Abhandlung von der Fuge : nach den Grundsätzen und Exempeln der besten deutschen und ausländischen Meister entworfen 9783487421063, 3487421062

Hauptbeschreibung Dieses 1753 erschienene Werk des Musiktheoretikers und Komponisten Friedrich Wilhelm Marpurg (1718-179

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Abhandlung von der Fuge : nach den Grundsätzen und Exempeln der besten deutschen und ausländischen Meister entworfen
 9783487421063, 3487421062

Table of contents :
Cover
Titelei
Einleitung zum E-Book von Herbert Schneider
Ausgaben
Inhalt
Rezeption
Anhang 1: Komponisten, deren Kompositionen Marpurg zitiert
Anhang 2: Übernahme der Notenbeispiele von Marpurg durch Choron
F.W. Marpurg: Abhandlung von der Fuge (Band 1)
Hauptitel
Des Herrn Kapellmeisters Telemann hochedelgebohrnen:
Vorbericht
Inhalt
Das erste Hauptstück. Von den verschiedenen Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt
Das zweyte Hauptstück. Von der Beschaffenheit eines Fugensatzes oder vom Führer
Das dritte Hauptstück. Von der Einrichtung des Gefährten. I. Abschnitt. Fugensätze, die in der Octave des Haupttons anheben, und im Haupttone bleibenII. Abschnitt. Fugensätze, die mit der Dominante anfangen, und im Haupttone bleiben
III. Abschnitt. Fugensätze, wo sich der Gesang nach der Dominante hinwendet
IV. Abschnitt. Fugensätze die auf der Terz des Haupttons anheben
V. Abschnitt. Fugensätze, die mit der Quarte des Haupttons anheben
VI. Abschnitt. Fugensätze, die mit der Sexte des Haupttons anheben
VII. Abschnitt. Fugensätze, die mit der Secunde des Haupttons anheben
VIII. Abschnitt. Fugensätze, die mit der Septime des Haupttons anheben. IX. Abschnitt. Fugensätze nach den alten TonartenX. Abschnitt. Chromatische Fugensätze
XI. Abschnitt. Vermischte Fugensätze
Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage und dem Verfolg eines Fugensatzes
I. Abschnitt. Von der Tonwechselung
II. Abschnitt. Von den Tonschlüssen
III. Abschnitt. Von dem Verfolg eines Fugensatzes
Das fünfte Hauptstück. Von der Gegenharmonie
Das sechste Hauptstück. Von der Zwischenharmonie
Das siebente Hauptstück. Vom Contrapunct überhaupt
Das achte Hauptstück. Vom doppelten Contrapuncte
I. Abschnitt. Von dem doppelten Contrapunct in der Octave. II. Abschnitt. Von dem doppelten Contrapunct in der None oder SecundeIII. Abschnitt. Von dem doppelten Contrapunct in der Decime oder Terz
IV. Abschnitt. Von dem doppelten Contrapunct in der Undecime oder Quarte
V. Abschnitt. Von dem doppelten Contrapunct in der Duodecime oder Quinte
VI. Abschnitt. Von dem doppelten Contrapunct in der Decima Tertia oder Sexte
VII. Abschnitt. Von dem doppelten Contrapunct in der Decima Quarta oder der Septime
Register über die vornehmsten Sachen
Notentafeln I-LXII
TAB:I.
TAB:II.
TAB. III.
TAB:IV.
TAB. V.
TAB:VI.
TAB. VII.
TAB. VIII.
TAB. IX.
TAB. X. TAB. IXTAB. XII
TAB:XIII.
TAB. XIV.
TAB. XV.
TAB:XVI
TAB. XVII.
TAB. XVIII
TAB:XIX.
TAB. XX
TABXXI.
TAB:XXII.
TABXXIII
TAB:XXIV
TAB:XXV.
TAB XXVI
TAB:XXVII
TAB:XXVIII
TAB:XXIX
TAB:XXX.
TABXXXI.
TAB. XXXII
TAB:XXXIII.
TAB XXXIV
TABXXXV.
TAB:XXXVI
TAB. XXXVII.
TAB:XXXVIII.
TAB:XXXIX
TAB:XL.
TAB:XLI.
TAB:XLII.
TAB:XLIII.
TAB:XLIV
TABXLV
TAB XLVI
TAB XLVII
TAB XLVIII
TAB. XLIX
TAB. L
TAB. LI
TAB. L
TAB. LI
TAB. LII
TAB. LIII
TAB. LIV
TAB. LVI
TAB. LVII
TAB. LVIII
TAB. LIX
TAB. LX
TAB:LXI.
TAB:LXII.
F.W. Marpurg: Abhandlung von der Fuge (Band 2)
Haupttitel.

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Grundlagenbibliothek zur Musikwissenschaft Basic Library for Musicology Herausgegeben von / Edited by Herbert Schneider

Friedrich W. Marpurg

Abhandlung von der Fuge

Zwei Teile

Mit einer Einleitung zum E-Book von Herbert Schneider

Friedrich Wilhelm Marpurg

Abhandlung von der Fuge Nach den Grundsätzen und Exempeln der besten deutschen und ausländischen Meister entworfen 2 Teile Mit einer Einleitung zum E-Book von Herbert Schneider

Olms Hildesheim · Zürich · New York 2013

Das E-Book beruht auf: Friedrich Wilhelm Marpurg. Abhandlung von der Fuge. Nach den Grundsätzen und Exempeln der besten deutschen und ausländischen Meister entworfen. 2 Teile. Berlin 1753-1754. Reprint: Hildesheim 1970. XLVI/357 S. und 122 Kupfertafeln. Der Digitalisierung liegt das Exemplar der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen zugrunde. Sign: 8° Mus. IV, 2740. Für die Seiten VII, VIII, XIII, XXIII, XXXI, XXXIII, XXXIV, XLV, XLVI, LVI. und LIX-LXII stellte die Bayrische Staatsbibliothek (Sign: Mus.th.940 4°) ihr Exemplar zur Verfügung. Die Qualität der Digitalisierung entspricht den qualitativ unterschiedlichen Vorlagen. Die Notentafeln beider Bände sind in der Originalvorlage zu einem Band, hier aber jeweils mit dem dazugehörigen Textteil zusammengefasst und geringfügig verkleinert worden. Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Georg Olms Verlag AG, Hildesheim 2013 Digitalisiert von www. .de, Bonn www.olms.de ISBN 978-3-487-42106-3

OLMS ONLINE MUSIK Grundlagenbibliothek zur Musikwissenschaft Basic Library for Musicology Herausgegeben von / Edited by Herbert Schneider

Einleitung zum E-Book von Herbert Schneider Friedrich Wilhelm Marpurg Abhandlung von der Fuge Berlin: Haude und Spener 1753/1754

Ausgaben Abhandlung von der Fuge nach den Grundsätzen und Exempeln der besten deutschen und ausländischen Meister, Berlin, A. Haude und J.C. Spener, Bd. 1, 1753, Bd. 2, 1754; Widmung des ersten Bandes an Georg Philipp Telemann, Widmung des zweiten Bandes Wilhelm Friedemann und Carl Philipp Emanuel Bach, „nachdem der erste Theil so glücklich gewesen, Dero gütigen Beyfall zu erhalten“. Reprint; Hildesheim, Olms 1970, Laaber, Laaber 2002, Nabu Press 2011. Abhandlung von der Fuge, 2. Auflage, Leipzig, Kühnel 1806 (wiederum mit den neu gestochenen Tafeln der Notenbeispiele am Ende), dazu

Exempel in LXII und LXX Kupfertafeln, Leipzig, Peters s.d.; in der anonymen Vorrede heißt es: „Das einzige, streng wissenschaftliche Werk über die Fuge, welches ein klassisches Ansehen behauptet, ist Marpurgs Abhandlung.“ 1 Fr. Wilh. Marpurg. Abhandlung von der Fuge. Neu bearbeitet mit erläuternden Anmerkungen und Beispielen vermehrt von Simon Sechter, Wien, Diabelli (1843). Die Notenbeispiele sind gegenüber den Originalausgaben Marpurgs und der Kühnels in den Fließtext eingefügt: „Dass diese Abhandlung der Fuge von Marpurg bisher noch äusserst selten in ihrem wahren Werthe erkannt werden konnte, ist natürliche Folge der Unbequemlichkeit des Nachschlagens der Notenbeispiele“.2 Sechter kannte offenbar Chorons Principes de composition des écoles d’Italie nicht, in denen die Notenbeispiele bereits in den Text integriert waren. Sechter nahm einige sprachliche Modernisierungen vor, fügte der Lehre vom doppelten Kontrapunkt Ergänzungen hinzu, behielt aber die Abfolge der Kapitel Marpurgs bei und ließ Paratexte und auf Marpurgs Epoche zielende Hinweise weg. Wie schon Marpurg sah Sechter die Publikation des Traktats als „Bollwerk gegen die existentiellen Gefahren, die der Kunst seitens einer ganz auf menschliche Willkür gegründeten ‚Mode’“.3 Allerdings gehörte die Warnung vor modischen Erscheinungen und einer Verflachung des kompositorischen Niveaus zu den Allgemeinplätzen von Lehrwerken. Neuausgabe als Abhandlung von der Fuge. Nach den Grundsätzen und Beispielen der besten deutschen und ausländischen Meister. Nach der 1

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ii

Zitiert nach Wolfgang Horn, „Marpurgs ‚Abhandlung von der Fuge’ und Sechters Analyse des Finales von Mozarts Jupiter-Sinfonie (KV 551)“, in: Mozart Studien, Tutzing 1992, Bd. 1, S. 145. Fr. Wilh. Marpurg: Abhandlung von der Fuge, neu bearbeitet, mit erläuternden Anmerkungen und Beispielen vermehrt von Simon Sechter, Wien 1843, „Vorrede“ zu Teil 1, S. 3. Horn, „Marpurgs ‚Abhandlung’“, S. 150.

deutschen und fransösichen [sic] Original-Ausgabe redigirt und herausgegeben von Siegried Wilhelm Dehn, Leipzig, Peters 1858. Etwas verkürzte französische Übersetzung von Marpurg selbst: Traité de la fugue et du contrepoint, Berlin, Haude und Spener 1756, die Tafeln der Notenbeispiele wurden aus der deutschen Fassung unverändert übernommen. Marpurg hat zu Beginn von Band 2 eine „Histoire abrégée du Contrepoint et de la Fugue“ eingefügt, die auch in der Imbault-Ausgabe vorhanden ist. Neuausgabe der Übersetzung Marpurgs des Traité de la fugue et du contrepoint, Paris, Imbault an IX – 1801, hier sind die Beispiele von Bachs „Kyrie“ ab (Table XLVI) neu nummeriert. Neue französische Übersetzung in veränderter Anordnung durch Alexandre Choron, in: Principes de composition des écoles d’Italie, Bd. 1, Livre 3e, S. 1-52; Bd. 2, Livre 4e, S. 1-73, Bd. 3, Livre 5e, S. 1-60 (siehe Anhang 2). Letztere Übersetzung wurde in Chorons und Lafages Manuel complet de musique vocale ou instrumentale ou Encyclopédie musicale, Paris 18361838 teilweise erneut publiziert; 3. Bd. „De l’harmonie et du contrepoint“ nach Marpurg, Fenaroli und Azopardi; 4. Bd. über den einfachen und doppelten Kontrapunkt nach Fux und Marpurg. Marpurg, der ungefähr die Jahre zwischen 1740 und 1746 in Paris verbracht hatte, wo er vermutlich als Sekretär in den Diensten des Generalleutnants Friedrich Rudolf von Rothenburg stand, 4 übersetzte nicht nur die Abhandlung von der Fuge, sondern auch seine Anleitung zum Clavierspielen (1755) als Principes de clavecin (1756). Außerdem erschien Die Kunst das Clavier zu spielen (1750, zweiter Teil 1761) in der Übersetzung von Valentin Roeser als L’art de jouer le clavecin, mis au jour par M. Valentin Roeser (Paris, Le Menu 1764, Paris, Naderman, ca. 1795, Paris, Boyer, 4

Vgl. Laurenz Lütteken, Art. „Marpurg“, in MGG2, Personenteil, Bd. 11, Sp. 1125.

iii

ca. 1794-1795). Aus dem Handbuch bey dem Generalbasse und der Composition (1755-1758) gibt es längere Abschnitte in der Übersetzung von Choron im Nouveau Manuel complet de musique vocale et instrumentale (1836-1838) von Choron und Lafage. 5 Marpurg ging bereits um 1750 der Ruf voraus, ein hervorragender Kenner der Fuge zu sein, denn er wurde vermutlich von C.P.E. Bach mit dem Vorbericht zum Partiturdruck der Kunst der Fuge von 1752 beauftragt. 6 Wie die zahlreichen Beispiele deutscher und ausländischer Komponisten in der Abhandlung der Fuge belegen, besaß Marpurg eine große Sammlung von Fugen, die er auch in einer Art Anthologie zu publizieren beabsichtigte. Davon erschien aber nur eine Fugen-Sammlung, Berlin, Gottl. Aug. Lange 1758. 7 Marpurg Abhandlung von der Fuge ist das erste ausschließlich der Fuge (und dem Kanon) gewidmete Lehrbuch.

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Dahlhaus hat bei seiner Anmerkung, „Umgekehrt existiert zwar eine deutsche Musiktheorie von Rang; aber die Sprachschranke, die den Zugang zu ihr versperrte, scheint nahezu unüberwindlich gewesen zu sein – aus Ausnahme stellt die umfassende Rezeption durch Fétis dar“, Die Musiktheorie im 18. und 19. Jahrhundert. Zweiter Teil Deutschland, Darmstadt 1989, S. 23, die Verdienste Chorons um die Übersetzungen von Marpurg, Albrechtsberger und Koch übersehen. Vgl. Bach-Dokumente, III, S. 15, Nr. 648. Vgl. dazu Horn, „Marpurgs ‚Abhandlung’“, S. 166-171.

Inhalt Die Widmung des ersten Bandes ist an Telemann gerichtet, denn er habe die „galante Schreibart“ mit einigen „aus dem Contrapunct entlehnten Zügen“ 8 verbunden, die als „vollkommene Muster“ auch im „unvergleichlichen“ Frankreich bekannt und von Boucon, Blavette, Fortcroix und Guignon gespielt würden. Marpurg bedankt sich bei Telemann für dessen Wertschätzung seiner Arbeiten. Die Widmung des zweiten Bandes an W.F. und C.P.E. Bach beginnt mit einer Huldigung an ihren Vater, der der Mode der „Melodienmacherey“ widerstand und lehrte, die „reichsten Harmonien“ mit dem „angenehmen und fliessenden Gesang“ 9 zu verbinden. Im ausführlichen „Vorbericht“ des ersten Bandes polemisiert Marpurg gegen ein „in den Operncontrapunct verliebtes Philomuschen“ und verteidigt Kompositionen von Fux, Palestrina, Lotti, Scacchi gegen deren Missachtung. Als vorbildliche Traktate gelten ihm die von Johann Philipp Bendeler, Berardi, Bernhard, Bononcini, Brossard, Fux, Kircher, Masson, Mattheson, Nivers, Rameau, Scheibe, Spieß, Johann Theile, Walther und Werckmeister. Der Verkauf des ersten Bandes muss sehr gut gelaufen sein, wie Marpurg zu Beginn des „Vorberichts“ zum zweiten Band berichtet, da es „heutigen Tages sehr viele Liebhaber der künstlichen musikalischen Schreibart“ 10 gibt. In einem fingierten Brief eines Freundes werden die musikalischen „Helden“ von A bis Z präsentiert. Wegen Kritik am Register des ersten Bandes hat Marpurg nun ein Personen- und Sachregister beider Bände eingefügt. In der geplanten „Fugenbibliothek“ könnte er, so betont Marpurg, „ein halb hundert Auctores“ 11 nennen, von denen er Bach, Battiferri, d’Anglebert, J.C.F. Fischer, Frescobaldi, Froberger, Fux, 8 9 10 11

Widmung, o. Paginierung. Widmung, o. Paginierung. Abhandlung von der Fuge, Bd. II, S. I. Ebd., S. XIX.

v

Händel, Heinichen, Kerll, J. Krieger, J. Chr. Schmidt, Stölzel und Telemann als die besten bezeichnet. Fünf darunter sind in der Abhandlung von der Fuge nicht mit Kompositionen vertreten (Fischer, Heinichen, Kerll, Krieger und Schmidt). Zwei Illustrationen im ersten Band zeigen eine Muschel: auf der ersten sind in der Mitte eine Cembalistin und ein Cembalo, auf der zweiten eine Quelle bzw. Wasserfall und tanzende Kinder abgebildet. Damit wird auf das Buch als Quelle des Wissens und als Lehrbuch für die Auszubildenden hingewiesen. Auf der ersten Illustration des zweiten Bands steht ein Baum mit einer Lyra im Zentrum und eine aufgehende Sonne, die Ausdauer und beginnende Größe symbolisiert, die zweite vor dem „Vorbericht“ zeigt einen Adler, der zwei Lorbeerkränze, einen im Schnabel, einen in der rechten Kralle hält, im Hintergrund wieder die strahlende Sonne und in einem Textband das Wort „fulgens“. Der Ruhm ist wohl zweifach zu deuten, der, dem Marpurg durch seine Abhandlung gebührt, der, den der Lernende durch die Beherrschung des Kontrapunkts, der Fuge und des Kanons erwerben wird. Der erste Band enthält die Kapitel: von den verschiedenen Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt; von der Beschaffenheit eines Fugensatzes, oder von dem Führer; von der Einrichtung des Gefährten; vom Widerschlage und dem Verfolg eines Fugensatzes; von der Gegenharmonie (Kontrapunkt zum Comes); von der Zwischenharmonie (Rückleitung zum dritten Themeneinsatz); vom Kontrapunkt überhaupt; vom doppelten Kontrapunkt; der zweite Band: vom drei und vierfachen Kontrapunkt, Umkehrung, Krebs, Kanon, Singfuge, Singkanon. Marpurg geht sehr systematisch vor, wenngleich seine Systematik später von Choron und Fétis kritisiert wurde. Marpurg unterscheidet „fuga periodica“ und „fuga canonica“. Mit der „fuga periodica“ legte er das Fundament für die nachfolgende Theorie der Fuge, deren Elemente der „Führer“ oder Dux (I, 17 und 27), der „Gefährte“ oder Comes (I, 18 und 31), der

vi

„Wiederschlag“ oder „Repercussio“ (der Wechsel von Thema und Beantwortung, I, 18 und 93-96), die „Gegenharmonie“ (der Kontrapunkt, I, 18 und 147) und die „Zwischenharmonie“ (I, 18 und 151) sind. Die Individualität der Gestaltung und die Erfüllung einer Norm der Fuge waren die beiden Kriterien, nach denen Marpurg Fugen anderer Komponisten beurteilte. In den Kritischen Briefen (1760-1764) äußert sich Marpurg kritisch gegen Fugen Kirnbergers. Die Auffassungen Marpurgs und Kirnbergers betreffen die strengen Regeln, die kontrapunktischen Künste in der Fuge einerseits und die Freiheit, den Zeitgeschmack und aus der Perspektive der zeitgenössischen Ästhetik überzeugende Fugen andererseits. 12 Er gliedert seine Kanonlehre nach ein- und mehrfachem, nach offenem und geschlossenem Kanon, nach Intervallen, in endliche und unendliche Kanons, in Zirkelkanons, Kanons mit Cantus firmus, durch den Quintenzirkel modulierende und unterbrochene Kanons. Er behandelt die „Zergliederung“ des Themas in den Zwischenspielen. 13 In der Kanonlehre schließt Marpurg an Bononcinis Musico prattico (1673), Berardis Documenti harmonici (1681), Werckmeisters Harmonologia musica (1702) und Stölzels Practischen Beweiß (1725) an, aber seine Darstellung ist die umfassendste – im Vergleich dazu spielt der Kanon z. B. in Kirnbergers Die Kunst des reinen Satzes nur eine geringe Rolle. Kirnberger lehnte ein Regelwerk ab und berief sich pragmatisch auf Fugen deutscher Komponisten, ganz überwiegend jener von Bach. 14

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13 14

Vgl. dazu Michael Heinemann, Hans-Joachim Hinrichsen, „Paradigma Fuge: Bach und das Erbe des Kontrapunkts,“ in: Bach und die Nachwelt, hg. von dens., Laaber 1997, S. 116-117. Abhandlung von der Fuge, I, S. 115. Beispiele von W.F. und C.P.E. Bach, Fasch, Prinzessin Anna Amalia von Preußen, Händel, Graun, Stölzel und Fux.

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Im Streit Marpurgs mit Sorge ging es u.a. darum, ob Nonen-, Undezimenund Terzdezimenakkorde aus Septimenakkorden mit unten oder oben hinzugefügten Terzen gebildet werden.15 Marpurg erwähnt zwar auch Palestrina, aber seine Beispiele stammen von Kompositionen mehrerer Nationen, sie reichen bis Frescobaldi zurück (vgl. Anhang 1) und eröffnen dadurch eine weite historische und übernationale Dimension. „Mit der Rückbindung an eine große Tradition plädiert Marpurg für eine Weiterführung jener satztechnischen Richtlinien, die deren Dignität begründeten und die im Werke Bachs wiederzufinden leicht möglich war; ihre Gültigkeit weiterhin zu postulieren hieße, eine Kontinuität wahren und in ihr einen Primat seriösen Komponierens sichern.“ 16 Die Polemik gegen Italiener und das Insistieren auf strengen Regeln für die Fugenkomposition geht seiner Abhandlung von der Fuge zwei Jahre voraus: „Dass ein Italiener sich in der Art, eine gute Fuge zu machen, nicht verbessern könne, leugne ich nicht. Ja er kann sie so gut lernen als ein Deutscher oder Franzose. Wir haben aber unter den alten sehr wenige, und unter den neuen gar keine Exempel, und die Erfahrung zeigt die Unmöglichkeit, eine gute Fuge zu machen, ohne bey einem deutschen Meister in die Schule zu gehen.“ 17 Marpurg betonte in dieser Schrift von 1751 auch die Überlegenheit deutscher kompositorischer „Arbeit“, des Gedankenreichtums und der Varietas deutscher Fugen gegenüber jenen der Italiener,18 davon ist jedoch in der Abhandlung von der Fuge keine Rede mehr.

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16 17 18

Vgl. dazu Hans-Günter Ottenberg, Der critische Musicus an der Spree, Leipzig, Reclam 1984, S. 10, und J.-W. Bernard, The Marpurg-Sorge Controversy, in: Music Theory Spectrum. The Journal of the Society of Music-theory 11, 1989, S. 164-186. Ebd. S. 118. Marpurg, Gedanken über die welschen Künstler, Halberstadt 1751, S. 6. Vgl. Heinemann, Hinrichsen, „Paradigma Fuge“, S. 108

viii

Emil Platen unterscheidet drei bedeutende Lehrer der Fuge im 18. Jahrhundert: Fux in seinem Gradus ad Parnassum und Padre Martini durch seinen Unterricht (seine Modellbeispiele publizierte er im Esemplare ossia Saggio fondamentale pratico di contrappunto), beide auf der Basis des vokalen Kirchenstils, und Marpurg, dessen Lehrbuch von „harmonischem Denken [bestimmt ist], orientiert am Instrumentalstil“ 19 und gestützt auf das Fugenschaffen J.S. Bachs. Unter Berücksichtigung der sehr großen Zahl von nicht von Marpurg stammenden Beispielen ist diese Ansicht zu einseitig. Auch Heinemann und Hinrichsen sind zu korrigieren, wenn sie bemerken: „Dabei unterläßt er [Marpurg] es nicht, auch Themen aus kontrapunktischen Werken italienischer Komponisten zu zitieren, die – ob zufällig oder mit Vorsatz, sei dahingestellt – so gewählt wurden, dass ihre oft nur mangelhafte Eignung zur Demonstration seiner Vorstellungen wie zur polyphonen Verarbeitung schlechthin manchem Kenner die größere Kompetenz der deutschen Tonsetzer – und namentlich natürlich Johann Sebastian Bachs – unmittelbar deutlich werden konnte.“ 20 Bach erhält zwar besonderes Lob – „Die Harmonie und Melodie darinnen fliessen so natürlich als die allerfreyste Composition“, 21 oder, bezogen auf die Kunst der Fuge, „Kann eine Melodie fliessender und eine Harmonie bündiger seyn als diese?“, 22 doch selbst von Pepusch, Fasch und Graupner heißt es: „Die Herren Capellmeister Pebusch, Fasch und Graupner haben sich unter anderen in dieser galanten canonischen Schreibart auch durch viele schöne Muster gezeiget.“ 23

19 20

21 22 23

Emil Platen, Art. „Fuge“, in: MGG2, Sachteil, Bd. 3, Sp. 954. Heinemann, Hinrichsen, „Paradigma Fuge“. Sie berufen sich auf Johann Gottfried Hientzsch (Hg.), Der Streit zwischen der Alten und der Neuen Musik, Breslau 1826. Vgl. Marpurg, Abhandlung von der Fuge, II, S. 35. Vgl. ebd., II, S. 37. Vgl. ebd., II, S. 94.

ix

Immerhin enthalten die beiden Bände Marpurgs, die noch zu Zeiten des guten Einvernehmens mit Kirnberger publiziert wurden, mehr Beispiele von diesem (55) als von J.S. Bach (42), wenngleich der Name Kirnbergers im Gesamtregister des zweiten Bandes nicht erwähnt ist (siehe Anhang 1). Berücksichtigt man die Herkunft der Beispiele aus verschiedenen Nationen, so steht Deutschland mit 34 Komponisten (einschließlich Marpurgs) an der Spitze, gefolgt von Italien (10), Frankreich (6), England (1) sowie Kosolowsky, den einzuordnen noch nicht gelang. Nach J.S. Bach folgen Muffat mit 18, Berardi mit 17, W.F. Bach mit 15, Johann Daniel Leuthardt mit 13, Stölzel mit 11, Fux und Spies mit 10, Battiferri mit 9, Frescobaldi, Händel und Rameau mit 8, Eberlin, Mattheson und Kirchhoff mit 7, Telemann mit 6, C.P.E. Bach, Kreising und Leclair mit 4, alle anderen mit weniger Beispielen. Die Präsentation der Beispiele im Text Marpurgs geschieht stets auf neutrale Weise, 24 d.h. er kritisiert nicht die Qualität der angeführten Beispiele, sondern höchstens die Mängel in theoretischen Schriften, so etwa in Berardis Documenti Armonici, 25 oder er weist auf Lücken in der Behandlung des doppelten Kontrapunkts bei Bononcini hin. 26 Kirnberger nahm in einem späten Brief an Forkel für sich in Anspruch, Marpurg in die Lehre vom doppelten Kontrapunkt und von der Fuge eingewiesen zu haben: „Desgleichen [erlernte er] sein Begriff über Temperaturen durch mich, und dann vom doppelten Contrapunkt und Fuge zu raisonniern. Da kam also sein Werk von Fugen zu setzen, welches, weil ich ihn an Ende nicht mehr unterstützen wollte, erbärmlich geworden

24

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x

Vgl. etwa, ebd., II, S. 28, die Darstellung von Beispielen J.S. Bachs und Berardis ohne irgend eine Wertung. Ebd., II, S. 120: die Behandlung von Kanons in Kompositionen mit Cantus firmus sei zu unübersichtlich. Vgl. ebd., I, S. 162.

ist.“ 27 Die Auseinandersetzungen mit Kirnberger resümiert John D. White: „The debate between Marpurg and Kirnberger centers on the standing and relationship of their theories with those of Rameau. While it is clear that Kirnberger was neither as competent a composer nor as perceptive a theorist as Rameau, it is also obvious that he borrowed much from Rameau – without attribution – including the theory of inversion, fundamental bass, and the concept of chords by supposition (though he does not use the latter term). Thus, it is paradoxical that Kirnberger’s stance in the Marpurg-Kirnberger polemics is that he rejected the Rameau theories and was a champion of the linear J.S. Bach contrapuntal tradition,28 while Marpurg’s latter-day position was with Rameau – ostensibly on the side of counterpoint with a chordal substructure.“ 29 Die Qualitäten und die Vollständigkeit der Darstellung Marpurgs als auch die kluge Wahl von Beispielen aus einem internationalen Spektrum waren die Gründe dafür, dass sich seine Fugenlehre in der Ausbildung und Lehre bis in die Zeit Simon Sechters hinein bewährte. Peter Benary urteilte: „Das wichtigste Werk über die Fuge im 18. Jahrhundert und zugleich wohl auch seine bedeutendste musiktheoretische Abhandlung ist Friedrich

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Heinrich Bellermann, „Briefe von Kirnberger an Forkel“, in: Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung 6, 1871, Sp. 532. Am Ende seiner Stellungnahme gegen Marpurgs Abhandlung über die Temperatur zitiert Kirnberger als Kronzeugen C.P.E. Bach, der in einem Brief an ihn schrieb: „Dass meine und meines seel. Vaters Grundsätze antirameauisch sind, können Sie laut sagen.“ Die Kunst des reinen Satzes in der Musik, Berlin und Königsberg 1776-1779, Reprint Hildesheim, Olms 1968, zweyter Theil, dritte Abteilung, S. 188. John D. White, Theories of musical texture in Western History, New York, Garland 1995, S. 325.

xi

Wilhelm Marpurgs ‚Abhandlung von der Fuge nach den Grundsätzen und Exempeln der besten deutschen und ausländischen Meister’.“30 In der französischen Ausgabe nahm Marpurg einige Kürzungen und Zusammenfassungen mehrerer Abschnitte in einen einzigen vor, die sich besonders bei der Kommentierung der Notenbeispiele, die unverändert aus der deutschen Ausgabe übernommen sind, so auswirken, dass manche Beispiele ohne Erläuterung bleiben. Die Widmung der französischen Ausgabe Marpurgs an den Abbé de Cerceaux 31 ist ein Zeugnis seiner Lehrjahre in Frankreich und einer Bescheidenheitsgeste und zeigt zugleich, dass er sich um die internationale Verbreitung seines Traktats bemühte: 32 Le sort pouvoit bien m’éloigner de la France; mais il ne m’ôtera jamais l’idée d’y avoir fait le séjour le plus gracieux. En effet, je regarde le tems passé comme le période [sic] le plus fortuné de ma vie; et si j’ai réüssi à cultiver les Muses avec quelque succès, j’en dois une grande partie à ce tems. Le livre que je prens la liberté de Vous offrir, Monsieur, est une preuve de mon peu d’études. Les matières qui y sont traitées, ont fait assez souvent le sujet de nos entretiens. Que je souhaiterois qu’elle le fussent selon Votre goût, et que Vous reçussiez cet ouvrage avec bonté. Je devrois naturellement placer ici l’éloge de Vos connoissances en musique. Mais les honnêtetés et les politesses dont Vous m’avez 30

31

32

Peter Benary, Die deutsche Kompositionslehre des 18. Jahrhunderts, Leipzig, Breitkopf und Härtel 1961 S. 131. Es kann sich nicht um den Abbé Cerceau handeln, der 1730 starb. Gerald Anton Krumbholz, Friedrich Wilhelm Marpurg’s Abhandlung von der Fuge (1753-4), Ph.D. University of Rochester 1995, S. 181, vermutet, es handle sich um einen Abbé de Sceaux, und Marpurg habe in Sceaux gewohnt. Krumbholz’ gründliche Dissertation ist dem ersten Band der Abhandlung gewidmet. Traité de la Fugue et du contrepoint (1756), S. 1-2.

xii

comblé autrefois, m’imposent silence sur cet article. Les éloges d’un débiteur sont toûjours suspects; et pourroit-on loüer dignement ce qui mérite toute notre admiration? J’ai l’honneur d’être avec la plus vive reconnoissance et avec la plus parfaite considération Monsieur Votre très humble et très-obéïssant serviteur Mar-pourg. A Berlin le 1. Octobre 1755. Besonderes Lob zollt er in dieser Ausgabe Fux: „Jean Joseph Fux, Surintendant de la Musique à la Cour Impériale. Son ouvrage qu’il nomme Gradus ad Parnassum, sera toujours un des meilleurs livres pour apprendre la composition.“ 33 Die „Préface de l’Auteur“ dieser Ausgabe hat die wahren Kenner und Fachleute aller Nationen als Adressaten, die die überzeitliche Geltung der Fuge schätzen und zu pflegen beabsichtigen: „Je n’ai d’autre but, en publiant cet ouvrage, que de rendre un peu plus communes les règles d’un Art par lequel se ressemble encore la musique de tant de différentes nations, assez partagées d’ailleurs sur l’article du chant, l’une le voulant français, l’autre italien. De tous les genres de composition, la Fugue est la seule qui se soit toujours soutenue contre les caprices de la mode. Les siècles ne l’ont point fait changer de forme: et les Fugues composées il y a cent ans, sont encore aussi neuves que si elles l’avoient été de nos jours.“ 34 Es gebe zwar genug Lehrbücher, meint er, aber sie gingen der Sache nicht auf den Grund, haben zu wenige Beispiele, kaum werde der doppelte Kontrapunkt und der Kanon darin gelehrt. „J’ai fait de mon mieux pour ne rien omettre de tout ce qui concerne le mécanisme de la Fugue, sans multiplier mal à propos 33 34

Zitiert nach ebd., S. XX. Ebd., S. 3.

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les règles ou les observations. Toutes les règles sont accompagnées d’un grand nombre d’exemples; j’ai eu soin de distinguer, par le nom de leur auteur, ceux qui ne sont pas de moi; c’est aux artistes à en juger. Après tout, je pense qu’il n’y aura rien à redire aux modèles sur lesquels j’ai composé mes règles. J’ai étudié les Fugues de Frescobaldi, de Bach et de Händel; j’ai entendu les Calvières [Guillaume Antoine] et les Daquins; j’ai lu Rameau, Mattheson et Scheibe.“ 35 Er bittet um Nachsicht für eventuelle Fehler im Französischen. Schließlich fügt er nur in der französischen Ausgabe eine kurze Geschichte der Mehrstimmigkeit, des Kontrapunkts und der Fuge an, die in zwölf Punkte eingeteilt ist: 1. Marpurg hält es für wahrscheinlich bzw. versucht nachzuweisen, dass man in der Antike die Mehrstimmigkeit („harmonie“) kannte. Als überzeitlichen Hinweis auf elementare Kenntnisse der Harmonik erwähnt er, dass zu seiner Zeit Personen beim Chanson-Singen eine zweite Stimme improvisierten und Gitarristen die Singstimme begleiteten, obwohl sie niemals Unterricht in Harmonielehre erhalten hatten und über keine theoretischen Kenntnisse in Harmonie verfügen. Damit und mit der weiteren Argumentation erweist sich Marpurg als eifriger Verfechter von Rameaus Idee des Primats der Harmonik, den er auch historisch nachzuweisen versucht. 2. Wenn heute schon Dilettanten sich der Harmonik bedienen, wie sollten auf dem Gebiet der Musik so gelehrte Männer wie Pythagoras und Aristoxenos nichts von Harmonik gewusst haben? 3. Es wird vielleicht etwas übertrieben von wunderbaren Wirkungen der Musik in der Antike berichtet, aber können so große Emotionen ohne

35

Ebd., S. 4.

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Harmonie erregt werden? Auch heute spielen Violine oder Flöte höchst selten alleine. 4. In der Antike kannte man die „Suppositio“, den akkordfremden Ton (oder Vorhalt), die Imitation und die Akkordumkehrung nicht, man kannte nur den „gleichen“, in Konsonanzen fortschreitenden Kontrapunkt. 5. Termini wie „symphonia discors“ und „chorus qui multorum vocibus constat“ weisen auf die Kenntnis der Mehrstimmigkeit hin. 6. In den „modernen Jahrhunderten“ brachte man die Vervollkommnung der Mehrstimmigkeit zustande, führte die Dissonanzen, den „ungleichen“ Kontrapunkt, die Umkehrung der Akkorde, die Fuge und den doppelten Kontrapunkt ein. 7. Dunstan von Canterbury hat ein Regelwerk für den vierstimmigen Satz geschaffen und damit den Weg für Guido von Arezzo und Johannes de Muris bereitet. Die ersten Komponisten, die sich in dieser Mehrstimmigkeit ausgezeichnet haben, waren „Guillaume Dufay, Caron, Conrad, Binchois et Busnoë.“ 36 8. Erst im 15. Jahrhundert wurde der Kontrapunkt ornamentiert und verfeinert. Als Historiker dieser Epoche seien Prinz und Walther hervorgetreten. Der Deutsche Bernard, Organist in Venedig, habe das Pedal 1470 erfunden. Obrecht habe in einer Nacht eine ganze Messe zu komponieren vermocht, Ockeghem neunchörige Motetten mit 36 Stimmen geschaffen und Josquin drei Motetten für Ludwig XII., „Memor esto verbi tui“, „Portio mea non est in terra“ (deren zweiter Teil) und „Bonitatem fecisti cum servo tuo“ (nicht authentisch). Elemente des Anekdotischen prägen hier Marpurgs Darstellungsweise.

36

Marpurg, Traité de la fugue et du contrepoint, Paris, Imbault an IX.-1801, S. LXIX.

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9. Die Flamen waren im 15. Jahrhundert dominierend, beherrschten die Fugentechnik und begannen andere Nationen zu beeinflussen. Zunächst imitierten sie die Franzosen, dann ab Mitte des 16. Jahrhunderts die Italiener, die bald die Führung übernahmen, während die Deutschen ungefähr zu dieser Zeit die ersten guten Komponisten hervorbrachten. Marpurg zählt eine lange Reihe italienischer, niederländischer, französischer und deutscher Komponisten auf. 37 Als theoretische Werke hebt er Zarlinos Istitutione harmoniche und Artusis zweite Ausgabe der Arte del contrapunto von 1598 hervor. 10. Aus dem 17. Jahrhundert nennt Marpurg zahlreiche Komponisten und Theoretiker und hebt als Ricercar-, Fugen- und Kanonkomponisten Frescobaldi, Battiferri, Pietro Francesco Valentini, Herbst, Froberger, Le Bègue, d’Anglebert (fünf Fugen über das gleiche Thema), Francesco Podio, Palestrina, Johann Klemm, Cima und Johann Woltz hervor. 11. In der Liste der berühmtesten Komponisten und der Theoretiker aus der Zeit des späten 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts figurieren als Komponisten von Fugen „Thierri Buxtehude“, Johann Krieger, Corelli, Francesco Maria Veracini, Giovanni Maria Casini, Michael Christian Festing, Pepusch, Bernier, Kuhnau, Pachelbel, Heinichen, Jean Boivin [Boyvin], Dandrieu, J.S. Bach, 38 unter den Theoretikern, die sich mit der Fuge befasst haben, Johann Baptist Samber und Fux. 37 38

Ebd., S. LXXI-LXXIII. Die längste Würdigung gilt Bach: „Jean Sébastien Bach, natif d’Eisenach, né en 1685, maître de chapelle et directeur de la musique de Leipsick, mort depuis peu; homme qui réunissoit en lui seul les talens de plusieurs grands hommes, une science profonde, un génie vif et fécond, un goût aisé et naturel, et les plus excellentes mains qu’on puisse s’imaginer: le défi qu’il reçut à Dresde du célèbre Marchand, organiste français, est assez connu. Il fut glorieux à Pompée de ne pouvoir être vaincu que par César, et à Marchand de ne l’être que par Bach. Outre quantité de belles musique d’église, on a de lui plusieurs recueils de Ricercari à un, deux, trois, quatre et cinq sujets, par

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12. Unter den lebenden Zeitgenossen, die als Theoretiker der Fuge hervorgetreten sind und denen er jeweils eine kurze biographische Notiz widmet, hebt Marpurg Rameau, Mattheson, Scheibe, Spies hervor, als zeitgenössische Komponisten, die Fugen schufen, sind Händel, Telemann, die beiden Graun, Hasse, W.F. und C.P.E. Bach, Padre Martini, Mondonville, Leclair, Geminiani, Graupner, Fasch, Joseph Umstatt, Pierre Février, Johann Georg Hofmann (Breslau), Eberlin, Krebs, Benda, Smith und Kellner genannt. Marpurg erwähnt den „genialen“ Autor des Siècle de Louis XV (vermutlich ist Le précis du siècle de Louis XV von Voltaire gemeint), die blinden Organisten Bibault, den Baron Erlach, Jacobi und Stanley und weitere Organisten, von denen allerdings noch keine Orgelfugen im Druck vorlägen: Jacob Wilhelm Lustig in Groningen (und dessen Inleiding tot de Musykkunde, „traité admirable“), 39 der im Übrigen Marpurgs Die Kunst das Clavier zu spielen (1750) als Aanleidung tot het clavier-speelen (1760) übersetzt hatte, und John Keeble in London. Marpurg hat seinem Handbuch bey dem Generalbasse und der Composition (1755-1758) einen Anhang hinzugefügt, in dem er in verkürzter Form Regeln zum doppelten Kontrapunkt, zur Fuge und zum Kanon in Anlehnung an seine Abhandlung von der Fuge abhandelt, aber auch einige wichtige Veränderungen, so etwa zur Modulation vornahm. 40 Durch die Umstellung der Kapitel im Handbuch – die Behandlung des doppelten Kontrapunkts und des Kanons vor der Fuge – hat Marpurg bereits der Kritik in der Besprechung der Peters-Ausgabe der Abhandlung in der

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mouvement semblable contraire, etc., dans les 24 tons. [Anmerkung: le plus recherché de ces recueils, contenant 48 Fugues dans tous les tons, est gravé, à Paris, chez IMBAULT, éditeur de cet ouvrage.] Marpurg, Traité de la fugue et du contrepoint, Ausgabe Imbault, S. LXXXIX. Ebd., S. LXXXI. Vgl. dazu, Krumbholz, Friedrich Wilhelm Marpurg’s Abhandlung von der Fuge (1753-4), S. 182-186.

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Berlinischen Musikalischen Zeitung, 41 der Kritik von Choron und Fétis an der Anordnung in der Abhandlung vorausgegriffen, die bemängelt hatten, dass die Fuge vor dem Kontrapunkt und dem Kanon behandelt wurde. Der anonyme Verfasser der Berliner Besprechung lehnt im Übrigen viele der von Marpurg ausgewählten Musikbeispiele ab.

Rezeption Abgesehen von der eigenen „Mitteilung“ seiner Abhandlung in den Historisch-Kritischen Beiträgen über die Musik 42 sind keine zeitgenössischen Kritiken nachgewiesen. Darin bemerkt er: „Es wird mir, ohne Ruhmräthigkeit, so viel von meiner Arbeit zu sagen erlaubt sein, 1) dass man in keiner Sprache ein Buch aufzuweisen hat, wo man alle diese Materien, wie hier, zusammen angeführt antrift; 2) dass man verschiedne Artikel noch nirgends, weder in gedruckten, noch geschriebenen Unterrichten abgehandelt findet, und dass die Grundssätze davon allhier zuerst in einem deutlichen und ordentlichen Zusammenhang der Welt vorgeleget werden.“ Carl Philipp Emanuel Bach schätzte das Werk 43 und Heinrich Christoph Koch rät dem Kompositionsschüler: „Derjenige angehende Tonsetzer, dem daran gelegen ist, in das Innerste der Setzkunst einzudringen, muß nothwendig, nachdem er einige Fortschritte in der freyen Schreibart gemacht hat, sich eine gründliche Kenntniß der Fuge zu erwer-

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42

43

Vgl. Berlinische Musikalische Zeitung 2, 1806, Nr. 32, S. 125-127. Vgl. Krumbholz, Friedrich Wilhelm Marpurg’s Abhandlung von der Fuge (17534), S. 188. Marpurg, Historisch-Kritischen Beiträgen über die Musik, Berlin 1754, Bd. 1, S. 71-72. Vgl. dazu Krumbholz, Friedrich Wilhelm Marpurg’s Abhandlung von der Fuge (1753-4), S. 178.

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ben suchen; und hierzu findet er die beste Anleitung in Marpurgs Abhandlung von der Fuge.“ 44 Marpurgs Lehrwerk der Fuge galt bis weit ins 19. Jahrhundert als grundlegendes Lehrbuch und hatte eine lange Wirkung, auch in Frankreich bzw. international (die französische Sprache war die Sprache der Gebildeten, als Marpurg seinen Traktat übersetzte), wie die drei Ausgaben in französischer Sprache und eine weitere freier gehandhabte Übernahme bei Choron zeigen, während Kirnbergers Traktat nur in Deutschland zwischen 1771 und 1779 sowie in Wien 1793 erschien. Die Rezeption der Musik Bachs wurde durch Kirnbergers Die Kunst des reinen Satzes und Marpurgs Abhandlung von der Fuge befördert. Aus beiden Traktaten existieren autographe Auszüge von der Hand Beethovens. 45 Schumann studierte von April bis September 1830 und erneut 1838 neben dem Wohltemperierten Klavier Marpurgs Abhandlung von der Fuge. 46 Seine Bach-Studien wurden durch das Studium von Marpurgs Lehrwerk vertieft. Carl Ritter, der vom 18. November 1847 bis zum 20. April 1849 Schumanns Schüler war, bezeugt, „dass Schumann für dessen Unterricht unter Zugrundelegung von Marpurgs Abhandlung von der Fuge und Cherubinis Theorie vom Kontrapunkt und der Fuge ein eigenes Lehrbuch von der Fuge verfaßt hatte“.47 In seinem Artikel „Fuge“, in dem sich Koch vielfach der Terminologie Marpurgs (Gefährte, Wiederschlag etc.) bedient, verweist er auf dessen Lehrbuch: „Den ausführlichsten Unterricht von der Einrichtung der Fuge 44

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47

Heinrich Christoph Koch, Versuch einer Anleitung zur Composition, Leipzig, A. Böhme 1793, Bd. 3, S. 281. Aus der Abhandlung Marpurgs in der Sammlung Bodmer HCB Mh 46b, i, c und e, aus der Wiener Ausgabe von Kirnbergers Traktat von 1793 in der gleichen Sammlung HCB Mh 46g sowie Beethoven-Haus BH 81. Vgl. Bodo Bischoff, „Das Bach-Bild Robert Schumanns. ‚...von Bach dämmert es’ (1810-1829)“, in: Bach und die Nachwelt, S. 430 und 447. Ebd., S. 463.

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findet man in Marpurgs Abhandlung von der Fuge.“ 48 Diese Auffassung teilt auch Schilling: „Am gründlichsten hat Marpurg (in seiner Abhandlung von der Fuge) diese Kunstform [die Fuge] behandelt.“ 49 Kühnel bemerkt in der „Vorrede“ seiner Ausgabe des Traktats von Marpurg: „Das einzige, streng wissenschaftliche Werk über die Fuge, welches ein klassisches Ansehen behauptet, ist Marpurgs Abhandlung. Da dieses Buch gänzlich vergriffen ist, so glaubt sich die Verlagshandlung, um sich um die Theorie der Musik verdient zu machen, indem sie eine neue und unsrer Zeit angemessene Ausgabe desselben erscheinen läßt. Keine anderen Verbesserungen waren hiebei nöthig, als jene des etwas veralteten Styls und der äußeren Form. Das Wesentliche ist unverändert, aber die für unsere Zeiten überflüssigen Dedikationen und polemischen Vorreden aus den Jahren 1753 und 1754 sind weggelassen worden. Das Studium des einfachen und doppelten Contrapunkts, der Fuge und des Canons ist dem ächten Freunde und Kenner der Musik ein unentbehrliches Mittel, seiner Kunst in ihrem ganzen Umfang Meister zu werden. Alle großen Tonkünstler, z.B. Mozart, J. Haydn beweisen an sich selbst, dass das Genie in vertrauter Bekanntschaft mit dem System der Harmonie, wie es sich in den Werken der fugirten und kanonischen Schreibart offenbaret, seinen Schöpfungen die Kraft und Würde zu geben vermag, womit sie dem Zeitenwechsel trotzen. Unter talentvollen Tonsetzern stehen nur dem Meister im Contrapunkt alle Mittel der Tonkunst zu Gebote. Unter

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Heinrich Christoph Koch, Musikalisches Lexikon, Frankfurt, August Hermann 1802, S. 614. Gustave Schilling, Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, Stuttgart, Franz Heinrich Köhler 1840, Bd. 3, S. 86.

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den strengen Gesetzen hat sich seine Freyheit gebildet, und er folgt den Gesetzen der Harmonie, ohne in ihren Fesseln zu gehen.“ 50 Die 1843 erschienene revidierte Fassung des Traktats von Simon Sechter ist, abgesehen von Ergänzungen und sprachlichen Modernisierungen, in der Substanz nur wenig verändert. 51 Moritz Hauptmann verglich sie mit Christian Theodor Weinligs Theoretisch-praktische Anleitung zur Fuge (Dresden 1845) und zog Marpurgs Fugenlehre vor: „Eins gefällt mir auch bei Marpurg besser, dass er seine Beispiele aus guten Werken, großentheils von Seb. Bach genommen hat. 52 Weinligs Fugen seien dagegen „kümmerlicher, geistloser Handwerksschlendrian.“ Selbst Siegfried Dehn, der sich in seiner Lehre vom Contrapunkt, dem Canon und der Fuge (1859) auf Fux und besonders in Bezug auf die Kanon- und Fugenlehre auf Marpurg stützte, legte ein Jahr vor seinem eigenen Traktat eine unveränderte Ausgabe von Marpurgs Werk vor. Nach der unveränderten Neuausgabe von Marpurgs Übersetzung der Abhandlung mit separaten Tafeln der Notenbeispiele durch Imbault hat Choron in seinen Principes de composition des Ecoles d’Italie (1808) 53 große Teile aus Marpurgs Handbuch bey dem Generalbasse und der Composition und der Abhandlung von der Fuge übernommen. „Ce second livre est traduit presque littéralement du Manuel d’harmonie et de composition de Marpurg (hand buch bey dem général-Basse und der composition etc.) ouvrage excellent [...] Le premier chapitre m’a été fourni par Mr. 50

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Marpurg, Abhandlung von der Fuge, 2. Auflage, Leipzig, Kühnel 1806, S. IIIIV. Horn, „Marpurgs ‚Abhandlung’“, S. 150. Brief Moritz Hauptmanns an Franz Hauser vom 3. Februar 1828, in: Briefe von Moritz Hauptmann an Franz Hauser, hg. von A. Schöne, Leipzig 1871, S. 31, zitiert nach Heinemann, Hinrichsen, „Paradigma Fuge“, S. 168. Sylvia l’Écuyers Anmerkung in Art. „Choron“, in: MGG2, Personenteil, Bd. 4, Sp. 1013, „(nach G.B. Martini, Esemplare, 2 Bde., Bologna 1774-1775)“, ist sehr unvollständig.

xxi

Joseph Martini, inspecteur au Conservatoire, qui a traduit cet ouvrage presqu’en entier“. 54 Es handelt sich offenbar um Martini, d.h. Johann Paul Aegidius, der 1795 Inspecteur am Pariser Conservatoire war, von dessen Übersetzung aber bisher keine Quelle mehr zu finden war. Die später von François Joseph Fétis geäußerte Kritik am Aufbau von Marpurgs Traktat befindet sich bereits bei Choron, der damit auch seine Veränderungen an der Abfolge der Kapitel begründet und die Abfolge der Modellkompositionen tüchtig durcheinander gewirbelt hat (siehe dazu Anhang 2): „Ce troisième livre est extrait textuellement du traité de la fugue et du contrepoint par Marpurg, ouvrage excellent, recommandé par le P. Martini lui même et qui jouit depuis longtemps de l’estime des maîtres de toutes les Ecoles: ouvrage essentiellement classique, mais que le défaut d’ordre et la mauvaise distribution des matières faisaient paraître inintelligible, quoique très clair, au fond. La nouvelle distribution des matières à [sic] fait disparaître ce vice apparent.“ 55 Die Fugenlehre Marpurgs, die er im vierten Buch übernimmt, erfährt Chorons höchstes Lob: „Cette matière [Imitations- und Fugenarten] est épuisée dans le quatrième livre tiré, comme le précédent, de l’ouvrage de Marpurg. Il forme avec les modèles de Sala [...] le plus beau traité de la fugue que l’on ait encore rédigé.“ 56 Choron folgte bei der Kompilation seines umfangreichen Werkes dem Rat Cherubinis und Isouards, ein erster Beleg für die Wertschätzung Marpurgs durch Cherubini: „J’ai été dirigé dans mon choix par les avis de Mr. Cherubini dont la complaisance égale le profond savoir, et de Mr. Nicolo [Isouard].“ 57

54 55 56 57

Choron, Principes de composition des Ecoles d’Italie, „Préface“, S. XXIII. Ebd., S. XXIV. Ebd., S. XXV. Ebd., S. XXVI.

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Choron hat die Anordnung der Kapitel verändert und die Kadenzen und die Modulation ohne direkte Übernahmen von Marpurg behandelt: Marpurg 1756, Imbault 1801

Choron in neuer Übersetzung

I. Teil Kap. 1

Livre 4, chap. 1 und 2, S. 10-11

Kap. 2-4

chap. 2, 11-68

Kap. 5

Livre 3, chap. 1-2

II. Teil

ohne „Histoire abrégée“

Kap. 1-5

Livre 3, chap. 3-7

Kap. 6

Livre 5, S. 1-60

Kap. 7

Livre 4, S. 68-73

Ein weiteres Dokument der Verehrung Marpurgs durch Choron liegt in dessen Lexikoneintrag vor: „Marpurg est, sans contredit, l’écrivain didactique le plus estimable que l’Allemagne ait produit, et c’est un des plus estimables que possède l’art de la musique en général. A une connaissance très-approfonie des principes il joint un excellent jugement et un très-bon goût.“ 58 Fétis griff Chorons Kritik am Aufbau der Abhandlung Marpurgs auf: Cherubini lehrte „bonnes traditions des anciennes écoles 58

Choron/Fayolle, Dictionnaire historique des musiciens, Paris 1811, Reprint Hildesheim, Olms 1971, Bd. 2, S. 19.

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italiennes [...] On ne possédait alors, pour l’enseignement de cet art, que des traductions imparfaites des livres de Fux, de Marpurg et d’Albrechtsberger, la volumineuse et indigeste compilation de Choron, intitulée Principes de composition des écoles d’Italie.“ 59 Es ist besonders bemerkenswert, dass Luigi Cherubini sich in seinem Cours de contrepoint et de fugue (1835) bei den Imitationsarten auf Marpurg beruft: „Alle diese Imitationsarten und Benennungen finden sich in MARPURG’S Abhandlung von der Kunst der Fuge und Nachahmung und man kann sich daher dort nähere Belehrung verschaffen. Es ist dieses Werk das vollständigste und gründlichste [bei Cherubini „un des plus complets en ce genre que l’on connaisse; voilà pourquoi on le consulte“] von allen und darum eines besonderen Studiums werth.“ 60 Cherubini verweist später erneut auf Marpurg: „Es wird nothwendig sein, dass er zu diesem Zwecke Marpurg’s Abhandlung von der Fuge zu Rathe ziehe, um alle Intervalle zu sehen, mittelst welcher man Imitationen machen kann.“ 61 Etwas später schrieb Jean Georges Kastner im Vorwort zu seiner Théorie abrégée du contrepoint et de la fugue (1839), er habe sich auf die Autoritäten Cherubini, Berton, Reicha, Fux, Marpurg, Kirnberger, Albrechtsberger und André gestützt. 62 Fétis, der immer wieder sehr selbstbewusst seine Kompetenz über die anderer stellt, kritisiert Marpurg erneut in seinem Lexikoneintrag: „Marpurg jouit en Allemagne de la réputation d’un savant théoricien et d’un critique de premier ordre: il la mérite à beaucoup d’égards, 59

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Fétis, Traité du contrepoint et de la fugue, nouvelle édition, Paris, Troupenas s.d., „Préface“, S. II. Deutsche Ausgabe Theorie des Contrapunktes und der Fuge von Franz Stoelpel, Leipzig Fr. Kistner s.d., S. 68. Ebd., S. 72; S. 82, 89 und 93 sind Beispiele aus Marpurgs Traktat übernommen. Vgl. Renate Groth, Die französische Kompositionslehre des 19. Jahrhunderts, Wiesbaden, Steiner 1983, S. 84.

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quoique dans la didactique il ait manqué quelquefois de netteté dans les idées et d’ordre dans la classification des faits [...] Marpurg a particulièrement traité de la fugue, de l’imitation, des canons et du contrepoint dans le style instrumental. Il y a de bonnes observations de détail dans son livre, mais il n’a pas connu les vrais principes de l’imitation canonique, ni des deux parties les plus importantes de la fugue, qui sont: le sujet et la réponse. Les objets sont d’ailleurs disposés dans son livre en sens inverse de l’ordre naturel, car il ne traite des contrepoints doubles qu’après la fugue, dont les contre-sujets ne peuvent être établis que d’après le contrepoint double à l’octave, et il place les canons après les contrepoints doubles, quoique ce genre de composition appartienne naturellement aux contrepoints non susceptibles de renversements. Choron, qui n’avait pas aperçu ce défaut radical d’ordre, l’a maintenu dans ses Principes de composition; mais il l’a corrigé, d’après mon Traité de contrepoint et de la fugue, dans son Nouveau Manuel.“ 63 Eine andere Akzentuierung der Kritik ist im Artikel „Choron“ von Fétis enthalten: „Certes Marpurg est bien plus méthodique dans son Traité de la figure [recte fugue] qu’aucun écrivain de l’Italie; mais tous ses exemples, pris dans des compositions instrumentales assez correctement écrites, quoique surchargées de dures modulations, étaient de nature à faire grincer les dents de tout musicien italien, à l’époque où son ouvrage parut.“ 64 Trotz aller Dis-

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Biographie universelle des musiciens, 2Paris, Firmin Didot frères 1870, V, S. 461-463. Choron und A. de Lafage, Manuel complet de musique vocale ou instrumentale ou Encyclopédie musicale, Paris 1836-1838; der 2. Band handelt von der Melodie und besteht weitgehend aus einer Rezeption von Kochs Kompositionslehre; der 3. Band über die Harmonik und den Kontrapunkt basiert auf Marpurg, Fenaroli und Azopardi; der 4. Band über den einfachen und doppelten Kontrapunkt auf Fux und Marpurg. Fétis, Art. „Choron“, in: Biographie universelle, Bd. 2, S. 288.

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tanz zu Marpurg hat Fétis in seinen Traité du contrepoint et de la fugue zwei Beispiele aus Marpurgs Abhandlung von der Fuge übernommen. 65 Eine anonyme Übersetzung der Abhandlung ins Englische aus dem Jahr 1803 ist im Royal College of Music in London im Manuskript erhalten, 66 Alfred Mann legte 1959 eine Teilübersetzung vor. 67 Durch die FaksimileEdition des Jahres 1970, die im Georg Olms Verlag erschien, war das grundlegende Werk Marpurgs wieder allgemein zugänglich. Die Nachfolge in der Kanonlehre traten im deutschen Sprachraum Albrechtsberger, Johann Anton André, Johann Christian Lobe, Christian Theodor Weinlig und viel später Hugo Riemann an.

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Traité du contrepoint et de la fugue, Bd. 1, S. 102, das Beispiel von Hofmann aus Marpurgs Bd. II, Tafel XXXIV, 2, und ein Beispiel von Stoelzel aus XXVII, 1. Fétis zitiert im Übrigen ganz überwiegend italienische (36), zehn deutsche und nur einen französischen Komponisten. Vgl. Friedrich Wilhelm Marpurg’s Abhandlung von der Fuge (1753-4), S. 213: Music Library of the Royal College of Music, Ms. 946, datiert „Finis March 12, 1803“. Ob es sich um eine vollständige Übersetzung handelt, ist nicht bekannt. Alfred Mann, The Study of the Fugue, New Brunswick, Rutgers University Press 1958 und New York, Dover 1987.

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Anhang 1: Komponisten, deren Kompositionen Marpurg zitiert (wenn nicht anders angegeben aus Band I) Anonym XIX, 1-2, 10-11, XX, 8-9, 11-14, XXI, 1-2, Bd. 2, XXVI, 6, XXVII, 3 Bach [J.S.] X, 1, XI, 1, 2, 4, XII, 1, XIII, 4, XIV, 2, XVII, 4, XVIII, 1, XXII, 3, 5, XXV, 3-4, XXXIII, 4-7, XXXVII, 3, XLI, 1-3, XLII, 1, XLVIII, 3, XLIX, 1, LI, 1-4, LII, 1, LIV, 14, LV, 10, Bd. 2, XI, 3-4, XII, 1, XIII, 1, XXIII, 1, XXXIII, 2-3, XXXVII 3, XXXVII, 7, XLVI, 1, LVIII, 4 Bach, Em. Bd. 2, XLI, 11, XLVII, 1, LI, 1, LII, 1 Bach, Fr. Bd. 2, X, 11-12, XIII, 4, XV, 5, XVIII, 6, 8-11, XXVII, 2, XXVIII, 3, XXX, 5, LIV, 3, LVIII, 5-6 Battiferri XXVI, 19, XXXIV, 1, XXXVI, 3, XL, 1-6 Bendinelli, Bd. 2, LVIII, 7 Berardi Bd. 2, XI, 1-2, XXIII 5-6. XXIV, 1-7, XXV, 1-4, XXVI, 1-2 Bernhardi Bd. 2, XX 5-7 Boivin XXVII, 7, XXIX, 1 Buxtehude XXXVI, 3 D’Anglebert XXII 1 Eberlin X, 2, XIII, 2, XIV, 1, XXII, 4, XXIII, 5, XXX, 15-16 Frescobaldi XX, 5, 10, XXV, 2, XXIX, 4, XXXVI, 5, XLVII, 1, 3, LII, 2 Froberger, XX, 4, 6 Fux XXIII, 4, XXV, 5-7, XXVIII, 1-4, Bd. 2, XXVIII 1, XLIII, 1 Gerlach XLVIII, 2 Graun jun. VI, 1, 3 Graunsen. IV, 1, V, 4 Graupner XII, 4, Bd. 2, L, 2 Händel XII, 2, XIII, 6, XXIII, 7, XXXIII, 1-3, XXXIX, 1-2 Hoffmann, G. Bd. 2, IX, 2, XXXIV, 2 Hurlebusch XXIII, 6, XXIX, 2 Janitsch XI, 5 Kirchoffianum Bd. 2, I, 6, II, 5, III, 1, 8, IV, 4, VIII, 5

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Kirnberger XXIII, 1, XXIV, 1, XXXI, 13-14, XLV, 1, LVII, 1-2, LVIII, 6, LX, 13, Bd. 2, V, 1, XV, 6, XIX, 1-3, 6-10, 12, XX, 1-4, XXI, 3-4, XXII, 2-6, XXIX, 3-4, XXX, 3, 6, 8, XXXI, 1-2, XXXII, 2, XXXIII, 1, XXXV, 2-4, XXXVI, 11, XXXVII, 5, XLI, 13, LV, 3-4, LVIII, 1-3. LVIII, 8-11 Kosolowsky LX, 12 Kreising, LIII, 3-5, LIV, 1 Kuhnau, XXIII, 3, XXIV, 3 Le Bègue XLVIII, 1 Leclair, Tab V, 2-3, VI, 2, XLIII, 2 Leuthard I, 16, VII, 1-2, XVIII, 1, 2, XV, 4, XXIV 4-5, XXVI 5, 12, XXVII, 4, 8-9 Liberti Bd. 2, XXX, 7 Lotti Bd. 2, XLIV, 1 Marpurg, XLVI, 1 Masson, XXII, 2 Mattheson XV, 1, 4, XVI, 8, XXVI, 7-8, XXXII, 1, 22 Muffat, X, 4-5, XI, 3, XII, 3, 5-7, XIII, 1, 7, XIV, 3, 5, XXII, 6, XXIII, 2, XXIV, 2, XXV, 8, XXVII, 3, 10, XXXVI, 1 (Musette) Bd. 2, XXIX, 1 Pachelbel XXVII, 1 Pepusch III, 9, XXXVI, 1-2 Porpora XXVII, 6 Quantz, IV, 3 Rameau XV, 11, 12, XXVI, 1-4, Bd. 2, XXVI, 5, XXXI, 3 Riedt V, 1 Romanus, Michael Bd. 2, XXXVIII, 3 Schafrath IX, 2 Scheibe XV, 2, LXI, 3 Spies, XIX, 3-4, 12-14, XX, 7, 15, XXXI, 10, LV, 11-12 Stölzel Bd. 2, XXXVI, 1-10, XXXVII, 1 Telemann XIII, 3, XXV, 1, XXIX, 3, XXXVII, 1-2, Bd. 2, XLV, 1 Theile XXX, 1, 2

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Valentini Bd. 2, XXXVIII, 4-5 Walther XIII,5 Werkmeister XXI, 3, Bd. 2, XXXVII, 4 Anhang 2: Übernahme der Notenbeispiele von Marpurg durch Choron Marpurg, Band 1, Tab.

Choron, Bd. 1, livre 3, Seite

XLVIII, 1-3, XLVII, 1-2 XLVII, 10; L 5; XLVII, 1-2 (sic) XLVII, 3; XLVIII, 2 ; XLVII, 5-6; L, 3; XLVII, 7, 8 XLVII, 9, 10; XLVIII, 2 (sic) XLVIII, 3; XLIX, 1; LI, 1 LI, 2; XLIX, 2 L, 1, 2 L, 3-5; LI, 3, 4 LII, 1, 2 LIII, 1-5 LIV, 1-10 LIV, 11-13, LV 1, 9, 2-8 LIV, 14; LV, 10-12, LIV, 1, 2 LVI, 3-9 LVI, 10-12, LVII, 1, 2 LVI, 1, 5-7, LVII, 3-5; LVIII, 1, 2 LVIII, 2, 3, 6, 4, 5, LVII, 3; LVIII, 1, 7-9 LVIII, 8-11; LIX, 1-11, 22, 23, 12 LIX, 13-21 (22 fehlt); LX, 1-5 (6 fehlt) LX, 7-13; LXI 2, 3, 5 LXI, 4, 5, 7-12 (9, 10 in zwei Systemen notiert) LXII, 1-11, ein neues Beispiel, 12, 24, 13-22, 26 (ohne Auftakt), 27

2 3 4 5 6 7 8 9 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23

xxix

Marpurg Bd. 2 I, 1, 2 I, 3-7, II, 1 II, 2, 3; V, 2; XXXI, 2 aus V, 1 V, 1; II, 5-8 V, 9-11; III, 1-4 III, 5-9; IV, 1-3 IV, 4-8 V, 4; VI, 1-3 VII, 2; VI, 4 (z.T. falsch beschriftet) V, 3; IX, 4-6 IX, 7, 8; X, 1; VII, 2-4 VII, 5; VIII, 1, 2, 5; IX, 1, 2 3 Beispiele 3st. X, 1, 4, 7, 8, 11, 12, 5, 6, 9, 10 2 Beispiele 3st.; X, 2, 3; 3 Beispiele 3st 1 Beispiel 3st.; XI, 1-2; 2 Beispiele 3st. XI, 3 3 Beispiele 4st; XII, 1 (Kunst der Fuge) XII, 1 (Kunst der Fuge); 2 Beispiele 4st. 4 Beispiele 2st.; XII, 2-3; 2 Beispiele 2st. 2 Beispiele 2st.; XIV, 1-4 (in 4 fehlen 3 T.), 5 (mit Auflösung) 2 Beispiele 2st.; 3 Beispiele 3st.; 2 Beispiele 4st. XIV, 5, 6; XVI, 1-4 XVI, 5, 6; XV, 1-4 XV, 5; XVI, 9-15; 2 Beispiele 4st. 3 Beispiele 4st.; 7 Beispiele 3st. XVII, 1, 3, 4, 2, 5 XVII, 6-9; XVIII, 1-5

xxx

24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52

Marpurg Bd. 1, Tab.

Choron, Bd. 2, livre 4e, Seite

I, 1, 2, 4, 5 I, 6-16; II, 1-3 II, 3-8 II, 9; III, 1-9 IV, 1-3 V, 1-5 VI, 1-4; VII, 1, 2 VII, 3-5 VIII, 2, 3; IX, 1-6 X, 1 X, 2-5, XI, 1-3 XI, 4, 5, XII, 1-4 Tafel XII-XVIII S. 22 Bsp. 3-4 neu eingefügt

1 2 3 4 5 6 7 8 9 14 15 16 17-23

XV, 14; 3 neue Bsp,; X, 1; 1 neues Bsp. 24 XXVII, 7 (sic); 6 neue Bsp. 25 XIX-XXIX idem 26-42 XXXI, 13-22; XXXII, 1-7 43 XXXII, 8-XXXIII, 3 44-45 (1. Beispiel) XIII, 4, XXXIII, 4-6 45 Marpurg Bd. 2, LI, 1 a-z (Bach, aber C:P.E. Bach) 46 LII, 1-LIV, 74 (Bach, aber C.P.E. Bach) 47-48 Marpurg Bd. 1, XXXIV-XLV 54-65 Marpurg Bd. 2, LIX 66-68 Marpurg Bd. 1, XLVI, 1-XLVIII (Kyrie BWV 236) 70-73

xxxi

Marpurg Bd. 2, Tab.

Choron, Bd. 2, livre 5e, Seite

XLI, 13 XXXV, 1; zwei neue Beispiele XXV,1; XXXI, 3 XXV, 1; zwei neue Beispiele; XXXI, 2 XXXV, 2-4; ein neues Bsp., ein Bsp. von S. 4; LVIII, 8-11; XXX, 6, 7 Stoelzel LVIII, 4 XXVI, 3, 4; LIV, 6, 7; neues Bsp. XXIX, 1; XVIII, 9; XXX, 6, 7; XXXVII, 5 neues Beispiel; XXX, 1; XIX, 1 XLV, 1 XIX, 2; XIX, 3, 4, 6, 7; XVIII. 11; XIX, 8-11 XIX, 12; XX, 1-3; XVIII, 8-10, XX, 5, 6; XLVII, 1 vier neue Bsp.; XXXIX, 10, 11; XL 20, 21 XLI, 9, 10; XXVIII, 1 XXVII, 2; XXXV, 1, 2, 4, 5; XXXV, 3, 8, 6, 7 XXXVI, 11; LVII, 10; XXXIV, 3-5 XXXVI, 11, XXXVII, 3, 4 XLII, 1, 2; XXXIII, 2, 3; XXXIV 1 XXXIV, 2; XXXVIII, 1 XL1, 12; XX, 7; XLI, 13; XXIX, 12, 13 XL, 12, 13, 12 (verlängert); XXVI, 5; XXVII, 1 XXXI, 3 XXXII, 1; XXXIII, 2, 1 XXXVI, 10; XXXVII, 1 XLIII, 7 LVIII, 6, 7; neues Bsp. XXX, 1; zwei Bsp. aus XXX, 1; Kirnberger (nicht bei Marpurg)

xxxii

1 2 3 4 5 6 7 8 9 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29

XLI, 11; XXI, 3, 4 XXI, 5, 6; Kirnberger (nicht bei Marpurg); XXI, 1-3 XIII, 2, 3, 5, 4 XXI, 7, 8; XXII, 1; XXIII, 1, 2; zwei neue Bsp. LVIII, 1-3; XXII, 2; XIV, 7; XV, 6 XXIX, 4 XLIII, 1 XLII, 3 neues Bsp. zwei neue Bsp.; Kirnberger (nicht bei Marpurg) XXXIV, 3-5; XXXI, 1; neues Bsp. XXIII, 5, 6 XXIV, 1-5 XXIV, 6, 7; XXV, 1-3 XXV, 4; XXVI, 1, 2 XXXVII, 6, 7; XXXI, 2 zwei neue Bsp.; L, 2 LI, 1 XXII, 3-6 XXXIV, 3; drei neue Bsp. neues Bsp.; XXXVIII, 4, 5 XXXVI, 10 (verändert), 1-9 (viele Ergänzungen) XXXVI, 10; XXXVII, 1 XXXIX, 1-7 XXXIX, 8-17; XL, 1-XLI, 10 11 Bsp. ergänzt XLII XLIII XXVIII vier „Canons à déchiffrer“ von Kirnberger LVIII, 2 (einstimmig), zahlreiche neue Beispiele, 1-3stimmig

30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54-55 55 56 57 58 59 60

xxxiii

Abhandlung von

von

der Fuge nach den

Grunddsätzen und

der

Exempeln

der besten deutschen und ausländischen Meister entworfen von Friedrich Wilhelm Marpurg. Nebst LXII. Kupfertafeln.

&

Berlin, bey A. Haude, und J.C. Spener, Königl. und der Academie der Wissenschaften Buchhändler. 1753.

Des HERRN

Capellmeisters Telemann Hochedelgebohrnen:

Hochedelgebohrner,

Hochzuehrender HerrCapellmeister,

Ich getraute mir nicht, Ew. edelgeb. ben, hätte, daß ich sie

Hoch-

diese Blätter zu überge­

wenn ich nur diesen Grund keinem so leichte als Ihnen

mit mehrerem Rechte übergeben könnte. Man )(z

weiß

weiß es ohne mich, daß Sie eine Schrift von dieser Gattung am richtigsten zu beurtheilen im Stande sind.

Die Meisterstücke Ihrer

Feder haben vorlängst die falsche Meinung wi­ derleget,

als

Schreibart sich

wenn

die

sogenannte

galante

nicht mit einigen aus dem Con-

trapunct entlehnten

Zügen

verbinden

liesse.

Die vollkommenen Muster, die Sie hievon mit so allgemeinem Beyfall entworfen, liegen nicht nur Deutschlande vor Augen; auch Frankreich,

dem

unvergleichlichen

Frankreich

hat

Ihr Nahmeden Nahmen der Deutschen verehrungswerth gemacht.

Durch die Finger einer Bou-

Boucon, eines Blavette, eines Fortcroix, eines Guignon schallet derselbe noch immer stade

der Seine wieder.

die Welt, doch

an

dem Ge-

Allesdieses weiß

nicht vieleicht dieses, daß auch

ich jemahls das Glück gehabt, gebohr. bekannt zu seyn.

Ew. Hochedel-

Sie haben meine

bisherigen Bemühungen nicht gänzlich Dero gütigen Beyfalles unwürdig geschätzet.

Ich

halte mich verbunden, Ihnen hiemit meinen

öffentlichen Dank abzustatten.

Wie ange-

nehm sollte es mir seyn, wenn ich in der Folge der Zeit erfahren sollte, daß Sie auch diesen neuen Versuch

meiner schüchternen Muse

mit geneigten Händen aufgenommen hätten Ich

Ich habe die Ehre mit

der lebhaftesten

Hochachtung zu seyn

Ew.

Hochedelgebohrnen

Berlin, den 24. May. 1753.

ganz ergebenster Diener, der Verfasser.

Vorbericht.

Hätte ich nicht vielleicht Ursache, mein Versprechen zu widerruffen, und gegenwärtige Abhandelung von der Fuge zurücke zu halten? Hier habe ich einen hitzigen Gegner zu besorgen, der deswegen wider mich schreiben wird, weil ich schreibe.

Er besitzt selbst Fähig-

keit genung, ganze Folianten zu machen. Allein er will nicht anders, als unter dem Titel eines Gegenschreibers unter den Schriftstellern

Platz nehmen. Doch dieser meint es so bösenicht. Seine

Lust ist, jemanden zu näcken.

Er kann zu gleicher Zeit Freund

und Feind seyn. Es ist ein Vergnügen, solchen artigen Gegner zu haben. Man schiert und wird geschoren, Seit dem uns Noah Schiff ein neues Volk gebohren.

Günther. Ich

II

Vorbericht Ich bin so hypochondrisch nicht, daß ich mir leicht etwas zu

Gemüthe ziehe. Ich höre und lache. Dort sehe ich ein in den Operncontrapunct verliebtes Philomuschen wider mich die Feder schärfen. wenn er das Wort Fuge hört, und sieht

Er machet ein Kreuz, die Verfertigung dersel-

ben als ein Handwerk an, als wenn man bey den übrigen musikalischen Compositionen keiner Vorschriften bedürfe. Sein drittes Wort ist Melodie und Geschmack.

Wer sollte es ihm nicht

auf sein Wort glauben, daß er der größte Melodist wäre, und daß er den Geschmack gepachtet hatte ? Sprecht ihm von einem Canon. Es überlauft ihn ein kalter Schauer. Er hält das Jahrhundert für barbarisch, in welchem dieser Theil der Setzkunst besonders ausgeübet ward. Die in dieser Schreibart entworfnen Kirchenstücke eines Fux, Pränestini, Lotti, Scacchi und vieler andern halt er für Früchte des Aberwitzes. Dieser Mensch hat hin und wieder die Wörter Spielwerk, Schulzwang und dergleichen erschnappet. Er nimmt dieselben aber nicht in demVerstande,

da sie von denjenigen Kunstrichtern genommen werden,

die sich dieser Wörter zuerst bedienet und dawider geeifert haben. Er vermischet den wahren Gebrauch einer Sache mit ihrem Misbrauche und kann sich nicht einbilden, daß ein majestätisches canonisches Meisterstück allezeit von ungleich beßrer Folge in einem Tempel seyn wird, als eine Pantomimische Adventsmotette. Daß canonische Schreibart viele unter den Alten die contrapunctische und gemißbraucht haben, ist bekannt. Hebet aber dieser Mißbrauch den wah-

Vorbericht.

III

wahren Gebrauch einer Sache auf? Die Vortheile der canonischen und contrapunctischen Schreibart können nur von denjenigen geleugnet werden, die sie nicht wissen.

Laßt uns sehen, was

Spielwerke heissen, was man Pedanterie, was man Schulzwang nennet. Etwann diejenige Art der Composition, wo man bald dieses, bald jenes Intervall, z.B. eine Terz, eine Quinte, eine Sexte, u. s. w. wegzulassen sich verbindet; wo man von den sieben Hauptklängen einer Tonleiter bald ein c bald ein D bald ein E u. s. w. verbannet, so wie es ehedessen Leute gab, die eine Rede ohne R bald ohne einen andern Buchstaben schrieben ?

Sind es

etwann diejenigen Kunststücke, wo man eineStimme anders schreibet, als sie ausgeübet werden soll; da man nemlich einen andern Schlüssel oder eine andere Art der melodischen Bewegung erwehlen muß? Ist es diejenige Setzart, wo eine von den Oberstimmen,

nach Prinzens Beschreibung, bald hinauf, bald gerade

fort, bald herunter, bald gar zurücke geht, und die deswegen ein musikalischer Labyrinth genennet wird? Ist es der Contrapunct mit und ohne Pausen, d. i. derjenige, wo alle Stimmen sowohl zugleich anfangen und fortgehen, als vermittelst gewisser Pausen nach einander eintreten können? Sind es die Canons über die Vocales verschiedner Wörter, das ist die acrostische Setzart? Ist es diejenige, wo das fa in mi und umgekehrt, das mi in fa verän­ dert werden kann, ohne der Harmonie Gewalt zu thun ? Sind es diejenigen veränderlichen Contrapuncte, da man bey vier und mehrern unterschiednen Stimmen bald diese, bald jene weglassen, * 2

und

IV

Vorbericht.

und woraus man folglich bald ein Duo, bald ein Trio machen kann? Sind es die sogenannten betriegerischen Fugen, die aus der Solmisation ihren Ursprung nehmen, und wo der Gefährte dem Führer nicht in ähnlicher Fortschreitung sondern mit ähnlicher Benennung der Noten nachfolget? Ist es endlich derjenige verbundne Contrapunct mit einem veränderlichen ersten Gesange, da die den Conrrapunct führenden Stimmen allezeit unverrückt bleiben, der erste Gesang aber, jedoch mit beständig beybehaltnem Wehrte der Noten, entweder sogleich vom Anfange oder vermittelst einiger Pausen auf unterschiedne Art dagegen eintreten kann, und so weiter? Jeder vernünftiger Tonkünstler nennet ebenfals alles dieses Lappalien und Spielwerke.

Nur ein seichter Kopf von dem

Gelüchter unsers Philomuschens darf die vortreflichen auf den doppelten Contrapunct gebauten Meisterstücke der Harmonie unter die Spielwerke rechnen.

Er hat Recht, an demjenigen was

etwas Mühe kostet, Eckel zu haben. Er schüttelt seine Einfälle, wo nicht aus dem Ermel, ner heraus.

doch

aus den Partituren anderer Mänaus

Ist aber auch die freye Schreibart nicht mit Mühe

verknüpfet? Haben diejenigen vortreflichen Männer, die die Welt alle Tage mit schmackhaften galanten Stücken chern,

ihre Sachen auf einem Beine stehend

berei-

hingeschmieret?

Doch ich kehre zu meinen Gegnern zurücke.

Da erblicke ich

einen Menschen, der gerne in der musikalischen Welt eine Figur machen

Vorbericht.

V

machen wollte, wenn diese, mit Günthern zu reden, sich überreden liesse, daß sich der sittsame

Apoll auch unter dem Sinn-

bilde eines Trampelthieres vorzustellen pflegte.

Dieser Mensch,

ein sehr fürchterlicher Mensch, wird sogleich bey Oefnung meines Buches alle ihm bekannte contrapunctische Scribenten nachschlagen.

Er wird sehen, daß von allen diesen Männern das Wort

Dux auf deutsch ein Führer genennt wird. Dieses habe auch ich gethan.

Folglich habe ich alle diese Männer zusammengeschrieben.

Mit diesem Menschen könnte ich mich nun leicht vergleichen, wenn er mich hören wollte. sammengeschrieben hätte.

Ich wollte ihm sagen, daß ich zuIch könnte zur Bescheinigung meiner

Sache hinzufügen, daß alle, die vor mir geschrieben, auch zusammen geschrieben haben, und daß vielleicht in etlichen hundert Iahren auch die Reihe an mich kommen kann, daß ich werde mit abgeschrieben werden.

Ich wollte ihn ersuchen, dasjenige was

fremden Männer gehöret, denselben in meinem Nahmen mit allem Danke wieder zuzustellen.

Sollte ich denn etwann alles aus

meinem Kopfe hernehmen ? Ich hätte vieles übergehen können, und meine Absicht war gleichwohl, zwar nicht sechs Alphabethe voll zu schreiben, doch alle Anmerkungen, die nur einigermassen nöthig oder nützlich seyn konnten, zusammen zu fassen, um demjenigen, der nach mir in einer guten Ordnung, und wo nicht vollständiger, doch weitläuftiger schreiben will, die Bahn leichter zu machen. chen,

Ich habe doch hin und wieder Meinungen vergli-

Vorurtheile gehoben, Irthümer widerlegt, viele Sachen *3

in

VI

Vorbericht.

in ein helleres Licht gestellet, genauere Abtheilungen der Dinge gemacht, richtigere Erklärungen und Beschreibungen gegeben. Diese Ordnung wird man mir doch zu verdanken haben.

Ich

könnte meinem Gegner annoch sagen, daß es mir angenehm seyn sollte, wenn ich nur gut zusammengeschrieben hätte. Meinen Leverschiedne sich nicht von dieser Matesern, die Lust haben, Bücher rie anzuschaffen, würde damit gedienet seyn. Ich würde ihn aber doch zu gleicher Zeit bitten, alles was nicht zusammengeschrieben ist, sondern sich auf meine eigene Untersuchung gründet, besonders zu seiner Nachricht mitaufzuzeichnen würde ihm nicht genung thun.

Doch ich

Er soll Recht haben.

So oft er disputirt, muß ihn der Sieg erfreuen; Denn, fehlts an Gründen gleich, so fehlts doch nicht an Schreyen. Müller. Ein anders ist, schreyen und Gründe vorbringen.

Mein

Trost ist, daß ich weiß, daß er mir nicht nachschreiben wird, es mögte denn mit einer entlehnten Feder geschehen. Damit er aber doch wisse, was er für Bücher nachzuschlagen hat: so will ich ihm den Bendeler, Berardi, Bernhardi, Bononcini, Brossard, Fux, Kircher, Masson, von Mattheson,Nivers, Rameau, Scheibe,Spieß, Theil, Walther

und Werkmeister nennen.

Vielleicht will er

wissen, was ich aus denjenigen Scribenten gezogen, die ich niemahls gesehen habe. Ich will ihm also auch diese nennen. kann ihm

Es

dieses dazu dienen, daß er die vornehmsten Auctores, die

Vorbericht.

Vll

die ausser den schon gedachten von der Fuge und dem Contrapunct etwas geschrieben haben, kennen lerne.

Unter den Jtali-

änern findet man beym Walther folgende: den Camttlo Angleria, Zarlino, Artusi, Petrus Pontius, Tigrinus, d'Avella, Valenrini, Zacconi, Penna, Podius, Porta, Tevo,:c. unter den Spaniern Caux,

den

Infantas

Madin,

und

Aravxo;

Mersenne; bey

bey den Franzosen den den

Niederländern

den

Ockenheim; bey den Deutschen den Erhardi, Herbst, Göttingi, Demantius, Kaufmann, Vogt, Paix, Schonsleder, Petri, Trost, :c. bey den Engelländern den Simpson u. s. w.

Wenn er mir ei-

nige von diesen Scribenten nachzuweisen im Stande ist: so werde ich ihm viele Verbindlichkeit haben.

Wenn das Buch auch in

einer Sprache geschrieben wäre, die ich zu meinem Unglücke nicht recht oder gar nicht verstünde: so habe ich gute Freunde, die sie für sehr mir erklären können. Findet aber mein Gegner es anitzt unnöthig, daß, nachdem bereits so viele berühmte Männer diese Materie berühret haben, ich mich in dieses Feld wage: so dient ihm zur Nachricht, daß vielleicht viele und wohl die meisten von den itzt angeführten Scribenten sich

sehr rar gemachet ha-

ben, und daß es übrigens kein Schade ist, wenn man verschiedne Bücher über eine Materie hat.

Die Gemüther der Menschen,

sagt der Herr von Lambert, sind

nicht alle von gleicher Fähig-

keit, und folglich nicht alle gleich geschickt, sich

ebendieselben Sa-

chen unter einerley Bildern vorzustellen. Es ist ein Vortheil, daß vieler-

VIII

Vorbericht.

vielerley Schriften von eben der Materie vorhanden sind, man in einem finden

damit

könne, was man in dem andern vermißt.

Doch mancher Gegner wird sich Abhandlung anzugreiffen.

nicht begnügen, meine

Ich habe mich unterstanden, den

glüklichen Arbeiten vieler grossen Männer meine schwachen Hirngespinnste an die Seite zu setzen. die seinigen auch dabey.

Geduld! Vielleicht findet

er

Ist ihm dieses genung? Ich habe un-

terdessen Sorge getragen, den entlehnten Exempeln allezeit die Nahmen der Herren Verfasser beyzusetzen. Aber ist es nicht eine Kühnheit von mir, mich mit den Geheimnissen einer Kunst einzulassen, wovon sonsten nur denjenigen zu sprechen erlaubet war, die es sich etliche zwanzig Jahre dabey bey Wasser und Brodt sauer werden lassen? Nicht so hitzig; es ist keine Regel ohne Ausnahme.

Berardi, dieser berühm-

te Mann, hatte ja kaum die Schule des Martino Scacchi

ver-

lassen, als er sein Werk vom Contrapunct ans Licht stellete.

Es

ist wahr.

Aber er bekleidete die Stelle eines Capellmeisters.

Das ist ein anders; ich muß mich ergeben, wenn man mir die Titel eines Mannes entgegensetzet. Unterdessen halte ich dafür, nicht besser oder schlimmer würde gerathen seyn, daß sein Buch wenn er auch nur ein Leyermann gewesen wäre. Sollten nur diejenigen allein, die Warheiten der Musik vorzutragen, Vollmacht haben, die mit grossen Titeln prangen;

so würde die edle Tonkunst bald

zu einem Schuster­

handwerke werden, von dem man auch nicht schreibet.

Man-

cher grosse Mann schreibet deßwegen keine Bücher, weil er andere

Vorbericht.

IX

dere Verrichtungen hat; mancher weil er es nicht kann; mancher ist zu furchtsam. Er besorget, getadelt zu werden. Mancher ist mit seinem wenigen Wissen geheim. Es ist oft gut. Er schweigt und bleibt ein Philosoph. Kurz wer kann alle Ursachen erzählen, die manchen grossen Virtuosen verhindern, sich bis aufs Bücher schreiben herabzulassen? Man kann ihm dieses übrigens so wenig verübeln, als andern den Abscheu, musikalische Bücher zu lesen. Diese leztern werden groß und vortreflich gebohren. Ihr glückliches Gestirne krönte sie schon m der Wiege, und vermöge einer mehr als göttlichen Offenbahrung sehen sie bereits voraus, was nach etlichen Jahrhunderten Mode seyn wird. Sobald ein neues musikalisches Blatt zum Vorschein kömmt: so zucken sie die Achsel. Es riecht ihnen nach dem Fuchspelze. Treibt sie ja die Neubegierde, einen Blick hinein zu wagen: so geschieht es ganz heimlich. Es muß es kein Mensch wissen, daß sie sich mit solchen Schulmeisterdingen abgeben. Mögten doch diese grossen Geister uns übrigen kleinen Leuten ihre erleuchteten Einsichten durch den Druck mittheilen! Gesetzt, daß sie es nicht besser machen als andere, so können sich doch Leute finden, die es glauben. Mich deucht, daß sowohl die theoretischen als practischen Tonkünstler in ihrer Aufführung gegen einander sehr oft über die Schnur hauen. Ein Grillenfänger, der bey dem Zirkel und Lineal grau geworden, und nicht einen Bäretanz zu spielen weiß, siehet die Ausüber der Kunst mit einem verächtlichen Schulstolze an. Er thut keinen Grif auf dem Claviere, bevor er sich besonnen, daß die kleine Sexte in derproportione supertripartiente Quintas besteht. Ein blosser Practicus wiederum lachet den Theoreticus mit der Mine eines misgerathnen Petitmaitre ans. Nur mit der Geige oder einer feuchten Partitur in der Hand erhält ** man

X

Vorbericht.

man bey ihm Zutritt. So seltsam geht einer mit dem andern in der artigen musikalischen Welt um. Ist aber nicht ein jedes Talent seines Vorzugs wehrt? Derjenige soll noch gebohren werden, wenn der in allen beyden zugleich vortreflich seyn wird. Genung, ein jeder das seinige so viel übet, als es ihm seine natürlichen Kräfte erlauben, wenn der übrigen Welt nur einigermassen ein Vortheil daraus erwächst. Wer mehrere Kräfte hat, dem steht es besser zu machen. Sind es aber nur eingebildteKräfte: es frey, so wird er in diesem Falle mit Recht so sehr verlachet werden, als er im erstern Beyfall verdient. Allein ich habe noch etwas mit einem andern Gegner zu sprechen. Er wird mich vielleicht vieler Freiheiten hin und wieder beschuldigen. Sobald er eine Wendung spüren wird, die nicht nach seinem Geschmacke ist, die nur seinen Regeln, nicht den Regeln der übrigen Welt entgegen ist, so wird er mich in die musikalische Acht erklären. Nur die Gänge in der Harmonie sind ihm bekannt, die man ihm gezeiget hat. Er würde sich ein Gewissen machen, sich einen Finger breit von demjenigen zu entfernen, was ihm gesagt ist. Gesetzt er fände dasjenige, was ihm verboten worden, in den Schriften seiner Lehrer; so wird er es doch nicht wagen, auf ihr Exempel dasselbe nachzumachen, oder es bey andern zu entschuldigen. Nur etwann zwey oder drey Leute haben diese Freiheit. Dieser Gang aber muß doch entweder gut oder böse seyn. Ist er gut, so kann ihn ein jeder ohne Unterscheid gebrauchen; taugt er nicht, so bleibt er auch bey dem grösten Manne ein Fehler. Vielleicht wird es manchem nicht Recht seyn, daß ich nicht nur Exempel von Tonmeistern verschiedner Nationen, sondern auch öfters von Personen entlehnet habe, deren Nahme in der contra-

Vorbericht.

XI

contrapunctischen Welt nicht viel bekannt ist. Da bitte ich zu untersuchen, ob das gegebne Exempel der Sache gemäß und gut dazu ist. Ist dieses, so kann er übrigens geruhig schlaffen, und es ihm gleich viel seyn, ob die übrigen Compositionen dieser Personen oder die weitere Ausführungen gewisser Sätze nach seinem Sinne sind oder nicht. Es ist doch bekannt, daß mancher Mensch nur dem Geschmack dieser oder jener Person, oder dieser oder jener Nation alleine geschworen hat. Zeigt ihm eins der besten Stücke eines seiner Leibscribenten unter dem Nahmen eines andern. Er verachtet es. Zeiget ihm eine sehr schwache Ausarbeitung von einem Fremden unter dem Nahmen eines seiner Leibscribenten. Er erhebt sie. Wie beschämt muß ein solcher Mensch werden, wenn er des Betrugs hernach inne wird, wenn er sich zu schämen im Stande ist ? Seiner Empfindung glaubt ein solcher Mensch nicht. Ist es nicht lächerlich, daß eben dasselbe Stück gut oder böse seyn kann; gut, wenn es von diesem ist; böse, wenn es jener gemacht. Ihr Freunde lachet nicht; Wir wollen mit Geduld des Richters Thorheit schonen. Gottsched aus dem Horaz. Können seine Urtheile anders als verachtungswürdig seyn ? Stehet ein solcher Mensch noch in den Gedanken, daß nur diejenigen, die mit ihm in einer Classe gesessen, geschickt seyn können: so ist ja bekannt, daß der Lehrer nicht aus jedem Holze einen Mercur schnitzen kann, und daß aus eben demselben Hörsaale so gut grosse Leute als arme Sünder kommen können. Sollten denn alle diejenigen, die sich rühmen können, daß sie einem erlauchten Wolf zu den Füssen gesessen oder geschlaffen, nichts als doctormäßige Einsichten erlanget haben? Man kennet ** 2 ja

XII

Vorbericht.

ja die verschiednen Grade der menschlichen Fähigkeit, und wie derjenige, der die Erfindungen anderer Leute aufs unglimpflichste durchzunehmen weiß, oft selbst nicht im Stande ist, einen ursprünglichen Gedanken zu Papiere zu bringen. Gesetzt, er habe die Regeln der musikalischen Grammatik aufs strengste beobachtet: wird man nichts wider die Melodie, wider den Zusammenhang derselben, den Schwung der Gedanken, den Ausdruck einer Leidenschaft erinnern können ? In was für einem fremden Kopfe sind seine Einfälle wohl vorlängst gebohren worden? Er giebet sich gleichwohl Mühe; ein jeder wartet schon mit Ungeduld auf die Meisterstücke seiner Hand. Wenn uns jemand alle Tage von seinen Thaten etwas vorschwatzet, und alle andere Leute für Tonpfuscher hält: so läßt man sich endlich überreden. Allein Er beißt die Nägel wund, versetzt, flickt ein, stößt aus; Es kreißt ein schwangrer Berg; was bringt er? eine Maus. Günther. Jedoch, man sagt, daß er gleichwohl artige Schnacken aufgesetzt, die hin und wieder Beyfall finden. Ein Narr ist nicht so groß, den nicht noch größre preisen.

Grieß.

Vernünftige Männer billigen alles warhafte Gute, es komme her wo es wolle. Gesetzt, daß auch ein unvollkommner Gang von ungefehr hervor blicket: so lassen sie sich so wenig als ein poetischer Kunstrichter irren, der in einem sonst mit schönen Gedanken angefüllten Gedicht an einem Orte von ungefehr einen matten Vers entdeckt. Der Mangel der Einsicht hat wohl nicht allezeit daran Schuld. Es kann eine Nachläßigkeit seyn, von welcher sich kein andrer als ein Thor frey sprechen wird. Sind alle Augenblicke gleich? Doch halte man nicht dafür, daß ich hiemit die Fehler eines Stümpers von Profeßion von der Ruthe frey

Vorbericht.

XIII

frey sprechen will. Einen Mann aber, der sich sowohl auf der Ausübung seines Instruments, als in Stücken für dasselbe auf die vortreflichste Art gezeiget hat, der aber von ungefehr an einem Orte eine Spur der Menschlichkeit hinterläßt, sogleich ohne weitern Bescheid für einen elenden Tropf zu erklären, ist wohl zuviel. Es ist unbillig, die Schwachheiten einer Person auf eine mehr als grobe Art zu beurtheilen, ohne seiner schönen Seite Recht ein wiederfahren zu lassen. Nach seinem eigenen Geschmack darf solcher Splitterrichter doch nicht andere Leute betrachten. Sein Genichtder Geschmack der Welt, undwodurch hat er denn schmack ist ja bewiesen, daß er Geschmack besitzt? Stellt den armen Schlucker auf die Probe. Laßt ihn eine gleiche Arbeit unternehmen. Macht er es eben so gut: so schließt dieses nicht die Geschicklichkeit des andern aus. Begeht er aber noch grössere Schwachheiten: so halte er mit seinem unverschämten Urtheil zurücke. Wo ist derjenige, dem man nicht Vonwürfe machen könne? Oft giebt ein solcher Mensch noch einen Nachsprecher von einem andern ab. Er findet Vortheil dabey, der Meinung desselben zu seyn, und dem schlauen Kopfe ist es lieb, diesen Tellerlecker bey müßigen Augenblicken um sich zu haben. Was dieser Mann lobt oder tadelt, das lobt und tadelt er auch ; jener vielleicht, wo nicht aus Ueberzeugung und mit Grund, doch aus andern ihm am besten bekannten Ursachen; dieser, weil es sein Interesse erfodert, ihm nachzusprechen. Wie ungewiß muß ein solcher Nachbeter seiner Sachen seyn? Wie mitleidenswürdig?

Doch ich muß mich endlich auch zu meinen fteundlichen Lesern wenden. Diesen bin ich für die bisherige gütige Aufnah** 3 me

XIV

Vorbericht.

me meiner wenigen Bemühungen alle mögliche Verbindlichkeit schuldig. Eben dieselbe hat die Ausgabe gegenwärtiger Schrift veranlasset, und wird mich anreitzen, selbige mit nächstem fortzusetzen, indem annoch viele hieher gehörigen Materien unberührt geblieben. Es bleiben uns nemlich die übrigen brauchbaren und guten Gattungen des doppelten Contrapuncts in der unähnlichen melodischen Bewegung, nebst der Lehre vom drey- und vierdoppelten Contrapunct, vom Canon und dessen Gebrauch im Kirchenstyl, nebst der Lehre von der Singefuge abzuhandeln übrig. Will jemand die von mir hiezugesammelten Exempel mit einigen Proben von seiner Feder bereichern: so beliebe man mir sie einzuschicken. Der Gebrauch, den ich davon machen werde, kann nicht anders als zum Ruhm ihrer Urheber gereichen, und bin ich nicht gewohnt, über verdienter Leute Arbeit falsche Glossen zu machen. Sollten aller angewandten Mühe ungeachtet sowohl im Drucke und besonders im Stiche annoch einige Fehler auszumerzen übrig geblieben seyn: so habe ich das Vertrauen zu meinen Lesern, daß sie selbige gütigst übersehen, und nach Gefallen verbessern werden. Die Verbindlichkeit, mein gethanes Versprechen zur gesetzten Zeit zu erfüllen, ist Schuld, daß hin und wieder die Versetzungszeichen nicht allezeit just vor ihrer Note stehen, daß das Widerruffungszeichen sehr oft verkehrt erscheinet, daß die Noten hin und wieder nicht gerade untereinander stehen, und was dergleichen durch den Stichel verpfuscherte Stellen mehr sind, die ich wegen Mangel der Zeit unmöglich alle habe können ausbessern lassen. Doch dieses sind Kleinigkeiten, wobey nur ein musikalischer Abeceschütz stolpern kann. Habe ich sonst mit weilmich etwann ein gewisses Vorurvielen andern Leuten geirret, theil geblendet, well ich vielleicht nicht alles mit gleicher AufmerksamMänkeit untersuchet und die praktischen Ausarbeitungen gelehrter ner

Inhalt.

XV

ner mit den bisherigen theoretischen Schriften nicht genugsam verglichen habe: so beliebe man mich dieserwegen zu belehren. Um den Gedanken eines gewissen Gelehrten zu parodiren, so ist es mir angenehm, wenn eine Sache ordentlich und deutlich gelehret wird; noch angenehmer, wenn ich sie selbst so lehren kann; Doch wird es mir allezeit angenehmer seyn, wenn sie ein anderer so lehret, als wenn sie gar nicht so gelehret würde.

Inhalt. I. Hauptstück. Von den verschiedenen Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt, 1. n. Von der Beschaffenheit eines Fugensatzes, oder von dem Führer. 27. III. Von der Einrichtung des Gefährten. 31. I. Abschnitt. Fugensätze, die in der Octave des Haupttons anheben und im Haupttone bleiben 38. II. Fugensätze, die mit der Dominante anfangen, und im Haupttone bleiben. 43. III. Fugensätze, wo sich der Gesang nach der Dominante hinwendet. 45. IV. Fugensätze, die auf der Terzdes Hauptton« anheben. 47. V. Fugensätze, die mit der Quarte de« Haupttons anheben. 52. VI. Fugensätze, die mit der Sexte de« Hanpttons anheben. 52. VII. Fugensätze, die mit der Secunde des Haupttons anheben. 53. VIII. Fugensätze, die mit der Septime des Haupttons anheben. 54. IX. Fugensätze nach den alten Tonarten. 56. 1) in der Tonart D. 65. 2) in E. 66. 3) in F. 67 4) in

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Inhalt. 4) in G. 68. 5) in A. 68. 6) in C. 69. Aufgaben nach den alten Tonarten. 70. X. Chromatische Fugensätze. 73. XI. Vermischte Fugensätze. 85.

IV. Hauptst. Vom Wiederschlage, und dem Verfolg eines Fugensatzes. 93. I. Abschnitt. Von der Tonwechselung. 99. II. Von den Tonschlüssen. 105. III. Von dem Verfolg eines Fugensatzes. 113. I) Allgemeine Regeln zum Verfolg einer zwey- drey- odervierstimmigen einfachen Fuge. 121. II) Allgemeine Regeln zum Verfolg einer zwey - drey- oder vierstimmigen Doppelfuge. 131. V. Hauptst. Von der Gegenharmonie. 147. VI. Von der Zwischenharmonie. 151. VII. Vom Contrapuncte überhaupt. 153. VIII. Vom doppelten Contrapunct. 161r. I. Abschnitt. Von dem doppelten Contrapunct in der Octave. 164. II. Von dem in der None oder Secunde. 170. III. Von dem in der Decime oder Terz. 177. IV. Von dem in der Undecime oder Quarte. 182. V. Von dem in der Duodecime oder Quinte. 185. VI. Von dem in der Decima Tertia oder Gerte- 188. VII. Von dem in der Decima Qnarta oder Septime. 191.

Das erste

Das erste

erste

Von den

Hauptstück.

verschiedenen Gattungen der Nach-

ahmung und der Fuge überhaupt. §. I

Eben denselben Satz auf eben denjenigen Saiten in eben derselben Stimme etlichemahl hervorbringen, heißt wiederTab. IFig. IDiesen Satz in eben derselben Stimme hohlen. auf andern Saiten mit einer ähnlichen Art wiederhohlen,heißt versetzen; ; Tab. I. Fig. 2. und diesen Satz zwischen mehrern Stimmen vermittelst der Wiederhohlung oder Versetzung nacheinander hervorbringen, Marpurgs Abb. von der Tuge. A heißt

2

Das erste Hauptstück. Von den verschiedenen

heißt nachahmen. Diese drey Wörter werden öfters untereinander vermischt, und das eine für das andere genommen. Wie weit sie aber von einander unterschieden sind, wird aus den gegebenen Erklärungen und den dieselben erläuternden Exempeln sattsam erhellen. §. 2. Alle verschiedene Stimmen, zwischen welchen eine Nachahmung stattfinden kann, werden in vier Hauptstimmen unterschieden, worauf sich alle übrigen beziehen, es mag eine Composition aus noch so vielen Stimmen bestehen. Diese vier Hauptstimmen sind der Baß, Tenor, Alt und Diskant. Uebersteiget die Composition die Anzahl dieser vier Stimmen: so werden die Nebenstimmen nach derjenigen Hauptstimme, mit der sie in Ansehung ihrer Ausdehnung in die Höhe und Tiefe übereinkommen, betitelt und geschrieben. Zum Unterscheide der übereinkommenden Stimmen bedienet man sich der Ordnungszahlwörter, und nennet z. B. in einem Stücke von zwey oder mehrern Diskanten, den Haupt- oder obersten Diskant den ersten Diskant, die übrigen den andern, w. dritten Diskant u.s. und so mit den übrigen Hauptstimmen. Alle auf diese Art miteinander übereinkommende Haupt- und Nebenstimmen haben einerley Schlüssel oder Vorzeichnung. Oftmahls werden diese Stimmen auch nach den Chören unterschieden ; daher sagt man : der Diskant des ersten Chors, der Diskant des andern Chors, u. s. w. § 3. Die wechselweise Hervorbringung eben desselben Satzes zwischen ver­ schiedenen Stimmen kan nicht nur im Einklange, sondern auch in allen übrigen Intervallen geschehen. Hiedurch entstehen folgende acht Hauptgattungen der Nachahmung, als 1) Die

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt. 1)Die im Einklänge, imitatio homophona oder in unisono,

3 wenn

die andere Stimme der ersten auf eben derjenigen Saite nachfolget. Tab. I. Fig. 3. 2) Die in der Secunde, wenn die andere Stimme der ersten eine Secunde höher oder tiefer nachfolget, imitatio in secunda secunda superiori oder inferiori. Tab. I. Fig. 4. und 5. 3) Die in der Terz, wenn die andere Stimme der ersten eine Terz höher oder tiefer nachfolget, imitatio in hyper - oder hypoditono. Tab. I, Fig. 6. und 7. Anstatt des Vorworts hyper bedienet mansich auch des Vorworts epi, über, sowohl bey diesem Intervall als bey den folgenden, welches hieselbst im Voraus zu merken ist. Wenn also hypoditonus die Unterterz bedeutet: so bedeutet hyperditonos oder epiditonus die Oberterz. die andere Stimme der ersten eine 4) Die in der Quarte, wenn Quarte höher oder tiefer nachfolget, in hyper- oder hypodiatessaron. Tab. I. Fig. 8. und 9. 5) Die in der Quinte, wenn die andere Stimme der ersten eine Quinte höher oder tiefer nachfolget, in hyper > oder hypodiapente. Tab. I. Fig. 10. und 11. 6) Die in der Sexte, wenn die andere Stimme der ersten eine Sexte höher oder tiefer nachfolget, in hexachordo superiori oder inferiori. Tab. I Fig. 12. und 13 7) Die in der Septime, wenn die andere Stimme der ersten eine Septime höher oder tiefer nachfolget, in heptachordo superiori oder inferiori. Tab. I. Fig 14. und 15. A 2

8) Die

4

Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

8) Die in der Octave, wenn die andere Stimme der ersten eine Octave höher oder tiefer nachfolget, in hyper- oder hypodiapason Tab. I. Fig. 16. und Tab. II. Fig. 1. 1. Anmerkung. Wenn die Intervallen der Secunde, Terz, Quarte, u. s. w. eine Octave erhöhet oder erniedrigt werden: so entstehen daraus Nachahmungen in der None, Decime, Undecime, u. s. w. 2. Anmerk. Daß eine Nachahmung in der Oberse­ cunde oder Unterseptime; in der Untersecunde oder Oberseptime; in der Oberterz und Untersexte; in der Unterterz und Obersexte; in der Oberquarte und Unterquinte; in der Unterquarte und Oberquinte u. f. w. gewissermassen einerley sey, wird aus der bekannten Intervallenumkehrung leichte zu sehen seyn. §. 4. In was für einem Intervall eine Stimme der andern nachfolge : So geschicht solches entweder in der ähnlichen oder unähnlichen Bewegung. Da diese beyden Wörter unterschiednen Bedeutungen unterworfen sind: so müssen wir dieselben zuförderst auseinander setzen. In der Lehre vom einfachen Contrapunct, das ist, in den Anfangsgründen der harmonischen Sezkunst hat man mit drey harmonischen Bewegungen zu thun, vermittelst welcher die Folge der Ton- und Dissonanzen in zwey zugleich fortgehenden Stimmen bestimmet wird. Diese drey harmoni­ schen Bewegungen sind, wie bekannt: «) Die

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

5

Die ähnliche oder gerade Bewegung motus rectus, wenn die Stimmen sprung- - oder stuffenweise zugleich auf - oder abwärts gehen. ß)) Die unähnliche oder ungerade Bewegung, insgemein die Gegenbewegung genannt, motus contrarius, wenn die Stimmen gegen- oder auseinander gehen. y) Die Seitenbewegung, motus obliquus, wann die eine Stimme liegen bleibt und die andere fortgehet. Weder von der ähnlichen noch unähnlichen Bewegung dieser Art ist allhier die Rede. Diejenige ähnliche und unähnliche Bewegung, die wir hier meinen, gehet zwey oder mehrere nacheinander fortgehende Stimmen an, und heißet die melodische Bewegung. In diesem Verstande heißt eine Nachahmung in der ähnlichen Bewegung, imitatio aequalis motus, eine solche Nachahmung, wo die andere Stimme der ersten mit eben derjenigen Bewegung der Intervallen in die Höhe oder Tiefe antwortet; eine Nachahmung in der unähnlichen Bewegung aber, oder kürzer: eine Verkehrte Nachahmung, imitatio inaequalismotus, motus heißt eine solche Nachahmung, wo die Antwort dergestalt geschicht, daß die steigenden Noten der ersten Stimme in der andern zu fallenden, und die fallenden Noten der ersten Stimme in der andern zu steigenden werden. Diese verkehrte Nachahmung wird wieder in die freye und strenge eingetheilet. Frey heißt sie, wenn die nachfolgende Stimme die Intervallen der vorhergehenden, nicht mit eben denjenigen ganzen und halben Tönen nachmachet. Tab. II. Fig. 2. und 3. Strenge heißt sie, wenn die ganzen und halben Töne der ersten Stimme in der andern in eben derjenigen Folge nachgemacht werden.

Tab. II. Fig. 4. und 5. A 3

Diese strenge Gegen-

6

Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

Gegenbewegung heißt bey den Italiänern al contrario riverso, lat. contrarium stricte reversum, so wie die freye Gegenbewegung schlechtweg al roverscio, alla riversa, contrarium simplex, motu contrario, genennet wird. Um zu wissen, in was für einem Intervall die Nachahmung in der strengen Gegenbewegung anheben soll, kann man a) In den Durtönen die aufsteigende Octave des Haupttons und die absteigende Octave der Terz des Hauptons, z. B. in c dur folgendergestalt über und gegeneinander stellen: c

d

e

f

g

a

h

c

c

d

c

h

a

g

f

e

Wenn also im Tone c dur die erste Stimme in g oder f anfinge: so müste die andere in a oder h nachfolgen, u. s. w. ß) In den Molltönen nimt man die aufsteigende Octave des Haupttons und die absteigende Octaveder kleinen Septime desselben, und setzet dieselben z.B. ina moll folgendergestalt über- und gegeneinander: a

h

c

d

e

f

g

a

g

f

e

d

c

h

a

g

Wenn im Tone a moll also die erste Stimme in e oder c anfinge: so müste die zweyte mit c oder e nachfolgen, u. s. w. Da diese beyden Leitern der strengen verkehrten Nachahmung nur auf c dur und a moll passen: so siehet man leicht, daß in den übrigen Dur- und Molltönen solche nach der bey a) und ß) gegebenen Anweisung eingerichtet und transponiret werden müssen. §. 5.

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

7

§. 5. Die Nachahmung geschicht nicht allezeit dergestalt, daß die andere Stimme den Gesang der ersten vom Anfange nach dem Ende zu wiederhohlet. Sie antwortet derselben öfters vom Ende nach dem Anfang zu, das ist, rückwärts. Diese Art der Nachahmung heißt eine rückgängige Nachahmung, irnitario retrograda oder cancrizans, ingleichen per motum retrogradum. Tab. II. Fig. 6 Wird hieben noch die Gegenbewe­ gung angebracht: so entstehet daraus eine rückgängige Nachahmung in der Gegenbewegung, oder eine verkehrte rückgängige Bewegung, imitatio cancrizans motu contrario. Tab. II. Fig. 7. Der eigentliche Sitz dieser beyden Arten der Nachahmung gehört in die Fuge und die canonische Schreibart. Es könnenalso viererley Arten der Bewegung bey der Nachahmung statt finden, a) die ähnliche Bewegung, ß) die Gegenbewegung, y) die rückgängige und die verkehrte rückgängige Bewegung. §. 6. Die andere Stimme folget öfters der ersten in einer veränderten Geltung der Noten nach. Geschicht dieses mit vergrößerten Noten, wenn eine Note um die Hälfte verlängert, und z. B. aus einem Achttheile ein Viertheil, aus einem Viertheile eine Zweyviertheilnote gemacht wird, u. s. w. so nennet man solches eine vergrösserteNachahmung, imitatio per augmentationem. Tab. II. Fig. 8. Geschicht es aber mit verkleinerten Noten, wann eine Note um die Hälfte verringert, und z.B. aus einer ZweyViertheilnote ein Viertheil, aus einem Viertheile ein Achttheil u. s. w. gemacht wird: so heist dieses eine verkleinerte Nachahmung, imita­ tio per diminutionem. Tab. II. Fig. 9. Beyde Arten der Nachahmung gehören in die Fuge und den Canon. Wenn

8

Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

Wenn die Nachahmung zwischen drey oder vier Stimmen geschicht, und die letzteder vorhergehenden,mit allezeit nach Proportion vergrösserten oder verkleinerten Noten nachfolget: so heisset solches eine zweyfach, dreyfach u. s. w. vergrößerte oder verkleinerte Nachahmung, imitatio per augmentationem oder diminutionem duplicem, triplicem, u. s. w. z. B. wenn die Stimmen so wieTab. III.Fig. I. 2. nacheinander eintreten. §. 7. In was für einer Bewegung und Geltung der Noten die Nachahmung geschehe : so kann dieselbe vermittelst einiger Pausen unterbrochen und der Fortgang des Gesanges dadurch aufgehalten werden. Dieses heißt eine unterbrochne Nachahmung, imitatio interrupta. Tab. III. Fig. 3. §. 8. Wenn in einer ordentlichen Nachahmung die erste Stimme auf einem guten Tacttheile oder guten Tactgliede anhebet, und die andere in einem schlimmen Tacttheile oder schlimmen Tactgliede nachfolget; oder umgekehrt, wenn die erste Stimme auf einem schlimmen Tacttheile oder Gliede anhebet, und die andere in einem guten Tactheile oder Gliede nachfolget: so nennet man solches eine Nachahmung im widrigen oder vermischten Tacttheile, imitatio per arsin & thesin oder in contrario tempore. Tab. III. Fig. 4.5.6. und 7. Anmerkung. «) Im langsamen Vierviertheil oder gemeinen Tact, sind die guten Tacttheile unter den vier Viertheilen das erste und dritte Viertheil; die schlimmen Tacttheile sind das zweyte und vierte Viertheil. Die Tactglieder gehen die Untereintheilung der Viertheile an, und

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

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und sind in dieser Tactart die guten Tactglieder das erste, dritte, fünfte und siebente Achttheil; Die schlimmen Tactglieder sind das zweyte, vierte, sechste und achte Achttheil. ß) Im geschwinden Vierviertheil - oder Allabrevetact fällt der gute Tacttheil auf die erste Hälfte des Tacts, oder die erste Zweyviertheilnote, und folglich auf den Niederschlag oder die Thesin; der schlimme Tacttheil auf die andere Hälfte des Tacts, oder die anArsin. dere Zweyviertheilnote, und folglich auf den Ausschlag oder die Die guten Tactglieder fallen bey der Untereintheilung dieser beyden Tacttheile auf das erste und dritte Viertheil, und die schlimmen Tactglieder auf das zweyte und vierte Viertheil. y) Mit dem Zweyviertheiltact hat es eben die Bewandtniß als mit dem Allabrevetact. Der gute Tacttheil fällt darinnen auf das erste Viertheil, und der schlimme Tacttheil auf das andere Viertheil. Die guten Tactglieder sind bey der Untereintheilungfolglich das erste und dritte Achttheil, und die schlimmen Tactglieder das zweyte und vierte Achttheil. d) Im ungeraden Tact findet die Arsis und Thesis in der Nachahmung ebenfals statt, es mag die andere Stimme nun z. B. irn Dreyviertheiltacte der ersten, auf dem zweyten oder dritten Viertheile nachfolgen. Die Anwendung auf die übrigen Tactarten ist leicht zu machen. §. 9. Ist die Nachahmung dergestalt beschaffen, daß die Stimmen unter sich verkehrt werden können, das ist, daß die oberste zur untersten, und die unterste zur obersten werden kann : so heist dieselbe alsdenn eine contrapunctische oder verkehrungsfähige Nachahmung, imitatio invertibilis. Tab. III. Fig. 8. Viele unter den vorigen Exempeln können auf eben diese Weise verMarpurgs Abh. von der Fuge. B kehret

10

Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

kehret werden, welches einem Liebhaber zu versuchen überlassen wird. Wie es mit der Verfertigung einer solchen verkehrungsfähigen Nachahmung zu­ gehe, wird in der Lehre vom doppelten Contrapunct gezeiget werden. §. 10. Alle izt erklärten Arten der Nachahmung sind entweder periodisch oder canonisch; a) Periodisch, imitatio periodica oder partialis, wenn die nachfol­ gende Stimme nur einen kurzen Satz aus der ersten auf eine ähnliche Art hervor bringt. So sind alle bisher gegebenen Exempel beschaffen. ß) Canonisch, imitatio canonici, oder totalis, wenn die nachfolgen­ de Stimme den Gesang der ersten von Note zu Note vom Anfange bis zum Ende nachmachet. Hievon sehe man ein Exempel Tab. III. Fig. 9. und die Fortsetzung davon Tab. IV. oben. Ein auf diese canonische Nachahmung sich gründendes musikalisches Stück heist eine canonische Fuge, fuga canonica, totalis, universalis, mera integra, welsch fuga in conseguenza, oder kurtz weg ein Carton, canon. §. 11. Die periodische Nachahmung mit allen ihren Arten und Gattungen wird auf zweyerley Art ausgeübet, entweder a) Willkührlich, an diesem oder jenem Orte eines Stückes, nach Beschaffenheit des Geschmacks des Componisten, in allerley Arten musikalischer Compositionen, als in Solos, Duetten, Trios, Quattuors, Concerten, Synfonien, Cantaten, Arien, u. s.w. in Stimmen und auf Instrumenten. ß) Oder es wird selbige in den verschiedenen Stimmen eines Stückes, nach Anweisung eines gewissen zum Grunde liegenden Hauptsatzes durch

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

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durch besondere Vorschriften auf gewisse Oerter eingeschränkt. Ein solches musikalisches Stück, wo ein gewisser Satz zum Grunde liegt, der nach gewissen Vorschriften, ohne Clauseln und Absätze, vermittelst der periodischen Nachahmung zwischen verschiedenen Stimmen durchgeführt wird, heist eine periodische Fuge, fuga periodica, partialis, oder fracta. Da die bisherigen Exempel der Nachahmung alle nur zweystimmig gewesen: so wollen wir bey dieser Gelegenheit annoch zeigen, wie man so wohl die canonische als periodische Nachahmung auch in einer drey- und vierstim­ migen Composition anbringen kann. a)

Dreystimmige Exempel.

Tab. IV. Fig. 1. Wie man aus dem h der obersten und aus dem e der mittelsten Stimme sehen kann : so ist allhier die Nachahmung in der Quarte. Der Baß hebt die Nahahmung, jedoch mit verkürzter Clausel, zum Anfange eines jeden Tacts, mit jeder Stimme zugleich in der Terz darunter an. Nachdem in den zwey ersten Tacten der beyden obersten Stimmen die erste Nachahmung zu Ende gebracht worden: so fängt dieselbe vermittelst der Versetzung in dem dritten Tacte wieder an, und geht auf diese Weise bis zum vierten fort. Im Baße aber fängt die Versetzung schon vom zweyten Tacte an. Tab. IV. Fig. 2. Dieses ist eine Nachahmung im Einklange und der Octave. Wenn der Baß seine Nachahmung in der Octave im dritten Tacte anhebet: so wird in der Oberstimme die Clausel, worüber sie geschieht, vermittelst der Versetzung, eine Terz gegen denselbenheruntergesezt, und eben diese Versetzung macht der Baß, wenn die dritte Stimme den Satz im fünften Tact im Einklang nimt. B 2

IV Tab. I

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Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

Tab.IV.Fig. 3. Dieses ist eine canonische Nachahmung in der Obersecunde und Unterquarte. Nachdem die Mittelstimme den Satz angehoben: so machet ihn die Oberstimme sogleich im andern Tacte in der Obersecunde nach, und modulirt der Baß so lange dazu, bis derselbe im sechsten Tact eben denselben Satz in der Unterquarte auf eine ähnliche Art hervor bringet. Gegen diesen nunmehr im Baße erscheinenden Satz streiten die beyden Oberstimmen vermittelst einer neuen Clausel unter sich. Diese neue Clausel fänget im siebenten Tacte der Mittelstimme bey der Note h an, und wird in der Oberstimme, die hieselbst von der Mittelstimme überschritten ist, in dem folgenden Tacte von der Zweyviertheilsnote e an nachgemachet. Tab. V. Fig. 1. Diese Nachahmung ist in Thesi und Arsi. In Thesi fängt die Oberstimme an; in Arsi folgt die Mittelstimme nach. Der Baß und die erste Stimme machen in Thesi eine canonische Nachahmung unter sich. Die Mittelstimme, die gegen beyde in Arsi stehet, ahmet auf eine freye Art nach. Die eigentliche Nachahmung hat im ersten und andern Tacte statt. In den folgenden ist der Satz versetzet. Tab. V. Fig. 2. Octave.

Dieses ist eine Nachahmung im Einklange und der

Tab. V. Fig. 3. Die Clausel, worüber hieselbst die Nachahmung geschicht, sind die beyden ersten Tacte der Oberstimme, und wird dieselbe zuförderst eine Quinte tiefer in der mittelsten Stimm, und hernach eine Quinte tiefer gegen diese, oder, welches einerley ist, eineSecunde tiefer gegen die Oberstimme, im Baße nachgeahmet. Tab. V. Fig.. 4. Die sechs ersten Tacte enthalten eine Nachahmung im Einklänge zwischen den beyden Oberstimmen, wozu der Baß modulirt. Im siebenten Tacte hebt die Oberstimme eine neue Clausel an, die von der Mittel- und Baßstimme in dem folgenden terzenweise zugleich nachgeahmet wird.

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

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wird. Im neunten Tacte versetzet die Oberstimme die Clausel, und die beyden übrigen Stimmen folgen nach Proportion nach. Tab. V. Fig. 5. Dieses ist eine kurze canonische Nachahmung in der Unterterz zwischen der obersten und mittelsten Stimme. Der Baß giebt dabey nur eine Nebenstimme ab. Tab. VI. Fig. 1. Die Mittelstimme fängt die Clausel bey der Note a an, und machet die Oberstimme dieselbe im vierten und folgenden Tacte bey Gelegenheit der Veränderung des Tones, eine Quarte höher nach. Im siebenten Tacte bringet die Mittelstimme einen neuen Gang hervor, den die oberste im folgenden Tacte sogleich eine Quarte höher nachmachet. Beyde Stimmen setzen diesen Gang vermittelst der Versetzung eine Zeitlang fort, bis im dreyzehnten Tact sich abermahls in der Mittelstimme ein neuer Gang entdecket, den die oberste sogleich in dem folgenden eine Octave höher nachnachmachet. Gegen beyde Stimmen machet der Baß nur eine harmonische Nebenstimme, die nichts mit der Nachahmung zu thun hat. Doch ist die genaue Versetzung der Intervallen, die allezeit nach Proportion geschicht, dabey zu beobachten. Tab. VI. Fig. 2. Dieses Exempel enthält eine canonische Nachahmung in der Quarte zwischen der höchsten und mittelsten Stimme. Der Baß ist eine bloße harmonische Nebenstimme, und läst seine Intervallen vermittelst der Versetzung dagegen hören. Tab. VI. Fig. 3. Die zweyte Stimme machet die Clausel der ersten in der Unterquinte nach, und ist die Nachahmung bloß zwischen diesen beyden Stimmen. Tab. VI. Fig. 4. Der Baß hebt hier den Satz an; verläßt ihn aber, so bald die zweyte Stimme eine Quinte, und die dritte hernach eine Octave höher dagegen eintritt. Diese beyde höhern Stimmen vermehren B 3 den

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Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

den Satz mit einigen Intervallen, und führen ihn vermittelst der canonischen Nachahmung in der Quarte unter sich durch. Der Baß modulirt dazu als eine Nebenstimme. Tab. VII. Fig. 1. Die oberste und tiefste Stimme fangen den Satz mit der Nachahmung in der Octave an. Die mittelste bringet denselben eine Quinte höher gegen den Baß hervor, und geht die Oberstimme, vermittelst der Versetzung, terzenweise mit derselben mit. Ehe noch der Satz zu Ende ist, bringet der Baß denselben vermittelst einer versezten Nachahmung zum Vorschein. Tab. VII. Fig. 2. Die höchste und mittelste Stimme nehmen den Satz in der Nachahmung in der Octave vor, der Baß in der Unterquinte. Die vier lezten Tacte sind eine Versetzung der vier ersten, wozu die Auswei­ chung in einen andern Ton Gelegenheit giebt. Tab. VII. Fig. 3. Die höchste Stimme fänget den Satz an. Die mittelste bringet ihn in der Gegenbewegung eine None tiefer hervor, und der Baß folget im zweyten Tacte vermittelst der ähnlichen Bewegung in der Un­ terseptime gegen die erste Stimme nach. Tab. VII. Fig. 4. Ist ebenfals ein Exempel einer verkehrten Nachahmung, nur daß die Einttitte der Stimmen mit andern Intervallen geschehen, wie der Augenschein giebt. Tab. VII. Fig. 5. In diesem Exempel kommt der Satz in jedem Tacte vermittelst der Nachahmung und Versetzung zum Vorschein. In der ähnlichen Bewegung ist er zu finden im ersten; und zwischen dem dritten und vierten Tact der Mittelstimme; ingleichen im dritten Tact der höchsten Stimme. In der verkehrten Bewegung ist er im zweyten Tact der höchsten und dem vorleztenTact der mittelsten Stimme; ingleichen im dritten und fünften Tact der tiefsten Stimme. Die Verkürzungen des Satzes nicht

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

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nicht mitgerechnet. In dem dritten Tact heben die höchste und tiefste Stimme den Satz in widriger Bewegung gegeneinander zusammen an. Sonst ist noch zu merken bey Gelegenheit dieses Exempels, daß eine solche Art der Nachahmung, wo ein Satz, wie hier, kurz hintereinander und so zu sagen, Satz auf Satz, nachgeahmet und versetzet wird, es mag nun der Satz ganz bleiben, oder verkürzt werden, es geschehe in der ähnlichen oder unähn­ lichen Bewegung, mit veränderter oder eben derselben Geltung der Noten, eine enge Nachahmung, imitatione stretta, genennet wird. ß) Vierstimmige Exempel. Tab. Vlll. Fig. 1. und im Einklange.

Hier geschicht die Nachahmung in der Octave

Tab. VIII. Fig. 2. Ist wie das vorige Exempel im Einklange und der Octave, wobey noch zu merken, daß, wenn die zweyte Diskantstimme den Satz nimt, ihn die erste in der Terz drüber zugleich mit nachahmet, worauf im folgenden Tacte die beyden Unterstimmen den Satz zugleich im Einklange hören lassen, so wie im vorigen Exempel die beyden Unterstimmen im Einklan­ ge am Ende zusammen kommen. Dieses geht in der freyen Schreibart an. Tab. VIII. Fig. 3. Hier stehen die erste und dritte Stimme in Thesi, die zweyte und vierte in Arsi. Die andere folget der ersten in der Unterterz, die dritte der andern in der Unterseptime, und die vierte der dritten in der Terz darunter nach. Die Nachahmung ist meistentheils canonisch. Tab. IX. Fig. 1. Ist wieder ein Exempel einer engen Nachahmung, mit vermischter ähnlicher und unähnlicher Bewegung. In dieser lezten wird im dritten Tact in der zweyten und dritten Stimme der Satz gegen den Baß, der die Clausel in der ähnlichen Bewegung hat, zugleich gemacht. Tab. IX.

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Das erste Hauptstück.

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Tab. IX. Fig. 2. Ist auch in der engen Nachahmung. In der andern Hälfte des zweyten Tacts zwischen dem Baße und der zweyten Diskantstimme wird die Nachahmung des Satzes terzenweise zugleich gemacht. Wer die Anmerkungen über die vorigen Exempel wohl inne hat, wird schon sehen, was in diesem enthalten ist. Tab. IX. Fig. 3. Der Satz, der zur Nachahmung Gelegenheit giebt, wird hier allezeit von drey Stimmen zugleich hervor gebracht mit vermischter ähnlicher und unähnlicher Bewegung. Zwey und zwey Stimmen lassen den Satz in gleichförmiger Bewegung wechselsweise mit Terzen oder Sexten hören, und der Baß geht allezeit in der widrigen Bewegung dagegen fort. Tab. IX. Fig. 4. Ist ein bekannter harmonischer Gang, wo der Satz, der die Nachahmung veranlasset, allezeit von zwey Stimmen zugleich angehoben, und wechselweise mit den beyden andern, hervor gebracht wird. Tab. IX. Fig. 5. Ist nichts anders als der vorige Gang, nur mit dem Unterscheid, daß der Baß ihn gegen den zweyten Diskant in der Gegenbewegung hervor bringt. Tab. IX. Fig. 6. Enthält eine kurze canonische Nachahmung über einen chromatischen Satz. §. 12. Es giebt also zwey Hauptarten der Fuge, die canonische und pe­ riodische Fuge. Beyden ist diese Anleitung gewidmet; wir werden uns aber bey der Abhandelung derselben nach der gemeinen Art zu reden richten, und die periodische Fuge schlechtweg Fuge, die canonische aber schlechtweg Canon heißen. Anmer-

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt. 17 Anmerkungen. 1) Das Wort Fuge, welches vom Herrn Legationsrath von Mattheson gar füglich durch Wechselgesanggegeben wird, wird von einigen musikalischen Wortforschern von fugare, jagen, (weil eine Stimme gleichsam die andere jagt) von andern von fugere, fliehen, weil gleichsam die eine Stimme vor der andern flicht, hergeleitet. 2) Insgemein wird ein musikalisches Stück in zwey Clauseln oder Hauptabsätze, ja öfters in mehrere eingetheilet. Bey den Fugen fällt diese Eintheilung weg, indem das Stück vom Anfange bis zum Ende ohne abzusetzen, fortgehen muß. Die fugirten Giquen machen hier keine Ausnahme. Sie bestehen aus zwey Clauseln. Es ist wahr. Aber jede Clausel ist auf besondere Art fugirt, und zwar insgemein die eine in der ähnlichen, die andere in der Gegenbewegung. Es sind also zwey Fugen darinnen vorhanden. Die Graupnerischen und Ruhnauischen Giquen, anderer nicht zu gedenken, beweisen es. Ost sind es noch uneigentliche Fugen. Es ist also nöthig gewesen, in der Erklärung der Fuge dieses Umstandes zu gedenken. §. 13. Da eine Fuge mit zwey, drey, vier und mehrern Stimmen gesetzt werden kann: So entsteht daher die Eintheilung derselben in zwey- drey- vierund mehrstimmige Fugen. §. 14. Bey allen Arten der Fuge sind folgende fünf Stücks als die zur Cha­ racteristik derselben gehören, zu beobachten: 1) Der Führer, sonst auch Hauptsatz, Vorsatz, Thema, genannt griech. Phonagogus, lat. dux, thema, subiectum, vox anteceMarpurgs Abh. von der Fuge. C dens,

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Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

dens, welsch guida, fr. sujet.

So heißt der zum Grunde lie-

gende Satz, der die Fuge anhebet. 2) Der Gefährte, sonst der Nachsatz genennet, lat. comes, vox consequens, ital. risposta, oder conseguenza, fr. reponse. So heißt die ähnliche Wiederholung des Führers in einer andern Stimme mit versezten höhern oder tiefern Klängen. z) Der Niederschlag, lat. repercussio; So heißt die Ordnung, in der der Führer und Gefährte in den verschiednen Stimmen sich wechselsweise hören lassen. Dieses Wort wird öfters in uneigentlichem Verstande für den Gefährten gebraucht. 4) Die Gegenharmonie. So heißt diejenige Composition, die dem Fugensatze in den übrigen Stimmen entgegen gesetzt wird. 5) Die Zwischenharmonie. So heißt diejenige Composition, vermittelst welcher währendem Schweigen des Fugensatzes zwischen den verschiedenen Repercußionen des Zusamenhangeswegen gearbeitet wird. §. 15. Eine Fuge, wo die charakteristischen Stücke derselben nach den ihnen eigenen Regeln völlig eingerichtet sind, heißt eine eigentliche Fuge, fuga propria oder regularis. Eine Fuge wo diese Stücke nicht nach den Regeln völlig eingerichtet sind, sondern mit allem willkührlich verfahren wird, heißt eine uneigentliche Fuge, fuga impropria, fuga irregularis. Nachdem bey solcher uneigentlichen Fuge dieses oder jenes Stück mehr oder weniger be­ obachtet ist, nachdem entstehen unterschiedne Gattungen derselben. Hiezu braucht es keiner besondern Anweisung, indem es leichter ist, sich von den Regeln zu entfernen, als sich denselben zu unterziehen. Auf dem Claviere findet man viele dergleichen uneigentliche Fugen unter dem Titel Capricen, wiewohl ehedessen

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

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ehedessen zu den Zeiten des Froberger, Danglebert und anFrescobaldi, derer, auch eine eigentliche Fuge öfters eine Caprice genennet wurde, wenn dieselbe über einen sehr lebhaften Hauptsatz componiret war, und folglich das ganze Stück aus geschwinden Noten bestand, indem man damahls der Fuge Noten nichts als langsame und schwere gewidmet wissen wolte. Einsmuß ich doch hier aus dem kritischen Musikus des Hrn. Capellmeisters Scheibe bemerken, " daß in den uneigentlichen Fugen neuerer Zeit der Hauptsatz nicht nur mit einer Stimme allein angefangen werden kann ; sondern daß ihn auch alle Stimmen zugleich Octavenweise hören lassen können. So können auch, indem die eine Stimme den Hauptsatz anfängt, eine oder die andere, wie auch alle übri­ ge Stimmen, mit andern Sätzen auf geschickte Art zugleich mit eintreten. „ §. 16. Die eigentliche Fuge ist in Ansehung der Durcharbeitung des Fugensatzes zweyerley, strenge oder frey. a) Eine strenge Fuge, fuga obligata, heißt diejenige, wo in dem ganzen Stücke mit nichts anderm als dem Hauptsatze gearbeitet wird, d.i. wo derselbe nach der ersten Durchführung, wo nicht allezeit ganz, doch zum Theil, so zu sagen Satz auf Satz zum Vorschein kömmt, und wo folglich aus dem Hauptsatze oder der bey der ersten Wiederhohlung desselben dem Gefährten entgegen gesezten Harmonie alle übrigen Gegenharmonien und Zwischensätze vermittelst der Zergliederung, Vergrößerung, Verkleinerung, der unterschiednen Bewegung u. d. g. hergenommen, diese aber vermittelst der Nachahmung in. einer bündigen und gründlichen Harmonie unter sich verknüpfet werden. Wenn eine solche strenge Fuge weitläuftig ausgearbeitet wird, und noch allerhand andere Kunststücke, wozu die vielerley übrigen Gattungen der Nachahmung, des doppelten Contrapuncts, des Canons C 2 und

2o

Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

und der Tonwechselung Gelegenheit geben, damit vergesellschaftet werden : so nennet man ein solches Stück alsdenn mit einem italie­ nischen Nahmen ein Ricercare oder eine Ricercata, eine Kunstfuge, eine Meisterfuge. So sind die meisten Fugen vom seel. Herrn Capellmeister Bach beschaffen. ß) Eine freye Fuge, fuga libera, soluta, sciolta, heißt diejenige Fu­ ge, wo in dem Stücke nicht durchgehends mit dem Hauptsatze gearbeitet wird, das ist, wo zwar derselbe nicht allezeit Satz auf Satz, jedoch ofte genung zum Vorschein kömmt, und wo, wenn man denselben verläßt, ein wohlausgesuchter kurzer Zwischensatz, der mit der Natur des Hauptsatzes, oder der bey der ersten Wiederhohlung desselben dem Gefährten entgegen gesezten Harmonie eine Aehnlichkeit hat, und wohl zusammen hänget, ob er gleich nicht daraus allezeit entspringet, vermittelst der Nachahmungund Versetzung durchgeführet wird. So sind die meisten Händelischen Fugen beschaffen. Anmerkung. Wenn in einer solchen eigentlichen Fuge der Fugensatz in der Mitteoder am Ende zwischen allen oder einigen Stimmen derselben auf canonische Art kurz durchgeführt wird : so pflegt solches eine fuga reditta genennet zu werden. §. 17. Man läßt es öfters nicht bey einem Hauptsatze bewenden, sondern füh­ ret ihrer mehrere zugleich in einem Stücke durch. Man. kann also die Fuge in die einfachen und vielfachen Fugen eintheilen. Einfach heißt diejenige Fuge, die nur einen Hauptsatz hat. Vielfach

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

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Vielfach heißt diejenige Fuge, die zwey, drey, vier und mehrere Hauptsätze hat. Die vielfachen Fugen werden insgemein Doppelfugen genennet, und dieser Benennung werden wir uns auch hinfort bedienen. Anmerkungen. 1) In der Doppelfuge wird der anhebende Satz nur insgemein der Hauptsatz genennet, und die übrigen heißet man Gegen - oder Nebensätze, lat. contrathema, contrasubiectum. 2) In den Doppelfugen müssen die verschiednen Fugensätze zusammen ausgearbeitet werden. Hiedurch kommt ein Thema gegen das andere bald unten, bald oben, bald in der Mitte zu stehen, nach Anzahl der Stimmen der Fuge. Diese Zusammenausarbeitung aber kann ohne Anwendung des doppelten Contrapuncts so wenig verrichtet werden, als in der einfachen Fuge ohne gehörige Känntniß desselben der Führer und sein Gefährte bald in dieser bald in jener Stimme auf verschiedene Art zusammen gebracht werden können. §. 18. In Ansehung der verschiednen Arten der Nachahmung läßt sich die Fuge in folgende sechs Classen unterscheiden. Die erste Classe enthält diejenigen, die ihren Nahmen von dem Intervall erhalten, in welchem die zweyte Stimme gegen die erste zu stehen kömmt. Da hat man Fugen im Einklange, in der Secunde, Terz, Quarte, Quinte, Sexte,Septime und Octave. Hier ist zu merken, daß die Intervallen alle aufwärts abgezählet werden, und daß, wenn man z. B. von einer Fuge in der Secunde C 3 spricht,

22

Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

spricht, man allezeit die Secunde drüber versteht; und so mit den andern Intervallen. Die zweyte Classe enthält diejenigen Fugen, die ihren Nahmen von der Art der Bewegung, in der der Gefährte dem Führer nachfolget, erhalten. Da hat man a) Fugen in der ähnlichen Bewegung, fuga recta oder aequalis motus ß) Fugen in der verkehrten Bewegung, insgemein Gegenfugen genannt, fuga contraria, oder per motum contrarium. Fugen in der rückgängigen und rückgängigverkehrten Bewegung fuga retrograda und fuga retrograda per motum contrarium. Die dritte Classe enthält diejenigen Fugen, die von der veränderten Geltung der Noten, womit der Gefährte dem Führer nachfolget, ihren Nahmen erhalten. Da hat man a) Vergrößerte Fugen, fuga per augmentationem, ß) verkleinerte Fugen, fuga per diminutionem. Die vierte Classe enthält die Fugen im vermischten Tacttheile, fuga per arsin & thesin. Die fünfte Classe enthält die Fugen in der unterbrochnen Nachahmung, fuga per imitationem interruptam. Die sechste Classe enthält diejenigen, wo alle diese Arten vermischt anzutreffen sind, fuga mixta. § 19. Was die Fugen aus der ersten Classe anbelanget: so wird nur bloß die vermischte Quarten- Quinten- und Octavenfuge, kürzer die Quintenfuge oder ordentliche Fuge genannt, als die natürlichste zur Verfertigung einer eigentlichen Fuge erwehlet, und werden die übrigen Gattungen

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt.

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gen der Fuge aus dieser Classe, als die in der Secunde, Terz, Sexte und Septime als ausserordentlich betrachtet, und nur zur Zierde der ordentlichen Quintenfuge, in der Mitte derselben zur Veränderung des Wiederschlages, gebraucht. Will man aber eine eigentliche Fuge in der Secunde, Terz,Sexte oder Septime entwerfen: so finden daselbst, mit gehöriger Anwendung, eben diejenigen Regeln, die man bey der Quintenfuge gebraucht, statt, ausgenommen, daß die Regeln von der Einrichtung des Gefährten wegfallen, indem die außerordentliche Fuge in diesem Stücke nicht so vielen Schwürigkeiten unterworfen ist. In dem Hauptstücke vom doppelten Contrapunct wird man vier Exempel von der Feder des Herrn Kreising finden, wo die Folgestimme der anhebenden in den angeführten Intervallen nachfolget, woraus man die Art solcher Fugensätze und ihrer Eintritte genugsam wird beurtheilen können. Da die Modulation in solchen Sätzen meistenteils im Haupttone bleibt oder doch wenig davon abgegangen wird : so können dieselben, wenn sie erstlich, nach Beschaffenheit der Gattung der Fuge, in dem gehörigen Intervall ge­ gen die anhebende Stimme von der zweyten wiederhohlet worden, beym Eintritt der dritten und vierten Stimme, wenn die Fuge vierstimmig seyn soll, in die Tonart der Dominante auf eine ähnliche Art versetzet werden, währender Zeit die erste und zweyte Stimme dazu eine Gegenharmonie machen. Dieses scheinet die natürlichste und beste Art zu seyn, solche Fugen auszuarbeiten, indem sie zu verschiedenen Harmonien Anlaß giebt. Wenn der doppelte Centrapunct damit verbunden wird, so wird es desto besser seyn. Da wir in diesem Buche nur bloß mit der ordentlichen Fuge zu thun haben: so werden wir der außerordentlichen nicht weiter gedenken, indem wir uns vorbehalten, in den Beyträgen zu dieser Anleitung davon mehrers zu schreiben. (t) Wenn die Quintenfuge eine vermischte Quarten- Quinten- und Octavenfuge genennet wird: so ist dieses die Ursache.

Der Gefährte

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Das erste Hauptstück.

Von den verschiedenen

fährte soll dem Führer eigentlich eine Quinte höher nachfolgen. Da aber verschiedene Umstände dieses ofte verhindern, und im Gefährten, wo nicht alle, doch zum wenigsten einige Intervallen öfters nur eine Quarte höher gegen den Führer zu stehen kommen : so geschicht es dadurch, daß die Quintenfuge mit der Quartenfuge vermischt wird, und daher erhält sie den Nahmen einer vermischten Quarten- und Quintenfuge. Wenn hier aber gesagt wird, daß in der Quintenfuge der Gefährte allezeit eine Quinte höher gegen den Führer zu stehen kömmt: so ist aus der Umkehrung der Intervallen schon bekannt, daß die Quinte über einen Ton, desselben Quarte unterwärts ausmachet, und daß es also einerley ist, ob das Intervall des Gefährten eine Quinte über oder eine Quarte unter dem Intervalle des Führers stehet. Gleiche Bewandtniß hat es mit dem Gefährten, wenn er aus der Quarte entlehnet ist, da es einerley ist, ob das Intervall in demselben eine Quarte über oder eine Quinte unter dem Intervall des Führers zu stehen kömmt. Nun fragt es sich noch, warum dieQuintenfuge, eine vermischte Quinten-und Octavenfuge heißt. Die Ursach ist diese, weil nach Anleitung der Lehre vom Wiederschlage der Vorsatz, ohne zuförderst in die Quinte versetzet zu werden, in der Octave sogleich wiederhohlet werden kann. Ferner giebt es gewisse Sätze, wo so wohl der Führer als Gefährte im Haupttone bleibet, und hieraus entsteht der Nahme der vermischten Octavenfuge. Aus der Lehre von der Einrichtung des Gefährten nach den alten Tonarten wird dieses leztere deutlicher werden. (tt) Daß die Quintenfuge die natürlichste sey, ist aus den beyden Hauptsaiten einer jeden harten oder weichen Tonart, nemlich der Haupttonsnote und der Dominante oder der Quinte darü­ ber

Gattungen der Nachahmung und der Fuge überhaupt. 25 der zu erweisen, als deren vollkommene Dreyklänge die Hauptharmonien einer jeden Tonart ausmachen. Auf diese beyden Dreyklänge und ihre Tonarten aber bezieht sich in der Quintenfuge die Modulation des Führers und Gefährten eigentlich, wie man aus der Folge sehen wird. §. 20. Was die Fugen aus der andern Classe anbelanget: so wird ebenfals nur die erste, nemlich die in der ähnlichen Bewegung vorzüglich ausgeübet. Doch findet man auch viele Muster der Gegenfuge. Die rückgängige und rückgängigverkehrte aber werden nur bey den vorigen beyden in der Mitte hin und wieder zur Veränderung gebraucht, so wie in der ordentlichen Fuge in der ähnlichen Bewegung ebenfals hin und wieder der Fugensatz in der Gegenbewegung angebracht zu werden pfleget. §. 21. Mit der Vergrößerung und Verkleinerung der Fugensätze hat es eben diese Bewandtniß. Man bedienet sich ihrer nur eigentlich in der Mitte. Doch giebt es auch Muster von Fugen, die ausdrücklich hiernach ausgearbeitet sind. §. 22. Die Fugen im widrigen Tacttheile gehören eigentlich in die canonische Schreibart, und werden die Tacttheile in einer ordentlichen Fuge nur insgemein alsdenn vermischt, wenn man den Fugensatz in der engen Nachahmung oder canonisch durchführen will. Sonst findet man nicht besondere Muster einer auf diese Weise ordentlich ausgearbeiteten periodischen Fuge. §. 23. Die unrerbrochne Nachahmung dient nur ebenfals dazu, in einer gewöhnlichen Fuge in Ansehung des Wiederschlages eine Veränderung zu machen. Alle diese Veränderungen endlich, denen man den Gefährten in Marpurgs Abh. von der Fuge. D Anst-

26 Das erste Hauptst. Von den verschiedenen Gattungen Ansehung der Bewegung, der Figur der Noten, der Tacttheile u. s. w. unterwirft, gehören eigentlich in die strenge Fuge, und daselbst besonders in die Doppelfuge, welches aber nicht verhindert, sich einiger solchen Veränderungen mit Vernunft auch in einer freyen und auch in einer einfachen Fuge zu bedienen, wie genugsame Exempel davon vorhanden sind. 24. Die vermischte Classe begreifft alle diejenigen Arten von Fugen, wo z. B. der Gefährte dem Führer nicht allein in veränderter Bewegung, sondern zugleich mit veränderter Geltung der Noten antwortet, wo der Gefährte in einem veränderten Tacttheile und zugleich mit einer andern Bewegung nachfolget, u. s. w. als man will.

Man kann sich selbst so viele Vermischungen erdenken,

§. 25. In Ansehung der Fortschreitung der Noten in einem Fugensatze werden hin und wieder folgende Benennungen gefunden, als 1) Fuga composita, oder recta, wenn die Noten des Fugensatzes stufenweise gehen. 2) Fuga incomposita, wenn die Noten desselben sprungweise gehen. 3) Fuga authentica, wenn die Noten des Fugensatzes aufwärts gehen. 4) Fuga plagalis, wenn die Noten desselben unterwärts gehen. Aus der Lehre von den alten Tonarten werden die Ursachen der Benennung dieser lezten zwey Arten, woran aber sehr wenig gelegen ist, deutlicher werden. Aus dem Zusammenhange aller dieser Dinge wird man itzo dieOrdnung aller folgenden Hauptstücke beurtheilen können. Das

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Das

zweyte Hauptstück.

Von der Beschaffenheit eines Fugensatzes oder vom Führer.

Nicht

§. 1.

alle Sätze sind zu einer guten Fuge geschickt, und mancher Satz schickt sich wiederum besser zu einer Fuge für die Geige und Flöte, als zu einer Fuge fürdie die Singstimme, das Clavier, die Orgel, u. s. w. mancherschickt oder oder vierstimmigen sich besser zu einer zwey- alsdreyFuge, u. s. w. Wenn man also bey Erfindung eines Satzes auf die Beschaffenheitund Eigenschaft desje­ nigen Werckzeuges undauf die Anzahlder Stimmen, dafür man setzet, insbesondere zu sehen hat: so muß man überhaupt, man setze für ein Instrument und so viele Stimmen man wolle, auf folgende zwey Stücke Acht haben, 1) auf die Länge und 2) auf die Melodie. §. 2. Was die Länge des Fugensatzes betrift: so ist dieselbe zwar willkührlich. Doch ist, um gewiß zu verfahren, auf die Beschaffenheit der Zeitmaße dabey zu sehen. Je langsamer selbige ist, desto weniger Tactesoll der Satz begreiffen, und je lebhafter selbige ist, desto mehrere Tacte kann derselbe haben. Eine lange Reihe leerer und von Harmonie entblößter Töne wird in einem trägen Zeitmaße dem Gehör eckelhaft. Je kürzer die Sätze sind, desto öfter können sie wiederholet werden. Je öfter sie aber wiederhohlet werden, desto besser ist die Fuge. Ein kurzer Satz ist faßlich, und leicht im Gedächtniße zu behalten. Hat der Zuhörer die Bequemlichkeit, den Umfang desselben leicht zu D 2 über.

28

Das zweyte Hauptstück.

Von dem Führer.

überhören, und die verschiednen Wiederschläge desselben in allen angebrachten Versetzungen, und folglich den ganzen Zusammenhang der Fuge desto eher zu beurtheilen: so lauft der Fugist, wenn er den Satz aus dem Stegereif durcharbeitet, nicht Gefahr, selbigen aus den Gedanken zu verliehren, und alsdenn allerhand zerstreute und ausschweifende Einfälle zu Markte zu bringen, bevor er ihn wieder findet. In allen beyden Fällen aber, er arbeite aus dem Stegreif, oder auf dem Papiere, wird er den Satz bequemer, und deutlicher durcharbeiten können. Wie wichtig aber ist dieser lezte Punct, die Deutlichkeit? Kurz, wie man die Schönheit einer Fuge nicht nach der Länge derselben beurtheilen kann: so hänget die Güte eines Fugensatzes auch nicht von der Länge desselben ab. Man kan unterdessen nicht eigentlich bestimmen, wie viele Tacte ein Fugensatz haben soll. Die Veränderung, die Seele der Musik, würde dabey verliehren. So viel aber ist gewiß, daß ein Fugensatz alsdenn lang genung ist, wenn er einen deutlichen vollständigen Gedanken in sich faßt. Hiezu braucht man nicht allezeit ein halb Duzend Tacte. Es kann dieses nach Beschaffenheit in dem Umfange eines einzigen geschehen. §. 3. In Ansehung der Melodie, so können zwar in sogenannten Capricen allerhand bunte Figuren und Gänge statt finden. Es gehören aber selbige nicht in die im genauen Verstande genommne Fuge, als aus welcher die weiten unnatürlichen Sprünge, gebrochnen Griffe, u. d. g. zum wenigsten für die Singestimme, den Flügel und die Orgel, so wie im Ganzen also in ihren Theilen und besonders folglich in dem Hauptsatz, als welcher der Grundriß zu den übrigen Gedanken ist, ausdrücklich wegbleiben müssen. „ Das melodi­ sche natürliche Wesen, sagt der Herr Legationsrath von Matheson, giebt mit seiner edlen und singbaren Einfalt insgemein die besten Fugen ab, dahingegen in den gekünstelten und gezwungnen Sätzen es an nichts so sehr als der Melodie zu gebrechen pflegt"„ Es ist zwar allezeit eine Melodie vorhanden, aber

Das zweyte Hauptstück.

Von dem Führer.

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aber die taugt nicht allezeit. Besteht der Satz aus zu vielen bunten schnelllauffenden Noten: so ist leichte zu erachten, daß, wenn die Fuge für die Orgel ist, und das Pedal dabey gebraucht werden soll, nichts als ein verworrnes unverständliches Gepolter heraus kommen kann. §. 4. Die Melodie soll ferner eigentlich binnen dem Umfange einer Octave enthalten seyn, damit in den verschiednen Stimmen, worinn der Wiederschlag geschicht, genungsamer Platz zur Wiederhohlung desselben sey, und wenn es in Singesachen ist, und der Satz in verschiednen Tonleitern vermittelst der Versetzung erscheinet, der Sänger mit dem Umfange seiner Stimme zureiche. wird diese Regel nicht so genau beobachtet, indem manIn che Themata sich bis zur Decime, ja bis zur Duodecime erstrecken. Indessen geht man allezeit im Anfange sicherer, wenn man sich an die Regel hält. Man findet gute Fugen über Sätze, die nicht einmahl den Raum einer Terz oder Quarte überschreiten.

Instrumentalfugen

§. 5. Der Gesang eines Führers muß ferner so beschaffen seyn, daß allerhand harmonische Figuren und Rückungen dagegen angebracht werden können. Um hierinnen es desto eher zu treffen, ist es gut, daß man sich bey Erfindung desselben sogleich den Baß und die übrigen Gegenstimmen vorstellet. Man hat dabey den Vortheil, daß man zugleich wahrnimt, ob sich der erfundne Satz bequem oder nicht handhaben läst. Nicht alle Melodien lassen eine männliche und schöne Harmonie zu. Es müssen dieselben gesuchet werden. Von einer gezwungnen Harmonie, dergleichen man auch gegen die leereste und ungeschickteste, ich will nicht sagen Melodie, sondern Monodie machen kann, ist hier nicht die Rede. Das schöne natürliche behält allezeit den Preiß. D 3 §. 6.

30

Das zweyte Hauptstück.

Von dem Führer.

§. 6 Wie man aber nicht die Melodie auf einem unbequemen Tone abbrechen muß : so ist gegentheils zu verhüten, daß der Absatz derselben mit keinem förmlichen Schlußsatze begleitet werde, indem die Ruhestellen nicht eher als am Ende der Fuge statt finden. Sind die Gedanken so beschaffen, daß sie sich zu einem eigentlichen Schlußsatze neigen, und man selbigen nicht gerne vermeiden kann: so muß entweder der Gefährte sofort auf dem Schlußpuncte eintreten, oder es muß dieser Schluß vermittelst melodischer Kunstgriffe durch den Zusatz einiger Noten bey geschwindem Absetzen von derjenigen, worauf der Schlußpunct fällt, gleichsam verstecket werden. In dem Hauptstücke vom Gefährten werden hievon Exempel vorkommen. §. 7. Es ist endlich einerley, in was für einem Tacttheile der Führer anhebt. Er soll aber natürlicher Weise auf einem guten Tacttheile schließen, und wird diese Regel nur in Singefugen, wenn der Textwegen eines weiblichen Reimes dazu Anlaß giebt, überschritten.

Das

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Das dritte Hauptstück.

Von der Einrichtung des Gefährten. §. 1. bey der ordentlichen Fuge diejenigen Intervallen, Da

woraus der Vorund Nachsatz besteht, nichts anders als solche Intervallen ausmachen, die sich entweder auf den Hauptton oder die Dominante beziehen,und Octaven oder Tonleitern dazu vonnöthen hat, davoneine den Fühman also zwey rer, die andere den Gefährten enthält : So pfleget man, um zu wissen, welche Intervallen in diesen beyden Octaven, dertonischen oder der Haupttonsnote und der Dominante, einander antworten müssen, sich folgenden Mittels als eines Leitfadens bey der Einrichtung des Gefährten zu bedienen. Man nimmt die Octave des Haupttons, und setzet die in ihrem Umfange begriffnen Intervallen gegen die Intervallen der Octave der Dominante, dergestalt, daß sowohl in der Mitte als am Ende der Hauptton gegen die Quarte und Quinte zu stehen komme; Z. B. Es soll unser Hauptton C Dur seyn. Hier setzet man erstlich die Intervallen der Octave C nach ihrer Ordnung hin, und schreibt hernach die Intervallen der Octave G als der Dominante folgendergestalt in diatonischer Ordnung gegen jener über: c | d | e | f—g | a |h g a h | c / d| I e f

c Octave des Haupttons. f—g Octave der Dominante.

Hieraus siehet man, daß das g dem c, das a dem d, und das c dem f und g antwortet, u. f. w. Diese Tabelle nun lässet man in alle übrige harte Tonleiternübersetzen. Wäre dieselbe auf alle mögliche Fälle anzuwenden:

32

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

den : so könte man ihren Inhalt folgender gestalt in Ziefern auf eine deutlichere und auf beyde Tonarten sich zugleich beziehende Art vorstellen: Octave des Hauptt. 1 |2 | 3 | 4 — 5 | 6 | 7 | 8 Ocrape der Domin. 5 | 6| 7 | 8 | 2 | 3 | 4 —5 Hieraus könnten folgende allgemeine Regeln gezogen werden: 1) Daß die zweite und sechste einander antworten; 2) Daß die dritte und siebente einander antworten; 3) Daß die vierte und fünfte der Hauptnote antworten. Es trägt sich aber zu, daß auch ebenfals sehr oft die Sext mit der Terz, die Quinte mit der Secunde u. s. w. beantwortet wird, wie man bald sehen wird. Wir wollen also gewisse Grundsätze entwerfen, nach welchen man die Richtigkeit des Gefährten überhaupt und besonders untersuchen und beurtheilen kann, um da derselbe öfters auf mehr als eine Art eingerichtet wer­ den kann, alsdenn mit Grunde erweisen zu können, warum er auf diese oder jene Art besser sey. §. 2. Der Gefährte ist, wie bekannt, nichts anders als eine ähnliche Wiederhohlung des Führers in einer versezten Tonart. Zur Erhaltung dieser Aehnlichkeit ist nicht genug, daß die Noten des Gefährten den Noten des Führers in Ansehung der Figur und Geltung gleich gemachet werden; (*) daß kein Modus mit dem andern vertauscht und aus einem harten nicht ein weicher gemachet

(*) In Ansehung der Geltung: so ist es erlaubt, die erste Note um die Hälfte ihres Werths zu verkleinern, oder zuvermehren, wenn man es für nöthig befindet, um desto unvermuthter einzutreten, wie wir Exempel davon bekommen werden.

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

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machet werde; daß eben diejenige Tactart in beyden Sätzen verbleibe, und daß alle darinnen etwann vorkommende Pausen und übrigen Zeichen bis zum Schlußpuncte nachgeahmet werden. Es gehört hauptsächlich zur Aehnlichkeit der Wiederhohlung, daß die Intervallen, die im Führer gewesen, auch im Gefährten, und zwar in eben derjenigen Proportion erscheinen, z. B. daß an demjenigen Orte der Melodie, wo der Führer eine Terz, Quarte, Quinte, u. s. w. fortgehet, der Gefährte ebenfals eine Terz, Quarte, Quinte u. s. w. fortgehen müsse, und daß wenn diese Terz im Führer groß gewesen, sie ebenfals im Gefährten groß seyn müsse, u. s. w. das heist: Der Gesang des Gefährten muß dem Gesange des Führers ähnlich gemachet werden. Das ist der erste Grundsatz,worauf sich die Einrichtung des Gefährten gründet. §. 3. Da die Octave aber aus zwey ungleichen Hälften besteht, und, wenn man in einer stufenweisen Fortschreitung von der Dominante zur Tonischen und von dieser zu jener geht, man allezeit in der einen weniger oder mehr Intervallenals in der andern findet, z. B. in der Tonart C Dur enthält die eine Hälfte im Absteigen c d e f g oder im Absteigen g f e d c fünf Intervallen, da in der andern Hälfte im Aufsteigen gahc oder im Absteigen c h a g nur vier Intervallen vorhanden sind : so geschicht es theils zu Folge der Natur der Haupttonart, worinn die Fuge ist, theils damit die Anzahl der Intervallen in beyden Sätzen gleich gemachet werde, daß die Melodie nach Beschaffenheit eine kleine Veränderung erdulden muß, woferneder Umfang dieMarpurgs Abh. von derFuge.

ser

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Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

ser Haupttonart nicht überschritten, und keine fremde und ihr uneigne Tonart in selbige eingeführet werden soll; das heist: es muß recht moduliertwerden; und das ist der zweyte Grundsatz, worauf sich die Einrichtung des Gefährten gründet. In was für einem Intervalle nun ein Fugensatz anhebe: so wird die Modulation des Haupttons entweder unverändert bis zum Schluße beybehalten, oder es lenket sich selbige bey dem Schluße nach der Dominante hin. Im ersten Fall, wenn die Modulation im Haupttone verbleibet : so braucht, nach geschehnem gehörigen Anfange, nur der Satz von Note zu Note dem Gesange gemäß in die Tonart der Dominante versetzet zu werden. Im andern Fall, wenn sichdie Modulation nach der Dominante hinwendet: so muß der Gesangzur Verhütung einer fremden Modulation schlechterdings verändert, undderselbe vermittelst der Vertauschungeines Intervalls in den Hauptton wieder zurück geführet werden. Die Regel hiebey ist folgende : daß man allezeit eher auf das folgende als das vorhergehende sehen müße, um sich in der Wahl der Intervallen bey dieser Vertauschung nicht zu ir­ ren. Es geschieht dieselbe aber auf zweyerley Art : a) Durch Ueberschlagung einer Stuffe. größern Hälfte der Octave.

Dieses geschicht in der

ß) Durch Verdoppelung einer Stuffe, d. i. wenn man eine Note zweymahl anschlägt Octave.

Dieses geschicht in der kleinern Hälfte der

Jenes heist den Gesang erweitern, dieses denselben abkürzen oder einschränken. Vermittelst dieser Vertauschung aber geschichts, daß ein Einklang zur Secunde, eine Secunde zur Terz, eine Terz zur Quarte, eine Quarte

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

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Quarte zur Quinte, eine Quinte zur Sexte, eine Sexte zur Septime, eine Septime zur Octave; und umgekehrt, daß eine Octave zur Septime, eine Septime zur Sexte, eine Sexte zur Quinte, eine Quinte zur Quarte, eine Quarte zur Terz, eine Terz zur Secunde, und eine Secunde zum Einklange wird. §. 4. Zu diesen beyden Grundsätzen fügen wir noch folgende die Form der Quintenfuge bestimmende Regeln hinzu, und zwar (I) Ueber die erste Note des Führers. a) Hebt der Führer auf der Octave des Hauptons an: so folgt der Ge­ fährte in der Quinte desselben nach. ß) Hebt der Führer auf der Quinte des Haupttons an; so folget der Gefährte in der Octave des Haupttons nach. Das heist in einer Regel: die Haupttonsnote und Dominate müssen allezeit einander antworten auf derersten Note des Fugensatzes. Dieses sind aber die ordentlichen Intervallen, womit insgemein ein Fugensatz anhebt. Wie es in ausserordentlichen Fällen, wenn der Anfang des Vorsatzes mit der Terz, Quarte, Sexte, Secunde oder Septime geschicht, gehalten werde, wird in besondern Abschnitten gezeiget werden Note des Führers. (II) Ueber die lezte ttste a) Schließt der Führer mit der Haupttonsnote: so schließt der Gefährte mit der Quinte. ß) Schließt der Führer mit der Quinte: so schließt der Gefährte mit der Haupttonsnote. und die Dominante müsDas heist in einer Regel: Der Hauptton sen einander auf der lezten Note des Fugensatzesantworten. y) Schliest E 2

36

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

y) Schließt der Führer mit der Terz des Haupttons: so schließt der Gefährte mit der Terz der Dominante. d) Schließt der Führer mit der Terz der Dominante: so schließt der Gefährte mit der Terz des Haupttons. Das heist in einer Regel: Die Terz des Haupttons und der Dominante müssen einander auf derlezten Note eines Fugensazes antworten. Da diese Regel aber öfters nach Beschaffenheit der Umstände ihre Ausnahmen leiden kann: so beliebe man dieserwegen das Register unter dem Titel: Schluß nachzuschlagen. Dieses aber sind die ordentlichen und bequemen Töne, worinn ein Führer schließen kann. Geht derselbe auf eine ausserordentliche Weise in einen andern Ton, als in die Secunde, Quarte, oder Sexte des Haupttons: so gehet der Gefährte in die Secunde, Quarte oder Sexte der Dominante, wofern es nicht andere Umstände verhindern, in welchem Falle man die beyden Grundsätze zu Rathe zu ziehen hat, um, da das Intervall des Gefährten dem Intervall des Führers bald eine Quinte bald Quarte höher antworten kann, sich in der Wahl des Intervalls nicht zu irren. Es werden hin und wieder in folgenden Exempeln solche ausserordentliche Schlüße vorkommen, welche man im Register unter dem Titel : Schluß finden wird. Anmerkung. 1) Was anizt von der Uebereinstimmung der Haupttonsnote und der Dominante in Ansehung der ersten und lezten Note eines Fu­ gensatzes gesagt wird, gilt auch in der Mitte desselben, wenn von der Dominante auf die Haupttonsnote oder umgekehrt, von dieser

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

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ser auf jenegesprungen wird, wofern nicht andere Ursachen diese Regel in gewissen Vorfällen umstossen, und den Gefährten nöthigen die Haupttonsnote mit der Quarte, und die Dominante mit der Secunde des Haupttons zu beantworten. 2) An demjenigen Orte, wo der Gefährte eintritt, höret nicht allezeit der Führer sofort auf. Den Umfang eines Führers also zu finden, muß man sehen, wie weit sich sein Gefährte ausdehnet. Man wird alsdenn mit leichter Mühe die Schlußpunctsnote bestimmen können. §. 5. Diese Grundsätze und Regeln vorausgesezt, wollen wir itzo in Exempeln sehen, aus was für Art selbige anzuwenden sind; was hin und wieder für Ausnahmen, und warum dieselben geschehen können; und überhaupt werden wir da, wo es nöthig, diese Grundsätze und Regeln noch mit andern Anmerkungen erläutern. Uebrigens geht alles dieses nur den Gefährten in einer einfachen Fuge, und in Doppelfugen nur den ersten Satz an, indem man bey den Gegensätzenin Ansehung des Gefährten wenigerm Zwangeunterworfen ist, wie man im Hauptstücke vom Wiederschlage sehen wird. Um wegen Vielheit der Materien in diesem Hauptstücke desto ordentlicher zu verfahren, werden wir dasselbe in verschiedene besondere Abschnitte vertheilen.

E 3

Das

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Das dritte Hauptstück. I.

Vom Gefährten.

I. Abschnitt.

Abschnitt.

Fugensätze, die in der Octave des Haupttons anheben, und im Haupttone bleiben. Tab. X. Fig. 1. Der Satz endigt sich auf der Sechzehntheilnote e im zweyten Tact, und folglich in der Terz des Haupttons, und ist die Modulation desselben darinnen unverrückt geblieben. Nun heist die Regel: a) daß, wenn der Führer in der Octave des Haupttons anhebt, der Gefährte in der Quinte desselben nachfolgen soll, und ß) wenn der Gesang im Haupttone verbleibt, der Gefährte nur braucht in die Tonart derQuinte versetztzu werden, undy) wenn der Führer mit derTerz des Haupttons schließt, der Gefährte mit der Terz der Dominante endigenmuß. Alles dieses ist beym Gefährten in Obacht genommen worden. Der Hauptton c wird mit der Quinte g beantwortet, und alle darauffolgenden Intervallen sind mit eben denjenigen ganzen und halben Tönen in einer ähnlichen Fortschreitung bis zur Schlußpunctsnote nachgemachet worden. Tab. X. Fig. 2.

Wie das vorige Exempel.

Tab. X. Fig. 3. Der Satz fängt im Haupttone an, und bleibt und schließt darinnen. Der Gefährte muß also in der Dominante e anfangen und schließen. Mit der Anfangs- und Endungsnote hat es keine Schwürigkeit. Wenn aber der Gesang des Gefährten dem Gesange des Führers ähnlich gemacht werden soll, und hiezu erfodert wird, daß die Intervallen des anhebenden Satzes in eben derjengen Proportion in der Folgestimme erscheinen müssen: so siehet man, warum im Gefährten das d und f in dis und fis verwandelt sind. Denn, da der Gesang eine Quinte höher transponirt wer­ den muß, das dis und fis aber, womit gis und h beantwortet werden, nicht in

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

I. Abschnitt.

39

in der weichen Tonleiter a und folglich nicht in der Vorzeichnung zu finden sind: so musten selbige durch die gehörigen Versetzungszeichen in die Leiter der Dominante e worinn sich der Gefährte hören läst, hinein geschaffet werden. Noch ist hier in Ansehung der Schlußart zu merken, daß, da selbige mit einer vollkommnen Baßclausel im Alte geschicht, demselben im Gefährten eine solche Harmonie entgegen gesezt wird, die nichts weniger als zur Ruhe führet, welches man in allen ähnlichenFällen zu beobachten hat. Tab. X. Fig. 4. Dieses Exempel ist wie das vorige in Ansehung der Einrichtung des Gefährten beschaffen. Da dasselbe mit einer vollkommnen Diskantclausel in der anhebenden Unterstimme endiget: so wird diese Clausel im Gefährten durch Veränderung des Tons zwischen dis und d im siebenten Tact der obersten Stimme unterbrochen. Es findet dieses bey allen ähnlichen Fällen statt. Tab. X. Fig. 5. Es endigt sich auch dieses Exempel mit einer vollkommnen Baßclausel. Um aber die beständige nöthige Bewegung in der Fuge zu erhalten, wird auf der Schlußnote c im Gefährten, bey einer schon durch die Gegenharmonie unterbrochnen Schlußclausel, sogleich die dritte Stimme eingeführt. Tab. XL Fig. 1. Es ist bey diesem Exempel zu merken, wie der Quintensprung f—c, zwischen der lezten Note des ersten und der ersten Note des zweyten Tacts im Führer, beym Gefährten in den Quartensprung c—f verwandelt wird. Die Ursache ist, weil auch in der Mitte eines Satzes bey einem Sprunge die Hauptnote und Dominante einander antwortetn müssen, wenn es nicht andere Ursachen verhindern. Da nun an statt des g ein f genommen worden: so kommts daher, daß aus der Terz c—a im zweyten Tacte des Führers, im sechsten Tact des Gefährten der Secundengang f—e, an statt g—e entstanden. Das übrige ist alles der Melodie und Tonart der Dominante gemäß transponirt worden. Tab.

40

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

I. Abschnitt.

Tab. XI. Fig. 2. Der Führer springet von der Hauptnote in die Dominante. Der Gefährte beantwortet dieses mit dem Sprunge von der Dominante in die Hauptnote, und verwandelt also, wie im vorigen Exempel, nach der schon bekannten Regel, die Quinte in die Quarte. Von der Dominante geht der Führer einen Grad aufwärts, nemlich vom a ins b. Diese Secunde verwandelt der Gefährte in die Terz d—f. Die Ursach ist diese. Die Melodie an sich ist im Hauptton. Es muß also der Gefährte dieselbe in der Tonart der Dominante a nachmachen. Wenn nun der Führer von dem b wieder stuffenweise herunter geht, und zwischen b und a ein halber Ton ist: so muß dieser im Gefährten ebenfals ausgedrücket werden. Nähme man nun dazu es — d: so würde der Gefährte, an statt in dem Tone a zu bleiben, ins g moll gerathen. Nähme man e — d: so käme der halbe Ton nicht heraus, und es würde ein unharmonisches Verhältniß daraus entstehen. B und e nemlich machen eine falsche Quinte, oder eine übermäßige Quarte gegeneinander. Würde nun das b mit dem e beantwortet: so fänden sich da ein Paar Intervallen, die nach der Sprache der Solmisation wie fa und mi, das ist, wie f und h gegeneinander zu stehen kommen. Ein solches unharmonisches Verhältniß wird aber nicht in allen Fällen und ohne Noth zugelassen, und wurde von den Alten mit folgendem Sprichwort ebenfals hierauf gezielet: Mi gegen fa ist der Teufel in Musica. Es bleibt also kein ander Intervall als das f übrig, wodurch der Gesang zwar etwas geändert wird, indem aus der Secunde a—b die Terz d—f entsteht. Das b—a wird hingegen dadurch vermittelst des f— e vollkommen nachgemachet. Man bleibt im Tone a und der Gefährte hat seine vollkommne Richtigkeit. Wäre es erlaubt gewesen, die beyden ersten Noten des Führers d — a mit a — e zu beant. worten : so hätte man diese Vertauschung des Intervalls nicht nöthig ge­ habt. Tab. XI.

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten. I. Abschnitt.

41

Tab. XI. Fig. 3. Hier wird die Secunde c— b aus der lezten Hälfte des ersten Tacts, beym Gefährten in den Einklang f— f verwandelt, da­ mit hernach der halbe Ton b — a durch f— e füglich nachgeahmt werden könne. Diese Verdoppelung einer Note geschicht, wie oben gelehrt worden, wegen der ungleichen Hälfte der Octave allezeit in der kleinern Hälfte derselben. Tab. XI. Fig. 4. Dieses Exempel ist von Note zu Note aus dem Hauptton in die Dominante übersetzet worden. Tab. XI. Fig. 5. Da der Vorsatz mit einer vollkommnen Schlußclausel in den Hauptton geht: so tritt auf der vorlezten Note der Gefährte gar bequem ein, damit kein Zusatz gemachet werden dürfe; und, damit die Bewegung jederzeit erhalten werde, so wird dem Gefährten beym Schluße eine solche Melodie entgegen gesetzt, die das harmonische Gewebebis zum Eintritt der dritten Stimme ununterbrochen fortsetzet, und eben diese Bewandtniß hat es beym Schluße des Fugensatzes in der dritten Stimme. Tab. XII. Fig. 1. und 2. Der Sprung,den hier die Octaveder Hauptnote in die Unterquinte thut, wurde bey den Alten deßwegen verboten, weil er die Tonart ungewiß macht. Wie schön sich aber solche Sätze ausnehmen, ist aus den Ausarbeitungen der beyden Meister, von welchen diese Exempel sind, zu ersehen. "Sogewiß ist es, sagt der Herr Legationsrath von Mattheson, daß keine Regel ohne Ausnahme bleibt.,, Hatten die Regeln der Alten aber nicht vielleicht ofte einen bloßen Eigensinn, oder ein bloßes Vorurtheil zum Grunde? Tab. XII. Fig. 3. Wenn die Quinte c —g und die Secunde g—as in den drey ersten Noten des Führers, in die Quarte g—c und die Terz c—es imGefährten verändert worden : so hat es eben damit die Bewandtniß, als mit dem Tab. XI. Fig. „ 2. befindlichen Exempel. Es ist also nur noch Marpurgs Abh. von der Fuge. F hier

42

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten. I. Abschnitt.

hier zu merken, wie die Achttheilsnote, womit der Führer anfängt, beym Gefährten in ein Viertheil verändert wird, damit bey dem Eintritt der zweyten Stinme keine ungeschickte Harmonie entstehe, und das d im Alt gegen das g in der Oberstimme nicht eine anschlagende sondern durchgehende Note ausmache. Tab. XII. Fig. 4. Hier ist der Führer ohne alle Veränderung, weil keine vonnöthen war, von Note zu Note bis zum Schlußpunct in die Tonart der Dominante versetzet worden. Tab. XII. Fig. 5. Wenn man sich auf die Anmerkung zur Fig. 2. Tab. XI. besinnt, so wird man leicht sehen, warum die Melodien der drey ersten Noten verändert worden. Der Schluß fällt hier auf das Achttheil a im zweyten Tact. Es ist derselbe aber im Gefährten nicht nachgemachet worden, indem derselbe, an statt von dem h im vierten Tact sogleich ins e herun­ terzuspringen, dieses h zur Bindung liegen, und das e erst hernach als eine durchgehende Note hören lässet. Tab. XII. Fig. 6. Die Quinte d—a ist aus bekannten Ursachen in die Quinte a—d verändert worden. Daher kömmt es hernach, daß die Terz a—f zwischen dem ersten und andern Tact des Führers beym Gefährten in dieSecunde d— c verwandelt worden. Es ist damit beschaffen,wie bey Fig. I. Tab. XI. Der Gefährte kommt allezeit entweder eine Quinteoder Quarte über den Führer, oder welches einerley ist, eine Quarte oder Quinte unter den Führer zu stehen. Niemahls anders. Mit der Quarte geht es hier nicht. Solte das f—e aus dem zweyten Tact nebst den folgendenIntervallen, mit b—as als mit der Quarte beantwortet werden: so würde der Gefährte dadurch ins g—moll gerathen. Der Gesang aber soll in der Leiter der Dominante a verbleiben. Es bleibt also nichts anders übrig, als daß man diese Terz des Haupttons nemlich das f mit der Terz der Dominante nemlich mit c beantwortet,und darauf die übrigen Intervallen nach Proportion nachahmet. Da kommen

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. II. Abschnitt

43

kommen alle halbe und ganze Töne heraus, und der Gefährte ist eingerichtet, wie er soll. Der Schluß fällt auf das erste Viertheil a im vierten Tacte. Diesem zu Folge solte der Gefährte entweder nach der Regel mit dem d oder weil es eine unvollkommne Cadenz ist, mit einer bey derselben erlaubten Freyheit, auf eine ähnliche Art mit dem e schliessen. Dieser Schluß aber bleibt aus, indem die vorlezte Note f zur Bindung liegenbleibt, und hernach die Harmonie so eingerichtet wird, daß im folgenden Tact darauf die dritte Stimme eintreten kann. Tab. XII. Fig. 7. Hier ist zu merken, wie die Viertheilsnote,womit die erste Stimme anhebet, bey dem Eintritt der andern in ein Achttheil verwan­ delt wird, um den Eintritt desto empfindlicher zu machen. II. Abschnitt. Fugensätze, die mit der Dominante anfangen, und im Haupttone bleiben. Tab. XIII. Fig. 1. Der Führer geht von der Dominante einen Grad aufwärts. Der Gefährte verwandelt diese Secunde in eine Terz, nachdem er, der Regel gemäß, in der Octave des Haupttons angefangen. Hätte er an statt des f ein es genommen: so hätte man den Gesang des Gefährten nach g moll hinleiten müssen. Daraus wäre eine ordentliche Quartenfuge entstanden. E kann nicht genommen werden. Es wäre ein unharmonisches Verhältniß daraus geworden. Es bleibt also nichts als das f übrig ; und dieses ist in allen ähnlichen Fällen zu beobachten. Tab. XIII. Fig. 2.

Wie das vorige Exempel.

Tab. XIII. Fig. 3. Aus der Terz d—h im Führer wird hieselbst im Gefährten die Secunde g—fis, so wie bey Tab. XII. Fig. 6. das a-f — F 2 in

44

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. II. Abschnitt.

in d—c verwandelt wurde. Man sehe auch Tab. XI. Fig. 1. Diese Fälle sind deßwegen desto mehr zu merken, weil einige Lehrer der Musik die Regel geben: daß eine Terz allezeit eine Terz bleiben, und in kein ander Intervall verwandelt werden müße. So wie sie aber in diesen und den vorigen Exempeln mit einer Secunde verwechselt worden : so werden wir in der Folge Beyspiele finden, wo sie auch mit der Quarte verwechselt wird. Um übrigens noch auf besondere Art die Richtigkeit des Gefährten allHaupthierzu beurtheilen: so nehme man auf einen Augenblickan statt der tonsnote g die Secunde derselben nemlich a an. Da ist der Gesang auf die ähnlichste Weise nachgeahmet, indem die Terz d — h alsdenn in die Terz a — fis verwandelt wird. Da aber das a nicht statt findet, indem nach der Regel mit der Hauptnote ausdrücklich und ohne Ausnahme angefangen werden muß: so siehet man, warum der Terzengang des Führers zum Secundengang im Gefährten geworden. Tab. XIII. Fig. 4. Hier findet sich zwischen der zweyten Note des Füh­ rers f und zwischen der zweyten des Gefährten h ein sogenanntes fa gegen mi. Dieses aber ist allhier unvermeidlich und im geringsten nicht ein Fehler. Hätte man das g — f wollen nachmachen : so hätte der Gefährte müssen mit d—c anfangen. Dieses aber war wider die Regel. Nur in der Mitte einer Fuge ist es erlaubt, wenn der Gefährte mit der Dominante anhebt, dieselbe mit der Secunde des Haupttons zu beantworten. Im Anfange einer Fuge ist es schlechterdings ein Grundfehler, und nur denjenigen sogenannten galanten Setzern erlaubt, die sich die Erlaubniß geben, etwas zu schreiben, wovon sie keine Ursach angeben können. Mit c — b konnte das g — f auch nicht beantwortet werden. Die Modulation wäre, an statt nach der Quinte zu gehen, in die Quarte gerathen. Das g—f mit c—c das ist, mit der Verdoppelung zu beantworten, schickte sich auch nicht. Da man hier also aus vielen Uebeln wehlen muste: so war das geringste, nemlich c — h dem d—c, dem c—b und dem c—c vorzuziehen. Tab.

Das dritte

Hauptstück

Vom Gefährten. HI. Abschnitt. 45

Tab. XIII. Fig. 5. Hier ist abermahls die Terz d—h in die Secunde g—fis verwandelt worden. Diese Vertauschung der Intervallen rühret, wie bekannt, aus der ungleichen Hälfte der Octave her, und wird die Fort= schreitung in der kleinern Hälfte derselben allezeit verkürzt. Tab. XIII. Fig. 6. Die Secunde g — as wird in die Terz c—es verwandelt, und dadurch der Gesang erweitert, damit selbiger hernach der Tonart der Dominante gemäß weiter fortgeführet werden könne. Tab. XIII. Fig. 7. Nachdem das d—g im Führer nach der Regel mit g—d imGefährten beantwortetworden:so wird das übrige ordentlich von Note zu Note dem Gesange desFührers und der Tonart der Quintegemäß, übersetzet.

III. Fugensatze, wo sich

Abschnitt.

der Gesang nach der Dominante hinwendet.

Tab. XIV. Fig. I. lange der Gesang im Hauptton bleibt, ist der Gefährte von Note zu Note, mit eben derselben Fortschreitung in der Dominante nachgeahmet worden. So bald sich aber derselbe nach der Dominante hinzuwenden anfängt, welches im vierten Tact nach der Achttheilpause geschicht; so wird im Gefährten die Fortschreitung verändert, und aus der durch die Achttheilpause unterbrochnen Terzen Fortschreitung f—aeine Secundenfortschreitung c—d im Gefährten gemachet, vermittelst welcher Ver-änderung der Gefährte sich nach dem Haupttone zurücke zieht.

SO

Tab. XIV. Fig. 2. Tab. XIV. Fig. 3.

Wie das vorige Exempel. Nachdem der Fugensatz die Octave des Haupt-

tons stuffenweise durchgelauffen: so wendet er sich nach der Dominante, und F 3

schliesst

46 Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. III. Abschnitt. schließt in der Terz derselben. Da solte nun unstreitig der Gefährte, so bald derselbe auf eine ähnliche Art die Octave der Dominante durchgelaufen, vermittelst der Veränderung der Quarte c — g in die Quinte g — c sofort in den Hauptton zurücke gehen, und mit der Terz desselben schließen Er verzögert aber diesen Schluß, und machet den Quartensprung c — g mit g — d, das übrige aber nicht in eben derjenigen Proportion der Intervallen, nach, (indem das g — a mit dem halben Tone d — es beantwortet wird) und nähert sich erst im folgenden Tacte auf der Sechzehn= theilnote c wider dem Haupttone, da denn bey der Terz es die dritteStimme bequem eingeführt wird. Solche Zusätze dienen dazu, daß man wieder die rechte Modulation erreiche. Tab. XIV. Fig. 4. Zu diesem Satze ist der Gefährte aus der Quarte entlehnet worden, indem, wenn er hätte in der Quinte seyn sollen, er so hätte eingerichtet werden müssen, wie er zulezt unter eben dieser Figur ausgea weil dadurch das drückt steht. Dieses aber ist deßwegen nicht geschehen : a) Intervall des Tritons g — cis in die Terz d — fis hätte müssen verwandelt werden, welche Veränderung ungewöhnlicher, als die Veränderung der Se­ cunde g—fis in die Terz d—h gewesen seyn würde, ß)) Weil durch diese auf solche Art abwechselnde Tonleitern mehrere Harmonie entsteht. Tab. XI V Fig. 5. Erstlich ist hier die mit einem Viertheil anhebende Note c in das Achttheil g aus schon bekannten Ursachen verwandelt worden. Da der Gefährte in der kleinern Hälfte der Octave ist: so wird der Ge­ sang hernach um eine Stuffe abgekürzt, und aus der Terz c—e die Secunde g—A gemachet, wodurch zwar der halbe Ton e—f nicht nachgeahmet wird, indem demselben der gantze Ton a—h antwortet, und daselbst folglich ein mi gegen fa machet. Dieser aber ist in allen ähnlichen Fällen, wenn der Führer auf solche Art zur Quinte hinauf steigt, erlaubt. Die Terz g—e wird dar­ auf der Folge wegen in die Secunde c—h verwandelt, damit nicht noch einmahl

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IV. Abschnitt.

47

einmahl mi gegen fa komme, und der übrige Theil des Gesanges ordentlich nachgeahmet werde. Noch ist hier zu merken, wie die beyden Noten e und fis, die den Gesang des Führers nach der Dominante hinlenken, im Gefährten nicht ordentlich mit a—h nachgeahmet, sondern übergangen worden.

IV. Abschnitt. Fugensätze die auf der Terz des Haupttons anheben.

Man

giebt die Regel: daß, wenn die Melodie des Führers im Haupttone verbleibet, der Gefährte den Wiederschlag in der Terz der Dominante anheben soll, und daß hingegen, wenn die Melodie des Führers sich nach der Quinte hinzieht, der Gefährte die Beantwortung mit der Secunde der Dominante verrichten soll. Uns deucht, daß nach Beschaffenheit der Umstände nicht nur im ersten Fall ebenfals ofte die Secunde der Dominante, sondern auch im lezten Fall ebenfals die Terz der Dominante statt finden kann. Exempel werden die Sache deutlicher machen. Wer die beyden allgemeinen Grundsätze zur Ordnung des Gefährten zu seinem Augen-

merke hat, wird sich in der Wahl zwischen diesen beyden Intervallen nicht so leichte irren. Tab. XV. Fig. I. Hier ist die Terz des Haupttons mit der Terz der Dominante beantwortet, und der Satz von Note zu Note in die Tonart der Quinte versetzet worden, der obigen Regel gemäß, daß, wenn die Melodie im Hauptton bleibt, der Gefährte den Wiederschlag auf der Terzder Dominante anheben soll. Tab. XV. Fig. 2. Es schließt dieses Exempel auf der Quinte des Haupt= tons. Dessen ohngeachtet ist wider obige Regel, daß in diesem Fall die Terz des Haupttons, der hier d ist, mit der Secunde müsse beantwortet werden, dieselbe

48 Das dritte Hauptstück

Vom Gefährten. IV. Abschnitt.

dieselbe mit der Terz der Dominante beantwortet worden, wobey noch zu mer­ ken, wie die Secunde a—h zum Anfange des zweyten Tactes, im Gefährten durch die Verdoppelung des e der Folge wegen in einen Einklang verwandelt ist. Indessen hätte der Gefährte auch können mit der Secunde der Dominante folgendergestalt angehoben und eingerichtet werden: — h — e — a | d —e fis — g h a | g fis — e — d Es scheint fast, als wenn dieses natürlicher wäre; und da in dem mit fis anfangenden Satze die Tonart ein wenig zweydeutig ist: so könnte dieser leztere mit h anhebende Satz als Führer angesehen, und der vorige mit fis anfangende Führer zum Gefährten gemachet werden. Das Thema würde aber alsdenn mit der Sexte h anfangen. Tab. XV. Fig. 3. Hier lenket sich die Melodie des Vorsatzes ebenfals nach der Dominante zu. Dessen ungeachtet muß der Nachsatz mit der Terz der Dominante anfangen, woferne man die Melodie nicht ohne Noth sogleich im Anfang verändern will. Im dritten Tact wird das c — e — fis mit Grundsatze g—a—h dem zweyten gemäß beantwortet. Hätte man g—h—cis genommen: so wäre die Melodie vollkommen nachgeahmet worden. Da aber die Ausweichung ins d dur dem Tone c dur fremde ist, und wenn der eine Satz in die Tonart der Dominante schließet, der andere nach dem Haupttone zurück gehen muß: so wäre die Modulation falsch gewesen. Der Gang also, der den Führer nach dem g dur hinlenket, muß durch Veränderung der Fortschreitung dergestalt im Gefährten geordnet werden, daß der Gesang wieder den Hauptton erreichet. Dieses geschicht, wenn die Melodie, wegen der kleinern Hälfte der Octave, abgekürzt, und aus der Terz c—e die Se­ cunde g—a gemachet, und darauf das fis mit dem h beantwortet wird. Hiewider wird mehr als jemahls heutiges Tages von denjenigen Verstössen, die Fugen gemachet haben, ehe sie noch gewust, was der Gefährte in der Fuge

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

IV. Abschnitt. 49

Tab. XV. Fig. 4. Der Gefährte folget hier dem Führer auf der Terz der Dominante nach, und beantwortet wider die Regel: daß die Haupttonsnote und die Quinte einander am Ende antworten müssen, die Quinte c im vierten Tact, mit der Secunde g im siebenten Tact. Diese Ausnahme hier ) a) findet aber allezeit statt, wenn, wie die Gegenharmonie so beschaffen ist, daß sie sich auf den Hauptton bezieht, und ß) wenn nach dieser Entfernung die Melodie des Gefährten durch einen kleinen Zusatz sofort in den Hauptton zurück geführet wird. Wäre dieses nicht geschehen: so hätte der Gefährte folgendergestalt eingerichtet werden müssen: t—c | d—g—f l

e—cc-—de de | f

| f—e | f—

Tab. V. Fig. 5. Der Gefährte, der auf der Terz der Dominante anhebet, folget dem Führer so lange von Note zu Note in einer ähnlichen Melodie nach, als derselbe im Hauptton bleibt. So bald dieser aber sich nach der Dominante hinwendet: so verkürzet der Gefährte seine Fortschreitung, und verwandelt, vermöge des andern Grundsatzes, die Terz b—d in die Secunde f— g, um nicht in einen fremden Ton, nemlich in g moll zu gerathen, sondern den Gesang in den Hauptton wieder zurück zu fuhren. Tab. XV. Fig. 6. Es fänget hier der Gefährte, so wie im vorigen Erempel, den Wiederschlag mit der Terz der Dominante an, ungeachtet der Führer nach der Dominante hin modulirt hatte. Die Melodie aber darinnen hat an drey Oettern in Ansehung der Fortschreitung eine Veränderung erlitten. Die Quinte c—g wird in die Quarte g—c verwandelt; Die Secunde h—c in die Terz e — g; und die Quarte d — a in die Quinte a — d. Die Ursache ist, weil man den Satz dadurch desto bequemer in den Hauptton zurücke führen kann. Da indessen der ganze erste Tact des Führers im Haupttone bleibt: so könnte, ungeachtet des Sprunges zwischen der HauptMarpurgs Abh.von der Fuge. G tonsnote

5o Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten. IV. Abschnitt.

tonsnote und der Dominante, der Gefährte auch auf folgende Art angehoben werden: h — a — g — d — fis—g Es wäre aber alsdenn nöthig, allhier die Fortschreitung zu unterbrechen, und den übrigen Theil des Gesanges mit g anzufangen, und folgendergestalt zu setzen: g — d e— f — e — d c— h Tab. XV. Fig. 7. In diesem Exempel muß der Gefährte schlechter-dings die Terz des Haupttons, der Folge wegen, mit der Secunde der Dominante beantworten. Wolte man es auf folgende Art thun: h

I

a — h — c — d—-g a — h

I

e — fis

— g — fis.

So siehet man, daß dieModulation allhier ins d dur, und folglich eine dem Haupttone des Satzes uneigne Tonart geriethe; und ferner ist bekannt, daß, wennder Führer in einem auf dieTonart der Quinte sich beziehendenTone schließet, der Gefährte sich in den Hauptton zurück ziehen muß. Da nun der Führer mit der Terz der Dominante schliesset; so muß der Gefährte allerdings mit der Terz des Haupttons nemlich mit e schliessen Wolte man doch aber mit der Terz der Dominante den Gefährten anheben: so würde derselbe folgendergestalt ausfallen: h

| a — a — h — c — f g— a | d — e — f — e

Der Anfang der Melodie würde aber dabey verliehren. Tab. XV. Flg. 3. Hier geht der Führer in den Hauptton, und kann demnach die Terz, womit derselbe anhebt, nicht mit der Terz der Dominante füglich angehoben werden, sondern mit der Secunde derselben. Der Gesang lenket sich im Führer stuffenweise nach der Quinte hin, und steiget die gantze Leiter

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IV. Abschnitt. 51 Leiter derselben stuffenweise herunter. Dieses kann nicht anders als auf der Leiter des Haupttons nachgemachet werden. Da das vorhergehende allezeit von der Folge bestimmet werden muß: so konnte der Anfang des Führers mit keinem andern Intervall als mit der Secunde über die Dominante geschehen. In der Mitte des zweyten Tactes aber wird der Gesang zwischen g — a un­ terbrochen, und im Gefährten mit der Terz c — e beantwortet, damit derselbe nach der Dominante bequem fortgeführet werden könne. Tab. X V. Fig. 9. In diesem Exempel ist die anfangende Terz mit der Secunde der Dominante beantwortet worden, wiewohl eigentlich, nach den Tab. XV. Fig. 10. befindlichen Grundnoten, der Gefährte durch Verdoppelung der ersten Note folgendergestalt eingerichtet werden folte: f — f g — f — ed | g g — g fis

— g.

Tab. XV. Fig. 11. Hier ist die Terz des Haupttons mit dem Unterhalbenton desselben beantwortet; Die Ursache ist, weil der Führer mit der Quinte schließt, und vermittelst dieses Intervalls der Hauptton gleich wieder erreicht wird. Tab. XV. Fig. 12. Hier wird die Terz des Haupttons mit der Secunde der Dominante beantwortet, wiewohl es ebenfals wie im vorigen Exempel mit cis hätte geschehen können. Tab. X V. Fig. 13. Der Gefährte fängt den Wiederschlag auf der Terz der Dominante an, und modulirt so lange darinnen, als der Führer in der Haupttonart bleibt. Da sich dieser hernach nach der Quinte hinwendet: so unterbricht der Gefährte zwischen der ersten und zweyten Note im andern Tacte die Progreßion, verwandelt die Quarte in eine Terz und geht dadurch in d moll zurück. G 2

Tab.

52

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten,

V. u. VI.Abschnitt.

Tab. XV. Fig. 14. Der Führer schließt in der Mitte des zweyten Tacts mit der Note e als der Secunde des Haupttons und zwar mit einer unvollkommnen Cadenz. Der Gefährte, der auf der Terz der Dominante anfängt, ahmet in der versezten Tonart die Melodie von Note zu Note nach, und schließt zum Anfange des siebenten Tacts mit der Note h und folglich mit der Secunde der Dominante; Machet aber vermittelst der Ver­ setzung den Gang aus dem vorlezten Tacte nach, um vermittelst dieser Modulation die dritte Stimme kurz darauf desto bequemer eintreten zu lassen.

V.

Abschnitt.

Fugensätze, die mit der Quarte des Haupttons anheben.

Diese

Quarte wird allezeit regelmäßig mit der Quarte der Dominante, und folglich mit der Hauptonsnote beantwortet, wie aus den Exempeln Tab. XVI. Fig. 1.2. und 3. wo der Gefährte von Note zu Note in die Tonart der Dominante überfezet ist, erhellet.

VI.

Abschnitt.

Fugensätze, die mit der Sexte des Haupttons anheben.

Diese

Sexte wird allezeit regelmäßig mit der Sexte der Dominante, und folglich mit der Terz des Haupttons beantwortet, es mag die Mo­ dulation im Haupttone bleiben, oder sich nach der Dominante hinwenden, wieaus den Exempeln Tab. XVI. Fig. 4. 5. 6. 7. 8. und 9. zu ersehen ist. Exempel vom Gegentheile, wo die Sexte mit der Secunde des Haupttons beantwortet werden kann, wird man im Register unter dem Titel:Sextefinden. VII. Ab-

53

VII.

Abschnitt.

Fugensätze, die mit der Secunde des Haupttons anheben.

Diese

Secunde wird, nach Beschaffenheit der Umstände, entweder mit der Dominante selber, oder der Secunde drüber beantwortet.

Tab. XVII. Fig. I. Hier, wo der Führer im Haupttone bleibt, wird der Gefährte auf der Secunde der Dominante angefangen, und von Note zu Note der Melodie und der Tonart gemäß übersezt. Tab. X VII. Fig. 2. Es hats mit diesem Exempel eben die Bewandtniß als mit dem vorigen. Wolte man hier den Gefährten zum Führer, und den Führer zum Gefährten machen: so würde der Satz mit der Sexte des Haupttons anheben, und diese Sexte mit der Secunde des Haupttons beantwortet werden, wiewohl es ebenfals mit der Terz, vorigen Lehren gemäß, angeht. Tab. XVII. Fig. 3. Der Anfang des Gefährten kann hier auf zweyerten Art, vermittelst der Dominante oder vermittelst der Secunde darüber gemachet werden. In beyden Fällen aber muß die Fortschreitung im zweyten Tact verändert werden, damit der Gesang, der sich im Führer nach der Dominante hinwendet, nach dem Hauptton zurück geführet werden könne. Der Anfang mit der Secunde ist übrigens dem andern mit der Dominante vorzuziehen, weil die Melodie weniger dabey verliehret, und da selbige bis zum zweyten Tact des Führers im Haupttone bleibet, dieselbe regelmäßig hiedurch in die Quinte übersezt wird. Tab. X VII. Fig. 4. Bey diesem Exempel, wo ebenfals der Gefährte in der Secunde über die Dominante anfänget, ist die Veränderung der Terz f—d in die Secunde b—a zu merken, wozu die vorhergehende Veränderung der Quarte in eine Quinte Gelegenheit giebt. G 3

Tab.

54 Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. VIII. Abschnitt. Tab. XVII. Fig. 5. Hier fänget der Gefährte in der Secunde der Dominante an, und bleibet so lange in dieser Tonart,als der Führer im Haupttone ist. Da derselbe hernach in die Dominante geht, so lenket sich der Gefährte vermittelst der veränderten Fortschreitung, da er aus der mit der Pause unterbrochnen Octave d—d die Septime a—g machet, nach dem Haupttone zurücke. Tab. XVII. Fig. 6. Hier kann der Gefährte auf zweyerley Art eintreten, auf der Dominante oder der Secunde derselben. Die erste aber ist deßwegen besser, weil die Melodie darinnen weniger verändert wird. Tab. XVII. Fig. 7. Hier hebt der Gefährte auf der Dominante an, und kann es auch nicht auf der Secunde derselben geschehen, wenn der Gesang nicht ohne Noth verändert werden soll. Tab. XVII. Fig. 3. In diesem Exempel, wo der Gefährte mit der Secunde anfänget, modulirt derselbe so lange in der Tonart der Dominante, als die Tonart des Haupttons im Führer statt findet. Da diese hernach in die Tonart der Dominante verändert wird: so geht der Gefährte nach vorher veränderter Fortschreitung, da er aus dem Sextensprung e—g die Septime h—c machet, in den Hauptton zurück.

VIII.

Abschnitt.

Fugensätze, die mit der Septime des Haupttons anheben.

Diese

Septime wird, nach Beschaffenheit der Umstände, die von der Modulation und der Fortschreitung abhängen, entweder mit der Sexte oder Septime der Dominante, das ist, mit der Terz oder Quarte des Haupttons beantwortet. Exempel werden die Sache deutlicher machen. Tab. XVIII. Fig. 1. Der Gefährte, der hier dem Führer auf der vermittelst eines Versetzungszeichens erhöhten Quarte des Haupttons nachfolget, ahmet

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. VIII. Abschnitt. 55 ahmet den Gesang von Note zu Note nach. Die Art, womit der Gesang von der Septime nach dem Haupttone aufwärts geht, läßt kein ander Intervall als die Septime der Dominante im Gefährten zu. Tab. XVIII. Fig. 2. Hier hebt der Nachsatz auf der Terz des Haupttons an. Die zweyte und dritte Note des Führers g—c, die im Gefährten auf umgekehrte Art mit c—g beantwortet werden, erfodern diese Terz e im Gefährten voraus. Tab. X VIII. Fig. 3. niß als mit dem vorigen.

Mit diesem Exempel hat es eben die Bewandt-

Tab. XVIII. Fig. 4. So lange der Führer im Haupttone bleibet, hält sich der Gefährte, der aus demUnterhalbenton der Dominante anfänget, in der Tonart der Dominante auf. So bald aber der Führer in die Dominante geht, kehrt der Gefährte, vermittelst der veränderten Progreßion, da er aus der Secunde b—a die Terz f—d machet, in den Hauptton zurück. Tab. XVIII. Fig. 5. In diesem Exempel bleibt der Führer ganz im Hauptton ; diesem zu Folge bleibt der Gefährte ohne alle unterbrochne Fort­ schreitung in der Tonart der Dominante. Tab. XVIII. Fig. 6. Wie die Exempel bey Fig. 2. und 3. auf dieser Tabelle, wo die Anfangsnote des Gefährten von dem folgenden Sprunge zum voraus bestimmet wird. Tab. Fig. 7. Hätte man hier wollen den Gefährten folgender Massen machen: — gis — gis a — b — cis | d So wäre die Melodie sehr unkennbar geworden. gis — ah — c — cis | d Hätte gar nichts getaugt. gis — ah — c — dis | e Hätte die Melodie in eine fremden Tonart geführet. Es

XVIII.

56 Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt. Es bleibt also nichts anders übrig, als daß man den Gefährten auf der Terz des Haupttons anfängt, und stuffenweise bis zum bherauf geht, um den Sprung der Septime hernach zu machen.

IX. Abschnitt.

Wir

Fugensätze nach

den alten Tonarten.

könnten dieses Absatzes überhoben seyn,woferne nicht in der Kirche, sowohl bey den Protestanten als Catholischen,annoch gewisseLieder und Gesänge vorhanden wären, die aus diesen alten Tonarten gesetzet sind, und die folglich darnach ausgeübet werden müssen ; ingleichen, wenn sich nicht in den Ausarbeitungen unsrer Vorfahren, die nach diesen Tonarten schrieben, fast auf allen Seiten Exempel fänden, wo die Einrichtung des Gefährten nicht nach itziger Art eingerichtet zu seyn, und folglich unsern Lehren zu wiedersprechen scheinet. Da diese alte Tonarten aber vielleicht nicht jeder= mann bekannt seyn mögten: so wollen wir selbige zuförderst erklären, bevor wir zeigen, wie der Gefährte darinnen eingerichtet werden müsse. Die Lage derjenigen beyden halbenTöne, die ausser den fünf ganzen Terz= nen in der Octave einer vorhanden seyn müssen, woferne ein Gesang bequem fortgeführet, und die Fortschreitung der Intervallen in selbigem nicht unnatürlich werden soll, war bey den Alten noch nicht in die beyden großen und kleinen Tonarten, deren man sich heutiges Tages bedienet, eingeschränket. Sie erkannten so viele Tonarten, als unterschiedne Lagen dieser beyden halbm Töne sie bey der natürlichen Fortschreitung der Intervallen in der Octave eines Tones entdeckten, der des vollkommnen harmonischen Dreyklan= ges natürlicher Weise, das ist, ohne Hülfe der Versetzungszeichenfähig war. Da die sechs erstenHauptintervallen in der Musik, c, d,e,f, g, und a dieses

Tonart

Das dritte Hauptstüct. Vom Gefährten. IX. Abschnitt. 57 dieses vollkommnen harmonischen Dreyklanges fähig sind, und in der natürlichen Fortschreitung der Intervallen die beyden halben Töne auf sechserleyArt binnen dem Umfange ihrer Octave zu stehen kommen: so erkannten sie daher sechs Tonarten, als I. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 1) Die in c,

c. d. e. f. g. a. h. c.

wo die beyden halben Töne zwischen der dritten und vierten, und der siebenten und achten Saite liegen. 2) Die in d,

1. 2. 3.3. 4. 5. 6. 7. 8. d. e. f g. a. h. c. d.

wo die beyden halben Töne zwischen der zweyten und dritten, und sechsten und siebenten Saite liegen. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 3) Die in e, e. f g. a. h. c. d. e. wo die beyden halben Töne zwischen der ersten und zweyten, und der fünften und sechsten Saite liegen. I. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 4) Die in f, f. g. a. h. c. d. e. f. wo die beyden halben Töne zwischen der vierten und fünften, und siebenten und achten Saite liegen. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 5) Die in g, g. a. h. c. d. e. f. g. wo die beyden halben Töne zwischen der dritten und vierten, und zwischen der sechsten und siebenten Saite liegen. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 6) Die in a, a. h. c. d. e. f. g. a. wo die beyden halben Töne zwischen der zweyten und dritten, und fünften und sechsten Saite liegen. Marpurgs Abh. von der Fuge.

H

58 Das dritte

Hauptstück.

Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

Wiewohl in der Octave h die zwey halben Töne noch an andern Stellen erscheinen: so wurde doch dieselbe, als ein wegen der unvollkommnen Quinte des vollkommnen harmonischen Dreyklanges unfähiger Ton übergangen. §. 2. Jede Octave von diesen Tonarten kann nun auf zweyerley Weise getheilet werden, harmonisch und arithmetisch. Vermittelst der harmonischen Theilung der Octave kommt die Dominante allezeit in der Mitte zu stehen, und machet daselbst gegen die unterste Note eine Quinte und gegen die oberste eine Quarte aus. Vermittelst der arithmetischen Theilung aber kommt die Dominante an den beyden äussersten Enden zu stehen, und die Haupttonsnote in der Mitte, und machet diese leztere daselbst gegen die unterste Note eine Quarte und gegen die oberste eine Quinte. Aus dieser doppelten Theilung der Octave entstehen denn zwey verschiedne Leitern von Octaven, undalso zwey der Gattung nach verschiedne Tonarten, wovon diejenige, die durch die harmomsche Theilung entsteht, oder deutlicher zu reden, diejenige, wo der Gesang Hauptmehr in der Höhe als der Tiefe schwebet, und nicht bis zu der unterder tonsnote befindlichen Quarte herab steiget, eine selbständige oder Haupttonart, modus authenticus, primarius, principalis, dux, dominus &c.

genennet wird.

Diejenige Tonart hingegen, die durch die arithmetische Theilung entsteht, oder deutlicher zu reden, diejenige, wo der Gesang mehr in der Tiefe als der Höhe schwebet, und die unter der Haupttonsnote befindliche Quarte erreichet, eine entlehnte, hergeleitete, abstammende oder Nebentonart, modus plagius oder plagalis ; secundarius, minus prin­ cipalis, comes oder feruus, remissus, inuersus &c. genennet wird. So ist z. B. Tab. XIX. bey Fig. 5. der Führer in der authentischen, der Gefährte hingegen in der plagalischen Tonart. So ist hingegen bey Fig. 9. dieser

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

59

dieser Tabelle der Führer aus der plagalischen,der Gefährte hingegen aus der authentischen Tonart. (*) §. 3. Daher entstehen nun sechs Haupt. und sechs Nebentonarten, und da man nach vielem Streiten darüber endlich eins geworden, in der Ordnung derselben von der authentischen Tonart in d anzufangen, beyderley Gattungen aber nach gewissen griechischen Landschaften, wo diese oder jene vorzüglich ausgeübet seyn soll, einen Beynahmen erhalten: So folgen diese Hauptund Nebentonarten mit diesen ihren Benennung in nachstehender Ordnung aufeinander: a) Die sechs Haupttonarten. 1) Die Dorische, modus Dorius, in der Octave D. e. f. g. A. h. c. D. 2) Die phrygische, modus Phrygius, in der Octave E. f. g. a. c. d. E. 3) Die Lydische, modus Lydius, in der Octave F. g. a. h. C. d. e. F. 4) Die Mixolydische, modus Mixolydius in der Octave G. a. h. c. D. e. f. G. 5) Die Aeolische, modus Aeolius, in der Octave A. h. c. d. E. f. g. A. 6) Die Jonische, modus Jonicus, in der Octave C. d. e. f. G. a. h. C. ß) Die H 2 (*) Omnis cantus, supra finalem fedem diapason absoluens, referendus ad authentum est. Cantus octauam sic habens dispositam, ut quartam infra finem, quintam supra finem habeat, adscribendus est plagasibustonis, Quae tamen, potius de cantu piano quam figurato intelligenda font. Kircher, Mufurg Tom. I. pag, 229.

6o Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt ß) Die sechs Nebentonarten. 1) Die Unterdorische, modus sub - oder hypodorius in der aus dorischen Haupttonart entlehnten Octave A. h. c. D. e. f. g. A. 2) Die Unterphrygische, modus Hypophrygius, in der aus der phrygischen Haupttonart entlehnten Octave: c. d. E. f. g. a. 3) Die Unterlydische,modus Hypolydius, in der aus der lydischen Haupttonart entlehnten Octave: C d. e. F. g. a. h. C. 4) Die Untermyrolydische, modus Hypomixolydius, in der aus der myxolydischen Haupttonart entlehnten Octave: D. e. f. G. a. h. c. D. 5) Die Unteraeolische, modus Hypoaeolius, in der aus der aeolischen Haupttonart entlehnten Octave: E. f. g. A. h. c. d. E. 6) Die Unterionische, modus Hypoionicus, in der aus der jonischen Haupttonart entlehnten Octave: G. a. h. C. d. e. f. G. Um die Ordnung und die Benennung diestr Tonarten desto leichter zu behalten, hat man folgenden Vers: Phryg. cum Lydio, Mix. Aeol. Ionicusque.

Dor.

Den vorher erklärten Tönen fügen einige noch folgende zwey unächte (spurios, nothos oder illegitimos, hinzu, den überaoelischen, hyperaeolium, und den überphrygischen, hyperphrygium. Der überaeolische besteht aus der Octave: h. c. d. e. f. g. a. h. Der überphrygische, als ein Nebenton des vorigen besteht aus der Octave: f. g. a. h. c. d. e. f. Weil

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt. 61 Weil aber das f in dem ersten Tone eine unvollkommne Quinte gegen die Hauptsaite macht, und folglich keine herrschende darinnen vorhanden ist; in dem andern Tone aber diese unvollkommne Quinte durch die Umkehrung zu einer übermäßigen Quarte wird: so sind diese beyde Tonarten beständig verworfen worden. Es haben zwar einige in den Gedancken gestanden, als könnte ihnen auf folgende Art geholfen werden: Man solte nemlich in der überaeolischen ein fis an statt das f nehmen; oder mit Beybehaltung des f, die Hauptsaite h in ein b verwandeln, folgendergestalt : h. c. d. e. fis. g. a. h, oder d. c. d. e. f. g. a. b. Man siehet aber leicht, daß dadurch keine neue Tonarten zum Vorschein kommen, sondern im ersten Fall, wo sich die halben Töne in der ersten und fünften Stuffe finden, eine versetzte phrygische und im andern Fall, wo sich die halben Töne in der vierten und siebenten Stuffe finden, eine verseyre lydisccheTonart entstehet. Die Nebentonarten von beyden müssen folglich ebenfals eine versetzte unterphrygische, und versetzteunterlydische seyn. §

4.

Es ist aber nicht nöthig, bey diesen alten Tonarten auf den Unterscheid derselben in die authentischen und plagalischen Acht zu haben. Der Gesang ist öfters dergestalt beschaffen, daß man nicht entscheiden kann, ob er zur Hauptoder zur Nebengattung gehört, indem er in alle beyde gleich viel ausschweiffet. Daher kömmt der Nahme einer vermischten Tonart, modus mixtus. Es beziehen sich ferner alle beyde Gattungen als modi correlatiui oder verwandte Tonarten, auf einen und eben denselben Hauptton, und haben sie eben diejenigen halben Töne, eben diejenigen Wiederschläge,Ausweichungen und

Schlußclauseln.

H 3

4. 5. Je-

62 Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt. §. 5. Jede Tonart, sowohl die authentische als plagalische, kann vermittelst der Versetzungszeichen in eilf andernTönen nachgeahmet werden. Daher kömmt der Unterscheid zwischen den eigentlichen oder natürlichen, und den uneigentlichen, versezten oder erdichteten Tonarten, inter modos naturales oder proprios, und inter modos improprios, transpositos oder fictos. So wie es nun zwölf eigentliche Tonarten giebt, sechs autentische und sechs plagalische: so giebt es folglich hundert zwey und dreyßig versezte Tonarten, sechs und sechzig authentische und eben so viel plagalische. Werden zu diesen hundert zwey und dreyßig versezten Tonarten die eigentlichen mit. gezählet : so hat man überhaupt hundert und vier und vierzig alte Ton­ arten gegen die vier und zwanzig Tonarten itziger Zeit. Es ist bey dieser Gelegenheit zu merken, daß, wenn eine versezte Tonart wiederum in ihre natürliche Tonart zurücke versezt wird, solches eine reductio modi heißet. Solche Zurückversetzung aber geschicht deßwegen, daß man sehe, ob der Ton nach den Gesetzen seiner Tonart ausgeübet sey. §. 6. Da einige Tonarten, z. B. die mixolydische und unterionische, die aeolische und unterdorische einerley zu seyn scheinen, indem sie die beyden halben Töne auf eben denselben Stuffen haben: so hat man, um die Tonart genau zu bestimmen, und eine von der andern zu unterscheiden, auf die Modulation, den Anfang, die Schlußclauseln und besonders auf die Hauptschlußnote zu hen, nach dem Sprichworte: In fine videtur cuius toni.

se-

§. 7. Wenn ein Gesang die Schranken der Octave überschreitet: so wird die Tonart eine übermäßige Tonart modus excedens, genennet. Erreicht er

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

63

er aber die Octave nicht, wenn er nemlich nicht über die Sexte und nicht unter die Terz geht: so heißt die Tonart eine unvollständige oder unvollkommne Tonarr modus neutralis, imperfectus, incompletus. Hat der Gesang einen ungewöhnlichen Schluß, und endigt nicht auf der rechten Endungsklangsaite: so heist die Tonart eine abweichende oder anomalische Tonart, modus peregrinus, irregularis, anomalicus. §.8. Die vier ersten authentischen unter den itzt erklärten Tonarten, nemlich die dorische, phrygische, lydische und mixolydische, erwehlte der mayländische Bischof Ambrosius ums Jahr Christi 370. um darnach den sogenannten Choralgesang zu verfertigen. Daher kömmt es, daß selbiger annoch öfters der ambrosianische Gesang, cantus Ambrosianus, überhaupt ge­ nennet wird, wiewohl man heutiges Tages das Deum laudamus insge­ mein darunter besonders versteht. Es ließ aber Pabst Gregorius der Große, der ein großer Liebhaber und Kenner der Musik war, denselben ungefähr gegen das Jahr Christi 600. nicht allein verbessern, sondern noch mit den vier ersten plagalischen Tonarten, der unterdorischen, der unterphrygischen, der unterlydischen und untermixolydischen vermehren. Dieserwegen wird der Choralgesang in der römischen Kirche noch öfters der gregorianische Gesang, cantus Gregorianus, sonst aber cantus firmus, ecclesiasticus, Roma­ nus, planus, choralis, monodicus, &c. genennet.

Te

§. 9. Tonarten Diese vier ersten authentischen und plagalischen solten nun folglich die Richtschnur der sogenannten acht Kirchentöne seyn. Es sind aber durch den Mißbrauch der Zeit Veränderungen mit einigen Tonarten vorgegangen, wie aus folgender Vorstellung zu sehen seyn wird: Der

64 Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt. Der erste Ton geht aus dem D und ist völlig dorischer Tonart. Der andre Ton ist ebenfals dorischer Tonart, wirdaber insgemein ins G mit der kleinen Terz versezt. Der dritte Ton soll aus dem E und folglich phrygischerTonart seyn. Es wird aber dafür die aeolische Tonart ausgeübet, und folglich das A mit der kleinen Terz gebraucht. Der vierte Ton ist die eigentliche phrygische Tonarr in

E.

Der fünfte Ton solte die Lydische Tonart in F seyn. Es wird dieselbe aber insgemein in den Ton C übersezt, und darinnen wie die jonische völlig gehandhabet. Der sechste Ton ist die eigentliche Indische Tonarr in F, wiewohl sich das b schon vor langer Zeit darinn eingeschlichen hat, und folglich dieser Ton wie unser heutiges F dur behandelt wird. Der siebente Ton soll in der mixolydischen Tonart G seyn. Es wird dieselbe aber in den Ton D mit der großen Terz versezt, und damit wie mit unserm heutigen D dur verfahren. Der achte Ton ist die eigentliche mixolydische Tonart in G, wiewohl er hin und wieder gänzlich wie die jonische Tonart C und folglich wie unser heutiges G dur behandelt wird. Nach diesen acht Kirchentönen sind dieOrgelstücke des Eberlin,Muffat, Dandrieu, Boivin, le Begue, und vieler andern, deren Nahmen mir nicht gleich beyfallen, eingerichtet. Wir wollen itzo einige Fugensätze nach diesen alten Tonarten, und zwar nach der Ordnung, nach einer jeden besonders untersuchen. In dem Artikel von der Ausweichung und den Schlußsätzen wird dasjenige, was in Ansehung dieser Tonarten hievon zu wissen nöthig ist, vorgetragen werden. Fugen-

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt (i) Fugensätze in der Tonart D.

65

Dorische

on? un* und un-

terdoriEs ist dieseTonart in Ansehung der Sextesowohl von der aeolischen als sche Tonunserm heutigen D moll unterschieden, indem dieselbe in diesen beyden lezten are. Tönen klein, in der dorischen aber groß ist. Wiewohl nun bey vielen Kirchencomponisten heutiger Zeit dieser Unterscheid ausgehoben zu seyn scheinet, indem sie aus dem ordentlichen D moll setzen, das b in die Vorzeichnung bringen, und doch primi toni dabey schreiben: so muß dennoch derjenige, der regelmäßig verfahren, und wider die Gesetze der alten Tonarten nicht sündigen will, zum wenigsten in dem Hauptsatze zu einer Fuge und desselben Antwort diesen Unterscheid ausdrücklich beobachten. Ein anders ist, wenn in der Mitte des Stückes ein b, um desto bequemer zu moduliren ; ein gis wegen der Modulation in a, ein cis als der Unterhalbeton der Haupttonsnote u. brauchet wird.

art.

u.s.w. ge-

Tab. XIX. Fig. I. Alle Intervallen sind im Führer hieselbst in der na­ türlichen Tonleiter enthalten, und werden sie im Gefährten, nach geschehener gehörigen Veränderung der Haupttonsnote d in die Dominante a, mit völlig ähnlicher Melodie nachgemachet. Tab. XIX. Fig. 2. Der Gefährte tritt allhier noch ehe der Führer schließt, als welches erst zum Anfang des dritten Tacts auf der Haupttons= note a geschicht, ein, und beantwortet nach geschehenem gehörigen Anfange alles von Note zu Note. Tab. XIX. Fig. 3. Weil der Gefährte mit dem Haupttone d anheben muß, und kein e dazu gebraucht werden kann: so kommts daher, daß die Terz a—f in die Secunde d—c verwandelt wird. Noch ist hier die Veränderung der anfangenden Note in Ansehung der Geltung zu merken. Tab. XIX. Fig. 4. Ist von Note zu Note in die Tonart der Quinte übersezt. Marpurgs Abh.von der Fuge. I Tab.

66

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

Tab. XIX. Fig. 5. 6. 7. 8. und 9. sind lauter Kirchengesänge. Bey Fig. 9. ist zu merken, daß der Führer daselbst in c schliesset, welches c hier eine Haupttonsnote und nicht die Terz von der Dominante a machet. Es wird dieselbe deswegen mit der Quarte des Haupttons, und nicht mit der Terz desselben beantwortet. Hätte es sollen mit der Terz f geschehen: So hätte im Gefährten das e—f mit a—b, um kein unharmonisches Verhältniß zu machen, beantwortet werden müssen. Da aber das Intervall b nicht in die Fugensätze der dorischen Tonart gehört; so fällt diese Einrichtung weg. Hätte man den Gefährten folgendergestalt setzen wollen: —d—a—a I h—c—a—g— I f

f im

So wäre wiederum zwischen dem h und zweyten Tact ein mi gegen fa geworden, nicht zu gedenken, wie viel der Gesang dabey verlohren hätte. Es bleibt also keine andere Art den Gefährten einzurichten übrig, als die, so wie er bey Fig. 9. ausgedrückt steht, Phrygi-

sche und unter

(2) Fugensätzein der Tonart

Espfleget diese Tonart

E.

von vielen mit der plagalischen aeolischen verphrygi- mischet zu werden, nicht zu gedenken, wie selbige von vielen wie das heutige sche Ton- moll ausgeübet wird. Beydes ist falsch, doch besonders die lezte Vermischung am meisten, indem das fis und dis hier gar nicht zu Hause ist, und in dem Lauffe der Modulation in der Mitte einesStückes nur selten erscheinen soll. Zwischen der plagalischen aeolischen und der phrygischen ist hernach noch dieser Unterscheid, daß, wenn sie auchauf eineauf anfangen, der Anfang des Wiederschlages in der phrygischen Tonarttallezeit mit e und h ordentlicher Weise geschehen muß, da dieses in der aeolischen mit e und a geschieht.

art.

E

Tab. XIX. Fig. 10.

Der Gefährte, der in der Quinte h anhebt, folgt

dem Führervon Note zu Note nach und schließt mit derselben, sowie der Führer mit dem Haupttone endigt. Tab.

Das dritte

Hauptstück.

Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

67

Tab. XIX. Fig. II. 12. und 13. Es ist hiebey in Ansehung des Gefährten nichts zu erinnern, indem keine Veränderung mit der Fortschreitung dabey vorgegangen. Man wird aus diesen Fugensätzen aber die Art und Eigenschaft der phrygischen Tonart kennen lernen. Das leztere Exempel steht in Arsi und Thesi. Tab. XIX. Fig. 14. Da sonst in den andern Tonarten die Haupttonsnote und die Quinte bey einem Sprunge ordentlicher weise einander antworten müssen: So ist die phrygische Tonart dieser Regel nicht unterworfen, wie man aus diesem Exempel siehet, wo der Sprung h—e mit e—a anstatt e—h beantwortet wird, genung, daß der Anfang des Wiederschlages mit h unde geschicht. Tab. XX. Fig. 1. 2. und 3. Sind Kirchenlieder. Bey dem bey Fig. 2. ist zu erinnern, wie dasselbe von einigen, und darunter besonders vom Herrn Legationsrath von Mattheson zur aeolischen Tonart gerechnet wird. Der erste Gefährte ist hieselbst nach der phrygischen, der zweyte nach der aeolischen Tonart eingerichtet. Tab. XX. Fig. 4. und 5. Sind freye von Note zu Note im Gefährten nachgeahmte Exempel. (3) Fugensätzein der Tonart F.

Lydische

un-

und Tab. XX. Fig. 6. Sollte der Gefährte hieselbst nach unserm heutigenterlydische TonF Dur eingerichtet werden: so müßte er folgendergestalt gesetzet werden: art. c | a—b—g—c | f. Man wird hieraus den Unterscheid zwischen iezt benannter Tonart und der lydischen beurtheilen können: Tab. XX. Fig. 7. Nach unserm f Dur müste der Gefährte folgendergestalt dem Führer antworten: c—af| dc—bab—cb—af| I 2

(4) Fugen-

68

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

Mirolydifche u. £ (4) Fugensätze in der Tonart G. dische untermi Tab. XX. Fig. 8. Nach unserm heutigem G Dur müßte der Gefährte rolydist-lgendergestalt eingerichtet werden: Tonsche art. gg—fis g—h g fis—e a Ig fis.

So wie hierinnen die Melodie sich nach der Dominante hinwmdet: so geht sie in der mixolydischen Tonart nach der Quarte c zu. Tab. XX. Fig. 9. Hier müßte der Gefährte nach G Dur fol­ gendergestalt gesezt werden:

unserm

gh a—gfis e d—ge—a g— | fis. Tab. XX. Fig. 10. Das Thema schließt auf der Dominante D. Da nun diesem zu Folge der Gefährte auf der Haupttonsnote g schließen muß: so geschichts daher, daß der Quartensprung d—g verändert wird. Aeoli-

scheu.un-

(5) Fugensätzein der Tonart A.

Tab. XX. Fig. 11. Nach unserm heutigen A moll müste der Gefährte ter aeolische Ton- folgendergestalt eingerichtet werden: art. —a—a I ag—fisg—afis | g |

fis sche

Hierauf würde ein kleiner Zusatz mit einer solchen Gegenharmonie gemacht, wodurch der Hauptton wieder zum Vorschein käme, und wobey die dritte Stimme bequem eingeführet werden könnte. Tab. XX. Fig. 12. 13. 3. und 14. Hier würden die Gefährten nach dem A moll folgendergestalt ausfallen: Fig. 12. — e fis — g—fis j e. Fig. 13. aaaa — a Z — st» a tc, Fig. 14. — e — fis — gis I a. Tab. XX. Fig. 15. Die anfangende Note wird in Ansehung ihrer Geltung beym Gefährten um die Hälfte verkleinert, und das Thema, das auf dem e im dritten Tact der anhebenden Stimme schliesset, nicht ganz in der

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

69

der Folgestimme der Melodie gemäß vollführet, sondern deswegen beym Schlusse etwas verändert, daß die dritte Stimme unvermerkt eintreten könne, welches so wenig ein Fehler ist, daß es vielmehr in allen ähnlichen Fällen statt findet.

Ionische und UnTab. XXI. Fig. i. Der Gefährte bleibet hier so wohl als der terionirer in der Modulation des Tones C und ist es auch nicht möglich, ihn anders sche Tonzu setzen, wenn man den Schlußpunct auf die Anfangsnote g im weytenart Tacte setzen will. Verlängert man aber den Satz und setzet den Schluß auf die Note e, als die mediante, zum Anfange des dritten Tacts: so würde der Gefährte nach der alren ionischen Tonart ausfallen, wie folget: —g—c—a h | c c 1 h (6) Fugensätzein der Tonart C.

Füh-

nach unserer heutigen Art aber besser auf folgende Weise: —g—c—h c I d c| h Bey dieser leztern Einrichtung ist der halbe Ton e—f mit h—c und folglich regelmäßiger als dort mit dem ganzen Ton h beantwortet wor­ den. Dadurch geschieht es zwar, daß der Dominante g die Note d als die Secunde des H.aupttons entgegen gesetzet wird. Es ist aber schon oben gesagt worden, wie dieses in der Mitte eines Fugensatzes allezeit der Ähnlichkeit der Melodie wegen geschehen kann. Tab. XXI. Fig. 2. Hier hebt der Fugensatz mit dem eigentlichen Gefährten an, und der Führer giebt darauf den Gefährten ab. In solcher Art von Sätzen ist es allezeit einerley, mit welchem von beyden man die Fuge anhebet.

J

s

Auf-

70

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt. Aufgaben nach den alten Tonarten.

Tab. XXI. Fig. z. Der Augenschein giebt es, daß das hier befindliche Exempel völlig nach dem g dur eingerichtet ist, und deswegen nicht aus der mixolydischen Tonart g seyn kann, weil die Intervallen des Gefährten mit Hülfe der Versetzungszeichen den Intervallen des Gefährten ähnlich gemacht sind. Es soll gleichwohl dieses Exempel eine alte vorstellen, und da es keine eigentliche oder natürliche Tonart ist: so muß es folglich eine uneigentliche oder versezte Tonart seyn. Es muß die Tonart also reduciret oder zurücke versetzet werden. Hier fragt es sich nun, aus was für einer versetzten Tonart? (cuiusnam modi ficti ?) Da das erste Kreuz in der Vorzeichnung der Töne bekannter auf das f fällt, und dieses in g dur geschicht; keine andere harte Tonart aber in der Ordnung d Kreutze als die in c vor der in g vorhergehet, als in welcher das in dieser leztern vorhandene fis durch das h vorgestellet wird: so siehet man, daß, wenn das besagte Exempel in C und also eine Quinte zurück versetzet wird, so wie Tab. XXI. Fig. 4. geschehen, alle Intervallen alsdenn natürlich werden, und das Exempel folglich aus der versezten ionischen Tonart, Jonici ficti, ist. Sollte dasselbe aus der eigentlichen mixolydischen Tonart g seyn, Mixolydii regularis: so müßte der Gefährte, wie bey Fig. 5. dieser Tabelle eingerichtet werden.

Tonart

massen

Tab. XXI. Fig. 6. Man sieht es schon aus der Vorzeichnung, worinn ein b befindlich ist, daß dieses Exempel nicht aus der lydischen Tonart f seyn kann, sondern aus unserm ordentlichen f dur ist. Soll es also eine alte Tonart seyn: so muß es reduciret werden. Da nun das erste b in der Vorzeichnung der Töne bekanntermassen auf das h fällt, und dieses in f dur ist; keine andere harte Tonart aber in der Ordnung der Been, als die in c vor der in f vorhergehet, als in welcher das hierinn befindliche b durch ein f vorgestellet wird: so siehet man, daß, wenn besagtes Exempel in C und also eine Quarte zurück

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

71

zurück versezt wird, so wie Fig. 7. auf dieser Tafel geschehen ist, alle Intervallen alsdenn natürlich werden, und das Exempel folglich aus der versezten ionischen Tonart, lonici transpositi, und pro modoLydio unregelmäßig ist. Sollte seyn: so müßte das b aus der Vordasselbe aus der eigentlichen lydischen Tonart zeichnung bey Fig.6. weggenommen, und der Gefährte zum Führer, der Führer aber zum Gefährten gemachet werden. Wenn der Führer alsdenn fol­ gendergestalt gienge: —f e c | d e f. So könnte der Gefährte, anstatt —c h g | a h c auch folgendergestalt gesetzet werden: —c a f I a— h—c. Wird das Exempel auf die bey Fig. 8. dieser Tabelle befindliche Art gesetzet: so entstehet daraus eine versezte mixolydische Tonart, wie man aus der Reduction desselben bey Fig. 9. dieser Tabelle sehen kann. Tab. XXI. Fig. 10. Es fragt sich aus was für einer alten Tonart dieses Exempel gesezt ist. Aus der dorischen ist es nicht, wie man aus dem im Gefährten befindlichen b gleich sieht. Da die Tonleiter d aber hier gleichwohl vorhanden ist, und das b darinnen die sechste Saite und folglich mit der Quinte a einen halben Ton machet; so muß man bey der Reduction eine solche Tonleiter erwehlen, wo sich zwischen der fünften und sechsten Saite des Haupttons ein solcher halber Ton findet. Dieser halbe Ton findet sich in der aeolischen Tonart a zwischen e und f. Folglich ist dieses Exempel eine versetzte ficti wie bey Fig. 11. zu ersehen. Sollte es in «eolische Tonart, Aeolii der eigentlichen dorischen Tonart seyn: so müßte der Gefährte, wie bey Fig.12. dieser Tabelle eingerichtet werden. Tab. XXI. Fig i 13. Dieses Exempel ist ebenfals für die dorische Tonart wegen des im Gefährten vorkommenden b unregelmäßig. Man reduciret

72

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. IX. Abschnitt.

ret dasselbe, wie das vorhergehende bey Fig. 10, und da findet man, daß es zur aeolischen Tonart gehört, so wie es bey Fig. 14. ausgesezt ist. seyn: so müßte der Gefährte, wie bey Fig. Sollte es in der dorischen Tonart 15. dieser Tabelle eingerichtet werden.

unserm

Tab. XXI. Fig. 16. Dieses Exempel ist nach heutigen g dur völlig recht, aber nach der mixolydischen Tonart in g ist es falsch, und müßte der Gefährte darinnen wie bey Fig. 18. dieser Tabelle zu stehen kommen. Bey der Reduktion, da dasselbe eine Quinte zurück versezt wird, wie bey Fig. 17. findet es sich, daß dieses Exempel aus der ionischen Tonart und folglich aus dieser in g bey Fig. 16. versezt, das ist: Ionici ficti ist. Tab. XXI. Fig. 19. Nach unserm heutigen A moll ist so wohl der Gefährte als Führer hieselbst richtig; nicht aber nach der aeolischen. Wollte man den Gefährten, wie bey Fig. 20 einrichten; so ist derselbe deswegen falsch, weil die Schlußnote a mit der Quinte c beantwortet werden muß. Der Gefährte bey Fig. 21. taugt auch nicht, a) weil daselbst ohne Noth ein mi gegen fa gemacht wird, ß) weil der Führer bey Fig. 19. mit einer vollkommenen Schlußclausel endiget. Man muß also sehen, in was für Tonart dieser Satz eigentlich zu Hause gehöret, und das ist die dorische Tonart, wie man aus der Vorstellung bey Fig. 22. dieser Tabelle sehen wird. Bey Fig.19. findet also eine versetzte dorische Tonart stat, und muß nach dieser in der weitern Ausübung dieses Satzes verfahren werden. „Man siehet aber hieraus, „wie der Herr Prior Spieß gar wohl sagt, wie sich nicht ein jedes Thema, „nach den Gesetzender Alten, auf jede alte musikalische Tonart schickt. „Man muß dasselbe der Octave, für die man setzet, gemäß und be„quem machen."

eine

Tab. XXI. Fig. 23. In diesem Exempel, wo laut der Vorzeichnung alle Intervallen natürlich sind, ausser f und c, die durch ein Kreutz erhöhet sind, und wo folglich die Tonleiter folgendergestalt fortgeht: h. cis.

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X. Abschnitt. h. cis. d. e. fis. 1. 2. 3. 4. 5.

73

g. a. h. 6. 7. 8.

siehet man, daß die beyden halben Töne zwischen dem zweyten und dritten, und fünften und sechsten Grade liegen. Da diese halben Töne in keiner andern natürlichen Scala als in der aeolischen auf diese Art liegen, wie man aus der Reduktion dieses Exempels bey Fig. 24. sehen kann: so stellet dasselbe bey Fig. 23. folglich nichts anders, als eine versetzte aeolische Tonart vor. Stehet dasselbe aber, wie bey Fig. 25. wo die mit drey Kreutzen versehene Tonleiter: h. cis. d. e. fis. gis. a. h. folgende natürliche Tonleiter ausmachet: d. e. f. g. a. h. c. d. So gehört es alsdenn zur dorischen Tonart, wie man bey Fig. 26. finden wird. So viel von Fugensätzen nach den alten Tonarten. X. Abschnitt. Chromatische Fugensätze.

Es

§. I. giebt dreyerley Arten der Fortschreitung der Intervallen zur Führung eines Gesanges, die diatonische, chromatische und enharmonische.

Diatonisch heißt diejenige Fortschreitung, die dem ordentlichen Aufund Absteigen der fünf ganzen und zwey halben Töne in einer Octave gemäß geschieht, es mag diese Octave nun aus den sieben soge­ nannten natürlichen Tönen bestehen, oder es mögen diese siebenTöne Marpurgs Abh.von der Fuge. K

ver-

74

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X. Abschnitt. vermittelst der Versetzungszeichen, d. i. der Kreutze oder Been, auf eine ähnliche Art in einer andern Tonleiter hervorgebracht seyn Wenn diese diatonische Fortschreitung durch halbe aus einem fremden Ton entlehnte und in die Tonleiter des Haupttons nicht gehörige Töne unterbrochen wird: so heißt solches eine chromatische Fortschreitung. Sowohl der diatonischen als chromatischen Fortschreitung ist die enharmonische, d. i. eine solche Fortschreitung entgegen gesetzt, in welcher ein und ebendasselbe Intervall unter zweyerley Zeichen vorgestellet und dadurch der Sitz seiner Harmonie geändert und in einen andern Ton hin verlegt wird. Hievon wird im Artikel von der Tonwechselung mehrers gesagt werden. §. 2.

Wenn nun ein solcher Fugensatz, wo der Gesang aus einer diatonischen Fortschreitung der Intervallen zusammen gesetzt ist, ein diatonischer Fugensatz heißt: so nennen wir denjenigen Fugensatz einen chromatischen, worinnen diese diatonische Fortschreitung durch halbe Töne unterbrochen ist. Alle bisherige Exempel von Fugensätzen sind diatonisch gewesen. Wir wollen anizt emige chromatische hinzufügen. §. 3. Die chromatische Fortschreitung findet nicht allein in der weichen Tonart statt, wie ein gewisser berühmter Lehrer der Musik behaupten will, (wiewohl es wahr ist, daß sie am meisten darinnen gebraucht wird;) sondern auch in der harten Tonart. Da in diatonischen Fugensätzen nur allezeit entweder

ae Das dritte

Hauptstück.

Vom Gefährten. X. Abschnitt.

75

der in der Tonart des Haupttons oder der Dominante moduliret wird: so kommen in chromatischen Fugensätzen verschiedene Tonarten nach einander zum Vorschein, und deswegen pfleget man insgemein einen chromatischen Satz zu erwehlen, wenn man von seiner Wissenschaft in der Harmonie eine Probe ablegen will. §. 4. Um den Gefährten zu einem chromatischm Satze zu finden, muß man diesen zuförderst durch Wegwerfung der Versetzungszeichen in einen diatonischen verwandeln. Hernach suchet man nach vorgegebner Anleitung den Gefährten in einer ähnlichen diatonischen Fortschreitung dazu, und wenn dieses geschehen: so sezt man im Führer die Versetzungszeichen wieder zu, und ahmet diese Versetzungszeichen in der Leiter des Gefährten auf eine ähnliche Art nach. Zum Exempel geben wir folgenden chromatischen Satz in A moll. a | e—cis—b —dis | e Hier finden sich zwey halbe Töne, die der Tonleiter A moll uneigen sind, das cis gegen c, und das dis gegen b. Wirft man diese beyde halben Töne weg: so bleibt folgender Grundgesang in diatonischer Fortschreitung übrig: a I c—d— | e Dieser würde nun entweder nach unsrer heutigen Art mit e I fis—gis I a oder nach der alten aeolischen Art natürlicher mit

e |f—g—

I a beantwortet. Nun setze man die beyden Sätze folgendergestalt gegen einander über: a | e— d | e K 2 |f—g l a Da

e

76

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X. Abschnitt.

Da nun der erste chromatische halbe Ton auf die Stuffe e und der andere auf die Stuffe d im Führer fällt: so ahmet man diese beyden halben Töne im Gefährten auf denjenigen Stuffen, die hierinn das c und d vorstellen, auf eine ähnliche Art nach. Diese Stuffen sind das f und g im Gefährten, und da kommen alsdenn die beyden Sätze folgendergestalt gegeneinander zustehen: Führer a | c—cis—d—dis | e Gefährte e | f—fis—g—gis | a Auf diese Weise hat man es mit allen chromatischen Sätzen anzufangen, in was für einem Tone es sey, und ob die Intervallen darinnen auf- oder abwärts gehen. Sonst merke man noch bey Gelegenheit dieses Exempels, daß, wenn die zweyte Note c im Führer, die gegen die Anfangsnote a eine Terz machet, eine Octave heruntergesetzt würde, und folglich als eine Sexte gegen das a unterwärts zu stehen käme: alsdenn bey ähnlicher Heruntersetzung der zweyten Note f im Gefährten es sich finden würde, daß eine Sexa c

te als

in eine Septime, nemlich in

e verwandelt seyn würde, so wie Tab.

f

XXIII. Fig. 7. in einem Exempel vom Herrn Capellmeister Händel die SePtime

e f

zur Sexte

a

c

gemacht ist.

Tab. XXII. Fig. 1. In diesem Exempel ist erstlich die in die Quarte d — g veränderte Terz a — c zu merken, wozu die zweyte Note d im Gefährten, als womit die Dominante a zuvor regelmäßig beantwortet wird, Anlaß giebt. Denn hätte man anstatt dieses d ein e nehmen wollen: so wären alle Fortschreitungen des Gefährten den Fortschreitungen des Führers völlig ähnlich geworden. Es hätte die Strenge der Regeln aber dabey gelitten. Nun scheinet es zwar, als wenn anstatt der dritten Note g im Gefährten auch hätte können ein f genommen,und derselbe folgendergestalt eingerichtet werden:

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X. Abschnitt.

77

a I d — f— e d— es | d So würde nemlich der Dominante a, womit der Führer schliesset, die Haupttonsnote d den Regeln gemäß geantwortet haben, anstatt daß diese Dominante a mit der Secunde e allhier beantwortet wird. Allein so wäre der Gesang des Gefährten nach der Quarte, nemlich ins g moll hingerathen. Der Führer schliesset zwar mit der Dominante a allein mit einem unvollkommnen aus der phrygischen Tonart entlehnten Schluß, der hieselbst auf den Hauptton d nicht aber auf dieTonleiter von a moll sein Absehen hat. Da nun der Gefährte in die Tonart a versetzt werden sollte: so konnte dieser Schluß auf keiner andern Note als der Note e nachgemachet werden, als welche ihr Absehen auf a moll hat, wenn dieses in der Gegenharmonie gleich nicht offenbar da stehet. Die Eigenschaft der Tonart a moll aber stecket darinnen, und ist sogleich zu entdecken, wenn man sich auf der Schlußpunctsnote e im Gefährten, zum Anfange des vierten Tacts, nur die Harmonie e — gis — h — als welche daselbst natürlicher Weise statt finden muß, einbildet. Man hat diese Ausnahme von der Regel: daß die Hauptnote und Dominante allezeit auf der lezten Note einander antworten müssen, in allen ähnlichen Fällen zu beobachten. Will man diesen Fugensatz in das diatonische Geschlecht versetzen: so sieht derselbe folgendergestalt aus: Führer d | a — c Gefährte a | d — g

b | a f |c

und gehört derselbe eigentlich in die aeolische Tonart a zu Hause, wie man aus folgender Vorstellung sehen kann: Führer a | e —g Gefährte e | a — d

f|e c|h

Wie nun durch den Zusatz der chromatischen Töne dott der Satz folgendergestalt zu stehen kömmt: K 3 Führer

78

Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten.

X. Abschnitt

Führer d | a— c — ha— b | a Gefährte a | d — g —fis e— f | e so sieht er in der aeolischen Tonart auf nachstehende Art aus: Führer al e — g — fis e — f | e Gefährte e | a— d — cis h — c | h Tab. XXII. Fig. 2. Hier ist das Chroma zwischen dem fis und f im Führer, und mit cis und c im Gefährten der dorischen Tonart gemäß beantwortet worden, wie man, wenn man die chromatischen Töne wegthut, und das Thema ins diatonische Geschlecht versetzet, folgendermassen sehen kann: Führer a —d—af—g a | f—e —fe —fg I e Gefährte d— a— dc—d e | c—h— ch—cd | h Wie der Satz nun im Führer mit der Secunde des Haupttons zum Anfange des dritten Tacts schliesset: so schließt der Gefährte mit der Secunde der Dominante zum Anfange des vierten Tacts. Tab. XXII. Fig. 3. Da der Satz hier mit der Haupttonsnote anhebet, und nach seinen chromatischen Ausweichungen wieder in den Hauptton zurück kehret und darinnen schliesset :so brauchte der Gefährte, so wie hier geschehen, nur von Note zu Note in die Dominante versetzet zu werden. Tab. XXII. Fig. 4. Es ist mit diesem Exempel beschaffen, wie mit dem vorigen; nur daß die Secundenfortschreitung womit der Führer anhebet, beym Gefährten, der mit der Haupttonsnote und nicht mit fis anheben durfte, in eine Terzenfortschreitung zuvor verwandelt werden mußte. Im diatonischen Geschlecht hat der Satz folgende Grundnoten: Füh. h—c e—d Gefäh. c—gh—a

|c | g fis

h

| dis c—h a—g | aisg—fis e—d Tab.

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X. Abschnitt.

79

Tab. XXII. Fig. 5. Auch dieses Exempel ist von Note zu Note in die Tonart der Quinte versetzet worden, nur daß die Note g im zweyten Tacte, mit der Note c an statt d beantwortet worden. Die Grundnoten des chromatischen Satzes sind im diatonischen Geschlecht folgende: Führer e—eslg—aslh — gif—les—Id— c zc. Gefährte g—b c—es fis—d| c I b a—g zc. Tab. XXII. Fig. 6. Die Grundtöne zu diesem Exempel im diatonischen Geschlecht sind folgende: Führer g fis b I a Gefährte—d cis f I e

|

I g d

Das Chroma brauchte also nur, so wie geschehen, von Note zu Note nach Anweisung des Führers, im Gefährten zugefüget zu werden. Tab. XXIII. Fig. 1. Mit der Melodie sind hieselbst im Nachsatze verschiedene nöthige Veränderungen vorgenommen worden, damit der Umfang der Tonart nicht möchte überschritten werden. Die Secunde c—d im zwey­ ten Tacte ist mit dem Einklange g—g verwechselt worden. Wäre nemlich die Fortschreitung hieselbst nicht verkürzet worden: so wäre die Modulation des Gefährten ins D dur, und folglich in einen der Tonart c fremden Ton hinein gerathen, wie man aus folgender Vorstellung sehen kan: c | g—a—h | c—cis | d—e—d cis | d Hierdurch wäre zwar die völlige Aehnlichkeit der Melodie erhalten, aber ein wichtiger Fehler wider die Modulation, welcher nur in der Mitte einer Fuge zufälliger Weise geduldet werden kann, begangen worden. Diese mit der Melodie vorgenommene Veränderung ziehet noch kurz vor dem Schluße eine andere nach sich, allwo nemlich aus der Secunde g—-f derEinklang c—c gemachet wird, um den Gesang nach der Dominante desto bequemer und richtiger hinzulenken. Tab.

8o Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X.Abschnitt. Tab. XXIII. Fig. 2. Dieses Exempel gründet sich im diatonischen Geschlecht in der aeolischen Tonart auf folgende Hauptnoten: Führer e — d — e l h Gefährte a — g — f | e Da dieStuffen d—c im Führer mit halben Tönen vermehret werden: so geschicht dieses im Gefährten auf eine ähnliche Art auf denjenigen Stuffen, die darinnen d—c vorstellen. Diese Stuffen sind nun g— f. Tab. XXIII. Fig. 3. Ist wieder, wie das Exempel bey Fig. 1. auf dieser Tabelle, ein chromatischer Fugensatz in einer harten Tonart. Da dasselbe nach einigen Ausweichungen in den Hauptton zurücke kehret: so brauchte es nur, nach geschehnem gehörigen Anfange, von Note zu Note in die Tonart der Dominante versetzet zu werden. Tab. XXIII. Fig. 4. Hier ist zum Schluße des Gefährten der Sprung vom e ins a zu merken, da nach der Regel bey Sprüngen die Dominante und Haupttonsnote eigentlich einander antworten müssen. Hätte diese Regel hier sollen in Obacht genommen werden: so hätte der Gefährte auffolgeyde Art erscheinen müssen: a — h — c cis — dd | a Dadurch wäre die Melodie am Ende ohne Ursache verstellet worden ; und da die Modulation auch mit dem e richtig bleibt, so braucht es dieser Veränderung nicht. Wäre der Gefährte auf folgende Art eingerichtet worden : a — a — bh — e — d | a So wäre ebenfals die Melodie ohne Ursache verändert worden, und der Gefährte hätte sich eher aufs g als a moll bezogen. Es bleibt also dieser Sprung hieselbst tadelfrey. Tab. XXIII. Fig. 5. Was in Ansehung der Veränderung der Melodie in den beyden ersten Tacten gesagt werden kann, das muß uns schon aus den-

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X. Abschnitt. 81 denjenigen Abschnitten, wo nichts als diatonische Fortschreitungen im Führer vorhanden waren, bekannt seyn. Da sich der Gesang kurz vor dem Schluße vermittelst zwey chromatischer Intervallen nach der Dominante hinlenket: so wird an eben diesem Orte im Gefährten dieserwegen die Fortschreitung verkürzt, damit selbiger sich vermittelst zwey ähnlicher chromatischer Interval­ len nach dem Hauptton zurück begeben könne. Tab. XXIII. Fig. 6. Ist ein Exempel einer engen Nachahmung. Das Chroma cis — c — h — b wird im Gefährten nicht völlig nachgemachet, sondern abgebrochen, damit die darauf folgende Dominante a von der Hauptnote d desto bequemer möge beantwortet werden. Es entstehet zwar dadurch ein unharmonisches Verhältniß zwischen dem h aus dem fünften Tacte des Führers und dem f aus dem sechsten Tatte des Gefährten. Da die Tonarten aber auf diese Weise desto bequemer wieder vereinbaret werden: so ist hierauf nicht zu sehen. Tab. XXIII. Fig. 7, Der Sprung von der Dominante in die Unterseptime wird im Gefährten durch den Sprung der Haupttonsnote in die Untersexte nachgemachet. Hätte der Gefährte den Sprung der Septime wollen nachmachen: so hätte dieses mit a—b geschehen müssen, und dadurch wäre der Gesang ins d moll hinein gerathen, da er gleichwohl im e moll seyn muste. Man lese zurück was am Ende des §. 4. in diesem Abschnitte hievon gesagt worden. Tab. XXIV. Fig. 1. Das hieselbst im Führer befindliche Chroma zwischen fis und f im zweyten Tacte verschwindet im Gefährten durch die Ver­ änderung der Fortschreitung, da nemlich aus der Septime g—f die Octave c—c gemacht wird, damit die Melodie des Gefährten nach der Dominante fortgehen könne. Tab. XXIV. Fig. 2. Ist wieder, wie voriges Exempel, aus einer harten Tonart, und nichts besonders dabey zu merken, indem es von Note zu MarpurgsAbh. von der Fuge. L Note

82

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X. Abschnitt.

Note in die Tonart der Dominante versezt ist, und auf der Terz derselben schließt, so wie der Führer auf der Terz der Hauptnote schließt. Tab. XXIV. Fig. 3. Die Terz g — b womit der Führer anhebt, wird der Folge wegen aus schon oben erklärten Ursachen in die Secunde d—es beym Gefährten verwandelt, und beym Schlusse die Terz e—g in die Quarte a —d, damit die Modulation der Dominante erhalten werden könne, verändert. Da nemlich der Gesang des Führers, ehe er seine chromatischen Ausweichungen macht, zum Schlusse des ersten und Anfange des zweyten Tacts in der Modulation der Dominante ist: so mußte der Gefährte diesen Gesang zuförderst in der Haupttonart nachmachen. Dieses konnte nicht ohne Veränderung der Fortschreitung zwischen den beyden ersten Noten geschehen. Das übrige darauf durfte nur nach Proportion bis auf die leztgedachte Veränderung am Schlusse transponiret werden. Tab. XXIV. Fig. 4. In den Grundnoten des diatonischen Geschlechts sieht dieser Satz folgendergestalt aus: Führer g— a |b — c — | d Gefährte d — d I es—f | g und ist eine versezte aeolische Tonart, Aeolius fictus. Da der Gefährte in der kleinern Hälfte der Octave ist: so mußte sein Gesang, durch Veränderung der Secunde g—a in den Einklang d — d, abgekürzet werden, um die gehörige Anzahl der Intervallen heraus zu bringen. Das Chroma war hernach leichte hinzu zu fügen. Tab. XXIV. Fig. 5. Es hat es, wiewohl umgekehrt, mit diesem Exempel eben die Bewandniß als mit dem vorigen. Der Führer fängt in der klei­ nern Hälfte der Octave an; der Gefährte folgt in der grössern nach. Der Gesang dieses leztern mußte also durch Veränderung der Secunde a —b in die Terz d — f erweitert werden, wenn die Dominante a hernach erreicht werden sollte.

Tab.

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X. Abschnitt. 83 Tab. XXIV. Fig. 6. So wie im ersten Exempel bey dieser Figur der Führer chromatisch ist, der Gefährte hingegen den Gesang diatonisch nachmachet: so hebt in dem andern Exempel der Führer mit einer diatonischen Fortschreitung an, die der Gefährte hingegen in eine chromatische verwandelt, un­ geachtet er auch, wie in dem leztern hieselbst befindlichen Exempel eingerichtet werden konnte. Tab. XXIV. Fig. 7. In dem ersten Gefährten zu diesem Exempel, ist derselbe in Ansehung der Tonart, in dem andern in Ansehung der Melodie besser nachgeahmet worden. Beydes läßt sich hören. Doch ist die lezte Art besser. Tab. XXV. Fig. 1. Im diatonischen Geschlecht würde dieser Fugensatz folgendergestalt aussehen: Füh. Gefah.

h—fis—fis I eh—g—g—g I fis cis—a—a—fis| h:c. fis— | h—h | h fis—d—d—d I cis gis—e—e—cis | fis .

Wenn man sich anstatt der zweyten Note im Gefährten h ein eis einbildet: so wird man finden, daß alles von Note zu Note in einer ähnlichen Fortschreitung und Melodie vom Anfange bis zum Ende nachgemachet worden. Das cis konnte aus bekannten Ursachen nicht statt finden, weil die Haupttonsnote und Dominante bey Sprüngen einander ordentlicher Weise antworten müssen. Tab. XXV. Fig. 2. Damit das Chroma zwischen b und h erreichet werden konnte: so mußte zuvor die Secunde a — b in die Terz d — f, im Gefährten verändert werden. Das übrige wird hernach nach Proportion transponiret. Tab. XXV. Fig. 3. Ist wie voriges Exempel in Ansehung der Veränderung im Anfange, wobey nur noch zu merken, daß die beyden Noten L 2 d —f

84

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. X.Abschnitt.

d — f vermittelst der zukommenden durchgehenden Note e zum Anfang des Gefährten, um die Melodie fliessender zu machen, unter sich verbunden werden. Das übrige ist von Note zu Note der Tonart des Gefäbrten gemäß übersetzet worden. Der Schluß fällt eigentlich auf die Haupttonsnote d zum Anfange des achten Tacts. Es wird aber ein Zusatz gemacht, bis zur Septime Quarte c, den der Gefährte hernach ebenfals nachmachet, und deswegen bis g zur Beantwortung dieser Septime hinaus lauft.

zur

Tab. XXV. Fig. 4. Hätte man hier nicht die Secunde g—fis im ersten Tacte in die Terz d — h verändern, sondern mit Beybehaltung dieser Fortschreitung alsdenn den Gefährten auf folgende Art setzen wollen: —h—a fis —d cis—fis cis —hfis—dcis—fiseis I h ais—g fis—cis his—afis| eis fis — d h — cis— | h So hätte doch am Ende die Melodie durch Veränderung der Secunde d—cis im zweyten Tactein die Terz a — fis, wie man selbiges allhier durch Buchstaben ausgedrücket hat, müssen unterbrochen werden. Beyde Arten der Gefähtten sind den Ausweichungen des Führers gemäß. Tab. XXV. Fig. 5. Hier ist alles sowohl in Ansehung der Tonart als der Melodie völlig im Gefährten nachgemachet, nur daß, der Bewegung we­ gen, die anhebende Note um die Hälfte verkleinert worden. Tab.XXV. Fig. 6. und 7. In der Wahl der beyden Gefährten zu diesem Satze hält es der Herr Capellmeister Fux mit dem lezten bey Fig. 7. weil die Melodie darinnen nicht so sehr, als in dem ersten bey Fig. 6. verändert, und das doppelte Chroma, das in dem Führer vorhanden ist, ebenfals im Gefährten völlig ausgedrucktworden, da es bey Fig. 6. nur einfach geschehen. In allen solchen Sätzen, sie mögen diatonisch oder chromatisch seyn, wo der Hauptsatz mit der Art eines unvolltommnen Schlußsatzes auf der Domi-

Das dritteHauptstück. Vom Gefährten. XI. Abschnitt.

85

Dominante endiget, kann diese, wider die oben gegebene Regel, mit der Secunde des Haupttons, anstatt des Haupttons selber, beantwortet werden, so wie wir schon Tab. XXII. Fig. 1. und anderswo davon Exempel gehabt haben. Tab. XXV. Fig. 8. Ist aus der phrygischen Tonart,allwo die Hauptnoten im diatonischen Geschlecht, so wie in dem Choral bey Fig. 2. Tab. xx. folgendergestalt aussehen: Führer —e—d Gefährte — h — g

I c —- h |f — e

Nach unserm emoll hätte der Gefährte, weil ein unvollkommnerSchluß an Ende des Führers ist, auf folgende Art gesezt werden können: h I ais — a — gis — g I fis.

XI. Abschnitt. Vermischte

Fugensätze.

Tab.

XXVI. Fig. 1. Hier wird die Dominante a im zweyten Tatte des Führers mit der Secunde e im dritten Tacte des Gefährten beantwortet,wozu die völlige Versetzung des Fugensatzes in die Tonart derDominante Gelegenheit giebt. In dem Exempel bey Fig. 2. hingegen wird eben diese Dominante a mit der Hauptnote d beantwortet, weil die Modulation im Gefährten anders eingerichtet ist. Beyde Exempel sind in der engen und dabey canonischen Nachahmung. Noch ist bey dem leztern Exempel die in einen Einklang vermittelst der Verdoppelung veränderte Secunde der beyden anhebenden Noten zu merken. L3

Tab.

86 Das dritte Hauptstück.

Vom Gefährten. XI. Abschnitt.

Tab. XXVI. Fig. 3. Hier sind die Fugensätze völlig nach der ionischen Tonart eingerichtet. Nach dem heutigen c dur hätte man ebenfals den Gefährten folgendergestalt setzen können: c

e fis | g a—fie g—a—a |h-g

Will man die Secunde d mit der Secunde a der Dominante am Schlusse hieselbst beantworten, anstatt es mit der Dominante g zu thun: so gründet sich dieses auf die Freiheiten, die man bey einer unvollkommnen Cadenz hat. Am besten wäre es bey diesem Satze, so wie er bey Fig. 3. steht, wenn man den Gefährten zum Führer und den Führer zum Gefährten machte. Der Satz ist alsdenn den Regeln des Führers gemässer, weil die Tonart gewisser angezeigt wird, indem man in Wahrheit, wenn man denselben mit der Dominante g anhebet, nicht ehe wissen kann, als wenn die andre Stimme eintritt, in was für einem Haupttone die Fuge eigentlich seyn soll. Noch ist bey diesem Fugensatze zu bemerken, daß er wider die Regel auf einem falschen Tacttheile einem weiblichen Reime zugefallen schliesset. Tab. XXVI. Fig. 4. auf falschen Tacttheilen.

Hier sind wieder weibliche Endungen der Sätze

Tab. XXVI. Fig. 5. Weil die Dominante g im zweyten Tacte auf die Haupttonsnote c herunter springet: so könnte der Gefährte auch wie bey Fig. 6. mit verkürzter Fortschreitung angehoben werden. Da der Führer aber stuffenweise vorher nach der Dominante hinauf steiget: so konnte eben dieses, weil es in der Mitte des Satzes ist, und um die Melodie ähnlicher zu machen, zumahl da die Tonart, nicht dabey leydet, von Note zu Note, so wie bey Fig. 5. geschehen ist, ebenfals nachgemachet, und dadurch die Dominante mit der Secunde des Haupttons beantwortet werden. Es scheint auch, als wenn die beydm Schlußnoten h — g mit e—c regelmäßiger könnten beantwor­ tet

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. XI. Abschnitt.

87

tet werden. Da aber bey der Antwort fis — d die Harmonie von d — fis—a—c verstanden wird, und die Modulation nicht so beschaffen ist, daß man ins D dur gerathen kann: so werden solche Freiheiten, dem Geschmacke und dem Gesange zu gefallen, in ähnlichen Fällen erlaubet. Tab. XXVI. Fig. 7.

Sowohl der erste als der andere Gefährte schlief-

fet recht, der erste deswegen, weil die Hauptnote der Dominante nach der Regel antwortet; der andere deswegen, weil bey solchen unvollkommnen Schlüssen, wie hier die Secunde von der Hauptnote der Dominante ant­ worten kann, um die Melodie weniger zu verändern. Es ist keine Regel ohne Ausnahme. Tab. XXVI. Fig. 8. und 9. Hier ist der Gefährte bey Fig. 8. völlig recht. Der Gesang des Führers bleibt unverrückt im Haupttone. Er brauchte also nur von Note zu Note in die Tonart der Dominante versetzet zu werden. Da zwischen der anfangenden Note d und der Note a im zweyten Tacte kein Sprung vorhanden ist: so durfte man sich kein Gewissen machen, die stuffenweise Fortschreitung des Führers im Gefährten mit vollkommnen ähnlichen Intervallen in der versezten Tonart nachzuahmen. Der Gefährte bey Fig. 9. ist deswegen nicht so gut, weil die Melodie darinnen gänzlich verändert worden. In einem Satze, wo versezte identische Gänge vorkommen, wie hier mit dem a— g f— e und g — f e — d ist die Melodie genauer als in allen übrigen Sätzen in Obacht zu nehmen, wenn selbige in den beyden Theilen des Fugensatzes, dem Führer und Gefährten, sich ähnlich seyn soll. (*) Weit anders verhält es sich mit dem Satze bey (*) DieRegel, daß die Haupttonsnote und Dominante auch in der Mitte einander antworten müssen, ist wohl nur deswegen gegeben, daß man die Tonart nicht überschreiten und in keine fremde Töneausschweiffensoll. So bald dieses nicht zu besorgen ist, so gehen sogleich die Ausnahmen von der Regel an.

88

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. XI. Abschnitt.

bey Fig. 10.dieser Tabelle, wo das d ins a hinauf springet, da allerdings im Gefährten die Regel genau in Obacht genommen werden mußte. Wenn man in diesem lezten Exempel den Gefährten zum Führer und den Führer zum Gefährten macht, welches ohne Nachtheil geschehen kann: so findet es sich da, daß der Terzensprung d — h in den Quartensprung a — e verwan­ delt wird. Tab. XXVI. Fig. II. Hier wird die Dominante g zuerst nach der Regel mit der Haupttonsnote c, hernach aber mit der Secunde d der Melodie wegen beantwortet. Hätte man diese lahm machen wollen: so wäre der Gefährte folgendergestalt gerathen: g—c —h c — c | g Man merke also, daß die Secunde des Haupttons allezeit der Dominante antworten kann, wenn es auch in Sprüngen ist, doch nur in der Mitte des Satzes, a) wenn dadurch keine fremde Modulation entsteht. ß) wenn eine lahme Melodie dadurch verhütet wird, y) wenn die Dominante, wie hier, im Führer, zweymahl nach einander vorkömmt. Tab. XXVI. Fig. 12. In der kleinern Hälfte der Octave muß der Gesang nach dem zweyten Grundsatze allezeit verkürzet werden, wennes die Umstände nicht erlauben, daß der Gesang in seinem ganzen Umfange beybehalten werden kann. Hier finden sich diese Umstände. Die Secunde g — f wird also in den Einklang c — c verändert. Tab. XXVI. Fig. 13. Die Terz d —f muß allhier entweder in die Quarte g — c verändert werden, wie es allhier geschehen ist, oder man muß die Quinte g—d in die Sexte c—a folgendergestalt verwandeln: — c —a —c | h—a — g Tab. XXVI. Fig. 14.15. und 16. Wer hier das g —h nicht mit c—e beantworten wollte, der müßte c — fis nehmen, und dadurch aus der

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. XI. Abschnitt.

89

der Sexte eine Quinte machen, welches aber nicht so natürlich ist, und unter die neuern Freiheiten gehört. Tab. XXVI. Fig. 17. 18.und 19. Hier finden sich Sätze, wovon ein jeder den Führer oder Gefährten abgeben kann, und wo man folglich die Veränderung der Terzen in Quarten, und umgekehrt, der Quarten in Terzen bemerken kann. Tab. XXVII. Fig. I. Der Gefährte ist hieselbst nach Art der strengen mixolydischen Tonart in g aus der Quarte entlehnet, und sollte eigentlich nach heutiger Art so wie bey Fig. 2. dieser Tabelle eingerichtet werden. Tab. XXVII. Fig. 3. Der Gefährte ist hieselbst ebenfals aus der Quarte, und zwar nach Art der freyen mixolydischen Tonart in g, entlehnet, indem er nach unserm a dur, so wie er zulezt stehet, eingerichtet werden müßte. Tab. XXVII. Fig. 4. Da der Gefährte in der engen Nachahmung eintritt: so kann er nicht anders als auf diese aus der aeolischen Tonart in a entlehnte Art ausfallen. Nach unserm e moll hingegen und zwar, wenn der Gefährte den Führer den ganzen Satz endigen läßt, muß er wie bey Fig. 5. eintreten. Tab. XXVII. Fig. 6. Die enge Nachahmung, womit der Gefährte eintritt, ist Schuld, daß er erstlich nicht mit den gehörigen Intervallen, wie er zulezt ausgedrückt steht, und zweytens nicht ganz zum Vorschein kömmt, sondern abgebrochen wird. Tab. XXVII. Fig.7. Da der Führer mit der Quarte schließt: so schließt der Gefährte mit dem Haupttone. Tab. XXVII. Fig. 8. Die Septime e — d wird hieselbst zur Octave a — aund also der Gesang, der kleinem Hälfte der Octave gemäß, erweitert. Marpurgs Abh. von der Fuge. M Tab.

9o

Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. XI. Abschnitt.

Tab. XXVII. Fig. 9. Ist nichts anders als eine Umkehrung des vorigen Exempels, wo der Führer zum Gefährten und der Gefährte zum Führer, und folglich die Octave a — a zur Septime e — d wird. Tab. XXVII.Fig 10. Ungeachtet der Führer auf der Dominante e im dritten Tacte schließt, so braucht doch der Gefährte nicht auf der Haupttonsnote a zu schliessen, sondern kann an deren statt die Secunde derselben h nehmen, weil der Führer nicht mit einem vollkommnen Schlusse endiget, und nicht ins e dur geht, sondern im a dur bleibt. Tab. XXVlll. Fig. 1. Beyde Gefährten sind recht. Der zweyte ist nach der Regel, weil die Dominante und die Haupttonsnote am Ende einander antworten. Der erste ist zwar wider diese Regel, aber doch deswegen recht, weil bey unvollkommnen Tonschlüssen an statt der Haupttonsnote die Secunde zur Beantwortung der Dominante genommen wer­ den kann, damit die Melodie weniger verändert werde. Tab. XXVlll. Fig. 2. Der Sprung a—d würde hier sehr schlecht nach der Regel mit d — a nachgemachet worden seyn. Demd — a hätte entweder d — es oder das hier befindliche d—f vorhergehen müssen, und wie würde die Melodie dabey gelitten haben? Tab. XXVIII. Fig. 3. und 4. Beyde Gefähtten sind recht; der erste, weil er unserm heutigen g dur gemäß ist; der andere, weil er sich auf die mixolydsche Tonart in g gründet. Der Herr Capellmeister fur will in dem ersten Gefährten, der nach dem g dur eingerichtet ist, anstatt der dritten Note fis, weil dieselbe mit der ersten Note g eine Septime machet, lieber ein e genommen wissen, und setzet den Gefährten folgendergestalt: —g — de — d fis

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Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. XI. Abschnitt.

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Auf was für einem Grunde aber der Satz: daß die erste und dritte Note keine Septime gegen einander machen müssen,beruhe, zeigt er nicht an. Herr Händel hat sogar eine Fuge mit einem Septimensprunge zwischen der ersten und zweyten Note angehoben, wie man Tab. XXIII. Fig. 7. gesehen hat. Tab. XXVIII. Fig. 5. Da der Führer mit einem unvollkommnm Tonschluß auf der Secunde schliesset: so thut ihm dieses der Gefährte auf der Secunde der Dominante nach. Der Zusatz ist aus dem Fugensatze selber genommen und vermittelst der Versetzung nachgemachet worden. Es geschicht selbiges deswegen, damit die Melodie auf einen zum Eintritt der dritten Stimme bequemen Ton gelenket werde. Der Gefährte zu diesem Satze bey Fig. 6. gründet sich auf die aeolische Tonart und ist auch gut. Tab. XXVIII. Fig. 7. Der Fugensatz schließt ebenfals auf der Secunde des Haupttons. Der Gefährte scheint sich diesem zu Folge nach der Secunde des Haupttons zu lenken. Da aber die dritte Stimme unvermuthet eintritt, so wird der Schlußklang durch eine chromatische Fortschreitung, um den Gegensatz aus der ersten Stimme nachzuahmen, unterbrochen. Tab. XXVIII. Fig. 8. Der Führer fängt auf der Terz des Haupttons an, und schließt mit der Sexte. Der Gefährte muß also auf der Terz der Dominante anfangen, und mit der Sexte der Dominante schliessen. Dieses ist im ersten Gefährten geschehen. Bey dem andern Gefährten, wovon die erste Hälfte aus der Quarte des Haupttons entlehnet ist, wird anstatt der Terz, mit der Secunde der Dominanate nemlich b angehoben. Beydes läßt sich hören; doch ist die erste Art besser, so wohl in Ansehung der Melodie als in Ansehung der Tonart, worinn ein Gefährte in einer Quintenfuge eigentlich erscheinen muß. An statt des d im zweyten Tact, der ersten Art könnte man, ohne sich ein Gewissen daraus zu machen, auch ein e nehmen. M 2

Tab.

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Das dritte Hauptstück. Vom Gefährten. XI. Abschnitt.

Tab. XXVIII. Fig. 9. So wie der Führer auf der Sexte des Haupttons schliesset: so schließt der Gefährte auf der Sexte der Dominante, oder der Terz des Haupttons. Will man den Führer zum Gefährten, und den Gefährten zum Führer machen: so endigt dieser alsdenn mit der Terz des Haupttons, welche Terz mit der Secunde der Dominante im Gefährten darauf beantwortet wird. Tab. XXVIII. Fig. 10. Der Führer schließt mit der Terz der Domi­ nante und der Gefährte mit der Terz des Haupttons. Man kann auch hier den Führer zum Gefährten, und den Gefährten zum Führer machen. Tab. XXVIII. Fig. II. Da der Führer mit dem Unterhalbenton des Haupttons schliesset: so endigt der Gefährte mit dem Unterhalbenton der Quinte, und beantwortet also Septime mit Septime. Es fragte sich, wie derselbe hätte eingerichtet werden müssen, wenn er mit c, und folglich mit der Terz von der Tonleiter a geschlossen hätte? Vielleicht folgendergestalt: a — h — cis | d — d — | e — e — | f so wäre Terz mit Terz beantwottet worden. Da man aber die Schlußnote e als eine Hauptnote selber ansehen kann: so wäre er vielleicht folgendergestalt mit der Quarte besser beantwortet worden: a — h — cis | d— e | f—fis l g Der Unterhalbeton der Haupttonsnote kann sonst in der Mitte mit der Terz derselben folgendergestalt beantwortet werden: Führer a — cis — a | d Gefährte d — f — d | a Umgekehrt wird diese Terz des Haupttons mit dem Unterhalbenton desselben beantwortet: Führer d — f — d|a Gefährte a — cis— a | d Tab.

Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage.

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Tab. XXVIII. Fig. 12. Da der Tort c,womit der Führer schließt, nicht nur als eine Terz von der Dominantea, sondern auch als eine Hauptnote von der Tonart c zugleich angesehen werden kann: so kann dieselbe sowohl von der Quarte g als der Terz f beantwortet werden, wie hieselbst geschehen ist.

Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage und dem Verfolg eines Fugensatzes.

Es

§. 1.

ist zwar einerley, ob man einen Fugensatz im Diskant, Alt, Tenor oder Baß anhebt,so wie es bey vielen Fugensätzen, insbesondere bey denen, die sich auf die alte Tonarten gründen, gleichviel ist, ob mit dem Führer oder Gefährtin angefangen wird. Da es aber wenig Veränderung bringen würde, wennder Fugensatz in derjenigen Stimme oder demjenigen Intervall worinn er eben gehört worden, sogleich sollte wieder hervorgebracht werden: so hat man in Ansehung der Ordnung, in der dieser Fugensatz in den verschiede-

nen Stimmen erscheinen soll, einige Regeln zu merken, es bestehe die Fuge aus so vielen Stimmen und Sätzen als sie wolle, und es folge der Gefährte dem Führer in ähnlicher oder unähnlicher Bewegung, im ähnlichen oder widrigen Tacttheile, mit vergrößerten oder verkleinerten Noten. Zum wenigsten ist man in der ersten Durchführung des Satzes durch die verschiedenen Stimmen in einer ordentlichen Fuge diesen Regeln unterworfen, und kann man nicht eher als in der Mitte, im Lauffe der Fuge davon abgehen. Uebrigens ist in Ansehung der Eintritte zu merken, daß in derjenigengeraden Tactart, die M 3 mehr

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Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage.

mehr als einen guten oder bösen Tacttheil hat, diese beyde guten sowohl als die beyden bösen für eins gehalten werden, und daß man also dieserwegen, wenn die Umstände den Eintritt des Satzes veranlassen, keinem Zwange unterworfenist, indem, wenn der Fugensatz z. B. auf dem ersten Viertheil im gemeinen Tact angehoben, derselbe ebenfals auf dem dritten Viertheile wiederhohlet werden kann, und, wenn derselbe auf dem vierten Viertheile angefangen, die Antwort auf dem zweyten angefangen werden kann. Die Anwendung ist leicht auf die guten und bösen Tactglieder zu machen. §. 2. In zweistimmigen Fugen, sie mögen aus gleichen Stimmen, das ist, aus zwey Diskanten K. oder aus ungleichen Stimmen, das ist,aus einem Diskant und Basse ic. bestehen, müssen die beyden Stimmen den Fugensatz allezeit wechselsweise nehmen. Doch kann diese Ordnung nach der ersten und zweyten Durchführung bey Gelegenheit eines Zwischensatzes unterbrochen werden, als wo der Fugensatz alsdenn zwar in eben derjenigen Stimme, die ihn kurz zuvor gehabt, aber doch in einem andern Intervall, das ist, in einer andern Octave wieder hervor treten kann. Die Ungleichheit der Stimmen in zweystimmigen Fugen findet besonders in Orgelund Clavierfugenstatt. Der Herr Capellmeister Bach hat viele dergleichen unter dem Titel Inuentiones gemacht. In Fugen für zwey Flöten, zwey Geigen K. find die Stimmen gleich. §. 3. In dreistimmigen Fugen ist es zwar einerley,wenn die andere Stimme den Satz der ersten in der versetzten Tonart wiederhohlet hat, ob die dritte mit der Octave der ersten oder anhebenden Stimme nachfolget. Indessen scheint es der Veränderung wegen besser zu seyn, mit der Octave desjenigen Inter-

Das vierte Hauptstück. VomWiederschlage.

95

Intervalls, auf dem die erste Stimme angehoben, in der dritten nachzufolgen, wenn sonst nicht andere Umstände das Gegentheil erfodern. Man sehe Tab. X. Fig. I. und Tab. XVIII. Fig.I. Diese dritteStimme kann nun entweder sogleich eintreten, oder es kann ein kurzer Zwischensatz gemacht werden, oder man läßt sie noch vorher, ehe die zweyteStimme das Thema zu Ende gebracht, eintreten. §. 4. In einer vierstimmigen Fuge beziehen sich allezeit zwey und zwey Stimmen, nemlich eine mittlere und eine äusserste auf einander, als der Diskant und Tenor, der Alt und Baß. Solche zwey sich aufeinander beziehenden Stimmen wiederhohlen den Fugenjatz allezeit in einem ähnlichen Intervall, oder deutlicher zu reden, zwey solche Stimmen nehmen den Führer und zwey den Gefährten. Wenn also ein Satz durch die vier Stimmen durchgeführt wird: so kömmt in der anhebenden und dritten Stimme der Führer, in der andern und vierten der Gefährte zu stehen, z. B. der Führer fängt im Diskante an: so bekommt der Alt den Gefährten; der Tenor nimmt wieder den Führer, und der Baß den Gefährten. Man sehe Tab. XI. Fig. 5. §. 5. Wie es mit einem Satze gehalten wird: so wird es auch mit mehrern gehalten; und folglich hat die Doppelfuge ihre Regeln des Wiederschlages mit der einfachen Fuge gemein. Die verschiedenen Sätze mögen anheben, in was für einer Stimme sie wollen : so ist diese Stimme entweder ein Diskant, Alt, Tenor oder Baß. Wer nun weiß, daß sich der Tenor allemahl nach dem Diskante, und der Baß nach dem Alte vorher erklärtermassen richtet, dem wird die Versetzung und Fortführung der Sätze in den verschiedenen Stimmen

96

Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage.

men keine Schwürigkeit machen, es bestehe die Doppelfuge aus soviel Stimmen als sie wolle.

§. 6 In vielstimmigen Fugen, wo eine oder mehrere Stimmen verdoppelt und z. .B zwey Diskant - oder zwey Altstimmen u. s. w. sind: beziehen sich ebenfals, wie in der vierstimmigen Fuge allezeit die ungeraden Stimmen auf die ungeraden, und die geraden auf die geraden, d.i. die erste, dritte und fünfte Stimme richten sich nach einander, und denn wieder die zweyte, vierte, sechste U.S.W. §. 7. Wiewohl nun ordentlicher Weise die Eintritte der Stimmen mit der Abwechselung des Führers und Gefährten, und folglich mit ungleichen intervallen, nach vorhergehender Anweisung, geschehen: so können selbige doch auch ebenfals ausserordentlicher Weise vermittelst der Nachahmung in der Octave dergestalt gemachet werden, daß der Führer oder Gefährte, jedoch in verschiedenen Stimmen zweymahl hinter einander erscheine, z. B. sehe man Tab. XXIX. Fig. 1. 2. 3. 4. Nehmen wir diese ausserordentlichen Eintritte mit den ordentlichen zusammen: so kommen, da jede Stimme sechsmahl den Anfang machen kann, und vier Stimmen vorhanden sind, vier und zwanzigArten der Versetzung heraus, wie man aus folgender Vorstellung sehen kann:

Ver-

Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage.

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Versetzungstafel eines Satzes in einer vierstimmigen Fuge. a) Wenn der Satz mit dem Diskante anhebet. 1) Diskant, Alt, Tenor, Baß. 2) Diskant, Alt, Baß, Tenor, 3) Diskant, Baß, Alt, Tenor. 4) Diskant, Baß, Tenor, Alt. 5) Diskant, Tenor, Alt, Baß. 6) Diskant, Tenor, Baß, Alt. ß) Wenn der Satz mit dem Alte anhebt. 1) Alt, Tenor, Baß, Diskant. 2) Alt, Tenor, Diskant, Baß. 3) Alt, Diskant, Baß, Tenor. 4) Alt, Diskant, Tenor, Baß. 5) Alt, Baß, Tenor, Diskant. 6) Alt, Baß, Diskant, Tenor. y) Wenn der Satz mit dem Tenore anhebt. 1) Tenor, Alt, Diskant, Baß. 2) Tenor, Alt, Baß, Diskant, 3) Tenor, Baß, Diskant, Alt. 4) Tenor, Baß, Alt, Diskant. 5) Tenor, Diskant, Baß, Alt. 6) Tenor, Diskant, Alt, Baß. Marpurgs Abh. von der Fuge.

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Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage

d)Wenn der Satz mit dem Basse anhebt. 1) Baß, 2) Baß, 3) Baß, 4) Baß, 5) Baß, 6) Baß,

Tenor, Alt, Diskant. Tenor, Diskant, Alt. Diskant, Alt, Tenor. Diskant, Tenor, Alt. Alt, Tenor, Diskant. Alt, Diskant, Tenor.

Die Wahl unter diesen Versetzungen hängt von denUmständen und dem guten Geschmack des Componisten ab. Nur bey der ersten Durchführung richtet man sich ordentlicher Weise nach der oben angegebenen und überall eingeführten und festgestellten Ordnung. Ueberhaupt aber ist dahin zu sehen, daß der Fugensatz nicht in den äussersten Stimmen allein, sondern auch sowohl bey schwacher als vollständiger Harmonie in denMittelstlmmen erscheine. §. 8. Bey allen diesen möglichen Versetzungenaber würde noch wenig Verschiedenheit entspringen, wenn dieselben nur zwischen dem Haupttone und der Dominante allein ausgeübet werden sollten. Es ist gegentheils dahin zu sehen, daß der Fugensatz auch in den vorerwehnten Tonarten erscheine, und dadurch in sein völliges Licht gestellet werde, nicht, daß der Wiederschlag etwann auf eine metrische Art gavottenmäßig abgepasset,und nach jeder Durchführung allezeit ein förmlicher Schluß gemachet werde. Es ist diese Versetzung des Fugensatzes in andere Töne mit Vorsicht anzugreiffen, und da hiezu eine Känntniß der Tonwechselung und der Tonschlüsse zum voraus erfodert wird: so wollen wir diese beyden Stücke, ohngeachtet wir sie bereits voraussetzen, infolgenden beyden Abschnitten nach unsrer Art abhandeln, und den Gebrauch derselben bey dem Verfolg einer Fuge nachhero in einem dritten Abschnitte darthun. I. Ab-

Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage.

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I. Abschnitt. Von der Tonwechselung. §. I. Ausweichung aus einem Ton in den andern heißt eine Tonrwechselung oder eine Modulation, wiewohl dieses leztere Wort mehrern Bedeutungen zugleich unterworfen ist, indem es öfters die Art, wie eine Melodie in ebendemselben Ton und ebenderselben Tonart geführet wird, bezeichnen muß; öfters auch für die Verwechselung einer Tonart mit der andern, ohne daß der Ton zugleich dabey verändert ist, genommen wird, z.B. wenn man aus dem C dur ins C mollgcht. Dieses aber geschicht, wenn man den Ausdruck verwechseln, und von einer muntern zu einer traurigen, oder umgekehrt, von einer traurigen zu einer muntern Melodie übergehen will, und findet die Modulation in diesem Verstande nicht bey der Fuge statt, sondern in andern Arten musikalischer Compositionen, als in Chaconnen, Passacaillen, und öfters zwey auf einander folgenden Arien, Gavotten, Menuetten, und dergleichen. Wenn man hingegen den Ton verändert: so muß man öfters zugleich die Tonart verwechseln, wie wir bald sehen werden. §. 2. Alle nur mögliche Ausweichungen können in zwey Hauptarten, in die analogischen und anomalischen eingetheilet werden. Analogisch heißt diejenige Ausweichung, die in die Töne der Haupttonleiter geschicht. Anomalisch heißt diejenige Ausweichung, die in die Töne geschicht, die nicht in der Haupttonleiter enthalten sind. N 2

(I) Von

loo Das vierte Hauptstück. Vom Wiederschlage. I. Abschnitt. (I) Von den analogischen Ausweichungen. Da die Töne der Haupttonleiter des vollkommnen Dreyklanges entweder natürlicher Weise, das ist, ohne Hülfe der Versetzungszeichen fähig seyn können oder nicht, das ist, wenn diese Fähigkeit erst von einem Versetzungsa) zeichen erborget werden muß: so werden die Ausweichungen in diejenigen Töne, die dieses vollkommnen Dreyklanges natürlicher Weise fähig sind, eigenrtlicheAusweichungen;diejenigen aber, die in diejenigen Töne geschehen, die vermittelst der Versetzungszeichen erst des harmonischen Dreyklan= ges fähig gemacht werden müssen, uneigentliche Ausweichungen genennet. (a) Die eigentlichen Ausweichungen Pb

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Friedrich

Wilhelm

Marpurgs

Abhandlung von

der

Fuge

zweyter Theil.

Nebst LX. Kupfertafeln und einem vollständigen Register über beyde Theile.

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Berlin, beyA. Haude,

und J.C. Spener, Königl. und der Academie der

Wissenschaften Buchhändlern. 1754.

Zuschrift an die wehrtesten Brüder Herrn

Wilhelm Friedemann Bach Musikdirektor und Organisten zu Halle, und Herrn

Carl Philipp Emanuel Bach Königlichen

Preußischen

Kammermusikus.

Hochedelgebohrne,

Hochzuehrende Herrn,

Ich

nehme mir die Freyheit, Ew. Hochedelgeb.

die legen, die

Grundsätze

insbesondere

einer Kunst vor Augen zu

den vortreflichen Bemühun-

gen Ihres Ruhmvollen Herrn Vaters ihre Verbesserung zu danken hat.

Man brauchet nicht, ein halbes

Jahrhundert zurücke zu gehen, um den glücklichen Zeitpunct zu bestimmen, da man die sinnreichen

harmoni-

schen Verwechselungen mit einer angenehmen und zusamX 3

men-

menhängenden Melodie zu verbinden angefangen. rade zur Zeit,

Ge-

als die Welt auf einer andern Seite

auszuschweifen begunte, als die

leichte Melodienmacherey

überhand nahm, und man der schweren Harmonien überdrüßig ward: war der seel. Herr Kapellmeister derjenige, der ein kluges Mittel zu ergreiffen

wuste,

und mit

den reichsten Harmonien einen angenehmen und fliessenden Gesang verbinden lehrte.

Die Erfahrung zeiget, meine Herren, daß die glückliche Vereinigung dieser beyden Stücke ein Eigenthum Ihrer Familie geblieben.

Vorurtheil, So ist

es

Ist es ein schmeichlerisches

einen berühmten Nahmen ererbet zu haben;

noch weit vortreflicher, diesen Vorzug mit eig-

eignen Verdiensten zu vermehren. Die reizend gelehrten und immer

neuen Töne Ihrer

Gedankenreichen Muse sind

schon längstens gewohnt, die Kirche, den Hof und die Stadt wechselsweise zu entzücken, und bleibet derjenige Geschmack der schönste, wo zugleich mit dem Ohre das Herz und der Verstand in eine sanfte Bewegung versetzet wird: So müssen die Erfindungen Ihres Geistes

noch

die Nacheiferung der spätesten Nachwelt erwecken.

Doch ich überlasse diesen Stof zu Ihrem Lobe einer geschicktern Feder als die meinige ist, und begnüge mich, Ihre Vorzüge zu erkennen.

Ich war ohnedem nichts

mehr zu thun gesonnen, als bloß diesen zweyten Theil meiner Abhandlung Dero Beurtheilung zu unterwerfen. Ich

Ich habe aber um so viel weniger dieses zu bewerkstelligen, Bedenken tragen dürfen, nachdem der erste Theil so glücklich gewesen, Dero gütigen Beyfall zu erhalten.

Ich er-

greiffe diese Gelegenheit, meine Herren, Ihnen öffentlich dafür zu danken, und Ihnen die lebhasfe Hochachtung an den Tag zu legen, mit der ich die Ehre habe zu seyn

Ew. Hochedelgeb.

Berlin, den 1sten Febr. 1754.

ganz ergebenster Diener. der Verfasser. Vor-

Vorbericht.

Ich habe mich in meiner Meinung geirret.

Der glück-

liche Abgang meiner Abhandlung von der Fuge hat mich überführet, daß es noch heutiges Tages sehr viele Liebhaber der künstlichern musikalischen Schreibart giebet. Ich liefere anitzo eben diesen Personen die dazu versprochnenBeyträge unter dem Titel des zweyten Theiles, und Schliesse damit dieses Werk. *

Die

II

Vorbericht. Die Urtheile über mein Buch sind sehr ungleich ausgefallen.

Der eine hat mich der Länge, der andere der Kürze beschuldiget. Derjenige soll noch gebohren werden, der es allen Köpfen recht machen wird. Jener sprach als ein Schulmeister; dieser als ein Schüler. Beyde können in gewissem Verstande Recht und Unrecht haben, und will ich mich also weder anklagen noch vertheidigen.

Die

Genugthuung, die ein Schriftsteller für seine Bemühungen hat, ist diese, daß eben dasjenige, was von dem einen getadelt wird, des andern seinen Beyfall haben kann.

Wenn viele vortrefliche

Männer allhier und anderwärts, die ich kenne, mein Werk gebilliget haben; wenn ich vermittelst desselben annoch die schäzbare Bekanntschaft vieler mir vorher unbekannten Tonkünstler erlanget habe, und ich daraus auf eine gütige Aufnahme desselben schließen kann: so ist es mir leichte, über den Tadel eines nichtswürdigen Kopfes geruhig zu schlafen.

Man hätte viel zu thun, wenn man

sich mit allen Narren einlassen wollte. Denjenigen ehrlichen Männern unterdessen, die mich in der Stille hin und wieder beurtheilet haben, würde ich viele Verbindlichkeit schuldig gewesen seyn, wenn sie selber mir ihre Zweifel mitgetheilet, und nicht bloß unter vier Augen auf eine so unbestimmte

Art davon gesprochen hätten.

Wären ihre Einwen-

dungen von Erheblichkeit gewesen: So hätte ich sie meinen Lesern in diesem zweyten Theile gemein gemachet, und diese würden bey sol-

Vorbericht.

III

solchem Dienste, den man ihnen leistet, nicht unempfindlich gewesen seyn.

Hätte ich aber ihre Gedanken ungegründet gefunden:

so hatte ich doch ihren guten Willen für die Ausbreitung der Wahrheit gesehen, und dieses wäre für mich genug gewesen, ihre Freundschaft zu schätzen. Ich kann so wenig von jemanden fordern, durchgehends mit mir zufrieden zu seyn, als er dieses in Ansehung seiner von mir verlangen kann, und daß es eben keine Kunst sey zu tadeln, wenn man will, will ich mit dem Briefe eines meiner Freunde an mich beweisen.

Ich

Hier ist derselbe von Wort zu Wort:

Freund, erfahre von dem Herrn N. zu meiner äussersten Verwunderung, daß sie auf einmahl ihre Lebensart verändert

haben, und seit kurzem sich mit nichts als sich selber zu thun ma-

chen.

Sie sollen sich ja öfters ganze Tage durch in ihrem Studir-

zimmer verschliessen, und sich mehr besuchen lassen, als andre besuchen.

Sie sollen sich mit den trockensten musikalischen Specu-

lationen zu beschäftigen anfangen, und keine andere Veränderung haben, als wenn sie von einer Arbeit zur andern gehen. Es kann nicht anders seyn, sie

müssen ihre Gesundheit verderben, und hypo* 2

IV

Vorbericht.

hypochondrisch werden, sie mögen es nun gestehen wollen oder nicht.

Wie? Freund, ist es möglich? Sie haben ja unlängst,

als sie sich mit einem Tonkünstler über einen gewissen harmonischen Satz zerstritten, in der Hitze ihrer Unterredung das Dintenglaß anstatt einer Schale Caffe ergriffen? Was für eine Zerstreuung?

Ich hätte diesen Contrapunct nicht kosten mögen: und

bey diesem Zufalle sind sie

noch gleichgültig gewesen? Sie haben

nicht einmahl darüber gelacht? Ich muß doch versuchen, ob ich nicht ein Mittel finden

kann, ihre ernsthafte Betrachtungen auf

einige Zeit zu unterbrechen.

Ich thue solches zu ihrem Besten,

und sollte ich hören, daß mein Mittel eine gute Würkung gehabt hatte, so bin ich im Stande, ihnen noch öfters damit aufzuwarten. Sie haben mich doch jederzeit so entfernt von der Lust zu tadeln gefunden, als ich sie zu einer gewissen Zeit, als sie noch aufgeräumter waren, dazu geneigt gesehen.

Werden sie nicht lachen

müssen, daß ich mich wider mein Naturell, wider meine Neigung, unter die Tadler setzen will? Aber was thut man nicht einem guten Freunde zu Liebe? und wissen sie, was ich thun werde? Ich will mir vermittelst der Kunst zusammenzusetzen allerhand Originale erdenken, ohne von jemanden die Copie zu nehmen. Arbeit ist zwar schwer;

Die

denn wer will nicht lieber nach dem

Leben schildern ? Aber ich will ihnen, mein Freund, und andern, denen sie meinen Brief zeigen könnten, die vergebliche Mühe einer Auslegung ersparen.

Es sind

zum Zeitvertreib entworfne Bilder,

Vorbericht.

V

Bilder, wovon vielleicht dieser oder jener, ohne mein Wissen, zu Paris, London, Amsterdam, das Lächerliche an sich haben kann. Vielleicht trift man auch hin und wieder etwas, was ein schalkhafter Kopf auf mich selbst deuten könne. lich.

Es ist alles dieses mög-

Ich sage aber noch einmahl, daß ich weder mich noch andere

gemeinet haben will.

Ich will einen blossen Versuch thun, ob

man auch wider den Willen der Minerve satyrisch denken könne. Doch ich habe schon genug von mir geredet, ich will auch von andern sprechen; Vielleicht haben sie schon über den Widerwillen meiner Minerve etwas gelachet.

Das ist es eben was ich ge-

wünschet habe, und bin ich schon zufrieden, wenn sie nur bey dem was noch folgen soll, nicht sauer sehen. Um nicht wider die Rangordnung zu sündigen: So will ich meine Helden nach der Ordnung des deutschen Alphabeths durchgehen. Herr A. spielt sein Solo mit artigen Manieren ab. sie sind alle vorher studirt

nnd auswendig gelernet.

das Gedächtniß von ungefähr: So sitzt ihm.

Er ist noch jung.

den Accompagnateur.

er.

Aber

Verläßt ihn

Man verzeihe es

Aber er schiebet alsdenn die Schuld auf Das ist zu toll.

Man muß ihn in die

Schule schicken. Herr B. ist ein starker

Transponist auf dem Flageolet.

Man will ihn aber nicht aus dem Gismoll hören, und aus dem * 3

G moll

VI

Vorbericht.

Gmoll kann er nicht spielen.

Er ist kein Freund von den musi­

kalischen Neulingen, die es und dis von einander unterschieden wissen wollen.

Will er zwey verschiedne Dinge mit einem Nah-

men benennen: So wird er nicht übel nehmen, daß ein ander eben dasselbe Ding mit zweyerley Nahmen taufet.

Man nenne

das Flageolet auch eine Pandure, und er kann zugleich nach zwey verschiednen Sprachen Herr Be und Herr Beta heissen. Herr C. würde kein musikalisches Stück genehm halten, das von einem Virtuosen auf einem andern Instrumente für das seinige gemacht ist.

Die Partien, sagt man, schmecken ihm immer

nach dem Leibinstrumente des Auctoris. sition

Ist etwann die Compo-

schlecht, leer? Nein, sehr vortreflich.

doch niemahls nach seinen Fingern. fremde

Herr C. urtheile

Setzet er niemahls für

Instrumente?

Dem Herrn D. kam einmahls eine Partitur vom Timotheus zu Gesichte, und siehe!

er fand darinnen die Harmonie der ver-

kleinerten Terz und er verwarf sie.

Er hörte sie etliche Jahre

darauf vom Amphion gebrauchet,

und siehe!

er billigte sie.

Schämet sich nicht der Herr D. seines ehemahligen Urtheiles? Herr E. ist ein tactvester Ripienist, und der lächerlichste Concertspieler mit allen schäckerhaften unharmonischen Manieren

Vorbericht.

vu

ren wäre nicht im Stande, ihn aus dem Zirkel zu bringen. Schade, daß er haseliret, wenn er mit einem ehrbaren Concertisten zu thun hat.

Hat nicht jedes Ding seine Zeit? und

gleich und gleich schicket sich

immer besser zusammen.

Herr F. ist ein scharfer Tonrichter.

Er hat ein Buch, wo-

rinnen er alle harmonischen Fehler vom Jubal an bis auf seine Person zusammengetragen hat.

Man frage ihn, wer zuerst die

durchgehenden Octaven oder Quinten gebraucht habe.

Er führet

euch den Autor, das Stück, die Seite, das Jahr und den Tag dieser unglücklichen Geburt an.

Hält er sich auch ein Register über die harmonischen Schönheiten, die er bey eben diesenScribenten findet?

Die ist er weit entfernet einzusehen.

nur den Unrath.

Er sammelt

Er würde sich gut zum Stallknechte schicken.

Dem Herrn G. kam auch einmahl die Lust an, ein musikalischer Renommist zu werden.

Er hatte sich einen gelehrten Tau-

mel getrunken, und in alle gelehrte Tagebücher ward ein kritischer Artikel von seiner Feder eingeschicket.

Allein, man antwortete

ihm nicht. Er fochte mit dem Schatten. Er blieb ein unberühmter Renommist. Herr H. hat bemerket, daß es gar artig läßt, wenn man in den verschiednen Gesellschaften von etwas mehr als dem lezt aufgeführten Concerte sprechen kann.

Er will sich also eine Biblio-

thek zulegen, und ich glaube, er hat Recht. Geschichte der Bürger zu Schilde.

Er lieset anizt die Herr

VIII

Vorbericht. Herr I. will bey jedem Stücke alle musikalische Manieren

erschöpfen. stammert,

Er schleppet, nimmt voraus, lauft, bricht, zerret, trillert, schlagt vor, harpeggiret - - der Athem ent-

gehet mir.

Schade, daß er diese haüffigen Verzierungen nicht

etwas sparsamer, an einem rechten Orte, und mit mehrerm Verstande

anbringet.

gar zu oft dabey.

Die Harmonie und das Gehör leiden folglich Aber er spielet mit Anstand.

Man sehe ihn

also spielen. Den Buchstaben K. übergehe ich, weil es ein griechischer Buchstabe ist. Herr L. hat artige Einfälle und

componirt stark.

Er muß

seine Sachen aber von andern allezeit durchsehen und die unharmonischen Gänge ausmustern lassen.

Die Gaben sind

vertheilt.

Seinem Verbesserer fehlt es wieder an Einfallen und Gedanken. Herr M. spielet und singet artig, und besitzet bey seinem doppelten Talente die seltne Gabe, daß er kein Bravo! vertragen kann. Er weiß, daß dieses Compliment zur Gewohnheit geworden, und erinnere ich mich in der That, jemanden zu kennen, der einmahl einem ihn einschläfernden Virtuosen mit gähnendem Munde ein Bravo ertheilte. Doch man bewundre nur seine Gedanken; man bediene sich bestimmterer Ausdrücke und erhebe seinen vortreflichen Geschmack;

man periphrasire das Bravo: so lächelt er.

Hat man nicht Ursach, die Bescheidenheit dieses Tonkünstlers zu zu bewundern?

Herr

Vorbericht.

IX

Herr N. erlaubet zwey Septimen, zwey falsche Quinten und wer weiß, was noch mehr, hintereinander; nur nicht zwey Quarten. Er, giebetzu, daß man unvorbereitete Nonen, unvorbereitete Septimen u. s. w. gebrauchen kann.

Nur soll die Quarte allo-

zeit und in allen Fällen ohne Ausnahme vorherliegen. Was giebt er zu seinem Beweisgrunde an? Eine alte nicht recht verstandne Regel.

Ich halte die Einsichten des Herrn N. in viele übrige

Stücke sehr hoch. Nur kann ich hierin nicht stiner

Meinung seyn.

Die Regel ist alt, aber die Wahrheit noch älter.

Das habe ich

wohl gelesen, daß die Undecime, die man mißbrauchsweise eine Quarte nennet, einer Auflösung bedürfe.

Ob sie

aber allezeit

vorherliegen müsse, das ist eine andere Frage, und diese wird er in den practischen Werken der besten Tonkünstler heutiger Zeit genugsam beantwortet finden.

Er wird doch diese beyden verschied-

nen Processe, die Vorbereitung und Auflösung nicht mit einander vermengen.

Er wird ferner wissen, daß die Auflösung auch nicht

allezeit unter sich, sondern auch über sich geschehen kann; und endlich wird er doch so wenig die Quarte und Undecime, als die Secunde und None mit einander vermischen.

Jene, die Quarte ent-

springet augenscheinlich von der Quinte; diese, die Undecime aber von der Septime.

Doch er will nichts von der Abstammung der

Harmonien wissen: So muß er auch nicht so dictatorisch von Sachen

sprechen,

die er nicht

vernünftig

beantworten

kann.

Wenn die Undecime auch nur öfters den Umfang einer Quarte **

hat:

X

Vorbericht.

hat: So wird sie dochdadurch so wenig verändert, als dieses mit der None geschicht, wenn sie nur den Raum einer Secunde erfüllet. Herr O. ist sehr schmeichlerisch, und wird so leichte einem kein Bravo öffentlich versagen, um desto mehrere von den andern herauszulocken.

Aber sobald derjenige, dem er kurz zuvor sein

Compliment gemacht, den Rücken gekehret hat, und der Discurs auf diesen Abwesenden fällt: So weiß er schon das Ding so lange zu drehen und zu wenden, daß, wer nicht selbst unterscheiden kann, wenig Achtung für denselben übrig behalten muß.

Wenn das

pythagorische System seine Richtigkeit hat: So muß die Seele dieses Heuchlers in eine Katze fahren. Dem Herrn P. der in der That viele Einsicht in den grammatischen Theil der Composition hat, fehlet es nicht an gutem Willen zu componiren.

Er mögte sich aber wohl, ausser in aller-

hand kleinen Stücken, deren Werth sich nicht über eine erstrecket, schwerlich der Welt zeigen können. Erfindung.

Murkh

Es fehlet ihm an

Heute fänget er ein Allegro an; über einen Monath

vollendet er dasselbe, und alsdenn gebrauchet er noch zwey Monathe zum Durchsehen. morgen.

Was ihm heute gefällt, mißfällt ihm

Nach neun und dreißig Stücken, die er zerrissen, be-

hält er endlich das vierzigste zum Gebrauch,und wer weiß wie lange ? Herr Q. spielet ganz artig.

Was er aber spielen will, muß,

weil er selbst nicht componirt, von dem oder jenenbekannten Auctore seyn.

Vorbericht.

seyn.

XI

Ist es von einem, den er nicht kennet: So hohlt er bey sei-

nen Freunden erst den Ausspruch darüber ein.

Er selbst ist nicht

im Stande, zu urtheilen, es sey denn, wenn er falsch urtheilet. Herr R.würkte gern ein Mandat aus, wenn es möglich wäre, vermöge dessen allen Scribenten ohne Ausnahme bey hoher Strafe verboten würde, Thorheiten und Fehler lächerlich zu machen.

Insbesondere scheut er die Vorreden.

Er bessere sich, um

seinen Rücken der Geissel des Apoll nicht mehr Preist zu geben. Er bleibt ein guter Mensch für seine Person.

Aber, seine Thorheiten? wie, dazu soll man stille schweigen? Ich, für meinePer-

son, mein Tage nicht. Herr S. ist einer der geschicktesten Virtuosen der Zeit, Aber er beurtheilet das Verdienst aller übrigen Tonkünstler, nachdem sie mehr oder weniger mit seiner Schreibart übereinkommen. giebt sich also für das einzige Muster des Wahren an.

Er

Das ist

zu viel. Herr T. würde sich schicken.

besser zum Tactschläger als Sänger

Zum wenigsten macht er mit den Füssen und dem Kopfe

allezeit mehr Bewegung als mit der Stimme.

Seine Frau Mut-

ter muß sich an einem Pantin versehen haben.

Aber er nehme

es mir nicht übel, wenn er singt und nicht fort kann, so beschuldige er nicht die andern, daß sie eilen. ** 2

Herr

XII

Vorbericht. Herr U. siehet sich

für keinen armen Sünder in der har-

monischen Wissenschaft an, weil er weiß, daß zwey Quinten hintereinander in der Musik verboten sind.

Er weiß aber nicht,

wie und auf was für eine Art man zwey Quinten hintereinander machen kann.

Was, höre ich hier noch einen andern mir zu-

ruffen: Zwey Quinten hintereinander; das muß ein abscheulicher Satz seyn.

Nicht so abscheulich, mein Herr.

Ich habe diese

Fälle solche Personen hören lassen, die die geringste Kleinigkeit mit ihrem zarten Gehöre zu

ertappen

vermeinten.

Mich

deucht, sie waren auch einer von denen. Meine Herren, fragte wie klingen diese Satze? wohl, antworteten sie mir.

ich,

Aber, meine

Herren, haben sie denn nicht gehöret daß Quinten darinnen sind? Was? Quinten ? da, da sehen sie ja solche auf dem Papiere. Ach! die Sätze taugen nicht; sie klingen nicht.

Ey! ey! meine Herren,

die Musik ist ja für die Ohren gemacht, und sie haben ja kurz vorher mit den Ohren gebilliget, was itzo ihre Augen beleidiget. Wis­ sen sie was? Ich will mich mit ihnen vergleichen, lassen sie bey diesem Satze die Ohren gelten.

Setzen sie gewisse andere sehr be-

kannte harte Gänge, womit diese eben nicht besonders zufrieden seyn können, meinen Quintenfällen entgegen.

Da will ich bey den

ihrigen mit den Ohren sehen, und mit dem Gesichte hören. Doch noch mehr, diese gedachten Quintenfälle (denn es sind ihrer mehrere als einer) finden sich

alle bey gewissen Auctoribus, für die sie

meines Wissens grosse Achtung hegen.

Ich habe sie nicht erdacht.

Vorbericht. dacht.

XIII

Ich vermeine nur, sie entschuldigen zu können.

Ja was

solche Männer gethan, das muß ein andrer wohl bleiben lassen. Ich bin nicht ihrer Meinung, meine Herren.

Wenn nun diese

Männer, die sich nur bloß der Ausübung widmeten, ihre Sätze nicht verantworten konten ? Wie denn ? der hat allezeit das Recht, einen Satz zu gebrauchen, der davon Rede und Antwort geben kann.

Weitern Beweiß davon zu einer andernZeit.

sie sich bis zum Austrag der Sache.

Doch noch eins.

Gedulden Sind ih-

nen nicht viele Octaven- und Quintengänge von mehr als einer Art bekannt, die man zwarauf dem Papiere nicht entdecket, weil die Stimmen einander überschreiten, aber die man wohl mit dem Ohre empfindet? Wer soll hier Richter seyn; Das Ohr oder das Gesicht? wiederspricht allhier nicht ein Theil dem andern? Womit soll man es halten; Man siehet,

daß das Gesicht die Ohren,

und das Ohr das Gesicht betrügen kann, und ein gewisser musikalischer Kunstrichter, der einmahl unter den Buchstaben P. O. R.und S.auf einen Tag in der Welt erschien, hat wohl Unrecht, wenn er seinem geübten Gehöre mehr als dem geübten Gehöre andrer Personen in diesem Stücke zutrauen will.

Es ist wohl eine

blosse Höflichkeit, die er sich erzeiget, und die man einem artigen Manne zu gute halten kann.

Ich getraue es mir hingegen zu,

ihn alle Tage über dem Gegentheile zu ertappen. Herr V. ist ein guter Ausüber seiner Kunst. nur sich in Gesellschaft hören.

Aber er will

Es ist ihm ganz ums Herz be-

** 3

klemmt,

XIV

Vorbericht.

klemmt, wenn er eine fremde Arbeit mit anhören soll. er kein Feind davon. desto mehr zu Hause.

Er gebraucht die Composition andrer Leute Ein Feuer zündet das andere an.

Compositionen beweisen es. fremder Gedanken.

Doch ist Seine

Sie sind eine glückliche Sammlung

Sie geben eine Art von Lexicon ab, wo sich

verschiedne Componisten öfters wider ihren Willen beysammen sehen. Herr W. ist einer der vortreflichsten galanten Setzer heutiger Zeit.

Dieses weiß er.

Schade, daß seine Spielart und sein

Vortrag nicht mit dem Satze übereinstimmt. nicht.

Ein Stück, worüber allegro steht,

Dieses weiß er

soll uns doch nicht ein-

schläfern oder traurig machen? das Zärtliche wird sich doch nicht allezeit vermittelst des Heulens äussern müssen, so wenig als sich die Freude durchs Poltern an den Tag legen darf? Wenn der Musikus trauriger Complexion ist, sollen denn alle Zuhörer ihm zu gefallen mittrauern? Man ahmet öfters gewisse Ausländer in ihren Fehlern, aber nicht zugleich in ihren Tugenden nach. Bey allen artigen Gedanken, die Herr X. in seinen Sachen hat, bleibet er doch nur ein blosser Naturalist.

Ich möchte gerne

sehen, wie er die Generalbässe zu seinen Stücken in eine reine vierstimmige Partitur brächte.

Es

könnte

nicht schaden,

wenn er sich hierinnen ein wenig übte, um den Accompagnateurs manche dumme Ziefer zu ersparen? Herr

Vorbericht.

XV

Herr Y. glaubt, daß man nur in der Vocalmusik mahlen, und Affecten ausdrücken oder erregen könne.

Er stehet

in den

Gedanken, daß man, ausser dem Geschrey eines Vogels und dergleichen, nichts auf einem Instrumente vorstellen könne? Warum spielt er, diesen Gedanken zu Folge, sein Adagio nicht als ein Allegro und umgekehrt das Allegro als ein Adagio.

Er muß

die Gewalt seines Bogens selbst nicht fühlen. HerrZ. ist von einem Traumdeuter ein Ausleger der Schriftsteller

geworden.

Er lieset in einem Buche, daß ein gewisser

Mensch, Nahmens Chörilus, schon seit Jahr und Tag an einem Themate zur Fuge arbeitet, und noch nicht mit sich eins geworden ist, ob er mit dem Diskant oder Basse anfangen soll.

Herr Z.

merket nicht, daß dieses eine Erdichtung ist, und daß man unter der Person des Chörilus alle diejenigen albernen Componisten verlacht, die ihrer Sache nicht gewiß sind. und Seele, der und jener sey gemeinet.

Er verwettet Leib Er gehet weiter und

lieset, daß Thrax den Werth einer Composition nach den Sechzehn- und Zwey- und Dreyßigtheilen beurtheilet, daß er den Kopf schüttelt, wenn er in einem Stücke etliche dickköpfigte Runden siehet,

und dasselbe eine Musik nennet, die keine gute Taille hat;

daß Tigell niemahls spielet, wenn man ihn darum ersuchet, und nicht aufhöret, wenn man ihn nicht hören will; daß Coridon bey einem langen Mordenten ein krummes Maul machet, weil er ihm etwas

XVI

Vorbericht.

etwas sauer wird; daß Cotta die schwersten Generalbässe vom Blatte wegspielet, und nicht den alterleichtesten zu Papiere bringen kann: daß Star keinen Triller auf a mit h billiget, wenn die Grundstimme f hat, ob er gleich anderswo mit der übermäßigen Quarte sehr lange Vorhalte macht; daß Gargil seine Stücke sehr geschwinde anhebet, und wenn die Finger nicht mehr fortkönnen, ziemlich langsam aufhöret; daß Portius zwar einige Regeln weiß, aber nicht die Gabe hat, sie weder selbst anzuwenden, noch sie andern, die sie anwenden könnten, beyzubringen; daß also Titus doch der Welt mehr nützet, indem er den Liebhabern allerhand Arten der Composition zu ihrem Vergnügen in die Hände liefert, gesetzt daß Portius an der Arbeit des Titius dieses und jenes und vielleicht oft mit Recht auszusetzen hat; daß Nasutus sich nach jedem abgespielten Stücke entschuldiget, daß er es ehemahls besser gemacht; daß - - aber besinne ich mich denn nicht, daß ich bereits mein Alphabeth geendigt habe? zu allen diesen Charactern nun glaubet Herr Z. den Schlüssel zu haben.

Er schlägt das Tage-

buch seiner Bekanntschaft nach, und gleichsieht er, daß kein anderer, als der oder jener abgeschildert seyn kann, zu schalkhaft oder zu einfältig, sich selbst zu kennen.

Er schaffe sich doch eine Brille, oder

kehre zu seinem Traumbuche zurücke.

Ein Gegenfüsser von die-

sem Herrn Z. ist der Herr ZZ. ein mit sich und andern unzufriedner Kopf.

Dieser kann kein Buch lesen, worinnen Thorheiten

oder Fehler lächerlich gemachet werden, ohne die Stelle auf sich zu deu-

Vorbericht.

XVII

deuten, wenn er auch diese Thorheit oder diesen Fehler nicht an sich hat.

Er ist so wunderlich, daß er diejenigen Bücher, die

lange vor seiner Zeit geschrieben sind, und so gar die ausländischen Scribenten, die ihn so wenig kennen, als er sie kennet, in diesem Stücke verdächtig hält.

Allessoll auf ihn gemünzet seyn, und

man hat nicht einmahl an ihn gedacht.

Solte dem Herrn ZZ.

dieses kleine Alphabeth zu Gesichte kommen, und er sich dasselbe oder einige Artikel daraus anmassen: so bittet man ihn, zu glauden, daß man ihn nicht gemeinet,

und daß, die ihm das Ge-

gentheil einreden wollen, eben diejenigen sind, die man gemeinethat. Ihn betrift nichts als dieser lezte Artikel,und diesen wird er mir aus Liebe zur Wahrheit zu gute halten.

Ich verbleibe

Klingenberg, den 13.Januar. 1754. Felix Krembalon. N.S. Beygehende Canons von der Feder eines hiesigen Componisten werden ihnen vielleicht bey ihrem unterhabenden Fugenwerke nicht undienlich seyn. Doch müssen sie wissen, daß er sie nicht ersuchet haben will, solche miteinzurücken. Er hat mir aber doch zuverstehen gegeben, daß es ihm angenehm seyn würde, wenn sie solches thäten. Er mögte doch geme sehen, wie es ihm gedruckt liesse. Noch eins. Der bekannte Purgantius, der sich so lange Zeit her durch den Tadel anderer Tonkünstler berühmt gemachet, sich selbsten aber weder auf der theoretischen noch practischen Seite gezeiget hat, ist aus Verdruß, daß man hinter seinen Ränken gekommen, von uns entwichen, und wie man für gewiß glaubt, nach Grönland auf den Heringsfang gegangen. ***

So-

XVIII

Vorbericht.

So weit der Brief meines Freundes, und könnte ich nunmehr meinen Vorbericht schließen, wenn ich mich nicht erinnerte, noch über einige Puncte meinen Lesern eine Erklärung schuldig zu seyn. Ich habe mich in dem ersten Theile anheischig gemacht, von den ausserordentlichen Fugen, als von der Fuge in der Secunde, Terz, Sexte und Septime allhier ausführlicher zu handeln. Ich habe aber nach genauerer Ueberlegung gefunden, daß dieses unnöthig ist, indem in der That nichts mehr davon gesagt werden kann, als bereits im ersten Theile geschehen ist.

Ganze Exempel

hätte ich davon beybringen sollen. Aber da ich zur Zeit noch keine gefunden, die mir selbst völlige Genüge geleistet hätten: so ist solches aus einer gnungsamen Ursache unterblieben. In Ansehung derjenigen contrapunctischen Exempel, bey denen man den Nahmen des seel. Herrn Musikdirectors Kirchof findet,

ist zu merken, daß nur gerade dasjenige Thema, wobey

sein Nahme stehet,

von seiner Feder entlehnet ist.

Ich finde für

nöthig, solches ausdrücklich dieserwegen zu erinnern, daß, wenn ich meine Absichten beyden zugefügten Harmonien nachdem Sinne eines scharfsinnigen contrapunctischen Priscians nicht allezeit mit gleichem Glücke erreichet haben sollte, selbiger nicht die Feder des Verstorbenen, sondern die meinige vors Gericht fordere. Daß ich öfters hin und wieder einige Intervallen des Thematis verändert, ist deswegen geschehen, weil ohne dieses kein Contrapunct dar-

Vorbericht.

XIX

darauf gebauet werden können. Es ist nicht so leichte, einen etwas galanten drey- oder vierfachen Contrapunct zu machen, ohne hin und wieder der Gefahr leerer Stellen ausgesetzet zu seyn. es nicht glauben will, kann es versuchen.

Wer

Man muß also noch

hin und wieder eine freye Nebenstimme zur Bedeckung hinzufü­ gen, wenn dergleichen contrapunctische Satze die gehörige Würkung thun sollen. Wenn man bey einigen Exempeln den blossen Nahmen Bach, bey andern Fr. Bach und noch bey andern Em. Bach findet: So wird im ersten Falle der seel. Herr Capellmeister, im zweyten der Hallische Herr Musikdirektor und im dritten der Königl. Herr Kammermusikus dieses Nahmens verstanden. Dem Verlangen derjenigen Personen, die das beym ersten Theile befindliche Register für unzulänglich befunden, wird nunmehr Gnüge geschehen seyn,und hat man, um dieMühe des Auf­ schlagens und Nachsuchens zu erleichtern, die Register über beyde Theile verbunden. Ich sollte nun noch billig einen kleinen Plan zur Anlegung einer Fugenbibliothek hinzufügen. Es würde zum wenigsten vielen nicht undienlich seyn, und wäre es mir gar leichte, ein halb hundert Auctores herzunennen.

Da selbige aber nicht alle von gleiso chem Schrot und Korne sind: halte ich dafür, daß es besser sey, sich *** 2

XX

Vorbericht.

sich mit den guten vorzüglich und zuerst bekannt zu machen, um den Wehrt der andern nach diesen zu beurtheilen; und unter diesen guten sind

besonders zu merken: Bach,

Battiferri,

Danglebert, Jo. Casp. Ferd.Fischer, Frescobaldi, Froberger, Fux, Händel, Heinichen, Casp. Kerl, Joh. Krieger, Joh. Christoph Schmidt, (ehemal. Dresden. Capellm.) Stölzel, und Telemann, ohne den übrigen guten von dieser Classe, die mir entweder nicht im Augenblicke beyfallen, oder die ich nicht kenne, weil ich nichts von ihnen gesehen habe, zum Nachtheile zu sprechen. Die Anzahl der protestantischen Kirchen ist eben nicht zu häuffig, wo man annoch Fugen höret.

Wie viele Kirchencom-

ponisten scheinen nicht ihren Geschmack von dem nicolinischen Theater entlehnet zu haben ? Und wie wenig Organisten trift man zugleich in einer Stadt an, die, so wie doch noch die meisten in catholischen Ländern, Kunst uud Natur, Wissenschaft und Erfindung verbinden, und so gut aus dem Stegereif als auf dem Papiere eine prächtige Fuge durcharbeiten können? So bald

jemand

ein halb Dutzend Operarien auf dem Claviere hertrommeln gelernet, und siehet,

daß das Griffbret auf der Orgel so gut wie das

auf dem Claviere, in schwarze und weisse Tangenten getheilet wird: so siehet

er auch beyde Instrumente für einerley an.

Er

rastet nicht eher, als bis ihm der oder jener Organist erlaubet, nach verrichtetem Gottesdienste, die Leute aus der Kirche heraus zu

Vorbericht.

XXI

zu trommeln, und alsdenn hält sich unser Büschen nicht mehr für eine Katze.

Er giebt sich nicht die Mühe die Harmonie zu erler-

nen, und nach den Regeln derselben seine Einfälle auf die Probe zu stellen. Er suchet nicht, sich durch Studirung guter Orgelsachen den Geschmack für dieses Instrument zu bilden.

Genung,

daß er bey der Kammerjungfer eines vornehmen Herrn gut stehet, und daß dieser vornehme Herr die Kirche mit einem untüchtigen Organisten und die Welt mit einer Frau vermehren will. Er schläget diese beyden Subjecte den Kirchenvorstehern vor. Kurz um, unser Orgelbursch erhält vor drey oder vier andern würdigen Competenten, denen es aber nur um den Dienst zu thun war, von den Händen seines Gönners die Frau und den Dienst. Wenn nun unser Held von ohngefahr das Wort Fuge gehört hat, und ihn einmahl der Ehrgeiz ankömmt, auch ein solches Ding zu machen: So muß er zu seiner Schande und dabey zu späte zu den Werken andrer Leute seine Zuflucht nehmen, und wie gut wäre es, wenn er bey seiner Wahl noch über die guten geriethe, und wie schön wäre es, wenn er noch solche mit der gehörigen Fertigkeit abspielen lernte, wenn er nicht alle Augenblicke stolperte,

und anstatt der Töne, nicht das Schnauffen des ar-

men Calcanten oder das Knarren der Bälge hören liesse.

Se-

tzet ihm aber gar ein Saulischer Geist zu, will er sich mit seiner eigenen Erfindung zeigen: Ja so besinne man sich nur ge-. *** 3

schwin-

XXII

Vorbericht.

schwinde, daß man im Tempel ist, und daß man darinnen nicht

lachen

darf.

Zuförderst

koppelt

er

alle Claviere

und ziehet alle Register ohne Unterscheid zusammen ;

denn

er verstehet stch so gut auf die Orgelzüge als auf die Kunst sie zu spielen.

Er sieht sich

ein wenig nach seiner Hälfte um, räuspert

sich und endlich bricht er auf einmahl mit einem kollernden Themate von etlichen zwanzig Tacten loß. Ich stelle

Mir wird angst und bange.

mir die Durcharbeitung dieses Satzes nach Propor-

tion vor, und bedauere herzlich, daß ich so wenig Zeit habe, und nicht zwey Stunden lang einem einzigen Stücke zuhören kann. Ich bewundere das Gedächtniß dieses Menschen, und wie es möglich ist, daß er sich getrauet, eine so entsetzlich lange Reihe von Tönen zu behalten.

Ich warte mit Ungeduld auf den Contra-

punct, den er bey Wiederholung des Satzes in einer andern Stimme dagegen anbringen wird. Aber, wie habe ich mich denn so abscheulich geirret? Konnte man es denn dem Führer nicht anhören, daß dieses kein Satz zur Fuge war? Ey nun! ich glau­ be immer das Beste von einem, so lange ich des Gegentheils überzeuget werde.

Ich muß nun annoch sagen, daß die Fuge aus dem C seyn sollte, und daß der Führer auf der Dominante G anfing.

Mein Herr Organist tritt nunmehr mit seinem Gefährten

und zwar auf welchem Intervalle ein ? Auf dem D. teneatis.

Rifum

Die erste Stimme fähretdagegen mit einem Schwär-

mer fort, den er doch mit abwechselnden Fingern zu machen schien, und

Vorbericht.

XXIII

und darauf begiebt sie sich mit einmahl zur Ruhe, ehe noch die andere das Thema vollendet; denn er hatte es schon vergessen. Es kommen andere Einfalle an dieStelle, und die musten ja auch solo gehört werden.

Wie war denn nun die Folge? Ey nun, die

beyden Fauste wechselten noch manchesmahl mit einander ab, um solo zu spielen, wiewohl doch öfters gar scharfsinnig im Pedale ein Ton dagegen ausgehalten ward, und endlich verwandelte sich das Spiel worinn? ich weiß es selber nicht. Wollte er ein Kunstfeuer, wollte er eineBataille vorstellen? der Himel weiß es. Bald kam ein schneller mit dem Nagel eines bequemen Fingers gemachterLäuffer einem andern, den die andere Hand hervorbrachte, in die Quere.

Bald harpeggirte er das Grifbrett von unten bis oben

herunter und denn wieder zurück.

Er sprung von einem Clavie-

re aufs andere, und da hörte man alsdenn bald einen sehr entfernten Ton, und bald schienen alle Orgelpfeiffen mit einmahl anzusprechen.

Es schien als wenn er mit dem Ellenbogen spielte.

Es sollte vielleicht eine Fuge mit drey oder vier Chören seyn? Vermuthlich.

Ergriff er denn nicht noch zu guter lezt das Thema ?

Das hatte er ja langst mit samt der angefangenen Tactart vergessen.

Kurz zu sagen, ich habe den Rest nicht gehöret; ich lief

weg. Ein anderer hat öfters den guten Willen, es besser zu machen.

Aber was thut er ?

Er dreschet den Generalbaß, und die-

XXIV

Vorbericht.

dieses ist sehr erbaulich anzuhören.

Da sind

die die Harmonie angenehm, fiiessend machen.

keine Bindungen,

und zusammenhangend

Es ist eine holperichte Harmonie.

Da höret man kei-

ne enge Nachahmung, keine Zergliedenmg des Satzes.

Da ist

keine Ordnung, und die Anzahl der Stimmen erfähret man zur Noth am Ende, da man solche gleich nach der ersten Durchführung des Satzes durch die verschiedenen Stimmen hätte empfinden sollen.

Dieser Satz wird niemahls in den Mittelstimmen

klüglich angebracht.

Man höret ihn nur immer oben oder un-

ten, wozu beständig die eine Hand die andere, so wie eine Arie, accompagnirt.

Man hört das Thema niemahls bequem und

zur rechten Zeit auf eine den Verstand und das Ohr nachdrücklich rührende Art eintreten.

Es ist ein hanbüchenes Gelärme

und Gepolter; der unharmonischen Gänge nicht zu gedenken. Da ich hier bloß mit der Fuge zu thun habe: So übergehe ich die Art, wie Helden von diesem Gelüchter in den übrigen Stücken die Orgel und den Gottesdienst mißhandeln.

Ich hät-

te sonst Gelegenheit, noch manche artige Begebenheit der Vergessenheit zu entreissen.

Indessen kann ich mich nicht gnungsam

verwundern, wie sich dieses oft mit solchen Practicis ereignet, die sonst noch eine ziemliche Menge von Regeln in dem Kopfe haben, und die einem alle Tage soviel von der Orgel vorschwatzen,

daß man fast glauben sollte, sie

müßten so gut zu spielen als

Vorbericht. als eine Pfeiffe zu stimmen

XXV

wissen. Man erlebet endlich den seltenen

vergnügten Augenblick, solche Leute spielen zu hören. Aber was höreman? Ein schönes freyes Duo,Trio oder Quattuor? (denn von Fut gen wollen wir nicht mehr reden;) worinnen die artigsten Einfälle mit guten natürlichen Nachahmungen den Fingern, so zu sagen, entgegen eilen? Wechselt man diese Arten der Composition mit andern cantablen Stücken, mit Gesprächen und prächtigen Chören ab? Und nimmt man alles dieses aus eignem Kopfe in der Geschwindigkeit her? man höret von allem diesen nicht ein Wort. Claviersolos, Violin- und Flötentrios sind Held nach Hause schicket.

es, womit uns unser

Sind dieses Orgelstücke? was haben

die Geigen und Flöten in ihrem Geschmacke mit der Orgel gemein? Ja, man hat doch Register von dieser Art auf der Orgel. Gut. Wie aber diese Register nicht die Instrumente selber,sondern nur Nachahmungen davon sind: so fällt auch der Vortheil weg, daß man alles dasjenige, was man auf dem einem macht, auf dem andern hervorbringen kann. Und sind denn alle Register Flöten und Geigen? Wollte man denn nun auch die übrigen Instrumente, die etwann auf der Orgel nachgeahmet werden, auf diese Art nachmachen: So müßte man z.B. auf der Trompete lauter Paradestückgen pielen, u.s.w. Doch wieder auf vorgedachte Violin-und Flötentrios zu kommen, ist es da nicht lächerlich, mit den Füssen einen Baß herzuhaspeln, mit welchen sonst alle fünf Finger Mühe genug haben, wenn er deutlich, rund und nett gespielet werden soll? was kann ****

dar-

XXVI

Vorbericht.

daraus anders als ein unverständliches Gepolter entstehen, von welchem das Gehör nicht den zehnten Ton deutlich empfindet? Anders haben unsere berühmten Orgelcomponisten für die Füsse, anders für die Hände componiret.

Wenn der seel. Herr Capell-

meister Bach dem Pedale Arbeit giebt: so ist diese Arbeit allezeit so beschaffen, daß sie mit der Eigenschaft des Pedals übereinstimmet.

Die Passagen mögen so geschwinde seyn als sie wollen, so

sind sie bequem und spielbar.

Es zeiget in Wahrheit vom Ver-

falle des guten Geschmaks in der Orgelkunst, wenn man das Verdienst mit dem Gesichte, nicht aber mit dem Ohre und Verstande

zu beurtheilen anfänget. Ich glaube nicht, daß unsre Vor-

fahren, die sich einen so unsterblichen Nahmen erworben, ein hafelirendes Gepolter einem männlichen ernsthaften Gesange werden vorgezogen haben, und sind denn bey allem diesen die tiefen Stimmen solcher Kraüsel und Coloraturen fähig, als die höhern? Man versuche es, und ziehe im Werke die tiefsten Register zusammen, und gaukle mit den Händen, soviel man kann, und in der grösten Geschwindigkeit auf den beyden untersten Octaven in die Kreuz und Queere herum.

Ich glaube nicht, daß es solche Würkung

thun wird, als wenn man eben dieses auf höhern Stimmen versuchet.

Man mache eine gehörige Anwendung.

Sollte man

aber wohl gedenken, daß ein so abgeschmackter Pedalritter von dieser Art bey dem Lobe verdienter Leute erröthen könte? Ich setze den Fall, er wäre selbst ein geschickter Organist: so könnte man seine

Vorbericht.

XXVII

seine menschliche Schwachheit einigermassen übersehen. Aber er ist es nicht. Er verdienet also, ausgelachet zu werden. Mögte ihm doch die Luft ankommen, einmahl an solche Oerter zu gehen, von welchen er sich so schlechte Begriffe macht.

Ich wette, er würde sich

eine ziemliche Nase hören, und wenn diese nicht genug ist, könnte er sich noch eine dazu spielen. Wenn ich hier von Leuten gesprochen,die den protestantischen Gottesdienst in der That entweihen: so weiß ich auch zu gleicher Zeit, daß mit dem oder jenen vortreflichen Manne noch nicht die Orgelkunst ausgestorben ist. Ich habe das Vergnügen, nicht allein hier, sondern auch an andern kleinen und grossen Oertern,von Person und dem Nahmen nach,solche Männer zukennen,worauf annoch der Geist eines Kuhnau,

Pachelbel oder Buxtehude ruhet.

Wenn ich nicht glaubte, der Bescheidenheit dieser rechtschaffen Männer zu nahe zu treten, so könnte ich eine ziemliche Reihe hieher setzen.

Kann man aber bey der Hochachtung für das Ver-

dienst solcher Virtuosen, nicht zugleich wider das Lächerliche und die Fehler stolzer Fantasten eifern? Es ist wahr, Es schmerzt sie? Laß sie schreyen. Die Thorheit wird sie noch, mich me die Wahrheit reuen. Man erlaube mir mit diesen Worten zu schliessen. mir im Augenblik kein bequemer Gedanke dazu ein.

Müller. Es fält Ich em-

pfehle mein Werk der geneigten Beurtheilung vernünftiger Leser. **** 2

Nach-

XXVIII

Bey

Nachricht.

einer so grossen Menge von praktischen Sachen, die alle Tage zur Presse beförder, werden, ist es zu verwundern, daß man noch so wenig gute Fugen von verschiedner Art und Ausarbeitung in einem Bande aufzuweisen hat. Die Fugen werden meistens alle unter andern Stücken verstecket, und in Partitur siehet man die wenigsten. Bey keiner aber findet man eine kurze Analysin über die Art der Ausarbeitung, und wie vielen würde doch mit solcher Erklärung gedienet seyn? Das Verlangen verschiedner Liebhaber hat mich schlüßig gemacht, diesem Mangel, soviel an mir ist, abzuhelfen. Unter einem ziemlichen Vorrathe von Fugen, die ich von den besten deutschen, englischen, französischen und welschen musikalischen Setzern alter und neuer Zeit besitze, und wovon vielleicht die meisten nur zeithero in Handschriften kundgeworden, werde ich eine gute Anzahlaussuchen, und solche in einer ordentlichen Partitur und mit beygefügten Anmerkungen gegen die künftige Leipziger Michaelismesse, vermittelst eines saubern Stichels und auf gutem Papiere, der Welt gemein machen. Es sollen in dieser Sammlung zwey- drey- vier- fünf- sechssieben- und achtstimmige Fugen, einfache und vielfache, Sing- und Jnstrumentalfugen zum Vorschein kommen. Des theuern Verlages wegen wird darauf ein Rthlr. sechzehn Groschen Vorschuß, doch nicht länger als bis Johannis dieses Jahres 1754. angenommen, nachhero aber das Werk nicht unter drey Rthlr. acht Groschen verlassen werden. Der Vorschuß kan entweder gerade an mich, in der Behausung des Herrn Hofklempners Hübner, oder in die Haude- und Spenerische Buchhandlung Hieselbst übermachet werden.

Berlin, den 1sten Merz. 1754. Marpurg.

InZn-

XXIX Inhalt. Vorlaüfige Erinnerungen. I. Hauptstück. Von dem dreydoppelten Conttapunct. 5. I. Abschnitt. Vom dreydoppelten Contrapunct in der Octave. 6. II. Abschnitt. Vom vermischten dreydoppelten Contrapunct. 9. II. Hauptstück. Vom vierdoppelten Contrapunct, 16. I. Abschnitt. Vom vierdoppelten Contrapunct in der Octave. 17. II. Abschnitt. Vom vermischten vierdoppelten Conttapunct. 21. III. Hauptstück. Vom doppeltverkehrten Contrapunct. 26. I. Abschnitt. Vom zweystimmigen Contrapunct in der Gegenbewegung. 29. II. Abschnitt. Vom dreystimmigen Contrapunct in der Gegenbewegung. 33. III. Abschnitt. Vom vierstimmigen Contrapunct in der Gegenbewegung, 36. IV. Hauptstück. Vom rückgängigen Contrapunct. 38. I. Abschnitt. Vom einfachen rückgängigen Contrapunct. 40. II. Abschnitt. Vom doppelt rückgängigen Contrapunct. 40. I. Artickel. Vom doppelt rückgängigen Conttapunct in der ähnlichen Bewegung. 41. II. Artickel. Vom doppelt rückgängigen Contrapunctin der Gegenbewegung. 42. V. Hauptstück. Von der Versetzung einer Composition in verschiedne Bewegungen und derselben Auflösung in verschiedne Contrapuncte. 45. VI. Hauptstück. Vom Canon. 5l. I. Abschnitt. Von den verschiednenArten und Gattungen des Canons. 52 II. Abschnitt. Von der Verfertigung eines Canons. 86. ****3 I. Absatz.

XXX

Inhalt. I. Absatz. Vom Canon im Einklange mit verschiednen Sätzen ober Gliedem. 89. II. Absatz. Vom Canon in der Octave allein mit verschiednen Sätzen und Gliedern. 91. III. Absatz. Vom Canon im Einklange und der Octave mit einem Satze, ingleichen vom Canon in der Sec. Terz, Quarte, Quinte, Sexte und Septime. 92. IV. Absatz. Vom Zirkelcanon durch die Töne. 101. V. Absatz. Vom vergrösserten und verkleinerten Canon. 105, VI. Absatz. Vom rückgängigen Canon. 110, VII. Absatz. Vom Doppelcanon. 115. VIII.Absatz. Vom Canon, der durch denZusatz einer Terzdrey- und vierstimmig ausgeübet werden kann. 118. IX. Absatz. Vom Canon über oder unter einen vesten Gesang, ungleichen von dem mit einer Begleitungsstimme. 120. III. Abschnitt. Von der Auflösung eines Canons. 124,

VII. Hauptstück. Von der Singfuge und dem Singcanon. 123. Beytrag zum ersten Theile der Abhandlung. 142. Register über beyde Theile. Druckfehler.

Vorläu-

Vorläufige Erinnerungen.

§. I.

Wir sind

im ersten Theile der Abhandlung von der Fuge bey der Lehre vom doppelten Contrapunct stehen geblieben, eine Lehre, die man nothwendig inne haben

muß, wenn man, ich will nicht sagen mit zwey Subjecten, sondern wenn man nur mit einem Subject eine Fuge setzen will. Man componirt aber auch Fugen mit mehrern Sätzen als zweyen; man componirt Fugen, wo die Sätze nicht allein in der ähnlichen, sondern auch in der unähnlichen Bewegung unter sich verwechselt werden; man componirt nicht allein Fugen für Abh. von der Fuge. II. Theil. A Instrumente

2

Vorläufige Erinnerungen.

Instrumente, sondern auch für die Singfiimme, und bey allem diesen hat man den Canon vonnöthen. Wir wollen also alles dieses in gegenwärtig gem zweyten; Theile nachhohlen. §. 2. Da ich in dem ersten Theile der Abhandlung bey der Erklärung der verschiedenen Gattungen des Contrapuncts nicht allein von drey-und vierstimmigen Doppelcontrapuncten gesprochen, sondern durch ein hinzugefügtes zu verstehen gegeben, daß es annoch Doppelcontrapuncte von mehrern als vier Stimmen gäbe: So ist dieser Ort nicht nur denjenigen Personen anstößig gewesen, die nur den doppelten Contrapunct im engen Verstande, d. i. einen der Verkehrung fähigen zweystimmigen Satz kennen: sondern es haben auch Leute von mehrer Einsicht dawider einwenden wollen, als wäre es nicht möglich, mehrere als vierSätze gegeneinander zu verwechseln, und folglich mit mehrern als vier Sätzen eine Doppelfuge zu componiren. Die ersten werden hiemit von der Möglichkeit drey-und vierdoppelt verkehrter Sätze durch genügsame Exempel überführet werden. Die leztern aber, ohne sie auf solche Werke zu verweisen, wo sie Fugen mit fünf, sechs und mehrern Subjecten finden können, werden nur gefraget, ob sie niemahls fünf-sechs-und mehrstimmige Zirkelcanons, und zwar besonders Canons von dieser Art in der Octave gesehen haben ? Sind denn da nicht so viele Sätze oderThemata vorhanden, als Stimmen der Canon hat? Das neue Thema fängt sich allezeit in der vorhergehenden Stimme an demjenigen Orte an, wo die folgende Stimme eintritt. Zum Beweise sehe man die bey Fig. 5. Tab. I. und bey Fig. 4. Tab. VI. befindlichen Canons. Die Anzahl der Intervallen, woraus der vollkommene Dreyklang und der Septimenaccord besteht, beweiset nichts. Man müßte sonst überhaupt nicht mit mehr als drey oder vier Stimmen componiren können. So wenig als nun in einer freyen Composition der obligate Satz

Vorläufige Erinnerungen.

3

Satz mit drey oder vier Stimmen aufhöret: So wenig hört er in der canonischen und contrapunctischen Schreibart damit auf. Wenn dieses oder jenes Intervall in einer sehr vielstimmigen Composition auch sechsmahl verdoppelt wäre: So nimmt ja hernach jede Stimme bey der Fortbewegung dieses Intervalls einm andern Gang, und daher entstehet die Verschiedenheit oder das Obligate der Stimmen. Wie es aber hier mit einem drey- oder vierstimmigen Canon zugehet: So geht es auch mit vielstimmigem Canons zu. Daß man aber insgemein nur mit zweyen, aufs höchste mit drey oder vier Thematen eine Fuge ausarbeitet, das rühret davon her, weil gar zu viele Themata dem Gehöre unfaßtich werden, und man lieber durch etwas weniger schwere Ausarbeitungen vergnügen, als durch zu viele Kunst undeutlich und dadurch verdrießlich werden will. Wir haben es also bey der Fortsetzung der Lehre vom doppelten Contrapunct (in weitläufigem Verstände)amit den dreyund vierdoppelten Verkehrungen einer Composition bewenden lassen, indem wir versichert sind, daß demjenigen, der den vierstimmigen Satz versteht, und diese Arten der Verkehrung derselben in seine Gewalt gebracht hat, es nicht schwer fallen wird, zur Lust oder Uebung weiter zu gehen, und fünf-sechssieben- ja mehrfache Contrapuncte so gut als einenzweystimmigen, und daraus eine Fuge von soviel Subjecten zu verfertigen. Es wird indessen anzurathen seyn, daß man zu bequemerer Handhabung der Sätze, zu Fugen mit mehrern Sätzen, allezeit eine Stimme mehr nimmt, als Sätze darin stecken. So wird z. B. eint Fuge mit vier Subjecten bequemer und besser fünf-oder gar sechsstimmig, als mit eben so viel Stimmen zu verfertigen seyn. Die übrigen Stimmen dienen alsdenn allezeit da, wo es nöthig ist, zur Füllung oder Bedeckung, zumahl da in dieser schweren Schreibart hin und wieder eine vollständige Harmonie vermißt, und die Terz insbesondere sehr oft verdoppelt wird. Doch wird dieser Mangel sowohl als das ausserordentliche in den Fortschreitungen, die man öfters wagen muß, durch die übrigen in dieser A 2 Schreibart

4

Vorläufige Erinnerungen.

Schreibart befindlichen Vorzüge genugsam ersetzet werden. Dieser Meinung sind Bononcini, Bernhardi, Theil, Stölzel und viele andere. §. 3. Da wir von jedem contrapunctischen Exempel nicht alle mögliche Verkehrungen zu Papiere gebracht: so ist dieses deswegen geschehen, weil gar zu vieler Raum dazu erfodert worden wäre, und weil man hernach nach Anleitung der vorhandnen Verkehrungen leichte die übrigen dazu finden kann. Es wird auch wohl manchesmahl am Schlusse eines Exempels in dieser oder jener Stimme ein gewisses Intervall, der guten Harmonie wegen, in mancher Verkehrung verändert werden müssen.Ich erinnere solches dieserwegen,daß man dieses etwan für keine Uebersicht halte. Da man im Lauffe der Fuge diesen oder jenen Satz, bey der Zusammenbringung derselben, nach Belieben abbrechen kann, indem ja ein Thema nicht braucht eben so lang zu seyn als das andere, und indem nicht alles bis zum Ende des lezten Satzes verkehrt werden darf, wie man zum Beweise dessen die Frescobaldischen, Frobergerischen und Bachischen Werke nachsehen kann: so haben wir allhier mit gleicher Freiheit zu verfahren, die Befugniß gehabt.Doch man wird nicht über drey Exempel finden, wo besagte Veränderung nöthig seyn wird. Daß die verschiedenen Sätze sowohl in Ansehung des Eintritts, wofern nicht andere Ursachen das Gegentheil hiebey veranlassen, als in Ansehung der Fortbewegung der Noten, soviel möglich von einander unterschieden seyn müssenist schon im ersten Theile gesaget worden, verdienet aber allhier aufs neue wiederhohlet zu werden. Uebrigens werden dieSätze nach ihren Eintritten gezählet, und ist der allezeit der erste, der in den übereinander gesezten Stimmen anfängt, der nachfolgende der zweyte, u. s. w. es siehe der Satz in was für einer Stimme er wolle. Das

5

Das erste Hauptstück. Von dem

dreydoppelten

Contrapunct.

§. i.

Wenn drey verschiedne Stimmen dergestalt unter einander verwechselt werden können, daß eine jede zur ersten, andern oder dritten werden kann, das ist, daß jede zum Diskant, zur Mittelstimme oder zum Basse werden kann: so nennet man eine solche Composition einen dreydoppelten oder dreyfachen Contrapunct. §. 2. Die Ausarbeitung eines solchen Contrapuncts kann entweder nach den Regeln des doppelten Contrapuncts in der Octave allein, oder zugleich nach andern Arten des doppelten Contrapuncts, d. i. vermischt geschehen. A 3

I. Abschnitt.

6 Das erste Hauptst. Vom dreydoppelten Contrap. I.Abschnitt. I.

Abschnitt.

Vom dreydoppelten Contrapunct in der Octave. §. i.

Eine

Stimme wird hier gegen die andere nach den Regeln des doppelten

v Contrapuncts in der Octave ausgearbeitet.

Es können also, ausser allen

consonirenden Sätzen, auch die dissonirenden darinnen statt finden.

Doch ist in

Ansehung der lezten dahin zu sehen, daß kein dissonirender Satz zum Vorschein komme, der in der Verkehrung eine ungeschickte Gestalt erhalte, z. B. der Nonenaccord. Ferner kann keine Partie gegen die andere zwey Quarten hintereinander machen, weil die Quarten zu Quinten werden; und daß die Quinte nicht anders als eine Dissonanz gehandhabet werden müsse, weil in der Verkehrung die Quarte daraus entsteht, erfordert die Strenge der har­ monischen Regeln. Doch es brauchts dieser Erinnerungen nicht, wenn man weiß, daß eine Stimme gegen die andere durchaus nach dem Contrapunct in der Octave gesetzet werden müsse. §. 2. Jeder nach der Strenge ausgearbeiteter Satz leidet sechs Versetzungen, worunter die drey ersten als Hauptversetzungen, die übrigen drey als Nebenversetzungen anzusehen sind. Man kann sich die drey Hauptversetzungen in folgenden Zahlen, die, wie man siehet, auf die Stimmen, nicht aber auf die Sätze weisen, vorstellen. Erste Haupversetzung

1.Diskant. 2. Mittelstimme. 3. Baß. Zweyte

Das ersteHauptst. Vom dreydoppelten Contrap. I.Abschnitt. 7 3. Baß. Zweyte Hauptversetzung

1. Diskant, 2. Mittelstimme. 2. Mittelstimme,

Dritte Hauptversetzung

3. Baß. 1. Diskant.

Jede von diesen Hauptversetzungen hat eine Nebenversetzung, die man erhält, (1) wenn bey bleibendem Basse die höchste und mittelste Stimme 2. Mittelstimme, unter sich verwechselt werden, als: 1. Diskant. 3. Baß. (2) wenn bey bleibender Mittelstimme die höchste und die tiefste unter 1. Diskant, sich verwechselt werden, als: 3. Baß. 2. Mittelstimme. (3) wenn bey bleibendem Diskant die mittelste und tiefste Stimme 3. Baß. unter sich versetzet werden, als: 2. Mittelstimme. 1. Diskant. Hier folgen einige Exempel. Erstes Exempel. Die Hauptcomposition steht Tab. I. Fig. 1. und Fig. 2. und 3. enthalten die Verkehrungen derselben. Da nun jede Figur die Hauptcomposition abgeben kann, und eine gegen die andere alsdenn eine Hauptversetzung ausmachet: so kann man allhier in einem Augenblicke die drey möglichen Hauptverkeh-

8 Das ersteHauptst. Vomdreydoppelten Contrapunct.I. Abschnitt. verkehrungen eines dreyfachen Satzes übersehen. Die Nebenversetzungen kann man nach vorgegebner Anleitung selbst machen. Zweytes Exempel. Die drey Sätze hiezu stehn Tab. l. Fig. 4. und siehet man solche mit ihren Hauptverkehrungen bey der folgenden Fig. 5. mit einem wenigen Zusatz in einen Canon in der Octave gebracht. Wer es versuchen will, kann nach dieser Art sowohl das vorhergehende als die folgenden Exempel dreyfacher Sätze von dieser Art zu seiner Uebung in einen Canon bringen. Es ist gleich viel, mit welchem Satze derselbe anhebe, mit dem ersten, zweyten oder dritten, wenn nur die folgende Stimme der vorhergehenden auf eine ähnliche Art nachfolget, und die Sätze einer reinen Verkehrung fähig sind. Daß die Zusätze ebenfals eine reine Verkehrung zulassen müssen, versteht sich von selbst. Drittes Exempel. Man findet solches bey Fig. 6. Tab. I. und die Verkehrungen bey Fig. 7. dieser Tabelle, und bey Fig 1. der folgenden Tab. II. Viertes Exempel. Dieses steht Tab. II. Fig. 2. und bey Fig. 3. und 4. hat man die Verkehrung. In allen diesen Exempeln siehet man, daß die höchste zur mittelsten und tiefsten, die mittelste zur höchsten und tiefsten, und die tiefste zur höchsten und mittelsten wird. Anmerkung. Man pfleget öfters den dreydoppelten Contrapunct von dieser Gattung mit einer tiefen Nebenstimme, und folglich vierstimmig auszuarbeiten. Hier

Das erste Hauptst. Vom dreydoppelten Contrap. II. Abschnitt. 9 Hier braucht es der Vorsicht mit der Quinte in den drey contrapunctirenden obersten Stimmen nicht, und wird selbige ordentlich gebrauchet. Doch hat man sich darinnen vor zwey Quarten hintereinander zu hüten, weil sie in der Verwechselung dieser drey Stimmen unter sich zu zwey Quinten werden. Hingegen können hier nunmehr alle Arten dissonirender Sätze ohne Unterscheid, Nonenaccorde u. d. g. mehr ohne Gefahr und vortheilhaft gebraucht werden, weil das Fundament unver-rückt stehen bleibt. Man sehe hievon ein Exempel Tab. V. Fig. 2. Die Verkehrungen hat man zur Ersparung des Raumes weggelassen. Ein jeder kann sie nach Belieben zu seiner eignen Uebung selbst versuchen. Doch werden nur, wohl gemerkt, die drey obersten Stimmen nach vorgegebner Anleitung unter sich verwechselt, und bleibt die tiefe Nebenstimme, die unter besagter Figur mit Basius Continuus bezeichnet steht, bey jeder Verwechselung an seinem Orte, so wie man in einem Exempel von gleicher Art bey Fig. 2. Tab. XXXI. sehen kann. II.

Abschnitt.

Vom vermischten dreydoppelten Contrapuncte. in vermischter dreydoppelter Contrapunct heißt diejenige Composition, die nicht allein ad Octavam, sondern auch nach andern Gattun­ gen des doppelten Contrapuncts verkehret werden kann. Da es nun ausser dem Contrapunct in der Octave noch sechs andere Gattungen des doppelten Contrapuncts giebt, wie aus dem ersten Theile der Abhandlung bekannt ist, und wovon bald diese, bald jene mit der andern vermischet werden kann: so siehet man zwar hieraus leicht, das es gar vielerley Arten des vermischten dreydoppelten Contrapuncts geben könne. Es ist aber die eine Vermischung nicht allezeit so geschickt als die andere, wenn der Satz einenguten natürlichen Gesang und eine ungezwungne Harmonie haben soll. Wir Abh. von der Fuge II. Theil. B überlassen

10Das erste Hauptst. Vom dreydoppelten Contrap. II. Abschnitt. überlassen es also einem Liebhaber, allerhand Arten der Vermischung zu wagen, und begnügen uns, demselben folgende zwey Arten als die bequemsten zur Probe vorzulegen. Wenn darinnen nicht alle Exempel der vorher erklärten sechsfachen Verkehrung ad Octavam fähig sind: so ist dieses erstlich nicht nöthig, weil man dieser sechsfachen Verkehrung nicht allezeit bedarf, und fürs andere, so ist dieser Mamgel durch die Verkehrungen nach andern Contrapuncten ersetzet. Erste Art. Man componirt zuförderst einen solchen consonirenden zweystimmigen Satz, der vermittelst einer zugefügten Terz, wie im ersten Theile gelehret worden, dreystimmig gemachet werden kann. Ob die Hauptcomposition nun nach dem doppelten Contrapuncte in der Octave, der Decime oder Duodecime oder gar nach andern geschehe, ist einerley, wie man im fünften Hauptstück dieses Theiles zur Gnüge sehen wird. Doch sind die Verkehrungen in der Folge auch darnach einzurichten. Indessen ist es am leichtesten, wenn man den Contrapunct in der Octave zum Grunde leget, und die Terzen entweder über die höchste oder über die tiefste Stimme hinzuthut. Diese hinzugefügte Stimme wird nun nachhero durch allerhand melodische Figuren aus der Setzkunst, worin aber die erste und lezte Note einer Figur allezeit, nach Vorschrift der Grundcomposition, einerley seyn müssen, von derjenigen, von der sie entspringet, unterschieden. Man kann hin und wieder, wenn man will, eine kleine Pause anbringen. Man kann die Terzen in Decimen und Sexten verändern. Aus einer grössern Note macht man soviel kleinere als es dem Wehrte nach nöthig ist, und dadurch unterscheidet man alsdenn einen Satz von dem andern, ob sie beyde im Grunde gleich einerley sind. Folgendes Exempel wird die Sache deutlicher machen. Die Hauptcomposition steht Tab. LV, Fig. 3. und machen die unterste und mittelste Stimm einen der Verkehrung

Das erste Haupst. Vom dreydoppelten Contrap. 17. Abschnitt, 11 Verkehrung ad Octavam fähigen Hauptsatz aus. Die oberste Stimme läuft Terzenweise mit der mittelsten mit. Diese oberste und mittelste Stimme sind der Verkehrung ad Duodecimam und Octavam fähig. Die mittelste und unterste, ingleichen die oberste und unterste gestatten eine Verwechselung ad Decimam, und ferner die oberste und unterste eine Verwechselung ad Duodecimam unter sich, wie ein jeder dieses gleich mit den Augen übersehen kann. Es sind also drey Contrapuncte in diesem Satze enthalten. Hieraus entsteht nun der bey Fig. 1.Tab. V. befindliche dreydoppelteSatz, welcher hieselbst in einer vierfachen Versetzung erscheinet. Zuförderst siehet man die Hauptcomposition, wo der erste Satz unten, der zweyte oben und der dritte in der Mitte stehet. Bey (a) ist darauf das zweyte Thema eine Duodecime tiefer verkehret worden. Bey (b) ist eine Versetzung ad Octavam, und bey (c) wo das dritte Thema eine Terz erhöhet, und das zweyte eine Decime erniedrigt wird, mögte man zwar dem Anscheine nach eine Verkehrung ad Decimam schliessen. Es ist aber solche nicht vorhanden. Denn die Intervallen kommen ad Duodecimam oder Quintam zu stehen, indem der Einklang in die Quinte und die Secunde in die Quarte verändert wird. Die Verkehrung ad Decimam kann auch zwischen diesen beyden Stimmen nicht stattfinden, indem die Terzen zu Octaven werden würden. Hingegen ist das erste Thema gegen das dritte der Verkehrung ad Decimam fähig, und wie die drey Sätze aldenn gegen einander stehen würden, ist bey Fig. 4. Tab. LV. zu ersehen. Man siehet hieselbst aber, daß das dritte Thema in die tiefe Decime, mit dem aber zugleich das zweyte eine Terz heruntergesetzet worden ist. Das erste Thema hingegen behält seine Intervallen, und wird nur eine Octave erhöhet. Die Veränderung einiger Intervallen durch die Erniedrigungszeichen wird einen sowenig befremden, als es bey der Versetzung ad Duodecimam geschehen seyn kann, wo ebenfals die halben und ganzen Töne des Satzes

nicht

nachgemachet werden B 2

können.

Doch diese Verän-

12 Das erste Hauptst. Vom dreydoppelten Contrap. II. Abschnitt. Veränderungen sind bekannt.

aus der Lehre des doppelten Contrapuncts schon

Will man nun einen solchen dreydoppelten Contrapunct verfertigen: so entwerfe man, wie gesagt, zuförderst einen simpeln zweystimmigen Satz ad Octavam. Man nehme keine Intervallen, wovon die hinzufügende Terz mit der andern Partie dissoniren mögte. Man verhüte, daß nicht zwey Consonanzen von einer Art in gerader Bewegung auf einander folgen. Ist dieses geschehen, so versuche man die Verkehrung der Stimmen ad Octavam, Decimam und Duodecimam zwey- und dreystimmig. Die besten darunter behält man zur Fuge, indem sie nicht allezeit alle von gleicher Güte seyn können, wiewohl man diesem Mangel durch eine Füllstimme abhelfen kann. Alsdenn aber setzet man auch die Blumen hinzu, und suchet auf vorerklärte Art einen Satz von dem andern zu unterscheiden. Man brauchet bey dieser Uebung und Untersuchung die Sätze nicht, wie hier geschehen, an einander zu hängen. Man kann es damit, wie mit den vorigen Exempeln machen, und so wie man in dem folgenden Hauptstücke einen vierdoppelten Contrapunct von dieser Gattung finden wird. Zweyte Art. Diese gründet sich ebenfals auf keine andere doppelten Contrapuncte als die vorige. Sie wird aber auf eine andere Art darnach ausgearbeitet. Die Dissonanzen werden zwar hier nicht ganz und gar ausgeschlossen. Je consonirender aber die Sätze sind, desto bequemer und desto öfter können sie verkehret werden. Jede Stimme muß zuförderst gegen die andere ad Octavam verfertiget werden. Zwey Stimmen aber müssen besonders unter sich der Verkehrung ad Duodecimam, und, wenn man will, auch ad Decimam zugleich fähig seyn. Erstes

Das erste Hauptst. Vom dreydoppelten Contrap. II. Abschnitt. 13 Erstes Exempel. Davon steht die Hauptcomposition Tab. II. Fig. 5. Ad Ocravam sind alle Stimmen gegeneinander gesetzt, und ad Duodecimam kann die unterste gegen die mittelste und höchste, ingleichen die mittelste gegen die höchste verwechselt werden; (die Sexten zwischen der mittelsten und höchsten verdienen hier keine Aufmerksamkeit.) Es kann dieser dreydoppelte Satz folglich nach allen beyden Contrapuncten verkehret werden. Man sieht ihn zuerst ad Octavam bey Fig. 6. und 7. Tab. II. Bey Fig.8. wird der dritte Satz in die höhere Duodecime, und bey Fig. 9. der erste Satz in die tiefere Duodecime verkehret. Die übrigen Sätze bleiben, ob sie gleich in andereStimmen versetzet werden.Bey Fig. 10. sind zwey Sätze zugleich in die Duodecime verkehret worden, nemlich der erste und andere, und eben dieses geschieht bey Fig. 11. mit dem zweyten und dritten Satze. Der erste aber bleibt, ob er gleich in eine andere Stimme versetzet worden. Zweytes Exempel. Es steht solches Tab. III. Fig. 1. Ad Octavam ist hier zuförderst jede Stimme gegen die andere gesetzet. Daher kommen die Verkehrungen bey Fig. 2. und 3. Ad Duodecimam steht der zweyte Satz im Basse gegen die übrigen. Daher kömmt die Verkehrung bey Fig. 4. wo der Baß zum Diskante gemacht und in die höhere Duodecime versetzet wird. Bey Fig. 5. ist der Diskant vermittelst der Verkehrung in die tiefere Duodecime zum Basse gemacht, mit dem aber zugleich die Mittelstimme eine Quinte tiefer versetzet worden. Denn da sich zwischen der obersten und mittelsten Stimme bey Fig. 1. Sexten finden, diese aber nur unter gewissen Bedingungen, die hier nicht statt finden, im Contrapunct ad Duodecimam gebraucht werden könB 3 nen:

14 Das erste Hauptst. Vomdreydoppelten Contrap.II. Abschnitt. nen: so war diese Veränderung der Mittelstimme nöthig, und dadurch kommen diese beyden Sätze, der erste und dritte, nunmehr ad Octavam unter sich zu stehen, wie man aus der Vergleichung der Intervallen sehen kann. Denn die Sexten zwischen dem ersten und dritten Satz bey Fig. 1. werden bey Fig. 5. zu Terzen u. s. w. Ad Decimam sind endlich die oberste und tiefste Stimme aus der Hauptcomposition gegen einander gesetzet, und daraus entspringen die Verkehrungen bey Fig. 6. und 7. Tab. III. allwo man um die Verkehrung zu finden, von denen auf dem obersten System zusammengeschriebnen zweyenStimmen, die oberste wegthun muß. Diese vier Stimmen aber sind deswegen zusammengeschrieben worden, damit man sehe, wie ein solcher dreydoppelter Satz vermittelst einer zugefugten Terz,auch vierstimmig kön­ ne ausgeübet werden. Der Augenschein giebt es dabey, daß das ersteQuattuor bey Fig.6.aus der vorhergehenden Fig. 4. und das lezte aus Fig. 5. entspringet. Die harmonischen Freiheiten hieselbst, und an ähnlichen Oertern getraue ich mir sowol mit Gründen als mit dem Ansehen grosser Manner zu verantworten, wenn ich etwann sollte zur Rechenschaft gefordert werden, welches ich zum voraus insbesondere gegen diejenigen erinnern wlll, die den Contrapunct erst aus meinem Buche lernen werden, um mich hernach zu beurtheilen, ob ich ihn auch recht gelehret. Drittes Exempel. Dieses steht bey Fig.8. Tab. III. Ad Octavam ist solches verkehrt bey der folgenden Fig. 9. Ad Duodecimam steht der Baß gegen die mittlere und höchste Stimme. Die Probe davon giebt die Verkehrung bey Fig. 1.Tab. IV. wo der Baß vermittelst der Verkehrung in die höhere Duodecime zum Diskante wird. BeyFig.2.Tab.IV. wird der Diskant vermittelst derVerkehrung in die tiefere Duodecime zum Basse, und da der zweyte und dritte Satz in der Hauptcomposition

Das erste Hauptst. Vom dreydoppelten Contrap. II. Abschnitt. 15 position Sexten gegeneinander haben, so wird der zweyte Satz, damit er mit dem dritten allhier wieder harmoniren könne, zugleich mit versetzet, und zwar eine Quarte höher, ob es auch gleich eine Quinte tiefer hätte geschehen können, wodurch denn diese beyde Stimmen, die den zweyten und dritten Satz haben, ad Octavam unter sich zu stehen kommen. Ad Decimam stehet in der Hauptcomposition die mittlere gegen die höchste Stimme. Den Beweiß davon findet man bey Fig. 3. Tab. IV. wo der Diskant vermittelst der Verkehrung in die tiefere Decime zum Basse wird. Wenn der Diskant nun zugleich mit seinen ordentlichen Intervallen wiederhohlet wird, so wird der Satz dadurch vierstimmig, wie man bey besagter Figur siehet. Viertes Exempel. Dieses legt uns dar Fig. 4. Tab. IV. Es ist hier erstlich zu merken, daß nur der zweyte und dritte Satz eigentlich ad Octavam stehen, nicht aber die übrigen gegeneinander, wie man aus den vorhandnen Intervallen der Quinte sehen kann. Man kann also nicht viele Verkehrungen ad Octavam haben. Man sehe eine bey der Fig. 5. Tab. IV. Ad Duodecimam stehet dieses Exempel bey der darauf folgenden Fig. 6. bey der die. tiefste Stimme der Hauptcomposition durch die Verkehrung in die höhere Duodecimam zur höchsten Stimme geworden. Bey Fig. 7. ist dieser Proceß umgekehret, und die höchste Stimme durch die Verkehrung in die tiefe Duodecime zum Basse geworden. Es muß sichaber zu gleicher Zeit der zweyte Satz der Verkehrung unterwerfen, und geschicht selbige allhier eine Quarte höher, ob sie gleich ebenfals eine Quinte tiefer geschehen kann. Diese Verkehrung war deswegen nöthig , weil sonst der zweyte und dritte Satz nicht würden harmoniret haben, indem sie, wie man bey Fig. 4. aus den zwischen ihnen befindlichen Sexten sieht, nicht nach dem Contrapunct in der Duodecime gegeneinander verfertigt sind. Hier bey Fig. 7. kommen also diese beyden Sätze,

16 Das zweyte Hauptst. Vom vierdoppelten Contrapunct. Sätze, vermittelst vorgedachter Verkehrung, unter sich ad Octavam zu stehen. Vierstimmig sieht man dieses Exempel bey Fig. 8. allwo die vierte hinzugefügte Stimme, die gerade die tiefste auf dem mit dem Altschlüssel bezeichneten System ist, sich auf den doppelten Contrapunct in der Decime gründet. Man nehme den Diskant oder den dritten Satz von Fig. 4. und setze denselben gegen die beyden andern Sätze eine Decime herunter, um es deutlicher einzusehen. Anmerkung. Aus allen itzt erklärten Exempeln siehet man übrigens, daß die einzigen Intervallen, deren man sich in dieser zweyten Art des dreydoppelten vermischten Contrapuncts bequem bedienen kann, die Terz und Octave in allen Stimmen, und nachdem die Quinte und Sexte in gewissen Stimmen sind. Die Seprimegehtauf dieArt, wie sie bey Fig. 1. Tab. 111. gebraucht ist, recht wohl, aber wenn keine gute Verkehrung daraus entsteht, so läßt man sie lieber weg. Bey den alten Contrapunctisten findet man insgemein nichts als consonirende Sätze, und diese sind leichter und bequemer zur Verkehrung.

Das zweyte Hauptstück. Vom

Wenn

vierdoppelten

Contrapunct.

§. 1.

vier unterschiede Stimmen dergestalt untereinander verkehret werden können, daß eine jede zur ersten, zweyten, dritten oder vierten, d.i. zum Diskant, Alt, Tenor oder Basse werden kann: so nennet man solche Composition einen vierdoppelren oder vierfachen Contrapunct. §. 2.

Das zweyte Hauptst. Vom vierdoppelten Contrap.I.Abschnitt. 17 §. 2. Die Ausarbeitung eines solchen Contrapuncts kann entweder nach den Regeln des doppelten Contrapuncts in der Octave allein, oder zugleich nach andern Acren des doppelten Contrapuncts und also vermischt geschehen. I. Abschnitt. Vom vierdoppelten Contrapunct in der Octave.

Es

wird mit der Verfertigung dieses vierdoppelten Satzes gerade als mit

dem dreydoppelten gehalten. Eine Stimme muß gegen die andere ad Octavam stehen, und finden also nicht allein consonirende, sondern auch dissonirende Sätze darinnen statt. Doch muß man solche Dissonanzen verhüten, die in der Umkehrung das musikalische Bürgerrecht in dieser Schreibart noch nicht erhalten haben. Keine Partie darf gegen die andern zwey Quarten hintereinander machen, weil daraus Quinten werden; und die Quinte kann nicht anders als eine Dissonanz gehandhabet werden, weil sie in der Umkehrung zur Quarte wird, die nach der Strenge der harmonischen Regeln einer Vorbereitung und Auflösung bedarf. Doch alles dieses ist schon aus der Lehre vom doppelten Contrapunct bekannt. Uebrigens ist jeder nach allen Regeln ausgearbeiteter vierdoppelter Satz von dieser Art einer vier und zwanzigfachen Verkehrung fähig, worunter gleichwohl die vier ersten nur Hauptversetzungen, die übrigen zwanzig aber Nebenversetzungen sind. Man kann sich die vier Hauptversetzungen in folgenden Zahlen vorstellen, wovon die 1.den Diskant, die 2. den Alt, die 3. den Tenor und die 4. den Baß, nicht aber die Themata anzeiget, es müßten denn die Sätze in der Hauptcomposition so stehen, daß der erste im Diskant, der zweyte im Alte, der dritte im Tenor und der vierte im Basse wäre. Es Abh. von der Fuge. II. Theil. C werden

18Das zweyte Hauptst.Vom vierdoppelten Contrap. I.Abschnitt. werden aber die Sätze, die nach einander eintreten, wie schon gesagt, nach der Ordnung ihrer Eintritte gezählet. Hauptversetzungen. Die erste.

Die zweyte

1. 2. 3. 4.

Die dritte.

4. 1. 2. 3.

Die vierte.

3. 4. 1. 2.

2. 3. 4. 1.

Jede dieser vier Hauptversetzungen hat fünf Nebenversetzungen, als: (1) wenn bey bleibendem Basse die drey übrigen, wie folget, unteremander versetzet werden. (1) Nebenv. (2) Nebenv. (3) Nebenv. (4) Nebenv. (5) Nebenv. 3. I. 2. 4.

2. 1. 3.

1.

3. 1.

3. 2. 1.

4.

4.

4.

4.

2.

32.

(2) wenn bey bleibendem Tenore die drey übrigen Stimmen, wie folget untereinander verwechselt werden. (1) Nebenv. (2) Nebenv. (3) Nebenv. (4) Nebenv. (5) Nebenv. 1. 2. 4. 3.

1.

2.

4. 2.

4. 1.

4. 2. 1.

3.

3.

3.

2. 1. 43. (3) wenn

I. Abschnitt.

Das zweyte Hauptst.Vom vierdoppelten Contrap.

19

(3) wenn bey bleibendem Alte die drey übrigen Stimmen folgendergestalt unter sich verwechselt werden. (1) Nebenv. (2) Nebenv. (3) Nebenv. (4) Nebenv. (5) Nebenv. 3. 1. 4. 2.

1.

1.

4. 3. 2.

3.

4. 1.

4. 2.

3. 2.

4. 3. 1. 2.

(4) wenn bey bleibendem Diskante die drey übrigen Stimmen folgendergestalt unter sich verwechselt werden: (1) Nebenv. (2) Nebenv. (3) Nebenv. (4) Nebenv. (5) Nebenv. 2. 4. 3. 1.

4. 3. 2. 1.

4. 2. z. 1.

3. 4. 2. 1.

z. 2. 41.

Es ist aber im geringsten nicht nöthig, daß ein vierdoppelter Satz allezeit alle vier Hauptversetzungen zulasse. Er bleibet allezeit ein guter brauchbarer contrapunctischer Satz, wenn er auch nur zwey Verkehrungen hat. So lange aber als man etwas zur blossen Uebung macht, so ist es gut, die Intervallen so zu stellen, daß alle vier Hauptverkehrungen herauskommen; denn wo diese vorhanden sind, da hat man zugleich alle zwanzig Nebenversetzungen, und mehrere sind von einem solchen Satze ad Octavam nicht möglich. Erstes Exempel. Selbiges fänget Tab. V. Fig. 4. an, und endigt sich auf der folgenden Tabelle. Die Melodie und Bewegung, wodurch sich ein Satz von dem anC 2 dern

2o Das zweyte Hauptst. Vomvierdoppelten Contrap. I.Abschnitt. dern unterscheidet, fällt nebst den verschiednen Eintritten sogleich in die Augen. Wer Lust hat, kann den hier befindlichen Verkehrungen, die man Tab. VI. Fig. 1.2. und 3. findet, und die, indem eine jede die Hauptcomposition seyn kann, mit der Fig. 4. der vorigen Tabelle, die vier Hauptverkehrungen dieses Contrapuncts ausmachen, die zwanzig übrigen Nebenversetzungen zur Uebung hinzufügen. Zweytes Exempel. Solches leget uns Fig. 4. Tab. VI. und der Anfang der folgenden Tabelle VII. in einem Zirkelcanon in der Octave dar. Man kann zuförderst die vier Themata für sich bey Fig. 1. Tab. Vll. betrachten, um alsdenn die Art, wie man einen Canon daraus machen kann, und die Verkehrungen der Sätze desto besser hernach zu prüfen. Drittes Exempel. Dieses ist Tab. IX. fig. 3. zu finden, und ebenfals aller vier und zwanzig Versetzungen fähig, wie man nach Anleitung voriger Exempel die Probe damit machen kann. Anmerkung. Wenn man diesen vierdoppelten Contrapunct mit einer tiefen Nebenstimme bedecken, und folglich fünfstimmig ausarbeiten will : so wird die Verfertigung desselben leichter seyn. Die Grundstimme bleibt alsdenn unverrückt an ihrem Orte, ohne in eine andere Stimme versetzet zu werden, und werden die vier übrigen Stimmen bloß unter sich derwechselt. Hier braucht es alsdenn der Vorsicht mit der Quinte nicht. Doch müssen allezeit zwey Quarten hintereinander vermieden werden. Man hat aber den Vortheil dafür, daß man alle Arten dissonirender Sätze

Das zweyte Hauptst. Vom vierdoppelten Contrap. II.Abschnitt. 21 Sätze ohne Unterscheid, Nonenaccorde und dergleichen , ohne Gefahr brauchen kann, indem die stehenbleibende Grundstimme die Reinigkeit und gute Harmonie des Satzes erhält. Wir geben hiervon das Tab. V. fig. 3. befindliche Exempel, davon sich die vier obersten Stimmen, bey unverrücktem Basse, vier und zwanzigmahl verändern lassen.

II.

Abschnitt.

Vom vermischten vierdoppelten Contrapunct.

Ein

vermischter vierdoppelter Contrapunct heißt diejenige Composition, die nicht allein ad Octavam, sondern nach andern Contrapuncten ebenfals verkehret werden kan. Da es mit dessen verschiedenen Gattungen, so wie mit dem dreydoppelten Contrapuncte von dieser Art beschaffen ist: so beziehen wir uns auf das was hievon im vorhergehenden Hauptstücke gesagt ist, und tragen nur allhier folgende zwey Arten vor. Erste Art. Man componirt zuförderst einen simpeln zweystimmigen consonirenden Satz, nach demjenigen Contrapunct, der aus einem Duo ein Quatuor machet, und untersuchet, wenn dieses geschehen, desselben Verkehrung. Darauf unterscheidet man die beyden zugefügten Stimmen auf oben beschriebne Art von einander, und alsdenn ist der vierdoppelte Satz fertig. Zum Exempel sehe man Fig.8. Tab. IX. allwo die oberste und unterste Stimme die zweystimmige Hauptcomposition enthalten, und die beyden mittelsten Stimmen die Terzenweise zugefügten Stimmen sind, wie man aus den Ziefern,womit die Ordnung der Sätze angedeutet ist, sehen kann. Da die höchste Stimme ihre Terz unterwärts, und die unterste ihre Terz oberwärts erhält,(welche Terzen doch allhier sogleich in Decimen verwandelt sind): so siehet man, daß die C3 Haupt-

22 DaszweyteHauptst. Vom vierdoppelten Contrap. II.Abschnitt. Hauptcomposition ad Duodecimamist,und verweisen wir allenfals den Leser auf dieLehre vom doppelten Contrapuncte in der Duodecime zurück um sich dessen zu vergewissern, wiewohl man, wenn man zwey andere Stimmen zur Hauptcom­ position annehmen will, man den Proceß auch ad Decimamoder Octavam zurücke führen kann. Es ist einerley. Daß in der nunmehro hier befindlichen vierstimmigen Composition so wohl der erste und dritte, als der zweyte und vierte Satz, so gut als der erste-und zweyte, oder der dritte und vierte ad Duodecimam versetzet werden können, wird man bey der Untersuchung wahrnehmen. Der Verkehrung ad Octavam sind fähig, der erste und vierte Satz, der dritte und zweyte, ferner der zweyte und vierte, und der erste und dritte. (Man merke wohl, daß wir allezeit von Sätzen und nicht von Stimmen sprechen.) Der Versetzung ad Decimam sind fähig der erste und zweyte, ferner der dritte und vierte, und hierinnen ist der Grund der Terzen oder Decimenweise zugefügten Stimmen enthalten. Es sind also drey Contrapuncte in diesem Exempel enthalten. Man findet selbiges mit den nöthigen melodischen Veränderungen bey Fig. 4. Tab. IX. zum vierdoppelten Hauptsatze veste gestellet. Darauf wird derselbe bey Fig. 5. zuförderst ad Octavam dergestalt versetzet, daß die höchste Stimme zur tiefsten, die tiefste zur höchsten, die zweyte zur dritten und die dritte zur zweyten geworden. Bey Fig. 6. wird die zweyte Stimme (allezeit von oben an gerechnet) vermittelst der Verkehrung in die tiefe Duodecime zum Basse, die höchste zur zweyten, der Baß zur dritten, und die dritte zur höchsten, jedoch mit einer Versetzung in die höhere Undecime. Bey Fig. 7. wird die oberste zur dritten und die tiefste zur zweyten Stimme. Die dritte Stimme wird zum Basse, jedoch mit einer Versetzung in die Unterquinte, und die zweyte Stimme wird zum Diskant, jedoch mit einer Verkehrung in die Oberundecime. Auf eine ähnliche Art lässet sich die vierfache Composition bey Fig. 1. Tab. X verkehren, als welches man zur Ersparung des Raumes allhier zu thun

Das zweyte Hauptst.Vom vierdoppeltenContrap. II. Abschnitt. 23 thun unterlassen hat. Man kann übrigens hiebey zurücke lesen, was im vorhergehenden Hauptstücke von der Verfertigung eines dreydoppelten Contrapuncts von dieser Art gesagt ist. Zweyte Art. Die leichteste und bequemste ist, die verschiednen Sätze dergestalt übereinander zu bauen, a) daß der Baß gegen alle Stimmen, und folglich umgekehrt alle Stim­ men gegen den Baß nach dem doppelten Contrapunct in der Octave gegen einander können versetzet werden. ß) Daß der Diskant gegen den Alt, und umgekehrt der Alt gegen den Diskant der Versetzung ad Duodecimam unter sich fähig sey. Aus der Beobachtung dieser beyden Stücke nach der Strenge entspringet der beste verdoppelte Contrapunct, wie man aus dem bey Fig. 2. Tab. VII. befindlichen Exempel sehen wird, welches seiner häufigen Verkehrungen ungeachtet keinem freyen Satze an Biegsamkeit und fliessenden Wesen bey aller darinnen steckenden Harmonie, so wenig als das Tab. V. Fig.4. gegebene, etwas nachgeben wird. Es kann aber dasselbe über vier und vierzig mahl verkehret werden. Die vier Hauptverkehrungen ad Octavam sind bey Fig. 3. 4. und 5. in Vergleichung mit Fig. 2. auf dieser Tab. VII. zu ersehen. Wie man die zwanzig Nebenverkehrungen dazu finden könne, ist bekannt. Ad Duodecimam findet man dieses Exempel bey Fig. 1. Tab. Vlll. allwo der Baß vermittelst der Verkehrung in die höhere Duodecime zum Diskante wird, die übrigen Sätze aber bleiben, ob sie gleich in andere Stimmen versetzet sind. Diese Figur lässet nun wieder bey bleibendem Basse, mit blosser Verkehrung der drey Oberstimmen, sechs Verkehrungen zu, welches also schon dreyßig Veränderungen machet. Will man hernach die beyden Mittelstimmen wechselsweise zum Basse nehmen, und die erste und tiefste wechselsweise in die Mitte

24 Das zweyte Hauptst.Vom vierdoppelten Contrap. II.Abschnitt. Mitte bringen: so hat man nach vier Veränderungen mehr und also nunmehr ihrer vier und dreyßig an die Zahl. Wir gehen zur Fig. 2. Tab. VIII. wo zwar alle Sätze in ihrer Stimme bleiben, so wie in der Hauptcomposition wo aber ihrer drey zugleich in andere Intervallen versetzet werden. Der Diskant nemlich, der Tenor und der Baß werden eine Quarte höher versetzet, und behält der einzige Alt seine Intervallen. Diese Figur ist nun wiederum, bey bleibendem Fundamente, der sechs bekannten Versetzungen zwischen den drey obersten Stimmen fähig, welches denn nunmehro schon vierzig Verän­ derungen macht. Da nun ebenfals sowohl der Diskant als die dritte Stimme oder der Tenor, der hieselbst den Altschlüssel hat, wechselsweise zum Basse dienen kann, und dagegen die beyden übrigen Stimmen in der Mitte wechselsweise erscheinen können: so hat man wieder vier Veränderungen, deren Anzahl sich nunmehr auf vier und vierzig beläuft. Es sollte uns leichte fallen, noch ein Duzend reiner Verkehrungen, wo nicht mehrere, hinzufügen. Diese aber wollen wir dem Nachdencken des Kunstverständigen überlassen. Wer so weit ist, daß er diese versteht, dem wird es nicht schwer fallen, die übrigen dazu zu finden; dem Unwissenden aber würde auch mit der Erklärung wenig gedienet seyn. Wir gehen zu einem andern Exempel eines vermischten verdoppelten Contrapuncts. Dieses steht Tab. Vlll. Fig. 3, welches zwar ebenfals ad Octavam und Duodecimam, aber mit mehrer Freiheit, componirt ist; (welche Stimmen aber nach diesen beyden Contrapuncten gesetzet sind, wird man leichte selbsten finden können.) Es verträget dieserwegen und zwar besonders wegen des darinnen befindlichen Nonensatzes nicht die Hauptverkehrungen ad Octavam, sondern nur einige Nebenverkehrungen. Man lässet nemlich den Baß an seinem Orte, und verwechselt die drey obersten Stimmen unter sich allein. Bey der Versetzung ad Duodecimam Fig. 4. Tab. Vlll. wo der Baß

Das zweyte Hauptst. Vom vierdoppelten Contrap.II. Abschnitt 25 Baß zum Diskant gemacht, und in die Oberduodecime verkehret wird, mußte auch zugleich der Diskant und zwar eine Quarte tiefer mit verkehret werden, weil sie der Verkehrung ad Duodecimam unter sich nicht fähig sind. Durch diese Veränderung aber kommen sie nunmehr ad Octavam unter sich zu stehen, wie aus der Vergleichung der beyden Partien erhellet, da z. B. aus den Sexten, die das erste und zweyte Thema bey Fig. 3. unter sich machen, bey Fig. 4. Terzenwerden, u. s. w. Diese Fig. 4. lässet verschiedne Verkehrungen ad Octavam zu, die wir Raums wegen allhier übergehen, um ein drittes Exempel anzusehen. Dieses steht Tab. VIII Fig. 5. wo wegen der darinnen befindlichen Intervallen der Quarte und Quinte nicht alle Stimmen zum Grunde gesetzet werden können, und wo man folglich zu den Nebenverkehrungen seine Zuflucht nehmen muß. Eine Hauptverkehrung ad Octavam sehe man Tab. IX, Fig.1. Bey der folgenden Fig. 2. findet sich eineVerkehrung in die tiefere Decime, worin nemlich die dritte Stimme aus der Hauptcomposition verän­ dert wird. Indem aber der dritte und vierte Satz in der Hauptcomposition hin und wieder in Terzen fortgehen, und solche folglich nicht ad Decimam verkehret werden können: so wird der vierte Satz zugleich eine Sexte erhöhet, durch welches Verfahren die Intervallen so wie zuvor einerley bleiben. Anmerkung. Man sieht aus den vorhergehenden Exempeln, daß es bey der Verfertigung eines vermischten vierdoppelten Contrapuncts von dieser Art darauf ankömmt, daß (1) alle Stimmen soviel möglich unter sich ad Octavam gesetzet werden; (2) daß zwei andere Stimmen darunter zugleich einer Versetzung ad Duodecimam oder, wenn man will nach einem anAbh. von der Fuge. II.Theil. D dern

26 Daszweyte Hauptst.Vom vierdoppelten Contrap.ll.Abschnitt. dem Conttapuncte zugleich fähig seind. Welche zwey Stimmen dieses eigentlich treffe, ist einerley. Die Verkehrungen aber müssen in der Folge darnach eingerichtet werden, welches man nicht anders als durchs Versuchen finden kann. Der Arten der Vermischungen sind zu viel, als daß man sie alle in ein Verzeichniß bringen könne. Die Hauptsache ist, daß man alle sieben Gattungen des doppelten Contrapuncts, insbesondere aber den ad Duodecimam und Decimam nebst dem ad Octavam wohl inne haben muß, ohne welche drey Contrapuncte man in dieser Art der Setzkunst wenig leisten wird. Der ad Octavam ist nicht genug, und die ad Decimam und Duodecimam können ohne jenen wenig gebraucht werden. Einer bietet dem andern die Hand, und bey der Vermischung kommt es darauf an, die Stimmen in solchen Intervallen fortgehen zu lassen, die in allen drey Contrapuncten auf eine gewisse Weise zugleich statt finden können.

Drittes Hauptstück. Vom doppeltverkehrten Contrapunct.

Eine

§. 1.

Composition, die nebst der Verkehrung der Stimmen zugleich die Gegenbewegung zulässet, heißt ein doppelt verkehrter Contrapunct, oder ein doppelter Contrapunct in der Gegenbewegung. §. 2. Da die Gegenbewegung frey oder strenge ist, und folglich jeder Satz auf zweyerley Art verkehret werden kann: so hat man allhier die in der Lehre von

Drittes Hauptstück. Vom doppeltverkehrten Contrapunct. 27 von der Nachahmung im §. 4. des ersten Hauptstückes im ersten Theile ge­ gebene Anleitung zurücke zu lesen, um zu wissen, mit was für einem Tone aus der Leiter man die Gegenbewegung anzufangen hat, wenn man dm Satz in die strenge Gegenbewegung versetzen, und alle halben und ganzen Töne nach der Ordnung erhalten will, als welche in der freyen Gegmbewegung nicht durchgehends einerley bleiben. §. 3. In Ansehung dieser leztern kann man überhaupt merken, daß die folgenden beyden die gewöhnlichsten und bequemsten sind. Die erste ist, wenn der Hauptton des Stückes wieder zum Haupttone, die Secunda Toni zur Septima Toni wird, u. s. w. das ist, wenn die auf- und absteigende Octave eines Tones gegeneinander gestellet werden, wie man z. B. in C dur aus folgender Vorstellung sehen kann. Absteigende Octave. c. h. a. g. f. e. d. c. Aufsteigende Octave. c. d. e. f. g. a. h. c. Hier wird das c wieder zum c; das h zum d; das a zum e und so weiter. Die andere ist, wenn die Octave des Haupttons und die Octave der Dominante gegeneinander gestellet werden, z. B. in C dur: Aufsteigende Octave des Haupt. c. d. e. f. g. a. h. c. Absteigende Octave der Dom. g. f. e. d. c. h. a. g. Hier wird das g zum c; das d zum f, u. s. w. Wenn man also einen Satz aus der Fuge in einen andern Ton verkehrt übersetzen will: so muß man sich zuförderst die Hauptcomposition in diesem D 2 Tone

28 Drittes Hauptstück. Vom doppeltverkehrten Contrapunct. Tone einbilden, um darnach die Art der freyen Gegenbewegung anzustellen. Indessen kann man in einer Fuge bald die strenge bald die freye Gegenbewegung, und diese leztere wieder auf verschiedene Art, wechselsweise gebrauchen, nach Beschaffenheit der Umstände. Wenn man aber ein ganzes Stück vom Anfang bis zum Ende in die Gegenbewegung versetzen will, wie man in der Kunst der Fuge des seel. Herrn Capellmeisters Bach davon zwey Exempel findet, (davon im zweyten und dritten Abschnitte dieses Hauptstückes der Anfang mitgetheilet werden wird), oder wie man in des Berardi Documenti Armonici ein Muster von der Feder des Marco Scacchi in einer vierstimmigen Motette über die Worte : Si Deus pro nobis, quis contra nos? davon sehen kann: so hat man allerdings vom Anfang bis zum Ende die einmahl erwehlte Gegenbewegung, wozu aber zuvor die bequemste gewählet werden muß, beyzubehalten. §. 4. Auf was für Art aber die Verkehrung geschehe: so kommen allezeit ebendiejenigen Intervallen wieder zum Vorschein, die in der Hauptcomposition befindlich gewesen. Die Terz wird wieder zur Terz, die Sexte zur Sexte, u. s. w. Nichts destoweniger erlaubet der Satz keine andere als consonirende Intervalle, als die Terz, Ocrave, Quinte und Sexte überhaupt, indem die Dissonanzen bey der Verkehrung weder recht vorbereitet, noch aufgelöset zum Vorschein kommen, und also nur durchgehend oder in Wechselgängen angebracht werden können. Was für Arten der Dissonanzen, mit einer Ausnahme wider die Regel, und wie solche hin und wieder statt finden können, wird an seinem Orte gezeiget werden.

I.Ab-

Das dritte Hauptst. Vom doppeltverkehrtenContrap. I. Abschnitt 29 I. Abschnitt. Vom zweystimmigen Kontrapunct in der Gegenbewegung. §. 1.

Die

Intervallen, die hierinnen statt finden können, sind die Terz, Quinte, Sexte und Octave. Von Dissonanzen können keine andere Intervallen als die übermäßige Quarte, übermäßige Secunde, und verminderte Septime, so wie etwan bey Fig. 6.7. 8.Tab. LVI. gebraucht und verkehret werden, weil sich jede Verkehrung oder vielmehr Gegenbewegung nicht dazu schicket. Braucht man die ordentliche Quarte: so muß sie allezeit in die Sexte bey abwärts gehendem Basse resolviren. Man läßt sie aber lieber weg. Mit der falschen Quinte sezt es keine Schwürigkeit, wenn man sie nur ordentlich auf die Ter; einen Grad herunter gehen läßt. Erstes

Exempel.

Die Hauptcomposition steht Tab. X. Fig. 2. und die Verkehrung derselben bey Fig. 4. allwo der Diskant zum Basse, und der Baß zum Diskante geworden. Die dabey zu gleicher Zeit gebrauchte Gegenbewegung ist frey und geschicht mit der entgegen gesezten auf- und absteigenden Octave des Haupttons. Was bedeuten aber die verschiednen Arten der Schlüssel bey Fig. 2. ? Dieses ist eine alte Art, diese Gattung der Composition zu bezeichnen, die man im Canon nur eigentlich gebraucht, und nur deswegen bey diesem contrapunctischen Exempel angebracht worden ist, daß man sie vorläuffig kennen lerne. Bey dem unmittelbar vor der Composition stehenden Schlüssel braucht es keiner Auslegung. Die beyden vorhergehenden D3

aber

30 Das dritte Hauptst.

Vom doppelverkehrten Contrap.I. Abschnitt

aber, die jedoch auf verschiedne Art verkehret sind, haben folgenden Endzweck; der erste nemlich diesen, daß man nicht lange den Ton, worin nach den Absichten des Setzers die Verkehrung geschehen soll, suchen dürfe. Man braucht nur das Blatt zu verkehren, daß ist, das Oberste zum Untersten zu machen, und alsdenn von der rechten Hand nach der linken zu den Satz anzusehen, so ist die Verkehrung da, wie man aus der Vergleichung der Fig. 4. mit der verkehrten Fig. 2. wahrnehmen kann. Der andre verkehrte Schlüssel, das ist, derjenige der in der Mitte steht, dient dazu, daß, wenn man den Satz nicht auf vorige Art von der rechten Hand nach der linken zu bequem lesen kann, man denselben gegen einen Spiegel halte, wo der Schlüssel alsdenn nicht verkehrt, sondern in seiner ordentlichen Gestalt erscheinen wird, und wo man alsdenn, wie gewöhnlich, von der linken Hand nach der rechten zu lesen kann. Man bedienet sich aber dieser beyden Schlüssel insgemein nicht zu gleicher Zeit. Sie sind nur deswegen allhier und an andern Oertern zu­ gleich hingesetzet worden, daß man wissen möge, was es für eine Bewandtniß damit habe. Die Unkündigen der contrapunctischen Schreibart haben von dieser Art der Bezeichnung des verkehrten Contrapuncts Gelegenheit genommen, die ganze Wissenschaft des Contrapuncts anzufechten. Wie seichte aber ihre Gründe sind, braucht man nicht zu untersuchen. Die Erfahrung streitet wieder sie, und würden sie anders geurtheilet haben, wenn sie etwas mehr verstanden hätten, als mit ihren trödelnden Melodien etliche Modeschnürkel zu verbinden, die alle Jahre bey Entstehung anderer, weil alles dabey auf die Willkühr der Menschen, nicht aber auf die ewigen Gesetze der Natur ankömmt, ihre glückliche Endschaft wieder erreichen. Ein Vorzug für den Contrapunct, daß er nicht dem veränderlichen Eigensinne der Zeit und den schäckerhaften Zügen, die ein ungewisser Geschmack bildet, unterworfen ist, und daß man zur Zeit weder von einem deutschen, noch französischen oder itali­ änischen Contrapuncte weiß, indem alle Nationen in diesem Stücke, als dem Wahren

I. Das dritte Hauptst. Vom doppeltverkehrten Contrap. Abschnitt31 Wahren in der Musik, übereinkommen. Doch wieder auf die Schlüssel zu kommen, so wird wohl kein Kluger jemahls das Zeichen mit dem Dinge vermengen. Das hiesse, das Kind mit dem Bade verschütten, und sind denn diese Zeichen bey der kanonischen Schreibart so gar ohne Nutzen ? Doch solche elende Köpfe sehen denselben nicht ein. Etwas lächerlich zu machen, ist keine Kunst. Aber es mit Sachen zu thun, die ihren guten Endzweck haben, ist in der That eine sehr lächerliche Kunst. Zweytes Exempel. Die Hauptcomposition steht Tab. X. Fig. 7. und die Verkehrung fol­ get sogleich Fig. 8. darauf, welche-wieder frey ist, aber mit der entgegengesetzten Octave des Haupttons urtd der Dominante geschicht. Mit den Schlüsseln hat es eben die Bewandtniß als in dem vorigen Exempel. Drittes Exempel. Dieses ist ein bey Fig. 11. Tab. X. befindlicher Canon, wovon man die Verkehrung bey der folgenden Fig. 12. siehet. Selbige ist frey und geschicht mit den entgegen gesetzten Octaven des Haupttons und der Dominante, wiewohl sie allhier in eine andere Tonleiter versetzet ist. Zum Beweise darf man nur diese Fig. 12. aus dem C moll ins f moll zurücke führen. § 2. Wenn in der Composition eines solchen Satzes die gerade Bewegung zwischen den beyden Stimmen mit Terzen vermieden wird: so kann solche dreistimmig ausgeübet werden; und vermeidet man zu gleicher Zeit die gerade Bewegung mit Sexten: so karnnsie vierstimmig gemacht werden. Man lässet nemlichdie dritte Stimme entweder eine Terz unter dem Diskante

oder eine Terz über den Baß mitlauffen ; oder, wenn sie vierstimmig

Z2 Das dritte Hauptst. Vom doppeltverkehrten Contrap. I.Abschnitt stimmig seyn soll, so füget man den beyden Stimmen zugleich diese Terzen hinzu. Zum Exempel sehe man Fig. 5. und 6. welche wie man siehet, von den vorhererklärten Sätzen bey Fig. 2. und 4. entspringen, und ferner (ehe man Fig. 9. und10. die sich auf Fig. 7. und 8. beziehen. §. 3. Man pfleget öfters die Sätze in die Gegenbewegung zu versetzen, aber nicht die Stimmen zu gleicher Zeit zu verkehren. Da durch dieses Verfahren die Intervallen nicht einerley bleiben, wie bey der Verkehrung der Stimmen, sondern wie im Contrapuncte ad Octavam verändert werden, und aus einer Terz eine Sexte wird, aus einer Sexte die Terz und so weiter: so muß man sich bey der Verfertigung eines solchen Satzes folglich nach den Regeln des Contrapuncts in der Octave richten. Die Quinte kann hier also nicht anders als eine Dissonanz gehandhabet, d. i. sie muß vorbereitet und aufgelöset werden, weil sie zur Quarte wird. Ein ganzes Exempeleines solchen verkehrten Contrapuncts von dieser Art findet man bey Fig.2. Tab. LVI. wo bey (a) die Hauptcomposition und bey Fig. 3. bey (c) die Versetzung dieses Satzes in die Gegenbewegung mit unverrückten Stimmen ist. Bey (d) ist dieser vorhergehende Satz so wie bey (b) das Hauptexempel ad Octavam evolviret, welche vierfache Verkehrung desselben wohl zu merken ist. Ein zvseyees Exempel sehe man Tab. X. Figur 2. und 3. und ein drittes Tab. XL Fig. 3. zwischen der ersten und zweyten Stimme, und die Versetzung bey Fig. 4. zwischen der zweyten und dritten Stimme. Man braucht es aber allhier nicht weiter als bis zum Eintritt der dritten Stimme anzusehen. Anmerkung. Wenn die Sätze in die Gegenbewegung versetzet werden, und die Stimmen stehen bleiben: so können die Intervallen nichr nur ad Octavam, wie

Das dritte Hauptst.Vom doppeltverkehrten Contrap.

II. Abschn. 33

wie die gegebenen Exempel lehren, sondern auch ad Decimam, Duodecimam, ja nach andern Contrapuncten verändert werden, wie man Tab. LVII.Fig. 8. und 9. davon ein Exempel ad Decimant und Duodecimam findet. Soll diese Veränderung aber geschehen: So muß man sich nach den Regeln dieser Doppelcontrapuncte bey der Verfertigung des Hauptsatzes besonders richten. Z. B. sollen die Intervalle wie im Contrapunct ad Duodecimam zu stehen kommen: so muß man die Sexte meiden. Soll es ad Decimam geschehen: so müssen zwey Terzen und zwey Sexten hintereinander gemieden werden, u.s.w. In allen beyden Arten findet die Quinte. statt, welche man hingegen bey der Veränderung ad Octavam nur mit gewissen Bedingungen brauchen kann. Diese letztere aber ist die gewöhnlichste, und darum haben wir der andern nur im Vorbeygehen gedacht, wiewohl sie ebenfals bey gewissen Sätzen ihren Nutzen haben.

II. Abschnitt. Vom

dreystimmigen Contrapunct

in

der

Gegenbewegung.

Wie

ein zweystimmiger Satz zu einem dreystimmigen könne gemacht werden, ist gleich gelehret worden. Hier ist die Frage, einen solchen dreystimmigen zu entwerfen, worinnen alle drey Stimmen von einander unterschieden sind. Da die Verwechselung der Stimmen dabey auf zwey verschiedne Arten am bequemsten geschehen kann: so wollen wir hiernach die Lehre davon abhandeln. Abh von der Fuge II. Theil.

E

Erste

34 Das dritte Hauptst.Vom doppeltverkehrtenContrap.II.Abschn. Erste Art. Hier werden die beyden äussersten Stimmen bey der Versetzung des Satzes in die Gegenbewegung unter sich verwechselt, die mittelste aber bleibt an ihrem Orte. Da vermittelst dieser Verwechselung die Intervallen zwischen den beyden äussersten Stimmen einerley bleiben, so wie in einem verkehrten zweystimmigen Satze: so brauchts in Ansehung dieser beyden Stimmen auch keiner andern Regeln, als die wir im vorhergehenden Abschnitte von einem verkehrten zweystimmigen Satze gegeben haben, und die man allhier wieder zurücke lesen kann. Hingegen wird die Mittelstimme der Gegen­ stand unsrer Aufmerksamkeit, indem die Noten, die darinnen gegm die Oberstimme eine Terz, Sexte, u.s.w. machten, bey der Verwechselung zu solchen Intervallen gegen die tiefste Stimme werden, und umgekehrt. Es betrift aber das hauptsächlichste, was man zu bemerken hat, die Quarte, die man zwischen der höchsten und mittelsten Stimme entweder gar vermeiden, oder die man und zwar am bequemsten in der Oberstimme vorbereiten, und hernach in die Sexte resolviren muß. Hingegen kann sie zwischen der mittelsten und tiefsten allezeit ordentlich gebrauchet werden. Was sonst von den übrigenDissonanzen im vorigen Abschnitte gesaget worden, gilt auch hier. Ein Exempel eines verkehrten dreystimmigen Contrapuncts dieser Art sehe man Tab. XI. Fig. 1.und die Verkehrung bey Fig. 2. Zweyte Art. Hier werden bey der Versetzung der Sätze in die Gegenbewegung die drey Stimmen dergestalt unter sich gestellet, daß der Diskant zum Alte, der Alt zum Basse, und der Baß zum Diskante wird. Da durch dieses Verfahren die beyden obersten Sätze der Hauptcomposition zwar zu den zwey untersten werden, aber doch so wie in der Hauptcomposition gerade übereinander stehen bleiben, und unter sich also nicht verwechselt werden: so geschiehet es dadurch, daß die Intervallen nicht einerley bleiben, sondern daß die Terz

Das dritte Hauptst.Vom doppeltverkehrten Contrap. II. Abschn. 35 Terz zur Sexte, die Sexte zur Terze wird, u f. w. so wie bey dem zweystimmigen verkehrten Contrapunct, der §. 3. im vorhergehenden Abschnitte gelehret worden; weswegen wir uns allhier darauf beziehen, um eben diejenigenRegeln nicht zweymahl vorzutragen. An Ansehung der Quarte ist noch zu merken, daß man zwischen der höchsten und mittelsten Stimme ihrer zwey hintereinander vermeiden muß, weil sie bey der Versetzung zwischen der mittelsten und tiefsten Stimme zu zwey Quinten werden. Die tiefste Stimme, die zur höchsten wird, stellet sich mit ebendenjenigen Intervallen, die sie in der Hauptcomposition hatte, in der Verkehrung wieder dar, nur mit dem Unterscheide, daß die Intervallen der Sexte, Terz, zwischen der höch­ sten und tiefsten Stimme, allhier zu Sexten und Terzen zwischen der höch­ sten sndumittelsten werden, und daß eben diese Intervallen zwischen der tiefsten und mittelsten zu solchen zwischen der höchsten und tiefsten werden, woraus denn in Ansehung der Quarte annoch fliesset, daß selbige zwischen der höchsten und tiefsten Stimme, nach ihrem ordentlichen Gebrauch, in der Hauptcomposition bequemer, als zwischen der mittelsten und tiefsten anzubringen sey, wie man Tab. LVI. bey Fig. 4. gegen Fig. 5. gerechnet, sehen kann. Endlich folget hier zum Exempel der Anfang eines solchen Contrapuncts, der in der Kunst der Fuge des seel. Herrn Capellmeisters Bach vom Anfang bis zum Ende nach dieser Art verkehret worden. Man siehet die Schwürigkeit des Satzes weder der Hauptcomposition, die Fig. 3. Tab. XIstehet, noch der Verkehrung an, die man bey Fig. 4. gleich darauf findet, und die auf der folgenden Tab. XII. so weit als nöthig, fortgesetzet wird. Die Harmonie und Melodie darinnen fliessen so natürlich als die allerfreyste Composition.

E. 2

III.

Ab-

36 Das dritte Hauptstück. Vom doppeltverkehrtenContrapunct. III. Abschnitt. Vom vierstimmigen Contrapunct

in

der

Gegenbewegung.

Wie

§. 1.

ein zweystimmiger Satz zu einem vierstimmigen könne gemachet werden, ist in dem ersten Abschnitte gezeiget worden. Hier folget ein Unterricht, wie man einen solchen vierstimmigen verkehrten Satz zu verfertig gen habe, worinnen alle vier Stimmen von einander unterschieden sind. §. 2. Zuförderst merke man, daß bey der Versetzung der Stimmen in die Ge­ genbewegung der Diskant zum Basse, der Baß zum Diskante, der Alt zum Tenore und der Tenor zum Alte wird. §. 3. Was von den dissonirenden Sätzen gleich anfangs gesagt worden, gilt auch hier. Man bedienet sich also lauter consonirender Intervallen, als der Terz, Sert, Octave und der Quinte. Die Quarte kann zwischen den beyden Mittelstimmen allezeit ohne Gefahr gebraucht werden, ingleichen zwischen dem Tenore und Baß, und dem Alte und Basse nach ihrem ordentlichen Gebrauche, d. i. vorbereitet und aufgelöset. Hingegen lässet man sie lieber zwischen dem Diskant und Basse weg. Wie sie aber zwischen dem Diskant und Alte, ingleichen zwischen dem Diskant und Tenore, am füglichsten könne angebracht werden, ungeachtet sie hier von den Alten verboten wurde, kann man aus der Evolution eines Exempels sehen, wo sie zwischen dem Basse und Tenore, ingleichen zwischen dem Basse und

Das dritteHauptst. Vom doppeltverkehrt. Contrap. lll. Abschn. 37 und Alte zuvor nach vorerklärter Art gemacht ist, indem bey der Verkehrung der Stimmen der Baß und Tenor zum Diskant und Alte, und ferner der Baß und Alt zum Diskante und Tenor werden. Mau sehe solches Fig. 1.2. 3. Tab. LVII. Zum ersten Exempel dieses Contrapuncts geben wir den Anfang einer Fuge, die man in des seel.Herrn Capellmeisters Bach Kunst der Fuge ganz finden wird. Man sehe Tab. XII. Fig. 1.und Tab. XIII. Fig. 1.die Verkehrung. Kann eine Melodie fliessender und eine Harmonie bündiger seyn als diese ? Das Lahme und Steife in einem Satze darf man wohl nicht also dem Contrapuncte, sondern nur dem Setzer zueignen. Zu einem zweyten Exempel nehme man einen Tab. XXXIII. Fig. 2. befindlichen Canon von eben dieser Feder. Die Verkehrung mit der Gegenbewegung folget Fig. 3. nach. Was die bey Fig. 2. vorne angehängten verkehrten Schlüssel überhaupt bedeuten, ist schon aus dem ersten Abschnitte dieses Hauptstückes bekannt. Insbesondere aber zeiget die erste Reihe von Schlüsseln die Verkehrung des Satzes in die sogenannten natürlichen Töne an, so wie man selbige bey Fig. 3. ausgeschrieben siehet. Die andere Reihe enthält eben dieselbe Verkehrung, aber in die versetzten Töne, wie man aus den Been siehet. Man irre sich dabey nicht in den Schlüsseln. In beyden Arten bleibet die Composition auf eben denjenigen Stuffen. Sich dessen bey der ersten zu überzeugen, so nehme man die Fig. 5. und lese sie, wiewohl mit verkehrter Stimme, und wobey man sich den ordentlichen DiskantAlt- Tenor- und Baßschlüssel nur nach der Reihe vorstellen darf, von der rechten nach der linken Hand zu.

E 3

Das

38

Das vierte Hauptstück. Vom

Wenn

rückgängigen

Contrapunct.

§. 1.

eine Composition so beschaffen ist, daß man sie nicht allein vom Anfang nach dem Ende zu, sondern auch vom Ende nach dem Anfang zu, d.i. rückwärts ausüben kann: so heißt sie ein rückgängiger Contrapunct. §. 2. Bey dieser rückgängigen Ausübung eines Satzes werden entweder die Stimmen unter sich zugleich verkehret, oder nicht. Können die Stimmen nicht zugleich verkehret werden : so heißt er ein einfacher rückgängiger Contrapunct. Können die Stimmen aber zugleich verkehret werden; so heißtt er ein doppelt rückgängiger Contrapunct. §. 3. Wenn der rückgangige Contrapunct verkehret wird: so geschicht solches entweder in der ähnlichen oder in der Gegenbewegung. Daher entstehen wieder zwey Gattungen des doppelt rückgängigen Contrapuncts, der in der ähnlichen und der in der Gegenbewegung. §. 4. Von was für einer Art und Gattung aber derselbe-sey, so finden hierinnen keine andere als consonirende Intervallen, und von dissonirenden keine andere Statt, als die falsche Quinte, die kleine Septime auf der Dominante, die verminderte Septime, die übermäßige Quarte und die über-

Das vierte Hauptstück. Vom rückgängigen Contrapunct.

39

übermäßige Secunde, jedoch nur unter gewissen Bedingungen, daß nemlich die Gänge mit denselben in Ansehung der vorangehenden und auf sie folgenden Consonanzen so eingerichtet werden, daß sie auf eben die Art wiederum rücklings zum Vorschein kommen, wie man z. B. Tab. LVII. Fig. 4. 5. 6.7. sehen kann. Die übrigen Dissonanzen fallen ganz weg, weil sie anstatt erstlich vorbereitet, denn angeschlagen und endlich aufgelöset zu werden, allhier auf eine umgekehrte Art, zuerst in der Auflösung, alsdenn im Anschlage und zulezt in der Bindung erscheinen. Da die durchgehenden Noten zu Wechselnoten, und diese zu jenen werden: so ist es sicherer, in der Hauptcomposition sogleich Wechselnoten als durchgehende zu gebrauchen, weil man ehe einsieht, was in der Folge daraus wird, als wenn man durchgehende Noten in die Hauptcomposition bringet, die hernach zu ungeschickten Wechselnoten werden können. Mit den Pausen, Puncten und Bindungen, ob diese gleich nicht anders als consonirend seyn können, hat man sich gleichfals in Acht zu nehmen, daß solche nicht an einen Ort kommen, wo sie sich bey dem Rückgange nicht schicken. Denn sie ohne Unterscheid zu verbieten, ist zwar was altes aber zugleich etwas ungegründetes. Uebung und Fleiß werden einem hierinn den besten Vortheil zeigen, und da, wenn man eine solche Composition entwerfen will, man sie sogleich rückwärts versuchen kann : so wird man schon finden, wo es damit angehet oder nicht. Es ist zu weitläuf­ ig und unnöthig, alle mögliche und unmögliche Fälle zusammen zu suchen. Ausser den zu diesemHauptstücke gehörigen Exempeln findet man deren annoch andere im Hauptstücke vom Canon, und zwar solche, die nicht nach dem gemeinen Alltagsschlendrian gemachet sind, wornach man seine Uebung anstellen kann.

I. Ab-

40 Das vierte Hauptst.Vom rückgängigen Contrap.I.u. II.Abschn. I.

Abschnitt.

Vom einfachen rückgängigen Contrapuncte.

Worinn

derselbe bestehe, ist kurz zuvor gesaget worden. Hier folgen Exempel nach der Anzahl der Stimmen, woraus er bestehen kann, die wir aber ebenfals, wie bey den übrigen Contrapuncten, nur bis auf vier ausgedehnet haben, ob er gleich aus mehrern bestehen kann. Ein zweystimmiges Exempel findet man Tab. XIII. Fig.2. und bey der folgenden Fig. 3. ist dasselbe rückwärts ausgeschrieben. Auf gleiche Art kann man das Fig. 4. Tab. XIII. befindliche Exempel, inglei­ chen das bey Fig. 1. und 2. Tab. LIV. zurücke schreiben. Man sehe annoch Fig. 7. und 8. Tab. XXXI. Ein dreistimmiges Exempel findet man Tab.XIV. Fig.1. und bey Fig.2. steht es rückwärts. Ein vierstimmiges Exempel findet man Tab.XIV. Fig.3. und Fig.4. steht es rückwärts. II. Abschnitt. Vom doppelt rückgängigen Contrapuncte.

Was

derselbe sey, ist oben gesagt worden. Da derselbe in zweyerley Bewegungen verfertiget werden kann: so folget in folgenden beyden Artikeln ein Unterricht von beyden. I. Ar-

Das vierte Haupst. Vom rückgängigen Contrap. II.Abschnitt. 41 I. Artikel. Vom doppelt rückgängigen Contrapunct in der ähnlichen Bewegung. §. 1. Da hier die Stimmen zu gleicher Zeit ad Octavam verwechselt werden, in einer rückgängigen Composition aber keine Dissonanzen statt finden: so hat man die Quinte, weil sie zur Quarte wird, in einem zweystimmigen Satzezu vermeiden. Das erste Exempel sehe man Tab. LIV. Fig. 1. und bey Fig. 2. die rückgängige Evolution. Ferner halte man das bey Fig.3. auf dieser Tabelle befindliche Exempel gegen Fig. 4. Tab. XIII. um ein zweytes Exempel zu haben. §. 2. In einem dreystimmigen Satze, wo der Baß zum Diskant, und der Diskant zum Basse wird, die Mittelstimme aber stehen bleibt, verstattet die Mittelstimme und der Baß nur eine Quinte unter sich, weil sie in der Evolution zwischen dem Diskant und der Mittelstimme zur Quarte wird. Zwey Quarten hintereinander finden zwischen keiner Stimme statt. Ein Exempel sehe man bey Fig. 4. Tab.LIV. und bey Fig. 5. findet man die rückgängige Evolution. §. 3. Will man in einem dreystimmigen Satze die Mittelstimme zum Basse, den Diskant zur Mittelstimme und den Baß zum Diskant in der Verkehrung machen: so hat man (1) in der Hauptcomposition zwischen dem Diskant und der Mittelstimme die Quarte zu vermeiden, weil zwischen dem Tenor und Basse in der Verkehrung daraus eine Quarte wird. (2) Der Baß und die Abh von der Fuge. II. Theil. F Mittel-

42 Das vierte Hauptst. Vom rückgängigenContrap. II. Abschnitt. Mittelstimme können keine Quinte unter sich machen. Sie wird in der Verkehrung zu einer Quarte zwischen dem Diskant und Basse, hingegen kan die Mittelstimme mit dem Diskant, ingleichen der Baß mit dem Diskant eine Quinte machen. Es wird in der Verkehrung aus der ersten wieder eine Quinte, und zwar zwischen dem Baß und der Mittelstimme, und aus der lezten wird eine Quarte zwischen dem Diskant und Alte. Man sehe ein Exempel bey Fig. 1.Tab.LV. bey (a) ist das Hauptexempel, bey (b) die Verkehrung. §. 4. In einem vierstimmigen Satze, wo der Baß zum Diskant, der Diskant zum Basse, der Alt zum Tenor und der Tenor zum Alte wird, hat man zu beobachten, daß (1) zwischen dem Diskant und Basse, (2) zwischen dem Diskant und Alte und (3) zwischen dem Diskant und Tenor keine Quinte statt findet, weil ungeschickte Quartengänge daraus entstehen. Zwey Quarten hintereinander finden zwischen keiner Stimme statt. Ein Exempel sieht man Tab. LIV. Fig.1. wobey (a) der Hauptsatz und bey (i>) die Verkehrung ist. II. Artikel. Vom doppelt rückängigen

Contrapunct

in der Gegenbewegung. In diesem Contrapuncte kommen bey der Verkehrung eben diejenigen Intervallen allezeit wieder zum Vorschein, so wie oben bey dem doppelt verkehrten Contrapunct. Die Terz wird wieder zur Terz, die Sexte zur Sexte u. s.w. Es finden nichts als consonirende Intervallen darinnen statt. Ein zweystimmiges Exempel findet man Tab. XIV. Fig. 5. und die Verkehrung bey der folgenden Fig. 6. allwo der Diskant zum Basse und der Baß

Das vierte Hauptst. Vom rückgängigen Contrap. II.Abschnitt. 43 Baß zum Diskante wird. Die hinter Fig. 5. angehängten verkehrten Schlüssel dienen dazu, daß sie einem zeigen, in was für Töne die Verkehrung geschehen soll. Man darf nemlichnur das Unterste zu Oberst bringen, so kann man das gantze Exempel, nach Anleitung dieser sich alsdenn in ihrer ordentlichen Figur zeigenden Schlüssel, von der linken Hand nach der rechten zu, wie gewöhnlich lesen, und das ist alsdenn die doppeltrückgängige Verkehrung des Exempels in der Gegenbewegung. Wenn in einem Satze von dieser Art (a) die Quinte vermieden, und nichts als die Terz, Sexte und Octave gebraucht, und (ß) ferner die Ge­ gen- und Seitenbewegung in Acht genommen wird: so ist derselbe nicht allein allervier möglichen Bewegungen fähig; sondern er kann auch, bey jeder Bewegung, ad Ocravam verkehret, und endlich dreistimmig ausgeübet werden. Nach diesen Gesetzen ist das bey Fig. 1. Tab. XVI.befindliche Exempel verfertiget worden, und ist solches einer zehnfachen Veränderung fähig, wie man aus folgender Erklärung sehen wird. Man siehet nemlich: (1) Die zwey Themata an sich bey Fig. 1. Tab. XVI.zwischen der Ober- und Mittelstimme. (2) Die Evolution derselben ad Octavam an eben diesem Orte zwischen der Mittel- und Unterstimme. (3) Die Hauptsätze in der Gegenbewegung bey Fig. 3. (4) Die Evolution ebendaselbst. (5) Die Hauptsätze in der rückgängigen Bewegung bey Fig. 5. (6) Die Evolution ebendaselbst. (7) Die Hauptsätze in der rückgängigen Gegenbewegung .bey Fig. 6. (8) Die Evolution ebendaselbst. F 2

(9) Das

44 Das vierte Hauptst. Vom rückgängigen Contrap. II. Abschnitt. (9) Das erste Trio in der ähnlichen Bewegung bey Fig. 2. (10) Das zweyte Trio in der Gegenbewegung bey Fig. 4. In einem dreystimmigen Satzevon dieser Art, worin der Diskant zum Basse, und der Baß zum Diskante wird, die Mittelstimme aber bleibet, ist zwischen dem Diskant und Alte die Quarte zu vermeiden, weil sie zwischen dem Basse und Tenor zur Quarte wird. Ein Exempel eines solchen Contrapuncts ist Tab. XV. Fig. 1. und, nach den hinten an gehängten Schlüsseln, die rückgängige Verkehrung mit samt der Gegenbewegung bey Fig. 2. zu ersehen. An einem vierstimmigen Satze von dieser Art, worinnen der Diskant zum Basse, der Baß zum Diskant, der Alt zum Tenor und der Tenor zum Alte wird, ist zu beobachten: daß (1) zwischen demDiskant und Alt keine Quarte statt findet, weil daraus zwischen dem Tenor und Basse eine ungeschickte Quarte wird, ingleichen nicht (2) zwischen dem Diskant und Tenor, weil daraus eine ungeschickte Quarte zwischen dem Alte und Basse entspringet. Das erste Exempel eines solchen Contrapuncts sieht Tab. XV. Fig. 3. und bey Fig. 4. die rückgängige Evolution desselben in der Gegenbewegung. Das zweyte Exempel hievon sehe man Tab. XV. bey Fig. 5. und die Verkehrung in die rückgängige Gegenbewegung ist aus den hinten angehängten Schlüsseln zu erkennen.

Das

s

45

Das fünfte Hauptstück. Von der Versetzung einer Composition in verschiedene Bewegungen und derselben Auflösung in verschiedne Kontrapuncte.

Wir

§. 1.

haben im Hauptstücke vom drey- und vierdoppelten Contrapunct gesehen, wie in einer Composition von dieser Art die drey bekannten Contrapuncte, der in der Octave, Decime und Duodecime zugleich statt finden können, eine vortheilhafte Vereinigung, vermöge welcher man bald dieses, bald jenes Thema mit einem andern nach verschiednen Contrapuncten hören lassen kann, bevor man sie alle, und hiedurch alle drey Contrapuncte auf einmahl zusammen fasset, nicht zu gedencken, wie, so oft man sie zusammenfasset, man solches bald in dieser bald in jener Gestalt der Harmonie im Lauffe der Fuge verrichten kann. Wir hatten aber bey diesen Sätzen nur beständig mit der ähnlichen Bewegung zu thun. Hier ist die Frage, solche Sätze zu erfinden, die nicht allein verschiedner ContraPuncte, sondern zugleich verschiedner Bewegungen fähig sind. §. 2. Daß die Alten einm Satz von dieser Art als das größte Geheimniß in der Musik betrachtet haben müssen, lieset man nicht allein beym Herrn Capellmeisier Heinichen, sondern man kann es auch daraus sehen, weil die Sache nur allezeit durch mündliche Traditiones und ohne Zweifel für gutes baares Geld von dem einen auf den andern gekommen ist, und keiner sich getrauet hat, ein Wörtgen davon zuschreiben, bis sie endlich gar allmählich F 3 ver-

46 Das fünfte Hauptst. Von der Versetzung einer Composition verschwunden ist. Gleichwohl bestand in diesem Stücke ihre Kunst in nichts weiterm, als zwey Sätze (oder wie man sonsten spricht, einen Satz und Gegensatz) zu erfinden, die sich im Contrapunct ad Octavam, Decimam und Duodecimam zwey- drey- und vierstimmig auf einmahl ausüben, und nachmahlen insgesamt nach dem Contrapunct alla riversa, das ist, nach dem doppeltverkehrten Contrapunct versetzenliessen. Von der rückgängigen Versetzung und der rückgängigen mit der Gegenbewegung geschicht hier keine Meldung, auch nicht von der Versetzung einer Composition in alle nur mögliche sieben Gattungen des doppelten Contrapuncts; denn sie kennten sie nicht alle. §. 3. Wenn ich sage, daß die gantze Kunst in nichts weiterm, als was ich gemeldet, bestanden: so wundre man sich deswegen nicht. Ich verstehe dadurch, daß nichts leichter als die Verfertigung eines solchen Satzes sey, wie die Folge gleich zeigen wird. Ich habe vielleicht grösser Recht, mich zu verwun­ dern, daß es Contrapunctisten giebt, die etwas machen können, ohne zu wissen, was sie machen, und die Sätze machen, ohne zu wissen, was darinnen enthalten ist, welches gewiß von einer schlechten Theorie zeuget. Wel­ chem Contrapunetisten ist nemlich nicht bekannt, wie ein zweystimmiger Satz ad Octavam, Decimam oder Duodecimam könne drey-und vierstimmig gemachet werden ? Wie wenige aber wissen vielleicht auch zugleich, daß dieses vorherbemeldte Geheimniß sich hierauf gründet, und daß bey einem solchen Satze, ausser den Vorschriften der harmonischen Bewegung, nichts weiter als dieses zu beobachten ist, daß man keine Dissonanzen darinnen bringen müsse, wenn der Satz der Verkehrung und Gegenbewegung zugleich fähig seyn soll? Vielleicht aber hat es noch keiner eingesehen, daß diese zwey Sätze auch zugleich der beyden übrigen Bewegungen fähig sind, ja daß man sie

in verschiedene Bewegungen und Contrapuncte.

47

sie durch einige zugefügte Figuren aus der Setzkunst ganz von einander unterscheiden und aus zweyen Sätzen nicht nur drey, sondern ihrer viere machen kann, welche alle diese Veränderungen in Ansehung der Verschiedenheit der Contrapuncte und der Bewegung zulassen. Ich sage vielleicht, weil ich die Sache nach den vorhandnen theoretischen Schriften und nach den Discursen, die ich mit einigen in Ansehung der Ausübung sonsten guten Contrapunctisten hierüber öfters geführet, beurtheile. §. 4. Doch wir müssen die Sache durch Exempel beweisen. Das erste Exempel sehe man Tab. XVI. Fig. 9. welches, wie es der Augenschein giebet, nichts mehr als eine Composition von zweyen Sätzen ist, die aber durch die Hinzufügung der Terzen vierstimmig wird. In dieser Composition sind zuförderst drey Contrapuntte,c der in der Octave, Decime und Duodecime enthalten, wie man bey Fig. 13.14. und 15. Tab. XVI. davon den Beweiß haben kann. Sie kann aber zugleich in allen vier möglichen Bewegungen durchgearbeitet werden. Dieses siehet man bey Fig. 9.10.11, und 12. Will man sie drey oder nur gar zweystimmig haben: so lässet man eine von den Terzenweise mitgehenden Stimmen oder gar alle beyde weg. Unterscheidet man nun allhier nach der beym dreydoppelten Contrapunct gegebenen Anleitung die Sätze voneinander: so bekömmt man drey ja vier Themata, die der besagten drey Contrapuncte, und nicht allein der Gegenbewegung, sondern zugleich der rückgängigen und verkehrten rückgängigen Bewegung fähig sind. Den Beweiß davon zu haben, daß diese zwey Sätze zu vier Sätzen können gemacht werden, beliebe man auf den zweyten Abschnitt des zweyten Hauptstückes zurückzugehen, wo eben dieses Exempel und in den Tabellen, Tab. IX. bey Fig. 8. und alsdann mit den hinzugefügten Figuren bey Fig. 4. 5. 6. und 7. vorkömmt.

Des Raums wegen lassen wir allhier

48 Das fünfte Hauptst. Von der Versetzung einer Composition hier die Versetzung dieses nunmehr figurirten Contrapuncts in die Gegenbewegung, in die rückgängige und rückgängig verkehrte Bewegung weg. So rein er aber Tab. IX. bey Fig. 8. oder Tab. XVI. bey Fig. 9. 10. 11 und 12. in Grundnoten stehet: So rein muß er sich auch mit seinen hinzugefügten Blumen in diesen Bewegungen darstellen, wie ein jeder selbst die Probe damit machen kann, wenn er sich nach vorigem Unterrichte mit dem doppelt verkehrten und mit dem rückgängigen Contrapunct gut bekannt gemachet hat. Doch kann man hin und wieder die Puncte und durchgehenhenden Noten ändern. Das zweyte Exempel stehet Tab. V. Fig. 1. wobey man aber das was davon im Hauptstücke vom dreydoppelten Contrapuncte gesagt ist, zu­ förderst wiederum nachzulesen hat. Nachhero kann man solches, wie sichs gehöret, in den doppeltverkehrten Contrapunct versetzen. Die beyden übrigen Bewegungen aber können nicht auf eine bequeme Art dabey angebracht werden. §. 5. Wenn wir im vorhergehenden §. mit Sätzen zu thun gehabt, die erstlich durch allerhand Figuren von einander unterschieden werden müssen: so wollen wir allhier eine dreystimmige Composition zum Vorschein bringen, worinn alle drey Sätze schon voneinander unterschieden sind, ob man sie gleich ebenfals auf den Contrapunct zurück führen kann, der aus einem Duo ein Trio macht. Man verfertiget solche nach den Gesetzen des doppeltverkehrten rückgängigen Contrapuncts, und muß darinnen die oberste und unterste Stimme ad Duodecimam und Decimam zugleich, die oberste und mittelste aber und die unterste und mittelste ad Octavam gesetzet seyn. Zur Probe nehme man das Tab. LV. Fig. 2. befindliche Exempel, dessen wir uns bereits bey dem doppeltverkehrten rückgängigen Contrapunct bedienet haben. Dieses siehet man

in verschiedne Bewegungen und Contrapuncte.

49

man allhier in einer siebenfachen Haupveränderung; die Nebenveränderungen kann ein jeder mit leichter Mühe selbst finden. (1) Bey (a) ist die Hauptcomposition. (2) Bey (b) ist eine Evolution ad Octavam, da bey bleibendem Basse, die beyden obersten Stimmen unter sich verwechselt werden. (3) Bey (c) ist eine Evolution ad Decimam, da der Baß zum Diskante, und der Diskant vermittelst der Versetzung in die tiefe Decime zum Basse wird. Die Mittelstimme bleibt, wird aber zugleich eine Terz erhöhet, damit sie mit dem Basse harmoniren könne. (4) Bey (d) ist eine Evolution ad Duodecimam, da der Baß in die höhere Duodecime, die Mittelstimme aber zugleich eine Quinte höher versetzet wird. Der Diskant aus der Hauptcomposition wird endlich zum Basse. (5) Bey (e) findet man die schlechte rückgängige Bewegung des Satzes. (6) Bey (f) ist das Exempel nach dem doppelten Contrapunct alla riversa versetzet. (7) Bey (g) stehet dasselbe in der doppeltverkehrten rückgängigen Be­ wegung. §. 6. Endlich bleibt uns übrig zu zeigen, wie nicht allein eine Composition in noch mehrere, als die drey bekanntern Contrapuncte, sondern wie sie auch in alle nur mögliche sieben Gattungen des doppelten Contrapuncts aufgelöset werden könne. Man kann daraus sehen, daß der so genannte Tontrapunct, der aus einem Duo ein Trio oder Quatuor machet, nicht allein in den Contrapunct ad Octavam, Decimam oder Duodecimam zu Abh. von der Fuge. II.Theil. G Hause

50 Das fünfte Hauptst. Von der Versetzung einer Composition. Hause gehöre, wie man zeithero geglaubet hat, sondern daß auch dieses nach allen andern Contrapuncten geschehen könne, und daß folglich eine solche Gattung des Contrapuncts ein Abstract von allen übrigen Gattungen ist, indem man nemlich alles dasjenige, worinn diese übereinkommen, bey jener vereinet, dasjenige aber, worinn einer von dem andern unterschieden ist, weglässet. Das erste Exempel steht Tab. XVII. Fig. 1.und unter Fig. 3. und 4. sieht man, wie es ad Sextam, Octavam, Decimam und Duodecimam verkehret werden könne. Die erste Stimme von den beyden ober­ sten, die allezeit den zweystimmigen Hauptsatz enthalten, wird nemlich, wie es der Augenschein giebet, allezeit in diese benannten Intervalle gegen die stehenbleibende zweyte Stimme herunter gesetzet. Das zweyte Exempel steht Tab. XVII. Fig. 2. und bey Fig. 5. und 6. sieht man die Auflösung der Sätze in die Octave, Decime, Duodecime (die sich noch aufFig. 5. bezieht, aber aus Versehen des Stiches etwas eingerücket stehet,) und die Sexte. Das dritte Exempel steht Tab. XVII. Fig. 7. und läßt sich endlich in alle sieben Gattungen des doppelten Contrapuncts resolviren. Man sieht dasselbe. (1) bey Fig. 8. ad Octavam. (2) bey Fig. 9. ad Nonam oder Secundam. (3) bey Fig. 1. Tab. XVIII. ad Decimam oder Tertiam. (4) bey Fig. 2. ad Undecimam oder Quartam. (5) bey Fig. 3. ad Duodecimam oder Quintam. (6) bey Fig. 4. ad Decimam Tertiam oder Sextam. (7) bey Fig. 5. ad Decimam Quartam oder Septimam. Die

Das sechste Hauptstück.

Vom Canon.

51

Die letztere Note, womit jede Auflösung sich endigt, kann, man allezeit ändern, , und hiemit schliessen wir die Lehre vom Contrapunct.

Das

sechste

Hauptstück.

Vom Canon.

Der

§. 1.

Canon war ehedessen unter andern der Probierstein der harmonisehen Geschicklichkeit. Man glaubte nicht, daß die freye Schreibart zulänglich wäre, die Fähigkeit einer Person zu beurtheilen. Zu allen Zeiten haben sich Leute gefunden, denen die Natur vor andern die Gabe verliehen hatte, aus den Stücken ihrer geschicktern Mitbrüder gewisse Formeln und Passagen im Kopfe zu behalten, und die den Mangel der natürlichen Erfindungskraft durch die Kunst ersetzten, diese behaltnen Passagen, die sie endlich gar für die ihrigen hielten, nach der Mode des Landes und der Zeit zu verbinden, und daraus ein Stück unter ihrem Nahmen zu machen. Man begnügte sich also mit solchen Aufsätzen nicht. Man unterwarf den Candidaten der Setzkunst zugleich dem Zwange der canonischen Schreibart, und nachdem er sich hierinnen zeigte, nachdem fiel der Ausspruch über seine Geschicklichkeit. Nach der Zeit ist die Mode zwar abgekommen; doch blieb der Canon allezeit ein unentbährliches Stück der Setzkunst, und wird es wohl noch beständig bleiben, solange man Fugen machen wird. Diese aber werden wohl immer so lange gemachet werden, als die schönen harmonischen Wettstreite über leere melodische Zusammenfügungen den Preiß behaupten werden. Noch sind die Werke der berühmten Meister in diesem Styl aus der vorigen Zeit in Ansehen bey uns, da die übrigen Hirngespinste längstens aus dem Geschmacke gekomG 2 men,

52

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

men, und wahrscheinlich werden diejenigen heutigen Meister, die sich hierinnen durch vortrefliche Proben hervorgethan, der Nachwelt dasjenige seyn, was uns noch heutiges Tages ein Pränestini, Frescobaldi oder Froberger und viele andere sind. Wir werden bey der Lehre vom Canon zuförderst alle mögliche Arten und Gattungen desselben, hernach wie er verfertiget, und endlich wie er aufgelöset werden muß, in dreyen Abschnitten abhandeln. I. Abschnitt. Von den verschiednen Arten und Gattungen des Canons. §. 1. Canon ist nichts anders als ein auf die canonische Nachahmung gebautes musikalisches Stück. Da nun alle übrige verschiedne Arten der Nachahmung, als die in Ansehung der Intervallen, womit die Folgestimme anheben kann, die in Ansehung des Tacttheiles, der Bewegung, der Grösse der Noten :c. damit verbunden werden können: so siehet man leichtlich überhaupt ein, wie vielerley Arten und Gattungen des Canons möglich sind. Wir wollen sie nach einander besonders durchgehen.

Ein

§. 2. Da ein Canon nicht allein aus zwey, sondern aus drey, vier, und mehrern Stimmen bestehen kann: so entstehet daher der Unterscheid in zweydrey - vier, und mehrstimmige Canons. §. 3. In jedem Canon treten die Folgestimmen nach der Vorschrift einer einzigen Hauptstimme, oder nach der Vorschrift mehrer Hauptstimmen nacheinander

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

53

ander ein. Ein Canon von der ersten Art heißt ein einfacher Canon, canon simplex, und einer von der zweyten Art ein vielfacher Canon, und wird derselbe nach der Anzahl der Hauptstimmen ein doppelter, dreyfacher Canon, canon duplex, triplex u. s. w. benennet. Exempel eines doppelten Canons findet man Tab. Xl.II. Fig. z. wo der Diskant und der Tenor die beyden Hauptstimmen sind, die die Folge des Basses und des Alts bestimmen. Tab. XLIII. Fig. 1. wo der Baß und Tenor die beyden Hauptstimmen sind. Tab. XXXVII. Fig. 2. wo der zweyte Baß und der zweyte Alt solche haben, und Tab. XXIX. Fig. 4. wo ein Baß und eine Oberstimme solchein sich fassen. Was es aber sonst noch für eine andere Bewandtniß mit diesen Exempeln habe, wird man in der Folge sehen. Insbesondere wird das leztere in folgendem Abschnitte von der Verfertigung des rückgängigen Canons erkläret werden. Alle übrige Canons, die hier vorkommen werden, sind einfach. §. 4. Man pfleget die Hauptstimme des Canons entweder nur allein zu Papiere zu bringen, und die Auflösung dem Nachdenken der Ausübenden zu überlassen, oder man setzet sowohl die Folge- als Hauptstimme ordentlich besonders oder übereinander in Partitur aus. Ein mit allen Stimmen ausgeschriebener Canon heißt ein ofner oder aufgelößrer Canon, canon apertus, resolutus, welsch canone in partito. So sind zum Exempel alle vorher angeführten Canons beschaffen. Ein Canon, wovon nichts als die Hauptstimme zu Papier gebracht ist, und wo die folgenden erst dazu gesuchet werden müssen, heißt ein gcshloßner Canon, canon clausus, welsch canone in corpo, zum Exempel Fig. 2. 3. 4. Tab. XXXV.

G 3

Anmer-

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt. Anmerkung. Wenn mehr als eine Hauptstimme vorhanden ist: so verstehet es sich von stlbsten, daß man alle dieselben in verschiedenen Systems über - oder untereinander aussetzen muß. 5.

Ein geschlossener Canon hat entweder eine Ueberschrift oder nicht, oder zum wenigsten keine vollständige. Ein geschloßner Canon ohne oder mit einer unvollständigen Ueberschrift heißt ein Rätzelcanon, canon aenigmaticus, z. B. Fig. 2. Tab. XLII. ingleichen Fig. 3. 4. 5. Tab. XXXVIII. Die Ueberschrift eines Canons besteht darinnen, 1) Daß man die Anzahl der Stimmen, woraus der Canon besteht, anzeiget. Anstatt solches mit Wörtern zu verrichten, bedienet man sich auch öfters eines gewissen Zeichens, das man so oft bey jeder Note, wo eine Folgestimme eintreten soll, wiederholet, als Stimmen erfordert werden, z. Exempel wie bey Fig. 5. Tab. XXXVII. wo man fünf Zeichen stehet, die soviel Folgestimmen andeuten und diese mit der Hauptstimme zusammen gerechnet, siehet man, daß der Canon sechsstimmig ausgeübet werden soll. 2) Daß man die Intervallen, womit die Folgestimme die Nachahmung anheben soll, und zwar der Höhe oder Tiefe nach, ob es unter- oder oberwärts geschehen soll, anzeiget. Dieses kann auf zweyerley Art geschehen, a) durch würklicheBenennung der Intervallen, wenn man z. B. über die Hauptstimme schreibet: in der Oberquinte, (in Epidiapente) in der Unteroctave (in hypodiapason) u sw. ß) oder man zeiget dieses vermittelst einer Zifer bey derjenigen Note, oder bey dem vorher erklärten Zeichen derjenigen an, bey der die Folgestimme

Das sechste Hauptstück. Vom Canon I. Abschnitt.

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stimme eintreten soll. Geschicht der Eintrit oberwärts: so wird die Ziefer über die Note gesetzet: und geschiehet es unterwärts, so schreibet man sie unter die Note. Ist der Eintritt aber im Einklange: so ist es einerley, ob die Ziefer unten oder oben stehet. Man sehe Tab. XXX. Fig. 8. wo man aus der 8. und 15. bey den Zeichen siehet, daß die dritte Stimme mit der Unteroctave, die vierte aber mit der Unterdecimaquinta eintreten soll. Oefters lässet man, um die Fähigkeit der Köpfeetwas auf die Probe zu stellen, die vorgedachten Zeichen weg, und setzet an deren Stelle vorne aufs System, nach dem Schlüssel der Hauptstimme, alle übrigen Schlüssel, die zu den Folgestimmen erfordert werden, nach der Ordnung der Eintritte hin. Es müssen aber solche Schlüssel allezeit hierzu erwählet werden, daß, wenn der Canon hiernach in Partitur gesetzet werden soll, eine Stimme mit der andern auf gleiche Stuffen zu stehen komme. Z. B. Der Canon finge mit dem h in der dritten Octave an, und die nachfolgende sollte in der Unterquinte e, die dritte in dem eingestrichnen c und die vierte in der Unterquinte von diesem Intervalle nemlich in f anfangen, wie z. B.der Tab. XXXIV. Fig. 1. befindliche Canon: so müßte hiezu der C Schlüssel auf der ersten, dritten und vierten Linie, und der F Schlüsiel auf der vierten erwehlet werden; oder man müßte den G Schlüssel aufder ersten und den C Schlüssel auf der ersten, zweyten oder vierten; oder endlich den G Schlüssel auf der andern, den C Schlüsiel auf der zweyten und dritten, und den F Schlüssel auf der dritten Linie dazu nehmen. Es ist einerley. Will man sich aber dabey dem Leser gefällig erzeigen: so kann man nach jedem Schlüssel, die Pausen die jede Folgestimme zu beobach­ ten hat, und über oder unter diese Pausen durch Ziefern dasjenige Intervall bemerken, worinn der Eintritt geschehen soll. Man sehe Tab. LVIII, Fig. 4. 3) Daß

Das sechste Hauptstück. Vom Canon I. Abschnitt. 3) Daß man die Zeit andeutet, in der die nachfolgende Stimme eintreten soll, ob es ein Viertheil, oder einen halben Schlag, oder noch ftüher oder später geschehen soll. Man druckte ehemals dieses mit Wörtern aus. Heutiges Tages verrichtet man es, wie kurz vorher gesagt ist, mit den ordentlichen Zeichen der Pause. Wenn zum Anfange der Hauptstimme etwann eine Pause stehet: so verstehet es sich von selbsten, daß die nachfolgende Stimme zu den vorhandnen und ausgeschriebnen Pausen diese annoch in Gedancken zuthun müsse; und hat etwann der Componist nicht die Hauptpausen nach vorgeschriebner Art bemerket, sondern die Eintritte nur mit den andern schon bekannten kleinen Zeichen angedeutet: so muß man von diesem Zeichen an die Anfangspause abzählen. 4) Daß man, wenn die folgende Stimme der ersten mit veränderter Geltung und Bewegung der Noten, im widrigen Tacttheile nachfolgen soll, solches mit Worten ausdrücket. 5) Daß, wenn der Canon, nach seiner ordentlichen Auflösung, annoch auf eine andere Art, z. B. nach dem doppeltverkehrten Contrapuncte, u.s.w. ausgeübet werden soll, man solches am Ende des Systems, entweder durch verkehrte Schlüssel u. d. g. anzeiget, wenn es nicht mit Worten ausgedrücket wird. 6) Daß man endlich über diejenige Note, mit der in gewissen Arten des Canons, die Folgestimme aufhören soll, das ordentliche Ruhezeichen setzet. Was noch sonst zu der Ueberschrift gehören mögte, oder zum wenigsten nach Beschaffenheit der Umstände in solche gebracht werden könnte, wird man aus der Folge abnehmen können. Anmer-

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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Anmerkung. Ehedessen wurde ein Canon eine fuga in confeguenza , und bloß die itzt erklärte Ueberschrift, nach welcher ein Canon aufgelöset und ausgeübet werden sollte, ein Canon, das ist, eine Regel, Gesetz, oder Vorschrift genennet. Da man nachgehends das Zeichen und die bezeichnete Sache zu vermengen angefangen: so ist dadurch die erste Benennung allmählich verschwunden, und an die Stelle derselben das Wort Canon eingeführet worden und geblieben. §. 6. Da die canonische Nachahmung mit allen Intervallen der Octavegeschehen kann: soentstehen daher folgende acht Hauptgattungen des Canons, als: (1) Der Canon im Einklange. Ein zweystimmiges Exempel hievon ist zu finden Tab. XIX. Fig. 1.ein dreystimmiges. Tab.XXVI. Fig. 4. ingleichen bey Fig. 6. welches man nach Anleitung der Zeichen leicht auflösen wird; ingleichen bey Fig.1. Tab. L. ein vierstimmiges Tab. XXIX. Fig. 1.ingleichen bey Fig. 3. Tab. XXVIII. it. bey Fig. 5. Tab.XXX. it. bey Fig. 6. it. bey Fig. 7. ein sechsstimmiges bey Fig.5. Tab. XXXVII. ein zwölfstimmiges bey Fig. 2. Tab. XXXVIII. (2) Der Canon in der Secunde, und zwar in der Ober- und Untersecunde. Man sehe bey Fig. 2. und 3. Tab. XIX. Exempel von beyden. (3) Der Canon in der Terz, und zwar in der Ober- und Unterterz, (in Epi- und Hypoditono) Tab. XIX. Fig.4. wo man die anhebende Stimme aber besser eine Octave heruntersetzen und folglich die Oberterz, womit die Folgestimme eintritt, in eine Oberdecime verändern kann. Ferner Tab. XIX. Fig. 5. in der Unterterz. Abh. von der Auge. II. Theil. H 4) Der

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt. 4) Der Canon in der Quarte, und zwar erstlich in der Oberquar­ te in Epidiatessaron, Tab. XIX. Fig. 6. In der Unterquarte, in Hypodiatessaron, Tab. XIX. Fig. 7. ingleichen Tab. XLI. Fig. 13. Tab. XVIII. Fig. 11. 5) Der Canon in der Quinte, und zwar erstlich in der Oberquinte, in Epidiapente; Tab. XIX. Fig. 8. in der Unrerquinte, in Hypodiapente, Tab. XIX. Fig. 9. ingleichen Tab. XX. Fig. 7. 6) Der Canon in der Sexte, und zwar in der Obersexte. Tab. XIX. Fig. 10.in der Unrersexte bey Fig. 11. 7) Der Canon in der Septime, und zwar in der Oberseptime. Tab. XIX. Fig. 12. und in der Unterseptime. Tab. XX. Fig. 1. 8) Der Canon in der Octave, und zwar in der Oberoctave, inEpidiapason Tab. XX. Fig. 2. ingleichen bey Fig. 4. In der Unteroctave, Hypodiapason. Tab. XX. Fig. 3. ingleichen Tab. XVIII. Fig. 6.

Die Canons in der None, Decime, u. so weiter können zu den Gattungen in der Secunde, Terz, u. s. w. gerechnet werden. §. 7. Ein Canon ist entweder so beschaffen, daß er vermittelst eines Anhanges zum Schlusse gebrachtwird, oderohne Ende ausgeübet werden kann. Da bey einem Canon von dieser leztern Art die Stimmen nacheinander wieder in den Anfang eintreten, und folglich wie im Kreise oder Zirkel zusammen lauffen: So wird daher ein solcher Canon ein Zirkel- oder Kreisgesang, ein Zirkelcanon, ingleichen ein immerwährender oder unendlicher Canon, lat. canon circularis, infinitus, perpetuus&c. genennet; so wie der, wo die Stimmen

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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men vermittelst eines Anhanges zur Ruhe angewiesen werden, ein endlicher Canon genennet wird. Von dieser lezten Gattung sind z. B. insgemein die Canons über einen vesten Gesang, als Fig. 1.Tab. XXV. insgemein die Canons in der doppelten Vergrößerung, als Fig. 1.Tab. XXX. von welchen allen hernach besonders gehandelt werden wird, u. s.w. In der Kirche werden diese endlichen Canons vorzüglich gebrauchet, wie man Tab. XXVIII. Fig. 1. Tab. XLII. Fig. 3. ingleichen bey Tab. XLIII. Fig. 1. sehen kann. Man kann in den unendlichen Canons aber ebenfals an gewissen Oertern bey einer bequemen Harmonie, nachdem man es vorhero unter sich ausgemachet, nur einmahl aufhören, damit der Schluß nicht, bey nacheinander abgehenden Stimmen, lächerlich oder matt werde. §. 8. Bey einem Zirkelcanon wird, wenn die Stimme wieder in den Anfang eintritt, entweder mit ebendemselben Intervalle wieder angefangen, so wieTab. XIX. bey Fig.i. 2. 3. 4. oder die Stimme hebt bey der Wiederholung mit einem andern Intervalle, d. i. eine Secunde, Terz, Quarte, Quinte, Sexte, oder Septime tiefer oder höher an. Und da vermittelst dieser Veränderung ein solcher Canon alle zwölf Töne seiner Tonart durchläuft: so wird er daher ein Zirkelcanon durch die Töne canon circularis per tonos, genennet. Ich habe mir sagen lassen, daß der Herr Capellmeister G- zu Keinen besondern zweystimmigen Canon von dieser Art verfertiget habe. Die Begierde zum Neuen trieb mich, den Herrn Verfasser um gütige Gemeinmachung desselben zu ersuchen. Allein es hat derselbe mich nicht so glücklich machen wollen, diese vortrefliche Rarität zu besitzen. Es muß etwas kostbares seyn. Indessen darf sich keiner von unsern heutigen Tonkünstlern auf die Erfindung emes solchen Canons etwas zu gute thun, ohne Wind zu machen. Vom Bendinelli weiß man, daß selbiger schon länH 2 ger

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ger als vor hundert Jahren einen Canon und zwar von vier Stimmen verfertiget hat, welcher allezeit nach dem Ende eine Secunde höher als vorher anfängt, da inzwischen zwey Stimmen noch im vorigen Tone moduliren; und dieser Canon ist in des Bononcini musico, prattico, und zwar im zweyten Theile, im zwölften Capitel zu finden. Man braucht übrigens nur noch die Werkmeisterischen Schriften und zwar besonders diesogenannte Harmonologiam musicamzu lesen, um zu sehen, daß solche Canons schon lange in Deutschland bekannt gewesen. Wir geben hievon folgende Exempel, die zwar in keinen Rahm unter einem künstlichen Zirkelsystem eingefasset sind, nichts desto weniger aber ihren Wehrt behaupten können. Zweystimmige Zirkelcanons durch die Töne. Der erste steht Tab. XLI.Fig. 12. und ist ein Canon in der Oberquinte, und hebet derselbe bey der Wiederhohlung allezeit eine Secunde höher an. Die Wiederhohlung ist allezeit, wie man siehet, mit Sternchen über die Noten bemerket worden. Der zweyte steht Tab. XLI.Fig. 13.und ist ein Canon in der Unterquarte, und hebet derselbe den Satz allezeit eine Quarte tiefer wiederum an. Der dritte ist ein Canon im Einklange, aber in der Gegenbewegung und steht Fig.12. Tab.XXXIX. Die Wiederhohlung geschicht allezeit eine Terze höher. Der vierte steht Fig. 13. dieser Tabelle, und ist im Einklange in der widrigen Bewegung. Die Wiederhohlung geschicht eine Terz tiefer. Der fünfte steht Tab. XL. Fig. 22. und ist ein Canon in der Unterterz mit verkehrter Bewegung. Die Wiederhohlung geschicht eine Terz tiefer. Anmerkung. Wenn in diesen Exempeln eine Stimme zu tief oder zu hoch steiget: so versetzet man bey der Wiederhohlung das anfangende Intervall eine Octave höher oder niedriger, und fähret nach Proportion fort. Der

Das sechste Haupsftück. Vom Canon. I.Abschnitt.

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Der sechste steht Tab.XLI. Fig.1.und ist ein Canon in der Oberterz mit verkehrter Bewegung.DieWiederhohlung geschichteine Terz höher. Der siebente steht Tab. XLI. Fig. 2. und geschieht sowohl der Eintritt als die Wiederhohlung eine Terz tiefer in der Gegenbewegung. Der achte steht Tab. xx. Fig. 7. und ist ein Canon in derUnterquinte,und geschicht die Wiederhohlungeine Secunde tiefer. Dreystimmige Zirkelcanons durch die Töne. Der erste steht Tab. XXVI. Fig.5. und tritt die eine Stimme nach der andern allezeit eine Quarte höher ein. Die Wiederhohlung des Satzes geschicht eine Terz höher. Der zweyte steht Tab. XXVII. Fig. 1. und fol­ get die eine Stimme der andern eine Quinte tiefer nach. Die Wiederhohlung geschicht eine Terz höher, Vierstimmige Zirkelcanons durch die Töne. Der erste steht Tab. XXXI. Fig. 3. und folget die eine Stimme der andern eine Quinte höher nach. Die Wiederhohlung geschicht eine Terz höher. Der zweyte steht Tab. XXXII. Fig. 1.und hat es eben damit die Bewandtniß als mit dem vorigem Der dritte steht auf eben der Tabelle Fig. 2. und ist eben wie die beyden vorigen beschaffen. Der vierte steht Tab. XXXIII. Fig. 1.und ist eine besondere Art eines Zirkelcanons durch die Töne. Der Zirkel besteht nichts wie in den vorigen Exempeln, aus kurzen Sätzen, sondern aus einer langen nach der Ordnung der steigenden Quinten die Töne durchlauffenden Melodie. Von dieser Art besinne ich mich nicht, ein Muster jemahls gesehen zu haben. §. 9. Es pflegen einige die Canons in eigentliche und uneigentliche, oder freye und ungebundne zu unterscheiden. Durch die eigentlichen verstehn H 3 sie

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

sie diejenigen, wo die Folgestimme der vorhergehenden alles durchgängig auf eine ähnliche Art nachmachet; durch uneigentlichen aber die, wo die Folgestimme der vorhergehenden nicht alles durchgehends auf eine ähnliche Art nachmachet, wo sie z. B. die Quarte in eine Quinte oder umgekehrt, die Quinte in eine Quarte verändert u. s. w. so wfe der Gefährte in einer Fuge. Gewissermassen gehören alle endliche Canons zu den uneigentlichen. §. 10. Wenn die Nachahmung in einem Canon vermittelst der Vergrösserung oder Verminderung geschicht: so bekommt er hiernach den Nahmen, und heißt auf lat. canon per augmentationem oder diminutionem. Wird bey je­ der Folgestimme die Proportion der Noten vergrössert oder verkleinert; so heißt er ein canon per augmentationem oder diminutionem duplicem, triplicem u. s. w. Zweystimmige Exempel. Das erste steht Tab.XLI. Fig. II.und ist in der Vergrösserung. Das zweyte steht Tab. XXI.Fig. i. und ist in der Verkleinerung mit verkehrter Bewegung. Will man es in der Vergrösserung haben: so fänget man den Satz wie bey Fig. 2. an, und setzet denselben wie bey Fig. 1. nach der Ordnung fort. Das dritte steht Tab. XXI.Fig. 3. und ist in der Vergrösserung und Gegenbewegung. Will man es in der Verkleinerung haben: so heben sich die Stimmen wie bey Fig. 4. an. Das vierte ist Tab. XXI.Fig. 5. zu sehen, und ist in der Vergrösserung mit verkehrter Bewegung. Bey Fig. 6. findet man es in der Verkleinerung. Das fünfte in der Vergrösserung bey Fig. 8. Tab. XXXIX. Das sechste in der Verkleinerung Fig. 9. Das siebente in der Vergrösserung bey Fig. 16. Tab. XL. Das achte bey Fig. 17. Das neunte bey Fig. 18. Das zehnte bey Fig. 19. Das eilfte Tab.

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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Tab. XLI.Fig. 7. Das zwölfte in der Verkleinerung bey Fig. 8. Das dreyzehnte Exempel, welches ein endlicher Canon ist, stehet Tab.XX.Fig. 8. Wie derselbe ad Octavam könne versetzet werden, siehet man bey Fig. 9. Dreystimmige Exempel. Das erste steht Tab. XXVII. Fig. 3. und ist ein doppeltvergrösserter endlicher Canon. Die Viertheile aus der anhebenden Stimme werden bey der ersten Folgestimme zu halben und bey der zweyten zu ganzen Schlägen. Das zweyte steht Tab.XXX. Fig.1. und hat es eben damit dieBewandtniß als mit dem vorigen, nur daß die Folgestimmen in ungleicher Bewegung eintreten. Vierstimmige Exempel. Das erste siehet man bey Fig. 2. Tab. XXX. und ist nichts anders als das gerade vorhererklärte dreystimmige Exempel, nur mit dem Unterscheide, daß die Stimmen hieselbst ad Octavam versetzet werden, und eine vierte Stimme Terzenweise hinzugefüget wird. Das zweyte folget gleich nachher bey Fig. 3. und ist in der dreyfachen Vergrößerung, wobey die Stimmen in ungleicher Bewegung hintereinander eintreten. Man kann dieses harmonische Gewebe noch weiter fortführen, wenn man will, indem es nicht geendet ist. §. 11. Wenn die Folgestimme der vorhergehenden in einer unähnlichen Bewegung, d.i. in der verkehrten, rückgängigen oder rückgängigen Gegenbewegung nachfolget: so erhält der Canon hiernach den Nahmen und heißt ein Canon in der widrigen, rückgängigen oder rückgängigen verkehrten Bewegung, canon per motum contrarius; canon cancrizans; canon cancrizans mo­ tu contrario. Exem-

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt. Exempel Von Canons in der Gegenbewegung.

Das erste ist in der Untersecunde und steht Tab. XX. Fig. 5. Das Zweyte in der Obernone eben daselbst bey Fig. 6. Das dritte bey Fig. 2. Tab. XXVIII. allwo die zweyte Stimme zwar in der ähnlichen, die dritte aber in der Gegenbewegung eintritt. Das vierte bey Fig. 3. Tab.XXlX. Das fünfte bey Fig. 4. Tab. XXX.Das sechste bey Fig. 3. Tab. XXXIV. v. wo zwey Stimmen in der ähnlichen und zwey in der Gegenbewegunggehen. Das siebende auf Tab.XXXVII.bey Fig. 2. in Ansehung der vier untersten Stimmen. Die fünfteStimme dient zur Begleitung.Das achte bey Fig.3. Tab.XXXVII. v wo vier Stimmen in der ähnlichen und vier in der Gegenbewegung gehen. Das neunte bey Fig.4. Tab. XXXVII. mit dem es eben die Bewandtniß als mit dem vorigen hat. Das zehnte, eilfte und zwölfte Tab. XVIII.Fig. 8. 9. und 10. Mehrere Exempel wird man Tab. XXXIX. XL.und XLI. finden. Exempel Von Canons in der rückgängigen Bewegung. Das erste steht Tab. XIII. Fig. 5. und die Auflösung davon Fig. 2. mit Fig. 3. fortgesetzt. Das zweyte steht Tab. XXI. Fig.7. wobey die Nachahmung zwischen den Stimmen zu merken ist. Das dritte steht Tab. XXI. Fig. 8. in welchem ebenfals die ordentliche Nachahmung der beyden Stimmen unter sich in der Mitte zu merken ist. Das vierte steht Tab.XXII.Fig.1. und hebt die zweyte Stimme den Satz in der Vergrößerung an. Von dieser Art rückgängiger Canons findet man sonst noch keine Exempel. Das

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I.Abschnitt

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Das fünfte steht Tab. XXIII.Fig. 1. und ist noch nicht aufgelöset. Dieses aber zu thun, so schreibt man zuförderst die hier befindliche Hauptstimme auf ein System, und auf ein ander System, das man unter das erste setzet, schreibet man eben diese Stimme, jedoch vom Ende nach dem Anfange zu dagegen. Wer die Fähigkeit hat, rückwärts zu lesen, braucht die Stimmen nicht erst untereinander zu setzen, sondern kann nach Anleitung des hinten befindlichen Schlüssels den Satz aus dem Stegereif vom Ende nach dem Anfange zu spielen. Das sechste steht Tab. xxiii. Fig.2. und hat es eben die Bewandtniß damit als mit dem vorigen. Das siebente steht Tab. xiii. Fig.4. und ist bereits aufgelöset. Das achte steht Tab. xiv. Fig. 7. und findet man solches nach Anleitung des hinten befindlichen Schlüssels bey Fig. 6. in die verkehrte rückgängige Bewegung aufgelöset. Das neunte steht Tab. x v. Fig. 6. und wird, nach Anleitung des hinten befindlichen Schlüssels, wie das vorige, in die rückgängige verkehrte Bewegung aufgelöset. Das zehnte steht Tab. XXII. bey Fig. 2. und ist in die verkehrte rückgängige Bewegung aufgelöset. Anmerkung. Wenn ein rückgängiger Canon noch nicht aufgelöset zu Papier gebracht ist, sondern aus eben derselben Zeile vom Blatte weggespielet werden soll: so gehet der eine vom Anfange nach dem Ende, und der andere vom Ende nach dem Anfang zu. Nachhero kehret man den Proceß Abh. von der Fuge II. Theil. I um

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon I. Abschnitt. um, und fänget jeder wiederum da an, wo er geblieben, dieser von vorne und jener von hinten, wenn man nemlich den Canon noch einmahl machen will; und auf eine ähnliche Art fähret man bey ieder Wiederhohlung fort. Dieses ist die gewöhnlichste und natürlichste Manier. §. 12.

Es war nicht allein ehedessen, sondern es ist auch noch itzo der Gebrauch, daß man über einen zum Grunde liegenden vesten Gesang einen Canon machet. Der seel. Herr Capellmeister Bach hat aus diese Art unter andern das Lied: Vom Himmel hoch ,e. durchgearbeitet. Man kann selbiges gestochen haben. Wir wollen zur Ersparung des Raumes einige kleine Exempel aus dem Berardi beybringen, die ob sie gleich nicht die harmoniösesten Muster in dieser Gattung des Canons sind, dennoch die Art, wie man damit zu Werke geht, genungsam an den Tag legen werden. Das erste Exempel steht Tab. XXIII. Fig.5. und ist ein zweystimmiger Canon im Einklange über den daselbst befindlichen vesten Gesang. Das zweyte Exempel, bey Fig. 6. wie das vorige, nur daß die Folgestimme später als in jenem eintritt. Das dritte Exempel bey Fig. 1. Tab. XXIV. enthält einen zweystimmigen Canon in der Untersecunde, und das vierte bey Fig. 2. einen in der Obersecunde. Das fünfte Exempel bey Fig. 3. ist ein Canon in der Unterterz. Das sechste und siebente Exempel bey Fig. 4. und 5. sind Canons in der Unter- und Oberquarte. Das achte und neunte Exempel bey Fig. 6. und 7. sind Canons in der Oberquinte. Das

Das sechste Hauptstück. Vom Canon I. Abschnitt.

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Das zehnte nnd eilfte Exempel bey Fig. 1.und 2. Tab. XXV. sind Canons in der Unter- und Obersexte. Das zwölfte und dreizehnte Exempel bey Fig. 3. und 4. sind Canons in der Unter- und Oberseptime. Das vierzehnte und fünfzehnte Exempel bey Fig. 1. und 2. Tab. XXVI. enthält Canons in der Unter- und Oberoctave. Man sieht hieraus, daß man in allen Intervallen über einen vesten Gesang eine canonische Fuge machen kann, und kann, wohl gemerkt, dieser veste Gesang nicht allein im Basse zum Grunde liegen, sondern er kann auch oben und in der Mitte, wo man will, angebracht werden. §. 13. Zu der itzt erklärten Gattung des Canons kann man gewissermassen diejenigen rechnen, die mit einer Nebenstimme, zu mehrer Ausfüllung, es sey nun oben, unten oder in der Mitte, begleitet werden. Man sehe zum Exempel Fig. 2. Tab. L. wo die beyden obersten Stimmen einen Canon unter sich machen, die unterste aber zur Bedeckung dazu gesetzt ist. Ferner Tab. XXXI. Fig. 2. wo die drey obersten Stimmen gegen die unterste einen Canon ad Octavam unter sich führen. Ferner Tab. XXXVII. Fig. 7. wo ein siebenstimmiger Canon im Einklange vorhanden ist, der aber mit der bey Fig. 6. befindlichen Grundstimme begleitet werden muß. Ferner Tab. XXXVII. Fig. 2. wo die vier untersten Stimmen unter sich einenDoppelcanon in der Gegenbewegung haben, der aber mit der darüber befindlichen Nebenstimme begleitet wird. §. 14. Der Canon ist ebenfals der Nachahmung im vermischten Tacttheile, per arfin & thesin,fähig, wiefolgende Exempel zeigm,beyFig. 3. und4. I 2 Tab.

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Das sechste Hauptstück.

Vom Canon. I. Abschnitt.

Tab. XXIII. it. bey Fig. 3. Tab. XXXVII. das eine Chor gegen das andere gerechnet, it. bey Fig. 4. dieser Tabelle, eine Stimme gegen die andere in jedem Chore besonders gerechnet. Andere Exempel wo eine (Stimme der an­ dern um ein Viertheil später nachfolget, so wie Tab. XXXVII. Fig. 3. sehe man Tab. XLII. bey der zweyten Resolution der Fig. 1, bey (b). it. bey Fig. 10.Tab. LVII. §. 15. Eine neue Gattung von Canons giebet uns die unterbrochene Nachahmung. Exempel davon stehen Tab. XLI. bey Fig. 9. und 10. und Tab. xxxix. 10. und 11. und. Tab. XL. bey Fig. 20. und 21. §. 16. Es giebt Canons, worin entweder die Hauptstimme oder die Folgestimme oder beyde zugleich eine Terzenweise mitlauffende Nebenstimme zulassen. Diese sind von vortreflichem Nutzen und verdienen besonders gemerket zu werden. Das erste Exempel findet man Tab. XXIII. Fig. 3. Der Baß enthält die Hauptstimme und folget die zweyte Stimme eine Duodecime höher und zwar in der Gegenbewegung nach. Der Tenor aber geht eine Terz höher mit der Hauptstimme mit. Das zweyte Exempel folget gleich darauf bey Fig. 4. uud ist ebenfals ein Canon in Duodecima in der ähnlichen Bewegung aber im falschen Tacttheile. Der Alt geht eine Terz höher mit dem Basse mit. Ein drittes Exempel findet man bey Fig. 4. Tab. xxx. in einem Canon in der Oberoctave, indem der Baß und Diskant die Hauptstimmen sind. Dem Basse wird eine Terz oberwärts und dem Diskant eine Terz unterwärts zugefüget, und damit wird der Canon vierstimmig. Das vierte Exempel findet man bey Fig. 1. Tab. XXXI. und das fünfte bey Fig. z. Tab. XXXIV. bey der zweyten Auflösung (c) des daselbst

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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daselbst befindlichen Hauptexempels. Ein sechstes Exempel per arsin et thesin findet man Tab. XLII. Fig. 1.(a) bey der ersten Auflösung. Im ersten Theile der Abhandlung haben wir bereits Tab. LXI, Fig. II. einen Canon dieser Art bey Gelegenheit angeführet, welchen man hier nachsehen kann. §. 17. Ein Canon, wo die Folgestimmen mit verschiedenen Intervallen nacheinander eintreten, heißt ein vermischter Canon, wie z. B. der bey Fig. 2. Tab. XXXIII. wo die zweyte Stimme eine Quinte tiefer, die dritte eine Septime tiefer und die vierte eine Undecime tiefer gegen die erste eintritt. Die Verkehrung dieses Canons nach dem Contrapunct in der Gegenbewegung folget bey Fig. 3. nach. Zu eben dieser Gattung des Canons gehören die Tab. XXXIV. Fig. 1. und 2. befindlichen Exempel. Eine andere Art des vermischten Canons sehe man bey Fig. 1. und zwar bey (b) Tab. XLII. ingleichen Tab. XXXVIII. Fig. I. Es hat es mit dem vermischten Canon eben die Bewandtniß, die es mit der engen Nachahmung hat, vermittelst welcher, wie aus dem ersten Theile bekannt ist, die Folgestimmen der anhebenden bald mit diesem bald mit jenem Intervalle, nachdem es sich am besten thun läßt, nachgehen können. Diejenigen vielstimmigen Canons, worinn die übrigen Stimmen wechselsweise in der Octave der ersten oder zweyten nachfolgen, benennet man nach dem Intervall, womit die zweyte Stimme eintritt, und da dieses unter- oder oberwärts geschehen kann: so entstehen daraus Canons in der Unter- und Oberquarte, in der Unter- oder Oberquinte u.s.w. es mag der Canon aus noch so vielen Stimmen bestehen, wenn die übrigen Stimmen nur mit keinen andern Intervallen anheben, als mit dem die erste Stimme den Canon angefangen, oder mit dem die zweyte derselben nachgefolget ist. Wenn die zweyte Stimme in der Octave eintritt, I 3 und

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

und die dritte in einem andern Intervalle: so nennet man den Canon am besten nach allen beyden Intervallen zugleich, wenn auch gleich das Gegentheil insgemein geschicht. Canons in der Unrerquinte findet man Tab. xxxv. bey Fig. 1.2.4. und 5. die alle auf eine ähnliche Art aufgelöset werden. Canons in der Oberquine tfindet man bey Fig. 3. 6. und 7. die zweyte Stimme tritt in der Oberquinte ein, die dritte folgt der ersten, und die vierte der zweyten in derOberoctave nach. Einen Canon in der Unterquarte siehet man bey Fig. XXVIII. Fig. 1. und einen in der Oberquarte bey Fig. 1. Tab. XXXVI. Die zweyte Stimme tritt in der Oberquarte ein; die dritte folget der ersten, und die vierte der zweyten in der Oberoctave nach. Einen Canon in der Oberocrave und Quinre siehet man bey Fig. 2. Tab. XXVIII.i.it. bey Fig. 12. Tab. xxxv. Die zweyte Stimme tritt in der Oberoctave ein; die dritte folget der ersten, und die vierte der zweyten in der Unterquinte nach. Ein dreystimmiges Exempel von dieser Art ist zufindenTab. XXVII. Fig.2. die dritte Stimme der zweyten in der Unterquinte nachfolget. Einen Canon in der Unreroctave und Oberquarte enthält Fig.II. Tab. xxxv. Die zweyte Stimme tritt in der Unteroctave ein. Die dritte folget der ersten, und die vierte der zweyten in der Oberquarte nach. Ein sechsstimmiges Exempel eines Canons in der Unterquinte stehet bey Fig. II. Tab. XXXVI. und wie die Auflösung geschehe, findet man in eben der Zeile angezeiget. Andere Exempel eiI. bey Fig. nes Canons in der blossen Unteroctave sehe man beyFig. 5. Tab. bey 4.Tab. VI. Fig.2. Tab.XXXIX. bey Fig. 8.Tab. XXX. welcher wie der vorhergehende aufgelöset wird. Bey Fig. 2. Tab.XXXI. Bey diesen leztern Exempeln folget zwar manche Stimme nur im Einklange an einigen Oertern nach. Da aber eigentlich solches in der Octave geschehen sollen, und nur des Umfanges wegen der Einklang dazu erwehlet wird: so erhalten solche Arten des Canons ihren Nahmen nach der Octave und nicht nach dem Einklange. §. 18. Ein

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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§. 18. Ein Canon endlich, welcher verschiedener Auflösungen fähig ist, wirdein Canon Polymorphus genennet, von

viel und

die Gestalt, wie-

wol man ebenfals einen solchen Canon darunter versteht, worinn die Anzahl der Stimmen die selbst bey den stärksten Musicken hergebrachte Gewohnheit übersteiget. Dergleichen Canons werden weniger zum Gebrauch, als nur die unendlichen in der Musick möglichen Verbindungen und Veränderungen einigermassen zu zeigen, verfertiget. In solchen polymorphischen Canons haben sich besonders unter den Italiänern Michael Romanus, Petrus Franciscus Valentinus und Berardi, und bey den Deutschen der Herr Magister Reitleber, und die Herren Capellmeister Theil und Stölzel, hervorgethan. Wem mehrere bekannt sind, der kann sie sich dazu schreiben. Unter andern hat Berardi einen Canon im Einklange mit 32 Stimmen, der Magister Reitleber aber einen andern Canon so gar mit 512 Stimmen gesetzet. Von den andern Meistern werden allhier einige Exempel erfolgen. Wir wollen aber Fuß vor Fuß gehen, und von den kleinsten polymorphischen Geweben anfangen. Erstes Exempel. Solches stehtTab. XXII.Fig. 3. und wird zuförderst in den Einklang mit verkehrter Bewegung aufgelöset. Bey Fig. 4. wird es ad Duodecimam versetzt, welches als eine zweyte Auflösung zu betrachten ist. Die dritte findet sich bey Fig. 5. und zwar in der rückgängigen Bewegung, und dieseAuflösung wird bey Fig. 6. ad Duodecimam versetzt. Da die rückgängige Bewegung etwas schwer herauszufinden ist, indem sie nicht von dem Schluße des Satzes anfänget: so kann man sich statt des Tenorzeichens bey Fig. 3. den C. Schlüssel auf der zweyten Linie bey dieser zweyten Stimme zuförderst

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. 1. Abschnitt.

zuförderst einbilden. Man lese alsdenn von dem dritten Tacte dieser zweyten Stimme an den Satz dergestalt zurücke, daß man von diesem Tacte anfänget, und alsdenn einige Tacte über-und nach dem allerletzten Tacte hinspringet, bey welchem man den Satz von dem Ende wieder nach dem Anfang zu fortlieset. Alsdenn kommen die bey Fig. 5. befindlichen Intervallen nach der Ordnung heraus. Zweytes Exempel. Solches steht Fig. 3. Tab. XXXIV. und geschicht die erste Auflösung dergestalt, daß sich zwey Stimmen in ähnlicher Bewegung im Einklange, und zwey andern in verkehrter Bewegung gegen die vorige in der Oberquarte nachfolgen. Bey (b) wird das ganze Exempel nach dem Contrapuncte alla riversa verkehret, und bey (c) wird der Satz in die Unterquinte aufgelöset, jede Stimme aber mit zugefügten Stimmen in der Unterdecime vermehret. Drittes Exempel. Solches steht Tab. XLII. Fig. 1. wo die erste Auflösung in die Untersexte geschicht, und die dritte Stimme terzenweise mit der untersten mitlauft. Die zweyte Auflösung bey (b) geschicht mit vermischten Intervallen, und allezeit um ein Viertheil später. Viertes Exempel. Dieses ist ein bey Fig. 3. Tab. XXXVIII. befindlicher Canon, wel­ cher insgemein, wiewohl mit Unrecht, dem Thomas Sellius, ehemahligen Capellmeister in Hamburg, zugeeignet wird, und von dem berühmten Michael Romanus, der lange vor jenem geblühet, und zwar über das Sanctus verfertigt worden ist.

Es kann derselbe nach folgender Anweisung, die uns Kircher

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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Rircher dazu in seiner Musurgie giebt, mit 36 Stimmen auf 9 Chöre aufgelöset und ausgeübet werden.

Das erste Chor.

Der Baß und Tenor fangen zugleich an, der Baß, wie er da steht; der Tenor in der Duodecime drü­ ber , und zwar in der Gegenbewegung. Der Alt tritt eine Runde oder einen halben Tact später ein in der Oberoctave, und mit dem Alte zugleich der Diskant , aber eine Duodecime drüber in der Gegenbewegung.

Der Baß und Tenor, wie oben, nach einer ganzen Tactpause, oder nach zwey Runden. Der Alt und Das zweyte Chor. Diskant, wie oben, nach anderthalb Tacten, oder nach drey Runden. Der Baß und Tenor, wie oben, nach zwey ganzen Das dritte Chor. Tacten oder nach vier Runden. Der Alt und Diskant, nach drittehalb Tacten, oder nach fünf Runden. . Der Baß. und Tenor, wie oben, nach drey ganzen Das vierte Chor. Tacten, oder nach sechs Runden. Der Alt und Diskant nach viertehalb Tacten, oder nach sieben Runden. Das fünfte

Chor.

Der Baß und Tenor, wie oben, nach vier ganzenTacten. Der Alt und Diskant nach neun Runden. ,Der Baß und Tenor,

wie oben, nach fünf ganzen

Das sechste Chor. Tacten. Der Alt und Diskant nach eilf Runden, l oder sechstehalb Tacten. Baßund Tenor, wie oben,nach sechs ganzen Tacten. siebente Chor Der Das Der Alt undDiskant nach siebenthalb Tacten. Abh. von der Fuge. II. Theil. K Das

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

Das achte Chor. Der Baß und Tenor, wie oben, nach sieben ganzen ' Tacten. Der Alt und Diskant nach achthalb Tacten. Das neunte Chor.

Der Baß und Tenor, wie oben, nach acht ganzen Tacten; der Alt und Diskant nach neuntehalbTacten.

Fünftes Exempel. Dasselbe steht Tab.XLII. Fig. 2. und ist ein Canon in der Vergrösserung, welcher 16mahl mit zwey; 34mahl mit drey; und 30mahlmit vier Stimmen und also zusammen 80 mahl verändert werden kan. Wir wollen nur die 16 zweystimmigen Auflösungen, und zwar des Raumes wegen, schriftlich zeigen, weil die drey- und vierstimmigen aus denselben entspringen, und derjenige, der die Lehre vom doppelten Contrapunct in der Octave, Decime, und Duodecime, so wie wir sie vorgetragen, wohl Hirn hat, nicht die geringste Schwürigkeit dabey finden wird. Zweystimmige Auflösungen. (1) Da der Canon aus 6 Tacten besteht, und er nur der einfachen Vergrösserungfähig ist, d.i. derjenigen, wo die Viertheile zu halben Schlägen, die Achttheile zu Viertheilen u. s. w.werden: so kann man ohne viele Mühe einsehen, daß die Augmentation nicht weiter als bis zum Ende des dritten Tactes gehen kann, welches denn auch, zu mehrer Gewisheit, mit einem Ruhezeichen über die lezte Note diesesTacts angedeutet ist. Nun wird der Canon, so wie er bey Fig. 2. stehet, zuförderst auf ein System und zwar auf das oberste hingeschrieben. Die Resolution fänget darauf in der Unterstimme, ohne zu pausiren, zugleich mit der obersten Stimme in der Octave drunter an, und höret mit der letzten Note des dritten Tactes auf, während der Zeit die Oberstimme ebenfals zu Ende gehet. Das ist die erste Resolution und der Grund der übrigen Veränderungen. (2) Ist

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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(2) (3) (4) (5)

Ist eine Verkehrung ad Octavam der ersten Resolution. Ist eine Verkehrung der zweyten Resolution in die höhere Decime. ist eine Verkehrung der ersten Resolution in die höhere Decime. Ist wie die erste Resolution, nur das alle beyde Stimmen zugleich eine Tertz höher gesetzet werden. (6) Wie die zweyte Resolution, nur daß alle beyde Stimmen zugleich eine Tertz erhöhet werden. (7) Die Hauptstimme wie sie dasteht. Die Resolution geschicht unterwärts in der Entfernung einer Decime, und zwar, wie in allen übrigen, mit der Oberstimme zugleich und vergrössert. (8) Die Auflösung geschicht oberwärts in C. und der Hauptsatz wird in der Entfernung einer Decime, und also in A. heruntergesetzet. 9 10 11 12 13

Sind nichts als Versetzungen der vorhergehenden Auflösungen in die Gegenbewegung, welche bey stehenbleibenden Stimmen, mit ebendenjenigen Intervallen wie dort anheben.

15 16 Die drey- und vierstimmigen Auflösungen bekömmt man, wenn derjenigen zweystimmigen, die sich dazu schicket ein oder zwey Terzenweise mitlauffende Stimmen, unter- oder oberwärts, nachdem es sich schicket, hinzugesetzet werden. Diese Terzen können hernach wieder in tiefere oder höhere Decimen verwandelt werden, wie wir davon beym Contrapunct ad 8. 10. und 12. Exempel gehabt. Will man sie annoch in Sexten verwandeln: so wird man noch mehr K2 als

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt. als die achzig besagte Veränderungen, die der seel. Herr Verfasser selbst davon angiebt, herausbringen.

Sechstes Exempel. Solches stehtTab. XXXVIII. Fig. 4. und wird von dem Verfasser der Salomonische Knoten, nodus Salomonis, vom Kircher aber ein Irrgarten genennet, und ist für 96. Stimmen auf 24. Chöre gesetzet. Herr Kircher aber, der der Sache tiefer nachgedacht, hat befunden, daß derselbe so gar von 512. Stimmen oder 128. Chören abgesungen werden könne. Es ist damit wie mit dem bey Fig. 3. vorherbefindlichen Canon à 36. in Ansehung der Harmonie und der Art der Auflösung überhaupt, beschaffen. Nähere Nachricht wird man beym Kircher in seiner Musurgie finden, und es ist weniger schwer als nöthig oder nützlich solche vielstimmige Canons, worinn gerade nur ebendieselbe Harmonie durchgehends stecket, zu machen. Siebentes Exempel. Solches leget uns Tab. XXXVIII. Fig. 5. dar, und hat der berühmte Verfasser diesen Canon selbst an die 2000. mahl aufgelöset, und ein ganzes Werck darüber verfertiget, wie man beym Kircher nachlesen kann. Es wäre zu wünschen, daß man dieses Werk annoch, und zwar auch bey uns in Deutschland haben könnte. Der Hauptsatz zu dem Canon siehet zum wenigsten besser als der bey Fig. 3. und 4. aus. Ich überlasse es einem, der mehrere Zeit und Geduld hat, diese ungeheure Menge von Resolutionen, die zwey- drey- vier- und mehrstimmig seyn können, wie Kircher schreibet, zu untersuchen. Es wird wohl eben kein Hexenmeister dazu erfodert werden, wann es sich anders damit so verhält, wie man es gleichwohl einem so ehrlichen und geschickten Mann, wie Kircher war, zutrauen muß. Achtes

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I.Abschnitt.

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Achtes Exempel. Dieses findet man Tab. xxxv. Fig. 5. und ist solches die Frucht eines Streites, den der seel.Herr Capellmeister Stölzel wider jemanden hatte, der das nicht weiter in der canonischen Schreibart behauptete. Der Herr Capellmeister hat seinen Gegner vermittelst eines polymorphischen Canons glücklich des Gegentheils überführet, und da die Blätter, worinn er solches gethan, sich sehr selten gemachet haben: so wollen wir allhier den Canon mit allen seinen Veränderungen excerpiren und der Welt aufs neue mittheilen. "Zuförderst siehet man, daß es ein vierstimmiger Canon in der Unter"quinte und Octave ist, an dessen Reinigkeit in der Harmonie nichts abge"het, wenn gleich die Melodie in Ansehung der Arseos und Theseos wie bey "Fig.10.Tab.xxxv. verändert wird; und weites nicht weniger einerley ist "mit was für einem Intervalle der Canon anhebet; so folget nothwendig, daß "weil er aus sieben ganzen Tacten besteht, in Ansehung des Anfangs vierzehn "Veränderungen möglich seyn, wie man bey Fig. 9. von dem Buchstaben (a) "an bis zu (o) sehen kann. Der in Ansehung der Theseos und Arseos verän"derte Canon bey Fig. 10. lässet ein gleiches zu. Folglich erstrecket sich die "Anzahl der Veränderungen aus acht und zwanzig, die man alle in den "Tabellen ordentlich auszusetzen für überflüßig hält, indem es jeder leicht über"sehen kann. "Weil ferner in der Zusammmfügung des Canons weder zwischen dem "Diskant und Alt, noch zwischen dem Diskant und Tenor eine Quarte anzu"treffen ist, auch keine gebundene oder syncopirte Dissonanzen darinnen vorhan"den sind: so kann er aus dem Spiegel oder umgekehrten Blatte gesungen "oder gespielet werden, d.i. der Canon kann nach dem Contrapuncte alla riversa K 3

"ver-

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I.Abschnitt.

"verkehret werden, wie man bey Fig. 6. Tab. xxxv. sehen kann. Daraus "entsteht nun ein Canon in der Oberquinte und Octave, der ebenfalls der "acht und zwanzig Veränderungen fähig ist. "Wie daselbsten nun das unterste zu oberst, und das oberste zu unterst "gekehret wird: so lässet er auch ebenfals das vorderste zu hinterst, und das "hinterste zuvörderst setzen, oder, welches einerley ist, er lässet sich in die rück"gängige Bewegung bringen, wenn die durchgehenden Noten geändert wer"den; und also entspringet aus solchem abermahl ein neuer an Melodie und "Harmonie ganz unterschiedner Canon, der sowohl als die beyden vorigen die "bewusten acht und zwanzig Veränderungen zulässet. Dieser Canon in "der Unrerquinte und Octave stehet Fig. 8. Tab. xxxv. "Weil dieser dritte Canon wieder der Versetzung in die Gegenbe"wegung fähig ist: so entstehet daher ein vierter und zwar ein Canon in der "verkehrten rückgängigen Bewegung, den man bey Fig. 7. Tab. xxxv. fin"det. Und dieser Canon in der Oberquinte und Octave kann ebenfals, "wie die vorigen, acht und zwanzigmahl verändert werden. Wir haben "also, die Veränderungen dieser vier Canons zusammengerechnet, schon hun"dert und zwölf Veränderungen. "Nun lässet sich ein jeder von diesen vier Hauptcanons noch auf verschiedne "Art verändern, theils in Ansehung des Intervalls, darin die Folgestimmen "den anhebenden nachfolgen, theils wenn etliche Stimmen in Ansehung der "Theseos und Arseos von den andern unterschieden werden; und endlich auch "in Ansehung der Wiederhohlung, welche den ganzen Canon versetzet. "Der Herr Capellmeister nimmt aber diese angezeigten Veränderungen "nur allein mit dem ersten Hauptcanon vor. Solches aber wird nicht hin"dern,

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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"dern, daß es auch mit den übrigen geschehen könne. Hier sollte nun von "den Canons im Einklange der Anfang gemachet werden. Weil aber solche "eben nicht viele Mühe erfodern: so hat der Herr Verfasser hievon kein Exem"pel geben wollen, ob es sich gleich auch, wiewohl nicht vierstimmig, damit "thun lassen müßte. Er fänget also von den Canons in der Octave an, als "mit welchen es schon mehr zu sagen hat, und giebt davon "Erstens das bey Fig. 11. Tab. XXXV. befindliche Exempel, worinnen "der Baß dem Alte in der Unteroctave; der Diskant dem Alte, und "der Tenor dem Basse in der Oberquarte nachfolget. Es ist dieses ein "Canon in der Unteroctave und Oberquarte. "Zweytens. Dieses ist ein Canon in der Oberoctave, und stehet sol"cher bey Fig. 12. Tab. XXXV. Dem Tenore folgt der Diskant in "der Oberoctave, und dem Basse, der in der Unterquinte gegen den "Tenor anhebt, folgt der Alt ebenfals in der Oberoctave nach. "Drittens. Dieses ist wieder ein bey Fig. 13. Tab. XXXV. befindlicher "Canon in der Unteroctave. Der Tenor folget zuforderst dem Dis­ kant in diesem Intervalle nach. Der Baß tritt in der Unterquintegegen "den Tenor und der Alt in diesem Intervalle gegen den Diskant ein. "Viertens. Dieses ist ein bey Fig. 14. Tab. xxxv. befindlicher Canon "in der Oberoctave. Der Alt folgt dem Basse in der Oberoctave "nach. Der Diskant tritt in der Quarte über den Alt, und der Te"nor in der Quarte über den Baß ein. "Da diese vier Canons so gut als die vorigen, hundert und zwölfmahl "verändert werden können: so haben wir nunmehr zweyhundert und vier"und

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I.Abschnitt.

"und zwanzig Veränderungen zusammen. Hier folgen noch Canons in "anderen Intervallen. "Der erste ist in der Oberquarte und steht Tab. XXXVI. Fig. 1. Der "Tenor folget dem Basse in diesem Intervalle nach. Der Alt tritt "in der Oberoctave gegen den Baß und der Diskant in der Ober"quarte gegen den Alt ein. "Der zweyte ist ein Canon in der Unterquinte und steht Tab. XXXVI. "Fig. 2. Der Baß folget dem Tenore in diesem Intervalle nach. "Der Diskant tritt in der Octave gegen den Tenor und der Alt in "gleichem Intervalle gegen den Baß ein. "Der dritte ist ein Canon in der Oberquarte und steht Tab. XXXVI. "Fig. 3. Der Diskant folgt dem Alte in diesem Intervalle nach. "Der Baß tritt in der Unteroctave gegen den Alt und der Tenor in "der Oberquarte gegen den Baß ein. "Der vierte ist wieder ein Canon in der Oberquarte und steht Tab. "XXXVI. Fig. 4. Der Alt folgt dem Tenore in diesem Intervalle "nach. Der Diskant tritt in der Oberoctave gegen den Tenor und " der Baß in der Unteroctave gegen den Alt ein. "Diese vier Canons geben wieder hundert und zwölf Veränderungen, "deren mit den vorigen zweyhundert und vier und zwanzig, nunmehr also "dreyhundert und sechs und dreyßig an der Zahl sind. Noch sind folgende "zwey Canons zu merken: "Der erste in der Unterduodecime bey Fig. 5. Tab. XXXVI. wo der "Baß dem Diskante in diesem Intervalle, der Tenor dem Diskant "in der Unteroctave und der Alt dem Basse in der Oberoctave nach"folget. "Der

Das sechste Hauptstück.Vom Canon. I. Abschnitt.

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"Der zweyte ist in der Oberundecime und steht Tab.XXXVI. Fig. 6. "wo der Diskant dem Basse in diesem Intervalle; der Alt dem Basse "in der Oberoctave und der Diskant dem Tenore in der Unteroctave "nachfolget. "Da jeder Canon, wie bekannt, sich acht u. zwanzigmahl verändern lässet, u. "hieraus also sechs und fünfzig Veränderungen entstehen: so beläustf die "Anzahl derselben sich anitzt auf dreyhundert zwey und neunzig. "Oben wurde der Canon dergestalt verändert, daß die Thesis in Arsin "und umgekehrt die Arsis in Thesin verwandelt wurde. Jtzt geschicht solches "vermischt; und aus diesen vermischten Tacttheilen entspringen die drey "neuen bey Fig.7. 8.und9. Tab.XXXVI. befndlichen Canons, wovon "ein jeder der acht und zwanzig Veränderungen fähig ist. Thut man die "daraus entspringenden vier und achtzig Veränderungen zu den vorigen ''dreyhundert zwey und neunzig: so hat man ihrer numehro vierhundert "und sechs und siebenzig zusammen. "Endlich kann der Canon in Ansehung der Wiederholung verändert "werden; und wiewohl solche in andern Intervallen ebensals thulich seyn "möchte: So bleibet doch der Herr Verfasser, so wie vorher, also auch hier bey "der Quarte und Quinte alleine. Wenn nun der Canon jedesmahl bey der "Wiederhohlung in die absteigende Quarte versetzet wird: so entsteht dar"aus der bey Tab.XXXVI. Fig. 10. befindlichen Zirkelcanon durch die "zwölf Töne. Weil aber solcher Gestalt die Tiefe der Stimmen nicht ''würde zu erreichen seyn: so kann die Versetzung wechselsweise in die fallende Quarte und steigende Ouinte geschehen. Aby. von der Fuge. II. Theil.

L

"Wenn

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Das sechste Hauptstück.

Vom Canon. I. Abschnitt.

"Wenn der Canon endlich um einen Tact verlängert wird, damit bey ''der Wiederholung die Versetzung in die Quinte geschehen könne: so "entsteht daraus ein zweyter Zirkelcanon, vermittelst dessen man ebnermassen, "obgleich auf einem andern Wege, alle zwölf Töne durchlauffen kann. Man "sehe Tab.XXXVII. Fig.1. "Da die übrigen drey Hauptcanons bey Fig. 6.7. und 8. Tab.XXXV. "auf eine ähnliche Art verändert werden können, und da überdieses noch meh"rere Hauptveränderungen als die angeführten, bey iedem Hauptcanon statt "finden: so muß man m der That über soviele unendliche Verbindungen "erstaunen. Neuntes Exempel. Dieses steht Tab. XXXIX. Fig.1. und hat vor allen, itzt erklärten polymorphischen Canons dieses voraus, daß die Folgestimme in allen Intervallen der Octave auf verschiedne Art der anhebenden nachfolgen kann; daß er aller vier möglichen Bewegungen, des vermischten Tacttheiles, der unterbrochnen Nachahmung, der Verkleinerung und Vergrößerung, und des Zirkels durch die Töne fähig ist, und endlich nicht allein zweystimmig, sondern auch drey- und vierstimmig gemachet werden kann. Zum Beweise wollen wir nur folgende Auflösungen darlegen. Wer sich die Mühe geben will, wird noch mehrere dazu finden können. (I.)

Zweystimmige Auflösungen.

(a)Im Einklange und der Octave. Diese findet man von Fig. 1. an bis Fig. 13.die Evolutiones der Fig. 1.2.3. und 4. ad Octavam sind dabey zu merken; ingleichen die verschiednen Eintritte, da die Folgestimme bald früher bald später eintritt; ingleichen die Vergrösserung bey Fig.8. Die Verkleinerung bey Fig. 9. Dieunter-

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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terbrochne Nachahmung bey Fig. 10.11. Die Zirkel durch die Töne bey Fig. 12. und 13. Die Versetzung der anhebenden und folgenden Stimme in die Gegenbewegung bey Fig, 2. Die vermischte Bewegung bey Fig. 5. und den folgenden. Die Thesis in beyden Stimmen bey Fig. 1. und 2. Die Arsis in beyden Stimmen bey Fig. 3.u. 4. Diese dreyzehn Veränderungen mit den Verkehrungen ad Octavam bey Fig. 1.2. 3. und 4. zusammen gerechnet: so haben wir siebenzehn Verändrungen zusammen. (ß) In der Secunde und Septime. Diese findet man von Fig. 14. an bis Fig. 3. Tab. XL. Es kommt darinnen zu merken vor erstlich die Vermischung der Tacttheile bey allen Figuren; zweytens die Evolution der Sätze bey14.15.16.u. 17. Tab. XXXIX. vermittelst welcher die Secunden, womit die Eintritte geschehen, zu Septimen werden; drittens, wie die Obersecunde, worinn die Folgestimme bey Fig. 14. und 16. anhebet, bey der Versetzung des Canons in die Gegenbewegung bey Fig. 15. und 17. zur Untersecunde wird. Diese 7. Figuren mit den vier Evolutionen machen wieder eilf Veränderungen und die siebenzehn vorigen dazu, insgesamt acht und zwanzig Veränderungen aus. γ In der Terz und Sexte. Diese erstrecken sich von Fig. 4. Tab. XL. bis zur Fig. 2. Tab. XLI. und sind entweder in der Unter- oder Oberterz. Es lassen sich aber Fig 16. Tab.XL. und Fig. 2. Tab. XLI. ad Octavam versetzen, und daher entspringen zwey Auflösungen in der Sexte. Hier bemerke man Erstlich, wiedie Fig 4. bey Fig.5. in die Gegenbewegung versetzet wird; Zweytens, die rückgängige Bewegung des Canons bey Fig.6.Drittens, die verkehrte rückgängigebey Fig.7. Viertens, L 2

die

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

die Versetzung der Fig. 4. in Arsin in beyden Stimmen bey Fig. 8. Fünftens, die Verkehrung dieser Arseos in die Gegenbewegung bey Fig. 9. Sechstens, die rückgängige Bewegung derselben bey Fig. 10. Und. endlich siebentens, die verkehrte rückgängige Bewegung derselben bey Fig 11. Die Verkleine­ rung und Vergrösserung bey Fig. 16.17.18.19. Die unterbrochne Nachahmung bey Fig. 20. und 21. und die Durchwanderung der zwölf Töne im Zirkel bey Fig. 22. dieser Tabelle und bey Fig. 1.und 2. Tab. XLI. kommt hernach in Betracht. Diese 21 Figuren, die mit den beyden Verkehrungen ad Octavam 23 ausmachen, mit den vorigen acht und zwanzig zusammengerechnet, haben wir schon ein und fünfzig Veränderungen. (d) in der Quarte und Quinte. Diese findet man von Fig. 3. Tab. XLI.an bis Fig. 10.Macht wieder acht Veränderungen, die mit den vorigen nunmehr neun und fünfzig zusammenbetragen. Nun kann der Canon bey Fig. 5. Tab. XXXIX. eben wie Fig. 1.2. 3.und 4. gehandhabet werden, das ist, er kann erstlich ad Octavam verkehret; zweytens in die widrige Bewegung versetzt; drittens diese wieder ad Octavam verkehret; viertens in allen beyden Stimmen in Arsin verwandelt; fünftens diese Arsis wieder ad Octavam verkehret; sechstens diese Arsis wieder in die Gegenbewegung, und siebentens diese Gegenbewegung wieder ad Octavam evolviret werden. Diese siebenfache Veränderung kan annoch vorgenommen werden mit Fig. 6. Tab. XXXIX. ferner mit Fig. 7. auf eben dieser Tabelle; ferner mit Fig. l. Tab. XL. ferner mit Fig. 2. darauf; ferner mit der darauf folgenden Fig. 3. anderer zu geschweigen. Diese sechsmahl sieben Veränderungen machen wieder zwey und vierzig und also mit neun und fünfzig zusammenaddiret bereits hundert und ein Veränderungen aus. Anmer-

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. I. Abschnitt.

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Anmerkung. Man stosse sich nicht daran, daß hin und wieder die Bewegung der Hauptmelodie des Canons etwas verändert worden. Man hat hiebey eben die Freyheit, die man bey der engen Nachahmung hat. Doch man wird dieser wenigen Veränderung durch das vorhergehende achte Exempel schon gewohnt worden seyn. Hier folget noch eine andere Art einer sechsfachen Veränderung des Canons. Diese besteht darinn, daß man denselben (1) in die rückgängige und (2) in die rückgängige verkehrte bringet; (3) die beyden Sätze aus der Thesi in Arsin versetzet. (4) dasselbe in der Gegenbewegung thut, (5) die rückg.u. (6) die rücfg. verkehrte Bewegung bey dieser Arsi anbringet,so wie solches mit der Fig.4. bey Tab. XL. geschehen ist. Auf diese Weise kann man verändern Fig. 13. Tab.XL. ferner Fig. 15. auf eben dieser Tabelle; ferner Fig.4. Tab.XLI. ferner die darauf folgende Fig. 5. ferner Fig. 6. anderer zu geschweigen. Diese fünfmahl sechs oder dreißig Veränderungen zu den vorigen hundert und ein gethan, haben wir nun mehr hundert und ein und dreißig zweystimmige Auflösungen und Veränderungen zusammen. Wie viele stecken nicht annoch darinnen ?

(II)

Dreystimmige Auflösungen.

Die dritte Stimme wird in der Entfernung einer Tertz entweder der Ober-oder Unterstimme, und zwar nach Beschaffenheit, oben oder unten hinzugesetzet. Dieser dritten Stimme sind alle Figuren fähig, ausgenommen Fig.1. 2. 3. u. 4. Tab. XXXIX. Rechnet man diese hundert u. ein u. dreißig dreystimmige Auflösungen zu den hundert und ein und dreißig zweystimmigen: so habenwir gerade zweyhundert u. zwey u. sechzig Veränderungen.Nun können die Terzen in Decimen undSexten verwandelt werden, und diese VerL 3 wande-

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

wandelung findet ebenfals so wohl bey den Sexten als Decimen zweyhun­ dert und zrvey und sechzig mahl statt. Diese Zahl zweymahl genommen und die daraus entspringenden von fünfhundert und vier und zwanzig zu zweyhundert und zwey und sechzig addiret, bekommen wir siebenhundert u. sechs u. achtzig Veränderungen.

(III.) Vierstimmige Auflösungen. Diese entspringen aus denjenigen dreystimmigen die annoch einer vierten Tertzen-Sexten- oder Decimenweise mit laufenden Stimme fähig sind. Diese kann ein jeder nach Belieben selbst versuchen. Ich setze den Fall, daß hier nur drittehalbhundert Veränderungen herauskommen, so haben wir schon über tausend. Der bloße Augenschein aber giebt es, daß fast alle Figuren, die die dreystimmige Harmonie zugelassen, annoch vierstimmig ausgeübet werden können. Mir sey es für dieses mahl genug den Weg der fast unzählichen Veränderung eineseinzigen Satzes, nach allen Arten der Nachahmung und Bewegung an diesen sieben Noten der Music gezeiget zu haben. II.

Abschnitt.

Von der Verfertigung eines Canons. §. 1. Die Schwürigkeit, womit man die Verfertigung eines Canons verbunden zu seyn glaubet, ist wohl die Ursache, daß sich in den neuern Zeiten nicht soviele Tonkünstler damit abgeben, als mit andern Compositionen. Diese vermeinte Schwürigkeit jaget ihnen gleich im Anfange ein Schrecken davor ein, und wäre hiewider nichts erhebliches einzuwenden, wenn sich viele in der Folgezeit nicht einkommen liessen, die Sache mit spöttischen Augen anzusehn, und eine Wissenschaft zu verkleinern, die sie nicht verstehen. §. 2.

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

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§. 2. So wie unter den vornehmen Meistern, (ich nenne diejenigen aber so, die wonicht ein würkliches Verdienst, doch das Alter, die Stelle, die sie bekleiden, oder das ansehnliche Gehalt, das sie bekommen, von den andern unterscheidet) so wie diese, sage ich, nach löblicher Gewohnheit nur insgemein ihre Geschöpfe zu bewundern-und die Arbeiten ihrer Mitbrüder verächtlich anzusehen pflegen: so haben gegentheils die Tonkünstler von einer andern Classe, (hier gilt es bloß der Geschicklichkeit) die Gewohnheit, nur dasjenige hochzuhalten, was sie selbst machen können, und dasjenige geringzuschätzen, was ihre Fähigkeit übersteiget. Sie können in der That kein besseres Mittel ergreiffen, sich wider den Vorwurf der Unwissenheit zu schützen. Es ist dieses ein Zins, den sie ihren eingeschränkten Einsichten schuldig sind, und die Frechheit in der Verachtung der Sache hält sie bey der mangelhaften Känntniß derselben schadloß. §. 3. Es ist indessen nicht der Wahrheit gemäß, daß die Verfertigung eines Canons einer so übergrossen Schwürigkeit unterworfen ist. Eine Person, die sich mit einer Sache niemals abgegeben, kann weder über die Leichtigkeit noch Schwürigkeit derselben einen Ausspruch thun. Jede Schreibart hat ihre Regeln und Ausnahmen. Hat man diese in seine Gewalt gebracht, und besitzet genügsamen Witz sie auszuüben, weil doch die Regeln ohne die natürliche Fähigkeit wenig nutzen: so erhält man durch die tägliche Ausübung derselben eine gewiße Fertigkeit im Satze, die man bey jeder Schreibart in der gemeinen Sprache einen Schlentrian nennet. §. 4. So viel ist gewiß, daß sich sehr viele Leute alle Tage an die übrigen Theile der Composition wagen, die noch nicht den Unterscheid zwischen der Secunde und

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Das sechste Haupstück.

Vom Canon. II. Abschnitt.

und None wissen. Dieses sollte einen beynahe glaubend machen, daß es, ohne die Gesetze der Harmonie inne zu haben, leichter seyn müsse, in den freyen Gattungen der musikalischen Schreibart, als in der contrapunctischen und canonischen fortzukommen. Denn zu diesen beyden letzten Stücken gehört schlechterdings eine genaue Känntniß der Harmonie. Ob diese Leute aber sich nicht mit besserm Erfolge zeigen, und in den Augen der Kunstverständigen weniger lächerlich seyn würden, wenn sie zuvor die Gesetze der Harmonie begriffen hätten, das ist eine Frage, die man ohne den Kopf zu schütteln, beantworten kann. Man muß über solche Herrchen oft herzlich bey sich lachen, wenn man sich ihnen etwas vertraulich erweiset, und sich eine halbe Stunde die Gewalt anthut, ihre Prahlereyen anzuhören. Da werden Concerten, Arien, Solos, Synfonien und der Himmel weiß was noch mehr, schockweise nach einander ausgekramet, und erwarten sie nicht zuförderst das Urtheil der andern darüber. Sie erzählen uns, wie schön sich diese Stelle ausnehme, wie schwer jener Ort sey, wie der und jener Ausführer darüber gestolpert u. s.w. Man siehet ihnen an ihren Augen ihr Vergnügen über sich selber an, und ist aus dem weitern Gespräche gar deutlich zu schliessen, wie sie das Verdienst nach Pfund und Gewichte schätzen, und wie derjenige, der etwann zwey Viertheil weniger als sie zur Welt gebracht, auch nur halb so geschickt seyn müsse als sie. Die guten Leutchen! Schade,daß sie den übeln Zusammenhang ihrer Sachen nicht kennen! daß sie die Fehler wider die Modulation, wider das Tactgewicht, wider die Harmonie, wider die Eigenschaft des Instruments nicht einsehen! daß sie sich nicht besinnen, daß diese oder jene Stelle schon lange von andern bis zum Eckel gebraucht worden ist, daß sie also nichts neues gemacht, sondern nur das Alte auf eine sehr unglückliche Art erneuert haben. So lächerlich es ist, wenn ein steifer Contrapunctist von Profeßion, d. i. ein Mensch, der nur seine harmonischen Verkehrungen gutheisset, und der die

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt

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die freye Schreibart weder für sich allein, noch mit der seinigen vermischt aus­ übet, von nichts als der übermäßigen Freyheit der Neuern mit Wehklagen spricht: so abgeschmacket ist es, wenn ein melodischer Witzling von vorbeschriebner Art sich wider den Zwang der canonischen oder contrapunctischen Schreibart erbosset. Jenem fehlt es an Witz, mit glücklicher Freiheit zu denken, und diesem an Wissenschaft, mit glücklichem Zwange zuschreiben. Könnte man dem ersten allenfals verzeihen, weil die Fehler der Natur nicht leichte zu verbessern sind: so verdient der leztere keine Nachsicht, wenn er dasjenige, was er erlangen kann, sich keineMühe zu erlangen giebet. §. 5. Doch wir müssen uns unserm Zwecke nähern, und die zur Verfertigung eines Canons gehörigen Regeln untersuchen. Wir werden solches, um ordentlich zu verfahren, nach den verschiednen Gattungen desselben verrichten, und von dem Leichtern zu dem Schwerern gehen. Vorläuffig ist zu merken, daß man im Anfange wohl thut, sich aller künstlichen Melodien zu enthalten, und lieber nach dem schlechten Contrapunct im Allabrevetact, als im bunten Contrapunct und nach einer andern Bewegung zu componiren. Erster Absatz. Vom Canon im Einklange mit

verschiednen Sätzen

oder

Gliedern.

Wenn der Canon im Einklange aus verschiednen Sätzen oder Gliedern besteht: so ist die leichteste Art, ihn zu verfertigen, diese, daß man, nach Anzahl der vestgesetzten Stimmen, sogleich eine Composition von etlichen Tacten, und worinn eine Stimme von der andern in der Fortbewegung der Noten, soviel möglich, unterschieden seyn muß, ersinnet, und solche in Partitur bringet. Abh. von der Fuge II. Theil. M In

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Das sechsteHauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

In Ansehung der Harmonie, so kann man, da alle Intervallen durchgehends einerley bleiben, alle nur mögliche Arten derselben allhier anbringen. Ist man damit fertig, so bringet man alle diese verschiednen Stimmen, wovon eine jede einen Satz, oder ein Thema oder Glied ausmachet, nach einander auf ein Liniensystem, wobey es einerley ist, ob diese oder jene Stimme den Canon anhebet. Doch muß man sie dergestalt nach einander setzen, daß die Gesetze eines Duo nicht dabey leiden, d. i. daß, wenn die zweyte Stimme eintritt, man die erste mit der dazu bequemsten Stimme den Canon fortsetzen lasse, daß keine leere oder ungeschickte Gänge zum Vorschein kommen. Denn was vielstimmig wohl zusammen klingt, kann vereinzelt sehr schlecht ausfallen. Ist dieses geschehen, so zeigt man den Eintritt der Folgestimmen durch die gewöhnlichen Zeichen bey den gehörigen Noten an, und damit ist der Canon fertig. Uebrigens sind alle Compositionen von dieser Art Zirkelcanons. Zum ersten Exempel nehme man Fig. 3. Tab. XXVI. wo man einen dreystimmigen Satz in drey übereinander gesetzten Systems findet. Hieraus entsteht der bey Fig. 4. vorhandne und zwar in allen drey Stimmen ordentlich ausgeschriebne unendliche Canon im Einklange. Man wird dabey bemerken, daß sich zwar dieStimmen wechselsweise übersteigen, und bald diese bald jene den höchsten, mittelsten oder tiefsten Satz hat. Die Intervallen bleiben aber allezeit einerley, und bey jeder Wiederhohlung kommt die Harmonie in keiner andern Gestalt zum Vorschein, als wie sie bey Fig.3. entworfen worden. Daß man bey einer vollständigen Aussetzung eines Canons von dieser Art auch insgemein von dem untersten System anzufangen pflege, kann bey dieser Gelegenheit ebenfals bemerket werden. Doch dieses ist willkührlich. Ein zweytes Exempel sehe man bey Fig. 6. Tab. XX VI. Bey dem ersten Zeichen über b tritt die andere Stimme, und bey dem zweyten über g, die dritte Stimme, und zwar so wie die erste, im Einklange ein. Ein

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

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Ein drittes Exempel ist zu finden bey Fig. 7. Tab. LIV. Der dreystimmige Satz, nachdem solches entworfen ist, stehet kurz vorher bey Fig. 6. Wenn die Sätze bey Fig. 7. dergestalt hintereinander folgen, daß der unterste vor dcm mittelsten erscheinet: so wird die Ursache nicht schwer zu errathen seyn. cis c Der Gang nemlich von ( und a zwischen der obersten und mittelsten g Stimme giebt dazu Gelegenheit. Hätte die erste Stimme bey dem Eintritte der zweyten, den Canon mit dem mittelsten Satze fortgesetzet: so wäre izt gedachten Ganges wegen das Fundament nicht richtig gewesen. Da es also, wie oben gedacht, nicht nöthig ist, sich an der Ordnung der Sätze, wie sie übereinander stehen, zu binden: so ist man allhier sogleich von dem obersten Satze auf den untersten gesprungen, und dieses ist in allen ähnlichen Fällen zu beobachten. Ein viertes Exempel steht Tab. L. Fig. 1. Zweyter Absatz. Vom Canon in der Octave allein mit

verschieden

Sätzen

oder

Gliedern.

Da in einem Canon von dieser Art die verschiednenSätze ad Octavam unter sich zu stehen kommen: so muß derselbe auch nach dem doppelten Contrapunct in der Octave verfertiget werden. Man ersinnet nemlich einen zweydrey, oder vierstimmigen contrapunctischen Satz von dieser Art, und schrei­ bet solchen in Partitur, und wmn alle Stimmen gegen einander ihre Richtigkeit haben, so bringet man die verschiednenSätze, so wie es sich am besten schicket, nacheinander aufein Liniensystem, machet die Zeichen der Eintritte oben oder unten dabey, nachdem die folgenden Stimmen der anhebenden eine Octave, oder eine Decima Quinta höher oder tieferfolgensollen, und damit M 2 ist

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon, II. Abschnitt.

ist der Canon fertig. Alle diese Canons sind wieder unendlich so wie die vorhererklärten im Einklange. Zum ersten Exempel sehe man Fig. 4. und 5. Tab. I. und zum zweyten Fig. 1. Tab. VII. und Fig. 4. Tab. VI. Man wird aber dabey die ersten Abschnitte aus dem ersten und zweyten Hauptstücke zurücke zu lesen zu haben. Zum dritten Exempel sehe man Tab.XXIX. Fig. 2. und zum vierten das bey Fig. 8. Tab. XXX. befindliche, welches wie das vorhergehende nach Anleitung der dabey befindlichen Zeichen ausgelöset wird. Wenn in Canons von dieser Art eine Stimme hin und wieder der andern im Einklange nachfolget: so geschicht dieses deswegen, weil sich die Sätze sonst zu sehr von einander entfernen, und in Ansehung der Höhe oder Tiefe zuweit ausgedehnet würden. Anmerkung. Die Canons im Einklange und der Octave mit verschiednen Sätzen werden nichts desto weniger unter die einfachen Canons gerechnet, weil man diese verschiednen Sätze alle nacheinander und folglich den ganzen Canon auf ein Liniensystem bringen kann, da hingegen zu den Doppelcanons, wie man sehen wird, zwey ja wohl mehrere übereinander gesetzte Liniensystems erfodert werden. Dritter Absatz. Vom Canon im Einklange und der Octave mit einem Satze, ingleichem vom Canon in der Secunde, Terz, Quarte, Quinte, Sexte und Septime. Alle endliche Canons im Einklange und der Octave, ingleichen diejeni­ gen unendlichen in diesen Intervallen, wo die Folgestimmen kurz hinter drein folgen, ingleichen alle endliche und unendliche Canons in der Secunde, Terz, Quarte,

Das sechste Hauptstück. Vom Canon II. Abschnitt.

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Quarte, Quinte, Sexte und Septime, sie seyn zwey- oder mehrstimmig, und die Folgestimmen mögen etliche Tacte später oder kurz hinterdrein folgen, in gleicher oder widriger Bewegung, im ähnlichen oder widrigen Tacttheile, ingleichen die in der unterbrochnen Nachahmung, haben nur einen einzigen Hauptsatz. Alle diese Canons werden auf folgende Art am bequemsten verfertiget, und zwar (A) Wenn es zweystimmigeCanons sind. (1) Man ersinnet ein Paar oder mehrere Intervallen, und setzet sie in diejenige Stimme, die anfangen soll. (2) Diese Intervallen übersetzet man in die zweyte Stimme, und zwar entweder in den Einklang, die Secunde, Terz, Quarte, Quinte, Sexte, Septime oder Octave, unter-oder oberwärts, nach derjenigen Proportion, die sie gegen die erste haben soll; d.i. in eben derselben oder der widrigen Bewegung, in Thesi oder Arsi. (3) Nachhero gehet man zur ersten Stimme zurücke, und setzet die angefangne Melodie dergestalt fort, daß sie zu den beyden in die zweyte Stimme übersetzten Intervallen harmonire. (4) Den Zusatz , den nunmehr die erste Stimme bekommen, setzet man der nachfolgenden Stimme in gehöriger Proportion an, und damit fähret man so lange fort, bis man den Canon schließen will. Soll derselbe nun ein Zirkelcanon werden: so ist dabey zu beobachten, daß, wenn man den Canon bald lang genug zu seyn glaubet, man in der ersten Stimme den Canon wieder von vorne anfänget, so bald sich in der zweyten ein bequemes Intervall dazu ereignet. Wenn die zweyte Stimme nun ebenfals gehörig nachfolgen , und den Canon wieder von vome anfangen kann: so ist der Zirkelcanon fertig. Zur M 3 Erleich-

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. Erleichterung des Satzes kann man hin und wieder, wenn es die Umstände zulassen, eine kleine Pause anbringen. Wenn die Sätze nicht zusammen klingen: so muß man allezeit auf die erste Stimme zurück gehen, und dieses oder jenes Intervall, dieseoder jene Fortschreitung darinnen ändern.

Nach diesen Regeln sind gemacht worden folgende Canons, und zwar der im Einklange bey Fig. 1.Tab.XlX. Die in der Secunde bey Fig. 2. und 3. Die in der Terz bey Fig. 4. und 5. Die in der Quarte bey Fig. 6. und 7. it. bey Fig. 11. Tab. XVI11. Die in der Quinte bey Fig. 8. und 9. Tab. XIX. Die in der Sexte bey Fig. 10. und 11. Die in der Septime bey Fig.12. und Tab. XX. Fig. 1. Die in der Octave bey Fig. 2. und 3. Tab. XX. it. bey Fig. 6. Tab. XVIII. Man merke im Vorbeygehen, daß der Canon in der Unterseptime bey Fig. 1. Tab.XX. nichts anders eine Evolution in der Octave des Canons in der Obersecunde von Fig. 2. Tab. XIX. ist. Gleicherweise verhalten sich gegeneinander Fig. 6. und 9. Tab.XIX. ingleichen Fig. 7. und 3. dieser Tabelle; ingleichen Fig. 2. und3. Tab. XX. Die andern der Evolution in der Octave fähigen Canons auf diesen beyden und andern Tabellen wird man mit leichter Mühe heraus finden kön­ nen. Aus dem bey Fig. 1. Tab. XLV. befindlichen Exempel eines länger ausgearbeiteten endlichen Canons im Einklange, wird man sehen können, wie die canonische Schreibart auf die angenehmste Art in Cammersonaten gebraucht werden könne. Wer mehrere Exempel von dieser vortreflichen Feder haben will, verschaffe sich die 1738. zu Paris gestochnen XVIII. Canons melodieux ou VI. sonates en Duo par Mons. Telemann. Die Herren Capellmeister Pebusch, Fasch und Graupner haben sich unter andern m dieser galanten canonischen Schreibart auch durch viele schöne Muster gezei­ get. Von dem leztern sehe man den Anfang eines Exempels bey Fig. 2. Tab.

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

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Tab. L. wo der zweystimmige Canon im Einklange mit einer tiefen Nebenstimme ausgearbeitet ist. Trios von dieser Art haben sich seit der eingerißnen leichten Melodienmacherey etwas rar gemacht. Canons in der widrigen Bewegung sehe man bey Fig. 8. Tab. XVIII. wo die Folgestimme in der Secunde drüber anhebet; bey Fig. 9. dieser Tabelle, wo die zweyte Stimme der ersten in der tiefern Undecime nachfolget. Bey Fig. 10, Tab. XVIIl. wo solches in der Unterquarte geschicht. Bey Fig. 5. Tab. XX. wo die Folgestimme eine Secunde tiefer, und bey Fig. 6. dieser Tab. wo die Folgestimme eine None höher den Satz in der Gegenbewegung nachmachet. Ein länger und galanter ausgearbeitetes Exempel in einem Duo für zwey Violinen findet man Tab. XLVII. XLVIII. XLIX, und L, auf den beyden lezten untersten Systems. Exempel in Arsi und Thesi, ingleichen in der unterbrochnen Nachahmung zu finden, gehe man zum 14. und 15.§. des vorhergehenden Abfchnittes zurücke. (B) Wenn es drey- und mehrstimmige Canons sind, gleichen und ungleichen Intervallen.

mit

Daß ein Canon mir gleichen Intervallen ein solcher Canon sey, wo die dritte, vierte zc. Stimmen in Ansehung des anfangenden Intervalls, entweder mit der ersten oder der zweyten einerley seyn, und folglich im Einklange oder der Octave drüber oder drunter anheben muß; ingleichen, daß ein Canon mit ungleichen oder vermischten Intervallen ein solcher sey, wo die dritte oder vierte Stimme, weder mit der ersten oder zweyten in einerley Intervalle anhebet, das ist uns schon aus dem ersten Abschnitte dieses Hauptstücks §.17. bekannt Beyde werden nacheinerley Regeln verfertiget, die Stimmenmögen nun in Ansehung der Zeit, in gleicher oder ungleicher Entfernung

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon II. Abschnitt.

nung, im ähnlichen oder vermischten Tacttheile, in ebenderselben oder in der widrigen Bewegung, nacheinander eintreten. (1)Man verfähret zuförderst auf eben die Art, als es mit den zweystim. migen Canons von dieser Art, nach der bey (A) kurz zuvorgegebenen Anleitung geschieht. (2) So bald man die anfangenden Intervalle in die zweyte Stimme übersetzet hat: so übersetzet man sie auch in die dritte, vierte, u.s.w. (3) Ist dieses geschehen: so gehet man zur ersten Stimme zurücke, und setzet die angefangne Melodie dergestalt fort, daß sie zur zweyten harmoniret, (4) Diesen Zusatz übersetzet man nach Proportion in die dritte und vierte Stimme, und damit fähret man bis zum Schlusse fort. Solt es nun ein Zirkelcanon werden: so fänget man in der ersten Stimme den Canon wieder von vorne an, so bald sich in der lezten ein bequemes Intervall dazu ereignet. Die zweyte, dritte, vierte Stimme folgen nach Proportion nach, und damit ist der Canon fertig. Man thut alsdenn die Überschrift oben erklärtermassen hinzu. Soll ein solcher Canon einiger andern, oder aller vier Bewegungen fähig seyn: So lässet man alle dissonirenden Intervallen weg. Der harmonische Dreyklang und der Sextenaccord sind die dazu fähigsten Sätze. Wegen der Verdoppelung der Terz im harmonischen Dreyklang darf man sich so wenig als wegen der Verdoppelung der Octave im Sextenaceord, wo es die Noth erfodert, ein Gewissen machen. Hier folgen einige nach diesen Regeln ausgearbeiteten Canons und zwar a

Mit

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. a

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Mit gleichen Intervallen.

Als im Einklange bey Fig.,5. Tab. XXXVII. ingleichen bey Fig. 5. 6. und 7.Tab. XXX. und andere mehr, wiewohl man solche Canons mit kurzen Sätzen, ob sie gleich nur einen einzigen Hauptsatz ausmachen, auch nach der vorher erklärten Art, d. i. wie die Canons mit verschiednen Sätzen aus dem I. Absatz machen kann, welches wohl zu merken. Und eben dieses geht mit den Canons in der Octave mit kurzen Sätzen oder mit einem Hauptsatze ebenfals an, wenn nemlich die zum Grunde gelegte Harmonie, woraus man die Melodie des Canons ziehet, wie oben gelehret worden, nur aus zwey oder drey Hauptnoten in jeder Stimme besteht. Soll die Folgestimme aber in einem andern Tacttheile oder in der Gegenbewegung eintreten: so geht dieses nicht an, sondern da muß verfahren werden, wie kurz zuvor in diesem Absatz bey (B) gezeiget worden, und nach dieser Art sind folgende Canons gemacht, als der in der Octave bey Fig. 10. Tab. LVII. wo die zweyte Stimme in Arsi nachfolget. Der bey Fig. 3. Tab. XXXVII. befindliche, achtstimmige Canon ist ein blosser Canon im Einklange von dieser Art, ob man gleich den zweyten Chor dem ersten eine Quinte höher in der Gegenbewegung nachgehen läßt. Den Beweiß wird man im dritten und vierten Tacte finden. Man sehe nur die Stimmen m folgender Ordnung an, (1) die erste oder die oberste, (2) die siebente, (3) die zweyte, (4) die achte, (5) die dritte, (6) die fünfte (7) die vierte, und (8) die sechste: So wird man finden, daß alle sieben Folgestimmen um ein Viertheilspäter, und alsoim vermischten Tactheile hintereinander eintreten. Der seel. Herr Capellmeister Bach als Verfasser hat diesen Canon die Trias Harmonica, den harmonischen Dreyklang, betittelt, weil keine andere Harmonie als diese darinnen enthalten ist. Der bey der darauf folgenden Fig. 4. befindliche achtstimmigeCanon in vermischter Bewegung und in Arsi und Thesi ist hiebey annoch zu merken. Abh. von der Zuge. 11. Theil. N Einen

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

Einen andern Canon, wo sich zwey Stimmen im Einklange in einerley Bewegung, und zwey in der Quarte drüber in der Gegenbewegung, nachfolgen, siehet man bey Fig. 3. (a) Tab. XXXIV. Da die Harmonie davon so beschaffen ist, daß die Stimmen ihre Bewegung gegen einander verwechseln können: so geschicht dieses bey (b), wo der Canon alla riversa verkehret ist, und die Oberquarte, worinn sich zwey Stimmen einander folgen, in die Unterquarte verwandelt wird. Noch sind zu merken der Canon in der Oberquinte, bey Fig. 3. Tab. XXIX. wodie zweyte und vierte Stimme in der Gegenbewegung folgen; Der sechsstimmige Canon in der Unterquinte bey Fig. II.Tab.XXVI. der Canon in der Oberoctave Tab. XXVII. Fig.2. der in der Unterquarte Tab. XXVII.Fig. 1. die folgenden Canons, als der bey Fig. 3. Tab. XXXV. in der Oberquinte, und die drey folgenden in der Unterquinte, bey Fig. 1.2. und 4. welche eben wie der Stölzelische bey Fig. 5. in alle vier Bewegungen versetzet werden können. Wie man es damit anzufangen habe, wird aus dem vorigen Abschnitte, allwo eine umständliche Erklärung dieses Stölzelischen polymorphischen Canons zu finden ist, noch bekannt seyn. (ß) Mit ungleichen Intervallen. Dieser Vermischungen kann man soviel erdenken, als man will, und es würde sehr mühsam seyn, alle mögliche Arten derselben und zwar nur zu vier Stimmen, zu sammeln. Es gehören hier zuförderst alle diejenigen vielstimmigen Canons her, wo die dritte der zweyten, die vierte der dritten, die fünfte der vierten, u.s.w. in eben solchem Intervalle, als die zweyte der ersten nachfolget. Z. B. der Canon fienge in dem A in der grossen Octave an, die zweyte folgte in der Oberquarte D, die dritte in der Oberquarte von diesem D nemlich in G, und die vierte in der Oberquarte von diesem G nemlich in C nach, so

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so wäre dieses ein Canon mit vermischten Intervallen oder ein ungleicher Canon. Ein neunstimmiges Exempel hievon siehet man bey Fig.1. Tab. XXXVIII. wo alle Stimmen in dem Intervalle einer Terz hintereinanverfolgen. Es sind darinnen alle grossen und kleinen harmonischen Dreyklänge der Octave C nebst der Triade deficiente, oder dem mangelhaften Dreyklang enthalten. Es wird dieser leztere gegen die mit einer blinden Ehrfurcht gegen die Gesetze des Alterthums vielen Vorwitz verbindende Harmonisten neuerer Zeit keiner Vertheidigung bedürfen, nachdem der seel. Herr Capellmeister Stölzel im §.5. seines practischen Beweises so wohl in Ansehung desselben als des übermäßigen Dreyklangs sich schon eintaufend siebenhundert und fünf und zwanzig folgendermassen verlauten lassen; "daß nebst die"sen das Gehör vollkommen vergnügenden Triadibus (der grossen und der "kleinen,) noch zwey andere jedoch unvollkommene, und die in Ansehung ihrer "beyden äussersten Klänge, deficiens und superflua heissen müßten, auf "eben diese Art ( nemlich als das wahre Fundament aller canonischen "Künste,) in Betrachtung zu ziehen, solches ist, so viel mir wissend, denen "die der Sache selbst nicht nachdenken, noch niemahlen offenbahret "worden.» Es gehören ferner in diese Classe diejenigen Zirkelcanons durch die Töne, womit jedem Eintritt der Ton verändert wird, obgleich bey der Verfertigung derselben noch etwas mehr zu beobachten ist, wie man in folgendem Absatze sehen wird. Endlich merke man folgende Exempel von vermischten Canons, nach welchen sich ein jeder neue Arten erdenken kann. Das erste steht Tab.XXXIII. Fig. 2. und hat die Auflösung desselben ehedessen einige unter der Aussicht des berühmten Herrn Legationsrath von Mattheson sich übende Federn beN 2 schäf-

100 Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. schäftiget, so wie verschiedne geschickte Köpfe sich nachhero es Jahr und Tag sauer werden lassen, einen Canon von gleicher Art heraus zu bringen, ohne ihren guten Endzweck zu erreichen. Man findet diesen Canon bey der darauffolgenden Fig. 3. nach dem Contrapunct in der widrigen Bewegung verkehret, und bey Fig. 1. und2. der folgenden Tab. XXXIV. sind zwey Ca­ nons von gleicher Are vorhanden, wiewohl der bey Fig. 2. in Ansehung der Zeit, da die Eintritte geschehen, davon unterschieden ist. Einen Canon von dieser Art zu verfertigen, ist zu merken: (1) Daß keine andere als consonirende Sätze zu gebrauchen sind. (2) Daß man zwischen der anhebenden und zweyten Stimme, auf welche nach oben gegebnem Unterrichte alles ankömmt, weder zwey Terzen noch zwey Sexten in gerader Bewegung hintereinander machen, und überhaupt daselbst die Seiten- und Gegenbewegung in Acht nehmen muß. Man mache den Zusatz in der ersten Stimme gegen die zweyte, als wenn man einen Contrapunct in der Decime verfertigte. Mehrere Regeln kann man hievon nicht geben. Die Vortheile finden sich, wenn man sich übet, und man muß die Inter­ vallen solange herumdrehen und verändern, bis sie harmoniren. Es kömmt bey dergleichen schweren Compositionen in der That öfters auf einen guten Augenblick an, da man zu andern Zeiten die Nägel und Federn hierüber fruchtloß zerbeisset. Oefters sind auch nur gewisse wenige harmonische Gänge möglich. Man muß alsdenn entweder die Proportion der Eintritte ändern, oder selbst eine Vermischung erdenken, ohne sich dem Zwange der Nachahmung eines gewissen Vorbildes zu unterwerfen. Ich gedenke bey dieser Gelegenheit an den oben erklärten Stölzelischen poly-

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polymorphischen Canon, nach welchem verschiedne mir bekannte sehr geschickte Männer einen neuen eben so vielmalveränderlichen Canon ma­ chen wollen. Die vier ersten Hauptveränderungen in Ansehung der Be­ wegung brachten sie mit leichter Mühe heraus. Diese vier Hauptcanons liessen sich noch ferner in Canons in der Octave und Quarte verwandeln. Aber da es an die Vermischung der Tacttheile kam: da entstanden unrichtige Progreßionen, und so weiter. Es dürfte vielleichte nicht unmöglich seyn, einen polymorphischen Canon in der Unterquinte ju erdenken, der sovieler und vielleicht noch mehrer Ver­ änderungen als der Stölzelische fähig wäre. Aber es müssen die Eintritte des Hauptcanons, in Ansehung der Zeit, anders geschehen als hier, und die übrigen Veränderungen, in so weit man dem Stölzelischenfolgen kann, nach Proportion dazu gesuchet werden. Ohne dieses zu beobachten, bringet man entweder nichts heraus, oder man machet der Stölzelischen noch einmahl. Ein ander Exempel eines ungleichen dreistimmigen Canons von einer andern Art sehe man Tab.XLII. Fig.1. bey der zweyten Auflösung. Der vermischte Tactheil kommt hiebey zu gleicher Zeit in Betracht. Vierter Absatz. Vom Zirkelcanon durch die Töne. Es werden solche wie die Canons des vorhergehenden Absatzes bey (A) entworfen, wenn sie zweystimmig sind, nur daß man, anstatt den Canon in ebendemselben Intervalle, da er angefangen, zu wiederhohlen, die Modulation so einrichtet, daß diese Wiederhohlung m einem andern Intervalle geschehen N 3 kann.

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Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

kann. Hat man nun zuförderst dieses Intervall vestgesetzet: so fänget bey einer in der letzten Stimme hiezu bequemen, Note, die erste Stimme mit diesem Intervalle den Canon wieder an, und die übrigen Stimmen folgen nach Proportion hinter drein. Nach dieser Art sind gemacht (1) der Canon bey Fig. 12.Tab. XLI. der die zwölf Töne in einer steigenden Quinte und fallenden Quarte durchlauft. (2) Der Canon bey Fig. 13. dieser Tabelle, der dieses in einer doppelten fallenden Quarte thut, (3) (4) (5) (6) und (7) die bey Fig. 12. und 13. Tab. XXXIX. und bey Fig. 22. Tab. XL. und Fig. 1. und 2. Tab. XLI. auf verschiedne Art die zwölf Töne durchlaufenden Canons, ob die Folgestimme gleich in der Gegenbewegung eintritt. Von solchen Zirkelcanons durch die Töne in zweyerley Bewegung erinnere ich mich nicht, irgends ein Muster gesehen zu haben. Soll ein solcher Canon dreystimmig seyn: so arbeitet man denselben nach dem doppelten Contrapunct in der Octave aus; nemlich, wenn die zweyte Stimme eintritt, so setzet die erste das Gewebe nach dem Contrapunct in der Octave gegen diese zweyte fort, und auf diese Art verfolget sie ihre Melodie, wenn dieser Zusatz bey dem Eintritt der dritten Stimme, in die zweyte transponiret wird. So bald nun der vorgedachte Zusatz auch in die dritte Stimme versetzet wird: so fänget dagegen die erste Stimme den Canon in demjenigen Intervalle, nach welchem man die Töne durchlauffen will, wieder an. Zum Exempel sehe man Tab. XXVI. Fig. 5. wo die zweyte und dritte Stimme in steigenden Quarten circuliren, und die erste allezeit vermittelst einer fallenden Quinte wieder eintritt. Ferner sehe man Fig. 1. Tab. XXVII. wo der Proceß umgekehret ist, und die zweyte und dritte Stimme in fallenden Quinten circuliren, und die erste allezeit vermittelst einer steigenden Quarte (in Ansehung der dritten Stimme so wie bey dem vorigen Exempel gerechnet) allezeit wieder eintritt. Wiewohl nun in diesen beyden Exempeln

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

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peln die Durchwanderung der Töne nur Quarten- und Ouintenweise geschicht: so kann doch solches ebenfals Terzen- Sexten- Septimen - und Secundenrveise auf diese Art verrichtet werden; wobey denn zu merken, daß wenn z. B. die zweyte der ersten, und die dritte der zweyten in dem Intervalle einer steigenden Septime nachfolget, die erste allezeit wieder in dem Intervalle einer fallenden Secunde beginnet, und umgekehrt; und so mit der Terz und Sexte. Die vorigen Exempel der Quarte und Quinte werden meine Meinung begreiflich machen. Der vierstimmige Canon von dieser Art wird eben wie der dreystimmige nach dem doppelten Contrapunct in der Octave ausgearbeitet, nur daß der hiernach in der ersten Stimme entworfne Zusatz auch in die vierte zuförderst versetzet werden muß, bevor die erste den Canon wiederhohlen kann. So bald aber dieser Zusatz dahin übertragen wird, so muß die erste Stimme gerade dagegen den Canon in dem vestgestellten Intervalle wiederhohlen. Die übrigen Stimmen folgen nach Proportion nach, und so wie die vier Sätze die vier erstenmahle unter sich verwechselt werden, auf eben diese Art werden sie die acht folgenden mahle verwechselt, wie ein jeder sehen kann, wenn er die drey folgenden Canons ganz aussetzen will. Diese drey Canons stehen Fig. 3. Tab. XXXI. und Fig. 1. und 2. Tab. XXXII. und gehen die zwölf Töne auf eine ähnliche Art mit drey steigenden Quinten und einer fallenden Quarte durch. Einen vierstimmigen Zirkelcanon durch die Töne von einer andern Art siehet man Fig. 1. Tab.XXXIIl. wo, nachdem alleStimmen nacheinander in der steigenden Quinte eingetreten sind, die erste Stimme, ohne den Canon zu wiederhohlen, die Modulation durch die fallende Quarte fortsetzt, worauf die drey folgenden Stimmen vermittelst der steigenden Quinten immer

104 Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. mer weiter moduliren, bis endlich der Zirkel vollendet ist, und der anfangende Ton wieder erreichet wird. Da allhier nur ein einziger langer Hauptsatz im Grunde vorhanden ist, und keine Stimme also gegen die andere verkehrt wird: so braucht man auch nur nach den ordentlichen Regeln der Harmonie zu verfahren, ohne auf den Contrapunct in der Octave Acht zu haben. So bald die vierte Stimme eintritt: so läßt man die erste Stimme mit solchen gegen die andern Stimmen harmonirenden Intervallen fortsetzen, die zu der Tonleiter gehören, worinn die Wiederholung des Canons geschehen soll. Dieser Zusatz wird in die drey übrigen Stimmen nach Proportion übersetzet und alsdenn fänget man diesen Proceß von neuem an, bis die zwölf Töne durchgearbeitet sind, und die erste Stimme den Canon, wie zum Anfange, wieder anheben kann. Man kann auf gleichen Schlag dreystimmige Zirkelcanons durch die Töne machen. Noch eine andere Art die zwölf Töne vierstimmig im Canon durchzu­ wandern, leget uns dar Fig. 10.Tab. XXXVI. und Fig. 1.Tab. XXXVII. Wenn bey jedem Eintritt in den vorigen Exempeln der Ton verändert wird: sogeht es mit dieser Veränderung allhier etwas langsamer zu. In dem zum Grunde gelegten Tone wird zuförderst ein ordentlicher Canon durch alle vier Stimmen durchgeführet. Wenn nun beym Schlusse desselben in den leztern Stimmen solche Intervallen erscheinen, gegen welche die erste Stimme in einen andern Ton bequem eintreten kann: so wird hernach nach Proportion der ganze Canon wieder in diesen Ton versetzt, und dieses dauert so lange, bis nach einer zwölfmahligen Versetzung der Zirkel vollkommen wird. Der erste Canon von diesen beyden verrichtet dieses nun Quintenweise, und der zweyte Quartenweise. Hieher gehöret auch der pag. 59. §. 8..gedachte und Tab. LVI1I. Fig. 7. befindliche Bendinellische Canon. Fünfter

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

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Fünfter Absatz. Vom vergrösserten und verkleinerten Kanon. §. 1. Es kostet so wenig Mühe einen endlichen Canon in der Vergrösserung zu machen, als es schwer ist einen unendlichen von dieser Art zu setzen. Wir wollen also von dem erstern anfangen. §. 2. Einm unendlichen Canon in der Vergrösserung zu machen, merke man folgendes: (a) Man schreibet ein Paar oder mehrere Intervallen von geschwinder Bewegung in die Stimme, die anfangen soll. (ß) Diesen Satz lässet man von der folgenden Stimme in vergrösserten Noten wiederhohlen, und zwar kann solches in der ähnlichen oder widrigen Bewegung, im geraden oder ungeraden Tacttheile, in fortgesetzter oder unterbrochner Nachahmung, und in allen Intervallen geschehen, wiewohl man insgemein dasselbe im Einklange, der Octa­ ve, oder der Quinte verrichtet. γ

Ist dieses geschehen, so kehret man zu der anfangenden Stimme zurücke, und setzet, nach Maßgebung der zweyten Stimme, in jener das melodische Gewebe gegen diese fort.

d

Dieser Zusatz wird nachgehends, eben so wie der Anfang, in die zweyte nach Proportion versetzet, und damit fährt man so lange fort, bis man schliessen will. Wenn nun der CaII. Abh.von der Fuge Theil. O non

106 Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. non fertig ist, so schreibet man solchen auf eine Linie, wobey man diejenige Note, wobey die canonische Nachahmung in der Vergrösserung aufhöret, mit dem gewöhnlichen Ruhezeichen bemerket, weil der leztere Theil des Gesanges nur zur Begleitung dienet und der Anhang, welsch coda genennet wird. Manches mahl wird in der zweyten Stimme ebenfals noch ein kleiner Anhang gemachet. Alsdenn lässet sich aber der Canon auch nicht auf ein Liniensystem bringen. So ist zum Exempel der bey Fig. 8. Tab. XX. beschaffen, der auch ad Octavam evolviret werden kann, wie man den Anfang davon bey Fig. 9. siehet. Hingegen sind die Exempel bey Fig. 5. und 6. Tab.LVIll. ordentlich, wobey noch die Gegenbewegung bey dem leztern, und daß die Nachahmung in der Quinte drunter geschicht, zu merken ist. §. 3. Soll der Canon in der doppelt vergrösserten Nachahmung und also dreystimmig seyn: so hat man zuförderst die im vorhergehenden §. bey C«) (ß) und (>) gegebnen Regeln zu beobachten. Hernach lässet man, wenn die zweyte Stimme den anhebenden Satz der ersten in der einfachen Vergrösserung zu Ende gebracht, die dritte in der doppelt vergrösserten eintteten, und lässet dagegen die zweyte fortfahren, den Zusatz der ersten Stimme zu widerhohlen, der nunmehro nach Maßgebung der zweyten und dritten Stimme eingerichtet werden muß. So wie man aber in dem zweistimmigen Canon von dieser Art in Ansehung der Harmonie fteye Hände hat: so muß man in dem dreystimmigen hingegen behutsamer verfahren und die Zusätze mit consonirenden Intervallen machen. Zum Exempel sehe man Fig. 3. Tab. XXVII. Wenn dieser Canon auf eine Linie soll gebracht werden, so wird er so hingesezt, wie er in der obersten Reihe im Diskant stehet.

Das leztere

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

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leztere Ruhezeichen deutet das Ende der einfachen, und das erstere das Ende der doppelten Vergrösserung an. Anmerkung. Wenn in einem zweystimmigen vergrösserten Canon die Harmonie zwi­ schen den beyden Stimmen nach dem Conttapuncte in der Decime entworfen wird, und man nemlich zwey Terzen und Sexten in gerader Bewegung hintereinander vermeidet, und die Seiten- und Gegenbewegung in Acht nimmt: so kann derselbe, durch den Zusatz einer Terzenweise mitgehenden Stimme dreystimmig ausgeübet werden. Wird eben dieses bey einem Canon in der doppelten Vergrösserung in Acht genommen: so kann derselbe vierstimmig gemachet werden. Diese Terzen aber, die man auch in Sexten und Decimen verwandeln kann, füget man der lezten Stimme hinzu. Zum Exempelsehe man den bey Fig. 1. Tab. XXX. doppelt vergrösserten Canon, der bey Fig. 2. und zwar mit einer Verkehrung ad Octavam, durch den Zusatz einer Oberterz vierstimmig gemachet wird. Dieses ist eine der schönsten Gattungen des Canons, wenn es gut damit abgeht. Noch wird in dem Hauptexempel bey Fig. 1. die Gegenbewegung der zweyten Stimme zu merken seyn. §. 4. Soll der Canon in der dreyfach vergrösserten Nachahmung seyn: so lässet man die vierte Stimme alsdenn eintreten, wenn die dritte den anhebenden Satz vollendet, und fähret alsdenn so lange mit der Nachahmung fort, bis man bequem schließen kann. Der Anhang in der ersten Stimme wird nun, wie leicht zu erachten, nach allen den drey übrigen gemacht. Ein Exempel, welches aber nicht ganz vollendet ist, sondern noch weiter fortgeO 2 führet

108 Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. führet werden kann, findet man bey Fig.3. Tab. XXX. wobey, ausser der Gegenbewegung, die Nachahmung in der Septime zu merken ist. §. 5. Was die unendlichen Canons in der Vergrößerung anbelanget: so machet man solche nur insgemein einfach und also zweystimmig, wegen des damit verknüpften Zwanges, wiewohl es eben keine Unmöglichkeit seyn dürfte, es mit der zwiefach vergrösserten Nachahmung zu thun. Da in einem Canon von dieser Art die anhebende Stimme zweymahl ihren Zirkel vollendet, währender Zeit die folgende wegen der am Werthe verdoppelten Noten ihn nur einmahl macht: so muß folglich die Composition so eingerichtet werden, daß die Hauptstimme zweymahl zu der andern harmoniren könne. Sich die Verfertigung eines solchen Satzes zu erleichtern: so ziehe man gleich in seiner Partitur zweymahl so viele Tactstriche, als der Canon Tacte haben soll in der Hauptstimme. Soll diese nemlich aus zwey Tacten bestehen, so macht man vier Tactstriche, soll sie aus drey bestehen, so machet man sechs; aus vier, so machet man acht, u.s. w. Darauf ersinne man ein Paar Noten und schreibe solche in den ersten und ferner in den dritten Tact, wenn der Canon z. B. nur vier Tacte haben soll; in den ersten und fünften, wenn er acht Tacte haben soll, u. s. w. Hat man diesen Satz in diezweyte Stimme vermittelst der vergrösserten Nachahmung versetzet: so geht man zur erster, Stimme zurück, und setzet die Melodie darinnen nach Maßgebung der andern fort. Diesen Zusatz versetzet man wieder in die zweyte Stimme nach Proportion, und damit fährt man so lange fort, bis die erste Stimme den ganzen Satz, und die zweyte denselben zur Hälfte zu Ende gebracht. Wenn nun die erste Stimme solchen zu wiederhohlen anfänget, währender Zeit die zweyte die andere Hälfte nachhohlet: so wird man sehen, wie sich die beyden Stimmen in

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II.Abschnitt.

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in Ansehung der Harmonie gegen einander verhalten. Da muß man alsdenn die nicht klingenden Intervallen in wohlklingende vertauschen, und durchge­ hende Noten, Wechselgänge, Puncte und andre Hülfsmittel, die einem die Uebung an die Hand geben wird, anwenden, damit man Anfang, Mittel und Ende zusammenreime. Man vergesse dabey nicht, so bald man etwas in einer Stimme geändert, solches nach Proportion in der andern zu thun, die Vergrösserung geschehe in was für einem Intervall und in was für einer Bewegung es sey. Man sehe die Exempel bey Fig. 8. Tab. XXXIX. ingleichen Fig. 16.17. und 18. Tab. XL. und Fig.7. Tab. XLI. Wenn die beyden Stimmen in einigen Canons hieselbst zugleich anfangen: so ist zu merken, daß solches, eben so wie im rückgängigen Canon, geschehen kann. Uebrigens können alle diese izt angeführten Canons durch den Zusatz einer Terz dreystimmig gemachet werden. Längere Exempel findet man bey Fig, 11. Tab. XLI. in der ähnlichen Bewegung, und bey Fig.3. und 5. Tab.XXI. in der widrigen Bewegung. §. 6. Canons in der Verkleinerung sind eigentlich nicht möglich. Gesetzt, daß man die Hauptstimme einen starken Vorsprung nehmen läßt: so wird solche doch im Augenblick durch die verkleinerten Noten wieder erreicht. Wo nimmt man alsdenn den fernern Gesang in der Hauptstimme her? Man muß also von demjenigen Orte an, wo sich der Satz der anhebenden Stimme in der zweyten endiget, das Ding umkehren, die Melodie in dieser zweyten fortsetzen, und solche in der ersten vergrößern. Hieraus aber entsteht ein Canon von vermischter Gattung. In Ansehung des Anfangs, gehört er zur verkleinerten, und in Ansehung des Fortganges zur vergrösserten Nachahmung. Die Figur der Verkleinerung hat einen bessern Gebrauch in der Fuge, und zwar bey der engen Nachahmung, wie man Tab. LIII.und LIV. bey O 3

N 30.

110 Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. N. 30. 31.und 43. bis 74. an einem einzigen Themate sehen kann. Nichtsdestoweniger kann man die unendlichen Canons in der Vergrösserung dergestalt schreiben, daß solche das Ansehen eines Canons in der verkleinerten Nachahmung bekommen. Man suchet nemlich denjenigen Ort auf, wo beyde Stimmen, nachdem die erste schon einmahl ihren Zirkel vollendet, kurtz vor dem Ende sich begegnen, und einander in weniger Entfernung folgen, z. B. sehe man den Tab. XXI. Fig. 5. befindlichen vergrösserten Canon in der widrigen Bewegung. Im achten Tacte begegnen sich die beyden Stimmen einander, wie man aus den mit Zeichen bemerkten Intervallen sehen kann, und da die zweyte Stimme daselbst solche Noten hat, die in der ersten in verkleinerter Figur erscheinen: so bringet man den Canon von diesem Orte an zu Papiere, wie man den Anfang davon bey Fig. 6. sieht, und damit nach Proportion fortfahren kann. Alsdenn bekömmt er das Ansehen eines verklei­ nerten Canons. Eben so ist es mit Fig. 4. in Ansehung der Fig. 3 beschaffen, und der bey Fig. 1. gänzlich ausgeschriebne Canon gründet sich auf Fig. 2. Man kann also sagen, daß man zwey Canons zugleich gemacht, wenn man eincn in der Vergrösserung verfertiget hat. Sechster Absay. Vom rückgängigen Canon. §. 1. Man machet denselben insgemein mit gleichen Stimmen, d. i. mit zwey, mit vier Stimmen u. s. w. Jeder zweystimmige rückgängige Canon ist einfach, weil man ihn auf ein Liniensystem bringen kann. So bald er vier Stimmen hat, wird er doppelt, weil zwey Systems dazu erfodert werden, u. s. w. Ist er dreystimmig, so muß er gleich aufgelöset ausgeschrieben werden, weil man

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

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man ihn nicht auf eine Linie bringen kann, oder man muß zwey ungleiche Systems dazu nehmen, und dieses ist nicht Mode. §. 2. Der einfache rückgängige Canon, er sey in der schlechtenrückgängigen oder in der doppelten rückgängigen Bewegung, wird folgendergestalt verfertiget. Man setzet eine Anzahl von Tacten veste, die der Canon haben soll, und entwirft darauf einen zweystimmigen Satz nach den Regeln des rückgängigen Contrapuncts von halb so viel Tacten. Soll der Canon z. B. acht Tacte lang seyn, so cymponirt man einen zweystimmigen Satz von vier Tacten, u. s. w. Ist das geschehen: so bringet man beyde Stimmen auf eine Linie, und zwar dergestalt, daß die vier Tacte aus der Oberstimme zuerst gesetzet, die vier Tacte aus der Unterstimme aber derselben rückwärts angehänget wer­ den. Zum Exempel sehe man den bey Fig. 2. Tab.XIII. befindlichen zweystimmigen Satz, der, wie man bey der folgenden Fig. 3. wahrnimmt, zurückgelesen werden kann. Aus dieser Fig. 2. entsteht der auf eine Linie gebrachte Canon bey Fig. 5. Die oberste Stimme ist zuförderst daselbst mit ihren vier Tacten nach der Ordnung hingeschrieben worden. Nachdem dieses geschehen,so hat man die unterste Stimme der ersten, und zwar wie man siehet, vom Ende nach dem Anfang zu, angehänget. Damit ist der Canon fertig, und thut man am Ende des Systems nur zum Merkmahle der Art des Canons, den Schlüssel der Stimme, jedoch insgemein verkehrt hinzu. Will man nun solchen ausführen: so fänget der eine die Stimme von vorne und der andre von hinten an. Beyde singen die Linie gerade durch und gehen allezeit auf diesen Fuß wieder zurücke. Der zuvor vom Anfang nach dem Ende zu sang, gehet itzo vom Ende nach dem Anfang zu, und der zuvor von hinten anfieng, nimmt itzo seinen Weg vom Anfang nach dem Ende zu, u.s.w. wechselsweise bey ieder Wiederhohlung. Um sich dieses begreiflicher zu machen, sehe man

112 Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. man den bey Fig. 7. Tab. XXl. befindlichen ofnen rückgängigen Canon, wo die vier ersten Tacte in den beyden Stimmen die Hauptcomposition, woraus der Canon fliestet, enthalten. Betrachtet man ferner die ganze Oberstimme für sich alleine: so stehet derselbe so da, wie er auf eine Linie gebracht werden muß. Diese Linie singet nun ver eine, so wie sie da stehet, vom Anfange nach dem Ende zu; dagegen fänget ver andere vom Ende an, und singet von derselben nach dem Anfange hin,und daraus entsteht nun die allhier zugefügte zweyte Stimme, die, wie man sieht, nichts anders die rückwärts geschriebne erste Stimme ist. Ist nun der Canon auf diese Art einmahl durchgespielet: so gehet der erste von hinten und der zweyte von vorne auf seine Stapfen zurücke, und dieses bedeuten die Puncte am Ende und Anfang, die man sonst nur bey andern Arten unendlicher Canons zu gebrauchen pflegt. Bey der mit Sternchen bemerkten Mitte des Canons siehet man, wie die zweyte Stimme, indem sie die erste Stimme rückwärts faßt, solche übersteiget, und wie die erste Stimme, indem sie die zweyte Stimme rückwärts faßt, unter der zweyten folglich zu stehen kommt. Gleiche Bewandtniß hat es mit dem ofnen rückgängigen Canon bey Fig. 3. Tab. XXI.ingleichen mit dem bey Fig. 1. Tab. XXII. ingleichen mit dem bey Fig.4. Tab.XXIII. Geschloßne Canons von dieser Art, die man nach Anleitung der ißterklärten Exempel leichte auflösen wird, findet man bey Fig. 1. und 2. Tab. XXIII.ferner bey Fig. 7. und 3. Tab. XVI. Anmerkung. Daß es auch möglich sey, in einem rückgängigen Canon, wider die gemeine Gewohnheit, nicht nur eine blosse Nachahmung zwischen den beyden Stimmen, sondern noch solche in der Vergrösserung daselbsten anzubringen, wird man aus den Exempeln bey Fig.7. und 8.Tab. XXI. und

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

113

und bey Fig. 1. Tab. XXII. gesehen haben. Solche Arten verdienen eine vorzügliche Aufmerksamkeit. §. 3. Da wir in dem vorhergehenden §. nur mit dem Canon in der blossen rückgängigen Bewegung zu thun gehabt: so wollen wir allhier den in der rückgängigen Gegenbewegung betrachten. Mit der Verfertigung desselben geht es nicht anders als mit dem ersten zu, nur daß der zweystimmige Entwurf des Satzes nach den Regeln des rückgängig verkehrten Contrapuncts gemacht wird. Ist solches geschehen : so bringet man den Canon, nachdem man zuvor das Intervall vest gesetzt, worin die Gegenbewegung geschehen soll, auf eine Linie, und zwar folgendergestalt: Man schreibet zuförderst die erste Hälfte desselben, das ist, die oberste Stimme, jedoch vom Ende nach dem Anfang zu und dabey in der Gegenbewegung, auf das System hin. Ist dieses geschehen, so scheibetman die andere Hälfte, d. i. die unterste Stimme, jedoch unverändert, so wie sie in der Partitur stehet, in der daselbst vorhandnen Bewegung vom Anfang bis zum Ende, hinter der vorigen Hälfte her. Zum Anfang des Systems setzet man alsdenn denjenigen Schlüssel, womit in der Partitur die unterste Stimme bezeichnet ist, und am Ende des Systems, jedoch verkehrt oder auf den Kopf, setzet man den Schlüssel, den die Oberstimme in der Partitur hatte. Damit ist der Canon fertig. Z. B. sehe man den Tab. LVIII. Fig. 1. befindlichen Satz, wo die Oberstimme die erste Hälfte von einem Canon, und die Unterstimme die andere Hälfte davon ausmachet. Wenn man nun bey der rückgängigen Gegenbewegung dieses Exempels die Octave des Haupttons und der Dominante einander entgegen setzen will, daß nemlich die Intervallen folgendergestaltgegen einander lauffen sollen: c. d. e. f. g. g. f. e. d. c. Abh.von der Fuge II. Theil.

a. h.

h. a.

c. g. P

so

114

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

so bringet man diesem zu Folge die erste Hälfte, welche, wie oben gesagt worden, vom Ende nach dem Anfang zu abgeschrieben werden muß, dergestalt zu Papiere, daß das-c, womit der fünfte Tact schliesset, in ein g verwandelt wird, und das übrige nach Proportion, so wie man bey Fig. 2. in den ersten fünf Tacten siehet, als welche die erste Hälfte des Satzes in der rückgängigen Gegenbewegung enthalten. Nun fehlet noch die andere Hälfte, nemlich die Unterstimme. Diese aber wird von Wort zu Wort, ohne Veränderung der Intervallen und der Bewegung, und zwar vom Anfang nach dem Ende, ordentlich hinzugethan, wie man aus den fünf lezten Tacten der Fig. 2. siehet. Wenn man nun die Schlüssel gehörig vertauschet, und z.B.allhier den Te­ norschlüssel zum Anfange des Systems gebracht, und hinten den Violinschlüssel verkehrt angehänget hat: so können zwey Personen einen solchen Canon aus einer Linie singen. Dieses aber zu thun, müssen sich dieselben gegeneinander über stellen, wo sie nach Anleitung ihrer Schlüssel den Canon vom Anfang bis zum Ende durchsingen, und bey der Wiederholung vom Ende nach dem Anfang zurück gehen, so wie man bey Fig. 2. Tab. XXII. in der Auflösung desselben siehet. Anmerkung. Die Uebertragung eines solchen Canons auf eine Linie kann auch noch auf eine andere Art geschehen. Es ist einerley. Man kann zuförderst die zweyte Hälfte oder die Unterstimme, allein mit verkehrter Bewegung und ebenfals rückwärts zu Papiere bringen. Alsdenn schreibt man aber die erste Hälfte oder die oberste Stimme, so wie sie in der Partitur stehet, von Note zu Note, und vom Anfang bis zum Ende, hinter der zweyten her. Die Schlüssel müssen ebenfals vertauschet werden, und alsdenn sieht der vorige Canon so wie bey Fig. 3. Tab. LVIII. aus einer Linie

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

115

Linie aus. Die Auflösung bleibt allezeit einerley, so wie bey Fig. 2. Tab. XXIl. Mehrere Exempel von dieser Art siehet man bey Fig. 7. Tab. XIV. und bey Fig. 6. Tab.XV. §. 4. Wir kommen endlich zu dem doppelten rückgängigen Canon, welcher, wenn er vierstimmig ist, nach dem vierstimmigen rückgängigen Contrapunct ausgearbeitet wird. Zum Entwurfe eines solchen Satzes nehme man z. B. die vier ersten Tacte von Fig. 4. Tab. XXIX. und zum Beweiß, daß sie rückgängig können ausgeübet werden, füge man die vier letzten Tacte hinzu. Wenn man nun diesen contrapunctischen Satz in einen Canon verwandeln und denselben auf zwey Linien bringen will: so versteht es sich zuförderst von selbst, daß die beyden obersten Stimmen das oberste, und die beyden untersten das unterste System einnehmen müssen. Hernach bringet man zuförderst die beyden obersten Stimmen nach der im §. 2. gegebenen Anleitung, und hernach auf eben diese Art die beyden untersten zu Papier, und setzet diese beyden Systems übereinander. Alsdenn ist der Canon fertig. Um sich dieses deutlicher zu machen, kann man sich die oberste und dritte Stimme von Fig. 4. Tab. XXIX. oder auch die zweyte und unterste daselbst besonders vorstellen, so wie sie da stehen vom Anfang bis zum Ende. Von andern Arten doppelter Canons wird in folgendem Absatze gehandelt werden. Siebenter Absatz. Vom Doppelcanon. Wie es mit dem rückgängigen Doppelcanon zugehe, ist gleich in dem vorigen Absatze gezeiget worden.

Hier haben wir es mir der Verbindung P 2

zweyer

116

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

zweyer oder mehrer Canons in gerwissenIntervallen zu thun. Da fraget es sich, ob solche endlich oder unendlich seyn sollen. Im ersten Fall können allerhand Arten dissonirender Sätze, im andern aber nur consonirende Intervallen darinnen statt finden. Mit der Verfertigung geht es so zu, und zwar in einem vierstimmigen Satze, wenn zwey und zwey Stimmen einen besondern Canon unter sich führen sollen, (1)Man schreibet zuförderst in die anhebende Stimme einige Noten hin, wiederhohlet selbige in einer andern Stimme vermittelst der Versetzung und zwar in demjenigen Intervalle, da man es vestgesetzet hat, setzet hernach in der ersten Stimme dagegen den Gesang fort, und wiederhohlet darauf diesen Zusatz in der zweyten Stimme. (2) Nun geht man zur dritten Stimme, wo man einen neuen Canon erdenket, der sich von dem ersten in Ansehung der Melodie unterscheidet. Daß diese Melodie dergestalt eingerichtet werden müsse, daß so wohl diese dritte Stimme als die vierte, die hernach aus dieser dritten entspringet, zu der ersten und zweyten gehörig und ohne Fehler einstimme, versteht sich von selbst. (3) Wenn es nun mit der dritten und vierten Stimme auch seine Richtigkeit hat: so gehet man zur ersten und zweyten zurücke, um daselbst den ersten Canon fortzusetzen, und wenn dieses geschehen : so thut man desgleichen mit dem zweyten Canon zwischen der dritten und vierten Stimme, und so verfährt man wechselsweise, bis man schliessen will. Wenn man erwanneine von den Hauptstimmen als die erste oder dritte hin und wieder pausiren läßt: so ist diese Pause in der zweyten oder vierten Stimme genau nachzumachen, daß die Proportion, in der anfänglich die Nebenstimmen gegen die Hauptstimmen eingetreten sind, so wenig als das Intervall, worin die Nachahmung geschicht, verändert werde. Übrigens können die Folgestimmen sowohl in der ähnlichen als widrigen und dabey in allen Intervallen den anhebenden nachtreten, nur daß man allezeit, so wie man angefangen, fortfahren muß. folgen Exempel

Hier Das

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

117

Das erste Exempel eines Doppelcanons stehet Tab. XLIII. Fig. 1. und ist aus einer ganz durch und durch canonischen Messe, die der berühmte Herr Verfasser im Jahr 1718. entworfen, genommen. Der erste Canon ist zwischen dem Basse und Alt, und der zweyte zwischen dem Tenor und Diskant. Beyde sind in der Oberoctave in der ähnlichen Bewegung. Des Zwangs der doppelten canonischen Nachahmung ungeachtet, wird man die prächtigste und dem Gegenstande gemäße Harmonie darinnen finden. Das zweyte Exempel steht Tab.XLII. Fig. 3. Da die Hauptsätze der beyden Canons darinnen nach der Art einer ordentlichen Fuge wiederhohlet werden: so wollen wir solches etwas näher betrachten. Der erste Canon ist zwischen dem Diskant und Basse in der Unterquarte, und der zweyte zwischen dem Tenor und Alt in der Oberquinte. Beyde sind in der ähnlichen Bewegung gemacht. Nachdem der erste Canon bey (a) das Kyrie angehoben, und der zweyte bey (b) mit solchenIntervallen dagegen moduliret, daß zwischen allen vier Stimmen ein gewisser mit Sternchen bemerkter Gang vermittelst der Nachahmung durchgearbeitet wird: so hebet dieser zweyte Canon bey (c) einen neuen Satz an. Der erste Canon, der, um denselben desto besser hören zu lassen, etwas pausiret hatten, tritt bey (d) mit andern Intervallen dagegen ein, und setzet diese Modulation so lange fort, bis bey (e) der zweyte Canon den Hauptsatz des ersten, so wie er bey (a) stehet, in der Verkehrung ad Octavam nimmt. Dieses giebt Gelegenheit, daß bey (f) der Hauptsatz des zweyten Canons, so wie er bey (c) stehet, zwischen den beyden Stimmen des ersten Canons in der Verkehrung ad Octavam durchgeführet wird. Der zweyte Canon moduliret beständig dagegen fort, bis bey (g) der Hauptsatz des ersten Canons in seinen ordentlichen Stimmen, jedoch in einer versetzten Tonart, wieder zum Vorschein kömmt, worauf bey (h) sich der vorher bey (b) befindliche Nebensatz zugleich mit hören lässet. Dieses Gewebe dauert P 3 bis

118 Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II.Abschnitt. bis zu (i) fort, allwo der zweyte Canon noch einmahl den Hauptsatz des ersten in einer versetzten Tonart, in der Verkehrung ad Octavam, so wie es bey (e) geschahe, nimmt,worauf bey (k) ein aus dem Gange bey (d) entsprungene ähnliche Melodie zwischen allen vier Stimmen vermittelst der canonischen Nachahmung durchgearbeitet, und nach einer angehängten freyen Finalharmonie, diese kanonische Doppelfuge geschlossen wird. Ein drittes Exempel stehet Tab. XXXVII. Fig. 2. Der erste Canon ist zwischen den beyden Bässen in der Quinte, und der andere zwischen den beyden Altstimmen in der Unterquarte. In beyden gehen die Folgestimmen den anhebenden in der widrigen Bewegung nach, und ist der Canon im Zirkel. Die Diskantstimme ist nur zur Begleitung hinzugefüget worden. Achter Absatz. Vom Kanon, der durch den Zusatz einer Terz dreyund vierstimmig ausgeübet werden kann. Die Anlage zu solchem Canon geschicht wie in allen übrigen. Man setzet das Intervall und die Bewegung der Folgestimme veste , und setzet das Gewebe nach Maßgebung dieser leztern allezeit in der ersten fort, versetzet solches nach Proportion in die zweyte, und fähret damit so lange fort, bis man schliessen will. In Ansehung der Harmonie zwischen den beyden Stimmen: so muß man solche entweder nach dem doppelten Contrapunct in der Octave, Decime oder Duodecime, und zwar darinnen nach denjenigen Regeln entwerfen, nach welchen aus einem Duo ein Trio oder Quatuor gemachet werden kann; das ist, man vermeidet die dissonirenden Sätze, man nimmt die Seiten, und Gegenbewegung in Acht, und zwar verhütet man zwey unvollkommne Consonanzen in gerader Bewegung hintereinander, wenn der Satz vier-

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt

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vierstimmig gemachet werden soll; denn, soll er nur dreystimmig seyn, und die Terz über den Baß (nach dem Contrapunct ad Octavam) hinzugefüget werden: so lassen sich schon zwey Sexten in gerader Bewegung hintereinander machen. Man sehe folgende Exempel. Das erste steht bey Fig. 3. Tab. XXIII. und folget die zweyte Stimme der anhebenden in der Oberduodecime mit verkehrter Bewegung nach. Die Harmonie zwischen den beyden Hauptstimmen, nemlich zwischen dem Basse und Diskant ist nach den Regeln des Contrapuncts in der Octave, vermöge welcher aus einem Duo ein Trio gemachet wird, eingerichtet, und deswegen kann dem Basse eine Nebenstimme in der Entfernung einer Terz darüber zugefüget werden. Mit dem zweyten Exempel bey Fig. 4. hat es eben die Bewandtniß, nur daß die zweyte Stimme der ersten in ähnlicher Bewegung nachfolget. Das dritte Exempel stehet bey Fig. 4. Tab. XXX. und ist ein Canon in der Oberoctave in der Gegenbewegung. Die beyden Hauptstimmen, die man auf den beyden äussersten Systems siehet, sind nach den Regeln des Contrapuncts ad Duodecimam entworfen, vermöge welcher sowohl die unterste als oberste Stimme, jene oberwärts, diese unterwärts mit einer Terzenweise zugefügten Nebenstimme, vermehret werden kann. Das vierte Exempel stehet bey Fig.3. (c) Tab. XXXIV. und ist die Composition in den beyden Hauptstimmen, die die oberste und zweyte oder der Diskant und der Alt sind, nach demjenigen Contrapunct ad Decimam entworfen, nach welchem aus einem Duo ein Trio oder Quattuor gemachet werden kan, und nach welchem die Terzen, die allhier in Decimen verwandelt sind, beyden Stimmen unterwärts zugefüget werden. Das fünfce Exempel stehet Fig. 1. Tab. XXXI. und ist die Hauptcomposition, wenn man die beyden obersten Stimmen dafür annimmt, ad Decimam, wo alsdenn die beyden untersten Stimmen auf vorige Art hinzukommen. Das sechste Exempel stehet im ersten Theile Tab. LXI. Fig.

120 Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt. Fig. II. und sind die oberste und unterste Stimme ad Duodecimam, nach welchem die beyden mittelsten, die eine unter der höchsten, die andere über die tiefste, in der Entfernung in einer Terz, die aber allhier in Decimen ver­ wandelt sind, zugefüget werden. Die Verkehrung des ganzen Canons ad Duodecimam folget in eben derjenigen Figur gleich hinter dem Hauptexempel. Neunter Absatz. Vom Kanon

über

oder

unter einen

vesten Gesang,

ingleichen von dem mit einer Begleitungsstimme. §. 1. Der Canon über einen vesten Gesang gehöret unter die schwersten Gattungen der canonischen Schreibart, und thut man wohl, sich nicht ehe damit abzugeben, bevor man in den übrigen eine Fertigkeit erlanget hat. Berardi giebet hievon in seinen Documenti Armonici so viele Regeln, daß einem bange darüber wird, und fallen überdieses alle seine Regeln sogleich weg, wenn der veste Gesang oben oder in der Mitte angebracht werden soll, oder so bald die Zeit des Eintritts der Folgestimme geändert wird; und wenn man diese auch nach seinen im vorigen Abschnitte §. 1.2. angeführten Canons abmessen wollte: so würden sie mehr verwirren als unterweisen. Die beste Regel ist: daß man allezeit die vorhandne und folgende Note des vesten Gesanges vor Augen haben muß, sowohl in Ansehung der ersten als zweyten Stimme des Canons, es mag der veste Gesang, oben, unten oder in der Mitte angebracht werden. Wenn nun z. B. diejenige Melodie, die sich in der ersten Stimme gegen die erste Note aus dem vesten Gesange hören läßt, gegen die darauf folgende Note, in der zweyten Stimme nachgeahmet werden soll: so sind dazu unstreitig solche Intervallen zu erwehlen, die so gut gegen die zweyte Note des vesten Gesanges in der zweyten Stimme klingen, als sie es gegen die erste Note in der ersten Stimme gethan haben;

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

121

haben; und dieses findet man durch nichts als durchs Versuchen, indem man den Gesang solange wendet und die Intervallen verändert bis sie auf beyden Seiten passen. Man suche dabey, guter Muster in dieser Schreibart habhaft zu werden, und stelle nach solchen seine Uebung an. Man kann übrigens Canons von allerhand Arten über einen vesten Gesang machen, Canons im ähnlichen und vermischten Tactheile, in ähnlicher und veränderter Bewegung, in der Vergrösserung, u.s.w. zwey- und mehrstimmig, und kann ferner der veste Gesang sowol oben und in der Mitte, als unten angebracht werden. §. 2. Die Canons mir einer Begleitungsstimme sind von zweyerley Art. In einigen wird die Begleitung oder die Nebenstimme erstlich alsdenn zugesetzet, wenn der Canon schon ganz fertig ist, und dieses geschicht zur Bedeckung der Harmonien, wenn einige darunter sonst allzuleer ausfallen sollten; und von diesen ist hier nicht die Rede. Andere werden sogleich mit der Begleitung componirt, und da ist solche gleichsam als ein vester Gesang anzusehen; ich sage gleichsam, weil der veste Gesang eigentlich gegeben, diese Begleitungsstimme aber von selbst erdacht wird, und von solchen Canons reden wir hier. Es fraget sich dabey zuförderst, ob der Canon endlich oder unendlich seyn soll. §. 3. Soll er unendlich und zwar im Einklänge seyn: so entwirft man nach der oben gegebnen Anleitung eine Partitur von so viel Stimmen, als man haben will, und suchet sich die langsamste und tiefste, (wenn sie nemlich zum Fundamente dienen soll,) zur Begleitungsstimme aus, währender Zeit man die übrigen, wie sichs gehöret, nach einander auf einer Linie zu Papiere bringet. Diese Begleitungsstimme machet alsdenn währender Pause einer Abh. von der Fuge II. Theil.

Q

Folge-

122

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

Folgestimme allezeit ihren Zirkel, und hebet denselben bey jedem Eintrit aufs neue an. Z.B. sehe man den Fig. 7. Tab.XXXVII. befindlichen Canon im Einklange, zu welchem die bey Fig. 6. vorgestellte Begleitung gehöret, die, wie man siehet, ihren Zirkel innerhalb zwey Tacten vollbringet, und da die eine Stimme der andern allezeit zwey Tacte später folget: so hebet sie solchen folglich bey jedem Einttitt einer Stimme aufs neue wieder an. 4. Soll ein solcher Canon in der Octave seyn: so componiret man nach der oben beym drey- und vierdoppelten Contrapunct gegebnen Anleitung einen drey- oder vierfachen contrapunctischen Satz mit einer tiefen Nebenstimme, und verwandelt die obersten Stimmen in einen Canon nach der Art, wie es eben daselbst gezeigt ist. Die tiefe Begleitungsstimme machet allezeit währender Pause der Folgestimme ihren Zirkel, und hebet solchen bey dem Eintritte derselben wieder an, wie aus dem bey Fig. 2. Tab. XXXI. befindlichen Exempel zu ersehen ist. Auf eben diese Art können die Exempel bey Fig. 2. und 3. Tab. V. mit wenigem Zusatze in einen Canon in der Octave gebracht werden. Mit welchem Satze oder Themate man anfange, ist einerley. Daß man auf eben diese Art zweystimmige Canons in der Octave machen könne, ist vonselbsten zu erachten. §. 5. Sind diese unendlichen Canons aber in andern Intervallen, tritt etwann die Folgestimme in einer andern Bewegung oder mit verändertem Tacttheile, u.s.w. ein: so muß man entweder die Begleitung verschieben, bis der Canon fertig ist, wenn er nemlich alsdenn einer nöthig hat; oder man muß sie sogleich bey der Verfertigung allmählig hinzuthun, und alsdenn vollendet

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. II. Abschnitt.

123

det die Begleitung erst ihren Zirkel, wenn alle Stimmen den Canon gemachet haben, und die erste wieder eintritt. §. 6. Ist der Canon endlich: so wird solcher desto leichter zu verfertigen seyn, wenn man die erste Stimme einen guten Vorsprung nehmen lässet. Man hat alsdenn Gelegenheit, so gleich eine gute Gegenharmonie in der Ne­ benstimme anzubringen. Sobald nun die zweyte Stimme eintreten soll: so hält man so lange mit der ersten und der Nebenstimme an, und schreibet die zweyte nach dem vestgestellten Intervall des Eintritts erst so weit ab, als sich in der ersten dazu Materie findet. Alsdenn fähret man mit dieser ersten und der begleitenden wieder fort, und richtet das weitere harmonische- melodische Gewebe nach der zweyten Stimme ein. Diesen Zusatz übersetzet man aus der ersten in die zweyte Stimme und damit fähret man so lange fort, bis man den Canon schliessen will, wo denn nothwendig am Ende, damit die Stimmen zusammen aufhören können, wenn man sie nicht nacheinander verschwinden lassen will, in der ersten Stimme ein kleiner Zusatz von so viel Tacten, als solche vor der zweyten eingetreten, gemachetwerden muß,und diesen Zusatz machet die zweyte nicht nach. Was es mit solchem Zusatze oder Anhange für eine Bewandtniß habe, wird man am Ende des zweystimmigen Canons bey Fig. 1. Tab. XLV. allwo die anhebende Stimme bey dem Ruhezeichen die Materie zum Canon endiget, sich deutlich machen können. Ein Exempel eines zweistimmigen Canons im Einklange mit einer Begleitung siehet man bey Fig. 2. Tab.L. und LI. In den verschiednen contrapunctischen Ausarbeitungen des seel. Hrn. Capellmeisters Bach über das von des Königs Majestät ihm aufgegebene Thema in C moll, die man gestochen haben kann, findet man einige dergleichen Canons, endliche und unendliche mit einer begleitenden Stimme, die zu Mustern zu nehmen sind. Q 2

III. Abschnitt.

124

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. III. Abschnitt. III. Abschnitt. Von der Auflösung eines Kanons. §. 1.

Es

war ehedessen stark Mode, daß die ältern Tonkünstler einen jüngern durch allerhand vorgelegte Rätzelcanons versuchten, und seine Geschicklichkeit nach der Auflösung desselben beurtheilten, so wie annoch die Altgesellen bey den löblichen Handwerkern die eben Ausgelernten durch allerhand spitzfindige Aufgaben zu verwirren, und, wenn sie ihre Sache nicht gut machen, zur Bezahlung der Zeche in der Herberge anzuhalten pflegen. Diese Mode ist nun zwar abgekommen. Man hat befunden, daß ein Narr mehr fragen kann, als zehn Kluge beantworten können. Man hat unter den Contrapunctijkn Marktschreyer wahrgenommen, die um sich über andere einen Vorzug anzulügen, willkührliche Sätze niedergeschrieben, das Wort Canon à 6.7.8. u. s. w. darüber gesetzet, obgleich kein Canon darinnen vorhanden war, und solchen andern aufzurathen gegeben. Man hat befunden, daß, wenn man solchen Marcktschreyern einen wahren Canon vorgeleget, sie denselben nicht einmahl auflösen können, und daß es folglich mit ihrer vorgegebnen Einsicht nur Wind gewesen. Man hat endlich bemerket, daß in der That ein mittelmäßiger Kopf oft solche Canons gesetzet hat, daß der beste Kenner nicht ohne Mühe und Zeitverlust den Schlüssel dazu finden können, und daß es gleichwohl kein besonders Verdienst ist, die kostbare Zeit auf eine so lächerliche Art zu verschwenden. Es haben sich also die grossen Meister der neuern Zeit, die sich in der contrapunctischen Schreibart mit Beyfall gezeiget, begnüget, Canons zu machen, sie zu gebrauchen, wo es nöthig ist, und wenn sie ja jemanden zum Spaß etwas vorlegen wollen, so haben sie doch allezeit einige zur Bezeichnung

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. III.Abschnitt.

125

nung der Auflösung hinlängliche Merkmahle oder eine Ueberschrift hinzugefü­ get, und wie viele grosse Harmonistenhaben dennoch öfters Mühe genug gehabt, hinter das Geheimniß zu kommen ? Indessen kann es doch auch nicht schaden, den Rätzelcanon annoch beyzubehalten. Es giebt unter den übrigen Gattungen der Componisten auch nasenweise Leute, die Graß wachsen hören, und musikalische Allwisser vorstellen wollen, und als Allwisser müssen sie doch auch nothwendig den Contrapunct verstehen. An diesen kann man sich nicht besser als vermittelst eines solchen verschloßnen Canons erhohlen. Man brauchet nicht einmahl allezeit einen sehr schweren dazu zu nehmen. Der leichteste ist schon hinlänglich, ihnen ein Schwitzpulver zu ersparen. Ich rede allhier, wohlgemerkt, nicht von vernünftigen galanten Tonkünstlern, die einer jeden Art der Composition Recht wiederfahren lassen. §. 2. Wie hat man es aber anzufangen, wenn man einen verschloßnen Canon auflösen will? Daß derjenige, der dieses unternimmt, schon etwas in der canonischcn Schreibart gethan haben müsse, setze ich voraus. Nun fehlet ihm nichts mehr, als alle mögliche verschiedne Gattungen und Arten derselben zu kennen. Untersuchet er die vorgelegte Aufgabe nach allen denselben, so muß er solche ohne allen Widerspruch auflösen, oder der Canon ist falsch. Doch wir wollen näher zur Sache gehen. Ich verlange zuvor, daß der Hauptgesang des Rätzelcanons richtig abgeschrieben sey. Die Tactart läßt sich zur Noth leichte finden, wenn er auch ohne Tact geschrieben ist, und mit dem Schlüssel hat es eben die Bewandtniß, wenn er etwan fehlet. Die Vielheit der Stimmen, wenn sie nicht angezeiget ist, lässet sich auch finden, und ob es ein polymorphischer Canon sey, wird sich sogleich bey der Untersuchung entdecken. Wir haben es hier also mit einem halben Dutzend Intervallen, etliche mehr oder weniger, zu thun, die sich ohne Schlüssel, Tact, und ohne alle zur Ueberschrift Q 3 gehöri-

126

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. III. Abschnitt.

gehörigen Zeichen darstellen. ger ist der Canon. versteckt.

Je weniger Stücke hieran fehlen, destoweni-

Das erste was man nun zu thun hat, ist daß man die vorgelegten Intervallen auf einen gewissen Schlüssel, und in solche Tonart, wo der Gesang am richtigsten zu seyn scheinet, und in den Tact bringet. Ist dieses geschehen: so gehet die Untersuchung der Nachahmung an, und zwar muß man solche nach allen Intervallen, dem Einklange, der Secunde, Terz, Quarte, Quinte,Sexte, Septime und Octave, oben oder unten anstellen. Man versuchet diese Nachahmung im Auf- und Niederschlage, im guten und bösen Tacttheile, im ersten, dritten, fünften, zweyten, vierten, sechsten Viertheile oder Achttheile u. s. w. und also nach verschiednen Pausen, bey iedem Intervalle und alles dieses zuförderst in der ähnlichen Bewegung. Bringet man vermittelst diesen nichts heraus: so wendet man sich zur Gegenbewegung, ja zur rückgängigen und rückgängig verkehrten Bewegung. Man läßt es hiebey nicht bewenden, sondern probiret ferner die unterbrochne Nachahmung, die Vergrösserung und Verminderung nach allen Intervallen, Bewegungen und Tacttheilen. Hat man nun eine Stimme glücklich herausgebracht, welches leichte daraus zu erkennen ist, wenn sie durchgehend mit der anhebenden harmoniret, und ihr richtig nachgehet: so hält es nicht schwer, die übrigen Stimmen dazu zu finden, wenn der Canon noch mehrerer fähig ist, es mag die dritte Stimme nun mit der Octave der ersten oder zweyten, oder gar mit einem ungleichen Intervalle, in der vorigen oder der Gegenbewegung, mit vergrösserter, verkleinerter oder unveränderter Geltung der Noten, in Arsi oder Thesi, in eben der Proportion in Ansehung der Zeit des Eintritts, früher oder später nachfolgen. Hat man nun auch eine dritte Stimme gefunden: so geht

Das sechste Hauptstück. Vom Canon. III.Abschnitt.

127

geht man weiter, und versuchet, ob noch mehrere darin stecken, und damit fähret man so lange fort, bis man keine mehr findet. Ob der Canon endlich oder unendlich sey, ist leicht aus dem Zusammenhange zu erkennen; ingleichen ob bey der Wiederhohlung die anfangende Stimme vermittelst der Transposition in einem höhern oder tiefern Intervalle wieder eintreten soll. Man versuchet noch anizt, ob man dem Canon auch eine oder mehrere Nebenstimmen in Terzen- oder Decimengängen zufügen könne; ob er anderer Veränderungen fähig sey, und nach dem Contrapuncte in der Gegenbewegung, in der rückgängigen und verkehrten rückgängigen Bewegung versetzet werden könne, und was dergleichen mehr ist, wie man sich in dem ersten Abschnitte dieses Hauptstückes in demjenigen §. wo die polymorphischen Canons erkläret sind, darüber Rath erhohlen kann. Dieses ist alles, was man von der Auflösung eines Rätzelcanons sagen kann. Es gehört, ausser einer vollkommnen Einsicht in die verschiednen harmonischen Wendungen, Zeit und viele Geduld dazu. Damit man versuchen könne, wie weit der itzt gegebne Unterricht gegründet, und ob er hinlänglich sey, einen verschlossnen Rätzelcanon darnach heraus zu bringen: so sehe man Tab.LVIII. Fig. 8. 9. 10. und 11. wornach man zuförderst seine Uebung an­ stellen kann, um sich in den Stand zu setzen, es mit schwerern Exempeln aufzunehmen. Wer nemlich niemahls leichte Canons aufgelöset hat, dem wird es mit schweren in der Folge nicht leichte glücken.

Das

128

Das siebente Von

Die

der

Hauptstück.

Singfuge

und

dem

Singcanon.

§. i.

Singfuge wird entweder mit oder ohne obligate Spielstimmen gesetzt. §. 2.

Wenn keine obligate Spielstimmen dabey sind: so vereinigt man, zur Verstärkung der Harmonie, die Instrumente mit den Stimmen, d.i. die erste Violine geht mit dem Diskant, die zweyte mit dem Alt und die Bratsche geht mit dem Tenor. Füget man Hoböen hinzu: so gehn solche mit den Geigen. Dieses ist die natürlichste und gewöhnlichste Art. §. 3. Es hat die Veränderungsbegierde der Neuem aber es bey dieser Art nicht bewenden lassen. Man hat noch eine andere Stellung der Stimmen eingeführet, und diese besteht darinnen, daß man die erste Geige mit dem Alt in der höhern Octave, die zweyte Geige mit dem Diskant im Einklange, und die Bratsche mit dem Tenor bald im Einklange, bald in der höhern Octave spielen läßt. Die Hoböen vereinigen sich allezeit mit den Violinen. Da vermöge dieser Stellung aber nicht allein zwey Stimmen in beständigen Octaven unter sich fortgehen, sondern auch in der That irreguläre Gänge entstehen können, z.E.wenn zwischen den Mittelstimmen zwey Quarten hintereinander folgen, die vermittelst dieser Vertheilung zu zwey Quinten werden, der Verdoppelung der Dissonanzen nicht zu gedenken, u. s.w. so will solche Art noch nicht

Das siebente Hauptstück. Von der Singfuge

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nicht allen Meistern durchgehends gefallen, ob man gleich den Nachdruck der Harmonie sehr dadurch zu erheben meinet. §. 4. Ein Mittel zwischen diesen beyden Arten zu treffen, kann man Flöten hinzuthun, und diese, da wo es der Harmonie nicht entgegen läuft, den Alt und Tenor in der höhern Octave mitspielen lassen, währender Zeit die Violinen, Hoböen und die Bratsche sich mit der Singstimme ordentlich vereinigen, und im Einklange fortgehen. §. 5. Wegen der Waldhörner, Clarinen, Posaunen, und Paucken, wenn solche bey der Fuge seyn sollen und können: so werden ihre Partien aus der Vermischung der übrigen zusammengesetzet, indem sie besonders dazu dienen, daß das Thema hin und wieder durch eine besondere Verstärkung hervorragen solle. Man muß aber allhier die Erfahrung zu Hülfe nehmen, und wie mit dieser Ausziehung der Partien am bequemsten und vernünftigsten verfahren werde, aus guten practischen Arbeiten von dieser Art erlernen. §. 6. Soll die Singfuge aus obligaten Instrumentalstimmen bestehen: so ist leichte zu erachten, daß solche so gleich bey dem Entwurf der Stimmen mitzuverfertigen, und nicht erstlich hernach, wenn alle Plätze schon besetzet worden, hinzuzufügen sind, wenn man einen guten Gesang hervorbringen und nicht unordentlich werden und bald hier bald dort hinausschweifen will. §. 7. Den Stof zu diesem obligaten Satze nimmt man aus den Hauptsätzen der Fuge her. Nachdem alle Singstimmen nacheinander eingetreten sind: Abh. von der Fuge.II Theil. R so

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so führet man die obersten Instrumentalstimmen mit dem Satze der Fuge ebenfals hintereinander ein. Die Nachahmung im vermischten Tactheile, (die sich nicht allezeit bequem für den Text schicket,) die in der widrigen Bewegung, die verkleinerte, vergrößerte, unterbrochne können allhier dem Setzer Gelegenheit geben, das Thema auf gar vielerley Art gegen die Singstimmen, die sich deswegen nicht irren lassen, sondern ihre Fuge aufs strengste machen müssen, durchzufuhren. Mann kann hiernächst, wenn die Fuge noch künstlicher werden soll, nach einer gewissen vestgesetzten Gattung des einfachen Contrapuncts, in lauffenden, hüpfenden, springenden, hinkenden, punctirten oder andern Figuren einen Baß dagegen entwerfen, so wie man, wenn man die obersten Instrumentalstimmen nicht auf vorher erklärte Art aus dem Themate formiren will, man einen ganz neuen Satz erdenken, und denselben gegen die Stimmen entweder besonders durchfugiren, oder nach einer ge­ wissen vestgestellten Art des einfachen Contrapuncts mit gewissen Figuren durcharbeiten kann. Doch man kann sich in Ansehung dieser verschieden Einrichtungen besser praktisch, durch Anschauung guter Partituren, als durch blosse Beobachtungen forthelfen. §. 3. Im Anfange der Fuge, wenn der Singbaß das Thema anfängt, und ein besondrer Spielbaß vorhanden ist, kann zur deutlichen Ausnehmung, die Bratsche sogleich dasselbe mitspielen. Wenn hierauf der Tenor folgt: so spieltdie Bratsche nocheinmahl das Thema mit, und bleibet alsdenn in ihrer Sphäre. Die zweyte Violine kann bey dem Eintritte dieses Tenors das Thema auf vorige Art mitfassen, und dasselbe bey dem Eintritt des Alts, nochmahls wiederhohlen. Nachgehends bleibt sie in ihrer Stimme. Der Eintritt des Diskants mit der ersten Violine ist theils wegen der Höhe, theils wegen der zugleich mit einfallenden Trompeten und Paucken, wenn diese da­ bey

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ben sind, ohne gedachte Hülfsmittel, zur deutlichen Ausnehnnmg des Thema-tis merklich genug. §. 9. Zum Texte schicket sich die Prose weit besser als die Poesie, zumahl wenn die Fuge aus verschiednen Sätzen bestehen soll. Wir wissen aus der Lehre vom doppelten Contrapunct, daß ein Thema von dem andern so wohl in Ansehung des Eintritts, als der Art der Melodie unterschieden seyn soll. Man kann die Schlüsse ebenfals hieher rechnen, da der eine Satz nicht braucht so lang als der andere zu seyn. Zu dieser Verschiedenheit giebet einem die ungebundne Rede wegen der Ungleichheit der Abschnitte und des Sylbenmasses schon natürlicher Weise Gelegenheit, da man in der Poesie durch andere Hülfsmittel, als durch Dehnung eines Worts, u.d.g. erst solche nicht ohne Mühe heraus bringen muß; und bey allem dem läuft man Gefahr, auf metrisch abgepaßte ariöse Gänge, die das Wesen der Fuge nicht verträget, und folglich auf Abwege zu gerathen. Es ist also weit bequemer, auf ein Kyrie, Credo, Magnificat, auf einen biblischen Spruch, auf einen Vers aus den Psalmen, u.d.g. eine gute Fuge zu machen, als auf eine Strophe aus einem Lobgesange. Zu diesem lezten schicket sich die motettische Schreibart weit besser, wovon bald ein mehrers. §. 10. So viele Glieder oder Abschnitte in dem Texte stecken: so viele Sätze muß auch die Fuge haben. Man sieht daraus, daß man sich nicht leicht einen Text über drey oder vier Sätze zu wählen hat. Sind mehrere Glieder darinnen, oder sind solche so beschaffen, daß sie dem Inhalte nach einander entgegen lauffen, und man sie folglich nicht mit einander vereinigen kann: so fugiret man jeden Satz kurz einmahl durch alle Stimmen durch, R 2 und

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und fänget mit jedem neuen Gliede des Textes einen neuen Satz an. Das wird alsdenn eine Motette, d. i. ein aus vielen kleinen Fugen zusammengesetztes musikalisches Kirchenstück. Ich nehme das Wort Motette in dem Verstande, als es vordem genommen worden ist. Die Solocantaten, die man heutiges Tages an vielen Oertern der römischen Kirche, nach italiänischer Art, zum Offertorio singet, sind als eine Erfindung neuerer Zeit auch mit einem neuen Nahmen zu benennen, und können so wenig als alle Gattungen der geistlichen Musik bey den Franzosen ohne Unterscheid, den Nahmen der Motetten führen. §. 11. Man verbindet in einer solchen Motette öfters zweyerley Texte, oder man führet eben denselben Text auf zweyerley Art durch. Dieses geschicht, wenn dieselbe über den Vers eines Kirchenliedes verfertigt wird, wo man denvesten Gesang dieses Chorals in einer dazu vestgesetzten Stimme, nach Maßgebung der eintretenden Glieder oder Sätze, vermittelst der Vergrösserung, oder doch in einer andern etwas abstechenden Bewegung, dagegen anbringet. Jenes geschicht, wenn die Motette über eine biblische Prose ist, mit welcher auf eben diese Art in einer andern Stimme der veste Gesang eines sich dazu schickenden Chorals verbunden wird. Dieses leztere aber kann auch in einer ordentlichen Fuge geschehen. §. 12. Daß man die Worte, über welche man componiret, wohl verstehen, und sowohl das Sylbenmaaß als den Accent derselben vollkommen inne haben müsse, ist eine Wahrheit, woran niemand zweifeln wird, als derjenige, der in einer Sprache setzet, die er nicht versteht. Man kann hierüber das 37. und 38. Stück des krit. Musikus des Herrn Capellmeisters Scheibe nachlesen, wo

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wo diese Materie sehr gründlich ausgeführet ist. Ich wollte wünschen, daß der Herr Verfasser von den ungereimten Zusammenziehungen und Verschlucfungen der Sylben in der lateinischen Sprache seine Gedanken zugleich mitgetheilet hätte. Der Text ist entweder prosaisch oder poetisch. Im ersten Falle findet sowenig die Zusammenziehung als die Trennung der Silben statt. Im andern Falle muß sie der Poet, aber nicht der Tonsetzer machen. Begehet dieser in der Zusammensetzung der Sylben noch Fehler wider die Grammatik, indem ja nicht alle Wörter der Contraction fähig sind: so ist dieses desto abgeschmackter, und kann man sich nicht wohl mit seinen italiänischen Sängern entschuldigen, weil man in Italien, so wie in Frankreich und in andern Ländern, zwar in der Aussprache, aber so wenig im Sylbenmasse als Accente von den Deutschen unterschieden ist. Dieses braucht keines weitern Erweises. Wenn man aus ge—ni—us machet gen—jus: so ist dieses eben so lächerlich, als wenn man heus! theilen und he—usl daraus machen wollte. Die Verschluckung der Sylben, da man aus da—tum—efl : dat—est, t und aus va—ni—a—mo—res : va—na—mo—res oder van—ja—mo res machet, gehöret zwar zu den Regeln der Scansion, aber nicht zur Setzkunst. Wer verschlucket beym Declamiren der Verse die Sylben ? Man spricht ja Sylbe für Sylbe,und dabey die Wörter nach ihrem natürlichen Accente, nicht aber nach den Klangfüssen der Prosodie aus. In der Musik aber muß die Declamation, und nicht die Scansion nachgeahmet werden. §. 13. Ausgenommen in ganz kurzen Texten, die nur aus einem oder zwey Wörtern bestehen, z.B. über das Amen, Kyrie, und dergleichen, muß man sich hüten, schon in dem anhebenden Satze die Sylben zu dehnen, es müßte denn ein besondrer Inhalt oder Umstand dazu Anlaß geben. In solchen Fällen, wo der Satz gar zu kurz ist, und wo man folglich ebendasselbe Wort Q 3 sehr

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sehr öfters wiederhohlen muß, ist es gut, um dem daraus entspringenden Mißvergnügm vorzukommen, wenn man den ersten Satz etliche mahl durch die Stimmen durchgeführet hat, einen neuen über eben diesen Satz einzuführen, um sie hernach zusammen zu verbinden. §. 14. In Ansehung des Gesanges, so hat man, so viel als möglich, auf die Leich­ tigkeit der Intonation zu sehen, zumahl wenn die Fuge im Capellstyl verfertigt wird, und ohne Begleitung von Instrumenten ausgeführet werden soll. Zur schweren Intonation gehören besonders alle die Octave übersteigenden Intervalle. Man muß dabey den Gesang einer jeden Stimme innerhalb dem Umfange einer Undeeime erhalten, und selten ein Intervall drüber wagen. Man hat zu dem Ende einen bequemen Ton für die Fuge auszusuchen, oder vielmehr, man muß die Fuge nach dem Tone einrichten. Machet man Dehnungen, so besinne man sich, daß man für die menschliche Kehle und nicht für Instrumente schreibet. Man zwinge den Text nicht mit Gewalt unter die Noten, sondern richte die Noten nach dem Text ein, und beschwere nicht jede kleine Note mit einer Sylbe. §. 15. Es ist bey der Unterlegung des Textes ferner darauf zu sehen, daß, wenn der Verstand eines Satzes ganz oder doch zum Theil geendet ist, der Abschnitt allezeit auf die Thesin falle, und daß, wenn man eine Partie etwas schweigen läßt, solche allezeit auf einer Note aufhöre, die mit keiner andern dissoniret. Doch ist man sowohl in der Prose als Poesie wegen verschiedener Umstände öfters genöthigt, wider die erste Regel zu fehlen. §. 16. In einer Fuge mit vielen Sätzen, wo jeder Satz, einen besondern Text hat, muß die Fuge dennoch mit den lezten Motten des Textes in allen Stimmen

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men schlissen, wenn auch keine vorher mit der andern in Ansehung desselben vereinigt gewesen ist. Hin und wieder eine bequeme Vereinigung des Textes zwischen einigen Stimmen zu erhalten, muß man solche Themata erfinden, darinnen das eine gegen das andere mit Terzen- oder Decimenweise zugefügten Stimmen vermehret werden kann. §. 17. Wie die kanonische Nachahmung in weltlichen Duetten und Terzetten für die Singestime vortheilhaftgebrauchet werden könne,haben Bononcini,Steffani und viele andere durch die vortreflichsten Proben gezeiget. In geistlichen Stücken und zwar in Fugen und Motetten ist sie von der grösten Nothwendigkeit, sie mögen nun in dem Allabrevestyl oder in einer andern Schreibart abgefasset seyn. Einem Componisten, der nicht viel Erfindungskraft besitzt, wird der Canon allezeit zu Einfällen verhelfen. Er wird nicht wissen, wie er dazu kömmt, und einem wizigen Kopfe wird der Canon allezeit die Gedanken in Ordnung erhalten, daß er nicht unordentlich oder ausschweifend wird. Man kann die canonische Nachahmung aber nicht allein vermischt gebrauchen; Man kann sie auch ganz allein für sich anwenden, und ganze Messen, Bußpsalmen und Lobgesänge darnach ausarbeiten. Bey Fig. 3. Tab. XLII„ und Fig. 1. Tab. XLIII. ingleichen bey Fig. 1. Tab. XXVIII. siehet man einige Stücke aus Messen zur Probe davon. Man kann noch hiezu das Tab. XLIV. Fig. 1. befindliche Exempel fügen, wo eben derjenige Hauptsatz zwischen den verschiedenen Stimmen auf verschiedne Art in einem canonischen Gespräche durchgeführet wird. Wer Gelegenheit hat, die ganze Messe zu haben, woraus dieses Stück genommen ist, wird bey jedem Stücke derselben ein neues Muster solcher canonischm Gespräche wahrnehmen. Uebrigens gehöret dieses letztere Exempel zu der freyen canonischm Schreibart, und ist folglich

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lich nicht so vielen Schwürigkeiten unterworfen, wie die auf der Tabelle XLII. und XLIII. befindlichen Doppelcanons, wo alles vom Anfang bis zu dem Anhang am Ende aufs strengste nachgeahmet wurde. §. 13. Zum Schlusse wollen wir die Tab. XLVI. XLVII. XLVIII. XLIX. und L. befindliche Singefuge zergliedern. Es ist genung,daß man den Nahmen des berühmten Verfassers davon weiß, um sie als ein Muster in dieser Schreibart zu betrachten. Diese Fuge besteht zuförderst, wie man sieht, aus den vier gewöhnlichen Singstimmen, und geht die erste Violine mit dem Diskant, die zweyte mit dem Alt, die Bratsche mit dem Tenor, und zwar alle im Einklange. Dem Singbaß wird noch ein besondrer Instrumentalbaß zugefüget, der sich bald mit ihm vereinigt, und bald eine obligate Grundstimme machet, nach Beschaffenheit der Umstände. Es finden sich darinnen drey Hauprsätze, der erste über Kyrie eleison; der zweyte über Eleison, und der dritte über Christe eleison, indem die drey Theile des Kyrie, davon jeder sonst besonders ausgearbeitet wird, allhier zusammengeschmoltzen werden. Die beyden ersten Themata machen eine doppelte Gegenfuge unter sich aus, und sind auf den doppeltverkehrten Contrapunct gebauet. Das dritte, das etwas später eintritt, nachdem jene schon etwas unter sich ausgearbeitet worden, wird bald mit dem ersten, bald mit dem zweiten, bald mit beyden zugleich, soweit als es die Harmonie erlaubet, verbunden. Bey (a) hebet der Singebaß mit dem ersten Satze die Fuge an, und modulirt der Instrumentalbaß harmonisch dagegen. Auf der Schlußnote des Satzes ergreift der Tenor denselben bey (b) eine Quinte höher, allein in der widrigen Bewegung, und der Baß führet dagegen bey (c) das zweyte Thema ein. So

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So wie der Baß bey (a) und (c) die beyden Subjecta gleich hintereinander faßte: So fähret der Tenor, nachdem erden ersten Satz geendct, sogleich mit dem zweyten bey (e) fort, wiewohl in der widrigen Bewegung, wogegen der Diskant bey (d) mit dem Gefährten des ersten Satzes in der ähn­ lichen Bewegung eintritt. Die Evolution ad Octavam, in der die Stimmen bey (d) und (e) gegen (b) und (c) stehen, gründet sich auf denjenigen doppelten Contrapunct, nach welchem die Sätze in die Gegenbewegung versetzet werden, aber dabey in ihren Stimmen stehen bleiben, wie davon im III. Hauptstück. I.Abschnitt. §.3. Nachricht ertheilet worden ist. Nun fehlet noch der Eintritt des Alts, und dieser geschieht bey (f) mit dem Gefährten des ersten Satzes in der widrigen Bewegung, wogegen der Diskant bey (g) sogleich den Gefährten des zweyten Satzes in der ähnlichen Bewegung faßt, und bey dieser Gelegenheit, da nunmehr alle Singstimmen eingetreten sind, vereinigt sich der Instrumentalbaß auf einige Zeit mit dem Singbaß. Nachdem der Alt das erste Thema vollbracht: so fähret er, wie alle vorhergehenden Stimmen gethan, mit dem zweyten Satze und zwar mit dem Gefährten desselben in der widrigen Bewegung bey (i) fort, wogegen der Tenor mit dem ersten Satze in der ordentlichen Bewegung bey (h) zum Vor­ schein kömmt. Unter (i) und (h) ergreift der Singebaß den Anfang des zweyten Satzes zugleich in der Unterdecime, und geht darauf eine Weile zur Ruhe. Uebrigens stehn die beyden Sätze allhier bey (i) und (h) in Ansehung derselben bey (b) und (c) in der eigentlichen Evolution nach dem Contrapunct in ver Gegenbewegung. Die Stimmen sind untereinander verwechselt und dabey zu gleicher Zeit alla riversa verkehret worden. Daß der Diskant gleich über (i) den Anfang des zweyten Subjects vermittelst der engen Nachahmung Abh. vonder Fuge.II. Theil. S in

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in der Verkleinerung hören lässet, so wie es der Baß vorhero unter (e) that, muß annoch bemerket werden. Die Oerter sind mit dem Zeichen eines Sternchens über (i) und unter (e) angezeiget. Endlich wird diese erste Durchführung der zwey ersten Sätze durch die neue Einführung derselben bey (k) und (l), wo der Singbaß nach seinen gehabten Pausen wieder eintritt, vollstimmig beschlossen. Darauf hebt der dritte Satz mit einer canonischen Nachahmung in der Unterquarte, und bey welcher dieStimmen einander in gleicher Weise folgen, bey (m) (n) (o) und (p) den andern Theil der Fuge an. Ehe die drey Folgestimmen noch den Satz vollenden, kommt der Diskant bey (q) und der Alt mit dem Anfang desselben bey (r) nochmahls zum Vorschein. Wer sich mit den oben erklärten Zirkelcanons durch die Töne gut bekannt gemachet hat, wird sehen, daß man mit diesem hier befindlichen Canon ebenfals alle zwölf Töne vierstimmig durchwandern könne. Man kann es zur Uebung versuchen. Bevor sich aber der dritte Satz bey (q) im Diskant endiget: so führet der Alt, nachdem er den bey (r) ergriffnen dritten Satz verlassen, das erste Thema bey (s) und der Tenor den Anfang des zweyten bey (r) und gleich dar­ auf bey (u) das erste, wiewohl ebenfals verkürzt, dagegen ein. In der Mitte dieser Sätze lassen sich der Baß und Diskant mit dem Anfange des zweyten Satzes in enger Nachahmung, an den mit Sternchen bemerkten Stellen dagegen hören. Die Veränderung der Modulation, da die Themata in andere Töne versetzet werden, kommt dabey in Betracht. Wie nemlich in dem ersten Theile der Fuge die Hauptmodulation zwischen dem Haupttone und der Dominante schwebte: so ist sie hier zwischen der dritten und sechsten Saite des Haupttons, nemlich zwischen H mollund E moll. Der

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Der dritte Satz wird nunmehr eine Zeitlang verlassen, und werden nur die beyden ersten, und zwar bey (r) und (w) zwischen dem Tenor und Baß, und bey (y) und (z) zwischen dem Alt und Diskant durchgenommen. Die bey (v) im Diskant und gleich darunter im Alt an dem mit einem Sternchen bezeichneten Orte geschehenen Verkürzungen dieser Sätze dienen zur Vorbereitung der darauf folgenden und eben angezeigten vollständigen Durchführung. Wie der Instrumentalbaß verfähret, und bald mit dem Singebaß zugleich, bald alleine gehet, und wenn der erste schweiget, das Grundgewebe alleine fortsetzt, ingleichen wie theils durch Veränderung der Modulation oder der Fortschreitung, theils durch Einführung der Sätze, die Schlüsse vermieden werden, wird einem jeden ohne Anmerkungen darüber leicht in die Augen fallen. So wird z.B. bey (aa) wo der Diskant, der Alt und der Singbaß eine vollkommne Cadenz formiren, die Bewegung theils durch die Progreßion des Instrumentalbasses, theils durch die Einführung des ersten Satzes im Tenor unterhalten und fortgesetzet. Bey (bb) tritt der zweyte Satz und zwar mit verminderten Intervallen in Ansehung des Anfanges, welcher Anfang bey (cc) von dem Alt, doch weiter nicht nachgemachet wird, dagegen ein. Wenn bey (dd) nunmehr der Baß den ersten Satz nimmt: so lässet der Tenor bey (ee) und (gg) den Anfang des dritten Satzes kurz zweymahl hinter einander hören, währender Zeit der Diskant bey (ff) mit dem zweyten Satze ebenfals anfänget, aber mit einer aus dem ersten Satze entlehnten Melodie, und also vermittelst der Zergliederung eines Theiles desselben dagegen fortfähret, so wie es kurz vorher der Alt, nachdem er bey (cc) den Satz verkürzt eingeführet, es machte, und hiemit endigt sich der zweyte Theil der Fuge Der dritte Theil der Fuge wird, wie der vorhergehende, mit dem dritten Satze und zwar bey (hh) (ii) (kk) und (ll) woran die begleitende S 2 Grund-

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Grundstimme mit Theil nimmt, angehoben. Doch findet sich der Satz nirgends in seinem ganzen Umfange als im Tenor, indem die andern Stimmen ihn sogleich verlassen. Dafür aber lässet der Diskant, bevor der Tenor den dritten Satz ganz geendet, bey (mm) den ersten Satz eintreten. Die Modulation wird dabey geändert, indem die Molltone A und D zur Laufbahne der Harmonie gemachet werden, wie man theils hieraus, theils aus der Wiederhohlung der Sätze bey (nn) und (oo) und so weiter sehen kann. Wie solche bisher in Ansehung der Bewegung allezeit gegeneinander abgewechselt haben, wird demjenigen leichte einzusehen seyn, der die Erklärung des ersten Theils der Fuge mit Aufmerksamkeit übersehen hat. Der zweyte Satz wird hierauf ganz verlassen, um den ersten und dritten allein unter sich auszuarbeiten. Man siehet nunmehr eine enge Nachahmung des ersten Satzes zwischen dem Baß und Tenor bey (pp) und (qq), wogegen die obersten Simmen bey (rr) und (ss) das dritte Thema verkürzt anbringen. Eben dieses geschicht mit demselben bey (tt) und (uu) zwischen dem Baß und Tenor, währender Zeit der Diskant bey (vv) den ersten Satz durchnimmt. Wenn darauf der Tenor bey (ww) das dritte Thema anhebt: so wird dasselbe bey einem in der begleiten Grundstimme erfolgenden Point d'Orgue auf der liegenden Dominante des Haupttons, in welchen nunmehr die Modulation zurückegehet, undworaus der vierte und letzte Theil der Fuge erwächst, von den andern Stimmen beantwortet, wie man bey (rr) (yy) und(zz) siehet, jedoch nur zwischen dem Diskant und Basse in seinem Umfange durchgenomen. Diese anhaltende Cadenz aber wird wieder aufgehoben, sobald dieses dritte Thema bey (A) (B) und (C) zwischen den drey Oberstimmen auf eine andere Manier, das erste aber dagegen bey (D) eingeführet wird, um einem neuen Point d'Orgue über dem liegenden Haupttone Platz zu machen, wo denn das dritte

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dritte Thema bey (E) (F) (G) und (H) allein nocheinmahl auf eine andere Manier durchgeführet/ und alsdenn die Fuge geschlossen wird. Dieses ist das hauptsächlichste, was in Ansehung der Composition der Fuge an sich bemerket werden kann. Wie der Text unterleget sey, siehet man ohne Mühe ein. Man wird es nicht bereuen, wenn man sich diese Disposition zum Muster nimmt, und neue Sätze darnach ausarbeitet. Das sicherste und bequemste Mittel, sich eine baldige Geschicklichkeit zur Verfertigung einer Fuge zu erwerben, ist nemlich dieses: daß man zuförderst die Exempel der besten Contrapunctisten nachzumachen suchet, bevor man auf ein Gerathewohl aus freyem Kopfe etwas hinschreibet. ENDE.

G

3

Bey-

Beytrag zum

ersten Theile der

Abhandlung

zu pag. 114. (ß)

Von der Zergliederung und engen Nachahmung eines Satzes.

Alle einer engen Nachahmung fähigen Sätze lassen auch eine Zergliederung zu, nicht aber umgekehrt, zumahl wenn solche etwas lang sind. Man kann also die Nachahmung, wenn sie nicht gar zu frey und unvollständig seyn soll, nur entweder bey ganz kurzen Sätzen gebrauchen, oder man muß sich vermittelst des Canons solche Sätze erfinden, wobey sie angeht, indem nicht jeder Einfall, den man, ohne eine vorläuffige canonische Probe damit anzustellen, niederschreibt, dazu geschickt ist. Hat man also einen guten sangbaren Gedanken, der sich aber zu der engen Nachahmung nicht bequemen will, so zergliedre man solchen, und versuche mit den zerlegten Theilen desselben, was mit dem Ganzen nicht angeht. Wie dieses auf

o

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auf gar verschiedne Art geschehen könne, wird man aus dem bey Fig. 1. Tab LI. befindlichen Exempel zur Gnüge ersehen. Bey (a) findet man einen aus den fünf ersten Noten entsprungnen melodischen Gang, der so weit, wie man es gut befindet, fortgesetzet werden kann. Bey (b) veranlasset dieser Gang eine zweystimmige canonische Nachahmung, die eine Verkehrung ad Octavam zuläßt. Die Gänge bey (c) (d) und (e) entstehen aus den zwey lezten Tacten des Hauptsatzes, und bey (f) werden die vier letzten Noten desselben in einer engen canonischen Nachahmung durchgeführet. Die Veränderung bey (g) entspringet wieder aus dem Anfang, und ist in einer galanten Fuge vortreflich. Bey (h) und (i) gründen sich die Oberstimmen auf den Anfang, und ist denselben im Basse eine aus dem lezten Theile des Satzes entspringende Melodie entgegengesetzet. Bey (k) findet sich eine ordentliche enge Nachahmung des ganzen Satzes zwischen der oberstcn und tiefsten Stimme, und die mittelste zergliedert denselben dagegen. Die Figur bey (l) entstehet aus dem zweyten Tact, und die bey (m) aus den lezten Noten desselben und der Hälfte des folgenden, und kann auf diese Art noch weiter canonisch fortgeführet werden. Bey (n) ist eine mit der engen Nachahmung verbundne Zergliederung der mittelsten Theile des Hauptsatzes. Bey (o) werden wieder zwey Theile mit einander verbunden. Bey (p) machen die obersten Stimmen eine freye Nachahmung in der Gegenbewegung über den schon bekannten Gang, und der Baß dazu entsteht aus derVergrösserung, da die anhebenden Achttheile zu Viertheilen gemachet, aber dabey in andere Tacttheile versetzet werden. Bey (q) ist der ganze Hauptsatz im Basse, die Oberstimmen aber nehmen nur einen Theildavon, und arbeiten ihn unter sich durch. Bey

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o

Bey (r) findet sich der schon bekannte Gang vierstimmig in entgegen gesetzter Bewegung. Bey (s) nimmt der Baß den lezren Theil des Satzes in der Gegenbewegung; die oberste Stimme modulirt dagegen nach Anleitung der Anfangsnoten des Satzes, und die mittelste nimmt ihre Melodie aus der lezten Hälfte des zweyten Tactes her. Die canonische Nachahmung bey (r) entspringet aus dem dritten Tact. Bey (u) hat der Baß den Satz wieder ganz, und die Gegenharmonien in den obersten Stimmen entspringen aus den verschiednen Theilen desselben. Bey (r) giebt der dritte Tact und die Hälfte des vorhergehenden die Materie zur Zergliederung her. Der Contrapunct ad Octavam komt dabey in Betracht, in welchem die eine Hälfte dieser Figur gegen die andere steht. Die Zerfällung bey (y) ist über den schon öfters gewesenen Gang aus dem zweyten und dritten Tact, und die bey (z) entspringet ebenfals daraus. Nach diesem Exempel in der Zergliederung sehe man das Tab. LII. und den folgenden beyden Tabellen befindliche Exempel in der engen Nachah­ mung an. Man wird solches in allerley Entfernungen und Intervallen, in der widrigen und vermischten Bewegung, in Arsi und Thesi, in allerhand Arten der Verkleinerung u.s.w. zusammengebracht finden. Wenn verschiedne Figuren darunter etwas leer sind: so sind solche auch nicht dazu gemacht, daß sie so schlechtweg zweystimmig ausgeübet werden sollen. Man zeiget nur hier die Möglichkeit der verschiednen Arten der engen Nachahmung an einem Satze, und da können diejenigen, die zweystimmig nicht allein klingen würden, durch den Zusatz einer oder mehrerer Nebenstimmen, drey- oder vierstimmig gemachet werden. Man kann nach Anleitung dieser beyden Exempel sein Glück an andern Sätzen versuchen. Zu

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Zu

Zu

pag. 134.

den in der Folge daselbst angeführten und zergliederten zweystimmigen Doppelfugen, kann man die in diesem zweyten Theile Tab. LIX. und LX. befindliche, annoch deswegen hinzuthun, weil die zwey Hauptsätze darinnen noch auf andere Art, als dorten, gehandhabet worden sind, wie man aus folgenden Anmerkungen darüber sehen wird. Nachdem der Baß das bey (a) angehobne erste Thema vollendet, und der Diskant solches bey (b) ergriffen: so tritt bey(c) im Basse das zweyte Thema ein, welches, wie es derAugenschein giebet, in solchen Intervallen gegen das erste fortgehet, daß es nicht nur eine Verkehrung ad Octavam, sondern auch ad Duodecimam zulassen kann. Hier sollte nun sogleich der Beweiß vermittelst der Verwechselung der Sätze in den Stimmen erfolgen. So aber wird zuförderst bey (d) und (e) ein Zwischensatz, und bey (f)und (g) eine aus dem ersten Themate vermittelst der Zergliederung gezogne Melodie in einer canonischen Nachahmung in der Octave eingeführet, und nachdem dieser Canon bey (h) und (i) in eine andere Tonart versetzet, und demselben ein kleiner Anhang zugefüget worden, um die Harmonie in A moll zurückzuführen: so lassen sich bey (k) und (l) die beyden Sätze wiederum, aber noch einmahl in ihrer vorigen Stellung, doch kurz darauf bey (m) und (n) in der Evolution ad Octavam hören. Dieser Wiederhohlung der Fuge folget bey (o) und (p) ein aus der Melodie der beyden Sätze gezogner Canon in der Unterquinte, welcher bey (q) und (r) mit der Einführung ad Octavam der bey (d) und (e) gedachten Zwischensätze abgelöset wird, worauf bey (s) und (t) (u) und (v) der vorher bey (f) (g) (h) und (i) bemeldte Canon, und zwar ebenfals ad Octa­ vam, in einer versetzten Tonart zum Vorschein kömmt. Abh. von der Fuge. II. Theil. T Nun

146 Nun tritt bey (w) wieder das erste Thema ein. Anstatt aber von seinem Gegensatze begleitet zu werden, bekommt er einen Theil von den schon zweymahl angeführten Zwischensätzen bey (r) zur Harmonie, woraus man sehen kann, daß diese Zwischensätze nicht von ungefähr in die Fuge gerathen, indem sie dergestalt beschaffen sind, daß, wiewohl sie nur blosse Nebengedanken ausmachen sie mit den Hauptgedanken dennoch verbunden werden können. Sobald nach diesem der Baß bey (y) den ersten Satz wieder angehoben: sofolget ihm der Diskant ein Viertheil später und also in der engen Nachahmung bey (z) mit demselben nach. Da aber die Harmonie nicht erlaubet, das ganze Thema auf diese Art zu vollführen: so lässet der Diskant eine einzige Achttheilnote davon fahren, um den übrigen Theil noch enger zu fassen. Dieses geschicht bey (bb) aus welchem Verfahren ein Canon per Thesin et Arsin und zwar um ein Achttheil später entstehet, wie man aus der Vergleichung des Basses bey (aa) mit dem Diskant bey (bb) sehen kann. Bey (cc) und (dd) ist die aufeinander folgende widrige Bewegung desjenigen Theils des einen Satzes, womit der chromatische Theil des andern begleitet wird, zu merken. So wie vorher bey (w) und (x) das erste Thema mit einem Zwischensatze verbunden wurde: so geschicht dieses anitzo bey (ee) und (ff) mit dem zweyten Themate, und noch einmahl sogleich darauf bey (gg) und (hh) mit verwechselten Stimmen, indem die Sätze ad Quartam oder Undecimam zu stehen kommen. Bey (ii) und (kk) werden darauf die beyden Hauptsätze, (wiewohl der erste Theil des ersten bey (ii) weggeblieben) wiederum vereinet, und bey

)

(

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bey (ll) und (mm) noch einmahl, und zwar ganz. Hier an diesem lezten Orte stehn sie nunmehr ad Duodecimam, indem die Terzen wieder zu Terzen und nicht zu Sexten werden, als es an den andern Oertern geschahe, wo die Sätze ad Octavam standen. Wenn sich nun die beyden Themata noch einmahl in ihrem ganzen Umfange bey (nn) und (oo) hören lassen: so kommt bey (pp) und (qq) der schon oben angeführte Canon in der engen Nachahmung, wiewohl in einer andern Tonart, nochmahls zum Vorschein, und noch einmahl bey (rr) und (ff) jedoch ad Octavam. So wie dieser Canon aus dem ersten Satze entsprungen: so entstehet bey (tt) und (uu) ein neuer aus dem zweyten Satze, und wird solcher unmittelbar darauf bey (ww) und (rr) ad Octavam versetzet, worauf nach einer verkürzten engen Nachahmung des ersten Satzes bey (yy) und (zz) dieses Duo geendigt wird.

Register

w

Register über beyde Theile derAbhandung. Die römischen Zahlen I. und II. deuten den Theil, die deutschen die Seite an. A. Abkürzen, den Gesang in einem Gefährten. I. 34 Accord, tonische Hülfsaccorde, was man so nennet. I. 103 Aeolische, unteraeolische Tonart. I. 59.60. Exempel daraus 63 Altclausel, was sie ist. I. 106 Ambrosius, mayländischer Bischof, ordnet de» Choralgesang.I. 63 Anhang, was bey einem Canon so heisset. II. 106 Arsis und Thesis, f. Tacttheil. Aufgaben nach den alten Tonarten. I. 7a Ausweichung in andere Töne. s. Tonwechselung. Authentische Tonart. I. 58 fqq. B. Bach. II. 23. 35. 37. 123. I. 94 130. 133

Baßclausel. I. 106 Battiferri. I. 132 le Begue. 1. 64 Bendinelli. II. 59 desselben Zirkelcanon durch die Töne. II. 104 Berardi. II. 23.71.120 Bernhardi. II. 4 Bewegung, die melodische und harmonische ihr Unterschied. I. 4.5 — die harmonische wird unterschieden in die ähnliche, unähnliehe und Seitenbewegung. I. 4.5 — die melodische wird unterschieden in die in der ähnlichen und unähnlichen Bewegung. I. 5 — die in der unähnlichen Bewegung ist wieder frey oder strenge. I. 5' 6 — welche freye Gegenbewegungen diegewöhnlichsten. II. 27 — einen Satz aller vier Bewegungen fähig zu machen. II. 43.45 Boivin. I. 64 Bombardo. I. 154 Bonon-

Register. Bononcini. II. 4. 60. 135. kannte den doppelten Contrapunct in der Secunde oder None nicht. I. 162. r6z

Canon, Zirkelcanon durch die Töne. II. 59. 101 — eigentlicher und uneigentlicher. II. 61 — freyer und gebundener. ibid. — vergrösserter und verkleinerC. ter. II. 62. 105 — in der widrigen Bewegung. Cadenz. s Tonschluß, ingleichen. II. 63 64. 93 point d`orgue. — rückgängiger. II. 63. 64. 110 Canon, die davon im ersten Theile — wie der rückgängige in der pag. 145. und 146. angeführ­ ähnlichen Bewegung aus einer ten Exempel sind alle im andern Zeile gesungen werde. II. 65. III. r Theile aufgelöset zu finden. — rückgängiger in der Gegenbe­ — darnach wurde vordessen ein wegung, wie er aus einer Zeile Studiosus der Setzkunst auf gesungen werde. II. 113. 114 die Probe gestellet. II. 51 — rückgängiger Doppelcanon. — was er ist. II. 52 II. 115 kann zwey - drey- vier- und — mit einem vesten Gesange. II. mehrstimmig seyn. ibid. 66.120 — einfacher und doppelter. II. 53. — mit einer Begleitungsstimme. *15 II. 67.120 — ofner und geschloßner. II. 53 — im vermischten Tacttheile. II. 67. — Rätzelcanon. II. 54.124. sqq. 93 — in der unterbrochnen Nach— die Überschrift eines Canons, ahmung. II. 68.93 woraus sie besteht.II. 54 — der eine Terzenweise mitlauf— wurde sonst eine figa in confende Stimme zulässet. II. 68. 118 sequenza genennet. II. 57 — mit gleichen und ungleichen — im Einklange, in der Secunde, Intervallen. II. 69.97.98 Terz, Quarte, Quinte, Sexte, II. 57 58.92 — polymorphischer. II. 71 feqq. Septime, Octave, — ein besonderer polymorphi, — ein endlicher und unendlicher scher über die Tonleiter, wobey Canon. II. 58. 59. 92 T 3 alle

Register. alle nur mögliche Arten der Nachahmung und Bewegung angebracht werden. II. 82 Canon, ist nicht so schwer zu verfertigen, als man insgemein glaubet. II. 37 — im Einklange mit verschiedenen Sätzen oder Gliedern, wie er zu verfertigen. II. 89 — in der Octave allein mit verschiednen Sätzen oder Glie­ dern. II. 91 — im Einklange mit einem Satze.II. 92 — in der Octave mit einem Satze. U. 92 — in der Secunde,Terz, Quarte, Quinte, Sexte und Septime, wie er zu verfertigen. II. 92 fqq. — vom Singcanon. II. 135 — verhilft zu Einfällen. II. 135 — wie aus einem drey- und vierdoppelten Contrapunct ein Canon zu machen. 11. 8. 20 — wie ein Rätzelcanon aufzulösen. II. 124 Cantus. s. Gesang. Chromatische Fortschreitung. I. 74 — Fugensätze, ibid. sqq. — den Gefährten in chromatischen Sätzen einzurichten. I. 75 Clausula. s. Tonschluß.

Caprice, was man darunter versteht. I. 18.19 Coda, was bey einem Canon so heißet. II. t 106 Comes. s. Gefährte. Contranotiren von contrapunctiren unterschieden. I. 154 Contrapunct, ist zwey, drey- vier, und mehrstimmig. I. 153 — gleicher ). I. 154 — ungleicher) — hyper-) . — hypo- ) batos - I. 154 — schlechter) — bunter ) I. 155 — zusammengesetzter. I. 155 — gerader ) — ungerader) I. 155 — hüpfender) — in der gedritten Bewegung.I. 156 — syncopirter und zwar gebundener I. 156 — punctirter. I. 156 — hinkender. I. 156 — freyer. I. 157 — verbundner. I. 157 — fugirter. I. 157 — dichter. I. 158 — strenger. I. 158 — einfacher ) 160 (a ) doppelter) I. — sieben Gattungen des doppelten Contrapuncts. I. 161 sqq. Con-

Register. Contrapunct, doppelter, in der Octave. I. 164 — — in der None oder Secunde. I. — 170 — — in der Decime oder Terz. I. — 177 — — in der Undecime oder Quarte. I. — 132 — — in der Duodecime oder Quinte. I. — 185 — — in der Decima Tertia oder Sexte. I. — 188 — — in der Decima Quarta oder Septime. I. — 191 — — daß es doppelte Contra­ puncte von mehr als zwey, drey, und vier Stimmen gebe. II. 2 (ß) — dreydoppelter, was er ist. II. — 5 — — — zweyerley Gattun­ gen desselben. II. — 5 — — — in der Octave. II. 6 — — — leidet sechs Ver­ setzungen. II. — 6 — — — wie ein Canon dar­ aus zu machen. II. — 8 — — — kann mit einer Nebenstimme ausgearbeitet werden. II. — — 8 — — — vermischter. II.9.bis 16 (γ) vierdoppelter, was er ist. II. 16 —- — — zweyerley Gattun­ gen desselben. II. — 17

Contrapunct, vierdoppelter in der Octave. II. — 17 leidet vier u. zwanzig Versetzun­ gen. II. — 17 — — — wie ein Canon dar­ aus zu machen. II. — 20 — — —kann mit einer Ne­ benstimme ausgearbeitet werden, ib. — — — vermischter. II.21.b. 26. (d) doppelt verkehrter, was er ist. II.26. I.161. — — behält seineIntervallen in der freyen u. streng.Gegenbew.U. 28 — — zweistimmiger in der Gegenbewegung. II. — 29 — — doppelter in der Gegenbewegung, wo die Stimmen nicht verkehret werden, II. 32.53. — — dreistimmiger, in der Gegenbewegung. II. — 33 — —vierstimmiger, in der Gegenbewegung. II. 36. (e) rückgängiger, II. 38 — — einfach- und doppelt-rück­ gängiger. ibid. ingleichen I. 161 — — in der ähnlichen und un­ ähnlichen Bewegung. II. 38 — — der einfache rückgängige, zwey- drey und vierstimmig. II. 40 — — der doppelt rückgängige, in der ähnlichen Bewegung, zwey-drey, und vierstimmig. II. 41 — — der doppelt rückgange in

Register. in der Gegenbewegung, zweydrey- und vierstimmig.II. 42. I.161 — — wie derselbe aller vier Bewegungen und bey jeder der Verkehrung ad Octavam fähig werden könne. II. 4z — ist nicht dem Geschmacke unter worfen. II. — 30 — einen Satz in verschiedm Contrapuncte aufzulösen.II. 45 — derjenige,der aus einem Duo ein Trio oder Quattuormacht, ist ein Abstract von allen sieben Gattungen des doppelten Contrapuncts. II. — 49.50 — man sehe davon aber besonders nach den Contrapunct in der Octave, Decime und Duodecime. I. 168. 179. u. 187 — pedantische Contrapuncte.s. die Vorrede des I. Theiles. Seite. III. und IV. D. Dandrieu. I. — 64 Dangleberr.I. — 19 Diatonische Fortschreitung. I. 73 Diskantclausel.I. — 106 Dominante, wenn solche mit der Secunda Toni im Gefährten beantwortet werden kann. I. 88. Tab.XXVI.Fig. II. Doppelfuge, f Fuge, was die

Alten alles zur Doppelfuge gerechnet haben. I. — 121 Doppelcanon, f. Canon. Doppelter, dreydoppelter Contrapunct f. Contrapunct. Dorische, und unter Dorische Tonart. I. — 59 — Exempel daraus. I. 65 — wird von vielen mit Unrecht mit D mollvermischt.I. 65 Duo, ein gutes wird vorzüglich geachtet. I. — 128 f. Fuge. it. Telemann. — eines, welches nach drey Contrapuncten verfertiget ist, zergliedert. II. — 145 Dur, f. Führer. E. Eberlin. I. — 64 Enharmonische Fortschreitung. I. — — 73 Epidiapente, Epidiatessaron, Epiditonus, Epidiapason.I. 3. 4 Erweitern, den Gesang im Gefährten was es ist. I. — 34 F. Falso bordone, faux bourdon, zwiefache Bedeutung dieses Wortes. I. — 154 Fasch, II. — 94 Fictus modus, s. Tonart. Fort-

Register. Fortschreitung der Intervallen dreyerley,diatonisch, chromatisch, und enharmonisch. I. 73. 74 Freyheiten, in der contrapunctischen Schreibartwerden entschuldigt. II. — 3. 4 Frescobaldi. I. — 19.155 Froberger.I. — 19 Fuge, wird eingetheilet in die pe­ riodische und canonische.I. 16 — periodische, was sie ist. I. 11 — canonische, was sie ist. I. 10 — wird unterschieden in zweydrey- vier- und mehrstimmige Fugen. I. — — 17 — wird von Fugare und Fugere hergeleitet. I. — 17 — wird in keine gewisse Clauseln getheilet,wie andere musikalische — 17 Stücke.1. — wird in sechs Classen unterschieden. I. — 21 — die so genannte Quintenfuge die beste unter allen. I. 22. 24 —- zergliederte zweystimmige Doppelfugen.I. 136. ingleichm II. — — 145 — — — dreystimmige Doppelfuge. I. — 141 — — — — eine andere für zwey Violinen und einen Baß. I. — 143 — — — eine Singfuge mit drey Subjecten, welche zu-

zugleich eineGegenfuge ist, mit fünf Stlmmen. Ii. — 136 — eigentliche u. uneigentliche. I. — — 18 — fünf Stücke bey derselben zu beobachten. i. — 17 — freye und strenge. I. — 19 — einfache und doppelte. I. 20.21 — warum man nur insgemein zwey, aufs höchste drey oder vier Themata zu einer Fuge nimmt. II. — 3 — warum esgut ist,eineStimme mehr zur Fuge zu nehmen, als Thematadarinnen sind. II. 3 — Seeunden- Terzen- Quarten Quinten- Sexten. Septimenu. Octavenfuge. I. 21. 22. §.18. u. 19 — die in der ähnlichen und unahnlichen Bewegung.I. 22. 25.§.20 — die vergrösserte und verkleinerte. I. — 22.25. §.21. — die im vermischten Tactheile. 1. — 22.25. §22 — die in der unterbrochnen Nachahmung. i. 22.25. §.23. — Vermischte Fuge. I. 22. 26. §. 24 — («) einfache.Regeln dazu. 1. — — 121 — (ß) doppelte, worunter die Fugen mit zwey, drey, vier-, mehrern Subjecten gehören, Regeln dazu. I. — 131 U Fu-

Register. Fuge, allgemeine Regeln zur Führer, waser ist. I. — 17 Verfertigung einer Fuge. I. 113 — — die Beschaffenheit dessel­ — canonische Doppelfuge. I. 140 ben. I. — — 27 — Fuga reditta, was man dar­ s. Schluß. unter verstehet. I. — 20 Fux, eine canonische Messe von ihm. 11. i l 7. wird bey Gelegen— composita. * — incomposita. I. _ heit eines Fugensatzes ange26 — authentica. ' führt. I. — — 90 — plagalis. J — contraria und inuersa ihr G. Unterscheid. I. — 130 Gebel hat einen Canon verferti— eine zweystimmige, die nach get, womit er sehr rahr thut. II. 59 drey Contrapuncten gemacht, Gefährte, was er ist.I. 18 zergliedert. II. — 145 — wie er eingerichtet werden — Singfuge, ohne obligate muß. I. — 3* Spielstimmen. II. 128. §.2.3.4.5 — beruht auf zweyGrundsätzen. — — mit obligaten SpielstimI. — — 33.34 men. II. — 129. §.6.7 f. Schluß. — warum die Prose sich besser Gegenbewegung. s. Bewegung. als die Poesie dazu schicket. 11. 131 Gegenharmonie, was man so — — wie viele Themata die bey der Fuge nennet. I. 18 Singfuge haben soll.ll. 131 — Regeln dazu. I. — 147 — — eine zergliederte SingGegenfay, was so genennet fuge. II. — 136 wird. I. — — 21 Fugenjäy, wie er beschaffen seyn f. Führer, Gefährte, Fugensatz. soll. I. — — 27 Gesang, der gregorianische, am— chromatische Fugensätze.I. 73 brosianische. I. — 63 — nach den dm alten Tonarten. — vester Gesang.I. 153 I. — 56. ingleichen 70 — Canons über einen vesten Ge— vom Verfolgeeines Fugen­ sang. s. Canon. satzes. I. — 93. 113 — im Gefährten erweitern, abf. Führer, Gefährte, Zergliederung, kürzen. I. — 34 enge Nachahmung, Verkürzung. Graupner, II. 94. I. 17 Gre-

Register. Gregorms, der Grosse, Pabst, verbesserte den Choralgesang. I. — —

63

Kircher. II. 73. 76. I. 59. in der Note. it. 162. Knoten, derSalomonische, ein gewisser Canon. II. — 76 Kreising. 1. — — 23 Ruhnau. I. — 133

H. Händel, l. — 20.76.91 Hauprsiimmen,der Composition. I. 2 ^emichen. II. — — 45 L. Heptachordum, hexachordum. I. 3 Labyrinth. s. Irrgarten. Hyper — und hypoditonus — diaL.ydisthe und unterlydische Tonpafon — diatejsaron — diaart. I. — — 59 67 pente. I. . — — 3. 4 — Exempel daraus. M. I. Imitatio. s. Nachahmung. von Mattheson. II. 99. I. 28. l.17. Ionische und unterionischeTon41.67.116 art.l. 59. Exempel daraus. 69 Michael Romanus, hat einen Irrgarten,ein gewisser so genann­ pelymorphischen Canon geter Canon. II. — 76 macht. II. — — 71 — muß nicht mit derjenigen Mi gegen fa. I. — 40 pedantischen Composition verMyrolydische und untermiromenget werden, wovon in der lidische Tonart. I. — 59 Vorrede zum I. Theile Seite — Exempel daraus. 63 III. gesprochen wird. Modulation. s. Tonwechselung. Modus, s. Tonart, it. dorische, K. phryg. lyd. mixol. aeol. und Reitleber, ein Wittenbergischer ionische Tonart. Magister, hat polymorphische Motus, s. Bewegung. Canonsgemacht. II. 71 Motette, was eigentlich darunKirchentöne, die achte. I. 63. 64 rer verstanden wird. II. 132 Kirchhof, I. — — 149 Muffat, I. — 64. 133 Klanggeschlecht.s.diatonische, N. enharmonischc und chromatiNachahmen,was es ist. I. 2 sche Fortschreitung. U 2 Nach-

Register. Nachahmen, acht Hauptgat­ Phrygische, wird von vielen tungen der Nachahmung mit E moll mit Unrecht verI. — — 2. 3 mischt. I. — 66 — die in der ähnlichen und unPlagalischeTonarten. I. 58. seqq. ähnlichen Bewegung. I. 5 Point d'Orgue, was es ist. 110 — die freye und strenge ver­ PolymorphischerCanon, s.Canon. kehrte. I. — — 5 — die rückgängige. I. 7 R. — die verkehrte rückgängige. I. 7 Rameau. I. — 111 — die vergrösserte und verkleiRätzelcanon. s. Canon. nerte. 1. — — 7 Reductiomodi, was sie ist.I. 62 — die doppelt vergrösserte und verkleinerte. I. — 8 Repercussio.s. Wiederschlag. Ricertata oder Ricercare, was — die unterbrochne. I. 8 man darunter versteht. I. 20 — die im widrigen Tactheile.I. 8 Romanus Michael hat einen — die contrapunctische. I. 9 polymorphischen Canon ge— — die periodische, canoni­ macht. 11. — 71 sche. I. — — 10 — Exempel dreystimmiger Nach­ S. ahmungen. I. — 11 — — vierstimmige Nachah­ Salomonischer Knoten, ein mungen. I. — 15 gewisser Canon. II. — 76 — enge, was sie ist. I. 15 Satz. s. Fugensatz, Gefährte, — Exemp. einer engen Nachahm. Führer, Schluß. II. 144. I.15. 115. Tab. XXXI. Scacchi Marco. II. — 28 Fig.13. pag.116. Tab.XXXII. Scheibe.II. 132. I. 19 Fig.I. pag. 119. Tab.XXXIII. Scheinschluß. I. — 112 Fig. 6. pag 138. Tab. XL. Schluß eines Fugensatzes mit it.Tab. lX. Fig. 2. (a) der Secunde des Haupttons. I.52. Tab.X V. P. Fig. 14. ingleichen 91. Tab. Pebusch. II. — — 94 XXV111. Fig. 7. ingleichen Phrygische u. unterphrygische Fig. 5. 6. Tonart. I.59. Exempel daraus. 66 (ß) auf

Register. (2) aufder Sexte des Hauptons. 1.91. Tab.XXVIII. Fig. 8. ingleichen 92. Tab. XXVIll.Fig.9. (?) auf der Quarte. I. 89 Tab. XXVII. Fig. 7. (d) auf der Terz der Dominante. I. 92. 93.Tab. XXV11I. Fig. 10. 11. 12. (-) auf derTerz des Haupttons. I. 92. Tab.XXVIU. Fig, 9. () aufder Septime, nemlich dem unterhalbenton derHauptsaite.I.92 Tab.XXVIII. Fig.ir. (1) mir einer unvollkommnen Cadenz. I. 84.35.87.52. Tab. XXV. Fig. 6.8. ingl. Tab. XXVI. Fig.7. it.Tab.XXll.Fig.i. it.Tab. XV. Fig.14. Schlußclausel, s.Tonschluß. Schlüssel, werden in gewissen contrap. und canon. Compositionen verkehrt geschrieben. II. — 29.30.111.113 Sellius Thomas, dem wird mit Unrecht ein gewisser polymorphischer Canon zugeeignet.il. 72 Serpent. ein Instrument. I. 154 Sexte, Exempel eines Fugensatzes der mit der Sexta Toni anhebt und mit der Secunde des Haupttons beantwortet wer­ den kann.I. 53. Tab. XVll. Fig. 2.

Singfuge. s. Fuge. Singcanon. s Canon. Spieß, Prior.1. — 72 Steffani. II. — 135 Stimme, die vier Hauptstimen — 2 der Composition. 1. Stölzel. 11.4.71. ein polymorphischer Canon von ihm. 77 99. Sylbendehnung in Singfugen. 11. 133.134 Sylbenverschluckungen,Zusammenziehungen u.Trennungen in Singsachen. II. 132.133 Tacttheile u. Tactglieder werden in gute und schlimme unterschieden. I. — 8. 9 Telemann, desselben Canons Melodieux oder Vl. Sonates canoniques en Duower­ den angepriesen. 11. — 94 106 Tenorclausel.1. — Text zur Singfuge, besser prosaisch als poetisch. II. IZI — öfters werden zwererley Texte verbunden.11 IZ2 — soll nicht mit Gewalt unter die Noten gezwungen werden. II. 134 Theile.11.4.71. I. 121. Thema, s. Fugensatz, Führer, Gefährte, Schluß, engeNach, ahmung, Zergliederung, Verkürzung. U 3 Thesis

Register. Thesis und Arsis. f Tacttheile. Tonarten der Alten. i. 56 — werdenin Haupt- und Ne­ bentonarten adgetheilet. I. 58 — vermischte. I. — 61 — verwandte. — ibid. — eigentliche, ), 62 I. — uneigentliche) — übermäßige. — ibid. — unvollständige), I. 63 — anomalische ) — Aufgaben nach den alten Tonarten. I. — 70 — Fugensätze aus den alten Tonarten. I. — 56 — die Alten haben 144. Tonarten gegen die 24. der Neuern. I. — — 62 — die authentischen und plagalischen. I. — 59.60 Tonschluß. I. — 105 — der vollkomme. — ibid. — der unvollkommne. I. 110 — der unterbrochne. I. 112 — der anhaltende.I. 110 — umgekehrter. I. 106 — — wie die Tonschlüsse von den Alten eingetheilet wurden I. — — 108 — unnütze Eintheilung derselben.l. — 109 — schlechter) I. I. _ 9 — zierlicher)

Tonwechselung. i. 99 — analogische. I. 99.100 — anomalische. I. 99.102 — enharmonische. I. 103 — nach den alten Tonarten.I. 104 — eigentliche und uneigentliche. I. — 100.101 — ordentliche und ausseror­ dentliche. I. — 101 — nähere«, entferntere.1. 102,103 u. Ueberaeolische und überphrygische Tonart. I. Ueberschlagung einer Stuffe im Gefährten. I. Unterdorische, u. unteraeol. Tonarten. I. —

60 34 60

V. Valentinus. — Petr. Franc hat einen polymorph, Canon gemacht. II. 71 — hat über einen Canon ein gantzes Buch geschrieben. II. 76 Verdoppelung einer Stuffe im Gefährten. I. — 34 Verkürzung eines Fugensatzes und Exempel davon. I. 114.115 s. enge Nachahmung, u. Zer­ gliederung. Versetzen, von wiederhohlen u. nachahmen unterschieden. I. 1.2 Ver-

Register. Versetzung. Der dreydoppelte Contrapunct in der Octave hat sechs, und der vierdoppelte von dieser Art hat vier und zwanzig Versetzungen. 11. 6. u. 17 VersetzungsTafel eines Fugensatzes in einer vierstimmigen Fuge. I. — 97 Versetzungszeichen zufällige, woher sie entstehen. 1. 110 W. Werkmeister II. — 60 Wiederhohlen von versetzen u. nachahmen unterschieden. I. 1.2

Niederschlag, repercussio, was man darunter verstehet.I. 18 Regeln dazu. I. 93. fqq. Z. Zergliederung eines Fugensatzes, und Exempel davon. I. 115.fqq. und II. 142. I. 118. Tab. XXXIII. Fig. I. Fig.4. Zergliederung oder Analysis von Fugen, s. Fuge. Zirkelcanon, s. Canon. Zwischenharmonie, wasman so bey der Fuge heißt. I. 13 — die Regeln derselben. 1. 151

Druck-

Druck- und Stichfehler (a) im ersten Theile. Seite.V. Zeile 11. im Vorbericht anstatt Bescheinigung lese man Beschönigung. — VIII. — 15. im Vorbericht anstatt Martina ließ Marco. — XII. — füge man bey dem Nahmen Grieß hinzu: aus dem Boileau. — XIV.— 16. ließ: so wohl im Drucke als: anstatt so wohl im Drucke und. — 14. — 5. von oben inder Abhandl. anstatt in der Octave lese man in Quinte. der — 33. 3. Zeile 6. ließ im Aufsteigen c d. e. f. g. anstat im Absteigen. — 52. — 5. von oben ließ vierten anstatt siebenten— 70. — 6. von oben ließ den Intervallen des Führers ähnlich gemacht sind, anstatt den Intervallen des Gefährten ähnlich gemacher sind. — 70. — 16. von unten ließ der Kreuze anstatt d Kreuze. — 94. — 2. von unten ließ andern anstatt anhebenden. — 117, ganz unten: hintergenug seyn: so wohl besond.als mit einem Gegensatzefindet man dieses Matthesonische Exemp.auf der T. XL. annochvom Battiferriausgearbeitet — 145. — 4. von oben ließ Mitrelstimme anstatt Oberstimme. — 158. — 3. anstattcanon. Fuge im Einklange ließ: canon. Fuge in der Octave. — 166. — 11. von unten bey No.2. ließ zur Quarte wird anstatt zurTerzr wird. — 180. bey dem ersten Exempel füge man nach Tab. LVII. hinzu: Fig 3. — 187. — 5. und 6. ließ Dissonanz in derselben, anstatt Dissonanz derselben. Tab. Xlll. Fig. 1. muß das Tenorzeichen in den Altschlüssel verändert werden. Tab. XIV. Fig. 1. in dem vierten mit dem Altschlüssel bezeichneten Liniensystem, im dritten Tacte daselbst, oder im zehnten Tact des Exempels von vorne angerechnet, verändere man die vier Sechzehntheile d. c.h. g. in d. h. a. g. um sie den vier Sechzehntheilen g. e d. c. im Führer ähnlich zu machen. Tab. XXX V. im zweyten mit dem Altschlüssel bezeichneten System von oben, im ersten Tact, verwandle man die runde Note g durch Hinzufügung eines Striches in eine Zweyviertheil- oder halbe Note. Tab. LIV. Fig. 1. im obersten System Tact 4. müssen die beyden lezten Noten h. c. noch einmahl gestrichen und also zu Sechzehntheilen gemachet werden. Tab. LVI. Fig. 1. im siebenten Tacte des Basses, wo die Ziefer 6. auf dem g stehet; ingleichen Fig. 6. im Basse, wo die Ziefer 7. steht; ingleichen Fig. 7. zum Anfange des Alts, wo die 6. auf die 5.folget, müssen alle diese Ziefern etwas vorwärts gerücket und um ein Virtheil eher gesetzet werden. Tab. LVII. bey der Evolution der Fig. 1. muß vor dem a im Basse eine Pause von einem halben Schlage vorhergehen, und der bey dieser Note befindliche Punct daselbst weggenommen und hinter den Tactstrich gesetzet werden. Tab. LXl. Fig. 11. muß die zweyte Stimme den GSchlüssel auf der zweyten Linie vorgezeichnet haben. In der Evolution dieser Figur im vierten Tacte der dritten mit dem Tenorschlüssel bezeichneten Stimme muß vor dem Achttheile h ein b stehen. (S) im

;

c

(ß) im zweyten Theile. Seite. 51. Zeile 13. von unten ließ ersetzten anstatt ersetzten. — 61. in der untersten Zeile ließ gebundne anstatt freye; oder gebundne, anstatt ungebundne, wenn man freye stehen lasset. —. 69. §. 17. Lin.2. nach vermischter Canon thue hinzu: oder ein Canon mit ungleichen Intervallen. Ferner Lin. 7. von unten nach nachfolgen thue man hinzu: heissen Canons mit gleichen Intervallen, und benennet man sie insbesondere nach dem Intervalle:c. — 101. Zeile 15. ließ den Stölzelischen anstatt der Stölzelischen. — 105. §. 2. ließ: Einen endlichen anstatt: Eiinen unendlichen. — 140. Lin. 9. von unten ließ begleitenden anstatt begleiten. Die übrigen Druck- und Stichfehler überlässet man der gütigenVerbesserung des Lesers. Sollten einige darunter von Erheblichkeit seyn: so wird man, demselben solche bey anderer Gelegenheit anzuzeigen, nicht unterlassen.

3.

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