500 Jahre Geschichte des Kammergerichts. Zum 500jährigen Jubelfeste des Gerichtshofes und zur Feier seines Einzuges in das neue Heim am Kleistpark [1 ed.]

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500 Jahre Geschichte des Kammergerichts. Zum 500jährigen Jubelfeste des Gerichtshofes und zur Feier seines Einzuges in das neue Heim am Kleistpark [1 ed.]

Table of contents :
500 Jahre Geschichte des Kammergerichts
Abbildung: Älteste Abbildung des Kollegienhauses in der Lindenstraße. (1735)
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preface
contents
I. Am Hoflager. Bis 1698
II. Im Kollegienhause in der Brüderstraße. 1698-1735
Abbildung: Raumverteilung des Kollegienhauses 1735. Untergeschoß
Abbildung: Raumverteilung des Kollegienhauses 1735. Obergeschoß
III. Mitbenutzung des Kollegienhauses auf der Friedrichstadt. 1735 bis 1879
IV. Im Alleinbesitz des Hauses. 1879 bis 1913
Abbildung: Das neue Kammergericht. Hauptfront
V. Anhang. Der Neubau
Personenverzeichnis
imprint
Abbildung: Das neue Kammergericht. Drittes Stockwerk
Abbildung: Das neue Kammergericht. Zweites Stockwerk
Abbildung: Das neue Kammergericht. Erstes Stockwerk
Abbildung: Das neue Kammergericht. Erdgeschoß

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Schriften des

Yereins für die Geschichte Berlins, Heft XLVIL

500 Jahre Geschichte des Kammergerichts. Zum 500 jährigen Iubelfeste des Gerichtshofes und zur Feier seines Einzuges in das neue Heim am Kleistpark, Non

Dr. jur. F. Zolßbe mit Anhang von Geh. Ober-Justizrat Fritsch.

Berlin 1913, Verlag des Vereins für die Geschichte Berlins.

Ju Vertrieb bei Ernst Siegfried Mittler und Sohn Königliche Hofbuchhandlung Kochstraße 68-71.

Alle Rechte aus dem Gesetze vom 19. Juni 1901 sowie

das Übersezung3recht sind vorbehalten.

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NIX

Borwortk. E& „Jas Kammergericht wollte den Tag, an dem es das seit Z- "4 178 Jahren benutzte Gebäude in der Lindenstraße verläßt, Zz

J umein neues, stattlicheres am Kleistpark zu beziehen, auch mit

AuS3gabe einer Festschrift feiern. Der am nächsten liegende Gedanke, eine urkundliche Geschichte des Gericht3hofes zu geben, verbot sich, da eine solche bereits in vier umfangreichen Bänden aus der Feder des

Kammergerichtsrat8s Dr. Holte (1890 bis 1904) vorhanden ist. Es erschien daher angezeigt, in knappster Form eine Schilderung davon zu geben, was der Gericht3hof in den mehr als 500 Jahren seines Bestehens für den Staat, die Mark Brandenburg und die Stadt Berlin bedeutet und für diese geleistet hat. Hierbei war ein Eingehen

auf die inneren Verhältnisse und auf die Persönlichkeiten der leitenden Männer geboten, während die Zuständigkeitsfragen und der innere Dienst nur zu streifen waren. Doch ist in den beigegebenen Noten auf die Quellen hingewiesen, aus denen das Gegebene geschöpft ist, und die zu weiteren Forschungen Anregung bieten können. Einen ganz besonderen Wert erhält die Festschrift durc< die angefügte Schilderung des neuen Heims8, die vom Dezernenten für den

Neubau gütigst beigesteuert ist. -

Die Festschrift will kulturelle Bilder aus der Geschichte des

Gericht8hofes bieten, der es verstanden, sein jezt verlassenes Heim zu einer historischen Stätte zu machen, und von nun an bestrebt sein

wird, auch sein neues zu einem unverrückbaren Tempel der Gerechtigkeit zu erheben.

Dazu gebe Gott seinen Segen!

Friedrich Holke.

Inhaltsübersicht. =.4 Setze

Borwortk

111

I. Am Hoflager. Bis 1698

.

1-81

Das „Gericht in des Herrn Kammer“ im Richtsteig des Landrechts S. 1. =- Gericht im Schlosse zu Tangermünde S. 2. = Friedrich 1. stärkt die landes8herrliche Gerichtsbarkeit in der Mark S. 4. =-- Hofgerichte und oberstes Hofgericht S. 7. = Fiskal-Prokurator am Kammergericht S. 8. =- Anfänge des

Hohenzollernschen Kammergerichts, Eindringen des römischen Rechts S. 9. =-- Reichskammergericht S. 10. -- Kammergerichts-

ordnung für Brandenburg S. 11. =-- Die LandeSsteilung von 1535 S. 15.

--

Die Kammergerichts-Reformation von 1540

S. 16. =- Vorsiz und Besetzung des Kammergerichts S. 19. =-

Die Zuständigkeit S. 20. =- Die Reformen von Distelmeier S. 21.

-- Kanzleiordnung

S. 27.

--

S. 25.

--

Märkisches

Gesetzbuch

Entwurf einer Kammergericht8ordnung S. 28.

=

Regelung des inneren Dienstes S. 33. =- Köppens neuer Entwurf S. 34. =- Stellung der Kammergerichtsräte S. 36. =- Stellung

der Advokaten und sonstigen Beamten des Gericht5hofes S. 38. =Parlamentarische Kämpfe unter Joachim Friedrich S. 39. = Landgerichtsordnung für die Altmark S. 42. =- Vorbereitung

des Absolutizmus durch die Wissenschaft S. 43. =- Versuche, ein Appellationsgericht einzuführen S.' 47. = Verlangen nach einer neuen Kammergericht3ordnung S. 48.

=- Der Berliner

Aufstand und die angedrohte Verlegung des Kammergerichts S. 49.

=-

Beeidigung

des

Kammergericht8 1619

S. 51.

=

Regelung des Dienstbetriebes S. 52. =- Störungen des Geschäfts8ganges während des Dreißigjährigen Krieges S. 54. = Retablissement seit 1641 S. 57. -- Der fammergerichtliche Bericht über die Indulte S. 59. =- Aufhängung des Kambyse3Bildes im Kammergerichte S. 61. = Vorbereitung einer neuen

Kammergericht8ordnung S. 62. S.

63.

-

Seine Ablehnung

=durch

Der Entwurf von Kohl die

Stände

S. 64.

--

Th. vy. dem Knesebeck wird Direktor des Kammergerichts S. 66. =

--

WW

--

Der Landtag von 1652 S. 67. -- Verlegung des Kammergericht3 in den Prinzenflügel de8 Sc, erster „Präsident“ des Kammergerichts S. 77. -- Streitige Zuständigkeit und sonstige Mängel am Kammergericht S. 79. -- Prüfung der Kammergerichtsräte S. 80.

IL. Im Kollegienhause in der Brüderstraße. 1698 bis 1735

82-115

Das8 neue Gebäude S. 82. -- Teilnahme de8 Kammergerichts am Krüönung3einzuge vom Mai 1701 S. 83. -- Stellung zum Ober-Appellations8gerichte S. 85. -- Vorbereitung einer neuen Kammergericht3ordnung S. 86. =- Die Kammergericht3ordnung vom 1. Mai 1709 S. 88. -- Mängel derselben S. 90. --

Vorschläge zur Beseitigung der Mängel S. 91. -- Eingreifen Friedrich Wilhelms 1. S. 94. -- Beschränkung der Advokatur und Einführung des Advokatenmantel8 S. 96. -- Die Kammergericht3räte in der Hofordnung S. 98. -- Projekte, das Kammergericht mit anderen Obergerichten zu verschmelzen S. 99. = Titularräte am Gericht8hofe S. 101. =-- Cammans3 Versuche,

den mündlichen Prozeß einzuführen S. 103. -- Hofnarr Gundling am Kammergerichte S. 105. =- Samuel v. Cocceji S. 107. =

Die Kammergerichtsordnung vom 16. April 1725 S. 108. --

Gründe zur Verlegung de8 Kammergericht3 in die Friedrichstadt S. 109.

--

Der Bauplaz

S. 111.

--

Die Bauausführung

S. 112. -- Der Umzug S. 113.

III. Mifbenußung des Kollegienhauses auf der Friedrichstadt. 1735. Hi5 1879,

.

Neue Klagen über verschleppte Justiz S. 116. =- Vergleich3-

Kommission am Kammergericht S.117.-=- Erstmalige Zuständigkeit in Strafsachen S. 119. -- Das3 Edikt vom 24. Februar 1739 S. 123. = Tod Friedrich Wilhelm3 1. S. 124. -- Rücknahme des Ediktes von 1739 S. 126. -- Vorbereitungen zur Neuordnung de8 Kammergerichts S. 127. -- Verbot der Aktenversendung S. 128. -- Verbot der Kommissionen :S. 129. --

Begünstigung der kurmärkischen Stände S. 130. -- Coccejis Reformversuche in Köslin und Stettin S. 133. =- Reform des Kammergerichts S. 135. =- Beseitigung der Prozeßreste S.138. -Neuer Etat und neue Besezung de3 Kammexrgericht3 S. 139. --

Die Neuschöpfung vom 20. Mai 1748 S. 141. -- Jhre Folgen für das Kammergericht S. 143. -- Verbindung mit dem Geheimen Justizrat und dem Ravensberger Tribunal S. 145. =-

116--223

-

VI

--

Scarfe Kontrolle S. 146. =- Tätigkeit während des Siebenjährigen Krieges und beim Retablissement S. 147. =- Jubelfest de8 Rate3 Schach v. Wittenau S. 150. -- Besuch des Prinzen von Preußen S. 151. -- Sieg des Kammergerichts im Prinzipienstreit S. 152. = Die Katastrophe vom 11. Dezember 1779 S. 153. -- Sieg des JInquisitionsprinzips S. 158. -- Wider-

stand des Kammergericht3 unter Rebeur S. 161. =- Neue Einrichtung des Kammergerichts S. 166. =- Die Fehde RebeurSuarez S. 168. -- Rehabilitierung der „verunglückten“ Räte

S. 170. -- Kronprinz Friedrich Wilhelm (TIT.) auf dem Kammergerichte und Kircheisens Rede über Machtsprühe S. 171. =

Verhalten des Kammergerichts in der Prozeßsache des Predigers Schulz S. 174. -- Das Kammergericht als „Parlament“ S.177. =

Protest des Gericht3hofe8 S. 178. =- Steter Wandel in der Zuständigkeit S. 181. -- Beeidigung auf Napoleon S. 183. --

Änderung des Gerichtskörpers S. 185. -- Aufhebung der Adel3bank S. 186. =-- Schärfere Scheidung zwischen Justiz und Verwaltung S. 187. = Erlangung der vom Konsistorium und vom Lehn3archiv benuzten Räume S. 188. -- Beteiligung an der Erhebung im Frühjahr 1813 S. 190. -- Neuordnung des Gerichtskörpers S. 191. = E. T. A. Hoffmann und die Demagogenverfolgungen S. 193. -- Absterben der Plenarsitzungen S. 200. =-

Da3 Schweigegebot von 1830 S. 202. -- Chef-Präsident v. Grolmann S. 203.

--

Neue Plenarsitzungen S. 204.

--

Staat3-

gericht3hof am Kammergerichte S. 205. =- Rücktritt v. Grolmanns S. 208. -- Präsident v. Strampff S. 209. =- Änderungen im

Verfahren S. 210.

=-

Sonderstellung des

Kammergerichts

S. 211. -- Revolution von 1848 S. 213. -- Appellationsgericht Berlin S. 214. -- Die Reaktion S. 217. = Wiedereinführung

des Staat3gericht8hofes S. 218. =-- Besuch de8 Kronprinzen Friedrich Wilhelm S. 220. -- Tod v. Strampff's S. 223.

IV. Im Alleinbesitß des Hauses. 1879 bis 1913

.

224--246

Beerbung des Ober-Tribunals S. 224. -- Die neue Zu-

ständigkeit S. 226. =

lassen. !?) Zur Durchführung dieses Tangermünder Landfriedens wurden alle Herren (die Landesbischöfe und der hohe Adel), Mannen (der übrige Adel) und die Städte verpflichtet, ihre weltlichen Gerichte ordentlich zu bestellen, damit jedem ohne Verzug sein Recht werde. Bei Durchführung dieses Landfriedens mußten die Sonderbündnisse der märkischen Städte überflüssig werden, aber, da man sich allenthalben im Lande auf Selbsthilfe seit Jahrzehnten eingerichtet hatte, kam alles darauf an, den Sinn für das Recht wieder zu beleben. Hier ging nun Friedrich, der es als Fürstenpflicht erachtete, das Recht zu stärken und das Unrecht zu kränken?) mit einem großartigen Beispiele voran. Er hatte erflärt, daß er dem frondierenden, von ihm bekämpften Adel

zu Rechte stehen werde; d. h. daß er die Frage, ob Felonie vorliege und daher das Lehn verwirkt sei, gerichtliher Entscheidung unterbreiten werde. Diese Felonieprozesse galten von jeher nicht als Strafprozesse, sondern als Zivilstreitigkeiten, die auch gegen die Erben des untreuen Vasallen verfolgt werden konnten. ECs- hätte nahe gelegen, wenn in diesen Prozessen Friedrich die Entscheidung Sigismunds, der ja rechtlich noch bis 1415 Markgraf von Brandenburg war, angerufen hätte, aber das hätte seiner Stellung im Lande geschadet und

den Eindruck erweckt, als seien doch noch nicht alle markgräflichen Rechte, vom leeren Titel abgesehen, auf ihn übergegangen. Nun gab es allerding3 in den einzelnen Landesteilen Hofrichter, d. h. mit der

Gericht3barkeit über die keinem Stadtgerichte unterworfenen Personen; vom Landesherrn früher erblich, damals nur noch auf Leben3zeit beliehene Beamte, die dem Hofgerichte vorsaßen, in dem dann einige adelige Mannen des Bezirks das Urteil fanden. Cin unabseßbarer

Richter als Vorsizender und Standesgenossen als Geschworene hätten nun sicherlich die Unparteilichkeit verbürgen können, aber es hätte sich kaum geziemt, daß der Lande3herr sich vor diesem etwas rustikalen Gerichte sein Recht geholt hätte; er konnte nur an seinem Hoflager zu Recht stehen. Als daher im Frühjahr 1414 Werner v. Holtendorsfs wegen Teilnahme an der Quißzowschen Fronde auf Verlust seines Lehnbesizes vom Landes3herrn verklagt wurde, ward der Edle Hans v. Torgow, dessen Herrschaft Zossen damals noch nicht der Mark ein1) G. W. v. Raumer, „Cod. Brandenb. cont.“ 1. 66.

Wenn Raumer diesen

Landfrieden in das Jahr 1415 setzt, so dürfte dies nicht zutreffend jein. Er ist offenbar (vgl. auch Riedel „Zehn Jahre“ S. 369) in das Jahr 1414 zu setzen. 2) Vgl. Vertrag mit den Herzögen von Mecklenburg vom 6. Zuni 1414 (Riedel nov. Cod. dipl. Brandenb. 2. Hpt., Bd. 3, S. 218).

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verleibt ward, zum Richter bestellt. Dieser ließ durch einige Adelige, die sich später unter den Beisißzern finden, den untreuen Vasallen auf den 14. Mai 1414 an das kurfürstliche Hoflager entbieten, wobei es

dem Geladenen überlassen blieb, sich nach dem Orte, wo es an jenem

Tage sein würde, zu erkundigen und dort entweder selbst oder dur< einen gehörig Bevollmächtigten zur Verantwortung zu erscheinen.?) Am 14. Mai bestellte nun Torgow ein Gericht von 12 adeligen Mannen, unter denen einige Nichtmärker und die mit der Zustellung beauftragt

gewesenen Personen erscheinen.?) Vor diesem Gerichte trat jeßt Friedrich persönlich als Kläger auf, v. Holzendorff war nicht erschienen, seine gehörige Ladung ward durch Zeugnis der damit beauftragt gewesenen Beisitzer festgestellt, worauf gegen den unentschuldigt Au3-

gebliebenen ein Versäumnisurteil auf Verlust der Lehnsgüter erging und gleichzeitig zur Einspruchseinlegung ein neuer Termin auf den 8. Juni 1414 vor dem Hoflager anberaumt wurde. In diesem

Termine, der nun reist war, stattfand, urteil dem Antrage entsprechend. Die

in Tangermünde, wohin Friedrich inzwischen geerging ein zweites nun rechtskräftiges Versäumnisdes hier ebenfalls persönlich auftretenden Fürsten Beisißer waren hier nicht dieselben wie im ersten

Termine, sondern es waren an die Stelle einige andere Personen

getreten. Das gefundene Urteil wurde al8bald vollstreckt. Wird auch dieses Urteil nicht als solche3 des Kammergerichts bezeichnet, so stellt es doch begrifflich ein solches dar, und man erkennt zugleich, daß sich das Versäumnis-Verfahren vor 500 Jahren ziemlich genau ebenso wie heute abspielte.

Denn es handelte sich =- wie im

Richtsteig Landrechts = um ein am Hoflager gefundenes, nicht weiter

angreifbares Urteil, und wenn es nicht ausdrücklich als Kammer-

gerichts-Urteil bezeichnet wird, hat dieses vielleicht lediglich darin seinen Grund, daß es damals keine feste Residenz (camera) gab, sondern der LandeSherr sein Kammergericht, wohin er wollte, legte. Gin ist aber bemerfen3wert und hat viel dazu beigetragen, Unklarheiten in die Erkenntnis jener früheren Zeiten zu bringen. (C35 finden sich nämlich bald darauf Gerichtssikungen am Hoflager, wo als Beisißer Personen der drei Stände (Herren, Mannen, Städte) erscheinen, so daß hieraus der Schluß gezogen werden könnte, als sei das Kammexrgericht eine Art ständischer Ausschuß gewesen; dies ist nicht ganz zu1) Riedel, „Zehn Jahre“ S. 185ff. 2) Raumer, „Cod. Brandenb. contin.“ I. 80ff. führt die einzelnen Urteilfinder auf.

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treffend, und ebensowenig darf man sich die Beisitzer als völlig vom

Lande3herrn abhängige, in seinem Sold und Lohnstehende Personen vorstellen. *) Der bewußte und bald erreichte Zweck der ersten Hohenzollern, Frieden im völlig zerwühlten Lande zu stiften, konnte nur

erreicht werden, wenn ein möglichst unabhängiger Gericht3hof, dessen Entscheidungen sich auch der Landesherr fügte, vorhanden war. Da war es denn unter Umständen ganz zweckmäßig, wenn man die Möglichfeit hatte =- was nicht immer der Fall gewesen sein wird =,

Beisiger aus allen Ständen zu nehmen, da diese als Geschworene

die denkbar größte Gewähr völliger Unparteilichkeit beim Urteilsfinden boten. Andererseit8 waren die Bischöfe, Bürgermeister und die Adel3personen am Hofe auch naturgemäß in einer besonderen Vertrauens-

stellung, bisweilen auch Abhängigkeit vom Landesherrn, so daß man sie auch wieder als Beamte desselben mit einigem Rechte bezeichnen kann. Die Meinungsverschiedenheiten über die Beisißer sind mithin wenig erheblich, weit schwieriger ist die Beantwortung der Frage nach

der sachlichen Zuständigkeit, die sehr schwankend gewesen ist und sich de8halb nur annähernd feststellen läßt. Jedenfalls gehörten vor dasselbe alle Klagen auf fiskalische Leistungen aller Art, sodann Klagen gegen Kommunen und Adelige, wenn ein Hofgericht nicht zuständig war oder von den Parteien nicht angegangen werden konnte oder

sollte. (Es war das „oberste Hofgericht“ und erscheint auch gelegentlich unter diesem Namen, während andererseits die Meinung unrichtig ist, daß es bereits im 15. Jahrhundert mit dem Berliner Hosgerichte

vereinigt gewesen sei. *) Aber die Verhältnisse waren im 15. Jahrhundert doch ver-

wickeltere geworden, als daß sich ein fester Regierungssitz hätte ent1) Man darf nicht übersehen, daß die Quellen überaus dürftig sind, daß auch die Vergleichungen mit den Zuständen in den Nachbargebieten nur unzuver-

lässige Ergebnisse bieten. Hierdurch erklärt es sich hinreichend, daß der Zusammenhang zwischen dem Kammergerichte mit der früher am Hose des Landesherrn geübten Gerichtsbarfeit nicht klar zu erkennen ist, und daß fast jeder Forscher auf diesem Gebiete zu einem anderen Ergebnisse gelangt. (Vgl. Sello, „Forschungen zur Brandenb. u. Preuß. Geschichte,“ Bd. 4, S. 237 ff.; Holte, „Ge-

schichte des Kammergerichts“, Bd. 1; Spangenberg, „Hof und Zentralverwaltung der Mark Brandenburg im Mittelalter“.

(Leipzig 1906), S. 172ff.

2) Diesen Irrtum begehen Kühns, ihm folgend Jsaacsohn „Geschichte des preußischen Beamtentums“, 1. Bd., S. 202. Das mittelmärkische Hofgericht tagte in Berlin, das oberste Hofgericht dagegen in der Residenz Kölln, und wird bis-

weilen auch als Hofgericht zu Kölln bezeichnet.

behren lassen, auch für das oberste Hofgericht mußte der Zustand unleidlich werden, daß e3 heute in Kölln bei Berlin und einige Wochen später in Tangermünde tagte, oder an einem anderen zufälligen

Aufenthalt8orte des Lande8herrn. So finden sich bald hernach Spuren für das Bestreben, Tangermünde zur festen Residenz zu machen, wofür namentlich bezeichnend ist, daß dort um die Mitte des Jahrhundert3 eine besondere Kanzlei erbaut wurde.) Aber eine Reihe von Umständen, namentlich der Bau des Schlosses zu Kölln und die

Möglichkeit, hier die Hofhaltung aus den reichen Erträgen des Amte3

Mühlenhof zu bestreiten, bewirkten es, daß Kölln, das sich zudem durch seine zentrale Lage empfahl, zur Residenz wurde. Seit dieser Zeit tritt auch das Kammergericht, und zwar jezt mit diesem Namen deutlicher hervor. Es ist schon erwähnt, daß zu seiner Zuständigkeit auch die fiskalischen Sachen gehörten. Jetzt wurde am 17. März 1468 Hermann Moller aus Gardelegen zum Fiskal-Prokurator bestellt, damit nicht mancherlei Übertretungen gegen die Münzgeseze und andere unter Strafandrohungen erlassene Bestimmungen ungestraft blieben. Moller sollte sie vielmehr „vor unseres Hof's Kammergericht“ zum Austrag bringen.?) Diese Bestallung, die übrigens nicht in Kraft getreten, zeigt Moller als den mit Wahrnehmung der kurfürstlichen Rechte Beauftragten, die = wie gezeigt = Burggraf

Friedrich im Verfahren gegen v. Holtzendorff selbst wahrgenommen hatte. Auch hier handelte es sich übrigens um keine Strafjustiz im eigentlichen Sinne, sondern um eine im ordentlichen Recht3verfahren

zutreffende Feststellung, ob ein Münzregal, Lehnrecht usw. gemißbraucht, und im Bejahungsfalle um ein Urteil auf Entziehung des

Regals oder auf Geldbuße, wie sie regelmäßig in jenen Verordnungen für den Fall der Übertretung angedroht war.

Wenn man die un-

geheure Verwirrung berücksichtigt, die in betreff der landeöherrlichen Rechte und Einkünfte seit dem Tode Karls IV. eingetreten war, so

müssen derartige sfiskalische Prozesse unendlich zahlreich gewesen sein. Zugleich ergibt sich aber, daß =- wenn hier ein ordentlicher Rechtsgang vom Landesherrn gewährt wurde =- sich der Landesherr also

dem Gerichte unterwarf, dieses mit dem Nimbus der Unabhängigkeit umftleidet sein mußte, da sonst oft genug der Landesöherr Richter in eigener Sache gewesen wäre. E3 ist das unendliche Verdienst der 1) Nach Goeke, „Burg Tangermünde“, S. 52, handelte es sich um ein zwei-

stöckiges Gebäude, das Kurfürst Friedrich 11. hier errichten ließ. 2) y. Raumer, „Cod. dist]. Brandenb. contin.“

Bd.1, S. 232f.

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9:

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Hohenzollern, daß sie diesen Nimbus an das Kammergericht zu knüpfen verstanden haben, und zwar sowohl im Feudalstaate, wie später im

absoluten. Ein Mittel, diese Unabhängigkeit zu gewähren, war es, daß zu Vorsizenden, die bisweilen unter dem Namen „Kammerrichter“ er-

scheinen, Personen bestellt wurden, die entweder durch ihren Reichtum, wie Georg v. Waldenfels, oder durch ihren hohen Rang, wie Sesselmann, der Bischof von Lebus, eine hochbevorzugte Stellung ein-

nahmen, daß gleichartig bei Ernennung der Beisitzer verfahren wurde, und daß die Urteile, Bescheide usw. des Kammergerichts unter dem

Namen des Vorsißenden ergingen. Überaus bezeichnend ist dabei,

daß sich noch zwei Jahrhunderte später die Überlieferung findet, daß der Bischof von Lebus, also der erste Landstand der Mark, als solcher

zugleich der Vorsikende des Kammergerichts gewesen sei.?) Seit dem 15. Jahrhundert vollzog sich langsam das Eindringen des gemeinen Rechts, das gelehrte juristische Kenntnisse bei den Richtern voraussezte und überall die Laien als Beisizer zu leeren

Statisten herabminderte. Das Schreibwerk mehrte sich, und, wenn biSher die deutschen Fürsten mit einer oder einigen gelehrten Personen an ihrem Hofe vollkommen ausgereicht hatten, so änderte sich dies doch allmählich. ?) Das Eindringen des gemeinen Rechts in die deutschen Gebiete in einer Zeit, in der die Renaissance die Gebildeten lehrte, die Blicke wieder auf Griechenland und Rom zu richten,

brachte etwas durchaus Neues in die auf feudaler Grundlage aufgebauten deutschen Territorien. Eine neue Zeit begann sich kräftig zu regen, und die deutschen Fürsten, vorab die märkischen, haben es

vortrefflich verstanden, hieraus zur Hebung ihrer Stellung den größten Nußen zu ziehen. In den lezten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts erscheinen immer mehr „gelehrte“ Doktoren am kurfürstlichen Hofe und als Bei-

siher des Kammergerichts, das jekt regelmäßig im Schlosse zu Kölln seine Sizungen abhält, in das auch die Parteien geladen werden. 3) 1) So M. F. Seidel in seiner 1660 verfaßten „brevis historiola camerae

electoralis Brandenburgicae“ (abgedruckt bei Holze „Kammergericht“ Bd. 2, S.372 ff.). 2) Über diesen Übergang in der Mark vgl. Stölzel, „Recht3verwaltung und

Rechtsverfassung“ Bd. 1, S. 59--158, dazu Holtze, „Die ältesten märkischen Kanzler“ in „Forsch. zur brandenb. und preuß. Geschichte“, Bd. 7, S. 479--531.

3) Holte, „Kammergericht“, Bd. 1, S. 218, nach den Akten des Geh. Staatsarchivs R 78. 19 (1483).

..

10

--

Dieses Kammergericht oder oberstes Hofgericht ist nicht mit den gelegentlich vom Landesherrn auf Ansuchen streitender Parteien zur Entscheidung ihrer Streitigkeiten ernannten Kommissionen von Räten zu

verwechseln. Diese Kommissionen oder Deputationen sollten vielmehr unter landeöherrlicher Autorität den ordentlichen Prozeß durch Schiedssprüche oder Vergleiche ersparen. Aber da der Landesherr in ihrer Bewilligung unbeschränkt war, konnte er auch durch sie eine Nachprüfung veranlassen, wenn. bereits das Kammergericht entschieden hatte.

So entstand hier = allerdings zunächst wenig erkennbar =-

ein Gegensaß zwischen dem mit den Garantien der Unabhängigkeit

ausgestatteten Kammergerichte und jenem sich zunächst auf dem Wege der Parteikompromisse daneben entwicelnden lande3herrlichen, von

seinen Räten tatsächlich ausgeübten Gericht8barkeit. Zu derselben Zeit wurde im deutschen Reiche unter hervorragender Mitwirkung des bxandenburgischen Kurfürsten Albrecht Achill die Schöpfung eines vom

Kaiser unabhängigen Reichskammergerichts vorbereitet.) Überraschend ist hier die Ähnlichkeit mit den märkischen Zuständen 3. Z. des Tangermünder Landfrieden3. Auch das Reichsfammergericht sollte den für das Reich erlassenen Landfrieden durc< Gewährung einer völlig unabhängigen Justiz sichern, und man glaubte dies Ziel zu erreichen, wenn ein vom Kaiser aus einem der höchsten Stände ernannter Kammexr-

richter mit einigen von den einzelnen Ständen selbst berufenen Beisizern zu Gericht saß. Dieses Reichskfammergericht, das 1495 ins Leben trat, war allerdings für die seit jeher von den Reichsgerichten befreite Mark nicht zuständig, aber es liegt auf der Hand, daß die Zustände am höchsten Gericht8hofe des Reiches auch auf die Verhältnisse in der Mark ihre Rückwirkung ausüben mußten. So befremdet es nicht, wenn bereits auf dem Herrentage des Jahres 1503 vom

Kurfürsten (Joachim I.) erbeten wurde, er möge durch seine Hofräte (Doktoren) aus den in der Kanzlei vorhandenen fremden Ordnungen (d. h. vorzüglich der Reichskammergerichts-Ordnung) einen für die Mark passenden Entwurf herstellen lassen, der auf dem nächsten Herrentage beraten werden könne.?)

Wie der Wortlaut des damaligen An-

1) Smend, „Das Reichskammergericht, 1. Teil, Geschichte und Verfassung“ Bd. 4, Heft 3 der von Zeuner herausgegebenen „Quellen und Studien zur BVer-

fassungsgeschichte des deutschen Reiches im Mittelalter und Neuzeit“ (Weimar 1911). S. 1 bis 66.

2) Akten des Geh. Staats8arcermark und das Ländchen Stolpe sollte auf dem Rathause zu Prenzlau drei Sitzungen im Jahre abhalten, und zwar in der Woche nach Lätare, in der zweiten Woche nach Trinitatis und in der

Michaeliwoche.

-

20 In

--

Anfange des eigentlichen Prozesses hat jede Partei einen Gefährdeeid zu leisten, wozu wieder ein Termin anberaumt wird. Die Ladung, die wie alle im ordentlichen Verfahren von Amts wegen erfolgt, hat

unter der Verwarnung zu geschehen, daß im Falle Nichterscheinens auf Antrag des Gegner3 ein Versäumnisurteil werde erlassen werden. Dieses geht gegen den ausgebliebenen Kläger auf Abweisung der

Klage, gegen den ausgebliebenen Beklagten auf Verurteilung nach dem Klageantrage bei vorläufiger Vollstreckbarkeit. Denn es ist alter Brauch am Kammergerichte, daß im letzteren Falle kein Beweis der

Klage erforderlich ist, sondern das Nichterscheinen als Anerkenntnis gilt.

Dem Säumigen steht Einspruch zu, doch hat er sofort den Eid

nachzuleisten und Kaution zu stellen, nunmehr den Streit zu ver-

folgen. Beim Schriftwechsel (drei Schriftsäße von jeder Partei) ist darauf zu achten, daß die Fristen streng innegehalten werden, und daß die Advokaten nicht zu lange Säße oder Wiederholungen enthaltende einreichen. Ein den Gegner beschimpfender Advokat ist in 50 Taler Strafe zu nehmen. Wird nach beendetem Schriftwechsel ein Beweisbeschluß erlassen, so sind darin die Kommissare (ersuchte oder beauftragte Richter) anzugeben, welche den Beweis erheben sollen. Die einzelnen Beweisfragen sind ganz genau (artikel3weise) anzugeben, auch ist e8 zu vermeiden, daß ein stückweiser Beweisbeschiuß, also zunächst nur über die Klagebehauptungen, dann über

die Cinreden, erlassen werde. Advokaten, die überflüssige oder die Zeugen verwirrende Fragen im Beweistermine stellen, verfallen in

20 Taler Strafe; die Kommissare sollen auch derartige Fragen nicht zulassen, sondern die Beschlußfassung über die Zulässigkeit dem Kammergerichte überlassen. Die Anordnung von Beweisbeschlüssen unmittelbar nach dem Scheitern des Sühneversuchs, also vor Endigung des Schriftwechsels ist nur zulässig, wenn die Parteien sich selbst damit einverstanden erklären oder wenn dies, namentlich bei Besikstreitigkeiten

und andern schleunigen Prozessen, im Jnteresse der Sache liegt. Wenn gegen die Abschiede (in der Sache entscheidende Beschlüsse in den einfachen Sachen) oder gegen Urteile des Kammergerichts Supplifation eingelegt werden soll, so genügt nicht die Erklärung, daß suppliziert werde, sondern die in der zehntägigen Frist einzulegende Supplikationsschrift muß zugleich alle Punkte genau angeben, in denen der Supplikant sich beschwert fühle. Diese Schrift ist mit einer Abschrift des angefochtenen Beschlusses oder Urteils einzusenden, damit zunächst die Zulässigkeit des Rechtsmittels geprüft werden könne.

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Erst nach dieser Feststellung ist die Einstellung der Zwangs5vollstreckung anzuordnen. Wird gegen Urteile des Konsistoriums oder der Quartal3gerichte zu Stendal und Prenzlau beim Landesherrn suppliziert, oder gegen Urteile der anderen Untergerichte im Lande (in welchen Fällen

dies zulässig, wird nicht angegeben) beim Kammergerichte appelliert, jo hat dies ebenfalls in einem die Beschwerdepunkte angebenden Schriftsaße zu geschehen, und zwar binnen 10 Tagen, sodann ist eine Bescheinigung des Unterrichters (apostoli) binnen 14 Tagen beizubringen. Erst wenn dies geschehen und das Rechtsmittel als zu-

lässig befunden, darf Einstellung der Zwangsvollstreckung verfügt werden. Der Beschwerte hat sodann binnen 6 Wochen eine Abschrift der Akten erster Instanz einzusenden. Wird eine dieser Fristen ver-

säumt, so ist das Recht8mittel durc< Urteil des Kammergericht8 als unzulässig (deserta) zu verwerfen. Im Entwurfe heißt es dann weiter: früher sei außer der Supplikation kein Rechtsmittel gegen

Kammergerichtsurteile zugelassen worden, es habe sich indes schon unter der vorigen Regierung eine Klage auf Nullität eingebürgert, falls die Nullität aus den Akten bescheinigt werden könne.

E85 solle

hier indes die Zwangsvollstre>kung nicht eingestellt werden, wenn

der bisSherige Sieger genügende Sicherheit leiste, daß der Gegner im Falle de8 Obsiegens die beigetriebene Summe zurückerhalten werde. Wennsich in rechts8hängigen Sachen Streit darüber erhebe, ob die Akten zum Verspruch zu versenden, so hätten sich die Räte durch Beschluß dahin entschieden, dies im Interesse der Unparteilichkeit zuzulassen, falls die dies nachsuchende Partei und ihr Anwalt eidlich erhärteten, daß sie an der zu befragenden Stelle noch kein Rechts-

gutachten eingeholt hätten. Ju diesem Falle träfen diese Partei die Kosten der Befragung (Urteil8geld und Botenlohn).

Hätten indes die

Räte ein Endurteil gesprochen, und begehrten dann beide Teile die

Aktenversendung, so fielen ihnen die Kosten gemeinschaftlich zur Last. Im Falle, daß die Parteien sich über eine Spruchbehörde einigten, sei dann diese, andernfalls eine vom Gerichte zu wählende Fakultät oder ein Schöppenstuhl zu befragen, und das eingegangene Urteil den Parteien nach Erlegung des Urteil8geldes zu verkünden. Die Advofaten und Prokuratoren sollen auf die nene Ordnung beeidet und

bei Übertretungen unnachsichtig bestraft werden. Die Anwalts8gebühren iwverden nach Maßgabe der aufgewandten Tätigkeit sestgeseht; an

Schreibgeld (Kopialien) ist für den Bogen von mindestens 20 Zeilen ein Groschen zu zahlen. Überforderungen werden bestraft, doch steht

20

es im Belieben der Parteien, ihren Anwälten aus gutem Willen mehr

zu zahlen. In gleicher Weise soll vor den Untergerichten (Hof- und

Landgerichten, Stadtgerichten) verfahren werden. Das ist der wesentliche Inhalt des Entwurfs der Kammergericht8Ordnung, die in vielen Punkten ganz modern anmutet.) Daß sie

in dieser Form nicht Gesezß werden konnte, ergibt sich schon daraus, daß die Städte nicht daran dachten, sich irgendeinen Eingriff in ihre Gerichtsbarkeit gefallen zu lassen, ganz abgesehen davon, daß die Verhältnisse in den einzelnen Städten so verschiedenartig waren, daß die Übertragung der für das Kammergericht erlassenen Bestimmungen in der beabsichtigten Allgemeinheit unmöglich gewesen wäre. Zudem waren aber auch damals die märkischen Stadtgerichte durchaus nicht im heutigen Sinne Untergerichte des Kammergericht8, von deren Entscheidung an dieses hätte ohne weiteres appelliert werden können.

Allerdings bezeichnet der Entwurf die Untergerichte nicht, von denen eine Appellation an das Kammergericht zugelassen war, aber die Stadtgerichte hätten nur im Wege der Verhandlung mit jeder ein-

zelnen Stadt dem Kammergerichte als Untergerichte untergeordnet werden können. Imübrigen enthält der Entwurf in bezug auf das Verfahren im wesentlichen eine Durchführung der WVorschristen der Reformation von 1540 unter Angabe der seit den lezten 45 Jahren eingetretenen Änderungen, als deren wesentlichste die Nullitätsöklage und die Aktenversendung erscheinen. Man muß anerkennen, daß alle Momente, die zur Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens dienen konnten = Präfklusivfristen, sofortige Vollstreckbarkeit usw. =,

sorgfältig berücksichtigt worden sind, aber der Entwurf, der auch in diesem Punkte nur die tatsächlichen Verhältnisse wiedergibt, zeigt einen Mangel, der damals und noch lange hernach zu Beschwerden der Stände Veranlassung geben sollte. Das Kammergericht hatte es im Grunde nämlich im freien Belieben, ob es einen rechtlichen Prozeß überhaupt zulassen wollte, da es in sein Ermessen gestellt war, ob e8

nach Scheitern des obligatorischen Sühneversuchs die Sache durch einen Beschluß, d. h. durch eine Art Zwangsvergleich erledigen oder zum ordentlichen Verfahren verweisen wollte. Dies hing damit zu-

sammen, daß man allgemein mehr Gewicht darauf legte, den Prozessen auf jede Weise aus dem Wege zu gehen, als sie sachgemäß zu entscheiden.

Der lezte Grund zu dieser Haltung war dabei der Um-

1) Man beachte 3. B. die Vorschriften über das Versäumnisverfahren.

33

stand, daß der Begriff der rechtskräftig entschiedenen Sache so lange ein völlig unsicherer war, als der Instanzenzug nicht ganz fest geregelt war.

Dies war aber nicht der Fall, wenn immer noch im Wege der

Supplikation abgetane Sachen wieder aufleben konnten. Dies waren Mängel, die schon auf dem Landtage von 1550 beflagt worden waren, und, wenn man genauer zusieht, war es bei

diesem immerhin bedenklichen Zustande seitdem verblieben. Man muß es als ein Zeichen der großen Volkstümlichkeit des Kammergerichts

auffassen, wenn dieser Mißstand immerhin so erträglich schien, daß er, anstatt beseitigt zu werden, nur gelegentlich beklagt wurde. Dies hing aber mit der musterhaften Ordnung des Dienstbetriebes zusammen: Kurz zuvor, nämlich im Jahre 1583 hatte Distelmeier den inneren Dienst am Kammergericht und bei den anderen Behörden

durch ein Regulativ, die sog. „Verordnung zur Verhütung einiger Unordnungen bei dem Kammergerichte“" geregelt.?) Hierzu war er, ohne daß es einer Mitwirkung der Stände bedurft hätte, allein zu-

ständig. Diese Verordnung regelt die Sißzungspolizei und stellt außerdem eine Gerichtsschreiber-Drdnung dar.

Man erfährt aus derselben,

daß das Kammergericht ein Sißung3zimmer und ein Vorzimmer

hatte. In letzterem hielt sich der Türknecht (Sitzungsbote) auf, der die Parteien (Sachen) zur Verhandlung in das Sißungszimmer aufruft. Der Aufenthalt in diesem ist nach altem Brauche nur den Parteien und ihren Anwälten während der Verhandlung gestattet. Unmittelbar nach dem Tode Lamperts (12. Oktober 1588) zog, wie bereits angedeutet, die Regierung die beiden Entwürfe desselben zurück, und ein neuer sehr umfangreicher Entwurf wurde vom älteren Köppen ausgearbeitet, um zunächst einer ständischen Deputation zur

Begutachtung vorgelegt zu werden.?)

Dieser Entwurf war in fünf

Abschnitte geteilt, von denen der lezte das Verfahren in Zivilsachen 1) Akten des Geh. Staat3archivs R9X 1a, einen sehr fehlerhaften und lücen-

haften Abdruck gibt Mylius C. C. M. T. 2, Abt. 1, Nr. 14.

Zudem set Mylius

irrigerweise den Erlaß in das Jahr 1594, während derselbe =- wie bei Holte „Kammergericht“ Bd. 2, S. 64 näher ausgeführt =- in das Jahr 1583 fallen

dürfte, keinesfalls aber später erlassen sein kann. 2) Über die Verhandlungen mit den Ständen: Akten des Geh. Staatsarchivs R. 20. G; ver Entwurf ist daselbst in zwei verschiedenen Fassungen vorhanden (R9X 1a); auch sonst sind Abschriften davon in den ersten Jahren des

17. Jahrhunderts hergestellt, 3. B. ein köstlich gebundenes Exemplar, das der jÜngere Köppen zum Jubelfeste der Universität Frankfurt gewidmet hatte (heute im Besitz des historischen Vereins für Heimatkunde zu Franksurt a. O.). Schriften des Verein3 f. d. Geschichte Berlins. Heft XVI],

2

34.

regelte. Köppen, dem man hohe Bildung und namentlich einen eindringend scharfen juristischen Verstand zuerkennen muß, war nun doch völlig ungeeignet, einen den Ständen genehmen Entwurf zu verfassen. Einmal hatte er gar kein Interesse für die ständischen Rechte, sondern

betrachtete den Landesherrn nach gemeinrechtlicher Auffassung als den Teilerben der römischen Cäsarengewalt, nicht aber als einen durch die Stände beschränkten Herrscher. Dann aber, und das ist noch verhängnisvoller gewesen, war er in einem ungewöhnlichen Maße welt-

fremd, auch weitschweifiger, als es für seine Aufgabe zweckmäßig gewesen wäre. So enthielt denn sein Entwurf, namentlich in bezug auf die Appellationöinstanz manche8, was als den ständischen Privilegien widersprechend unannehmbar war, und manche38, was geradezu wunderlich anmutet. Hierzu gehört namentlich der Vorschlag, der Richter solle der armen Partei die Prozeßkosten selbst vorschießen und sie dann nach dem Siege derselben zuerst in der Zwangsvollstreckung beitreiben.

Bei dieser Sachlage war es kein Wunder und zudem eine

leichte Mühe, diesen Entwurf zu bekämpfen. Dies geschah namentlich durch den späteren Lande38hauptmann der Altmark Thomas v. dem Knesebeck als Wortführer der altmärkischen und der prignizer Stände in einer ausführlichen im Jahre 1594 überreichten Kritik.) Es war vernichtend für Köppen, daß in den eingehenden Gutachten an Stelle der

„unklaren“ Vorschriften der Erlaß der Distelmeierschen KammergerichtsOrdnung gefordert wurde, der klarer und kürzer sei. liche Vorschlag des richterlichen Kostenvorschießens für wurde mit dem Achselzucken abgetan, daß sich dazu finden würden, und mit dem Hinweise darauf, daß es

Der unglaubarme Parteien wenig Richter ganz untunlich

sei, die Richter in dieser Weise am Siege der armen Parteien zu interessieren. Zugleich erkennt man aber aus dem Vorschlage der Altmärker, einen procurator pauperum anzustellen, und aus der Bitte, es beim alten Brauche zu lassen, auch die Supplikation binnen 10 Tagen einzulegen und dann binnen 6 Wochen zu rechtfertigen, daß in diesen Punkten der Entwurf von 1585 nicht be-

stehenden Brauch, sondern nur Vorschläge enthalten hat.

Wichtiger

!) Thomas v. dem Knesebeck war seit Weihnachten 1592 Rat am Altmärkischen Quartalgerichte zu Stendal, wurde zum Geheimen Rat und 1602 zum Lande3hauptmann der Altmark ernannt. Er hat auf dem Gebiet der altmärkischen Gesezgebung wertvolle Dienste geleistet und starb am 12. November 1625. (v. d. Knesebeck, „Aus dem Leben der Vorfahren vom Schlosse zu Tylsen in der Alt-

mart“. Berlin 1875, S. 58--82.)

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ist es, wenn die Altmärker es der Erwägung anheimstellen, statt der

Supplikation ein Berufungsverfahren vor einem besonderen Apellation8gerichte einzuführen. Aber dieser Vorschlag ist nur sehr vorsichtig angedeutet, und es bleibt nicht recht erkennbar, wie mansich diese

höhere Instanz gedacht hatte. Bei dieser kalten Aufnahme scheiterte denn der Köppensche Entwurf völlig, und am Leben3abende Johann

Georg3 wurde lediglich eine die Zwangsvollstreckung regelnde Landreiter-Ordnung vom 1. Juli 1597 erlassen.

In derselben wurde an-

geordnet, daß Beschwerden über Übergriffe der Landreiter (Gerichtsvollzieher) zur Entscheidung an das Kammergericht gehen sollten. !) So war nach großen Anläufen recht wenig erreicht.

Schon seit der lezten Regierungshälfte Johann Georgs ist eine schärfere Scheidung zwischen den Hof- und Kammergerichtsräten und den übrigen Räten des Fürsten immer deutlicher wahrnehmbar. Man erfennt sie namentlich aus den Bestallungen; es wird Regel, daß Personen ausdrücklich zu „Hof- und Kammergerichtsräten“ ernannt werden, während es bi8her üblich gewesen war, in die Bestallungen der „Räte“ auch die Verpflichtung aufzunehmen, an den Sißungen des Kammergericht8 teilzunehmen. Zum Teil hing dies damit zusammen, daß dieses Gericht ein rein kurmärkisches, die Besoldung dieser Räte daher lediglich Sache der Kurmark war, während der Kurfürst daneben auch noc< die Neumark und deren Zuwachsungen

(Beeskow-Storkow usw.) beherrschte. Die Kammergerichtsräte gehörten nun seit 1560 fast ausschließlich dem Verwandten- und Freundeskreise

der mit dem kurmärkischen Adel mannigfach verschwägerten Distelmeier an.?) Diese hatten es auch verstanden, ihre Freunde gleichzeitig in die neumärkische Regierung (ehemaliges Kammergericht der Neumark) als Kanzler (Barth) und als Beisizer zu bringen. Am Kammergericht war damals keine feste Zahl von Beisizern vorhanden; es wäre auch eine unendliche Verschwendung gewesen, wenn für die

immer mehr zur Prozeßleitung und Vergleichsversuchen sich herabmindernde Tätigkeit des Kammergerichts eine größere Zahl -etwa die frühere Zwölfzahl -- aufgewendet worden wäre. Adelige ?) Mylius, C. CO. M., T. 11, Abt. 1, Nr. 15.

?) Hole, „Lampert Distelmeier“ S. 45ff.

Abgesehen von seinem gering

begabten Sohne Christian, den er wider dessen Willen zu seinem Nachfolger bestimmt und erzogen, waren es meist tüchtige Leute, die Lampert in Staats-

stellungen zu bringen verstand.

Aber der Umstand, daß das ganze märkische

Beamtentum damals zu einer vetterlichen Clique geworden, war bedenklich genug. 0

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und gelehrte Beisitzer erhielten neben ihrem Anteil an den Sporteln Verpflegung vom Hofe, Futter für ihre Pferde und ein Jahre3gehalt von 200 Talern.) Da aber fast jeder noch von Nebenbeschäftigungen =- sei e8 in der Domanial-Verwaltung oder im Kon-

sistorium = Gehälter bezog, so war die Stellung überaus reich

dotiert. Der kurmärkische Adel wachte sorgsam darüber, daß stets aus seinen Mitgliedern eine möglichst den gelehrten Räten gleichfommende Zahl zu KammergerichtSräten bestellt wurde, was auch damals regelmäßig geschah. Eine juristische Bildung wurde von ihnen nicht verlangt, während die gelehrten Räte ausnahmslos studiert und regelmäßig das Studium mit Erlangung einer akademischen Würde ab-

geschlossen hatten (Doktorat oder Lizentiat). Eigentümlich ist es, daß damals und noch lange hernach ein Übergang der gelehrten Räte in den märkischen Adelstand, ohne daß eine besondere Nobilitierung exrfolgt oder nachweiSbar wäre, die Regel war. Dies geschah in der Weise, daß die gelehrten Räte entweder aus ihren Ersparnissen ein Rittergut kauften oder ein apertes Lehngut aus Kurfürstlichem Wohlwollen erhielten. Belieh sie und ihre Familien dann der Kurfürst mit dem Lehngute, so hatten sie damit alle Rechte des Adel3 erworben und gingen damit von jelbst in denselben über.

Der Adel der

Kettwig, Distelmeier, Chemniß, Köppen u. a. ist auf diese Weise entstanden. ?) Aber auch diejenigen, die keine adeligen Lehnögüter er-

worben, standen doch für ihre Personen dem Adel der Kurmark insofern gleich, als sie nicht dem Stadtgerichte zu Berlin oder zu Kölln, sondern dem Kammergerichte unterstanden. Selbst der von ihnen in der Residenz erworbene Grundbesik wurde in der Regel dadurch der

städtischen Gericht8barkeit und Besteuerung entzogen, daß der Kurfürst auf ihn Freihau3-Privilegien von einem anderen Freihause übertragen

ließ. ?) Bei dieser sehr günstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen 1) In jener patriarchalischen Zeit war es auch üblich; den Räten bei festlichen Gelegenheiten =- so 3. B- beim Feste der Belehnung mit Preußen im Jahre 1569 -- Prachtgewänder zu schenken. AnStelle der heutigen Orden traten

goldene Ehrenketten mit Porträt-Medaillen, und die Pension wurde erset durch die den Räten verliehenen Angefälle auf Lehngüter. Diese Angefälle gestatteten jederzeit eine vorteilhafte Versilberung. 2) Die Beschaffung eines Wappens machte dabei keine Schwierigkeiten, da keiner daran gehindert war und ist, sich ein solches frei zu erfinden und zu führen. Die Distelmeier wählten eine männliche Figur, die mit einer Sense Disteln

schneidet; hier hatte der Namen die ein Wappen suchende Phantasie befruchtet. 3) Auch in kirchlicher Beziehung unterschieden sich in Berlin-Kölln die kur-

-

37

Stellung der Kammergerichtsräte nimmt es wunder, daß man troßdem es damals für angezeigt hielt, den Räten im Amtseide das Versprechen abzunehmen, sich durch keine Gaben von den Parteien zur

Rechtsbeugung bewegen zu lassen. Daß wenigstens die Gefahr hierzu nicht ganz ausgeschlossen erschien, erhellt daraus, daß Kanzler und Räte damals nichts Bedenkliches darin sahen, gelegentliche Ehrengaben für Haus und Küche anzunehmen, wenn der Schenker dabei nicht geradezu Pflichtwidrigkeit von ihnen verlangte.) Ein streng eingehaltener Unterschied zwischen der Tätigkeit der gelehrten und adeligen Beisitzer bestand darin, daß leztere =- meist auch durch andere Hofämter in Anspruch genommen =- mit der Beaufsichtigung der Pro-

tofollführung und mit dem Absetzen der Urteile verschont blieben. Die Anstellung aller Kammergericht3räte war tatsächlich eine lebenslängliche, wenn auch die Bestallungen meist nur auf eine bestimmte Zeit von

Jahren liefen. Langgediente Räte erhielten in der Regel durc< Übertragung eine8 Lehngefälles eine Art Pension, da ihnen die Übertragung des Angefälles an eine geeignete Person gegen Entgelt freistand. Streng wurde auch beim Kammergerichte der Gedanken festgehalten, daß das übertragene Amt vom Kurfürsten persönlich herrühre. Räte und Landesherr hatten e8 daher bei jedem Thronwechsel völlig im eigenen Belieben, ob das AmtS3verhältnis beendet sein oder ob es fortgesezt werden sollte. Die Zahl der am Kammergericht praktizierenden Advokaten war keine beschränkte und sette sich aus den

verschiedensten Elementen zusammen.

Unter ihnen befanden sich

einige promovierte Doktoren, die al8 solche einen Ehrenrang vor den

übrigen einnahmen, ferner Bürgermeister, Syndici und Ratsmannen der Städte Berlin und Kölln, endlich Personen, die diese Tätigkeit fürstlichen Räte von den Bürgern, da sie zur Hof- und Domkircungs3beamte) waren für

die einzelnen Bezirke angeseßt und mit sehr auskömmlichen Gebühren für ihre Leistungen bedacht. Die Stellung des Türhüters (Sikungsboten) war ebenfalls sehr begehrt, da er nach alter Gewohnheit von Parteien und Anwälten für gelegentliche kleine Dienste reichlich beschenkt zu werden pflegte. Das ganze Personal des Kammergerichts vom Vorsißenden bis zum letzten Boten betrug am Ausgang des 16. Jahrhunderts etwa 50 Personen. Der Thronwechsel im Jahre 1598 bildete in der Entwicklung der Mark einen bedeutenden Abschnitt. Der neue Kurfürst Joachim

Friedrich, bisher Administrator des Erzstifts Magdeburg, dachte nicht daran, die Maschine der Regierung in der Erstarrung, die seit Lampert8 Tode eingerissen war, weiter zu führen; er fühlte zuerst, daß die Kurmark zwar der Kern seiner Länder, aber doch immer nur 1) Akten des Kgl. Kammergerichts (Adhibenda zu 11 G. 7). Zwei Formulare, das erste mit Eintragungen über Vereidigungen für die Zeit von 1598 bis 1608. Abdruck bei Holte, „Kammergericht“ Bd. 2, S. 334, dazu S. 83f.

2) Je nachdem sie Bürger dieser oder jener Stadt waren.

3) So finden sich bisweilen schwach begabte Söhne hoher Beamtenin diesen mittleren Stellungen, 3. B. ein Sohn des Kanzlers Weinleben.

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ein Teil derselben war.

DesShalb machte er als erster den Versuch, eine

scharfe Scheidung zwischen den gesamtstaatlichen und den speziell kurmärkischen Verhältnissen herbeizuführen. Unzufrieden mit dem unfähigen Kanzler Christian Distelmeier, der nur den Namen, nicht aber die Talente seine8 Vaters geerbt hatte, erseßzte er ihn al8bald durch seinen bisherigen magdeburgischen Kanzler Johann v. Loeben. Diesem hatte er aber eine andere Stellung zugedacht als die der bisherigen Kanzler, die seit 1535 im wesentlichen nur für die Kurmark bestimmt gewesen waren.?) Dies zeigte sich al8bald bei einer zufälligen Ge-

legenheit: Kurz nach dem Regierungswechsel wütete die Pest in der Residenz, und es erschien de8halb wünschen8wert, den Parteien, die vor das Kammergericht geladen, den Besuch der verseuchten Residenz zu ersparen. Das Kammergericht wurde de8halb auf einige Monate nach Neu-Ruppin verlegt und ihm in der Person des Christoph Benckendorf, der seit zwölf Jahren ebenfalls als Rat in den Diensten des biSherigen Administrators gestanden hatte, mit dem Titel als

Vize-Kanzler ein ständiger Vorsikender gegeben. Benc>endorf ging nun mit einigen Räten -- es scheinen vier gewesen zu sein =- nach

Neu-Ruppin und hielt dort mehrere Monate im Schlosse die Gerichts8sihungen des Kammergerichts ab, bis die auch dort auftretende und in der Residenz allmählich erlöschende Pest die Rückkehr in die Re-

sidenz zweckmäßig erscheinen ließ. Diese Verlegung, obgleich durch äußere Umstände bedingt, zeigte doch zum ersten Male in voller Schärfe das Kammergericht als einen rein kurmärkischen Gerichtöhof und völlig lo8gelöst von der höchsten Gerichtsbarkeit des Landesherrn, mit der sie bis dahin =- wie dargetan =- mannigfach verquickt ge-

wesen war.

Eine Reihe anderer Maßregeln hatten den Kurmärkern

seit Beginn der neuen Regierung die Absicht des Kurfürsten klargelegt, sie einem =- man kann sagen =- gesamtstaatlichen Regimente

zu unterwerfen. Da nimmt es nicht wunder, daß auf dem am 18. Januar 1599 eröffneten ersten Landtage Joachim Friedrichs die

Gegensäße aufeinander plazten. Jn der Thronrede regte er den Erlaß einer Appellation8gerichts-Ordnung und die Bildung eines besonderen Appellationsgerichtes an, das unter dem Vorsige des Kanzlers aus

einigen kurfürstlichen Räten und einigen ständischen Vertretern (Land?) Auf die folgenschweren Ereignisse beim Thronwechsel von 1598 wirft das beste Licht ein gleichzeitiger Bericht de8 damaligen Lehnssekretärs Nickel v. KöttLitsch (mitgeteilt im Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staats, Bd. 4, S. 349 ff.).

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räten) zusammengeseßt sein sollte.) An dieses Gericht zu appellieren, sollte jedem freistehen, der sich durch Erkenntnisse des Kammergerichts oder der Neumärkischen Regierung beschwert fühle. Dieser Vorschlag, bei dessen Durchführung das Kammergericht völlig zum Provinzialgerichts3hofe herabgemindert und mit dem neumärkischen auf denselben Stand gebracht wäre, begegnete selbstredend dem Widerspruch der Stände, die sich indes damals, da der kurfürstliche Vorschlag noch ganz unentwickelt war, mit der ablehnenden Bemerkung begnügten, daß das Land außerstande sei, die dazu erforderlichen neuen Kosten zu tragen. Schärfer trat der ständische Widerspruch auf dem im Mai

1600 abgehaltenen zweiten Landtage hervor.) Auf diesem tadelten die Stände, daß das Kammergericht durc< die Maßnahmen der neuen

Regierung völlig seines alten Charakters verlustig gehe.

Eigene

Audienzen zur Beilegung von Streitigkeiten halte der Kurfürst nicht ab; die Räte des Kammergerichts würden durch fortwährende Verwendung zu Gesandtschaften der richterlichen Tätigkeit entzogen, und der Kanzler, den der Kurfürst ausschließlich in Sachen der allgemeinen Lande3verwaltung verwende, werde in einer ganz unzulässigen Weise im Vorsize des Kammergerichts durch einen Vizekanzler erset. Ferner mangele eine Kammergericht3ordnung; es würden daher die Prozesse verschleppt, die Protokolle schlecht geführt, zu viel Parteien auf einen

Tag vorgeladen, die Supplikationen willkürlich behandelt und stete Eingriffe in die erstinstanzliche Gerichtsbarkeit des Adel3 und der Städte unternommen. Zudemseien die Fristen viel zu lang und die

Anwalt3gebühren viel zu hoel und inperfect“ erläutern und verbessern, damit die Prozesse verkürzt würden. Der Ausschuß möge deshalb das Projekt prüfen. Der durchaus verständige Entwurf, der in ganz eigenartiger Weise das mündliche Verfahren in das

schriftliche einfügen wollte, enthielt eine Zivilprozeßordnung, die sich in ihrer Anordnung gar nicht sv sehr von der seit 1. Oktober 1879 geltenden Zivilprozeßordnung unterscheidet.) Aber die Stände veru

!) Abgedruckt aus den Akten R9X 1a bei, Holte „Kammergericht“, S. 361

15 364.

2?) Rohl hatte zu seinem Entwurfe das seit 1629 verschiedentlich im Druck erschienene „Konzept Kaiserlicher Kammer-Gericht8-Ordnung“ von 1613, sowie die Werke der als Kommentatoren der Praxis am Reichskammergerichte bekannten

Autoren Gaill und Mynsinger benußt, wie die Zitate seines Entwurfs ergeben. 4 3) Die das mündliche Verfahren behandelnden Abschnitte sind abgedruct bei Volke „Kammergericht“, Bd. 2, S. 364--367.

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langten in erster Reihe ein Gerichtö3verfassungsgeseß, das ihre obrigfeitlichen Rechte genau wahrte, womöglich erweiterte. Da erschien nun ein Kohlsche8 Projekt, das einfach das am Reichskammergerichte

übliche Verfahren auf die Mark übertragen wollte, von vornherein sehr bedenklich; es war daher ein recht geringes Wohlwollen, mit dem die Stände an die Prüfung der fleißigen und sorgfältigen Arbeit traten. Die Besezung de8 Gerichts, nicht das Verfahren vor dem-

selben interessierte sie; wie sie denn immer deutlich genug hatten durchbli>ken lassen, daß, wenn das Gericht gut, d. h. nach ihren

Wünschen besetzt sei, es ganz gleichgültig bleibe, welches Verfahren dabei zur Anwendung komme. Das war auch gar nicht so unrichtig, denn das beste Prozeßgeseß hat zur Voraussezung, daß es befolgt wird, und die Befolgung hängt vom Vorsizenden und den Richtern ab. So bewegten sich denn die Bedenken der Stände fast ausschließlich auf dem Boden der von Kohl mit wenigen Sätzen abgetanenen

Gericht3verfassung.“) Am 11. April 1643 verlangten sie, daß stets die eine Hälfte der Beisiger dem Adel angehören solle, und gleich-

zeitig forderten sie eine scharfe Begrenzung der Zuständigkeit des Kammergerichts gegenüber dem Altmärkischen Quartalgerichte und der Neumärkischen Regierung.

Mit Scharffsinn waren so die von

Kohl absichtlich versteckt gelassenen wunden Punkte des Entwurfs bloß gelegt. Hieran konnte dann ganz sachgemäß die Bitte geknüpft werden, es möge ein neuer Entwurf gemeinsam von den vom Kur-

fürsten dazu bestimmten Räten und von einigen Mitgliedern der Stände ausgearbeitet werden. So erlitt Kohl im April 1643 neben der persönlichen Kränkung in der Indultfrage noch die sachlich schwerere

der Ablehnung seines Entwurfes.

Der Kurfürst kam den Wünschen

der Stände auch darin entgegen, daß er in den nächsten Jahren ver-

schiedene Adelige in das Kammergericht berief. Am 26. August 1645 stellten die Geheimen Räte beim Kurfürsten auch den Antrag, einige Räte cum 8pe succedendi zu Kammergerichtsräten zu ernennen,

damit sie bei den angestellten älteren Räten die Praxis erlernen

könnten, um dereinst im Staatsdienste brauchbare Dienste zu leisten,?) Geeignete Personen, dem Adel angehörig, wurden dabei angegeben, doch trug der Kurfürst damals noch Bedenken, ein unbesoldetes 1) Akten des Geh. Staatzarchivs R9X 1a. Zur selben Zeit wurde über die oben besprochenen Moratorien verhandelt. 2) Akten des Geh. Staat3archivs R9J 8.

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Assessorat beim Kammergerichte einzuführen und es zur Station für die Ausbildung junger Beamten zu machen.

Nach diesen Niederlagen brachte aber das stet3 gerechte Schicksal am 9. Juli 1646 dem alten Kohl und den Kammergerichtsräten eine

glänzende Genugtuung, die manche Kränkung vergessen ließ. Als nämlich die Stände baten, die nunmehr abgelaufenen Moratorien auf weitere drei Jahre zu verlängern, erklärte der Kurfürst, das nicht tun zu wollen; denn die Indulte wären in den lezten drei Jahren oft genug gemißbraucht worden und wären überhaupt nichts weiter als eine Art verzögerter, wenn nicht verweigerter Justiz. Der Kurfürst nahm also jezt genau denselben Standpunkt ein, den das Kammergericht drei Jahre früher eingenommen hatte. War es damals dafür mit der Aufhängung des Kambysesbildes verspottet worden, so hatte ““t dieser Spott jeden Stachel verloren. Aber die Zahl der Räte, vly jenen Vorgang erlebt, war seitdem stark zusammengeschmolzen, auch Kohl kränkelte und konnte nur noch mit Mühe die ihm nach und nach entgleitenden Zügel des Vorsizes führen. Er erlebte noch die

Freude, daß im Herbst 1648 sein Schwiegersohn Martin Friedrich Seidel, der Sohn de8 Geheimrat3 Era8mus zum Kammergerichtsrat ernannt wurde.?)

Als aber der 83jährige Mann am 8. November

1650 auf das Kammergericht gehen wollte, um hier einer Sitzung zu präsidieren, wurde er auf dem Schloßplaße vom Schlage getroffen und auf ein fünfjähriges Krankenlager geworfen. Am 15. Dezember 1650 starb auch derKanzler v. Goeße.?) Diese Veränderungen konnten dem seit dem Frühjahre 1650 wieder von den Ständen angeregten Wunsche nach Abfassung einer Kammergericht3ordnung unter Umständen günstig sein, da mit Kohls Siechtum derjenige fortgefallen war, der am Zustandekommen des Entwurfs von 1642 am meisten interessiert war.

Nun war die

Bahn für neue Pläne offen. Als die Bitte nach einer Ordnung dann im Frühjahr 1650 an den Kurfürsten gelangte, war dieser auf Grund der seit 1642 gemachten Erfahrungen sehr skeptisch. Er erklärte deshalb am 2. Juli 1650, die Stände möchten selbst eine Kommission bezeichnen, die einen solchen Entwurf herstellen könnte; er werde dann derselben ein Mitglied des Geheimen Rats beiordnen. Der 1) Eintreffliches Lebens8bild dieses hochverdienten Mannes, des ersten Ge-

schichtss trat auch das Amt mit einigen scharfen Verordnungen an, namentlich wandte er sich gegen den Mißstand,

daß statt kollegialer Beratung jeder Rat verfüge, was ihm gut scheine, so daß =- es handelte sich also offenbar um Einzelfälle =- neulich in

einer Sache am selben Tage von zwei Räten zwei widersprechende Beschlüsse erlassen seien. Das war ganz sicher von Knesebeck sehr wohl gemeint; er war auch durchaus zum Vorsizenden in jeder Be-

ziehung geeignet. Troßdem rissen auf dem Landtage des Jahres 1652 die Klagen der Stände über das Kammergericht nicht ab, obgleich sie doch jezt nicht mehr der Leitung desselben zur Last gelegt werden konnten. Der alte Kohl erlebte somit auf seinem Krankenlager noch die verdiente Genugtuung, daß sich die gegen seine Leitung erhobenen Klagen al3 hinfällig erwiesen. Denn sie verstummten ja auch nicht unter seinem jüngeren und. den Ständen so sympathischen Nachfolger, dauerten vielmehr in völlig ungemindeter Stärke fort, nahmen eher zu als ab. Der Grund zu diesen Klagen lag eben auf einem ganz anderen Gebiete al8 auf dem der Leitung oder der Tätigkeit der

einzelnen Kammergerichtsräte, unter denen sich seit den lezten Jahren auch wieder mehrere Adelige befanden. Was3 man im Grunde beflagte, waren, wenn man genauer zusieht, lediglich die traurigen

wirtschaftlichen Verhältnisse infolge der Nachwirkungen der langen Kriegszeit. Dies zeigt sich, wenn man die Klagen der Stände auf dem Landtage von 1652 betrachtet.?) Den einen, nämlich den Gläubigern

gingen die Prozesse zu langsam: daher die Klagen Über fortwährende Gewährung von Nachfristen, Eingreifen de3 Landesherrn in erledigte Sachen. Den anderen gingen sie wieder zu schnell: daher die Klagen über die Bescheide einzelner Räte und über Beschleunigung der Zwangs3vollstre>ung. Diesen Klagen gegenüber, die sich zum Teil widersprachen, zeigte, daß es an sich mit der Rechtspflege nicht so übel am Kammergerichte bestellt war, wie man ohne nähere Prüfung der Berechtigung annehmen könnte. Dann aber war es schwierig, hier eine Abhilfe zu versprechen. Der Kurfürst, der auf diesem Landlage große Geldbewilligungen von den Ständen forderte, war indes

geneigt, ihnen in diesen Fragen so weit wie nur möglich entgegenzukommen. So enthält denn der Landtagsrezeß vom 26. Juli 1653,22)

mit dem dieser lette allgemeine märkische Landtag verabschiedet wurde, 1) Urkunden und Aktenstücke Bd. 10, S. 233 ff. |

?) Der Landtagsrezeß von 1653 war auf dem Kammergerichte in drei gleich-

öeitigen handschriftlichen Exemplaren vorhanden, die sich jezt auf dem Geh. Staats-

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eine Reihe von Zugeständnissen: Dem Kurfürsten steht zwar das Besezungsrecht am Kammergerichte und der diesem gleichstehenden Neumärkischen Regierung zu, aber in beiden sollen taugliche Personen aus dem Adel und aus dem Bürgerstande unter Bevorzugung der

Landeskinder angestellt werden.

Die Einlegung von Rechtsmitteln

wird erschwert, die Fiskale sollen an den Geldstrafen keinen Anteil

haben, also kein Interesse daran, daß jeder fiskalische Prozeß möglichst durch alle Instanzen getrieben werde.) Daneben wird die Abfassung einer Kammergericht3ordnung und einer Landeskonstitution in Aussicht gestellt. Die märkischen Stände erkannten vun damals mit Recht, daß es die höchste Zeit sei, diese beiden Geseke als eine Art Verfassung unter Dach und Fach zu bringen; denn von Tag zu Tag steigerte sich die Macht des Kurfürsten, für den die Mark immer mehr den Charakter einer Provinz neben anderen Provinzen annahm, der aber zugleich auch in der Mark als Herr eines kleinen, sich aber doch

stetig mehrenden trefflich geschulten und ihm unbedingt ergebenen Heeres eine Machtstellung einnahm, wie sie keiner seiner Vorfahren auch nur annähernd besessen hatte. So erklärt es sich denn, daß die Stände sich beeilten und bereits am 3. August 1653 eine Vorschlag3liste für die Kommission zu beiden

geseßgeberischen Arbeiten einreichten. Die Vorschlagsliste zur Bearbeitung der Kammergericht3ordnung enthielt 14 Personen, und zwar lediglich Altmärker und Mittelmärker; die für die Landeskonstitution dagegen 22, zum Teil dieselben wie erstere, dazu aber auch Neumärker. Denn letzteres Geset sollte für die ganze Mark gelten, während in der Neumark an Stelle des Kammergerichts die Neumärkische Regierung koordiniert bleiben sollte, die Neumärker also an der Kammergericht8ordnung nicht beteiligt waren. Das war recht unpolitisch, denn die Märker hätten in jener Stunde, wo ihnen zum lekten Male für lange Zeit die Teilnahme an der Gesezgebung zugestanden, alle Veranlassung

gehabt, einig vorzugehen und auf den ihre Kraft schwächenden partikularistischen Standpunkt, zwei Obergerichte in der Mark zu haben, Verzicht leisten müssen. Daran dachte aber niemand; im Gegenteil, archive befinden. Ex bildete im gewissen Sinne eine Verfassungsurkunde für die Kur- und Neumark. Die Gerichtsverfassung ist im Punkt 16 geregelt. !) Für den Zivilprozeß am Kammergerichte enthält der Rezeß nur das vage Programm: erst Sühneversuch, dann schleunigster Prozeß. Auf mehr konnte ver-

zichtet werden, da ja die Abfassung einer Kammergericht3ordnung in Aussicht genommen war.

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die Altmärker hatten im Rezesse von 1653 auch noch die Gleich-

stellung ihres Quartalgerichts mit dem Kammergerichte durchgeseßt, aber sie waren doch insofern an der neuen Kammergericht8ordnung

interessiert, als ihr Gericht als Teil des Kammergerichts galt, also von etwaigen Änderungen bei diesem ohne weiteres mitbetroffen wurde. Der im August 1653 gezeigte Feuereifer erlahmte aber sehr bald bei den Ständen, denn erst am 21. Februar 1655 baten sie den Kurfürsten, einen Termin zum Beginn der Arbeiten in Berlin anzuberaumen, worauf dann der Kurfürst, der seinerseits keinen Anlaß, über Ver-

sc „Vor Hoff im Schlosse“, veproduziert von Erman „Berlin anno 1690. Zwanzig Ansichten aus Johann Striedbeck

-=

70

=

Vorhandensein keiner der damaligen Räte mehr als persönliche Kränfung empfinden konnte; auch Kohl, der nominell noch als Vorsigender galt, war kurz zuvor, am 17. Juni 1655 seinem langjährigen Leiden

erlegen. Noch nach seinem Tode zeigte sich der Einfluß dieses tüchtigen Mannes, denn der Kammergerichtsrat Weißke?) arbeitete in den Jahren 1656 und 1657 einen Entwurf für die beabsichtigte Kammergericht3ordnung aus, der sich eng an den Kohlschen anlehnte, dabei aber vorsichtig alles wegließ, was von den Ständen irgendwie als Neuerung aufgefaßt werden konnte. Da starb am 1. Februar 1658

Thomas v. dem Knesebeck, der sechs Jahre hindurch tatsächlich Vorsigender des Kammergerichts gewesen war, und der begonnene Anlauf geriet wieder ins Stocken. Knesebeck hatte es in dieser Stellung durchgeseßt, daß regelmäßig ebensoviel Adelige wie Bürgerliche angestellt wurden, so daß sich seitdem wieder eine adelige und eine gelehrte Bank unterschied. Dies hatte im Gericht3hofe bei den bürgerlichen Räten manche Mißstimmung erzeugt, die sich noch steigerte, als nach Knesebecks Tode der älteste adelige Rat, Lucius v. Rahden, der aber an Dienstalter den meisten bürgerlichen Räten nachstand, zum Vizekanzler, d. h. zum Vorsizenden des Kammergerichts ernannt wurde.?) Seitdem wurde es zur festen Regel, diesen Vorsißenden aus dem Adel zu wählen, unter dem dann je fünf adelige und gelehrte Räte standen. Da außerdem der Kanzler als der eigentliche Vorsizende des Gericht3hofes galt, so ist bei der Besezung die uralte Zwölfzahl

gewahrt. Unter dem neuen Vorsißenden v. Rahden ergingen, offenbar von ihm veranlaßt, am 3. und 12. März 1658?) scharfe Verordnungen,

einerseit3 zur Regelung des Bureaudienstes, anderseits zur Ordnung

des Sißungsdienstes bestimmt, letztere mit scharfen Strafandrohungen gegen die Advokaten gerichtet, die sich ungezogen in den Sißungen

betrügen und oft Termine versäumten.

Am Kammergerichte selbst

des jüngeren Skizzenbuch“, Bl. 4. Vergleiche auch Kloeden „Andreas Schlüter“, S. 94 ff. Noch im Jahre 1677 wurden die alten Räume im Schlosse als „Kammergericht“ bezeichnet (Kloeden a. a. O., S. 100). 1) Gr war ein Schwiegersohn von Era8smus Seidel, also Schwager von

M. F. Seidel, der seinerseit3 den alten Kohl zum Schwiegervater hatte. 2) Die Ernennung v. Rahdens zum Vize-Kanzler kann als eine Rückkehr zu den alten Verhälten, wie sie zu Kohls Zeiten bestanden, aufgefaßt werden; die Direktion durch Th. v. dem Knesebeck bildet dagegen eine Übergangs8zeit, aus der sich vielleicht bei längerer Lebensdauer desselben etwas anderes entwickelt haben würde. 8) Mylius, C. OC. M., T. 2, Abtlg. 1, Nr. 27 und 28.

MER3

spöttelte man über diese schneidigen Verordnungen: „Gute Gesetze seien schon da, wenn sie nur befolgt würden.“ Wichtiger als diese

an die Zeiten des älteren Distelmeier erinnernden, ziemlich belang-

losen Detailbestimmungen war es, daß der Kurfürst nach längeren

Beratungen mit den Geheimen Räten unter dem 5. Juli 1658 aus

eigener Machtvollkommenheit eine Jnterimsverordnung über das BVerfahren am Kammergerichte erließ, die so lange dort gelten sollte, bis sih die Stände über eine Kammergerichtsordnung geeint haben würden.) Diese in 40 Paragraphen geteilte Verordnung war ein kurzer und sehr klar abgefaßter Extrakt des Kohlschen Entwurfs von 1642 oder genauer der Weißkeschen Umarbeitung desselben, denn sorgfältig war alles, was als Neuerung betrachtet werden konnte, fortgelassen worden. Vorsichtig vermieden war auch die Entscheidung,

wann und wie gegen Urteile des Kammergerichts appelliert werden

könne, denn auch die Regierung war sich über die Regelung dieser

Frage noch völlig im unklaren.

Letzteres erklärt sich ausreichend

daraus, daß der Kurfürst in Preußen und an allen Teilen des alten

Reichskörpers nichtmärkische Gebiete besaß, und die Frage, ob und wie diese mit der Mark zu einem Gesamtstaate zu verschmelzen, noch eine offene und um so schwieriger zu beantwortende war, : als die

einzelnen Gebiete ganz verschiedene Verfassungen hatten. Der Kurfürst war auch nur in der Mark und in Preußen oberster Gericht8herr, in den übrigen Gebieten war das Reichs-Kammergericht die oberste

Instanz. Die Stände konnten gegen den Jnhalt der Verordnung kaum

etwas Wesentliches erinnern, aber die Tatsache, daß der Kurfürst jett

in dieser Angelegenheit selbständig vorging, machte sie bedenklich, da sie darin mit Recht einen Präzedenzfall sahen; außerdem fühlten sie in Erinnerung an ihre bisherigen Nichterfolge auf diesem Gebiete der Gesetzgebung, daß die Interim8ordnung, wenn sie bis zum Erlaß einer mit ihnen vereinbarten Kammergericht3ordnung gelten sollte, wohl für alle Zeiten gelten werde.

Sie richteten deshalb an den

Kurfürsten, der damals (seit September 1658) gegen Karl X. Gustav von Schweden unter Waffen stand, das Ansuchen, die JInterimsordnung, die noch nicht gehörig publiziert sei, die auch in Liquidation8-

prozessen eine bedenkliche Neuerung enthalte, zurückzunehmen. Hiermit 1) Erschienen im Druck bei Christoph Runge in Berlin, kl. Quart 1658, im

Auszuge bei Holte, „Kammergericht“, Bd. 2, S. 246 ff. Original im Geh. Staatsarchive R. 9. X. 1a.

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war das Versprechen verbunden, die neue Kammergericht3ordnung

schleunigst in Angriff zu nehmen und fertig zu stellen.!)

Der Kur-

fürst, dem die Sache während der damaligen kriegerischen Ereignisse sehr gleichgültig war, dessen Befugnis, derartige Verordnungen zu erlassen, von den Ständen kluger Weise auch mit keinem Worte bezweifelt war, ging auf die Wünsche der Stände und deren Begründung ein und befahl mit Schreiben aus seinem Feldlager Viborg in Jütland vom 4. Mai 1659 seinem Statthalter in der Mark, dem Grafen

Dohna, dem Kammergericht zu eröffnen, daß es mit der nicht gehörig publizierten Interim5verordnung bis zum Erlaß der definitiven, namentlich in Liquidation3prozessen so genau nicht genommen werden solle. ?) Dieser Erlaß war aber erschlichen, denn die Stände hatten in bezug auf die Publikation die Unwahrheit behauptet. Aber mutig gemacht durch ihren Erfolg gingen sie noch weiter. Bereits am 11. Mai 1659 traten die Vertreter der sieben mittelmärkischen Kreise den

Kurfürsten „tiefbittlich“ an, die Jnterim3ordnung so lange zu suspendieren und die vorige Kammergerichtsordnung so lange in Kraft lassen zu wollen, bis sie sich noch mit den Geheimen Räten über einzelne Punkte geeinigt haben würden. Auch diesen Wunsch gewährte der Kurfürst durch Schreiben aus seinem Feldlager Friedrich3odde (dem späteren Fridericia) am 20. Mai 1659.83) Schwerlich wußte der große Fürst, daß die „vorige“ Kammergericht3ordnung lediglich die Reformation von 1540 war, die schon vor 50 Jahren al3 veraltet gegolten hatte. Die Su3pension wurde nun dem Kammexrgerichte bereits am 31. Mai 1659 eröffnet und erregte hier das äußerste Befremden. Jn einem undatierten, aber offenbar aus den ersten Junitagen 1659 herrührenden Schreiben an den Statthalter deckten die Räte das Intrigenspiel der Stände auf; etwas höhnisch fragten sie an, was denn unter der „vorigen“ Ordnung zu verstehen sei, da man außer dem Interim vom vorigen Jahre nur die auf einem

halben Bogen gedruckte kurze Reformation von 1540 habe, die „allein von direction des procesgus etwas Weiniges disponire“.

Hieran

wurde die Bitte geknüpft, die Interim3ordnung in Kraft zu belassen. Aber der Kurfürst hatte völlig mit der Sache abgeschlossen; am ?) Akten der märkischen Provinzialstände, ad 153, Nr. V. ?) Akten des Geh. Staatsarchivs R. 9. X. 1a, mangelhafter Abdruck bei Mylius, OC. M. T.'2, Abilg.- 2, Nr. 4: 3) Hier und für das folgende: Akten des Geh. Staat3archiv8 R. 9. X. 1a. Ginige Auszüge bei Holtze, „Kammergericht“, Bd. 2, S. 368ff.

72

14. Juni 1659 verfügte er aus dem Kriegslager auf der soeben im Sturm genommenen Jnsel Fanoe, es solle bei der Sus8pension verbleiben, es seien auch genug gute Geseze am Kammergerichte vorhanden, die nur nicht befolgt würden. Zur Abfassung einer neuen

Kammergericht3ordnung sei die Konferenz mit den Ständen tunlichst zu beschleunigen. Diese damals angeordnete Suspension war aber um so bedenklicher, als das Juterim tatsächlich nur den alten Brauch am Kammergerichte feststellte, es bei der Suspension also so schien,

als solle auch dieser aufgehoben sein. Jn einzelnen Punkten war dies übrigens den Ständen ganz recht, und sie unternahmen auch den Versuch, diese Unklarheit au8zunnzen. So knüpfte sich denn an die Ordre vom 14. Juni 1659 noch eine längere Korrespondenz des Gerichtöhofes mit dem Kurfürsten, den in dieser Angelegenheit der Oberpräsident Otto v. Schwerin beriet, und die mit der kurfürstlichen Vertröstung (Barth, 22. Oktober 1659), es solle alles in der neuen

Kammergerichtsordnung geregelt werden, ihr Ende erreichte.

Diese

Vorgänge erweckten, so gleichgültig sie dem Kurfürsten waren und unter den damaligen Kämpfen auch sein mußten, beim Kammergerichte, das dadurch in die schwierigste Lage gebracht wurde, das äußerste Mißbehagen. Dasselbe hat in der im folgenden Jahre vom Kammergerichtgrat M. F. Seidel abgefaßten kurzen Geschichte des Kammergerichts, der ältesten vorhandenen, beredeten Ausdruck gefunden. Wenn dieser Mann am Schlusse der Hoffnung Ausdruck gibt, es möge nun doch endlich die so lange besprochene Kammexr-

gericht3ordnung vollendet werden, so sollte dieser Wunsch noch lange unerfüllt bleiben. *) Allerdings glaubte mancher, dazu die Vorarbeiten leisten zu können; so widmete der bekannte Frankfurter Professor Brunnemann dem Oberpräsidenten Otto v. Schwerin seinen tractatus jJuridieus de procegazu (1659) und spielte dabei sehr deutlich auf

seine Fähigkeit an, den beabsichtigten Entwurf der Kammergericht8ordnung herstellen zu können. Aber der Wink blieb unverstanden.?) Inzwischen hatte der Kurfürst am 20. November 1660 dem Geheimen Rate die Befugnis erteilt, über Beschwerden gegen das Kammexr-

gericht nach Anhörung der Beteiligten zu entscheiden. Diese deutlich ausgesprochene Unterordnung machte nun die Stände stußig; sie baten daher im Mai 1661 den Kurfürsten neben anderen Punkten, aber an erster Stelle, die Revision der Kammergerichtsordnung !) Vgl. S. 69, Anmerkung 2. ?) Über Brunnemann: „Küster, collectio .opusculorum . ..“ 3 Stüc, S. 24ff.

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nunmehr

vornehmen

zu

lassen.

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Wenn

man

aber

den

un-

endlich weitläuftigen dabei vorgeschlagenen Arbeitsplan berücksichtigt, kommt man zur Vermutung, daß auch den Ständen die Sache nicht

sehr dringlich erschienen sei.)

Der Kurfürst ging sofort auf den

Antrag ein, erteilte auch dem Geheimen Rat v. Loeben und dem Kammergerichtsrate Weißke, die =- wie die Stände wünschten =- mit

den Vorarbeiten betraut werden sollten, dazu den Auftrag, aber die

Sache blieb liegen, da v. Loeben dienstlich verreisen mußte. Erst am 7. August 1663 wurde beiden, dazu auch noch dem Geheimen Rat v. Platen und dem Vizekanzler v. Rahden dasselbe Mandat er-

teilt; aber nun ließen die ständischen Vertreter, die mitarbeiten sollten, nichts von sich hören, so daß der Kurfürst in einer von Schwerin fonzipierten Order vom 28. Dezember 1664 zur Beschleunigung exr-

mahnte: „(Es ist schimpflich, daß das Kammergericht, als das höchste gericht in diesem unsern lande, länger ohn eine gewisser Verfassung und ordnung gelassen werden solle.“ Daran wird die Drohung geknüpft, daß der Kurfürst bei längerem Säumen der Stände die neue

Ordnung selbständig erlassen werde. ?) Aber- man hatte jezt andere Sorgen, namentlich tobten damals

in der Hauptstadt die während der Kriegszeit eingeschlafenen Kämpfe zwischen Lutheranern und Reformierten. Der Kurfürst verlangte deShalb im Jahre 1668, daß alle Prediger und Beamten einen Revers unterzeichneten, in dem sie gelobten, die kurfürstlichen Toleranzedifkte von 1662 und 1664 streng zu befolgen.

Als hiergegen die

Kammergerichtzräte M. F. Seidel und Reinhard, strenge Lutheraner, Gewissen3bedenken geltend machten, wurden beide ohne weiteres ihrer

Dienste entlassen (Juli 1668).3) So wohltätig dieses strenge Wachen über die gegenseitige Duldung der beiden Konfessionen war, so zeigt auch diese3 scharfe Vorgehen den Kurfürsten in einer sehr gesteigerten Machtfülle. Dieselbe trat auch wenige Monate später zutage, als endlich im Herbst 1668 von den Ständen und dem Kammergericht

ein Entwurf der Kammergericht3ordnung fertiggestellt und dem Kurfürsten zur Genehmigung unterbreitet wurde.*) Dieser Entwurf, von Weißke redigiert, enthielt diesSmal =- von den ständischen Vertretern 1) Akten des Geh. Staatsarchivs R. 20. D. D. 2?) Akten des Geh. Staatsarchivs R. 9. X. 1a. 3) Bolte, „M. F. Seidel“, S. 10 bis 11; Seidel war im Nebenamte Kon-

sistorialrat und in dieser Stellung in Gewissensbedenken geraten. 4) Akten des Geh. Staatsarchiv8 R. 9. X, 1a.

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gefordert =- eine Gericht3verfassung und war verbrämt mit Bezug-

nahme auf alle möglichen ständischen Reverse, namentlich den Rezeß von 1653. Die projektierte Ordnung zerfiel in 24 Titel, die Prozeßordnung erschien in wesentlicher Anlehnung an Kohls Entwurf von 1642. Der Kurfürst erklärte sich im wesentlichen damit einverstanden, verlangte indes die Verbesserung einiger offenbarer Fehler, aber er

tadelte auch einzelne Punkte, die seinem Gefühle absoluter Fürstenmacht widersprachen. So sollte nicht vom Kaiserrecht gesprochen werden, es sollte auch nicht gesagt werden, daß die Universität3gutachten unter seinem Namen zu publizieren seien, denn dies sei selbstverständlich.

GEndlich sollte =- das war das wichtigste = von

den alten Landtagsrezessen nicht als einem ius provinciale geredet werden, da viel darin stehe, was diesen Namen nicht verdiene, schließlich sei der Schlußpassu8, daß die Stände vor der Abfassung

einer Landeskonstitution gehört werden sollten, fortzulassen.

Sachlich

war sonst nur der kurfürstliche Befehl bedeutsam, daß artikulierte

Schriftsäße wegfallen sollten, wie dies neuerdings beim Reichskammergerichte eingeführt sei.) Nun aber baten die Stände, den Entwurf vor der Publifation auf dem Kammergerichte einsehen zu dürfen, dies wurde am 1. Juni genehmigt, aber bis zum 8. Juli war kein

Deputierter erschienen. Darauf wurde ihnen der Entwurf auf erneute Bitte zur Durchsicht zugesandt und blieb nun unerledigt liegen. Bei

diesem völligen Versagen der märkischen Stände, an der Gesehgebung mitzuarbeiten, hatte der Kurfürst nun auch das moralische Recht,

durch Reskripte, deren Befolgung dem Kammergericht befohlen wurde, selbständig alle möglichen Materien zu ordnen. Diese Reskripte häuften sich seitdem von Jahr zu Jahr. Das Kammergericht hatte nun, während die Stände dazu schwiegen, Rückgrat genug, an Stelle

solcher Reskripte gesezliche Regelung der Streitfragen zu beantragen, worauf der Kurfürst am 27. Dezember 1671 entgegnete, dazu habe er feine Veranlassung, die Reskripte seien auch nur als eine Richtschnur bei den mit den Parteien anzustellenden Vergleichsversuchen aufzufassen, mißlänge aber der Vergleich3versuch, seien ihm die Akten

nebst Bericht zur Entscheidung zuzusenden. *?)

Solche Berichte sind

1) Dieser fehlerhafte („vitiöse“) Entwurf ist nicht erhalten, dagegen eine unter Berücksichtigung der meisten Monita hergestellte Abschrift, die von Mylius, C. CO. M., T. 6, Abtlg. 3, Nr. 4 veröffentlicht worden ist.

2) Vgl. „Urkunden und Aktenstücke“, Bd. 10, S, 432ff., ferner Holte, „Kammergericht“, Bd. 2, S. 277ff.

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nut

denn auch in den nächsten Jahren regelmäßig erstattet worden, zu großer Belästigung des Kammergerichts, da derartige Fälle fast in jeder Sitzung vorfielen. Dazu kam dann die Zeit der schwedischen Invasion mit ihren Requisitionen und die Fülle neuer Steuern zur

Deckung der Kosten für das eigene Heer. Die Stände hatten daher näherliegende Beschwerden als die über gelegentliche Reskripte in Dingen, die gegenüber den neuen Lasten recht unerheblich schienen. Die Reskripte ergingen jetzt als Notstand3verordnungen begründet, und das Kammergericht gab seinen im Dezember 1671 erhobenen Protest dagegen ebenfalls auf. Beim stärkeren Anziehen der Steuerschraube mehrten sich auch die fiskalischen Prozesse in bedenklicher Weise, da die Fiskale, um das dringend nötige Geld zu schaffen, jede kleine Lehnöirrung oder Steuerhinterziehung bei den neuen Steuergesezen

unerbittlich verfolgen mußten.

Bezeichnend genug ist es, daß, als

auf einer im März 1683 anstehenden Deputiertenversammlung der Deputierte des Havellandes beantragte, in der an den Kurfürsten zu erlassenden Beschwerde an die fehlende Kammergericht3ordnung zu er-

innern, die andern Deputierten dies ablehnten. Man einte sich schließlich damals, über die Einführung gestempelten Papiers bei allen Gingaben zu klagen, da dies eine Beschwerung der „werten Justiz" sei.!) Natürlich wurde die Klage mit dem Hinweise auf die dringend nötige kostenschwere Kriegsbereitschaft de3 Landes zurückgewiesen. Bald genug griffen diese Reskripte auch in das Verfahren vor dem Kammergerichte ein; da wurde die Verhandlung über die zu beschließende Beweis-

aufnahme (positiones) auf Ausnahmefälle beschränkt, da ward die Bezugnahme auf nicht vorhandene Urkunden den Anwälten bei schwerer Strafe verboten. ?) Endlich wurde die zu hinterlegende Succumbenzstrafe der erfolglos Appellierenden erhöht. (7. Mai 1686.) Diese lezten Lebensjahre des großen Fürsten standen unter dem Zeichen der edelsten Toleranz. Juden und Franzosen, die in Österreich und Frankreich des Glaubens wegen verfolgt und ausgewiesen waren, wurden in seinen Landen, namentlich im mächtig aufblühenden Berlin aufgenommen; auch der einst wegen Nichtunterzeichnung der Toleranzedikte seines Amtes entsezte und in schwedische Dienste als Hofkammergerichtsrat in Wolgast getretene Kammergerichtsrat M. F. Seidel wurde im April 1679 mit seiner alten Anciennetät wieder 1) Akten de3 Geh. Staatsarchivs R. 9. X. 1a, die auch für das folgende

benußt sind. 2) Mylius, OC. C. M., TI. 2, Abtlg. 1, Nr. 57, Reskript vom 2. November 1683.

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als solcher aufgenommen. Die Gericht8barkeit über die Berliner Juden übertrug der Kurfürst dem Hausvogte, der indes die schwierigen

Streitsachen dem Kammergerichte überweisen sollte, während die Franzosen lediglich unter eigenem Richter stehen sollten. Der damals kräftig aufblühende Staat machte somit manche Neuerungen erforderlich, und es ließ sich erkennen, daß diese auch das Kammergericht mannigfach beeinflussen würden. Ein Zeichen der neuen Zeit war e38 auch, daß nach dem am 19. Januar 1686 erfolgten Tode des Vizekanzlers QLueius v. Rahden, der zugleich an der Spike des Konsistoriums gestanden hatte, in beide Stellungen der Landes8haupimann der Altmark Thomas v. dem Knesebe> als Präsident des Kammergerichts be-

rufen wurde.) Dieser bisher in Hofstellungen und als Diplomat tätig gewesene Mann erhöhte den Glanz seines Gericht3hofes, für den der Kurfürst in den lezten Jahrzehnten viel Wohlwollen gezeigt hatte. Oft genug ist in seinen Reskripten von der „hohen Reputation“, der „Ehre und respect“ des Kammergerichts die Rede, und ein Blick auf die damalige Besezung beweist ebenso wie die rückgratstarke

Haltung zu den verschiedensten Gelegenheiten, wie berechtigt diese selbst vom Kurfürsten anerkannte hohe Stellung war: Unter einem

Präsidenten vom besten Adel der Mark, fünf adelige Räte mit je 600 Talern Gehalt, daneben ebensoviel Gelehrte mit je 400 Talern, alle mit bezahlten Nebenämtern und manchen Sporteln ausgestattet. Die Adeligen meist durch eigenen Besiz, die Gelehrten durch die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten auch anderweit zu verwerten, waren durchaus unabhängig und nie auch nur durch den Verdacht gestreist, daß ihnen das Recht feil sei. Aber diese Nebenämter trugen eine große Gefahr in sich, die sich schon damals bemerkbar machte. (Es finden sich nämlich jezt am Kammergerichte junge Leute, die mit der Hoffnung, in eine erledigte Stelle einzurücken, außeretatömäßig entweder ohne Entgelt, d. h. bloß auf die Sporteln angewiesen, oder gegen 100 Taler zur Entlastung der angestellten Räte im Kammer-

gerichte tätig waren. Dieses Hilfsrichtertum, das sich ganz allmählich eingebürgert, barg eine Gefahr in sich, die später stark in die Ex1) y. dem Knesebeck, „Aus dem Leben der Vorfahren“, S. 142 ff.

Thoma3

v. dem Knesebe>, der erste, der den Titel eines Präsidenten des Kammergerichts

geführt hat, war im Jahre 1628 geboren.

Seine Bestallung als Präsident des

Kammexgerichts und des Konsistoriums datiert vom 30. April 1686. Vonseinem

Gehalte hatte er den Vertreter im Vorsike des Altmärkischen Quartalgerichts zu bezahlen, da er seine Stellung als Landeshauptmann beibehielt.

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scheinung treten sollte. Dazu kam das Überhandnehmen der Reskripte, die oft in den kleinsten Ginzelheiten von den Parteien verlangt wurden, und oft den tatsächlichen Verhältnissen derart widersprachen, daß der große Fürst sich am 30. Januar 1688 zum Befehle an das Kammer-

gericht veranlaßt sah, es solle sich niemals durch Reskripte und Dekrete, die durc< „importunae preces vel male narrata“ erschlichen seien, in der Handhabung der Justiz irre machen lassen.) Wenn nun auch

ein solcher Befehl kaum ausführbar ist, so zeigt doch sein Erlaß die hohe Gerechtigkeitsliebe des Fürsten und sein felsenfeste3 Vertrauen auf das Kammergericht. Zugleich ist es ein würdiges Abschied8wort des Fürsten, der am 29. April 1688 sein tatenreiches Leben beendete, das er dazu benußt, sein aus tausend Wunden blutendes Land zu

Macht, Wohlstand und Bedeutung in Europa zu erheben. Thomas v. dem Knesebeck überlebte den Herrscher nicht lange, schon am 23. Januar 1689 verstarb der „Präsident des hochpreislichen

Kammergerichts", wie es in der Todes8anzeige heißt, nachdem der

Kurfürst Friedrich II. ihn noc< auf seinem Krankenlager besucht hatte. Der unter diesem Fürsten lange allmächtige Minister Eberhard v. Danckelmann brachte nun an des Verstorbenen Stelle seinen ältesten

Bruder Jakob Sylvester mit dem stattlichen Gehalte von 3500 Talern, aljo vollen sieben Zehnteln vom Gehalte aller zehn Kammergerichts-

räte zusammen. CEberhard hatte hier für einen Nepoten gesorgt, aber nicht zugleich für den Staat, denn der so glänzend versorgte Bruder war völlig verbraucht und kränkelte seit 1692 fortdauernd bis zu

seinem drei Jahre später erfolgten Tode.

Nach diesem bestand zu-

fällig keine Veranlassung, die so glänzende, unter Danckelmann zur Sinekure gewordene Stelle des Präsidenten mit einer zu versorgenden Person zu besezen. Es ward daher ein Provisorium geschaffen, und der älteste Rat v. Wedell, der seit Jahren den kranken Präsidenten vertreten hatte, unter dem Titel „Direktor“ mit dem dauernden Vor-

sive im Kammergerichte beauftragt.

Ganz zweckmäßig war es auch,

wenn hier ein Provisorium geschaffen wurde, denn die rasche Entwicklung, die namentlich die Residenz in den lezten Jahrzehnten genommen, hatte hier eine ganze Reihe von Behörden und Sondergerichten entstehen lassen, die mit dem Kammergerichte in gar keinem oder =- was bedenklicher =- in einem unsicheren Verhältnis standen.

Die mit den reichsten Gunstbezeugungen überhäufte französische Kolonie 1) Mylius, OC. C. M., T. 2, Abtlg. 2, Nr. 67.

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hatte seit 1690 ein eigenes, vom Kammergerichte ganz unabhängiges

französisches Obergericht als zweite Instanz erhalten.) Ju Bausachen durfte nur auf besonderen Befehl Appellation an das Kammergericht

ergehen,?) Jagdamt, Postamt, Marschallamt verlangten und erlangten Befreiung von der ordentlichen Gerichtsbarkeit in allen Dienstsachen und suchten dann diese Befreiung immer weiter auszudehnen. Dafür

sollte nach dem Wechseledikte das Kammergericht lezte Instanz in allen Wechselsachen, also eine Art Oberhandel8gericht darstellen. Alles war im Flusse, und die Frage, ob das Kammericht überhaupt zu-

ständig, recht oft schwerer zu entscheiden als die sonstigen Streitpunkte. Da waren denn eine Menge von Reskripten notwendig, um die Zu-

ständigkeit in diesem oder jenem Streitfalle zu entscheiden, und es

liegt auf der Hand, daß diese Reskripte sich oft genug widersprechen mußten. Dieselben ergingen von den mit Bearbeitung der Justizsachen beauftragten Geheimen Räten, da nur noch in seltenen Ausnahme-

fällen der Kurfürst selbst derartige Entscheidungen traf.) Dagegen famen derartige Entscheidungen des Kurfürsten auf Supplikationen der Parteien in schwebenden Rechtssachen oft genug vor und betrafen biöweilen so untergeordnete Punkte wie eine erbetene Fristverlängerung. E3 ist daher kein Wunder, wenn die Advokaten am Kammergericht

diese Nebenwege, die aufs kürzeste zum Siege ihrer Partei führen konnten, einschlugen, und in Prozessen oft genug die schlaue Benußung der Verhältnisse weiter brachte als das klarste Recht. Dies führte dann zum Mißstande, daß die Räte des Kammergerichts sich daran gewöhnten, in den Advokaten die Feinde des geordneten Recht8ganges und damit des Rechtes selbst zu erbliken.*) Dazu kam, daß einzelne Bureaubeamte, namentlich Privatschreiber, die von den Protonotaren des Kammergericht3 zur Herstellung von Abschriften benußt wurden und dazu die Akten in ihre Wohnung zugesandt erhielten, nicht diskret damit umgingen und den Advokaten gegen Entgelt Abschriften von Aktenteilen verfertigten. Über dergleichen wurde damals mit einem den Heutigen unverständlihen Wohlwollen hinweggesehen; es war auch meist kein Kläger da. Wohlwollen war überhaupt das Zeichen

jener Zeit, obgleich die oft furcenden Beilen, beygefügt. Diese Worte aber darunter geseßet: Cura prinecipis pro iuris et legum perpetuitate.“

O9:

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Vorsißender und Räte wurden am Tage nach dem Einzuge, am 7. Mai morgens 9 Uhr vom Könige zur Beglückwünschung auf dem Schlosse empfangen, wobei Direktor von Wedell für das Kolleg die

Ansprache hielt.

Bei der glänzenden Jllumination der Residenz

zeichnete sich namentlich die am Hause des Kammergerichtsrats Bewert angebrachte aus. Mit wahrhaft prophetischem Geiste hatte er unter anderen eine vollaufgeblühte Kaiserkrone (fritillaria imperialis) anbringen und erleuchten lassen mit der 170 Jahre später erfüllten Umschrift „aum numine dante“.!) Aber diese Erhebung zur Königswürde hatte eine unendlich höhere

Bedeutung, als ihr später die mangelhafte Erkenntnis hat zuschreiben wollen.

Sie war das Hauptmittel zum Zusammenschmelzen der ver-

schiedenen seit 200 Jahren und namentlich seit dem Westphälischen Frieden von den Hohenzollern erworbenen Gebieten zu einem ein-

heitlichen Ganzen. Wesentlich war es auch, daß Friedrich 1. für seine nichtmärkischen, auf dem Boden des alten Reichskürpers liegenden Gebiete ein fast unbeschränktes privilegium de non appellando erhielt, wie es biSher = hier aber unbeschränkt =- nur die Mark be-

sessen hatte. Dieser Umstand war hauptsächlich die Veranlassung, daß das aus verschiedenen Mitgliedern des Geheimen Rats im Jahre 1703

errichtete Ober-Appellation8gericht nicht dem Kammergerichte Übergeordnet, sondern nur zur höchsten inländischen Instanz für die anderen deutschen Lande, abgesehen von -der mit einem eigenen Ober-

gerichte bereits versehenen Grafschaft Ravensberg gemacht wurde. Aber der neue Gericht3hof war nur mit einer Jnterimsverordnung

versehen, was darauf deutete, daß man sich noc< Änderungen offen lassen wollte.

Den Räten an demselben war =- wa3 damals eine

noch bedeutendere Rolle als heute spielte =- im Hofzeremoniell der

Rang vor den Obersten eingeräumt, während sich die Kammergerichtsräte mit dem hinter den Obersten vor den Oberstleutnants zu be-

gnügen hatten.?) Diese Bevorzugung konnte dahin gedeutet werden, daß man damit umging, das neue Gericht auch dem Kammergericht überzuordnen. Waren doch auch mehrere Kammergerichtsräte in das ranghöhere und auch besser besoldete Amt eines Ober-Appellations1) Man kann diese glänzende Beteiligung der Kammergerichtsräte an den

Festlichkeiten jener Tage auch als einen Beweis für ihre günstige finanzielle Lage betrachten, sowie für die bedeutende Rolle, die sie damals in der Berliner Ge-

sellschaft spielten. 2) Holze, „Juristisches Berlin“, S. 24 ff.

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gerichtzrat3 befördert worden, übrigens zum Schaden des Kammergerichts und zur Belastung der bei ihm verbleibenden Räte. Denn um

Kosten zu sparen, waren die Stellen der Avanzierten einstweilen durch Hilfskräfte beseßt worden. Unter diesen Umständen war es dringend erforderlich, daß die bereit3 im Oktober 1698 auf Anregung des Direktors v. Wedell wieder angeregte Frage nach einer neuen Kammer-

gerichtsordnung in stärferen Fluß geriet. Denn nur dann, wenn endlich die Zuständigkeit des Kammergerichts fest geregelt war, konnte man der Gefahr, dem neuen so überaus glänzend in Szene geseßten

Gerichte untergeordnet zu werden, Widerstand entgegenstellen.

Der

Direktor v. Wedell, der übrigens als Rat in das Appellationsgericht bei dessen Errichtung aufgenommen war, scheint nun, wenn die Angaben seiner Erben in einer Eingabe an den König richtig sind, von diesem den Auftrag im Jahre 1700 erhalten zu haben, selbst die von

ihm angeregte Arbeit zu leisten, wofür ihm dann nach der Vollendung 1000 Taler Belohnung versprochen seien.) Im Jahre 1704 hatte v. Wedell auch einen sehr umfangreichen Entwurf fertig gestellt und der Regierung eingereicht; er starb inde3 im selben Jahre.

Nun

wurde eine Kommission am 10. November 1704 ernannt, in die neben dem Geheimen Rate Samuel v. Chwalkowsky der an v. Wedells

Stelle zum Vorsißenden des Kammergerichts ernannte älteste adelige Rat v. Borke mit den Räten v. Heugel, v. Wambold und Mieg be-

rufen wurden. Zunächst sollte aber das Kammergericht in gemeinsamen Sißungen den Entwurf durchgehen und seine Bemerkungen jener Kommission mitteilen. Damit war die Sache, wie so oft vorher, wieder festgefahren; es erklärt sich daher, daß der Vorsikende des Kammergerichts v. Bor>e sich im Juni 1705 mit einem Immediatberichte an den König wandte und diesen darin bat, einige beim

Kammergerichte eingerissene schwere Mißstände „remediren“ zu wollen.?) Es waren im wesentlichen die alten Klagen über Mißbrauch der Supplikationen an den Landesherrn, über mangelhafte Erledigung

des Dezernate3, ungebührliche3 Benehmen der jeht beim Kammergericht auf 100 Bersonen angelaufenen Anwaltschaft, für die ein numerus clausus einzuführen sei, und über mangelhaften Bureaudienst bis auf das schlechte Hesten der Akten hinab. Was v. Borke erstrebte,

waren =- das sprach er aus =- strenge Strafen wider

1) Akten des Geh. Staats3archivs R. 9 X 1a, dazu v. Hymmen „Beyträge zur juristischen Litteratur in den preußischen Landen“, 2. Sammlung, S. 271. 2) Holze, „Kammergericht“, Bd. 3, S. 48 ff.

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unnüß supplizierende Parteien und ungebührlich sich betragende Anwälte, daneben aber =- das war hinter den Zeilen zu lesen -- die

Gewährung der dem Vorsißenden bisher fehlenden Disziplinargewalt über die Räte. Die Regierung behandelte diese Eingabe, die vielleicht besser zu einer anderen Zeit, als bei: Vorberatung der neuen

Kammergericht3ordnung hätte gemacht werden sollen, dilatorisch, indem sie eine Kommission zur Prüfung der gerügten Mängel und vorgeschlagenen Abhilfen einsezte; zugleich aber wurde das Kammergericht an die Erledigung der Vorberatung des Wedellschen Entwurfs erinnert. Diese Art der Behandlung seiner Eingabe kränkte Herrn v. Borke, und er machte in einer zweiten Eingabe vom 7. September 1705 geradezu sein Verbleiben im Amte von der Gewährung seiner

Vorschläge abhängig. Er sprach darin von grober Konfusion, unglaublichen Zuständen, von Ungerechtigkeit und von höchst unverantwortlichen Dingen. Man hat dabei den Eindruck der starken Übertreibung und des allzusehr hervorstehenden Wunsches, mit Machtmitteln den Räten gegenüber ausgestattet zu werden. Das erkannten

die Räte sehr wohl, auch die Regierung hatte keine Lust, sich diesen Wünschen des beim Kammergerichte mißliebig gewordenen Mannes zu unterwerfen und ergriff deshalb den Ausweg, am 23. November 1705 den bisSherigen Geheimen Rat Johann Sigi3mund v. Sturm zum Präsidenten des Kammergericht3 zu ernennen.!?) Er erhielt indes in dieser Stellung nur 1000 Taler Gehalt, behielt daneben aber

seine biöherigen Gehälter als Mitglied des Geheimen Rats und des Appellation8gericht8. Herr v. Bore wurde darauf mit Beibehaltung seines Gehaltes vom Kammergericht entlassen. Damit war seine Eingabe erledigt, aber auch zugleich auf viele Jahre ein etat8mäßiges Gehalt dem Kammergerichte entzogen. Die Räte verteidigten sich darauf in einer gemeinsam verfaßten Denkschrift vom 11. Dezember 1705 gegen v. Bor>es Vorwürfe, soweit sie davon betroffen waren.

Drei Tage später erklärten sie dann, bei ihrer großen JInanspruchnahme außer Stande zu sein, die Durchsicht der neuen Kammexr-

gerichtgordnung gemeinsam vorzunehmen und baten, einige von ihnen auf einige Monate von allen Dienstgeschäfsten zu entbinden, damit diese jene Arbeit vornehmen könnten. Dies ward am 21. Januar 1706 genehmigt und den Räten v. Wambold und Bewert jenes

Mandat erteilt. €

Ersterer schied indes aus, da er kurz hernach zum

1) Über v. Sturm: „Forschungen zur Brandenb. und Preuß. Geschichte“, 6. Bd.,

S. 344 ff.

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Präsidenten der Neumärkischen Regierung ernannt wurde.?) So blieb nur Bewert übrig, der dann einen Entwurf, der indes nur ein Extrakt

des abhanden gefommenen Wedellschen von 1700 gewesen sein soll, Er ward nun zur Durchsicht einer Kommission von fünf Mitgliedern des Kammergerichts übergeben, im Herbst 1707 fertig gestellt hatte.

die shon am 8. Februar 1708 diese Durchsicht beendet hatte und

darüber berichtete. Hierbei waren noch einige nicht sehr erhebliche Verbesserungsvorschläge gemacht, die aber, da sie Geld gekostet hätten, unbeachtet blieben. Nachdem dann noch im Mai auf Anfordern der Regierung einige Änderungen vorgenommen waren, erhielt das Kammergericht am 16. Mai 1708 eine königliche Order des Jnhalts,

daß Abfassung und Durchsicht des Entwurfs derart vortrefflich seien, daß das Werk die Vollkommenheit erreiche. Außerdem erhielten v. Wambold und Bewert, später auch noch die Wedellschen Erben je 1000 Taler Gnadengeschenk; Bewert außerdem das Verlagsrecht der

im dienstlichen Auftrage hergestellten Ordnung auf 20 Jahre*) und bald hernach das Avancement in den Geheimen Rat und an das

Ober-Appellation8gericht. Das sind wahrhaft fürstliche Belohnungen, die aber verdient schienen, da nunmehr nach 55 Jahren da3. den

märkischen Ständen im Jahre 1653 gegebene Versprechen eingelöst war.

Diesen wurde die neue Ordnung vor der Veröffentlichung zur

KenntniSnahme zugesandt. Am 1. März 1709 vollzog der König die Ordnung, die mit dem 1. September in Kraft treten sollte. Bewert, der auf dem Bilde in seinem Erbbegräbnisse im Chor der Nikolaikirche zu Berlin mit einem Buche in der Hand mit der Aufschrift „Kammergericht3ordnung“ dar-

gestellt ist, kann immerhin nur das Verdienst des Redakteurs für sich in Anspruch nehmen. Denn irgendwelche neue Gedanken enthält die Ordnung nicht. Sie ist vielmehr = und das bleibt verdienstlich genug =- eine märkische Gericht3verfassung, verbunden mit einem Aus-

zuge des gemeinen Prozesses. Dieser Auszug macht nicht den Ver1) Bardt, „Geschichte des ehem. Appellations8gerichts zu Frankfurt a. O.“, erwähnt ihn auffälligerweise nicht unter den Präsidenten der Neumärkischen

Regierung. 2) Sie erschien al8bald bei Liebpert, Hofbuchdruker in Berlin. Hassenpflug hat im Jahre 1895 unter dem recht unglücklich gewählten Titel „Die erste Kammergerichtsordnung Kurbrandenburg3“ eine Besprechung derselben erscheinen lassen,

auf die hier der Vollständigkeit wegen hingewiesen sein soll. abgedruckt bei Mylius, C. CO. M. TI. 2, Abtlg. 1, Nr. 119.

Die Ordnung ist

S9

such, den Prozeß, der in der Mark vorwiegend kleine Objekte betraf, abzufürzen, wie dies einst Kohl getan hatte. Das Verfahren bewegt sich vielmehr, wenn die Sache nicht durch Vergleich beigelegt wurde, unendlich langsam und starrt derart von Formvorschriften, daß die Befolgung schwer genug war. Eine Verlezung derselben konnte aber für das beste Recht verhängnisvoll werden, wenn nicht, und das war auch bedenklich genug, der Lande8herr durch Reskripte helfend ein-

sprang.

Dazu kam, daß das Kammergericht als Appellationsgericht

in der Kurmark galt; es sollte mithin die Ordnung auch von allen

fkurmärktischen Untergerichten befolgt werden. Das hatte aber seine Schwierigkeit; denn die gutsherrlichen Patrimonialrichter und die Richter in den kleinen Städten, die, mangelhaft besoldet, zum größeren Teil aus den ungeeignetsten Elementen sich zusammensetzten, waren kaum in der Lage, die Schwierigkeiten der neuen Ordnung zu be-

herrschen.

Daher war hier ein ergiebiger Nährboden für Anwälte

aller Art bis zu den elendesten Winkelkonsulenten hinab. So war denn das Recht, bevor es an das Kammergericht in der zweiten

Instanz gelangte, sehr oft in der ersten durch einen Sumpf gezogen worden, und nur in den wenigen größeren Städten des Bezirkes,

die ihre Richter angemessen besolden konnten, fiel dieser Mangel fort.) Am besten in dieser Beziehung war die Hauptstadt gestellt, die seit dem 1. Januar 1709 durch Zusammenlegung der fünf bisher selbst-

ständigen Städte Berlin, Kölln, Friedrich3-Werder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt samt den Vorstädten von Berlin und Kölln (Königstadt und Neu-Kölln) zu einer Gesamtstadt mit einem gut besezten Stadtgerichte, der Wurzel des heutigen Landgerichts I Berlin, geworden war.“) Daneben aber hatte man hier für Bagatellsachen die bisherigen Einzelrichter, die gleichzeitig als Beisizer des Kollegialgerichtes fungierten, bestehen lassen, so daß man über das Gebiet der damaligen Stadt

zerstreut mehrere Einzelrichter besaß. 3) Diese höter Hand-

habung zum Unsegen werden, während gute Richter selbst mit mangelhaften. Gesezen vortrefflich auskommen werden. Deshalb richtete v. Sturm am 1. Mai 1709, also vier Monate vor dem Inkrafttreten der neuen Kammergericht3ordnung, eine Eingabe an die Regierung

und wies in einer jedes Mißverstehen ausschließenden Weise nach, daß die neue Ordnung keinen einzigen der von ihm gar nicht zu be-

streitenden Mängel am Kammergericht beseitigen werde.?) Dies sei jo lange ausgeschlossen, als die in der Ordnung vorgesehenen Räte

lediglich auf dem Papier ständen, während tatsächlich einige wenige ungenügend besoldete, mit Nebenämtern überhäufte Personen den Dienst täten.

E3 sei daher erforderlich, Geld herzugeben, um damit eine

Anzahl wirklich arbeitender Räte im Hauptamte beim Kammergerichte besolden zu können.

Mit männlicher Offenheit erklärt er am Schlusse

seiner streng logischen Säße, daß er bitte, wenn Beschwerden gegen das Kammergericht einliefen, stets im Auge zu behalten, daß er die

Berechtigung dazu selbst zugegeben, aber jede Verantwortung dafür abgelehnt habe. Genau zur selben Zeit, als diese jede etwaige Hoffnung der Regierung, die vielbeklagten Mängel durch die neue Ordnung heilen zu können, im Keime erstickende Erklärung einging, wurde in allen Kirchen des Lande3 von den Kanzeln der Erlaß derselben verkündet. Die Regierung war daher in die Alternative gedrängt, entweder Geld her-

zugeben, oder die bisherigen, als mangelhaft beklagten Zustände ruhig weiter zu ertragen. Eine Art Verlegenheitsmittel war es, daß auf Sturms Erklärung hin am 24. Juni 1709 eine Kommission zur Prüfung der

Mängel eingesezt und zu diesem Amte außer Sturm der Geheime Rat v. Bartholdi?) und der später am juristischen Himmel Preußens glänzende Samuel v. Cocceji, der bis dahin am Reichskammergerichte 1) Forschungen zur Brandenburg. und Preuß. Geschichte, Bd. 6, S. 344 ff. 2) vy. Bartholdi. war seit dem 30. Januar 1707 Präsident des Ober-Appellationsgericht3, sein Portrait befindet sich unter den Bildnissen der Tribunals-

92

tätig gewesen war, berufen wurden.

Bartholdi und der

sich

allerdings auffällig zurückhaltende Cocceji waren nun mit Sturm darüber einig, daß es am Kammergerichte so nicht weiter gehen könne, und sahen ein Mittel zur Abhilfe in der Aufbesserung der Ge-

hälter, damit die Räte nicht auf Nebenstellungen angewiesen wären.

Außerdem schlugen sie vor, zwei ständige Hilfsrichterstellen mit je 500 Taler Gehalt zu schaffen, in welche die ältesten beiden Hilfsrichter berufen werden könnten. BiSher hatten der Präsident 1000 Taler; fünf adelige Räte je 600 und ebensoviel gelehrte je 400 Taler etat8mäßig erhalten; der Etat der höheren Beamten betrug mithin in3gesamt 6000 Taler. Nach dem Vorschlage der Kommission sollte =abgesehen von 1000 Talern für die beiden ständigen Hilfsrichter --

der Präsident 1000 Taler und jeder Rat 500 Taler Zulage erhalten,

das machte 7000 Taler, also mehr aus, als biösher überhaupt im Ctat vorgesehen war. Begründet wurde diese Verdoppelung der Gehälter damit, daß sich die Mitglieder einiger. douceur bei der Arbeit erfreuen müßten, und daß die jungen Räte durch die Hoffnung, dereinst eine solche Stelle zu erhalten, zur Arbeit angespornt werden würden. Übrigens hätte allein schon die in den lezten Jahrzehnten eingetretene Verteuerung aller Lebensbedürfnisse in der Residenz diese Verdoppelung voll gerechtfertigt. ?) Dieser Punkt wurde aber absichtlich außer Betracht gelassen, um nicht bei den übrigen Beamten einen Petitionssturm um Verbesserung der Gehälter zu entfesseln. Erfreulich wirkt es gegenüber manchen Verdächtigungen des fleißigen, aber streberish

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gewählt.) Cbenso einfach war auch die innere Ausstattung, bei der nur die schöne Treppe sich über die Befriedigung des einfachen Bedürfnisses erhob. Die Behörden waren angewiesen, ihre alten Bestände möglichst mitzubringen und damit die ihnen zugewiesenen Räume auszustatten. Neu geliefert wurden nur: 5 Geländer, 54 Tische, 11 Stühle mit Juchtleder, vier Abtritte, 10 Leitern, 12 Treppen und 90 Schemel.?) Mitgenommen wurde von den Behörden, abgesehen von Inventurstücken, nur sehr wenig: Da38 Ober-Appellationsgericht brachte den ihm vom König Friedrich 1. bei der Gründung geschenkten Justizthron mit Baldachin?) in die ihm zugewiesenen Räume des

westlichen Oberstocks. Dazu kamen ein Porträt Friedrichs 1.,*) ein solches des regierenden Königs, die Porträts seiner drei ersten Präsidenten, v. Brand, v. Bartholdi und v. Plotho, und die bescheidenen

Anfänge einer nicht lediglich für den Sißungsgebrauch bestimmten Vibliothek. Das Lehns3archiv überführte in seine Räume die von Peter Rollos recht willkürlich um 1625 gemalten Porträt38 der Bran-

denburger Kurfürsten bis George Wilhelm, zu denen später noch das des Großen Kurfürsten gekommen war. Auch das heute noch auf dem Kammergerichte befindliche Bildnis Friedrichs I. dürfte vom Lehn3archive aus dessen Räumen im Schlosse stammen. *) Von allen übrigen Behörden besaß nur noch das Kammergericht das ihm einst vom

Großen Kurfürsten gewidmete Kambyse8-Bild. Dasselbe befand sich 1) Die Gerechtigkeit bezog sich auf das Kammergericht, die Barmherzigkeit auf das Konsistorium ; da dieses an sich mit der Barmherzigkeit nichts zu tun hat,

ist die Figur ohne Wage auch als Sinnbild der Religion angesprochen worden. Bei der Wahl des Sc befindlichen Räume, und am 16. Mai war die Maschine !) Das den Fürsten in Ritterrüstung, offenbar als Kronprinzen darstellende Bild hat offenbar ebenfall8 im Lehnsarchive auf vem Schlosse gehangen und ist von dort mitgebracht worden.

2) Holze, „Lokalgeschichte“ S. 36 bis 38. Auf Abbildungen des Kollegienhauses aus dem 18. Jahrhundert erscheint auf der Rampe link8 vom CGEingange

ein Schilderhaus mit daneben stehendem Posten.

Hier erschoß sich am 3. April

1736 ein Grenadier vom Regimente v. Kleist. Vgl. Friedländer, „Berliner Garnison-Chronik“ (Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, Heft 9, S. 31). 3) Einen Abdruck der Ordre gibt Sonnenschmidt, „Geschichte des OberTribunals8“, S. 108ff. =- Hiermit widerlegt sich die Berliner Zeitungsnotiz vom 14. Januar 1735, daß dem Kammergericht8-Präsidenten zum Broich am Tage

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wieder im vollem Gange.) CGine besondere Feierlichkeit hatte auch diesmal nicht stattgefunden. ?) Das vom Kammergerichte und dem Konsistorium bisher benutzte Gebäude in der Brüderstraße ward alsbald verkauft, das Grundstück demnächst parzelliert, und bald erinnerte hier nicht3 mehr an die frühere Bestimmung desselben. Troßdem wurde das neue Gebäude in der Lindenstraße noc< Jahrzehnte 'hin-

durch al8 „Kollegienhaus auf der Friedrichstadt" bezeichnet und erscheint al3 solches auf allen Bildern Berlins aus dem 18. Jahrhundert. E3 galt auch als eine Sehenswürdigkeit, was indes vorwiegend dem Mangel an stattlicheren Gebäuden in jener Gegend zu danken war. Die Markgrafenstraße, die bi8her nur bis zur Junkerstraße gereicht

hatte, ward damal8 bis zur Lindenstraße durchgeführt und gewährte vom Gendarmen-Markte her einen stattlichen Anbli> mit dem neuen

Kollegienhause als point de vue. Dagegen ward die Hollmannstraße (damals Husarenstraße) erst im Jahre 1789 durchgebrochen, um

die Lindenstraße mit der inzwischen angebauten Feldstraße (der heutigen Alexandrinenstraße) zu verbinden.

Jm Jahre 1735 war dagegen

dieses Hinterland noc< ausschließlich ländlichen Zwecken gewidmet.) zuvor eine Wache von 24 Mann vom Könige ins Haus gelegt sei, weil er nicht - wie befohlen =- die erste Sizung de8 Kammergerichts im „neuen Kollegien-

hause“ habe stattfinden. lassen. Tatsächlich war die Wache ihm deshalb ins Quartier gelegt worden, um seinen Widerstand gegen den ihm befohlenen Bau eines Hauses zu beseitigen, was auch nach wenigen Tagen gelang („Berliner geschriebene Zeitungen“ Heft 38 der „Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins“, S. 673ff.). Die Nachricht zeigt indes, daß das neue Gebäude dem Publikum schon im Januar 1735 völlig benutzbar erschien, und zugleich, daß man allgemein eine große Mißstimmung der Behörden gegen die damals in Aussicht stehende Verlegung zu bemerken glaubte. Damals spottete man übrigens auch, daß der älteste Sohn de8 Staats8-Minister8 v. Goerne Vize-Präsident des Kammergerichts geworden sei, weil sein Vater sich ebenfalls zum Baueines Hauses bereit erklärt habe (a. a. O. S. 668).

1) Cocceji ließ die einzelnen Räume damals mit Juschristen versehen, die ihre Bestimmung angaben, 3. B. „Parten-Stube des Cammergerichts“. Diese Inschriften waren noch im Jahre 1799 erhalten. (Akten des Geh. Staatsarchivs R. 97, A. 4. G. 205 fol. 12.) . ?) Kein zeitgenössischer Schriftsteller erwähnt eine solche, auch die Zeitungen

lener Tage schweigen darüber; sie scheint auch bei der großen Beschleunigung des

Beziehens3 ausgeschlossen zu sein. 3) Holze, „Lokalgeschichte“ S. 25ff. Hier ist auch nach Akten des Geh. Staatsarchivs a. a. O. kol. 17ff. das am 22. Juni 1735 - eingereichte Verzeichnis

über neugelieferte Möbel abgedruckt: Das Kammergericht empfing damals neu: 12 Tische, 2 Barrieren, 4 Leitern und 3 Tritte; Spinde und Stühle waren also aus den alten Räumen mitgebracht worden. R?

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111. Mitbenußung des, Kollegienhauses auf der

Friedrichstadt. 1735 bis 1879.

Das Kammergericht befand sich beim Umzuge im Mai 1735 in einer anderen Lage als die übrigen im neuen Gebäude vereinten

Behörden. Für dasselbe bedeutete nämlich der Fortzug aus Der Brüderstraße, aus der Dependenz des Schlosses, einen Bruch mit der uralten Überlieferung, daß es in der „Kammer des Herrn“ zu tagen habe.

Das wurde indes damals kaum empfunden; der Bruch war

aber gerade in jener Zeit um so bedeutsamer, als Cocceji seit der Erlangung des Präsidiums am Ober-Appellationsgerichte seine Gunst ganz entschieden vom Kammergerichte abgewandt hatte, in dem er

den bewußten Widersacher seiner Verschmelzung5spläne erblickte. *) Nominell, aber nicht entfernt mit seiner Machtfülle ausgestattet, war seitdem Balthasar zum Broich an seine Stelle getreten und zur Ent-

lastung dieses alternden, lange am Reichskammergericht tätig gewesenen Mannes, der Kammergerichtsrat v. Goerne mit dem Titel als Vizepräsident angestellt worden. Beide Männer mußten al8bald in immer

steigendem maßungen namentlich Zuchthaus

Maße Klagen über verschleppte Justiz und über Andes Fiskalates vernehmen, das immer größeren Einfluß, unter dem skrupellosen, liebedienerischen und schließlich im. verendeten Generalfiskal Gerbet zu gewinnen gewußt

hatte.?) Kein geschicktes Mittel war es, wenn zum Broich im Entwurf des Ediktes vom 2. Mai 1736 ausführte, daß die mangelhafte 1) Mit Recht; denn als speziell märkisches, den Ständen der Mark in seiner

Eigenart nahestehendes und in den verschiedenen Landtagsrezessen mit bestimmter Verfassung bestätigtes Gericht sezte es jeder Veränderung größeren Widerstand entgegen als die anderen landesherrlichen Gerichte, über die sich viel willkürlicher

verfügen ließ. 2) Hole, „Strafrechtspflege“, S. 53. Die gesteigerte Bedeutung des Fi3kalates am Kammergerichte hing mit der oben S. 103 besprochenen gewaltigen

Steigerung ver hier geführten fiskalischen Prozesse zujammen.

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117

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Befolgung der Coccejischen Verordnung von 1725 den Kammergerichtsräten zur Last falle.

Es wird dann in 30 Artikeln ein etwas ab-

geschwächter Extrakt von Cammans mündlichem Verfahren gegeben. Das war nicht viel wert; eigenartig war es aber, daß zwei Räte des Kammergericht8, v. Beneckendorf?) und v. Nüßler, damals beim Könige den Antrag stellten, ihnen die Vornahme eines Sühneversuchs in jeder an das Kammergericht gediehenen Sache und in anderen, noch nicht an dasselbe gekommenen zu gestatten. Als Entgelt wünschten sie 2 Taler von jeder Partei in einer jeden von ihnen verglichenen

Sache und berechneten, daß auf diese Weise mehr als ein Drittel aller Sachen erledigt werden würde. Man darf dies als ein Zeichen beginnender Auflösung erachten; an Stelle der Rechtsprechung sollte gutes Zureden von Männern treten, die am Zustandekommen der

Vergleiche interessiert waren. Der König; dem jedes Mittel willfommen war, durch das Prozesse schnell erledigt wurden, befahl deshalb am 27. August 1736, daß der Versuch gemacht und den beiden Räten das erbetene Mandat erteilt werden sollte.

Dies ward am

9. September =- also unmittelbar nach Ende der Gerichtsferien =-

im Kammergerichte durch Anschlag dem Publikum bekannt gemacht. Die beiden Räte machten sich nun rüstig an die Arbeit; sie luden

Streitlustige unter der Verwarnung vor, daß im Falle ihres Nichterscheinens jene 2 Taler Gebühr von ihnen beigetrieben würden, sie benutzten in schwebenden Sachen die bei den Akten befindlichen Voten

ihrer Kollegen, um Vergleich3lust zu erwecken, sie verglichen auch wohl rechtsfräftig abgetane Sachen und fertigten ihre Vergleiche unter eigener Unterschrift und beigedrucktem Privatsiegel aus. Das mochte noch hingehen, aber sie fingen auch an, die nicht verglichenen Prozesse unter ihre Kollegen zur weiteren Veranlassung zu verteilen. Die Sache verwirrte sich derart, daß unter dem 25. Oktober 1737 ein Reglement erlassen wurde, „nach welchem die zum Versuch der Güte in Prozeß-

sachen, besonders verordnete und annoch zu verordnende Kommissarii bei dem Hof- und Kammergericht, auch allen Regierungen, Justiz1) Beneckendorf ist bekannt durch seine mit Vorsicht zu benugenden 6 Sammlungen „Charakterzüge aus dem Leben Friedrich Wilhelms 1.“ (Berlin 1787 ff.) und sein „Grab der Chikane“, in dem er Carmer feierte.

Als Präsident der

Ober-Amtsregierung zu Bres8lau beging er Defekte, die auf Betrieb Coccejis zu leiner Kassation führten (1751). Über v. Nüßler, der unter Friedrich Wilhelm 1. bei Hofe in großen Gnaden, vergleiche: Büsching, „Beyträge zu der Leben8geschichte dvenkwürdiger Personen. 1. Carl Gottlob v. Nüßler“, Halle 1783.

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118

follegien und Hofgerichten zu verfahren haben.“?) Wenn darin auch betont ist, daß die Vergleiche nie zur Prozeßverschleppung dienen, daß sie nach Recht und Billigkeit abgeschlossen werden sollten, so ist doch den Kommissaren eine große Bewegungsfreiheit gestattet: Sie sollen berechtigt sein, auch in entschiedenen Sachen, wenn es ihnen

zweckmäßig erscheine, no< Sühneversuche anzustellen, schwurpflichtige Parteien durch Warnung vor dem Meineide zu angemessenen Vergleichen zu bewegen; ja es wird ihnen ausdrücklich aufgegeben, den

Parteien vorzustellen, daß der König aus allerhöchster landeSväterlicher Fürsorge an ruhigen und friedfertigen Untertanen ein aller-

gnädigstes Gefallen hätte, hingegen wider diejenigen, die unnötige Prozesse und Streitigkeiten dem ihnen angebotenen Frieden vorzügen, einen billigen und gerechten Abscheu trüge. Auch die Kostspieligkeit und Ungewißheit des Obsiegens sollte gebührend den Parteien vorgehalten werden. ?) Auf Befehl des Königs sollten halbjährlich von

den Kommissaren Verzeichnisse der durch Vergleich erledigten Sachen eingereicht und ihm zur Kenntniznahme vorgelegt werden. Das bedeutete eine Bankerotterklärung der Rechtsprechung. Daß es so weit gekommen, lag aber daran, daß das Verfahren für kleine Objekte (Bagatellsachen) viel zu weitläufig und von einer Rechtskraft der Erkenntnisse kaum mehr die Rede war.

So war es denn dahin

gefommen, daß am Kammergerichte die beiden Vergleichskommissare den Lohn, die übrigen aber die Arbeit hatten.

Aber ebenso nimmt

es 'nicht wunder, daß die Klagen über mangelhafte Rechtspflege nicht verstummten, der König vielmehr immer wieder damit überlaufen wurde. Er forderte de3halb in einer sehr ungnädigen Kabinett8order vom 26. September 1737 die sofortige Angabe von Mitteln zur Ab-

hilfe und die unnachsichtige Entlassung aller unfähigen oder en, sondern versuchte auf andere Art, einen genügend großen, fest besoldeten Richterstamm am Kammergerichte zu beschaffen. Der König hatte im August 1718 unter dem Namen „Krieg8-Hof- und Kriminalgericht“" unter seinem Vertrauten v. Katsch ein Gericht errichtet, das teils Zivil-, teils Strafgericht, teils bürgerliches, teils Militärgericht war.*) Er vereinte nämlich die zivile und strafgerichtliche an sich nicht bedeutende Gerichtsbarkeit des Hau3vogts und des Berliner Gouvernements und die des

Generalauditoriat8, d. h. der niedern und der höchsten Militärgerichte

in der Residenz. Dieses Gericht, dem auch einzelne Kammergerichtsräte und Fiskale angehörten, hatte zu fortwährenden Zuständigkeits31) Man darf hieraus nicht den Schluß ziehen, als sei e8 in der Provinz besser gewesen, naturgemäß kamen aber aus Berlin die meisten Klagen zur Kenntnis des Königs, er meinte de8halb, hier eingreifen zu müssen. 2) Da damals in Berlin ein Kanzleidiener mit 50 Talern Jahresgehalt ausfkommen mußte (Consentius, „Berlin anno 1740, S. 88), so genügte der Stempel für die Befreiung vom Advokatenmantel, um 40 Kanzlisten in Berlin ein volles Jahr zu besolden! Zwei bis drei dieser Stempel hätten genügt, das ganze da-

malige Kammergericht zu besolden. 3) Hole, „Strafrecht8pflege“, S. 5ff., S. 34ff. gibt die Entstehung der damals vereinten Gerichte unter Benuzung des noch vorhandenen archivalischen Stoffes. Es sind nämlich die meisten Akten des Auditoriats im Jahre 1806 von den Franzosen zu Patronenpapier verwendet worden.

Anmerkung 15.)

(Holte, a. a. O., S. 68,

19(

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ere

streitigkeiten mit dem Kammergerichte und dem Berliner Stadtgerichte geführt. Mit dem Tode v. Katsch8 (2. Juli 1729) indes, der hier eine mehr polizeilich praktische, als gerade juristische Behörde geschaffen, hatte es seine treibende Kraft verloren. Cocceji hatte nun offenbar schon im Jahre 1733 an eine Verschmelzung dieses an der

Schleuse (Hausvogtei) tagenden Gerichts mit dem Kammergerichte gedacht und es deöhalb ebenfalls in das neue Kollegienhau3 verlegen

wollen. ) Damals war indes dieser Plan gescheitert; jezt nahm Cocceji, der im Februar 1738 zum obersten Justizhef des Landes ernannt worden war, diesen Plan wieder auf. Er verfolgte dabei zwei Zwecke; er wollte einmal diese3 halb militärische Gericht, das in den Umkreis der bürgerlichen Justiz schlecht paßte, beseitigen; daneben aber die Richterstellen an demselben dem Kammergerichte, aus dessen Etat

sie teilweise herrührten, wieder zuführen. Der König wurde für dieses ihm vorgeschlagene Projekt, gegen das auch die Militärs nichts zu erinnern fanden, gewonnen.

Am 19. Mai 1738 ward daher die

Auflösung des Gerichts verfügt. So hatte Cocceji manchen brauchbaren Rat für das Kammergericht übrig, aber =- das ist bedeutungsvoller = auf diese3 Gericht wurde hier zum ersten Male eine speziell kriminelle Tätigkeit übertragen. Als Grund zur Auflösung ward der

Wunsch des Königs angegeben, „die vielfältigen Collisionen, mit denen der König so oft behelligt worden sei“, zu beseitigen. Cocceji bildete nun aus den vorhandenen Räten des Kammergericht3 und denen des

aufgelösten Gericht8hofes drei Senate. In diesen sollten unter dem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und einem Direktor fünf adelige und ebensoviel gelehrte Räte als besoldete ordentliche Mitglieder angeseßt werden. Dazu kamen dann zehn adelige und sechs gelehrte Räte außeretatmäßig und ohne feste Besoldung. Der erste Senat sollte unter dem Vorsiße des Präsidenten aus den fünf etat8mäßigen adeligen Räten unter dem Vizepräsidenten auf der Adel3bank und aus zwei der etatsmäßigen gelehrten Räte unter dem Direktor auf

der gelehrten Bank bestehen. Also eine Besezung mit zehn, sämtlich fest angestellten Räten. Der zweite Senat, evenfalls aus zehn Mitgliedern bestehend, sollte acht von den außeretat3mäßigen adeligen Räten auf der Adelsbank und zwei ordentliche gelehrte Räte auf der gelehrten Bank haben, so daß hier nur zwei Personen als etat8mäßig !) Dies ergibt sich aus der oben (S. 114) zitierten Order vom 8. Mai 1735,

denn unter dem dort genannten Hofgericht ist offenbar das Kriegs-Hof- und Kriminalgericht zu verstehen.

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vorgesehen waren. Der dritte Senat endlich umfaßte =- ohne Teilung in die beiden Bänke = neun Personen, nämlich den Direktor, die

beiden noch übrigen außeretat8mäßigen adeligen und die sechs außeretatszmäßigen gelehrten Räte. Diese Einteilung, die praktisch nicht ins Leben getreten ist, war auf die augenblicklichen Verhältnisse berechnet. Mylius, der Direktor des aufgelösten Gericht3hofes, sollte mit dem Direktortitel in das Kammergericht eintreten und als Vor-

sihender des dritten Senates die auf das Kammergericht übertragene kriminelle und minimale zivile Tätigkeit seines aufgelösten Gericht3hofes auzüben. ) Die eigentliche Arbeit am Kammergerichte sollte dagegen vom ersten Senate geleistet werden, da der zweite nur zu

dessen Entlastung geringere Sachen zur Entscheidung zugewiesen erhalten sollte. Dem hohen Gerechtigkeit8gefühle Coccejis entsprach es dabei, daß er die Arbeit fast nur denjenigen Räten zuerteilte, denen dafür ein Lohn gegeben werden konnte. Aber die Stellung des ersten

zum zweiten Senate war so wenig geregelt, daß hier eine Scheidung nicht eintrat, sondern beide Senate ein einziges Ganzes blieben. Wichtiger war dagegen die Einrichtung des dritten Senates als Kriminal-

gericht im Umfange der Zuständigkeit, wie sie biSher der HauSvogt gehabt hatte. Dieser Hausvogt (jebt als Hausvogt und Kammergericht3rat bezeichnet) sollte die Aufsicht über das Gefängnis für die Eximierten (die Hausvogtei) weiter führen und mit zwei in das Kammergericht ebenfalls übernommenen Räten des aufgelösten Gerichtöhofes unterstüßt von zwei tüchtigen Fiskalen die Inquisition3prozesse gegen Exemte führen; Urteile sollte er jedoch nur in kleineren Sachen er-

lassen, alle wichtigen aber an das Kriminalkolleg überweisen. ?) Über die Frage, ob auf eine Denunziation Anklage zu erheben sei oder 1) Mylius, der hier in Verbindung mit dem Kammergerichte trat, ist der

verdienstvolle Kodifikator des märkischen Rechts, des oft zitierten Corpus ConStitutionum Marchicarum (C.C. M.), das er mit großen Geldkosten und unend-

licher Arbeit und Mühewaltung herausgegeben hat. Zunächst umfaßte das Werk sechs Teile, dazu trat eine continuatio, die Geseze usv. aus den Jahren 1737 bis 1750 enthaltend, und ein Register. Die oben angegebenen Gesetze, Reskripte usw. seit 1737 sind in der Continuatio abgedruckt. und dort unter den angegebenen Daten zufinden. 2) Das Kriminalkolleg war eine Behörde, die den König in allen Strafsachen aus dem ganzen Umfange des Staates zu beraten hatte. Vgl. Holze, „Strafrecht3pflege“, S. 4. Es wurde im Jahre 1738 noch nicht, wie häufig angenommen wird, mit dem Kammergerichte vereinigt. Der als Hausvogt angestellte Kammergerichtsrat hatte seine Dienstwohnung in der Hausvogtei, die im

Jahre 1750 nach dem Hausvogteiplatze verlegt wurde.

199

nicht, sollte der ganze dritte Senat entscheiden.

Daneben hatte der

Hausvogt eine nicht sehr umfangreiche, aber ziemlich vielseitige, zum Teil an uralte Zeiten erinnernde Verwaltungstätigkeit. Er hatte die Aufsicht über die Freihäuser in Berlin und zugleich mit dem OberJägermeister über die Scharfrichter und Abdecker in der Kurmark, die

von ihm zu prüfen waren.

Nach derselben erhielten sie seitdem ihr

Patent unter der Unterschrift des Ober-Jägermeisters und des Vorsitzenden des dritten Senats mit beigedrucktem Siegel des Kammer-

gerichts. Für seine weit überwiegende Tätigkeit erhielt der Hausvogt zwei Drittel der bei diesem Senate eingehenden Sporteln.*) Damal38 wurde auch die Anwaltschaft, die in Berlin aus 48 Advo-

katen bestand, derartig geteilt, daß den 27 besseren die Praxis an den Berliner Obergerichten gestattet wurde. Die Advokaten Ziegler und Moriz erhielten eine Art Dienstaufsichtsrecht über ihre Kollegen.

Gleichzeitig wurden die biöherigen Sikzung3tage des Kammergerichts (Montag, Mittwoch und Freitag) dahin verändert, daß statt des Montags der Sonnabend gewählt wurde, damit dem Präsidenten, der

zugleich Mitglied des Geheimen Rat3, oder Geheimen Staatsrats war,*?) der Montag al3 Sikzungstag dieses Kollegs frei bleibe. Cocceji beobachtete seitdem den Grundsak, die Ratsstellen am Kammergerichte sämtlich in etat3zmäßige zu verwandeln, d. h. die außeretatsmäßigen Räte nach und nach in etatsmäßige aufrücken zu lassen. Damit verlor aber der projektierte zweite Senat vollends jede Dasein3berechtigung, auch der dritte Senat war gegenüber dem ersten Senate nur ein ziemlich unbedeutendes Anhängsel. Man befand sich eben im Zustande des Überganges.

Nach Vornahme dieser Änderungen, die indes noch im einzelnen der weiteren Ausgestaltung bedurften, berichtete Cocceji im Juni 1738, daß beim Kammergerichte jezt alles in guter Ordnung sei. Er bat indes, zur Aufrechterhaltung dieses Zustandes ein von ihm aufgesetztes Reskript vom 23. Juni 1738 genehmigen zu wollen. Daösselbe enthielt eigentlih nur Wiederholungen der früher erlassenen Bestimmungen, 1) Wie das kurfürstliche Reskript an die märkischen Städte vom 6. Juni 1683 ergibt, hatte der Hausvogt mit landesherrlicher Billigung die Abdecereien in der Mark zu Lehnen (feudastra) gemacht. Seitdem wurden sie als solche behandelt und mußten bei Herren- und Mannfällen gemutet werden. Die Lehnbriefe (meist Konfirmationen der älteren, die inseriert wurden) führten die Unterschrift des Ober-Jägermeisterx38 und de8 Haus3vogt38. Auf diese Weise kam seit 1738 das Kammergericht in Beziehung zum märkischen Abdeckereiwesen. 2) Er fungierte als solcher seit dem 5. September 1731.

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17

namentlich der Verordnung von 1725.

Aus den scharfen Strafen, die

aber jetzt für jede Übertretung derselben angedroht wurden, erkennt man unschwer, daß sie biSher nicht sehr genau befolgt sein werden. Wichtiger war das Edikt vom 24. Februar 1739, das eine Art von

Bagatellprozeß einführen sollte, aber es ließ dabei im unklaren, vor

welche Behörde oder Person dieser Prozeß gewiesen werden sollte. Wenn beim Kammergerichte der zweite Senat als dieser Bagatellsenat gedacht war, so scheiterte der Gedanke schon daran, daß dieser Senat lediglich auf dem Papiere stehen geblieben war. Ansich war es sehr zweckmäßig, daß in allen Sachen bis zu 50 Talern Streitwert kein

schriftlicher Prozeß stattfinden, die Klage vielmehr ohne Zuziehung von Anwälten mündlich zu entscheiden und sofort zu vollstre>en sein sollte. Nur in Sachen über 20 Talern Streitwert sollte eine binnen

zehn Tagen seit Verkündung substanziert einzubringende Beschwerde zulässig sein. Aber es war dabei übersehen, daß die Beträge von 50 und 20 Talern damals einen recht hohen Wert hatten; daher befremdet es nicht weiter, wenn der König alsbald wieder auf Suppli-

kation den ordentlichen Prozeß zuließ, so daß auch diese Verordnung kein rechtes Leben gewinnen konnte.

Zudem war es eigenartig, daß

lediglich mit Rücksicht auf den Streitwert zwei ganz verschiedene Prozeßarten gelten sollten. Jnquisitionsverfahren ohne Anwälte und mit mündlicher Verhandlung in kleineren, schriftliches Verfahren mit Anwälten bei größeren Objekten.

Aber letal für das Edikt war es,

daß für das Bagatellverfahren keine Kosten, außer bei ganz grundlosen Beschwerden, erhoben werden sollten. Damit waren den Gericht3-

herren erster Instanz (den Patrimonialgerichten und Stadtgerichten), bei denen =- abgesehen von den größeren Städten =- fast nur Bagatell-

sachen vorkamen, die Einkünfte aus der Gerichtsbarkeit fast gänzlich

entzogen. Deshalb fand die Verordnung den heftigsten Widerstand; shon am 6. April 1739 protestierte die verhältniSmäßig no< am

wenigsten betroffene Stadt Berlin, worauf Cocceji am 11. April wenig überzeugend entgegnete.) (E83 befremdet dabei, wie in dieser Entgegnung erst Gedanken in die Verordnung vom Februar hineingelegt wurden, die gar nicht darin enthalten sind. Sehr geschi>t war aber

in diesen Protesten beim Könige darauf hingewiesen, daß auch die Staatseinkünfte bei Wegfall der Sporteln in Bagatellsachen, nämlich bei den königlichen Gerichten, leiden müßten.

Dieser Unwillen und

1) Die Erlasse, Verordnungen usw. aus der Zeit von 1736 bis 1750 finden sich abgedruckt bei Mylius: CO. CO. M. continuatus.

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die recht geschickte Betonung des fiskalischen Nachteils bewog dann den König zur Verordnung an den Geheimen Staatsrat am 10. Mai

1739, daß sie sich sämtlich gleich nach Pfingsten (17. Mai) zusammentun, mit Cocceji alle von ihm gemachten Einrichtungen durchgehen und alles auf einen so festen Fuß setzen sollten, daß endlich einmal den Unordnungen bei der Justiz abgeholfen werde. Er -- der König -- habe zwar dem Cocceji die Oberleitung der Justiz aufgetragen,

dieser habe auch einige gute Einrichtungen gemacht, aber das Ziel einer wahren Verbesserung der Justiz nicht erreicht. Die Geheimen Räte ernannten darauf eine Komission, fast aus lauter Gegnern

Coccejis bestehend, unter denen sich auch Mitglieder der Rekrutenkasse

befanden, die, seitdem Cocceji nicht mehr Titularräte gemacht, manchen Ausfall erlitten hatte.

Auch der Justiz „Burgermeister“ von Berlin,

mit dem Cocceji im April zuvor über das Reglement in Streit geraten war, saß in dieser Kommission. Sie arbeitete aber länger, als

dem Könige noch zu leben beschieden. war, und die schwierige Frage erledigte sich später anderweitig. Es war ein eigenartiges, fast tragisches Verhängnis, daß der mit vollstem Rechte auf allen Gebieten zu feiernde Fürst, dem zudem das gütige Geschi> in der Person Coccejis einen Helfer von seltenster Begabung auf dem Gebiete der Justiz zugeführt hatte, gerade auf diesem nicht „reussirt“ hat, wie er selbst am Leben3ende anerkannte. Das gilt indes nur für die Zivilrechtö3pflege; in der kriminellen hat er durch die Beschränkung der

kleinen und kleinsten Gerichtsobrigkeiten auf diesem Gebiete, mehr no< durch die scharfe Betonung des Grundsatzes, daß der Verbrecher, möge er auch den höchsten Kreisen angehören, ebenso wie der Bettler zu strafen sei, in einer nie genug gewürdigten Weise das Rechtsbewußtsein der Kurmärker, wie seiner übrigen Untertanen gehoben.?) Aber dieser Segen bewirkte es anderseits, daß das Gefühl dafür, daß in Zivilsachen das krasse Gegenteil davon stattfinde, jedem klar wurde, daß. man erfannte, daß hier nie ein Urteil rechtskräftig wurde und fast alles auf dem Papiere stand. Es war eine Art Verzweiflungsschrei, wenn Friedrich Wilhelm am 15. November 1739 jedem Supplitanten den Strang mit einem daneben gehängten Hunde androhte; aber wieder traten aber die juristischen und legislativen Fragen überhaupt in den Hintergrund, da Friedrich zur Eroberung Schlesiens aus30g; unter den Waffen schweigen aber die Geseze. Gleichzeitig empfahl es sich, daß die seit kurzem aufgetretenen Streitfragen über das Bagatellverfahren und das Sportulieren behoben würden, 'um die Kraft des Landes desto stärker gegen den äußeren Feind kehren zu können.

So wurde denn alles auf den Standpunkt von 1725

zurückgeführt. Mit großer Klugheit hatte hier Cocceji eingelenkt und sich damit die Zukunft vorbehalten.

Er konnte jetzt sogar noch den

Trumpf ausspielen, bei Wiederkehr von Klagen wegen mangelhafter Justiz auf die Ablehnung der von ihm gemachten Verbesserungen hinzuweisen.

Noch vor dem Dresdener Frieden, in dem Friedrich

außer Schlesien auch die Befreiung der neumärkischen Zuwachsungen (Beeskow, Stor>ow usw.) von der böhmischen Lehn8hoheit!) und das seit 1702 nur beschränkte privilegium de non appellando unbeschränkt erwerben sollte, griff Cocceji in einem am 4. Juli 1743 an den König

erstatteten Berichte die Frage nach Verbesserung der „ganz verderbten“ Justiz wieder auf, und versprach, Abhilfe zu schaffen. Friedrich vertagte indes zunächst die Sache, da er kein Geld zur Zeit aufwenden könnte.

Damit war denn der alte Gedanke Coccejis, daß die Sache

Geld kosten werde, auch vom Könige anerkannt und gebilligt. Von nicht allzu großer Bedeutung war es, daß am 25. Juni 1743 das

Altmärkische Duartalgericht belehrt wurde, daß die Appellationen gegen seine Entscheidungen beim Kammergericht einzulegen seien. Dieses sei durchaus als Appellationsgericht anzuerkennen und seinen Mandaten Folge zu leisten.?) Denn der bisherige Brauch, daß die Appellationen beim Geheimen Staatsrate einzureichen seien, der sie dann dem Kammergericht zu übertragen habe, sei nicht3 weiter als eine ganz übererhielt sein bekannter Erzieher Duhan de Jandun denTitel al3 Kammergerichtsrat, offenbar um ihm die damit verbundene Stellung am Hofe zu verschaffen.

?) Die staatsrechtliche Stellung dieser unter böhmischer Oberhoheit stehenden Gebiete ergibt sich am besten aus dem nur handschriftlich verbreiteten umfang-

reichen Werke des Zacharias Zwanzig, Inerementa Domus Brandenburgicas (um 1697). Die Bibliothek des Kammergerichts besitzt dieses seltene Werk als Geschenk des Kammergerichtsrat8 Ransleben (um 1775). * ?) Das war ganz verständig und sachgemäß, entsprach aber durchaus nicht

der Verfassung des Stendaler Gerichts, das niemals dem Kammergerichte untergeordnet gewesen war.

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flüssige, nur zu Verschleppungen Anlaß gebende „Ceremonie“. Altmärker wollten sich dieser ihren Privilegien widersprechenden fassung nicht fügen, wurden aber alsbald dahin belehrt, daß Privilegien nicht verleßt seien, erhielten jedoch das Versprechen,

Die Aufihre daß

es in erstinstanzlichen Sachen keine Mandate des Kammergerichts an-

zunehmen habe. (18. November 1743.) Während des Zweiten Schlesischen Krieges hatte nun Cocceji das Material für seine großzügigen Verschmelzungsgedanken gesammelt, bei denen jezt die Schwierigkeit, daß der König nur in der Mark unbeschränkt, nicht aber in seinen

übrigen deutschen Ländern die oberste Gerichtsbarkeit besaß, sortgefallen war. Das Kammergericht berichtete damals (am 16. September 1745) auf Coccejis Anfrage, daß an ihm 28 Räte, 12 Sub-

alterne, ebensoviel Fiskale und 20 Advokaten tätig seien.!) Diese Gelegenheit war vom Kammergericht zugleich dazu benußt worden, um über mangelhafte Besoldung und ungerechtes Avancement Klage zu erheben. Dies tat namentlich der Kammergerichtsrat v. Nüßler, der dabei übersah, daß er jahrelang als konzessionierter Vergleichs-

kommissar gute Einnahmen genossen hatte.

Vorsichtig war aber das

Kammergericht der etwas verfänglichen Frage, mit wieviel Räten und sonstigen Beamten es auszukommen sich getraue, mit der Wendung

ausgewichen, daß sich diese Frage nicht wohl beantworten ließe, da die -Zahl der Sachen eine wechselnde sei. Ungünstig für den Gerichts8hof war es, daß damals der jede Neuerung scheuende Präsident zum Broich vom Präsidium zurückgetreten war, und daß der Vize-

präsident v. Goerne dasselbe einer früheren Zusicherung entsprechend am 15. Januar 1746 erhalten hatte. Denn dieser stand bei Cocceji nicht in Gnaden. Der neue Präsident empfing nun unmittelbar nach seinem Amtsantritte die Abschrift einer Königlichen Order vom

12. Januar 1746, in der Friedrich seinen Willen, eine kurze, solide und billige Justiz in seinem Lande einzurichten, erklärte. Mit dieser Übersendung war der Befehl Coccejis um sofortige Anzeige verbunden, ob noch unerledigte Sachen beim Kammergericht vorhanden wären. Als dies nicht in Abrede gestellt werden konnte (denn was ist eine

unerledigte Sache ?), wurde die Zusendung ausführlicher Restenregister mit Angabe der dabei Beteiligten erfordert. Gleichzeitig wurde gerügt, daß gegen die Säumigen nicht gehörig mit Strafen vorgegangen sei.

Eigenartig berührt es, wenn Cocceji, der die un-

1) Die Anfrage bezog sich natürlich auf die tatsächliche Besezung, die etatsmäßige war selbstredend vem Chef der Justiz bekannt.

1592

gnädige Order vom 8. Februar 1746 entworfen hatte, die Be-

sct, indem er am 2. April 1746 das Versenden der Akten an auswärtige Fakultäten und Schöffengerichte und dann am 20. Juni

1746 ganz allgemein untersagt hatte. Daß dieser Schritt, der zweckmäßiger erst nach der beabsichtigten gründlichen Umgestaltung des Kammergerichts und der übrigen Obergerichte hätte geschehen sollen, im Frühjahr 1746 erfolgte, erklärt sich offenbar daraus, daß Coccesi bei den beabsichtigten Entlassungen eines Teils der Räte darauf hin-

weisen wollte, dieselben seien den gesteigerten Aufgaben nicht gewachsen.

Mit dem Verbote der Aktenversendung, die vom Kammer-

gerichte meist an die Frankfurter Juristenfakultät stattgefunden hatte, war mit einem alten Brauche gebrochen. Die Obergerichte waren

damit gleichzeitig mündig geworden, und eine der Ursachen, aus denen über Prozeßverschleppung geklagt werden konnte und geklagt war, in Wegfall gekommen.?) Da es aber immerhin im Belieben des

Kammergerichts gestanden hatte, eine Sache zum Verspruch

zu

verschiken, oder dies wegen Einfachheit zu unterlassen, so lag in diesem Verbote an sich keine Beeinträchtigung der märkischen Privilegien. DeShalb erregte der Schritt, der zufälligerweise vom Sohne 1!) Die 1686 eingerichtete Marinekasse führte seit 1721 den Namen Rekrutenkasse, unter Friedrich 11. den der Chargenkasse. Troß der verschiedenen Namen war der Charakter der Kasse doch der gleiche. Sie hatte den Stempel für die erteilten Prädikate und Titel sowie für die verliehenen Ämter zu berechnen und einzuziehen. Außerdem hatte jeder Zivilbediente mit Ausnahme der Universitäts-

Professoren dorthin seine erste Vierteljahr8besoldung abzuführen. Die Kasse befand sich auf dem königlichen Schlosse. (Nicolai, „Beschreibung von Berlin und Potsdam"“, Bd. 1, S. 290.) ?) Etwas mitbestimmend auf den Entschluß de8 Verbotes der Aktenversendung war auch wohl der Umstand, daß die Frankfurter Hochschule damals recht herab-

gekommen war, und daß ihre Juristenfakultät kein besonderes Ansehen mehr genoß. (Holte, „Geschichte der Mark Brandenburg“, S. 133ff.)

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zum Präsidenten des zweiten, alsoy des Appellationssenats des Kammergerichtes ernannt. *) Jedenfalls war das Reglement vom 9. Januar 1747 nur eine ganz flüchtige

Skizze, der zunächst Leben eingehaucht werden mußte. E3 lag auf der Hand, daß hier ein Zusammenstoß mit den Ständen der Kurmark, die an der Verfassung ihres obersten Gerichtöhofes in erster Linie interessiert waren, kaum vermieden werden konnte. Für Cocceji kam es daher darauf an, diesen Widerstand zu bewältigen. Zugleich erkannte der „Justizherkules“ mit dem überwältigenden Scharfjinn eines Odysseus, daß mit dem Brechen diese3 Widerstandes nur ein kleiner Teil seiner Aufgabe bewältigt gewesen wäre. Er mußte die Stände nicht zu überwundenen Gegnern, sondern zugleich zu hilfreichen Freunden haben. Sie sollten ihm Geld zur Verfügung stellen, damit die Voraussehung, auf der sein Plan aufgebaut, erreicht werde, daß nämlich eine genügende Zahl hinreichend besoldeter Räte am Kammergerichte vorhanden wären. 3) Denn mit den 3500 Talern, die etatsmäßig zur Entlohnung der Räte zur Verfügung standen, ließ sich unzweifelhaft nicht3 erreichen. Die kurmärkischen Stände hegten aber 1) Auch diese Verordnung läßt erkennen, daß die acht Jahre zuvor verfügte Teilung in drei Senate tatsächlich nicht ins Leben getreten war. 2) y. Hymmen, „Beyträge zur juristischen Litteratur“, Sammlung 3, S. 168. 3) 3 ist oben (S. 93) bereits ausgeführt, wie frühzeitig Cocceji es erkannt, daß er für seine Reformen Geld, und zwar Geld von den kurmärkischen Ständen

flüssig machen müsse. Ein solches Zielbewußtsein mußte zum Siege führen.

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eine voll erklärliche Abneigung gegen den Mann, der vor neun Jahren

so kühn in ihre Gericht8barkeit bei der Frage der Sporteln in Bagatell-

sachen einzugreifen versucht hatte. Auch erschien dem autochthonen märkischen Adel der selbstherrlihe Mann als Standesgenosse mit einem Wappen von kaum 40 Jahren nur als Parvenu.

Aber dieser

hatte mit überlegener Feinheit seit kurzem alles getan, um sich das

Wohlwollen seiner ehemaligen Gegner zu verschafsen: sie rechneten es ihm hoch an, daß er der Aufhebung seines Bagatellverfahrens

keinen erheblichen Widerstand entgegengesetzt hatte; sie empfanden es dankbar, daß er Mitglieder ihres Standes, die Altmärker v. Goerne und v. Bismarc>, zu Präsidenten des Kammergerichts gemacht hatte, und waren von der ihnen bi8her ganz unbekannt gebliebenen Lieben3würdigkeit Coccejis entzückt, als er im Oktober 1746 in einer gleichgültigen

Streitsache über Teilung eines Lehngutes von ihnen mit der Begründung ein Gutachten erbeten, „daß e3 dabei auf die Konservation des Adel38 anfomme, auf die hauptsächlich die königliche Intention abziele“. Da erschloß denn die befriedigte Eigenliebe die Herzen der Kurmärker zur Dankbarkeit gegen den bekehrten Gegner.

Aber er

ging noch weiter: Der König verbot durch die von Cocceji veranlaßte vom 24. Januar 1747, also von seinem Geburtstage datierte Kabinetts3-

order, den Fiskalen die Anstellung von Prozessen wegen Kleinigkeiten bei Vermeidung der Strafe, die Kosten selbst tragen zu müssen. Jn dieser Order wurden die Prozesse, die biSher als die denkbar wichtigsten, nicht zur Hebung der Würde und des Ansehens des Kammer-

gerichts verfolgt waren, als „Unfug“ bezeichnet, eine Charakterisierung, die von allen, die je in solche Prozesse verwickelt gewesen, von ganzem Herzen gebilligt wurde.) Das damals gebrachte Opfer war uner-

heblich, ließ sich jederzeit wieder beliebig einschränken, aber seine Wirkung auf alle Gerichtöeingesessenen war eine große, die Volkstümlichkeit Friedrichs und seine3 Beraters Cocceji mächtig steigernde. So hatte dieser den Boden vorbereitet, auf dem er seinen Neubau aufzurichten gedachte. Es kam ihm nun darauf an, einen Grundriß für denselben zu entwerfen, der auch die Billigung des die Justiz nur als 1) Alle zeitgenössischen Berichte zeigen, wie tief verhaßt die damaligen Fiskale waren; zum Teil lag dies daran, daß bei den Übertretungen gegen Steuerund Stempelgeseße den Angebern eine Denunzianten-Gebühr zugesichert war. Das

Publikum übertrug nun seinen Haß und seine Verachtung gegen die Angeber auf die Fiskale, welche die Strafe und damit zugleich die Denunzianten-Gebühr eintrieben. 9%

12.

Caie beurteilenden königlichen Bauherrn zu finden geeignet war. !) Er ging de3halb auf die von Friedrich stets geteilte Ansicht ein, daß der Prozeß eine Krankheit sei, der vorgebeugt, wenn dies aber un-

möglich, in schnellster Frist Heilung verschafft werden müsse. Cocceji stellte daher den Wunsch nach schneller Beseitigung der Prozesse als eine Art Motto vor sein Reformwerk und kleidete es in die Formel:

„Alle Prozesse sind binnen Jahresfrist zu erledigen". Friedrich war hierauf eingegangen, und Cocceji hatte schon im Winter auf 1746 seine Gedanken über die Ausführbarkeit dieses Planes näher erörtert. Er hatte dabei an das Kammergericht als Versuchsstation gedacht und am 1. Februar 1746 ausgeführt, daß zur Beseßung desselben unter einem tüchtigen Präsidenten sechs Räte statt der vorhandenen 28 völlig genügen würden. Er wollte außerdem die Zahl der Advokaten beim Kammergerichte ' auf einige der besten beschränken, die „geld-

gierigen Lakaien“, d.h. die Prokuratoren aber ganz abschaffen, die Appellationen beschränken und auch den Prozeß in einigen Punkten beschleunigen. Zugleich schlug er die Einrichtung besonderer Pupillenkfollegien vor, hier in feiner Weise ein altes Petitum der märkischen Stände in Rücksicht ziehend. Man erkennt unschwer, daß bei der damals von ihm empfohlenen Beschränkung der Appellationen die Arbeit am

Kammergerichte so gemindert worden wäre, daß man allenfalls mit einem Präsidenten und sechs Räten hätte auskommen können.

diese Beschränkung der Appellationen war sehr bedenklich.

Aber

Endlich

aber =- und das war unter den gegebenen Verhältnissen eine kaum

notwendige Erschwerung der Arbeit =- befürwortete er zugleich die

Abfassung eines auf natürliche Vernunft, Billigkeit und Landesverfassung aufgebauten deutschen Landrechts an Stelle des „ungeordneten lateinisch geschriebenen und teilweise unanwendbaren römischen Rechts". Man sieht hier also eine ganze Fülle von Gedanken, Anregungen, Wünschen, die zu verwirklichen aber unendlich schwierig war. Auch Friedrich war dazu nicht imstande und forderte deshalb Cocceji auf, ihm zunächst einen Entwurf zu machen, wie er sich denn das Weitere vorstelle. Dieser erwiderte darauf am 10. Mai 1746, es sei die Hauptsache, daß am Kammergerichte ein tüchtiger Präsident und die genügende Anzahl von Räten vorhanden wären. Sei dies der Fall, so wolle er beim Kammergerichte die Probe machen und in einem Jahre die dort schwebenden 500 bis 600 Prozesse zu Ende 1) Friedrich hat selbst oft und offen erklärt, daß er sich in der Justiz auf Details, die er „nicht eigentlich verstehe“, nicht einlassen könne und wolle.

===ung durch Einlegung eine3 Rechtsmittel3 nicht gehemmt werden. Jm übrigen wird auf das Projekt des codicis Fridericiani Pommeranici als Er-

gänzung verwiesen.) Ammeisten befremdet in der Interimsverord“ nung die allenthalben hervorstehende Latitüde, die überall den Richtern

eingeräumt ist und so weit geht, daß es ihnen überlassen. bleibt, welches 1) Das Projekt des codicis Fridericiani Pommeranici wurde bald durc das schon 1748 zu Berlin in Folio im Druck erschienene Projekt des codieis Fridericiani Marchiei erseßt, das al38 eine neue Kammergerichtsordnung gedacht war.

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„37

127

=

Verfahren sie anzuwenden gewillt wären.

Das sette jedenfalls ein

vortreffliches Material an Richtern voraus. Um eine Art von Prüfung

der Tüchtigkeit der vorhandenen Räte vorzunehmen, hatte Coccesi, der seine Änderung wie in Pommern durch ein großartiges Nummerntöten einleiten wollte, die alten Sachen unter die Räte zum Referat

verteilt, dabei aber auch den Präsidenten v. Goerne reichlich bedacht. Al3 dieser sich hierüber beschwerte, berichtete der Großkanzler am 12. September 1747 dem Könige, daß gerade v. Goerne durch seine schlechte Aufficht „die gräuliche Confusion“ am Kammergerichte verursacht habe, und deShalb verpflichtet sei, durch seinen Fleiß an der

Beendigung der gehäuften Prozesse mitzuwirken. Diesem Berichte entsprechend wurde v. Goerne am 17. September 1747 vom Könige

abschlägig beschieden.) Nachdem auf diese Weise den Mitgliedern des Kammergericht3 der feste Wille des Großkanzlers gezeigt war, wurde von ihm bei den Advokaten die richtige Stimmung für Prozeß-

vergleiche gemacht. Mit Dienstentlassung und Karrenstrafe?) wurden diejenigen bedroht, die durch unnüße Schriftsätze Vergleiche und Urteile verzögern würden, und die Befreiung vom Advokatenmantel den

Willigen und Vergleichslustigen als Lockmittel "hingehalten.

Das tat seine Wirkung. Juzwischen hatte sich der Ausschuß der Stände in Berlin versammelt, mit dem Cocceji alsbald in Verbindung getreten war. Hier nahm er, mit Rücksicht auf die mannigfachen Beziehungen derselben zu den adeligen Räten und dem Präsidenten v. Goerne,

davon Abstand, die Schäden am Kammergerichte dem Präsidenten und den Räten zuzuschieben, sondern er schüttete die ganze Schale

seines Zornes auf die Anwälte aus, denen jedes Übel nachgesagt wurde. Nach seiner Ansicht kamen wegen der Grbärmlichkeit der Prozeßvertreter erster Instanz, der Prokuratoren, die auch in der zweiten die Schriftsäße verfaßten, nur die elendesten Fälschungen und Verdrehungen in den Schriftsäen zum Vortrag, die dann die größten

Weitläufigkeiten und Verschleppungen verursachten. Diese schweren Anklagen gegen die Anwaltschaft, datiert vom 30. Oktober, beant-

worteten die inzwischen vom Ständeausschuß gewählten drei Deputierten: bereits: am! 10.: November 1747: "mit" dem'' recht kalten“ Be1) Offenbar sollte v. Goerne durch diese, seine Autorität völlig untergrabende Behandlung zu einem „freiwilligen“ Verzicht auf seine Präsidentenstelle veranlaßt werden.

2) Gs gab sicherlich Ängstliche, die diese Drohung mit Karrenstrafe, d. Hh. Festungshaft mit Zwangsarbeit für' eine ernsthaft gemeinte hielten.

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merken, daß der Großkanzler wohl zu schwarz sehe, da ihnen genug ehrliche und tüchtige Anwälte bekannt seien. Es wäre nur geboten gewesen, daß die Stände, wenn ihnen irgendwelche Mängel am Kammer-

gerichte aufgefallen wären, diese in ihrer Entgegnung hervorgehoben hätten. Daß dies nicht geschehen, kann als Beweis dafür angesehen werden, daß der Großkanzler mit seinen Anklagen recht sehr übertrieben hatte, und daß vom Publikum und den in erster Linie Be-

teiligten seine ungünstigen Ansichten nicht geteilt wurden. Aber er selbst übertrieb, um seine Ziele zu erreichen, und beim Könige sollte die Übertreibung ihre Wirkung ausüben. Inzwischen hatte er seit dem 1. September 1747 den Vorsih am Ober-Appellation8gerichte und am Kammergerichte übernommen; bereits am 6. November konnte ex dem Könige berichten, daß das neue Ver-

fahren (d. h. zunächst das Nummerntöten) in der Altmark, U>ermark und Neumark mit gutem Erfolge eingeführt sei.

Denn es sei bereits

die Hälfte der alten Sachen aufgearbeitet (d. h. durch Zwangsvergleiche erledigt), am Kammergericht seien in zwei Monaten 400 Urteile

publiziert, so daß sich in der Hauptstadt das Verfahren noch mehr als in Pommern bewährt habe.

Wäre die Arbeit beendet, so werde

er dem Könige einen Etat über die zukünftige Einrichtung des Kammer-

gerichtes zusenden, die es ermögliche, den jetzt hergestellten guten Zustand ohne Belastung der königlichen Kassen zu einem dauernden zu machen. Lekztere38 war nun allerdings die Hauptsache, da der König nicht viel Geld hergeben konnte und wollte. Der Großkanzler ging

deShalb jeßt die solange von ihm vorbereiteten und günstig gestimmten kurmärkischen Stände an. In demansie gerichteten Schreiben vom 12. Dezember 1747 verbreitete er sich allerdings noch in scharfen

Wendungen gegen die Prokuratoren, aber die Hauptsache war, daß er bat, etwas Geld zu bewilligen, um die Räte am Kammergerichte notdürftig besolden zu können. Die Stände der Kurmark hätten ja =wie er ausführt =- das höchste Interesse an der Handhabung der

Justiz durch geschickte und ehrliche Leute; auch der König werde wohl hierzu etwas Geld bewilligen. Der Landrat v. Otterstedt, der als ständischer Deputierter den Ausschüssen über die Zustände am Kammexrgerichte berichtete, war nun ebenfall3 der Ansicht, daß, wenn Mängel

am Kammergerichte vorhanden gewesen sein sollten, sie jezt behoben wären, es sich also jedenfalls nur um die Erhaltung des jetzigen Zustandes handeln könne. Hierzu sollten aber die von den Ständen erbetenen Gelder dienen. Ebenso sah der Großkanzler die Sache an;

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am 22. Januar 1748 berichtete er nämlich dem Könige, daß nunmehr am Kammergerichte von 996 alten Prozessen nur noch 90 überjährige vorhanden und von den neu eingegangenen 695 Sachen bereits eben-

falls 558 beendet seien, während der Rest im laufenden Jahre erledigt werden würde. Hierzu wünschte er dem König Glück. Gleichzeitig schlug er eine völlige Umschaffung der Mitglieder des Kammergerichts vor, wobei sein Bestreben deutlich genug hervortrat, nur solche im Dienste zu belassen, von denen er überzeugt sein konnte, daß sie völlig auf seine Gedanken eingehen würden. Wenn er, was im Widerspruch damit zu stehen scheint, in diesem Berichte die Integrität des zu entlassenden Teils in Zweifel zog, so ist darauf nicht viel zu geben; denn in diesem Falle wäre es nicht nur sein Recht, sondern sogar

seine Pflicht gewesen, Disziplinaruntersuchungen gegen die Verdächtigen einzuleiten; dies ist aber nicht geschehen.) Friedrich erklärte nunmehr, sich um die Details nicht kümmern zu wollen, gab also dem Großkanzler das Blankett, Präsidenten und Räte am Kammer-

gerichte zu entlassen, zu ersezen und beizubehalten (24. Januar 1748). Nunmehr berichtete dieser am 13. Februar, daß sich die 26 Räte am Kammergerichte mit zusammen 3500 Talern Gehalt biöher zu be-

gnügen gehabt hätten, während beim Regierungsantritt seines Vaters (1713) der Etat 8683 Taler betragen hätte. Dies war nun ein kleiner Kunstgriff, denn der Etat von 1713 umfaßte noch andere Positionen als die Rat8gehälter, aber er tat seine Wirkung. Denn so

begründete er den Vorschlag, daß die dem Kammergerichte entzogenen Gehälter in Höhe von 5183 Talern wieder gewährt würden, da dann nach dem Ausscheiden der minderwertigen Räte die verbleibenden ausreichend besoldet werden könnten. Damit war die Bitte verbunden, daß der König auch die Stände um eine Beihilfe angehen möchte. So war denn die hier allein entscheidende Kostenfrage auf das Tapet

gebracht, die so oft bisher manchen guten Gedanken zum Scheitern gebracht hatte. Friedrich erwiderte am 17. Februar, daß er sich höchstens auf 3000 Taler Zuschuß gefaßt gemacht habe, was ja wohl

auch genügen werde, und forderte gleichzeitig den Großkanzler auf, zunächst einmal einen genauen Plan über die von ihm beabsichtigten 1) Das Wort Jutegrität wurde damals. = auch vom Könige selbst = in

einem Sinne angewendet, der von dem heute damit verbundenen völlig verschieden ist. Hier soll offenbar nur damit gesagt werden, daß den nicht integren Räten die Fähigkeit oder gar der gute Wille mangele, auf die Pläne des Großkanzlers

einzugehen.

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Änderungen einzureichen. Der Großkanzler kam so in die Verlegenheit, diese genau präzisieren zu müssen, ohne zu wissen, welcher Geldbetrag ihm schließlich zur Verfügung stehen werde. Troßzdem entwickelte er am 12. März 1748 seinen Plan, der in großen Zügen

dahin ging, alle königlichen Obergerichte in Berlin zu einem einzigen

Generalkollegium (dem großen Friedrichs-Kolleg) zu vereinigen. Dies aus vier Senaten bestehende Kolleg wäre mit 28 Räten ausreichend

besezt, während bi8her an den zu vereinigenden Gerichten 47 angestellt gewesen wären. Der erste Senat sollte das Kriminalkolleg, die Judenkommission und das Hof- und Kriminalgericht, der zweite und dritte das Kammergericht und der vierte das Ober-Appellationsgericht umfassen. Nach den etatsmäßigen Besoldungen und unter Hinzurechnung des vom Könige angebotenen Zuschusses von 3000 Talern, sehlten dann noch 5000 Taler, die wohl von den Ständen, wennsie vom Könige darum ersucht würden, hergegeben werden würden, Die Gehälter seien überall mit äußerster Sparsamkeit, aber unter Berücksichtigung der teuren Berliner Lebensführung berechnet. Dies ist richtig; es befremdet aber, daß Cocceji 5000 Taler Zuschuß zur Erhaltung eines Kollegs, bei dem das Ober-Appellationsgericht genau 40 v. H. absorbierte, von den märkischen Ständen erwarten konnte. Hier war in seiner Berechnung ein ganz offensichtlicher Fehler. Aber er hatte

gleichzeitig beschlossen, ein altes Petitum derselben, ein Pupillenkolleg zur Führung der kurmärkischen Vormundschaften der Exemten" und zur Beaufsichtigung der von den Untergerichten bearbeiteten zu be-

gründen und als Annex seinem projektierten großen Kolleg anzureihen. Damit glaubte er die Forderung der 5000 Taler allenfalls begründen

zu können. Auffällig erscheint e8, daß zwei ganz bedeutungslose Gerichte, das RavenSsberger Tribunal und der Geheime Justizrat zunächst nicht zur Einfügung in das große Kolleg bestimmt waren; dies geschah aber offensichtlich in der Absicht, hier einigen der zur Entlassung bestimmten Räte noch eine geringfügige, aber doch besoldete Tätigkeit zu belassen; auch das französische Obergericht blieb damals bestehen. *) Die zum Ausscheiden bestimmten Räte wurden nun, wie es auch selbstverständlich war, soweit sie nicht lediglich Titularräte oder zum Ausscheiden wegen Alters reif waren, auf alle mögliche Weise in Stellungen der !) Dies geschah, weil Cocceji nicht in die Verfassung der französischen Kolonie eingreifen wollte, um nicht seine ohnedies schwere Aufgabe noch weiter zu ver-

wickeln. Jrgendeine Daseinsberechtigung hatte dieses Obergericht schon seit längerer Zeit nicht mehr.

1-41

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Verwaltung als Posträte usw. versorgt, andere verloren nur eine biSher nebenamtlich am Kammergerichte bekleidete Stelle. Wer sich, wie der außeretatzmäßige Rat v. Nüßler grollend in das Privat[eben zurückzog, hatte sich dies allein zuzuschreiben. Aber auch er erhielt bald genug die Stelle des Landrats im Nieder-Barnim.?) Auch ein nur zu seiner Belehrung ohne Votum angestellter, jeht zum Ausscheiden bestimmter Rat v. Brückner ward" später als Baurat

untergebracht. Trozdem war dieser Schritt des Großkanzlers mit manchen Härten und Enttäuschungen für viele verbunden und ist später oft gegen ihn ausgenußt worden. Gleichzeitig plante er auch zur Herstellung eines besseren Advokatenstandes die Abschaffung des Mantels, fand aber hier den ihm sonst überall zustimmenden König unerbittlich. Jnzwischen hatten sich auch die kurmärkischen Stände bereit erklärt, einst weilen, d. h. bis zur besseren Lage der königlichen Kasse, die noch fehlenden 5000 Taler jährlich herzugeben. Allerdings geschah dies unter manchen Bedingungen, von denen die Versprechen, ihre Bedenfen bei dem demnächst zu erlassenden codex Fridericianus zu be-

rücksichtigen, den Etat des Kammergerichts ohne ihre Zustimmung nicht wieder abzuändern, und bei Anstellungen in Berlin die Märker vorzug8weise zu berücksichtigen, die wichtigsten waren. Als so der

Geldpunkt geregelt, folgte Schlag auf Schlag. Die Aufhebung aller zur Vereinigung bestimmten Obergerichte und die Anberaumung eines Termin8 zur Neueröffnung der vereinigten wurde angeordnet. Dabei wurden aber ganz auffälligerweise die vier Senate des neuen großen

Folleg8 nicht am selben Tage eröffnet, sondern die drei ersten Senate am 20. Mai und der allgemein als Tribunal bezeichnete vierte Senat

am folgenden Tage.

Der Großkanzler selbst führte nach feierlicher

Ansprache den zum Chef-Präsidenten der drei ersten Senate bestimmten v. Bismarc>, der den Rang eine8 Staatsministers empfangen hatte, in sein neues Amt ein' und beeidete die Räte, Advokaten und Sub-

alternen aufs neue.

Alle erhielten demnächst auch neue Bestallungen,

wobei es als besondere königliche Gnade hingestellt wurde, daß ihnen die Abgaben zur Rekrutenkasse, die sie doch schon einmal gezahlt hatten, erlassen wurden.?)

Sieht man aber genauer zu, sv hatte mankein

1) Er war in diesem Kreise mit dem Rittergute Weißensee angesessen, der

bisherige Landrat hatte ausdrücklich zu seinen Gunsten auf sein Amt verzichtet. 2) Der Erlaß stimmte indes mit der von Cocceji damals aufgestellten Filtion,

daß ein ganz neuer Gericht8hof begründet sei, was tatsächlich nicht der Fall war. Auf diese Weise ließen sich aber nur die Dienstentlassungen rechtfertigen.

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neues großes Kolleg geschaffen, sondern in den drei ersten Senaten das alte historische Kammergericht mit einigen Anhängseln erhalten und im vierten das ehemalige Ober-Appellation8gericht. Allerdings war die Zuständigkeit des Kammergerichts jezt mannigfach verändert. Sein erster Senat war durch Einfügung des Kriminalkolleg38 zum obersten Kriminalgericht des ganzen Staates geworden, und der Präsident v. Bismarc> führte den Titel eines Staatsministers als Chef der Kriminaljustiz. Aber bezeichnend für die damals geltende Schäßung dieses Zweiges der Justiz war es, daß die Räte des ersten Senates,

vorwiegend ehemalige Kriminalräte, weitaus das geringste Gehalt erhielten.

Dem zweiten und dritten Senate wurden die (Ehe- und

Priestersachen des Konsistoriums zugeteilt, !) in diesen beiden Senaten wurde allein die Trennung der adeligen und gelehrten Bank beibehalten. Mit dem vierten Senate oder dem Tribunale bestand dagegen von Anfang an gar kein innerer Zusammenhang, obgleich das Tribunal die etwa gegen Urteile des dritten Senates noch zulässigen Rechtsmittel per modum commigsgionis bearbeiten sollte. Die Rück-

sicht auf die märkischen Stände hatte hier die beabsichtigte schärfere Unterordnung scheitern lassen. In gleicher Weise hatte auch die neumärkische Regierung der vom Großkanzler beabsichtigten Unterordnung unter das Kammergericht zu widerstehen verstanden. Auch die Appellationen gegen die neumärkischen Urteile sollte das Kammergericht ebenfalls nur per modum commisgionis bearbeiten und seine Urteile

der Regierung zu Küstrin zur Publikation zusenden.?) Man erkennt aus diesen Notbehelfen, ein wie zähes Leben die märkischen Stände ihren Obergerichten zu geben verstanden hatten, denn alles dies waren Zugeständnisse, mit denen der Großkanzler jene 5000 Taler Jahres-

zuschuß hatte erkaufen müssen. Sollten doch auch Strafen, die vom Kammergerichte gegen neumärkische Parteien und Anwälte verhängt würden, nach dem Reskripte vom 27. Januar 1749 zur Sportelkasse

der neumärkischen Regierung abgeführt werden. Der Chef-Präsivdent sollte 5as Recht haben, Räte aus dem ersten Senate in den zweiten ?) Da Kammergericht5räte schon biSher im Nebenamte Konsistorialräte gewesen waren und damals Konsistorialräte an das Kammergericht berufen wurden, voll-

309g sich diese Veränderung in der Verfassung beider Behörden ohne jede Schwierigkeit; nicht einmal ein Aktentransport wurde erforderlich, da beide im selben Gebäude tagten. ?) Der etwas verwickelte Justanzenzug bei der neumärkischen Regierung, der damals tatsächlich das Kammergericht übergeordnet wurde, ist in der Instruktion vom 3. November 1750 näher geregelt.

(Mylius, C. C, M, contin, IV, Nr. 110.)

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und von diesem in den dritten aufrücken zu lassen.

Da indes die

Gehälter in den einzelnen Senaten so geordnet waren, daß das Höchstgehalt in den unteren Senaten höher war als das Mindestgehalt im folgenden, so war hierdurch =- und das hat noch sehr lange gegolten =- das Aufrücken nur für jüngere Räte ein Vorteil. ?) So trat das Kammergericht am 20. Mai 1748 mit drei Senaten in

eine neue Phase seiner Entwicklung. Es war besezt mit einem Staats-

minister als Chef-Präsidenten und Vorsizenden des dritten Senates, einem Präsidenten des zweiten Senates, einem Direktor des ersten Senates und 20 Räten, außer denen unter dem Titel von Refe-

rendarien in jedem der drei Senate je zwei Hilfsrichter tätig sein sollten. ?) Jeder Senat hatte zu Beisizern sech8, der zweite dagegen acht Räte.

Verbunden mit dem Gericht5hofe war die unter einen

Präsidenten gestellte Deputation des Pupillenkollegs, eine zur Beaufsichtigung der Vormundschaften an den Untergerichten des Bezirks

bestimmte Behörde.

Diese führte zugleich die Vormundschaft über

die dem Kammergerichte unmittelbar unterstellten Personen; diese Verbindung hat genau 100 Jahre bestanden. *) Hiermit hielt der König die Justizreform für beendet und feierte sie mit einer Denkmünze; auf der Vorderseite sein Brustbild mit Umschrift: Fridericus BoYusgorum rex, auf der Rückseite die Gerechtigkeit mit der Wage,

deren eine Schale der König mit seinem Zepter herabdrückt und so in das Gleichgewicht mit der anderen bringt, mit der Umschrift: emendato jure 1748. Cin goldenes Exemplar derselben empfing der Großkanzler am 24. Juni 1748 mit einem sck, Zopf und

Galanteriedegen. 1) Über die Fabel vom Müller zu Sanssouci: Schneider, „Die historische Windmühle bei Sanssouci“ (Märkische Forschungen, Bd. 6, S. 165 bis 193).

(59

verwendet werden können.

Der Prozeß war in kaum drei Monaten

in zwei Instanzen entschieden, und von einer schikanösen Tätigkeit von Anwälten war dabei nie die Rede gewesen. So zeigt denn auch die dem al3bald nach Berlin berufenen Carmer am 25. Dezember erteilte Dienst-Instruktion eine ganze Reihe von Anordnungen, königlichen

Forderungen, namentlich über Kostenminderung,

aber nicht das

Mindeste, was man auf ein Eingehen auf den von Carmer geforderten

Jnquisition3-Prozeß hätte ansehen können. Friedrich stand damals noch unter dem Bann der vorgesaßten Meinung, daß dem armen Manne im Prozesse gegen Reiche sein Recht verkümmert werde. Die Instruktion vom 25. Dezember hielt sich aber genau innerhalb der

Anschauungen von Cocceji, jedoch mit einer Ausnahme: Der Justiz-

herfule3 Preußens hatte gerade Wert darauf gelegt, jugendkräftige Räte an den Obergerichten zu haben.

Nun war es Friedrich aufgefallen, daß die drei Räte Graun, Friedel und Ransleben das

dreißigste Lebensjahr kaum überschritten hatten. !) Er hatte daher in ihrer Jugend und ihrem noch ungefestigten Charakter die Anlockung zur Rechtsbeugung und die Widerstand3unfähigkeit, Rechtsbeugungen zu begehen, erblickt. Daher erklärt sich seine Forderung, keinen, der nicht 35 Jahre alt sei, zum Rat an einem Obergerichte zu ernennen.

Dabei war übersehen, daß diese Bestimmung sich einmal mit den vor einem Menschenalter von Cocceji normierten Mindestgehältern kaum

vereinbaren ließ, um so weniger, als jezt nach Friedrichs Wunsch auch noc< die schon nicht bedeutenden Sporteln herabgesezt werden sollten.

Dann aber =- und das war wichtiger =- entstand die Frage,

was man denn mit den jungen Juristen, die im Durchschnitt3alter von

kaum 25 Jahren die große Staatsprüfung ablegten, in den nächsten zehn Jahren beginnen sollte. Carmer hat es nun verstanden, sich

diesen Umstand für seinen Plan nußbar zu machen, statt des Zuchtmeister der Justiz, zu dem ihn Friedrich berufen hatte, zu ihrem Reformator, dessen man nach seiner Meinung bedurfte, zu werden. Klar erkannte er, daß er dabei den kräftigsten Widerstand des Kammexr-

gerichts, dieses Hortes der Coccejischen Überlieferung, werde zu bekämpfen haben, und deShalb kam es ihm sehr gelegen, daß Friedrich al8bald seine Vorschläge zur Wiederbesezung der durch seine Er1) Friedel war am 25. Februar 1745, Graun im Jahre 1750 und Ransleben am 17. Februar 1748 geboren. Friedel war 1779 schon seit neun, Graun

seit vier und Ranslebenseit sechs Jahren Kammergerichtsrat. Auch sonst wurde diese Stelle regelmäßig im Alter von etwa 25 Jahren erreicht.

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nennung zum Großkanzler erledigten Stelle des Justizministers für Schlesien forderte.

Er schlug nun hierfür v. Rebeur vor neben einer

bekannten Null, dem Regierung3-Präsidenten v. Cocceji in Glogau,

einen seinem Vater (dem Großkanzler) sehr unähnlichen Sohn, und neben einem noch völlig unbeschriebenen Blatte, dem Clevischen Regierung8-Präsidenten v. Danckelmann. !) Aber in Friedrich lebte noch der Groll gegen v. Rebeur, der am 8. Dezember 1779 seine Frage

so knapp beantwortet hatte; er wählte das unbeschriebene Blatt, da v. Rebeur -- wie er am 21. Februar 1780 erklärte -- nicht von der

„probit6s sei, wie er sein soll“. Friedrich hat in diesem Falle seine Ausdrücke selbst geformt, denn einen Präsidenten, der nicht die probite im gewöhnlichen Sinne des Wortes besessen, hätte er einfach davongejagt. Er behielt ihn aber im Dienste, und der neue Großkanzler mußte erfennen, daß derselbe Zufall, dem er seinen Sieg verdankte,

ihm die Möglichkeit abschnitt, seinen tüchtigsten Gegner aus seiner Stellung am Kammergerichte in die Provinz ehrenvoll zu verbannen. Da war denn der Kampf unvermeidlih. Im Publikum blieb dieser

Zwiespalt zunächst allerdings noc< unbekannt, denn ein Berliner Dichter feierte damals die Justiz in Berlin mit den gutgemeinten

Versen: *?) „Die Justiz zählt übrigens Glieder, Die Einsicht3voil, wacker und bieder

Verdienen verzeichnet zu stehn, Viel Räte in dem Tribunal

Gehören mit zu dieser Zahl, Rebeur ist nicht zu übergehn, Svareß verdient bemerkt zu werden,

Baumgarten wird bekannt auf Erden, Wo seine Brief gelesen werden.“

Carmer hatte mit Hilfe seines erprobten Adjutanten Suarez und anderer schlesischer Vertrauten schnell genug eine neue Prozeßordnung ausarbeiten lassen, die am 26. April 1781 als „corpus iuris Fride-

ricianum Erstes Buch“ publiziert wurde. Diese Ordnung beruhte auf strengster Durchführung des Inquisitionsprinzips; die VerhandlungsMaxime, die Eventual-Maxime, alle Regeln über die Beweislast waren aufgegeben; lediglich der Richter sollte, ohne jede Mitwirkung 1) Er war der Vater des späteren Justizministers.

2?) Cranz, „Beitrag zur Chronika von Berlin“. 1781. S. 88.

Erstes Stück.

1. Januar

161

von Anwälten die Wahrheit feststellen.

So konnte die Friedrich sehr

unsympathische Anwaltschaft fortfallen, und die vermehrte Tätigkeit der „die Wahrheit erforschenden Richter“ konnte von den jungen Juristen, die nach Friedrichs Willen vom bestandenen Examen bis zum

35. Jahre nicht als Räte angestellt werden sollten, ganz wohl geleistet werden. Ja man konnte der Anwaltschaft ihre Aufhebung sogar dadurc< erleichtern, daß man zunächst =- da ja derartige junge Juristen noc< nicht in ausreichender Zahl vorhanden waren =- die

fehlenden Wahrheitsforscher, für die der Titel „Assistenzrat“ gewählt wurde, aus der Anwaltschaft anstellte. Die Kosten für diese neue Beamtengruppe waren nach Carmer38 Meinung leicht zu beschaffen,

da die Anwalt8gebühren jetzt wegfielen. ) Die Parteien sollten daher an Stelle derselben bei Beginn ihres Prozesses einen Vorschuß zur Gerichtskasse zahlen, der dann zur Entlohnung der Assistenzräte diente. (E38 war ein großer Fehler Carmers8, daß er diese, in ihrer

praktischen Durchführbarkeit noch völlig unerprobte, alles BisSherige so ziemlich auf den Kopf stellende Ordnung nicht zunächst einmal zur Diskussion stellte, sondern sie einfach einführte, wobei die Anwaltschaft, die auf dem Papiere aufgehoben wurde, übrigens den Vorteil hatte, daß damit endlich der ihren Stand seit zwei Menschenaltern schändende Mantel in Wegfall kam.

Etwas war indes zur

Vorbereitung des Publikums auf die umstürzenden Jdeen de8 Großkanzlers geschehen: Im Auftrage desselben hatte Suarez im August 1780 einen „vorläufigen Unterricht zur Einführung des Publikums3 in die beabsichtigte Prozeßreform"“ im Druc erscheinen lassen. Dieses Buch war, wie an alle Justizbehörden so auch an das Kammergericht

mit dem Befehle des Großkanzlers gesandt worden, sich darüber zu erklären, ob sich irgendwelche Bedenken gegen die darin enthaltenen Grundsäße ergäben. Bereits am 6. September beantwortete das Kammergericht den am 25. August empfangenen Befehl. Jn dieser von Rebeur stammenden Entgegnung war darauf hingewiesen, daß es der Verfassung des Kammergerichts widerstrebe, wenn =- wie dies

nach 8 16 des Unterrichts erscheine -- die Appellationen in Sachen, in denen das Kammergericht erstinstanzlich entschieden = an ein

anderes Kolleg gingen. E53 sei ferner unpraktisch, den dritten Senat zum alleinigen Appellationssenat auszugestalten, da nach der biSherigen und bewährten Verfassung die Kommission8geschäfte erster Instanz 1) Weißler, „Die Umbildung der Anwaltschaft unter Friedrich dem Großen,,, „Königshütte 1892. Schriften des Vereins f. d. Geschichte Berlins. Heft XVI].

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unterschied3lo8 an die Mitglieder des zweiten und dritten Senates verteilt worden seien. Habe dann ein Rat des dritten Senats als

Kommissar in erster Instanz mitgewirkt, so habe er sich, wenn die Sache in appellatorio an den dritten Senat gediehen, seines Votums enthalten. Würde nun ein bloßer Appellationssenat gebildet, jv würde dadurc< nicht nur die Arbeitölast des zweiten Senates ohne Grund vermehrt, sondern es würden auch die Landstände hieraus Bedenken herleiten. Jn einer etwas überhebenden Art machte Rebeur zugleich den Großkanzler darauf aufmerksam, daß es eine Grundregel sei, die Zahl der Neuerungen möglichst zu beschränken und es in unwesentlichen Punkten beim alten zu belassen. Schon am 10. September antwortete der Großkanzler dem Kammergerichte in einer schwer gereizten Stimmung: (Es hätte =- so heißt es =- über etwaige

Zweifel geziemend anfragen und Belehrung darüber gewärtigen können, aber es schi>e sich nicht, wenn ein Mitglied mit solchen aus der Luft gegriffenen Vorwänden Schwierigkeiten mache und die Untertanen gegen die Veränderungen einzunehmen suche. Ein solches

Betragen werde nicht ungeahndet bleiben, vielmehr in solchen Fällen die Angabe des Berichtverfasser3 im Dienstwege veranlaßt werden. Das Kammergericht habe vor den übrigen Justiz-Kollegien des Landes gar feine Prärogative, und lediglich die Natur der Umstände könne den

Entschluß determinieren, die Verfassung des Gericht3hofes im wesentlichen unverändert zu lassen. Man sieht, wie hier die Erbitterung mit dem Großkanzler durchgegangen ist, denn, wie ein Bericht, der doch nur

für den Großkanzler bestimmt war, aufreizend auf das Publikum wirken könnte, bleibt unerfindlich. Daß aber jede Veränderung der Kammergericht3-Verfassung in die Rechte der kurmärkischen Stände eingriff und dem königlichen Versprechen von 1748 widersprach, konnte dem Großkanzler nicht unbekannt sein. Bei einem von einem Kolleg erstatteten Bericht nach einem Konzipienten forschen zu wollen, ist endlich ein recht bedenkliches Mittel. Bald hernach ließ Carmer den Räten des Kammergericht3 bei Strafe der Kassation verbieten, in Gesellschaften nachteilig von der neuen Prozeß-Ordnung zu sprechen, und am 3. Januar 1781 wurde ihnen schließlich verboten, irgend etwas ohne seine vorgängige Genehmigung über Prozeß-Ordnung und Gesetzgebung drucken zu lassen. !)) Seitdem verkümmerten die trefflichen 1) (Gs befremdet nicht, daß v. Carmer durch diese Haltung bei den Mit-

gliedern des Kammergerichts eine an Mißachtung grenzende Abneigung gegen sich hervorgerufen hat. In den im Tagebuche von Neumann (siehe S. 150) mitgeteilten

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Hymmenschen Beiträge; es erschienen zwar noch die 7. und 8. Sammlung in den Jahren 1782 und 1785, aber bei dieser Zensur, die

jede Kritik unmöglich machte, hatten sie ihre Bedeutung verloren, und es war verständig, sie eingehen zu lassen. Entschuldigt wurde diese Haltung Carmers in etwas durch die offenbare Feindseligkeit, mit der er und jener Helfer am Kammergerichte angesehen wurden. Da wurde Friedrich als recht gealtert bedauert, da er nun doch auf die vor vier Jahren von ihm selbst verworfenen Gedanken Carmer38

hineingefallen sei; Carmer selbst als abgelebtes Gerippe verspottet, das sich nur mit Einsprißungen aller Art am Leben erhielte.

Dazu

fam, daß der Kammergerichtsrat Baumgarten, der bi8her als Vertrauter v. Fürsts gegolten hatte, als einziger von seinen Kollegen von diesem in das Lager Carmers abschwenkte, um hier mit offenen Armen aufgenommen zu werden.?) Da dies die schon an sich sehr geringe Achtung, in der der streberische Faiseur bei den Kollegen ge-

standen, in offene Verachtung gewandelt hatte, so galt Carmer, der sich dieses Mannes bediente, als aufgeheßt und von geringer Menschenfenntnis.

Dieses zweideutigen Mannes bediente er sich nun, um in

dem seit 1780 in mehreren Heften erscheinenden „Briefwechsel über die gegenwärtige Justiz Reform in den Preußischen Staaten nebst einigen nach den Vorschriften der neuen Prozeß-Ordnung instruierten

Akten“ für seine Neuerungen im Publikum Propaganda zu machen.*) Dieser Briefwechsel, in Dialogform abgefaßt, zeigt Baumgarten als Bemerkungen der Kammergerichtsräte erscheint er als der abgelebte, wissenschaftlich -von Rebeur vernichtete Greis, den die Laune Friedrichs aus dem Dunkel

hervorgeholt, und der jekt mit Hilfe eines erbärmlichen Strebers (Baumgarten)

törichte Gyperimente anstelle. 1) Otto Nathanael Baumgarten, geboren am 24. August 1745 zu Berlin,

hatte hier bereits im Jahre 1766 ein Trauerspiel „Karl von Drontheim“ in fünf Aufzügen erscheinen lassen. Nach seinem Übertritt zu v. Carmer wurde er Tribunalsrat (1783) und Mitglied der Gesetzeskommission. Ju dem von den vor-

kommenden Schriftstellern korrigierten „Gelehrten Berlin“ (Berlin 1795) bezeichnete er den Geheimen Rat Suarez als Mitverfasser des Brieswechsels, während Suarez in dem ihn behandelnden Artikel von dieser Mitarbeiterschaft nicht8 verlauten läßt.

2) Die drei Hefte dieses wunderlichen Briefwechsel3, deren letztes 1784 erschien, sind kurz skizziert bei Holze, „Kammergericht“, Bd. 3, S. 339 bis 343 und. S. 359 bis 362.

Wenn man auch nur einen Blick in sie wirft, wird einem

verständlich, daß Suarez sich zur Mitarbeit daran nicht bekennen mochte, die zweifelhafte Ehre der Autorschaft vielmehr dem Verfasser des Karl von Drontheim allein überließ.

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gewandten Macher, der es wohl versteht, durch Schlüpfrigkeiten, Zoten und Verse seinen Stoff schmackhaft zu machen. An sich ist der Briefwechsel aber auf ein recht urteilsloses Publikum berechnet; die früheren Zustände erscheinen in einem wahren Zerrbilde, und das Anreißen der neuen wirkt widerlich, zumal immer wieder betont wird, dieser und jener Einwand wäre früher am Plate gewesen, jetzt aber sei

die „Zeit der Chikane“ vorbei. In den beiden ersten Heften sind Prozesse vor dem Kammergerichte fingiert; an diesem hatte aber Baumgarten selbst seit dem Februar 1769 als Rat gestanden. Schon de8halb hätte er solche schwere Irreführung des Publikums, um ein

günstiges Lächeln Carmers zu erlangen, unterlassen sollen.

Dieser

aber war derartig von der Güte seiner Neuerungen Überzeugt, daß er am 18. Dezember 1780 den Gerichten befohlen hatte, die bereits

eingeleiteten Prozesse nach der neuen Ordnung umzuleiten.

Als dies

natürlich große Schwierigkeiten und Unzuträglichkeiten im Gefolge hatte, fand er, in der festen Überzeugung von der Güte seiner Neuerungen, die Erklärung darin, daß das frühere Verfahren gar zu schlecht gewesen sei. Im übrigen hatte man es den erkennenden Richtern

recht leicht gemacht. Hatten die Assistenzräte mit Hilfe eines deputierten Richter3 den Tatbestand oder die „Wahrheit“ =- wie man

damals sagte =- ermittelt, so fällte das Gericht das Urteil.

Ginigte

man sich aber nicht darüber, wie die Sache rechtlich aufzufassen, so wurde bei der durch Patent vom 29. Mai 1781 errichteten Geseteskommission angefragt). Diese entschied dann ohne Angabe von

Gründen mit Gesetzeskraft für diesen und gleichliegende spätere Fälle. E3 war bei dieser Verfahrensart sogar ein Instanzenzug kaum noch

erforderlich, ja kaum dann noch denkbar, wenn schon in erster Instanz ein Bescheid der Gesetzeskommission gegeben war. Am Kammergerichte war man so ungefähr auf den Standpunkt von 1736 zurück-

gefehrt, als hier konzessionierte Vergleichskommissare die Wahrheit feststellten und Vergleich8vorschläge unter Benukung der Voten der

Gericht3mitglieder machten.

Genau so verfuhren jezt die Assistenz-

1) Sie hatte die Prüfung und Entscheidung der von den Landeskollegien unter Verschweigung des Namens der Parteien eingesandten streitigen Rechtsfragen, sie sollte auch die Justizkollegien visitieren und Gesekzvorschläge und- Gutachten über neue Geseze. machen. Die Kommission tagte =- meist unter: dem Vorsige des Großkanzler8 =- Freitags im Kollegienhause; Baumgarten und

Suarez haben ihr als Mitglieder angehört. (Näheres: Nicolai, „Berlin und Pot8dam“, B. 1, S. 305ff.) Am 8. März 1798 wurde sie, da sie sich in keiner

Weise bewährt habe, vielmehr schädlich gewesen sei, aufgehoben.

165

räte, und jezt wie damals war bei dieser Art des Verfahrens die Anwaltschaft ausgeschlossen. Da erklärt es sich denn, wenn der einzige damals noch lebende Kommissar von 1736 =- v. Nüßler war inzwischen

gestorben =- die Träume seiner Jugend erfüllt sah und sich in den Kreis der Lobredner Carmers mischte. Er schrieb in drei Bänden mit 4000 Seiten ein „Grab der Chikane“ betiteltes Werk, das den Großkanzler wegen Abschaffung der Advokaten als Wohltäter der

Menschheit feierte. ') Aber bei aller senilen Schwaßhaftigkeit erkannte er doch einen wunden Punkt der neuen Ordnung, nämlich die jezt erforderlich gewordenen Reisen der Parteien an den oft sehr entfernten Gericht3zort. Deshalb schlug er die Bildung von Kreis8gerichtöhöfen vor, die jeder Insasse mit einer Reise von höchstens vier Meilen

erreichen müsse, wobei allerdings die Frage, wie solche zu bezahlen, unbeantwortet gelassen wurde. Auch abgesehen von diesem Lobredner äußerte sich die Kritik der Neuerungen in einem für Carmer im allgemeinen nicht ungünstigen Sinne; doch machte v. Rebeur am 3. Dezember 1781 den Großkanzler, mit dem er beim Staatsminister

v. Herzberg zusammengekommen war, darauf aufmerksam, daß der Göttinger Professor v. Selchow in einer ebenfalls wohlwollenden Kritik den Geheimen Rat Suarez als Urheber der Neuerungen ange-

sprochen habe.

Suarez ließ darauf im „teutschen Museum“ eineu

Brief an v. Selchow veröffentlichen, in dem er die Urheberschaft dem

Großkanzler, sich selbst nur die Redaktion des Stoffes und 'die Ausführung der Gedanken seines Chefs zuschrieb. So hatte Carmer die

volle Verantwortung für die Neuerungen selbst übernommen, und Rebeur sollte hierdurch offenbar vor weiteren Schritten gewarnt werden. Damit imponierte er aber einem Rebeur nicht, der im September 1782 noch in die wunderliche Lage kam, den Vorsitz in einer Bauernklage gegen den Großkanzler zu führen, in der es sich um die Er-

hebung von Chausseegeld auf dessen Gute handelte. Der Großkanzler forderte nämlich auf Grund der Rechtsverjährung das Recht zur Erhebung eines Chausseegroshens, wurde indes mit seiner Klage unter Zurlastlegung aller Kosten abgewiesen, was damals nur geschah, wenn festgestellt war, daß der Angriff ein völlig unberechtigter, oder

nach damaligem Ausdruck ein „ belegenen, biSher vom

Konsistorium und dem reformierten Kirchen-Direktorium benußten Räume verfügbar, und der ganze Flügel konnte nunmehr dem

Pupillenfolleg, dem bisherigen Mitbenußer, allein zur Verfügung ge-

stellt werden. Dazu kam, daß nach Aufhebung des Lehns-Departements im Jahre 1807 von diesem nur eine Menge von geschichtlich oft recht

interessanten, sonst wertlosen Akten übrig geblieben war. So wurden denn die biSher vom Lehns3archiv benutzten Räume im westlichen Untergeschoß am 9. August 1809 dem JInstruktionssenate zur Mit-

benußung überlassen, die bald zur alleinigen Benuzung wurde, da man die Lehn3akten auf den Boden schaffte und die geringen archivalischen Geschäfte nebenamtlich von einem Sekretär bearbeiten ließ. Nach und nach sind diese Akten dann an die Archive, namentlich an

das Geheime Staatsarchiv abgegeben worden. Das Kammergericht aber erhielt so den Besiz der oben (S. 113) besprochenen Porträts ver zwölf Kurfürsten und des ersten Königs, die biöher zum Inventar 1) Nähere3 hierüber bei Bardt, „Geschichte des vormaligen Kgl. AppellationsGerichts in Frankfurt a. 9. OD:“, S. 25. 2) Außer dem grundlegenden Werke von v. Bassewitz (S. 183) siehe: „Die Verlegung der kurmärkischen Regierung von Berlin nach Potsdam“ (Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Pot3dams8, Neue Folge, 1. Teil, Nr. 204.)

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des LehnSarchivs gehört hatten, und war seitdem im Besiße des Kollegienhauses nur noc< durch das Ober-Tribunal beschränkt, das

den westlichen Oberstoc> innehatte. Selbstredend mußten so erhebliche Änderungen in der Gerichtsverfassung, auch solche in der Verfassung des Kammergerichts im Gefolge haben. Da aber die Verhältnisse noch allenthalben den Stempel des Unfertigen und Werdenden trugen, so war es schwer, hier das

Richtige zu treffen, und die Ansichten über das Zweckmäßige gingen weit auseinander. Dies zeigte sich in der im Oktober 1809 geführten Korrespondenz des zum Justizminister beförderten Beyme mit dem am 13. September 1809 an seine Stelle zum Chef-Präsidenten des

Kammergerichts beförderten v. Kircheisen.

Beyme regte dabei die sehr

zeitgemäße Frage an, ob es sich nicht empfehle, da das Berliner Stadtgericht jetzt königlich geworden, das ganze Bagatellverfahren neu zu ordnen, dabei die Hausvogteigerichts3barkeit aufzuheben, dem Stadt-

gerichte dessen Tätigkeit zu übertragen und die Zivil-Deputation des Kammergerichts zur AppellationSinstanz zu bestimmen. Diese Anregung war vortrefflich; aber inzwischen war der liberale Zug, der

diese Beseitigung der Rechte der Exemten vielleicht gestattet hätte, nicht mehr vorhanden.

Der märkische Adel wurde, da er ohnedies

durch Aufhebung seiner Steuerfreiheit, durch die Aufhebung des Johanniter-Ordens und des Stiftes Havelberg finanziell sehr schwer getroffen und um Kommenden und Stiftsstellen gebracht war, möglichst in Kleinigkeiten geschont; zu diesen gehörte aber die exemte Stellung vor Gericht. Auch darin kam man ihm entgegen, daß der hochverdiente alte Direktor Woldermann nicht zum Präsidenten, sondern nur zum Vizepräsidenten ernannt wurde, da er die ihm angebotene Erhebung in den Adelstand abgelehnt hatte. Als dann 1810 v. Kircheisen als Justizminister an Beymes Stelle getreten war, erhielt Woldermann zwar den Titel eines Kammergericht3-Präsidenten, aber

die Stelle des Chef-Präsidenten blieb ein Menschenalter unbesezt. Im übrigen begnügte man sich, mit den bestehenden Kräften und Einrichtungen möglichst in den alten Formen auszukommen. Der große Zug der staatlichen Neuordnung war vorüber. Es konnte auch nicht anders sein, denn seit dem Frühjahr 1812 waren Kur- und Neumark wieder von französischen Truppen besetzt, und vor dem Kollegienhause

schulterten jetzt französische Soldaten, die den Aktentransport hinderten, da sie die Boten, welche damals an einem Sto> die Akten trugen, nicht in das Gebäude ließen, weil e8 in Frankreich verboten sei, be-

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merksam, daß in drei Jahren das Kammergericht sein dreihundertjähriges Jubelfest feiern könnte, und regte dabei den Gedanken an, dieses Fest durch die Herausgabe einer die Geschichte des Gericht3hofs behandelnden Festschrift zu feiern. Er erbot sich selbst zur Abfassung einer solchen; Justizminister v. Kirck, Dahme und Baruth mit ihrem Gebiete, zusammen 19 Quadratmeilen mit 30274 Seelen.

Hiernach

1) Präsidialakten des Kammergerichts 11, PV. 9, Bl. 28ff. Das Schreiben Köhlers an Woldermann ist abgedruckt bei Holte, „Kammergericht“, Bd. 4, S. 347 bis 349.

192

minderte sich der Gerichtsbezirk von 453 Ouadratmeilen mit 768474

Seelen auf 353 Quadratmeilen mit 639745 Seelen, d. h. in Bezug

auf die Bevölkerungsziffer auf ziemlich genau 10/5 der heute dem Kammergerichte unterstellten Personen. Von den Gerichtsinsassen wohnten damals 183110 in Berlin; zum Bezirke gehörten 43 Untergerichte, 18 Justizämter (Domänen) und 835 Patrimonialgerichte.) Im Bezirke waren damals 59 Anwälte tätig, darunter 31 am Kammergerichte selbst; diese 59 bedeuten etwa 5 / von den jezt im Be-

zirke tätigen Anwälten.

Der Angliederungsprozeß der Patrimonial-

gerichte an die Stadtgerichte und an die Justizämter blieb im Flusse. An der inneren Verfassung des Kammergericht wurde damals aber

kaum etwas Wesentliches verändert. Während der recht langwierigen Arbeiten, die durch die Veränderung des Bezirkes und die dadurch

erforderlichen Aktenaustausche verursacht wurden, besuchte der Justizminister v. Kirheisen im September 1815 das Kammergericht und war erstaunt, in wie dürftiger Weise Sißungs8zimmer und Vorgemach ausgestattet waren. Er schrieb de8halb an den Präsidenten Wolder-

mann: „So großes Verdienst muß nicht mit solcher! Schale umgeben sein“ und forderte ihn auf, sein Erscheinen auf dem Kammergerichte durc< Neumalen beider Räume, sei e8 auch nur mit „Schweinfurter Grün“ zu feiern. Dies geschah, und mit einem Kostenaufwande von 385 Talern wurden im Herbst die bezeichneten Räume neu gemalt, die drei damal3 in der Sessionsstube befindlichen dem Kammergerichte im Jahre 1790 geschenkten Medaillons des berühmten Berliner Malers Bernhard Rode restauriert und vom Professor Niedlich, der die Re-

staurierung übernommen, noch einige seitdem verschwundene Bilder in dem Sißungs8zimmer angebracht.

Unter Berücksichtigung des für

alles gezahlten Preise3 wird es sich aber nur um Dekoration3malerei

gehandelt haben.?)

Leider benußte Woldermann den Besuch des

Justizminister3, um diesen um die Erlaubnis zu bitten, daß das in

der Sekretarienstube befindliche Bild des Cambyses in die königlichen Sammlungen, aus denen es ja stammte, zurückgegeben werde, da kein

Geld zur Restaurierung dieses „Lukas Cranach" vorhanden sei, der zudem immer eine schlechte Behandlung auf dem Kammergerichte er1) Genaueres hierüber ergeben die Geschäft3verzeichnisse. Zuständigkeit und Zahl der kleinen und der kleinsten Gerichte haben dabei vielfachen Wandel erlitten. 2) Akten des Kammergerichts 11. D. 1, Bl. 222.

Über die Bilder von Rode:

Holze: „Lokalgeschichte“, S. 63f. und „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlin3“, Jhrg. 1894, S. 86f.

193

fahren habe. Das Angebot ward angenommen, und am 9. November 1815 quittierte das Hofmarschallamt über „ein Gemälde von Lukas Cranach"“.?) Damit war dieses interessante Stück verloren gegangen,

da es inzwischen in den Bilderschägen des Königlichen Schlosses, wenn es dort noc< vorhanden sein sollte, den pikanten Reiz verloren hat, den es auf dem Kammergericht besessen. Zur selben Zeit verlor das Kollegienhaus auch die zum Teil schon von den Akten verdrängten Montierung8kammern auf dem Boden, der seitdem nur als Archiv bertußt wordenist. Jm Zusammenhange hiermit wurde Anfangs 1820

auch die militärische Bewachung des Kollegienhauses aufgehoben. ?) In dieser Zeit wurde das Kammergericht wieder, wie zur Zeit des Kampfes gegen die Aufklärung Vorkämpfer für den werdenden Rechtsstaat. Nur einer Episode sei hier gedacht: Als nach Sands Moxdtat gegen Koßebue überall Burschenschaften und Turner verfolgt wurden, gehörte der Dichter EC. T. A. Hoffmann der Jmmediat-Untersuchungskommission an. Dieser berühmteste Rat, den je das Kammergericht besessen hatte, der bereits von 1798 bis 1800 als Referendar am Kammergerichte, und dann als Assessor und Regierung3rat in

Posen, Plock und Warschau gestanden hatte, war nach der französischen Okkupation Südpreußens brotlos geworden und hatte bis in den September 1814 zuerst in Berlin,3) dann als Kapellmeister, Theaterdirektor, Kritiker, Maler usw. in Bamberg, Leipzig und Dresden ein recht abenteuerliches Leben geführt. Er war dann nach Berlin zurückgefehrt. Er schrieb von hier am 1. November 1814 seinem Jugendfreunde v. Hippel, daß es sein Wunsch sei, in Berlin anstatt in dem preußisch gebliebenen Teile Polens angestellt zu werden: „Mein lebhafter Wunsch ist nun zwar in Berlin zu bleiben, das Schicksal eines Kammergerichtsrats ist indessen wohl nicht beneidenzwert. Den v. Kircheisen de3halb angehen mag ich nicht, denn außerdem, daß er es für eine ganz besondere nur durch blizendes Justizbrillantfeuer zu

erlangende Auszeichnung hält, bei dem Justiz-Garde-Normal-Bataillon angestellt zu werden, so würde er auch glauben, es sey mir nur darum zu thun, recht fleißig in die Comödie zu gehen usw. Davon,

daß. dem Freunde der Kunst, ich kann wohl in gerechtem Bezug auf 1) Akten des Kammergerichts 11. G. 8, Bl. 1ff. 2) Akten a. a. O., Sect. I, D.-1, Bl. 7ff.

3) Das bei Holte „Kammergericht“, Bd. 4, S. 81, namentlich über Hoffmanns Eheirrung Gesagte ist durch die Ausführungen desselben „Schriften des Vereins für die Geschichte Berlin3“, Heft 43, S. 65 ff. zu verbessern und zu ergänzen. Schriften des Vereins f. d. Geschichte Berlins, Heft XVII.

-A 1O..

mich sagen, dem Künstler, das Leben unter Freunden der Kunst, unter Künstlern, in besonderem Wohlbehagen manches leicht tragen läßt, dem er sonst erliegt, davon hat er wohl keine Jdee . . .“!).

Aber der feinsinnige Kircheisen hatte doch diese Jdee; Hoffmann war bis zum 1. März 1816 im Bureau des Justizministers beschäftigt worden, um dann mit seiner früheren Rat3anciennität beim Kammexrgerichte einzutreten, dem er bis zu seinem am 25. Juni 1822 er-

folgten Tode, das lezte Jahr im Ober-Appellationssenate, angehörte. Er, der feine Seelenkenner, wurde hauptsächlich als Mitglied der Kriminaldeputation verwendet, und hat in dieser Tätigkeit voll seine Pflicht getan. Leider ist das meiste von dem, was er in dieser Stellung geleistet, bei den Aktenkassationen verloren gegangen. Cin vortrefflich begründetes Gutachten in der Frage, wie ein Münzverbrecher in dem 1807 bis 1814 Berthierschen, seitdem wieder

preußisch gewordenen Fürstentum Neuchatel zu bestrafen, zeugt indes für die strenge Gewissenhaftigkeit, mit der sich der Dichter in einen sehr verwickelten Stoff einzuarbeiten verstanden.?) Aber =- und hier

zeigte er sich als das würdige Mitglied eines klar, milde und gerecht denkenden Kolleg38 -- er verstand es auch, in den Demagogenprozessen

den Beschuldigten volle Gerechtigkeit zu gewähren, unbekümmert, ob dies den mächtigen Verfolgern, dem Fürsten Wittgenstein, dem auf dem Wartburgfeste mitgenommenen Geheimen Rate v. Kampt und

ihren berüchtigten Einbläsern, Tzschoppe, Janke und noch minderwertigeren angenehm, oder nicht. Unter den nach jenem Feste am meisten Verdächtigen war auch der bekannte Turnvater Jahn, der sich

leider nicht auf das Turnen beschränkt, sondern seinen Einfluß auf die Jugend dazu benutzt hatte, ihnen Gedanken über eine Neuordnung 1) Hans v. Müller, „E.T. A. Hoffmannimpersönlichen und brieflichen Verkehr“, 1. Bd., S. 247 ff.

2) Holze, „Kammergericht“, Bd. 4, S. 91 ff. Zwei andere Gutachten, das eine in einer Giftmordsache, das andere in einer Nachdrucksache, dieses noch auf

seinem Sterbelager erstattet, teilt Hitzig in seinem Buche „Aus Hoffmanns Leben und Nachlaß“, Bd. 2, S. 171 bis 198 und S. 282 ff. mit (vgl. dazu S. 111 und S. 165 a. a. O.). Seine ebenfalls von Hißzig in Proben mitgeteilte Tagebuchnotizen enthalten nur wenige Eindrücke aus der Praxis, namentlich, wenn solche

einen lächerlichen Eindruck auf ihn gemacht hatten (siehe S. 287 die Notiz über die Berliner Bauordnung von 1641, S. 288 über lächerliche Beweisführung).- Jm übrigen könnte man -- von den Knarrpanti-Episoden abgesehen =- aus den Werken

Hoffmann38 kaum den Schluß ziehen, daß er ein Jurist, noc< dazu an einer bevorzugten Stelle gewesen. Auch die dem Pitaval nacherzählte „Marquise de la

Pivardiere“ rechtfertigt kaum einen solchen Schluß.

195

Deutschlands beizubringen.?)

Viel ideale Gesinnung, aber mit dem

größten Unsinn verschnörkelt; manches hörte sich auf den ersten Blick gefährlich genug an, war aber tatsächlich von Jahn gar nicht so böse

gemeint, sondern nur impulsiver Ausbruch eines temperamentvollen Sc und munter persiflierte 1) Diese Abneigung gegen Turnerei, altdeutsche Tracht usw. zeigt er 3. B. in seinem „Kater Murr“ und in der „Brautwahl“. 2) Heute im Besitze seines Sohnes, des Präsidenten v. Mühlenfels, der die

Einsichtnahme gütigst gestattet hat. 3) Schriften des Vereins für die Geschichte Berlins, Heft 43, S. 1ff., 16 ff.

198

er im „Kater Murr“ das lustige studentische Treiben, das nun auf

einmal als Betätigung demokratischen Umsturzgelüstes angegriffen wurde. Als aber diese seine Jronie gar nicht verstanden wurde, glaubte er deutlicher werden zu müssen. Schon im Herbst 1821 wußte man in Berlin, daß er einen vernichtenden Schlag gegen die „Demagogen-Riecher“ führen werde; er tat dies auch, indem er ziemlich unmotiviert und durch die Fabel seiner Novelle gar nicht

dazu veranlaßt, in das harmlose Blumenmärchen „Meister Floh“ zwei Episoden hineinflocht, in denen unter der Maske eines Geheimen

Hofrats Knarrpanti Herr v. Kampt als streberischer, gewissenloser und zugleich bornierter Verfolger ganz unschuldiger Personen gezeichnet wurde, der nach dem Grundsage verfährt: „Habe ich nur den Verbrecher, jo werde ich schon das dazugehörige Verbrechen finden.“ In den Cpisoden hatte Hoffmannvieles verwertet, was ihm aus den Verfahren gegen v. Mühlenfels bekannt geworden war. Aber mochte hier auch manches unmittelbar zum Spott herausfordern, so war es doch eine sce der Ritterstraße) statt; noch ernster waren die Kämpfe auf dem Hausvogteiplaße, da der Pöbel die dort Inhaftierten befreien wollte: Hier wurde die in der Hausvogtei wohnende Schwester Dambachs getötet. Jedenfalls war der Angriff auf die Hausvogtei ein überflüssiger, denn bereit3 am folgenden Tage wurde eine Amnestie er-

lassen, derer auch die verurteilten Polen teilhaft wurden. Bei dieser Aufregung war eine Art Kriegszustand in der Hauptstadt geblieben,

sv daß das Kammergericht seine Sizungen bis zum 27. März ein1) Die Rede von v. Strampff ist abgedruckt: „Deutsche Juristen-Zeitung“, Ihrg. 1903, S. 168f. ?) Gneist, „Der Rechtsstaat und die Verwaltungsgerichte in Deutschland“, (2. Aufl. Berlin 1879) S. 321. 9) Diese Barrikade ging -- wie der damal3 bei Simon Schropp in Berlin

erschienene Plan zeigt, von der östlichen E>e des Kollegienhauses quer über die Lindenstraße, wo sich heute das Geschäft von Jordan befindet. Über die damaligen Kämpfe in der Lindenstraße: Braß, „Berlin8 Barrikaden“, S. 69 ff. und v. Prittwitz und Schulz „Die Berliner Märztage“, S. 52ff.

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stellen mußte. Die Räte, einer Anregung von oben folgend, beteiligten sich jezt an der alsbald errichteten Berliner Bürgerwehr, deren Kommando der allgemeine Wunsch am liebsten dem vor drei

Jahren aus dem Dienste geschiedenen Präsidenten v. Grolmann über-

tragen gesehen hätte, der fich indes diesem Rufe versagte. (Es blieb troß der Bürgerwehr in Berlin in nächster Zeit sehr unruhig, und bald hatte das Kammergericht gegen einzelne politische Delinquenten, z. B. den Aufruhr predigenden Studenten Schlöffel, die Zeughausstürmer und den Studenten Monecke*) Urteile zu erlassen.

Da man

damal3 befürchten mußte, daß die politischen Freunde der Angeklagten Lärm und Störungen im Gericht8gebäude anstiften würden, fanden diese Sizungen unter starker Besezung des Kollegienhauses durch die Bürgerwehr statt. Hier tagte das Kammergericht aber jezt nicht mehr als Staatsgericht3hof, sondern als regelmäßiges Strasgericht. (Es war nämlich eine durchgreifende Umwandlung der Gerichtsbatkeit schon im April 1848 versprochen worden, und das damals aufgestellte Programm war in die sogenannte oktrojierte Verfassung vom 5. De-

zember 1848 aufgenommen worden. Zur Ausführung desselben waren dann in den Verordnungen vom 2. und 3. Januar 1849 Ausfüh-

rungs3bestimmungen erlassen worden. Das Wesentliche derselben bestand darin, daß die ganze Patrimonialgerichtsbarkeit aufgehoben wurde, und daß Schwurgerichte für die schwersten Straftaten eingeführt wurden, dabei wurde der Grundsaß, daß von nun an alle Preußen

vor dem Gesetze gleich sein sollten, in der rücksicht3losesten Weise verwirklicht. Seitdem gab es nur königliche Gerichte, die Sondergerichtshöfe wurden: aufgehoben, alle Exemtionen fielen. Diese radikale

Änderung hatte für das Kammergericht eine Reihe wichtiger Folgen: (Es wurde, da setzt die Exemten in erster Instanz ihr Recht wie-die anderen vor den Stadtgerichten zu nehmen hatten, lediglich Appellations8gericht, und die nivellierende Richtung ging dabei so weit, daß der ehrwürdige Gericht3hof sogar seinen Namen verlor und als

„Appellation8gericht Berlin“ einige Jahre offiziell bezeichnet wurde, obgleich dieser Name im Publikum kaum angewandt wurde: Der Staatsgerichtöhof fiel, da es keine Sondergerichte mehr geben sollte, der Geheime Justizrat, da alle Preußen vor dem Gerichte gleich sein sollten, und der Appellationssenat wurde aufgehoben, da die bis-

herigen Exemten jezt keine Vorrechte mehr hatten und im JInstanzen1) Wolff, „Berliner Revolutions-Chronik“, Bd. 3, S. 521 ff.

TD ==

zuge den anderen gleichgestellt waren. Das Pupillenkolleg paßte ebenfalls als eine nur der Kurmark eigentümliche Institution nicht

mehr in die für ganz Preußen (abgesehen vom Rheinland) eingeführte Schablone, deshalb hörte es damals nach gerade hundertjährigem Bestehen auf. So war denn das Kammergericht seitdem nur ein Berufungsgericht für den Stadtkreis Berlin und den Regierungsbezirk

Potsdam, unter ihm standen als erstinstanzliche Gerichte zwölf damals im einzelnen mannigfach abgeänderte Kreisgerichte!) und das etwas stattlicher dotierte und mit etwas abweichender Verfassung versehene Stadtgericht Berlin.?) Dabei kam, was dem 8 13 der Verordnung vom 2. Januar 1849 entsprach, auf jeden kurmärkischen Kreis ein

Kreisgericht.

Irgend eine Sonderstellung hatte das Kammergericht

damals nicht mehr, nur für die Zeit bis zur beabsichtigten Aufhebung

der Lehne und Fideikommisse sollte ihm die freiwillige Gericht8barkeit in diesen erhalten bleiben. Außerdem sollte es die Stiftungssachen behalten, bei denen nach der Stiftungsurkunde die Verwaltung durch ein Obergericht ausdrücklich vorgesehen war.

Letzteres war nun bei

den bisher vom Pupillenkolleg verwalteten Stiftungen der Fall. Diese kamen daher unter die Verwaltung des Kammergerichts, dessen Präsident nunmehr an die Stelle des Präsidenten des aufgelösten Gerichtshofes trat. Seitdem zerfiel das Kammergericht in das Plenum, den Zivilsenat und den Kriminalsenat; der Kriminalsenat stand unter spezieller Leitung des Vizepräsidenten und hatte drei, der Zivilsenat sec, Perleberg (Landgericht Neu-Ruppin), Brandenburg, Jüterbog, Potsdam (Landgericht Pot8dam). Das Kreisgericht Beeskow bildet heute einen Teil des Landgerichts Frankfurt a. O.

2) Näheres Holtze, „50 Jahre Preußischer Justiz“ (Berlin 1901), S. 1/ff. 3) Die im einzelnen manchem Wandel unterworfene Geschäftsverteilung läßt jich aus den Geschäftsverteilungsplänen, die alljährlich erschienen, erkennen. Das

Plenum hatte vorwiegend Anstellungssachen und Beschwerden in Angelegenheiten der freiwilligen Gericht3barkeit zu bearbeiten.

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Vorsitz führte. Etatsmäßig waren damals 38 Räte und 3 Assessoren als ständige Hilfsrichter vorgesehen. Im Verhältnis zu heute war Sina dies eine Überaus reichliche Besezung, denn der Bezirk umfaßte nur die Hälfte des heutigen Gebietes und etwa ein Achtel der heutigen Insassenzahl, und die Zahl und Wichtigkeit der Prozesse stand vollends zu den heutigen in gar keinem Verhältnisse. Dies zeigt sich darin am deutlichsten, daß nur 24 Justizkommissare (jezt Rechtsanwälte genannt) zur Praxis am Gericht8hofe zugelassen waren. Man befand sich indes damals in einer noch nicht abgeschlossenen Phase der Entwicklung, denn die oktrojierte Verfassung unterlag der Revision durch die Kammern, vor allem bedurften die Verordnungen vom 2. und 3. Januar 1849 noch der Genehmigung durch dieselben. Diese Kammern erkannten, daß man mit der nivellierenden Schablone, durc< deren Anwendung das Kammergericht zu einem Appellation8gerichte, wie es derer noch 20 andere im rechtsrheinischen Preußen gab, weit über das zweckmäßige Maß heraus8gegangen war, und daß man einige Schritte zurückzutun hatte. Wieweit man aber dabei zurückzugehen hatte, war noch nicht entschieden, als die Verfassung am 31. Januar 1850 in ihrer revidierten Form vom Könige bestätigt Zuk:

und demnächst von ihm selbst und am 13. Februar 1850 von den

Mitgliedern des Kammergericht8, soweit diese nicht bereits als Abgeordnete darauf beeidigt waren, beschworen wurde. Das bildete einen gewaltigen Bruch mit dem bisherigen Zustande, ebenso bedeutete es einen solchen, wenn seitdem die Gehälter aller Appellationsgericht3räte in Preußen einheitlich etatisiert wurden, denn damit wurde

die biSher günstigere finanzielle Stellung des Kammergerichts beseitigt. Dazu kam, daß, seitdem es nur noch königliche Richter gab, der Unter-

schied zwischen Richtern, die die große Staats8prüfung bestanden, und solchen, die sie nicht bestanden hatten, nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte. Unter Schonung der bereits angestellten Richter wurde daher das Bestehen der großen Staat3prüfung von allen erfordert, was zur Folge hatte, daß nunmehr nicht mehr Assessoren in Rat8-

stellen beim Kammergerichte befördert wurden, sondern bewährte Richter von den Untergerichten des Bezirks und auch aus anderen Bezirken. Demgemäß stieg das Mindestalter, mit dem man in eine Ratsstelle am Kammergerichte einrückte, von Jahr zu Jahr; hatte e3 im Jahre

--

217

-

1848 etwa 32 Jahre betragen, so waren bald die jüngsten Kammer-

gerichtszräte angehende Vierziger. Auch die Assessoren als Hilfskräfte nahmen stetig ab, zumal der Präsident v. Strampff Wert darauf legte, die Bewerber um vakante Ratsstellen möglichst genau kennen zu lernen, was er dann am sichersten konnte, wenn er die ihm als

geeignet erscheinenden Richter erster Instanz als Hilfsrichter an das Kammergericht einberief und sich hier -- oft durch Jahre =- von

ihrer. Brauchbarkeit überzeugte. So bildeten sich auch in bezug auf das Richterpersonal bald Zustände heraus, die den heute bestehenden sehr nahe verwandt sind.

Man kann sich aber auch an Coccejis Beförderungsgrundsäße dabei erinnern; aus den besten Richtern erster Instanz die der zweiten und aus der Creme der letzteren die Räte am 'Obertribunal zu nehmen.?)

Wie fast alle Einsichtigen hatte der unschöne Ausgang der revolutionären Bewegung auch das Kammergericht in das Lager derer gedrängt, die einige Schritte zurück tun wollten. Es ist bezeichnend genug, daß der Kammergerichtsrat Wilhelm v. Merckel, der sonst nur in munterer Laune Trinklieder gedichtet hatte, damal3 zu einer

Reihe von Liedern begeistert wurde, die formvollendet die alt-

preußische Königstreue feierten.?)

Sein Amtsgenosse Goldtammer

dichtete zur Silberhochzeit des Prinzen Karl von Preußen die von Meyerbeer komponierte Festkantate, die dann am 26. Mai 1852 im Schlosse Glienicke in Gegenwart des Kaisers Nikolaus von Rußland zur Aufführung gelangte.3) Dieser im guten Sinne reaktionären Strömung verdankte dann auch der Gericht3hof die Wiedererlangung seiner bevorzugten Stellung. Bereits durch Erlaß vom 21. Mai 1850 war der schwere Mißgriff, den man durch Abschaffung des geschichtlich !) Da in den ersten Jahren nach 1849 noch viele Patrimonialrichter an den Kreisgerichten des Bezirke3 standen, so waren e3 fast ausschließlich Räte des Berliner Stadtgerichts, die zu Kammergerichtsräten befördert wurden. Dieser Zustand hat im wesentlichen bis 1879 gedauert. 2) v. Merkel, Vizepräsident im Dichtervereine „Tunnel über der Spree“ und hier den Namen „Immermann“ führend, war in den literarischen Kreisen Berlins eine bedeutsame Erscheinung. Er war mit Theodor Fontane befreundet.

„Theodor Fontanes Briefe“ (Zweite Sammlung, Berlin 1910) bringen viele an ihn gerichtete Briese des Dichterxr3 zum Abdruck.

In Bd. 1, S. 184 a. a. O. wird

auch sein Porträt gegeben. 3) Weber, „JlUustrierter Kalender für 1854“ (Leipzig 1854), S. 199.

Die

Musik wurde ausgeführt durc< den königlichen Domcs stattsindenden Beeidigungen verbanden die Präsidenten und Räte mit einem Huldigungösschreiben an den neuen Monarchen, in dem auch die später

erfüllte Bitte um Gewährung eines Porträts beigefügt war.

Im

Zusammenhange mit dem lezten Thronwechsel stand eine Veränderung in den höchsten Justizämtern des Reichs und Preußen3, infolge deren Edwin Drenkmann, bisher Senats3präsident am Reichsgerichte, an

Dehlschlägers8 Stelle?) Präsident des Kammergerichts wurde, dem er bereit38 von 1857 bis 1862 als Staat8anwalt und von 1869 bis 1872

als Rat angehört hatte. Unter der zielbewußten Leitung dieses Mannes, der die zartesten Feinheiten des Zivilrechts spielend meisterte, obgleich er vorwiegend als Kriminaljurist tätig gewesen war, der ein orgamisatorisches Talent ersten Ranges war und als Mensch mit sicherem Takte zu unterscheiden wußte, wo eiserne Strenge und wo Wohlwollen am Plate, hat das Kammergericht bedeutende Fortschritte in seiner inneren Ausgestaltung gemacht. Dies hing zum großen Teile damit zusammen, daß unmittelbar nach der Reorganisation von 1879 eine nur ganz vorübergehend unterbrochene Steigerung der Bevölkerung des Bezirks und eine noch bedeutendere Hebung des Wohlstandes gefolgt war, die eine immer größere Zunahme der Geschäfte mit sich geführt hatte. Da zunächst der Justizetat mit den Pensionen der damals zur Ruhe gestellten Beamten überlastet war, hatte man, um die steigende Geschäftslast bewältigen zu können und die Vermehrung der Senate zu vermeiden, das Auskunftsmittel ge-

troffen, die Zeugenvernehmungen, die zunächst, wie dies der Zivilprozeßordnung entsprach, vor den Senatenstattgefunden hatten, durch beauftragte Richter vornehmen zu lassen. Aber dies Mittel versagte selbstredend nach kurzer Zeit, und eine Vermehrung der Senate wurde 1) Um nur einiger Verstorbener zu gedenken, seien hier Hinrichs, Johow, Keyssner, Rinteln, Eichhorn, Kindel und Falkmann erwähnt. Jhr literarischer Ruhm wird sie lange überleben. 2) Als Geschenk Oehlschlägers erhielt das Kammergericht sein von seinem Sohne, dem Kunstmaler Hans v. Oehlschläger, in München gemaltes, prachtvolles Ölgemälde zur Vervollständigung der Präsidenten-Galerie (1902). Vergleiche: „Mitteilungen des Vereins für die Geschichte Berlins“, Jahrg. 1902, S. 137f.

92326

unabwendbar.

Drenkmann hatte nun in den Jahren von 1891 bis

1903 dahin gewirkt, daß die von ihm vorgefundenen neun Zivilsenate um sech3 vermehrt wurden, was eine Verstärkung der Besezung um sechs Senatspräsidenten und 35 Räte zur Folge hatte. Diese Vermehrung entsprach ziemlich genau der Bevölkerung3zunahme des Bezirkes seit 1879 bis 1900, die mehr als zwei Millionen betragen hatte.

Sie erscheint aber als eine nur sehr bescheidene, wenn man

erwägt, daß Zeitraume in dur< Bildung last bei den

sich der Handel und die Industrie Berlins in jenem viel stärkerer Weise gehoben hatte. Es war mithin die je eines neuen Senates bewirkte Abnahme der Geschäftsentlasteten Senaten immer nur eine vorübergehende.

Besondere Schwierigkeiten bei der Bildung der neuen Senate bot der

Umstand, daß die Räume des Kollegienhauses zur Unterbringung nicht ausreichten, zumal, wie bereits hervorgehoben, der ehemalige Tribunalssaal im östlichen Flügel nur eine sehr beschränkte Benußungsmöglichkeit bot, da er nicht einmal mit einem Beratungszimmer oder einem Zuhörerraum ausgestattet war. Unter diesen Umständen mußte ein Neubau ins Auge gefaßt werden, der dann in den Jahren 1898

bis 1899 stattgefunden hat. Nachdem die im Ostflügel untergebrachten Bureaus und die Bibliothek anfangs 1898 in gemietete Räume des Nachbargrundstücks in der Lindenstraße untergebracht waren, und dem am 1. Mai 1898 ins Leben getretenen 14. Zivilsenat der an der

Südwestseite des Grundstücks belegene biSherige Lesesaal der Bibliothef für seine Sißungen überwiesen war, wurde das Quergebäude und der östliche Flügel einem gründlichen Umbau unterzogen, wobei diese Teile des Baus um je ein Stockwerk erhöht wurden. Hierdurch wurde eine zweckmäßige Aufstellung der sich stetig mehrenden Biblio-

thef im Quergebäude in zwei Stockwerken ermöglicht, gleichzeitig wurden im Ostflügel ein stattlicher Sizungssaal von fünf Fenstern Front im ersten und ein gleich großer im zweiten Stockwerke geschaffen, die den neuen Senaten als Verhandlung3räume überwiesen werden konnten.

Diese Säle waren weit größer als die älteren im

Gebäude. !) !) Der untere von ihnen ward mit den oben besprochenen Gemälden Woldermanns und v. Trütschlers ausgestattet. Dazu kam dann noch bald hernach das Ölgemälde des vorletzten Präsidenten des Appellationsgerichts zu Frankfurt a. O.

Dr. Friedrich Ernst Scheller (1836 bis 1869). Dieses Bildnis, ein Geschenk seines Gerichtshofes, sollte bestimmungs8gemäß nach dem Absterben seiner näheren Familienmitglieder in das Eigentum des Frankfurter Appellationö8gerichts über-

237

Nach diesem Umbau, demleider einige der wunderschönen Kastanien auf dem Hofe geopfert werden mußten, ?) wurde auch die innere Ausstattung der Räume erheblich verbessert. Einen großen Mangel hatte biSher immer die Beleuchtung gezeigt, da man wegen der Feuergefährlichkeit auf Ga3anlage verzichtet hatte und daher an dunklen

Tagen genötigt gewesen war, mit einigen Öl- und Petroleumlampen eine recht unzulängliche und unschön wirkende Erhellung herzustellen. Jett boten elektrische Kronen in den Sitzungssälen und elektrische Lampen vor den Sißungstischen eine ausreichende und glänzende Beleuchtung. Auch die Anlage eines Telephonzimmers zeigte, daß man es verstanden, von den Fortschritten der Technik Nußen zu ziehen. Inmitten dieser schaffenden unermüdlichen Arbeit war es Drenkmann vergönnt, am 16. Oktober 1896 einen Ehrentag zu begehen, nämlich

das auch von seinen Vorgängern v. Strampff und Meyer gefeierte fünfzigjährige Dienstjubiläum. An diesen vom Gericht5hofe und unter reicher Beteiligung der Beamten des ganzen Bezirks begangenen Tag erinnert das vom Kammergerichte gestiftete Ölgemälde des Gefeierten von Koner3 Meisterhand und der seit einigen Jahren auf dem Flure

des Obergeschosses aufgestellte Abguß seiner Porträtbüste, deren Original in Marmor die Richter des Bezirks damals ihrem verehrten

Chef gewidmet hatten. Unter Drenkmann8 Präsidium waren seit dem Mai 1893 prak-

tische Übungen mit Referendarien eingeführt worden, die von besonders dazu befähigten Räten geleitet wurden. So war hier ein Element der AuSbildung benußt, das bereits in den Jahren 1825 und 1826 vom Kammergerichtsrate Gedike empfohlen worden war, damals aber

feine Lebenskraft gewonnen hatte. Wichtiger war es noc, Kammergerichtspräsident,

Albrecht Achill, Kurfürst, 10. Alexis (Willibald) siehe Haering.

430 ff. 144. Björnson, Dichter, 234.

v. Alvensleben, Familie, 16.

Bonseri,

Amelang, Kriminalrat, 174. Arco, Graf, Kammergerichtsrat, 101. Arnim, Graf, Botschafter, 223.

gericht, 209. v. Borcke, Kammergerichtsdirektor, 86 ff. v. Brand, Tribunalspräsident, 113. 225.

v. Arnim, Kammergerichtsrat, 177. v. Arnim, Tribunalspräsident, 225. Arnold, Querulant, 153 ff. 170 ff.

v. Braunschweig, Präsident am Kammexrgericht, 205. v. Breitenbach, Kanzler, 19.

August, König von Polen, 106. August Wilhelm, Prinz, 244 f.

zum Broich, Kammergerichtspräsident, 114 ff. v. Brückner, Kammergerichtsrat, 141.

B , Marie Malwine, 197. EGimbec, Präsident des Pupillenkollegs, 197. Eisenberg, Kammergerichtsrat, 174. Engel, Professor, 173.

Czerer, Hofrichter, 16. zerer, Kanzler, 14. PDE SRI

F. u Falkmann, SenatspräsidentamKammer-

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gericht, 235. Fidicin, Historiker, 201.

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Dambach, Kriminaldirektor, 206.

SE INE Graf, Präsident,

Dambach. FAME: 5 45. 2 Lie Dancelmann, Graf, Justizminister, 200.

Fontane, Dichter, 217. 234. Fomaue. Diner 198

v. Danckelmann, Kammergerichts-

präsident, 78. .

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v. Danckelmann, Oberpräsident, 78. 83. v.

Dancelmann, 160.

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Kammergerichtörat,

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Regierungs3präsident,

Daru, Graf, Generalgouverneur, 185 f.

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Friedrich 1., Kurfürst, 4 f. Zriedrich I.

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Friedrich Wilhelm ]., König, 83 ff. 114.

Dee Christian, Kanzler, 28 f.

JI iedrich Wilhelm Il., König, 151. 173ff.

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Distelmeier, Lampert, Kanzler, 19. 22. ff. 33.

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v. Doernberg, Kammergerichtspräsident, 155,

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v. Froben, Kammergerichtsrat, 143.

Fromhold, Kammergerichtsrat, 56. v. Fuchs, Kammergerichtspräsident, 106f. it

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v. Fürst, Großkanzler, 135. 144. 147 ff.

Duhan de Jandun, Kammergerichtsrat, 126.

Duhram, Generalfiskal, 95. 97.

Dzialynski, Graf, 220. ":

EEberty, Professor, 790. 202. Eichel, Kabinettsrat, 135. Eichhoff, Schriftsteller, 209.

G. = Gaill, Commentator, 63. Gause, Advokat, 97. Gebauer, Maler, 222.

Gedike, Frau, geb. Marcuse, 197. Gedike, Gymnasialdirektor, 173. Gedike, Kammergericht5rat, 197. 200. Georg Wilhelm, Kurfürst, 56 ff. 113. 1 17%

==

Görard, Maler, 222. Gerbet, Generalfiskal, 116. Gerlach, Baudirektor, 112.

26c!)

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Sven

Hummel, Maler, 201. v. Hymmen, Kammergerichtörat, 149 ff. 163 f. 2483.

Germershausfen, Tribunalsrat, 144. v. Gers8dorf, Landrat, 153 f. 170.

Gleboff, Oberst, 148. Gneist, Professor, 213. v. Goerne, Kammergerichtspräsident, 115 ff. 134 ff. v. Goerne, Minister, 115. v. Goetze, Kanzler, 54. 65.

Goeke, Tribunal3rat, 240. v. Goldbeck, Großkanzler, 180 ff. Goldtammer, Kammergericht8rat, 217. Goßler, Kammergerichtsrat, 170. Graun, Kammergerichtsrat, 150. 154 ff. 472. Graun, Komponist, 150. v. d. Groeben, Schloßhauptmann, 61. v. Grolmann, Kammergerichtspräsivent,

I Jacoby, Johann, Dr. med., 208. Jahn, Turnvater, 194 ff. Janke, Denunziant, 194. v. Jarriges, Großkanzler, 135. 147 ff. v. Jlgen, Minister, 100.

Joachim 1., Kurfürst, 10 ff. 15. Joachim 11, Kurfürft, 14. 17. 22f. Joachim Friedrich, Kurfürst, 38 f. 44 f. Johann, Markgraf von Küstrin, 15. Johann Georg, Kurfürst, 26 ff. Johann Sigismund, Kurfürst, 47 ff. 56. Johow, Kammergerichtsrat, 235. Justinian, Kaiser, 112f.

190. 202 ff.

v. Grolmann, Tribunals3präsident, 225. Gülle, Frl., Sängerin, 150. Gundling, Hofnarr, 98. 105 f. Gustav Adolf, König, 55.

3 2 Hadi>, Graf, General, 148. 184.

Haering,

Kammergerichtsreferendar,

Schriftsteller, 207. Hardenberg, Fürst, Staatskanzler, 187. Heim, Arzt, 202. Heinroth, Kammergerichtspräsivent, 242 ff.

K -(siehe auch C.) v. Kamptz, Minister, 194. 202 f. 240. Karl IV, Kaiser, 1 ff. 8. Karl X., Gustav, König, 71. Karl, Prinz, 217. v. Katsch, Minister, 101 ff. 119 f. v. Katte, Kammergericht3rat, 101.

Kemnitz, Kammergerichtsrat, 52. Kersting, Kammergerichts3rat, 230. Kettwig, Kanzler, 36. Keyssner, Kammergerichtsrat, 235. Kindel, Senatspräsident am Kammergericht, 235.

Herrenburger, Frau, Sängerin, 217.

v. Kircheisen, Justizminister, 172ff. 177f.

v. Herzberg, Minister, 169. v. Heucking, Oberst, 153 ff. v. Heugel, Kammergerichtsrat, 86. 95. Hinrichs, Kammergericht8rat, 235. v. Hippel, Regierungspräsident, 193. Hikig, Kriminaldirektor, 194, 207. Hoedel, Hochverräter, 223.

189 f. 195 ff. Kisker, Justizminister, 218.

Hoffmann, Kammergerichtsrat, Dichter, 183, 193 ff. 234. v. Holkendorf, Frondeur, 5 f. 8. Hübner, Geh. Rat, 44.

Klein, Kammergerichtsrat, 171. 173. 181.

v. Kleist, Präsident am Kammergericht, 205 f. 209.

v. d. Knesebeck, Geh. Rat, 33 ff. 49. v. d. Knesebe>, Kammergerichtsdirigent,

66 ff. v. d. Knesebe>, Kammergerichtspräsivdent, 77 ff. Koch, Präsident am Kammergericht 211.

261

Koehler, Kammergerichtsrat, 190 f.

Morgenstern, Hofnarr, 83.

v. Koenen, Tribunal3präsident, 225.

Moritz, Advokat, 122. 144.

Köppen, Kammergerichtsdirigent, 24 ff.

v. Mühlenfels, Staatsprokurator, 197.

33 ff. Köppen, Kammergerichtsrat, 52 ff. Kohl, Kammergerichtsrat, 57. Kohl, Vizekanzler, 43 ff. 52. 63 ff.

v. Mühler, Tribunalspräsident, 225. v. Münchhausen, Minister, 225. Mylius, Kriminaldirektor, 121. Mynsinger, Kommentator, 63.

Koner, Maler, 237.

v. Koßebue, Dichter, 193. Kranach, Lukas, Maler, 61. 192.

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Kretschmar, Maler, 200.

Napoleon, Kaiser der Franzosen, 188 ff.

Krug v. Nidda, Kammergerichtsrat, 150. v. Kunow, Tribunalsrat, 240.

L- Neander, Hauptmann, 186, Neumann, Regierungsrat, 150 ff. 170.

4". Ladendorf, Dr., 219. La8cy, Graf, General, 148. Lassalle, Ferdinand, 219. Lehndorff, Graf, 57.

Lessing, Gotthold Ephraim, 174. v. Leuchtmar, Geh. Rat, 59. Liebpert, Hofbuchdrucker, 33. 88. Lipten, Kammergerichtsreferendar, 177. Li8co, Kammergerichtspräsident, 242. v. Loeben, Kanzler, 39. 47. 74.

Nicolai, Buchhändler, 173. Nicolaus, Kaiser von Rußland, 217. Niedlich, Maler, 192. v. Nüßler, Kammergerichtsrat, 117 ff. 135. 141.

S5 * Oehlenschläger, dänischer Dichter, 234. v.Oehlschläger, Kammergerichtspräsident, 233 ff. wv. Oehlschläger, Maler, 235. v. Otterstedt, Landrat, 135. 138. Otto, Maler, 222.

v. Loeper, Tribunalsrat, 144.

Ludendorf, Kammergerichtsrat, 222.

v. Ludewig, Professor, 113.

M. Mantius, Sänger, 217.

P

*

Paul (Jean), Dichter, 174. Philippi, Kammergerichtsrat, 179. Pistoris, Geh. Rat, 44. v. Platen, Geh. Rat, 74.

Matthis, Kammergerichtsrat, 185.

v. Plotho, Tribunalspräfident, 100. 113.

Mayer, Kammergerichtsrat, 174, 179.

- Podewils, Minister, 135.

v. Meinders, Minister, 111.

v. Prinzen, Geh. Rat, 98. 100.

v. Merkel, Kammergerichtsrat, 217, 221. Merzdorf, Kammergerichtsrat, 150. Metternich, Fürst, 205. Meyer, Kammergerichtspräsident, 227 f. 932. Meyerbeer, Komponist, 217. Michel, Bildhauer, 146. Mieg, Kammergerichtsrat, 36.

Probner, Hofmaler, 83. Pruckmann, Kanzler, 43 ff. 47 ff. 52 ff. Putlitz, Gans Edler Herr zu, Geh. Rat, 99. Putlitz, Gans Edler Herr zu, Ritterguts8befißer, 201. RPutlit, Gans Edler Herr zu, Statthalter, 52.

v. Milsonneau, Kammergerichtsrat, 125. Moller, Fiskalprokurator, 8.

| QN , Chronist, 24.

Schulz, Prediger, 174 ff.

Reinhard, Kammergerichtsrat, 62. 74.

Schund, Sekretär, 95.

Reuß, Graf, Tribunalspräsident, 225.

Sd, Tribunalspräsident, 204. 225. Sand, Meuchelmörder, 193. 208. v. Savigny, Justizminister, 212. 225. Schach v. Wittenau, Kammergerichtsrat, 98. 106. 150 ff.

Scheibler, Regierungsrat, 157. Scheller, Präsident in Frankfurt a. O., 236 f. Sceplit, Kodifikator, 28. v. Scheve, Frau, 197. v. Scheve, Präsident des Pupillenkollegs, 186. 190. 197.

Schlecker, Hoffiskal, 156 ff.

Stein, Freiherr, Minister, 185. 187. Stellter, Kabinettsrat, 155. Stockmeister, Protonotar, 58. v. Strampff, Kammergerichtspräsident, 209 ff.

Striedbec>, Maler, 69 f. Striepe, Geh. Rat, 52. 56 ff. 61. 63. Stublinger, Kanzler, 14. v. Sturm, Kammergerichtspräsident, 87 ff. Suarez, Geh. Rat, 160 ff. 181, 225. ,

m

v. Schleinitz, Präsident am Kammergericht, 174. 184.

Teller, Probst, 174 ff. 177. 179 f. Theiß, Baumeister, 14. 17.

Schlick, Graf, Geh. Rat, 47.

Theodosius, Kaiser, 112.

Schlöffel, Student, 214. Schlüter, Baumeister, 82 f.

v. Torgow, Edler Herr von Zossen, 5. v. Tottleben, General, 148.

Schmettau, Graf, Rittergutsbesitzer, 153.

Trendelenburg, Professor, 107.

c

263

Tribonian, Kodifikator, 112. v. Trütschler, Präsident am Kammergericht, 196. 200 ff. 236. v. Tzschoppe, Geh. Rat, 196 ff.

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Wenzel, Kaiser, 1. 4. Wernicke, Kammergerichtsrat, 62. Wesenbec>, Kammergericht3rat, 62. Wichert, Kammergerichtsrat, 233 f. Wilhelm 1., König, 209. 222. Wilhelm 11., König, 244.

8

Wilhelmine, Markgräfin von Bayreuth,

Übden, Generalfiskal, 135. v. Uhden, Tribunalspräsident, 212. 225. Unger, Buchhändler, 174.

106. Wilhelmy, Kammergerichtsrat, 210. Wilke, Kammergerichtsrat, 239. v. Wilmersdorf, Kammergerichtsrat, 52 f.

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Vangelisti, Kupferstecher, 157 f.

v. Winterfeld, Kammergerichtsrat, Winterhalter, Maler, 222.

53.

Wittgenstein, Fürst, Minister, 194. 201. v. Wöllner, Minister, 173 ff. 179 f. Woldermann, Präsident am Kammer-

W. Wäsemann, Baumeister, 222. Wagner, Senatspräsident am Kammer-

gericht, 203. v. Waldenfels, Kammerrichter, 9.

Wambold, Kammergerichtsrat, 86 f.

gericht, 174. 180 ff. 236. v. Wyckersöloot, Präsident am Kammergericht, 68.

3.

v. Warnstedt, Dr., 53. v. Warsing, Kammergericht8rat, 182. v. Wedell, Kammergerichtsdirektor, 78. 86. Weidemann, Maler, 114.

Zachariä, Senatspräsident am Kammergericht, 237. v. Zastrow, Kammergerichtsrat, 57. v. Zedlitz, Minister, 156 f. Ziegler, Advokat, 97 f. 122.

Weinleben, Kanzler, 19 f. Weinleben, Sekretär, 38. Weißke, Kammergerichtsrat, 65 ff. 70 ff.

Ziegler, Maler, 222. Zöllner, Konsistorialrat, 74. BVwanzig, Historiker, 26.

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Gedruckt in der Königlichen Hofbuchdrucerei von E. S. Mittler & Sohn, Berlin SW68. Beeren 2 2 97

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