegengesetzten Ansatz verfolgte Detlev Fehling4, der in der Troja-Sage ein einheitliches Konzept erkannte, das nur von einem einzelnen Dichter so ausgedacht sein könne5, der im achten Jahrhundert gewirkt habe6. Die Grundidee dieses Dichters habe darin bestanden, mit der Person Hektors und mit dem Motiv der göttlichen Mauer zwei Hindernisse für die Eroberung der Stadt aufzustellen, die entsprechend nur durch zwei speziell herbeigeholte Helden, nämlich Achilleus und Odysseus (bzw. durch dessen List vom Trojanischen Pferd), überwunden werden konnten. Alle übrigen Motive seien im Prinzip sekundäre Erweiterung dieses Grundgerüsts. Wie bereits oben in Kap. 4.2 gezeigt wurde, ist hier Wesentliches richtig erfasst, so vor allem der Zusammenhang zwischen der Herbeiholung eines Helden und seiner schließlichen Funktion bei der Eroberung der Stadt. Doch verkennt Fehling die starke Spannung, die oft zwischen einzelnen Elementen der Troja-Sage besteht und damit die An1

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Die Bedingungen sind gesammelt bei Apollod. Epit. 5,8 und 5,10. Neben der unten erwähnten Herbeiholung von Achilleus, Philoktetes und Neoptolemos handelt es sich um die Herbeischaffung der Knochen des Pelops und um den Diebstahl des Palladions aus Troja. So Achilleus, der Hektor tötet, Neoptolemos, der Priamos ermordet (und, nach gewissen Versionen, Astyanax), Philoktetes, der Paris das Leben raubt, und Odysseus, der Astyanax grausam umbringt. Dazu kommt, wie wir unten sehen werden, die Tötung von Helenas drittem Gatten Deiphobos durch den verlassenen Ehemann Menelaos selbst. Cf. die oben in Kap. 4.2.2 besprochene Rolle der drei Giganten Briareos, Kottos und Gyges im Kampf zwischen den Olympischen Göttern und den Titanen, die ebendort erwähnte Rolle des Herakles im Gigantenkampf sowie die unten herangezogenen internationalen Parallelen. Zuerst Fehling 1989, dann ausführlicher Fehling 1991. Fehling 1991, 27 f. Fehling (1991, 49 f., 58 f. und 85) denkt dabei an ein mündliches Epos, das erst einige Zeit nach seiner Erschaffung schriftlich niedergelegt worden sei und schließlich in der ‘Ilias’ und im Epischen Kyklos aufgegangen sei.

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Helfermuster

nahme einer einheitlichen Konzeption verhindert, und vor allem missachtet er die nicht-griechischen Parallelen zu unseren Motiven und damit die Wurzeln der antiken Motive, die weit über die Zeit eines epischen Dichters aus geometrischer Epoche zurückreichen 7. Ausgangspunkt der weiteren Untersuchung muss der Umstand sein, dass in vorklassischen griechischen Texten wie den homerischen Epen oder den pindarischen Liedern gerade nicht der Heerführer Agamemnon oder sein Bruder Menelaos, das Opfer von Paris’ Raub der Helena, als Eroberer Trojas bezeichnet werden 8. Eroberer Trojas sind vielmehr, was explizite Äußerungen angeht, Odysseus, Philoktetes und Neoptolemos bzw., was die mehr symbolische Darstellungsform der ‘Ilias’ betrifft, Achilleus. Immer handelt es sich also um Alliierte des geschädigten königlichen Brüderpaars und immer müssen diese Verbündeten eigens herbeigeholt werden, sei es zu Anfang des Krieges oder sei es gegen dessen Ende9. Es handelt sich bei der Troja-Sage also um eine klassische Helfergeschichte10. Nun gibt es durchaus Erzählungen, in denen mehrere Helfer dem zentralen Helden bei der Bewältigung seiner Aufgabe beistehen11. Aber dass sie alle im Prinzip dieselbe, letztlich entscheidende Funktion erfüllen, nämlich die Eroberung der Stadt einzuleiten oder zu vollenden, indem sie ein Mitglied der Königsfamilie töten, zeigt doch deutlich, dass hier mehrere zunächst unabhängige Helfermuster zusammengeflossen sind. Wir werden also im folgenden die einzelnen Helferfiguren noch einmal betrachten müssen in Hinblick auf ihren Helfertypus und auf die eigenständige Rolle des jeweiligen Typus in Stadteroberungsgeschichten, wozu die vergleichende Epenforschung die Grundlage bildet. Erst dann werden wir fragen können, wie diese verschiedenen Helfermuster zu einem Ganzen zusammengefügt wurden.

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Für Zweifel an einer solchen einheitlichen Konzeption cf. bereits Kullmann 1992, 132 f. und Burgess 2001, 244 Anm. 39; zur Kritik an Fehlings These der Abhängigkeit moderner Volkserzählungen von den griechischen Mythen cf. oben Kap. 1. Wie unten dargestellt, dürfte Menelaos in einer frühen epischen Phase allerdings durchaus noch die Funktion eines Stadteroberers gehabt haben; erst in der weiteren Entwicklung der Troja-Sage verlor er diese Rolle. Das Eintreffen eines Helden nach fünf von zehn Kriegsjahren, wie es der kaiserzeitliche Autor Philostrat für Nestors Sohn Antilochos darstellt (Her. 26,6 - 12), ergibt zwar pittoreske Effekte, zeigt aber gerade damit, dass ein solches Motiv nicht im Sinne der ältesten Sage sein konnte (bezeichnenderweise spielt Antilochos auch in Philostrats Darstellung keine entscheidende Rolle bei der Einnahme der Stadt und stirbt stattdessen, wie es die epische Tradition vorgegeben hatte, vorzeitig im Kampf); cf. Grossardt 2006a, 517 - 521. Für die Figur des Helfers im Epos cf. allgemein Miller 2000, 167 f.; für die Figur des Helfers im russischen Zaubermärchen cf. Propp 1969, 72 bzw. Propp 1968, 79. Beispiele dafür sind die oben in Kap. 4.2.2 besprochenen Erzählungen vom Zug der Argonauten nach Kolchis und von der Jagd auf den kalydonischen Eber, wo immer eine stattliche Anzahl von Helden versammelt ist, die entscheidende Tat aber jeweils dem Anführer des Unternehmens vorbehalten bleibt.

Helfermuster 5.1

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Die unterschiedlichen Helfertypen und ihre Parallelen in der nichtgriechischen Epik

Bereits oben in Kap. 4.1 wurde der Helfertypus beschrieben, dem Achilleus zugehörig ist. Es handelt sich um den Helden von überragender physischer Stärke, der schon zu Kriegsbeginn zu Hilfe gerufen wird, dann aber die zum Ziel erkorene Stadt zunächst doch nicht erobern kann und stattdessen eine Reihe kleinerer Städte der Umgebung einnimmt, bis schließlich auch die Residenzstadt des Feindes fällt. Teilparallelen dafür bieten Coriolan und El Cid; beste Parallele ist aber sicher Marko Kraljevi, und bemerkenswert ist für unser Thema überdies, dass es ein serbisches, wenn auch anonymes Lied ist, das den serbischen Helden zum entscheidenden Helfer des türkischen Sultans macht. Dies muss nicht unbedingt bedeuten, dass die Geschichte von der Herbeiholung des Achilleus nach Troja durch thessalische Sänger aufgebracht wurde, ist aber doch ein gewisser Hinweis dafür. Philoktetes ist ein Held von sehr anderer Qualität als Achilleus. Seine körperliche Behinderung schränkt seine Möglichkeiten im Kampf stark ein, auch wenn er zuletzt vor Troja wieder geheilt wird. Seine hauptsächliche Qualität besteht daher nicht in körperlichen Vorzügen, sondern in seiner Waffe, dem Bogen des Herakles, mit dem er Paris tötet. Was uns hier aber besonders interessiert, ist eine andere Eigenschaft, mit der er einen Kontrast zu Achilleus bildet, nämlich der Umstand, dass er nicht im ersten Kriegsjahr herbeigeholt wird, sondern im letzten Jahr, als alle anderen Möglichkeiten schon ausgeschöpft schienen. Dies ist für Philoktetes ein feststehender Sagenzug, der sogar von einem Autor wie Flavius Philostrat respektiert wird, der in seinem ‘Heroikos’ zwar im Anschluss an eine lokale Tradition von der sofortigen Heilung des Helden auf Lemnos berichtet (28,5: ijaqh`nai de; aujto;n aujtivka ...), dann aber doch die übliche Zeit vergehen lässt, bis Philoktetes schließlich nach Troja gelangt (28,6 - 7: o}n de; ejtrivbonto oiJ Acaioi; crovnon ejn tw`/ Ilivw,/ tou`ton ...). Für diesen grundlegenden Sagenzug der späten Herbeiholung eines Helden und der bald darauf folgenden Eroberung der feindlichen Stadt gibt es nun durchaus internationale Parallelen, vor allem im südslawischen Heldenlied. Prominentestes Beispiel dürfte das Lied von der Eroberung Bagdads sein. Hier wird die Stadt der Königin von Bagdad zwanzig Jahre lang vergeblich durch die Truppen des Sultans von Istanbul belagert. Als schließlich noch eine Seuche im Heerlager hinzukommt, beschließt man, den Helden erelez Alija aus Bosnien zu Hilfe zu rufen 12. Nach einiger Zeit der Vorbereitung trifft Alija dann tatsächlich im Heerlager vor Bagdad ein, und wenn er auch wichtige Taten seiner heimlich anwesenden Verlobten Fatima überlassen muss, so ist es doch Alija, der zuletzt die Kapitulation der Stadt entgegennimmt13. 12

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So in der Version des Liedes durch den bosnischen Sänger Salih Ugljanin (Parry, Lord 1953, 8 f. bzw. Parry, Lord 1954, 68 f.). Parry, Lord 1953, 22 bzw. Parry, Lord 1954, 86.

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Helfermuster

Ein anderes Beispiel ist das Lied von der Belagerung Kandijas (Chania auf Kreta)14. Das Lied beginnt mit der Bitte der beiden Gattinnen (oder Töchter?) des Sultans, ihnen eine Pilgerreise nach Mekka und Medina zu gewähren. Dies wird ihnen gestattet, doch bei einem Zwischenhalt auf Kreta werden die beiden Frauen vom König von Kandija gefangengenommen. Erst nach zwölf Jahren erfährt der Sultan ihren Aufenthaltsort und beginnt dann sofort einen Feldzug. Doch die Belagerung Kandijas bleibt während 27 Jahren vergeblich. Erst als der bosnische Held Orli herbeigeholt wird, gelingt es diesem, mit seinem geflügelten Pferd in die Stadt einzudringen, die Stadt zur Aufgabe zu zwingen und die beiden Frauen zu befreien. Was das Lied in unserem Zusammenhang wichtig macht, ist also nicht nur das Motiv der späten Herbeiholung des Helden, sondern auch der Umstand, dass es sich wie bei der Troja-Sage um eine Frauenraubgeschichte handelt. Ein drittes Beispiel ist das Lied von der Eroberung Budims (Budapest)15. Wie die beiden letztgenannten Lieder stammt es von einem bosnischen Sänger, und es verwundert daher nicht, dass auch in diesem Lied ein bosnischer Held im Zentrum steht, nämlich Bey Ljubovi, den der Sultan nach 24 Jahren der vergeblichen Belagerung mit der Eroberung Budims betraut, die nach einigen Intermezzi auch bald gelingt. Bey Ljubovi selbst allerdings wird nach der Einnahme der Stadt vermisst und kehrt erst nach zwölf Jahren in Bettlergestalt nach Hause zurück. Das Lied von der Eroberung Budims verbindet somit wie das Lied von Marko Kraljevi das Stadteroberungsmuster mit dem Heimkehrermuster. Als rationalisierte und historisierte Form dieses Herbeiholungsmusters lässt sich unter Umständen die Geschichte des römischen Diktators Marcus Furius Camillus verstehen, der im Jahre 396 v. Chr. die etruskische Nachbarstadt Veji nach zehn Belagerungsjahren erobert haben soll. Entscheidende Maßnahme dabei war ein unterirdischer Gang, den Camillus graben ließ, um auf diesem Wege römische Soldaten in die Stadt einzuschleusen16. Diese Geschichte wird in der Forschung allgemein als Nachbildung der Troja-Sage verstanden 17, wozu die

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Parry, Lord 1953, 137 - 141 bzw. Parry, Lord 1954, 155 - 160. Das Lied stammt vom selben Sänger Salih Ugljanin wie das zuletzt referierte. Parry, Lord 1953, 188 - 193 bzw. Parry, Lord 1954, 226 - 233. Der Sänger der vorliegenden Version ist Sulejman Forti. D.S. 14,93,2; Liv. 5,19,9 - 11 und 5,21,10 - 17; D.H. 12,13 - 14; Plu. Cam. 5,4 - 6; zur Abhängigkeit unserer Quellen von der vorangehenden Annalistik cf. zuletzt Gaertner 2008, 29 - 35. Cf. beispielsweise Niebuhr 1853, 617, Thouret 1880, 138 f., Münzer 1910, 326, Ogilvie 1965, 628, Cornell 1995, 312, Mineo 2003, 162 mit Anm. 18 und Forsythe 2005, 246. Als Urheber einer solchen Homerisierung der Geschichte käme Ennius mit seinen ‘Annales’ in Frage (cf. Hirschfeld 1895, 137 f. und Walter 2000, 64 - 66 [zur Möglichkeit einer späteren Anpassung der Geschichte an das Troja-Modell cf. dagegen Späth 2001, 366 Anm. 77]).

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ersten Hinweise schon in den antiken Quellen selbst gegeben sind18. Diese Schlussfolgerung auf eine bewusste Nachbildung der Troja-Sage in mittlerer republikanischer Zeit ist aber nicht unbedingt zwingend. Die zehnjährige Kriegsdauer lässt sich auch einfach als mehr oder weniger kanonische Zahl für solche Kriegsgeschichten verstehen 19, und die Kriegslist der eingeschmuggelten Soldaten kann auch Reflex eines allgemeinen Wandermotivs solcher Stadteroberungsgeschichten sein20, wie ja schon für das Jahr 435 in der Geschichte der Eroberung von Fidenae im wesentlichen dieselben Motive vorliegen 21. Was uns hier aber besonders interessiert, ist die Rolle des Camillus, der zwar schon in den Jahren vor der Eroberung die Rolle eines Zensors22 und zweimal die eines Kriegstribunen mit konsularischer Vollmacht ausgeübt haben soll23, aber in dieser Zeit nicht mit der Belagerung Vejis betraut war. Seine Funktion in dieser Zeit war vielmehr die Bekämpfung der kleineren etruskischen Städte Falerii und Capena24. Erst als sich die Situation im neunten Kriegsjahr dramatisch verschlechterte und die Belagerung Vejis sogar beinahe abgebrochen wurde (Liv. 5,18,7 - 12, bes. § 10: aegre ibi miles retentus a fuga est, cum pervasisset castra rumor ducibus exercituque caeso victorem Capenatem ac Faliscum Etruriaeque omnem iuventutem haud procul inde abesse)25, änderte Rom seine Politik und ernannte Camillus zum Diktator für das folgende Jahr und zum Kommandanten des Belagerungsheers (Liv. 5,19,2 - 3: igitur fatalis dux ad excidium illius urbis servandaeque patriae, M. Furius Camillus, dictator dictus magistrum equitum 18

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Dies am deutlichsten markiert bei Liv. 5,4,11 im Hinweis auf die Entführung Helenas, den Appius Claudius in seiner Rede vor dem Volk gibt. In dieselbe Richtung weist aber auch der von Camillus anlässlich seiner späteren Verbannung ausgestoßene Fluch, man werde sich in Rom bald wieder nach seiner Person sehnen (Liv. 5,32,9 und Plu. Cam. 12,4 - 13,1, in Parallele zu den Flüchen des Achilleus bei Hom. Il. 1,240 - 244). Cf. oben in Kap. 4.2.2 den Hinweis auf die zehnjährige Dauer des Kampfes zwischen den Göttern und den Titanen (wichtig ist auf jeden Fall die Bemerkung von Ogilvie 1965, 629 zur “paucity of details” in der Belagerung Vejis, was zeigt, dass wir es bei dieser langen Kriegsdauer auf keinen Fall mit einer historischen Tatsache zu tun haben). Cf. die bekannte Geschichte von der Eroberung der Stadt Jaffa durch einen ägyptischen General (ca. 1300 v. Chr., besprochen bei Hansen 2002, 171 f.) Liv. 4,22,4 - 6 (cf. die Besprechung der Parallele zu Veji bei Vernole 1997, 91 f.). Liv. 5,1,2 (im Jahr 403). Liv. 5,10,1 (im Jahr 401) und 5,14,5 (im Jahr 398). Liv. 5,12,5 und 5,14,7; Plu. Cam. 2,8 - 10 (auch wenn es sich nur um Plünderungen in der Umgebung der jeweiligen Stadt handelt und nicht um die eigentliche Eroberung dieser Landstädte, so erinnert das Motiv dennoch an die jeweiligen Streifzüge durch das feindliche Land, die Helden wie Coriolan oder El Cid unternehmen [oben Kap. 2.2, Motiv ‘a’]). Dieses Motiv wird von Burck 1964, 25 mit Anm. 3 als Erfindung des Livius betrachtet. Doch entspricht es genau der jeweiligen Beinaheniederlage in den Erzählungen von Marko Kraljevi und erelez Alija und kann somit durchaus aus einer weit tieferen Erzählschicht stammen.

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P. Cornelium Scipionem dixit. omnia repente mutaverat imperator mutatus; alia spes, alius animus hominum, fortuna quoque alia urbis videri)26, worauf die Ereignisse dann ihren erwähnten schnellen Gang nahmen. Die Geschichte von der Eroberung Vejis entspricht also ziemlich genau dem soeben etablierten slawischen Muster von der Herbeiholung eines Helden bzw. Alliierten in letzter Stunde, und es ist damit sogar denkbar, dass Camillus in der ursprünglichen Fassung der Erzählung kein römischer Held war, sondern ein Verbündeter Roms, der vielleicht aus einer etruskischen Nachbarstadt und Rivalin Vejis den Römern zu Hilfe kam, und dass Camillus erst nachträglich mit einem römischen Patrizier aus der Familie der Furii identifiziert wurde27. Eine direkte Einwirkung der Troja-Sage ist für dieses entscheidende Motiv der Herbeiholung im letzten Moment dagegen unwahrscheinlich, weil die verschiedenen herbeigerufenen griechischen Helden, wie dargestellt, sich den Ruhm der Stadteroberung miteinander teilen müssen und nicht als alleinige ‘Retter’ gelten können. Zudem ist Odysseus, der mit der Kriegslist vom Trojanischen Pferd die engste Parallele zu Camillus bildet, von Anfang an Teil des griechischen Heers und muss nicht nachträglich herbeigebracht werden. Das Detail der späten Berufung des Camillus ist also historisch, oder ist, wie sich doch mit einiger Wahrscheinlichkeit postulieren lässt, eben Reflex eines alten epischen Musters28. Wenn sich also Philoktetes, wie jedenfalls die slawischen Beispiele zeigen, mit seiner späten Ankunft vor Troja durchaus in ein internationales Muster einfügt und natürlich auch im griechischen Mythos in der späten Ankunft des Neoptolemos eine Parallele findet29, so ist er dennoch kein typischer Stadteroberer oder Helfer eines Feldherrn, sondern eben vor allem Patient und Einsiedler30. Ganz anders sieht es wieder für Odysseus aus. Zwar ist auch Odysseus im Unterschied zu Achilleus kein kriegerischer Draufgänger, der die Feinde mit seiner physischen Stärke bezwingt, sondern mehr der Typus des schlauen Ratgebers. Doch findet er genau mit dieser Rolle eine wichtige Parallele in einem nicht-griechischen Epos, nämlich den Ratgeber Hanuman im indischen Nationalepos ‘Ramayana’31. 26 27

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Cf. auch die Parallelüberlieferung bei Plu. Cam. 5,1. Zur Möglichkeit der Verschmelzung eines Vertreters der Familie der Furii mit dem etruskischen Helden Marce Camitlnas cf. die Arbeit von Bruun 2000 (gefolgt von Wiseman 2004, 128). Cf. oben in Kap. 2.1 die Bemerkungen zur wahrscheinlichen Herkunft der Legende von Coriolan aus alten epischen Mustern. Eine weitere griechische Parallele ist, wie oben in Kap. 4.2.2 gezeigt wurde, die Herbeiholung der drei Giganten Briareos, Kottos und Gyges, die nach zehn vergeblichen Jahren des Kampfes zwischen den Olympischen Göttern und den Titanen die Schlacht zugunsten des Zeus entschieden. Cf. Bremmer 1978, 9 - 15, der versucht, diese Sagenzüge auf ein Initiationsmuster zurückzuführen. Das Epos ist in der Folge nach der Einteilung in Bücher und Kapitel zitiert, wie sie in der kritischen Ausgabe und in der modernen englischen Übersetzung unter Federführung von R. Goldman gegeben ist. Für das sechste Buch des ‘Ramayana’, für das

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Diese Parallele zwischen Odysseus und Hanuman ist freilich nur ein Teilelement in einer weitgehenden Analogie, die zwischen dem ‘Ramayana’ und der Troja-Sage besteht32. Beide Geschichten behandeln nämlich im Kern die Entführung und Wiedergewinnung einer Frau (Helena bzw. Sita), die über das Meer transportiert und dort in einer (uneinnehmbaren) Festung (Troja bzw. Lanka) gefangengehalten wird (Thompson, Motif-index R 151.1 “Husband rescues stolen wife”33). In beiden Fällen ist es ein Brüderpaar (Menelaos und Agamemnon bzw. Rama und Lakschamana), das sich um die Rückgewinnung der Frau des einen Bruders bemüht. Auf der Gegenseite findet sich jeweils ein mächtiger Herrscher (Priamos bzw. Ravana), der entweder selber die Frau entführt hat (Ravana) oder sich mitschuldig macht an der Untat seines Familienmitglieds (Priamos als Vater des Entführers Paris) und so oder so die Herausgabe der entführten Frau verweigert34. Immer findet sich aber auch die ‘Stimme der Vernunft’, d.h. ein Ratgeber des frevelhaften Königs, der auf die Unversehrtheit der gegnerischen Emissäre achtet (Vibhisana, der gerechte Bruder Ravanas)35 und evt. sogar auf die Rückgabe der entführten Frau dringt (der vornehme Troer Antenor)36, und der mindestens in apokryphen Varianten zuletzt die Herrschaft über die besiegte und wieder in die Freiheit entlassene Stadt übernehmen kann 37. Der von der Entführung betroffene König schafft es nach langer Belagerung, die

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die Übersetzung von Goldman noch nicht vorliegt, wurde die ältere englische Übersetzung von N. Raghunathan herangezogen (mit Nennung der abweichenden Einteilung in Kapitel). Ähnlichkeiten mit der Troja-Sage weisen auch bestimmte indische und baltische Erzählungen von der Heirat der Tochter des Sonnengottes mit einem göttlichen Brüderpaar auf (cf. West 2004, XIX und West 2007, 227 - 234). Doch liegt hier nicht das gleiche vollständige Muster mit Entführung, Stadteroberung und Rückgewinnung der Frau vor wie in der Troja-Sage und im ‘Ramayana’. Für grundsätzliche Besprechungen dieses Musters cf. Reichel 1999 und Edmunds 2002; für Unterschiede der Darstellung im Ethos von Helena und Sita (die aber dem gemeinsamen Muster keinen Abbruch tun) cf. Guttal 1994, 120 f. Ram. 5,50 (Goldman 1996, 252 [V. 1]: Ravana verweigert die Rückgabe der Sita); Hom. Il. 7,365 - 378 (Priamos folgt dem Votum des Paris und verweigert die Rückgabe der Helena). Ram. 5,50 (Goldman 1996, 252 - 254: Vibhisana dringt auf Schonung des Gesandten Hanuman). Zur Rolle Antenors in der Geschichte der Gesandtschaft von Menelaos und Odysseus nach Troja (Beherbergung der beiden Gesandten im Privathaus, Rettung vor den Anschlägen anderer Troer, späterer Vorschlag zur Rückgabe der Helena) cf. Hom. Il. 3,205 - 208; Hom. Il. 7,347 - 353; B. Dith. 15; Str. 13,1,53 (nach Sophokles) und die B Scholien zu Hom. Il. 3,206, III p. 173,25 - 30 Dind.; zur möglichen Rolle Antenors im vorhomerischen Epos cf. den Rekonstruktionsversuch von Danek 2005 und 2006. Ram. 6,100 (Raghunathan 1982, 328 f. [hier als Ram. 6,115 gezählt]: Vibhisana als neuer Herrscher über die Stadt Lanka); Dict. 5,17 und Dares Kap. 44 (Antenor als neuer Herrscher über Troja).

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Stadt zu erobern, tötet dabei seinen direkten Gegenspieler, also den Entführer38 oder neuen Ehemann seiner Frau39, und unterwirft zuletzt seine Frau einer Treueprobe40 oder droht, sie zu töten 41, bevor er sich dann wieder in Liebe mit ihr vereinigt. Dass das ‘Ramayana’ selbst für indische Maßstäbe in einer weitgehend märchenhaften Welt spielt (beispielsweise ist Ravana, der Entführer der Sita, kein schöner Prinz wie Paris, sondern ein zehnköpfiges Ungeheuer), tut dieser gemeinsamen Handlungsstruktur keinen Abbruch. Umgekehrt besteht aber nach heutigem Wissensstand auch kein Anlass für die Annahme einer wechselseitigen Beeinflussung der beiden Traditionen, da das ‘Ramayana’ etwa in den Jahren von 750 bis 500 v. Chr. Gestalt angenommen hat42, also zu einer Zeit, als höchstens indirekte Kontakte zwischen Griechenland und Indien bestanden43. Die Analogie beruht stattdessen aller Wahrscheinlichkeit nach auf einer parallelen Entwicklung vorgegebener Märchenmotive oder indogermanischer Erbmotive44. Wichtigste Parallele zwischen der Troja-Sage und dem ‘Ramayana’ ist in unserem Zusammenhang, wie gesagt, diejenige zwischen Odysseus und Hanuman 45. Hanuman ist ein Affe, der sich im ‘Ramayana’ aber äußerst wandlungs38

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Ram. 6,94 - 97 (Raghunathan 1982, 308 - 317 [hier als Ram. 6,108 - 111 gezählt]: Rama tötet Ravana im Endkampf). Hom. Od. 8,517 - 520; ‘Iliupersis’ bzw. Procl. Chr. p. 88,14 - 89,15 Bern.; Apollod. Epit. 5,22; Q.S. 13,354 - 384 (Menelaos tötet eigenhändig den Priamos-Sohn Deiphobos, der nach dem Tod des Paris Helena geheiratet hatte). Ram. 6,102 - 106 (Raghunathan 1982, 333 - 343 [hier als Ram. 6,117 - 121 gezählt]: Rama überprüft Sitas Treue mittels eines Scheiterhaufens). ‘Ilias Parva’ Frg. 19 Bern.; Ibyc. Frg. 296 Davies; E. Andr. 627 - 631; Ar. Lys. 155 f. und Vesp. 714; Q.S. 13,385 - 415; LIMC Helene Nr. 210 - 290 (Menelaos erhebt das Schwert gegen Helena, empfindet aber beim Anblick ihrer entblößten Brust Mitleid oder Liebe und lässt das Schwert fallen). Alternative Versionen sind die der ‘Iliupersis’ (Procl. Chr. p. 88,14 - 89,15 Bern.; E. Tro. 860 - 1059; Apollod. Epit. 5,22; LIMC Helene Nr. 291 - 319: Menelaos führt Helena zu seinem Schiff und lässt die Frage ihrer Bestrafung vorerst offen) und die des Stesichoros (Frg. 201 Davies: das Heer der Griechen will Helena steinigen, lässt aber bei ihrem Anblick die Steine fallen). So Goldman 1984, 14 - 23 (daher auch Ablehnung der Annahme homerischer Einflüsse auf das ‘Ramayana’ bei Goldman 1984, 31; zur älteren Diskussion, die zum Teil noch mit solchen Einflüssen gerechnet hatte, cf. die Besprechung bei Jacobi 1893, 94 - 99). Zu einer etwas späteren Datierung als Goldman neigt Brockington (1998, 379: 5. und 4. Jh. v. Chr.). Da aber auch dies noch vor den Eroberungszügen Alexanders des Großen liegt, ist auch nach dieser Datierung von einer unabhängigen Entstehung des ‘Ramayana’ auszugehen. So vertreten von Goldman 1984, 42 und Passaloglou 1993, 17 - 23. Dies im Ansatz schon gesehen von Baldick 1994, 7 (“Hanuman, who as a clever warrior resembles Odysseus”; “Hanuman, like Odysseus, visits the city which is to be besieged”).

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fähig zeigt und überhaupt über menschliche Denk- und Sprachkraft verfügt46. Wie Odysseus muss er zu Beginn des Feldzugs eigens herbeigeholt werden47, und wie Odysseus betritt er schon vor Kriegsbeginn die feindliche Stadt, um die Freigabe der entführten Frau zu erwirken. Allerdings finden sich die Motive, die in der Biographie des Odysseus auf zwei Episoden verteilt sind, bei Hanuman zu einer Episode zusammengezogen. Odysseus und Menelaos betreten nämlich bereits vor Kriegsbeginn die Stadt, um Helena zurückzufordern48, und Odysseus alleine betritt während der andauernden Belagerung in Bettlerkleidung noch einmal Troja, um die Stadt auszukundschaften, trifft dabei auch auf Helena, mit der er längere Zeit heimlich spricht, und richtet zuletzt ein Blutbad an unter der wehrhaften Bevölkerung der Stadt49. Hanuman dagegen betritt nur einmal vor Belagerungsbeginn die Stadt Lanka in der Gestalt einer Katze, findet Sita in einem städtischen Garten und beobachtet sie längere Zeit, bevor er heimlich mit ihr in ein Gespräch tritt und sich von ihrer Treue zu Rama überzeugt50. Bevor er aber Lanka wieder verlässt, um Rama Meldung zu erstatten, provoziert er noch eine große Schlacht und tötet dabei viele wehrhafte Bewohner Lankas51. Dabei wird er zuletzt allerdings festgenommen und gibt sich als Emissär des Königs der Affen zu erkennen 52, übernimmt nun also die Rolle des Odysseus und des Menelaos bei ihrem ersten Besuch der Stadt. Entsprechend fordert er die Rückgabe der Sita53, wird damit aber von Ravana, wie gesagt, nicht erhört. Nach weiteren Turbulenzen gelingt Hanuman schließlich die Rückkehr ins Feldlager Ramas. Wenn auch Hanuman bei der anschließenden Erstürmung Lankas und Befreiung Sitas keine Rolle mehr spielt, die derjenigen des Odysseus bei der Erfindung des Trojanischen Pferds entspräche, so zeigt doch schon die Parallele zwischen den ersten Kriegsabenteuern des Odysseus und denen Hanumans zur genüge, dass auch Odysseus in der Troja-Sage eine deutliche Helferrolle ein-

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Für die Gestalt Hanumans in der indischen Kultur und für seine göttliche Verehrung cf. die Studie von Keul 2002; speziell zur Rolle Hanumans im ‘Ramayana’ cf. Keul 2002, 49 - 59. Ram. 4,3 - 4 und 4,43 (Goldman 1994, 60 - 63 bzw. 155 f.). Hom. Il. 3,205 - 224 und 11,122 - 142; ‘Kyprien’ bzw. Procl. Chr. p. 42,55 - 57 Bern. Hom. Od. 4,240 - 258 (V. 257: pollou;" de; Trwvwn kteivna" tanahvkei calkw`)/ ; ‘Ilias Parva’ bzw. Procl. Chr. p. 74,15 - 75,17 Bern. Ram. 5,28 - 38 (Goldman 1996, 190 - 226). Ram. 5,39 - 45 (Goldman 1996, 226 - 241) in Parallele zum erwähnten Vers von Od. 4,257. Wollte man also im Sinne der älteren Forschungsliteratur postulieren, dass die Eroberung Lankas von der Troja-Sage abgeleitet wurde, so müsste man annehmen, dass die Dichter des ‘Ramayana’ sich nicht nur an der ‘Ilias’ orientierten, sondern gleichzeitig den zitierten Odyssee-Vers miteinbezogen und ihn zu einer Großepisode aufblähten – ein Verfahren, das kaum Wahrscheinlichkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Ram. 5,46 (Goldman 1996, 242 - 247). Ram. 5,49 (Goldman 1996, 249 - 252).

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nimmt und mit dieser Rolle in einer langen Sagentradition steht54. Er vertritt also ebenso sehr wie Achilleus und Philoktetes ein unabhängiges Helfermuster, und die Frage ist nun, wie diese im Prinzip inkompatiblen Helfermuster miteinander kombiniert worden sind. 5.2

Die Vereinigung der verschiedenen Helfermuster

Wenn wir uns also überlegen, in welcher Reihenfolge die verschiedenen Helfermuster in die Troja-Sage gezogen wurden, so besteht ein wichtiger Anhaltspunkt in der erwähnten Doppelgängerrolle des Neoptolemos für Achilleus55. Dabei ist deutlich, dass die Person des Sohnes von der weitaus bedeutenderen Person des Vaters abgeleitet wurde und nicht umgekehrt die Person des Vaters von der des Sohnes56. Es gab somit keinen besonderen Grund, Neoptolemos zum Teilnehmer des Trojanischen Krieges zu machen, und es gab keine der Person des Neoptolemos inhärenten Wesenszüge, die es vermocht hätten, Achilleus aus seiner Rolle als Eroberer der Stadt zu verdrängen. Es muss sich vielmehr genau entgegengesetzt verhalten haben: Achilleus war bereits aus seiner Rolle als Stadteroberer verdrängt, als Neoptolemos gleichsam zum Ersatz für seinen Vater diese Rolle mindestens zum Teil übernehmen konnte und von den epischen Dichtern zum Mörder des Priamos und des Astyanax gemacht wurde. Mit anderen Worten, erst in einer Phase der epischen Entwicklung, als Achilleus nicht mehr Stadteroberer war, sondern einige Zeit vor dem Fall der Stadt sein Leben verlor, kam bei den epischen Dichtern das Bedürfnis auf, eine Person zu schaffen und in die Troja-Sage zu integrieren, die stellvertretend für Achilleus in die Rolle des jugendlichen Helden und Helfers des Heerführers schlüpfen konnte. Achilleus muss also in einer relativ frühen und jedenfalls deutlich vorhomerischen Zeit aus der Rolle des entscheidenden Helfers gedrängt worden sein, was sich im übrigen ja auch daraus ergibt, dass er in der ‘Ilias’, im Epischen Kyklos und in der sonstigen griechischen Dichtung eben nicht mehr in dieser Rolle agiert. Wie es zu dieser Verdrängung aus der Rolle des Stadteroberers kommen konnte, wurde bereits oben in Ansätzen beantwortet57: Diese Sagenentwicklung hat sicher mit dem tragischen Antagonismus des Achilleus zu Apollon zu tun, also mit seiner Verkörperung eines bestimmten Jugendlichkeitsideals und mit 54 55 56

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Dies auf anderem Wege schon erschlossen von Hölscher 1989, 58 - 60. Cf. oben Kap. 4.3. Ein solches Abhängigkeitsverhältnis wäre im Prinzip durchaus denkbar, da im griechischen Mythos die Generation der zentralen Helden sowohl nach unten wie nach oben genealogisch ausgeweitet wird. Doch gibt es selbst für eine schwach bezeugte Figur wie Patroklos’ Vater Menoitios (cf. Reinhardt 1961, 22: “der noch unbekanntere Vater eines sonst Unbekannten”) Argumente für die Traditionalität (cf. unten Kap. 6.1 Anm. 16), und für Achilleus ist wegen seiner Rolle als wichtigster thessalischer Landesheros eine solche nachträgliche Erfindung definitiv auszuschließen. Cf. oben Kap. 4.4.

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seiner Funktion als Kultheros in der Troas. Daneben haben freilich auch die sagenimmanenten Entwicklungen sicherlich eine gewisse Rolle gespielt, also die prominente Aufnahme von Odysseus und Philoktetes, die ein je unabhängiges Eroberungsmuster vertreten, in die Troja-Sage. Arbeitsgrundlage für die folgenden Erörterungen wird nun die Prämisse sein, dass die Kombination verschiedener Helfermuster bzw. die weitgehende Verdrängung eines Helden durch einen anderen nicht ohne Spuren im entwickelten Mythos geblieben sein kann. Unser Augenmerk wird also im folgenden solchen Sagenzügen gelten müssen, in denen sich ein Antagonismus zwischen den einzelnen Stadteroberern zeigt, also zwischen Achilleus, Odysseus und Philoktetes. Zwischen Achilleus und Philoktetes zeigt sich nie ein besonderer Antagonismus, wohl aber zwischen Achilleus und Odysseus auf der einen Seite und zwischen Odysseus und Philoktetes auf der anderen Seite. Da Achilleus, wie oben angemerkt, schon relativ früh in den Hintergrund gedrängt wurde, muss es also die Figur des Odysseus gewesen sein, die in einer bestimmten Phase der Sagenentwicklung in den Vordergrund trat und damit Achilleus aus der Rolle des Stadteroberers verdrängte. Ein gewisses Indiz für einen solchen Ablauf mag man im bekannten Sagenzug erblicken, dass es eben Odysseus war, der die Waffen des aus dem Leben gerissenen Achilleus erhielt, bevor er sie an Neoptolemos weitergab58. Mindestens ebenso aussagekräftig sind aber die verschiedenen Sagenzüge und Episoden, die einen Gegensatz herstellen zwischen Achilleus und Odysseus. Diese Episoden sind relativ zahlreich. So ist Odysseus in der Presbeia im neunten Buch der ‘Ilias’ viel stärker als seine Mitgesandten Phoinix und Aias der eigentliche intellektuelle Gegenspieler des Achilleus; die scharfen Worte, mit denen Achilleus seine Antwort einleitet und seine Abneigung gegen jede Art von Falschheit und Verstellung kundtut59, werden daher von der antiken Kritik nicht als Angriff auf Agamemnon verstanden (der ein etwas laues Versöhnungsangebot unterbreitet hatte), sondern recht passend als direkte Auseinandersetzung mit dem Unterhändler Odysseus60. In der ersten Nekyia im elften Buch der ‘Odyssee’ kommt es wieder zu einer direkten Begegnung zwischen Odysseus und Achilleus, und es ist der thessalische Fürst selbst, der die Lobpreisung des Odysseus zurückweist und zumindest implizit dessen Leben über sein eigenes stellt61. In der zweiten Nekyia im vierundzwanzigsten Buch der ‘Odyssee’ dagegen kommt es zwar zu keiner Begegnung zwischen den beiden Helden, aber Agamemnon vergleicht sein eigenes Leben mit dem des Achilleus und dem des Odysseus, und es ist kein Zweifel für ihn, dass das Leben des Odysseus bei weitem das glücklichste zu nennen sei62. Ihre ent58

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Beispielsweise Hom. Od. 11,543 - 551; ‘Ilias Parva’ bzw. Procl. Chr. p. 74,3 - 5 Bern.; Pi. N. 8,26 f.; Apollod. Epit. 5,6 und Q.S. 5,121 - 321. Hom. Il. 9,308 - 313. Pl. Hp. Mi. 365 b 3 - 5; T Scholien zu Hom. Il. 9,312 - 313, II p. 462,62 - 63 Erbse. Hom. Od. 11,467 - 540. Hom. Od. 24,15 - 204.

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schiedenste Form findet die Auseinandersetzung zwischen Odysseus und Achilleus aber zweifellos in der Episode, die Demodokos in seinem Lied in Od. 8,75 - 82 vorträgt. Diese Episode war schon für die antiken Exegeten mit ebenso vielen Fragezeichen behaftet wie für die moderne Kritik. Aber es handelt sich sicher um einen Streit zwischen den hervorstechendsten Exponenten des griechischen Heerlagers (nei`ko" Odussh`o" kai; Phleivdew Acilh`o", // w{" pote dhrivsanto qew`n ejn daiti; qaleivh/ // ejkpavgloi~ ejpevessi, a[nax d’ ajndrw`n Agamevmnwn // cai`re novw/, o{ t’ a[ristoi Acaiw`n dhriovwnto), und man ist heute wieder eher geneigt, die Angaben der antiken Scholien ernst zu nehmen und in der Erzählung echte mythische Tradition – also keine Augenblickserfindung des Dichters – zu sehen 63. Danach fand der Streit vor den Mauern Trojas statt zu einem Zeitpunkt kurz nach der Tötung Hektors, und Inhalt des Streits war die Frage, ob Troja nun nach dem Tod seines wichtigsten Verteidigers durch rohe Gewalt erobert werden könne oder durch Schlauheit64. Da wir kaum weitere Nachrichten über diesen Vorfall haben 65, wissen wir nicht, wie der Streit beim Opferfest ausgegangen ist. Doch ist es nur zu deutlich, dass damit auf das Schicksal der beiden Helden bei ihrem jeweiligen Versuch zur Eroberung der Stadt vorausgedeutet ist, also auf den Tod des Achilleus bei seinem gewaltsamen Angriff auf das Skaische Tor und auf die erfolggekrönte Mission des Odysseus im hölzernen Pferd. Ebenfalls schwer zu sagen ist, ob diese Episode Teil des Kyklischen Epos der ‘Aithiopis’ war oder ob es sich nicht eher um eine apokryphe epische Tradition handelte. Angesichts der oben geschilderten allgemeinen Sagenentwicklung ist es aber so oder so durchaus denkbar, dass in diesem ‘Streit der Besten’ nicht nur eine momentane Kriegssituation zum Ausdruck kommt oder eine generelle Konfrontation zweier Heldentypen66, sondern eben auch eine entscheidende Veränderung und neue Fixierung der Troja-

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So Dubielzig 1996, 15 f., Danek 1998, 146 f. und Wilson 2005, 3 und 17 (die entgegengesetzte These, sc. dass es sich um Augenblickserfindung des Odysseedichters gehandelt habe und dass die Handlungszeit der Episode am Anfang des Trojanischen Kriegs oder jedenfalls längere Zeit vor seinem Ende lag, ist formuliert bei Marg 1956, Finkelberg 1987 und Rinon 2006, 210 Anm. 11; einen Mittelweg versucht Clay 1983, 96 - 112, die den Streit kurz vor Kriegsende situiert, sich aber dennoch für eine Augenblickserfindung durch den Odysseedichter ausspricht). H, Q und V Scholien zu Hom. Od. 8,75, p. 361,28 - 362,7 Dind. (tou` me;n Acillevw" ajndreivan ejpainou`nto", tou` de; Odussevw" suvnesin; die Scholien zu den folgenden Versen berichten im wesentlichen dasselbe, nur gebrauchen sie andere Ausdrücke für die beiden Kriegsformen). Zur Spiegelung des Vorfalls bei Sophokles, der die Auseinandersetzung zwischen Achilleus und Odysseus mit einem Streit zwischen Achilleus und Agamemnon vermengt, cf. oben Kap. 3.2.2. Dieser an zweiter Stelle genannten Erklärung entspricht die Auffassung von Nagy 1979, 15 - 58 und Fehling 1991, 18 (ähnlich noch Broeniman 1996/1997 und Lentini 2006, 94 - 102; ohne Bezugnahme auf das Lied des Demodokos, aber generell zum Antagonismus zwischen Achilleus und Odysseus auch Davies 2002, 14 f.).

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Sage67: Achilleus war durch Odysseus aus seiner Rolle als Stadteroberer gedrängt worden, und sinnfälliger Ausdruck dieser Entwicklung war fortan die Szene, in der die beiden Formen der Kriegsführung einander gegenübergestellt sind, aber auch die Überlegenheit der einen intellektuelleren Kriegsform über die andere rein brachiale deutlich gemacht wird. Ist man geneigt, dies so zu akzeptieren, so bleibt immer noch die Frage, wie die beiden Helden in die Troja-Sage gerieten, auch wenn hier die Unsicherheitsfaktoren zunehmen und selbstverständlich nur noch die groben Linien der Entwicklung nachzuzeichnen sind. Odysseus ist als lokaler Heros Westgriechenlands wahrscheinlich schon relativ früh in die wichtigen Sagenkreise der Peloponnes und Zentralgriechenlands und damit auch in die Erzählung mykenischer Kriegszüge übernommen worden68, wahrscheinlich in seiner Funktion als Bogenkämpfer (wie es ja eben der Bogen ist, mit dem er seine Frau Penelope zum zweiten Mal für sich gewinnt) 69, aber auch in seiner Funktion als Ratgeber und Kundschafter, in der er in Übereinstimmung steht mit dem indischen Helden und Helfer Hanuman. Wenn nun die Troja-Sage tatsächlich die Zerstörung von Troja VIIa oder sonstige mykenische Raubzüge nach Kleinasien spiegelt70, so kann sich die Erzählung von der Teilnahme des Odysseus am Feldzug des Agamemnon und des Menelaos schon relativ bald nach 1200 v. Chr. herausgebildet haben. Allerdings braucht Odysseus in dieser ersten Phase der Sagenentwicklung noch nicht unbedingt einen entscheidenden Beitrag zur schließlichen Erstürmung der Stadt geleistet zu haben. Die Analogie mit dem ‘Ramayana’ deutet vielmehr darauf hin, dass Odysseus in dieser Frühphase der Troja-Sage hauptsächlich Unterhändler und Kundschafter war. Eigentlicher Eroberer der Stadt war in dieser frühen Zeit wohl noch der hintergangene Ehemann selber, also Menelaos. Darauf deutet das später belegte Sagenmotiv von der Ermordung des Deiphobos durch Menelaos hin71. Da Deiphobos lediglich Helenas ‘Ersatzehemann’ für Paris vorstellt, ist das ein recht schwaches Motiv. Es gehört also einer epischen Spätphase an, als die Troja-Sage durch eine Vielzahl sekundärer Motive angereichert wurde, oder es steht ersatzweise für die Tötung des Entführers Paris, und da wir im ‘Ramayana’ den eindeutigen Fall der Tötung des Entführers Ravana durch den geschädigten Ehemann Rama haben, sollte die zweitgenannte

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Cf. die unten besprochene Episode von der kurzzeitigen Rivalität zwischen Odysseus und Philoktetes vor Troja, in der sich ebenfalls die Zurückdrängung des einen Helden durch den anderen im Verlauf der langen Entwicklung der Troja-Sage zu spiegeln scheint. Dies im einzelnen begründet von West 1988, 159 und 161. Zu den alten Elementen in der Darstellung des Odysseus als eines Bogenkämpfers cf. Hölscher 1989, 67 - 72. Die These wurde in dieser zweitgenannten freieren Form jüngst wieder vertreten von Latacz 2005, 330 - 334. Cf. die oben in Anm. 39 gegebenen Belege.

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Alternative das richtige treffen 72. Die Folgerung ist also, dass in der ältesten Form der Troja-Sage, wie im ‘Ramayana’, der geschädigte König selbst (Menelaos, Rama) zusammen mit seinem Bruder (Agamemnon, Lakschamana) und einem wichtigen Ratgeber und Kundschafter (Odysseus, Hanuman) die Tötung seines Rivalen (Paris, Ravana), die Besiegung der feindlichen Stadt und die Rückgewinnung der entführten Frau bewerkstelligte. Allerdings wurde diese Form der Troja-Sage später mit anderen Erzählmustern der Stadteroberung kombiniert, wodurch die Rolle des Menelaos in den Hintergrund geriet und die Troja-Sage mehr den Charakter einer Helfergeschichte annahm. Das älteste alternative Erzählmuster, das das soeben erläuterte Kernmotiv der Troja-Sage überlagerte, war wahrscheinlich dasjenige des thessalischen Helden Achilleus. Dies dürfte in der Zeit von etwa 1150 bis 1050 erfolgt sein73, als die thessalische Epik nicht nur lokale Mythen entwickelte, sondern auch ältere Sagenkreise aus Zentral- und Südgriechenland übernahm und mit eigenen Motiven weiter ausgestaltete74. Für eine solche Entwicklung der Troja-Sage spricht jedenfalls die Analogie mit den südslawischen Heldenliedern, also mit den serbischen Epen, die den serbischen Helden Marko Kraljevi zum entscheidenden Helfer des türkischen Sultans machen, und den bosnischen Epen, die bosnische Helden wie erelez Alija zum unentbehrlichen Alliierten des Sultans erheben. Daher war es wohl eben die thessalische Epik, die die Geschichte vom Feldzug des Achilleus nach Troja unter dem Oberkommando des Agamemnon erfand75, oder, um es richtig zu sagen, die das präexistente Motiv vom Feldzug eines Helden, von seinem Zorn und Kampfboykott und von seiner schließlichen Eroberung der Stadt auf Achilleus und Troja übertrug76. Wiederum etwas später, wohl in der Phase der kleinasiatischen äolischen Epik77, wurde dann Achilleus von Odysseus wieder aus der Rolle des Stadteroberers verdrängt. Ausschlaggebend dafür war wohl zum einen der erwähnte Grabhügel in der Nähe des Kap

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Dass das Motiv der Heirat Helenas mit Deiphobos jedenfalls schon dem Odysseedichter vorgegeben war, vertritt plausibel Scafoglio 2004, 294. Zur ‘thessalischen Phase’ in der Entwicklung der griechischen epischen Tradition cf. West 1988, 159 - 163. Beispielsweise die Erzählung von der Kalydonischen Jagd, die von Aitolien nach Thessalien gelangte und dort mit thessalischen Motiven angereichert wurde (näher erläutert bei Grossardt 2001, 279 - 281). Unsere Hypothese zur thessalischen Herkunft der Sage von der Rolle des Achilleus im Krieg um Troja deckt sich also mit der von Page 1959, 254, wenn wir auch seiner Annahme von der Historizität der Person des Achilleus nicht zu folgen vermögen. Die Darstellung von West 1988, 162 (“Achilles, Diomedes, and the Telamonian Ajax are champion warriors such as every epic needs, but again they seem to have no unique role to fulfil at the ‘deep structure’ level.”) dürfte somit in diesem Punkt zu korrigieren sein. Näher an unserem Modell steht dagegen Welcker 1849, 5, der annimmt, dass der Streit zwischen Agamemnon und Achilleus gerade als retardierendes Moment zum Grundbestand der Troja-Sage gehörte. Zur kleinasiatischen und lesbischen äolischen Epik cf. West 1988, 163 - 165.

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Sigeion78 und zum anderen die aufkommende Sage von der unüberwindbaren Stadtmauer Trojas, die sicher durch den Anblick der Stadtmauer von Troja VI und Troja VII veranlasst war79. Da dieser Mauer göttlicher Ursprung zugeschrieben wurde, konnte sie konsequenterweise auch nicht von Menschen erobert oder zerstört werden, sondern ließ sich nur durch eine List überwinden wie Odysseus’ Erfindung des hölzernen Pferdes80. Achilleus geriet so aus mehreren zusammenwirkenden Ursachen in den Hintergrund der Troja-Sage, erhielt aber dafür in Gestalt seines Sohnes Neoptolemos einen Stellvertreter, der den Krieg bis an sein Ende heil und siegreich überstand. Ähnliche Mechanismen haben nun offensichtlich auch bei der Aufnahme des Philoktetes in die Troja-Sage gewirkt81. Die Funktion des Helden im Krieg scheint zwar zunächst nicht besonders wichtig und besteht ‘nur’ in der Tötung des unkriegerischen Paris. Wie oben erläutert, übernimmt Philoktetes damit aber eine Funktion, die ursprünglich Menelaos vorbehalten war (der nun ersatzweise Helenas dritten Ehemann Deiphobos tötet). Zudem vollbringt Philoktetes seine Heldentaten mit seinem Bogen und folgt damit einem Seherspruch, dass seine Präsenz vor Troja unabdingbar sei für die Entscheidung des Kriegs und dass seine besonderen Taten nur mit dem Bogen, den Philoktetes von Herakles geerbt habe, vollbracht werden könnten82. Auffällig ist nun, wie Philoktetes gerade mit seinem Bogen in scharfer Konkurrenz zu Odysseus steht. Am deutlichsten ausgesprochen wird das in Hom. Od. 8,215 - 222, wo Odysseus selbst sagt, dass er im Trojanischen Krieg der beste Bogenschütze nach Philoktetes gewesen sei, und zwar in der Schlacht, nicht einfach bei Schießübungen83. Dies war kaum 78 79

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Cf. oben Kap. 4.4. Zur Ruine Trojas und insbesondere zu ihrer südlichen Mauer als wichtigen Auslösern für die Formierung der Troja-Sage cf. beispielsweise Fehling 1991, 52, Kullmann 1999, 200 f. und Hertel 2008, 211 f. und 214. Allerdings braucht die Mauer nicht unbedingt erster Anstoß zur Sage vom Trojanischen Krieg gewesen zu sein, sondern kann auch einfach für die geschilderte Entwicklung bzw. stärkere Hervorhebung des Odysseus verantwortlich gewesen sein. Dieser Zusammenhang korrekt hergestellt von Fehling 1991, 7 - 16 und 24 - 26 (zur narrativen Tradition, in der die Geschichte vom hölzernen Pferd steht, cf. allgemein Hansen 2002, 169 - 176). Zur Rolle des Philoktetes in der Troja-Sage und generell zur Prägung der Sage durch thessalische Motive cf. auch Hertel 2008, 205 - 209, der hierin einen Reflex der Landnahme durch äolische Siedler in der Troas sieht. Allerdings überschätzt Hertel die Rolle des Philoktetes in der vorhomerischen Sage und sein Entstehungsmodell kann insbesondere, da es die grundlegenden Erzählmuster ignoriert, nicht erklären, wieso nicht thessalische Helden, sondern die peloponnesischen Brüder Agamemnon und Menelaos den Kriegszug nach Troja anführen. Zur Übernahme des Bogens von Herakles kurz vor dem Ableben des Helden cf. S. Ph. 670 und 801 - 803; Lyc. Alex. 916 - 918; D.S. 4,38,4; Philostr. Her. 28,1; Philostr. Jun. Im. 17,1 und Hyg. fab. 36,5 und 102,1 - 2. Nach den deutlichen Hinweisen auf die Schlacht in den V. 216 - 218 braucht man auch für die V. 219 f. nicht an sportliche Wettkämpfe zu denken, sondern sollte auch hier eher auf kriegerische Aktivitäten schließen (anders Hölscher 1989, 72).

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ad-hoc-Erfindung des Odysseedichters, weil es weite mythologische Zusammenhänge gibt, die die Bogenkunst der beiden Helden bzw. den jeweiligen Bogen und die früheren Besitzer einander gegenüberstellen. So hat Philoktetes seinen Bogen, wie gesagt, von Herakles erhalten, Odysseus den seinigen dagegen als Gastgeschenk von Iphitos, und der hatte den Bogen von seinem Vater Eurytos, dem König von Oichalia, geerbt84. Herakles und Eurytos wiederum, also die beiden einstigen Besitzer des jeweiligen Bogens, hatten sich beide an Wettschießen mit den Göttern beteiligt und damit vielleicht auch gegeneinander85. Nach einer anderen ebenfalls bereits im Epos belegten Tradition hatte Herakles einen Bogenwettkampf mit Eurytos und dessen Söhnen ausgetragen, bei dem es um die Hand von Eurytos’ Tochter Iole ging86. Da Eurytos Herakles aber zu betrügen versuchte, tötete Herakles zunächst Iphitos, eroberte dann Oichalia, tötete dabei Eurytos und nahm schließlich Iole gefangen87. Nach einer weiteren, allerdings etwas späteren Tradition soll Eurytos Herakles sogar das Bogenschießen beigebracht haben88. Diese Vielzahl von mythischen Konfrontationen zwischen Odysseus und Philoktetes bzw. ihrem jeweiligen Umfeld kann nun nicht einfach Zufall sein, sondern kann nur bedeuten, dass Philoktetes den Odysseus aus seiner Rolle als erster Bogenkämpfer vor Troja verdrängt und ihm damit auch einen Teil seines Ruhms als Zerstörer der Stadt streitig gemacht hat89. Insbesondere in der erwähnten Vignette von Hom. Od. 8,215 - 222 scheint also wie in der oben besprochenen Geschichte vom Streit zwischen Achilleus und Odysseus beim Göttermahl (Hom. Od. 8,75 - 82) eine historische Abfolge in der Entwicklung der Troja-Sage umgelegt zu sein auf eine Episode von der momentanen Rivalität zweier Helden 90. 84 85 86

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Hom. Od. 21,11 - 14 und 21,31 - 33. Hom. Od. 8,223 - 228. Pherekydes von Athen FGrHist 3 F 82b und Apollod. Bibl. 2,6,1 (ein Reflex davon ist S. Tr. 265 f.). Hom. Od. 21,24 - 30; Kreophylos von Samos, ‘Oichalias Halosis’ Frg. 1 - 3 Bern.; Pherekydes von Athen FGrHist 3 F 82a; S. Tr. 269 - 273 und 351 - 368; D.S. 4,37,5; Ath. 11,461 f; Apollod. Bibl. 2,7,7 (zu den Unterschieden zwischen den verschiedenen Fassungen der Erzählung, insbesondere im Motiv der Tötung des Iphitos, cf. Primavesi 2004, 21 - 24). Theoc. 24,107 f.; Apollod. Bibl. 2,4,9. So richtig geschlossen von Hölscher 1989, 72 f. (verkannt ist die Bedeutung des Motivs dagegen von Fehling 1991, 30 und 43 f., der nur die Herbeiholung des Philoktetes und seine Bezwingung des Paris bespricht, nicht aber auch die starke mythologische Spannung diskutiert, die zwischen Odysseus und Philoktetes besteht). Eine (negative) Gegenprobe erlaubt die Figur des Teukros, der ebenfalls zu den herausragenden Bogenschützen vor Troja zählt (Hom. Il. 8,266 - 334) und in dieser Eigenschaft bei den Leichenspielen für Patroklos (Hom. Il. 23,850 - 883) und für Achilleus (Apollod. Epit. 5,5; Q.S. 4,405 - 435) jeweils einen Preis davonträgt, dabei aber nie in Konkurrenz zu Odysseus tritt, ihn also im Unterschied zu Philoktetes wohl nicht aus seiner Rolle als wichtigster Bogenkämpfer vor Troja herausgedrängt hat.

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Wieder stellt sich aber die Frage, wieso gerade dieser Held in die Troja-Sage hineingezogen wurde und die doch ziemlich bemerkenswerte Rolle zugewiesen bekam, den Urheber allen Übels, Paris, den Entführer der Helena, zu töten. Seine thessalische oder mittelgriechische Herkunft91 war dafür kaum ausschlaggebend, weil das griechische Festland zu der (wohl eher späten) Zeit, als Philoktetes seine besondere ‘Aufgabe’ erhielt und Odysseus aus der Funktion des ersten Bogenkämpfers verdrängte, den griechischen epischen Gesang nicht mehr dominierte. Seine Stellung als Kultheros und archetypischer Patient auf Lemnos war wohl ebenfalls nicht der entscheidende Grund, ja wirkte sogar eher dagegen, weil Philoktetes nach der lokalen Tradition auf Lemnos geheilt wurde92, während die panhellenische epische Tradition seine Heilung vor Troja stattfinden ließ 93; zudem wissen wir nicht, ob es sich dabei nicht überhaupt um eine nachepische Tradition handelte. Wichtig war dagegen seine enge Assoziation mit Herakles, weil einst auch Herakles eine Generation vor Agamemnon Troja mit seinen Pfeilen erobert hatte94. Diese Sage ist nun offenbar nicht viel mehr als eine blasse Dublette zur Eroberung der Stadt durch Agamemnon und sein Heer 95. Doch war sie, weil schon in der ‘Ilias’ erwähnt, sicher vorhomerisch und wirkte dann zurück auf die Sage von der Entführung und Rückgewinnung Helenas. Mit anderen Worten, im Motiv von den Pfeilen des Herakles, mit denen Philoktetes Troja nun ein zweites Mal erobert96, wird eine der Heldentaten des Zeus-Sohns Herakles nun gewissermaßen Teil auch des weitaus berühmteren Zugs von Agamemnon nach Troja, und genau dies dürfte überhaupt erst der Grund für die Hervorhebung des Philoktetes in der Troja-Sage gewesen sein.

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Philoktetes stammte nach den Angaben in der ‘Ilias’ (2,716 - 720) aus dem nordostthessalischen Küstenstreifen von Magnesia, nach einer späteren Tradition, die in S. Ph. 4 und 1430 reflektiert ist, aus der südthessalischen Landschaft Malis am Berg Oita (zur Entstehung dieser unterschiedlichen Versionen cf. Nappi 2002). Dies zum einen zu erschließen aus den Nachrichten über die Verehrung des Philoktetes auf Lemnos, die uns Galen (XII p. 172 Kühn) gibt, und zum anderen aus mehreren expliziten Berichten aus der kaiserzeitlichen mythographischen und wissenschaftlichen Literatur (Ptolemaios Chennos apud Phot. Bibl. 190, 152 b 13 - 15; Dict. 2,14; Philostr. Her. 28,5; A Scholien zu Hom. Il. 2,722, I p. 127,30 - 128,2 Dind.). Beispielsweise die ‘Ilias Parva’ bzw. Procl. Chr. p. 74,7 - 8 Bern.; S. Ph. 1329 - 1334; Apollod. Epit. 5,8 und Q.S. 9,444 - 479. So beispielsweise Hom. Il. 5,638 - 642 und 14,250 f.; Pi. N. 4,25 f.; Pi. I. 6,26 - 31; S. Aj. 1299 - 1303; Hellanic. FGrHist 4 F 26b und Apollod. Bibl. 2,6,4. Wichtigste ikonographische Darstellung ist das Giebelfeld auf der Ostseite des Tempels von Aphaia auf Aigina (LIMC Herakles Nr. 2792; 490 - 480 v. Chr.), wo Herakles bereits mit seinen Pfeilen abgebildet ist. So zu Recht vertreten von Fehling 1991, 10 - 12. S. Ph. 1439 f. (der Geist des Herakles zu Philoktetes: to; deuvteron ga;r toi`" ejmoi`" aujth;n crew;n // tovxoi" aJl w`nai); Philostr. Her. 28,2.

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Schluss

ou{tw kai; tw`n provsqen ejpeuqovmeqa kleva ajndrw`n // hJrwvwn, o{te kevn tin’ ejpizavfelo" covlo" i{koi: // ... (Homer, ‘Ilias’ 9,524 - 526) Welches Bild der vorhomerischen Entwicklung der Troja-Sage lässt sich nun aus den obigen Überlegungen gewinnen? Vor allem zu zwei Punkten, so scheint uns, können nun etwas klarere Positionen entworfen werden, zur Frage nach der Traditionalität der Figur des Patroklos und zur Frage nach der generellen Funktion des Zornmotivs in der vorhomerischen Sage. Dabei muss aber immer im Auge bleiben, dass es sich bei der vorhomerischen Troja-Sage um eine Entwicklung von mehreren hundert Jahren handelt, an der viele lokale Liedtraditionen und Einzelsänger beteiligt waren. Es kann daher nicht darum gehen, die einzig richtige vorhomerische Version der Troja-Sage zu rekonstruieren, sondern nur darum, Tendenzen aufzuzeigen, also verschiedene vorhomerische Versionen der Troja-Sage, die sich mit einiger Wahrscheinlichkeit postulieren lassen. 6.1

Die Frage nach der Traditionalität des Patroklos

Eine Frage, die in der Ilias-Forschung immer wieder aufgebracht wird, ist die nach der Traditionalität der Figur des Patroklos1. Hier reicht das Spektrum von der Annahme der völligen Erfindung der Figur durch den Iliasdichter, mit verschiedenen Zwischenstufen, bis hin zur vollständigen Traditionalität des Patroklos und seiner Geschichte, wie sie in der ‘Ilias’ dargestellt ist. Mindestens vier deutlich voneinander zu trennende Positionen lassen sich aus der Forschungsliteratur ablesen: 1. Die Person des Patroklos ist eigene Erfindung des Iliasdichters. Die verschiedenen Erwähnungen im Epischen Kyklos2 bzw. in der späteren Darstellung der Kämpfe um Troja und Teuthranien 3 sind aus der ‘Ilias’ abgeleitet4. 1

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Die folgende Diskussion konzentriert sich also auf eben diese Frage der Traditionalität. Für eher synchronisch orientierte Arbeiten zur Funktion des Patroklos in der ‘Ilias’ cf. beispielsweise Finlay 1980, Sinos 1980, Lowenstam 1981, Krischer 1992 und 1994, Austin 1999, 32 - 49 und Bouvier 2002, 357 - 414. ‘Kyprien’ bzw. Procl. Chr. p. 42,63 - 43,64 Bern. (Patroklos verkauft im Auftrag des Achilleus den Priamos-Sohn Lykaon nach Lemnos). Pi. O. 9,70 - 79 (Patroklos nimmt zusammen mit Achilleus am Kampf gegen Telephos teil); Schale des Sosias-Malers, LIMC Achilleus Nr. 468 = Patroklos Nr. 4 (Achilleus verarztet den verwundeten Patroklos, vielleicht nach den ‘Kyprien’). Dies die Position von R. von Scheliha (1943, 233 - 291 [mit einem Forschungsabriss zur Behandlung der Frage in der Zeit vor 1940 auf S. 391 f. in der Anm. zu S. 235]),

Schluss

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2. Patroklos war eine traditionelle Figur der Troja-Sage, aber nur in seiner Funktion als Gefolgsmann des Achilleus. Sein Tod durch Hektor und die Verbindung dieses Motivs mit dem Zorn des Achilleus sind dagegen Erfindung des Iliasdichters5. 3. Patroklos war eine traditionelle Figur, und sein Tod durch die Hand Hektors war vielleicht ebenfalls schon vorgegeben, aber es bestand noch keine Verbindung mit dem Zorn des Achilleus6. 4. Patroklos war eine traditionelle Figur, und seine Rolle in der Zornhandlung bzw. sein Tod durch die Hand Hektors waren ebenfalls traditionelle Motive7. Ein wichtiges Argument, das die Vertreter der Positionen 2 bis 4 gegen die Vertreter von Position 1 ins Feld führen, ist die unvorbereitete erste Erwähnung des Patroklos in den Anfangsszenen der ‘Ilias’ (1,307), wo Patroklos nicht einmal mit seinem eigenen Namen, sondern mit seinem Patronymikon Menoitiavdh" eingeführt ist. Die natürliche Annahme ist daher sicher die, dass Patroklos schon aus vorhomerischer Dichtung bekannt war, und die Beweislast lag dementsprechend immer schon bei den Vertretern der Position 1, die zeigen mussten, dass diese unvermittelte Einführung des Helden eine bestimmte Funktion hatte. Insbesondere H. Erbse versuchte deshalb aufzuzeigen, dass es sich um eine spezifisch homerische Darstellungstechnik handle, nach der sowohl traditionelle Figuren (Odysseus, Paris, Helena) wie neuerfundene Figuren (Patroklos, Phoinix, Hektor) sich erst allmählich in der Handlung entfalten und sich damit dem Hörer des Epos vorstellen 8. Dieses Argument ist aber zweischneidig, da man natürlich aus dieser allgemeinen Darstellungstechnik auch schließen könnte, dass die mythologischen Voraussetzungen dann ebenfalls für alle Personen die gleichen gewesen sein müssen, dass also Patroklos, Phoinix und Hektor ebenso zum traditionellen Figurenbestand gehörten wie Odysseus, Paris und Helena. Daher kann unter Umständen ein Vergleich des griechischen Befunds mit dem nicht-griechischen Material weiterhelfen bei der Entscheidung dieser Frage. Vergleicht man also, wie oben bereits in Ansätzen geschehen, den griechischen Befund mit dem sonstigen indogermanischen Material9, das oben in

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W. Schadewaldt (1959, 178 - 181), H. Erbse (1983, 15; 1998, 6) und J. Hooker (1989, 30 f.). So Kullmann 1960, 44 f. und 193 f. und Kullmann 1981, 11 sowie Janko 1992, 313 f. In diese Richtung neigend bereits Fenik 1968, 231 und 239 und Patzer 1971, 41 - 43, explizit dann Burgess 2001, 71 - 84 (insbesondere S. 73 und 80). So Reinhardt 1961, 20 - 22. Erbse 1983. Eine andere Forschungsrichtung konzentriert sich nicht auf das indogermanische Material, sondern auf das nahöstliche. Danach wären die Freundschaft zwischen Achilleus und Patroklos und der Tod des Patroklos eine Spiegelung der Freundschaft zwischen Gilgamesch und Enkidu bzw. ein Reflex von Enkidus Tod (cf. beispiels-

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Schluss

Kap. 2.2 beschrieben wurde, so stößt man auf das Motiv des gemeinsamen Rückzugs von Marko Kraljevi mit seinem Blutsbruder Alil-Aga während der Zeit der Kampfenthaltung10. Dies stimmt nun genau mit dem gemeinsamen Rückzug von Achilleus und Patroklos zusammen11. Da das Schicksal des Marko Kraljevi auch sonst weitgehend mit dem des Achilleus übereinstimmt, sollte die genannte Parallele ebenfalls kein Zufall sein, sondern auf gemeinsame Wurzeln zurückgehen. Das Motiv des gemeinsamen Rückzugs mit dem Freund bzw. Gefolgsmann sollte daher auch den Dichtern bekannt gewesen sein, die dem Iliasdichter unmittelbar vorausgingen, und die völlige Erfindung des Patroklos durch den Dichter der ‘Ilias’ (Position 1) ist somit wohl auszuschließen. Wahrscheinlich kann man aber noch weiter gehen und verschiedene Szenarien entwickeln, in denen Patroklos seinem Freund und Dienstherrn nicht nur Solidarität bezeigte während seines Kampfboykotts, sondern auch eine bestimmte Rolle spielte bei der Rückführung des Helden in den Kampf. Wie wir oben in Kap. 2.2 gesehen haben, wird der grollende Held typischerweise erst in einem wiederholten Anlauf durch Bitten umgestimmt, und die bittende Person ist dann häufig nicht mehr einfach ein Repräsentant der leidenden Gemeinschaft, sondern eine Vertrauensperson des Helden (die Mutter und die Frau Coriolans, Cuchulainns Erzieher Fergus, Rostams Verwandter Gudarz). In der überlieferten ‘Ilias’ sind die Motive ähnlich, aber nicht identisch: Denn Patroklos gelingt zwar tatsächlich nach den gescheiterten Anläufen der Presbeia zuletzt die Umstimmung des Achilleus12. Doch ist diese Umstimmung nur eine partielle und führt zu dem Kompromiss, dass Patroklos an Achilleus’ Stelle in den Kampf ziehen soll. Eine vollständige Umstimmung eines zürnenden Helden findet sich dagegen im Paradeigma von Meleagros, wo es Meleagros’ Frau Kleopatra ist, die nach mehreren gescheiterten Bittgesandtschaften mit ihren flehentlichen Bitten den Sinneswandel ihres Mannes bewirkt13. Das Zornmotiv war der Sage von der Kalydonischen Jagd vor Homer aller Wahrscheinlichkeit nach fremd und wurde erst durch den Dichter der ‘Ilias’ in die Sage eingeführt mit dem Zweck der Spiegelung des Achilleus-Zorns14. Eben dies lässt es aber denkbar erscheinen, dass der Iliasdichter für seine Gestaltung des Paradeigmas eine

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weise Webster 1958, 82 und 119 f., Lord 1960, 197, Petriconi 1964, 337 f., West 1997, 337 f. und Schrott 2008, 176 f. [mit abweichender Erklärung von Patroklos’ Tod]). Da es sich aber beim Gilgamesch-Epos nicht um einen Kriegszug mit Zorn und Kampfboykott des Helden handelt, sondern um individuelle Streifzüge, kann die Frage höchstens sein, ob die Motive des Gilgamesch-Epos die Troja-Sage sekundär überlagert haben, und wenn ja, wann das geschehen wäre. ‘Marko Kraljevi und Mina von Kostur’ V. 112 - 116 (Karadi 1969, 263; Low 1922, 94). Hom. Il. 1,306 f.; 9,190 f. und 11,602 - 617. Hom. Il. 16,1 - 100. Hom. Il. 9,590 - 596. Begründet bei Willcock 1964 und Grossardt 2001, 9 - 40.

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Erzählform wählte, die er aus dem überlieferten Sagenschatz kannte, also eine Form, in der die Vertrauensperson die vollständige Umstimmung des zürnenden Helden bewirkte, und diese Vertrauensperson wäre dann in einer solchen Version der Troja-Sage eben Patroklos gewesen. Ein anderes Szenario, das mit dem soeben skizzierten nicht in Übereinstimmung zu bringen wäre, aber parallel dazu existiert haben kann, lässt sich vielleicht in Anlehnung an das irische Epos ‘Táin’ entwerfen. Dort findet sich zwar keine eigentliche Zornhandlung. Doch der Held Cuchulainn wird von einem geheimnisvollen Krieger aufgefordert, drei Tage und Nächte zu schlafen. Während dieser Zeit kommen die Knaben von Ulster herbei, um an Cuchulainns Stelle zu kämpfen, insbesondere Follomain, der Sohn von Cuchulainns Onkel Conchobar (bei dem Cuchulainn aufgezogen worden war). Da aber Follomain und seine Mitstreiter alle im Kampf umkommen, schwört Cuchulainn nach seinem Erwachen Rache15. Die analogen Elemente dieser Erzählung zur Erzählung von Achilleus und Patroklos sind die gemeinsam verbrachte Jugend von Held und Stellvertreter16, das Muster von Kampfenthaltung und Tod des Stellvertreters aus Übermut im Kampf 17 und schließlich die jeweilige furchterregende Erscheinung des Helden bei seinem Wiedereintritt in den Kampf18. Ein weiteres bindendes Merkmal ist zudem die jeweilige Unzufriedenheit des Helden mit seinem Oberherrn: Achilleus begründet seinen Zorn und Kampfboykott unter anderem damit, dass Agamemnon sich im Kampfe stets feig zurückgehalten habe, dann aber den Löwenanteil der Beute an sich genommen habe, während die Helden, die sich für ihn in Gefahr begeben hatten, mit einem geringen Anteil zufrieden sein mussten 19; Cuchulainn äußert kurze Zeit vor seinem verhängnisvollen Schlaf ganz ähnliche Klagen über Conchobar, der ihn allein habe kämpfen lassen und ihm die ganze Zeit über im Streit mit den anderen irischen Provinzen nie zu

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‘Táin’ Kap. XVII (Windisch 1905, 336 - 350; O’Rahilly 1967, 197 - 199). Cuchulainn zieht bereits als kleines Kind selbständig zu seinem Onkel Conchobar und seinem Cousin Follomain nach Emain und vollbringt dort erste Heldentaten (‘Táin’ Kap. VII bzw. Windisch 1905, 106 - 170; O’Rahilly 1967, 158 - 171); Patroklos verbringt im Anschluss an ein Tötungsdelikt den Rest seiner Jugend bei Achilleus’ Vater Peleus (Hom. Il. 23,83 - 90). Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang vielleicht aber auch, dass nach der Sagenversion von Hes. Frg. 212a M.-W. Menoitios und Peleus Brüder waren; ihre Söhne Patroklos und Achilleus waren danach ebenso Cousins wie Follomain und Cuchulainn. Follomain will den gegnerischen König Ailill töten und kommt dabei selber ums Leben (‘Táin’ Kap. XVII, 2 bzw. Windisch 1905, 346; O’Rahilly 1967, 199). Patroklos versucht trotz der Warnung des Achilleus, Troja einzunehmen, und wird dabei getötet (Hom. Il. 16,684 - 867). Die Feuererscheinung über dem Haupt des Cuchulainn bzw. dem des Achilleus (cf. oben Kap. 2.2, Merkmal ‘i’). Hom. Il. 1,149 - 171 und 1,225 - 244.

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Schluss

Hilfe gekommen sei20. Diese Klage ist im Grunde nicht sehr funktionell in der ‘Táin’ und steht in einem gewissen narrativen Widerspruch zur gleich folgenden Geschichte vom geheimnisvollen Krieger, der für drei Tage Cuchulainns Rolle im Kampf übernimmt, seine Hilfe aber nicht so sehr mit der Passivität Conchobars begründet, sondern einfach mit der Erschöpfung Cuchulainns und nicht verhindert, dass Follomain in dieser Zeit umkommt. Gerade deshalb ist es denkbar, dass die Klage auf eine ältere Version der Erzählung zurückgeht, in der die Geschichte vom Tode Follomains ebenfalls in ein Muster von Zorn und Kampfboykott Cuchulainns eingebettet war. Wenn das so wäre, dann wäre damit auch die perfekte Parallele zur ‘Ilias’ hergestellt und die Erzählfolge von Heldenzorn, Kampfenthaltung, Tod des Stellvertreters und Rachezorn des Helden wäre damit insgesamt als traditionell erwiesen. Das würde dann auf eine griechische vorhomerische Version hindeuten, in der – ganz wie in der ‘Ilias’ – der Tod des Patroklos bereits kausal mit dem Zorn des Achilleus verbunden war. Wie eingangs erläutert, wäre das dann aber wohl nur eine von mehreren vorhomerischen Varianten gewesen, und das Argument ist natürlich sowieso mit einer gewissen Unsicherheit behaftet, da die Verbindung von Zorn, Kampfenthaltung und Tod für das irische Epos, wie gesagt, nur rekonstruiert ist. 6.2

Die Funktion des Achilleus-Zorns in der vorhomerischen Troja-Sage

Eine zweite Frage, zu der sich nach unserer Übersicht über die nicht-griechischen Epen ein klareres Bild gewinnen lässt, ist die Frage nach der generellen Funktion des Achilleus-Zorns in der Troja-Sage, also die Frage, ob es vor der ‘Ilias’ schon Epen gegeben haben kann, die in gleicher Weise das eine Motiv vom Zorn des Achilleus in das Zentrum ihrer Darstellung rückten. Das kühne Charakteristikum der ‘Ilias’ ist ja, dass sie erst im vorletzten Kriegsjahr mit ihrer Darstellung einsetzt und dafür gleich mit ihrem eigentlichen Thema anhebt, dass sie dieses Thema vom Streit zwischen Achilleus und Agamemnon dann in breiter Gestaltung durchführt und sogar noch etwas darüber hinausführt, indem sie auch noch die Aussöhnung des Achilleus mit Priamos darstellt, dass sie aber dennoch den Trojanischen Krieg nicht bis an sein Ende behandelt und selbst den Tod des Achilleus nicht mehr zeigt, sondern nur noch in Andeutungen narrativ vorbereitet. Diese Konzentration auf einen kurzen Handlungsausschnitt fand den deutlichen Beifall des Aristoteles, wurde aber bereits von dem wohl hellenistischen Kritiker Menekrates von Nysa wieder in Zweifel gezogen21 und stieß auch bei den kaiserzeitlichen Theoretikern regelmäßig auf Ablehnung22, wenn die auch zum Teil bereits das deutliche Bewusstsein zeigen, dass es sich hier um 20

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‘Táin’ Kap. XV, 4 bzw. Windisch 1905, 318 (O’Rahilly 1967, 194): “Und an diesem Tag ergriff den Cuchulinn grosse Reue, nämlich bei der Táin überhaupt allein zu sein.”; Windisch 1905, 328 (O’Rahilly 1967, 196): “Conchobar, nicht kommt er heraus, noch war seine Schaar im Kampf.” Referiert von den b und T Scholien zu Hom. Il. 24,804, V p. 642,80 - 88 Erbse. D.Chr. 11,34 und 11,127; Ps.-Longin. 9,12; Philostr. Her. 25,13; AP 7,138.

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einen Topos der Kritik handelt, der seinerseits wieder in Frage gestellt werden kann. Das Argument des Aristoteles ist ja letztlich auch nicht ganz stichhaltig: Zwar mag man vielleicht seine Bewunderung für die Gestaltungskraft des Iliasdichters teilen und seiner Abgrenzung der ‘Ilias’ von den Kyklischen Epen zustimmen, die allzu lange Handlungsstrecken abgedeckt hätten (Po. 1459 a 30 - b 2: dio; w{sper ei[pomen h[dh kai; tauvth/ qespevsio" a]n faneivh ”Omhro" para; tou;" a[llou", tw`/ mhde; to;n povlemon kaivper e[conta ajrch;n kai; tevlo" ejpiceirh`sai poiei`n o{lon ...). Aber der folgende Vergleich mit der ‘Odyssee’, aus der sich ebenso wie aus der ‘Ilias’ nur wenige Tragödien herstellen ließen (Po. 1459 b 2 - 7), bedarf bereits einer Qualifizierung. Denn die ‘Odyssee’ gibt zwar ebenfalls Ausblicke auf die Zukunft, führt aber den ihr unterlegten Stoff, die Geschichte von der Heimkehr des Odysseus, tatsächlich bis an sein Ende und bricht nicht wie die ‘Ilias’ vorzeitig ab. Dementsprechend finden sich in der nicht-griechischen Epik viele Heimkehrererzählungen, die wie die ‘Odyssee’ die Geschichte bis zur Wiederfindung des Helden mit der Ehefrau und bis zur Aussöhnung oder Abrechnung mit den Nebenbuhlern führen, aber keine monumentalen Kriegsepen, die vor der Entscheidung der Kriegshandlung den Erzählfaden durchschneiden. Diese Besonderheit der ‘Ilias’ ist sicher erklärungsbedürftig. Eine zweite erklärungsbedürftige Besonderheit der ‘Ilias’ ist die, dass sie zwar, wie gesagt, den Tod des Achilleus und den Untergang der Stadt nicht darstellt, dass sie aber beide Ereignisse als unmittelbar bevorstehend hinstellt23. So wird der Tod des Achilleus von Thetis aufs engste mit der von Achilleus beabsichtigten Tötung Hektors verknüpft (Hom. Il. 18,96: aujtivka gavr toi e[peita meq’ ”Ektora povtmo" eJtoi`mo"), obwohl nach der Darstellung der ‘Aithiopis’24 und nach der sonstigen nachhomerischen Tradition mindestens noch der Kampf des Achilleus mit den Amazonen, sein Streit mit Thersites und sein Waffengang mit Memnon zwischen diese beiden Ereignisse zu liegen kommen. In noch kühnerer Weise wird in der großen Prophezeiung des Zeus der Fall Trojas mit dem momentanen Angriff auf das Schiffslager und mit den Kämpfen um Patroklos verbunden und als deren direkte Folge hingestellt (Il. 15,54 - 71: ... oJ d [sc. der grollende Achilleus] ajnsthvsei o}n eJtai'ron // Pavtroklon: to;n de; ktenei' e[gcei faivdimo" ”Ektwr // Ilivou propavroiqe, povlea" ojl evsant aijzhouv" // ... // tou' de; colwsavmeno" ktenei' ”Ektora di'o" Acilleuv". // ejk tou` d’ a[n toi e[peita palivwxin para; nhw`n // aije;n ejgw; teuvcoimi diamperev", eij" o{ k’ Acaioi; // “Ilion aijpu; e{loien Aqhnaivh" dia; boulav"), obwohl die Zeitspanne zwischen den Kämpfen um das Schiffslager und der Einnahme der Stadt noch einmal erheblich größer ist als die zwischen der Tötung Hektors und der des Achilleus. Man mag einzelne der dazwischenliegenden Ereignisse in Frage stellen und als nachiliadische Erfindungen erklären, wie das jüngst wieder für den Kampf mit

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Ausführlicher dazu Schadewaldt 1966, 156 f., Dubielzig 1996, 11 - 14 und Danek 2001, 170 f. ‘Aithiopis’ bzw. Procl. Chr. p. 67,4 - 69,15 Bern.

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Memnon geschehen ist25. Dass aber sämtliche Ereignisse, die nach der kyklischen Darstellung auf den Tod des Achilleus folgen, also beispielsweise der erbitterte Streit des Odysseus mit Aias oder die Herbeiholung des Philoktetes, nachiliadische Erfindung seien, dies wird wohl niemand behaupten wollen26. Es zeigt sich also, dass die ‘Ilias’ den größeren Teil der letzten Kriegsereignisse bewusst unterdrückt und stattdessen einen verkürzenden und ‘falschen’ Kausalnexus zwischen dem Zorn des Achilleus und dem Untergang der Stadt herstellt. Zwar weiß der Iliasdichter um die Vielzahl der Ereignisse im letzten Kriegsjahr, was schon daraus erhellt, dass er die ‘Menis’ ins neunte Kriegsjahr legt und nicht ins zehnte. Doch bleibt das Faktum bestehen, dass er diese Ereignisse weitestgehend ignoriert und sie stattdessen, folgt man der Neoanalyse, in sein eigenes Epos hineinspiegelt. Es sind somit insgesamt drei Umstände, die vom Literarhistoriker erklärt werden müssen, die monumentale Ausgestaltung des Zornmotivs in der ‘Ilias’, der vorzeitige Abbruch der Erzählung nach dem Tod Hektors und die (pseudo-) kausale Verknüpfung dieser Ereignisse mit der Einnahme Trojas, und die Erklärung für alle drei Probleme ist unserer Annahme nach dieselbe. Ausgangspunkt der weiteren Darlegung ist noch einmal das einfache Zornmuster, wie es im Epos von Marko Kraljevi belegt ist, wie wir es aber auch für frühe Formen der Erzählung von Achilleus’ Beteiligung am Trojanischen Krieg postulieren dürfen 27. Danach war das Motiv vom Zorn des Achilleus in solchen frühen Epen überhaupt das handlungsprägende Motiv, zu dem ein kurzer Vorlauf hinführte, der von der Einberufung des Helden und von seiner Einnahme verschiedener kleinerer Städte während der langen vergeblichen Belagerungszeit berichtete. Auf die daran anschließende relativ breit ausgestaltete Zornepisode folgte dann das ‘logische’ Nachspiel der Eroberung der Stadt durch Achilleus, das aber ebenfalls in relativ wenigen Worten abgetan wurde. Dieses Muster erfuhr dann vor allem durch das neu aufgekommene Sagenmotiv vom Tod des Achilleus und durch die unter anderem dadurch verursachte Verbindung mehrerer Helfermuster einschneidende Veränderungen. Das Motiv vom Zorn des Achilleus wurde dadurch immer mehr in den Hintergrund gedrängt, d.h. es wurde nun kürzer abgehandelt (oder wurde im gleichen Umfang wie bis dahin behandelt, verlor aber in den allmählich aufkommenden Langepen an proportionalem Gewicht) und geriet nun zwar in eine Position, die immer noch in der Endphase des Kriegs lag, wurde aber durch eine ganze Reihe weiterer Ereignisse ergänzt wie beispielsweise den Raub des Palladions, den Kampf des Neo25

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Durch West 2003 (neoanalytischer Einspruch dazu bei Kullmann 2005, 10 - 25 und Currie 2006, 23 - 41; analytischer Ausgleichsversuch bei Heitsch 2006, 17 - 32). Die Traditionalität des ersten zum Zwecke des Beispiels genannten Ereignisses ergibt sich unter anderem daraus, dass schon die ‘Odyssee’ von ihm berichtet (11,543 - 551), und dass auch die Erwähnungen in den Kyklischen Epen sehr voraussetzungsreich sind (cf. Sbardella 1998). Die Traditionalität des zweiten Motivs ist sowieso durch die Erwähnung in der ‘Ilias’ (2,724 f.) gesichert (cf. oben Kap. 4.2.1 Anm. 22). Cf. oben Kap. 4.1.

Schluss

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ptolemos mit dem aus Mysien herbeigeeilten Eurypylos oder die List des Trojanischen Pferds. In solchen detailreichen, am linearen Erzählduktus orientierten vorhomerischen Epen hatte das Motiv vom Streit zwischen Agamemnon und Achilleus tatsächlich nur noch den Charakter eines Durchgangsmotivs, das zwar die Persönlichkeit der einzelnen Helden aufzeigen konnte, aber für das Gesamtgeschehen, d.h. die Eroberung der Stadt, nicht mehr funktional war28. Die ‘Ilias’ zeigt gegenüber solchen rekonstruierten vorhomerischen Epen, aber auch gegenüber den Kyklischen Epen die bemerkenswerte Konzentration auf den einen Handlungsausschnitt von etwa 50 Tagen im neunten Kriegsjahr bzw. auf das eine Motiv vom Zorn des Achilleus. Wie aus obiger Darstellung hervorgeht, war das aber eine Rückkehr zu sehr viel älteren Formen der TrojaSage, wenn auch mit dem Unterschied, dass die Einnahme der Stadt nun nicht mehr in einer direkten kausalen Verbindung mit dem Zorn des Achilleus stand, sondern nur noch in einer angedeuteten symbolischen Verknüpfung. Eine direkte Verbindung wäre ja nun auch nicht mehr möglich gewesen, da eine Fülle von Einzelmotiven aufgekommen war, die zwischen die Zornepisode und den Fall der Stadt zu liegen kamen. Anstelle des abschließenden siegreichen Sturmlaufs auf die Stadt, wie er bei Marko Kraljevi im direkten Anschluss an das Zornmotiv vorliegt, findet sich nun also – im direkten Anschluss an das Zornmotiv – der siegreiche Sturmlauf gegen Hektor, mit dem das Epos schon fast an sein Ende gelangt ist. Wir müssen uns also die Frage stellen, wie es zu dieser erstaunlichen Parallele bzw. zu dieser Wiederbelebung eines älteren Musters kam. Eine mögliche Antwort wäre natürlich einfach die, dass der Iliasdichter instinktiv das Potential des traditionellen, aber zu seiner Zeit eher untergeordneten Zornmotivs erkannte und die Parallele zu den älteren Formen schuf, ohne überhaupt noch Kenntnis dieser Formen zu haben. Eine andere, vielleicht näher an der Realität befindliche Antwort lässt sich aber unter Umständen mit dem Hinweis auf die allgemeinen Prinzipien der Sagenbildung geben, wie sie oben im einleitenden Kapitel umschrieben wurden: Danach beruhte der griechische Mythos zu wesentlichen Teilen auf traditionellen Erzählmustern, welche dann in größere Handlungszusammenhänge bzw. Sagenzyklen eingebaut wurden. Da aber solche Zyklen dann meist zu lang waren, um im einzelnen Liedvortrag zur Gänze vorgebracht zu werden, konzentrierte der einzelne Sänger sich häufig auf einen ausgewählten Handlungsabschnitt. Solche Abschnitte nun konnten wieder zusammenfallen mit den alten traditionellen Erzählmustern. Dies ist im griechischen Bereich vor allem für die ‘Odyssee’ erwiesen, die die Heimkehr des Odysseus eben nicht in einer reihenden Darstellung sämtlicher Nostoi behandelt, sondern sie aus diesem Zusammenhang aussondert und damit genau die Darstellungsform aufnimmt, die wir auch in einer Vielzahl sonstiger Heimkehrergeschichten finden. Dies kann aber kaum die besondere Leistung des Dichters der homerischen ‘Odyssee’ gewesen sein. Das Heimkehrermuster war viel28

Cf. die oben in Kap. 3.1 referierte These der ‘Durchgangsstation’, wie sie J. Latacz und andere formuliert hatten.

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Schluss

mehr so stark, dass auch zahllose Vorgänger des homerischen Dichters ungefähr denselben Handlungsausschnitt gewählt haben dürften und die Irrfahrten und die Heimkehr des Odysseus in einem separaten Heldenlied behandelten29. Ein traditionelles Erzählmuster kann also in einen Sagenzyklus eingebaut werden, aber auch jederzeit wieder reaktiviert werden, und genau dies scheint nun auch mit dem Motiv vom Zorn des Achilleus passiert zu sein. Der Dichter der homerischen ‘Ilias’ aktivierte das alte Muster von der Konzentration auf den Zorn des einen überragenden Helden, war aber vielleicht keineswegs der erste Dichter seiner Zeit, der das tat30. Die Wahrscheinlichkeit spricht vielmehr dafür, dass schon Generationen von anderen Dichtern dasselbe getan hatten, dass also auch sie schon die Konzentration auf den Zorn des Helden in der Endphase des Kriegs vorgenommen und die Einnahme der Stadt dann nur noch in summarischen Vorverweisen behandelt hatten. Zwar ist dabei nicht an schriftliche Großepen von der Art der erhaltenen ‘Ilias’ zu denken, aber durchaus an kürzere oder mittellange mündliche selbständige Epen, deren Form und Inhalt von Dichtergeneration zu Dichtergeneration weitergegeben wurden. Eben eine solche kontinuierliche Dichtungstradition dürfte die Erklärung dafür sein, dass das Zornmuster selbst unter der zunehmenden Dominanz chronographischer Langepen nie ganz in Vergessenheit geriet und so auch noch den Iliasdichter und seine geometrische Zeit erreichte. Hätte es keine solche Kontinuität gegeben, wäre es in der Tat schwer zu verstehen, wie der Iliasdichter auf die kühne Idee verfallen konnte, sein Epos mit dem Tod Hektors ausklingen zu lassen und – kühner noch – das Zornmotiv in eine so enge gedankliche Verbindung mit dem Untergang Trojas zu bringen, wie sie in seinem Epos vorliegt. Das Ergebnis dieser Arbeit mag unbefriedigend erscheinen. Die von Aristoteles (Po. 1459 a 30 - b 7) gerühmte Konzentration auf den knappen Handlungsausschnitt der mh'ni" war mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht Erfindung des Iliasdichters, sondern eine traditionelle Darstellungsform, und die einzelnen Handlungselemente, die mit dem Zornmuster verbunden sind, wie die gescheiterte Bittgesandtschaft oder der Tod des Stellvertreters und Freundes Patroklos, waren dem Dichter der ‘Ilias’ bereits vorgegeben. Dieses Ergebnis sollte aber nicht dazu verleiten, dem Iliasdichter jede Kreativität abzusprechen. Die zu seiner Zeit neu aufgekommene Möglichkeit, ein Heldenepos schriftlich aufzu29 30

Diese These im Detail diskutiert von Danek 1998. Möglicherweise lässt sich diese These auch auf dem Weg der Formelnanalyse erhärten; cf. Pavese 2007, 17 f., der aus der Parallele von Hom. Il. 1,1 (mh'nin a[eide, qeav) mit den Anfangsworten der ‘Thebais’ (Frg. 1 Bern.: “Argo" a[eide, qeav, poludivyion) und des orphischen Demeter-Hymnos (Orph. Frg. 386 Bern.: mh'nin a[eide, qeav, Dhmhvt ero" ajglaokavrpou) schließt, dass es sich um traditionelle Formelnsprache und somit um den typischen Anfang eines auf das Zornmotiv konzentrierten Heldenoder Götterlieds gehandelt habe. Doch ist nach wie vor denkbar, dass der orphische Demeter-Hymnos hier einfach von der ‘Ilias’ abhängt (cf. die Indizien für eine Abhängigkeit des homerischen Demeter-Hymnos von der ‘Ilias’ bzw. ihres Zornmotivs bei Grossardt 1998, 408 - 410).

Schluss

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zeichnen, sei es durch das Diktat oder durch die persönliche Niederschrift, muss ihm vielmehr als willkommene Gelegenheit erschienen sein, den traditionellen Plot auf eine neue Stufe zu heben und die überlieferten Geschehnisse nun in wesentlich breiterer Form zu schildern. Denn die von der Kritik immer wieder festgestellte meisterhafte Verbindung der detaillierten Personendarstellung, die durch die Beschränkung auf den Ausschnitt des Achilleus-Zorns ermöglicht war, mit einem grandiosen Ausblick auf die gesamte Troja-Sage, oder, anders formuliert: die Spiegelung der ganzen Erzählung im Ausschnitt weniger Tage, wie sie uns in der ‘Ilias’, aber in keinem anderen vergleichbaren Epos entgegentritt, hatte es in den vorangehenden mündlichen Darstellungen der Troja-Sage so wohl noch nicht gegeben. Und der ebenso versöhnliche wie tragische Ausklang der ‘Ilias’ in der Begegnung zwischen Achilleus und Priamos, die zur Freigabe von Hektors Leichnam, aber nicht zur Beendigung des Kriegs und des damit verbundenen menschlichen Leids führt, kann – mindestens in der vorliegenden, mit Herzblut ausgestalteten Form – durchaus erst Erfindung dieses Dichters gewesen sein. Es war nicht die Neuerfindung eines tragenden Handlungsmotivs wie des Achilleus-Zorns, sondern eben diese emotionale und menschliche Durchdringung des vorgegebenen Musters, die dem Iliasdichter seinen Ruhm in der Antike und der Neuzeit sicherte.

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3. Sekundärliteratur: Die folgende Auflistung der benützten Sekundärliteratur ist zum Zweck der besseren Übersicht in mehrere Teilbereiche unterteilt. Auf Titel zur römischen Tradition folgen Titel zur griechischen Tradition und zuletzt solche zur allgemeinen und vergleichenden Erzählforschung. In Zweifelsfällen, die vor allem zwischen den beiden letztgenannten Gruppen möglich scheinen, ist der Leser gebeten, die unterschiedlichen Rubriken zu konsultieren. Die für Zeitschriften und Akademiepublikationen gebrauchten Abkürzungen sind diejenigen von ‘Année Philologique’. 3.1. Literatur zur Legende von Coriolan, sonstige Literatur zur römischen Tradition: Adam 2001: Anne-Marie Adam, Des “condottieri” en Etrurie et dans le Latium à l’époque archaïque, Latomus 60, 2001, 877 - 889 Adam, Rouveret 1990: Anne-Marie Adam, Agnès Rouveret, Les cités étrusques et la guerre au Ve siècle avant notre ère, in: Crise et transformation des sociétés archaïques de l’Italie antique au Ve siècle av. J.-C., Roma 1990, 327 - 356 Ahlrichs 2005: Bernhard Ahlrichs, “Prüfstein der Gemüter”. Untersuchungen zu den ethischen Vorstellungen in den Parallelbiographien Plutarchs am Beispiel des “Coriolan”, Hildesheim 2005 Aly 1936: Wolfgang Aly, Livius und Ennius. Von römischer Art, Leipzig - Berlin 1936 Badian 1966: Ernst Badian, The early historians, in: T. A. Dorey (Hrg.), Latin historians, London 1966, 1 - 38 Bloch 1881: G. Bloch, Quelques mots sur la légende de Coriolan, Mélanges d’ archéologie et d’histoire 1, 1881, 215 - 225 Boëls-Janssen 1993: Nicole Boëls-Janssen, La vie religieuse des matrones dans la Rome archaïque, Roma 1993 Bonghi 1879: Ruggiero Bonghi, I tipi romani. Gneo Marcio Coriolano, Nuova Antologia di Scienze, Lettere ed Arti 46 (= seconda serie, vol. 16), 1879, 393 - 430 Bonjour 1975: M. Bonjour, Les personnages féminins et la terre natale dans l’ épisode de Coriolan (Liv., 2,40), REL 53, 1975, 157 - 181 Brelich 1939: Angelo Brelich, Il mito nella storia di Cecilio Metello, SMSR 15, 1939, 30 - 41 Bremmer 1987: Jan N. Bremmer, Romulus, Remus and the foundation of Rome, in: Jan N. Bremmer, Nicholas M. Horsfall (Hrgg.), Roman myth and mythography, London 1987, 25 - 48 Bruun 2000: Christer Bruun, “What every man in the street used to know”: M. Furius Camillus, Italic legends, and Roman historiography, in: Christer Bruun (Hrg.), The Roman middle republic: politics, religion, and historiography c. 400 - 133 B.C., Roma 2000, 41 - 68

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APPENDICES 1. Das Lied von Marko Kraljevi und Mina von Kostur nach der Version von Vuk St. Karadi 1 Der serbische, mithin christlich-orthodoxe Held Marko Kraljevi aus Prilep erhält vom türkischen Sultan einen Brief, in welchem er zur Teilnahme am Kampf gegen die Araber aufgefordert wird. Marko nimmt diese Einladung an, obwohl er weiß, dass sein Feind Mina von Kostur beabsichtigt, seinen Palast zu plündern und seine Frau zu entführen. Zusammen mit einem Diener und mit seinem Pferd arac (‘Schecke’) bricht Marko nach Istanbul auf: 80

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1

Als sie zur Stadt des Sultans gekommen waren, setzte der Sultan seine starke Armee in Bewegung, und sie fuhren los über das blaue Meer zur wilden Provinz der Araber, und sie nahmen am Meer gelegene Städte ein, vierundvierzig Städte an der Zahl. Als sie aber nach Kara-Okan gekommen waren, bestürmten sie Okan drei volle Jahre, bestürmten sie Okan und konnten es doch nicht nehmen. Marko metzelte arabische Helden nieder und brachte alle Köpfe vor den Sultan, und der Sultan gab Marko Geschenke dafür. Dies war eine große Qual für die Türken, und sie sprachen zum erhabenen Sultan: “Herr und Sultan Bajaset! Marko ist kein Held, in keiner Weise, sondern schneidet die Köpfe ab von Toten und bringt sie dir um ein Geschenk.” Dies hörte Marko Kraljevi und er bat den erhabenen Sultan: “Sultan, Herr und Vater, morgen ist mein Namenstag, der schöne Tag des heiligen Georg.

Vollständiger serbokroatischer Text unter dem Titel ‘Marko Kraljevi i Mina od Kostura’ in Karadi 1969, 261 - 268, eine englische Übersetzung in Low 1922, 91 100. Die deutsche Übersetzung des mittleren Abschnitts wurde vom Verfasser hergestellt. Sein herzlicher Dank gilt Prof. G. Danek (Wien) für die Überlassung einer unpublizierten deutschen Übersetzung des gesamten Liedes, die gegenüber der fehlerhaften Übertragung Lows wesentliche Verständnisfortschritte bringt.

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Appendices Gib mir frei, Herr und Vater, auf dass ich meinen Namenstag feiere nach Gesetz und Brauch. Und gib mir meinen Blutsbruder Alil-Aga mit, auf dass ich in Frieden Wein die Fülle trinke.” Der Sultan konnte nicht anders, sondern entließ Marko Kraljevi , auf dass er seinen Namenstag feiere, und er gab ihm den Blutsbruder Alil-Aga mit. Marko ging in den grünen Wald, weit von der Armee des Sultans. Er stellte sein weißes Zelt auf und saß unter ihm, um dunklen Wein zu trinken, mit seinem Blutsbruder Alil-Aga. Als frühmorgens der Morgen gedämmert hatte, erkannte die Wache der Araber sogleich, dass Marko nicht bei der Armee war. Und es rief die Wache der Araber: “Greif jetzt an, wildes Arabien! Der furchtbare Held fehlt auf dem scheckigen großen Pferd.” Da griff das wilde Arabien an, dreißigtausend Krieger gingen dem Sultan verloren. Da schrieb der Sultan Marko einen Brief: “Komm schnell, Marko, mein Sohn! Dreißigtausend Krieger sind mir gefallen.” Aber Marko antwortete dem Sultan: “Wie könnte ich so schnell kommen, Herr und Vater? Ich habe noch nicht genügend Wein getrunken, geschweige denn, dass ich mich zu meiner Feier erhoben hätte.” Als der zweite Morgen gedämmert hatte, rief die Wache der Araber wieder: “Greif jetzt an, wildes Arabien! Der furchtbare Held fehlt auf dem scheckigen großen Pferd.” Und die Araber unternahmen einen Sturmlauf, sechzigtausend Krieger gingen dem Sultan verloren. Wieder schrieb der Sultan Marko einen Brief: “Komm schnell, Marko, mein Sohn! Sechzigtausend Krieger sind mir gefallen.” Aber Marko antwortete dem Sultan: “Warte ein wenig, Herr und Vater, ich habe noch nicht genug gefeiert mit meinen Gevattern und Freunden.”

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Als der dritte Morgen gedämmert hatte, rief die Wache der Araber wieder: “Greif jetzt an, wildes Arabien! Der starke Held fehlt auf dem scheckigen großen Pferd.” Und die Araber unternahmen einen Sturmlauf, hunderttausend Krieger gingen dem Sultan verloren. Da schrieb der Sultan Marko einen Brief: “Sieh zu, dass du schnell da bist, mein Sohn Marko! Sieh zu, dass du schnell da bist, mein Sohn in Gott! Die Araber haben mein Zelt zerstört.” Da bestieg Marko den arac und begab sich zur Armee des Sultans. Als frühmorgens der helle Tag gedämmert hatte und die beiden Armeen zusammengestoßen waren, sah ihn die Wache der Araber, und sie riefen aus der weißen Kehle: “Weiche jetzt zurück, wildes Arabien! Er ist wieder da, der furchtbare Held auf dem scheckigen großen Pferd.” Da stieß Marko zwischen die Araber, nach drei Seiten hin zerstreute er ihre Armee: Einen Armeeteil zerstückelte er mit dem Säbel, den zweiten Armeeteil trat er mit dem arac nieder, den dritten Armeeteil trieb er vor den Sultan. Aber Marko hatte sich böse verletzt, siebzig Wunden hatte er erhalten, siebzig Wunden von den Arabern. Und er fiel dem Sultan in den Schoß. Da fragte ihn der Sultan und Herr: “Mein Sohn, Kraljevi Marko! Sind diese Wunden tödlich? Kannst du sie, mein Sohn, verwinden, wenn ich dir eine Salbe und Ärzte herbeibringe?” Es sagte zu ihm Marko Kraljevi : “Herr, Sultan und Vater! Die Wunden sind nicht tödlich, es scheint mir, dass ich sie verwinden kann.” Der Sultan griff mit der Hand in seine Taschen und gab ihm tausend Dukaten, damit er ging, um seine schweren Wunden auszuheilen. Und er schickte zwei treue Diener hinter Marko her, damit sie zusahen, dass Marko nicht starb. Aber Marko suchte keine Ärzte,

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Appendices sondern ging von Herberge zu Herberge und suchte, wo der bessere Wein war.

Marko hört von der Entführung seiner Frau durch Mina. Er begibt sich in der Verkleidung eines orthodoxen Mönches nach Kostur und bietet dort an, Mina mit Markos Frau zu trauen. Während der Trauungszeremonie gibt er sich zu erkennen, tötet Mina und kehrt mit seiner Frau nach Prilep zurück.

Appendices

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2. Der Feldzug Markos gegen Arabien nach den dalmatinischen Versionen a) Marko Kraljevi und Minja von Kostur2 Marko wird durch einen Brief zum Sultan gerufen und erfährt von der Notwendigkeit eines Kriegszugs gegen die Araber: 61

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Da zog Marko los, um gegen das schöne arabische Land zu kämpfen. Drei volle Jahre kämpften sie mir da, die türkischen Ritter. Als sich mir aber das dritte Jahr vollendet hatte, da trafen mir Nachrichten ein beim tapferen Kraljevi Marko, bei Kraljevi Marko, dass ihm Minja von Kostur die weiße Burg geplündert habe, geplündert die weiße Burg und niedergebrannt mit loderndem Feuer, ihm, Kraljevi Marko, und dass er ihm die alte Mutter und seine Liebste entführt habe.

b) Lied von Marko Kraljevi , wie er Michna von Kostur tötete und Kostur gewann3 Marko wird vom Sultan zum Krieg gegen die Araber gerufen: 30

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2

3

Und er ging, um dem strahlenden Zaren zu dienen. Und dieser schickte ihn mit einem Heer nach Arabien. Da schlug das Glück zu seinen Gunsten aus, weil Marko sich nämlich Arabien erwarb.

Übersetzt vom Verfasser nach Bogii 1878, 20 - 24 (Bogii überspringt leider in seiner Verszählung genau an der relevanten Stelle die Verse 56 - 60; um die Konfusion nicht weiter zu verstärken, wird daher auch hier der erste übersetzte Vers gleich als Vers 61 [= V. 56] gezählt). Übersetzt vom Verfasser nach Bogii 1878, 233 - 238.

INDICES 1. Namen mythologischer und historischer Personen Achilleus: passim Adrastos: 84 Agamemnon: 10, 17, 28, 39, 40 A. 110, 43 A. 132, 44 f., 45 A. 139, 56 A. 12, 60 - 64, 65, 69, 77 A. 26, 83, 92, 97 - 100, 103 f., 105 A. 81, 107, 111, 112, 115 Aias (von Salamis): 17, 39, 66, 86, 89, 101, 114 Aineias: 59, 87 A. 89 Aiolos: 8 A. 31 Akastos: 62 A. 52 Alexander der Große: 51, 98 A. 43 Alfonso VI., König von Spanien: 28, 40, 46, 48 Alil-Aga: 46, 110 Alpamisch: 14 A. 55, 50 A. 175 Alvar Fáñez: 40, 46, 47 Amazonen: 66, 113 Amphiaraos: 74, 84 Antenor: 97 - 100 Antilochos: 54 A. 4, 66, 87 A. 89, 87 A. 93, 89, 92 A. 9 Aphrodite: 65 Apollon: 74 f., 88 f. Appius Claudius: 95 A. 18 Argonauten: 11, 83, 92 A. 11 Arion: 3 A. 12 Arjuna: 10, 45, 45 A. 139, 47, 48, 51 A. 185, 52 A. 186 Artemis: 89 A. 102 Astyanax: 77, 77 A. 28, 78, 91 A. 2, 100 Atalante: 3 A. 12 Athene: 77 A. 27, 81 Attius Tullius: 21, 23 A. 47, 28, 36, 37, 37 A. 100 Bey Ljubovi: 94 Bhischma: 43, 46, 48

Briseis: 56, 56 A. 13, 63, 64, 69 Caecilius Metellus: 25 A. 56 Camillus: 25 A. 56, 94 - 96 Chryseis: 56, 56 A. 13, 63, 64, 69 Cid: s. El Cid Conchobar: 40, 46, 111 f. Connla: 51, 52 A. 186 Coriolan: 6, 14, 15 - 39, 39, 40, 45 - 47, 53, 68, 86 A. 82, 93, 95 A. 24, 96 A. 28, 110 Cuchulainn: 9, 35 f., 39 f., 41, 46, 47, 49, 49 A. 171, 51, 52 A. 186, 89, 110, 111 f. Deidameia: 77 Deiphobos: 91 A. 2, 98 A. 39, 103 f., 105 Demeter: 5 f., 116 A. 30 Demodokos: 7, 60, 68 Diomedes: 74, 76 Dionysos: 82, 82 A. 61 Draupadi: 10 Duryodhana: 43, 46 erelez Alija: 93, 95 A. 25, 104 El Cid: 25 A. 57, 26, 28, 40 f., 45, 47, 48, 53, 55 A. 8, 68, 89, 93, 95 A. 24 Enkidu: 109 A. 9 Eriphyle: 84 Eubuleus: 6 A. 21 Eumaios: 11 A. 48 Euphorbos: 87 A. 93 Eurypylos: 115 Eurytion: 62 A. 52 Eurytos: 106 Fergus: 40, 47, 110

148 Fiachu: 46 Follomain: 47, 49, 111 f. Furius Camillus: s. Camillus Gaia: 80 - 83 Giganten: 80 - 83, 91 A. 3, 96 A. 29 Gilgamesch: 109 A. 9 Gudarz: 42, 47, 48, 110 Hades: 6 Hamdir (Hamther): 43 A. 132 Hanuman: 96 - 100, 103 f. Heinrich von Braunschweig: 8 A. 28 Hekabe: 19 A. 19, 34 A. 93 Hektor: 5, 34 A. 93, 45, 48, 60, 75, 75 A. 18, 77, 79, 88, 91, 91 A. 2, 109, 113 - 117 Helena: 56, 56 A. 13, 64, 65 f., 85 A. 76, 86, 86 A. 83, 91 A. 2, 92, 95 A. 18, 97 - 100, 103 f., 107, 109 Helenos: 76 A. 19, 77 A. 26, 78 A. 31 Herakles: 76, 78 A. 32, 81 f., 82 A. 61, 83, 91 A. 3, 93, 105 - 107 Hermes: 6 Hildebrand: 51 A. 185 Hiob: 44 A. 135 Hippodameia: 3 A. 12 Hylas: 83 Idomeneus: 89 Il’ja: 51 Iole: 106 Iphigeneia: 65 Iphitos: 106 Iris: 6 Jason: 83, 92 A. 11 Kalchas: 76 A. 19 Kalypso: 7

Indices Karl der Große: 8 A. 28 Karna: 35, 43, 46, 47, 48, 53, 61 Kirke: 8 A. 31 Kleopatra (Frau des Meleagros): 30, 39, 110 Krischna: 45, 47 Kronos: 81, 81 A. 56 Kyknos: 66 Lakschamana: 97 - 100, 104 Lanzelot: 10 A. 44 Lykaon: 108 A. 2 Lykomedes: 78 Mac Roth: 46 Marce Camitlnas: 96 A. 27 Marcius Coriolanus: s. Coriolan Marcius Rutilus: 22 A. 41 Marko Kraljevi: 15, 26, 35, 41 f., 45 - 48, 50, 52, 52 A. 188, 53, 61, 68 f., 72 - 74, 89, 93, 94, 95 A. 25, 104, 110, 114 f. Marpessa: 3 A. 12 Medb: 39 f., 46, 47 Melanippos: 84 Meleagros: 1 A. 5, 30, 32, 33, 38 A. 102, 39, 59, 59 A. 40, 83, 89 A. 102, 92 A. 11, 110 Memnon: 54 A. 4, 56 A. 12, 62, 63, 66, 80, 88, 113 Menelaos: 10, 43 A. 132, 58, 66, 77 A. 26, 84, 85 A. 76, 91 A. 2, 92, 92 A. 8, 97 - 100, 103 f., 105, 105 A. 81 Menoitios: 78, 100 A. 56, 111 A. 16 Meriones: 87 A. 89 Mina von Kostur: 41 f. Neoptolemos: 66, 77 f., 77 A. 28, 78 A. 32, 80, 82, 85 - 88, 89, 91 A. 1, 91 A. 2, 92, 96, 100, 101, 105, 114 f. Nestor: 6, 78, 89, 92 A. 9

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Indices Niobe: 5 Odysseus: 2, 4, 7, 8, 10, 11, 13 A. 54, 17, 39, 51 f., 53, 60, 62, 66, 70 A. 103, 72 A. 3, 75, 76 - 80, 85 A. 76, 86, 87, 89, 91, 91 A. 2, 92, 96 - 100, 101 - 104, 105 107, 109, 114, 115 f. Omphale: 83 Orli: 94 Orsilochos: 87 A. 90 Palamedes: 66, 67, 77, 89 Paris: 1 A. 3, 58, 59 A. 40, 65, 66, 74, 76, 88, 91 A. 2, 92, 93, 97 100, 103 f., 105, 107, 109 Patroklos: 14 A. 56, 39, 44 f., 48, 49, 49 A. 171, 54 A. 4, 56 A. 15, 58 A. 27, 74, 75 A. 18, 78, 86, 87 A. 86, 100 A. 56, 106 A. 90, 108 - 112, 113, 116 Pedro Bermúdez: 41 A. 118 Peleus: 62 A. 52, 78, 87 A. 86, 88, 111 A. 16 Pelops: 91 A. 1 Penelope: 10, 14 A. 55, 103 Penthesileia: 80 Persephone: 5 f. Philoktetes: 65, 66, 76, 78, 78 A. 32, 80, 82, 91 A. 1, 91 A. 2, 92, 93, 96, 100 f., 105 - 107, 114 Phoinix: 17, 39, 59, 87 A. 86, 101, 109 Phokos: 62 A. 52 Polydoros: 87 A. 93 Polyneikes: 84 Polyphemos: 8 A. 31 Poseidon: 4, 59 Postumus Cominius: 21, 23 A. 47, 36, 37 Priamos: 5, 65, 78, 80, 87 A. 93, 91 A. 2, 97 - 100, 108 A. 2, 112, 117 Protesilaos: 66, 89

Rama: 10, 10 A. 44, 97 - 100, 103 f. Ravana: 97 - 100, 103 f. Rhea: 6, 81 A. 56 Rostam: 15, 35, 42 f., 45 - 48, 51 f., 53, 61, 89, 110 Sanherib: 43 A. 132 Sita: 10, 97 - 100 Skamandros: 75 Sohrab: 42, 46, 51 f. Sokol’niek: 51 Sthenelos: 74 Tarquinius: 22 A. 36 Teiresias: 9 Telegonos: 42, 51 f. Telemachos: 4, 7, 85 A. 76 Telephos: 65, 108 A. 3 Tenes: 88 Teukros: 106 A. 90 Thersites: 59, 62, 63, 113 Theseus: 83 Thetis: 18, 19, 62, 63, 88, 113 Titanen: 80 - 83, 91 A. 3, 95 A. 19, 96 A. 29 Titus Larcius: 28 A. 68 Triptolemos: 6 A. 21 Troilos: 66, 67, 87 Uranos: 81 Vabhruvahana: 51 A. 185, 52 A. 186 Veturia: 16, 17 f., 24, 29, 31, 33 Vibhisana: 97 - 100 Vischnu: 45 Volumnia: 16, 24, 31 Yudhischthira: 10, 45, 45 A. 139, 47, 48 Zeus: 5, 19, 58 A. 27, 59, 78, 81, 84, 107, 113

150

Indices

2. Griechische und lateinische Autoren AELIAN VH 12,48: 51 A. 179 AISCHYLOS Fragmente (TrGF 3): F 132b: 19 F 249 - 257: 76 A. 20 Erhaltene Tragödien: Th. 587 f.: 84 A. 72 ANTHOLOGIA PALATINA 7,138: 112 A. 22 ANTIMACHOS von KOLOPHON (Matthews) Frg. 69: 83 A. 69 APOLLODOROS Bibl. 1,6,1: 81 Bibl. 1,9,16: 83 A. 66 Bibl. 2,4,9: 106 A. 88 Bibl. 2,6,1: 106 A. 86 Bibl. 2,6,3: 83 A. 65 Bibl. 2,6,4: 107 A. 94 Bibl. 2,7,7: 106 A. 87 Bibl. 3,5,6: 5 A. 19 Bibl. 3,6,2: 84 A. 71 Bibl. 3,6,8: 84 A. 72 Bibl. 3,10,8: 86 A. 83 Bibl. 3,13,2: 62 A. 52 Bibl. 3,13,8: 79 A. 38, 79 A. 41 Epit. 3,2: 65 A. 66 Epit. 3,3 - 4: 65 A. 67 Epit. 3,7: 77 A. 25 Epit. 3,8: 66 A. 78 Epit. 3,11 - 16: 65 A. 68 Epit. 3,16: 86 A. 83 Epit. 3,17: 65 A. 69 Epit. 3,18: 86 A. 84 Epit. 3,21: 65 A. 70 Epit. 3,22: 65 A. 71 Epit. 3,23 - 27: 65 A. 72

Epit. 3,26: 88 A. 99 Epit. 3,28 - 29: 66 A. 75 Epit. 3,30: 66 A. 73 Epit. 3,31: 66 A. 74 Epit. 3,32: 66 A. 76, 66 A. 77 Epit. 3,33: 66 A. 77, 70 A. 101 Epit. 5,1: 62 A. 50, 66 A. 80 Epit. 5,3 - 4: 66 A. 81 Epit. 5,3: 74 A. 8, 88 A. 96 Epit. 5,5 - 7: 66 A. 82 Epit. 5,5: 106 A. 90 Epit. 5,6: 101 A. 58 Epit. 5,8: 66 A. 83, 76 A. 19, 76 A. 20, 107 A. 93 Epit. 5,10: 77 A. 26, 78 A. 31 Epit. 5,11: 66 A. 84, 77 A. 29, 78 A. 30, 86 A. 80 Epit. 5,13: 66 A. 85 Epit. 5,14 - 23: 66 A. 86 Epit. 5,21: 78 A. 34 Epit. 5,22: 98 A. 39, 98 A. 41 Epit. 5,23: 77 A. 28 Epit. 6,8: 66 A. 78 Epit. 7,34: 5 A. 17 APOLLONIOS von RHODOS 1,101 - 104: 83 A. 67 1,1153 - 1357: 83 A. 70 APPIAN Ital. 5: 16 A. 5 ARISTOPHANES Lys. 155 f.: 98 A. 41 Vesp. 714: 98 A. 41 ARISTOPHANES, SCHOLIEN Ra. 912: 19 ARISTOTELES Po. 1459 a 30 - b 7: 67 A. 88, 113, 116

151

Indices Rh. 1401 b 16 - 20: 60 A. 41 ASKLEPIADES von TRAGILOS (FGrHist 12) F 29: 84 A. 71 ATHENAIOS 11,461 f: 106 A. 87 BAKCHYLIDES Fragmente (Maehler): Frg. 7: 76 A. 19 Erhaltene Lieder: Dith. 15: 97 A. 36 CATO orig. VII 13 Chassignet: 38 A. 101 CHRYSIPPOS (SVF II) 180,20: 60 CICERO Brut. 75: 38 A. 101 div. 1,55: 32 A. 82 Tusc. 1,3: 38 A. 101 Tusc. 4,3: 38 A. 101 CINCIUS ALIMENTUS ‘Römische Geschichte’: 20 A. 20 DARES PHRYGIUS 19: 48 28: 48 30: 48 32: 48 44: 97 A. 37 DIKTYS von KRETA 2,14: 107 A. 92 2,33: 76 A. 20 2,36: 60 A. 41 2,47: 76 A. 20 4,19: 76 A. 21 5,17: 97 A. 37

DIO CASSIUS (Boissevain) 5 Frg. 18: 16 A. 5, 19 A. 19, 34 A. 93 DIODORUS SICULUS 4,15,1: 82 A. 59 4,37,5: 106 A. 87 4,38,4: 105 A. 82 4,65,5 - 6: 84 A. 71 14,93,2: 94 A. 16 DION CHRYSOSTOMOS 11,34: 112 A. 22 11,117: 76 A. 21 11,127: 112 A. 22 52: 76 A. 20 53,6 - 7: 51 A. 179 DIONYSIOS von HALIKARNASSOS 1,6,2: 20 A. 20 2,72,8: 29 A. 72 5,61,3: 22 A. 34 6,39,1: 27 6,91 - 94: 21 A. 29 6,92: 28 A. 68 6,92,3: 22 A. 38 6,92,5 - 6: 25 A. 58 6,94,2: 21 A. 31 7,1,4: 16 A. 3 7,19, 2 - 4: 23 A. 44 7,21,3: 23 A. 44 7,21,4: 27 7,66,5: 20 7,71,1: 16 A. 3, 32 A. 82 8,3: 21 A. 26 8,4,4: 21 A. 27 8,13,3: 28 8,14 - 21: 26 A. 60, 45 A. 136, 68 A. 93 8,22 - 38: 46 A. 145 8,22,4: 30 A. 77 8,23,2: 17 8,25,4: 31 A. 81

152 8,29,1: 17 8,35,5: 29 8,36: 26 A. 61, 45 A. 136, 68 A. 93 8,37,2: 29 8,38,1 - 2: 30 A. 78 8,40,4: 18 A. 13 8,40,5: 18 A. 13 8,45 - 54: 47 A. 151 8,50,3: 17 8,50,4: 18 8,52,2: 18 8,52,3: 18 8,54,1: 19 A. 18 8,55 - 56: 24 A. 50 8,56,1: 16 A. 3, 24 A. 54 8,57,3: 28 8,57,4: 28 8,59,2 - 4: 36 A. 97, 36 A. 99 8,59,4: 38 8,62,3: 38 12,13 - 14: 94 A. 16 ENNIUS ‘Annales’: 30 f., 94 A. 17 EURIPIDES: Fragmente (TrGF 5): F 681a - 686: 79 A. 38 F 787 - 803: 76 A. 20 Erhaltene Tragödien: Andr. 8 - 11: 77 A. 28 Andr. 627 - 631: 98 A. 41 Hec. 21 - 24: 78 A. 34 HF 177 - 180: 82 A. 58 HF 1272: 82 A. 58 Supp. 500 f.: 84 A. 72 Supp. 925 - 927: 84 A. 72 Tro. 16 f.: 78 A. 34 Tro. 481 - 483: 78 A. 34 Tro. 719 - 739: 77 A. 28 Tro. 860 - 1059: 98 A. 41 Tro. 1133 - 1135: 77 A. 28

Indices EURIPIDES, HYPOTHESEIS ‘Skyrioi’: 79 A. 41, 88 A. 98 EUSTATHIOS Hom. Il. 2,691: 70 A. 102 Hom. Od. 11,120: 9 A. 34 FABIUS PICTOR (Chassignet) Frg. 19 - 20: 32 A. 82 Frg. 21: 31 FESTUS (Lindsay) p. 282,18 - 22: 24 A. 50 GALEN (Kühn) XII p. 172: 107 A. 92 HELLANIKOS von LESBOS (FGrHist 4) F 26b: 107 A. 94 HERODOT 1,46 - 52: 84 A. 72 7,193,2: 83 A. 68 (PS.-) HESIOD Fragmente (M.-W.): 43a,65: 82 A. 58 72 - 76: 3 A. 12 204,87 - 92: 86 A. 83 212a: 111 A. 16 263: 83 A. 68 Erhaltene Epen: Th. 147 - 160: 81 A. 51 Th. 161 - 210: 81 A. 55 Th. 468 - 480: 81 A. 56 Th. 501 - 506: 81 A. 52, 81 A. 57 Th. 617 - 628: 80 A. 44 Th. 617 - 620: 81 A. 53 Th. 624 - 628: 80 A. 46 Th. 629 - 638: 80 A. 45 Th. 639 - 666: 80 A. 47 Th. 655 - 663: 81 A. 54 Th. 666 - 712: 80 A. 48

Indices Th. 713 - 721: 81 A. 49 Th. 722 - 735: 81 A. 50 Th. 954: 82 A. 58 HOMER, ILIAS 1,1: 116 A. 30 1,53 - 222: 44 1,58: 87 A. 88 1,84: 87 A. 88 1,148: 87 A. 88 1,149 - 171: 111 A. 19 1,223 - 303: 44 1,225 - 244: 111 A. 19 1,240 - 244: 95 A. 18 1,306 f.: 44, 110 A. 11 1,307: 109 1,348 - 430: 61 A. 43 1,366 - 369: 64 A. 59 1,511 - 513: 19 2,211 - 277: 59 2,229 - 330: 65 A. 70 2,278: 75 A. 14 2,688 - 694: 64 A. 59, 66 A. 77, 69 A. 98 2,695 - 710: 66 A. 73 2,716 - 720: 107 A. 91 2,721 - 723: 65 A. 72 2,724 f.: 66 A. 83, 76 A. 20, 114 A. 26 3,205 - 224: 66 A. 75, 99 A. 48 3,205 - 208: 97 A. 36 4,404 - 410: 75 A. 11 5,638 - 642: 107 A. 94 6,288 - 292: 65 A. 67 6,321 - 368: 58 6,330: 59 A. 32 6,414 - 428: 64 A. 59, 69 A. 98 6,523: 59 A. 32 7,347 - 353: 97 A. 36 8,266 - 334: 106 A. 90 8,372: 75 A. 13 9,48 f.: 74 A. 10 9,128 - 132: 66 A. 77 9,182 - 657: 44

153 9,190 f.: 44, 110 A. 11 9,197 f.: 17 A. 9 9,225 - 306: 17, 39 A. 106 9,252 - 259: 78 A. 37 9,304 - 306: 60 9,308 - 429: 17 9,308 - 313: 101 A. 59 9,328 f.: 44, 66 A. 77, 70, 75 A. 18 9,356 - 363: 60 f. 9,410 - 416: 89 A. 103 9,413: 18 9,430 f.: 18 9,434 - 605: 39 A. 106 9,438 - 443: 87 A. 86 9,496: 18 A. 12 9,497 - 501: 18 A. 11 9,497: 59 A. 35 9,502 - 512: 17 f., 59 A. 38 9,502: 17 A. 10 9,508 f.: 17 A. 10 9,514: 59 A. 33 9,529 - 599: 6, 30, 39 9,574 - 589: 30 9,574 - 580: 33 9,590 - 596: 30, 110 A. 13 9,624 - 642: 39 A. 106 9,663 - 668: 66 A. 77 10,363: 75 A. 14 11,122 - 142: 66 A. 75, 99 A. 48 11,602 - 617: 44, 110 A. 11 11,670 - 762: 6 11,765 - 790: 78 A. 37 11,785 - 789: 87 A. 86 13,83 - 135: 59 13,97: 59 A. 32 13,108: 59 A. 32 13,114: 59 A. 32 13,115: 59 A. 36, 59 A. 37, 59 A. 39 13,116: 59 A. 32 13,118: 59 A. 32 13,121: 59 A. 32 13,348: 87 A. 89

154 13,455 - 469: 59 14,250 f.: 107 A. 94 15,54 - 71: 113 15,77: 75 A. 13 15,157 - 228: 59 15,203: 59 A. 34, 59 A. 35, 59 A. 39 15,217: 18 A. 12, 59 A. 37 15,569 - 571: 87 A. 93 16,1 - 100: 39 A. 107, 45, 110 A. 12 16,22: 58 A. 27 16,57: 64 A. 59 16,97 - 100: 74 A. 9 16,130 - 144: 86 A. 81 16,237: 58 A. 27 16,257 - 867: 45 16,278 - 283: 86 A. 81 16,684 - 867: 111 A. 17 16,808 - 811: 87 A. 93 17,709: 87 A. 89 18,1 - 147: 45 18,96: 88 A. 100, 113 18,98 - 100: 50 A. 177 18,114 - 116: 50 A. 177 18,202 - 231: 45 18,354: 87 A. 89 18,358: 87 A. 89 19,40 - 276: 45 19,291 - 300: 64 A. 59, 69 A. 98 19,326 - 333: 77 A. 29 19,416 f.: 74 A. 8, 88 A. 97 20,92: 64 A. 59, 69 A. 98 20,189: 87 A. 90 20,407 - 410: 87 A. 93 21,98: 18 A. 12 21,277 f.: 74 A. 8, 88 A. 97 21,544 - 546: 75 A. 12 21,550: 75 A. 13 21,564: 87 A. 90 22,79 f.: 34 A. 93 22,358 - 360: 74 A. 8, 88 A. 97 23,83 - 90: 111 A. 16 23,125 f.: 90 A. 105

Indices 23,245 - 248: 90 A. 105 23,850 - 883: 106 A. 90 24,25 - 30: 65 A. 66 24,108: 75 A. 13 24,257: 66 A. 76 24,602 - 617: 5 24,765 f.: 86 HOMER, ODYSSEE 1,2: 75 A. 16 1,10: 7 3,130 - 183: 58 A. 29 4,137 - 154: 85 A. 76 4,187 f.: 66 A. 81 4,240 - 258: 99 A. 49 8,3: 75 A. 14 8,75 - 82: 60, 102, 106 8,215 - 222: 105, 106 8,223 - 228: 106 A. 85 8,499 - 520: 66 A. 86, 68 8,499 - 501: 7 8,517 - 520: 98 A. 39 9,504: 75 A. 14 11,121 - 137: 4 11,134 - 137: 13 A. 54 11,326 f.: 84 A. 71 11,467 - 540: 101 A. 61 11,488 - 491: 89 A. 103 11,508 f.: 66 A. 84, 77 A. 29 11,522: 66 A. 81 11,523 - 537: 66 A. 86 11,523 - 532: 78 A. 33 11,543 - 551: 66 A. 82, 101 A. 58, 114 A. 26 13,261: 87 A. 90 15,244 - 247: 84 A. 71 19,535 - 553: 14 A. 55 21,11 - 14: 106 A. 84 21,24 - 30: 106 A. 87 21,31 - 33: 106 A. 84 22,230: 77 A. 27 23,267: 9 24,15 - 204: 101 A. 62 24,80 - 84: 90 A. 105

Indices 24,115 - 119: 77 A. 23, 78 HOMER, HYMNEN Cer. 314 - 358: 6 HOMER, SCHOLIEN Il. 2,722: 107 A. 92 Il. 3,206: 97 A. 36 Il. 4,500: 70 A. 104 Il. 9,312 - 313: 101 A. 60 Il. 9,328: 70 A. 104 Il. 9,557: 3 A. 12 Il. 15,77: 75 A. 15 Il. 16,57: 64 A. 60 Il. 19,326: 79 A. 38, 79 A. 41, 85 A. 77, 85 A. 78, 88 A. 98 Il. 24,804: 112 A. 21 Od. 8,75: 102 A. 64 Od. 11,122: 9 A. 34 HYGIN fab. 9,3: 5 A. 19 fab. 36,5: 105 A. 82 fab. 73: 84 A. 71 fab. 95,2: 77 A. 25 fab. 96: 79 A. 38 fab. 96,1: 88 A. 98 fab. 102,1 - 2: 105 A. 82 fab. 102,3: 76 A. 20 fab. 109,2: 77 A. 28 IBYKOS (Davies) Frg. 296: 98 A. 41 ILIAS LATINA 839 - 891: 49 A. 169 KINAITHON (Bernabé) Frg. 6: 83 A. 70 KREOPHYLOS von SAMOS (Bernabé) Frg. 1 - 3: 106 A. 87

155 KYKLISCHE EPEN (Bernabé) KYPRIEN: Frg. 19 I: 79 A. 38, 79 A. 41, 85 A. 77, 88 A. 98 Frg. 21 I: 85 A. 78 Frg. 21 III: 85 A. 77 Frg. 25: 60, 61 Frg. 27: 64, 64 A. 60, 66 A. 77 Frg. 28: 64, 66 A. 77 Frg. 29: 66 A. 78 Frg. 30: 66 A. 78 Frg. 41 I: 66 A. 76, 87 A. 92 Procl. Chr. p. 39,6 - 11: 65 A. 66 Procl. Chr. p. 39,12 - 20: 65 A. 67 Procl. Chr. p. 40,30 - 33: 77 A. 24 Procl. Chr. p. 40,33 - 35: 65 A. 68 Procl. Chr. p. 40,36 - 41,38: 65 A. 69 Procl. Chr. p. 41,42 - 45: 65 A. 70 Procl. Chr. p. 41,45 - 49: 65 A. 71 Procl. Chr. p. 41,50 - 51: 65 A. 72 Procl. Chr. p. 41,51 - 52: 55, 60, 63 A. 55 Procl. Chr. p. 42,53 - 54: 66 A. 73 Procl. Chr. p. 42,54 - 55: 66 A. 74 Procl. Chr. p. 42,55 - 57: 66 A. 75, 99 A. 48 Procl. Chr. p. 42,61 - 43,65: 66 A. 77 Procl. Chr. p. 42,62 - 43,65: 63, 69 A. 98 Procl. Chr. p. 42,63 - 43,64: 108 A. 2 Procl. Chr. p. 42,63: 66 A. 76 Procl. Chr. p. 43,64 - 65: 56 Procl. Chr. p. 43,66 - 67: 62, 63 Procl. Chr. p. 43,66: 66 A. 78 AITHIOPIS: Procl. Chr. p. 67,4 - 69,15: 113 A. 24 Procl. Chr. p. 67,4 - 68,8: 66 A. 80 Procl. Chr. p. 68,6 - 10: 56, 62 Procl. Chr. p. 68,10 - 69,18: 66 A. 81

156 Procl. Chr. p. 68,12 - 14: 62 Procl. Chr. p. 68,12: 63, 88 A. 100 Procl. Chr. p. 69,15 - 16: 74 A. 8, 88 A. 96 Procl. Chr. p. 69,22 - 24: 66 A. 82 Procl. Chr. p. 69,22: 90 A. 105 ILIAS PARVA: Frg. 16 II: 78 A. 34 Frg. 19: 98 A. 41 Frg. 21,3 - 5: 78 A. 35 Procl. Chr. p. 74,3 - 5: 66 A. 82, 101 A. 58 Procl. Chr. p. 74,6 - 9: 66 A. 83 Procl. Chr. p. 74,6 - 7: 76 A. 19, 76 A. 20 Procl. Chr. p. 74,7 - 8: 76 A. 21, 107 A. 93 Procl. Chr. p. 74,10 - 11: 66 A. 84, 77 A. 29 Procl. Chr. p. 74,11: 86 A. 80 Procl. Chr. p. 74,15 - 75,17: 99 A. 49 Procl. Chr. p. 75,17 - 18: 66 A. 85 Procl. Chr. p. 75,19 - 23: 66 A. 86 ILIUPERSIS: Frg. 5: 77 A. 28 Procl. Chr. p. 88,3 - 89,23: 66 A. 86 Procl. Chr. p. 88,13 - 14: 78 A. 34 Procl. Chr. p. 88,14 - 89,15: 98 A. 39, 98 A. 41 Procl. Chr. p. 89,20: 77 A. 28 TELEGONIE: Frg. 2 (West): 5 A. 17 Procl. Chr. p. 101,1 - 2: 68 A. 90 Procl. Chr. p. 102,8 - 9: 5 A. 17 LIVIUS 1,1 - 2: 11 1,32,9: 29 A. 72 1,34,1 - 2: 22 A. 36 1,34,10: 22 A. 36 2,28,9: 27 2,33: 21 A. 29

Indices 2,33,4 - 9: 28 A. 68 2,33,5: 21 A. 31, 26 2,33,7: 25 2,33,9: 36 A. 98 2,35,6: 17 2,37: 21 A. 26 2,38: 21 A. 27 2,39,1: 28 2,39,2 - 4: 26 A. 60, 45 A. 136, 68 A. 93 2,39,10 - 12: 46 A. 145 2,39,12: 28, 30 A. 78 2,40,3 - 9: 47 A. 151 2,40,3: 29 A. 73 2,40,7: 17 2,40,10 - 11: 31 2,40,11 - 12: 24 A. 50 4,22,4 - 6: 95 A. 21 5,1,2: 95 A. 22 5,4,11: 95 A. 18 5,10,1: 95 A. 23 5,12,5: 95 A. 24 5,14,5: 95 A. 23 5,14,7: 95 A. 24 5,18,7 - 12: 95 5,19,2 - 3: 95 5,19,9 - 11: 94 A. 16 5,21,10 - 17: 94 A. 16 5,32,9: 95 A. 18 PS.-LONGINUS 9,12: 112 A. 22 LUKIAN Dom. 30: 77 A. 25 LYKOPHRON Alex. 52 f.: 78 A. 36 Alex. 61 - 64: 76 A. 21 Alex. 800: 9 A. 34 Alex. 916 - 918: 105 A. 82 LYKOPHRON, SCHOLIEN Alex. 800: 9 A. 34

157

Indices MENEKRATES von NYSA Homer-Kritik: 112 P. MUCIUS SCAEVOLA s. SCAEVOLA NONIUS p. 77,2 - 5 Mercier (= p. 107,23 108,2 Lindsay): 38 A. 101 ORPHIKA (Bernabé) Frg. 386: 116 A. 30 OVID met. 13,162 - 180: 79 A. 38 met. 13,162 - 164: 88 A. 98 met. 13,168 f.: 79 A. 41 met. 13,415 - 417: 77 A. 28 PAUSANIAS 1,14,2 - 3: 6 A. 21 1,34: 84 A. 72 2,23,2: 84 A. 72 8,44,4: 9 A. 35 10,25,9: 78 A. 35 10,26,4: 85 A. 78 10,27,2: 78 A. 34 PHEREKYDES von ATHEN (FGrHist 3) F 1b: 62 A. 52 F 37: 3 A. 12 F 82a: 106 A. 87 F 82b: 106 A. 86 F 111a: 83 A. 69 F 111b: 83 A. 68 PHILOSTRAT, FLAVIUS Her. 25,13: 112 A. 22 Her. 26,6 - 12: 92 A. 9 Her. 28,1: 105 A. 82 Her. 28,2: 107 A. 96 Her. 28,5: 93, 107 A. 92 Her. 28,6 - 7: 93

Her. 33,4: 77 A. 25 Her. 33,23: 70 A. 100 Her. 33,28 - 29: 70 A. 100 Her. 33,34: 70 A. 100 Her. 46,4: 85 A. 78 Her. 52,2: 85 A. 75 PHILOSTRAT der JÜNGERE Im. 1a: 79 A. 38 Im. 1a,2: 88 A. 98 Im. 1b: 77 A. 29 Im. 1b,3: 78 A. 31, 85 A. 75 Im. 10,1: 85 A. 75 Im. 17,1: 105 A. 82 PHOTIOS Bibl. 190, 152 b 13 - 15: 107 A. 92 PINDAR Fragmente (Maehler): 52f,98 - 104: 77 A. 29 52f,104: 78 52f,113 - 115: 78 A. 34 Erhaltene Lieder: I. 6,26 - 31: 107 A. 94 N. 1,67 - 69: 82 A. 58 N. 4,25 f.: 107 A. 94 N. 8,26 f.: 101 A. 58 N. 9,24 - 27: 84 A. 72 O. 1,67 - 88: 3 A. 12 O. 6,12 - 14: 84 A. 72 O. 9,70 - 79: 108 A. 3 P. 1,52 - 54: 76 P. 1,52 f.: 76 A. 20 P. 3,101: 74 A. 8 P. 8,39 - 56: 84 A. 72 PINDAR, SCHOLIEN I. 4,92a: 3 A. 12 N. 1,67: 82 A. 60 PLATON Hp. Mi. 365 b 3 - 5: 101 A. 60

158 PLINIUS, der ÄLTERE nat. 3,69: 22 A. 34 nat. 3,70: 22 A. 34 PLUTARCH ‘Moralia’: Alex. M. Fort. 1,5, 328 d: 51 A. 180 Quaest. graecae 28, 297 e - f: 88 A. 99 ‘Vitae’: Cam. 2,8 - 10: 95 A. 24 Cam. 5,1: 96 A. 26 Cam. 5,4 - 6: 94 A. 16 Cam. 12,4 - 13,1: 95 A. 18 Cor. 3,1: 27 A. 65 Cor. 8: 28 A. 68 Cor. 8,3 - 6: 25 A. 58 Cor. 11,1 - 2: 21 A. 31 Cor. 13,5 - 6: 23 A. 44 Cor. 22,2: 27 A. 65 Cor. 26,2 - 3: 21 A. 26 Cor. 27,1: 28 Cor. 28 - 29: 26 A. 60, 45 A. 136, 68 A. 93 Cor. 28,1 - 2: 28 Cor. 30 - 32: 46 A. 145 Cor. 30,3: 31 A. 81 Cor. 30,4: 30 A. 77 Cor. 30,8: 29 A. 70 Cor. 31,4: 26 A. 61, 45 A. 136, 68 A. 93 Cor. 31,7: 29 A. 70 Cor. 32,1 -3: 30 A. 78 Cor. 34 - 36: 47 A. 151 Cor. 36,1: 18 Cor. 36,4 - 5: 19 Cor. 37: 24 A. 50 Cor. 39,1: 28 Cor. 39,9: 36 A. 97, 36 A. 99 POLYAINOS 8,25,3: 16 A. 5

Indices PROKLOS s. Kyklische Epen PTOLEMAIOS CHENNOS ‘Kaine Historia’: 107 A. 92 QUINTUS SMYRNAIOS 2,202 - 242: 63 A. 54 2,388 - 401: 63 A. 54 4,405 - 435: 106 A. 90 5,121 - 321: 101 A. 58 7,176 f.: 85 A. 75 7,445 f.: 85 A. 75 9,323 - 332: 76 A. 19 9,333 - 443: 76 A. 20 9,444 - 479: 107 A. 93 10,206 - 363: 76 A. 21 13,251 - 257: 77 A. 28 13,354 - 384: 98 A. 39 13,385 - 415: 98 A. 41 SCAEVOLA ‘Annales maximi’: 24 A. 54 SERVIUS Aen. 2,13: 85 A. 77 Aen. 2,81: 77 A. 25 Aen. 4,19: 24 A. 50 Aen. 6,445: 84 A. 71 Aen. 9,52: 29 A. 72 SIMONIDES (West2) Frg. 11,7 f.: 74 A. 8 SOPHOKLES Fragmente (TrGF 4): F 453 - 461a: 5 A. 18 F 462 - 467: 77 A. 25 F 471 - 477: 3 A. 12 F 553 - 561: 77 A. 29 F 562 - 571: 60 F 562: 61 A. 43 Erhaltene Tragödien: Aj. 1299 - 1303: 107 A. 94

159

Indices El. 837 f.: 84 A. 71 Ph. 4: 107 A. 91 Ph. 346 f.: 78 Ph. 357 f.: 85 A. 75 Ph. 603 - 613: 76 A. 19 Ph. 670: 105 A. 82 Ph. 801 - 803: 105 A. 82 Ph. 1025 f.: 77 A. 25 Ph. 1329 - 1334: 107 A. 93 Ph. 1337 - 1347: 76 A. 19 Ph. 1426 - 1428: 76 A. 21 Ph. 1430: 107 A. 91 Ph. 1434 f.: 78 A. 32 Ph. 1439 f.: 107 A. 96 Tr. 265 f.: 106 A. 86 Tr. 269 - 273: 106 A. 87 Tr. 351 - 368: 106 A. 87 Tr. 1058 f.: 82 A. 58 STATIUS Ach. 1,198 - 282: 79 A. 38 STEPHANOS von BYZANZ (Billerbeck) b 147: 9 A. 34 STESICHOROS (Davies) Frg. 201: 98 A. 41 STRABON 13,1,53: 97 A. 36 TERTULLIAN monog. 17,4: 24 A. 50

THEBAIS (Bernabé) Frg. 1: 116 A. 30 THEOKRIT 13: 83 A. 70 24,107 f.: 106 A. 88 TIMAIOS von TAUROMENION (FGrHist 566) ‘Historiai’: 16 A. 3, 32 f. TRAGICA ADESPOTA (TrGF 2) F 363: 85 A. 75 VALERIUS FLACCUS 3,481 - 740: 83 A. 70 VALERIUS MAXIMUS 4,3,4: 22 A. 38 5,4,1: 16 A. 5 VARRO ‘De vita populi Romani’ Frg. 394 Salvadore: 38 A. 101 VERGIL Aen. 2,526 - 558: 78 A. 34 DE VIRIS ILLUSTRIBUS 19: 16 A. 5 XENOPHON Cyn. 1,10: 38 A. 102

3. Ikonographische Zeugnisse LIMC Achilleus Nr. 287 - 288: 87 A. 92 LIMC Achilleus Nr. 468: 108 A. 3 LIMC Helene Nr. 210 - 290: 98 A. 41

LIMC Helene Nr. 291 - 319: 98 A. 41 LIMC Herakles Nr. 2792: 107 A. 94 LIMC Patroklos Nr. 4: 108 A. 3