4000 Jahre Zahlentheorie: Geschichte - Kulturen - Menschen I. Von Babel bis Abel 3662681099, 9783662681091, 9783662681107

4000 Jahre Zahlentheorie nimmt die Leser und Leserinnen mit auf eine Reise durch die Geschichte eines lange Zeit beläche

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4000 Jahre Zahlentheorie: Geschichte - Kulturen - Menschen I. Von Babel bis Abel
 3662681099, 9783662681091, 9783662681107

Table of contents :
Vorwort des Autors
Danksagung
Vorwort des Herausgebers
Inhaltsverzeichnis
Teil I. Die Zahlentheorie in Antike und Mittelalter
1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie
1.1 Von Sumer bis Seleukia
1.2 Die Keilschrift
1.3 Das Sexagesimalsystem
1.4 Teilbarkeitsregeln und Faktorisierungsalgorithmen
1.5 Plimpton 322
1.6 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen
1.7 Trapezteilung
Aufgaben
2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern
2.1 Die alten Kulturen
2.2 Das Lied der Herden von Nanna
2.3 Ägypten: Geburtshelfer der griechischen Mathematik
2.4 Indien
2.5 China
Aufgaben
3 Die Zahlentheorie der Griechen
3.1 Thales und Pythagoras
3.2 Das Erbe: die griechische Logistik?
3.3 Pythagoreische Zahlentheorie
3.4 Von der Quadratverdopplung zur Inkommensurabilität
3.5 Wechselwegnahme und Inkommensurabilität
3.6 Euklids Elemente
3.7 Die Euklidische Zahlentheorie
3.8 Die Arithmetika Diophants
Aufgaben
4 Die Zahlentheorie im antiken Orient
4.1 Historischer Überblick
4.2 Rom und Byzanz
4.3 China
4.4 Indien
4.5 Die Islamische Welt
4.6 Magische Quadrate
Übungen
Teil II. Die Klassische Zahlentheorie
5 Die Auferstehung Diophants
5.1 Europa erwacht
5.2 Fibonacci
5.3 Das Aufkeimen der Wissenschaften
5.4 Die Wiederentdeckung Diophants
5.5 Vieta
5.6 Bachet
Aufgaben
6 Fermat
6.1 Vollkommene Zahlen
6.2 Mersenne
6.3 Fermat
6.4 Fermats Testament: Sein Brief an Carcavi
6.5 Der kleine Fermatsche Satz
6.6 Der unendliche Abstieg
6.7 Brouncker
6.8 Fermats Vermutungen
6.9 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen
6.10 Der 30-jährige Krieg
6.11 Geometrische Interpretation
Aufgaben
7 Euler und Lambert
7.1 Diophantische Methoden in Analysis und Geometrie
7.2 Goldbach und Euler
7.3 Auf den Spuren Fermats
7.4 Potenzreste und Reziprozitätsgesetze
7.5 Diophantische Gleichungen
7.6 Algebraische Zahlen
7.7 Analytische Methoden
7.8 Lambert
Aufgaben
8 Lagrange und Legendre
8.1 Die Vermessung der Welt
8.2 Die Französische Revolution
8.3 Lagrange
8.4 Legendre
8.5 Die Recherches
8.6 Der Essai von 1798
8.7 Legendres Vermächtnis
Aufgaben
9 Gauß
9.1 Carl Friedrich Gauß
9.2 Reaktionen
9.3 DA I–IV, VI: Elementare Zahlentheorie
9.4 DA V: Quadratische und Ternäre Formen
9.5 DA VII: Die Kreisteilung
9.6 Abschnitt VIII: Höhere Kongruenzen
9.7 Spätere Arbeiten zur Zahlentheorie
Nachlass
Aufgaben
Teil III. Der Beginn der Modernen Zahlentheorie
10 Dirichlet
10.1 Aufbruch zu neuen Ufern
10.2 Dirichlets Leben und Werk
10.3 Dirichlets Erste Schritte
10.4 Primzahlen in Arithmetischer Progression
10.5 Quadratische Formen über den Gaußschen Zahlen
10.6 Dirichlets Einheitensatz
Aufgaben
11 Abel, Jacobi und Cauchy
11.1 Abel
11.2 Jacobi
11.3 Reziprozitätsgesetze
11.4 Elliptische Integrale und Elliptische Funktionen
11.5 Anwendungen auf die Zahlentheorie
11.6 Cauchy
Aufgaben
12 Eisenstein
12.1 Eisensteins Leben
12.2 Annus Mirabilis
12.3 Eisensteins Theorie der Elliptischen Funktionen
12.4 Die Teilung der Lemniskate
12.5 Lösungsanzahlen von Kongruenzen
12.6 Formen und Invarianten
Aufgaben
Verzeichnisse
A Literaturüberblick
A.1 Fermat
A.2 Euler
A.3 Lagrange
A.4 Gauss
A.5 Dirichlet
A.6 Jacobi
A.7 Cauchy
A.8 Lebesgue
A.9 Eisenstein
Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
Namensverzeichnis
Quellenverzeichnis
Sachverzeichnis

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Franz Lemmermeyer

4000 Jahre Zahlentheorie Geschichte – Kulturen – Menschen I. Von Babel bis Abel

Vom Zählstein zum Computer Herausgegeben von K.-J. Förster, K.-H. Schlote, H. Wesemüller-Kock Institut für Mathematik und Angewandte Informatik Universität Hildesheim

In der Reihe „Vom Zählstein zum Computer“ sind bisher erschienen: 3000 Jahre Analysis Sonar ISBN 978-3-662-48917-8 Die Geschichte des Prioritätenstreits zwischen Leibniz und Newton Sonar ISBN 978-3-662-48861-4 4000 Jahre Algebra Alten, Djafari Naini, Folkerts, Schlosser, Schlote, Wußing ISBN 978-3-642-38238-3 5000 Jahre Geometrie Scriba, Schreiber ISBN 978-3-642-02361-3 6000 Jahre Mathematik Band 1: Von den Anfängen bis Leibniz und Newton Wußing ISBN 978-3-642-31348-6 6000 Jahre Mathematik Band 2: Von Euler bis zur Gegenwart Wußing ISBN 978-3-642-31998-3 Überblick und Biographien, Hans Wußing et al. ISBN 978-3-88120-275-6 Vom Zählstein zum Computer – Altertum (Videofilm), H. Wesemüller-Kock und A. Gottwald Vom Zählstein zum Computer – Mittelalter (Videofilm), H. Wesemüller-Kock und A. Gottwald

Franz Lemmermeyer

4000 Jahre Zahlentheorie Geschichte – Kulturen – Menschen I. Von Babel bis Abel

Franz Lemmermeyer Jagstzell, Deutschland

ISSN 2627-437X ISSN 2627-4388 (electronic) Vom Zählstein zum Computer ISBN 978-3-662-68109-1 ISBN 978-3-662-68110-7 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Einbandgestaltung: F. Lemmermeyer, Jagstzell und K.-J. Förster, Hildesheim Planung/Lektorat: Nikoo Azarm Springer Spektrum ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer-Verlag GmbH, DE und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Heidelberger Platz 3, 14197 Berlin, Germany Das Papier dieses Produkts ist recyclebar.

Vorwort des Autors Der Genius der Geschichte faßt mit gewaltiger Hand die Axe des Erdballes und seine Lande breiten sich vor uns aus, mit den Bildern ihrer Schicksale, wie eine Karte. – Doch nicht bei den Scenen veralteter Throne und Dynastien verweilen wir, nicht bei den Ruinen zusammengefallener Staatengeb¨aude bleiben wir stehen: – diese sind jetzt nicht f¨ ur uns da; vor unser Auge treten allein die M¨ anner, deren Geiste unter ihren Zeitgenossen ein tieferer Blick in die Rechenkunst und Mechanik der Natur verg¨onnt war. So beginnt Ludwig L¨ uders1 Buch Pythagoras und Hypatia, oder: Die Mathematik der Alten, und mit diesem Zitat soll auch das vorliegende Buch beginnen, das der Geschichte der Zahlentheorie bis etwa zum Jahre 1850 gewidmet ist. Auch wir wollen uns nicht l¨anger bei verfallenen Dynastien aufhalten als unbedingt n¨otig; ganz vermeiden l¨asst sich dies aber nicht, weil sich Wissenschaft u ¨ber Jahrtausende hinweg nur dort entfalten konnte, wo die politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und religi¨osen Verh¨ altnisse dies beg¨ unstigt oder wenigstens zugelassen haben. Zweifellos ist in den meisten alten Kulturen eine Form der Mathematik entstanden – Triebfedern d¨ urften neben dem Handel vor allem die Verwaltung gewesen sein. Allerdings ist unser Bild der Vergangenheit gepr¨ agt von Zuf¨ allen: Nur wenige Werke haben die Jahrtausende u ¨berdauert. Bereits die Schreiber in der Bibliothek Alexandrias kopierten nur Manuskripte, die ihnen wertvoll genug erschienen; die ersten Elemente der Geometrie brauchten nicht mehr abgeschrieben zu werden, nachdem Euklid die definitive Version vorgelegt hatte, und Originale ebenso wie die Kopien zerfielen im mediterranen Klima schon bevor der Brand bei der Belagerung Alexandrias durch Caesar Teile der Bibliothek vernichtete und der Siegeszug des Christentums zusammen mit dem Zerfall staatlicher Strukturen das Studium und die Lehre der heidnischen Wissenschaften im damaligen R¨omischen Reich – f¨ ur die wenigen, die sich unter r¨omischer Herrschaft noch daf¨ ur interessierten – deutlich erschwerte2 . Als in der Renaissance Europa die griechischen Klassiker – zuerst auf dem Umweg u ¨ber arabische Quellen – wiederentdeckte, bestand das griechische Verm¨achtnis auf dem Gebiet der Mathematik im wesentlichen aus Euklid, Archimedes, Apollonius, Heron und Diophant. Dies hat dazu gef¨ uhrt, dass die Geschichte der Mathematik f¨ ur lange Zeit im wesentlichen eine Geschichte 1

[L¨ uders 1809, S. 45]. Ludwig L¨ uders (1776–1822) war s¨ achsischer Rat in Sachsen-Altenburg und Cammer-Archiv-Secretair“ der Gesellschaft deutscher Ar” menfreunde. 2 Im Codex Iustinianus 9.18.2 kann man lesen: Es liege im staatlichen Interesse, ” dass man die Wissenschaft von der Geometrie erlerne und in ihr sich auch u ¨be“. Dieser Absatz geht auf die vorchristlichen Kaiser Diokletian und Maximianus zur¨ uck.

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Vorwort des Autors

seit Euklid gewesen ist. Erst in den letzten 200 Jahren sind Dokumente aufgetaucht, welche die Grenze, die uns der Mangel an u ¨berlieferten Manuskripten zuvor gesetzt hatte, um zwei Jahrtausende zur¨ uckgeschoben haben. Nur die Tatsache, dass babylonische Schreiber vor 4000 Jahren ihre Rechnungen auf Tontafeln festgehalten haben, erlaubt uns inzwischen einen mehr oder weniger detaillierten Blick in die voreuklidische Zeit etwa ab 2500 vor Christus, wobei dieser Abschnitt der Geschichte nur einen relativ engen geographischen Raum abdeckt. Danach geben uns erst die Elemente Euklids um etwa 300 v.Chr. wieder einen Eindruck dessen, was die griechische Mathematik damals zu leisten imstande war. Die Entwicklung dieser Ideen w¨ ahrend der Zeit zwischen Thales von Milet und Euklid haben viele Mathematikhistoriker des letzten und vorletzten Jahrhunderts detailliert beschrieben – wie nahe diese Schilderungen der Wahrheit kommen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Diese Bemerkung gilt auch f¨ ur die hier vorliegenden Bem¨ uhungen, die Entwicklung der Zahlentheorie zusammenh¨angend zu beschreiben. Dieses Buch h¨ atte ganz anders ausgesehen, h¨atte ich es vor 10 Jahren geschrieben, weil ich heute manche Dinge anders und – wie ich hoffe – besser verstehe, und nat¨ urlich betrachte ich diese Entwicklung nicht als abgeschlossen. Ich werde in diesem Buch also meinen derzeitigen Kenntnisstand, was die Entwicklung der Zahlentheorie angeht, mit den Lesern teilen. Dabei sehe ich die Hauptaufgabe nicht in einem l¨ uckenlosen Aneinanderreihen von Einzelresultaten (das hat, zumindest f¨ ur einen großen Teil der elementaren Zahlentheorie, bereits Dickson3 erledigt), sondern im Entwurf eines Gesamtbilds, das nicht jede Einzelheit abdeckt und in welchem sich vielleicht nicht jeder Pinselstrich belegen l¨asst. Einige Eigenheiten dieses Buchs, die bei einem Vergleich mit den andern Werken dieser Reihe ins Auge stechen, sollen hier erkl¨ art werden. Ich selbst habe des ¨ofteren Tage und Wochen damit verbracht, nach Belegen f¨ ur irgendwelche Behauptungen in geschichtlichen Werken zu suchen; in den F¨ allen, in welchen diese Bem¨ uhungen erfolglos waren, hat sich oft genug herausgestellt, dass die entsprechenden Behauptungen falsch sind. Bereits Wertheim4 schrieb: Es ist n¨ amlich gar nicht selten, daß eine Angabe ungepr¨ uft von einem Buch in ein anderes u ¨bergeht, weil die Quelle, aus welcher der erste Verbreiter sie entnommen hat, nicht angegeben, eine Pr¨ ufung also erschwert, wenn nicht unm¨oglich gemacht ist. Auf diese Weise werden leicht Irrt¨ umer so weit verbreitet, daß jeder sie f¨ ur Wahrheiten h¨alt und es schwer ist, sie auszurotten. Ich habe mir aus diesem Grund erlaubt, deutlich mehr Verweise auf Prim¨ arliteratur zu geben als dies bei den andern B¨anden dieser Reihe der Fall ist, 3 Siehe [Dickson 1919,Dickson 1920,Dickson 1923]; die Geschichte der Potenzreste hat Dickson bekanntlich nicht abgedeckt. 4 [Wertheim 1902b].

Vorwort des Autors

vii

und m¨ochte um Nachsicht bitten, wenn ich trotzdem auf die ein oder andere urban legend“ hereingefallen bin. ” Ein ebenfalls offensichtlicher Unterschied zu den anderen B¨ anden dieser Reihe ¨ ist die vergleichsweise geringe Anzahl an Bildern. Anderungen des Urheberrechts haben inzwischen daf¨ ur gesorgt, dass es fast unm¨ oglich ist, Bilder in B¨ uchern auf rechtlich einwandfreie Art abzudrucken. Selbst f¨ ur die Abbildung einer Briefmarke der Deutschen Post etwa w¨are sowohl eine Genehmigung des Bundesministeriums f¨ ur Finanzen als auch die Zustimmung des Grafikers notwendig. Sollte ich trotzdem jemandes Bildrechte verletzt haben, bitte ich um freundliche Mitteilung, um die entsprechenden Bilder entfernen zu k¨ onnen. Literaturhinweise sind in der Regel mit Nachnamen und Publikationsjahr zitiert, mit Ausnahme der Arbeiten von Euler, Lagrange, Gauß, Dirichlet, Jacobi, Cauchy, Lebesgue, Eisenstein und Kummer: Deren zahlentheoretische Arbeiten finden sich alle im Anhang, zusammen mit einer stichwortartigen Inhaltsangabe. Was die 4000 Jahre im Titel dieses Buchs angeht, so hat bereits Andr´e Weil seine Geschichte der Zahlentheorie5 von Fermat bis Legendre mit Hammurabi er¨offnet. Auf einer Tontafel, die vermutlich um 2500 v.Chr. erstellt wurde, findet man eine Division mit Rest, also den ersten Schritt des euklidischen Al” gorithmus“, mit dem Euklid den Grundstein der Zahlentheorie legte, und zwar wird 1 152 000 durch 7 geteilt, was auf den Quotienten 164 571 und den Rest 3 f¨ uhrt. War dies noch ein bescheidener Anfang und vielleicht zu wenig, um den Beginn der Zahlentheorie auf 4500 v.Chr. festzulegen, so beginnt sp¨ atestens mit der altbabylonischen Periode die Untersuchung zahlentheoretischer Fragen wie etwa die L¨osung der diophantischen“ Gleichung x2 + y 2 = 2z 2 im ” Zusammenhang mit der Trapezhalbierung. Als Kronzeugen m¨ ochte ich hier Leopold Kronecker zitieren, der seine Vorlesung u ¨ber Zahlentheorie im akademischen Jahr 1887/88 so begonnen hat: Wenn auch die Zahlentheorie als festgegr¨ undete Disciplin die j¨ ungste unter den Zweigen der Mathematik zu nennen ist, so erhebt sie doch mit vollstem Recht den Anspruch, das ¨alteste mathematische Forschungsgebiet des menschlichen Geistes gebildet zu haben. Sind doch die Zahlen, die ganzen Zahlen, mathematische Errungenschaften, welche der grauesten Vorzeit angeh¨ oren. Und auch die Ersten, welche sich einer wirklichen mathematischen Untersuchung zuwandten, die ¨altesten Babylonier, machten zum Gegenstande derselben die Arithmetik [. . . ] Weiter wollte ich mit dem Titel auch der Antwort auf die Frage ausweichen, ob die Algebra oder die Zahlentheorie ¨alter ist; letztendlich haben aber die 5 In seinem Buch [Weil 1984] zeigt er meisterhaft, wie man den Inhalt der Originalarbeiten respektieren und trotzdem deren Bedeutung f¨ ur die heutige Mathematik in moderner Sprache darstellen kann.

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Vorwort des Autors

4000 L¨ocher, mit denen man bekanntlich die Albert Hall f¨ ullen kann, den Ausschlag gegeben. Die Einteilung der Geschichte der Zahlentheorie in Antike, Klassik und Moderne ist weitgehend willk¨ urlich: Die klassische Zahlentheorie, die hier mit Fibonacci, Vieta und Bachet beginnt, ist ohne Diophant (und ohne die arabischen Bearbeiter) kaum denkbar. Ebenso w¨are es vielleicht besser gewesen, die moderne Zahlentheorie mit Gauß beginnen zu lassen; die enge Verzahnung der Gaußschen Interessen mit den Arbeiten von Euler, Lambert, Lagrange und Legendre hat mich aber davon abgehalten. Den Lesern sei daher angeraten, derartige Kategorisierungen nicht zu ernst zu nehmen. Auch der Verzicht auf die Darstellung mathematischer Einzelheiten ist mir nicht immer leicht gefallen. Schon Arthur Arneth schrieb in dieser Hinsicht6 : Eine Geschichte der Mathematik f¨ ur einen gr¨oßeren Leserkreis zu schreiben, ist immer eine mißliche Sache, sie kann den Mathematiker nicht befriedigen, und f¨ ur den Nichtmathematiker ist auch das Wenige, was u uhrt werden muß, zu viel. ¨ber die Sache angef¨ Letztendlich habe ich mich an den Kapellmeister aus einer Rede Ludwig Boltzuhrt, als alle manns7 gehalten, der lieber eine Symphonie Beethovens auff¨ ” neun in Worten schildert“. Dies gilt in besonderem Maße f¨ ur die Zeit nach Fermat, in welcher die meisten substantiellen Ergebnisse der Zahlentheorie gewonnen worden sind. Dennoch wird ein schneller Blick in das Inhaltsverzeichnis zeigen, dass ich der Fr¨ uhgeschichte deutlich mehr Platz einger¨ aumt habe als etwa Weil, und tats¨achlich musste ich mich bem¨ uhen, dies keine Geschichte der Zahlentheorie von Abel bis Babel8 werden zu lassen. Ein Grund f¨ ur die Betonung der Zeit vor Euler ist mein Wunsch, außer den großen Namen der Mathematiker des 19. Jahrhunderts auch weniger bekannte Personen zu Wort kommen zu lassen. Und dann ist da noch die Geschichte des Besuchs von Kaiser Wilhelm I. beim Bonner Astronomen Friedrich Wilhelm August Argelander9 auf dessen Sternwarte in Bonn; auf Kaiser Wilhelms Frage, was es Neues am gestirnten Himmel gebe, bekam er von diesem die Antwort Kennen K¨onigliche Hoheit schon das Alte?“ ” Und so beginne denn“, um noch einmal L¨ uders zu zitieren, dieser mathe” ” matische Todtentanz aus der Vorwelt!“ Franz Lemmermeyer, Jagstzell, im Sommer 2023

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[Arneth 1852]. [Broda 1979, S. 52]. 8 Den Untertitel Von Babel bis Abel“ habe ich dem lesenswerten Buch [Andersen ” 1985] u ¨ber die Geschichte der Gleichungen fra Babel til Abel“ entlehnt. ” 9 Diese Geschichte findet man in [Gelzer 1900]. 7

Danksagung

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Danksagung

Klaus Barner hat das Kapitel u ¨ber Fermat gelesen und mir wertvolle Hinweise (und viele Bilder) gegeben. Von der Hildesheimer Gruppe“ haben mir ” Klaus-J¨ urgen F¨orster, Karl-Heinz Schlote und Heiko Wesem¨ uller-Kock u ¨ber die Jahre zur Seite gestanden. Peter Ullrich hat sich das vorl¨ aufige Manuskript w¨ahrend der Coronajahre genau durchgelesen und mir mit zahlreichen Korrekturen und Hinweisen wesentlich geholfen. Ihnen allen gilt mein herzlichster Dank. Zahlreiche Bilder verdanke ich Wolfgang Volk10 und Alain Juhel11 : Danke und merci! Ein besonders großes Dankesch¨on geht an Jeremiah Peterson12 , dessen Abschriften von Keilschrifttafeln Meisterwerke sind, die einem vor Augen f¨ uhren, dass Sprache und Schrift (ebenso wie die Mathematik) Kulturg¨ uter sind, die man nicht leichtfertig dem Zeitgeist opfern sollte.

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Siehe http://www.w-volk.de/. Siehe https://www.mathouriste.eu/. 12 Peterson betreibt Kan¨ ale auf twitter, instagram und etsy; auf letzterem (siehe https://www.etsy.com/de/shop/AncientTextModTablet?) kann man einige seiner Keilschrifttafeln erwerben. 11

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Vorwort des Herausgebers

Vorwort des Herausgebers Neben einfachen geometrischen Zeichnungen geh¨ oren Zahlen zu den ¨ altesten mathematischen Objekten, mit denen sich Menschen schon vor den ersten Hochkulturen besch¨aftigt haben und lernten, einfache Rechnungen mit ihnen ¨ auszuf¨ uhren und praktische Probleme zu l¨osen. Durch die Uberlieferungen von der babylonischen Mathematik wissen wir, dass sp¨ atestens in dieser Hochkultur auch die Eigenschaften der Zahlen ein Thema der Untersuchungen wurde. Eine genaue Datierung ist auf Grund der wenigen Quellen nicht m¨ oglich. Die Hinwendung zu dieser Fragestellung markiert zugleich einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Mathematik, denn mit den Zahlen wird nun ein abstraktes, von unmittelbaren Anwendungen abgel¨ ostes Objekt zum Gegenstand der Forschung. Damit kam ein Prozess in Gang, innerhalb dessen sich neue zus¨atzliche Impulse f¨ ur weitere Untersuchungen ergaben und damit die Herausbildung der Zahlentheorie als mathematische Disziplin beschleunigt wurde. Dem Credo der Reihe folgend soll in dem Buch diese vielschichtige Entwicklung u ¨ber die Jahrhunderte hinweg im kulturhistorischen Kontext dargestellt werden. Um den Umfang in einen vertretbaren Ausmaß zu halten, wird hier, wie aus dem Untertitel Von Babel bis Abel“ hervorgeht, die Geschichte der ” Zahlentheorie zun¨achst bis in die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts verfolgt. Implizit ist damit auch die Aufgabe formuliert, einen zweiten Teil u ¨ber die weiteren Fortschritte im 19. und 20. Jahrhundert folgen zu lassen. Im vorliegenden Buch erh¨alt der Leser einen Einblick wie in den fr¨ uhen Kulturen von Mesopotamien bis zu den Griechen etwa Teilbarkeitsregeln, Faktorisierungsalgorithmen oder pythagoreische Tripel behandelt wurden. Die verschiedenen Wege, auf denen dieses Wissen im R¨omischen Reich, in Byzanz, China, Indien und der Welt des Islam verbreitet und erweitert wurde als auch die Wiederaufnahme der Forschungen im europ¨aischen Mittelalter und der Renaissance bilden einen Abschnitt der Darstellung. Die nachfolgenden Teile zur klassischen Zahlentheorie und zum Beginn der modernen Zahlentheorie gliedern sich nach bekannten Mathematikern, die herausragende Beitr¨ age zur Zahlentheorie geleistet haben, von Fermat, Euler, Lagrange und Legendre u ¨ber Gauß und Dirichlet bis zu Abel, Jacobi, Cauchy und Eisenstein. Mit diesem Band schließt die Projektgruppe Geschichte der Mathematik“ ” der Universit¨at Hildesheim zumindest teilweise eine lange bestehende L¨ ucke ihres Editionsprogramms. Bei der 1992 durch Herrn Wesem¨ uller-Kock erfolgten Gr¨ undung des Projektes wurden zun¨achst vier Basisb¨ ande, zur Geschichte ¨ der Geometrie, Algebra, Zahlentheorie und Analysis, sowie ein Ubersichtsband zur Geschichte der Mathematik geplant, die alle bis auf den Band zur Zahlentheorie zwischen 2001 und 2011 erschienen und inzwischen weitere Auflagen ¨ sowie teilweise englischsprachige Ubersetzungen erfuhren. Zus¨ atzlich entstan-

Vorwort des Herausgebers

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den Begleitfilme13 (Regie und Produktion: Herr Wesem¨ uller-Kock und Frau Gottwald) zur Geschichte der Mathematik im Altertum bzw. im Mittelalter sowie 1997 unter dem Titel der Reihe Vom Z¨ ahlstein zum Computer“ ” ¨ ein einleitender Uberblicksband mit kurzen Charakterisierungen der Entwicklungsetappen der Mathematik und 51 Kurzbiographien bedeutender Mathematiker. Trotz umfangreicher Bem¨ uhungen einschließlich einer vorbereitenden Konferenz blieb der Band zur Zahlentheorie ein Desiderat. Es ist daher der Projektgruppe eine große Freude jetzt den ersten Teil dieser mathematischen Disziplin pr¨asentieren zu k¨onnen. Herrn Lemmermeyer, als anerkanntem und genauen Kenner dieser Materie, gilt unser besonderer Dank die Autorenschaft f¨ ur diese gewaltige Aufgabe u ¨bernommen zu haben. Nicht zuletzt danken wir dem Springer Verlag, insbesondere dessen Vertreterinnen Frau Denkert, Frau Herrmann und Frau Azarm, f¨ ur die gute Zusammenarbeit bei der Herstellung des Bandes. Den Herausgebern der Reihe ist es ein großes Bed¨ urfnis, an dieser Stelle das Verdienst des 2019 verstorbenen, langj¨ahrigen Vorsitzenden der Projektgruppe, Herrn Prof. Heinz-Wilhelm Alten, zu w¨ urdigen. Mit dem Ziel, zus¨ atzliches Material f¨ ur das Fern- und Selbststudium bereitzustellen, beteiligte er sich maßgeblich an der Arbeitsgruppe Geschichte der Mathematik“ an der Uni” versit¨at Hildesheim, die er mehr als zwei Jahrzehnte lang seit 1992 leitete. In dieser Zeit hat er sich unerm¨ udlich und mit großen Engagement der Realisierung des oben skizzierten Projektes gewidmet, sei es beim Gewinnen von Autoren, bei der kritischen Durchsicht der Manuskripte, sei es als Autor selbst, beim Konzipieren des Projektes und der einzelnen B¨ ande oder bei den Verhandlungen mit den Verlagen. M¨oge der vorliegende Band die Tradition der Reihe erfolgreich fortsetzen und dem Leser zum Einen das interessante Gebiet der Zahlentheorie n¨ aher bringen, zum Anderen die kulturgeschichtliche Bedeutung der Mathematik verdeutlichen. Im Namen der Herausgeber Karl-Heinz Schlote

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Die Filme sind teilweise vergriffen, Interessierte wenden sich bitte an die Herausgeber.

Inhaltsverzeichnis Vorwort des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil I 1

Die Zahlentheorie in Antike und Mittelalter

Babylonische Quellen der Zahlentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.1 Von Sumer bis Seleukia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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1.2 Die Keilschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.3 Das Sexagesimalsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 1.4 Teilbarkeitsregeln und Faktorisierungsalgorithmen . . . . . . . . . . . 23 1.5 Plimpton 322 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1.6 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 1.7 Trapezteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2

Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.1 Die alten Kulturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2.2 Das Lied der Herden von Nanna . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 ¨ 2.3 Agypten: Geburtshelfer der griechischen Mathematik . . . . . . . . . 57 2.4 Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 2.5 China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

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Die Zahlentheorie der Griechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.1 Thales und Pythagoras . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 3.2 Das Erbe: die griechische Logistik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3.3 Pythagoreische Zahlentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3.4 Von der Quadratverdopplung zur Inkommensurabilit¨ at . . . . . . . 84 3.5 Wechselwegnahme und Inkommensurabilit¨ at . . . . . . . . . . . . . . . . 88 3.6 Euklids Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.7 Die Euklidische Zahlentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.8 Die Arithmetika Diophants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

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Inhaltsverzeichnis Die Zahlentheorie im antiken Orient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 ¨ 4.1 Historischer Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 4.2 Rom und Byzanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4.3 China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4.4 Indien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4.5 Die Islamische Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 4.6 Magische Quadrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Teil II. 5

Die Klassische Zahlentheorie

Die Auferstehung Diophants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5.1 Europa erwacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 5.2 Fibonacci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 5.3 Das Aufkeimen der Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 5.4 Die Wiederentdeckung Diophants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 5.5 Vieta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 5.6 Bachet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

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Fermat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 6.1 Vollkommene Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 6.2 Mersenne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 6.3 Fermat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 6.4 Fermats Testament: Sein Brief an Carcavi . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 6.5 Der kleine Fermatsche Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 6.6 Der unendliche Abstieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 6.7 Brouncker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 6.8 Fermats Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 6.9 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6.10 Der 30-j¨ahrige Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 6.11 Geometrische Interpretation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258

Inhaltsverzeichnis

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Euler und Lambert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 7.1 Diophantische Methoden in Analysis und Geometrie . . . . . . . . . 266 7.2 Goldbach und Euler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 7.3 Auf den Spuren Fermats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 7.4 Potenzreste und Reziprozit¨atsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 7.5 Diophantische Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 7.6 Algebraische Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 7.7 Analytische Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 7.8 Lambert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307

8

Lagrange und Legendre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 8.1 Die Vermessung der Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 8.2 Die Franz¨osische Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 8.3 Lagrange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 8.4 Legendre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 8.5 Die Recherches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 8.6 Der Essai von 1798 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 8.7 Legendres Verm¨achtnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

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Gauß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 9.1 Carl Friedrich Gauß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 9.2 Reaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 9.3 DA I–IV, VI: Elementare Zahlentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 9.4 DA V: Quadratische und Tern¨are Formen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 9.5 DA VII: Die Kreisteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 9.6 Abschnitt VIII: H¨ohere Kongruenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399

Teil III

Der Beginn der Modernen Zahlentheorie

10 Dirichlet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 10.1 Aufbruch zu neuen Ufern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 10.2 Dirichlets Leben und Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 10.3 Dirichlets Erste Schritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 10.4 Primzahlen in Arithmetischer Progression . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442 10.5 Quadratische Formen u ¨ber den Gaußschen Zahlen . . . . . . . . . . . 452 10.6 Dirichlets Einheitensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460

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Inhaltsverzeichnis

11 Abel, Jacobi und Cauchy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 11.1 Abel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 11.2 Jacobi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 11.3 Reziprozit¨atsgesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 488 11.4 Elliptische Integrale und Elliptische Funktionen . . . . . . . . . . . . . 492 11.5 Anwendungen auf die Zahlentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 11.6 Cauchy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 12 Eisenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 12.1 Eisensteins Leben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 12.2 Annus Mirabilis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 520 12.3 Eisensteins Theorie der Elliptischen Funktionen . . . . . . . . . . . . . 527 12.4 Die Teilung der Lemniskate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 12.5 L¨osungsanzahlen von Kongruenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 12.6 Formen und Invarianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537

Verzeichnisse Literatur¨ uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 A.1 Fermat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545 A.2 Euler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 A.3 Lagrange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 A.4 Gauss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 A.5 Dirichlet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 A.6 Jacobi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 576 A.7 Cauchy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580 A.8 Lebesgue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 587 A.9 Eisenstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 665 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 679 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 681

Teil I. Die Zahlentheorie in Antike und Mittelalter

Marmorscheibe VA 5953 aus der altbabylonischen Zeit

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Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Abb. 1.0.1. Eine moderne Abschrift der Keilschrifttafel Plimpton 322 durch Jeremiah Peterson

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_1

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1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Von Zahlentheorie als einer mathematischen Disziplin kann vor Euklid nicht die Rede sein. Wenn wir hier von Quellen der Zahlentheorie reden, dann stellen wir einige Beispiele mathematischer Erkenntnisse der Babylonier in einen Zusammenhang, den wir konstruiert haben. Wenn wir im Folgenden von babylonischer Mathematik“ reden, dann muss ” man sich vor Augen halten, dass es eine solche ebenso wenig gibt wie etwa eine europ¨aische Mathematik“ zwischen 1200 und 2000 unserer Zeitrechnung. ” Babylonische Mathematik“ ist ein Sammelbegriff, der definitiv nicht sagen ” will, dass es sich um Mathematik handelt, die in Babylon gelehrt wurde, ebenso wie griechische“ oder islamische“ Mathematik die Leistungen sehr großer ” ” Kulturkreise u ¨ber viele Jahrhunderte hinweg umfasst und keine Aussage u ¨ber Nationalit¨at und Volks- oder Religionszugeh¨origkeit der einzelnen Autoren suggerieren soll. Babylon ist eine unter vielen St¨adten Mesopotamiens, die im Laufe der Jahrtausende zeitweise diversen Großreichen angeh¨ort haben oder als Stadtstaaten eigenst¨andig waren, und trotz einiger Versuche in der j¨ ungsten Vergangenheit, die Mathematik Mesopotamiens nach geographischen und chronologischen Kriterien zu differenzieren, ist es nahezu unm¨ oglich, die verschiedenen Entwicklungen sauber auseinanderzuhalten. Dies liegt vor allem daran, dass die Tontafeln, denen wir unsere Informationen verdanken, teilweise aus Raubgrabungen stammen, von denen wir nicht einmal wissen, in welchen Teilen Mesopotamiens sie gefunden worden sind, geschweige denn wie alt sie sind. Tats¨achlich wurde die Mathematik Mesopotamiens vor allem deswegen nach Babylon benannt, weil die mit Abstand meisten Keilschrifttafeln entweder aus der altbabylonischen Periode von Hammurabi1 oder aus der neubabylonischen2 Zeit nach K¨onig Nebukadnezar II. stammen. 3 ¨ Im Folgenden geben wir einen groben Uberblick u ¨ber die Geschichte Mesopotamiens, soweit sie f¨ ur unsere sp¨ateren Ausf¨ uhrungen relevant sind, beschreiben in aller K¨ urze die Entwicklung der Keilschrift und ihre Entzifferung im 19. Jahrhundert, und befassen uns dann mit dem Teil der babylonischen Mathematik, der f¨ ur die Geschichte der Zahlentheorie interessant ist. 1

Im Deutschen ist auch die Schreibweise Hammurapi weit verbreitet. Hammurabi regierte von 1792–1750, Nebukadnezar II von 605–562 v. Chr. 3 Es gibt kaum eine bessere M¨ oglichkeit, sich in die Kultur Babyloniens in ihrer ganzen Breite und Vielfalt zu vertiefen, als den Katalog [Marzahn & Schauerte 2008], der eine ganze Sammlung vorz¨ uglicher Artikel u ¨ber fast alle Aspekte der Kultur Babyloniens enth¨ alt. Ein sehr spannend geschriebenes Buch u ¨ber die sumerische Kultur und die Arbeit der Wissenschaftler beim Aufdecken der Zusammenh¨ ange ist [Kramer 1959]. Das t¨ agliche Leben in Mesopotamien beschreibt [Nemet-Nejat 1998]. Ebenfalls a ¨ußerst lesenswert ist das Buch [Klengel-Brandt 1970], das es trotz einiger Einsprengsel aus dem real existierenden Sozialismus schafft, ein lebendiges Bild der Babylonier zu zeichnen. Ein weiteres sehr gutes Buch u ¨ber die Geburt ” der Wissenschaft“ ist [Pichot 1995]. Dar¨ uber hinaus findet man Informationen u ¨ber die Mathematik Mesopotamiens in den B¨ anden [Alten et al. 2003, S. 28ff], [Wußing 2008, S. 124ff] und [Scriba & Schreiber 2005, S. 16ff] der Hildesheimer Reihe. 2

1.1 Von Sumer bis Seleukia

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1.1 Von Sumer bis Seleukia Wir lassen unsere kleine Reise durch die Geschichte Mesopotamiens mit dem H¨ ohepunkt der letzten Eiszeit 20 000 v. Chr. beginnen. Der Meeresspiegel, der damals bis zu 100 m unter dem heutigen liegt, beginnt mit dem Ab¨ schmelzen der Eismassen zu steigen. Die dabei auftretenden Uberflutungen weiter K¨ ustengebiete werden in den Mythen fast aller V¨ olker verewigt. Der Klimawandel, damals noch ein Vorgang, der sich u ¨ber Jahrtausende erstreckte, verwandelt manche bl¨ uhende Landschaft Afrikas in eine W¨ uste und zwingt Nomaden in die N¨ahe von Fl¨ ussen. Bereits 16 000 v. Chr. gibt es erste Siedlungen in Mesopotamien, doch die Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht, ¨ also der Ubergang von einer Gesellschaft von J¨ agern und Sammlern zu einer von Bauern und Hirten, nimmt viele Jahrtausende in Anspruch. 10 000 Jahre sp¨ater kennen die Menschen jedenfalls erste Getreidesorten, und es ist ihnen gelungen, gewisse Tierarten zu domestizieren, darunter Ziegen, Schafe, Schweine und Rinder, sp¨ater auch Pferde, Kamele und Bienen. Der Konkurrenzkampf zwischen Hirten und Bauern ist ein immer wiederkehrendes Motiv in vielen alten Mythen. So hat die sumerische G¨ ottin Inanna, von den Akkadern sp¨ater Ischtar genannt, bei der Wahl ihres Gemahls den Hirten Dumuzi dem Bauern Enkumdi vorgezogen; letztendlich verliert Dumuzi aber sein Leben. In der Bibel taucht dasselbe Bild als Streit zwischen dem Bauern Kain und dem Schafhirten Abel auf, der ebenfalls f¨ ur den Hirten Abel t¨odlich endet. In der griechischen Mythologie erscheint dieses Motiv in der Geschichte von Demeter und Persephone (vgl. S. 45). Durch k¨ unstlich angelegte Bew¨asserungskan¨ale l¨ asst sich die Ernte so weit steigern, dass es m¨oglich wird, Vorr¨ate anzulegen, und primitive Vorg¨ anger der T¨opferscheibe erleichtern die Produktion von Keramikgef¨ aßen. Erste Speicherbauten werden bereits in der Obeid-Zeit etwa 4500 v. Chr. errichtet, und aus derselben Zeit stammen die ersten Tempel. Die l¨ angere Aufbewahrung von G¨ utern macht es notwendig, Besitz entsprechend zu deklarieren. Mit kleinen ¨ Getreide oder Tonobjekten4 unterschiedlicher Form werden Mengen von Ol, auch Bier bzw. die Anzahl von Ziegen und Schafen dargestellt. Mit der Uruk-Zeit (benannt nach dem Fundort Uruk, einer Stadt, die in der Bibel Erech und heute Warka heißt) ab 4000 v. Chr. beginnt die Urbanisierung Mesopotamiens: Einige Siedlungen sind inzwischen so groß, dass sie die Herausbildung einzelner Berufe beg¨ unstigen. Die T¨ opferscheibe erm¨ oglicht die Massenproduktion von Gef¨aßen, und man lernt mit Bronze umzugehen. Die Umgangssprache in Mesopotamien ist das Sumerische. Diese Sprache ist weder semitisch wie das Akkadische, noch indogermanisch wie das Persische; eine zweifelsfreie Zuordnung des Sumerischen zu einer bekannten Sprachfamilie ist bisher nicht gelungen. 4 Die Entwicklung von Sprache und Schrift in Mesopotamien kann man in [Schmandt-Besserat 1996] nachlesen.

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1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Zeittafel Babylonien 3500 v. Chr. Die Sumerer siedeln in Babylonien; Bew¨ asserungskan¨ ale werden verlegt, die T¨ opferscheibe kommt in Gebrauch. 3100 v. Chr. Die Sumerer entdecken Bronze, eine Legierung aus Kupfer und Zinn. In Uruk werden Wagen mit R¨ adern benutzt, und die ersten Pfl¨ uge werden von Ochsen gezogen. 2800 v. Chr. Etana wird K¨ onig des Stadtstaats Kisch. Andere Stadtstaaten wie Nippur, Uruk und Ur haben ihre eigenen K¨ onige. 2700 v. Chr. Die ersten Keilschrifttafeln mit deutlichen Hinweisen auf die sumerische Sprache entstehen. 2330 v. Chr. Sargon I vereint und regiert Babylonien. Seine Nachfolger, akkadische K¨ onige, bleiben bis 2200 v. Chr. an der Macht. Sumerisch bleibt die offizielle Sprache, das Volk spricht gr¨ oßtenteils Akkadisch. Das Sexagesimalsystem kommt in Gebrauch. 2100 v. Chr. Sumerische Renaissance unter Ur-Namma, auf den die erste Gesetzessammlung zur¨ uckgeht, und seinem Sohn Schulgi, in dessen 48j¨ ahriger Amtszeit Maße und Gewichte reformiert werden. 2000 v. Chr. Die Elamiten erobern und zerst¨ oren Ur. Die sumerische Sprache u ¨berlebt nur noch als Sprache der Schreiber. 1790 v. Chr. Hammurabi wird K¨ onig; er vereint Babylonien erneut. Er erl¨ asst Gesetze, die detailliert auflisten, welche Strafen f¨ ur welche Verbrechen verh¨ angt werden sollen. 1600 v. Chr. Die Hethiter erobern Babylonien und bringen Kenntnisse u ¨ber Eisen mit. 1300 v. Chr. Auf Ugaritischen Keilschrifttafeln erscheint das erste Alphabet. Im Laufe der n¨ achsten 200 Jahre entwickeln die Ph¨ onizier ihre eigenen Zeichen, die dann von Hebr¨ aern, Griechen, Etruskern und R¨ omern u ¨bernommen und modifiziert werden. 1284 v. Chr. Der hethitische K¨ onig Hattusili III schließt einen Vertrag mit ¨ K¨ onig Ramses II von Agypten. 814 v. Chr. Schamschi-Adad V. erobert Babylon 670 v. Chr. Ashurbanipal regiert Babylonien; seine Bibliothek aus Keilschrift-Tafeln umfasst mehr als 20 000 Tafeln. Er erobert ¨ Agypten, wird aber 654 wieder von dort vertrieben. 600 v. Chr. Nebukadnezar II l¨ asst eine Mauer um Babylon bauen, die zum Weltwunder wird. Er erobert Jerusalem und siedelt j¨ udische Kriegsgefangene in Babylon an. 540 v. Chr. Kyros, der Herrscher Persiens, marschiert in Babylon ein. 330 v. Chr. Alexander der Große erobert Babylon. Sein Plan, die Stadt neu aufzubauen, scheitert. Mehr u ¨ber die Geschichte Mesopotamiens findet man in [Edzard 2004], [Hrouda 1997] und [Selz 2010].

1.1 Von Sumer bis Seleukia

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Um 2900 v. Chr. beginnt die fr¨ uhdynastische Zeit; der Großteil der Keilschrifttafeln dient dem Zweck der Buchhaltung. Die Handelsbeziehungen der Sumerer reichen von weit u ¨ber Anatolien hinaus bis ins Indusgebiet. Weitere Handelsstraßen verlaufen von Halab (Aleppo) und der Oase Tadmor (Palmyra) bis zu den St¨adten Tyrus, Sidon und Damaskus in Pal¨ astina. Weil Mesopotamien arm an Holz und Steinen war, werden vor allem Zedern aus dem Libanon und Steine aus dem Norden Mesopotamiens bis zum Euphrat geschleift und dann flussabw¨arts mit Schiffen transportiert. alfte des 3. Gilgamesch5 , der legend¨are Herrscher von Uruk in der ersten H¨ Jahrtausends v. Chr., l¨asst um die auf etwa 20 000 Einwohner angewachsene Stadt Mauern bauen – eine Technik, die Schule macht. Auch andere St¨ adte Mesopotamiens legen sich imposante Stadtmauern zu, sp¨ ater folgen St¨ adte in anderen Teilen der Welt nach, und als Remus seinen Bruder Romulus verspottet, indem er u ¨ber die Mauer springt, die dieser um Rom gezogen hatte, bezahlt er diese Frechheit mit seinem Leben. Um 2700 v. Chr. gewinnt Ur, die Heimatstadt des biblischen Abraham, zunehmend an Bedeutung. Dem Arch¨aologen Leonard Woolley (1880–1960) gelang die Ausgrabung der K¨onigsgr¨aber von Ur, die vermutlich um 2550 v. Chr. angelegt worden waren. Neben Gef¨aßen aus Stein, Silber und Gold fanden sich dort auch Schmuck, Musikinstrumente und sogar Schlitten und Wagen6 . Den dort begrabenen Verstorbenen waren etwa 80 Personen in den Tod gefolgt: die Familie und die Bediensteten tranken Gift und legten sich dann nieder, um zu sterben. Wie verbreitet solche Gefolgschaftsbestattungen in Mesopotamien waren, ist schwer zu sagen. Sargon von Akkad errichtet um 2300 v. Chr. das erste Großreich in Mesopotamien. Die Akkader, ein semitisches Volk, hatten in den Jahrhunderten zuvor auf sumerischem Gebiet gesiedelt und u ¨bernahmen die Keilschrift der Sumerer, um ihre eigene Sprache zu schreiben. Das Sumerische als Umgangssprache geht zur¨ uck und stirbt letztendlich ganz aus, wird aber in Schreiberschulen weiterhin unterrichtet (vergleichbar mit dem Lateinunterricht von der Renaissance bis in unsere Zeit). Die Herrschaft der Akkader endet mit dem Einfall der Gut¨ aer um 2100 v. Chr. und f¨ uhrt zu einem Wiedererstarken einzelner Stadtstaaten wie Lagasch, Ur und Larsa. Ur-Namma, Herrscher der 3. Dynastie von Ur, die der jetzt be¨ ihren Namen gab, gelingt die Vertreibung der Gut¨ ginnenden Ur-III-Ara aer und schafft die ¨alteste bekannte Gesetzessammlung. Der Handel mit fremden V¨olkern bleibt von den wechselnden Herrschern unber¨ uhrt: In Kaniˇs, dem heutigen K¨ ultepe in der T¨ urkei, wurden mehr als 23 000 Keilschrifttafeln aus dem 19. und 18. vorchristlichen Jahrhundert gefunden, die Zeugnis ablegen von ei5 Das Gilgamesch-Epos ist eines der ¨ altesten der Welt und ist in vielen B¨ uchern nachzulesen. In [Grundy 1999] wird Gilgameschs Leben in Romanform erz¨ ahlt. 6 [Selz 2010, S. 45f].

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1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

¨ nem ausgedehnten Handel mit der Stadt Assur7 . Uber eine Entfernung von etwa 1000 km hinweg betreiben die beiden St¨adte einen Handel vor allem mit Stoffen und Zinn, sowie mit selteneren Objekten wie Eisen oder Halbedelsteinen, insbesondere Lapislazuli. Schulgi, Sohn Ur-Nammas, regiert 48 Jahre lang und macht sich zuerst durch beeindruckende Baumaßnahmen, sp¨ ater durch regelm¨aßige Kriegsz¨ uge einen Namen. Schulgi ist es auch, der das babylonische System der Maße reguliert. Hammurabi Jetzt erst betritt Babylon die geschichtliche B¨ uhne: W¨ ahrend es zwischen Isin und Larsa zu kriegerischen Auseinandersetzungen kommt, steigt Babylon zu einer regionalen Macht auf. Hammurabi regiert Babylon von 1792 bis ¨ wie kaum zu seinem Tod 1750 v. Chr. und pr¨agt die altbabylonische Ara ein anderer. Zu Beginn seiner Amtszeit geh¨ort Babylon zu einer Reihe von Stadtstaaten wie etwa Eschnunna und Larsa; im Norden regiert damals der assyrische Herrscher Schamschi-Adad I, dessen Reich sich bis ans Mittelmeer und nach Kleinasien erstreckt. Im Zuge einer Invasion der Elamer8 gelingt es Hammurabi, erst das s¨ udliche Mesopotamien und sp¨ ater auch den Norden in seine Gewalt zu bringen. Hammurabi feiert nicht nur milit¨arische Erfolge: Ihm gelingt auch die Schaffung eines Rechtssystems, das auf der Grundlage von Auge um Auge, Zahn ” um Zahn“ aufgebaut ist. Im Artikel 196 findet man dies auch expressis verbis formuliert: Zerst¨ort ein Mann das Auge eines anderen, so soll sein eigenes Auge ebenfalls zerst¨ort werden. Diese Gesetze wurden unter anderem auf eine Stele aus schwarzem Diorit gemeißelt, der inzwischen im Louvre in Paris steht. Im oberen Teil der Stele findet sich eine Szene, in der Hammurabi die Legitimation zur Gesetzgebung vom Sonnengott Schamasch erh¨ alt, der auf Bergen thront: eine offensichtliche Parallele zur biblischen Geschichte, nach der Moses auf dem Berg Sinai die 10 Gebote auf Steintafeln in Empfang genommen hat. Dass die Gesetze Hammurabis ein wahrer Exportschlager waren kann man auch daran ersehen, dass 2010 bei Ausgrabungen in Tel Hazor, dem Standort einer Schreiberschule im Norden des heutigen Israels, das Fragment einer Tontafel aus der Zeit Hammurabis gefunden worden ist, auf welcher in akkadischer Sprache ¨ahnliche Gesetze zu lesen sind. Die Gesetze Hammurabis selbst unterscheiden streng zwischen drei Klassen von Menschen9 , je nach dem Grad ihrer Abh¨angigkeit. Die Gruppe der freien 7 ¨ In [Michel 2006] findet man eine gute Ubersicht u ¨ber die zahlreichen Keilschrifttafeln, die diesen Handel belegen. Interessant ist, dass die H¨ andler aus Assur zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. Zeichen f¨ ur 100 und 1000 besaßen und zum Schreiben großer Zahlen benutzten. Siehe auch [Larsen 2008]. 8 Diese lebten im Gebiet des sp¨ ateren Persiens; f¨ ur deren Geschichte siehe [Quintana Cifuentes 1997]. 9 [Marzahn & Schauerte 2008, S. 284].

1.1 Von Sumer bis Seleukia

9

B¨ urger der St¨adte, Landwirte und Hirten durften Land besitzen, frei heiraten und ihren Beruf w¨ahlen; aus dieser Schicht kamen die Beamten des K¨ onigs und seine Soldaten. Zur Mittelschicht geh¨orten Handwerker und H¨ andler, und am unteren Ende der gesellschaftlichen Skala standen Sklaven. Diese waren entweder als Sklaven geboren worden, kamen als Kriegsgefangene ins Land, oder waren Schuldsklaven: B¨ urger, die ihre Schulden nicht begleichen konnten, mussten sich selbst oder ihre Frauen und Kinder in die Sklaverei verkaufen. Behandelte nun ein Arzt eine Wunde oder ein Auge erfolgreich, sollte er 10 Schekel Silber von einem B¨ urger, 5 Schekel von einem Angeh¨ origen der Mittelschicht, und 2 Schekel f¨ ur einen Sklaven erhalten. Stirbt der Sklave nach seiner Behandlung, muss der Arzt ihn ersetzen; stirbt dagegen ein B¨ urger, ¨ sollen dem Arzt beide H¨ande abgehackt werden. Ahnlich drakonische Strafen gab es auch bei anderen Berufen; man darf sich aber fragen, ob diese Strafen immer buchstabengetreu vollstreckt wurden. Im Jahrtausend nach der babylonischen Bl¨ utezeit von Hammurabi machten Hethiter, Kassiten, Assyrer, Elamer und Chald¨ aer Babylon wiederholt dem Erdboden gleich. Unter Sargon II erreichte das assyrische Reich im 8. Jahrhundert seine gr¨ oßte Ausdehnung. Ashurbanipal hungerte Babylon in einem Feldzug im 7. Jahrhundert so lange aus, bis sich die Bewohner nur mit Kannibalismus gegen den Hunger wehren konnten. Erhaltene Dokumente aus dieser Zeit sind Mangelware; erst aus dem neubabylonischen Reich unter Nebukadnezar II. gibt es wieder Keilschrifttafeln. Nebukadnezar II Der bekannteste unter den neubabylonischen Herrschern ist Nebukadnezar II. Bei seinem zweiten Feldzug nach Jerusalem im Jahre 587 wird der dortige Tempel zerst¨ort; dies d¨ urfte wesentlich f¨ ur das schlechte Bild Nebukadnezars verantwortlich sein, das im Alten Testament von ihm gezeichnet wird. Auf dem R¨ uckweg nimmt er neben Kriegsgefangenen auch etwa 1500 Bewohner Jerusalems mit nach Babylon, um sie dort anzusiedeln. ahnenswert, die aus der In diesem Zusammenhang ist die Tafel10 BM 47406 erw¨ Zeit von Nebukadnezar II. zu stammen scheint und deren Inhalt sich als ein Schritt in Richtung babylonischer Monotheismus deuten l¨ asst. Darin werden mehr als ein Dutzend G¨otter als Erscheinungsformen des großen Stadtgottes von Babylon betrachtet, n¨amlich von Marduk: Nabu ist Marduk der Schreiber Sin ist Marduk als Licht der Nacht ˇ Samaˇ s ist Marduk der Gerechtigkeit Adad ist Marduk des Regens. 10

[Finkel & Seymour 2008, S. 93].

10

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Um 575 v. Chr. hat Nebukadnezar in Babylon das Ischtar-Tor errichten lassen, ein gewaltiges Bauwerk zu Ehren der G¨ottin Ischtar und eines der Haupt-Tore der Stadt, das auf die Prozessionsstraße f¨ uhrte. Das Tor war Teil der riesigen Stadtmauern Babylons, die vor ihrer Vernichtung zu den sieben Weltwundern gez¨ahlt hatten. Am Ende der Prozessionsstraße stand die Br¨ ucke11 u ¨ber den Euphrat, ein von Herodot zu den Weltwundern gez¨ ahltes Bauwerk, das auf Pfeilern aus gebrannten Ziegeln und Kalkstein ruhte und mehr als 100 m lang war. Ischtar-Tor und Prozessionsstraße spielten beim gr¨ oßten Fest der Babylonier, agige Fest markierte dem Neujahrsfest12 Akitu, eine zentrale Rolle. Dieses 12-t¨ den Jahresbeginn im Fr¨ uhjahr, und zwar legten die Babylonier Neujahr auf den ersten Neumond nach Fr¨ uhlingsanfang. Dazu war es notwendig, zu den 12 Monaten von 29 oder 30 Tagen hin und wieder einen Schaltmonat einzulegen. Zu Zeiten Hammurabis geschah dies auf Befehl von oben, wie eine Keilschrifttafel belegt13 : Hammurabi sagt seinem Minister Sin-idinnam dies: Das Jahr ist nicht mehr an seinem Platz. Lass den n¨achsten Monat unter dem Namen Ululu II eintragen. Erst zu Nebukadnezars Zeiten wurde der Schaltmonat automatisch eingef¨ ugt, und zwar sieben Mal in 19 Jahren. Die Hauptzeremonie beim Neujahrsfest war der Einzug der Stadtg¨ otter aus benachbarten St¨adten am sechsten Tag des Festes. In Gestalt eines Standbilds wurde Nabu, der Gott der Schreibkunst, u ahnlich ¨ber eine Prozessionsstraße ¨ derjenigen in Babylon aus der Stadt Borsippa getragen und dann mit dem Schiff nach Babylon transportiert, und ebenso wurden Anu und Enlil aus Uruk und Nippur nach Babylon gebracht, um am sechsten Tag des Neujahrfestes auf der Prozessionsstraße nach Babylon einzuziehen (ein Bild, das an den Einzug Jesu nach Jerusalem erinnert), wo dann eine Versammlung der G¨ otter unter Vorsitz von Marduk, dem Stadtgott Babylons, stattfand. ¨ Auch die Juden feierten zum Andenken an den Auszug aus Agypten ein mehrt¨agiges Fest im Fr¨ uhjahr, das Passah-Fest, aus dem unser heutiges Osterfest entstanden ist, das ja bis heute, wie bereits das Neujahrsfest der Babylonier, anhand des ersten Vollmonds im Fr¨ uhling festgelegt wird. Nebukadnezar II wird der Bau zweier Weltwunder zugeschrieben: die Stadtmauern von Babylon ebenso wie die h¨angenden G¨ arten der Semiramis. Spuren der h¨angenden G¨arten wurden nicht nur nie aufgefunden, auch in zeit11

Diese wird in [Klengel-Brandt 1970, S. 30] und [Unger 1931, S. 117] beschrieben. [Marzahn 1981]. 13 [Pichot 1995, S. 126]. 12

1.2 Die Keilschrift

11

gen¨ossischen Quellen wie etwa Herodot, der Babylon im 5. Jahrhundert v. Chr. nach Augenzeugenberichten beschrieb, taucht keine Spur von ihnen auf14 . Die Seleukiden Als der Perserk¨onig Kyros II. 539 v. Chr. Babylon erobert, erlaubt dieser den Juden die R¨ uckkehr in ihre alte Heimat. Nicht wenige Juden bleiben in Babylon, viele kehren nach Jerusalem zur¨ uck; die Aufnahme dort scheint nicht von u ¨bertriebener Freude gepr¨agt gewesen zu sein, sodass manche bis nach Usbekistan weiterziehen. Die persische Herrschaft u ¨ber Babylon endet, als Alexander 331 v. Chr. dort einzieht und Babylon zur Hauptstadt seines neuen Reiches machen will. Als Alexander 323 in Babylon stirbt, zerf¨ allt sein Riesenreich; dessen Nachfolger streiten sich in den Diadochenkriegen um sein Erbe, und Mesopotamien f¨allt an seinen General Seleukos I. Dieser gr¨ undet die neue Hauptstadt Seleukia und l¨asst die Bewohner von Babylon dorthin umsiedeln. Im ersten Jahrhundert v. Chr. scheint Babylon nur noch teilweise bewohnt gewesen zu sein; die letzte noch erhaltene Keilschrifttafel aus Babylon ist im Jahre 75 n. Chr. geschrieben worden, und als der r¨ omische Kaiser Trajan 116 n. Chr. in Babylon sein Quartier aufschl¨agt, stehen dort nur noch Ruinen.

1.2 Die Keilschrift Die Schrift wurde nicht u ¨ber Nacht erfunden, sondern hat sich ganz langsam entwickelt15 . Am Anfang standen kleine Objekte aus Ton, die, je nach Form, Schafe, Ziegen oder Getreide bezeichneten. Zum Zwecke der Buchhaltung und zur Festlegung der Steuern wurde der Besitz eines Landwirts oder eines Hirten durch derartige Z¨ahlsteine in ein geeignetes Tongef¨ aß gelegt und versiegelt. Um erkennen zu k¨onnen, wie viele Tiere ein Landwirt besaß, ohne das Gef¨aß zerbrechen zu m¨ ussen, wurden sp¨ater die Anzahlen außen auf das Tongef¨aß geritzt, wobei man f¨ ur Schafe, Ziegen oder Rinder Symbole benutzte, die zuerst an die Form des entsprechenden Z¨ahlsteins erinnerten. Aus dieser ¨ Praxis entwickelten sich die Piktogramme, Symbole, die Tiere, Getreide, Ol und andere Waren darstellten. ¨ Die Schrift der Sumerer bestand, ¨ahnlich wie die Hieroglyphen der Agypter, die in etwa zeitgleich entstanden sind, aus Piktogrammen. Die Piktogramme 14

Stephanie Dalley f¨ uhrt in [Dalley 1994, Dalley 2013] die sp¨ ateren Geschichten auf eine Verwechslung von Babylon mit Ninive zur¨ uck und schreibt deren Bau dem assyrischen Herrscher Sanherib zu. 15 Das Buch [Schmandt-Besserat 1996] hat einiges Aufsehen erregt; [Glassner 2000] ist bei vielen Schlussfolgerungen vorsichtiger.

12

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Archaische Form

nach Drehung

sumerische Keilschrift

assyrische Keilschrift Bedeutung

Vogel

Name

Muˇsen

Wasser A

Auge Igi

Korn ˇ Se

essen K´ u

Abb. 1.2.1. Vom Piktogramm zur Keilschrift

in der oberen Zeile in Abb. 1.2.116 wurden um etwa 3000 v. Chr. benutzt, die Keilschriftsymbole in der Mitte um 2400 v. Chr.; die Keilschriftsymbole in der unteren Zeile waren im Sp¨at-Assyrischen etwa 650 v. Chr. in Gebrauch. Das sumerische Symbol f¨ ur essen ist aus einem Kopf und einer kleinen Schale zusammengesetzt. Es wurde verwendet, wenn es um die Rationen von Brot und Bier ging, die Arbeitern als Lohn ausbezahlt wurden. Brot und Bier waren Grundnahrungsmittel; das Bier diente in erster Linie nicht dem Genuss, sondern wurde mit Wasser verd¨ unnt (bei großen Festen vermutlich nicht; die ¨ Wirkung des Alkohols war den Babyloniern wie auch den Agyptern durchaus bekannt): Der Alkohol diente in erster Linie dem Abt¨ oten der Keime17 . Mit der Einwanderung der Akkader wurde die Keilschrift auch f¨ ur das Akkadische verwendet, sp¨ater auch f¨ ur die meisten anderen Sprachen im Nahen Osten. Bei der Entzifferung der Keilschrift arbeitete man sich umgekehrt von den j¨ ungsten Sprachen bis zum Akkadischen vor und entschl¨ usselte ganz zum Schluss das Sumerische. 16

Die Abbildung ist [Vogel 1959, S. 10] entnommen; vgl. auch [Walker 1987]. Das letztgenannte Buch ist Teil einer Reihe, die sich mit alten Schriften befasst, etwa mit Hieroglyphen [Davies 1987], Linear B [Chadwick 1987] und griechischen Inschriften [Cook 1987]. 17 Diese positive Wirkung von Bier wurde 1854 wiederentdeckt: Nach einem Ausbruch der Cholera in London, die binnen weniger Wochen 600 Todesopfer forderte, fand der Arzt John Snow heraus, dass die Ursache ein Brunnen in der Broad Street war. In dieser Straße waren auch die meisten Opfer zu beklagen – lediglich die Arbeiter der dortigen Brauerei blieben verschont.

1.2 Die Keilschrift

13

Die Entzifferung der Keilschrift Die ersten Nachrichten einer seltsamen Schrift auf Monumenten in Persepolis werden 1621 von dem Abenteurer Pietro della Valle nach Europa gebracht; ¨ahnliche Berichte folgen 1778 durch Carsten Niebuhr. Den ersten entscheidenden Schritt zur Entzifferung der altpersischen Keilschrift macht 1802 Georg Friedrich Grotefend, aber erst Henry Rawlinson gelingt 1838 der endg¨ ultige Durchbruch. Danach werden von Rawlinson, Edward Hincks, Jules Oppert und anderen eine Variante der Keilschrift nach der andern geknackt. Rawlinson gelang die Entzifferung der altpersischen Keilschrift mit Hilfe einer Inschrift in Behistun. Diese Inschrift auf einer Felswand nahe der Verbindungsstraße zwischen Babylon und Ekbatana hatte der persische K¨ onig Dareios anfertigen lassen, nachdem er 522 v. Chr. Aufst¨ andische unter der F¨ uhrung eines gewissen Gaumata besiegt hatte. Die Inschrift ließ er in drei verschiedenen Sprachen anbringen, n¨amlich in Altpersisch, Elamitisch und Akkadisch, von denen 1837 aber noch keine einzige entziffert worden war. Ein Satz dieser Inschrift lautete Es gab einen Mann mit Namen Gaumata, einen ” Magier [. . . ]“. Dieser war also vermutlich ein chald¨ aischer Sterndeuter. Das persische Wort magush wurde als magushu ins Akkadische und als makuis ins Elamische transkribiert, offenbar weil es in diesen Sprachen keine Entsprechung f¨ ur dieses Wort gab. Dareios ließ diese Inschrift dann in alle L¨ ander seines Reichs senden und dort verlesen; Walter Burkert18 nimmt an, dass bei dieser Gelegenheit das Wort μαγος in den griechischen Sprachraum kam. Mit den ersten u ¨bersetzten Keilschrifttafeln wurde schnell klar, dass unter den babylonischen Mythen auch Geschichten waren, die in leicht ver¨ anderter Form im Alten Testament auftauchen, etwa die Geschichte der Sintflut, die ein Teil des viel gr¨oßeren Gilgamesch-Epos ist. Auch in der sumerischahlte Menschen babylonischen Version19 werden die Tiere und einige auserw¨ gerettet. Dar¨ uber hinaus erhielt Xisuthros, der sumerische Noah, den Auftrag, den Anfang, die Mitte und das Ende aller Erz¨ahlungen in Sippar zu begraben; nach dem Abklingen der Flut wurden diese Schriften ausgegraben und unter den Menschen verbreitet. Die Sumerer waren sich der Bedeutung ihrer Erfindung der Schrift also durchaus bewusst und haben der Bewahrung der Schrift ¨ eine a¨hnlich hohe Bedeutung zugemessen wie dem Uberleben von Mensch und Tier. Auch andere Motive aus dem Gilgamesch-Epos finden sich in modifizierter Form in der Bibel wieder. Die Schlange, die eine entscheidende Rolle bei der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies spielt, kommt auch in der Erz¨ahlung von Gilgamesch vor. Auf der Suche nach dem ewigen Leben sucht 18

[Burkert 2004, S. 117]. [Finkel 2014] beschreibt den Fund einer Keilschrifttafel, welche sich um die Konstruktion der Arche dreht. Auf youtube findet man auch diverse Videos, in denen der Nachbau der Arche dokumentiert wird. 19

14

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

dieser Utnapischti auf, der ihm verr¨at, dass auf dem Meeresboden eine Pflanze w¨achst, die ihm ewiges Leben verleihen kann. Nachdem Gilgamesch die Pflanze geholt hat, wird sie in einem Moment der Unachtsamkeit von einer Schlange20 gefressen, die sich daraufhin h¨autet und verj¨ ungt wieder davonkriecht.

Das Tafelhaus, die Schule Babyloniens Die Babylonier gr¨ undeten bereits sehr fr¨ uh Schreiberschulen, welche sie Tafelh¨auser nannten – man kennt diese Einrichtungen nur aus Erw¨ ahnungen ¨ auf einigen Tafeln; allerdings hat man noch keine Uberreste solcher Schulen entdeckt. Die Sch¨ uler hießen S¨ohne des Tafelhauses, und in der Tat war die Schreiberlehre im Tafelhaus dem m¨annlichen Nachwuchs vorbehalten. Zwar kennen wir einige Schreiberinnen, aber diese waren allesamt Angeh¨ orige angesehener Familien und haben sich ihre Kenntnisse durch Privatunterricht angeeignet. Im Tafelhaus begann der Unterricht f¨ ur Kinder im Alter von f¨ unf bis sechs Jahren. An jedem Schultag wurde der kleine Junge mit Broten, welche seine Mutter am fr¨ uhen Morgen gebacken hatte, ins Tafelhaus geschickt. Dort wurde er in der Benutzung des Griffels unterrichtet, er lernte zu schreiben, indem er Listen mit Namen von K¨onigen, Pflanzen und Tieren abschrieb, und auf dieselbe Art und Weise lernte er das Einmaleins auswendig. Außer Tafeln mit Quadratzahlen oder Tabellen von Reziproken zu reproduzieren galt es auch, sich mit dem sehr komplexen babylonischen Maßsystem vertraut zu machen; neben Maßeinheiten f¨ ur L¨angen, Fl¨achen und Volumina gab es welche f¨ ur Gewichte und Getreidemengen. Dar¨ uberhinaus lernten die Jugendlichen auch die sumerische Sprache zu lesen und zu schreiben, und zwar von Sargon I bis zu den Zeiten von Ashurbanipal, der in Inschriften damit prahlte, die Schrift aus der Zeit vor der großen Flut lesen zu k¨onnen. Bereits vor 4000 Jahren mussten Sch¨ uler mehrfach auf ihre Tafeln schreiben, dass Schw¨atzen w¨ahrend des Unterrichts verboten ist, und Spr¨ uche wie Ein ” Schreiberlehrling, der nichts taugt, wird Priester“ legen nahe, dass nur die begabten Schreiber die Ausbildung bis zu den h¨ochsten Weihen durchliefen. Wer diese letzte H¨ urde nahm, hatte ausgesorgt; er beaufsichtigte die Auszahlung des Lohns bei Großbauten, sorgte f¨ ur eine gerechte Verteilung beim Erben 20 ¨ Eine Ubersetzung der babylonischen Mythen findet man in [Dalley 1989]. Zu den Geschichten, die von babylonischen Mythen beeinflusst wurden, geh¨ oren neben dem Alten Testament auch Homers Ilias und die Odyssee, Werke von Hesiod, sowie die M¨ archensammlung Tausenduneinde Nacht. F¨ ur weitere Parallelen zur biblischen Sch¨ opfungsgeschichte und eine Erkl¨ arung der Erschaffung Evas aus einer Rippe siehe [Kramer 1959, Kap. 17].

1.3 Das Sexagesimalsystem

15

von Land, wenn es kein Testament gab, oder berechnete die Steuerlast f¨ ur Landwirte je nach Gr¨oße und Qualit¨at der Felder. Schreiber genossen hohes Ansehen und wurden aus der obersten Schicht der Gesellschaft rekrutiert, den freien B¨ urgern. Dass die Anzahl der gefundenen Keilschrifttafeln in der Zeit zwischen Hammurabi und den Seleukiden ziemlich klein ist, hat m¨ oglicherweise verschiedene Gr¨ unde, von denen einer der Verfall der babylonischen Hochkultur nach dem Einfall von Hethitern und Kassiten ist. Dennoch gelang es den Schreiberschulen, einen Teil der mathematischen Kenntnisse ebenso wie die der sumerischen Sprache u ¨ber ein Jahrtausend hinweg zu bewahren. Ein anderer Grund k¨onnte darin liegen, dass zumindest zeitweilig Ton durch andere Materialien ersetzt worden ist, etwa durch Wachstafeln21 : Platten aus Holz oder, f¨ ur wichtigere Dokumente, aus Elfenbein wurden mit Bienenwachs u ¨berzogen, und dann der Text in das Wachs geritzt. Solche Tafeln wurde 1953 von Max Mallowan22 in einem Brunnen in Nimrud23 , dem alten Kalach am Tigris, gefunden. Manche der Platten hatten L¨ ocher, die wohl dem Zusammenbinden einzelner Tafeln zu einem Buch“ 24 dienen sollten. ”

1.3 Das Sexagesimalsystem Kaum hatte man begonnen, die ersten Keilschrifttafeln25 zu entziffern, war klar, dass die babylonische Schreibweise der Zahlen auf der Zahl 60 und nicht wie im Dezimalsystem auf der 10 aufgebaut ist. Bereits auf den Tafeln, auf denen die sumerischen Buchhalter Getreide und Tiere gez¨ ahlt hatten, fanden sich Zahlensymbole, n¨amlich im wesentlichen Kreise und Halbkreise. Erst relativ sp¨at hat dann J¨oran Friberg26 erkannt, dass die einzelnen Symbole je 21 Siehe [Schm¨ okel 1956]. In Mesopotamien wurde mindestens ab dem letzten Jahrtausend vor Christus Bienenzucht betrieben. In Babylonien wurde sie im 8. Jahrhundert v. Chr. von Schamasch-resch-ussur eingef¨ uhrt, wie man auf einem ihm gewidmeten Relief nachlesen kann. Siehe etwa [Klengel-Brandt 1970, S. 77–78]. Das Sammeln von Honig ist deutlich a ohlenzeichnungen in den Cuevas de ¨lter; H¨ la Aran˜ na, die zwischen 10.000 und 6000 v. Chr. angefertigt wurden, zeigen eine Frau beim Sammeln von Honig in einem Baum. 22 Mallowan hatte 1930 die 14 Jahre ¨ altere Krimiautorin Agatha Christie geheiratet, die dazu bemerkte, dass Arch¨ aologen eine Frau umso interessanter finden, je alter sie wird. Ihre Zeit als Fotografin bei den Ausgrabungen ihres Mannes verwen¨ dete sie auch zum Schreiben des Romans Mord in Mesopotamien. 23 Nimrud wurde 2015 von den Barbaren des IS verw¨ ustet. 24 Siehe [Lloyd 1981, S. 274]. 25 Es gibt zahlreiche Einf¨ uhrungen in die Mathematik der Babylonier, so etwa [Caratini 2002], [Caveing 1994], [Robson 2008], [Høyrup 2013], [Yuste 2013], und in deutscher Sprache [Neugebauer 1935], [Vogel 1959], [Herrmann 2019] und [Høyrup 2020]. 26 Siehe [Friberg 1984].

16

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

nach Kontext (ob also Getreide gez¨ahlt wird oder Tiere) verschiedene Zahlen bedeuteten. Es hat daher den Anschein, als w¨ aren diese Symbole keine Darstellungen abstrakter Zahlen; vielmehr waren diese Symbole eng mit den Dingen, die sie z¨ahlten, verkn¨ upft. 27 Damerow nimmt an, dass sich darin die Entwicklung abstrakter Zahlw¨ orter widerspiegelt. In grauer Vorzeit, so die Idee, wurde sprachlich zwischen der Anzahl 3 bei drei Menschen, drei Ziegen oder drei Liter Bier unterschieden und erst sp¨ater ein einziges Wort in allen derartigen Situationen benutzt. 1

10

60

600

3600

36000

3000 v. Chr. 2500 v. Chr. Abb. 1.3.1. Sumerische Zahlzeichen

In der gebr¨auchlichsten Version stehen die Symbole jedenfalls f¨ ur die Zahlen 1, 10, 60, 600, 3600 und 36 000; diese sind auch auf der Tafel TSS 50 aus Shuruppak leicht zu erkennen (siehe Abbildung 1.3.2), und zwar bereits in der um 90◦ gedrehten Form. Eine weitere bekannte Tafel28 mit diesen Symbolen ist W 19408,76; diese stammt aus Warka (Uruk IV) und d¨ urfte vor 3200 v. Chr. geschrieben worden sein. Die auf dieser Tafel enthaltenen Aufgaben erfordern die Berechnung des Fl¨acheninhalts von viereckigen Feldern mit Hilfe der Feldmesserformel, wonach der Fl¨acheninhalt eines Vierecks mit den Seitenl¨ angen b+d a, b, c und d n¨aherungsweise durch A = a+c · gegeben ist, also durch das 2 2 Produkt der Mittelwerte gegen¨ uberliegender Seiten. Mit der Entwicklung der Keilschrift, bei der man mit einem eckigen Griffel Keile und Winkelhaken in den weichen Ton dr¨ uckte, ging die Entwicklung des Sexagesimalsystems einher. Die Zahlen von 1 bis 59 wurden additiv ur unsere 1 aus diesen beiden Symbolen zusammengesetzt, und zwar steht f¨ ur die 10; so bezeichnet etwa die Zahl 27. F¨ ur 60 wurde dageund f¨ gen wieder das Symbol benutzt, ohne dass dabei zwischen den Bedeutungen 1 usw.) unterschieden wurde. Wer beginnt, sich mit 1 und 60 (oder 3600, 60 der babylonischen Mathematik vertraut zu machen, empfindet diese Mehrdeutigkeit eher als verwirrend; wer aber gelernt hat, die Grundrechenarten 27

Damerow hat zu vielen Themen der babylonischen Mathematik eigene Ansichten, u ahnt seien etwa [Damerow 2001] ¨ber die es sich nachzudenken lohnt; erw¨ u ucher [Damerow & Lef`evre 1981] ¨ber den Satz des Pythagoras, oder die beiden B¨ und [Nissen, Damerow & Englund 1990]. 28 [Damerow 2001, S. 258].

1.3 Das Sexagesimalsystem

17

im Sexagesimalsystem auszuf¨ uhren, wird diese Freiheit der Interpretation als Flexibilit¨at erfahren, die einem an vielen Stellen die Rechnungen erleichtert. Auch wir berechnen den Fl¨acheninhalt eines Rechtecks mit den Seiten 1,3 m und 2,4 m, indem wir 13 · 24 rechnen und danach das Komma richtig setzen. Zu erw¨ahnen ist in diesem Zusammenhang, dass die Angaben von Getreidemengen oder L¨ohnen usw. immer in den u ¨blichen Einheiten erfolgt ist, und dass das Sexagesimalsystem vor allem zum Rechnen verwendet wurde. ¨ Daneben haben die Ubersetzer der Keilschrifttafeln dem Leser meist die M¨ uhe abgenommen, das Sexagesimalkomma“ richtig zu setzen. Bedeutet also ” 1 die Zahl 70, wollen wir sie 1,10 schreiben; soll sie dagegen 1 10 60 = 1 6 bedeuteten, so werden wir die Zahl als 1;10 transkribieren. Festzuhalten ist jedenfalls, dass das babylonische Sexagesimalsystem das erste bekannte Stellenwertsystem in der Geschichte der Menschheit ist; es sollte noch einmal zwei Jahrtausende dauern, bis in Indien das heute gebr¨ auchliche Dezimalsystem entwickelt wurde. Addition und Subtraktion von Sexagesimalzahlen wurden stellenweise berechnet, vermutlich meist im Kopf, da auf Keilschrifttafeln jegliche Zwischenrechnungen fehlen. Auch die Multiplikation kleiner Zahlen wurde im Kopf erledigt, schließlich hatten die Schreiber das dazu notwendige kleine“ Einmaleins ” auswendig gelernt. Bei den aufgefundenen Multiplikationstabellen fehlen die 29 allermeisten irregul¨aren Kopfzahlen . Vermutlich wurde Multiplikation mit beispielsweise 13 ersetzt durch Multiplikation mit 10 + 3. Lediglich ein paar Tabellen mit der irregul¨aren Kopfzahl 7 wurden gefunden. F¨ ur die Multiplikation sehr großer Zahlen k¨onnte es einen Algorithmus gegeben haben, der dem unseren im Dezimalsystem gleicht30 . Die Multiplikation von Zahlen, wie sie im t¨aglichen Leben der Schreiber auftauchten, wurde wohl mit Hilfe eines einfachen Abakus ausgef¨ uhrt; jedenfalls gibt es Hinweise darauf, die man Untersuchungen von Rechenfehlern auf Keilschrifttafeln verdankt31 .

Reziproke Die Babylonier haben die Division durch eine regul¨ are Zahl ersetzt durch eine Multiplikation mit deren Reziproken. Dabei haben sie das Fehlen eines Sexagesimalkommas, den wir vielleicht zu Unrecht als Nachteil empfinden, 29 Als Kopfzahl einer Multiplikationstabelle bezeichnet man die Zahl, deren Vielfache dort aufgef¨ uhrt sind. Regul¨ are Zahlen sind solche, deren Kehrwerte eine endliche Sexagesimaldarstellung haben, also keine Primfaktoren außer 2, 3 und 5 besitzen; alle anderen Zahlen nennen wir irregul¨ ar. 30 [Ossendrijver 2014]. 31 Siehe [Proust 2000] und [Høyrup 2002b], sowie die j¨ ungeren Beitr¨ age von [Melville 2018] und [Høyrup 2018].

18

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

in einen Vorteil verwandelt. Erst bei Ptolem¨aus finden sich Algorithmen, die unserer schriftlichen Division entsprechen. Diese haben sich bis ins Mittelalter 5 im Sexagesimalsystem gehalten: Sibt al-Maridini32 hat die Division 47 56 : 1 12 so weit durchgef¨ uhrt, bis die Periode der L¨ange 8 sichtbar wurde. Die einfachste und h¨aufigste Divisionsaufgabe ist sicherlich das Halbieren. Fortgesetztes Halbieren der 1 im Dezimalsystem ergibt 12 = 0,5, 14 = 0,25 und 1 8 = 0,125; wenn wir einmal den Fortschritt vergessen, den uns das Komma bei Dezimalzahlen beschert hat, und nur die Ziffern aufschreiben, dann sind die Reziproken von 2, 4, 8 usw. durch 5, 25, 125 . . . gegeben. Ohne das Komma ist es im Dezimalsystem also egal, ob wir durch 2 teilen oder mit 5 multiplizieren. Der Grund daf¨ ur liegt in der Beziehung 2 · 5 = 10. Diese Beobachtung haben die Babylonier ebenfalls gemacht, allerdings im Sexagesimalsystem. Dort l¨asst sich die Division durch einen Teiler n von 60 durch Multiplikation mit dem komplement¨aren Faktor n = 60 n ersetzen: n 2 3 4 5 6 10 12 15 20 30 n 30 20 15 12 10 6 5 4 3 2 Damit ist aber nicht Schluss: Wegen 8 · 450 = 3600 kann man die Division durch 8 = 4 · 2 durch eine Multiplikation mit 450 = 15 · 30 ersetzen, ebenso eine Division durch 9 = 3 · 3 durch eine Multiplikation mit 400 = 20 · 20. Die Zahlen, bei denen eine solche Operation m¨oglich ist, nennen wir regul¨ are Zahlen. Die Babylonier haben riesige Tabellen mit Reziproken regul¨ arer Zahlen erstellt, insbesondere w¨ahrend der neubabylonischen und seleukidischen Periode, in welcher sie im Zusammenhang mit astronomischen Beobachtungen sehr viel zu rechnen hatten. Division durch 7 W¨ahrend die Babylonier etwa bei der Division einer Zahl durch 4 diese postwendend mit der Reziproken von 4, n¨amlich 15, multiplizierten, stellten sie durch 7 die Frage: Mit welcher bei einer Division etwa von 3 12 = ” Zahl muss man multiplizieren, um zu erhalten?“, und gaben danach . (ohne Angabe der Rechnung) die Antwort Eine solche Division durch 7 kommt bereits auf einer sehr alten Tafel vor, n¨amlich auf der Tontafel TSS 50 aus Shuruppak33 , die um etwa 2500 v. Chr. 32 33

Siehe [Witting & Gebhardt 1923, S. 8–9]. Die Keilschrifttafel geh¨ ort dem Arkeoloji M¨ uzeleri, Istanbul.

1.3 Das Sexagesimalsystem

19

Abb. 1.3.2. Tontafel TSS 50 aus Shuruppak. Linkes Bild: Raymond Jestin; modifiziert von Powell

erstellt worden ist34 und auf der die Zahlen noch in der sumerischen Schreibweise vor Einf¨ uhrung der Keilschrift geschrieben wurden. Dort sollen 1 152 000 sila (sila ist eine Raumeinheit35 , die grob einem Liter entspricht) Getreide so an M¨anner aufgeteilt werden, dass jeder von ihnen 7 sila bekommt. Das Ergebnis der Rechnung wird mitgeteilt: Das Getreide reicht f¨ ur 164 571 M¨ anner, und es bleiben 3 sila u ¨brig. Diese Aufgabe ist wenig realistisch und diente wohl in erster Linie dem Ein¨ uben einer komplizierten Division durch 7. Die wohl nat¨ urlichste Art, eine große Zahl wie etwa 1036 durch 7 zu teilen, ist vielleicht die folgende. Wir fassen die Zahl als Gr¨ oße auf, etwa als 1036 cm. Durch Umwandeln in andere Einheiten denken wir uns dies als 10 m 3 dm 6 cm. Division durch 7 ergibt 1 m mit einem Rest von 3 m, die wir als 30 dm betrachten; der n¨achste Schritt besteht darin, 33 dm durch 7 zu teilen, was 4 dm und einen Rest von 5 dm, also 50 cm ergibt. Bei der letzten Division muss man also 56 cm durch 7 teilen, was 8 cm liefert. Die Division geht auf, und der siebte Teil von 1036 cm ist 1 m 4 dm 8 cm, also 148 cm. Die mesopotamischen Schreiber d¨ urften ¨ahnlich vorgegangen sein. Das Silo Getreide schreibt sich in den kleineren Einheiten als 32 · 36 000; teilt man dies durch 7, erh¨alt man 4 · 36 000 mit einem Rest von 4 · 36 000 = 40 · 3600. Nochmaliges Teilen ergibt 5 · 3600 mit einem Rest von 5 · 3600 = 30 · 600, und 34

Diese Tafel wurde zuerst von Raymond Jestin [Jestin 1937] publiziert; M. Lambert [Lambert 1954] entdeckte, dass es sich hierbei um eine Divisionsaufgabe handelte. Auch sp¨ ater wurde die Tafel ausgiebig diskutiert, unter anderem in [Guitel 1963], [Powell 1976], [Høyrup 1982] (diese Publikation enth¨ alt eine Fotografie der Tafel), [Waschkies 1989] und [Friberg 2005b], sowie als Beispiel f¨ ur einen sehr alten Algorithmus in [Chabert et al. 1994, S. 9]. 35 Eine detaillierte Zusammenfassung der babylonischen Einheitensysteme findet man in [Caveing 1994].

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1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

f¨ uhrt man dieses Verfahren fort, erh¨alt man das Ergebnis auf eine Art, bei der man nur Zahlen kleiner als 60 durch 7 teilen musste. Dass die Reziproke 7 von 7 keine endliche Sexagesimaldarstellung besitzt, ist (jedenfalls f¨ ur uns) leicht einzusehen: G¨abe es eine solche, dann w¨ urde diese nach einer Multiplikation mit einer Potenz von 60 (welche die Babylonier gar nicht h¨atten vornehmen m¨ ussen, weil sie kein Sexagesimalkomma besaßen) ganz, d.h. es m¨ usste eine Potenz von 60 geben, die durch 7 teilbar ist. Nun sind weder 60, noch 602 durch 7 teilbar, und es ist 603 = 216 000 = 7·30 857+1. Also l¨asst 604 bei Division durch 7 denselben Rest wie 60, und es kann keine durch 7 teilbare Potenz von 60 geben. , und dieDer Quotient 30 857 von 603 und 7 ist sexagesimal ser d¨ urfte den Babyloniern bekannt gewesen sein. Jedenfalls findet man auf der Keilschrifttafel YBC 10 529 aus der seleukidischen Zeit N¨ aherungen von Reziproken irregul¨arer Zahlen zwischen 50 und 80. Die fast magische Rolle der 7 als kleinster irregul¨ arer Zahl durchzieht die ganze babylonische Geschichte36 , und reicht von einem sumerischen Sprichwort aus dem 26. Jahrhundert v. Chr., wonach 7 L¨ ugen zu viele seien, bis hin zu ¨ (vgl. (2.1)), in denen mathematischen Problemen aus der seleukidischen Ara Br¨ uche mit den irregul¨aren Nennern 7 und 13 vorkommen.

Zahlenspielereien Die ersten Keilschrifttafeln der Sumerer dienten haupts¨ achlich der Buchhaltung, und die urspr¨ ungliche Ausbildung der Schreiber war darauf ausgerichtet, die S¨ohne des Tafelhauses“ mit dem Umgang mit dem recht umfang” reichen System der babylonischen Maßeinheiten vertraut zu machen. Sp¨ ater entwickelten sich die Aufgaben weg von realistischen“ Zahlen hin zu durch” komponierten Problemen, und selbst wenn die Aufgaben aus der Praxis der Landvermesser zu stammen schienen, waren sie bei n¨ aherem Hinsehen oft theoretischer Natur. So geht es auf der Tafel AO 3448 um eine Getreideernte auf einem Feld mit der Fl¨ache 1 ˇsar-gal 1 ˇsar´ u 1 ˇsar 1 bur, und in einem von H. Limet37 zuerst ver¨offentlichten Problem geht es um den Fl¨ acheninhalt eines ˇ Quadrats der L¨ange 1 eˇs, 1 ninda, 1 kuˇs-numun, 1 GIS.BAD, 1 zipah; Ziel war es hier offenbar, das Rechnen mit Einheiten zu u ¨ben. ¨ Ahnlich auff¨allige Wahlen von Zahlen finden sich auf einer ganzen Reihe von Tafeln, so etwa auf38 UET-5-121: Schafe, 36

Sch¨afer; wie viele Schafe f¨ ur jeden Sch¨ afer?

[Muroi 2014]. Siehe den ¨ außerst lesenswerten Artikel [Damerow 2001]. 38 [Muroi 2007] und [Nemet-Nejat 2001]. 37

1.3 Das Sexagesimalsystem Schafe, Schafe,

21

Sch¨afer; wie viele Schafe f¨ ur jeden Sch¨ afer? Sch¨afer; wie viele Schafe f¨ ur jeden Sch¨afer?

Die Antworten auf diese Fragen werden korrekt angegeben mit ,

und

Den Antworten kann man die beiden Faktorisierungen = 7 · 523 entnehmen. und

. = 13 · 61 · 277

Diese Aufgaben sind nun offenbar nicht metrologischer Natur, dienen also ¨ nicht dem Uben des Rechnens mit Einheiten, sondern offenbaren ein Inter, deren sexagesimale Ziffern esse an Eigenschaften von Zahlen wie lauter Einser sind. Ein solches Interesse ist zahlentheoretischer Natur (das Problem, 219 661 Schafe an 793 Sch¨afer zu verteilen, ist kaum dem t¨ aglichen Leben entsprungen), denn allem Anschein nach wurde die Aufgabe auf der Frage aufgebaut, welches die kleinste Zahl ist, die aus lauter Einsen besteht und durch 13 teilbar ist. Die zweite Aufgabe, aber ohne Einkleidung, findet sich auch auf MS 2317, einer Tafel39 , die vermutlich um 2000 v. Chr. erstellt worden ist. durch 7 teilbar ist. Die letzte Aufgabe beruht auf der Tatsache, dass Offenbar haben babylonische Schreiber die Sexagesimalzahlen, die aus lauter Einsern bestehen, nach nichttrivialen Zerlegungen durchforstet und dabei die Faktorisierungen von und entdeckt. Die Teilbarkeit der letzten Zahl durch 61 haben sie vermutlich nicht durch fortgesetzte Division erhalten, sondern an der Form der Zahl im Sexagesimalsystem abgelesen: Offenbar“ ist ja ” durch teilbar.

Approximation von Quadratwurzeln Neben den Grundrechenarten (bei der die Division eine Sonderrolle spielte, insofern sie durch eine Multiplikation mit der Reziproken ersetzt wurde) waren die Babylonier auch mit der Berechnung von N¨ aherungswerten von Quadratwurzeln vertraut. Die Anwendung etwa der Regel von Pythagoras erfordert das Ziehen einer Quadratwurzel, und nicht alle Aufgaben waren so zusammengestellt, dass die Rechnungen aufgingen. In einem solchen Fall konnten die Babylonier teilweise vorz¨ ugliche Approximationen finden – die bekannte√ ste ist sicherlich der sehr genaue Wert f¨ ur 2 auf diversen Konstantentafeln und insbesondere auf YBC 7289. √ auf dieser Tafel ist eine sehr gute N¨ aherung von 2, Die Zahl denn es ist 51 10 24 + + ≈ 1,41421296 . . . . 1+ 60 3600 216000 39

[Friberg 2007a, Friberg 2008].

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1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Abb. 1.3.3. Das rechte Bild zeigt die Keilschrifttafel YBC 7289.

Die einfachste Methode, solche N¨aherungen zu gewinnen, basiert auf der He√ a ronschen Formel N 2 + a ≈ N + 2N oder, geometrisch betrachtet, auf einer einfachen quadratischen Erg¨anzung. F¨ ur die Berechnung des Fl¨ acheninhalts einfacher Polygone wie etwa des regelm¨ a ßigen Sechsecks waren die Babylonier √ mit groben N¨aherungen wie 3 ≈ 1 34 zufrieden. Auf die Frage, was sie zu ei√ ner derart genauen Approximation von 2 wie auf YBC 7289 getrieben hat, w¨ ahrend sie ur π fast durchweg die grobe N¨aherung π ≈ 3 verwendet haben √ f¨ (auch f¨ ur 2 wurden bei praktischen Rechnungen, wie man den Konstantentafeln entnehmen kann, grobe N¨aherungen benutzt), werden wir weiter unten eingehen.

Mathematische Fachsprache Die Babylonier haben mathematische Objekte mit W¨ ortern aus dem Alltag beschrieben: Ein Dreieck war ein Keil, ein Trapez ein Ochsenkopf. Den Begriff des Winkels haben sie nicht gekannt (oder zumindest nicht benutzt), und Orthogonalit¨at wurde angedeutet mit der Umschreibung, man sei so und so viel herabgestiegen“. Nebenbei bemerkt bedeutet das griechische Wort Ka” thete (καθετος) f¨ ur die einen rechten Winkel bildenden Seiten eines Dreiecks ebenfalls herabgelassen“. Eine weitere Wendung, die sich bis heute erhalten ” hat, ist der Kreisbogen, der bereits bei den Babyloniern Bogen hieß und eine Sehne und einen Pfeil besaß. Auch bei K¨orpern ist die Nomenklatur f¨ ur heutige Leser, die an eine gewisse Genauigkeit im Ausdruck gew¨ohnt sind, eher verwirrend: Pyramiden und Kegel werden als Getreidehaufen“ bezeichnet, Prismen und Pyramiden” stumpfe treten beim Erdaushub oder bei Wallbauten auf, ohne sprachlich als solche gekennzeichnet zu sein. Letztendlich entscheidet die Rechnung, wenn

1.4 Teilbarkeitsregeln und Faktorisierungsalgorithmen

23

eine angegeben ist, und manchmal auch nur die L¨ osung, worum es bei dem Problem geht. Insbesondere sei darauf hingewiesen, dass die Babylonier in der Regel sprachlich nicht zwischen rechtwinkligen und beliebigen (gleichschenkligen) Dreiecken, zwischen Trapezen und allgemeinen Vierecken oder zwischen H¨ ohen und Seiten unterschieden haben. ¨ Arithmetische Operationen in der altbabylonischen Ara ¨ Es ist schon den ersten Ubersetzern der mathematischen Keilschrifttafeln aufgefallen, dass altbabylonische Texte verschiedene Namen f¨ ur, wie es schien, ein und dieselbe arithmetische Operation benutzten, ¨ ahnlich wie wir addieren und zusammenz¨ahlen synonym verwenden. Jens Høyrup hat zuerst bemerkt40 , dass diese verschiedenen Namen tats¨achlich auch verschiedene Operationen bezeichnen. Wurde etwa der Fl¨ache eines Rechtecks ein zus¨ atzliches Rechteck hinzugef¨ ugt, dann hatte diese Addition einen anderen Namen als etwa die Addition zweier wesensfremder Gr¨oßen wie die einer Seite und einer Fl¨ ache. In der seleukidischen Zeit wurden f¨ ur die Grundrechenarten jeweils nur noch ein Name benutzt; die urspr¨ unglich geometrisch motivierten L¨ osungswege waren zwar noch (oder wieder) bekannt, aber es gibt keine Anzeichen mehr daf¨ ur, dass diese geometrische Interpretation noch benutzt wurde. Die Neuinterpretation der altbabylonischen Fachsprache zwingt uns dazu, den ¨ Ubersetzungen der ersten Stunde nicht blind zu vertrauen. Dennoch sind Neu¨ gebauers arithmetische Interpretation und die Ubersetzung der Texte in eine moderne algebraische Sprache unverzichtbar, wenn es darum geht, Uneingeweihten die babylonische Mathematik nahezubringen. Neben diesen Methoden, babylonische Techniken modernen Lesern verst¨ andlich zu machen, gibt es noch die Interpretation der Texte als Algorithmen. Bereits Donald Knuth hat manche L¨osungen von Aufgaben auf babylonischen Tontafeln als Algorithmus wiedergegeben41 .

1.4 Teilbarkeitsregeln und Faktorisierungsalgorithmen Die babylonische Mathematik hat sich, soweit uns bekannt ist, noch nicht mit der Zerlegung einer ganzen Zahl in ihre Primfaktoren befasst. Allerdings tauchen auf Hunderten von Keilschrifttafeln Zerlegungen von Zahlen in ihre 40

Der Artikel [Høyrup 1989] ist eine sehr gut lesbare Einf¨ uhrung; ausf¨ uhrlicher werden diese Erkenntnisse in seinem Buch [Høyrup 2002a] sowie in [Høyrup 2020] beschrieben. Die Existenz zweier verschiedener Additionen hatte allerdings, wie Høyrup schreibt, bereits Neugebauer angedeutet. 41 Siehe [Knuth 1972]; dieselbe Idee haben [Robson 1997], sowie [Seidlmayer 2001] und [Ritter 2005] verfolgt.

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1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

regul¨aren und irregul¨aren Bestandteile auf, d. h. es wurden so lange Faktoren 2, 3 und 5 abgespalten, bis eine zu 60 teilerfremde Zahl (oft genug die 1) u ¨brig blieb. Derartige Algorithmen kamen bei der Berechnung von Reziproken, sowie von Quadrat- und Kubikwurzeln zum Einsatz. Umgekehrt haben die Babylonier die Berechnung großer Potenzen von Zahlen wie 2, 3 oder auch 15 bis in schwindelerregende H¨ohen getrieben42 , die jenseits aller praktischen Anwendungen gelegen haben.

Berechnung von Reziproken Die Reziproken von Potenzen der 2 lassen sich am einfachsten durch fortgesetzte Halbierung berechnen; mit derselben Technik kann man die Reziproken von Zahlen der Form 3 · 2n und 5 · 2n aus 3 = 20 bzw. 5 = 12 erhalten. F¨ ur die Berechnung von Reziproken großer Zahlen haben die Babylonier einen Algorithmus entwickelt, der auf einer einfachen Idee basiert: Die Reziproke von 16 beispielsweise ist wegen 16 = 4 · 4 das Produkt der Reziproken von 4 und 4, d.h. es ist 16 = 4 · 4 = 15 · 15 = 225 (wie immer bis auf Potenzen von 60). Um nun etwa die Reziproke von (dezimal 4000) zu berechnen, k¨ onnten wir durch wiederholtes Halbieren unsere Aufgabe vereinfachen. Mit ein klein ¨ wenig Ubung ist dies eine T¨atigkeit, die sogar Spaß machen kann: 1,06,40

4000

33,20

2000

16,40

1000

8,20

500

4,10

250

2,05

125

Hier muss man lediglich die linke 1 der Ausgangszahl als eine 60 zur zweiten Ziffer 6 addieren und dann halbieren; im zweiten Schritte denkt man sich 33 als 32 + 1 und schiebt die 1 als 60 nach rechts, die restlichen Halbierungen ¨ kommen ohne Ubertrag aus. Die Reziproke von 2,05 (dezimal 125) schl¨ agt man, wenn man sie nicht auswendig kennt, in einer Tabelle nach, oder teilt die Zahl noch durch 5. Die Reziproke 28,48 muss man jetzt so oft mit der Reziproken von 2 (also 30) multiplizieren, wie man die Ausgangszahl halbiert hat, also f¨ unf Mal. Weil Multiplikation mit 30 nichts anderes als Halbieren ist, gen¨ ugt es f¨ ur uns daher, die Zahl 28,48 f¨ unfmal zu halbieren, was auf 54 f¨ uhrt. 42

Vergleiche etwa [Ossendrijver 2014], wo man auch lesen kann, wieviel Sp¨ ursinn notwendig ist, um auch kleinste Fragmente von Tafeln richtig zuordnen zu k¨ onnen.

1.4 Teilbarkeitsregeln und Faktorisierungsalgorithmen

25

Quadratwurzeln durch Faktorisierung Ebenfalls in die Kategorie Zahlenspielereien geh¨ ort die Berechnung der Quadratwurzel43 der Zahl 2,02,02,02,05,05,04 auf der Tafel Ist S 428: Diese Zahl ist, wovon man sich u ¨berzeugen kann, die kleinste Quadratzahl oberhalb von 2,02,02,02,02,02,02. endet, ist sie durch 4 teilbar; Division durch 4 Da die gegebene Zahl auf (via Multiplikation mit 15) liefert mit 30,30,30,31,16,16 eine durch 16 teilbare Zahl. Die Rechnungen auf der Tafel verlaufen nun wie folgt: 2,02,02,02,05,05,04 = 22 · 30,30,30,31,16,16 30,30,30,31,16,16 = 42 · 1,54,24,24,27,16 1,54,24,24,27,16 = 42 · 7,09,01,31,42,15 4 · 7,09,01,31,42,15 =

28,36,06,06,49

Dass die Sexagesimalzahl 1,54,24,24,27,16 nach der Teilung durch 16 gr¨oßer ist als der Dividend liegt daran, dass 1,54,24,24,27,16 nicht durch 16, sondern nur durch 4 teilbar ist, die Zahl rechts somit als 7,09,01,31,42;15 zu lesen ist. Diesen Bruch“ bekommt man durch Multiplikation mit 4 wieder weg. ” Allem Anschein nach hatte der Sch¨ uler geglaubt, diese auf 16 endende Zahl w¨are ebenfalls durch 16 teilbar, und hat sein Versehen durch anschließende Multiplikation mit 4 wieder ausgeb¨ ugelt. Nach der Mitteilung, dass 28,36,06,06,49 das Quadrat von 5,20,53 ist, m¨ ussen die Divisionen wieder r¨ uckg¨angig gemacht werden, und als Ergebnis der Quadratwurzelberechnung erh¨alt man jetzt 2,02,02,02,05,05,04

ist das Quadrat von

2 · 4 · 4 · 30 · 5,20,53 = 1,25,34,08.

Sicherlich hat der babylonische Schreiber, der sich diese Aufgabe ausgedacht hat, zuerst die Quadratzahlen durchforstet, die oberhalb von Zahlen der Form . . . liegen; unter dem ersten Dutzend dieser Zahlen ist aber keine, auf die man den Faktorisierungsalgorithmus anwenden k¨ onnte. Unter den Zahlen der Form 2,02,02, . . . ist 2,02,02,02,05,05,04 die erste, bei der die Anwendung des Faktorisierungsalgorithmus hilft. Kubikwurzeln Auch Kubikwurzeln von Kubikzahlen, die außerhalb der angelegten Tafeln lagen, wurden in der Regel mit Hilfe von Teilbarkeitsregeln bestimmt44 . Um 43 [Neugebauer 1935, I, S. 80] hat die Tafel ver¨ offentlicht, [Huber 1957] konnte die Rechnung rekonstruieren; vgl. [Muroi 1999] und [Friberg 2007b, S. 400]. 44 [Vogel 1959, S. 35].

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1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

etwa die Kubikwurzel aus = 3,22,30,00 = 729 000 zu bestimmen (diese Aufgabe wird auf YBC 6295 behandelt), beachte man, dass eine Kubikzahl, die ein Vielfaches der 60 ist, notwendig durch die dritte Potenz von 2 · 3 · 5 = 30 teilbar sein muss. Division durch 30 entspricht einer Verdopplung, Division durch 303 also einer Multiplikation mit 8, was die Zahl ergibt, also 27 und damit die Kubikzahl von 3. Die dritte Wurzel aus der urspr¨ unglichen Zahl muss also 30 · 3 = 90 gewesen sein.

1.5 Plimpton 322 Plimpton 322 ist eine der bekanntesten Keilschrifttafeln. Bevor wir uns ihr widmen, schauen wir uns eine andere Tafel an.

Die Tafel AO 6468 Das Kernst¨ uck dieses Abschnitts ist eine kleine Rechnung45 auf der Tafel AO 6468. Wir wollen hier beschreiben, wie der Aufgabensteller diese Aufgabe komponiert hat, und was sie mit pythagoreischen Tripeln“ zu tun hat. ” Auch wenn diese Tafel aus der seleukidischen Zeit stammt, kann man an den Aufgaben einige altbabylonische Techniken vorf¨ uhren. Betrachten wir etwa folgendes Problem46 : Die Summe einer Zahl und ihrer Reziproken ist 2;00,00,33,20. Die Schreibweise dieser Zahl auf der Tafel enth¨ ullt, dass die Babylonier in der Seleukidenzeit ein Symbol f¨ ur fehlende Ziffern hatten. Aus dieser Zeit sind uns auch sehr viele Aufgaben bekannt, bei denen die vorkommenden Zahlen eine oder sogar mehrere Nullen haben. Offenbar liegt die gesuchte Zahl nahe bei 1. In moderner Schreibweise geht es um zwei Zahlen x und y mit xy = 1, deren Summe x + y = a die oben angegebene Zahl a ist. Der Schreiber geht nun so vor, dass er a halbiert (das geht im Kopf: a2 ist 1;00,00,16,40), diese Zahl quadriert (das erfordert Nebenrechnungen, die man auf Keilschrifttafeln aber nicht findet) und 1 subtrahiert: ( a2 )2 − 1 = 0; 00,00,33,20,04,37,46,40 Die gesuchte Zahl ist also die Summe aus 1;00,00,16,40 und der Quadratwurzel dieser Zahl, 0;00,44,43,20, das ist 1;00,45. Ihre Reziproke ist die Differenz dieser Zahlen, n¨amlich 0;59,15,33,20. 45 46

[Neugebauer 1935, I, S. 106] hat diese Rechnung erkl¨ art. [Schuster 1930], [Neugebauer 1935, I, S. 106] und [Høyrup 2002a].

1.5 Plimpton 322

27

Abb. 1.5.1. Ausschnitt aus AO 6484. In der Mitte der ersten Zeile erkennt man die Zahl 2,00,00,33,20, am Ende der zweiten steht zweimal die zu quadrierende Zahl 1,00,00,16,40.

Komposition der Aufgabe Bei der Auswahl der Zahlen hat der babylonische Vater des Tafelhauses darauf geachtet, dass sich die Quadratwurzel, die w¨ ahrend der Rechnung auftaucht, auch ziehen l¨asst. Dies stellt man am besten dadurch sicher, dass man r¨ uckw¨arts von den L¨osungen ausgeht: Man sucht sich ein Paar reziproker Zahlen, sagen wir m und m, und formt daraus eine Aufgabe, indem man bekannt gibt, dass die beiden reziproken Zahlen die Summe a = m + m haben. Nat¨ urlich muss dann ( a2 )2 − 1 automatisch eine Quadratzahl sein, und wir haben tats¨achlich  m − 1 2  m + 1 2 m4 + 2m2 + 1 m m −1= − 1 = . (1.1) 2 4m2 2 Beseitigt man in dieser Identit¨at die Nenner, so folgt (m2 + 1)2 − (2m)2 = (m2 − 1)2 . Da m eine rationale Zahl ist, k¨onnen wir sie in der Form m = ut schreiben; nochmaliges Beseitigen der Nenner (die bei den Babyloniern regul¨ ar zu sein

28

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

hatten) liefert (t2 + u2 )2 = (t2 − u2 )2 + (2tu)2 , also eine Konstruktion von pythagoreischen Tripeln und damit ein Ergebnis, das Euklid viele Jahrhunderte sp¨ater in seine Elemente aufgenommen hat. Die Zahlen 1;00,45 = 81 80 und ihre Reziproke 0;59,15,33,20 = das pythagoreische Tripel

80 81

f¨ uhren so auf

129602 + 1612 = 129612 , wobei wir 1612 = 25 921 als die Zahl wiedererkennen, aus der wir am Ende des Faktorisierungsalgorithmus die Wurzel zu ziehen hatten. Die wohl einfachste uhrt auf das bekannteste Wahl eines reziproken Zahlenpaares, also 2 und 12 , f¨ aller pythagoreischen Tripel, n¨amlich 32 + 42 = 52 .

Plimpton 322 Jetzt kommen wir zu einer der ber¨ uhmtesten Keilschrifttafeln: Plimpton 322. Diese altbabylonische Tafel wurde in den fr¨ uhen 1920er Jahren von George Plimpton gekauft und 1936 der Columbia University vermacht. Sie ist fast 9 cm hoch und 12,5 cm breit und stammt, wenn man dem H¨ andler glaubt, ¨ der sie an Plimpton verkauft hat, aus der Gegend von Larsa. Uber keine Tafel ist seit ihrer Entschl¨ usselung durch Neugebauer mehr geschrieben worden als u ¨ber diese. Die Zeilen auf Plimpton 322 sind durchnumeriert; wir wissen also, dass sie die ersten 15 Zeilen einer vermutlich gr¨oßeren Tabelle darstellen. In der ersten Zeile stehen die Zahlen = 1,59 (dezimal 119) und = 2,49 (dezimal 169); diese geh¨oren zu dem pythagoreischen Tripel (119, 120, 169). Die Zahl ganz links ist nicht mehr vollst¨andig erhalten, d¨ urfte aber [1, 59, 00, ]15 2 ) . gelautet haben und ist damit gleich ( 169 120 Die andern Zeilen haben dasselbe Format, dennoch sollte man nicht von einer Liste pythagoreischer Tripel sprechen, da die erste Zeile ja eben nicht die 2 usste man, Zahlen 119, 120, 169 enth¨alt, sondern ( 169 120 ) , 119 und 169. Auch m¨ wenn man Plimpton 322 f¨ ur eine Tafel pythagoreischer Tripel h¨ alt, erkl¨ aren, warum alle Werte von c regul¨are Zahlen sind. Nichtsdestotrotz beweist die Tafel, dass die Babylonier beliebig viele L¨osungen der Gleichung a2 + b2 = c2 anzugeben wussten. Welchem Zweck die Tafel diente ist immer noch umstritten; auch wenn die Kopfzeile explizit die Diagonale eines Rechtecks erw¨ ahnt, was einen geometrischen Hintergrund nahelegt. Vielleicht gab es auch mehrere Verwendungsm¨oglichkeiten f¨ ur das Zahlenmaterial. In jedem Fall erlaubt die Tafel, Aufgaben wie die oben besprochene von AO 6468 zu konstruieren. Die erste 119 2 2 Zeile beispielsweise liefert die Identit¨at ( 169 120 ) − 1 = ( 120 ) und damit das folgende Problem:

1.5 Plimpton 322

29

Abb. 1.5.2. Plimpton 322 [1, 59, 0, ] 15 [1, 56, 56, ] 58, 14, 56, 15 [1, 55, 7, ] 41, 15, 33, 45, [1, 53, 10, ] 29, 32, 52, 16 1, 48, 54, 1, 40 1, 47, 6, 41, 40 1, 43, 11, 56, 28, 26, 40 1, 41, 33, 59, 3, 45 1, 38, 33, 36, 36 [1, ] 35, 10, 2, 28, 27, 24, 26, 40 [1, ] 33, 45 1, 29, 21, 54, 2, 15 1, 27, 0, 3, 45 1, 25, 48, 51, 35, 6, 40 1, 23, 13, 46, 40

1, 59 56, 7 1, 16, 41 3, 31, 49 1, 5, 5, 19 38, 11 13, 19 9, 1 1, 22, 41 45 27, 59 7, 12, 1 29, 31 56

2, 49 3, 12, 1 1, 50, 49 5, 9, 1 1, 37 8, 1 59, 1 20, 49 12, 49 2, 16, 1 1, 15 48, 49 4, 49 53, 49 53

1 2 3 4 [5] [6] 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Abb. 1.5.3. Transkription der Tafel Plimpton 322; Werte in eckigen Klammern sind wegen der Besch¨ adigung der Tafel nicht lesbar und wurden rekonstruiert. Unterstrichene Zahlen sind fehlerhaft.

Die Summe einer Zahl und ihrer Reziproken betr¨agt die Zahlen?

169 60 .

Wie lauten

5 und 12 Als L¨osungen ergeben sich 12 5 , und dieser Eintrag auf Plimpton 322 uck. geht auf 122 + 52 = 169, 122 − 52 = 119 und 2 · 5 · 12 = 120 zur¨

30

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Die Zahlen auf Plimpton 322 sind nicht alle korrekt; einige Fehler gehen wahrscheinlich auf fehlerhaftes Kopieren zur¨ uck, aber zumindest der Fehler in der ersten Spalte von Zeile 10 scheint auf einem Rechenfehler (n¨ amlich ¨ dem Ubersehen einer Null“) zu beruhen47 . ”

1.6 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen Die Bedeutung des Satzes von Pythagoras f¨ ur die Entwicklung der Zahlentheorie hat bereits Unger48 unterstrichen: Um den Stand, welchen die Zahlenlehre circa 600 Jahr vor Chr. Geb. einnahm, richtig zu w¨ urdigen, muß endlich noch der ber¨ uhmte geometrische Satz ber¨ ucksichtigt werden, welcher unter dem Namen des pythagor¨ aischen Lehrsatzes allgemein bekannt ist; denn es ist dieser Satz keinesweges bloß in der geometrischen Form, in welcher er als der 47ste Satz in dem ersten Buche des Euklid vorkommt, betrachtet worden, sondern man hat mit demselben auch als arithmetisches Problem vielfach sich besch¨aftigt, indem man ganz allgemein die unbestimmte Aufgabe zu l¨osen sich bem¨ uhete: Zwei ganze Zahlen zu finden, von ” welchen die Summe der Quadrate ebenfalls ein Quadrat ist“. Es besteht kein Zweifel daran, dass den Babyloniern die pythagoreische Regel bekannt war, wonach in einem rechtwinkligen Dreieck mit den Katheten a und b und der Hypotenuse c die Beziehung a2 + b2 = c2 gilt. Allerdings haben sie auch in diesem Zusammenhang nie die notwendige Bedingung ausgesprochen, wonach das Dreieck rechtwinklig sein muss49 , und zumindest eine Tafel ist bekannt, bei welcher die Gleichung a2 + b2 = c2 auf ein Dreieck angewandt wurde, das nur grob rechtwinklig war – auf der anderen Seite gab es f¨ ur rechtwinklige Dreiecke auch andere Verfahren zur Bestimmung der Hypotenuse in F¨allen, in denen man sich mit Approximationen begn¨ ugen musste50 . 47

Diverse Erkl¨ arungsversuche stammen von [Anagnostakis & Goldstein 1974], [Bruins 1949, Bruins 1955, Bruins 1957, Bruins 1967], [Friberg 1981], [Gillings 1953, Gillings 1955, Gillings 1958, Gillings 1966], [Huber 1957], [de Solla Price 1964], [Muroi 2013] und [Mansfield & Wildberger 2017]. Die Erkl¨ arungen bewegen sich zwischen Tafeln Pythagoreischer Tripel, Daten zum Erstellen von Aufgaben, die auf rational l¨ osbare quadratische Gleichungen f¨ uhren, und trigonometrischen Tabellen. Der von [Friberg 2007a, S. 252] pr¨ asentierte Zusammenhang mit der Tafel MS 3971 scheint mir am u ¨berzeugendsten zu sein. 48 Siehe [Unger 1843, S. 6]. Vor allem Diophant hat die Dreiecke in Zahlen“ als ” unersch¨ opfliche Quelle zahlentheoretischer Probleme benutzt. 49 Auch Sokrates erkl¨ art in seinem Dialog mit dem Sklaven des Menon, ein Quadrat sei ein Viereck mit vier gleich langen Seiten. 50 Siehe vor allem [Robson 1997].

1.6 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen √ 5

31

50

5

Abb. 1.6.1. Quadrat mit Diagonale 10, das fast rechtwinklige Dreieck (5, 5, 7), sowie eine Figur zur Begr¨ undung der pythagoreischen Regel

W¨ ahrend einige Autoren vehement bestreiten, die Babylonier h¨ atten daf¨ ur eine mathematische Begr¨ undung besessen, stellen andere die Frage, ob sich eine Beziehung wie die pythagoreische Regel u asst. ¨berhaupt empirisch entdecken l¨ Gegen eine empirische Entdeckung spricht jedenfalls die Tatsache, dass die Babylonier das Dreieck mit den Seiten (5, 5, 7) niemals als rechtwinklig betrachtet haben, obwohl dies in Zeichnungen auf Sand oder Lehm nicht von einem solchen zu unterscheiden gewesen w¨are. Es ist jedenfalls durchaus denkbar, dass sie erkannt haben, dass dieses Dreieck mit den Seiten (5, 5, 7) nicht rechtwinklig sein kann (vgl. die beiden Figuren in Abb. 1.6.1 links): W¨ are dies der Fall, so w¨ urde das Aneinanderlegen von vier solcher Dreiecke ein Quadrat mit Kantenl¨ange 7 und Fl¨acheninhalt 72 = 49 ergeben, das in vier rechtwinklige Dreiecke zerteilt ist, deren Fl¨acheninhalt zusammen 50 ergibt. Dass den Babyloniern diese Unterteilung eines Quadrats gel¨ aufig war, kann man der Aufgabensammlung BM 15285 entnehmen. Dort wird verlangt, die Fl¨ache eines einem Quadrat einbeschriebenen Quadrats zu finden: Die Seite eines Quadrats ist 1 US. Im Innern habe ich ein zweites Quadrat gezeichnet, welches das ¨außere ber¨ uhrt. Welche Fl¨ache hat es? Diese Aufgabe wird variiert und erg¨anzt; so wird sp¨ ater nach der Fl¨ ache des Quadrats gefragt, das dem ersten einbeschriebenen Quadrat einbeschrieben ist. Legt man dagegen vier Rechtecke mit den Seiten 3 und 4 zusammen, entsteht ein großes Quadrat der Seitenl¨ange 7, in welchem innen ein Quadrat der Seitenl¨ange 1 unbedeckt bleibt (vgl. Abb. 1.6.1 rechts). Bezeichnet man die Diagonale des Ausgangsrechtecks mit d, so ist die Fl¨ ache d2 des von den Diagonalen gebildeten Quadrats gleich der Fl¨ache von vier halben Rechtecken 2 und dem Quadrat in der Mitte: d2 = 4 · 3·4 2 + 1 = 25. Dies liefert d = 5, folglich ist das Dreieck mit den Seiten (3,4,5) rechtwinklig. Mit derselben Idee folgt auch der allgemeine Satz des Pythagoras.

32

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Auf der Tafel51 MS 3049 geht es um die Berechnung der Raumdiagonale eines quaderf¨ormigen Tors. Die Seiten der Grundfl¨ache sind 0;06,40 (die Dicke der Mauer) und 0;08,53,20 (die Weite des Tors), die H¨ ohe ist 0;26,40. Berechnet wird die Summe der Quadrate dieser Zahlen, n¨ amlich 0;13,54,34,04,26,40, und daraus wird die Quadratwurzel 0;28,53,20 gezogen (vgl. Aufg. 4). Der Rechnung zugrunde liegen die beiden pythagoreischen Dreiecke (3, 4, 5) und (5, 12, 13), die beide mit dem Faktor 0;02,13,20 gestreckt werden. Der 1 nach Streckungsfaktor ist 8000 603 = 27 , was bedeutet, dass die Raumdiagonale √ 1 zweifacher Anwendung des Satzes von Pythagoras gleich 27 · 32 + 42 + 122 = 13 27 ist.

Abb. 1.6.2. Die Ruinen der Stadt Susa im heutigen Iran. Foto: Polly Lohmann

Eine eindrucksvolle Aufgabe, bei der rechtwinklige Dreiecken mit ganzzahligen Seiten eine Rolle spielen, ist ein Problem aus den Textes math´ematiques de Suse52 . Auf der Tafel TMS I findet sich ein Dreieck mit den Seiten (50,50,60), das durch die H¨ohe in zwei rechtwinklige Dreiecke mit den Seiten (30,40,50) geteilt wird. Der Satz des Pythagoras (vgl. Abb. 1.6.3 rechts) liefert d2 + 302 = r2 ; wegen 2 1 r + d = 40 und r2 − d2 = 302 muss r − d = 30 40 = 22 2 sein. Zusammen mit 1 3 r + d = 40 folgt r = 31 4 und d = 40 − r = 8 4 . Im Sexagesimalsystem ist also r = 31; 15 und d = 8; 45 wie auf TMS 1 angegeben. 51 52

Siehe [Friberg 2007a]. Siehe [Bruins & Rutten 1961]

r

50

d 30

50

30

33

r

1.6 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen

Abb. 1.6.3. Skizze von TMS 1

Streckt man das rechtwinklige Dreieck (d, 30, r) mit dem Faktor 54 , erh¨ alt man das primitive pythagoreische Dreieck (7, 24, 25). Gericke53 hat bemerkt, dass man f¨ unf dieser Dreiecke mit den Seiten (50,50,60) n¨ aherungsweise zu einem regul¨aren F¨ unfeck zusammenlegen kann, und dass diese Konstruktion auf die Konstante des F¨ unfecks“ f¨ uhrt, mit deren Hilfe ” die Babylonier (und viel sp¨ater auch Heron) den Fl¨ acheninhalt des regul¨ aren F¨ unfecks bestimmt haben. W¨ ahrend die Konstruktion des Problems auf TMS1 auf der Verklebung zweier rechtwinkliger Dreiecke der Form (30,40,50) an der gemeinsamen Kathete der L¨ ange 40 beruht, ist das Auffinden des n¨achsten Beispiels deutlich schwieriger. Dort geht es um eine popul¨are Aufgabenart, n¨amlich um das gerechte Verteilen eines Erbes oder eines St¨ uck Lands an verschiedene Br¨ uder. Bei der Aufgabe auf der Tafel54 VAT 7531 ist ein trapezf¨ormiges Land mit parallelen Seiten der L¨ angen 2,35;50 bzw. 1,54;10, sowie mit der oberen L¨ ange 50 und der unteren L¨ ange 41;40 gegeben, und dieses soll gleichm¨aßig unter drei Br¨ udern aufgeteilt werden. Denkt man sich das Trapez in ein Rechteck und zwei rechtwinklige Dreiecke zerlegt und entfernt man das Rechteck, so entsteht ein gleichschenkliges Dreieck mit einer Grundseite der L¨ange 50 und Schenkeln der L¨ ange 41; 40. Die H¨ohe h1 auf die Grundseite ergibt sich aus dem Satz des Pythagoras  2  2 − 252 = 100 h21 = 125 3 3 ) 53 54

Siehe [Gericke 1984, S. 37–41]. [Friberg 2007b, S. 297], [Friberg 2005a, S. 183], [Yuste 2008a].

34

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

33

30

45 2, 35; 50

39; 10

0

0

0

30

;2

41; 4

40

41; 4

50

1, 54; 10

11; 40

30

11; 40

Abb. 1.6.4. Trapezteilung in Aufgabe 1 der Problemsammlung VAT 7531

zu h1 = 100 ohe h auf einen der beiden Schenkel (und damit 3 = 33; 20. Die H¨ gleichzeitig die H¨ohe des Trapezes) ergibt sich aus der Fl¨ achengleichheit 12 hc = 1 hc 2 h1 a zu h1 = a = 40. Die beiden rechtwinkligen Dreiecke, die zusammen mit dem Rechteck das Trapez ergeben, sind daher (30, 40, 50) und (11; 40, 40, 41; 40), also das mit dem Faktor 10 gestreckte Dreieck (3, 4, 5) und das mit dem Faktor 53 gestreckte Dreieck (7, 24, 25); beide haben eine gemeinsame Kathete der L¨ ange 40, an der sie verklebt sind. Entsprechend kann man sich die beiden Dreiecke auch aus zwei Kopien des Dreiecks (3,4,5) entstanden denken, die beide mit dem Faktor 25 3 gestreckt worden sind. Mit dieser H¨ohe ergibt sich die Fl¨ache des Trapezes zu 2,15 · 40 = 1,30,00 Quadrat-nindan, was umgerechnet 3 bur entspricht. Damit jeder Bruder eine Fl¨ache von einem bur erh¨alt, bekommt ein Bruder das mittlere Rechteck mit L¨ange 45, der zweite das linke Dreieck plus ein Rechteck der L¨ ange 30, und der dritte das rechte Dreieck und ein Rechteck der L¨ ange 39;10.

1.7 Trapezteilung Eine der bemerkenswertesten Leistungen55 der babylonischen Mathematik ist die Halbierung von Trapezen, die sich bis in die Zeit Sargons zur¨ uckverfolgen l¨asst. Auf der Tafel56 IM 58045 findet man die Zeichnung eines Trapezes der H¨ohe h = 12, dessen parallele Seiten die L¨angen a = 17 und c = 7 besitzen. Die Aufgabe bestand vermutlich darin, das Trapez durch eine zu a und c 55

F¨ ur eine detaillierte Beschreibung vgl. [Brack-Bernsen & Schmidt 1990]; siehe auch [Lemmermeyer 2018b]. Eine beachtenswerte Erkl¨ arung der babylonischen Trapezteilung stammt von [Damerow 2001]; dieser Artikel enth¨ alt eine ganze Reihe weiterer interessanter Entwicklungen. 56 Diese Tafel wird unter anderem von [Friberg 2007a, Friberg 2007b] und [Gon¸calves 2015] besprochen. IM steht dabei f¨ ur das Irakische Museum in Bagdad; wie viele dieser Tafeln die Pl¨ underungen w¨ ahrend des Irakkriegs u ¨berlebt haben, ist wohl bis heute nicht bekannt. Ein Bild des Verlustes wird in [Polk & Schuster 2005] gezeichnet.

1.7 Trapezteilung

35

parallele Seite in zwei fl¨achengleiche Trapeze zu teilen und deren Seitenl¨ angen zu berechnen; wie auch auf andern Tafel u ¨blich, werden Bedingungen wie die Parallelit¨at der Transversalen nicht genannt, sondern ergeben sich aus den angegebenen L¨osungen. Bei der Untersuchung des Problems zeigt sich nicht nur, dass die L¨osung ganzzahlig ist, sondern dass man, um ein solches Problem stellen zu k¨onnen, notwendig eine diophantische Gleichung zu l¨ osen hatte. Die zu den parallelen Seiten der L¨angen a und c eines Trapezes parallele Strecke der L¨ange b teilt n¨amlich das Trapez in zwei fl¨ achengleiche Teiltrapeze, wenn die Beziehung a2 + c2 = 2b2 gilt. Eine solche Beziehung ohne irgendeine Begr¨ undung zu erraten ist kaum m¨oglich. Die vielleicht einfachste Begr¨ undung f¨ ur die babylonische Methode der Trapezhalbierung ist die folgende: Durch Streckung eines Trapezes mit parallelen Seiten a und c und einer Transversalen der L¨ange b in c Richtung der H¨ohe kann man erreichen, dass der Bab siswinkel zu einem halben rechten Winkel wird, also zu 45◦ ; das Verh¨altnis der beiden Teilfl¨achen bleibt a dabei ebenso unver¨andert wie die L¨angen a, b und c. Legt man vier solcher Trapeze zu einem Quadrat zusammen, so erkennt man, dass die Fl¨ache des ¨außeren Trapezrings gleich a2 − b2 , die des inneren gleich b2 − c2 ist. Da beide Trapezringe fl¨achengleich sein sollen, folgt57 a2 − b2 = b2 − c2 und damit a2 + c2 = 2b2 . Egal wie der babylonische Schreiber, der dieses Problem entworfen hat, auch vorgegangen ist: Die Beziehung a2 + c2 = 2b2 wird sich ohne irgendeine Form der Begr¨ undung kaum erraten haben lassen. Die Vorstellung, dass die Idee einer Begr¨ undung einer mathematischen Beobachtung urpl¨ otzlich im sechsten vorchristlichen Jahrhundert in Griechenland entstanden ist, l¨ asst sich mit den Leistungen der Babylonier nur schwer in Einklang bringen. Die Erzeugung des Babylonischen Tripels (1,7,5) aus dem Pythagoreischen Tripel (3,4,5) kann man sich wie folgt vorstellen58 . Die beiden roten Pythagoreischen Dreiecke geben uns die Relation 32 + 42 = 52 ; die beiden roten Quadrate haben also den Fl¨acheninhalt 2 · 52 = 2 · 32 + 2 · 42 . Wegen der Identit¨at 2a2 + 2b2 = (a − b)2 + (a + b)2 , die den Babyloniern in ihrer geometrischen Form wohlbekannt war, folgt daraus 52 + 52 = (4 − 3)2 + (4 + 3)2 = 12 + 72 , also die Fl¨achengleichheit zwischen den roten und den gelben Quadraten. 57

[Høyrup 2002a, S. 237] und [Rudman 2010, S. 82]. Die Benutzung von Figuren wie in 1.7.1 beim L¨ osen von Problemen, die auf quadratische Gleichungen f¨ uhren, wird ausf¨ uhrlich in [Lemmermeyer 2022] erkl¨ art. Ich erwarte, dass sich f¨ ur diese Tatsache eine einsichtigere geometrische Begr¨ undung finden l¨ asst als die hier gegebene. 58

36

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

Abb. 1.7.1. Das Babylonische Tripel (1,7,5)

Legt man das gr¨ une Trapez zu einem Quadrat um, so sieht man, dass dessen Fl¨acheninhalt gleich 42 ist. Parkettiert man das Trapez wie angegeben, so sieht man, dass die untere Transversale die Fl¨ache des Trapezes halbiert. Die L¨ange dieser Transversale ist offenbar 1 + 23 (7 − 1) = 5.

Babylonische Tripel Damit bleibt noch die Frage zu kl¨aren, wie die Babylonier ganzzahlige L¨osungen f¨ ur die Trapezhalbierung gefunden haben. Mit einem Trick, den Euler oft erfolgreich angewandt hat, k¨onnen wir die L¨ osung der Gleichung uckf¨ uhren. Wir wollen im a2 + b2 = 2c2 auf diejenige von x2 + y 2 = z 2 zur¨ Folgenden ein Tripel nat¨ urlicher Zahlen (a, c, b) mit a2 + c2 = 2b2 ein babylonisches Tripel nennen. Ist (x, y, z) ein pythagoreisches Tripel, also eine L¨ osung der Gleichung x2 + 2 2 2 urlichen Zahlen, dann ist (x + y) + (x − y)2 = 2z 2 und daher y = z in nat¨ (a, c, b) = (x + y, x − y, z) ein babylonisches Tripel. Aus der pythagoreischen Regel59 zur Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke in Zahlen, also den Tripeln 59

Siehe Seite 83.

1.7 Trapezteilung

37

 (2m + 1)2 − 1 (2m + 1)2 + 1  , , (x, y, z) = 2m + 1, 2 2 erh¨alt man so eine der beiden Familien babylonischer Tripel (a, c, b) in Tab. 1.1. Benutzt man dagegen die Platonsche Familie pythagoreischer Tripel, also (x, y, z) = (2m, m2 − 1, m2 + 1), so erh¨alt man entsprechend f¨ ur alle geraden Werte von m eine weitere Familie babylonischer Tripel.

x y z a c b

x y

z

a c

b

3 4 5 7 1 5

4 3

5

7 1

5

5 12 13 17 7 13

8 15 17 23 7 17

7 24 25 31 17 25

12 35 37 47 23 37

9 40 41 49 31 41

16 63 65 79 47 65

11 60 61 71 49 61

20 99 101 119 79 101

Tabelle 1.1. Folgen von Trapezen der ersten (links) bzw. zweiten Art (rechts)

Die Babylonier h¨atten solche Tafeln sicher konstruieren k¨ onnen – aber haben sie es auch getan? Die Antwort darauf gibt eine Aufgabe auf der Tafel AO 17264, die bereits von Neugebauer besprochen wurde und sich auch bei angen Gandz60 findet. Ein trapezf¨ormiges Feld, dessen parallele Seiten die L¨ a = 51 und c = 213 haben, und deren andere Seitenl¨ angen b = 135 und d = 81 sind, ist durch parallele Streifen unter sechs Br¨ udern so aufzuteilen, dass die ersten beiden den gleichen Anteil bekommen, ebenso der dritte und vierte, sowie der f¨ unfte und sechste. Sieht man sich die L¨angen der Seiten genauer an, stellt man fest, dass sie allesamt durch 3 teilbar sind. Teilt man alle Seitenl¨ angen durch 3, ergeben sich die Zahlen 17, 25, 31, 41, 49, 61, 71. Alle diese Zahlen finden sich in der Tabelle 1.1 der babylonischen Tripel. Entsprechende Zahlen f¨ ur Trapeze der zweiten Art tauchen u ¨brigens in einem ¨ahnlichen Zusammenhang auf der Keilschrifttafel61 TMS 23 auf. Der Aufgabensteller hat also seine Komposition dreier Babylonischer Trapeze der ersten Art so modifiziert, dass sich das Trapez so in zwei rechtwinklige 60

Siehe [Neugebauer 1935, S. 126ff.] und [Gandz 1948], sowie [Caveing 1985]. Diese Tafel scheint aus der kassitischen Periode zwischen dem 16. und 12. Jahrhundert v. Chr. zu stammen. 61 Siehe [Bruins & Rutten 1961] und [Friberg 2014].

38

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie

213 15

183

25

18

147

30

12

123

20

15 9

93 75

12

51

25 15 20

Abb. 1.7.2. Erbschaftsproblem aus AO 17 264

Dreiecke und ein Rechteck zerlegen l¨asst, dass die Hypotenusen der rechtwinkligen Dreiecke (also die nicht parallelen Seiten des Trapezes) ebenfalls ganzzahlig werden. Nebenbei bemerkt erfordert die Zusammensetzung von Trapezen zu einem großen Trapez zumindest eine Vorstellung davon, was Steigung“ bedeutet. ” Eine solche Vorstellung m¨ ussen auch die Architekten der Zikkurats in den großen babylonischen St¨adten besessen haben.

Halbierung von Dreiecken Wie wir gesehen haben, war die Halbierung von Trapezen ein zentrales Problem der altbabylonischen Mathematik. Es stellt sich damit die Frage, warum fl¨ achengleiche Teilungen auf den Keilschrifttafeln zwar f¨ ur Trapeze, nicht aber f¨ ur die einfacheren rechtwinkligen Dreiecke gemacht wurden. Fasst man solche Dreiecke als Trapeze mit der Seite c = 0 auf, so folgt aus dem Hauptsatz der Trapezteilung, dass die Halbierung von Dreiecken auf die L¨ osung der Gleichung a2 = 2b2 hinausl¨auft. Diese Frage kann man auch so formulieren: Ist ein Quadrat der Fl¨ache 2 gegeben, kann man dann die L¨ ange s seiner Kante im Sexagesimalsystem darstellen? Es ist nicht bekannt, ob sich die Babylonier diese Frage in diesem Zusammenhang je gestellt haben; wir wissen allerdings, √ dass die Babylonier nicht nur in der Lage waren, Approximationen von 2 zu berechnen, sondern dass sie das auch getan haben. Auf der Keilschrifttafel YBC 7289 findet sich, auch das haben wir bereits erw¨ ahnt, eine Approxi√ mation von 2, die sehr viel genauer ist als die Approximationen anderer Quadratwurzeln, die in der babylonischen Mathematik aufgetaucht sind. Es √ dr¨ angt sich der Verdacht auf, dass die Berechnung von 2, die ja keinem praktischen Zweck diente (daf¨ ur gen¨ ugten schw¨ achere N¨ aherungen), nur dem

1.7 Trapezteilung Interesse an der Frage entsprungen ist, ob man bruch schreiben kann.

39 √

2 als endlichen Sexagesimal-

Trapezteilung in der babylonischen Astronomie Aus der Seleukidenzeit stammen eine Unmenge von Keilschrifttafeln, die sich mit den Positionen und der Bewegung des Monds und der Planeten am Nachtaische himmel befassen62 . Mathieu Ossendrijver63 hat bemerkt, dass chald¨ Astronomen mit Hilfe der Trapezteilung die Bewegung des Jupiter berechnet haben: Die Fl¨ache in einem Zeit-Geschwindigkeits-Diagramm entspricht dem zur¨ uckgelegten Weg. Bei einer gleichf¨ormig beschleunigten Bewegung ist diese Fl¨ache ein Trapez, und wenn die Anfangs- und Endgeschwindigkeit durch v0 und v1 gegeben sind, dann ist die Fl¨ache des Trapezes 12 (v0 + v1 ) · t. Diese Formel ist heute als Merton-Regel bekannt, weil sie im 14. Jahrhundert n. Chr. am Merton College in Oxford ausgearbeitet wurde64 .

Aufgaben 1.1 Finde die kleinsten nat¨ urlichen Zahlen, die in der Sexagesimaldarstellung nur aus Einsen bestehen und durch 11, 17 bzw. 19 teilbar sind. 1.2 (AO 6484, # 17) Die Summe einer Zahl und ihrer Reziproken ist lauten die Zahlen?

; wie

1.3 Zeige: Endet eine Sexagesimalzahl mit den Ziffern 6,40 oder 26,40 oder 46,40, dann ist die Zahl durch 400 teilbar. 1.4 Bestimme die Quadratwurzel von 13,54,34,04,26,40 mit dem Faktorisierungsalgorithmus. 1.5 Auf der Tafel65 Erm 15189, die in St. Petersburg aufbewahrt wird, findet sich eine Liste mit zehn Trapezen. Das erste Trapez dieser Tabelle ist unten abgebildet. Erkl¨ are die eingetragenen Zahlen: 1. Die Zahlen in den Fl¨ achen geben den Fl¨ acheninhalt des jeweiligen Teiltrapezes an. 62 ¨ Einen Uberblick u ¨ber die babylonische Astronomie gibt [Brack-Bernsen 2013]; mehr Informationen findet man bei [Neugebauer 1955] und [Neugebauer 1975]. 63 Seine Publikation [Ossendrijver 2016] ging durch alle Tageszeitungen. Eine ausf¨ uhrliche Darstellung findet man in [Ossendrijver 2018]. 64 Siehe [Sonar 2011, S. 147]. 65 Diese Tafel wurde 1961 von Aizik Vaiman ver¨ offentlicht. Ein Bild der Tafel kann man bei [Friberg 2007b, S. 288] finden.

40

1 Babylonische Quellen der Zahlentheorie 2. Die beiden Teiltrapeze rechts und links sind die mit dem Faktor 8 vergr¨ oßerten Trapeze, die den Babylonischen Tripeln (1, 5, 7) und (7, 13, 17) entsprechen. 3. Zeige, dass die unteren Seiten aller Teiltrapeze dieselbe Neigung besitzen.

30

30

6

8

15 40

7; 30 56

22; 30

1; 44

2; 16

15

6

1.6 Benutze die folgende Figur, um die Identit¨ at 2x2 + 2y 2 = (x + y)2 + (x − y)2 geometrisch zu begr¨ unden.

x−y x−y x

y

x

y

2

Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

Abb. 2.0.1. Jeremiah Peterson aus Pennsylvania stellt Kopien von Keilschrifttafeln her; das obige Bild zeigt seine Abschrift des Lieds der Herden von Nanna.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_2

42

2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

Was im Mittelmeerraum (Italien, Griechenland, Kleinasien und Nordafrika) zwischen dem Ende des trojanischen Kriegs um 1200 v. Chr. und der Gr¨ undung von Rom oder den griechischen Kolonien geschehen ist, entzieht sich noch immer weitgehend unserer Kenntnis. Erst ab etwa 800 v. Chr. tauchen mit Homer, sp¨ater mit Thales und Pythagoras, die Namen auf, die wir mit dem Erbl¨ uhen der griechischen Kultur in Verbindung bringen. Wir wollen uns hier die Frage stellen, ob es Zufall ist, dass die Wiege der griechischen Kultur in Kleinasien (und nicht in Athen) gestanden hat, und werden dabei auf ¨ die zahlentheoretischen Leistungen insbesondere der Agypter, Inder und Chinesen im letzten vorchristlichen Jahrtausend eingehen. Vor allem wollen wir uns die Frage stellen, wie sehr sich die alten Kulturen gegenseitig beeinflusst haben1 .

2.1 Die alten Kulturen Nachdem wir im letzten Kapitel vor allem die Geschichte Mesopotamiens gestreift haben, wollen wir jetzt den Blick auf den gesamten Mittelmeerraum und die benachbarten Regionen ausweiten. Dabei m¨ ussen wir uns vor Augen halten, dass wir von vielen Kulturen vermutlich gar nichts wissen, weil sie keine Spuren hinterlassen haben, welche die Jahrtausende u ¨berdauert haben, seien es Kunstwerke, Bauten oder schriftliche Dokumente. Eines der ¨altesten Kunstwerke, das wir kennen, ist die erst 2008 gefundene Venus vom Hohlefels auf der Schw¨abischen Alb, die fast 40.000 Jahre alt ist. Auf ca. 35.000 Jahre wird eine Fl¨ote aus Schwanenfl¨ ugelknochen gesch¨ atzt, die ebenfalls auf der Schw¨abischen Alb ausgegraben worden ist. Als es in Europa k¨ alter wurde, zogen die Menschen nach S¨ uden, und auf dem H¨ ohepunkt der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren war die Schw¨ abische Alb unbewohnt. Nach dem Abklingen der Eiszeit entstanden die weltber¨ uhmten Malereien in den H¨ohlen bei Lascaux. Unter den Bildern, die man dort findet, ist auch das Bild eines Auerochsen; oberhalb seines R¨ uckens sind Punkte gemalt, die ur die Plejaden halten. Die vier Punkte in der manche Arch¨aoastronomen2 f¨ linken Bildmitte werden dann als die G¨ urtelsterne des Orion interpretiert. Sollte diese Annahme zutreffen, m¨ usste man die Frage stellen, wieso die Menschen in den H¨ohlen von Lascaux dem Sternbild des Stiers denselben Namen gegeben haben wie viele Tausend Jahre sp¨ater die Babylonier. Die naheliegendste Erkl¨arung w¨are sicherlich, dass die Menschen, die nach dem Ende der Eiszeit nach Norden gezogen sind, derartige Mythen in der Mittelmeerregion aufgegriffen haben. 1

Beispiele f¨ ur die Verbreitung mathematischer Ideen unter j¨ ungeren Kulturen findet man in [Dold-Samplonius et al. 2002]. 2 [Rappengl¨ uck 1999] hat ein ganzes Buch dar¨ uber geschrieben.

2.1 Die alten Kulturen

43

Die Plejaden sind auch auf der Himmelsscheibe von Nebra festgehalten, die wohl knapp 4000 Jahre alt ist. In der N¨ahe des Fundorts Nebra in SachsenAnhalt befindet sich die vor fast 7000 Jahren errichtete Kreisgrabenanlage von Goseck, die wie sp¨ater die Kreisgrabenanlage von P¨ ommelte und das monumentale Stonehenge religi¨osen Handlungen im Zusammenhang mit dem Stand der Sonne diente.

Abb. 2.1.1. Himmelsscheibe von Nebra

Auch anderswo sind astronomische Ereignisse auf Felsen festgehalten worden: in Schweden sind Felsen gefunden worden, auf denen allem Anschein nach Sonnenfinsternisse eingraviert worden sind. Nach G¨ oran Henriksson3 ist auf 3

Siehe [Henriksson 2005]; auf einer Felszeichnung in Burzahama in Kaschmir glaubt er sogar eine Supernova aus dem Jahre 4500 v. Chr. identifiziert zu haben; siehe [Joglekar et al. 2006], sowie [Dr¨ oßler 1990] f¨ ur andere Belege f¨ ur Astronomie in Stein.

44

2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

zwei der Zeichnungen der Komet Encke zu sehen, was die Datierungen der Finsternisse auf 1596 und 858 v. Chr. erlauben w¨ urde. Man tut wohl gut daran, solchen Datierungen mit einer gesunden Portion Skepsis zu begegnen. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde den Kulturen entlang der Donau verst¨arkte Aufmerksamkeit gewidmet. Die Vinˇca-Kultur, benannt nach dem Fundort an der Donau bei Belgrad, hatte zwischen 5500 und 4500 v. Chr. Keramik hergestellt; darauf befindliche Zeichen werden bisweilen als Schriftzeichen interpretiert, was allerdings ebenso wenig gesichert ist wie die entsprechende Behauptung f¨ ur die etwa 7000 Jahre alte Tafel von Dispilio. Ebenfalls aus der Zeit um 5000 v. Chr. stammen auch die meisten Fundst¨ ucke in Lepen¨ ski Vir an der Donau in Serbien. Die dort gefundenen Uberreste von H¨ ausern weisen einen trapezoiden Grundriss auf, die allesamt nach Osten ausgerichtet sind und von denen Dieter Klemp4 annimmt, dass sie (etwa durch das Spannen von Schn¨ uren) konstruiert worden sind. Erstaunliche Parallelen dazu gibt es in alten indischen Kulturen am Indus. In Lothal wurde eine Hafenanlage aus der Zeit um 2500 v. Chr. ausgegraben, die auf einen ausgedehnten Handel mit anderen V¨ olkern schließen l¨ asst. Die vedische Religion kannte Opferalt¨are, die in Ost-West-Richtung aufgebaut ¨ wurden. Die Sulbasutren sind Teile der religi¨osen Uberlieferung, die zum Teil schon 2000 v. Chr. entstanden und um 500 v. Chr. verschriftlicht worden sind. Dort werden genaue Angaben zur Konstruktion solcher Alt¨ are mit Hilfe des Spannens von Seilen gemacht, auf die wir weiter unten noch genauer eingehen werden. Um 5000 v. Chr. beginnt eine Zeit, in der in Europa und in Asien riesige Bauwerke entstehen. Zu den bekanntesten geh¨ oren der Cairn von Barnenez in der Bretagne (4500 v. Chr.) und die megalithischen Tempel auf Malta und Gozo (nach 4000 v. Chr.). Der Menhir von Saint–Uzec wurde 1674 vom Apo” stel der Bretagne“ mit christlichen Symbolen verziert“; im zweiten Weltkrieg ” wurden Dolmen von der deutschen Wehrmacht teilweise in Bunker umgebaut, und selbst Mitte des 20. Jahrhunderts dienten manche der alten Anlagen noch als Steinbruch. Erst in den 1990er Jahren hat man ernsthaft mit der Restaurierung aller bekannten Anlagen begonnen. In Mesopotamien zieht man im 4. Jahrtausend v. Chr. Mauern um St¨ adte, und die ersten Zikkurats werden gebaut. Der erste dieser stufenf¨ ormigen Tempelbauten entsteht 3000 v. Chr. in Tepe Sialk im heutigen Iran. Der a ¨gyptische Pharao Djoser l¨asst seinen Architekten Imhotep um 2650 v. Chr. eine Stufenpyramide bauen. Dessen Nachfolger Cheops, Chephren und Mykerinos errichten in Gizeh die drei großen Pyramiden, die es auf die klassischen Listen der sieben Weltwunder schaffen. Die Megalithen in Stonehenge bei Salisbury in England werden um 2500 v. Chr. auf einer um etwa 500 Jahre ¨ alteren Anlage aufgestellt, der Ring of Brodgar auf den Orkney-Inseln stammt ebenfalls 4 Siehe [Klemp 1995]; dass diese H¨ auser durch Spannen von Schn¨ uren konstruiert ¨ wurden, vermutet auch [Moosbrugger-Leu 2000]. Einen Uberblick u ¨ber die bei den Ausgrabungen gefundenen Objekte findet man in [Meurers-Balke 1982].

2.2 Das Lied der Herden von Nanna

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aus dieser Zeit. Alle diese Bauten hatten eine astronomische bzw. kalendarische ebenso wie eine religi¨ose Funktion, und letztere war bei allen V¨ olkern verschieden. Warum wurden diese Bauten dann fast gleichzeitig im ganzen Mittelmeerraum und den angrenzenden Weltregionen errichtet? Eine denkbare Antwort ist, dass es der technische Fortschritt gewesen ist, der diese Bauten m¨oglich gemacht hat, und dass diese Ideen sich in einem Zeitraum von 500 Jahren verbreitet haben. Entsprechende Bauten der Mayas und Inkas in Mittel- und S¨ udamerika sind dagegen nicht vor 500 v. Chr. errichtet worden. Auch auf dem Gebiet der Mathematik gibt es ein ¨ ahnliches Ph¨ anomen: die Lehre von rechtwinkligen Dreiecken in Zahlen, also der pythagoreischen Tripel, ¨ wurde in Babylon, Agypten, Griechenland, Indien und China studiert, nicht aber, soweit wir wissen, in Nordeuropa, Amerika, Afrika oder Australien.

2.2 Das Lied der Herden von Nanna Hat die babylonische Mathematik Spuren bei den Griechen hinterlassen? Diese Frage ist ziemlich sicher zu bejahen. Zum einen hat kaum ein griechischer Geschichtsschreiber nicht betont, dass die Griechen ihre Geometrie von den ¨ Agyptern geerbt h¨atten, und dass die ersten griechischen Mathematiker auf ¨ ihren Reisen nach Agypten und Mesopotamien bei den dortigen Priestern und Schreibern in die Lehre gegangen seien. Dass es Kontakte zwischen den beiden Kulturen gegeben haben muss, belegen die G¨ottersagen Sumers und Griechenlands. Als Inanna bei ihrer Flucht aus der Unterwelt ihren Gatten Dumuzi anstatt beim Trauern beim Feiern mit Sklavinnen antrifft, will sie diesen den mitgereisten D¨ amonen zum Ausgleich f¨ ur ihr Entkommen mitgeben. Dumuzi flieht zu seiner Schwester, die Inanna letztendlich u ur je ein ¨berreden kann, Dumuzi und sie selbst abwechselnd f¨ halbes Jahr in die Unterwelt zu schicken. Bei den Griechen taucht dieses Motiv in der Erz¨ahlung von Demeter und ihrer Tochter Persephone auf: Hades raubt Persephone auf einem Ausflug in das Reich der Lebenden, und nach einigen Verwicklungen darf Hades Persephone heiraten unter der Bedingung, dass sie halbj¨ahrlich zu den Lebenden zur¨ uckkehren darf. Sowohl bei den Sumerern als auch bei den Griechen galten diese Mythen als Erkl¨ arung f¨ ur die Jahreszeiten. Wie man eine solche Beeinflussung auf mathematischem Gebiet nachweisen soll, steht dagegen auf einem ganz anderen Blatt; weder Euklid noch andere griechische Mathematiker haben irgendwelche Keilschrifttafeln zitiert oder auch nur erw¨ahnt, je eine solche gesehen zu haben, nicht einmal Aristoteles, dem zumindest eine Legende nachsagt, er habe seinen Neffen Kallisthenes w¨ahrend dessen Dienst in der babylonischen Armee gebeten, ihm s¨amtliche astronomischen Beobachtungsdaten zu schicken, derer er habhaft

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2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

werden kann5 . Andererseits legt Platon6 Sokrates folgende Worte in den Mund: Griechenland ist groß, Kebes, und es gibt dort t¨ uchtige M¨anner. Groß sind auch die Nationen der Barbaren, die ihr [. . . ] alle durchforschen m¨ usst, und dabei d¨ urft ihr weder Geld noch M¨ uhen scheuen, gibt es doch nichts, wof¨ ur ihr euer Geld besser ausgeben k¨onntet. Es gibt allerdings eine ganze Reihe von Keilschrifttafeln, auf denen man neben akkadischen W¨ortern deren Aussprache in griechischen Buchstaben geschrieben findet. Diese d¨ urften dem Unterricht von Griechen gedient haben, die nach Babylon gekommen waren, um die akkadische Sprache und die babylonischen Wissenschaften zu erlernen7 . Will man einen Einfluss der babylonischen auf die griechische Kultur abstreiten, dann muss man die Frage beantworten, wieso die ersten Spuren der griechischen Kultur, sei es nun Mathematik oder Literatur, nicht in der Umgebung von Athen aufgetreten sind, sondern, zumindest wenn wir den griechischen Quellen Glauben schenken, in Kleinasien. Von dort stammt nicht nur der ¨alteste und vielleicht gr¨oßte griechische Dichter Homer oder der Vater der Fabeln, Aesop, sondern auch das gebr¨auchlichste griechische System zum Schreiben von Zahlen ebenso wie die ersten Mathematiker und Philosophen: Thales, Anaximander und Anaximenes stammen aus Milet, Xenophan von Kolophon, und Pythagoras von der Insel Samos. Milet hat im 7. Jahrhundert v. Chr. die Stadt Naukratis an der M¨ undung des Nils gegr¨ undet, um den Han¨ del mit den Agyptern zu erleichtern. Auch in Daphnae, einer anderen Stadt im Nildelta, in der zumindest zeitweise griechische S¨ oldner f¨ ur Pharao Psammetichus kaserniert waren, wurden zahlreiche griechische Artefakte gefunden. Gelegenheit zum wissenschaftlichen Austausch gab es also gen¨ ugend. Dies legt die Annahme nahe, dass Griechen auf ihren Reisen durch Kleinasien (viele babylonische St¨adten unterhielten einen ausgedehnten Handel etwa mit Kaniˇs, dem heutigen K¨ ultepe8 , das 2300 v. Chr. am Rand des Großreichs von Sargon lag) oder nach Mesopotamien mathematische Probleme mitbrachten, um sie den heimischen Gelehrten vorzulegen. Denkbar ist ebenso, dass Fl¨ uchtlinge kein Ph¨anomen der Neuzeit sind, und dass mancher gelehrte Schreiber aus Mesopotamien das Exil dem Leben unter neuen Herrschern vorgezogen hat. Sogar Spiele haben geographische Grenzen u ¨berwunden: Eine Abart des K¨onigsspiels von Ur9 haben j¨ udische Aussiedler bis ins heutige 5

Siehe [Clarke 1962, S. 70]. ¨ Siehe Phaidon, 78a, in der Ubersetzung von T. Ebert. 7 In [Finkel & Taylor 2015, S. 72–73] findet man das Bild einer solchen Keilschrifttafel; siehe auch [Finkel & Seymour 2008, S. 60] f¨ ur eine Fotographie der Tafel BM 34798, sowie [Finkel & Seymour 2008, S. 89]. 8 Siehe [Michel 2006]. 9 Siehe [Finkel 2005] und [Nardo 2009, S. 56ff]. 6

2.2 Das Lied der Herden von Nanna

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Abb. 2.2.1. Jeremiah Petersons Kopie des vervollst¨ andigten Spielplans des K¨ onigsspiels von Ur. Die originale Keilschrifttafel ist BM 33333b im Britischen Museum.

Indien mitgenommen. Umgekehrt soll das Schachspiel (siehe Abb. 2.2.2), dessen Begriffe vorwiegend persischen Ursprungs sind (Schach etwa kommt von Schah), aus Indien oder gar aus China nach Persien gekommen sein. Im Buch Ezechiel des Alten Testaments, und zwar im Loblied auf die ph¨ onizische Stadt Tyrus, das Anfang des 6. Jahrhunderts v. Chr. im babylonischen Exil entstanden ist, kann man nachlesen, welchen Umfang der damalige Handel bereits hatte. Mari, eine Stadt im Nordwesten Mesopotamiens, unterhielt im 18. Jahrhundert v. Chr. unter Anderem auch einen angeregten Handel mit Hazor im Norden des heutigen Israels, wie man den vielen Tafeln in einem Archiv aus Mari entnehmen kann. 1996 wurde in Hazor10 der Rest eines Zylinders aus der altbabylonischen Zeit gefunden, auf dem sich kombinierte Multiplikations- und Reziprokentabellen befinden. Solche Zylinder wurden vor 10

Siehe [Horowitz 1997].

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2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

Abb. 2.2.2. Drei Weise aus Indien bringen dem persischen K¨ onig Spiele als Gastgeschenk, darunter das Schachspiel

allem in Schreiberschulen benutzt und gelten als Hinweis darauf, dass es auch am Mittelmeer Tafelh¨auser gegeben hat, an denen das Lesen und Schreiben der Keilschrift und die elementare Mathematik unterrichtet wurden. Multiplikationstabellen, wie sie die Babylonier laufend hergestellt haben, kennen wir von den Griechen kaum; zu den wenigen Ausnahmen geh¨ ort eine uler Wachstafel aus dem Britischen Museum11 , auf der ein griechischer Sch¨ die Multiplikationstafeln unseres kleinen Einmaleins f¨ ur die Vielfachen von 2 und 3 aufgeschrieben hat, und ein Papyrus12 aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., ¨ das im Agyptischen Museum in Kairo aufbewahrt wird, auf dem man einen Ausschnitt aus einer Tabelle von Quadratzahlen findet. Erst in einer Boethius zugeschriebenen Bearbeitung der Arithmetik von Nikomachos vom Anfang des 6. Jahrhunderts n. Chr. finden sich, wenn auch auf sehr bescheidenem Niveau, Tabellen der kleinen Potenzen von 5 und 6 in r¨omischen Ziffern (man beachte, dass die Schreibweise der Tausender von der uns gel¨ aufigen abweicht). Hintergrund ist die zahlentheoretische Beobachtung, dass alle Potenzen der Zahlen 1, 5 und 6 wieder auf 1, 5 und 6 enden. Auf einem Papyrus13 , der aus Soknopaiu Nesos (eine Siedlung im Fayyum¨ Becken in Agypten) stammt und den man auf das 2. Jahrhundert n. Chr. 11

Add. MS 34186; siehe [Smith 1909], [Pichot 1995, S. 264] und [Dilke 1987, S. 16]. Siehe [Pichot 1995, S. 265]. 13 Siehe [Bruins, Sijpensteijn & Worp 1974]. 12

2.2 Das Lied der Herden von Nanna

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Abb. 2.2.3. Potenzen von I, V und VI bei Boethius

datiert, findet man Aufgaben u ¨ber Kreise und Kreisausschnitte, die mit rein babylonischen Techniken behandelt werden. So wird etwa die Fl¨ ache A eines Kreises mit Umfang U wie in der babylonischen Mathematik durch A = U 2 /12 bestimmt. Die krakelige Schrift und einige grammatische Fehler lassen vermuten, dass der Papyrus von einem Sch¨ uler beschrieben wurde.

R¨ atsel auf Reisen Unter den vielen R¨atseln, die in der Antike die Runde machten, d¨ urfte auch der Vorg¨anger der folgenden Aufgabe sein, die heute noch in England kursiert: As I was going to St. Ives, I met a man with seven wives, each wife had seven sacks, each sack had seven cats, each cat had seven kittens. Kittens, cats, sacks, wives, how many were going to St Ives? Solche R¨atsel haben in der Kulturgeschichte der Menschheit ein langes Leben; in Fibonaccis Liber Abaci steht eine ganz ¨ ahnliche Aufgabe mit sieben Frauen, die nach Rom gehen, und das Problem # 79 im Papyrus Rhind14 , von dem nur die entsprechenden Rechnungen, aber nicht der genaue Wortlaut der Aufgabe erhalten sind, k¨onnte in etwa so gelautet haben: In sieben H¨ausern leben je sieben Katzen, jede frisst sieben M¨ ause, jede Maus sieben S¨ackchen Emmer, und jedes S¨ackchen enth¨alt sieben Heqat (eine ¨ agyptische Maßeinheit f¨ ur Getreide und Mehl, etwas weniger als 5 Liter). Wie viele sind es zusammen? Eine ungew¨ohnliche Variante ist von den Fulbe (auch Fulani oder Peul), eiafer, der nachts unter nem westafrikanischen Hirtenvolk, u ¨berliefert15 . Ein Sch¨ einem Affenbrotbaum schl¨aft, h¨ort, wie ein alter Geier Kindern das folgende 14 15

Siehe [Peet 1923], [Gillings 1972] und [Robins & Shute 1987]. Siehe [Selin 1997, S. 619].

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2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

R¨atsel stellt: Es gibt 33 Affenbrotb¨aume; auf jedem sitzt ein Geier, und jeder Geier legt 33 Eier. Aus jedem Ei schl¨ upfen 33 Junge, und jedes von ihnen hat 33 Federn. Wie viele Federn sind es insgesamt? Auch bei den Babyloniern hat es derartige R¨atsel gegeben; auf der Keilschrifttafel M 785716 finden sich Rechnungen (in einer seltsamen Mischung aus Sexagesimal- und Centesimalsystem17 , die zu folgender Aufgabe passen: Es sind 99 M¨anner; jeder Mann f¨angt neun V¨ogel, jeder Vogel frisst neun Amei¨ ¨ sen, jede Ameise frisst neun Ahren Weizen, jede Ahre hat neun Weizenk¨ orner; wie viele sind es zusammen? Eine Aufgabe auf der Tafel M 861318 , bei der es darum geht, dass ein Getreidekorn sich am ersten Tag verdoppelt, am zweiten ebenso usw. bis zum 29. Tag, und wo die Summe aller K¨orner gesucht ist, erinnert an die ber¨ uhmte Legende, wonach der Erfinder des Schachspiels als Belohnung ein Weizenkorn auf dem ersten Feld eines Schachbretts, zwei auf dem zweiten, vier auf dem dritten usw. forderte und nat¨ urlich nicht entlohnt werden konnte, weil die Anzahl der K¨orner viel zu groß ist. Die Frage bleibt, ob solche R¨atsel in verschiedenen Kulturen unabh¨ angig voneinander entstanden sind oder ob sie im Laufe der Jahrtausende ihren Weg u ¨ber die Grenzen von Reichen und Kulturen hinweg gefunden haben. Vermutlich haben auch etwas gehaltvollere mathematische Probleme die lange Strecke zwischen Babylonien und Kleinasien oder Indien zur¨ uckgelegt – Zeit und Gelegenheit dazu hat es jedenfalls gegeben. Die Legende eines babylonischen Ursprungs der Mathematik findet sich beim j¨ udischen Geschichtsschreiber Josephus19 : Abraham erkl¨arte ihnen die Arithmetik, und er brachte ihnen die ¨ Astronomie. Denn bevor Abraham nach Agypten kam, waren ihnen diese Lehren unbekannt: diese Wissenschaften kamen von den ¨ Chald¨ aern nach Agypten, und von diesen dann zu den Griechen. Abraham stammte der Bibel nach aus der Stadt Ur, in der im letzten Jahrhundert viele Keilschrifttafeln (auch mathematischen Inhalts) gefunden wor16

Siehe [Friberg 2005a, S. 4–5]. Auf einigen in Mari gefundenen Tafeln wird ein Stellenwertsystem benutzt, indem die Zahlen bis 99 durch Keile und bis zu neun Winkelhaken ausgedr¨ uckt werden; insbesondere repr¨ asentiert die Zahl 125 (und nicht, wie im Sexagesimalsystem, 85). Siehe [Chambon 2012]. 18 Siehe [Soubeyran 1984]. 19 Flavius Josephus, Antiquities of the Jews, I 168; online zu finden auf http: //www.perseus.tufts.edu/hopper. Den Hinweis auf Josephus habe ich in der Geschichte der Mathematik [von Gerstenbergk 1848, S. 1] gefunden, das wiederum auf den Werken [Montucla 1758] und [Bossut 1802] beruht. Gerstenbergk meint, diese Geschichte trage das Gepr¨ age der Unwahrscheinlichkeit“; dies war allerdings vor ” der Entzifferung der Keilschrift. 17

2.2 Das Lied der Herden von Nanna

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den sind. Als eine seiner Quellen bei der Beschreibung der neubabylonischen K¨ onige erkl¨art Josephus20 : Mein Zeuge ist hierbei Berossos, ein Chald¨ aer von Geburt, aber in gelehrten Kreisen bekannt durch seine Ver¨ offentlichungen u ¨ber chald¨aische Astronomie und Philosophie f¨ ur griechische Leser. Der babylonische Autor Berossos hat um 300 v. Chr. eine Geschichte Baby¨ loniens f¨ ur griechische Leser verfasst. Der Agypter Manetho zog wenig sp¨ ater ¨ mit einer Geschichte Agyptens nach. Von beiden Werken sind heute nur noch wenige Fragmente erhalten. Berossos soll auf der griechischen Insel Kos eine ¨ Astrologie-Schule er¨offnet haben, und Plinius der Altere bemerkt in seiner Maior Naturalis Historia, die Athener h¨atten ihn zum Dank f¨ ur seine Prophezeiungen eine Statue mit einer vergoldeten Zunge aufgestellt. Einen Hinweis auf eine direkte Beeinflussung der ¨ agyptischen Mathematik durch die babylonische findet man21 in der Aufgabe 36 des Papyrus Kairo. Dort wird zum einen der Umfang eines Kreises wie in fast allen babylonischen Quellen mit dem dreifachen Durchmesser gleichgesetzt (im Gegensatz zu den Formeln“ im Papyrus Rhind), und s¨amtliche Br¨ uche, die in der Rech” nung auftauchen, sind zwar als Summe von Br¨ uchen mit Z¨ ahler 1 geschrieben, erweisen sich aber als endliche Sexagesimalbr¨ uche. Das Lied von den Herden des Nanna Ein bisher u ¨berhaupt nicht beachteter Hinweis auf einen babylonischen Einfluss auf die griechische Mathematik ist das Lied der Herden von Nanna (Tab. 2.1). Es gibt eine Reihe von babylonischen Liedern22 , welche den Mondgott Nanna (akkadisch Suen genannt) als Hirten darstellen; die K¨ uhe seiner Herde sind die Sterne, und die Milch in diesem Zusammenhang l¨ asst uns an das Band der Milchstraße denken. Eine an dieses Lied erinnernde Einkleidung hat das Rinderproblem des Archi” medes“ (Tab. 2.2), das Lessing 1773 in einer Bibliothek Wolfenb¨ uttels entdeckt hat und dessen L¨osung auf riesige Zahlen f¨ uhrt23 . Der Mondgott Nanna wurde bei den Griechen notgedrungen durch den Sonnengott Helios ersetzt, weil 20

Vergleiche [Seymour 2016, S. 68]; dieses Buch liefert eine vorz¨ uglich recherchierte Geschichte unserer Kenntnisse u agliche Leben im alten ¨ber Babylon. Das t¨ Mesopotamien beschreibt auch [Nemet-Nejat 1998]. 21 Siehe [Friberg 2007a, S. 209]. 22 Das Lied u offentlicht; siehe auch ¨ber die Herden des Nanna hat [Hall 1986] ver¨ [Black et al. 2004, S. 146]. Eine der Tafeln, welche dieses Lied enthalten, ist UET 6 https://cdli.ucla.edu/search/archival_view.php?ObjectID=P346153. 23 [Lenstra 2002] hat die L¨ osung ausf¨ uhrlich beschrieben und eine englische Nachdichtung des Rinderproblems gegeben. [Nesselmann 1842, S. 483] hat es in seiner Geschichte der griechischen Algebra ebenso ins Deutsche u ¨bersetzt wie [Wertheim 1890]. Einer der ersten L¨ osungsversuche stammt von Jacob Struve [Struve & Struve 1821], dem Direktor des Christianeums in Altona; siehe [Elsner 2004].

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2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

der Mond in der griechischen Mythologie durch eine G¨ ottin, n¨ amlich Selena, repr¨asentiert wurde, der man das H¨ uten der vielen Stiere dann doch nicht zutrauen wollte. Der griechische Text des Problems im von Lessing gefundenen Manuskripts beginnt in der dritten Zeile des Bilds mit der Information, dass es sich im Folgenden um ein von Archimedes gestelltes Problem handele, das dieser in einem Brief an Eratosthenes von Cyrene den Studenten in Alexandria mitgeteilt habe: πρόβλημα ὅπερ Αρχιμήδης Die eigentliche Aufgabe ( Die Anzahl von Helios’ Rindern“) beginnt im dar” auffolgenden Abschnitt: πληθὺν ἡελίοιο βοῶν Die Rinder des Helios tauchen, worauf bereits Heiberg aufmerksam gemacht hat, bei Homer im 12. Gesang der Odyssee auf. Dass Homer auch Geschichten aus babylonischen Quellen verarbeitet hat, ist heute allgemein anerkannt. So uge der babylonischen Sintflutgeschichte, erz¨ahlt Walter Burkert24 die Grundz¨ wonach die Menschen auf der Erde so u ¨berhand genommen haben, dass ihr Geschrei die G¨otter beim Schlafen st¨orte, und zitiert dann vom Anfang der Atrahasis-Sage: Sie fassten die Lotflasche an ihrem Hals, sie warfen das Los. Anu ging nach oben in seinen Himmel. [Enlil] nahm die Erde, und die Riegel, die Falle des Meeres, waren dem . . . Enki hingelegt. Bei Homer dagegen spricht Poseidon: Als wir die Lose warfen, da erhielt ich die graue See zum st¨ andigen Wohnsitz, Hades erloste das dunstige Dunkel, Zeus aber erloste den weiten Himmel mit Himmelsblau und Wolken; die Erde aber ist allen gemeinsam, und der weite Olymp. Der ¨agyptische Gott Amun (sp¨ater nach seiner Verschmelzung mit dem Sonnengott auch Amun-Ra genannt) wurde von den Griechen bereits im 5. Jahrhundert v. Chr. verehrt, wie die Statue zu Ehren des Gottes Ammon beweist, die der griechische Bildhauer Pindar (522–443) einem Tempel im griechischen Theben stiftete. Auch die Spartaner sollen schon zuvor regelm¨ aßig das Orakel des Amun in Siwa im damaligen Libyen zu Rate gezogen haben. Und selbst das Alte Testament kennt Amun, denn in Jeremia 46 heißt es: 24

Siehe [Burkert 2004, S. 40ff]. Weitere Parallelen in der Literatur findet man bei [Haubold 2013]; vgl. insbesondere die Fabel von dem Vogel und dem Elefanten (siehe [Borger 2004]), die bei Aesop als Fabel von der M¨ ucke und dem Stier nacherz¨ ahlt wird. [Kvanvig 2011] vergleicht die babylonische und die biblische Sch¨ opfungsgeschichte.

2.2 Das Lied der Herden von Nanna

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Im Lied der Herden des Nanna heißt es unter Anderem: Die K¨ uhe sind f¨ ur ihn in Herden zusammengetrieben. Es gibt 39 600 verschiedene Arten von K¨ uhen. Er hat 108 000 K¨ alber und 126 000 Jungbullen. Von K¨ uhen mit funkelnden Augen besitzt er 50 400, und weiße K¨ uhe sind es 126 000. Die K¨ uhe f¨ ur das Abendmahl kommen in vier Gruppen zu je 5. Dies sind die verschiedenen Arten der K¨ uhe von Vater Nanna. [. . . ] Seine wilden K¨ uhe z¨ ahlen 180 000. Mathematisch w¨ are dieses Lied bedeutungslos, g¨ abe es nicht eine diophantische Aufgabe, die Archimedes zugeschrieben wird und die vom Aufbau her an das Lied der Herden von Nanna erinnert. Die im Lied der Herden von Nanna auftretenden Zahlen sind nicht zuf¨ allig gew¨ ahlt; es ist n¨ amlich 108 000 = 12 · 603 , und die anderen Zahlen sind Summen zweier Bruchteile von 603 :     180 000 = 12 + 13 · 603 , 50 400 = 13 12 + 15 · 603 ,     126 000 = 13 + 14 · 603 , 39 600 = 12 15 + 16 · 603 . Derartige fast runde Zahlen“ tauchen in vielen andern Problemen auf, die von ” babylonischen Schreibern entwickelt worden sind. Auch die Gleichungen, die beim archimedischen Rinderproblem zu l¨ osen sind, enthalten Summen solcher Stammbr¨ uchen. Der erste Teil des Rinderproblems verlangt nach einer L¨ osung des folgenden Gleichungssystems, in welchem W , S, F und B die Anzahlen der weißen, schwarzen, gefleckten und braunen Stiere bezeichnen: 1 1 1 1 1 1 W = + S + B, S = + F + B, F = + W + B. 2 3 4 5 6 7 Die kleinste L¨ osung dieses linearen Gleichungssystems in nat¨ urlichen Zahlen ist (2226, 1602, 1580, 891). Der zweite Teil bringt weitere unbekannte Gr¨ oßen w, s, f und b, n¨ amlich die Anzahlen der entsprechenden K¨ uhe, die ¨ ahnlichen Gleichungen gen¨ ugen sollen: 1 1 1 1 w= + (S + s), s= + (F + f ), 3 4 4 5    1 1 1 1 + (B + b), b= + (W + w). f= 5 6 6 7 Dieses System ist nur dann ganzzahlig l¨ osbar, wenn man die L¨ osungen des ersten Systems mit 4657 multipliziert; in diesem Fall erh¨ alt man als minimale L¨ osung (7206360, 4893246, 3515820, 5439213). Im letzten Teil der Aufgabe wird dar¨ uber hinaus noch verlangt, dass W + S eine Quadratzahl und F + B eine Dreieckszahl sein soll. Hier hat die kleinste ganzzahlige L¨ osung um die 200 000 Dezimalstellen. Tabelle 2.1. Die Herden von Nanna und die Rinder des Helios

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2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

Sage, Freund, mir genau die Zahl von Helios’ Rindern. Sorgsam rechne mir aus, wenn Dir Weisheit nicht fremd, Wieviel deren es waren, die auf der Insel Sizilien Fluren weideten einst, vierfach in Herden geteilt. Jede Herde war anders gef¨ arbt; die erste war milchweiß, Aber die zweite ergl¨ anzte von ganz dunklem Schwarz. Braun war die dritte sodann, die vierte scheckig gemustert, Stiere und K¨ uhe gemischt, jede von anderer Zahl. Mit der Anzahl der Stiere verhielt es sich also: Die weißen Glichen den Braunen an Zahl und noch dem dritten Teil Samt der H¨ alfte der Schwarzen, o Freund, zusammengenommen. Weiter der schwarzen Menge war gleich dem vierten Teil Und dem f¨ unften der scheckigen, vermehrt um s¨ amtliche braune. Endlich der scheckigen Stiere Zahl gleichsetzen Du musst, Freund, dem sechsten und auch dem siebten Teile der weißen, Noch gerechnet dazu s¨ amtlicher braunen Menge. Anders verhielt sich’s jedoch mit den weiblichen Rindern: Es waren Die mit weißlichem Haar gleich dem dritten Teil Und dem vierten der schw¨ arzlichen Rinder, der K¨ uhe wie Stiere. Ferner die schwarzen K¨ uhe waren dem vierten Teil Und dem f¨ unften der Herde der scheckigen gleich, wenn gerechnet Wurden sowohl die K¨ uhe als auch die Stiere dazu. Ebenso waren die scheckigen K¨ uhe ein F¨ unftel und Sechstel Aller mit braunem Haar, wenn zur Weide es ging. Endlich die braunen K¨ uhe ein Sechstel waren auch Siebtel Von der gesamten Herde, welcher weißlich das Haar. Kannst Du sagen genau, mein Freund, wie viele der Rinder Dort nun waren vereint, auch wie viele es gab K¨ uhe von jeder Farbe und wohlgen¨ ahrete Stiere, Dann recht t¨ uchtig f¨ urwahr nennet im Rechnen man Dich. Doch noch z¨ ahlt man Dich nicht zu den Weisen; aber wohlan nun, Komm und sage mir an, wie sich dies weiter verh¨ alt: Wenn die ganze Zahl der weißen Stiere und der schwarzen Sich vereint, alsdann standen geordnet sie da Gleich nach Tiefe und Breite; die weiten Fluren Siziliens Wurden v¨ ollig erf¨ ullt durch die Menge der Stiere, Stellte man aber zusammen die braunen und scheckigen, alsdann Wurde ein Dreieck erzeugt, einer stand an der Spitze, Und es fehlte keiner der braunen und scheckigen Stiere, Noch darunter man fand einen von anderer Farbe. Hast du auch dies ausfindig gemacht und im Geiste erfasset, Gibst das Verh¨ altnis mir an, Freund das bei jeder Herde Findet statt, dann magst du stolz als Sieger einhergehn, Denn hell strahlet Dein Ruhm nun in der Wissenschaft. Tabelle 2.2. Die Rinder des Helios

2.2 Das Lied der Herden von Nanna

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Abb. 2.2.4. Originalmanuskript des Rinderproblems aus der Herzog August Bibliothek Wolfenb¨ uttel.

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2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern Der Herrscher der Welt, der Gott Israels, sagt: Jetzt rechne ich ab ” ¨ mit Amon, dem Gott von Theben, mit Agypten und all seinen G¨ ottern und K¨ onigen, mit dem Pharao und allen, die sich auf ihn verlassen! Ich liefere sie ihren Todfeinden aus: dem K¨onig Nebukadnezzar von Babylonien und seinem Heer!

Babylonische Astronomie Ein Gebiet, auf dem der babylonische Einfluss auf die griechische Kultur unumstritten ist, ist die Astronomie. Bereits Thales, der auf seinen Bildungs¨ reisen nach Agypten die ersten Kenntnisse der Geometrie nach Griechenland gebracht hat, hat sich einen Großteil seines Ruhms durch die Vorhersage einer Sonnenfinsternis im vierten Jahr der 48. Olympiade (eine solche fand am 22. Mai 585 statt) erworben, was die Griechen, die keine Tradition der genauen Himmelsbeobachtung hatten, außerordentlich beeindruckt hat. Welcher Anteil an dieser Geschichte auf historischen Fakten beruht ist allerdings unklar. Wie sehr Zufallsfunde unser Bild u ¨ber den Wissensstand antiker Kulturen u ¨ber den Haufen werfen k¨onnen belegt kein Ereignis mehr als ein Fund25 vor der griechischen Insel Antikythera zwischen der Peloponnes und Kreta. Im Jahre 1900 fanden Taucher dort auf dem Wrack eines Schiffes, das zwischen 80 und 65 v. Chr. untergegangen sein muss, neben Bronzestatuen, Juwelen, Amphoren und T¨opfereien einen Klumpen aus Bronze, in dem noch einige Zahnr¨ader sichtbar waren. Bereits 1905 kam Albert Rehm zum Schluss, dass es sich dabei um ein astronomisches Ger¨at handeln m¨ usse, und heute weiß man, dass der Mechanismus mit u ¨ber 30 Zahnr¨adern eine kalendarische Funktion hatte und auch der Anzeige von Mond- und Sonnenfinsternissen diente. ucke, die Robert Eisler26 hat bemerkt, dass manche astronomischen Ausdr¨ ¨ sich bereits bei Demokrit finden, mehr oder weniger w¨ ortliche Ubersetzungen von Redewendungen sind, wie sie sich auf vielen Keilschrifttafeln nachweisen lassen. Ptolem¨aus hat in seinem Almagest auch babylonische Beobachtungen einfließen lassen, die ja viel weiter zur¨ uckreichten als die griechischen. In der Tat gehen viele Namen f¨ ur Sternbilder und Tierkreiszeichen (unter anderen Stier, Zwillinge, Krebs, und Fische27 ) auf die Babylonier zur¨ uck, weil Ptolem¨aus im Almagest deren Bezeichnungen im wesentlichen u ¨bernahm. Eine ganz erstaunliche Spur des babylonischen Sexagesimalsystems hat Kim Plofker28 in alten indischen Quellen entdeckt: In den Satapatha-Brahmana29 25 Siehe [Henriksson 2014]. Inzwischen sind die B¨ ucher [Lin & Yan 2016] und [Jones 2017] erschienen. 26 Siehe [Eisler 1918]. 27 Siehe [Ossendrijver 2008]. 28 [Plofker 2008]. 29 Siehe [Eggeling 1897, S. 349–351].

¨ 2.3 Agypten: Geburtshelfer der griechischen Mathematik

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stehen 720 Ziegel f¨ ur den K¨orper von Pragapati (das Jahr). In dem langen Text teilt Pragapati seinen K¨orper in 2 · 360 Ziegel, dann in 3 · 240, 4 · 180, 5 · 144 und 6 · 120; danach steht die Bemerkung, dass er sich nicht siebenfach geteilt hat, und dann geht es weiter. Nat¨ urlich teilt er sich auch nicht in 11, 13, 14, 17, 19, 21, 22, 23 Teile, und als er sich in 24 · 30 Teile zerlegt hat, ist er endlich zufrieden. Der Text selbst ist wohl eine mythologische Erkl¨ arung ¨ der Anzahl der Tage im Jahr und im Monat; die Ahnlichkeit mit der Art, wie babylonische Reziprokentafeln konstruiert sind, ist verbl¨ uffend. ahnt werden, In diesem Zusammenhang mag auch die Tafel30 BM 47361 erw¨ die in Babylon ausgegraben wurde und auf der zwischen dem babylonischen Text Spuren eines indischen Alphabets zu erkennen sind.

¨ 2.3 Agypten: Geburtshelfer der griechischen Mathematik Der Turm von Babel ist l¨angst verfallen, die Pyramiden von Gizeh stehen ¨ noch. W¨ahrend die architektonischen Meisterleistungen der Agypter die Jahrtausende u ¨berdauert haben, sind uns auf dem Gebiet der Mathematik eher die babylonischen Leistungen erhalten geblieben. Dies liegt daran, dass die Babylonier auf Ton geschrieben haben, der trocken gelagert problemlos Jahr¨ tausende u dagegen Papyrus benutzten, einen aus ¨berstehen kann, die Agypter der Papyrus-Staude gewonnenen Stoff, der naturgem¨ aß viel schneller zerf¨ allt. Das sp¨arliche Material, das uns erhalten ist, zeigt nicht das anspruchsvolle Niveau, auf dem sich die babylonische Mathematik bewegt. Einen Hinweis ¨ darauf, dass wir die wissenschaftlichen Leistungen der Agypter vermutlich 31 eher untersch¨atzen ist die Entdeckung , dass eine der Grundlagen des Kalenders f¨ ur Gl¨ ucks- und Pechtage die Helligkeitsschwankungen des Sterns Algol war. Dies ist ein Doppelsternsystem, und zwar ein bedeckungsver¨ anderlicher Stern; dessen Helligkeitsschwankungen mit einer Periode von etwas weniger als 3 Tagen lassen sich mit bloßem Auge beobachten, und es hat den Anschein, als ¨ w¨are dies den Agyptern des Neuen Reichs um 1200 v. Chr. bekannt gewesen. ¨ Wiewohl die Agypter in geometrischen Angelegenheiten als Lehrer der Griechen sicherlich ihren Platz in der Geschichte der Mathematik haben, sieht es ¨ auf zahlentheoretischem Gebiet deutlich bescheidener aus. Uber die uns be¨ kannten zahlentheoretischen Leistungen der alten Agypter gibt es nicht viel zu sagen. Es ist die Rolle der Stadt Alexandria als geistiges Zentrum der Antike 30

[Finkel & Seymour 2008, S. 90]; vgl. auch [Pinches 1883] f¨ ur die Transkription dieses Kontrakts, in dem es um den Verkauf einer Sklavin von drei M¨ annern an einen vierten geht. 31 Siehe etwa [Porceddu et al. 2008] .

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2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

w¨ahrend der Hochbl¨ ute der griechischen Kultur, die uns verbietet, sang- und 32 ¨ hinwegzugehen. klanglos u ¨ber das Kapitel Agypten Dass der Beginn der Geschichte Alexandrias mit dem Zeitpunkt zusammenf¨allt, an dem die Geschichte Babylons endet, mag man als Zufall abtun. Aber nat¨ urlich hat diese neue Stadt nicht nur H¨ andler angezogen – die Gr¨ undung der Bibliothek, die sich innerhalb kurzer Zeit zur gr¨ oßten Bibliothek der Antike33 entwickelte, ist zum einen ein Nachhall auf die Anlage von Keilschriftbibliotheken in der neubabylonischen Zeit, zum andern nat¨ urlich ei¨ ne Einladung an Wissenschaftler aus den an Agypten angrenzenden Reichen. Hinweise auf einen regen wissenschaftlichen Austausch zwischen der griechischen und der ¨agyptischen Kultur findet man im griechisch geschriebenen Papyrus Hibeh 27, das aus der Zeit um 300 v. Chr. stammt34 : In Sais35 gibt es einen weisen Mann, von dem wir viel gelernt haben, denn wir haben f¨ unf Jahre dort verbracht. Er hat uns mit einem Zylinder aus Stein, den die Griechen Gnomon nennen, die Theorie erkl¨ art und deren Anwendungen gezeigt. ¨ Eine ganz andere Verbindung zwischen Griechenland und Agypten l¨ auft u ¨ber die minoische Kultur auf Kreta zwischen 3300 und 1100 v. Chr.; diese geh¨ ort zu den ¨altesten bekannten Kulturen im nord¨ ostlichen Teil des Mittelmeers. Die beiden Schriftarten auf dem minoischen Kreta zwischen 2000 und 1500 v. Chr., n¨amlich Linear A und die kretischen Hieroglyphen, sind bis heute nicht entziffert, w¨ahrend mit der der Silbenschrift Linear B, die von der mykenischen Kultur ab 1600 v. Chr. benutzt wurde, eine fr¨ uhe Form des Griechischen geschrieben wurde. ¨ Uber mathematische Leistungen der minoischen und mykenischen Kulturen ist wenig bis nichts bekannt; Sarton36 erw¨ahnt einige Prozenttafeln“, in denen ” ¨ es wohl um Abgaben und Steuern ging. Interessanter sind die Ahnlichkeiten zwischen einigen Symbolen der minoischen Schriften und den ¨ agyptischen Hie¨ roglyphen, auf die Evans37 hinweist. Die Ahnlichkeit zwischen dem minoischen 32 Wichtige Quellen f¨ ur das Verst¨ andnis des uns bekannten Teils der a ¨gyptischen Mathematik sind [Eisenlohr 1877], [Peet 1923], [Chace 1929], [Vogel 1929], [van der Waerden 1954], [Gillings 1972], [Robins & Shute 1987], sowie [Imhausen 2006, Imhausen 2016]; f¨ ur sch¨ ulergerechte Einf¨ uhrungen verweisen wir auf [Lehmann 1992] und [Reimer 2014]. [Clagett 1999] ist Teil eines mehrb¨ andigen Werks u ¨ber die Ent¨ wicklung der ¨ agyptischen Wissenschaften und bringt Ubersetzungen der wichtigsten mathematischen Papyri. 33 Siehe [Canfora 1998]. Die andere bekannte Bibliothek der Antike wurde in Pergamon (heute Bergama in der T¨ urkei) etwa ein Jahrhundert nach Alexandria gegr¨ undet. 34 Siehe [Grenfell & Hunt 1906, S. 151], sowie [Fowler & Turner 1983]. 35 Sais ist der griechische Name einer alt¨ agyptischen Stadt im Nildelta. 36 Siehe [Sarton 1936]. 37 Vgl. die Tabelle in [Evans 1921, S. 280].

¨ 2.3 Agypten: Geburtshelfer der griechischen Mathematik

3000

¨ Agypten

Mesopotamien

Bildung eines Reichs

Sumerische Stadtstaaten

59

2700 Altes Reich, Bau der Pyramiden Einwanderung der Akkader 2000 Mittleres Reich Neusumerisches Reich; Sexagesimalsystem 1900 Papyrus Rhind Altbabylonisches Reich, Hammurabi 1600 Hyksos u Hethiter und Kassiten ¨bernehmen die Macht 1200 Aufstieg Assyriens 539 Kyros erobert Babylon ¨ 525 Perser erobern Agypten ¨ 332 Alexander erobert Agypten 330 Herrschaft der Ptolem¨ aer

Alexander erobert Babylon Herrschaft der Seleukiden

¨ Tabelle 2.3. Agypten und Mesopotamien

und ¨agyptischen Symbol f¨ ur Leben und dem heute noch gebr¨ auchlichen Symbol f¨ ur die Venus und das weibliche Geschlecht ist kaum zu u ¨bersehen. ¨ Agyptische Hieroglyphen ¨ etwa um 3000 v. Chr. auf. Die ¨ alteste Die Hieroglyphen38 kamen in Agypten unger als die babylonische. Es f¨ allt ¨agyptische Schrift ist also nur unwesentlich j¨ schwer, bei einem solchen zeitlichen Zusammenfallen an Zufall zu glauben; sollte man nicht annehmen, die Nachricht von der Erfindung einer Schrift in Sumer habe sich wie ein Lauffeuer unter den Nationen verbreitet, mit denen Sumer damals Handel trieb? Die Nachricht allein k¨ onnte gen¨ ugt haben, um die ¨ Agypter ebenfalls zur Entwicklung einer Schrift anzuregen, die u ¨ber einfache Buchhaltung hinaus ging. Die Entschl¨ usselung der Hieroglyphen gelang erst Jean-Fran¸cois Champollion um 1820 mit Hilfe des in der N¨ahe der Stadt Rosetta aufgetauchten RosettaSteins, auf dem dieselbe Inschrift in Hieroglyphen, sowie in demotischer und griechischer Schrift eingemeißelt war. ¨ Das von den Agyptern benutzte Zahlensystem ist dezimal, aber kein Stellenwertsystem: sie ben¨otigten daher f¨ ur jede Potenz von 10 ein eigenes Symbol. Die folgende Tabelle gibt einige davon an:

38

Zahl

1

Hieroglyphe

| 2 3 4

10

100

1000

10 000

5

100 000 1 000 000

6 7

Das Erlernen von Lesen und Schreiben der Hieroglyphen ist etwas m¨ uhsam, wird aber in [Zauzich 1980] und [Wenzel 2001] sehr gut erkl¨ art.

60

2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

¨ Weiter waren den Agyptern auch Br¨ uche bekannt; außer 23 und bisweilen 34 hatten sie aber in ihren Papyri nur eine Notation f¨ ur Stammbr¨ uche, also solche mit Z¨ahler 1. Um den Bruch 15 zu bezeichnen, schrieben sie u ¨ber die Zahl 5 ein Symbol, das einem offenen Mund ¨ahnelt. Beliebige Br¨ uche wurden als Summe von Stammbr¨ uchen geschrieben, wobei in einer Summe kein Stammbruch zweimal benutzt wurde. Wie es scheint, hat bisher niemand ein einfaches System hinter der Wahl der Nenner gefunden, die Ahmes benutzt hat. Der gierige Algorithmus“, bei dem die Nenner p, q, ” . . . in der Darstellung ab = p1 + 1q + . . . dadurch gefunden werden, dass man 2 2 1 auf 13 = 17 + 91 f¨ uhren, diese Zahlen so klein wie m¨oglich w¨ahlt, w¨ urden f¨ ur 13 2 1 1 1 ahlt w¨ahrend Ahmes im Papyrus Rhind die Darstellung 13 = 8 + 52 + 104 gew¨ hat. Ein m¨oglicher Grund k¨onnte darin liegen, dass 18 im Dezimalsystem ein eine ganze Zahl ist. etwas angenehmerer Bruch ist als 17 , weil 1000 8 ¨ Neben den Hieroglyphen benutzten die Agypter noch eine Art Schreib” schrift“, n¨amlich das Hieratische, das man auf Papyrusrollen in vielen K¨ onigsgr¨abern fand, sowie ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. die demotische Schrift, die im t¨aglichen Leben verwendet wurde und die man den Schreiberlehrlingen zuerst beibrachte. Die demotische Schreibweise der Zahlen d¨ urfte die Entwicklung der griechischen Zahlschrift beeinflusst haben39 .

¨ Die Mathematik der Agypter ¨ Das Niveau der Mathematik der Agypter, soweit sie uns u ¨berliefert ist, ist deutlich bescheidener als das der babylonischen Mathematik. Man muss sich ¨ bei einem Urteil u allerdings ¨ber die mathematischen F¨ahigkeiten der Agypter vor Augen halten, dass die Quellen, aus denen wir sch¨ opfen k¨ onnen, ¨ außerst sp¨arlich sind, denn außer einigen wenigen Papyri kennen wir nichts. Außerdem konnten diese Papyri naturgem¨aß nur im W¨ ustenklima Ober¨ agyptens die Jahrtausende u ¨berleben, nicht aber im feuchten mediterranen Klima in der Gegend des Nildelta. Es ist kein Zufall, dass die beiden wichtigsten noch erhaltenen Papyri aus Luxor und Theben stammen. ¨ Zahlentheoretische Erkenntnisse aus dem alten Agypten sind uns nicht u ¨berliefert. F¨ ur die moderne Zahlentheorie interessant ist allerdings die ¨ agyptische Methode der Multiplikation. Die Aufgabe 13·12 = 156 wird im Papyrus Rhind wie folgt vorgerechnet (rechts die Rechnung im Dezimalsystem): ||2 1 | || ||||2 2 2 ||||||||2 2 2 2 4 |||| |||||||| ||||||2 2 2 2 2 2 2 2 2 8 |||2 ||||||2 2 2 2 2 3 13 39

Siehe [Chrisomalis 2003].

12 24 48 96 156

¨ 2.3 Agypten: Geburtshelfer der griechischen Mathematik

61

Der Multiplikand 12 wird immer wieder verdoppelt, ebenso die 1, und zwar so lange, bis man den ersten Faktor 13 als Summe der Zweierpotenzen schreiben kann: wegen 13 = 1 + 4 + 8 ist 13 · 12 = (1 + 4 + 8) · 12 = 12 + 48 + 96 = 156. Dabei wurde diese Regel nicht sklavisch angewandt, sondern mit andern Tricks verkn¨ upft, etwa durch Zuhilfenahme der einfach auszuf¨ uhrenden Multiplikation40 mit 10. Auf dem demotischen Papyrus Heidelberg 663 etwa wurde das Produkt 13·17 durch Anwendung des Distributivgesetzes berechnet, also die Produkte 10 · 17, 3 · 10, 7 · 10 und 3 · 7 addiert41 . ¨ Der Trick der Agypter steckt u ¨brigens hinter der schnellen Berechnung von Potenzen: Um x17 zu bestimmen, berechnen wir x2 , x4 , x8 , x16 durch wiederholtes Quadrieren (daf¨ ur brauchen wir vier Multiplikationen) und berechnen unf Multiplikationen (statt 16) aus! dann x17 = x16 · x. Wir kommen also mit f¨ Außer elementarer Arithmetik ist an ¨agyptischer Zahlentheorie fast nichts u ¨berliefert, jedoch offenbart auch in diesem Fall der Umgang mit ganzzahligen ¨ rechtwinkligen Dreiecken, dass den Agyptern neben dem Satz des Pythagoras auch einfache pythagoreische Tripel bekannt waren; allerdings stammen die Papyri, in denen es um den Satz des Pythagoras geht, erst aus der Zeit nach Euklid. Ein h¨ ubsches Beispiel hierf¨ ur liefert ein Trapez auf dem Chicago Papyrus42 . In diesem Fall ist die Aufgabe erhalten, die Zeichnung des dazugeh¨origen Trapezes dagegen nicht. Gegeben sind die Seitenl¨ angen 2 und 16 der parallelen Seiten, und die Seitenl¨angen 13 und 15 der beiden Schenkel. ¨ Die Berechnung der Fl¨ache des Trapezes ist eine sch¨ one Ubungsaufgabe; wir wollen uns dagegen ansehen, wie die Aufgabe erstellt worden ist. 2

13

15

16

13

15

5

2

9

Abb. 2.3.1. Trapez mit den Seitenl¨ angen 2, 13, 16 und 15 samt Zerlegung in ein Rechteck und zwei rechtwinklige Dreiecke. 40

Eine sehr empfehlenswerte Einf¨ uhrung in das ¨ agyptische Rechnen findet man in [Reimer 2014]. 41 Siehe [Imhausen 2016, S. 186]. 42 Siehe [Friberg 2005a, S. 222] und [Dilke 1987, S. 18]. Er wird ungef¨ ahr auf das ersta Jahrhundert n. Chr. datiert.

62

2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

Das Trapez in dieser Aufgabe ist aufgebaut aus dem pythagoreischen Dreieck (5, 12, 13), an das ein Rechteck mit Grundseite 2 und H¨ ohe 12 geklebt ist und daran das mit dem Faktor 3 gestreckte pythagoreische Dreieck (3, 4, 5), das man sich aus dem linken Dreieck (5, 12, 13) und dem schiefen Dreieck mit den Seitenl¨angen 4, 13 und 15 zusammengesetzt denken kann. Auch die Aufgabe 28 aus dem Papyrus Rhind weckt Erinnerungen an die babylonische Mathematik. Sie lautet43 : Ein Haufen und zwei Drittel, davon ein Drittel weggenommen ergibt 10. Wie groß ist der Haufen? ¨ Ubersetzt in unsere algebraische Schreibweise ist also die Gleichung 

2  1 2  x+ x − x + x = 10 3 3 3

zu l¨osen. Die algebraische Umformulierung erleichtert die Arbeit allerdings nicht, denn die L¨osung ergibt sich viel einfacher durch R¨ uckw¨ artsarbeiten: Wenn das Abziehen eines Drittels 10 ergibt, muss die Gr¨ oße zuvor 1,5-mal so groß gewesen sein, also 15. Dies wiederum sind 53 des Haufens, also ist die gesuchte Antwort 35 · 15 = 9. Uns geht es hier allerdings nicht in erster Linie um die L¨ osung der Aufgabe, sondern um die Aufgabe selbst. Diese hat n¨ amlich eine verbl¨ uffende ¨ Ahnlichkeit mit Aufgaben, wie wir sie aus dem babylonischen Raum kennen. Auf der Keilschrifttafel YBC 4652 findet man eine Reihe von Problemen, von denen das komplizierteste das folgende ist: Ich habe einen Stein gefunden und nicht gewogen. Ein Siebtel davon habe ich abgeschlagen, ein Elftel vom Rest hinzugef¨ ugt, und davon ein Dreizehntel wieder weggenommen; dann wog er 1 Mina. Wie viel wog der ganze Stein? ¨ Auch hier liefert die Ubertragung in unsere algebraische Schreibweise eine recht komplexe Gleichung: 1 1  1 1 1 1  1 x− x − x− x+ x − x = 1. x− x+ 7 11 7 13 7 11 7

(2.1)

Die Babylonier k¨onnten diese Aufgabe entweder mit der Methode des falschen Ansatzes oder durch R¨ uckw¨artsrechnen gel¨ost haben. In jedem Fall ist hier eine weitere Parallele zwischen Aufgaben aus der babylonischen und der ur sich allein genommen vielleicht nicht ¨agyptischen Kultur zu sehen, die f¨ viel besagt, aber zusammen mit anderen Beispielen doch einen gegenseitigen Einfluss nahelegt. 43

Siehe [Chace 1929, Plate 51], [Vogel 1958, S. 56] und [Friberg 2005a, S. 30].

2.4 Indien

63

Endlich wollen wir noch den Papyrus44 Heidelberg 663 erw¨ ahnen, der etwa auf das erste vorchristliche Jahrhundert datiert wird. Auf diesem Papyrus wird die babylonische Technik der Trapezhalbierung benutzt. Die Zahlen sind dabei aber nicht so gew¨ahlt, dass die L¨osungen rational werden. Die halbierende Transversale des Trapezes mit den Seiten a = 2 und b = 18 wird n¨aherungsweise zu  22 + 182 11 1 ≈ 12 2 2 4 16 bestimmt.

2.4 Indien Die Mathematik des alten Indien – wir reden hier von der Zeit zwischen 800 und 400 v. Chr. – stand im Dienste der Religion: Bei der Konstruktion von Alt¨aren wurden unter Anderem pythagoreische Dreiecke benutzt, und das macht sie auch f¨ ur die Geschichte der Zahlentheorie interessant. In den Sulbasutras45 findet man die folgenden beiden Aussagen: •

Die Diagonale eines Rechtecks bringt beides hervor, was die l¨ angere und die k¨ urzere Seite desselben, jede f¨ ur sich, hervorbringen.



Die Diagonale eines Quadrats bringt eine doppelt so große Fl¨ache hervor. √ Als Approximation f¨ ur 2 wurde der Wert 1+

1 1 577 1 + − = ≈ 1,4142157 3 3 · 4 3 · 4 · 34 408

genannt, der auf der Gleichung46 5772 − 2 · 4082 = 1 beruht: aus √ √ √ 1 12 2 = 288 = 289 − 1 ≈ 17 − 34 folgt dieser N¨aherungswert durch Division durch 12. Heinrich Vogt47 beschreibt, wie die Ver¨offentlichung des Apastamba-SulbaSutra durch Albert B¨ urk48 Anfang des 20. Jahrhunderts die damals vorherrschende Meinung widerlegt habe, wonach die Mathematik der Inder auf die Griechen zur¨ uckgehe, und untersucht jetzt umgekehrt, ob vielleicht die Inder 44 Zuerst ver¨ offentlicht wurde er von [Parker 1975]. Die Erkl¨ arung der Rechnungen findet man bei [Friberg 2005a, Sect. 3.7]. 45 [Plofker 2009, S. 20] 46 [Datta & Singh 1993] befassen sich mit indischen Approximationen f¨ ur Quadratwurzeln. 47 [Vogt 1906]. 48 Siehe [B¨ urk 1901] .

64

2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

die Lehrmeister der Griechen gewesen sein k¨onnten. Angesichts der Leistungen der Babylonier, die damals noch g¨anzlich unbekannt waren, ist dies wohl die falsche Frage. Die Konstruktion der Alt¨are (eine der bekanntesten Konstruktionen ist die des Mahavedi49 , also des großen Altars“) in den vedischen Schriften wurden ” nicht mit Zirkel und Lineal durchgef¨ uhrt, sondern durch das Spannen von Seilen. Zur Konstruktion eines pythagoreischen Dreiecks (a, b, c) wurde die Strecke a = BC abgesteckt und an den Ecken B und C ein Seil der L¨ ange b + c befestigt, auf dem die Strecken b und c durch einen Punkt A markiert waren. Dann wurde das Seil so gespannt, dass ein Dreieck ABC mit den Seiten a, b und c entsteht, und dieses Dreieck besitzt dann wegen a2 + b2 = c2 einen rechten Winkel in C. D

F

C

D

F

M

A

E

C

M

B

A

E

B

Abb. 2.4.1. Der aus pythagoreischen Dreiecken zusammengesetzte Mahavedi-Altar: gelb (15,20,25), gr¨ un (12,16,20), rot (15,36,65).

Der Mahavedi hat die Form eines Trapezes, das aus diversen rechtwinkligen Dreiecken konstruiert wird. Darin sind AEM und BEM pythagoreische Dreiecke, und zwar mit dem Faktor 5 gestreckte Dreiecke (3, 4, 5). Entsprechend sind CF M und DF M mit dem Faktor 4 gestreckte Dreiecke (3, 4, 5), was daf¨ ur sorgt, dass die Geraden BM und M D die gleiche Steigung besitzen. Dar¨ uber hinaus entpuppen sich AEF und BEF als mit dem Faktor 3 gestreckte pythagoreische Dreiecke (5, 12, 13). Es ist schwer, bei der Komposition von pythagoreischen Dreiecken zu Trapezen nicht an einen babylonischen Einfluss zu denken; auch die Konstruktion rechtwinkliger Dreiecke mit Faden oder Seilen erinnert sehr an die Harpedo¨ napten (Seilspanner) Agyptens, sodass wir uns einmal mehr die Frage stellen 49

Vgl. [Dani 2003] und [Plofker 2009, S. 26].

2.5 China

65

sollten, ob diese nicht doch gr¨oßere Kenntnisse der Geometrie besessen haben als die notwendigsten Grundlagen der Feldmessung50 . Auch in Indien existieren alte Geschichten, die Parallelen in den babylonischen und biblischen Erz¨ahlungen haben. Die Geschichte, wonach Sargon I. von seiner Mutter, einer Priesterin des Sonnengotts Schamasch, in einem kleinen Boot auf dem Fluss ausgesetzt wurde, erscheint in der Bibel im Zusammenhang mit Moses, und k¨onnte auch Pate f¨ ur die Geschichte des Karna in den indischen Mahabharata gestanden haben: Karnas Mutter, Prinzessin Pritha, empfing diesen vom Sonnengott Surya und setzte ihn nach seiner Geburt in einem Boot auf dem Ganges aus51 , bevor er von einer Frau gefunden und aufgezogen wurde, um sp¨ater K¨onig zu werden.

2.5 China ¨ Wie in Mesopotamien, Agypten und Indien beginnen Chinesen ab 3000 v. Chr., entlang der großen Fl¨ usse zu siedeln. Ungef¨ahr zur selben Zeit wie anderswo Pythagoras, Zarathustra und Buddha verbreitet Konfuzius seine Lehren in China. Der erste Kaiser Shi-Huang-ti eint große Teile von China im 3. Jahrhundert v. Chr., und es beginnt der Bau der chinesischen Mauer. Mit dem Beginn der Han-Dynastie um 206 v. Chr. geht die erste Hochbl¨ ute der chinesischen Kultur einher. Das Zahlensystem52 der Chinesen ist grob vergleichbar mit dem ¨ agyptischen: es ist dezimal aufgebaut, und die Zehnerpotenzen haben eigene Symbole. Die Einer werden durch St¨abchen repr¨asentiert, mit denen man auch auf (den sp¨ater entwickelten) Rechenbrettern einfache Additionen und Multiplikationen ausf¨ uhren kann. Zu den wichtigsten Werken der chinesischen Mathematik aus dem ersten Jahrtausend v. Chr. z¨ahlen die Neun B¨ ucher arithmetischer Technik, das Chiu Chiang Suan Shu53 . Dieses Buch stammt aus der fr¨ uhen Han-Zeit der letzten beiden vorchristlichen Jahrhunderte, ist uns aber nur durch eine Kommentierung von Liu Hui aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. bekannt. Dieses Werk enth¨alt eine ganze Reihe erstaunlicher mathematischer Techniken, etwa zum L¨osen linearer Gleichungssysteme. 50 In [Seidenberg 1962] wird der Religion (insbesondere der indischen) das Hauptmotiv bei der Entwicklung der Geometrie zugesprochen. Eine Szene aus den V¨ ogeln des Aristophanes, welche viele Kommentatoren als Anspielung auf die Quadratur des Kreises gesehen haben, interpretiert Seidenberg als Verspottung der indischen Religion; deutlich naheliegender ist die Meinung von [Heath 1921, I, S. 220], der dahinter eine Beschreibung der allt¨ aglichen Arbeit eines Landvermessers sieht. 51 Siehe [MacKenzie 2005, Kap. VI]. 52 [Lam & Ang 1992] haben die Entwicklung des Zahlensystems und der Grundrechenarten in China detailliert untersucht. 53 Siehe [Vogel 1968], [Chemla & Guo Shuchun 2004], sowie [Swetz 1972] und [Lam 1994].

66

2 Von Nannas Herden zu Helios’ Rindern

Abb. 2.5.1. Berechnungen von L¨ angen mit Hilfe des Gnomonsatzes, vor allem im Zusammenhang mit quadratischen oder kreisf¨ ormigen St¨ adten, kommen in den Neun B¨ uchern wiederholt vor. Diese Illustration stammt aus einem Buch von Li Zhi.

Die Kreisberechnungen im Chiu Chiang Suan Shu ¨ ahneln den babylonischen: Unter den verschiedenen Regeln f¨ ur die Berechnung des Fl¨ acheninhalts eines Kreises findet man auch, dass das Quadrat des Umfangs durch 12 zu dividieren sei. Generell liefern die angegebenen Regeln den Wert π = 3; die Kommentare von Liu Hui54 zeigen, dass diesem der bessere Wert π = 157/50 = 3,14 bekannt gewesen ist. Ebenfalls wie bei den Babyloniern berechneten auch die Chinesen Volumina von Quadern, Prismen, Kegeln, Pyramiden und Pyramidenst¨ umpfen im Zusammenhang mit Erdaushub oder Kornhaufen. Auch bei den geometrisch interpretierten L¨osungen quadratischer Gleichungen oder der Berechnung von Quadrat- und Kubikwurzeln findet man sehr viele Parallelen zu babylonischen Aufgaben und Techniken. F¨ ur die Zahlentheorie interessant sind die Aufgaben, welche rechtwinklige Dreiecke betreffen. Auch in den Neun B¨ uchern sind die Seitenl¨ angen so gew¨ahlt, dass die Ergebnisse rational werden. In der ersten Aufgabe des IX. Buchs geht es um das rechtwinklige Dreieck (3, 4, 5). Im 4. Problem soll aus einem Rundholz mit dem Durchmesser 25 Zoll ein rechteckiges Holz mit der Dicke 7 Zoll ausges¨agt werden, dem das rechtwinklige Dreieck (7, 24, 25) zugrunde liegt; das Dreieck (5, 12, 13) schließlich taucht in Aufgabe 15 auf. 54

Siehe [Duvinage 1997].

2.5 China

67

Die Aufgaben zum Satz des Pythagoras in den Neun B¨ uchern beschr¨ anken sich nicht auf die Berechnung der fehlenden Seite in einem rechtwinkligen Dreieck, sondern verlangen zu ihrer L¨osung immer noch eine zus¨ atzliche Idee. So geht es in Aufgabe 5 um eine Schlingpflanze, die einen zylinderf¨ ormigen Baum mit 20 Fuß L¨ange und einem Umfang von 3 Fuß siebenmal umrundet; die Berechnung der L¨ange der Schlingpflanze f¨ uhrt auf das pythagoreische Dreieck (20, 21, 29).

Aufgaben 2.1 Erkl¨ are die Eintr¨ age in der Tabelle 2.2.3. 2.2 (Chiu Chang Suan Shu) Aus einem runden Baumstamm mit einem Durchmesser von 25 Zoll soll ein m¨ oglichst großer rechteckiger Balken ges¨ agt werden, dessen eine Seite 7 Zoll lang sein soll. Wie lang ist die andere Seite? 2.3 (Chiu Chang Suan Shu) Ein zylinderf¨ ormiger Baum hat einen Umfang von 3 Fuß und eine H¨ ohe von 20 Fuß. An seinem Fuß w¨ achst eine Schlingpflanze, die den Baum in genau 7 Uml¨ aufen umrundet. Wie lang ist die Pflanze? 2.4 (Chiu Chang Suan Shu) Man hat ein rechtwinkliges Dreieck mit Katheten der L¨ angen 5 und 12. Wie groß ist das dem Dreieck einbeschriebene Quadrat? 2.5 (Chiu Chang Suan Shu) Man hat ein rechtwinkliges Dreieck mit Katheten der L¨ angen 8 und 15. Welchen Radius hat der Inkreis des Dreiecks? 2.6 (Chiu Chang Suan Shu) Die H¨ ohe einer T¨ ure ist 68 Zoll gr¨ oßer als ihre Breite. Ihre beiden Ecken sind 100 Zoll voneinander entfernt. 2.7 L¨ ose die Gleichung (2.1) a) mit Hilfe des falschen Ansatzes; b) durch R¨ uckw¨ artsrechnen; c) mit Algebra (mit bzw. ohne Substitution).

3

Die Zahlentheorie der Griechen

¨ Abb. 3.0.1. Die erste deutsche Ubersetzung der ersten sechs B¨ ucher der euklidischen Elemente durch Simon Marius.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_3

70

3 Die Zahlentheorie der Griechen

Gegen Ende des zweiten Jahrtausends v. Chr. begannen die Griechen, an vielen Orten vor allem an der Nord- und der Ostk¨ uste des Mittelmeers Handelsniederlassungen und Siedlungen zu gr¨ unden. Zu diesen St¨ adten geh¨ oren Marseille ebenso wie Neapel (Neapolis bedeutet Neustadt), St¨ adte in S¨ uditalien und vor allem in Kleinasien. Die haupts¨achlichen Konkurrenten der Griechen im Kampf um den Handel im Mittelmeer zu Beginn des letzten vorchristlichen Jahrtausends waren die Ph¨onizier, deren Name im Griechischen Pate f¨ ur das Wort purpur” rot“ gestanden hat: Der Handel mit von Purpurschnecken gef¨ arbten Kleidungsst¨ ucken war eine der wichtigsten ph¨onizischen Einnahmequellen1 . Die Ph¨onizier, die aus der Gegend des heutigen Libanon stammten, siedelten vor allem im s¨ udwestlichen Teil des Mittelmeers. Durch ihre Siedlungen (zu den bekanntesten geh¨ort Karthago) in der N¨ahe der Straße von Gibraltar konnten die Ph¨onizier den Handel an dieser Meerenge kontrollieren. Die Begegnung mit den Ph¨oniziern war f¨ ur die Griechen pr¨ agend: Ihnen verdanken sie ihr Alphabet, ohne das Homer ebenso wenig denkbar gewesen w¨ are wie die gewaltigen Fortschritte der Mathematik zwischen Thales und Diophant. Die Ph¨onizier benutzten etwa seit dem 18. Jahrhundert v. Chr. eine Schrift; die Byblos-Schrift ist sehr wahrscheinlich eine Silbenschrift und wurde bisher nicht entziffert, vor allem weil nur zehn derartige Inschriften bekannt sind. Das ph¨onizische Alphabet entstand um 1200 v. Chr. und wurde zur Vorlage f¨ ur das aram¨aische, arabische, hebr¨aische und griechische Alphabet. Auch die indische Brahmi-Schrift d¨ urfte nicht unabh¨ angig hiervon entstanden sein: Die ¨altesten bekannten Funde stammen aus der Zeit des Kaisers Ashoka aus dem 3. Jahrhundert v. Chr., sind teilweise mehrsprachig und enthalten auch aram¨aische und griechische Inschriften. Das Symbol f¨ ur den ersten Buchstaben A (aleph im Hebr¨ aischen bzw. alpha im Griechischen) geht auf einen stilisierten Stierkopf ∀ zur¨ uck, im dritten Buchstaben Γ (Gimel, Gamma) steckt der akkadische Wortstamm f¨ ur Kamel. Griechische Siedler brachten ihr Alphabet mit nach Norditalien, wo es von den Etruskern adaptiert wurde, von denen es wiederum die R¨ omer u ¨bernahmen. Innerhalb weniger Jahrhunderte hat sich so die Idee des Alphabets entlang der Handelswege und u ¨ber die ph¨onizischen und griechischen Kolonien auf den nord¨ostlichen Mittelmeerbereich bis nach Indien ausgebreitet.

3.1 Thales und Pythagoras Thales von Milet steht am Beginn der Erfolgsgeschichte der griechischen Mathematik. Er z¨ahlte zu den sieben Weisen, und ist zusammen mit Solon von 1

Auf der Keilschrifttafel BM 62788 aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. findet sich eine Gebrauchsanweisung zum F¨ arben von Wolle mit Purpur.

3.1 Thales und Pythagoras

71

Jh.

Mathematik

-8

Die ersten Olympischen Spiele finden statt. Hesiod schreibt die griechische Sch¨ opfungsgeschichte nieder, Homer die Ilias und die Odyssee. Thales von Milet bringt ¨ agyptisches Der Tunnel von Samos wird Wissen nach Ionien. Anaximander gebaut. Solon reformiert Kalender und Gesetze. benutzt den Gnomon. Pythagoras gr¨ undet eine Schule in S¨ uditalien.

-6

-5

-4

-3

-2

-1

1.-3.

Gesellschaft

Herodot schreibt seine Geschichte Griechenlands. Zenon von Elea greift die Lehre der Bewegung an. Demokrit begr¨ undet seine Theorie der Atome und lehrt die Kugelgestalt von Sonne und Mond. Aristophanes schreibt popul¨ are Theaterst¨ ucke. Sokrates wird zum Tode verurteilt. Platon gr¨ undet die Akademie von Theodoros und Theaetet Athen. Aristoteles unterrichtet untersuchen inkommensurable Alexander und gr¨ undet nach seiner Gr¨ oßen. Archytas befasst sich mit R¨ uckkehr nach Athen eine Schule der Verdopplung des W¨ urfels. im Lykeion. Eudemos von Rhodos Eudoxos entwickelt die Methode der Aussch¨ opfung und arbeitet eine schreibt eine Geschichte der Mathematik. Alexandria wird Theorie der Verh¨ altnisse aus. gegr¨ undet. Euklid aus Alexandria schreibt die Berossos schreibt seine Geschichte Elemente. Archimedes befasst sich Babylons. Aristarch lehrt mit Kreisen, Parabelsegmenten und Astronomie in Alexandria. Eratosthenes von Kyrene misst den der Kugel. Apollonios studiert Erdumfang. Kegelschnitte. Hypsikles von Alexandria teilt den Hipparch erstellt einen Katalog von Kreis in 360 Teile. Nikomedes und Fixsternen. Rom erobert Griechenland. Diokles untersuchen Kurven (Konchoide, Cissoide). ¨ Der mathematische Fortschritt Diodor bereist Agypten. Caesar bleibt unter r¨ omischer Herrschaft erobert Alexandria. Strabon (ca. 63 aus. v. Chr. – 23 n. Chr.) schreibt u ¨ber Geographie. Iamblichos schreibt eine Biographie Menelaos aus Alexandria und asst Nikomachos von Gerasa; Theon von von Pythagoras. Theodosius l¨ die heidnischen Tempel schließen. Smyrna erkl¨ art Platons Mathematik. In Alexandria schreibt Ptolem¨ aus u ¨ber Astronomie, Heron u ¨ber Logistik, Diophant seine Arithmetika, und Pappos studiert Geometrie. Zerschlagung des pythagoreischen Bundes. Oinopides von Chios bringt mathematische Probleme ¨ und deren L¨ osung aus Agypten mit. Anaxagoras versucht die Quadratur des Kreises. Hippokrates von Chios schreibt die ersten Elemente.

Tabelle 3.1. Zeittafel Griechenland

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

Athen sicherlich der bekannteste. Solon kann man am ehesten mit Hammurabi vergleichen: Wie dieser ist auch Solon als Gesetzgeber bekannt, und er hat die Schuldsklaverei in Athen abgeschafft. Wie weit die Zeit des Thales von der unseren entfernt ist zeigt ein Zitat, das Thales nach Diogenes Laertios von Hermipp von Smyrna in den Mund gelegt worden ist: F¨ ur diese drei Dinge bin ich dem Schicksal dankbar: Erstens, dass ich als Mensch geboren bin und nicht als wildes Tier; zweitens, dass ich als Mann geboren bin und nicht als Frau, und drittens, dass ich als Grieche geboren bin und nicht als Barbar. ¨ Uber ebendiesen Thales ist, wie u ¨ber fast alle griechischen Mathematiker der urfte um 624 v. Chr. geboren und zwischen Antike, recht wenig bekannt2 . Er d¨ 548 und 545 v. Chr. gestorben sein, jedenfalls wenn die Sonnenfinsternis, die er vorhergesagt haben soll (und die der Legende nach die Schlacht zwischen dem Heer des K¨onigs von Lydien, Alyattes, und dem des medischen K¨ onigs Kyaxares beendet haben soll), diejenige vom 28. Mai 585 v. Chr. gewesen ist. Die damals noch recht bescheidenen astronomischen Kenntnisse der Griechen lassen diese Geschichte allerdings zweifelhaft erscheinen. Emil Bachmann erz¨ahlt3 die Geschichte, wie Thales (nach Diogenes Laertios) den scheinbaren Sonnendurchmesser gemessen habe: Ein Krug nimmt Wasser aus einer gleichm¨aßig fließenden Quelle auf, w¨ ahrend die Sonne aufgeht, also ab dem Zeitpunkt, an dem ihre ersten Strahlen sichtbar sind, bis der untere Rand der Sonnenscheibe ebenfalls sichtbar ist. Danach l¨ asst man das Wasser in einen Trog fließen, bis der untere Sonnenrand am Tag darauf wieder sichtbar wird. Sch¨opft man das Wasser des Trogs nun mit Hilfe des Krugs aus, so stellt man fest, dass etwa 720 mal so viel Wasser im Trog ist wie im Krug selbst. Daher muss der Sonnendurchmesser etwa der 720te Teil des Vollkreises sein, was 30 Bogenminuten entspricht. Dieses Experiment wurde auch von Kleomedes im ersten oder zweiten Jahrhundert n. Chr. beschrieben, der aber den 750ten Teil des Kreises als Ergebnis angibt und Thales nicht erw¨ahnt. Die Messung der Zeit durch fließendes Was¨ uck; das entsprechende Messser geht auf die Agypter und Babylonier4 zur¨ instrument nannten die Griechen eine Klepsydra: Im wesentlichen war es ein Topf aus Ton mit einem kleinen Loch am unteren Rand des Gef¨ aßes. 2 Die ersten Erw¨ ahnungen von Thales in der griechischen Literatur (siehe etwa [W¨ ohrle 2009, S. 29] besagen, dass Pheredykes Thales nachgeahmt habe, gegen ihn polemisiert habe, und dass Thales dessen Sch¨ uler gewesen sei. Die vielen sich widersprechenden Zeugnisse u ¨ber griechische Mathematiker, die wir kennen, lassen nur den Schluss zu, dass die meisten von ihnen Legenden sind. 3 Das Buch [Bachmann 1965, S. 23] enth¨ alt eine Unmenge von Details auch u ¨ber die antike Kartographie und ist dennoch fl¨ ussig lesbar. 4 [Steele 2013] beschreibt die Rechnungen auf der Tafel BM 29371, bei denen es um den Zusammenhang zwischen dem Gewicht von ausgelaufenem Wasser einer Wasseruhr und der L¨ ange eines Schattens einer Sonnenuhr geht.

3.2 Das Erbe: die griechische Logistik?

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In der Mathematik ist Thales vor allem f¨ ur einfache S¨ atze am Rechteck bekannt, insbesondere f¨ ur seinen Satz, dass jeder Winkel im Halbkreis ein rechter ist, den man sofort am Umkreis des Rechtecks abliest. Pythagoras Pythagoras ist eine legend¨are Person der griechischen Geschichte, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Iamblichos5 berichtet, dass Mnesarchus, der Vater von Pythagoras, nach Delphi reiste, um dort Handel zu treiben, und dass seine Frau, damals noch nicht schwanger, ihn dorthin begleitete. Als er das Orakel wegen seiner bevorstehenden Reise nach Syrien befragte, erhielt er zur Antwort, dass die Reise sehr lukrativ sein w¨ urde, und dass seine Frau, die jetzt schwanger war, ihm einen Sohn geb¨aren w¨ urde, der alle anderen an Sch¨onheit und Weisheit u ¨bertreffen werde. Iamblichos schreibt weiter, dass Epimenides, Eudoxos und Xenokrates behauptet h¨atten, Pythagoras w¨are von Apollo selbst empfangen worden, was Iamblichos als Ger¨ ucht abtut und stattdessen behauptet, dass die Seele von Pythagoras der Menschheit direkt von Apollo gesandt worden sei. Auch andere Legenden u ¨ber das Leben des Pythagoras sind mit Vorsicht zu ¨ genießen. Er soll zuerst bei den Ph¨oniziern und dann bei den Agyptern studiert haben, von den Soldaten des Kambyses nach Babylon gebracht worden sein und dort u ¨ber viele Jahre hinweg in Arithmetik, Musik und anderen Disziplinen unterrichtet worden sein. Im fortgeschrittenen Alter soll er nach Samos zur¨ uckgekehrt und sp¨ater nach S¨ uditalien emigriert sein.

3.2 Das Erbe: die griechische Logistik? Wie jedes Volk, bei dem Handel eine zentrale Rolle spielt, haben auch die Griechen rechnen m¨ ussen. Proklos schreibt den Beginn der genauen Kenntnis der Zahlen den Ph¨oniziern zu, die diese f¨ ur ihren Handel gebraucht h¨ atten. Deutliches Zeugnis von der Rechenkunst der H¨ andler legt der Rechentisch von Salamis6 ab, der 1846 auf der Insel Salamis ausgegraben worden ist und etwa von 300 v. Chr. stammt. Auf dieser aus Marmor gefertigten etwa 75 cm breiten und 150 cm langen Platte wurde mit Rechensteinen gerechnet; die Symbole sind zum einen attische Zahlzeichen, zum andern stehen sie f¨ ur Geldbetr¨ age (Drachmen, Obolen, und Teile davon). Der Rechentisch von Salamis gilt als Vorl¨aufer des Abakus, wie er sp¨ater bei den R¨ omern in Gebrauch gekommen 5

Iamblichos von Chalkis (ca. 240–320) [Iamblichus 1937,Iamblichus 1989] schrieb eine Biographie von Pythagoras. 6 Siehe [Kubitschek 1899].

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

ist, der aber im Gegensatz zum Rechentisch von Salamis auf dem Dezimalsystem aufgebaut ist. Dass solche Rechentische bereits sehr fr¨ uh in Gebrauch waren, belegt eine Zeichnung auf der Darius-Vase“ aus dem 4. vorchristli” chen Jahrhundert, auf der ein Mann am Rechentisch sitzt, auf dem die Zeichen M (= 10 000), Ψ (= 1000), H(= 100) und Δ(= 10) eingraviert sind und Symbole f¨ ur griechische M¨ unzen (Drachme und Obole) zu sehen sind. Dass die Griechen mit Rechensteinen gearbeitet haben, kann man auch dem St¨ uck Die Wespen7 des griechischen Dichters Aristophanes entnehmen: Und berechne f¨ urs erste so ungef¨ ahr mir, nicht mit Steinen, nur an den Fingern, die Tribute, die wir von den St¨adten umher allj¨ ahrlich erhalten. Dies zeigt, dass genaue Rechnungen mit Steinen gemacht wurden, die man vermutlich auf einem Rechenbrett hin- und hergeschoben hat. Auch bei dem Dichter Epicharmos aus Syrakus, der etwa von 540 bis 460 v. Chr. gelebt hat und vor allem f¨ ur seine Kom¨odien bekannt ist, heißt es (nach dem Schreiben des Alkimos an Amyntas): Wenn einer zu einer ungeraden Zahl, oder meinetwegen auch einer geraden, einen Stein zulegen oder von den vorhandenen einen wegnehmen will, meinst du wohl, sie bliebe noch dieselbe? Die f¨ ur die H¨andler und Architekten notwendigen mathematischen Fertigkeiten, die wir unter dem Namen b¨ urgerliches Rechnen“ kennen, also Grund” rechenarten f¨ ur ganze und gebrochene Zahlen, Dreisatz, Prozent- und Zinsrechnung oder die Bestimmung von Fl¨acheninhalten und Volumina einfacher Figuren und K¨orper (damit ist fast die gesamte babylonische Mathematik abgedeckt), hieß bei den Griechen Logistik. Mit der heutigen Bedeutung des Worts hat die damalige nichts zu tun: Logos war das griechische Wort f¨ ur Verh¨altnis, und Logistik war die Lehre der Verh¨ altnisse von Gr¨ oßen (L¨ ange, Gewicht, . . . ) zur jeweiligen Einheit. Zweifellos hatten die Griechen zu Zeiten von Thales und Pythagoras bereits Kenntnisse in der Feldmessung. Dies wird belegt etwa durch die Existenz des Tunnels von Samos8 . Dieser Tunnel zur Wasserversorgung der Stadt Samos wurde im 6. Jahrhundert v. Chr. von Polykrates in Auftrag gegeben, der zu diesem Zweck den Ingenieur Eupalinos von Megara nach Samos kommen ließ. Da der u ¨ber 1 km lange Tunnel von beiden Enden aus gegraben wurde, mussten die Endpunkte und die Richtung der Grabungen durch Messungen festgelegt werden. 7

Siehe [Lang 1890]. Dies kann man etwa bei [Apostol 2004] nachlesen. Dieser Artikel vermittelt einen Eindruck von der dahintersteckenden technischen und mathematischen Leistung und gibt eine Reihe von Bildern des heute noch erhaltenen Tunnels. 8

3.2 Das Erbe: die griechische Logistik?

75

Mit der Idee des Beweises mathematischer Aussagen kam zur praktischen Mathematik, der Logistik, ein ganz neues Gebiet hinzu. In diese Richtung ¨ geht ein Zitat aus einem erhaltenen Fragment der Schrift Uber Arithmetik von Aristoxenes von Tarent9 (375–335): Mehr als jeder andere scheint Pythagoras die Wissenschaft der Zahlen gesch¨ atzt und vorangebracht zu haben, und er trennte sie von dem Gesch¨ aft der H¨andler, die alle Dinge mit Zahlen belegten. Denn Zahlen enthalten ebenfalls Dinge, und es gibt ein Verh¨ altnis zueinander zwischen allen Zahlen. Ob es nun Pythagoras war, der diese Entwicklung angestoßen hat, oder nicht: Aristoxenes macht hier klar, dass die vom Kontakt der Griechen mit fremden H¨andlern erworbenen mathematischen Kenntnisse, also das Rechnen mit M¨ unzen, Zinsen, Gewichten und das Messen von Feldern, irgendwann von der Mathematik getrennt wurde, die wir in den euklidischen Elementen bewundern k¨onnen. Diese euklidische Mathematik zieht ihre Bedeutung nicht aus der sofortigen Anwendbarkeit in der Praxis, sondern wurde um ihrer selbst willen getrieben. In der Geometrie geh¨orte die gesamte metrische Geometrie zur Logistik, also alles, was L¨angen, Fl¨achen und Volumina durch mit Einheiten behaftete Zah¨ ur den Fl¨ acheninhalt len beschreibt. Das Aquivalent unserer Formel A = 12 gh f¨ eines Dreiecks mit Grundseite und H¨ohe der L¨angen g bzw. h w¨ are demnach Logistik, w¨ahrend eine Aussage wie die, dass der Fl¨ acheninhalt eines Dreiecks halb so groß ist wie der eines Parallelogramms mit gleicher Grundseite und H¨ohe, zur euklidischen Mathematik geh¨ort. Wo wir die Fl¨ ache eines Kreises mit der Formel A = πr2 ausdr¨ ucken, da sagt Euklid, dass die Inhalte zweier Kreise sich verhalten wie die Quadrate ihrer Durchmesser, und Archimedes, dass ein Kreis fl¨achengleich mit dem halben Rechteck ist, dessen Seiten gleich dem Umfang und dem Radius des Kreises sind. Archimedes hat das Volumen der Halbkugel nicht dadurch bestimmt, dass er die Grundfl¨ ache mit 23 der H¨ohe multipliziert hat, sondern hat das Ergebnis so formuliert, dass sich die Volumina von Kegel, Halbkugel und Zylinder mit gleicher Grundfl¨ ache und gleicher H¨ohe verhalten wie 1 : 2 : 3. Wann die Griechen die Einteilung des Vollwinkels in 360◦ (wohl von den babylonischen Astronomen) u ¨bernommen haben, ist nicht bekannt. Dass eine solche Einteilung in den Elementen nicht vorkommt, bedeutet nicht, dass diese den Griechen damals unbekannt gewesen w¨ are: Winkelmessung ist selbstverst¨andlich Teil der Logistik. ¨ Was die Griechen von Babyloniern und Agyptern direkt oder auf Umwegen u atzung) von Fl¨ achenin¨bernommen haben, etwa die Berechnung (oder Absch¨ halten von Feldern, geh¨ort ausnahmslos zur Logistik. Dass die babylonischen 9

Siehe [Zhmud 2014, S. 96] und [Zhmud 2008, S. 218].

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

und ¨agyptischen Spuren10 in den Elementen nicht deutlich sichtbar sind, liegt also daran, dass die Logistik dort nicht behandelt wird11 . Auf dem Gebiet der Zahlentheorie ist alles, was mit Br¨ uchen zu tun hat, Teil der Logistik. In der euklidischen Zahlentheorie ist die Eins unteilbar; Zahlen sind echte Vielfache der Eins. Auch die Arithmetika von Diophant geh¨ ort ihrem Wesen nach zur Logistik, weil die L¨osungen der dort behandelten Probleme rationale Zahlen sind. Dass sich die Pythagoreer wenig um die Beschr¨ ankung durch die Dimensionstreue gek¨ ummert haben, kann man auch aus einem Problem ablesen, das der geb¨ urtige Grieche Plutarch12 (ca. 45–125) angibt: Die Pythagoreer [. . . ] verabscheuen u ah¨berhaupt diese Zahl: denn w¨ rend das Quadrat 16 und das Rechteck 18 die einzigen Fl¨achenzahlen sind, bei denen es sich trifft, dass die Theile ihres Umfangs an Zahl gleich sind den Feldern ihres Fl¨acheninhalts, so f¨ allt zwischen beide die Zahl 17 mitten hinein, sperrt und scheidet sie voneinander, und trennt das Epogdoos-Verh¨altnis [. . . ]. Das Epogdoos-Verh¨altnis stammt aus der Musik und ist das Verh¨ altnis von Sekunde zum Grundton, also 9 : 8, oder hier 18 : 16. Tats¨ achlich hat die diophantische“ Gleichung xy = 2x + 2y nur die L¨ osungen (x, y) = (3,6), ” (4,4), (6,3) in nat¨ urlichen Zahlen. Additionen von Strecken und Fl¨ achen, wie sie in der babylonischen Mathematik und sp¨ater bei Diophant gang und g¨ abe waren, sind in den Elementen im wahrsten Sinne des Wortes nicht denkbar. ¨ Uberhaupt war Musik eine wichtige Quelle der pythagoreischen Zahlenlehre. Einigen Berichten zufolge hat Pythagoras die Tonh¨ ohe verschiedener Objekte (H¨ammer in einer Schmiede oder die Saite eines Monochords) in Zusammenhang mit L¨angen und Gewichten gebracht (allerdings wohl eher auf philosophischer als auf experimenteller Grundlage). Die Unterteilung einer schwingenden Saite im Verh¨altnis 2 : 1 f¨ uhrt auf T¨one, die einer Oktave entsprechen, 10

An dieser Stelle sei noch einmal auf die beiden B¨ ucher [Friberg 2005a] und [Friberg 2007b] hingewiesen. 11 Man kann den Inhalt des zweiten Buchs der Elemente als eine streng geometrische Begr¨ undung der babylonischen Technik auffassen, quadratische Probleme zu l¨ osen. S. Unguru hat in seiner Schm¨ ahschrift On the need to rewrite the history ” of Greek mathematics“ [Unguru 1975] (Wiederabdruck in [Christianidis 2004, 385– 432]; siehe auch [Unguru & Rowe 1981, Unguru & Rowe 1982]), wie man bei [Blasj¨ o 2016] und [Høyrup 2016] nachlesen kann, mit rhetorischen Mitteln Positionen angegriffen, die kaum jemand vertreten hat. Dass die Riesen, auf deren Schultern heutige Mathematikhistorikerinnen stehen, als professionelle Mathematiker, die ” gr¨ oßtenteils anachronistische Darstellungen ’antiker Mathematik’ produziert haben“ verunglimpft werden, w¨ are vor Unguru kaum denkbar gewesen, und ist, so will es mir scheinen, vergleichbar mit der Behauptung, Euler sei ein mittelm¨ aßiger Mathematiker gewesen, weil viele seiner Beweise heutigen Anspr¨ uchen an formale Strenge nicht gen¨ ugen. 12 [Parthey 1850, cap. 42, S. 73].

3.2 Das Erbe: die griechische Logistik?

77

und die Verh¨altnisse 3 : 2 und 4 : 3 entsprechen der Quinte und der Quarte. Wir d¨ urfen daher annehmen, dass die Theorie der Proportionen von Zahlen einen wichtigen Zweig der pythagoreischen Mathematik ausgemacht hat. Obwohl die Logistik der Griechen nur undeutliche Spuren hinterlassen hat, gibt es doch einige Werke, die sich ausf¨ uhrlich mit der griechischen Logistik befassen13 . Das ¨alteste Handbuch von Teilen der Logistik kennen wir von Heron von Alexandria, aber weite Teile dieses Werks d¨ urften, das legt nicht nur der Tunnel von Samos nahe, deutlich ¨alter sein. Alles ist Zahl Um das Ende des pythagoreischen Bundes ranken sich viele Legenden. Iamblichos schreibt, dass sich die Pythagoreer nach dem Tod ihres Meisters in zwei Gruppen aufgespalten h¨atten, die Akusmatiker und die Mathematiker, wobei die Vortr¨age der ersteren keine Begr¨ undungen enthalten haben sollen, und diese nur die Regeln und ihre Anwendungen gelehrt h¨ atten. F¨ ur Clemens von Alexandria14 (ca. 150–215) dagegen geht es bei der Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen im einen inneren und ¨ außeren Kreis: Nur den eingeweihten Sch¨ ulern stand der Weg zu den geheimen Lehren15 der Sekte offen. Vor diesem Hintergrund sind wohl auch die Legenden u ¨ber Hippasos von Metapont zu verstehen, der sich durch die Ver¨offentlichung solcher Geheimnisse im Sinne der Pythagoreer strafbar gemacht haben soll. Iamblichos erw¨ ahnt als eines dieser Geheimnisse zum einen die Methode, ein Dodekaeder einer Kugel einzubeschreiben16 , zum anderen die Lehre des Irrationalen und der inkommensurablen Gr¨oßen. Die landl¨aufige Interpretation dieser Bemerkung, wonach die von Hippasos ver¨offentlichte Lehre des Irrationalen deswegen geheim war, weil es dem pythagoreischen Motto Alles ist Zahl“ widerspreche, sowie die darauf folgen” de Grundlagenkrise“ 17 der griechischen Mathematik, lassen sich nicht bele” gen. Man sollte sich auch vor der vorschnellen Schlussfolgerung h¨ uten, die Entdeckung der Inkommensurabilit¨at sei ein offensichtlicher Widerspruch zur 13 [Vogel 1936] setzt sich auch mit der Frage auseinander, wie viel die Griechen ¨ auf diesem Gebiet von Agyptern und Babyloniern gelernt haben. Siehe auch [Klein 1934, Klein 1936, Klein 1968], [Eganjan 1972] und [Benoit, Chemla & Ritter 1992]. 14 Die auf Pythagoras bez¨ uglichen Stellen hat [Afonasin 2012] zusammengetragen und kommentiert. 15 Geheimes Wissen gab es auch in der babylonischen Kultur: es gibt Keilschrifttafeln (etwa CBS 6060, VAT 8917, VAT 9555), auf denen explizit bemerkt ist, dass der (meist religi¨ ose) Inhalt dieser Tafeln nur f¨ ur Eingeweihte bestimmt ist. Siehe etwa [Livingstone 1986, S. 260–262], [Beaulieu 1992] und [Stevens 2013]. 16 Siehe [Iamblichus 1818, S. 126]. 17 Diese geistert schon ein Jahrhundert lang durch die mathematische Literatur; siehe etwa [Beckmann 1967, S. 9].

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

Lehre der Pythagoreer, alles sei Zahl. Ebenso denkbar ist ja, dass diese These, alles k¨onne mit Zahlen beschrieben werden, durch die Gleichung d2 = 2s2 vollkommen befriedigt worden ist. 600 v. Chr. Thales 550 v. Chr. Pythagoras Pythagoreer

500 v. Chr. Eleaten; Zenon 450 v. Chr. Philolaos Hippasos Hippokrates Demokrit Theodoros 400 v. Chr. Archytas Theaetet Platon Eudoxos 350 v. Chr. 300 v. Chr. Euklid

geometrische S¨ atze Satz des Pythagoras; Harmonielehre; Verdopplung des Quadrats Proportionen; figurierte Zahlen; Lehre vom Geraden und Ungeraden; Konstruktion des Pentagons; Inkommensurabilit¨ at; pythagoreische Tripel Logik; Probleme mit dem Unendlichen kennt die 5 Platonischen K¨ orper Inkommensurabilit¨ at wird bekannt W¨ urfelverdopplung; mittlere Proportionalen Buch u at ¨ber Inkommensurabilit¨ Klassifikation der quadratischen Irrationalit¨ aten W¨ urfelverdopplung; Studium von Proportionen platonische K¨ orper; Buch X Seiten- und Diagonalzahlen Proportionen (Buch V); Aussch¨ opfung Entstehung der Legende vom Delischen Problem Elemente

Tabelle 3.2. Voreuklidische Mathematik in Griechenland

3.3 Pythagoreische Zahlentheorie Was immer die Mathematiker um Pythagoras aufgeschrieben haben – erhalten ist davon nichts. Daher sind wir bei der Beschreibung ihrer Resultate auf die Informationen anderer angewiesen, etwa auf die von Nikomachos von Gerasa (1.–2. Jh.). Dieser z¨ahlt zur Gruppe der Neupythagoreer, die ab dem ersten nachchristlichen Jahrhundert die pythagoreische Tradition (oder was sie daf¨ ur gehalten haben) wieder haben aufleben lassen. Die Einf¨ uhrung in die Arithmetik18 von Nikomachos ist, wenn man von den B¨ uchern VII–X Euklids absieht, das ¨alteste Lehrbuch der Zahlentheorie, das uns erhalten ist. Ein Großteil des Materials, das Nikomachos in seinem Buch vorstellt, d¨ urfte auf die Pythagoreer zur¨ uckgehen. Nikomachos beginnt mit der Erkl¨arung, dass Zahlen absolute Eigenschaften besitzen, wie gerade, ungerade oder vollkommen, und dass es relative Eigenschaften gibt, wie gr¨oßer, kleiner, oder doppelt so groß. Seine Definition der 18 Davon existieren einige klassische Ausgaben, etwa die lateinische Version [Ni¨ komachos 1864, Nikomachos 1866], sowie die j¨ ungere englische Ubersetzung [Nikomachos 1926]. Vgl. auch die Arbeit [Nicholson 1996].

3.3 Pythagoreische Zahlentheorie

79

Abb. 3.3.1. Manuskript der Arithmetik von Nikomachos.

Zahlen 1, 2, 3, . . . als φυσικὸς ἀριθμός wurde von Boethius um 500 n. Chr. als numerus naturalis“ ins Lateinische u ¨bersetzt, von dem sich unsere Be” zeichnung als nat¨ urliche Zahlen“ ableitet. Die Einheit spielt bei Nikomachos ” zwar eine Sonderrolle (sie ist etwa die einzige ungerade Zahl, die sich nicht als Summe zweier ungleicher Zahlen schreiben l¨asst), aber sie ist eine Zahl. Primzahlen, so schreibt Nikomachos, k¨onnen mit dem Sieb des Eratosthenes konstruiert werden: Man schreibe ungerade Zahlen beginnend mit 3 auf und streiche alle Zahlen, die (echte) Vielfache der ersten sind; dann streiche man die echten Vielfachen der zweiten Zahl (der 5), und fahre so fort. Die Zahlen, welche u ¨brig bleiben, sind die Primzahlen.

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

Abb. 3.3.2. Figuren des Euklid (links) und Nikomachos am Sch¨ onen Brunnen in N¨ urnberg.

Figurierte Zahlen Nach einer l¨angeren Exkursion in u altnisse kommt ¨berteilige und andere Verh¨ Nikomachos in Buch II auf figurierte Zahlen zu sprechen. In Kap. 8 definiert er Dreieckszahlen Tn ; das sind solche, die sich in Form eines Dreiecks legen lassen. Die kleinste wirkliche Dreieckszahl ist die 3, aber Nikomachos nennt die Einheit eine potentielle“ Dreieckszahl. Als N¨achstes folgen in Kap. 9 die Qua” dratzahlen, dann Pentagonal-, Hexagonal- und Heptagonalzahlen.

Abb. 3.3.3. Die ersten vier Dreiecks- und Quadratzahlen

Nikomachos bemerkt, dass man ein Quadrat in zwei Dreiecke zerlegen kann, und dass umgekehrt die Summe zweier aufeinanderfolgender Dreieckszahlen eine Quadratzahl ist.

3.3 Pythagoreische Zahlentheorie

1 Dreieckszahlen 1 Quadratzahlen 1 Pentagonalzahlen 1 Hexagonalzahlen 1 Heptagonalzahlen 1

81

2 3 4 5 6 7

3 6 9 12 15 18

4 10 16 22 28 34

5 15 25 35 45 55

6 21 36 51 66 81

7 28 49 70 91 112

8 36 64 92 120 148

9 45 81 117 153 189

10 55 100 145 190 235

Anhand seiner Tabelle von figurierten Zahlen erkl¨ art Nikomachos, dass jede Zahl in dieser Tabelle die Summe aus der dar¨ uberstehenden Zahl und der Zahl in der ersten Zeile und der Spalte links davon ist; so ist z.B. 28 = 22 + 6. Damit ist der Spieltrieb des Nikomachos noch lange nicht beendet: Jetzt folgen pyramidale Zahlen, die auf Dreiecken (1, 4, 10, 20, 35, . . . ) bzw. Quadraten aufgebaut sind (1, 5, 14, 30, 55, . . . ), und dann, schreibt Nikomachos, lassen sich auch noch mit Pyramidenst¨ umpfen Zahlen bilden. Daneben gibt es Kubikzahlen ebenso wie Ziegelzahlen“ der Form 8 · 8 · 2 oder 8 · 8 · 3 usw., oder ” zyklische Zahlen wie 1, 5 und 6, deren Potenzen die gleiche Endziffer (auch in der griechischen Schreibweise der Zahlen) besitzen wie die Zahl selbst. Nikomachos gibt folgende Gleichungen an: 1 = 13 , 3 + 5 = 23 , 7 + 9 + 11 = 33 , 13 + 15 + 17 + 19 = 43 . Den durch diese Beispiele nahegelegten Satz beweist er aber nicht. In Kap. 22 spricht Nikomachos u ¨ber die verschiedenen Mittel zweier Zahlen. Das arithmetische, geometrische und das harmonische Mittel, so schreibt er, seien bereits Pythagoras, Plato und Aristoteles bekannt gewesen. Iamblichos berichtet, dass Eudoxos und seine Schule drei weitere Mittel eingef¨ uhrt haben, die auch bei Nikomachos das vierte, f¨ unfte und sechste Mittel heißen, und dass die J¨ ungeren vier weitere gefunden haben. Das arithmetische Mittel m zweier Zahlen a < b (Kap. 23) ist diejenige Zahl, welche von beiden Zahlen denselben Abstand hat: m − a = b − m; dies f¨ uhrt . In einer arithmetischen Folge wie etwa 3, 7, 11, 15, ... uns sofort auf m = a+b 2 ist jedes Glied das arithmetische Mittel seiner beiden Nachbarn. Das geometrische Mittel g zweier Zahlen a < b (Kap. 24) ist diejenige Zahl, √ welche der analogen Gleichung g : a = b : g gen¨ ugt, also g = ab. In einer geometrischen Reihe wie 1, 2, 4, 8, . . . ist entsprechend jedes Glied das geometrische Mittel seiner beiden Nachbarn. Das harmonische Mittel h zweier Zahlen a < b (Kap. 25) ist durch die Glei2ab ergibt. In der harchung a : b = (a − h) : (h − b) definiert, was h = a+b 1 1 1 monischen Reihe 1, 2 , 3 , 4 . . . ist jedes Glied das harmonische Mittel seiner Nachbarn. Zahlentheoretisch interessant ist das Zahlenpaar, das Nikomachos angibt, f¨ ur welche alle drei Mittel ganze Zahlen sind, n¨amlich a = 10 und b = 40 mit den Mitteln h = 16, g = 20 und m = 25.

82

3 Die Zahlentheorie der Griechen

Vollkommene und befreundete Zahlen Eine Zahl heißt nach Euklid vollkommen, wenn sie gleich der Summe ihrer echten Teiler ist. Die beiden kleinsten vollkommenen Zahlen sind 6=1+2+3

und

28 = 1 + 2 + 4 + 7 + 14,

und diese d¨ urften bereits die Pythagoreer gekannt haben19 . Ob die Pythagoreer bereits die euklidische Konstruktion vollkommener Zahlen gekannt haben, wissen wir ebenso wenig wie das, was sie sonst an Vermutungen auf diesem Gebiet hatten. In seiner Arithmetik schreibt Nikomachos: So wie h¨ ubsche und herausragende Dinge selten und leicht aufzuz¨ahlen sind, w¨ ahrend h¨assliche und u ¨ble Dinge weit verbreitet sind, so findet man auch abundante 20 und defiziente Zahlen in großer Anzahl, [. . . ] w¨ ahrend die vollkommenen leicht aufz¨ahlbar sind und einer einfachen Ordnung gehorchen; denn genau eine, die 6, findet man in den Einern, eine weitere, die 28, unter den Zehnern, eine dritte, die 496, unter den Hundertern, und eine vierte, n¨amlich 8128, in den Tausendern. Weiter haben diese Zahlen die Eigenschaft, abwechselnd in 6 und 8 zu enden, und sie sind alle gerade. Danach gibt er die euklidische Konstruktion vollkommener Zahlen. Die ersten beiden Vermutungen wurden in mittelalterlichen Quellen oft wiederholt, bis sie im 17. Jahrhundert endg¨ ultig widerlegt wurden. Die dritte Vermutung, dass alle vollkommenen Zahlen gerade sind, ist bis heute eine der ¨ altesten offenen Fragen der Mathematik geblieben. Nikomachos behandelt, wie wir oben gesehen haben, allgemeiner abundante und defiziente Zahlen, also solche, f¨ ur welche die Summe ihrer echten Teiler gr¨oßer (wie bei 12 oder 24) bzw. kleiner als die Zahl ist (wie bei 8 oder 14). Weiter heißen zwei Zahlen befreundet, wenn die Summe der echten Teiler der einen jeweils gleich der anderen Zahl ist. Bereits den Pythagoreern wird die Kenntnis des kleinsten Paars befreundeter Zahlen zugeschrieben: 220 = 22 · 5 · 11 und 284 = 22 · 71 sind befreundet wegen 220 = 1 + 2 + 4 + 71 + 142 und 284 = 1 + 2 + 4 + 5 + 10 + 11 + 20 + 22 + 44 + 55 + 110. 19 Iamblichos behauptet dies in seinen Kommentaren zur Arithmetik des Nikomachos; siehe [Iamblichus 1818] . 20 Eine Zahl N heißt abundant, wenn die Summe ihrer echten Teiler gr¨ oßer als N ist, und defizient, wenn diese kleiner als N ist.

3.3 Pythagoreische Zahlentheorie

83

Die Lehre vom Geraden und Ungeraden Die ersten Elemente der Zahlentheorie der Pythagoreer wurden bereits von Aristoteles die Lehre vom Geraden und Ungeraden21 genannt. Die grundlegenden S¨atze der Lehre vom Geraden und Ungeraden hat Euklid am Schluss seines Buchs IX in seine Elemente aufgenommen. An Anfang steht die Definition gerader Zahlen in Def. VII.6: Eine gerade Zahl ist eine, die halbiert werden kann. Nach Def. VII.7 ist eine Zahl ungerade, wenn sie nicht halbiert werden kann, oder wenn sie sich um die Einheit von einer geraden Zahl unterscheidet. Die ersten beiden Propositionen, welche die Lehre vom Geraden und Ungeraden betrifft, sind folgende: Prop. IX.21 Wenn man beliebig viele gerade Zahlen addiert, dann ist die Summe gerade. Prop. IX.22 Wenn man eine gerade Anzahl ungerader Zahlen addiert, dann ist die Summe gerade. Man beachte, dass die Eins in der Theorie des Geraden und Ungeraden keine Sonderrolle spielt; auch in der Theorie der ¨ahnlichen ebenen Zahlen (das sind Produkte der Form ab = cd, in denen a : c = b : d ist) macht Euklid keinen Unterschied zwischen der Eins und anderen Zahlen. Zusammen mit den beiden bereits besprochenen Propositionen besteht die pythagoreische Lehre des Geraden und Ungeraden, wie sie in den Elementen zu finden ist, aus Ergebnissen, die wir heute als das Rechnen mit Kongruenzen modulo 2 bezeichnen w¨ urden. Diese Entwicklungen dienen offenbar dazu, die nachfolgende Untersuchung vollkommener Zahlen vorzubereiten.

Pythagoreische Tripel Methoden zur Konstruktion beliebig vieler pythagoreischer Tripel, also ganzzahliger L¨osungen der Gleichung x2 + y 2 = z 2 , kannten schon die Babylonier. Die ersten expliziten Regeln zur Konstruktion solcher Tripel sind aber erst von den Griechen u ¨berliefert. Proklos22 (412–485) beschreibt die Regeln der Pythagoreer und von Platon zur Gewinnung von ganzzahligen Seiten rechtwinkliger Dreiecke. Die pythagoreische Regel nimmt eine ungerade Seite wie 3 2 2 und bildet die Zahlen 3 2−1 und 3 2+1 , was auf das Tripel (3, 4, 5) und allgemeiner auf (5, 12, 13), (7, 24, 25) usw. f¨ uhrt (vgl. Tab. 1.1). Platons Regel dagegen bildet zu einer geraden Zahl wie 4 die Zahlen ( 42 )2 − 1 und ( 42 )2 + 1, und man erh¨alt Dreiecke der Form (4, 3, 5), (6, 8, 10), (8, 15, 17) . . . . Die Konstruktion aller pythagoreischen Tripel findet sich erst bei Euklid in Prop. X.29a und sp¨ater (implizit) bei Diophant. 21 22

Siehe [Becker 1934]. Siehe etwa [Nesselmann 1842, S. 150–151]

84

3 Die Zahlentheorie der Griechen

Abb. 3.3.4. Pythagoras vor und nach der Entdeckung seines Satzes

3.4 Von der Quadratverdopplung zur Inkommensurabilit¨ at Die Verdopplung des Quadrats war, wie wir gesehen haben, schon den Babyloniern bekannt. In der Entwicklung der griechischen Mathematik d¨ urfte die Quadratverdopplung eine große Rolle gespielt haben. Nicht nur ist sie der einfachste Spezialfall des Satzes von Pythagoras, vielmehr bietet sie auch Anlass, u ¨ber das Verh¨altnis von Diagonale und Seite eines Quadrats nachzudenken. Am Ende dieser Entwicklung stand die Entdeckung inkommensurabler Gr¨ oßen und die von Eudoxos geschaffene Theorie der Proportionen. Bevor wir uns der Mathematik hinter der Quadratverdopplung zuwenden, werfen wir einen Blick auf die Figur Sokrates in den Werken des Aristophanes, neben Sophokles einer der bekanntesten griechischen Dichter. Sophokles ist ¨ vor allem f¨ ur sein St¨ uck Odipus bekannt, das um 425 v. Chr. entstanden ist. Aristophanes (ca. 450–380) ist einer der bekanntesten griechischen Dichter, dessen St¨ ucke auch heute noch aufgef¨ uhrt werden. Aristophanes nahm mit seinen St¨ ucken regelm¨aßig an den Dionysien teil, einem j¨ ahrlichen Fest23 zu Ehren von Dionysos, dem Gott des Weines, des Rausches und der Ekstase. Seit Thespis, ein Dionysospriester aus Ikaria, bei den Dionysien im Jahre 534 v. Chr. das erste Schauspiel auff¨ uhrte (mit nur einem Schauspieler, aber einem großen Chor), wurden diese Festlichkeiten dazu benutzt, Theaterauff¨ uhrungen zu geben. Der Spielplatz lag am S¨ udhang der Akropolis, dort wo im 4. Jahrhundert v. Chr., als die große Zeit der griechischen Trag¨ odien und Kom¨ odien fast vorbei war, das Dyonisos-Theater gebaut wurde. 23 Eine ausf¨ uhrliche Beschreibung des nichtmathematischen Teils der griechischen Kultur findet man bei [Scheffer 1955].

3.4 Von der Quadratverdopplung zur Inkommensurabilit¨ at

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Die Schauspieler trugen bei den Vorf¨ uhrungen allesamt Masken, auch um es zu erm¨oglichen, Frauen darzustellen – weibliche Schauspieler hat es nicht gegeben. Weiter konnte damit ein Schauspieler verschiedene Rollen spielen. In vielen seiner St¨ ucke hat Aristophanes der Sehnsucht des Volkes nach einem Ende des Peloponnesischen Kriegs eine Stimme verliehen. Dieser Krieg zwischen dem Attischen Seebund um Athen und dem Peloponnesischen Bund um Sparta dauerte mit Unterbrechungen von 431 bis 404 v. Chr. und endete mit der Niederlage Athens. Eine Pest“, die 430 v. Chr. in Athen ausbrach, ” raffte ein Viertel der Bev¨olkerung dahin, darunter den Strategen der Athener, Perikles. Die Seuchen als Begleiter des Kriegs waren damals etwas Neues: Zuvor hatten kleinere Heere einander aufgerieben, 430 v. Chr. dagegen trieb der Krieg die Landbev¨olkerung in die St¨adte; Hunger, Durst und mangeln¨ de Hygiene taten ein Ubriges. Thukydides, der sp¨ ater selbst an der Seuche erkrankte, schrieb24 : Die Leichen lagen im Tod u alzten sich auf den ¨bereinander, Halbtote w¨ Wegen und um alle Brunnen, gierig nach Wasser. Die Heiligt¨ umer, in denen sie zelteten, lagen voller Toter, die dort drinnen gestorben ¨ waren. [. . . ] Uberhaupt machte die Krankheit in der Stadt auch sonst den Anfang mit der Verachtung aller Werte. Bereits im ¨altesten der elf erhaltenen St¨ ucke des Aristophanes, Die Acharner, geht es um den damals sechs Jahre w¨ahrenden Peloponnesischen Krieg. H¨aufige Opfer seines Spotts sind der Athener Politiker Kleon, der Aristophanes zuvor wegen seines (leider nicht erhaltenen) St¨ ucks Die Babylonier vor Gericht gezerrt hatte, und dessen politischer Verb¨ undeter Kleonymos, der in einer Schlacht 424 v. Chr. seinen Schild weggeworfen hatte und geflohen war. Auch in Der Frieden (421 v. Chr.) und vor allem in Lysistrata, das 411 v. Chr. im zwanzigsten Kriegsjahr aufgef¨ uhrt wurde, setzt sich Aristophanes f¨ ur ein Ende des Krieges ein. In diesem St¨ uck plant Lysistrata, den Krieg dadurch zu beenden, dass die Frauen ihren M¨annern so lange den Beischlaf verweigern sollten, bis beide Seiten einen Friedensvertrag geschlossen h¨ atten. In seiner Kom¨odie Die Wolken treibt der Krieg den Landwirt Strepsiades in die Stadt. Dort h¨ ort er, dass ein gewisser Sokrates mit Hilfe seiner Redekunst alles erreichen kann. Daraufhin beschließt er, seinen Sohn zu Sokrates in den Unterricht zu schicken, damit dieser ihm seine Schulden wegdisputieren k¨ onne, welche der verschwenderische Lebenswandel seiner Frau und seines Sohns ihm hinterlassen haben. Als der Sohn sich weigert, geht Strepsiades selbst in die Schule. Sokrates bringt Strepsiades als erstes bei, dass es nicht Zeus sei, der den Donner beim Gewitter erzeugt, sondern platzende Wolken, was Strepsiades in der ihm eigenen t¨olpelhaften Art u ¨bersetzt in Ich verstehe: drum sind auch ” Donner und Furz so ¨ahnlich im brummenden Tone!“ 24

Siehe [Bleckmann 2007, S. 55].

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

Ebenso k¨ostlich ist die sokratische Lektion, wonach man M¨ annchen und Weibchen nicht mit demselben Wort bezeichnen d¨ urfe, und es daher Spatz und Sp¨atzin heißen m¨ usse. Als Strepsiades bef¨ urchtet, er m¨ usse Sokrates f¨ ur diese Weisheit den Backtrog bis zum Rand mit Mehl f¨ ullen, antwortet dieser: Ein neuer Bock! Der Backtrog, sagst Du, m¨annlich? Das muss ja wohl weib” lich enden! “ und begr¨ undet dies damit, dass der Backtrog Kleonymos ¨ ahnle. Auf die Frage von Strepsidiades, wie es denn nun heiße, antwortet Sokrates: Wie? Backtr¨ ogin! Wie Du sagst ’Die Demag¨ ogin’.“ 2500 Jahre vor den er” sten Lehrst¨ uhlen in Mathematik und Gender Studies konnte man dar¨ uber noch ungestraft Witze reißen. Letztendlich sieht Sokrates ein, dass er dem T¨olpel die Feinheiten der Rhetorik nicht beibringen kann, und Strepsiades gelingt es doch noch, seinen Sohn zum Unterrichtsbesuch zu bewegen. Nach seiner Ausbildung kehrt der Sohn zur¨ uck, wendet seine neuen F¨ahigkeiten aber nicht gegen die Gl¨ aubiger des Vaters, sondern gegen diesen selbst, worauf Strepsiades die Schule des Sokrates in Brand setzt und die Sophisten verjagt. Bereits damals werden Sokrates Atheismus und die Verf¨ uhrung der Jugend vorgeworfen, wegen derer er sp¨ater angeklagt und verurteilt wird. Verfahren wegen Gottlosigkeit (Asebie) waren keine Seltenheit: Aspasia, die Lebensgef¨ahrtin des Perikles und eine der Ausbilderinnen von Sokrates, sowie der Philosoph Anaxagoras mussten sich ebenfalls mit derartigen Vorw¨ urfen auseinandersetzen. Sophisten waren zu Zeiten des Sokrates gebildete Lehrer, die Sch¨ uler gegen Bezahlung unterrichteten; von Platon wissen wir, dass Sokrates erbitterter Gegner der Sophisten gewesen sein soll. Sokrates ist einer der herausragenden Philosophen des klassischen Griechenland und gilt bis heute als ein Vorbild in Sachen R¨ uckgrat und Moral. Er wurde 469 v. Chr. in Alopeke bei Athen geboren; sein Vater Sophroniskos war Bildhauer und Steinmetz, seine Mutter Phainarete Hebamme. Nach Schulund Milit¨arausbildung nimmt Sokrates zwischen 431 und 422 v. Chr. an verschiedenen Feldz¨ ugen im Peloponnesischen Krieg teil. Seinem Empfinden f¨ ur Recht und Unrecht gibt er gerade dann Ausdruck, wenn er es bei seinen Zeitgenossen vermisst. W¨ahrend des Regimes der 30 Tyrannen vom August 404 bis zum M¨arz 403 etwa macht er sich bei den Machthabern unbeliebt, als er sich deren Befehl widersetzt, einen Unschuldigen zu verhaften – anstatt dem Befehl Folge zu leisten, geht er im Wissen, dass diese Aktion seinen Kopf kosten k¨onnte (er w¨are einer unter mehr als 1000 anderen gewesen, deren Tod auf Kosten der Oligarchen ging), einfach nach Hause. Erst nach der Wiederherstellung der Demokratie kommt es zu einem Verfahren gegen uhrung der Jugend ihn; er wird der Missachtung der Stadtg¨otter und der Verf¨ angeklagt. Als er in seiner Verteidigungsrede vorschl¨ agt, man m¨ oge ihm f¨ ur seine Taten die Speisung im Prytaneion (eine Art Rathaus) gew¨ ahren, wie sie u ¨blicherweise Olympiasieger erhalten, wird er 399 v. Chr. zum Tode verurteilt

3.4 Von der Quadratverdopplung zur Inkommensurabilit¨ at

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und durch Gift hingerichtet. Seine philosophische Haltung kennen wir vor allem aus den Werken seines Sch¨ ulers Platon. Im Dialog mit Menon will Sokrates beweisen, dass Wissen nicht erworben“ ” wird, sondern bereits vorhanden ist, und dass man die Erinnerung an dieses vorhandene Wissen freilegen kann. Um Menon von seiner Meinung zu u ¨berzeugen, spricht er mit dessen Sklaven und verlangt von ihm, er solle ein Quadrat mit Seitenl¨ange 2 (Fuß) verdoppeln. Der Sklave schl¨ agt vor, die Grundseite zu verdoppeln, aber nach einigen weiteren Fragen sieht er ein, dass die Fl¨ache dadurch vervierfacht wird. Die richtige Seitenl¨ ange muss also zwischen 2 und 4 Fuß liegen, und der n¨achste Vorschlag des Sklaven lautet, die richtige Seitenl¨ange sei 3 Fuß. Dadurch wird die Fl¨ ache aber, wie er bald einsehen muss, ebenfalls nicht verdoppelt: Das Quadrat auf der 3 Fuß langen Seite besteht aus neun Quadraten der Seitenl¨ ange 1, w¨ ahrend das urspr¨ ungliche aus vier solchen Quadraten besteht. Am Ende zeichnet Sokrates die Diagonale des Quadrats ein und bringt den Sklaven zur Erkenntnis, dass das Quadrat auf der Diagonale in der Tat den doppelten Fl¨ acheninhalt besitzt als das urspr¨ ungliche. Die Figur der Quadratverdopplung ist – wohl eher aus asthetischen Gr¨ unden – auf zahlreichen M¨ unzen25 aus dem 5. Jahrhundert ¨ v. Chr. abgebildet. Sokrates geht in seinem Dialog mit dem Sklaven des Menon auf die Inkommensurabilit¨at von Seite und Diagonale eines Quadrats nicht ein. Dass dies damals bereits bekannt gewesen sein muss, folgt aus einem anderen Dialog Platons, n¨amlich demjenigen zwischen Sokrates und Theaetet.

Sokrates und Theaetet Im Platonschen Dialog zwischen Sokrates und Theaetet will Sokrates die Frage kl¨aren, was Wissen ist, und bemerkt, dass eine Antwort darauf nicht darin bestehen k¨onne, verschiedene Arten von Wissen aufzuz¨ ahlen, sondern dass es f¨ ur eine befriedigende Antwort notwendig sei, ein allgemeines Kriterium zu erarbeiten, das den Begriff Wissen charakterisiert. Theaetet antwortet darauf, ¨ dass er erst k¨ urzlich etwas Ahnliches von seinem Lehrer Theodoros gelernt habe. Dieser habe ihnen gezeigt, dass die Seite eines Quadrats mit einer Fl¨ ache von drei Quadratfuß zu derjenigen eines Quadrats von einem Quadratfuß nicht kommensurabel sei, und dass dasselbe f¨ ur Quadrate mit Fl¨ ache 5 etc. bis hin zu 17 gilt, wo er aufgeh¨ort habe. Die Sch¨ uler h¨ atten danach die Zahlen eingeteilt in Quadratzahlen und Rechteckszahlen und erkannt, dass das in Rede stehende Verh¨altnis nie kommensurabel ist außer bei Quadraten, deren Fl¨ache eine Quadratzahl ist. 25 Man beachte in diesem Zusammenhang [Artmann 1990], [Ambrosi 2012] und [Ross 2016].

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

Offenbar ist es nicht Sokrates’ Absicht gewesen, Abhandlung dar¨ uber √ eine √ √ hier urden; zu verfassen, was wir die Irrationalit¨at von 3, 5, . . . , 17 nennen w¨ vielmehr geht es um die Frage nach der Charakterisierung der irrationalen Quadratwurzeln als Beispiel f¨ ur die Frage nach der Charakterisierung von √ √ Wissen. Es ist also nicht von Bedeutung, ob Theaetet bei 17 oder nach 17 aufgeh¨ort hat.√Weiter hat √er nicht aufgeh¨ort, weil er Probleme mit dem Beweis im Falle von 17 oder 19 hatte, sondern weil das bis dahin zusammengetragene Material ausreichte, um die Sch¨ uler das Gesetz dahinter erkennen zu lassen, dass n¨amlich die Seiten zweier Quadrate genau dann kommensurabel sind, wenn deren Fl¨achen sich wie zwei Quadratzahlen zueinander verhalten26 .

3.5 Wechselwegnahme und Inkommensurabilit¨ at Die Idee der Wechselwegnahme l¨asst sich sowohl in der Geometrie, als auch in der Theorie der Zahlen anwenden. Sie steckt hinter dem euklidischen Algorithmus zur Bestimmung gr¨oßter gemeinsamer Teiler ebenso wie hinter der Erkenntnis, dass nicht alle Strecken kommensurabel sind.

Wechselwegnahme in der Arithmetik Um herauszufinden, ob zwei Zahlen teilerfremd sind oder nicht, verwendet Nikomachos die Wechselwegnahme, also den Euklidischen Algorithmus, und f¨ uhrt ihn am Beispiel der Zahlen 21 und 49 vor. Das K¨ urzen von Br¨ uchen mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus geh¨ ort ebenso wie die Approximation von Zahlen durch Br¨ uche mit kleinen Z¨ ahlern und Nennern zur Logistik. Die ersten Spuren dieser Techniken finden sich in Bemerkungen von Aristarch und Archimedes27 . Aristarch28 hat bei Rechnungen in seiner Arbeit u ¨ber die Entfernung von Sonne und Mond Verh¨altnisse sehr großer Zahlen erhalten und diese ohne weiteren Kommentar durch solche deutlich kleinerer Zahlen ersetzt, so etwa 71 755 875 : 61 735 500



43 : 37.

Diese Approximation ist sehr gut; beide Werte unterscheiden sich erst in der vierten Nachkommastelle. 26

Diesen Standpunkt hat vor allem Szab´ o in seinen B¨ uchern [Szab´ o 1969, Szab´ o 1978, Szab´ o 1994] u ¨ber griechische Mathematik vertreten. 27 Siehe [Itard 1961, S. 25–32]. 28 Siehe [Brezinski 1991, S. 7] und [Chabert et al. 1994, Kap. 4].

3.5 Wechselwegnahme und Inkommensurabilit¨ at

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Wie haben die Griechen solche genauen N¨aherungen erhalten k¨ onnen? Es gibt kaum Alternativen zum Vorschlag, dass hinter diesen Rechnungen die Wechselwegnahme gestanden hat. Setzt man A = 71 755 875 und B = 61 735 500, so findet man leicht A − B = C = 10 020 375, B − 6C = D = 1 613 250, C − 6D = E = 340 857. Da E sehr viel kleiner ist als A und B, k¨onnen wir E vernachl¨ assigen und finden n¨aherungsweise C ≈ 6D, B = 6C + D ≈ 37D und A = B + C ≈ 43D, also A : B ≈ 43 : 37.

Anthyphairese Die Theorie der Wechselwegnahme wurde urspr¨ unglich dazu benutzt, um Strecken oder Fl¨achen vergleichen zu k¨onnen. Strecken der L¨ angen 6 und 16 kann man vergleichen, indem man die eine neben die andere legt: dabei wird klar, dass die Strecke der L¨ange 16 mehr als doppelt so lang ist wie diejenige der L¨ange 6. Der Unterschied 4 = 16 − 2 · 6 ist kleiner als 6, und es ist 6 − 4 = 2. Da die Strecke der L¨ange 2 diejenige der L¨ ange 4 misst, haben die beiden urspr¨ unglichen Strecken der L¨angen 16 und 6 ein gemeinsames Maß, n¨amlich die Strecke der L¨ange 2. Dieses gemeinsame Maß haben wir gefunden, indem wir von der gr¨oßeren der beiden Strecken die kleinere abgezogen haben und diesen Schritt wiederholt haben: 16 − 6 = 10, 10 − 6 = 4, 6 − 4 = 2. Versuchen wir nun auf die gleiche Weise, ein gemeinsames Maß f¨ ur die Seite s und die Diagonale d eines Quadrats zu finden. Offenbar ist d − s positiv und kleiner als s; man kann also s nur einmal von d abziehen. Als n¨ achstes muss man schauen, wie oft die Differenz d − s in die Seite s geht; die Gleichheit s : (d − s) = (d + s) : s ist algebraisch ein Folge aus der Beziehung d2 = 2s2 , weil sich diese in der asst. Form s2 = (d + s)(d − s) = d2 − s2 schreiben l¨ Weil nun aber Gr¨oßen in gleichem Verh¨altnis wie (s + d) : s = s : (d − s) auch eine gleiche Wechselwegnahme besitzen m¨ ussen, folgt jetzt, wenn man ein weiteres mal den Z¨ahler zum Nenner macht und als Nenner die Differenz von Z¨ahler und dem doppelten Nenner bildet, dass s : (d − s) = (d − s) : (s − 2(d − s)) = (d − s) : (3s − 2d) ist. Wiederholung dieses Schritts liefert die nicht abbrechende Wechselwegnahme (d + s) : s = s : (d − s) = (d − s) : (3s − 2d) = (3s − 2d) : (5d − 7s) = . . . .

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

Auf der andern Seite muss die Wechselwegnahme bei Gr¨ oßen, die in einem Verh¨altnis von ganzen Zahlen stehen, notwendig abbrechen, da (positive ganze) Zahlen nicht unbegrenzt kleiner werden k¨ onnen. Den griechischen Mathematikern war also bewusst, dass zwei ¨ahnliche Gr¨ oßen genau dann kommensurabel sind, wenn ihre Wechselwegnahme nach endlich vielen Schritten abbricht. Dies steht sogar bei Euklid: Prop. X.2. Misst, wenn man unter zwei ungleichen Gr¨ oßen abwechselnd immer die kleinere von der gr¨oßeren wegnimmt, der Rest niemals genau die vorhergehende Gr¨oße, so m¨ ussen die Gr¨oßen inkommensurabel sein. Da die Wechselwegnahme von Diagonale d und Seite s eines Quadrats nicht abbricht, folgt daraus, dass das Verh¨altnis d : s sicherlich nicht einem Verh¨ altnis ganzer Zahlen gleich sein kann. Die Koeffizienten, die in der Wechselwegnahme beim Verh¨ altnis d : s von Diagonale und Seite eines Quadrats auftreten, haben die Griechen jedenfalls gekannt und genau untersucht; sie heißen die Platonschen Seiten- und Diagonalzahlen. √ Da die Reste√bei der Wechselwegnahme immer kleiner werden, muss 5 2 ≈ 7 √ √ und 17 ≈ 12 2, also 2 ≈ 75 und 2 ≈ 17 12 sein. Die erste dieser Approximationen taucht bereits bei Platon auf. Theon von Smyrna erkl¨ art29 , wie man diese Zahlen leicht bestimmen kann. Er beginnt mit einem Rechteck mit den Seiten 1 und 1; die Summe der beiden Seiten ist 2, und addiert man hierzu die eine Seite, erh¨alt man 3. Aus dem Rechteck mit den Seiten 2 und 3 gewinnt Theon das n¨achste, indem er wieder die Summe 2 + 3 = 5 der beiden Seiten bildet, und dazu die kleinere addiert, was 5 + 2 = 7 ergibt. Das n¨ achste Rechteck besteht dann aus den Seiten 12 = 5 + 7 und 17 = 12 + 5. oßer ist als F¨ ur diese Zahlen rechnet er nach, dass 32 = 9 um die Einheit gr¨ das Doppelte von 22 , und ebenso, dass 2 · 52 = 72 + 1 und 172 = 2 · 122 + 1 ist.

3.6 Euklids Elemente Wie von anderen alexandrinischen Mathematikern (wie Heron und Diophant) wissen wir auch u ¨ber das Leben Euklids praktisch nichts. Er lebte um 300 v. Chr. in Alexandria, und trotz unseres geballten Unwissens hat es Euklid dennoch zu einer Biographie gebracht30 . Einzig zwei Anekdoten sind von Euklid u ulers, der wissen woll¨berliefert; einmal soll er auf die Frage eines Sch¨ te, was er mit dem Wissen, das er sich aneignen sollte, verdienen kann, gesagt 29 30

Er macht dies in [Theon 1878, Kap. 31]. Siehe [Sch¨ onbeck 2003].

3.6 Euklids Elemente

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haben, man solle diesem Sch¨ uler 3 Obolen geben, denn dieser arme Mann m¨ usste Geld verdienen mit dem, was er lernt. Der noch ber¨ uhmtere Ausspruch war an seinen K¨ onig Ptolemaios gerichtet, dem er gesagt haben soll, dass es keinen K¨onigsweg zur Geometrie g¨ abe, als dieser ihm nach einem Weg in die Geometrie fragte, der k¨ urzer w¨ are als der ¨ in den Elementen gegebene. Uber die Historizit¨ at solcher Geschichten gibt keine Tatsache besser Auskunft als diejenige, dass dieselbe Geschichte auch von Alexander dem Großen und dessen Lehrer Menaechmos erz¨ ahlt wird.

Unser Bild von Euklid Es gab in Europa eine Zeit, da man Alles, was in Euklids Elementen enthalten war, als bekannt voraussetzen durfte. Die Zeit ist jetzt nicht mehr, schrieb Nesselmann31 im Jahre 1842; heute ist nicht nur der Inhalt vergessen, sondern Dieudonn´es Schlachtruf Nieder mit Euklid“ Realit¨ at geworden, wenn ” auch ganz anders, als Dieudonn´e sich das h¨atte tr¨ aumen lassen. Von der Verehrung Euklids als dem Mathematiklehrer unz¨ ahliger Generationen ist heute nichts mehr geblieben. Knut Radbruch32 konnte noch schreiben: Es gibt jedoch einen ganz bestimmten Namen, der durchg¨ angig mit einer positiven Einstellung zur Mathematik verbunden bleibt, das mit diesem Namen verbundene Werk wird stets vorteilhaft oder gar liebevoll geschildert. Gemeint sind Die Elemente, und der Name des Autors steht h¨ aufig auch stellvertretend f¨ ur eben dieses Werk; die Rede ist von Euklid. Die meisten anderen modernen Kommentare zu Euklid sind oft ziemlich absch¨atzig33 . Dagegen hat die euklidische Geometrie einen immensen Eindruck auf die Sch¨ uler Albert Einstein und Bertrand Russell gemacht34 . Wie groß der Einfluss Euklids auf Einstein gewesen ist, kann man erkennen, wenn man seine Arbeit u orper, in der er die spezielle ¨ber die Elektrodynamik bewegter K¨ Relativit¨atstheorie entwickelt, im Original liest, und zwar am besten, nachdem man die Elemente studiert hat. 31

Siehe [Nesselmann 1842, S. 153]. Siehe [Radbruch 1997, S. 240] 33 Man f¨ uhre sich etwa die Kommentare Peter Schreibers in [Thaer 2005, S. iv] zu Gem¨ ute. 34 Siehe etwa [Lemmermeyer 2000a, Kap. 6]. 32

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

Euklids Elemente Die Elemente Euklids, in denen die Grundlagen der Geometrie und der theoretischen Arithmetik entwickelt wurden, geh¨oren zu den großartigsten intellektuellen Leistungen der Antike. Die 13 B¨ ucher der euklidischen Elemente lassen sich ganz grob so einteilen: die ersten sechs behandeln die Geometrie der Ebene, die B¨ ucher VII–IX die Zahlentheorie, Buch X quadratische Irrationalit¨aten, und die letzten drei B¨ ucher sind der Geometrie des Raums gewidmet, mit der Untersuchung der Platonischen K¨ orper als H¨ ohepunkt. Nur wenige von Euklids anderen B¨ ucher sind erhalten geblieben. Eines davon ist das nur teilweise in arabischer Bearbeitung erhaltene Buch u ¨ber die Teilung der Figuren. In Prop. 4 dieses Werkes geht es um die Halbierung von Trapezen; Leonardo von Pisa, besser bekannt unter dem Namen Fibonacci, erw¨ ahnt den Satz, den er wohl aus arabischen Quellen kannte, auf S. 135 seiner Practica Geometriae, gibt aber ein Beispiel mit a = 12 und c = 3, in welchem die L¨ ange b nicht rational ist. Es w¨are ein interessante Aufgabe, das Auftreten dieses Problems in der Geschichte der Mathematik genauer zu verfolgen, taucht es doch an den unm¨ oglichsten Orten auf – so etwa in der Puzzle-Ecke des Boston Daily Globe vom 4. April 1902. ur die TraDie wesentliche Idee hinter Euklids Herleitung35 der Gleichung f¨ pezteilung ist die Beobachtung, dass die Fl¨achen ¨ ahnlicher Dreiecke mit den Grundseiten x und y sich verhalten wie x2 : y 2 . Dies ist ein Spezialfall der Proposition 23 im vierten Buch der Elemente Euklids. S

a D N

C b

M

c

A

B

Abb. 3.6.1. Trapezteilung bei Euklid

Ist ABCD ein Trapez mit parallelen Seiten AB und CD, und wird es von der dazu parallelen Transversalen MN halbiert (siehe Abb. 3.6.1), dann erg¨ anze man das Trapez zu einem Dreieck ABS wie angegeben. Bezeichnet man die Fl¨ achen der Teildreiecke SCD, SMN und SAB mit Ta , Tb und Tc , und ist T die Fl¨ache des halbierten Trapezes, dann gelten die Beziehungen 35

Siehe [Archibald 1915, S. 35].

3.7 Die Euklidische Zahlentheorie Ta + T = Tb ,

Tc − T = Tb ,

93 also Ta + Tc = 2Tb .

Da die Fl¨achen Ta , Tb und Tc sich zueinander verhalten wie a2 , b2 und c2 , folgt daraus die Gleichung a2 + c2 = 2b2 , und zwar fast ohne Rechnung. Buch Inhalt I

Elementargeometrische Fragen zu Winkeln und Dreiecken, bis hin zum Satz des Pythagoras (I.47, als Prop. 47 in Buch I).

II

Geometrische Algebra“: hier beweist Euklid Aussagen, die wir algebraisch ” auszudr¨ ucken pflegen. Ein Beispiel ist die binomische Formel (a + b)2 = a2 + 2ab + b2 , deren geometrische Interpretation Euklid in II.4 gibt.

III

Geometrische Eigenschaften von Kreisen, wie der Satz des Thales.

IV

Inkreise, Umkreise, Konstruktion regelm¨ aßiger Vielecke.

V

Die Theorie der Proportionen von Gr¨ oßen, die auf Eudoxos zur¨ uckgeht, und die in Buch VI wesentlich benutzt wird. ¨ Ahnlichkeit von Drei- und Vielecken (Strahlensatz); Verallgemeinerung des Satzes I.47 von Pythagoras.

VI VII

Elementare Zahlentheorie: gr¨ oßte gemeinsame Teiler, Proportionalit¨ at von Zahlen, Primzahlen, Euklidisches Lemma.

VIII Ebene und r¨ aumliche Zahlen, geometrische Folgen, Teiler von Primzahlpotenzen. IX

Quadratzahlen, Kubikzahlen, geometrische Folgen, und die Lehre vom Geraden und Ungeraden; Beweis, dass es unendlich viele Primzahlen gibt; Konstruktion vollkommener Zahlen.

X

Wechselwegnahme at; Theorie der Irrationalit¨ aten √ √und Inkommensurabilit¨ der Form α ± β; solche Ausdr¨ ucke treten beim Studium Platonischer K¨ orper auf.

XI

R¨ aumliche Geometrie: Geraden, Ebenen, Pyramiden, Kegel und Kugeln.

XII

Volumina von Kegel und Zylinder; der Satz, dass die Fl¨ achen von Kreisen sich wie das Quadrat ihrer Durchmesser verhalten, und analoge Resultate u ¨ber Pyramiden und Kugeln.

XIII Die f¨ unf Platonischen K¨ orper; insbesondere der Radius ihrer Umkugeln. Tabelle 3.3. Inhalt der Elemente Euklids.

3.7 Die Euklidische Zahlentheorie Euklid behandelt die Zahlentheorie (also die theoretische Arithmetik im Gegensatz zur praktischen Arithmetik; letztere geh¨ ort zur Logistik) in seinen B¨ uchern VII, VIII und IX. In Buch VII legt er die Grundlagen, aufbauend

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3 Die Zahlentheorie der Griechen

auf dem euklidischen Algorithmus und der Lehre von den Proportionen von Zahlen, in Buch VIII behandelt er geometrische Reihen, die Existenz mittlerer Proportionalen und die Theorie der ebenen Zahlen, und Buch IX enth¨ alt neben dem Satz von der Unendlichkeit der Primzahlen als H¨ ohepunkt die Konstruktion vollkommener Zahlen36 . Der Begriff der Teilbarkeit wird bei Euklid nicht definiert; bei ihm steht mes” sen“ f¨ ur teilen, und wird gemessen von“ f¨ ur ist teilbar durch“. Dabei hat ” ” Euklid eine additive“ Vorstellung von Teilbarkeit: eine Zahl b misst eine ” andere Zahl a, wenn man a dadurch erh¨alt, dass man b hinreichend oft nebeneinanderlegt, wenn also a = b + b + . . . + b die Summe von n Summanden b ist. Wir dagegen sind es gewohnt, die Teilbarkeit auf dem Begriff des Produkts aufzubauen: f¨ ur uns ist b ein Teiler von a, wenn es eine Zahl c gibt mit a = bc. Euklid hat Produkte zweier Zahlen von Vielfachen einer Zahl unterschieden: Die Zahl 6 ist das Dreifache der Zahl 2, aber das Produkt 2 · 3 hat er nicht als die Zahl 6 gesehen, sondern als eine ebene Zahl, die er als Rechteck mit den Seiten 2 und 3 auffasst. Produkte von drei Zahlen betrachtet Euklid als Quader, und Produkte von mehr als vier Zahlen kommen in den Elementen nicht vor; wenn ein solches Produkt gebraucht wird, behilft sich Euklid regelm¨aßig mit dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen der gegebenen Zahlen. Ein m¨oglicher Grund f¨ ur dieses Vorgehen mag der Wunsch gewesen sein, die Arithmetik so weit wie m¨oglich in der geometrischen Sprache der u ¨brigen B¨ ucher zu beschreiben. Da die 1 f¨ ur Euklid keine Zahl ist, wird eine Zahl n nur dann von m gemessen, wenn m < n ist (der Quotient n/m muss eine Zahl sein). Unter Teiler“ ” versteht Euklid daher das, was wir echte Teiler“ nennen w¨ urden. Die 1 teilt ” nat¨ urlich alle Zahlen, da Zahlen per definitionem Vielfache der Einheit sind. Dagegen erkl¨art Euklid in Def. VII.5, dass eine Zahl Vielfaches einer kleineren ist, wenn die gr¨oßere von der kleineren gemessen (also geteilt) wird. Eine Zahl heißt prim (Def. VII.11), wenn sie nur von der Einheit gemessen wird, wenn also 1 ihr einziger echter Teiler ist. Die Einheit selbst ist keine Primzahl, da sie nicht einmal eine Zahl ist. Zwei Zahlen heißen teilerfremd (zueinander prim), wenn sie keine Zahl als gemeinsamen Teiler haben, wenn also 1 ihr einziger gemeinsamer Teiler ist. 36 Mit [Thaer 2005] liegt eine gut zug¨ angliche deutsche Herausgabe der Elemente Euklids vor; die klassische Edition stammt von [Heath 1925], und f¨ ur eine ausf¨ uhrlich kommentierte Edition ist die franz¨ osische Ausgabe [Vitrac 1994] sehr zu empfehlen. Weitere Kommentare findet man bei [Itard 1961]; auch bei [Artmann 1999] stehen zahlreiche zum Verst¨ andnis der euklidischen Beweise hilfreiche Bemerkungen. Die B¨ ucher [L¨ uneburg 2010, L¨ uneburg 2008] geben eine moderne Pr¨ asentation der euklidischen Zahlentheorie.

3.7 Die Euklidische Zahlentheorie

95

Der Euklidische Algorithmus Die zahlentheoretischen B¨ ucher Euklids beginnen mit dem siebten Buch; nach den Definitionen von Einheit, Zahl, Teilen einer Zahl, Primzahlen, Teilerfremdheit usw. beginnt die erste Proposition mit der Erkl¨ arung des Euklidi” schen Algorithmus“, also dem klassischen Verfahren, wie man aus zwei Zahlen deren gr¨oßten gemeinsamen Teiler bestimmt. Proposition VII.1 Sind zwei ungleiche Zahlen gegeben, und wird die kleinere so lange von der gr¨ oßeren abgezogen, bis sich die Einheit ergibt, ohne dass der Rest jemals die vorhergehende Zahl teilt, dann sind die beiden urspr¨ unglichen Zahlen teilerfremd. Den Beweis f¨ uhrt Euklid durch Widerspruch: er nimmt an, dass die gegebenen Zahlen AB und CD von einer Zahl E geteilt werden. Sei CD ein Teiler von BF und FA der Rest, der bei der Teilung von AB durch CD bleibt und welcher kleiner als CD ist. Weiter sei AF ein Teiler von DG, und GC der Rest von CD bei Teilung durch AF, welcher wieder kleiner als AF angenommen wird. Endlich bleibe die Einheit HA, wenn FH durch GC geteilt wird. Da E ein Teiler von CD und CD ein Teiler von BF ist, ist E auch ein Teiler von BF. E teilt aber auch AB; also teilt E auch AF. Nun ist AF ein Teiler von DG; also teilt E auch DG. Aber E teilt auch DC, folglich teilt es den Rest CG. CG wiederum ist ein Teiler von FH; also teilt E auch FH, und da es FA teilt, muss E auch die Einheit AH teilen, obwohl E eine Zahl ist: dies ist unm¨ oglich. F¨ ur heutige Leser ist der Beweis recht schwerf¨ allig, und zwar vor allem wegen der euklidischen Sprache. Der Grund f¨ ur die merkw¨ urdige Darstellung mancher Zahlen in der Form AB und anderer als E ist, dass Zahlen AB als Summanden benutzt werden oder in Summen zerlegt werden, w¨ ahrend Zahlen wie E nur als Faktoren vorkommen. ¨ Ubersetzt in die moderne Schreibweise wird die Beweisidee klar: Seien a und b nat¨ urliche Zahlen; wir schreiben a = bq + r, b = rq  + s, r = sq  + 1

r nc und m > n ist, oder a < nc und m < n. Im ersten Fall ist daher c < n1 · a und, weil auch A = n(c − x) > 0 1 1 B, was auf m B < c < n1 A f¨ uhrt. Im zweiten Fall erh¨ alt sein muss, c > x = m 1 1 man analog n A < c < m B. I.30 Es sind zwei Zahlen gesucht derart, dass sowohl ihre Summe als auch ihr Produkt gegebenen Zahlen gleich sind. Es muss aber das Quadrat der halben Summe der gesuchten Zahlen gr¨ oßer sein als das Produkt derselben, und man kann immer solche Zahlen als gegeben annehmen, dass diese Bedingung erf¨ ullt ist.

3.8 Die Arithmetika Diophants

113

Die Summe soll 20, das Produkt der Zahlen 96 sein. Wir setzen die Differenz der Zahlen gleich 2x. Nun ist ihre Summe gleich 20; wenn wir diese Zahl in zwei gleiche Teile teilen, so wird jeder Teil gleich der H¨ alfte, also 10 sein. Wird nun die halbe Differenz zum einen Teil addiert und vom anderen subtrahiert, so bleibt die Summe 20, und ihre Differenz ist 2x. Wir setzen also die gr¨ oßere der beiden Zahlen gleich 10 + x, die kleinere gleich 10 − x. Deren Produkt ist 100 − x2 , also ist 100 − x2 = 96, und daraus folgt x = 2. Die beiden gesuchten Zahlen sind also 12 und 8. der beiden Im wesentlichen l¨ost Diophant hier das babylonische“ 53 System ” Gleichungen x + y = a, xy = b, Dieses hat die L¨ osungen x = a2 + ( a2 )2 − b. 2 Damit die L¨osung rational ist, muss ( a2 )2 − b = ( x+y 2 ) − xy eine Quadratzahl sein. Die von Diophant gegebene L¨osbarkeitsbedingung scheint korrumpiert zu sein; wir sind hier Wertheims54 Darstellung gefolgt.

Quadratische Gleichungen: Buch II, III, 4–7 Das vielleicht ber¨ uhmteste Problem aus Diophants zweitem Buch ist II.10 Eine gegebene Quadratzahl ist in zwei Quadrate zu zerf¨allen. Wir wollen 16 in zwei Quadrate zerlegen. Wir setzen das erste Quadrat gleich x2 , das zweite gleich 16 − x2 . Jetzt schreibt Diophant: Wir bilden das Quadrat eines um die Seite des gegebenen Quadrats 16 verminderten beliebigen Vielfachen von x, etwa 2x − 4. Die Seite der Quadratzahl 16 ist 4; ein um diese Seite vermindertes beliebiges Vielfache von x w¨are mx − 4. Da Diophant nur eine Variable zur Verf¨ ugung hat, w¨ahlt er m = 2, macht aber durch den Ausdruck beliebig“ klar, dass jede ” andere Wahl von m ebenfalls funktioniert. Das Quadrat von 2x − 4 soll dann osen. gleich der zweiten Zahl sein, d.h. wir haben 4x2 − 16x + 16 = 16 − x2 zu l¨ Jetzt erst kann man den Sinn der diophantischen Substitution 2x−4 erkennen: Die Idee dahinter besteht darin, dass nun auf beiden Seiten das konstante Glied 16 steht; subtrahieren wir wieder Gleiches von Gleichem bzw. addieren auf beiden Seiten x2 , so folgt 5x2 = 16x, also x = 16 5 . Das eine Quadrat ist 144 also 256 25 , das andere 25 . Auch hier ist es f¨ ur uns nicht schwer, aus Diophants L¨ osung unendlich viele zu gewinnen. Dazu wollen wir a2 in die Summe zweier Quadrate zerlegen. 53

In [Friberg 2007b, Chap. 13] ist ein ganzes Kapitel den Spuren der babylonischen Algebra in Diophants Arithmetika gewidmet. Auch [Yuste 2008b] vergleicht L¨ osungen quadratischer Gleichungen bei Diophant mit dem babylonischen Erbe. 54 Siehe [Wertheim 1890].

114

3 Die Zahlentheorie der Griechen

Ist das kleinere Quadrat x2 , so muss also a2 − x2 = y 2 eine Quadratzahl sein. Diophants Ansatz verlangt, dass wir y = mx − a setzen; dann folgt a2 − x2 = m2 x2 − 2amx + a2 , also 2amx = (m2 + 1)x2 und damit x = m2am 2 +1 . Die zweite Quadratzahl ist das Quadrat von y = mx − a = a ·

m2 −1 m2 +1 .

II.11 Eine gegebene Zahl, welche Summe zweier Quadratzahlen ist, soll in zwei andere Quadrate zerf¨allt werden. Wir wollen 13 = 4 + 9 in eine andere Summe zweier Quadrate zerlegen. Die Seiten von 4 und 9 sind 2 und 3, und setzen die eine Seite gleich x + 2, die andere gleich einem beliebigen Vielfachen von x vermindert um die andere gegebene Seite, n¨amlich 3; sagen wir 2x − 3. Dies liefert 13 = (x + 2)2 + (2x − 3)2 = 5x2 − 8x + 13, was x = 85 , also x + 2 =   2  1 2 + 5 . 13 = 18 5

18 5

und y = 2x − 3 =

1 5

ergibt. In der Tat ist

In Problem II.1255 taucht erstmals eine Doppelgleichung“ auf, der schon ” Diophant so viel Bedeutung beimisst, dass er gleich zwei Methoden angibt, solche Aufgaben zu l¨osen: II.12 Es ist zu zwei gegebenen Zahlen ein und dieselbe Zahl zu addieren, sodass jede der beiden Summen eine Quadratzahl ist. Sind 2 und 3 die zu addierenden Zahlen, so sollen also x+2 und x+3 Quadrate werden. Dazu bestimmt man die Differenz der gegebenen Zahlen und sucht dann zwei Zahlen, deren Produkt gleich dieser Differenz, im vorliegenden Fall also gleich 1 ist (dahinter steckt im Wesentlichen die Identit¨ at (1.1)). Sind die Faktoren beispielsweise 4 und 14 , so setze man das Quadrat der halben Differenz gleich dem kleineren der beiden gesuchten Quadrate, also x + 2 = 225 97 17 2 2 uhrt. Die [ 12 (4 − 14 )]2 = ( 15 8 ) = 64 , was uns auf x = 64 und x + 3 = ( 8 ) f¨ zweite L¨osung Diophants besprechen wir weiter unten.

Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen: Buch VI Die Schwierigkeiten, die man beim Durcharbeiten von Diophants Werk u ¨berwinden muss, sind ein Beleg daf¨ ur, wie ideenreich Diophant bei der L¨ osung (und Konstruktion) seiner Probleme vorgegangen ist. Aus den vielen diophantischen Problemen u ¨ber rechtwinklige Dreiecke, deren Seiten rationale Zahlen sind, m¨ ussen wir uns hier auf eines beschr¨anken. 55

Die Numerierung der Probleme ist nicht in allen Ausgaben dieselbe.

3.8 Die Arithmetika Diophants

115

In Problem VI.19 verlangt Diophant, ein rechtwinkliges Dreieck zu finden, sodass die Summe aus dessen Fl¨ache und Hypotenuse ein Quadrat ist, und der Umfang eine Kubikzahl. Diophant l¨ost diese Aufgabe so: er bezeichnet die Fl¨ ache mit x und die Hypotenuse als ein Quadrat minus x, z.B. c = 16 − x. Das Produkt der Katheten ist 2x; w¨are eine Kathete gleich 2, so w¨are die andere x, und der Umfang 2 + x + 16 − x = 18, was keine Kubikzahl ist. Also, so Diophant, brauchen wir ein Quadrat, welches um 2 vermehrt eine Kubikzahl ergibt, und es ist die diophantische Gleichung y 2 + 2 = x3 zu l¨osen. Ist die Seite des Quadrats gleich m + 1, und die des Kubus gleich m − 1, dann folgt m3 − 3m2 + 3m − 1 = m2 + 2m + 3, also m = 4. Also ist die Seite des Quadrats gleich 5, die des Kubus gleich 3. Bezeichnet nun x die Fl¨ache des urspr¨ unglichen Dreiecks und 25 − x seine Hypotenuse, sowie 2 und x dessen Katheten, so folgt nach Pythagoras x2 − ost. 50x + 625 = x2 + 4, d.h. x = 621 50 , und das Problem ist gel¨

Negative Zahlen In der Diskussion um Diophants Regel, die an das heutige minus mal mi” nus gibt plus“ erinnert, kam bisweilen die Frage auf, ob Diophant negative Zahlen gekannt hat. Die landl¨aufige Interpretation der diophantischen Regel, wonach Abzuziehendes mit Abzuziehendem multipliziert hinzuzuf¨ ugen ist, be¨ sagt, dass es sich hier um das antike Aquivalent unseres (a − b)(c − d) = ac − bc − ad + bd handelt. In dieser Form wird es sp¨ ater bei arabischen Algebraikern ebenso wie bei Fibonacci56 behandelt: Et notandum, quia cum multiplicantur aliqua diminuta per diminuta, tunc illa multiplicatio cres[c]it; Es ist zu merken, dass wenn man etwas Abgezogenes mit Abgezogenem multipliziert, so w¨achst jenes Produkt; Wir wollen uns nun ansehen, wie Diophant diese Regel verwendet hat. In Problem IV.14 etwa muss er von 54 den Term 90 − 15x2 subtrahieren und alt findet als Ergebnis 15x2 − 36: Wenn man also Abzuziehendes abzieht, erh¨ man etwas Hinzuzuf¨ ugendes. Zuerst taucht die Behauptung, dass Diophant die abzuziehenden Gr¨ oßen als negative Zahlen betrachtet hat, mit einer abenteuerlichen Begr¨ undung bei 56

Siehe [Boncompagni 1857, S. 369] und [L¨ uneburg 2011, S. 100].

116

3 Die Zahlentheorie der Griechen

Bashmakova57 auf. Sp¨ater hat sich Barner58 diese Auffassung zu eigen gemacht. Seine Begr¨ undung wollen wir uns nun genauer anschauen. In Aufgabe II.12 ging es darum, zu zwei gegebenen Zahlen ein und dieselbe Zahl zu addieren, sodass jede der beiden Summen eine Quadratzahl ist. Diophant nimmt die beiden Zahlen 2 und 3; damit 2 + c und 3 + c Quadratzahlen werden, setzt Diophant c = x2 − 2; damit ist 2 + c ein Quadrat, und es bleibt, 3 + c = x2 + 1 zu einem Quadrat zu machen. 2

−1 uhrt auf x = a 2a ; damit x2 > 2 Der Ansatz x2 +1 = (x−a)2 = x2 −2ax+a2 f¨ ist, muss (a2 − 1)2 > 8a2 sein, also etwa a ≥ 4. Diophant bemerkt lediglich, dass die 4 in seinem Ansatz so gew¨ahlt ist, dass sich am Ende x2 > 2 ergibt.

alt 8x = 15, Jetzt setzt Diophant x2 + 1 = (x − 4)2 = x2 − 8x + 16 und erh¨ 15 2 97 . Daraus ergibt sich c = ( ) − 2 = , und in der Tat ist also x = 15 8 8 64 2+c=

 15 2 8

und

3+c=

 17 2 8

.

Die von Barner versprochenen negativen Zahlen tauchen in Diophants L¨ osung in den Ansatz nicht auf, sondern erscheinen erst, wenn man die L¨ osung x = 15 8 x2 + 1 = (x − 4)2 einsetzt: Offenbar ist 15 8 − 4 negativ. Allerdings nur dann, wenn wir Diophants Ausdruck mit dem identifizieren, was wir heute darunter verstehen. Die Griechen haben oft Zahlen subtrahiert, etwa bei der Wechselwegnahme im euklidischen Algorithmus. Dort schreibt Euklid explizit, dass die Zahlen voneinander subtrahiert werden, und zwar die kleinere von der gr¨oßeren – mangels negativer Zahlen ist dies anders auch gar nicht m¨ oglich. Was w¨ urde jemand, der keine negativen Zahlen kennt, mit der Differenz59 von 15 17 urde er nicht, da sich 4 und 15 8 und 4 anfangen? W¨ 8 um 8 unterscheiden, 17 darunter einfach 8 verstehen? In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass Diophant in Problem VI.22 schreibt, die Gleichung 172x = 336x2 +24 habe keine rationale L¨osung, weil 862 − 24 · 336 keine Quadratzahl ist, und nicht etwa, weil man die Differenz nicht bilden k¨ onne. In Herons Stereometrie findet sich ein ¨ahnliches Beispiel. Dort gibt Heron zur Illustration seiner Methode, eine Pyramide zu berechnen, ein Beispiel einer Pyramide, die nicht existiert. In seiner Rechnung muss er dann die Quadrat57

Ihr B¨ uchlein [Bashmakova 1974] ist durchaus lesenswert, auch wenn man nicht jede ihrer Behauptungen f¨ ur bare M¨ unze nehmen sollte. 58 Vgl. seinen unn¨ otig polemischen Beitrag [Barner 2007]. Mehr zur Geschichte der negativen Zahlen findet man bei [Gericke 1996]. 59 Eine genaue Untersuchung des Begriffs der Subtraktion (und anderer arithmetischer Operationen) bei Diophant findet man in dem lehrreichen Artikel [Christianidis & Oaks 2013]. Danach scheint Diophant das, was wir mit einer Differenz a − b bezeichnen w¨ urden, unbekannt gewesen zu sein. Diophant kennt nur das Ergebnis einer Subtraktion, und dieses ist naturgem¨ aß immer positiv.

3.8 Die Arithmetika Diophants

117

√ wurzel aus 81 − 144 ziehen, was er kommentarlos durch 144 − 81 ersetzt60 . Es w¨ urde sich vielleicht lohnen, sich den Begriff der Differenz in der antiken mathematischen Literatur einmal genau anzuschauen.

Hypatia Hypatia (ca. 355–415) war die Tochter Theons von Alexandria (ca. 330–405); neben einigen Briefen, in denen sie erw¨ahnt wird, stammt das, was wir u ¨ber Hypatia zu wissen glauben, haupts¨achlich aus dem notorisch unzuverl¨ assigen byzantinischen Lexikon Suda aus dem 10. Jahrhundert. Tannery hatte den etwas unverst¨andlichen Text u ¨ber Hypatia modifiziert und dann daraus geschlossen, Hypatia habe einen Kommentar zu Diophants Arithmetika geschrieben (obwohl der Kommentar dieses Werk gar nicht erw¨ ahnt). Rashed61 hat darauf hingewiesen, dass man den griechischen Text auch anders verstehen kann. Nach seiner Interpretation hat Hypatia eine Abhandlung u ¨ber das Rechnen mit Br¨ uchen im Zusammenhang mit astronomischen Berechnungen geschrieben.

Aufgaben 3.1 Man u ¨berlege sich, wie man mit der Theorie vom Geraden und Ungeraden zeigen kann, dass man zwischen na und a keine mittlere Proportionale in Zahlen einschieben kann, dass also na : g = g : a in Zahlen unm¨ oglich ist, wenn 1 < n < 17 und n keine Quadratzahl ist. √ 3.2 Zeige, dass man die Irrationalit¨ at von n mit der Lehre vom Geraden und Ungeraden beweisen kann, wenn n die Form 4k + 3 hat. Dazu verwandle man die Gleichung a2 = b2 n mit Hilfe der Beziehung ( n−1 )2 + n = ( n+1 )2 in die 2 2 2 2 2 Form a +((2n+1)b) = ((2n+2)b) . Verallgemeinere diesen Beweis auf Zahlen der Form 8n + 5. 3.3 Versucht man, das klassische Beispiel befreundeter Zahlen ganz naiv zu verallgemeinern, erleidet man Schiffbruch: ist n¨ amlich m = 4p das Vierfache einer Primzahl, so ist n = 1 + 2 + 4 + p + 2p = 3p + 7; setzt man dies gleich 4qr f¨ ur Primzahlen q < r, und eliminiert man aus diesen Gleichungen p, so findet man (q − 3)(r − 3) = 16, also das Ausgangspaar. Man f¨ uhre diese Rechnungen durch. 60 Manche Autoren dichten ihm deswegen gar die Erfindung komplexer Zahlen an. Ich verdanke Jeffrey Oaks die Mitteilung, dass [Acerbi & Vitrac 2014, S. 489] das u ur wahrscheinlich korrumpiert halten. ¨berlieferte Problem f¨ 61 Siehe [Rashed & Houzel 2013, S. 597–599]. In eine ¨ ahnliche Richtung gingen bereits die Bemerkungen von Schulz [Schulz 1822, S. vi–ix].

118

3 Die Zahlentheorie der Griechen

3.4 Eine interessante Hypothese bez¨ uglich des Ursprungs vollkommener Zahlen stammt von Hultsch62 . Zeige, dass 1=

1 1 1 + + 2 3 6

bzw.

1=

1 1 1 1 1 + + + + 2 4 7 14 28

gilt, und verallgemeinere dies auf beliebige vollkommene Zahlen. Wie l¨ asst sich diese Beobachtung auf befreundete Zahlen ausdehnen? 3.5 Zeige, dass das harmonische Mittel zweier nat¨ urlicher Zahlen a und b ganz ist, wenn a = b oder a = (2n − 1)n und b = n ist, und finde weitere solche F¨ alle. 3.6 Man betrachte mit Hilbert die Menge M aller Zahlen 1, 5, 9, 13, . . . der Form 4n+1. Dort gilt zwar 21·21 = 9·49, aber es ist nicht wahr, dass 49÷21 = 21÷9 ist, denn daraus w¨ urde (vgl. (3.2)) die Existenz von Zahlen m, n, x, y in M folgen mit 49 = mx, 21 = nx = my, und 9 = ny. Da 9 in M nicht zerlegt werden kann, ist n = 1 (und damit y = 9, also 9 ein Teiler von my = 21) oder y = 1 (und damit n = 9 ebenfalls ein Teiler von nx = 21). Man u ¨berzeuge sich davon, dass 49 ÷ 21 = 49 · 9 ÷ 21 · 9

und

21 · 21 ÷ 21 · 9 = 21 ÷ 9

gilt, und dass daher die Transitivit¨ at der Gleichheit f¨ ur Proportionen in M nicht stimmt! Insbesondere darf man die Transitivit¨ at der Gleichheit von Proportionen in ganzen Zahlen nicht als offensichtlich betrachten, vielmehr muss sie bewiesen werden. 3.7 Beweise die folgende Proposition, die Euklid f¨ ur Gr¨ oßen bewiesen hat, f¨ ur Zahlen dagegen nicht: Gilt a ÷ b = a ÷ c, so muss b = c sein. 3.8 Beweise Euklids Proposition VII.11: Verh¨ alt sich ein St¨ uck zum St¨ uck wie das Ganze zum Ganzen, dann muss sich auch der Rest zum Rest verhalten wie das Ganze zum Ganzen. Ist also a ÷ b = c ÷ d, dann auch a ÷ b = (a − c) ÷ (b − d). 3.9 Beweise Euklids Proposition VII.13: Stehen vier Zahlen in Proportion, so m¨ ussen sie auch vertauscht in Proportion stehen. Ist also a ÷ b = c ÷ d, so muss auch a ÷ c = b ÷ d sein. √ 3.10 Zeige: 2 ist genau dann rational, wenn es ein pythagoreisches Tripel der Form (a, a, c) gibt. Dies liefert a = m2 − n2 = 2mn, wobei wir m und n als teilerfremd ansehen d¨ urfen. Nun sind die Faktoren m und n aber teilerfremd zu den Faktoren m + n und m − n auf der linken Seite: Widerspruch. 62

Siehe [Hultsch 1895].

4

Die Zahlentheorie im antiken Orient

Abb. 4.0.1. Statue von Bhaskara II in Patnadevi (Maharashtra). Foto: Digvijay Patil.

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_4

120

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

¨ 4.1 Historischer Uberblick W¨ ahrend der Zeit zwischen dem allm¨ahlichen Niedergang der griechischen Kultur nach der Einverleibung Griechenlands in das r¨ omische Reich und ihrer Renaissance in Europa am Ende des Mittelalters fand der wissenschaftliche Fortschritt fast ausschließlich in der islamischen Welt (die sich in den Zeiten ihrer gr¨oßten Ausdehnung von Spanien bis nach Indien erstreckte) und in Asien (Indien und China) statt. Bereits das persische Reich im 5. Jahrhundert v. Chr. erreichte Indien, und dasselbe gilt f¨ ur das nachfolgende Reich Alexanders; es ist kaum vorstellbar, dass sich der Kontakt der verschiedenen Kulturen, also der griechischen, ¨agyptischen, babylonischen, persischen und nordindischen, auf das Zahlen von Steuern und den Handel beschr¨ankte. Ob es w¨ ahrend der Herrschaft der R¨omer einen nennenswerten wissenschaftlichen Austausch gegeben hat, ist unklar: Die R¨omer fanden wenig Gefallen an der euklidischen Mathematik und interessierten sich f¨ ur wenig mehr als etwas Arithmetik und die Kunst des Vermessens. Auf der andern Seite f¨ uhrte das Verlangen der r¨ omischen Oberschicht nach Seide zu einem ausgedehnten Handel bis nach China: Dort hatte man entdeckt, wie dieser Stoff aus dem Kokon der Seidenraupe gewonnen werden kann. Der Handel mit Seide seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. war f¨ ur China so lukrativ, dass auf den Verrat des Geheimnisses der Herstellung und erst recht auf den Export von Seidenraupen die Todesstrafe stand. Die gr¨oßten Exportschlager auf dem Gebiet der Wissenschaften waren Werke der Astronomie. Der Almagest von Ptolem¨ aus jedenfalls wurde selbst im fernen Indien gelesen und studiert, einschließlich des darin benutzten Sexagesimalsystems f¨ ur Br¨ uche. Sp¨ater haben die Perser umgekehrt astronomische Werke der Inder studiert, w¨ahrend islamische Mathematiker das indische Dezimalsystem u ¨bernahmen. Die eigentlichen Erben des griechischen Wissens saßen vor der Ausbreitung des Islam in Byzanz. Diese Stadt war im 7. Jahrhundert v. Chr. von Griechen auf der europ¨aischen Seite des Bosporus gegr¨ undet worden. Im Jahre 330 n. Chr. machte Kaiser Konstantin die Stadt zu seiner Hauptresidenz und nannte sie Konstantinopel. Nach der Schließung heidnischer Schulen, insbesondere in Alexandria und Athen, wurden die Schriften griechischer Wissenschaftler in Byzanz aufbewahrt, kopiert, studiert und kommentiert. Allerdings war Byzanz innerhalb des r¨omischen Reichs als Zentrum der Wissenschaft isoliert – der fehlende Kontakt zu anderen Akademien, etwa in Persien, ließ wenig ¨ mehr zu als ein Bewahren des Uberlieferten. Mit dem Aufstieg des Islam wurde auch die Mathematik wiederbelebt. Arabische Gelehrte u ¨bersetzten griechische, persische und indische Abhandlungen und entwickelten sie, was die Zahlentheorie betrifft, in bescheidenem Ausmaße weiter. Viele Manuskripte, darunter einige B¨ ucher von Diophants Arithmetika, sind uns nur in arabischer Bearbeitung u ¨berliefert.

¨ 4.1 Historischer Uberblick

121

Jh.

Rom

Persien

Asien

-6

Das R¨ omische Reich entsteht. Das Alphabet u omer ¨bernehmen die R¨ von den Etruskern.

Das Persische Reich von Kyros II. erstreckt sich von Babylon bis zum Indus. Sein Sohn Kambyses II erobert ¨ Agypten, Dareios I Kleinasien. Dareios I greift Griechenland an. Sein Nachfolger Xerxes zerst¨ ort Babylon. Alexander besiegt Dareios III bei Issos

Buddha lehrt in Indien, Konfuzius in China

-5

-4

-3

Gallier u ¨berfallen Rom. Errichtung des ersten Aqu¨ adukts (Aqua Appia) Hannibal bedr¨ angt Rom

-2

Rom erobert Griechenland; dritter Punischer Krieg

-1

Spartacus f¨ uhrt den Sklavenaufstand an. Caesar reformiert den Kalender Das Kolosseum wird fertiggestellt. Vitruv ver¨ offentlicht De architectura. Der Aqu¨ adukt Pont du Gard wird gebaut Der Hadrianswall wird gebaut

1

2

3

4

5

Die Seleukiden herrschen u ¨ber weite Teile des Reichs. Die Seleukiden verlieren nach und nach an Macht.

Alexander erreicht Indien

W¨ ahrend der Qin-Dynastie beginnt der Bau der chinesischen Mauer

Parther beherrschen Persien, werden aber in lange Kriege mit Rom verwickelt. Der Buddhismus kommt nach China

In China wird Papier erfunden; auf der Seidenstraße kommt der Handel in Schwung Der Zoroastrismus wird Staatsreligion in Persien

Rom wird christlich; Theodosius schließt heidnische Tempel Die Goten erobern Rom Tabelle 4.1. Zeittafel Rom, Persien und Asien

122

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Jh.

Rom und Byzanz

6

Justinian l¨ asst die Athener Schule schließen Griechisch wird alleinige Amtssprache im byzantinischen Reich.

7

8

Belagerung von Byzanz

11

Erster Kreuzzug

13

Im 4. Kreuzzug wird Konstantinopel gepl¨ undert Ostrom f¨ allt an das Ottomanische Reich

15 16

Islam

Mohammed gr¨ undet den Islam; die Araber ¨ erobern Agypten, Mesopotamien und Persien. Kalif Omar I zerst¨ ort Alexandria Moslems erobern Spanien; die Araber lernen das Dezimalsystem kennen. Bagdad wird gegr¨ undet.

Asien Entwicklung des Dezimalsystems in Indien In China wird Porzellan gefertigt

Moslems erobern Pakistan und erreichen Indien

Buchdruck mit beweglichen Lettern Einfall der Mongolen

Einfall der Mongolen Tabelle 4.2. Zeittafel Rom, Byzanz, Islam und Asien

Die mongolischen Horden, die im 13. Jahrhundert ganz China und den Osten des islamischen Reichs u ¨berrannten, machten mit der Pflege der Wissenschaften in diesen L¨andern kurzen Prozess. Alamut fiel 1256, Bagdad zwei Jahre sp¨ ater; die Bibliotheken wurden dem Erdboden gleich gemacht, und die Mongolen sollen so viele B¨ ucher in den Tigris geworfen haben, dass die Tinte dessen Wasser schwarz f¨arbte. H¨ uleg¨ u Khan, ein Enkel von Dschingis Khan, ließ aber f¨ ur seinen Hofastrologen Nasir al-Din al-Tusi in Maragha eine Sternwarte einrichten. Im Westen, also dem muslimisch beherrschten Teil der iberischen Halbinsel (al-Andalus), sowie in Konstantinopel, wurde nach dem Mongolensturm noch etwas Mathematik getrieben, bis 1492 die christliche R¨ uckeroberung Spaniens abgeschlossen war und Konstantinopel 1453 an die Osmanen fiel. Im fernen Osten wurde das Studium der Astronomie auch unter der Herrschaft der Mongolen weitergef¨ uhrt, und Kublai Khan, ebenfalls ein Enkel von Dschingis Khan, ließ im 13. Jahrhundert den persischen Astronomen Jamal ad-Din (chinesisch: Cha-ma-la-ting), der neben einem Astrolab auch einen Globus mit nach China gebracht haben soll, in seine neue Hauptstadt Peking holen.

4.2 Rom und Byzanz

123

4.2 Rom und Byzanz Rom und die Mathematik – eine ganz kurze Geschichte. B¨ ose Zungen haben behauptet, die R¨omer h¨atten nur zweimal in die Geschichte der Mathematik eingegriffen, n¨amlich mit der Erschlagung des Archimedes und mit dem Brand eines Teils der Bibliothek bei der Einnahme Alexandrias durch Caesar. Es gibt keinen r¨ omischen Mathematiker“, lautet das vernichtende Urteil von ” Fritz Malsch1 , und noch deutlicher wird Hermann Hankel2 (1839–1873): Von der H¨ohe mathematischer Wissenschaft, auf die wir in unserer Darstellung mit den Griechen hinaufgestiegen sind und auf der wir uns im Wesentlichen bei den Indern und Arabern gehalten haben, m¨ ussen wir jetzt tief herabsteigen, um den Stand mathematischen Wissens bei einem Volke kennen zu lernen, dem – um hier sogleich das Facit zu ziehn – in einer kaum glaublichen Weise aller Sinn f¨ ur wissenschaftliche Mathematik abging und dem deshalb kein Platz zuk¨ame in einer Geschichtsschreibung, die allein den Fortschritt in der Entwickelung der Wissenschaft an sich aufzeigen wollte.

¨ Abb. 4.2.1. Pont du Gard: Im ersten Jahrhundert erbauter Aquadukt

Die R¨omer hatten f¨ ur die mathematischen Leistungen der Griechen tats¨ achlich wenig bis gar nichts u ur die Teile, die ¨brig, sondern interessierten sich nur f¨ sie direkt anwenden konnten. Im wesentlichen beschr¨ ankte sich das auf etwas urgerliches Rechelementare Geometrie, die der Feldmessung3 diente, und b¨ ” 1

Siehe [Malsch 1928, S. 40]. Seine Geschichte der Mathematik [Hankel 1874, S. 294] wurde nach dem fr¨ uhen Tod Hankels von seinem Vater herausgegeben. 3 Auf diesem Gebiet konnte ihnen damals kaum jemand etwas vormachen; siehe etwa [Decramer et al. 2002]. Auch der 80 km lange vollkommen gerade verlaufende Limes zwischen Walld¨ urn und Welzheim ist eine eindrucksvolle Demonstration der r¨ omischen Vermesser. Nach einer Hypothese von Rudolf Landauer und Siegfried Schenk wurde dieser Teil des Limes am Polarstern ausgerichtet. 2

124

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

nen“, soweit es f¨ ur den ausgedehnten Handel und die Architektur notwendig war. Die Gromatik, also die Feldmesskunst, wie sie bei den R¨ omern betrieben wurde, findet vor Hankels Augen ebenfalls wenig Gefallen: Was nun den geometrischen Theil jener Pandekten betrifft, die auch die juristische und rein technische Seite der Kunst ausf¨ uhrlich behandelt, so l¨ asst sich schwer sagen, ob die Rohheit der Darstellung oder die D¨ urftigkeit und Fehlerhaftigkeit des Inhalts den Leser mehr abschreckt. [. . . ] Der Totaleindruck ist der, als ob die r¨omische Gromatik Tausende von Jahren ¨alter als die griechische Geometrie sei und zwischen beiden eine S¨ undfluth liegen m¨ usse. Was den Inhalt betrifft, so ist er nicht weniger sch¨ ulerhaft und j¨ammerlich; er zerf¨ allt in zwei Theile: die Vorschriften zur Berechnung und die zur Vermessung der Grundst¨ ucke. Nur wenige R¨omer fanden diesen Zustand der mathematischen Kultur in ihrem Land bedauerlich; einer dieser wenigen war Cicero, der die Mathematik sogar so sehr sch¨ atzte, dass er sich in Sizilien auf die Suche nach dem Grab des Archimedes machte und es auch fand. Er schrieb4 : In Griechenland wurde die Geometrie in h¨ochsten Ehren gehalten; daher war dort nichts ehrenhafter als der Beruf des Mathematikers. Aber wir haben diese Kunst auf das bloße Messen und Rechnen beschr¨ ankt. Der r¨omische Architekt Vitruv wird noch deutlicher; zu Beginn des neunten Buchs seines Werks De Architectura beklagt er sich dar¨ uber, dass zwar Siegern bei den Olympischen Spielen eine triumphale R¨ uckkehr bereitet wird und sie ihr Leben lang auf Staatskosten verpflegt werden, wo doch etwa Ringer nur ihren eigenen K¨orper st¨ahlen, w¨ahrend Schriftsteller durch ihre B¨ ucher den Geist aller B¨ urger sch¨arfen w¨ urden. Die Lehren des Pythagoras, des Demokrit, des Platon, des Aristoteles und der u ¨brigen Weisen dagegen bringen, t¨aglich von fortdauerndem Fleiße gepflegt, nicht bloß den B¨ urgern der St¨ adte, denen sie angeh¨ orten, sondern allen V¨olkern immer wieder neue und frische Fr¨ uchte, wodurch diejenigen, welche sich von zarter Jugend an mit der F¨ ulle von Wissenschaften s¨attigen, den h¨ochsten Grad von Weisheit erlangen und in den B¨ urgergemeinden h¨ohere Sitten, eine geordnete Rechtspflege und Gesetze einf¨ uhren, ohne welche kein Staat gedeihlich bestehen kann. Da mithin den Menschen so große Gaben sowohl f¨ ur den Einzelnen, als f¨ ur das allgemeine Wohl durch die Weisheit der Schriftsteller dargeboten worden sind, geht meine Meinung dahin, dass diesen nicht 4

[Davies 1730, I, 2].

4.2 Rom und Byzanz

125

bloß Palmzweige und Kr¨anze zuertheilt, sondern auch Triumphe zuerkannt, und dass daf¨ ur gestimmt werden sollte, ihnen einen Platz unter den G¨ottern zu weihen. Daraufhin erkl¨art er die Verdopplung des Quadrats als eine unter den vielen ” h¨ochst brauchbaren mathematischen Lehrs¨atzen des Plato“. Sogar der Begriff Mathematik hat im sp¨aten R¨ omischen Reich eine andere Bedeutung erhalten. Im Codex Iustinianus, einer Gesetzessammlung aus dem 6. Jahrhundert, wird ein Gesetz aus den Zeiten Diokletians und Konstantins mit dem Titel De maleficiis et mathematicis et ceteris similibus (¨ uber Magier und Mathematiker und dergleichen) zitiert, in dem es heißt: Die Kunst der Geometrie zu lernen und auszu¨ uben ist von ¨offentlichem Interesse. Die verdammenswerte Kunst der Mathematik aber ist verboten. Hier wurde also die chald¨aische Astrologie mit der Mathematik gleichgesetzt (und die Magier, also die Astrologen, mit maleficii, also mit B¨ osewichten). Bis ins 19. Jahrhundert hinein wurden Mathematiker in der Regel als Geometer bezeichnet. Dass in den Schulen Roms und Mailands noch etwas Mathematik gelehrt wurde, belegt ein Zitat von Augustinus: In seinem Werk De civitate Dei jedenfalls erkl¨art er, dass Gott die Welt in sechs Tagen erschaffen habe, weil 6 die erste vollkommene Zahl ist, und er erkl¨art seinen Lesern auch, dass 4 zwar ein Teil, aber kein Teiler von 6 ist.

Abb. 4.2.2. Konstantinopel. Stich von Matth¨ aus Merian (1593–1650)

Etwas mehr Respekt vor den Wissenschaften als in Rom war in Byzanz5 zu finden. Proklos, der bekannte Kommentator Euklids, wurde im Jahre 412 in 5

Vogel hat sich ausf¨ uhrlich mit der Mathematik in Byzanz besch¨ aftigt; siehe etwa [Vogel 1978]. Siehe auch [Deschauer 2005].

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4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Konstantinopel geboren, zog dann aber nach Athen, wo sich verschiedene Gelehrte aufhielten, die nach der Ermordung von Hypatia aus Alexandria dorthin geflohen waren. Proklos starb in Athen in Jahre 485; obwohl die Arbeit dort immer schwieriger wurde, weil die Christen, die den heidnischen Wissenschaften ablehnend gegen¨ uberstanden, zunehmend an Einfluss gewannen, gab es in Athen noch eine Reihe aktiver Mathematiker. Im Jahre 529 bekamen die Christen von Kaiser Justinian, was sie wollten: ein Dekret zur Schließung der Athener Schule. Die letzten Mathematiker (darunter Damaskios und sein Sch¨ uler Simplikios) verließen in den darauffolgenden Jahren Athen und gingen an den Hof des Perserk¨onigs Chosrau I, kehrten aber sehr bald ins ostr¨ omische Reich zur¨ uck, nachdem Justinian ihre Sicherheit garantiert hatte. Ob sich der in Rom geborene Anicius Manlius Severinus Boethius (ca. 480– 524) sein Wissen u ¨ber die griechische Philosophie in Rom, Athen oder Alexandria aneignete, ist umstritten. Jedenfalls entwickelte Boethius den Plan, s¨amtliche Werke von Platon und Aristoteles ins Lateinische zu u ¨bersetzen; seine Herausgabe von Teilen der Elemente Euklids als Lehrbuch der Geometrie war ein schwacher Abklatsch des Originals ohne Beweise und war im europ¨aischen Mittelalter die einzige Quelle griechischer Mathematik. Weil es zum Vorteil der Welt w¨are, wenn Philosophen K¨ onige oder K¨ onige Philosophen w¨ urden (diese Maxime entstammt der Gedankenwelt Platons – Boethius schreibt selbst, dass ihn dieser Satz dazu bewogen habe, politische Verantwortung zu suchen), stieg er in die Politik ein. Auf dem H¨ ohepunkt seiner Macht wurde er von seinen Gegnern in Abwesenheit zum Tode wegen Hochverrats verurteilt, in Ticinum (heute Pavia) ergriffen, gefoltert und schließlich erschlagen. Der bekannte Spruch Si tacuisses, philosophus mansisses geht auf eine Stelle in einem seiner B¨ ucher zur¨ uck. Dass es wissenschaftliche T¨atigkeit auch außerhalb der Zentren Rom und Byzanz gegeben hat, belegt das Beispiel des Schriftstellers Martianus Capeluhen 6. Jahrhundert in Karthago gelebt hat. In seinem la6 , der im 5. und fr¨ enzyklop¨adischen Werk u unste, deren Kapitel wohl Zusam¨ber die sieben K¨ menstellungen von Lehren ¨alterer Autoren waren, gibt es zwei Kapitel u ¨ber Geometrie und Arithmetik, sowie u ¨ber Astronomie. Im letzteren stellt Capella ein Weltbild vor, in welchem zwar die Erde im Mittelpunkt steht, die Planeten Merkur und Venus sich allerdings um die Sonne drehen. Capellas Werk hatte im Mittelalter einen sehr großen Einfluss, und selbst Kopernikus hat Capellas Werk gekannt und zitiert. Als die Moslems im Jahre 641 Alexandria einnahmen, floh die Mehrzahl der Gelehrten nach Konstantinopel, das damit zur letzten Bastion des griechischen Erbes wurde. Obwohl man dort auf vielen Manuskripten griechischer Autoren saß, entwickelte sich kaum eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt dieser Werke. Michael Psellos (1018–1078) lebte am Hof von Byzanz und ist der 6 Eine Geschichte der Vorstellungen u ¨ber das Sonnensystem von der Antike bis heute findet man bei [Kanas 2014], der auch Capellas Arbeit bespricht.

4.3 China

127

Nachwelt vor allem deswegen bekannt, weil er in einem Brief die Arithmetik des Anatolios erw¨ahnt, die dieser einem gewissen Diophant gewidmet habe. Tannery identifizierte diesen Anatolios mit Anatolios von Alexandria, auch Bischof von Laodicea, der im Jahre 283 n. Chr. gestorben ist, und schlussfolgerte, dass Diophant damals noch gelebt haben muss7 . Auch der n¨achste byzantinische Gelehrte hat mit Diophant zu tun, da er die beiden ersten B¨ ucher der Arithmetika kommentierte: Maximos Planudes wuchs in Nikomedia (das heutige Izmit in der T¨ urkei) auf. Sp¨ ater nahm ihn sein Onkel in Konstantinopel unter seine Fittiche, und er erhielt eine solide Ausbildung, unter anderem in Latein. Danach unterrichtete er vermutlich an einer Klosterschule und wurde selbst M¨onch. Die meisten byzantinischen Gelehrten seiner Zeit waren M¨onche; ihnen standen die griechischen Werke in den Klosterbibliotheken zur Verf¨ ugung, alle andern Gelehrten waren auf M¨azene angewiesen. Planudes u ¨bersetzte zahlreiche Werke, die Geographie des Ptolem¨aus ebenso wie den Gallischen Krieg Caesars. In der Mathematik schrieb er ein Werk u ¨ber den Gebrauch der indischen Ziffern, wobei er die persische Schreibweise benutzte und nicht die italienische, die Fibonacci im Westen eingef¨ uhrt hatte. 1453 wird Konstantinopel vom Heer des osmanischen Sultans Mehmed II. erobert; dies setzt dem ostr¨omischen Reich ein Ende. Gustav Wertheim ordnet dies wie folgt ein8 : Es war das ein um so gr¨oßeres Gl¨ uck, als zu dieser Zeit die Verfolgungen und Bedr¨ uckungen der Juden in den u ¨brigen europ¨aischen L¨ andern immer heftiger wurden, bis sie in der brutalen Austreibung aller Juden aus Spanien (1492) und Portugal (1496) ihren Gipfel erreichten. Die Sultane Bajazet, Selim I. und Soliman I. nahmen die fl¨ uchtigen Juden mit großer Zuvorkommenheit auf und r¨ aumten ihnen dieselbe Freiheit ein, welche andere V¨olker, wie die Armenier und Griechen, genossen.

4.3 China Die ¨altesten uns u ¨berlieferten Schriftzeichen in China gehen auf die Zeit um 1400 v. Chr. zur¨ uck, aber die Anf¨ange d¨ urften schon davor liegen. Zur gleichen 7

Bei Tannery kann man aus erster Hand erfahren, was non sequitur bedeutet. ¨ Einen Uberblick u ¨ber die verschiedenen Datierungen Diophants gibt [Schappacher 1998]. 8 In [Wertheim 1896] u udischen Gelehrten Elia ¨bersetzt er die Arithmetik des j¨ Misrachi, der noch ausgiebig aus arabischen Quellen gesch¨ opft hat. Unter den Fragen, die Misrachi in seiner Arithmetik behandelt, ist auch diejenige nach Zahlen, deren Teilersumme um eine gerade Zahl gr¨ oßer oder kleiner ist als die Zahl selbst, und er gibt Euklids Konstruktion vollkommener Zahlen.

128

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Zeit entstanden wohl auch die chinesischen Ziffern, wie Funde auf Knochen und Panzern von Schildkr¨oten belegen. Die Zahlen von 1 bis 9, die Zehner von 10 bis 90, die Hunderter von 100 bis 900 und die Tausender von 1000 bis 10 000 hatten dabei eigene Symbole. Im 4. Jahrhundert v. Chr. kam im Zusammenhang mit St¨ abchen auf Rechenbrettern ein zweites System in Gebrauch, in dem die Ziffern der Dezimalzahlen durch Striche symbolisiert wurden. Der Abakus wurde erst ab dem 14. Jahrhundert n. Chr. benutzt, vor allem von H¨andlern. Auch in der chinesischen Kultur war der Satz des Pythagoras schon fr¨ uh bekannt. Obwohl die chinesische Mathematik9 ein sehr hohes Niveau erreichte, scheint das Interesse an zahlentheoretischen Problemen eher gering gewesen zu sein. Bereits in den neun B¨ uchern arithmetischer Technik (Chiu Chang Suan Shu arung, wie man Dividend oder auch Jiu Zhang Suanshu)10 findet man eine Erkl¨ und Divisor bei einer Division k¨ urzen kann: Um a : b in die einfachste Form zu bringen, hat man die Zahlen a und b so lange zu halbieren, bis eine von beiden ungerade ist, und diese dann so lange voneinander abzuziehen, bis die Division aufgeht; durch die letzte hier auftretende Zahl kann man die beiden Zahlen k¨ urzen11 . Sp¨atestens im ersten Jahrhundert n. Chr. war der euklidische Algorithmus also in China bekannt. Liu Hui Sun Tzu Zu Chongzhi Zhang Qiujian Yi Xing Jia Xian Quin Jiu-Shao Yang Hui Zhu Shi-je

ca. 3. Jh. ca. 4. Jh. 429–500 430–490 683–727 1010–1070 1202–1261 1238–1298 1249–1314

Chinesischer Restsatz Berechnung von π Hundert V¨ ogel Pascalsches Dreieck Algebra Pascalsches Dreieck Algebra

Tabelle 4.3. Chinesische Mathematiker

W¨ ahrend sich die Chinesen allem Anschein nach nicht mit unbestimmten Gleichungen zweiten oder h¨oheren Grades befasst haben, geht die Besch¨ aftigung mit linearen diophantischen Gleichungen mindestens bis auf das 2. Jahrhun9

Wir st¨ utzen uns hier vor allem auf [Needham 1959], [Libbrecht 1973], [Martzloff 1997] und [Yabuuti 2000]. Erw¨ ahnt seien auch die lehrreichen Arbeiten [Swetz 2012], [Swetz 1992] und [Swetz& Kao 1977] u ¨ber die chinesischen Kenntnisse des Strahlensatzes und des Satz von Pythagoras. 10 Siehe [Vogel 1968, S. 8]; eine sehr ausf¨ uhrlich kommentierte Ausgabe haben [Chemla & Guo Shuchun 2004] herausgegeben. 11 Siehe [Djafari Naini 1982, S. 25] und [Lam 1994, S. 9].

4.3 China

129

dert v. Chr. zur¨ uck. Wie sp¨ater in Indien kam der Anstoß dazu aus der Astronomie12 . Sun Tzu (auch Sunzi) l¨ost in seinem Werk Sun Tzu Suan Ching die Aufgabe, eine Zahl zu bestimmen, die bei der Teilung durch 3, 5 und 7 die Reste 2, 3 und 2 l¨asst. Seine L¨osung besteht darin, zuerst Zahlen a, b und c zu finden, die durch das Produkt von je zwei der drei Zahlen teilbar sind und bei der Division durch die dritte den Rest 1 lassen, also hier 70, 21 und 15. Diese Zahlen werden dann mit den Resten aus der Aufgabe multipliziert und addiert, sodass sich die L¨osung x = 2 · 70 + 3 · 21 + 2 · 15 = 233 ergibt. In seinem Werk Chang Chiu Suan-Ching l¨ost Zhang Qiujian die Aufgabe der 100 V¨ogel, die in kleineren und gr¨oßeren Variationen in vielen Kulturen13 auftaucht. Bei Zhang Qiujian lautet die Aufgabe so: Ein Hahn kostet 5 Chien, eine Henne 3 Chien, und drei K¨ uken 1 Chien. Mit 100 Chien kaufen wir 100 V¨ ogel. Wie viele H¨ahne, Hennen und K¨ uken sind es? Diese Aufgabe l¨auft auf die L¨osung der diophantischen Gleichung 5a + 3b + c = 100 hinaus; Chang gibt die drei L¨osungen (a, b, c) = (4, 18, 78), (8, 11, 81) und (12, 4, 84). Yang Hui untersucht das Pascalsche“ Dreieck ausf¨ uhrlicher; ihm gelingt es, ” die Dreieckszahlen zu summieren: 1 + 3 + 6 + ... +

1 n(n + 1) = n(n + 1)(n + 2), 2 6

was wir heute mit Hilfe von Binomialkoeffizienten fast ohne Rechnung aus dem Pascalschen Dreieck ablesen k¨onnen. Auch die Quadratzahlen weiß er zu summieren, allerdings ist uns nicht bekannt, wie er dies gemacht hat. Astronomie Die Aufzeichnungen chinesischer Astronomen gehen weiter zur¨ uck als selbst die der Babylonier, teilweise bis in die Mitte des 2. vorchristlichen Jahrtausends. Insbesondere haben die Chinesen Novae ebenso beobachtet wie Kometen, darunter auch den Halleyschen. Die mathematischen Methoden zur Beschreibung der Planetenbewegungen stehen der babylonischen Astronomie n¨aher als der griechischen. Ob die von den chinesischen Astronomen entwickelte Technik der Interpolation eine Verallgemeinerung der babylonischen Trapezteilung im Zusammenhang mit der Bewegung des Jupiter ist, w¨ urde sich vielleicht zu untersuchen lohnen. 12 13

Siehe [Shen 1988]. In Abu Kamils Buch der V¨ ogel werden etwa sechs solcher Aufgaben gel¨ ost.

130

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

4.4 Indien Auf die Kenntnisse der Hindu-Zivilisation, was rechtwinklige Dreiecke in Zahlen betrifft, haben wir bereits in Kap. 2 hingewiesen. Da die Anh¨ anger der vedischen Religion vielleicht aus dem persischen Raum nach Indien gekommen sind, ist es durchaus denkbar, dass sie die Grundprobleme ihrer Mathematik (etwa die Berechnung rechtwinkliger Dreiecke) aus dem mesopotamischen Großraum mitbrachten. Auch w¨ahrend der Seleukidenzeit, als deren Reich Kleinasien, Mesopotamien, Persien, Afghanistan und Pakistan vereinigte und fast bis zum Indus reichte, gab es gen¨ ugend Gelegenheit zum wissenschaftli¨ chen Austausch. Der ausgiebige Handel auf der Seidenstraße tat ein Ubriges, um neue Errungenschaften auch wissenschaftlicher Art zu verbreiten14 . Neben allen Gemeinsamkeiten zwischen den Anf¨ angen der indischen Mathematik15 und derjenigen in Mesopotamien, Persien und Griechenland, etwa was rechtwinklige Dreiecke oder einfache diophantische Gleichungen angeht, muss aber auch festgestellt werden, dass die sp¨atere Entwicklung von einer großen Eigenst¨andigkeit gepr¨agt war. Zum einen haben indische Mathematiker das Dezimalsystem entwickelt, das heute weltweit verwendet wird, zum andern blieben die Leistungen der indischen Mathematik im ersten nachchristlichen Jahrtausend auf den Gebieten der diophantischen Gleichungen, insbesondere der Pellschen Gleichung“, bis zu den Arbeiten von Fermat, Euler und ” Lagrange un¨ ubertroffen. Dabei haben die Hindus durchaus klassische Quellen benutzt: In den ersten f¨ unf Jahrhunderten unserer Zeitrechnung gelangten Kenntnisse der babylonischen Astronomie nach Indien, sehr wahrscheinlich auf dem Umweg u ¨ber die Griechen. Insbesondere kannten gelehrte Hindus die von Ptolem¨ aus benutzte sexagesimale Notation f¨ ur Br¨ uche. Das Interesse der Hindus an linearen diophantischen Gleichungen ging dabei wohl wie bei den Chinesen auf die Astronomie zur¨ uck16 . Die indische Gesellschaft ist seit etwa 3000 Jahren vom System der Kasten gepr¨agt. Die oberste Kaste bildeten die Brahmanen, die Schicht, aus der Priester und Gelehrte rekrutiert wurden. Darunter kommen die Ksatriyas (Soldaten), 14

Jens Høyrup stellt in [Høyrup 2004] Parallelen zwischen der indischen Mathematik im 9. Jahrhundert und babylonischen und griechischen Quellen zusammen. 15 Die folgenden B¨ ucher beschreiben die Entwicklung der Mathematik in Indien: [Gurjar 1947], [Datta & Singh 1962], [Levey & Petruck 1965], [Bag 1979], [Emch, Sridharan & Srinivas 2005], [Plofker 2009], [Seshadri 2010], [Puttaswamy 2012], [Divakaran 2018]. 16 ¨ Der Artikel [Pingree 1976] gibt einen guten Uberblick u ¨ber die bekannten astronomischen Werke aus dieser Zeit. Auf S. 119 dieses Artikels findet man auch die Gleichung 4567x − 10000y = 1, die aus einem kalendarischen Problem entstanden ist. [Dutta 2002, S. 12] gibt die lineare diophantische Gleichung 146 564y − 1 577 917 500x = 24, die Bhaskara I im Zusammenhang mit der Bewegung des Saturn gel¨ ost hat.

4.4 Indien

131

√ Baudhayana 8. Jh. v. Chr. Approximation von 2, Satz des Pythagoras Apastamba 6. Jh. v. Chr. Altarkonstruktionen Pingala 4. Jh. v.Chr?? Bin¨ arsystem, Fibonaccizahlen, Pascalsches Dreieck Aryabatha I 476–550 Lineare diophantische Gleichungen Brahmagupta 598–668 Pellsche Gleichung Bhaskara I 600–680 Trigonometrie Mahavira 800–879 Lineare diophantische Gleichungen Aryabatha II 10. Jh. Neunerprobe Jaydeva 950–1000 Pellsche Gleichung Sripati 1019–1066 Astronomie, lineare dioph. Gleichungen Bhaskara II 1114–1185 Diophantische Gleichungen Narayana 1340–1400 Primfaktorzerlegung Tabelle 4.4. Indische Mathematiker

Vaisyas (H¨andler und Bauern) und die Sudras (Arbeiter). Daneben hat sich noch die Gruppe der Parias (die Unber¨ uhrbaren, die Kastenlosen) entwickelt, die als unrein geltenden Arten von Arbeit nachgehen. Die strengen Vorschriften gaben sogar die Gr¨oße von H¨ausern der Angeh¨ origen jeder Kaste vor. Die Datierung der antiken indischen Mathematiker schwebt auch heute noch v¨ollig in der Luft. Der Grammatiker Pingala soll irgendwann zwischen dem 4. Jahrhundert vor und dem 2. Jahrhundert nach Christus gelebt haben. Er hat ¨ vor allem die verschiedenen m¨oglichen Versmaße untersucht. Ubersetzt man lang und kurz durch 1 und 0, kann man aus seinem Werk das Bin¨ arsystem17 herauslesen; auch Fibonaccizahlen tauchen in diesem Zusammenhang auf. Jedenfalls beschreibt er den Aufbau des Pascalschen Dreiecks, und wenn man kurz und lang durch Variablen x und y ersetzt, steht sogar der binomische Lehrsatz da. Man sollte diese Beobachtungen allerdings sehr vorsichtig interpretieren; selbst im 6. und 7. Jahrhundert geben Aryabhata und Brahmagupta nur die F¨alle (a + b)2 und (a + b)3 an. Die Periode der Glanzzeit der indischen Mathematik beginnt mit Aryabhata I. (476–550), dessen bekanntestes Werk unter dem Namen Aryabhatiya bekannt ist. Darin finden sich Beitr¨age zur Arithmetik und Trigonometrie ebenso wie zur sph¨arischen Trigonometrie nebst einer Tafel von Sinuswerten. Brahmagupta schreibt im Jahre 628 die Brahmasphutasiddhanta; von den 24 Kapiteln befassen sich zwei mit Mathematik, das erste mit Fl¨ achenformeln f¨ ur Dreiecke und Vierecke, mit negativen Zahlen und mit quadratischen Gleichungen, das andere, die Kuttakadhyaya, mit unbestimmten linearen und quadratischen Gleichungen. 17 An relevanter Literatur sind [Bag 1966], [Singh 1985] und [van Nooten 1993] zu nennen.

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4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Aryabhata II verfasst um 950 ein Buch u ¨ber Astronomie, in welchem sich einzelne Kapitel um Mathematik drehen; unter anderem befasst er sich mit Systemen linearer Gleichungen. Das Buch Lilavati18 , das Bhaskara II (auch Bhaskaracharya, ca. 1114–1185) seiner Tochter gewidmet hat, baut auf den Werken seiner Vorg¨ anger Brahmagupta, Sridhara und Aryabhata II auf. Bhaskara II wurde sp¨ ater Direktor des Observatoriums in Ujjain. Im Jahre 1725 wurde dort wieder ein Observatorium aufgebaut, das heute noch erhalten ist. Ab dem 8. Jahrhundert dr¨angen Moslems nach Indien, und zwischen dem 12. und dem 16. Jahrhundert werden Teile Indiens von diesen erobert. Schon w¨ahrend der Feldz¨ uge von Muhammad bin Qasim Anfang des 8. Jahrhunderts im Norden Indiens wurden nicht nur St¨adte gepl¨ undert und die Besiegten versklavt, sondern Tempel der Buddhisten und Hindus geschleift und auf ihren ¨ Uberresten Minarette erbaut. Bibhutibhusan Datta zitiert19 hier Narendra 20 underte Bibliotheken oder Nath Law , wonach zerst¨orte Universit¨aten, gepl¨ vertriebene hinduistische und buddhistische Wissenschaftler keine Seltenheit waren. Die Hochbl¨ ute der indischen mathematischen Kultur lag mit Bhaskara II jedenfalls zeitlich vor der Islamisierung des Nordens von Indien. Narayana Pandit (ca. 1325–1400) lebte unter der Herrschaft von Firuz Shah (1351–1388), dem Sohn des grausamen Herrschers Muhammad Tughlaq (1328– 1351). Er schrieb zwei Werke, die Erleuchtung der Arithmetik und das Ornament der Algebra. In seinen B¨ uchern zeigt sich Narayana mit den Werken seiner Vorg¨anger vertraut, kann ihnen aber nur wenig Neues hinzuf¨ ugen. Neben seinem Studium magischer Quadrate, wom¨oglich ein Mitbringsel der islamischen Eroberer, ist hier vor allem seine Theorie der Primfaktorzerlegungen von Zahlen zu nennen. Dieser Frage ist Kapitel XI seiner Ganita Kaumudi21 gewidmet. Er beginnt damit, eine Zahl so lange durch 2 zu teilen, bis sie ungerade ist, dann durch 5, ¨ bis sie nicht mehr durch 5 teilbar ist (als Ubung verlangt er, die Zahlen 2048 und 3125 zu zerlegen). Danach dividiert er die Zahl nacheinander durch die Primzahlen 3, 7, 11 usw., bis ein Teiler gefunden ist. Neben diesen sehr alten Methoden zur Bestimmung der Faktoren einer Zahl formuliert er einige Regeln zur Bestimmung von Zahlen a und b mit N + b2 = a2 und der dazugeh¨ origen Faktorisierung N = (a − b)(a + b) im Falle eines Erfolgs. Als Beispiel rechnet er vor, dass 1161 = 342 + 5 = 352 − 82 = 27 · 43 = 3 · 3 · 3 · 43 18

Dieses Buch wurde bereits 1816 von [Taylor 1816] ins Englische u ¨bersetzt. John Taylor war ein schottischer Missionar in Indien und hat sp¨ ater als Arzt in Bombay gearbeitet. 19 Siehe [Datta 1933]. 20 Siehe [Law 1916]. 21 ¨ Eine englische Ubersetzung findet man in [Singh 2000].

4.4 Indien

133

ist. Offenbar hatte bereits Sripati bemerkt, dass man aus der Darstellung einer Zahl als Differenz zweier Quadrate Faktoren ablesen kann. Weiter gibt er eine explizite Regel, wie man alle Teiler einer Zahl aus ihrer Primzerlegung erhalten kann. Nilakantha Somayaji (1444–1544) wird die Frage zugeschrieben, warum man rationale Approximationen von π, also dem Verh¨ altnis von Umfang und Durchmesser eines Kreises, sucht, sowie die Antwort, dass dies daran liege, dass man dieses Verh¨altnis nicht als das von zwei ganzen Zahlen angeben k¨onne22 . Auch wenn die indischen Mathematiker daf¨ ur keinerlei Begr¨ undung angeben konnten, zeigt die Bemerkung doch, dass sie sich der Existenz irrationaler Gr¨oßen durchaus bewusst waren.

Lineare Diophantische Gleichungen Die erste L¨osung der unbestimmten linearen Gleichung ax − by = c taucht in den Aryabhatiya von Aryabhata I auf, die um das Jahr 499 geschrieben worden sind (die Gleichung selbst wurde in der Regel durch die Forderung beschrieben, dass ax−c eine nat¨ urliche Zahl sein soll). Die dort geb gebenen Vorschriften sind selbst f¨ ur Kenner der indischen Mathematik schwer ateren Autoren, insbesonverst¨andlich23 . Auch zahlreiche Kommentare von sp¨ dere von Bhaskara I24 um 600 n. Chr., Brahmagupta (ca. 628) und Mahavira (ca. 850), welche die Methode erkl¨aren, konnten daran wenig ¨ andern. Das Ausgangsproblem von Aryabhata I. ¨ahnelt den Problemen, wie sie im Zusammenhang mit dem chinesischen Restsatz in zahllosen R¨ atseln vorkommen: gesucht ist eine Zahl N , die bei der Division durch a den Rest R und bei Division durch b den Rest S l¨asst. Dies impliziert N = ax + R = by + S, woraus durch Subtraktion der Gleichungen ax − by = c mit c = R − S folgt. Die urspr¨ ungliche Beschreibung der L¨osung solcher Probleme durch Aryabhatta I. benutzt selbstverst¨andlich weder algebraische Notation, noch negative Zahlen. Eine Beschreibung der L¨osung unter Verzicht auf diese Hilfsmittel k¨ ame dem Original n¨aher, vor allem was die Obskurit¨ at betrifft. Wir werden also bei der Beschreibung der Resultate nicht nur die sp¨ ateren Kommentare durch Bhaskara I25 , Mahavira, Aryabhata II und Bhaskara II 22

Siehe [Ramasubramanian 2011]. In [Datta & Singh 1962, S. 94] findet man eine ganze Reihe von Autoren, die missverst¨ andliche Darstellungen von Aryabhatas Methode gegeben haben, und auch ¨ [Selenius 1975] widmet derartigen Fehlern breiten Raum. Eine englische Ubersetzung der Aryabhatiya gibt [Clark 1930]. 24 Siehe [Keller 2006]. 25 ¨ F¨ ur eine Ubersetzung des Kommentars von Bhaskara I zu den Aryabhatiya nebst einer ausf¨ uhrlicher Kommentierung verweisen wir auf [Keller 2006, Keller 2006]. 23

134

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

ber¨ ucksichtigen, sondern die L¨osung in einer Klarheit darstellen, die man im Original vergeblich sucht. Die Grundidee bei der L¨ osung von ax − by = c in ganzen Zahlen besteht darin, die Koeffizienten a und b durch Umformen der Gleichung (die es im Original nat¨ urlich nicht gibt) nach und nach immer kleiner zu machen, bis die L¨osung (bzw. die Unl¨ osbarkeit) der Gleichung offensichtlich wird. Diese Reduktion der Koeffizienten beruht auf dem euklidischen Algorithmus: ist a = bq + r, so kann man c = ax − by = (a − bq)x − b(y − qx) = rx − b(y − qx) schreiben, und aus den Koeffizienten a und b sind die Koeffizienten r < b und b geworden. Wiederholt man dieses Verfahren, werden die Koeffizienten schnell klein genug, um eine L¨osung zu sehen. Sp¨ atere Kommentatoren haben bemerkt, dass es ausreicht, die Gleichung ax − by = 1 zu l¨ osen, aus der die L¨osung der Ausgangsgleichung durch Multiplikation mit c folgt. Wir sehen uns die Methode an einem Beispiel von Bhaskara II an: 100x − 63y = 90 (100 − 63)x − 63(y − x) = 90 37(x − r) − (63 − 37)r = 90 (37 − 26)s − 26(r − s) = 90 11(s − 2t) − (26 − 22)t = 90 (11 − 8)u − 4(t − 2u) = 90

37x − 63r = 90 37s − 26r = 90 11s − 26t = 90 11u − 4t = 90 3u − 4v = 90

Jetzt sehen wir die L¨osung u = 30, v = 0, von der aus wir r¨ uckw¨ arts x und y berechnen k¨onnen: t = v + 2u = 60, s = 2t + u = 150, r = s + t = 210, x = r + s = 360, y = x + r = 570, und in der Tat ist 100 · 360 − 63 · 570 = 90. Bei Bhaskara II finden sich bereits ausgedehnte Untersuchungen von linearen diophantischen Gleichungen in mehreren Unbekannten, sowie von Systemen solcher Gleichungen. Erw¨ahnenswert ist noch die folgende Aufgabe aus den Aryabhatiya26 : Man finde eine Zahl, welche bei Teilung durch 2, 3, 4, 5 und 6 den Rest 1 l¨ asst und durch 7 teilbar ist. Genau dasselbe Problem taucht bei Abu Ali al-Hasan ibn al-Haytham (ca. 965–1040) und noch sp¨ater bei Fibonacci (um 1170–1240) auf. 26

Vgl. [Bag 1979, S. 205].

4.4 Indien

135

Die oben besprochene Methode zur L¨osung linearer diophantischer Gleichungen wurde auf den Namen kuttaka (Pulverisator) getauft, was sp¨ ater zum Synonym f¨ ur den Teil der Mathematik wurde, den wir Algebra nennen. Aufgaben wie L¨osungen wurden in Versform dargestellt; ein Beispiel hierf¨ ur ist das folgende aus den Lilavati von Bhaskara II: Bist du ein Experte f¨ ur kuttaka, dann erz¨ahle mir, welche Zahl, wenn sie mit 100 multipliziert und um 90 vermindert wird, durch 63 ohne Rest teilbar wird. Dies entspricht der Gleichung y = 100x−90 ; um eine solche Gleichung beschrei63 ben zu k¨onnen, gaben die indischen Mathematiker den Parametern Namen wie Divisor, Dividend, Interpolator, Vervielfacher oder Quotient.

Die Bhavana-Methode Die Gleichung N x2 + 1 = y 2

(4.1)

wurde in der indischen Mathematik ausgiebig untersucht. Sie taucht zuerst bei Brahmagupta auf. Um zu sehen, wie kryptisch seine Methoden sind, wollen wir Brahmaguptas Lemma zuerst in einer mehr oder weniger w¨ ortlichen 27 ¨ Ubersetzung angeben: Vom Quadrat einer gew¨ahlten Zahl multipliziert mit dem gunaka und vermehrt oder vermindert von einer andern gew¨ahlten Zahl nimm die Wurzel. Mache dies zweimal. Das Produkt der ersten Wurzeln multipliziert mit dem gunaka gibt zusammen mit dem Produkt der zweiten Wurzeln eine neue zweite Wurzel; die Summe ihres Kreuzprodukts bildet eine neue erste Wurzel. Der dazugeh¨ orige Interpolator ist gleich dem Produkt der gegebenen Interpolatoren. Man kann die Segnungen der modernen Algebra daran erkennen, um wieviel einfacher uns der wesentliche Gehalt dieser Aussage in seiner algebraischen Form erscheint: gilt N x21 + k1 = y12 und N x22 + k2 = y22 , dann ist N x 2 + k1 k2 = y 2

mit

x = x 1 y2 − x 2 y 1

und

y = y1 y2 + N x1 x2 .

Bhaskara II und Narayana haben diese Regel sp¨ ater kommentiert und mit vielen Beispielen versehen. Der Spezialfall k1 = k2 = 1 der Kompositionsregel erlaubt es, aus zwei ganzzahligen L¨osungen der Gleichung N x2 + 1 = y 2 eine weitere zu gewinnen. Wie aber kann man u ¨berhaupt eine L¨osung dieser Gleichung finden? 27

Siehe [Datta & Singh 1962, Band II, S. 146] und [Dutta 2010].

136

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Dass es unendlich viele rationale L¨osungen der Gleichung N x2 + 1 = y 2 gibt, hat sp¨atestens Sripati (1039) gezeigt. Er geht aus von der trivialen Identit¨ at N · 12 + (m2 − N ) = m2 und benutzt Brahmaguptas Bhavana, um daraus N · (2m)2 + (m2 − N )2 = (m2 + N )2 zu erhalten, was nach Division durch (m2 − N )r auf die rationalen L¨ osungen  N

 m2 + N  2 2m 2 + 1 = m2 − N m2 − N

f¨ uhrt. Brahmagupta und Sripati haben die Beobachtung gemacht, dass man aus rationalen L¨osungen mit den Nennern −1, ±2 und ±4, also aus L¨ osungen der Gleichungen N x2 − 1 = y 2 , N x2 ± 2 = y 2 und N x2 ± 4 = y 2 , durch Komposition immer eine ganzzahlige L¨osung der Gleichung N x2 + 1 = y 2 gewinnen kann.

Die zyklische Methode. Vermutlich war es Acarya Jaydeva, der eine Methode28 , mit der man ganzzahart lige L¨osungen der Gleichung N x2 + 1 = y 2 finden konnte. Bhaskara II erkl¨ diese Methode ausf¨ uhrlich und schreibt sie seinen Vorg¨ angern zu, zitiert aber Jaydeva nicht. Ausgangspunkt war die Hilfsgleichung N x2 + k = y 2 f¨ ur ein frei w¨ ahlbares k. Diese Gleichung ist immer l¨osbar, denn man braucht nur N = m2 − k zu schreiben und setzt dann x = 1 und y = m. Wenn wir nun zwei solche Gleichungen haben, etwa N a2 + k = b2

und

N · 12 + (m2 − N ) = m2 ,

wobei wir u ugen k¨onnen, dann liefert Brahmaguptas Bhavana ¨ber m frei verf¨ die Gleichung N (am + b)2 + k(m2 − N ) = (bm + N a)2 , also nach Division durch k 2 28

Beschreibungen der Chakravala genannten Methode findet man in vielen Artikeln und B¨ uchern, etwa bei [Selenius 1975] oder bei A.K. Dutta in [Seshadri 2010, S. 145–200], außerdem in [Ayyangar 1929], [Bag 1979, S. 216–228], [Datta & Singh 1962, vol. II, Lap. 16–19], im Artikel von Datta in [Emch, Sridharan & Srinivas 2005, S. 77–114], oder in [Gurjar 1947, S. 112–137].

4.4 Indien

137

N

 am + b 2 k

+

 bm + N a 2 m2 − N = . k k

(4.2)

Das Problem, den Quotienten am+b ganzzahlig zu machen, wird von der k kuttaka-Methode gel¨ost. Wir behaupten (Bhasakara II gibt nur die Methode, keine Rechtfertigung irgendwelcher Schritte), dass unter geeigneten Voraussetzungen an die auftretenden Zahlen alle Quotienten in (4.2) ganz sind. So d¨ urfen wir annehmen, dass k und a teilerfremd sind, denn jede Primzahl p, die k und a teilt, muss auch b teilen; also ist p2 ein Teiler von k, und wir k¨onnen die Gleichung N a2 + k = b2 durch p2 teilen. Aus am + b = kc und N a2 + k = b2 folgt aber a2 (m2 − N ) = a2 m2 − N a2 = (kc − b)2 − (b2 − k) = k(kc2 − 2bc + 1) und aus der Teilerfremdheit von k und a folgt, dass k ein Teiler von m2 − N sein muss. Entsprechend finden wir a(bm + N a) = abm + N a2 = (kcb − b2 ) + (b2 − k) = k(cb − 1), und wie oben folgt daraus, dass bm + N a durch k teilbar ist. Wir setzen nun a1 =

am + b , k

b1 =

bm + N a , k

k1 =

m2 − N , k

womit aus (4.2) die Gleichung N a21 + k1 = b21 in ganzen Zahlen a1 , k1 und b1 wird. Diese Gleichung hat dieselbe Form wie die Ausgangsgleichung onnen. BhasN a2 + k = b2 , sodass wir unsere Transformation wiederholen k¨ kara behauptet (wieder ohne Nachweis), dass die Wiederholung dieses Verfahrens notwendig auf eine Gleichung f¨ uhrt, in welcher kj einen der Werte ±1, ±2 oder ±4 annimmt, woraus er dann leicht eine ganzzahlige L¨ osung der Gleichung N a2 + 1 = b2 erhalten kann. Beispiel. Wir wollen nun zeigen, wie man mit der Methode Bhaskaras die Gleichung 61x2 + 1 = y 2 l¨osen kann. In der Hilfsgleichung 61 · 12 + 3 = 82 setzen wir a = 1, b = 8, k = 3 und N = 61; dann ist N

 am + b 2 k

+

bm + N a m2 − N = . k k

Damit am+b = m+8 ganz ist, muss m die Form 3n + 1 besitzen; unter diesen k 3 = 5, Zahlen ist m = 7 diejenige, die |m2 − 61| minimal macht. Damit ist am+b k m2 −N bm+N a = −4 und = 39. Setzt man daher a1 = 5, b1 = 39 und k1 = −4, k k so hat man

138

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient N a21 + k1 = b21 ,

n¨amlich

61 · 52 − 4 = 392 .

Aus dieser Gleichung erh¨alt man mit Hilfe der Bhavana-Technik eine L¨ osung von 61x2 + 1 = y 2 : komponiert man  39 2  5 2 −1= 61 · 2 2 zweimal mit sich selbst, so erh¨alt man die Gleichung 61 · 38052 − 1 = 287182 , und eine nochmalige Anwendung von Bhavana ergibt 61 · 226 153 9802 + 1 = 1 766 319 0492 .

Brahmagupta und rechtwinklige Dreiecke in Zahlen Der indischen Mathematik war der Satz des Pythagoras bereits seit etwa 800 v. Chr. bekannt: Baudhayana sprach ihn damals in der Form aus, dass ein Seil entlang der Diagonale dieselbe Fl¨ache produziere wie die vertikale und horizontale Seite zusammen. Nicht ganz eindeutig ist allerdings, ob es sich hier um die Diagonale eines Rechtecks oder eines Quadrats handelt; im letzteren Falle h¨atte es sich nur um eine einfache Quadratverdopplung gehandelt. Auch L¨osungen der pythagoreischen Gleichung x2 + y 2 = z 2 waren Baudhayana ebenso bekannt wie sp¨ater Apastamba (ca. 600 v. Chr.) und Katyayana (3. Jh. v. Chr.). Brahmagupta und Mahavira kannten die euklidische Formel“ ” x = m2 − n 2 ,

y = 2mn,

z = m2 + n 2

f¨ ur die L¨osungen der pythagoreischen Gleichung. Mit diesen rechtwinkligen Dreiecken verstand Brahmagupta virtuos umzugehen und zeigte, wie man durch Strecken und Verkleben solcher Dreiecke rationale Vierecke29 mit besonderen Eigenschaften konstruieren kann. Wir beginnen mit Brahmaguptas Konstruktion rationaler rechtwinkliger Dreiecke: Das Quadrat der gew¨ahlten Seite wird geteilt durch eine gew¨ahlte Zahl und dann um diese vermindert; das halbe Ergebnis ist die H¨ohe, und diese vermehrt um die gew¨ahlte Zahl gibt die Hypotenuse eines Rechtecks. Brahmagupta w¨ahlt also eine rationale Seite m, teilt das Quadrat derselben durch eine frei gew¨ahlte Zahl n, und erh¨alt die drei Seiten 29

Siehe [Datta & Singh 1962, Kap. 21].

4.4 Indien

139

m,

 1  m2 −n , 2 n

 1  m2 +n 2 n

(4.3)

eines rechtwinkligen Dreiecks, oder H¨ohe, Grundseite und Diagonale eines Rechtecks. Strecken mit dem Faktor 2n gibt die uns gel¨ aufige Variante (2mn, m2 − n2 , m2 + n2 ) pythagoreischer Tripel. Der Vorteil von Brahmaguptas Version ist, dass die frei gew¨ahlte Seite m gleichzeitig die H¨ ohe des entstehenden rationalen Rechtecks ist, und dass die Seitenl¨ angen auch die Dimension einer Seite haben. Die Regel, welche Mahavira f¨ ur das Auffinden von rechtwinkligen Dreiecken mit gegebener Hypotenuse gibt, liefert nur bei geschickter Wahl der Parameter rationale L¨osungen. Dennoch gelingt es ihm, die vier rechtwinkligen Dreiecke (39, 52, 65),

(25, 60, 65),

(33, 56, 65)

und

(16, 53, 65)

mit Hypotenuse 65 zu finden. Jetzt kommen wir zu Brahmaguptas Formulierung seines ersten Resultats, in dem er ein gleichschenkliges Trapez konstruiert, dessen Seiten, Diagonalen und H¨ohe rational sind: Die Diagonalen eines Rechtecks sind die Schenkel eines gleichschenkligen Trapezes. Das Quadrat seiner Seite wird durch eine frei gew¨ahlte Zahl geteilt und dann um diese Zahl verringert und halbiert. Das Ergebnis vermehrt um die Seite des Rechtecks ist die Grundseite, verringert um diese die gegen¨ uberliegende Seite. Brahmagupta geht aus von einem Rechteck mit den Seiten (4.3). Division durch die frei w¨ahlbare Zahl p, Subtraktion von p nebst Halbieren und Addi2 tion der Seite 12 ( mn − n) ergibt30 CD =

 1  m2  1  m2 −p + −n 2 p 2 n

und

AB =

 1  m2  1  m2 −p − −n . 2 p 2 n

Man kann nun nachrechnen, dass die Seiten AD = BC, die Diagonalen AC = BD und die H¨ohe AH allesamt rational sind, wenn m, n und p rational (oder ganz) gew¨ahlt werden. Wir wenden uns aber jetzt der Erkl¨ arung von Mahavira zu, die Licht auf den Gedankengang Brahmaguptas wirft. Danach musste Brahmagupta lediglich zwei rationale Rechtecke AHDA und AHCB  mit gemeinsamer H¨ohe AH verkleben und das obere Dreieck AA D des linken Rechtecks auch rechts oben abschneiden. Man beachte, dass die Diagonale AC des Trapezes auch die Diagonale des zweiten Rechtecks ist. 30

[Datta & Singh 1962] geben ganz andere Formeln an. Dies zeigt einmal mehr ¨ eindr¨ ucklich, warum die Ubersetzung in die moderne algebraische Zeichensprache bisweilen sehr gef¨ ahrlich ist.

140 A

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient A

B

B

B

C

G

E

D

H

G

C

A

F

D

Abb. 4.4.1. Rationale Trapeze bei Brahmagupta

Da die H¨ohe des ersten Rechtecks m ist, muss Brahmagupta f¨ ur die H¨ ohe des zweiten Rechtecks ebenfalls m w¨ahlen. Die andere Seite des ersten Rechtecks 2 ur eine frei w¨ahlbare Zahl n, also kann er f¨ ur die Seite des ist 12 ( mn − n) f¨ 1 m2 ur eine Zahl p nehmen. Damit ergeben zweiten Rechtecks einfach 2 ( p − p) f¨ sich die obigen Formeln, und es ist ohne weitere Rechnung klar, dass H¨ ohe und die Diagonalen des Trapezes ebenfalls rational sind. Etwas aufwendiger ist Brahmaguptas Konstruktion eines rationalen Trapezes mit drei gleich langen Seiten. Dazu verklebt Brahmagupta zwei kongruente rechtwinklige Dreiecke AEB und AED entlang der gemeinsamen Kathete AE. Der Fußpunkt F von B auf AD legt ein Rechteck BF DG fest. Davon schneidet man ein zu AF B kongruentes Dreieck CGD ab. Das so entstandene Viereck ABCD hat dann die gew¨ unschten Eigenschaften. Nach Konstruktion haben n¨ amlich die Hypotenusen AB, AD und CD der dazugeh¨ origen Dreiecke alle dieselbe L¨ange. Das Dreieck BF D ist ¨ahnlich zum Dreieck AED, und weil ¨ BD rational ist, sind dies auch die Seiten von BF D. Die Ubersetzung in algebraische Formeln u ¨berlassen wir den Lesern.

Abb. 4.4.2. Auszug aus Bhaskaras Lilavati

4.5 Die Islamische Welt

141

In seinem Werk Lilavati zeigt sich Bhaskara II mit der Mathematik seiner Vorg¨anger vertraut; dar¨ uber hinaus lehrt er auch das Rechnen mit der Zahl 0 ebenso wie mit negativen Zahlen, gibt die Dreiecksungleichung31 (es gibt kein Vieleck mit der Eigenschaft, dass eine Seite l¨anger ist als die Summe der anderen), und konstruiert ganzzahlige L¨osungen der pythagoreischen Gleichung. Einige Aufgaben aus den Neun B¨ uchern, etwas die Seerose oder der abgebrochene Bambusstab, finden sich ebenso hier wie die Berechnung des Heronschen Dreiecks mit den Seiten 13, 14 und 15.

4.5 Die Islamische Welt Ebenso wenig wie das Wort Griechen“ in den ersten Kapiteln ein Hinweis auf ” den Volksstamm war, dem jemand angeh¨ort hat, oder das Land bezeichnet hat, in welchem ein Mathematiker gelebt oder gewirkt hat, sondern die wie auch immer geartete Zugeh¨origkeit zu einer gewissen Kultur (und sei es nur die benutzte Schriftsprache) andeuten sollte, so soll Islamische Welt“ auch ” hier eher kulturelle Assoziationen wecken. Tats¨ achlich werden wir sehen, dass unter den Wissenschaftlern im arabischen Herrschaftsraum auch Mathematiker waren, die nicht nur keine Araber, sondern auch keine Moslems waren, n¨ amlich Juden, Christen und Anh¨anger anderer Religionen. Ein Spanier, der im 10. Jahrhundert in Bagdad studierte, berichtete32 , dass dort an theologischen Sitzungen nicht nur Muslime aller verschiedenen Richtungen, sondern auch Ungl¨aubige, Zoroastrier, Juden und Christen teilnahmen. Die Toleranz der Moslems gegen¨ uber Wissenschaften und Andersgl¨ aubigen, die im christlichen Teil der Welt selten zu finden war, war allerdings alles andere als universell. Das erste Jahrhundert nach der Eroberung Spaniens war kulturell keine Erfolgsgeschichte, schließlich waren die Kriegsherren de facto ur Muslime, die von Analphabeten33 . Auch galt die religi¨ose Toleranz nicht f¨ ihrem Glauben abfielen, und sie galt auch nicht in den Zeiten des Dschihad: Nach der muslimischen Eroberung Persiens etwa wurde die 1000 Jahre alte Religion Zarathustras ausgel¨oscht. Nach den Schließungen der heidnischen Akademien im r¨ omischen Reich und vor allem nach der Aufl¨osung der Athener Akademie im Jahre 529 gingen eine Reihe griechischer Philosophen und Mathematiker an den Hof des persischen K¨onigs, wo man bereits indische Medizin studierte. Neben Einfl¨ ussen der indischen und der griechischen Kultur standen die persischen Wissenschaftler auch in der babylonischen Tradition. Zwar war die Kenntnis der Keilschrift lange zuvor verloren gegangen, aber das f¨ ur Handel und Steuerrecht notwendige Wissen in Mathematik ist erhalten geblieben. Dagegen hatte von den 31

Siehe [Plofker 2009, S. 188]. Vgl. das sehr detailliert recherchierte Buch [Vernet 1984, S. 18–19]. 33 Siehe [Vernet 1984, S. 34]. 32

142 al-Fazari al-Khwarizmi ibn Luqa ibn Qurra abu Kamil al-Khazin al-Uqlidisi al-Khujandi as-Sijzi al-Karaji al-Haytham al-Biruni al-Baghdadi ibn Sina al-Tusi ibn al-Banna al-Farisi al-Kashi Beha Eddin Yazdi

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient 9. Jh. 780–850 820–912 826–901 850–930 900–971 920–980 940–1000 945–1020 953–1029 965–1040 973–1048 980–1037 980–1037 1201–1274 1256–1321 1267–1319 1380–1429 1546–1622 16. Jh.

¨ Ubersetzung der Siddhantas Algebra, indische Ziffern ¨ Ubersetzung des Diophant, Neunerprobe befreundete Zahlen Neunerprobe, lineare diophantische Gleichungen kongruente Zahlen indische Ziffern x3 + y 3 = z 3 rechtwinklige Dreiecke in Zahlen diophantische Gleichungen; Elferprobe vollkommene Zahlen Astronomie befreundete Zahlen Neunerprobe sph¨ arische Trigonometrie Kongruenzen befreundete Zahlen; Primfaktorzerlegung Dezimalsystem diophantische Gleichungen Befreundete Zahlen

Tabelle 4.5. Islamische Mathematiker

astronomischen Kenntnissen der Babylonier kaum etwas u ¨berlebt, was u ¨ber Aberglauben hinausging: Die arabischen Wissenschaftler erlangten ihre astronomischen Kenntnisse von den Indern, bevor sie den Almagest von Ptolem¨ aus studierten, in dem auch babylonische Beobachtungen verwertet worden waren. Mohammed, Anf¨ uhrer einer neuen monotheistischen Religion der Unterschicht der arabischen Gesellschaft, musste im Jahre 622 aus Mekka in das heutige Medina fliehen; erst 630 konnte er nach Mekka zur¨ uckkehren. Als Mohammed im Jahre 632 starb, ging die F¨ uhrung des Islam an seinen Nachfolger (die Bedeutung des Worts Kalif) Abu Bakr. Der dritte Kalif Outhman wurde ermordet, der vierte Kalif Ali galt als Mitt¨ater und wurde ebenfalls umgebracht. Daraus resultierte die erste Spaltung des Islam in Schiiten, die daran glauben, dass das Kalifat dem Ehemann Ali von Mohammeds Tochter Fatima und dessen Nachkommen geb¨ uhrte, und den Sunniten, f¨ ur die das Kalifat ein Amt ist, in welches man gew¨ahlt werden kann. Im Jahre 711, nach der Unterwerfung von ganz Nordafrika, fielen die muslimischen Eroberer in Spanien ein und eroberten im Laufe der Jahre die gesamte iberische Halbinsel. Am andern Ende des islamischen Reichs belagerten die Araber von 711–718 Byzanz, allerdings erfolglos. Die Stadt Bagdad wurde 762 von Abu Jafar Abdallah ibn Muhammad alMansur gegr¨ undet; dessen Urenkel ließ 825 nach dem Vorbild Alexandrias in

4.5 Die Islamische Welt

143

Bagdad eine Bibliothek gr¨ unden, das Haus der Weisheit34 . Bereits zu Zeiten der Herrschaft seines Vaters hatte ein indischer Gelehrter im Jahre 773 das astronomische Werk Brahmaguptas nach Bagdad gebracht, das als Sindhind Aufsehen erregte; aus diesem Werk lernten die arabischen Wissenschaftler die Grundlagen der Trigonometrie. Die Ber¨ uhrungs¨ angste, die Gelehrte im christlich beherrschten Abendland gegen¨ uber den heidnischen Wissenschaften hatten, gab es in der islamischen Welt nicht im selben Ausmaß: W¨ ahrend Tertullian bemerkt35 : F¨ ur uns ist Wissbegierde keine Notwendigkeit seit Je” sus Christus, Forschung kein Bed¨ urfnis seit dem Evangelium“, betrachtete Mohammed das Streben nach Wissen als Pflicht eines jeden Moslems. Auf der anderen Seite wird die geringe Beachtung, die man den Werken Omar Khayyams schenkte, damit in Zusammenhang gebracht, dass dieser rationa” listische Einstellungen in Fragen theologischer Relevanz“ 36 gepflegt habe. Das Interesse an der Astronomie hatte unter anderem religi¨ ose Gr¨ unde: Damit die Gl¨aubigen im ganzen Reich die Gebete in Richtung Mekka verrichten konnten, musste man in der Lage sein, diese Richtung zu bestimmen, und man brauchte Mittel und Wege, um die Uhrzeit festzulegen. In der Folge wurden alle Manuskripte, derer die Araber habhaft werden konn¨ ten, u waren noch recht holprig, da dem ¨bersetzt; die ersten Ubersetzungen arabischen Wortschatz s¨amtliche mathematischen Begriffe fehlten. Die Araber eigneten sich im Laufe der Jahrhunderte große Teile der griechischen und indischen Mathematik an, zu der selbstverst¨andlich auch die Astronomie geh¨ orte. Es gelang ihnen, vor allem auf dem Gebiet der Algebra, deutlich u ¨ber das, was wir von ihren Vorg¨angern wissen, hinauszugehen37 . Der Schulunterricht war im wesentlichen eine Ausbildung in Glaubensfragen und der Sprache des Korans. Außer den Grundlagen des b¨ urgerlichen Rechnens wurden keinerlei mathematischen Kenntnisse vermittelt: das Studium der Elemente und der weiterf¨ uhrenden Texte war Spezialisten und deren Sch¨ ulern vorbehalten, und wer sich f¨ ur h¨ohere Mathematik interessierte, musste beschwerliche Reisen auf sich nehmen, um Wissenschaftler zu finden, welche die h¨ ohere Mathematik beherrschten und bereit waren, sie zu unterrichten, oder als Autodidakt die Werke auf eigene Faust studieren. W¨ahrend also die Weitergabe des Wissens an die n¨ achste Generation untergeordnete Priorit¨at hatte, wurde den Gelehrten selbst, die ihre Arbeit zum 34 Als H¨ auser der Weisheit sind, wie man in [Gutas 1998] nachlesen kann, wohl die großen Bibliotheken bezeichnet worden, in welchen vor allem alte Manuskripte aufbewahrt und u ¨bersetzt worden sind. 35 De praescriptione haereticorum, S. 7, 12. 36 So B. Hughes nach [Hein 2012a, S. 134]. 37 Eine sehr lesenswerte Geschichte der Algebra findet man bei [Sesiano 1999]. Die enge Verbindung zwischen der L¨ osung quadratischer Gleichungen mit geometrischen Vorstellungen bei den Arabern macht es Lesern unm¨ oglich, dabei keine Anleihen aus der geometrischen Algebra im zweiten Buch der Elemente Euklids und der babylonischen Mathematik zu erkennen.

144

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Ruhm der jeweiligen Herrscher verrichteten, ziemlich große Freiheiten einger¨aumt38 : Der Verfasser des Schabaib sagt, bey Gelegenheit der Lebensbeschreibung des Schemseddin Fetari, daß zu seiner Zeit die Professoren die Erlaubnis begehrt haben, am Freytage und Dienstage Ferien zu halten, und daß er ihnen obendrein den Montag zugegeben habe, damit sie Muße h¨atten, B¨ ucher zu verfassen und auszuarbeiten. Unter den Gelehrten, welche die arabisch-islamische Kultur hervorbrachte, gibt es einige Universalgelehrte, von denen wir hier die wichtigsten kurz vorstellen wollen. Abu Arrayhan Muhammad ibn Ahmad al-Biruni (973–1048) stammt wie alKhwarizmi aus Choresmien. Als Jugendlicher wird er von einem gelehrten Griechen unterrichtet und erlernt die Geometrie Euklids, sowie die Astronomie des Ptolem¨aus. Auf seinen Reisen kommt er nach Teheran und zieht sp¨ ater in den Norden Irans. Dort wird er zusammen mit andern Wissenschaftlern von Mahmud von Ghazni nach Ghazni im heutigen Afghanistan entf¨ uhrt. Im Jahre 1017 reist er nach Indien studiert dort alles, was er vorfindet, und schreibt dann bis 1030 seine Geschichte Indiens auf. Dort erw¨ ahnt er, dass die Inder Zahlen nicht wie seine Landsleute mit Buchstaben darstellen, sondern eigene Symbole benutzen. Am bekanntesten39 ist vielleicht Abu Ali al-Husain ibn Abdullah ibn Sina, mit latinisiertem Namen Avicenna (980–1037), der vor allem als Arzt ber¨ uhmt wurde. Wie al-Biruni wechseln sich Stellen am Hof von Herrschern mit vor¨ ubergehender Inhaftierung ab. Ein weiterer Universalgelehrter war Omar Khayyam aus Nishapur (Iran), der vor allem durch seine Werke u ¨ber Algebra (kubische Gleichungen, Pascalsches Dreieck) und euklidische Geometrie bekannt wurde. Hinter den teilweise sehr langen Namen islamischer Mathematiker steckt folalt einen Rufnagendes System40 . Das Kind einer muslimischen Familie erh¨ men, etwa Muhammad. Danach folgt der Name des Vaters: Muhammad ibn Musa ist Muhammad, Sohn des Musa. Am Ende des Namens folgt eine Art Spitzname: Muhammad ibn Musa al-Khwarizmi ist Muhammad, Sohn des Musa, der Choresmier. Falls jemand Vater wird, erh¨ alt er einen weiteren Zusatz, etwa abu Dscha’far, Vater des Dscha’far. 38

Siehe [Hammer-Purgstall 1804, S. 147]. ¨ Der Offentlichkeit ist Avicenna vor allem wegen des Buchs Der Medicus von Noah Gordon und dessen Verfilmung von 2015 zu Ohren gekommen. Buch und Film bestechen in erster Linie aber nicht durch historische Fakten – daf¨ ur sollte man eher einen Blick in [Brentjes & Brentjes 1979] werfen. 40 Siehe [Berggren 2011, 1 § 5]. 39

4.5 Die Islamische Welt

145

Abb. 4.5.1. Statue al-Khwarizmis in Chiwa (Usbekistan)

Nach dieser sehr kurzen Reise durch die Geschichte des Islam wollen wir uns nun der Zahlentheorie zuwenden. Hierbei habe ich mich naturgem¨ aß auf das Urteil anderer verlassen m¨ ussen41 .

Das Dezimalsystem Das System des Schreibens von Zahlen der Araber ¨ ahnelte der griechischen: die Zahlen von 1 bis 9, 10 bis 90 und 100 bis 900 wurden mit Buchstaben geschrieben. Wie die griechischen Astronomen war die Bruchrechnung der Araber ebenfalls auf dem Sexagesimalsystem aufgebaut. Als der Astronom 41

Die von mir ausgiebig konsultierten Quellen beinhalten neben klassischen Werken wie [Juschkewitsch 1964] vor allem j¨ ungere Untersuchungen. Eine Einf¨ uhrung in das islamische Erbe der modernen Wissenschaften geben [Freely 2014], [Al-Khalili 2010] und [Djebbar 2005]; von den gesellschaftlichen Hintergr¨ unden, vor allem beim direkten Aufeinandertreffen der muslimischen und christlichen Kulturen bei den Kreuzz¨ ugen, gibt [Lyons 2009] einen plastischen Eindruck. In Sachen Mathematik ist vor allem [Berggren 2011] zu empfehlen. Was Algebra und Zahlentheorie angeht, habe ich mich zum einen an die Dissertation [Djafari Naini 1982] gehalten, sowie an [Rashed 1994, Rashed 2011, Rashed 2013] und [Rashed 1996, Rashed & Houzel 2013].

146

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Abb. 4.5.2. Das Pascalsche Dreieck“ in einem Kommentar des Fiqh al-Hisab von ” Ibn Mun’im Anfang des 13. Jahrhunderts.

4.5 Die Islamische Welt

147

Kushyar ibn Labban um das Jahr 1000 herum sein Buch u ¨ber Die Prinzipien der indischen Rechnung ver¨offentlicht, ist das Sexagesimalsystem immer noch lebendig: Beim Halbieren von 5625 beginnt er damit, die 5 zu halbieren; dies ergibt 2 12 . Kushyar schreibt dies als 2 Grad und 30 Minuten. Zum Multiplizieren solcher Br¨ uche ben¨otigte man Multiplikationstabellen; das Buch von Kushyar enth¨alt zwar keine, jedoch sind uns aus anderen Quellen solche Tabellen bekannt. Die ausf¨ uhrlicheren Tabellen mit einigen 100.000 Eintr¨ agen f¨ ullten dabei ganze B¨ ucher.

Abb. 4.5.3. Severus Sebokht u ¨ber die Wissenschaft der Hindus (F. Nau l.c.).

Das Dezimalsystem taucht erstmals im 7. Jahrhundert westlich von Indien auf, und zwar in den Schriften des christlichen M¨onchs Severus Sebokht. Sebokht war Bischof der Nestorianischen Kirche42 ; er schrieb im Jahre 662 einen Brief aus Keneschra (von dort stammte der griechische Neupythagoreer Iamblichos, der um 300 n. Chr. in Syrien eine Schule gr¨ undete) in der N¨ ahe von Aleppo. Berggren43 zitiert daraus folgende Stelle: Ich will hier nichts u ¨ber die Wissenschaft der Hindus sagen, die nicht einmal Syrer sind, u ¨ber ihre scharfsinnigen Entdeckungen in der Wissenschaft der Astronomie, die sogar genialer sind als die der Griechen 42

Mehr u ¨ber die Rolle der Nestorianer findet man in [Freely 2014, S. 9-10] und im Artikel Das Fortleben babylonischer Mathematik bei den V¨ olkern des Altertums und Mittelalters in [Vogel 1978, S. 27]. 43 [Berggren 2011, S. 32]; siehe auch [Nau 1910].

148

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient und der Babylonier, und u ur die ¨ber ihre eleganten Rechenverfahren, f¨ mir die Worte fehlen. Ich will nur erw¨ahnen, dass sie mit neun Zeichen auskommen. Wenn diejenigen, die glauben, dass sie, weil sie Griechisch sprechen, an den Grenzen der Wissenschaft angekommen sind, von diesen Dingen gewusst h¨ atten, w¨aren sie, wenn auch ein bisschen sp¨at, vielleicht u ¨berzeugt worden, dass es andere gibt, die etwas wissen, nicht nur die Griechen, sondern auch Menschen, die eine andere Sprache sprechen.

Abb. 4.5.4. Alte R¨ omerstraße in Tall Aqibrin; diese verband damals Antiochien (heute Antakya, T¨ urkei) und Chalkis in Syrien (heute Quinnasrin 25 km s¨ udwestlich von Aleppo)

Sebokht spricht hier dar¨ uber, dass die Wissenschaft nicht das alleinige Verdienst der Griechen sei – offenbar war die Ansicht, die gesamte Wissenschaft sei griechischen Ursprungs, schon zu Zeiten Sebokhts verbreitet. Dass die Griechen ihre Kenntnisse der Astronomie von den Chald¨ aern hatten, war Sebokht bewusst, auch dass diese aus dem alten Babylon stammten. Die obigen Zeilen enthalten die erste bekannte Erw¨ ahnung der indischen Ziffern im arabischen Raum. Die neun Zeichen sind die Ziffern von 1 bis 9; die Null war nicht nur keine Zahl, sondern nicht einmal eine Ziffer: Ihr Zweck war das Anzeigen des Fehlens einer Ziffer. Die n¨achste schriftliche Spur des Dezimalsystems hat dann erst wieder alKhwarizmi im 9. Jahrhundert hinterlassen. Abu Dscha’far Muhammad ibn

4.5 Die Islamische Welt

149

Musa al-Khwarizmi stammte aus Choresmien, einer Gegend in der N¨ ahe des Aralsees, die bereits zu Zeiten von Dareios I. zum persischen Großreich geh¨ ort hatte. In seinem Buch De numero Indorum (das arabische Original ist nicht erhalten) beschreibt er das Rechnen mit den indischen Ziffern ebenso wie das Rechnen mit den sexagesimalen Br¨ uchen; erstaunlicherweise schreibt er das Sexagesimalsystem ebenso wie sp¨ater Johannes von Sevilla den Indern zu44 . Selbst der Einfluss al-Khwarizmis hat nicht dazu gef¨ uhrt, dass dieses System durch Unterricht eine große Verbreitung gefunden hat. Ibn Sina (in Europa besser bekannt als Avicenna) schreibt 150 Jahre nach al-Khwarizmi in einer Autobiographie, er habe das Dezimalsystem nicht in der Schule, sondern von einem Lebensmittelh¨andler gelernt. Er erw¨ ahnt auch, dass ismailische ¨ Missionare aus Agypten Geometrie und indische Ziffern im Gep¨ ack gehabt h¨atten. Dezimalzahlen werden erstmals im Werk von al-Uqlidisi (dieser Spitzname ¨ der Euklidische“ deutet darauf hin, dass dieser mit der Ubersetzung der ” Elemente seinen Lebensunterhalt verdient hatte) verwendet45 , und zwei Jahrhunderte sp¨ater in den Arbeiten von as-Samaw’al, einem in Bagdad aufgewachsenen und sp¨ater zum Islam konvertierten Juden. Der Perser Dschamschid al-Kashi hat in seinem Rechenbuch, das er dem Herrscher Ulugh Beg von Samarkand (1394–1449) gewidmet hat, den Gebrauch des Dezimalsystems erkl¨art und dabei die Dezimalbr¨ uche eingef¨ uhrt, welche im arabischen Raum im 10. Jahrhundert erfunden worden waren. Ulugh Beg selbst hat sich sehr f¨ ur Mathematik und vor allem die Astronomie interessiert46 . In seinen Augen (und in denen seines Volkes) hat er die Wissenschaft u ¨ber die Religion gestellt: Die Religionen zerstreuen sich wie Nebel, die Zarenreiche zerst¨oren sich von selbst, aber die Arbeiten des Gelehrten bleiben f¨ ur alle Zeiten. Das Streben nach Wissen ist die Pflicht eines jeden! Nach kurzer Regierungszeit wurde er von fundamentalistischen Moslems (angef¨ uhrt von seinem Sohn) ermordet, und das gr¨ oßte Observatorium in der islamischen Welt wurde dem Erdboden gleichgemacht. In einem der ¨altesten erhaltenen arabischen Rechenb¨ ucher, die Prinzipien des Hindu-Rechnens47 , erkl¨art Kushyar ibn Labban das Rechnen mit indischen 44

[Juschkewitsch 1964, S. 197]. Siehe [Berggren 2011, Kap. 2.4]. 46 Siehe [Juhel 2007]. 47 Eine hervorragende Edition ist [Levey & Petruck 1965]; diese Ausgabe ist dem Mathematikhistoriker Josef Weinberg gewidmet, der auf der Flucht aus einem Zug, der ihn in ein Konzentrationslager bringen sollte, erschossen worden ist. Vermutlich ist Weinberg am 12.10.1909 in Sulzb¨ urg geboren und am 19.4.1943 in Mechelen erschossen worden. Weinberg hatte 1935 die Algebra des abu Kamil ins Deutsche u ¨bersetzt. 45

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Abb. 4.5.5. Al-Kashi unterrichtet Geometrie. Wandmalerei im Museum des Observatoriums in Ulug Begh.

Zahlen auf dem Staubbrett; im zweiten Teil seines Buchs behandelt er das Rechnen mit sexagesimalen Br¨ uchen.

Neunerprobe, Teilbarkeit und quadratische Reste Wie alt die Neunerprobe zur Kontrolle von Rechnungen wirklich ist, l¨ asst sich kaum sagen. Die Grundidee, die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts noch Schulstoff war, ist folgende: Um die Addition 39 + 47 = 86 zu u ufen, ¨berpr¨ betrachten wir die Reste, welche diese Zahlen bei der Teilbarkeit durch 9 lassen; im Dezimalsystem l¨auft dies auf die Berechnung der Quersummen hinaus. Im vorliegenden Fall sind die Quersummen der Summanden 12 und 11, also (bis auf Vielfache der 9) 3 und 2, und 3 + 2 = 5 ist die Quersumme der Quersumme von 86. Entsprechende Kontrollverfahren existieren f¨ ur die Subtraktion, Multiplikation und Division. Sicherlich wurde die Neunerprobe verwendet lange bevor sie etwa bei al-Khwarizmi auftaucht. Der Name al-Khwarizmi wird f¨ ur immer mit dem Beginn der Algebra verbunden bleiben, geht doch auch der Name Algebra auf ein Buch dieses Mathematikers zur¨ uck. Quadratische Probleme l¨ost er durch Aufstellen einer Gleichung, Zur¨ uckf¨ uhrung auf eine der Standardformen (z.B. ax2 + bx = c oder 2 ax = bx + c; die Unkenntnis negativer Zahlen verlangt eine solche Fallunterscheidung), und L¨osen der Standardform durch im wesentlichen euklidi-

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Abb. 4.5.6. Statue von Ulugh Beg in Riga (ein Geschenk der Botschaft von Usbekistan). Foto Alain Juhel

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4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Abb. 4.5.7. Die Medrese (Koranschule) in Buchara (Usbekistan)

sche Methoden aus dem Buch II der Elemente. Die Nachfolger al-Khwarizmis dr¨angen die euklidische Sprache im Laufe der Zeit zur¨ uck und verschaffen der eigentlichen Algebra mehr Raum. Nach dem Universalgelehrten ibn Sina soll diese Methode von den Indern gekommen sein. Auch al-Nasawi behandelt die Neunerprobe; sp¨ ater entwickelt al-Karaji die Elferprobe, und bei ibn al-Banna al-Marrakuschi finden wir sogar Achter- und Siebenerproben48 . Bei diesen Rechnungen wurden die Zahlen durch ihre kleinsten positiven Reste modulo 7, 8, 9 und 11 ersetzt, insbesondere wurde also mit den Neunerrest 9 gerechnet und nicht mit der Null. Auch auf dem Ziffernblatt einer Uhr stehen heute immer noch die Zahlen von 1 bis 12 und nicht die von 0 bis 11: Die Null hat es auch heute noch schwer. Ibn Sina untersuchte mit der Neunerprobe insbesondere Quadratzahlen und stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass Quadratzahlen bei Teilbarkeit durch 9 nur die Reste 1, 4, 7 oder 9 lassen. Bei al-Karaji findet man ¨ ahnliche Beobachtungen f¨ ur Quadrate modulo 10 und modulo 9. Im Zusammenhang mit Aufgaben um den chinesischen Restsatz, etwa dem Auffinden von Zahlen, die beim Teilen durch 2, 3, 4, 5 und 6 den Rest 1 lassen, aber durch 7 teilbar sind, entdeckt Abu Ali al-Hasan ibn al-Haytham ur Primzahlen p der Ausdruck 1 · 2 · 4 · · · (p − 1) + 1 durch den Satz49 , wonach f¨ p teilbar ist. Insbesondere ist 6! + 1 eine L¨osung des Ausgangsproblems, denn 48 49

Siehe [Djafari Naini 1982, S. 29–35]. Diese Entdeckung wurde ausf¨ uhrlich in [Rashed 1980] diskutiert.

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offenbar l¨asst diese Zahl beim Teilen durch 2, 3, 4, 5 und 6 den Rest 1, ist aber durch 7 teilbar.

Vollkommene und Befreundete Zahlen Abu I-Hasan Thabit ibn Qurra al-Harrani (826–901)50 stammte aus dem assyrischen Harran in der N¨ahe der heutigen t¨ urkischen Stadt Altinba¸sak. Er lebte in Bagdad und u aus ¨bersetzte Apollonius, Archimedes, Euklid und Ptolem¨ ¨ aus dem Griechischen ins Arabische. Durch die Ubersetzung der Arithmetik von Nikomachos ließ er sich zur Untersuchung befreundeter Zahlen anregen. Eine Zahl ist dabei vollkommen,, abundant oder defizient je nachdem, ob die Summe ihrer echten Teiler gleich, kleiner oder gr¨ oßer als die Zahl ist. so ist 28 = 1 + 2 + 4 + 7 + 14 vollkommen, 27 > 1 + 3 + 9 defizient und 12 < 1 + 2 + 3 + 4 + 6 abundant. Zur Darstellung seiner Ergebnisse und f¨ ur seine Beweise benutzte ibn Qurra wie schon Euklid und Nikomachos geometrische Folgen. Satz 5 aus seinem Werk u ¨ber vollkommene Zahlen lautete etwa so51 : Eine Folge von Zahlen, die sich verdoppelnd entwickelt, von der Eins ausgehend, ergibt eine bestimmte Summe. Wenn man dann die gr¨ oßte der addierten Zahlen mit einer Primzahl verschieden von 2 multipliziert, dann ist das Produkt dieser Multiplikation eine vollkommene Zahl, wenn die Primzahl gleich der erhaltenen Summe ist. Wenn die Primzahl kleiner als die Summe ist, dann ist das Produkt abundant; ist die Primzahl gr¨oßer als die Summe, dann ist das Produkt defizient. ¨ Die Gr¨oße des Uberflusses im Falle einer abundanten oder des Mangels im Falle einer defizienten Zahl ist gleich der Differenz zwischen der Summe und der besagten Primzahl. Ist also q = 1 + 2 + 4 + . . . + 2n = 2n+1 − 1 eine Primzahl, dann ist 2n q vollkommen: Das ist das bekannte euklidische Kriterium. F¨ ur jede Primzahl ¨ von q − p, und f¨ ur prime p < q ist 2n p dagegen abundant mit einem Uberfluss p > q ist 2n p defizient mit einem Mangel von p − q. Man beachte, dass mit der Differenz zweier Zahlen, wie in der Antike u ¨blich, immer die Differenz der gr¨oßeren minus der kleineren Zahl gemeint ist. Ibn Qurras Untersuchungen wurden in die Enzyklop¨ adie der Ichwan as-Safa (die Geheimsekte der Br¨ uder der Reinheit) aufgenommen und in B¨ uchern von al-Biruni, Ibn al-Banna al-Marrakuschi und Muhammad Baqir Yazdi ausf¨ uhrlich erkl¨art. 50

Das allwissende Internet ist in der Frage des Geburtsjahrs gespalten; eine Mehrheit der Seiten nennt das Jahr 826, die anderen bevorzugen wie die spanische Post 836. 51 [Djafari Naini 1982, S. 46].

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4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Die Vermutung von Nikomachos, wonach es zwischen aufeinanderfolgenden Zehnerpotenzen immer eine vollkommene Zahl geben solle, hat Abu Mansur al-Baghdadi (ca. 980–1037) mit der Beobachtung widerlegt, dass es keine solche Zahl zwischen 10 000 und 100 000 gibt (er hat wohl angenommen, dass jede vollkommene Zahl die euklidische Form hat, und wegen 26 (27 −1) = 8128 und 28 (29 − 1) = 130 816 folgt dann seine Behauptung). Auf der andern Seite hat er die zweite Vermutung von Nikomachos, dass vollkommene Zahlen abwechselnd auf 6 und 8 enden, als richtig angesehen. Befreundete Zahlen Ibn Qurra bemerkt, dass er keine Hinweise in seinen griechischen Quellen gefunden habe, welche die Konstruktion befreundeter Zahlen erm¨ oglichen w¨ urde, so wie Euklid die Konstruktion vollkommener Zahlen gelehrt habe. Zwei Zahlen a und b heißen dabei befreundet52 , wenn die Summe der echten Teiler von a gleich der zweiten Zahl b und umgekehrt a gleich der Summe der echten Teiler von b ist. Das kleinste Paar befreundeter Zahlen ist 220 = 1 + 2 + 4 + 71 + 142, 284 = 1 + 2 + 4 + 5 + 10 + 11 + 20 + 22 + 44 + 55 + 110. Dieses Paar wird erstmals von Iamblichos53 explizit genannt, der dies aber Pythagoras zuschreibt. Ibn Qurra findet nun heraus, dass die Zahlen a = 2n ·(3·2n−1 −1)(3·2n −1) und b = 2n ·(9·22n−1 −1) befreundet sind, wenn n > 1 ist und die ungeraden Zahlen in den Klammern allesamt prim sind. Sein Beweis ist nach der euklidischen Konstruktion vollkommener Zahlen modelliert. So beweist er, dass die Teiler eines Produkts mp, wo p prim ist, Teiler von m oder Produkte von Teilern von m mit der Primzahl p sind. Wie schon im Falle vollkommener Zahlen verzichtet ibn Qurra auf Beispiele; das zweitkleinste Paar wurde erst von Kamal al-Din al-Farisi gefunden und taucht auch bei Ibn al-Banna, und al-Tanukhi auf. Das dritte Paar befreundeter Zahlen wird endlich von Muhammad Baqir Yazdi entdeckt, der auch bemerkt, dass ein von seinem Lehrer al-Kashi angegebenes Paar nicht befreundet ist. 52 Lesenswert ist [Borho 1981]; f¨ ur die Geschichte befreundeter Zahlen sind [Rashed 1983] und [Djafari Naini 1982] zu empfehlen. 53 Sein Kommentar [Pistelli 1894] zur Einf¨ uhrung in die Arithmetik von Nikomachos wurde j¨ ungst von [Vinel 2014] wieder herausgegeben, der auch bemerkt, dass sich Iamblichos ausf¨ uhrlich mit der Frage befasst, ob nichts“ eine Zahl ist. ”

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n 3 · 2n−1 − 1 3 · 2n − 1 9 · 22n−1 − 1

a

b

2

5

11

71

220

284

4

23

47

1151

17296

18416

7

191

383

73727 9363584 9437056

Gleichgewichtige Zahlen Abu Mansur al-Baghdadi nennt zwei Zahlen gleichgewichtig, wenn die Summen ihrer echten Teiler u ¨bereinstimmen; er gibt das Paar (3 · 53, 13 · 43), deren echte Teilersummen 1 + 3 + 53 = 1 + 13 + 43 = 57 sind. Al-Zanjani findet sp¨ater, dass auch die Teiler von 19 · 37 dieselbe Summe haben. Zur Konstruktion gleichgewichtiger Zahlen schreibt Yazdi um das Jahr 1600 herum eine Zweierpotenz auf zwei verschiedene Arten als Summe zweier Primzahlen (dass man jede Zweierpotenz > 4 als Summe zweier Primzahlen schreiben kann ist ein Spezialfall der Goldbachschen Vermutung, auf die Yazdi aber nicht eingeht). Ist etwa 2n = p1 + p2 = p3 + p4 , dann sind die Zahlen p1 p2 und p3 p4 gleichgewichtig wegen 1 + p1 + p2 = 2n + 1 = 1 + p3 + p4 . Die eindeutige Primfaktorzerlegung Zur Konstruktion vollkommener und befreundeter Zahlen ben¨ otigt man Aussagen der Form, dass die vollst¨andige Liste der Teiler einer Zahl an deren Primfaktorzerlegung abgelesen werden kann. Bei seinem Beweis, dass Zahlen der Form 2n−1 (2n − 1) vollkommen sind, wenn p = 2n − 1 prim ist, musste ur eine Primzahl Euklid beispielsweise zeigen, dass die echten Teiler von 2n p f¨ p durch die Teiler von 2n und die Produkte von p mit den echten Teilern von 2n gegeben sind. Allgemeiner folgt aus der Beobachtung, dass die Teiler von pa1 1 · · · par r durch die Zahlen pb11 · · · pbrr mit 0 ≤ bj ≤ aj gegeben sind, sofort der Satz von der eindeutigen Primfaktorzerlegung. ¨ Trotz der formalen Aquivalenz ist dennoch zwischen der Beschreibung der Liste aller Teiler einer Zahl und dem Prinzip der eindeutigen Primfaktorzerlegung ein wesentlicher Unterschied, n¨amlich der zwischen einem Hilfssatz zur Bestimmung der Teilersumme einer Zahl und einem fundamentalen Prinzip. Dass sich nat¨ urliche Zahlen auf eine ganz bestimmte Art in Primfaktoren zerlegen lassen, war seit Euklid bekannt. Dass die eindeutige Primfaktorzerlegung die Grundlage der elementaren Zahlentheorie ist, ist eine Erkenntnis, die vor Gauß nicht ins Bewusstsein der Mathematiker ger¨ uckt ist.

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4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Kamal al-Din al-Farisi54 hat in seinem Werk u ¨ber befreundete Zahlen einen Satz bewiesen, der die Teiler eines Produkts zweier Zahlen m und n angibt: Die Teiler von mn sind genau die Produkte der Teiler von m und der Teiler von n. Al-Farisi geht dabei vor wie Euklid, allerdings stellt er expressis verbis fest, dass er nicht nur Produkte von zwei und drei Zahlen betrachtet wie Euklid, sondern auch solche von vier und mehr Faktoren. Er verbessert Euklids Satz, dass jede zusammengesetzte Zahl von einer Primzahl geteilt wird, zu der Feststellung, dass jede zusammengesetzte Zahl ein Produkt von Primzahlen ist. Dass diese Zerlegung eindeutig ist, spricht al-Farisi aber nicht aus, und er beweist es auch nicht.

Diophantische Gleichungen Abu Kamil55 Shuja ibn Aslam kann insofern als Nachfolger al-Khwarizmis gesehen werden, als er in seinem Werk u ¨ber unbestimmte Analysis außer Euklid nur ihn zitiert. Obwohl Abu Kamil eine ganze Reihe von unbestimmten Gleichungen ersten und zweiten Grades l¨ost, verweist er nirgendwo auf Diophant. Seine Beispiele sind auch nicht dem diophantischen Werk entlehnt. Ob Abu ¨ Kamil von der Existenz der Ubersetzung von Diophants Arithmetika gewusst hat, die Qusta ibn Luqa, ein aus Griechenland stammender Christ, in Bagdad etwa zur selben Zeit angefertigt hat, darf bezweifelt werden. Sein Fundus an Problemen d¨ urfte also Quellen entstammen, die wir heute nicht mehr kennen. ¨ Qusta ibn Luqa (ca. 820 – 912) ist uns als Ubersetzer einer großen Anzahl griechischer und syrischer Texte ins Arabische bekannt (sein urspr¨ unglicher Vorname scheint Kosta“ gewesen zu sein); zu ihnen z¨ ahlen neben vielen me” dizinischen Werken auch die Abhandlung u ¨ber Kugel und Zylinder von Archimedes, die Spherika von Theodosios von Tripolis (1. Jahrhundert), sowie die B¨ ucher Diophants. Im ersten Teil seines Werks bespricht abu Kamil 38 Probleme, von denen 25 quadratische Gleichungen und die restlichen 13 kubische Gleichungen betreffen. In den ersten sechs Problemen l¨ost Abu Kamil die Gleichungen y 2 = x2 ±c, y 2 = x2 ± bx und y 2 = x2 ± bx + c. Alle diese Gleichungen sind nach Diophant rational l¨osbar, weil der Koeffizient von x2 ein Quadrat ist. F¨ ur Abu Kamil sind die Gleichungen l¨osbar, weil man durch die Substitution y = x + a leicht (unendlich viele) L¨osungen finden kann. Ganz anders sieht das bei der zweiten Klasse von Aufgaben aus: in Problem 19 l¨ost Abu Kamil die Gleichung y 2 = 8x−x2 +109, indem er sie in der Form y 2 + 54

Al-Farisis Werk u ¨ber befreundete Zahlen wurde von Rashed herausgegeben und kommentiert [Rashed 1983]. Mit seinem Urteil, al-Farisi habe die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung gekannt und bewiesen, hat er sich aber zu weit aus dem Fenster gelehnt, wie [Agarg¨ un 1997, Agarg¨ un 2000, Agarg¨ un & Fletcher 1994, Agarg¨ un & ¨ Ozkan 2001] (vgl. auch [Brentjes 1989, Brentjes 1991]) nachgewiesen haben. 55 Siehe den Eintrag von J. Sesiano in [Selin 1997].

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157

x2 − 8x = 109 schreibt; quadratische Erg¨anzung gibt uns die Gleichung y 2 + (x − 4)2 = 125. Weil 125 Summe zweier Quadrate ist, und weil er in Problem 12 bereits Diophants Aufgabe II.9 aus der Arithmetika gel¨ ost hat, n¨ amlich x2 + y 2 = a2 + b2 bei gegebenen Zahlen a und b, kann er jetzt die vorliegende Gleichung l¨osen. Er beschreibt auch genau (an Hand dieses Beispiels), wie man im allgemeinen“ vorzugehen hat, also bei dem Problem, das wir in der ” urden. Hier f¨ uhrt quadratische Erg¨ anzung Form y 2 = −x2 +ax+b schreiben w¨ auf die Gleichung  a 2 a2 =b+ , y2 + x − 2 4 und Abu Kamil bemerkt, dass das Problem unz¨ ahlbar viele L¨ osungen habe, wenn der Ausdruck auf der rechten Seite sich als Summe zweier (rationaler) Quadrate schreiben l¨asst, und unl¨osbar ist, wenn dies nicht der Fall ist. Al-Khazin Mit al-Khazin, genauer Abu Jafar Muhammad ibn Hasan Khazin, beginnt die Theorie der rechtwinkligen Dreiecke in Zahlen“, die schon bei Diophant ” einen breiten Raum einnimmt, Gestalt anzunehmen. Er benutzt die Theorie des Geraden und Ungeraden in Buch IX der Elemente um nachzuweisen, dass die Summe der Quadrate zweier ungerader Zahlen kein Quadrat sein kann, und leitet die Formel zur Erzeugung pythagoreischer Tripel her. Allerdings bleibt er nicht dabei stehen, sondern entwickelt eine a ¨hnliche Formel zur Erzeugung unendlich vieler ganzzahliger L¨osungen der Gleichung x2 + y 2 + z 2 = w2 . Als n¨achstes zeigt al-Khazin, dass die beiden Gleichungen x2 + y 2 = z 4 und x4 + y 2 = z 2 ebenfalls ganzzahlige L¨osungen besitzen. Er bespricht auch ein Problem, das wir heute unter dem Namen der kongruenten Zahlen“ kennen: ” f¨ ur welche ganzen Zahlen a ist das Gleichungssystem x2 + a = y 2 ,

x2 − a = z 2

in ganzen Zahlen l¨osbar? Al-Khazin zeigt, dass dies genau dann der Fall ist, wenn es Zahlen u und v gibt mit u2 + v 2 = x2 und 2uv = a. Al-Khazin berichtet auch, dass al-Khujandi im 10. Jahrhundert die Unl¨ osbarkeit der Gleichung x3 +y 3 = z 3 in positiven ganzen Zahlen behauptet habe56 , dass dessen Beweis daf¨ ur allerdings nicht stichhaltig gewesen sei. Inzwischen wurde ein Manuskript entdeckt, in welchem die Behauptung samt einem vollkommen unzureichenden Beweis enthalten ist. Obwohl der Ursprung der Behauptung unklar bleibt, ist dennoch belegt, dass das Problem auch im 11. Jahrhundert noch zirkulierte; beispielsweise wird es von Avicenna als ungel¨ ostes Problem erw¨ahnt. Die entsprechende Unl¨osbarkeit der Gleichung x4 + y 4 = z 4 findet sich in den Werken von al-Khawwam und Kamal al-Din al-Farisi. 56

Siehe [Rashed 1979, S. 128 ff.]

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4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Al-Karaji Nach Abu Kamil und al-Khazin hat sich Abu Bakr ibn Muhammad ibn al uhrlich mit unbestimmten Gleichungen Husayn al-Karaji57 (953–1029) ausf¨ besch¨aftigt. Dabei hat sich al-Karaji, der in erster Linie als Ingenieur bekannt ist, aus dem Fundus der Arithmetika von Diophant bedient, allerdings wie abu Kamil auch Probleme behandelt, die auf anderem Wege u ¨berliefert worden sind. Unter den Doppelgleichungen“ x2 − a = y 2 , x2 − b = z 2 , die al-Karaji58 ” behandelt, ist auch das System x2 + 5 = y 2 , x2 − 5 = z 2 , zu dessen L¨ osung er alt, was letztlich durch Subtraktion der beiden Gleichungen y 2 − z 2 = 10 erh¨ uhrt. auf x = 41 12 f¨ W¨ ahrend Diophant Gleichungen, die er nicht l¨ osen konnte, geflissentlich vermieden hat, weist al-Karaji etwa auf die Gleichung x4 + 10 = y 2 hin, ohne aber einen Versuch der L¨osung zu geben. Dass diese Gleichung in rationalen Zahlen keine L¨osung hat, war mit den ihm zur Verf¨ ugung stehenden Mitteln allerdings wohl nicht zu erkennen. Beha-Eddin Scheich Bahauddin Amili (auch Beha-Eddin Amuli) ist f¨ ur uns vor allem wegen seiner Essenz der Rechenkunst interessant. Nesselmann beschreibt ihn in seiner Ausgabe59 dieses Buchs so: Beha-eddin lebte in der sp¨atesten Zeit der Bl¨ uthe der arabischen Cultur, sein Werk ist gewissermaßen der letzte Blick, den ein Scheidender auf den Glanz fr¨ uherer Jahre zur¨ uckwirft, um davon dem Ged¨achtnisse noch zu erhalten, was sich retten l¨asst. Das Buch gibt eine Einf¨ uhrung in das Rechnen, sowie in das L¨ osen von Problemen mit Algebra, R¨ uckw¨artsrechnen und falschem Ansatz. Nesselmann schreibt, dass es in Indien großes Ansehen genießt und als Schulbuch verwendet wird. Am Schluss seiner Abhandlung gibt Beha-Eddin eine Liste von Problemen, die er wie folgt einf¨ uhrt: Es sind den Gelehrten, welche in dieser Disciplin fest sind, Aufgaben begegnet, auf deren Aufl¨osung sie ihr Nachdenken gerichtet, und auf deren Aufsuchung sie ihre Augen gewandt haben; sie haben sich an die Aufhebung ihres Schleiers mit allen Kunstgriffen gemacht, und um die 57

Siehe den Eintrag Sesianos in [Selin 1997]. Wesentliche Ausz¨ uge aus seiner Algebra hat bereits [Woepcke 1853] ver¨ offentlicht. Weitere Einzelheiten findet man bei [Rashed 1979, Rashed 2013]. 59 [Nesselmann 1843]. 58

4.5 Die Islamische Welt

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Enth¨ ullung ihres Vorhanges durch jedes Mittel bem¨ uht; aber sie konnten keinen Weg dahin entdecken und fanden zu ihnen keinen Wegweiser und keinen F¨ uhrer. Diese sind seit alter Zeit als unaufl¨ osbar u ¨brig, sich emp¨orend gegen alle Genies bis zu dieser Frist. Die Gelehrten von Fach haben einige von ihnen in ihren Schriften erw¨ ahnt, und in ihren Sammlungen einen Theil derselben vorgelegt, um darzuthun, welche abschreckende Schwierigkeiten diese Wissenschaft umfasst, und um diejenigen, welche absolute Ausf¨ uhrbarkeit in Sachen des Calculs sich anmaßen, zum Schweigen zu bringen, um die Rechner zu warnen, daß sie sich nicht um die Aufl¨osung bem¨ uhen, wenn etwas dieser Art ihnen vorgelegt wird, und um die mit gl¨ anzenden F¨ahigkeiten Begabten zu ihrer Aufl¨osung und Enth¨ ullung anzuspornen. Auch ich f¨ uhre in dieser Abhandlung sieben von ihnen als Muster auf, um den Spuren jener zu folgen und in ihre Fußstapfen zu treten. Es sind folgende: 1. Zehn in zwei Theile zu theilen, so daß, wenn man zu jedem seine Quadratwurzel addirt und die beiden Summen in einander multiplicirt, eine angenommene Zahl heraus kommt.60 2. Wenn man zu einem Quadrat 10 addirt, so soll die Summe eine Wurzel haben, und wenn man 10 davon subtrahirt, so soll der Rest eine Wurzel haben.61 3. Dem Zaid ist 10 weniger der Quadratwurzel aus dem Antheil Amrus und dem Amru 5 weniger der Quadratwurzel aus dem Antheil Zaids versprochen worden.62 4. Eine Kubikzahl soll in zwei Theile getheilt werden, die auch Kubikzahlen sind.63 5. Zehn ist in zwei Theile geheilt. Wenn wir jeden von ihnen durch den andern dividiren, und die Quotienten addiren, so ist die Summe gleich einem der beiden Theile der Zehn.64 6. Drei Quadrate in stetiger Proportion, deren Summe ein Quadrat ist.65 7. Wenn man zu einem Quadrat seine Wurzel und 2 addirt, und darauf seine Wurzel und zwei von demselben subtrahirt, so soll aus der Summe und dem Reste sich die Wurzel ziehen lassen.66 60

Diese Stelle ist unklar. Es ist das Nachweis gefordert, dass 10 keine kongruente Zahl ist, dass also das System x2 + 10 = y 2 , x2 − 10 = z 2 keine rationale L¨ osung besitzt. 62 Dies l¨ auft auf das System x2 + y = 10, y 2 + x = 5 hinaus. 63 Beha Eddin stellt hier das Problem, die kubische Fermatgleichung x3 + y 3 = z 3 zu l¨ osen. 64 5+x Hier ist 5−x + 5−x = 5 ± x zu l¨ osen. 5+x 65 Werden die Zahlen mit x, xy, xy 2 und z bezeichnet, so ist x2 + x2 y 2 + x2 y 4 = z 2 zu l¨ osen. Diese Gleichung hat nur die triviale L¨ osung. 66 Dieses Problem f¨ uhrt auf das System x2 + x + 2 = y 2 , x2 − x − 2 = z 2 . 61

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4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Beha-Eddin warnt also Normalsterbliche vor der Besch¨ aftigung mit diesen Problemen, f¨ ur die es noch keinen Wegweiser“ gibt, legt sie aber den Be” gabten ans Herz. Es kann also keine Rede davon sein, dass er, wie Scriba67 schreibt, diese Probleme als unl¨osbar bezeichnet hat – vielmehr haben wir hier eine der ersten Sammlungen ungel¨oster Probleme der Zahlentheorie vor uns. Zusammenfassung Die islamischen Gelehrten haben sich mit beiden Spielarten der Zahlentheorie besch¨aftigt, die wir den Griechen verdanken: Zum Einen mit den vollkommenen und befreundeten Zahlen, die auf die Pythagoreer und Euklid zur¨ uckgehen, also einer Theorie der ganzen Zahlen, und zum Anderen mit unbestimmten Gleichungen in rationalen Zahlen, welche die Griechen als zur theoretischen Logistik geh¨orend betrachtet haben und welche Diophant kultiviert hat. Auf beiden Gebieten sind sie etwas u ¨ber die griechischen Erkenntnisse hinausgekommen; auf dem Gebiet der diophantischen Gleichungen besteht der Fortschritt vor allem darin, dass nun erstmals offene Probleme explizit genannt und manche davon (etwa die kubische Fermatgleichung) als unl¨ osbar betrachtet wurden. Ein Grund daf¨ ur, dass diese Gelehrten keine wesentlich neue Erkenntnisse erhielten, mag in der fehlenden Organisation des Wissenschaftsbetriebs liegen. Die islamischen Mathematiker waren Einzelk¨ ampfer, deren Arbeit von der Gunst ihrer Herrscher abhing und die untereinander kaum vernetzt waren. An dieser Lage sollte sich erst mit der Erfindung des Buchdrucks, der Einf¨ uhrung eines allgemeinen Schulunterrichts, der Gr¨ undung von Universit¨aten und wissenschaftlichen Akademien und durch einen effektiven wissenschaftlichen Austausch wie bei Mersenne und seinem Korrespondenzzirkel etwas Wesentliches ¨andern. 67

Siehe [Scriba 1983, S. 9–10, 29] zitiert zwar den obigen Abschnitt, hat ihn aber anders verstanden. Auch die Aussage Nesselmanns, die Methode der Alten w¨ urde liefern, interpretiert Scriba dahingehend, dass nur den negativen Wert“ x = − 17 16 ” Nesselmann behauptet habe, die Gleichung habe nur diese eine L¨ osung.

4.6 Magische Quadrate

161

4.6 Magische Quadrate Magische Quadrate68 haben offenbar einen rituellen Hintergrund und ber¨ uhren die Zahlentheorie vielleicht nur peripher, aber dieses Thema verbindet die Kulturen, von denen in diesem Kapitel die Rede gewesen ist. Die ersten Spuren magischer Quadrate f¨ uhren nach China, wo ein solches angeblich auf dem R¨ ucken einer Schildkr¨ote gezeichnet war, welche aus dem Wasser kam, als K¨onig Yu gerade versuchte, die große Flut des Flusses Yo zu b¨ andigen. Allerdings ist eine zweifelsfreie Angabe des magischen Quadrats69 erst aus dem 10. Jahrhundert n. Chr. bekannt. In der arabischen Welt wird zuerst Dschabir ibn Hayyan ein magisches Quadrat zugeschrieben, das im Laufe des 10. Jahrhunderts bekannt wurde. Thabit ibn Qurra soll sich mit magischen Quadraten besch¨ aftigt haben, allerdings sind seine diesbez¨ uglichen Werke verloren gegangen. Den Untersuchungen u ¨ber magische Quadrate von Ali ibn Muhammad al-Antaki (gest. 987) ist ein Buch u ¨ber die euklidische Zahlentheorie vorangestellt70 , allerdings werden die Propositionen (nicht wenige davon sind fehlerhaft) ohne Beweis aufgelistet und nur gelegentlich durch Beispiele erkl¨art. Weitere ausf¨ uhrliche Untersuchungen und Konstruktionen sind von Abu Ishaq al-Isfaraini und Ahmad ibn Ali al-Buni u ¨berliefert. In Indien taucht das erste magische Quadrat bei Varahamihira auf, einem Astronomen aus Ujjain; dieser schreibt eines der magischen Quadrate allerdings dem buddhistischen Philosophen Nagarjuna (ca. 150–250) zu. Das magische Quadrat im Tempel der Jaina in Khajuraho stammt aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Die ersten magischen Quadrate in einem Werk u ¨ber die Mathematik finden sich bei Thakkar Pheru. Narayana schrieb ein ausf¨ uhrliches Werk u ¨ber magische Quadrate, in welchem er auch zeigte, wie man magische Kreise oder ein magisches Hexagon (ein magischer Lotus) konstruieren kann. 68

Zu diesem Thema kann man die Artikel [Cammann 1960,Cammann 1961], [Djafari Naini 1982, § 2.4], [Hayashi 1997], [Singh 1986] und [Hermelink 1958, Hermelink 1959] zu Rate ziehen. Heinrich Hermelink war mit zwei Jahren an Kinderl¨ ahmung erkrankt und war an den Rollstuhl gefesselt. Er studierte nach dem 2. Weltkrieg erfolgreich Mathematik auf Lehramt, wurde aber 1953 nicht in den baden-w¨ urttembergischen Schuldienst u ¨bernommen, da der Seminarleiter den An” blick eines behinderten Lehrers f¨ ur die Sch¨ uler f¨ ur unzumutbar hielt“, wie man in [Scriba 1979] lesen kann. Ich danke Olaf Ninnemann f¨ ur den Hinweis auf Scribas Artikel. 69 [Berglund 1990] und [Swetz 2001] haben dem magischen Quadrat Lo Shu je ein ganzes Buch gewidmet. 70 Diese Untersuchungen hat Sesiano [Sesiano 2017] ver¨ offentlicht. Al-Antaki hat diese als Kommentar zur Einf¨ uhrung in die Zahlentheorie von Nikomachos betrachtet. Auch die Untersuchungen u ¨ber magische Quadrate des persischen Mathematikers Abu l-Wafa al-Buzjani hat Sesiano in seinem Buch ver¨ offentlicht.

162

4 Die Zahlentheorie im antiken Orient

Abb. 4.6.1. Links: Magisches Quadrat am Parsvanatha Tempel, Khajuraho (JainaTempel, 10. Jahrhundert). Rechts: Das magische Quadrat aus D¨ urers Melancholia

Im Westen gilt das Werk des byzantinischen M¨ onchs Manuel Moschopoulos als die erste bekannte Abhandlung u ¨ber magische Quadrate71 .

¨ Ubungen 4.1 L¨ ose die diophantische Gleichung 4567x − 10000y = 2166, die dem astronomischen Werk Brahmaguptas entstammt. 4.2 (Brahmagupta) Zeige: Ist N a2 ± 2 = b2 , dann gibt x = ab

und

y=

N a2 + b 2 2

eine ganzzahlige L¨ osung von N x2 + 1 = y 2 . Beweise ein entsprechendes Resultat f¨ u r N a2 ± 4 = b2 . 4.3 Zeige, dass die Seiten AD = BC, die Diagonalen AC = BD und die H¨ ohe AH in Brahmaguptas gleichschenkligem Trapez (Abb. 4.4.1) rational sind, wenn m, n und p rational sind. 71

Siehe etwa [Sesiano 1998] and [Brown 2012].

4.6 Magische Quadrate

163

4.4 Eine h¨ ubsche M¨ oglichkeit, die Summe von Quadratzahlen mit Hilfe der Dreieckszahlen zu berechnen ist die folgende. 1. Zeige, dass eine Quadratzahl n2 = derfolgender Dreieckszahlen ist,

n(n+1) 2

+ n(n−1) Summe zweier aufeinan2

2. Schreibe die Summe von Quadratzahlen als Summe zweier Summen von Dreieckszahlen: 1 + 3 + 6 + 10 + . . . + 1 + 3 + 6 + ... + 1 + 4 + 9 + 16 + . . . +

n(n+1) 2 n(n−1) 2 2

n

= Sn = Sn−1 = Tn

Folgere, dass 1 + 4 + 9 + . . . + n2 = 16 n(n + 1)(2n + 1) ist.

Teil II. Die Klassische Zahlentheorie

Xylanders Ausgabe des Diophant

5

Die Auferstehung Diophants

Abb. 5.0.1. Leonardo Fibonacci, Statue auf dem Friedhof von Pisa

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_5

168

5 Die Auferstehung Diophants

Die Mathematik hatte nach dem Niedergang der griechischen Kultur auf europ¨aischen Boden einen schweren Stand. Neben dem Desinteresse der R¨omer an h¨oherer Mathematik ist der fast vollst¨ andige Zusammenbruch des r¨omischen Bildungssystems1 ein wichtiger Grund f¨ ur den Verfall der Wissenschaften. Der einzige Lichtblick in dieser Hinsicht waren die Klosterschulen des sich ausbreitenden Christentums: Nur dort konnte man Latein lernen, also die Sprache, in der die wenigen Exemplare etwa der Arithmetik des Boethius geschrieben waren. Der Unterricht in Mathematik, und sei diese noch so elementar, war allerdings kein Bestandteil des Lehrplans an solchen Schulen. Auf der anderen Seite war das Christentum des Mittelalters nicht gerade das letzte Bollwerk gegen die Barbarei: Nach der vollst¨ andigen Vernichtung von Alexandrias Bibliothek und der Schließung von Athens heidnischer“ Akade” mie durch christliche Kaiser wurde im christlichen Abendland Mathematik, um es nur ein klein wenig u ¨berspitzt zu sagen, nur noch dazu gebraucht, um den Termin von Ostern vorherzusagen. Ein ganzes Jahrtausend wurde vergeudet mit sinnlosen Kriegen, mit Denkverboten und Kampf gegen jede Art von Ketzerei, mit Kreuzz¨ ugen, Inquisition, Aberglaube und, in j¨ ungerer Zeit, Ablasshandel und Hexenwahn. Einer der Funken, die viele Jahrhunderte sp¨ ater die Renaissance und die Aufkl¨arung mit angefacht haben, ist die Eroberung Spaniens durch arabische V¨olker. Mit den islamischen Eroberern kam die griechische Wissenschaft in arabischer Einkleidung nach Europa zur¨ uck, zusammen mit den j¨ ungeren arabischen Errungenschaften in Medizin, Algebra und der Optik. Nach der R¨ uckeroberung Spaniens stand den Christen so der Zugang zu lange verlorenem Wissen offen. Bis man aber im restlichen Europa so weit war, dass man derartige Dinge wieder goutieren konnte, vergingen allerdings etliche Jahrhunderte. Erst mit Fibonacci kann man auf westeurop¨ aischem Boden wieder von einem Mathematiker sprechen, und dieser bediente sich bei der Wahl seiner Probleme aus dem arabischen Fundus und war dar¨ uberhinaus mit der Algebra von al-Khwarizmi und Abu Kamil vertraut. Letztendlich stellten die Europ¨aer aber fest, dass die islamischen Gelehrten auf den Schultern der Griechen gestanden hatten, und es setzte eine fieberhafte Suche nach den griechischen Originalen ein. Im 14. Jahrhundert wurde der Drang nach griechischen Texten so groß, dass viele Gelehrte begannen, Griechisch zu lernen. In der Folge kamen sehr viele Griechen nach Italien, um dort ihre Sprache zu unterrichten, und sie brachten Manuskripte aus ihrer Heimat 1 Trotz der Vernachl¨ assigung der Mathematik wurde dort großer Wert auf das Erlernen der lateinischen und der griechischen Sprache gelegt, conditio sine qua non f¨ ur ein Studium der mathematischen Quellen. Mehr u ¨ber die Entwicklung des Schulsystems findet man bei [G¨ unther 1887, Marrou 1956, Dolch 1965] und [Riche 1976]. Diese Liste w¨ are nicht vollst¨ andig ohne die Erw¨ ahnung von [Lafforgue & Lur¸cat 2007], in dem die Zerschlagung des Bildungssystems in den westlichen Staaten seit den 1990er Jahren am Beispiel Frankreichs schonungslos beschrieben wird.

5.1 Europa erwacht

169

mit, mit denen sich in Italien viel Geld machen ließ: Die großen Bibliotheken im Vatikan und in Venedig rissen sich um die griechischen Originale. Diese Bewegung verst¨arkte sich immens nach dem Fall von Konstantinopel im Jahre 1453, als Scharen von byzantinischen Gelehrten sich in den dortigen Bibliotheken bedienten und Massen von lateinischen und griechischen Manuskripten nach Italien brachten. Damit begann die R¨ uckeroberung der griechischen Mathematik. Euklid war bereits f¨ ur Fibonacci zum Vorbild in Sachen strenger Beweise geworden, jetzt erm¨oglichten die Kegelschnitte des Apollonius Keplers Formulierung der Gesetze zur Bewegung von Planeten, die wiederum Newton zur Ableitung und Best¨atigung seines Gravitationsgesetzes benutzte, und Archimedes stand Pate bei der Entwicklung der Infinitesimalrechnung, mit der die europ¨ aische Mathematik ganz wesentlich u ¨ber ihre antiken Vorbilder hinausging. Die Bedeutung Diophants f¨ ur die Entwicklung der Algebra (vor allem durch Vieta) und der Zahlentheorie (hier sind in erster Linie Bachet und Fermat zu nennen) kann kaum u ¨bersch¨atzt werden.

5.1 Europa erwacht Es ist hier nicht der Ort, die Geschichte Europas vom Untergang des westr¨ omischen Reichs bis in die Neuzeit zu verfolgen. Wir werden uns daher mit einigen Ausschnitten begn¨ ugen, deren Auswahl selbstverst¨ andlich alles andere als objektiv ist. Unsere erste Station ist das Zeitalter Karls des Großen, also die zweite H¨alfte des 8. Jahrhunderts. Alcuin von York Alcuin von York (auch Albinus genannt) wird um 735 in York geboren; sein Ruhm erreicht den Hof Karl des Großen, der ihn 782 an seine Schule ihn Aachen beruft. Dort unterrichtet dieser fast 20 Jahre lang Karl den Großen und seine S¨ohne, sowie die Sch¨ uler der Domschule. 790 kehrt Alcuin nach England zur¨ uck, aber schon zwei Jahre sp¨ater ist er wieder am Aachener Hof. Mit England verkehrt er fortan brieflich; insbesondere schreibt er im ¨ Zusammenhang mit dem Uberfall der Wikinger auf Lindisfarne im Jahre 793 an den dortigen Bischof und erkl¨art ihm, dies sei eine Strafe Gottes f¨ ur das schlechte Benehmen seines Volks. Die Aufgabensammlung Propositiones ad acuendos juvenes2 (Propositionen zum Sch¨arfen des Geistes von Jugendlichen), ein Werk, welches Alcuin zugeschrieben wird, enth¨alt 53 Textaufgaben, unter anderem Versionen des be2

Es gibt eine kommentierte deutsche Ausgabe, n¨ amlich [Folkerts 1978]. Leichter erh¨ altlich und leichter zu lesen ist sicherlich [Hemme 2010].

170

5 Die Auferstehung Diophants

Jahr

Kirche und Wissenschaft

13. Jh.

Albigenser und Katharer werden von der katholischen Kirche verfolgt und massenweise ermordet. Der Dominikaner Thomas von Aquin verbindet die christliche Lehre mit der Philosophie von Aristoteles. Der Franziskaner Roger Bacon erhebt das Experiment zum Schiedsrichter u ¨ber sich widersprechende Theorien. Der b¨ ohmische Theologe Jan Hus wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Nach der R¨ uckeroberung Spaniens durch die Christen werden alle Juden, die nicht zum Christentum konvertieren, mit dem Alhambra-Edikt vertrieben Nach j¨ ungeren Sch¨ atzungen verließen an die 100.000 Juden das Land. Nikolaus Kopernikus propagiert in De Revolutionibus das heliozentrische Weltbild. Der spanische Arzt und Theologe Miguel Serveto y Reves (Michael Servetus) wird auf Betreiben Calvins auf dem Scheiterhaufen verbrannt. In der Bartholom¨ aus-Nacht werden in Paris Tausende Hugenotten von Katholiken ermordet. Eines der Opfer ist Petrus Ramus. Giordano Bruno wird als Ketzer verbrannt. Galileo Galilei und Simon Marius beobachten vier Monde des Jupiter mit Teleskopen. Die Kirche setzt das Werk von Kopernikus auf den Index. Galilei wird von der Inquisition zu Hausarrest verurteilt. Papst Benedikt XIV nimmt Keplers De Revolutionibus vom Index. Die spanische Regierung erkl¨ art das Alhambra-Edikt f¨ ur unwirksam. Papst Johannes Paul II rehabilitiert Galilei. Papst Johannes Paul II bezeichnet die Hinrichtung von Giordano Bruno als Unrecht. Papst Franziskus entschuldigt sich bei den Albigensern.

1415 1492

1543 1553

1572 1600 1610 1616 1633 1758 1968 1992 2000 2015

Tabelle 5.1. Kirche und Wissenschaft

kannten Problems, mit einem Boot einen Wolf, ein Schaf und einen Kohlkopf u ¨ber einen Fluss zu transportieren. Auch Variationen des Problems der 100 V¨ogel tauchen hier in der abendl¨andischen Literatur auf. Wie die allermeisten F¨ ursten, K¨onige und Kaiser ist auch Karl der Große eine recht zwielichtige Gestalt. Auf der einen Seite steht die Legende, Karl der Große habe erstmals ein ¨offentliches Schulsystem gegr¨ undet, auch wenn diese wohl nur einen sehr kleinen wahren Kern enth¨ alt3 . Ihm ging es um die Einrichtung von Dom- und Klosterschulen, in welchen dem k¨ unftigen Klerus ein halbwegs passables Latein und soviel Mathematik und Astronomie beigebracht werden sollte, um das Datum von Ostern berechnen zu k¨ onnen. Durch 3

Eine kurze aber fundierte Quelle f¨ ur die Politik Karl des Großen und seines Beraters Alcuin ist [Geyer 2002].

5.1 Europa erwacht

171

die verbesserten Lateinkenntnisse und Karls Auftrag, alte B¨ ucher abzuschreiben, werden die Bibliotheken ausgebaut – Karl selbst hatte anscheinend als Kind weder Lesen noch Schreiben gelernt. Ein anderer Nebeneffekt der Reformen ist, dass bei der Besetzung von Bischofsst¨ uhlen Bildung eine Rolle zu spielen beginnt. Auf der anderen Seite ließ der Sachsenschl¨achter“ Karl der Große beim Blut” ” gericht von Verden“, einem besonders blutigen Akt der Christianisierung Germaniens, 4500 Sachsen hinrichten; danach wurde selbst das Essen von Fleisch an einem christlichen Fastentag mit der Todesstrafe geahndet. Es ist wohl Alcuins Einfluss zuzuschreiben, dass diese Gesetze 797 etwas abgemildert wurden. Alcuin stirbt am 19. Mai 804, nachdem ihn Karl der Große 796 die Abtei des heiligen Martin von Tours unterstellt hatte. Einer von Alcuins bekanntesten Versen sei hier angef¨ uhrt: Besser als Reben zu pflanzen ist es, B¨ ucher zu schreiben. Jene dienen dem Bauch, diese aber der Seele. Wobei, wie Alois Brandstetter seine Figur in Der geborene G¨ artner hinzuf¨ ugen l¨ asst, gute Reben besser sind als schlechte B¨ ucher. Bernward von Hildesheim Selbst an Domschulen war es mit einem Mathematikunterricht nicht weit her. Der Codex Liber Mathematicalis4 des heiligen Bernward, der um 950 oder 960 als Sohn eines s¨ achsischen Adligen geboren und an der Hildesheimer Domschule ausgebildet wurde, und der von 993 bis zu seinem Tode im Jahre 1022 Bischof von Hildesheim war, enth¨alt eine Abschrift von Teilen der Arithmetik des Boethius, der sich wiederum bei Nikomachos bedient hatte. F¨ ur das arithmetische Mittel A zweier Zahlen a und b werden die beiden a−b Regeln A = a+b 2 und A = 2 + b angegeben und am Beispiel a = 40 und b = 10 vorgerechnet. Auch f¨ ur das√ geometrische Mittel werden zwei Regeln angegeben, n¨amlich einmal G = ab, und dann aber, in falscher Analogie zur zweiten Regel f¨ ur das arithmetische Mittel, G = ( ab : 2) · b anstatt des a uhrten Beispiel a = 40 und b = 10 f¨ uhrt richtigen G = b · b. Beim angef¨ die falsche Regel allerdings zum selben Ergebnis G = 20. Eine Erkl¨ arung ¨ f¨ ur diesen groben Fehler w¨are eine mangelhafte Ubersetzung: Die Griechen benutzten f¨ ur das Zusammensetzen von Proportionen eine additive Sprache, und nannten a2√: b2 √ die doppelte Proportion von a : b; folglich liegt es nahe, das Verh¨altnis a : b als die H¨alfte von a : b zu bezeichnen. 4

Diese Abschrift hat [D¨ uker 1875] besprochen. Heinrich D¨ uker (1838–1904) war ab 1869 Lehrer am Gymnasium Josephinum in Hildesheim.

172

5 Die Auferstehung Diophants

Ragimbold und Radolf Den Stand der mathematischen Wissenschaften in Europa um die Jahrtauamlich Ragimbold, sendwende beleuchtet ein Briefwechsel5 zweier Gelehrter, n¨ seines Zeichens Lehrer (scholasticus generalissiumus) der Domschule zu K¨ oln, und Radolf, magister scholarum der Domschule von L¨ uttich. Das erste von ihnen diskutierte Problem dreht sich um einen Satz, den Ragimbold von Boethius kennt: die Summe der Innenwinkel eines Dreiecks sind zwei rechte Winkel. Dabei geht es weder um den Inhalt, noch um den Beweis des Satzes, sondern um die Tatsache, dass es wohl ¨außere Winkel im Dreieck geben m¨ usse, wenn Boethius von den inneren spricht. Auch das zweite Problem stammt aus den Kommentaren des Boethius: Man berechne die Seite eines Quadrats, welches die doppelte Fl¨ ache eines Quadrats mit gegebener Seitenl¨ange besitzt. Beide Korrespondenten wissen, dass dies auf die Berechnung der Diagonale eines Quadrats hinausl¨ auft, aber keiner von beiden ahnt etwas davon, dass diese beiden Gr¨ oßen inkommensurabel sind. Radolf verteidigt das Verh¨altnis 7 : 5 von Diagonale und Seite, w¨ ahrend Ragimbold der Meinung war, dieses sei durch 17 : 12 gegeben. Der Briefwechsel legt nahe, dass keiner der beiden einen Geometrieunterricht genossen hatte, und dass sie im wesentlichen nur mit der Arithmetik von Boethius vertraut waren. Die Arithmetik des Boethius wurde zur Grundlage eines Spiels mit dem Naurzburger men Rithmimachia6 (auch Rithmomachie), das um 1030 an der W¨ Domschule erfunden worden sein soll und in seiner Bl¨ utezeit im 16. Jahrhundert in ganz Europa gespielt worden ist. Auch defiziente,index[S]Zahlen!defiziente abundante und vollkommene Zahlen, wie man sie bei Boethius findet, waren damals durchaus bekannt. Die s¨achsische Nonne Hrotsvitha benutzte diese Begriffe gar in einem Theaterst¨ uck7 und erw¨ahnte darin die vollkommenen Zahlen 6, 28, 496 und 8128. Gerbert d’Aurillac Die Entdeckung der wissenschaftlichen Leistungen der Araber im westlichen Europa beginnt ernsthaft mit Gerbert d’Aurillac, der um 950 herum in Aquitanien geboren wird. Er lernt Latein in Kl¨ostern und begleitet 967 Borrell II von Barcelona (947–992) nach Spanien, um Mathematik und Arabisch zu lernen. Dort lernt er die Hindu-Arabischen Ziffern kennen und macht den arabischen 5

Siehe [Tannery & Clerval 1901] und [Tannery 1897]. Eine Beschreibung findet man bei [Katz 2016, S. 59–64]; es gibt sogar ganze B¨ ucher u ¨ber dieses Spiel, etwa [Moyer 2001]. Auch in [Hein 2012b] hat es das Spiel bis in den Titel des Buchs gebracht. 7 ¨ Siehe die franz¨ osische Ubersetzung von [Magnin 1845, S. 395]. 6

5.1 Europa erwacht

173

Abakus in Europa bekannt8 . Im Jahre 999 wird er zum Papst (Silvester II; der 31.12. ist der Namenstag von Papst Silvester I., der am 31.12.335 in Rom gestorben ist) gew¨ahlt und hat dieses Amt bis zu seinem Tod am 12. Mai 1003 inne.

Abb. 5.1.1. Statue von Gerbert in Aurillac; Foto: Alain Juhel

Unter den Problemen, die Gerbert in seiner Geometrie l¨ ost, ist das folgende9 : Man bestimme die Katheten eines rechtwinkligen Dreiecks aus seiner Hypotenuse XXV und seinem Fl¨acheninhalt CL. Dies l¨ auft auf das babylonische Gleichungssystem x2 +y 2 = 252 , xy = 2·150 hinaus. Gerbert l¨ ost das Problem ebenso, wie es Jahrtausende zuvor die Babylonier getan haben: Er addiert das Vierfache der Fl¨ache zum Quadrat der Hypotenuse und zieht daraus die Quaalt daraus x + y. dratwurzel, d.h. er bildet c2 + 4A = x2 + y 2 + 2xy und erh¨ Danach berechnet er c2 − 4A = x2 + y 2 − 2xy und findet x − y, woraus sich dann x = 15 und y = 20 ergeben. Daneben finden sich zahlreiche Rechnungen zu pythagoreischen Dreiecken, und auch das Heronsche Dreieck mit den Seiten 13, 14 und 15 wird (in Cap. XLIV) besprochen. Ein weiterer Gelehrter, der Wissen aus der arabischen Welt nach Westeuropa brachte, war Adelard von Bath (lateinisch: Adelardus Bathensis), der von 8

Die Werke von Gerbert hat [Olleris 1867] herausgegeben. Eine Biographie j¨ ungeren Datums ist [Brown 2012]. Dort kann man auch lesen, dass 2001 eine Kopie eines von Gerbert beschriebenen Abakus gefunden worden ist. 9 [Olleris 1867, Cap. XLII].

174

5 Die Auferstehung Diophants

ca. 1080 bis 1152 gelebt hat. Ende des 11. Jahrhunderts ist er auf Reisen gegangen: Frankreich, Griechenland, Kleinasien, Sizilien und Spanien hat er ziemlich sicher besucht. Im Jahre 1126 kehrt Adelard in den Norden zur¨ uck; unter anderem u ¨bersetzt er al-Khwarizmis astronomische Tafeln und Euklids Elemente ins Lateinische. Die R¨ uckeroberung Spaniens von den Arabern dauerte einige Jahrhunderte lang; 1075 eroberten die Spanier Toledo, und damit wurden ihnen zahlreiche arabische Manuskripte zug¨anglich. Gerard von Cremona (1114–1187) ging nach Toledo, um Arabisch zu studieren, und u ¨bersetzte den Almagest von Ptolem¨aus ins Lateinische ebenso wie Werke von al-Khwarizmi, al-Kindi, Ibn al-Haytham, Thabit ibn Qurra und den Banu Musa Br¨ udern. Auch benutzte er erstmals den Begriff numerus surdus“ f¨ ur unaussprechbare Gr¨ oßen, deren ” Potenz aussprechbar ist, also f¨ ur Quadrat- und h¨ ohere Wurzeln. Aus dieser ¨ Zeit stammt auch die erste lateinische Ubersetzung aller B¨ ucher der Elemente – zuvor war in Europa nur eine stark gek¨ urzte Version bekannt gewesen.

5.2 Fibonacci Leonardo von Pisa, den wir heute eher unter dem Namen Fibonacci kennen, wurde etwa 1175 geboren. Sein Vater, ein H¨andler aus Pisa, ließ seinen Sohn zu sich nach Bugia im heutigen Algerien kommen, wo er unter anderem die Hindu-Arabischen Ziffern kennenlernte. Das Rechnen mit diesen Ziffern erkl¨arte Fibonacci in seinem Liber Abaci, das im Jahre 1202 erstmals erschien. Erhalten ist allerdings nur ein Manuskript der u uche kennt ¨berarbeiteten Version10 , die nach 1220 erschienen ist. Dezimalbr¨ Fibonacci noch nicht; Bruchzahlen werden bei ihm sexagesimal geschrieben. Neben vielen klassischen Problemen (die Bestimmung der Summe der ersten Zweierpotenzen, die Bestimmung einer durch 7 teilbaren Zahl, die bei Teilung durch 2, 3, 4, 5 und 6 Rest 1 l¨asst) treten dort erstmals die heute nach Fibonacci benannten Zahlen 1, 1, 2, 3, 5, 8 usw. auf. In Fibonaccis zweitem Buch, das um 1220 erschienene Practica Geometrie11 , geht es um die Bestimmung des Fl¨acheninhalts von Dreiecken, Vierecken usw. und um die Teilung von Figuren. Fibonacci hatte zwischenzeitlich begonnen, sich mit Teilen von Euklids Buch X vertraut zu machen, und er schrieb12 , dass Wurzeln von Zahlen, die keine Quadratzahlen sind, nur durch Strecken, aber nicht durch Zahlen ausgedr¨ uckt werden k¨ onnen. Fibonaccis mathematische Schriften machten auf die Gelehrten, die Friedrich II. an seinem Hof in Palermo um sich geschart hatte, einen großen Eindruck. 10

¨ Eine englische Ubersetzung ist [Sigler 2002]. Nicht entgehen lassen sollte man sich die Lekt¨ ure von [L¨ uneburg 1993]. 11 Siehe [Hughes 2008]. 12 Siehe [Sigler 2002, S. 48].

5.2 Fibonacci

175

In den fr¨ uhen 1220er Jahren hat Fibonacci den Hof Friedrichs II besucht, wo ¨ sich neben dem Schotten Michael Scotus (ein Ubersetzer arabischer Texte) auch der Mathematiker Johannes von Palermo aufhielt. Bei dieser Gelegenheit legte ihm Johannes verschiedene Probleme aus dem arabischen Fundus vor, von welchen Fibonacci in seinen n¨achsten B¨ uchern drei ausf¨ uhrlich diskutiert. Ein diophantisches“ Problem ist die Bestimmung einer Quadratzahl, welche ” um 5 vermindert oder vermehrt wieder Quadratzahlen ergibt. Wenige Jahrhunderte vor ihm hatte sich Al-Khazin (siehe S. 157) mit diesem Problem der kongruenten Zahlen besch¨aftigt. Die L¨osung dieser Aufgabe pr¨ asentiert Fibonacci in seinem Friedrich II. gewidmeten Buch13 Liber Quadratorum. Fibonacci beginnt mit einigen elementaren Ergebnissen zu rechtwinkligen Dreiecken in Zahlen, und beweist dann die Identit¨at (a2 + b2 )(c2 + d2 ) = (ac + bd)2 + (ad − bc)2 = (ad + bc)2 + (ac − bd)2 , die er nat¨ urlich in Worten und nicht in algebraischer Schreibweise wiedergibt. Im Spezialfall a = c und b = d erh¨alt er daraus die Identit¨ at (x2 − y 2 )2 + (2xy)2 = (x2 + y 2 )2 , also die euklidische Darstellung pythagoreischer Tripel. Setzt man in den Identit¨aten (x2 + y 2 )2 − 4xy(x2 − y 2 ) = (y 2 + 2xy − x2 )2 , (x2 + y 2 )2 + 4xy(x2 − y 2 ) = (x2 + 2xy − y 2 )2 x = 5 und y = 4, so erh¨alt man 412 − 5 · 122 = 312

und

412 + 5 · 122 = 492 ,

woraus sich nach Division durch 122 die gesuchte Zahl

41 12

ergibt.

Das Tripel (31, 41, 49) ist u ¨brigens ein babylonisches Tripel, d.h. es gilt 312 + 2 2 49 = 2 · 41 . Diese Beobachtung erkl¨art sich sofort durch die Addition der Gleichungen x2 − a = y 2 und x2 + a = z 2 , welche die kongruenten Zahlen definieren. Fibonaccis L¨osung ist mit den Techniken Diophants nicht verwandt; er n¨ ahert sich der L¨osung mit kunstvollen Identit¨aten, muss aber letztlich zum Raten greifen – insbesondere hilft sein Zugang kaum beim L¨ osen anderer Gleichungen der Form x2 − a = y 2 , x2 + a = y 2 . In Flos bespricht Fibonacci ein weiteres Problem, das er von Johannes von Palermo gestellt bekommen hatte. Es erscheint auf den ersten Blick wenig spektakul¨ar, geht es doch um die numerische L¨osung der kubischen Gleichung osung x3 + 2x2 + 10x = 20. Fibonacci gelingt es zu zeigen, dass die (positive) L¨ 13

Siehe [McClenon 1919] und [Sigler 1987].

176

5 Die Auferstehung Diophants

dieser Gleichung nicht zu den Irrationalit¨aten geh¨ ort, welche Euklid in seinem zehnten Buch behandelt hat, also weder durch Quadratwurzeln, noch durch Summen oder Differenzen zweier Quadratwurzeln usw. darstellbar ist. Danach gibt er die L¨osung der Gleichung als 1 22 7 42iii 33iv 4v 40vi = 1 +

7 22 42 33 4 40 + + 3+ 4+ 5+ 5 60 602 60 60 60 60

an (die korrekte letzte Sexagesimalziffer liegt zwischen 38 und 39). Obwohl Fibonacci Euklids Elemente studiert hatte, ist sein Zahlbegriff offenkundig ein ganz anderer als der Euklids; bei ihm sind nicht nur Br¨ uche Zahlen, sondern auch irrationale Gr¨oßen. Die Zahlentheorie nach Fibonacci Zu den ganz wenigen Gelehrten, die sich in den ersten Jahrhunderten nach Fibonacci mit Zahlentheorie besch¨aftigt haben, geh¨ oren Jordanus de Nemore (fr¨ uhes 13. Jahrhundert) und der j¨ udische Gelehrte Levi ben Gershon. ¨ Uber das Leben von Jordanus de Nemore weiß man wenig bis nichts. Erhalten ist uns aber eine Abschrift14 seiner Zahlentheorie. Auch de Nemore hat sich bei arabischen Autoren bedient. Unter seinen arithmetischen Aufgaben ist die L¨osung der linearen unbestimmten Gleichung ax − by = 1 und die Untersuchung der Gleichung x2 − y 2 = y 2 − z 2 , von welcher er die bereits den Babyloniern bekannte ganzzahlige L¨osung x = 17, y = 13, z = 7 gibt. Levi ben Gershon lebte in der Provence (Frankreich) und war zu seinen Lebzeiten ein angesehener Rabbi, Philosoph, Astronom und Mathematiker, auch wenn sein Ruhm damals sicherlich kleiner war als heute – vermutlich eine Folge der Tatsache, dass er nur auf Hebr¨aisch ver¨ offentlichte. Heute kennt man ihn vor allem als einen der ersten Mathematiker, die das Beweisprinzip der vollst¨andigen Induktion benutzten. Im Jahre 1343, ein Jahr vor seinem Tod, ver¨offentlicht er sein Buch De numeris harmonicis, in welchem er sich mit einem Problem befasst, das ihm der Bischof von Meaux, Philip de Vitry, gestellt hat. Dieser befasst sich mit “harmonischen Zahlen”, also solchen der Form 2m 3n , die er im Zusammenhang mit der mathematischen Theorie der Musik studierte: Er kannte die Verh¨ altnisse 1 : 2 der Oktave, 2 : 3 der Quinte, 3 : 4 der Quarte und 9 : 8 der Sekunde, und fragte Gershon, ob diese harmonischen“ Zahlen die einzigen seien, deren ” Differenz genau 1 ist. Da gerade oder durch drei teilbare Zahlen nicht Abstand 1 haben k¨ onnen, l¨auft dies auf den folgenden Spezialfall der Catalanschen Vermutung hinaus: Sind die einzigen ganzzahligen L¨osungen der Gleichung 2m − 3n = ±1 gegeben durch (m, n) = (1,0), (1,1), (2,1), und (3,2)? Ben Gerson gibt in seinem 14

Diese hat [Busard 1991] herausgegeben. Siehe auch [Folkerts & Lorch 2007].

5.3 Das Aufkeimen der Wissenschaften

177

Buch einen Beweis, der auf dem Studium geometrischer Reihen beruht15 . Der Beweis ist u ¨brigens nicht sehr schwer: siehe Aufg. 3.

5.3 Das Aufkeimen der Wissenschaften In den drei Jahrhunderten nach Fibonacci hat Europa auf dem Gebiet der Mathematik niemanden hervorgebracht, der es mit den Leistungen Fibonaccis h¨atte aufnehmen k¨onnen. Dies sollte sich erst nach Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks ¨andern. Selbst die Gr¨ undung von Universit¨ aten hat anfangs kaum zu einem Aufschwung der mathematischen Wissenschaften beigetragen. Ein typisches Studium der Mathematik (innerhalb des Quadriviums“ Arithmetik, ” Musik, Geometrie und Astronomie) beschr¨ankte sich auf etwas b¨ urgerliches Rechnen mit Hilfe der arabischen Ziffern und die ersten B¨ ucher von Euklid. Dennoch gab es w¨ahrend dieser Zeit auf dem Gebiet der Naturwissenschaften richtungsweisende Fortschritte, die man durchaus als Vorboten der großen Auseinandersetzung zwischen der katholischen Kirche und der Wissenschaft ansehen darf. ¨ Robert Grosseteste wird um 1175 in Stradbroke (Suffolk) geboren. Uber seine Ausbildung ist wenig bis nichts bekannt; sp¨ater unterrichtet er Franziskaner. Von 1220 bis 1235, als er Bischof von Lincoln wird, verfasst er Texte u ¨ber Astronomie, Licht, Ebbe und Flut, den Regenbogen, sowie u ¨ber Mathematik. Er stirbt am 9. Oktober 1253 in Buckden (Huntingdonshire). Roger Bacon wird um 1214 in Ilchester (Somerset) geboren. Er studiert in Oxford und Paris, und fordert danach, Grundlage der Wissenschaft m¨ usse das Experiment sein und nicht die scholastische Untersuchung, wie sie auf Aristoteles zur¨ uckgeht. Bacon untersucht Spiegel und Linsen, und ist mit dem Werk seiner arabischen Vorg¨anger al-Haytham und al-Kindi auf dem Gebiet der Optik vertraut. Seine technischen Ideen stehen denen von Leonardo da Vinci kaum nach, und so ist es wenig u ¨berraschend, dass er schließlich der Magie und der Ketzerei verd¨achtigt wird. Der franziskanische Ordensgeneral Bonaventura erhebt Anklage gegen Bacon, der sich daraufhin 1257 in die Klosterhaft nach Paris zu begeben hat. Als Papst Urban IV. 1264 stirbt, hebt der neue Papst Clemens IV das Urteil (aber nicht die Haft) auf und fordert Bacon auf, seine Ideen aufzuschreiben. Nach weniger als zwei Jahren stellt Bacon sein Opus maius fertig. Im vierten Buch dieses großen Werks“ ” erkl¨art er, Mathematik sei die einzige Quelle der Gewissheit außerhalb der Offenbarung. Er kritisiert den Julianischen Kalender als ungenau und schl¨ agt vor, alle 125 bis 130 Jahre einen Tag ausfallen zu lassen; dieser Vorschlag wurde erst viel sp¨ater durch Papst Gregor XIII im Jahre 1582 umgesetzt. 15

¨ Das hebr¨ aische Original ist verloren gegangen, die lateinische Ubersetzung der Abhandlung findet sich bei [Carlebach 1910], eine englische Zusammenfassung bei [Chemla & Pahaut 1992].

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5 Die Auferstehung Diophants

Sein Werk l¨asst Bacon Ende 1267 nach Rom zum Papst bringen, und Anfang 1268 wird er aus der Haft entlassen. Clemens IV. stirbt am 29. November 1268, und ab diesem Zeitpunkt wird Bacons Kritik an der Kirche beißend: Im Compendium studii philosophiae aus dem Jahre 1278 wirft er der Kirche Geldgier, Ausschweifungen, Nepotismus und vieles andere mehr vor. Innerhalb von einigen Wochen findet sich Bacon hinter Gittern wieder und sieht eine ganze Reihe von P¨apsten (Gregor X, Innozenz V, Hadrian V, Johannes XXI, Nikolaus III, Martin IV, Honorius IV) kommen und gehen, von denen sich keiner f¨ ur sein Schicksal interessiert. Nach 15-j¨ahriger Haft samt Schreibverbot wird der 78-j¨ahrige Bacon auf freien Fuß gesetzt, und er stirbt als gebrochener Mann am 11. Juni 1294 in Oxford. Da nur den k¨ unftigen Angeh¨origen des Klerus der Weg zu einer umfassenden Bildung offenstand, u ¨berrascht es nicht, dass auch andere große Denker dieser Zeit fast ausnahmslos M¨onche waren. Zu diesen geh¨ ort der Franziskaner William Occam (1287–1347), der f¨ ur Occam’s Razor“ bekannt ist, oder der ” Dominikaner Dietrich von Freiberg, der als einer der ersten das Ph¨ anomen des Regenbogens korrekt erkl¨aren konnte.

Der Buchdruck Johann Gensfleisch von Sorgenloch, besser bekannt als Johannes Gutenberg, erfindet um 1450 den Buchdruck mit beweglichen Lettern. Bereits 10 Jahre sp¨ater entstehen Druckerpressen in Venedig, danach in Paris und London, sowie im restlichen Europa. Im Jahre 1500 sind bereits Millionen gedruckter Schriften im Umlauf. Die dadurch ausgel¨oste B¨ ucherflut hat auch zur Verbreitung des Unterrichts in Lesen und Schreiben gef¨ uhrt; zuvor waren nur wenige Manuskripte in Umlauf, die meisten davon in Latein oder Griechisch, und zwar vor allem in Bibliotheken, zu denen das gemeine Volk ohnehin keinen Zugang hatte. Im Zuge der Reformation werden sp¨ater große Anstrengungen unternommen, der Bev¨olkerung wenigstens das Lesen beizubringen, damit diese die Bibel selbst lesen konnten. In der Erfindung der Druckerpresse darf man durchaus einen der Hauptgr¨ unde f¨ ur das Aufleben der Wissenschaften im Allgemeinen und der Mathematik im Besonderen sehen, welche wir ab dem 16. Jahrhundert feststellen k¨ onnen. Fortan war es m¨ oglich, auf den Schultern von Riesen zu stehen: Musste ein intelligenter Sch¨ uler zuvor einen guten Lehrer finden, der ihn unterrichtete, konnten Ausnahmebegabungen jetzt aus B¨ uchern lernen. Eine ganze Reihe von Mathematikern haben sich die Anfangsgr¨ unde ihrer Wissenschaft bei der n¨achtlichen Lekt¨ ure von Euklids Elementen selbst beigebracht. Auch eine Stufe tiefer, beim b¨ urgerlichen Rechnen“, wurden die Grundlagen des Rechnens ” im Dezimalsystem durch das Aufkommen der Rechenb¨ ucher verbreitet – eiu Rechenp¨ nes davon ist Ein new¨ uchlein, wie mann uff den Linien und Spacien mit Rechenpfenningen leichtlich rechen lernen solle mit viln zusetzen vor nie

5.3 Das Aufkeimen der Wissenschaften

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Abb. 5.3.1. Titelblatt der ersten gedruckten Version von Euklids Elementen, Erhard Ratdolt, Venedig 1482

getr¨ uckt und ytzunt zu Openheym offenbart von Jacob K¨ obel aus dem Jahre 1522, ein anderes, und vielleicht das bekannteste unter ihnen im deutschsprachigen Raum, ist dasjenige von Adam Ries. Mit dem Buchdruck stand auch Personen außerhalb des Klerus zumindest im Prinzip der Weg zu h¨oherer Bildung offen, jedenfalls nachdem die griechischen und lateinischen Klassiker in die Landessprachen u ¨bersetzt waren. Dieser Wandel verschaffte einerseits den Universit¨ aten mehr Gewicht, andererseits ließ die Verbreitung der Bildung außerhalb des Klerus den Bruch zwi-

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5 Die Auferstehung Diophants

schen der u ¨berlieferten kirchlichen Lehre und der Wissenschaft immer offener zutage treten. Die ersten Lehrb¨ ucher der Mathematik, neben dem Klassiker Euklid und den Rechenb¨ uchern, in welchen der Umgang mit den arabischen Ziffern gelehrt wurde, behandeln die Algebra. Hier sind vor allem von italienischen Mathematikern große Fortschritte erzielt worden: Die Namen Scipione del Ferro, Niccol` o Fontana Tartaglia und Gerolamo Cardano mit seiner Ars magna gelang die L¨osung kubischer Gleichungen, Cardanos Sch¨ uler Lodovico Ferrari sogar die von Gleichungen 4. Grades16 .

Die Vermessung der Welt Mit der Entdeckung Amerikas 1492 durch Kolumbus, der eigentlich den Seeweg nach Indien u ¨ber den Atlantik gesucht hatte, beginnt ein Prozess, der ziemlich schnell nicht mehr kontrollierbar war. Die Ausbeutung der s¨ ud- und mittelamerikanischen Kulturen (Inkas, Maya, Azteken) macht Portugal und Spanien zu Großm¨achten und f¨ uhrt zur Ausl¨oschung ganzer V¨ olker sowohl durch Kriege, als auch durch von den Europ¨aern eingeschleppte Krankheiten. Der feste Glaube der (weißen) Europ¨aer, den anderen V¨ olkern u ¨berlegen zu sein, f¨ uhrt ab Mitte des 16. Jahrhunderts zur Missionierung von Amerika, Asien und Afrika vor allem durch Jesuiten17 . Die Verbreitung des geometrischen und astronomischen Wissens der Griechen und der Aufschwung der Rechentechniken machte es auch auf dem Gebiet der Anwendungen der Geometrie m¨oglich, u ¨ber die klassischen Erkenntnisse von Eratosthenes, Ptolem¨aus und al-Biruni hinauszugehen. Die von Gemma Frisius 1533 zuerst beschriebene Methode der Triangulation18 erlaubt die Messung des Abstandes zwischen zwei weit entfernten Punkten der Erdoberfl¨ache. Diese Methode wurde 1615 erstmals von Willebrord Snel van Royen (Willebrord Snellius) angewandt, um den Abstand zwischen den St¨adten Alkmaar und Bergen op Zoom zu bestimmen. In den nachfolgenden Jahrhunderten wird diese Methode Grundlage der Vermessung der Welt“. ” Die große und lang anhaltende Auseinandersetzung zwischen Kirche und Wissenschaft erreichte ihren H¨ohepunkt in der Astronomie. Der Stein des Anstoßes entwickelte sich aus der Ver¨offentlichung des Werks De Revolutionibus 16

Die Geschichte dieser Entwicklungen kann man etwa in [Alten et al. 2003] nachlesen. 17 Zu den Formen des europ¨ aischen Kolonialismus siehe vor allem [Bitterli 1992]. Dieses Buch schließt mit einem Zitat des Naturforschers Adelbert von Chamisso: Auf O-Taheiti und O-Waihi verh¨ ullten Missionshemden die sch¨ onen Leiber, alles ” Kunstspiel ist verstummt, und das Tabu des Sabbats senkt sich still und leise u ¨ber die Kinder der Freude.“ 18 Siehe [Haasbroek 1968] und [Scriba & Schreiber 2005, S. 258].

5.3 Das Aufkeimen der Wissenschaften

181

Orbium Celestium von Nikolaus Kopernikus; dies ist der latinisierte Name von Niklas Koppernigk, der am 19. Februar 1473 in der Hansestadt Thorn geboren wurde. Dessen Bildungsweg w¨are im Deutschland der Bologna-Reform ein Ding der Unm¨oglichkeit: Nach dem fr¨ uhen Tod seiner Eltern werden die vier Kinder vom Bruder der Mutter, Lucas Watzenrode, ausgebildet. Von 1491 bis 1495 studieren Kopernikus und sein Bruder Andreas an der Universit¨ at Krakau; 1496 wird er von seinem Onkel nach Bologna geschickt, wo er Jura studiert. In Padua kommt Medizin dazu, in Ferrara erh¨ alt er 1503 den Doktor der Kirchenrechts. Kopernikus hielt sein Werk erst auf dem Sterbebett in H¨ anden. Um den zu erwartenden Protest der Kirche zu minimieren, hatte der Reformator Andreas Osiander dem Buch eigenm¨achtig ein Vorwort hinzugef¨ ugt, nach dem das vorgestellte Weltbild lediglich als mathematisches Modell zu betrachten sei. Kritik aus den Reihen der Kirche gab es trotzdem; das oft zitierte Zitat Der ” Narr will mir die ganze Kunst Astronomia umkehren! Aber wie die Heilige Schrift zeigt, hieß Josua die Sonne stillstehen und nicht die Erde!“ ist Luther allerdings zu Unrecht19 in die Schuhe geschoben worden. Tycho Brahe modifiziert die kopernikanische Theorie, in dem er die Vorteile des kopernikanischen in das klassische geozentrische Weltbild einbaut. Bei ihm steht die Erde im Zentrum, allerdings kreisen Merkur und Venus nicht um die Erde, sondern um die Sonne. Der Jesuit Athanasius Kircher listet in seinem Buch20 sechs verschiedene Weltsysteme von Ptolemaios bis Kopernikus auf; er selbst bevorzugte das System von Brahe. Ein anderer Jesuit, Giovanni Battista ur und 77 gegen das kopernikanische Weltbild Riccioli, listet21 49 Argumente f¨ auf. Johannes Kepler entdeckt mit Hilfe der Daten, welche die ¨ außerst genauen Beobachtungen des Mars durch Tycho Brahe geliefert haben, dass die Marsbahn ellipsenf¨ormig ist, und er formuliert sein erstes Gesetz, wonach sich Planeten auf Ellipsen bewegen und die Sonne in einem der beiden Brennpunkte der Ellipse steht. In den darauffolgenden Jahren stirbt sein sechsj¨ ahriger Sohn Friedrich, danach seine Frau. Kepler heiratet ein zweites Mal, und danach wird seine Mutter der Hexerei angeklagt. Im Jahre 1619 ver¨ offentlicht Kepler seine Harmonices Mundi mit den drei Gesetzen, die heute nach ihm benannt sind. Die Erfindung des Teleskops erlaubt es den Astronomen nach Brahe, den Himmel viel genauer als bisher zu untersuchen. Fast zeitgleich entdecken Ga19

Siehe den Artikel von [Kleinert 2003]. Siehe Itinerarium extaticum, Seite 37 der Ausgabe von 1671. 21 Siehe sein 1651 erschienenes Buch Almagestum Novum; eine englische ¨ Ubersetzung hat [Graney 2012] gegeben; siehe auch [Graney 2015]. 20

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5 Die Auferstehung Diophants

Abb. 5.3.2. Denkmal f¨ ur Simon Marius in Ansbach; Plakette am Schloss in Ansbach

lileo Galilei und Simon Marius22 im Januar 1610 die vier gr¨ oßten Monde des Jupiter und danach die Phasen der Venus. Galilei23 wird wegen seiner Ver¨offentlichungen von der Inquisition angeklagt, muss seinen Lehren abschw¨oren und wird zu Hausarrest und Publikationsverbot verurteilt.

5.4 Die Wiederentdeckung Diophants Die Entdeckung der Arithmetika Diophants und deren ersten vollst¨ andigen Abdruck verdanken wir einer Reihe von Zuf¨allen, bei denen Regiomontanus, Petrus Ramus und Xylander eine tragende Rolle spielen. ankischen K¨ onigsberg geboHans M¨ uller24 wird am 6. Juni 1436 im unterfr¨ ren; sp¨ater benutzt er den latinisierten Namen Johannes de Monteregio, und erst nach seinem Tod taucht der Name Regiomontanus (der K¨ onigsberger) auf, unter dem er heute bekannt ist. 1450 geht er an die Universit¨ at Wien, an welcher er sieben Jahre sp¨ater den Magister erh¨ alt. In der als Wiener Rechenbuch bekannt gewordenen Sammlung von Handschriften kann man sich einen Einblick in das damalige Studium des Quadriviums verschaffen: Neben Grundkenntnissen im Rechnen mit Ziffern und Geometrie nach Euklid, Teile der Werke von Archimedes, Apollonios von Perge und den Gebr¨ udern Banu Musa geh¨orten dazu auch die Lehre der Musik und etwas Mechanik. 22

Biographische Angaben zu Marius findet man bei [Gaab 2016]. Marius hat 1601 Tycho Brahe in Prag besucht, ohne ihn vermutlich zu Gesicht zu bekommen, da Brahe damals bereits im Sterben lag. Danach reiste er nach Padua, einem damals beliebten Studienort f¨ ur deutsche Studenten. Zum Schutz vor der Inquisition hat die Stadt diesen Studenten ein Immunit¨ atsprivileg gew¨ ahrt. 23 Eine j¨ ungere Biographie Galileis ist [Næss 2006]. 24 Eine ausf¨ uhrliche Biographie wurde von [Mett 1996] geschrieben, der ebenfalls aus K¨ onigsberg stammt.

5.4 Die Wiederentdeckung Diophants

183

Abb. 5.4.1. Statue des Regiomontanus auf dem Marktbrunnen von K¨ onigsberg (Franken)

184 11. Jh. 13. Jh.

15. Jh.

1462 1537 1551 1554

1556 1567 1571 1572 1575 1577 1585 1591 1621

5 Die Auferstehung Diophants Der byzantinische M¨ onch Michael Psellos studiert Diophants Arithmetika. In seinem Liber Quadratorum behandelt Fibonacci das Problem, eine Quadratzahl zu finden, welche Quadrate ergibt, wenn man 5 abzieht oder dazuz¨ ahlt. Dieses diophantische Problem stammt wie einige andere Probleme Fibonaccis aus arabischen Quellen. Nicephorus Blemmydes (ca. 1197 – ca. 1272) schreibt, dass er in Skamandros bei dem Einsiedler Prodromos die Werke von Nikomachos und Diophant studiert habe. Der byzantinische Priester Georgios Pachymeros (1242 – ca. 1310) nimmt einige Probleme Diophants in sein Werk u ¨ber Arithmetik, Musik, Geometrie und Astronomie (das Quadrivium) auf. Maximos Planudes (1255 – 1305), ein byzantinischer Theologe, sammelt Anfang der 1290er Jahre Manuskripte Diophants mit dem Plan, sie so vollst¨ andig wie m¨ oglich herauszugeben. Italienische Buchh¨ andler bringen aus Reisen nach Byzanz zahlreiche griechische Manuskripte nach Italien. Viele weitere Manuskripte kommen nach Europa, als Byzanz 1453 von islamischen Truppen eingenommen wird. Regiomontanus entdeckt eine Abschrift des Diophant aus dem 13. Jahrhundert in einer venezianischen Bibliothek. Ein Vortrag von Regiomontanus, der Diophant erw¨ ahnt, wird ver¨ offentlicht. Scheubel nennt Diophant in seiner Algebra Peletier zitiert Scheubel. Bombelli u ¨bernimmt Probleme der Arithmetika aus einem in einer Bibliothek des Vatikan entdeckten Manuskript f¨ ur seine Algebra. ¨ zitiert Diophant in einem Brief an Johann Joachim Camerarius d. A. Zasius. Petrus Ramus zitiert Diophant in seinem Buch Prooemium mathematicum und nimmt dabei Bezug auf Scheubel. Wilhelm Holtzman (Xylander) erf¨ ahrt von der Arithmetika Diophants und kann sich ein Manuskript borgen, das er in Heidelberg studiert. Bombelli ver¨ offentlicht seine Algebra, in welcher er viele Probleme Diophants bespricht. ¨ Xylander ver¨ offentlicht eine lateinische Ubersetzung des Diophant. Guillaume Gosselin zitiert diophantische Probleme in seinem Buch De Arte Magna. ¨ Simon Stevin pr¨ asentiert eine franz¨ osische Ubersetzung der ersten vier B¨ ucher der Arithmetika im Anhang seines Buchs L’Arithm´etique. Vieta entwickelt algebraische Methoden zur L¨ osung diophantischer Probleme und ver¨ offentlicht diese in seinen Zeteticorum libri quinque. Bachet gibt eine neue Ausgabe der Arithmetika heraus. Tabelle 5.2. Zeittafel der Wiederentdeckung Diophants bis Bachet

5.4 Die Wiederentdeckung Diophants

185

Im Jahre 1460 macht sich der italienische Kardinal Bessarion in p¨ apstlichem Auftrag auf den Weg nach Wien, um dort Unterst¨ utzung f¨ ur die Verteidigung von Byzanz gegen die T¨ urken zu erbitten. Im Gep¨ ack hat der Kardinal eine Sammlung griechischer Handschriften aus Konstantinopel, insbesondere eine griechische Version des Almagest von Ptolem¨aus, von welcher er eine italieni¨ sche Ubersetzung begonnen hatte. Er u uler ¨berredet Peurbach und dessen Sch¨ ¨ Hans M¨ uller, ihn zur¨ uck nach Italien zu begleiten, um die Ubersetzung des Almagest zu vollenden. Da Peurbach vor der Abreise von Bessarion stirbt, ¨ wird dieser nur von M¨ uller begleitet. Die Ubersetzung wird 1463 vollendet, erscheint 1496 als Epytoma in almagestum Ptolomei in Venedig, und wird zu einem grundlegenden Werk der Astronomie in der Renaissance, das unter anderem von Kepler und Galilei studiert wird. 1462 findet M¨ uller in einer Bibliothek in Venedig eine Abschrift des Diophant aus dem 13. Jahrhundert. Im Februar 1464 schreibt er an seinen Freund Giovanni Bianchini25 : Ich habe jetzt in Venedig einen Diophantes, einen griechischen Arithmetiker, gefunden, der noch nicht ins Lateinische u ¨bersetzt wurde. ¨ Uber diesen Fund berichtet Regiomontanus im selben Jahr in einer Vorlesung in Padua, aber danach herrscht erst einmal Funkstille. Regiomontanus geht von Venedig aus nach Ungarn, wo er im Auftrag des Erzbischofs von Gran astronomische Tafeln erstellt. 1471 zieht er nach N¨ urnberg, er¨offnet eine eigene Druckerei und bringt Peurbachs Vorlesung Theoricae novae Planetarum heraus. 1475 wird Regiomontanus von Papst Sixtus IV nach Rom berufen, um an der bevorstehenden Kalenderreform mitzuarbeiten, aber bereits ein Jahr sp¨ater stirbt er am 6. Juli 1476, vermutlich an einer Seuche, in Rom. Die Rede, in der Regiomontanus Diophant erw¨ ahnt hat, wird erst 1537 ver¨offentlicht, und 1551 erscheint Diophants Name in der Algebrae compendiosa facilisque descriptio von Johannes Scheubel; von dort u ¨bernimmt Jacques Peletier in seiner Algebra von 1554 die Nachricht u ¨ber die Existenz Diophants, und 1569 erw¨ahnt ihn Petrus Ramus. Petrus Ramus wird als Pi`erre de la Ram´ee 1515 in Cuts bei Soissons geboren. Sein Vater stirbt fr¨ uh, und so geht er nach Paris und verdingt sich dort als Diener am Coll`ege de Navarre. Sp¨ater erh¨alt er dort eine Ausbildung und greift in seiner Magisterarbeit die Lehre des Aristoteles an. Ab 1551 unterrichtet er in Paris, verliert aber seine Professur, als er 1562 zum Calvinismus u ¨bertritt. 1568 kehrt er Frankreich den R¨ ucken und zieht u ¨ber Straßburg, Freiburg, Basel, Z¨ urich und Bern 1569 nach Heidelberg, verliert aber ein Jahr sp¨ ater 25

Sehr viele Informationen habe ich dem Artikel [Reich 2003a] entnommen.

186

5 Die Auferstehung Diophants

seine Lehrerlaubnis, als er sich in seinen Vorlesungen26 gegen Aristoteles (und allgemeiner gegen jegliche geistige Autorit¨aten) wendet27 : Keine Autorit¨at steht u ¨ber dem Verstand; im Gegenteil, dieser ist es, der die Autorit¨at begr¨ undet und sie steuern muss. Ramus zieht weiter nach Genf und Lausanne und kehrt im September 1570 nach Frankreich zur¨ uck. Da nach einem Dekret vom 20. November 1570 alle Nicht-Katholiken Lehrverbot hatten, war er auf Hilfe von seiten eines ehemaligen Schulfreundes, dem Kardinal von Bourbon, angewiesen, der es erreicht, dass Ramus nicht als abgesetzt gilt, sondern als in den Ruhestand versetzt, was ihm immerhin ein Gehalt verschafft, auch wenn er nicht mehr unterrichten darf. Am 26. August 1572, kurz nach der Bartholom¨ ausnacht, wird Ramus ermordet. Eine ehrlichere Bezeichnung als Bartholom¨ausnacht f¨ ur dieses Blutbad ist das franz¨osische Massacre de la Saint-Barth´elemy; damals wurden etwa 3000 in Paris lebende Hugenotten (und viele weitere außerhalb) ermordet. Papst Gregor XIII ließ zur Feier des Gemetzels eine Gedenkm¨ unze pr¨ agen, auf der ein Engel mit Schwert den Katholiken beim Abschlachten der Hugenotten hilft. Diophants Arithmetika Die erste gedruckte Ausgabe28 des diophantischen Werks wurde von Wilhelm ¨ und mit ausHoltzmann29 ver¨offentlicht, und zwar in lateinischer Ubersetzung f¨ uhrlichen Kommentaren versehen. Holtzmann und seine Ausgabe des Diophant sind vor allem unter dessen graecisierten Namen Xylander bekannt. Xylander wird am 26. Dezember 1532 in Augsburg in eine recht arme Familie hineingeboren; der Humanist Xystus Betulejus (Sixt Birken) erkennt sein Talent und verschafft ihm mit Hilfe des B¨ urgermeisters einen Platz in der St. Ulrichschule: Laut Vertrag mit der Stadt war der Abt dazu verpflichtet, f¨ ur acht Sch¨ uler ein Stipendium zu stellen. 1549 wird Xylander nach T¨ ubingen geschickt, um Griechisch, Latein, Hebr¨aisch und Philosophie zu studieren. Auch Mathematik hat er in seiner T¨ ubinger Studienzeit gelernt, allerdings aus B¨ uchern. 1554 kehrt er nach Augsburg zur¨ uck und u ¨bersetzt u.a. die ersten vier B¨ ucher Euklids. 1561 fordert Petrus Ramus die deutschen F¨ ursten auf, an ihren Universit¨aten Lehrst¨ uhle f¨ ur Mathematik einzurichten, und empfiehlt Xylander f¨ ur die Professur in Heidelberg. Dieser erh¨ alt die Stelle und 26

Eine ausf¨ uhrliche Diskussion des wissenschaftlichen Werks von Ramus findet man bei [Verdonk 1966]; sein Einfluss auf die Erziehung und Bildung des Jugend wird in [Graves 1912] untersucht. 27 [Ramus 1627, III, S. 78]. 28 Siehe [Xylander 1575]. 29 In seiner Ausgabe des Euklid wird sein Name als Holtzman geschrieben.

5.4 Die Wiederentdeckung Diophants

187

¨ vollendet daraufhin die erste Ubersetzung der ersten sechs B¨ ucher Euklids in eine Volkssprache, n¨amlich ins Deutsche. 1571 reist Xylander nach Wittenberg, wo ihm die dortigen Mathematiker Sebastian Theodoricus und Wolfgang Schuler einige Bl¨ atter einer Abschrift der sechs B¨ ucher Diophants zeigen, die der Gesandte des R¨ omischen Kaisers am polnischen Hof, Andreas Dudicius Sbardellatus, besaß. Xylander bittet diesen um die vollst¨andige Abschrift und u ¨bersetzt es ins Lateinische. In seinem Vorwort erkl¨art Xylander, dass er bei Suidas die Arithmetik des ” Diophantus erw¨ahnt gefunden habe“ und sie sehen wollte; er erfuhr auch, dass Regiomontanus die Arithmetika gesehen habe, konnte aber kein Exemplar finden. Als er schließlich Diophants B¨ ucher studiert, seien ihm die Augen ” ge¨offnet“ worden. Den griechischen Originaltext der Arithmetika konnte Xylander vor seinem Tod30 am 10. Februar 1576 nicht fertig stellen. Ein Jahr nach seinem Tod erscheinen seine Opuscula Mathematica, in denen unter anderem gezeigt wird, wie man mit Br¨ uchen und mit quadratischen Irrationalit¨ aten rechnet. Nach Regiomontanus und Xylander h¨ort man in der Geschichte der Arithmetika Diophants f¨ ur lange Zeit keine deutschen Namen mehr: Deutschland versinkt im Chaos religi¨oser Auseinandersetzungen. Reformation, Gegenreformation, die Unterdr¨ uckung der Wissenschaft durch das Beharren der Kirche auf der Lehre des Aristoteles sind der Verbreitung der Wissenschaften nicht f¨orderlich, aber erst der 30-j¨ahrige Krieg verwandelt Deutschland in eine wissenschaftliche W¨ uste, w¨ahrend Frankreich, die Niederlande und England nicht nur wirtschaftlich, sondern auch auf dem Gebiet der Wissenschaft eine nie dagewesene Bl¨ ute erleben. Mit dem Erscheinen der Arithmetika Diophants nimmt die Entwicklung der Algebra und der algebraischen Schreibweise Fahrt auf. Schon davor hatten die Cossisten die ersten Schritte in Richtung einer Buchstabenrechnung gemacht, aber erst dem franz¨osischen Mathematiker Fran¸cois Vi`ete, der in Deutschland eher unter seinem latinisierten Namen Vieta bekannt ist, gelang der wesentliche Schritt u ¨ber Diophant hinaus. In den Folgejahren wird eine regelrechte Flut von B¨ uchern der Algebra ver¨offentlicht, was langfristig eine Vereinheitlichung der Schreibweise zur Folge hat. Die meisten dieser Lehrb¨ ucher enthalten diophantische Probleme und weisen direkt auf Diophant hin. Von dem Einfluss, den Diophant in den ersten Jahrhunderten nach seiner Wiederentdeckung auf Mathematiker und mathematisch interessierte Laien ausge¨ ubt hat, kann man sich ein Bild machen, wenn man sich den Brief31 von Moses Mendelssohn an Lessing vom Dezember 1770 ansieht: 30 Die meisten Angaben in seiner Biographie d¨ urften auf den Eintrag in [Brucker 1747] zur¨ uckgehen. Dort wird er als einer der gr¨ oßten M¨ anner unter den Phi” lologis des sechzehnden Jahrhunderts“ bezeichnet. Sein fr¨ uher Tod geht wohl auf u aßigen Alkoholkonsum zur¨ uck. ¨berm¨ 31 [Mendelssohn 1844, S. 186–187].

188

5 Die Auferstehung Diophants

Abb. 5.4.2. Wilhelm Holtzman alias Xylander. Schabkunstblatt von Johann Jakob Haid (1704–1767). Mit freundlicher Genehmigung durch das Antiquariat Peter Bierl.

5.5 Vieta

189

Jetzt muß ich Ihnen schon die B¨ ucher mit der Post schicken. Das eine ist ein Buch, daf¨ ur Herr Abraham eines von ihren doppelten Exemplaren des Diophants eintauschen will, wenn auch der Fermat nicht dabey ist32 . Sie d¨ urfen es ihm nur mit der Post zuschicken; denn er ist so begierig, daß er keine Nacht mehr ruhig schlafen kann, bis er seinen Diophant[e]s in seinen eigenen H¨anden hat. Das große Interesse an dem alexandrinischen Mathematiker l¨ asst auch in der Folge nicht nach33 . Die lange Zeit vergebliche Suche nach den restlichen B¨ uchern der Arithmetika wurde in den 1970er Jahren von Erfolg gekr¨ont, als vier weitere B¨ ucher in ¨ einer arabischen Ubersetzung entdeckt wurden34 .

5.5 Vieta Fran¸cois Vi`ete wurde 1540 in Fontenay-le-Comte geboren und erhielt seine Schulausbildung in einer Klosterschule der Franziskaner in Fontenay. 1558 studierte er an der Universit¨at Poitiers und kehrte 1559 als Anwalt nach Fontenay zur¨ uck. Als Anwalt der Familie Soubise zog er mit dieser nach La Rochelle, und 1570 ging er von dort nach Paris. W¨ ahrend dieser Zeit arbeitete er am Canon mathematicus und seinem Buch Universalium inspectionum liber singularis, die beide 1579 in Paris ver¨offentlicht wurden. Im Wesentlichen enthalten diese B¨ ucher die bis dahin genauesten trigonometrischen Tabellen, auch wenn sie, wie Vieta schnell bemerkt, mehr Fehler enthalten als ihm lieb ¨ war (eine Uberpr¨ ufung in den letzten Jahren hat in etwa einen Druckfehler pro Seite festgestellt, und Abweichen vom richtigen Wert von bis zu 2 in der letzten Dezimalstelle). 1591 erscheint Vietas Isagoge in Artem Analyticam (Einf¨ uhrung in die analytische Kunst), die 1624, 1631 und 1635 neue Auflagen erlebt, sowie Zeteticorum libri quinque (F¨ unf B¨ ucher der Zetetik). 32

Gemeint ist eine Diophant-Ausgabe ohne die Kommentare Fermats. Mir sind die folgenden deutschsprachigen Ausgaben des Diophant bekannt: [Schulz 1822], [Kausler 1808] (diese Bearbeitung ist wohl verloren gegangen), [Wert¨ heim 1890] und [Czwalina 1952]. Die definitive englische Ubersetzung ist [Heath 1910]. 34 Diese sind von [Rashed 1974, Rashed 1975] und [Sesiano 1982] herausgegeben worden. Die erste komplette“ Ausgabe der griechischen und arabischen B¨ ucher wur” de von [Rashed & Houzel 2013] besorgt, allerdings nur in einer modernisierten Form unter Verwendung der Sprache der algebraischen Geometrie; vergleichbar damit, aber auf elementarem Niveau, ist die Ausgabe von [Coquerand 2010]. 33

190

5 Die Auferstehung Diophants

Erzeugung von Dreiecken aftigt sich VieIn seiner Schrift Ad logisticen speciosam notae priores35 besch¨ ta mit der Genesis triangulorum“, der Erzeugung von (rechtwinkligen) Drei” ecken in Zahlen. In Proposition 40 zeigt er, wie man solche Dreiecke mit ganzzahligen Seiten konstruiert, wie man also alle pythagoreischen Tripel findet. Vieta benutzt bereits die heutigen Symbole + und −, sowie ein weiteres Symbol, das einem Gleichheitszeichen ¨ahnelt (Vieta dr¨ uckte Gleichheit immer in Worten aus) und das bedeuten soll, dass bei BG − DF die kleinere von der gr¨oßeren Zahl abzuziehen ist. Mit anderen Worten: Vietas B in G = D in ” F“ ist zu lesen als |BG − DF |. Vieta leitet f¨ ur die ganzzahligen L¨osungen der pythagoreischen Gleichung x2 + 2 2 y = z die Formeln x = A2 − B 2 ,

y = 2AB,

z = A2 + B 2

her; Quadratzahlen kennzeichnet er durch ein leicht hochgestelltes q.“, und ” f¨ ur 2AB schreibt er A in B bis“, was soviel heißt wie A in B zweimal“. ” ” In Proposition 41 geht es darum, aus zwei gegebenen rechtwinkligen Dreiecken ein drittes zu konstruieren. Dazu gibt sich Vieta zwei Dreiecke mit den Seiten B, D, Z bzw. F , G, X vor und zeigt dann, dass auch die beiden Dreiecke mit den Seiten |BF − DG|,

BG + DF,

ZX,

bzw.

|BG − DF |,

BF + DG,

ZX

rechtwinklig sind. Algebraisch l¨auft der Beweis auf das Nachrechnen der Identit¨ at (B 2 +D2 )(F 2 +G2 ) = (BF −DG)2 +(BG+DF )2 = (BG−DF )2 +(BF +DG)2 hinaus. Der wesentliche Inhalt dieser Formeln ist nicht neu: Bereits Fibonacci wusste, wie man ein Produkt zweier Summen zweier Quadrate wieder als Summe zweier Quadrate schreibt. Diophantische Probleme Fran¸cois Vi`ete hat in seinem Werk Zeteticorum libri quinque viele diophantische Probleme eingebaut; dasselbe hatte Raffael Bombelli bereits 1572 in seinem Lehrbuch der Algebra getan. Vietas Problem XVIII in seiner Zetetik36 ist folgendes: 35

¨ Siehe [Vi`ete 1591]; eine englische Ubersetzung findet man bei [Witmer 1983]. ¨ Eine detailliert kommentierte deutsche Ubersetzung stammt von [Reich & Gericke 1973]; weiter sei auf [Barberini 2013] hingewiesen. 36 Siehe [Witmer 1983, S. 145–146] oder [Reich & Gericke 1973].

5.6 Bachet

191

Abb. 5.5.1. Diagramme aus Vietas Ad logisticen.

Sind zwei Kubikzahlen gegeben, so sind zwei andere Kubikzahlen zu finden, deren Summe gleich der Differenz der gegebenen ist. Vieta nimmt die Kubikzahlen B 3 und D3 als gegeben an. Er macht den Ansatz B 3 − D3 = (B − A)3 + C 3 und bringt den Term 3A2 B 2 zum Verschwinden, indem er C geeignet w¨ahlt: B 3 − D3 = (B − A)3 +

 B2A D2

−D

3 .

Danach l¨ost er die entstehende Gleichung nach A auf und erh¨ alt A = Einsetzen liefert dann die Identit¨at B 3 − D3 =

 B(B 3 − 2D3 ) 3 B3

+

D3

+

 D(2B 3 − D3 ) 3 B 3 + D3

3BD 3 B 3 +D 3 .

.

Damit die beiden Terme auf der rechten Seite positiv sind, muss allerdings die Ungleichung B 3 > 2D3 gelten.

5.6 Bachet Claude Gaspar Bachet de Meziriac wird am 9. Oktober 1581 in Bourg-enBresse geboren37 ; seine Eltern Jehan Bachet und Marie de Chavanes sind wohlhabend und angesehen. Jehan Bachet hatte mit seiner Frau sechs Kinder; als diese 1586 stirbt, heiratet er ein Jahr sp¨ater zum zweiten Mal, stirbt aber kurz darauf an der Pest, die in der Gegend von Bresse gew¨ utet hat. Claude 37

Vgl. [Collet & Itard 1947].

192

5 Die Auferstehung Diophants

Gaspar wird von Jesuiten unterrichtet, und man vermutet, dass er in Turin oder Mailand aufgezogen wurde. Bachet bereist danach Europa; zwischen 1598 und 1601 d¨ urfte er sich in Rom aufgehalten haben, und weil er zwischen 1619 und 1620 einige Werke in Paris drucken l¨ asst, vermutet man, dass er damals in Paris wohnte. Ansonsten wird angenommen, dass er meist in seinem Haus in Bourg-en-Bresse lebte, wo er im Mai 1620 heiratete und sp¨ ater seine zahlreichen Werke verfasste. Als 1634 die Acad´emie Fran¸caise gegr¨ undet wird, ist Bachet mit von der Partie. Er gilt, bis weit u ¨ber seinen Tod am 26. Februar 1638 hinaus, als ihr intellektuelles Aush¨angeschild, auch wenn er krankheitsbedingt nicht zu den Sitzungen nach Paris fahren kann. In seinem sehr bekannten und oft aufgelegten Buch Probl`emes plaisans et delectables, qui se font par les nombres38 stellt Bachet mathematische Spielereien vor und gibt dazu Beweise; der Anfang des Buches ist zahlentheoretischen Aussagen gewidmet; unter anderem befasst er sich mit geraden und ungeraden Zahlen und erh¨alt Ergebnisse, die wir heute unter Rechnen mit Kongruenzen ” modulo 4“ verbuchen w¨ urden. Die Probl`emes Plaisans stehen Pate f¨ ur ein ganzes Genre; in seinem Vorwort der R´ecr´eations Math´ematiques von 1778 schreibt Ozanam: Dieses Buch ist, nach den Problemen der griechischen Anthologie, der erste Keim aller B¨ ucher u ¨ber Unterhaltungsmathematik, die seither erschienen sind, mehr oder weniger erweitert und in verschiedenen Sprachen. Auch die Griechische Anthologie wurde von Bachet herausgegeben; dort pr¨ asentierte er den griechischen Text von 45 Epigrammen im Anhang an die letzte Proposition von Buch V aus Diophants Arithmetika. Zu den Vorg¨ angern Bachets auf diesem Gebiet geh¨oren Alcuin mit seinen Propositiones ad acuendos juvenes, von welchem Bachet einige Probleme u ¨bernimmt, und der Franziskaner Luca Pacioli mit De viribus quantitatis. Einige Jahre nach Bachet ver¨offentlicht der Jesuit Jean Leurochon seine R´ecr´eations Math´ematiques. Heutzutage wird Bachet sehr oft zitiert im Zusammenhang mit der L¨ osung linearer diophantischer Gleichungen. In seinem Buch39 beschreibt er das Problem so: Sind zwei teilerfremde ganze Zahlen gegeben, so soll ein Vielfaches der ersten gefunden werden, welches die zweite Zahl um 1 u ¨bertrifft. Der Grundgedanke von Bachets L¨osung l¨asst sich wie folgt beschreiben. Um etwa die Gleichung 5x + 17y = 1 zu l¨osen, werden die Koeffizienten der Gleichung durch geschickte Substitutionen so verkleinert, bis sich eine ganzzahlige 38

Siehe [Bachet 1612]. ´ S. 18. Sein dort angek¨ undigtes Werk Elements arithm´etiques ist meines Wissens nie ver¨ offentlicht worden; das Internet will wissen, dass es davon ein Manuskript gibt. 39

5.6 Bachet

Abb. 5.6.1. Bachets Probl`emes plaisans et delectables, 1612.

193

194

5 Die Auferstehung Diophants

L¨osung ablesen l¨asst. Im ersten Schritt schreibt man 17 = 3 · 5 + 2 und setzt x = z − 3y; dies liefert 1 = 5x + 17y = 5(z − 3y) + 17y = 5z + 2y. Wegen 5 = 2 · 2 + 1 setzt man im zweiten Schritt y = u − 2z und findet 1 = 5z + 2y = 5z + 2(u − 2z) = z + 2u, Die offensichtliche L¨osung u = 0, z = 1 ergibt jetzt nacheinander y = u−2z = −2 und x = z − 3y = 7, also 5 · 7 − 17 · 2 = 1. Weil hinter dieser Reduktion der euklidische Algorithmus steckt, lassen sich solche diophantischen Gleichung leicht und effektiv l¨osen. 1621 schließlich ver¨offentlicht Bachet den griechischen Originaltext von Diouber der Erstver¨ offentphants Arithmetika40 zusammen mit einer (gegen¨ ¨ lichung Xylanders) verbesserten lateinischen Ubersetzung. In seinem zweiten Buch u at ¨ber Porismen gibt Bachet die Identit¨ (a + b)2 + (a − b)2 = 2(a2 + b2 ) und folgert daraus, dass wenn eine Zahl die Summe zweier Quadrate ist, auch deren Doppeltes und ihre H¨alfte Summe zweier Quadrate sind. Weiter bemerkt er, dass Zweierpotenzen (numeri pariter parem) nicht die Summe zweier ganzer und verschiedener Quadrate sein k¨onnen, weil dies sonst auch f¨ ur die H¨ alfte dieser Zahlen gelten w¨ urde, ebenso wie f¨ ur deren H¨ alfte und schließlich auch f¨ ur die Einheit, was nicht sein kann. Dies ist nichts Anderes als der unendliche Abstieg, von welchem Fermat sp¨ater so oft Gebrauch machen wird. Aber Bachet geht noch weiter: Im Kommentar zu Problem IV.31 schreibt er, dass jede Zahl entweder selbst ein Quadrat ist oder Summe von zwei, drei oder vier Quadraten ist, was er aber nicht beweisen k¨ onne. Seine Bemerkung, dass Diophant diesen Satz gekannt haben m¨ usse, weil dieser 5 und 13 als Summe von vier rationalen Quadraten schreibt, l¨asst sich nicht belegen. Diophant schreibt zwar in IV.31 und IV.32 13 = 4 + 9 =

64 36 144 81 + + + 25 25 25 25

und

5=

9 16 64 36 + + + , 25 25 25 25

allerdings beruhen beide Darstellungen darauf, aus einer Summe zweier Quadrate eine Summe von vier Quadraten zu machen, indem man jedes Quadrat als Summe zweier Quadrate schreibt. Bachet jedenfalls gibt eine Tabelle der Zerlegungen aller ganzen Zahlen bis 120 in Summen von h¨ochstens vier Quadratzahlen und bemerkt, dass er diese bis 325 fortgesetzt habe. Im Kommentar zu V.12 schreibt Bachet, dass Primzahlen der Form 4n + 1 Summen zweier Quadrate sind, und im Kommentar 40

Siehe [Bachet 1621] und [Reich 2003a].

5.6 Bachet

195

Abb. 5.6.2. Bachets Ausgabe des Diophant

196

5 Die Auferstehung Diophants

zu Problem V.14 gibt er einen langen Beweis einer Proposition, die zeigt, dass eine Zahl der Form 8n + 7 kein Quadrat, noch Summe von zwei oder drei Quadraten ganzer Zahlen sein kann. In seinen Kommentaren zu Diophants Arithmetika geht Bachet besonders auf die Doppelgleichungen ax + b = y 2 ,

a x + b = z 2

ein, deren Studium Diophant in Problem II.11 beginnt. Diophants Methoden erlauben die L¨osung, wenn a/a ein Quadrat ist, oder wenn b und b verschiedene Quadrate sind. Bachet zeigt allgemeiner, dass und wie man Doppelglei −a b ein Quadrat ist. chungen auch l¨osen kann, wenn z.B. a > a und aba−a  Wie Bachet das Problem VI.19 aus Diophants Arithmetika (siehe S. 115) formuliert41 , kann man in Abb. 5.6.3 sehen.

Abb. 5.6.3. Bachet, Problem VI.19

Wir lesen dort Invenire triangulum rectangulum, ut areæ numerus cum hypotenusæ numero faciat quadratum, et circumferentiæ numerus sit cubus. Ponatur areæ numerus 1N hypotenusa vero statuatur unitatum aliquot quadratarum cum defectu 1 N ; esto 16 − 1N . 41

Siehe [Bachet 1621, S. 421].

5.6 Bachet

197

Hier bezeichnet N die Unbekannte, Q ihr Quadrat und C ihre dritte Potenz. In den von Tannery herausgegebenen Werken42 Diophants von 1893 liest sich dieser Auszug so: Invenire triangulum rectangulum tale ut area plus hypotenusa faciat quadratum, et perimetrus sit cubus. Ponatur area = x, et hypotenusa sit numerus unitatum aliquot quadraticus, minus x; esto 16 − x. Noch einmal u ¨bersetzt sieht die Sache also so aus: Finde ein rechtwinkliges Dreieck, sodass die Summe aus Fl¨ ache und Hypotenuse ein Quadrat und der Umfang eine Kubikzahl wird. Bachet gibt Diophants L¨osung (siehe S. 114) und fragt sich, ob die Gleichung y 2 + 2 = x3 noch andere L¨osungen hat als die von Diophant43 gegebene. Dann formuliert er das allgemeine Problem44 : Gegeben sei ein Quadrat, welches zu einer gegebenen Zahl addiert eine Kubikzahl ergibt; zu finden ist ein weiteres Quadrat mit dieser Eigenschaft. Bachets L¨osung in dem von Diophant betrachteten Falle ist die folgende: Er beginnt mit der bekannten L¨osung 52 + 2 = 33 und setzt den neuen Wert als 5 − η an; dann muss er (5 − η)2 + 2 = η 2 − 10η + 27 zum Kubus machen. Mit dem Ansatz η 2 − 10η + 27 = (3 − rη)3 folgt r3 η 3 − (9r2 − 1)η 2 + (10 − 27r)η = 0, und daraus l¨asst sich ein rationaler Wert f¨ ur η bestimmen, wenn der lineare Term verschwindet, d.h. f¨ ur r = 10 27 . In diesem Fall folgt 1000 3 19 2 η − η = 0, 19683 81

also η =

4617 . 1000

383 2 3 Dies f¨ uhrt auf die neue L¨osung x = 129 100 und y = 1000 von y + 2 = x . Bachet wusste ebenso wie seine Leser, dass diese Rechnung ein Beweis durch ” Beispiel“ war, d.h. dass diese L¨osung allgemein ist in dem Sinne, dass sie sich ohne weiteres auf eine beliebige Gleichung y 2 + k = x3 anwenden l¨ asst.

Aufgaben 5.1 Jordanus Nemorarius konstruierte drei Quadrate in arithmetischer Progression (Babylonische Tripel), und zwar45 wie folgt: 42

[Tannery 1895, S. 433 ff]. Siehe die Ausf¨ uhrungen auf S. 115. 44 Siehe [Bachet 1621, S. 423]. 45 Siehe [Cantor 1892, Kap. 43], sowie [Nemorarius 13. Jhdt., Buch VI, Thm. 12]. 43

198

5 Die Auferstehung Diophants

Abb. 5.6.4. Quadratzahlen unter den Dreieckszahlen nach Jordanus Nemorarius Ist b eine beliebige und c eine gerade Zahl, so bildet Jordanus a = b + c, d = a + b, h = ac, k = bc, e = ad und f = bd. Zerlegt man e = l + m + g in drei ungleiche Teile, etwa durch l = h, m = k und g = f , so sind v = l+g , 2 r = g − v und q = e − v die Seiten der gesuchten Quadrate r2 , v 2 und q 2 . Verifiziere diese Formeln und zeige, dass sich das Babylonische Tripel (b2 − c2 /2, b2 + bc + c2 /2, b2 + 2bc + c2 /2) ergibt. 5.2 Jordanus Nemorarius hat auch Dreieckszahlen bestimmt, welche gleichzeitig Quadratzahlen sind46 (siehe Abb. 5.6.4). Geh¨ ort das Paar (a, b) zu den Platonschen Seiten- und Diagonalzahlen, ist also a2 − 2b2 = ±1, so ist die Dreieckszahl 2b2 (2b2 ± 1) T = = (ab)2 2 ein Quadrat. Man verifiziere diese Behauptungen. 5.3 Beweise den Satz von Levi ben Gershon: die einzigen L¨ osungen der Gleichung 2m − 3n = ±1 sind gegeben durch (m, n) = (1, 0), (1, 1), (2, 1) und (3,2). 5.4 Leite mit Bachets Methode die nach ihm benannte Verdoppelungsformel“ her: ” Ist (x, y) eine L¨ osung von y 2 + k = x3 , dann auch (x1 , y1 ) mit x1 =

x4 + 8kx , 4y 2

y1 =

−x6 + 20kx3 + 8k2 . 8y 3

5.5 Bestimme einige kongruente Zahlen durch Verwendung babylonischer Tripel. 46

Siehe [Nemorarius 13. Jhdt., Buch VIII, Thm. 9].

6

Fermat

Abb. 6.0.1. Bronzeplatte an der Stelle des Place Jean-Jaures in Castres, wo sich im 17. Jahrhundert die Kapelle befunden hatte, in welcher Fermat nach seinem Tode vor¨ ubergehend beigesetzt worden war. Foto: Klaus Barner

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_6

200

6 Fermat

Obwohl Fermat auch auf anderen Gebieten der Mathematik Herausragendes geleistet hat, ist sein Name doch untrennbar mit der Zahlentheorie verbunden. Ebenso untrennbar mit Fermats Namen verbunden sind diejenigen seiner Korrespondenzpartner, etwa Mersenne und Fr´enicle, da wir fast alles, was wir u ¨ber Fermats zahlentheoretische Leistungen wissen, aus seinen Briefen erfahren haben. Zu Lebzeiten Fermats gab es in Europa bereits viele Universit¨ aten, und 1637 wurde in Harvard sogar die erste Universit¨at in Amerika gegr¨ undet. Allerdings wurde an diesen neben Theologie vor allem Medizin, Philosophie und Recht unterrichtet, w¨ahrend Mathematik eine Nebenrolle spielte. Folgerichtig wurden die Fortschritte auf dem Gebiet der Mathematik im 17. Jahrhundert fast ausschließlich von Privatgelehrten außerhalb der Universit¨ aten erzielt.

6.1 Vollkommene Zahlen Das Studium vollkommener Zahlen geht mindestens bis auf die Pythagoreer zur¨ uck und hat seitdem eine ganze Reihe von Mathematikern fasziniert. Auch Fermats Zeitgenossen war selbstverst¨andlich Euklids Konstruktion (siehe Abschnitt 3.3) bekannt. Pietro Cataldi1 (1548–1626) f¨ ugt den klassischen Beispielen diejenigen hinzu, die auf der Primalit¨ at von 213 − 1 und 217 − 1 beruhen, und weist darauf hin, dass 211 − 1 zusammengesetzt ist. Er behauptet außerdem, dass die Exponenten n = 2, 3, 5, 7, 13, 17, 19, 23, 29, 31, 37 Primzahlen 2n − 1 ergeben w¨ urden. Tats¨achlich tauchen die von Cataldi angegebenen vollkommenen Zahlen teilweise schon in ¨ alteren Quellen auf2 . Jedenfalls hat Cataldi explizit bemerkt, dass etwa alle Zahlen 23n − 1 durch 23 − 1 = 7 teilbar sind, weil die Reste der Zahlen 23 , 24 , 25 bei der Teilung at durch 7 dieselben sind wie diejenigen von 1, 21 und 22 = 4; diese Periodizit¨ ist vielen weiteren Mathematikern aufgefallen, aber erst Fermat hat aus dieser Beobachtung seinen kleinen“ Satz gemacht. Mit einem analogen Argument ” hat Cataldi dann nachgewiesen, dass die Zahlen 25n − 1 durch 25 − 1 usw. uhrt er teilbar sind. Den Nachweis, dass 213 −1, 217 −1 und 219 −1 prim sind, f¨ dadurch, dass er alle Primteiler unterhalb der Quadratwurzeln dieser Zahlen pr¨ uft. Dabei spart er sich im letzten Fall Arbeit durch die Beobachtung, dass wenn R der Rest von 217 − 1 bei Division durch eine Primzahl p ist, 4R + 3 der Rest von 219 −1 bei Teilung durch p ist. Die u ommigkeit Cataldis ¨bertriebene Fr¨ und die Art, wie er seine eigenen Resultate ins beste Licht zu setzen versucht, haben Wertheim3 zu einem wenig vorteilhaften Urteil Anlass gegeben: [. . . ] je mehr man sich mit Cataldi besch¨aftigt, um so mehr befestigt ¨ sich die Uberzeugung, daß er ein Streber im schlimmsten Sinne des Wortes gewesen ist. 1

Siehe [Cataldi 1603] und [Wertheim 1902a]. Siehe etwa [Picutti 1989]. 3 Siehe [Wertheim 1902a]. 2

6.1 Vollkommene Zahlen

201

Bei Dickson4 findet man sehr viele Hinweise auf Autoren bis zum 16. Jahrhunur prim (bzw. die entspredert, die teilweise alle Zahlen der Form 22n+1 − 1 f¨ ur vollkommen) gehalten haben. Unter andechenden Zahlen 22n ·(22n+1 −1) f¨ rem stehen Listen der dazugeh¨origen vollkommenen Zahlen“ 22n (22n+1 − 1) ” bei Tartaglia (1556) und Unicornus (1598). Dagegen hat bereits Francesco 5 Barozzi (Franciscus Barocius) Listen angegeben, in welchen zumindest die zusammengesetzten Exponenten fehlen. Ein weiteres Werk, in welchem alle Zahlen der Form 22n (22n+1 − 1) als vollkommen hingestellt werden, stammt von Petrus Bungus (oder auch Pietro Bongo). Dieser lebte in der zweiten H¨alfte des 16. Jahrhunderts; er studierte Mathematik und Theologie ebenso wie Magie und Kabbalistik, und wurde als Prediger und Kantor an der Kathedrale San Alessandro angestellt. Gestorben ist er am 24. September 1601 in Venedig. Seine Ver¨ offentlichungen lassen sich wohl am besten unter Zahlenmystik und Numerologie einordnen. Insbesondere ordnet er dem Namen Martin Luthers die Zahl des Tieres, 666, zu.

Abb. 6.1.1. Vollkommene Zahlen“ bei Pietro Bungus ”

Sein Hauptwerk ist die Klassifikation der Werke u ¨ber Zahlensymbolik, in dem er etwa 400 Autoren auff¨ uhrt. Zum ersten mal erschien es als De mystica quaternarii numeri significatione im Jahre 1583, wo man eine Liste mit 20 vollkommenen“ Zahlen findet. Unter dem Titel Numerorum Mysteria ist es ” 1591 erschienen, wurde 1599, 1614 und 1618 neu aufgelegt und 1983 von Ulrich Ernst neu herausgegeben. In diesem Buch findet sich auf S. 468 eine Tabelle mit vollkommenen Zahlen“, in welcher aber neben 6 = 2(22 − 1) alle Zahlen ” 4

Siehe [Dickson 1919, Chap. I]. Siehe [Barozzi 1566]. Barozzi hat 1572 auch ein Buch u ¨ber das Spiel Rithmimachia ver¨ offentlicht. 5

202

6 Fermat

der Form 22n−2 (22n−1 − 1) f¨ ur n ≥ 2 aufgef¨ uhrt sind. Dabei enthalten die Zeilen, in welchen n die Form 6k − 1 haben, keinen Eintrag.

6.2 Mersenne Marin Mersenne wird am 9. September 1588 in Sounti`ere bei Bourg d’Oiz´e geboren, als Sohn von Julien Mersenne und seiner Frau Jeanne Monli`ere. Nach Studien am Coll`ege du Mans und an dem von den Jesuiten neugegr¨ undeten Coll`ege in La Fl`eche geht er ans Coll`ege Royal de France in Paris. Nach dem Abschluss seiner Studien tritt er 1611 den Minimen (Paulanern) bei und wird 1612 zum Priester geweiht. Sp¨ater beginnt er, sich ernsthaft f¨ ur Mathematik zu interessieren und baut ab 1623 einen Kreis von u ¨ber 70 Korrespondenten auf, zu denen die cr`eme de la cr`eme der damaligen Wissenschaft geh¨ oren: Galilei, Hobbes, Pascal, Descartes und sp¨ater auch Fermat. Mersenne ist am 1. September 1648 in Paris gestorben. Bereits 1631 versucht Mersenne, Ren´e Descartes f¨ ur zahlentheoretische Fragen zu interessieren, indem er ihn nach seiner Meinung zur Existenz von Zahlen wie 120 schreibt, welche gleich der halben Summe ihrer echten Teiler sind. Descartes antwortet, dass er dar¨ uber nichts sagen k¨onne, weil er nichts dar¨ uber wisse und auch niemals den Wunsch gehabt habe, etwas dar¨ uber zu wissen6 . Erst als Fermat 1638 die Zahl 672 angibt, macht sich auch Descartes (erfolgreich) auf die Suche nach ¨ahnlichen Zahlen. In einem Brief7 an Mersenne schreibt Ren´e Descartes: Was die vollkommenen Zahlen angeht, so habe ich das Buch8 , von dem Sie sprechen, nicht gesehen, und da es in Amsterdam gedruckt worden ist, werde ich es auch nicht finden k¨onnen, wenn Sie mir nicht den Namen der Buchhandlung schicken, die es gedruckt hat. Ich denke aber, dass ich zeigen kann, dass es keine geraden vollkommenen Zahlen gibt außer denjenigen von Euklid, und dass es auch keine ungeraden vollkommenen Zahlen gibt, wenn sie nicht das Produkt einer Primzahl und einer Quadratzahl sind, deren Wurzel Produkt von verschiedenen anderen Primzahlen ist. Er bemerkt auch, dass die Zahl 22021 · 30032 eine ungerade vollkommene Zahl w¨are, wenn 22021 prim w¨are. 6

Siehe [Goldstein 2009b, S. 42] oder Band III der Korrespondenz von Mersenne. Brief an Mersenne vom 15. November 1638; siehe [Adam & Tannery 1898, S. 429]. 8 Es ist nicht bekannt, um welches Buch es hier geht. Zwei B¨ ucher u ¨ber vollkommene Zahlen, n¨ amlich Trattato de’ numeri perfetti von [Cataldi 1603] und das Liber de numeris perfectis von Charles de Bovelles (1475–1511) [Bovillus 1509], wurden nicht in Amsterdam gedruckt. 7

6.2 Mersenne

203

In seiner Antwort auf eine diesbez¨ ugliche Frage Fermats schreibt Fr´enicle9 , dass alle geraden vollkommenen Zahlen die euklidische Form haben, und dass ungerade vollkommene Zahlen, falls es sie gibt, die Form ps2 haben, wobei p eine Primzahl der Form 4n + 1 ist. Dass Primzahlen der Form 2p − 1 nach Mersenne benannt sind (es war, wie ´ im Falle der Fibonacci-Zahlen, der franz¨osische Zahlentheoretiker Edouard Lucas, der diesen Namen eingef¨ uhrt hat), hat seinen Grund in einer Liste solcher Zahlen, die Mersenne im Vorwort seines 1644 in Paris erschienenen Cogitata Physico-Mathematica10 angibt. Dort schreibt er in Abschnitt XIX seines Vorworts ( Præfatio Generalis“): ” Hier bemerken wir, dass die 28 Zahlen, welche Petrus Bungus in Kapitel 28 seines Buchs u ¨ber Zahlen als vollkommen angibt, nicht alle vollkommen sind. Tats¨achlich sind 20 davon unvollkommen, so dass er nur 8 vollkommene hat, n¨amlich 6, 28, 496, 8 128, 33 550 336, 8 589 869 056, 137 438 691 328 und 2 305 843 008 139 952 128, welche in der Tabelle von Bungus den Eintr¨agen 1, 2, 3, 4, 8, 10, 12, und 19 entsprechen; nur diese sind vollkommen [. . . ]. Von hier ab sind die vollkommenen Zahlen selten, und es gibt keine weitere außer man erh¨oht den Exponenten auf u ¨ber 62, in der doppelten Progression von 1 beginnend. Die neunte vollkommene Zahl kommt n¨amlich vom Exponenten 68 minus 1, die zehnte vom Exponenten 128 minus 1, und endlich die elfte von 258 minus 1, also die Potenz mit dem Exponenten 257 um 1 vermindert und mit der 256. Potenz multipliziert. Die doppelte Progression, ab 1 beginnend, ist die geometrische Reihe 1, 2, 4, 8, . . . ; Mersenne pr¨asentiert also die acht vollkommenen Zahlen, die von den Exponenten p = 2, 3, 5, 7, 13, 17, 19 und 31 herr¨ uhren, und gibt ohne weitere Begr¨ undung die Exponenten 67, 127 und 257. Weiter behauptet er, dass es keine vollkommene Zahl gebe, deren Exponent zwischen 17 000 und 32 000 liege, und dass dasselbe f¨ ur die Exponenten zwischen 1 050 000 und 2 090 000 gelte. Eine Erkl¨arung liefert Mersenne drei Jahre sp¨ ater in Novarum Observationum Physico-Mathematicarum, einer Sammlung zahlentheoretischer Resultate, von denen er leider nicht schreibt, wo er sie gefunden hat. In diesem Buch11 gibt Mersenne die beiden Paare befreundeter Zahlen (284, 220) und (9 363 584, 9 437 056). Es folgen Regeln f¨ ur das Erkennen von Quadratzahlen: Solche haben entweder •

Endziffer 1, 4 oder 9, wobei die vorhergehende Ziffer gerade ist; (die Ziffer 9 fehlt in der Aufz¨ahlung); 9

Siehe [Wallis 1658, S. 150] Siehe [Mersenne 1644]. 11 Siehe [Mersenne 1647, S. 180]. 10

204

6 Fermat

Abb. 6.2.1. Marin Mersenne und seine B¨ ucher Cogitata Physico-Mathematica und Novarum Observationum.



Endziffer 6, wobei die vorhergehende Ziffer ungerade ist;



Endziffern 25, wobei die vorhergehende Ziffer 0, 2 oder 6 ist;



Endziffern 00.

Es geht hier also um quadratische Reste modulo 100. Primzahlen sind schwieriger zu erkennen; Mersenne gibt die klassische Regel, wonach Primzahlen > 3 sich von einem Vielfachen der 6 um eine Einheit unterscheiden (das findet sich auch bei Pietro Bungo [S. 399]). Daraufhin erw¨ahnt Mersenne12 die Fermatsche“ Regel, ohne aber Fermat beim Namen ” zu nennen: Eine Zweierpotenz, deren Exponent ebenfalls eine Zweierpotenz ist, ergibt durch Addition der Einheit eine Primzahl. Aus Mersennes eigener Liste von Primzahlen der Form 2p − 1 kann man folgende analoge Regel herauslesen: 2p − 1 ist genau dann prim, wenn p eine Primzahl ist, die sich um h¨ochstens 3 von einer Zweierpotenz unterscheidet. Weiter gibt Mersenne die Anzahl aller Primzahlen in den ersten 9 Tausendern: 1

2

3

4

5

6

7

8

9

167 135 127 120 119 114 117 107 110 12

Siehe [Mersenne 1647, S. 181].

6.2 Mersenne

205

Von allen diesen Anzahlen ist nur die erste falsch: es gibt genau 168 Primzahlen unterhalb von 1000, die 1 nicht mitgerechnet. Danach lobt Mersenne den unvergleichlichen“ Fr´enicle13 , der drei Werke u ¨ber figurierte Zahlen, prime ” und zusammengesetzte Zahlen etc. geschrieben habe. Was zusammengesetzte Zahlen angeht, so hat Fr´enicle in einem Brief14 an Fermat vom 2. August 1641 folgendes Problem gestellt: Was das Thema Dreiecke betrifft schlage ich Ihnen noch einmal Folgendes vor: Eine gegebene zusammengesetzte Hypotenuse, welche Summe von tei” lerfremden Quadraten ist, in ihre Teile zu zerlegen.“ Ist beispielsweise 221 die Hypotenuse, und die Quadrate, aus denen sie besteht, 100, 121 und 196, 25, dann soll man durch diese Methode die Teiler 13 und 17 von 221 finden. Hier fragt Fr´enicle danach, wie man aus zwei Darstellungen einer Zahl als Summe zweier teilerfremder Quadrate, etwa 221 = 102 + 112 = 142 + 52 , die Faktoren dieser Zahl bestimmen kann. Weiter bemerkt Mersenne, dass Zahlen, die sich auf verschiedene Arten als Differenzen oder Summen zweier Quadrate schreiben lassen, wie 21 = 25−4 = 121−100 oder 65 = 1+64 = 16+49, ebenso zusammengesetzt sind wie Zahlen, deren Quersumme durch 3 oder 9 teilbar sind. Außerdem sei es leicht, Intervalle anzugeben, die keine Primzahl enthalten: Mersenne bildet das Produkt 2 · 3 · 5 · 7 = 210 und stellt fest, dass zwischen 211 und 221 ebenso keine Primzahl liegt wie zwischen 199 und 209. Danach gibt er noch ein Beispiel, das auf dem Produkt 2·3·5·7·11·13·17·19·23·29 = 6469693230 beruht und ein Intervall der L¨ange 30 ohne Primzahlen liefert. Die folgende Regel, welche zum Erfinden von Primzahlen sehr n¨ utzlich“ sei, ” formuliert Mersenne wie folgt: Unterscheidet sich der Primzahlexponent p der ochstens 3 von einer Zweierpotenz mit geradem Exponenten, Zahl 2p − 1 um h¨ dann ist 2p −1 prim. Die Einschr¨ankung auf gerade Exponenten ist notwendig, weil zwar 11 = 23 + 3 prim ist, 211 − 1 = 1023 = 23 · 89 aber nicht. Nach dieser Regel m¨ usste der Exponent 61 = 26 − 3 eine Primzahl liefern; Mersenne gibt in seiner Liste allerdings nur den Exponenten 26 + 3 = 67. Stattdessen finden sich dort 31 = 25 − 1 und 127 = 27 − 1, obwohl die entsprechenden Exponenten ungerade sind. Derartige Inkonsistenzen sind in den Schriften aus Fermats Tagen keine Seltenheit. Jedenfalls hat es den Anschein, als habe Mersenne hier versucht, die Fermatsche Vermutung u at von ¨ber die Primalit¨ Zahlen der Form 2n + 1 auf solche der Form 2n − 1 zu u ¨bertragen. 13

Siehe [Mersenne 1647, S. 182]. Falls die B¨ ucher ver¨ offentlicht worden sind, sind sie verloren gegangen. 14 Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 226].

206

6 Fermat

6.3 Fermat Fermat ist ein Name, um den man weder in der Geschichte der Physik, noch derjenigen der analytischen Geometrie oder der Analysis herumkommt. Fermats Leistungen auf diesen Gebieten lassen sich aber nicht vergleichen mit seinem außergew¨ ohnlichen Schaffen in der Zahlentheorie. Nachdem man u ¨ber 2000 Jahre lang vollkommene Zahlen untersucht hatte, war es Fermat vorbehalten, aus seinen Untersuchungen u ¨ber Teiler von Zahlen der Form 2n −1 den kleinen Fermatschen Satz“ herauszudestillieren. W¨ ahrend arabische Wissen” schaftler damit begonnen hatten, unm¨ogliche Gleichungen“ zu studieren oder ” nach ganzzahligen L¨osungen gewisser diophantischer Gleichungen zu fragen, machte Fermat in diesen Fragen mit Hilfe seiner Technik des unendlichen ” Abstiegs“ Fortschritte, die bis heute nachwirken. Fermats Geburtstag ist seit jeher umstritten. In seinem Nachruf auf Fermat ahnt dann, schreibt Libri15 La vie de Fermat est `a peine connue“, und erw¨ ” dass Fermat gem¨ aß Maurice um 1595 herum in Toulouse geboren ist; nach der Histoire de l’invention de l’Alg`ebre ist Fermat 1590 geboren und 1663 oder 1665 gestorben; Genty16 schrieb 1783, dass Fermat 1590 geboren und 1664 gestorben ist. Diesen Beispielen ließen sich noch zahlreiche andere hinzuf¨ ugen. ´ 1665 ließ Fermats Sohn Samuel an der Familiengrabst¨ atte in der der Eglise des Augustins in Toulouse eine Inschrift anbringen, dessen letzte Zeile lautete: Er verschied am 12. Januar 1665 im Alter von 57 Jahren. Libri schrieb 1845, dass Taupiac Dokumente entdeckt habe, die zeigen w¨ urden, dass Fermat im August 1601 in Beaumont-Lomagne geboren wurde. Diese Jahreszahl wurde seither als richtig angenommen; erst Klaus Barner17 konnte u ¨berzeugend nachweisen, dass der Pi`erre Fermat, der 1601 in Beaumont-Lomagne geboren wurde, ein uh verstorbener Bruder des Mathematikers gleichen Namens ¨alterer und fr¨ gewesen sein muss. Inzwischen geht man davon aus, dass Fermat 1607 oder Anfang 1608 geboren ist. Fermat d¨ urfte zwischen 1617 und 1623 das Coll`ege de Navarre in Montauban besucht haben18 , danach studiert er bis 1626 Zivilrecht in Orl´eans und lernt dort Pierre de Carcavi kennen, der sp¨ater sein Kollege am Parlement de Toulouse wird. Nach seinem Abschluss arbeitet er als Anwalt am Parlement ´ de Bordeaux und hat dort Zugang zur vorz¨ uglichen Bibliothek von Etienne d’Espagnet, wo er sich mit den Werken von Euklid bis Vieta vertraut macht. Mit dem Erbe seines Vaters kauft sich Fermat das Amt eines Conseiller am Parlement de Toulouse, wo er ab 1631 arbeitet. Im selben Jahr heiratet er Louise de Long. 15

Siehe [Libri 1845]. Siehe [Genty 1784]. 17 Siehe [Barner 2001]. 18 Mehr zur Biographie Fermats findet man bei [Weil 1984], [Mahoney 1994] und [Barner 2009]. 16

6.3 Fermat

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Abb. 6.3.1. Die R¨ uckseite von Fermats Geburtshaus in Beaumont de Lomagne. Foto: Klaus Barner

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6 Fermat

Abb. 6.3.2. Coll`ege de Navarre in Montauban. Foto: Klaus Barner

1636 zieht Carcavi nach Paris und nimmt Kontakt mit Mersenne auf, und jetzt beginnt Fermats Korrespondenz mit zahlreichen Mathematikern in Paris und anderswo. Diese Korrespondenz bricht zwischen 1644 und 1654 fast vollst¨andig zusammen; die Gr¨ unde daf¨ ur sind vielf¨ altig: Zum einen verbrach´ te Fermat die Jahre 1645, 1646, 1649 und 1650 an der Chambre de l’Edit de Nantes (die Kammer des Edikts von Nantes, die Streitereien zwischen Katholiken und Reformierten zu schlichten hatte) in Castres. Weiter mag der Tod Mersennes im Jahre 1648 in dieser Hinsicht ebenso eine Rolle gespielt haben wie die Pest, die zwischen 1652 und 1653 ein Zehntel der Bev¨ olkerung von Toulouse hinwegrafft. Fermat scheint an der Beulenpest erkrankt zu sein, hat sie aber, wenn auch geschw¨acht, u allt die L¨ ucke in der ¨berlebt. Schließlich f¨ Korrespondenz in die Zeit der Fronde, also einem B¨ urgerkrieg nach dem Ende des 30-j¨ahrigen Kriegs und w¨ahrend des Kriegs mit Spanien, dessen Ausl¨ oser die hohen Steuern waren, mit welchen diese Kriege finanziert wurden. 1656 erh¨alt Fermat Besuch von Sir Kenelm Digby, der ihm einen Brief von John Wallis u ¨berbringt. Dies war der Beginn einer wunderbaren Feindschaft zwischen Fermat und Wallis19 , die vor allem zu einem Wiederaufleben von Fermats Korrespondenz f¨ uhrte, dieses Mal mit Wallis, Lord Brouncker, Dig19

Mehr u ¨ber die Streitereien von Wallis mit Fermat und anderen findet man bei [Stedall 2012]. Jacqueline Stedall hat auch die Arithmetica Infinitorum auf Englisch herausgebracht ( [Stedall 2004]) und u ¨ber die Zusammenarbeit von Wallis und Brouncker geschrieben ( [Stedall 2000]).

6.3 Fermat

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Abb. 6.3.3. Unterschriften unter dem Heiratsvertrag zwischen Pierre de Fermat und Louise de Long. Foto: Klaus Barner. Darunter: Sterbeurkunde Pierre de Fermat in Castres. Foto: Klaus Barner

by, Fr´enicle und van Schooten. Nach dieser Episode geht es mit Fermats Gesundheit bergab; nicht ganz unschuldig daran mag auch die Aff¨ are um den Priester Raymond Delpoy20 sein. Dieser hatte einem Beichtkind, einer 14j¨ahrigen Hugenottin, zur Flucht aus einer Umerziehungsanstalt“ verholfen, ” in der sie gegen ihren Willen zu einer guten Katholikin“ bekehrt werden ” 20

Siehe [Barner 2008, Barner 2009]. Die nachfolgende Zusammenfassung stammt von Klaus Barner.

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6 Fermat

sollte, und bei seinem Bruder im 100 km entfernten Limoux versteckt. Delpoy wurde am 9. Januar 1658 vom Parlement de Toulouse, dem obersten Gerichtshof des Languedoc, zum Tod durch Erh¨ angen und zu anschließendem Verbrennen der Leiche verurteilt. Bei diesem Prozess war Fermat vom Gerichtspr¨asidenten Fieubet zum wichtigsten Amt, n¨ amlich des Rapporteur (des Berichterstatters), bestimmt worden. Fermat hielt den Priester f¨ ur unschuldig, konnte aber das Urteil, welches er f¨ ur einen Justizmord hielt, nicht verhindern. Darunter litt Fermat sehr; er konnte mehrere Monate als Richter das Amt eines Rapporteur nicht aus¨ uben und erwog, sein Amt an seinen Sohn Samuel abzutreten. Letzteres scheiterte daran, dass Samuel zu diesem Zeitpunkt noch keine 25 Jahre alt war. Fermat stirbt am 12. Januar 1665. ¨ Uns fehlt hier der Platz, um einen detaillierten Uberblick u ¨ber Fermats zah21 lentheoretisches Schaffen zu geben . Wir werden uns daher im wesentlichen darauf beschr¨anken, Fermats zahlentheoretisches Testament“, n¨ amlich die ” aus seiner eigenen Feder stammende Zusammenfassung seiner zahlentheoretischen Leistungen, ausf¨ uhrlich zu kommentieren. Dabei m¨ ussen wir viele Dinge unter den Tisch fallen lassen, etwa Fermats Besch¨ aftigung mit magischen Quadraten und befreundeten Zahlen und, was schwerer wiegt, Einzelheiten zu seinen Beitr¨agen zur diophantischen Analysis. Wer Fermats Leistung in ihrer G¨anze verstehen m¨ochte, wird um ein Studium Diophants und Billys Inventum Novum nicht herumkommen.

6.4 Fermats Testament: Sein Brief an Carcavi Eine der wichtigsten Quellen f¨ ur die Datierung der wesentlichen Entdeckungen Fermats ist sein Brief Relations des Nouvelles D´ecouvertes en la Science des art Nombres22 an Carcavi, den er im August 1659 geschrieben hat. Dort erkl¨ Fermat in einer im Wesentlichen wohl chronologischen Reihenfolge seine wichtigsten Ergebnisse. Der Originalbrief ist verloren gegangen: Carcavi gab den Brief an Huygens weiter, der Teile des Briefs kopiert hat; erhalten geblieben ist nur der Text dieser Kopie. Pierre de Carcavi wurde 1605 oder 1606 in Cahors geboren. 1636 zieht er nach Paris und gelangt in den Kreis von Mersenne; bereits im Herbst 1637 schickt ihm Fermat seine Abhandlung Isagoge ad locos planos et solidos u ¨ber analytische Geometrie. Carcavi stirbt im April 1684 in Paris. Hier folgt der uns erhaltene Teil des Schreibens, wie ihn Huygens f¨ ur sich kopiert hat. Die einzelnen Abschnitte dieses Briefs werden weiter unten 21

Einen unverzichtbaren Einstieg in das zahlentheoretische Werk Fermats findet man bei [Weil 1984]. Weiter hat Joseph E. Hofmann zahlreiche Artikel u ¨ber einzelne Ergebnisse Fermats geschrieben, etwa [Hofmann 1961,Hofmann 1943,Hofmann 1944, Hofmann 1972]. 22 Diesen Brief findet man in Fermats Werken [Fermat 1891, II, 431–436]; eine ¨ spanische Ubersetzung hat [Albis 1999] erstellt.

6.4 Fermats Testament: Sein Brief an Carcavi

211

ausf¨ uhrlich diskutiert; aus diesem Grund haben wir manche Behauptungen (wie etwa 1.1) numeriert. ————————————————— 1. Und weil die gew¨ohnlichen Methoden, wie sie in den B¨ uchern stehen, ungen¨ ugend sind, um so schwierige S¨ atze zu beweisen, habe ich endlich einen ganz besonderen Weg gefunden, um ans Ziel zu gelangen. Ich habe diese Art des Beweises den unendlichen Abstieg (descente infinie) oder unbestimmten Abstieg (descente ind´efinie) genannt; zuerst habe ich diesen nur zum Beweis von negativen Propositionen benutzt, wie etwa der folgenden: 1.1 Dass es keine Zahl gibt, welche um 1 kleiner als ein Vielfaches der Drei ist, welche die Summe eines Quadrats und des Dreifachen eines Quadrats ist. 1.2 Dass es kein rechtwinkliges Dreieck mit ganzzahligen Seiten gibt, dessen Fl¨ache eine Quadratzahl ist. Der Beweis wird durch ἀπαγωγην εὶς ἀδύνατον gef¨ uhrt, und zwar so: Wenn es ein rechtwinkliges Dreieck mit ganzzahligen Seite gibt, dessen Fl¨ache eine Quadratzahl ist, dann gibt es ein anderes, kleineres Dreieck, welches dieselbe Eigenschaft besitzt. Dann g¨abe es, mit einem ¨ ahnlichen Argument, ein drittes, welches kleiner als das zweite ist, mit dieser Eigenschaft, dann endlich ein viertes, ein f¨ unftes usw. bis ins Unendliche durch den Abstieg. Nun gibt es, f¨ ur eine gegebene Zahl, keine unendlich vielen kleinere als jene (denn ich spreche immer von ganzen Zahlen). Daraus schließt man, dass es unm¨oglich ein rechtwinkliges Dreieck geben kann, dessen Fl¨ache eine Quadratzahl ist: Denn wenn es ein solches mit rationalen Seiten g¨ abe, dann g¨abe es auch eines mit ganzzahligen Seiten, was aber nicht sein kann, wie man durch Abstieg zeigen kann. Ich erkl¨ are hier nicht den Grund, wie man schließen kann, dass wenn es ein derartiges Dreieck gibt, es ein zweites derselben Art gibt, das kleiner als das erste ist, da die Ausf¨ uhrung zu lang w¨ are und dies das ganze Geheimnis meiner Methode ist. Ich w¨ urde es gerne sehen, dass die Pascals und Robervals und die andern Wissenschaftler dies mit meinen Hinweisen selbst suchen. 2. Lange Zeit konnte ich meine Methode nicht auf positive Fragen anwenden, da die Wege und Mittel, um ans Ziel zu gelangen, dort viel schwieriger sind als jene, deren ich mich bei den negativen Problemen bediente. Daher befand ich mich in großen N¨oten, als ich zeigen wollte, dass jede Primzahl, welche ein Vielfaches der Vier um eine Einheit u ¨bertrifft, aus zwei Quadraten zusammengesetzt ist. Endlich aber habe ich durch st¨ andiges Nachdenken die Erleuchtung gefunden, die mir fehlte, und die positiven Propositionen konnten

212

6 Fermat

durch meine Methode behandelt werden, mit Hilfe einiger neuer Prinzipien, die ich notgedrungen hinzuf¨ ugen musste. Dieser Fortschritt meiner Argumentation in positiven Fragen ist der folgende: wenn eine beliebige Primzahl, welche ein Vielfaches der 4 um eine Einheit u ¨bertrifft, nicht aus zwei Quadraten zusammengesetzt ist, dann gibt es eine Primzahl mit derselben Eigenschaft, welche kleiner als alle diese ist, und dann eine dritte, die noch kleiner ist etc., und durch unbegrenztes Absteigen kommt man endlich bei der Zahl 5 an, welches die kleinste von allen Zahlen dieser Art ist. Daraus w¨ urde folgen, dass diese nicht aus zwei Quadraten zusammengesetzt ist, was sie aber ist. Daraus muss man schließen, durch Ableiten aus dem Unm¨ oglichen, dass folglich alle Zahlen dieser Art aus zwei Quadraten zusammengesetzt sind. 3. Es gibt unendlich viele Fragen dieser Art, aber es gibt einige andere, welche neue Prinzipien f¨ ur die Anwendung des Abstiegs verlangen, und die Untersuchungen sind bisweilen so verzwickt, dass man nur mit gr¨oßter M¨ uhe ans Ziel gelangen kann. Eine solche ist die folgende Frage, von der Bachet in seinem Diophant zugibt, dass er sie nicht beweisen konnte, und wor¨ uber auch Descartes in einem seiner Briefe dieselbe Aussage macht und bemerkt, dass er sie f¨ ur so schwer h¨ alt, dass er keinen Weg sehe, auf dem man sie beweisen k¨ onne. Jede Zahl ist ein Quadrat oder aus zwei, drei oder vier Quadraten zusammengesetzt. Ich habe diese Proposition endlich unter meine Methode gezwungen und zeige, dass es zu einer gegebenen Zahl, die nicht diese Eigenschaft hat, eine kleinere gibt, die diese Eigenschaft ebenfalls nicht besitzt, dann eine dritte kleiner als die zweite usw. bis ins Unendliche; woraus man schließt, dass alle diese Zahlen von dieser Art sind. 4. Was ich Fr´enicle und andere gefragt habe, ist ebenso schwierig oder vielleicht noch schwieriger: Jede Zahl, die keine Quadratzahl ist, hat die Eigenschaft, dass es unendlich viele Quadratzahlen gibt, welche, wenn man sie mit der gegebenen Zahl multipliziert, eine Quadratzahl weniger 1 ergeben. Ich habe dies durch unendlichen Abstieg bewiesen, den ich auf eine ganz besondere Weise angewandt habe. Ich gestehe, dass Fr´enicle verschiedene spezielle L¨osungen gegeben hat, und Wallis ebenso, aber der allgemeine Beweis findet sich durch eine geeignete Anwendung des unendlichen Abstiegs; darauf weise ich sie hin, damit sie den Beweis und die allgemeine Konstruktion des Satzes und der Frage den speziellen L¨ osungen hinzuf¨ ugen, die sie gegeben haben. 5. Danach habe ich gewisse Fragen betrachtet, die zwar negativ sind, denen aber keine gr¨ oßeren Schwierigkeiten mehr entgegenstehen, wiewohl die Methode, um den unendlichen Abstieg anzuwenden, von den vorhergehenden vollkommen verschieden ist, wovon man sich leicht u ¨berzeugen kann. Es sind dies die folgenden:

6.4 Fermats Testament: Sein Brief an Carcavi

213

5.1 Es gibt keine dritte Potenz, die man in zwei dritte Potenzen zerlegen kann. 5.2 Es gibt nur ein einziges Quadrat, welches um 2 vermehrt eine Kubikzahl ergibt, n¨ amlich 25. 5.3 Es gibt nur zwei Quadratzahlen, welche um 4 vermehrt eine Kubikzahl ergeben, n¨amlich 4 und 121. 5.4 Alle quadrierten Potenzen von 2, um 1 vermehrt, sind Primzahlen. Diese letzte Frage ist eine sehr subtile und sehr kunstvolle Untersuchung, denn obwohl sie positiv formuliert ist, ist sie negativ; denn zu sagen, dass eine Zahl prim ist, ist gleichbedeutend damit zu sagen, dass sie durch keine Zahl echt teilbar ist. An diese Stelle setze ich die folgende Frage, von welcher ich den Beweis an Fr´enicle geschickt habe, nachdem er mir geschworen und schriftlich versichert hat, dass er ihn nicht finden k¨onne: Es gibt nur die beiden Zahlen 1 und 7, welche um 1 kleiner sind als eine doppelte Quadratzahl, und deren Quadrate dieselbe Eigenschaft besitzen. 6. Nachdem ich all diese Fragen angegangen hatte, von welchen der Großteil von unterschiedlicher Natur war und ganz verschiedene Beweise erforderte, bin ich dazu u osung der einfachen und ¨bergegangen, allgemeine Regeln zur L¨ doppelten Gleichungen des Diophant zu finden. Betrachten wir z.B. 2Q + 7967 gleich einem Quadrat. Ich besitze eine allgemeine Regel zum L¨osen dieser Gleichung, falls sie m¨oglich ist, oder zur Entdeckung ihrer Unm¨ oglichkeit, und zwar in allen F¨ allen und f¨ ur alle Zahlen sowohl der Quadrate wie auch der Einheiten. Betrachten wir folgende Doppelgleichung: 2N + 3

und

2N + 5

beide gleich einem Quadrat.

Bachet r¨ uhmt sich, in seinen Kommentaren zu Diophant, eine Regel in zwei speziellen F¨allen gefunden zu haben; ich gebe eine allgemeine Regel in allen Arten von F¨allen und bestimme mit ihrer Hilfe, ob die Gleichung m¨ oglich ist oder nicht. Danach habe ich die meisten korrumpierten Propositionen Diophants rekonstruiert, und ich habe solche gel¨ost, von denen Bachet gestanden hat, sie nicht zu kennen, und vor denen sogar Diophant gez¨ ogert hat, und gebe Beweise und Beispiele wie es mir gef¨ allt. ur Probleme dieser Art Es ist u ¨brigens nicht schwer, eine allgemeine Regel f¨ zu geben, sodass die Bedingungen, die Bachet gegeben hat, seiner kaum w¨ urdig sind, denn man kann sie leicht auf unendlich viele F¨alle ausdehnen, und sogar auf alle m¨ oglichen F¨alle, von denen er nur zwei gefunden hat. 7. Ich gestehe, dass meine Erfindung zur Entdeckung, ob eine gegebene Zahl prim ist oder nicht, nicht vollkommen ist, aber ich habe viele Wege und Methoden, um die Zahl der Divisionen zu reduzieren und die u ¨blichen Rechnungen

214

6 Fermat

deutlich zu verringern. Ich denke, es w¨are eine große Hilfe f¨ ur die Wissen¨ schaftler, wenn Fr´enicle seine diesbez¨ uglichen Uberlegungen ver¨ offentlichen w¨ urde. 8. Die Frage, die mich besch¨aftigt hat, ohne dass ich bisher eine L¨ osung finden konnte, ist die folgende, welche im letzten Buch Diophants De multangulus numeris enthalten ist: F¨ ur eine gegebene Zahl herauszufinden, auf wie viele Arten sie polygonal ist. Der Text Diophants ist korrumpiert, und wir k¨onnen seine Methode nicht erahnen; diejenige von Bachet u ur große Zahlen ¨berzeugt mich nicht und ist f¨ zu schwierig. Ich habe zwar eine bessere Methode gefunden, aber ich bin damit noch nicht zufrieden. 9. Gem¨ aß dieser Proposition muss man die L¨osung des folgenden Problems suchen: Eine Zahl zu finden, welche so oft polygonal ist, wie man m¨ ochte, und die kleinste solche Zahl zu finden, welche diese Eigenschaft besitzt23 . 10. Dies ist die Zusammenfassung meiner Tr¨ aumereien u ¨ber das Thema der Zahlen. Ich habe diese nur deswegen aufgeschrieben weil ich f¨ urchte, dass mir die Zeit fehlen wird, die ganzen Beweise und Methoden auszubreiten; jedenfalls werden diese Hinweise den Mathematikern dienen, selbst diejenigen Beweise zu finden die ich nicht ausf¨ uhren kann, insbesondere wenn die Herren Carcavi und Fr´enicle ihnen die Beweise zur Verf¨ ugung stellen, die ich ihnen u ¨ber negative Propositionen geschickt habe. Und vielleicht wird mir die Nachwelt dankbar sein daf¨ ur, dass ich ihnen gezeigt habe, dass die Alten nicht alles wussten, und diese Zusammenfassung wird von denen, welche nach mir kommen, aufgefasst werden als eine Weitergabe der Fackel an die n¨ achste Generati” on“, wie der große Kanzler Englands sagt, gem¨aß dem Ausspruch und dem Motto, welchem ich hinzuf¨ uge: Multi pertransibunt et augebitur scientia. ————————————————— Der Beginn des Briefes ist nicht erhalten; vielleicht ging es dort um die gew¨ohnlichen Methoden“, also diejenigen, die man bei Euklid und vor al” lem bei Diophant finden kann. Weil sich Fermat nur mit seiner Methode“ ” befasst, wollen wir zuerst die gr¨oßte L¨ ucke schließen, die der Brief l¨ asst, und den kleinen Fermatschen Satz besprechen.

6.5 Der kleine Fermatsche Satz Fermat erw¨ahnt Diophant erstmals in einem Brief an Mersenne vom September 1636, allerdings dreht sich seine Korrespondenz vor 1640 fast ausschließlich 23

Diese Frage hat sp¨ ater auch Euler besch¨ aftigt.

6.5 Der kleine Fermatsche Satz

215

um die Bestimmung von Fl¨achen und Tangenten. Fr´enicle schreibt erstmals im M¨arz 1640 an Mersenne und bemerkt, die Leistungen Fermats auf dem Gebiet der magischen Quadrate seien sehr bescheiden. Im August 1640 schreibt Fermat in seinem Brief24 an Roberval: Fr´enicle hat mir seit einiger Zeit die Freude gegeben, die Geheimnisse der Zahlen zu entdecken, in welchen er, so scheint es mir, ¨außerst versiert ist. Ich habe ihm die sch¨onen Propositionen u ¨ber geometrische Folgen, die mit der Einheit beginnen, geschickt, welche ich nicht nur entdeckt, sondern auch bewiesen habe, auch wenn deren Beweis ziemlich versteckt liegt [. . . ]. Fermat hatte einen Spezialfall seiner sch¨onen Propositionen“ erstmals in ei” nem Brief25 an Mersenne vom Juni 1640 formuliert: Wenn der Exponent prim ist, dann wird sein Radikal minus 1 geteilt vom Doppelten des Exponenten. Als Radikal zum Exponenten n einer mit 1 beginnenden geometrischen Reihe 1, a, a2 , a3 , . . . bezeichnet Fermat dabei die Zahl an − 1. Die Behauptung ist ur Primzahlen p durch 2p teilbar ist. also, dass 2p − 2 f¨ Wie Fermat seinen Satz bewiesen hat ist nicht bekannt. Vielleicht ist die fol¨ gende Uberlegung aber nicht allzu weit von Fermats Idee entfernt. Betrachten wir den Fall p = 7, so lassen die Teiler von 2n die folgenden Reste bei der Teilung durch 7: 1 2 3 4 5 6 n Rest von 2n 2 4 1 2 4 1 Diese (und ¨ahnliche Tabellen f¨ ur andere Primzahlen) legen den Verdacht nahe, dass sich die Reste zyklisch wiederholen. Dies kann man wie folgt beweisen. a) Es gibt eine Zahl k > 1 derart, dass 2k − 1 durch p teilbar ist. Da es n¨amlich nur endlich viele m¨ogliche Reste gibt, muss ein Rest mindestens zweimal auftauchen. Wenn 2m und 2m+k denselben Rest lassen, dann teilt p die Differenz 2m+k − 2m = 2m (2k − 1). Weil p ungerade ist, muss p den zweiten Faktor teilen. b) Die Reste von 2n bei der Teilung durch p wiederholen sich; genauer bestehen sie aus Zyklen der L¨ange k. Der erste Zyklus besteht aus den Resten von 21 − 1, 22 − 1, . . ., 2k − 1; der Rest von 2k+1 − 1 = 2(2k − 1) + 1 ist offenbar gleich dem von 2 − 1 = 1, da 2k − 1 durch p teilbar ist. Danach wiederholen sich die Reste. 24 25

Siehe [Fermat 1891, S. 203] Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 195–199]

216

6 Fermat

c) Sei k > 1 die kleinste Zahl, f¨ ur die 2k − 1 durch p teilbar ist. Dann ist k ein Teiler von p − 1. Wir betrachten die von den Potenzen von 2 gelieferten Reste. Wenn diese alle p − 1 m¨oglichen Reste ergeben, dann ist k = p − 1. Ist 1 < a < p ein Rest, der nicht durch Division einer Potenz von 2 durch p entsteht, dann aren die Reste von 2m a sind auch 21 a, 22 a, . . ., 2k a solche Reste, denn w¨ n m n und 2 f¨ ur n < m ≤ k gleich, so m¨ usste 2 a − 2 und nach Multiplikation mit 2k−m auch 2k a − 2k+n−m = (2k − 1)a + a − 2k+n−m durch p teilbar sein. Aber dann w¨are a entgegen der Voraussetzung unter den Resten einer Potenz von 2. Machen die Reste von 2m und 2m a alle p − 1 Reste aus, so ist p − 1 = 2k. Wenn nicht, sei 1 < b < p ein Rest, der nicht vorkommt. Dann zeigt dasselbe Argument wie oben, dass auch die Reste 21 b, 22 b, . . ., 2k b nicht vorkommen. Sind dies alle Reste, ist p − 1 = 3k, wenn nicht, wiederholen wir das Spiel. Eine Anspielung auf einen solchen Beweis findet sich in Fermats Brief26 an Fr´enicle vom 18. Oktober 1640: Jede Primzahl teilt notwendig eine der Potenzen −1 jeder Progression, und der Exponent dieser Potenz ist ein Teiler der gegebenen Primzahl −1; und sobald die erste Potenz gefunden ist, die dieser Eigenschaft gen¨ ugt, dann gen¨ ugen ihr auch alle, deren Exponenten Vielfache des Exponenten der erste Potenz sind. Fermat hat seinen Satz durch Untersuchungen der Teiler von Zahlen der Form 2n −1 gewonnen, und er wendet ihn in der Folge auf die Bestimmung der Form solcher Teiler an. In seinem Brief27 vom August 1640 an Fr´enicle formuliert n er die Vermutung, dass alle Zahlen der Form 22 + 1 prim sind und gibt zu, dass er daf¨ ur keinen Beweis habe. Allerdings habe er sehr viele Primteiler ausschließen k¨onnen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Fermat erkannt hat, n dass jeder Primteiler von 22 + 1 die Form p = 2n+1 · k + 1 besitzt. Diese Beobachtung folgt sofort aus dem obigen Beweis von Fermats kleinem Satz: Ist r der kleinste Exponent von 2, f¨ ur den 2r − 1 durch p teilbar ist, n dann muss r ein Teiler von p − 1 sein. Ist nun p ein Primteiler von 22 + 1, n+1 n n − 1 = (22 − 1)(22 + 1) offenbar so ist dieser kleinste Exponent wegen 22 n+1 ; damit ist dann p − 1 wie behauptet ein Vielfaches gegeben durch r = 2 von 2n+1 . Fermat bleibt bei diesen Beobachtungen nicht stehen; in einem Brief28 an Fr´enicle vom 18. Oktober 1640 listet er weitere Ergebnisse auf: 26

Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 209]. Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 205–206]. 28 Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 206–212]. 27

6.6 Der unendliche Abstieg

217

1. Primzahlen p = 4n + 3, welche Teiler von x2 − 2, x2 − 8, x2 − 32 etc. sind, p−1 haben die Eigenschaft, dass sie auch 2 2 − 1 teilen. 2. Primzahlen p = 4n + 3, welche Teiler von x2 − 3, x2 − 27, x2 − 243 etc. p−1 sind, haben die Eigenschaft, dass sie auch 3 2 − 1 teilen. 3. Primzahlen a2 + 2 teilen keine Zahlen der Form x2 − 2. Fermat behauptet hier Spezialf¨alle des Eulerschen Kriteriums. W¨ are p = a2 +2 2 2 2 2 ein Teiler von x − 2, dann auch von p + x − 2 = a + x . Dies ist aber wegen p = 4n+3 nur dann m¨oglich, wenn p Teiler von a und x ist (siehe den n¨ achsten Abschnitt), was aber wegen a < p nicht sein kann. Falls Fermat weitere Untersuchungen zu diesem Thema angestellt hat, dann hat er dar¨ uber nichts verlauten lassen. Es gibt zwar noch eine Reihe von verwandten Behauptungen, zu einer ausgereiften Theorie der quadratischen Reste dringt Fermat aber nicht durch.

6.6 Der unendliche Abstieg Die Idee des unendlichen Abstiegs taucht, wie wir gesehen haben, bereits bei Euklid und Bachet auf, allerdings eher als einmaliger Trick. Fermat hat diese Beobachtung zu seiner Methode“ gemacht. ”

Negative Propositionen Von den im ersten Abschnitt seines Briefs an Carcavi gegebenen Beispielen von S¨atzen, die Fermat mit dem unendlichen Abstieg bewiesen hat, ist das Beispiel 1.1 problematisch: So, wie die Aussage formuliert ist, muss sie f¨ ur Fermat im Jahre 1659 eine Trivialit¨at gewesen sein, die er kaum in diesem Brief erw¨ahnt h¨atte; schließlich braucht man, um zu zeigen, dass die Gleichung ur Primzahlen p = 3n + 2 nicht gelten kann, nur beachten, dass p = x2 + 3y 2 f¨ Quadratzahlen immer die Form 3n oder 3n + 1 besitzen. Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass Huygens sich beim Abschreiben vertan hat, und dass es in Wirklichkeit um die Aussage geht, dass Primzahlen p = ur teilerfremde x, y sein 3n + 2 keine Teiler von Zahlen der Form x2 + 3y 2 f¨ k¨onnen. Dies kann man tats¨achlich mit unendlichem Abstieg beweisen. Dazu sei p ein Teiler von x2 + 3y 2 , also etwa mp = x2 + 3y 2 , wobei x und y teilerfremd sein sollen. Indem wir von x und y geeignete Vielfache von p subtrahieren, k¨onnen wir erreichen, dass x und y betragsm¨ aßig kleiner als 1 p sind, und daraus folgt m < p. Sollte m und damit x durch 3 teilbar sein, 2 k¨ onnen wir die Gleichung durch 3 teilen und erhalten eine Gleichung desselben Typs, in welcher x nicht durch 3 teilbar ist. Dann ist aber x2 + 3y 2 von der

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6 Fermat

Form 3n + 1, und weil p die Form 3n + 2 hat, muss auch m die Form 3n + 2 haben. Also ist m durch eine Primzahl q der Form 3n + 2 teilbar, und wegen m < p ist erst recht q < p. Wenn es also eine Primzahl p der Form 3n + 2 gibt, welche ein Teiler von x2 + 3y 2 mit teilerfremden Zahlen x und y ist, dann gibt es eine Primzahl q < p mit derselben Eigenschaft. Dies ist aber unm¨ oglich, da nat¨ urliche Zahlen nicht unbegrenzt kleiner werden k¨ onnen. Die entsprechende Aussage, dass Primzahlen der Form p = 4n − 1 keine Summe zweier teilerfremder Quadrate teilen k¨onnen, hat Fermat im August 1640 Roberval29 mitgeteilt; diese Entdeckung hat er mit folgenden Worten eingeleitet: Aber hier ist das, was ich seither auf dem Gebiet der Proposition 12 des f¨ unften Buchs von Diophant entdeckt habe [. . . ]. Mit seither“ bezieht sich Fermat auf die vorangehende Aussage, dass Fr´enicle ” ihn zu zahlentheoretischen Untersuchungen angeregt habe (vgl. das Zitat auf S. 215). Dies legt nahe, dass Fermat seinen kleinen Satz und die Tatsache, dass Primzahlen der Form p = 4n − 1 keine Summen teilerfremder Quadrate teilen, zwischen M¨arz und August 1640 entdeckt und bewiesen hat. Als n¨achstes skizziert Fermat in seinem Brief an Carcavi, wie man seine zweite Aussage 1.2 beweisen kann: Wie diese Zeilen noch einmal zeigen, war Fermat definitiv im Besitz eines Beweises f¨ ur die Nichtexistenz rationaler Dreiecke, deren Fl¨ache eine Quadratzahl ist30 . In seinem Brief31 , den Mersenne an Andr´e Jumeaux de Sainte-Croix weiterleiten sollte, und der irgendwann zwischen 1636 und 1640 geschrieben worden ist, stellt Fermat vier Probleme, und zwar ohne zu behaupten, dass er die L¨osung besitze32 : Obwohl ich sehr gerne zugebe, dass ich noch gar nicht dazugekommen bin, die Frage des Herrn St.-Croix zu l¨osen, werde ich mir von Ihnen doch die Erlaubnis erbitten, als Gegenleistung f¨ ur die Zahlen, die er bekanntgegeben hat, an Sie die L¨osung Ihrer Probleme richten zu d¨ urfen und ihm in meinem Namen einige Fragen vorzulegen, die er, 29

Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 203]. Siehe [Goldstein 1995] hat die Geschichte dieses Problems ausf¨ uhrlich untersucht. 31 Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 63–71; III, S. 286–292]. [Itard 1948] datiert den Brief auf Juni 1638. Obwohl Fermat expressis verbis schreibt, dass er seinen Fragen zur Unl¨ osbarkeit der kubischen und biquadratischen Fermatgleichung zwei Propositionen anf¨ ugt, die er beweisen kann, geht Itard davon aus, dass Fermat zu diesem Zeitpunkt den Unm¨ oglichkeitsbeweis zumindest der Gleichung mit Exponent 4 kennt. 32 ¨ Die folgende Ubersetzung habe ich zum Teil [Czerweny 1909] entnommen, der einer fundierten historischen Analyse des Fermatschen Problems einen Beweis“ der ” Fermatschen Vermutung folgen l¨ asst. 30

6.6 Der unendliche Abstieg

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Abb. 6.6.1. Fermatstatue an der fr¨ uheren Facult´e des Sciences in Toulouse. Foto: Klaus Barner

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6 Fermat wie ich glaube, nicht so bald entwirren wird, trotz der hohen Meinung, die Sie von ihm haben und der ganz besonderen F¨ahigkeiten seines Geistes. Um besonders schwere Beispiele zu w¨ahlen und so, seinem Wunsche gem¨aß, den Beweis von der Sch¨arfe seines Verstandes r¨ uhmlicher zu gestalten, w¨ ahle ich folgende S¨atze: 1. Ein rechtwinkliges Dreieck mit ganzzahligen Seiten zu finden, dessen Inhalt wieder eine Quadratzahl ist. 2. Gegeben sei die Hypotenuse eines rechtwinkligen Dreiecks mit ganzzahligen Seiten, sowie das Produkt seiner drei Seiten. Es sind die Grenzen zu bestimmen, zwischen denen der Inhalt des Dreiecks liegt. 3. Zwei Biquadrate zu suchen, deren Summe ein Biquadrat ist, oder zwei Kubikzahlen, deren Summe eine Kubikzahl ist. 4. Drei Quadratzahlen in arithmetischer Progression zu suchen, deren Differenz ebenfalls eine Quadratzahl ist.

Fermat hat sicherlich damals schon geahnt, dass seine Probleme 1, 3 und 4 keine L¨osung besitzen; mit solchen Aufgaben hat er sich wenig Freunde gemacht, weil er nicht wie seine Zeitgenossen explizit die M¨ oglichkeit formuliert hat, dass die Aufgaben nicht l¨osbar sein k¨onnten. So hat etwa Fermats Korrespondenzpartner Andr´e Jumeaux, der Prior von St.-Croix, u ¨ber den man praktisch nichts weiß, Fermat 1636 das Problem gestellt, zwei Dreieckszahlen zu finden, sodass sich Quadrate ergeben, wenn man zu ihnen eine Dreieckszahl addiert, welche gleichzeitig ein Quadrat ist; außerdem soll die Summe der Seiten der erhaltenen Quadrate gleich der ersten Dreieckszahl sein, und das Produkt ersten Dreieckszahl mit seinem Mittelwert“ (?) gleich der zwei” ten Dreieckszahl. Jumeaux gab das Beispiel der Dreieckszahlen 15 und 120, und erwartete andere Zahlen oder den Nachweis, dass dies unm¨ oglich sei. Im gegebenen Beispiel ist 15 + 1 = 42 , 120 + 1 = 112 , 4 + 11 = 15 und 15 · 8 = 120. Im Anschluss an die Formulierung dieser Aufgaben schreibt Fermat, dass er diesen Problemen zwei S¨atze hinzuf¨ uge, die er beweisen werde, falls dem Prior von Sainte-Croix dies nicht gelinge (wie immer ein leeres Versprechen); jedenfalls unterscheidet er zwischen den obigen vier Problemen und den nachfolgenden S¨atzen, die er glaubt, beweisen zu k¨ onnen. In seinem Brief an Carcavi schreibt Fermat ziemlich direkt, dass er sich mit der kubischen Gleichung x3 +y 3 = z 3 erst nach seiner Herausforderung an die englischen Mathematiker im Jahre 1657 mit Erfolg besch¨aftigt habe. Es ist allerdings anzunehmen, dass Fermat bereits wusste, dass diese Probleme zusammenh¨angen. Es ist n¨amlich nicht schwer, sich davon zu u ¨berzeugen, dass die folgenden Aussagen ¨aquivalent sind: (1) Es gibt kein rechtwinkliges Dreieck mit ganzzahligen Seiten, dessen Fl¨ ache ein Quadrat ist.

6.6 Der unendliche Abstieg

221

(2) Die diophantische Gleichung x4 − y 4 = z 2 hat keine L¨ osung in positiven ganzen Zahlen. osung in positiven (3) Die diophantische Gleichung x4 + 4y 4 = z 2 hat keine L¨ ganzen Zahlen. (4) Es gibt keine drei Quadrate in arithmetischer Progression, deren Differenz ebenfalls ein Quadrat ist. Sind, um nur ein Beispiel zu geben, a2 = b2 −n2 , b2 und c2 = b2 +n2 Quadrate in einer arithmetischen Progression, deren gemeinsame Differenz n2 ebenfalls osbarkeit der Gleichung ein Quadrat ist, dann folgt (ac)2 = b4 − n4 , also die L¨ in (2). An anderer Stelle33 hat Fermat auch behauptet, es gebe keine vier Quadrate in arithmetischer Progression.

Abb. 6.6.2. Babylonische Tripel aus Fr´enicles Brief vom 6.09.1641 an Fermat

Die Frage nach zwei Quadraten in arithmetischer Progression l¨ auft u ¨brigens auf babylonische Tripel (a, b, c) hinaus, also ganzzahlige L¨ osungen der Gleichung c2 − b2 = b2 − a2 . Bilden n¨amlich die Quadratzahlen a2 , b2 und c2 eine arithmetische Progression, dann sind die Differenzen b2 −a2 und c2 −b2 gleich. Solche Tripel ganzer Zahlen wurden in Briefen zwischen Fermat und Fr´enicle im Jahre 1641 ausf¨ uhrlich thematisiert (siehe Abb. 6.6.1). In seinem Brief34 an Fr´enicle untersucht Fermat pythagoreische Tripel (a1 , b1 , c1 ) und (a2 , b2 , c2 ) mit b1 − a1 = c2 − b2 und c1 − b1 = b2 − a2 und gibt als ein Beispiel die Tripel (11, 60, 61) und (119, 120, 169). Zu deren Konstruktion, so Fermat, m¨ usse man drei Quadrate in arithmetischer Progression suchen, etwa 1, 25 und 49. Dann bilde man das erste Dreieck aus der Summe der Seiten der beiden ersten und der Seite des zweiten Quadrats, also aus 1 + 5 = 6 und 5, was auf das Tripel 62 − 52 = 11, 2 · 5 · 6 = 60 und 62 + 52 = 61 f¨ uhrt; das zweite Dreieck bilde man entsprechend aus der Seite des zweiten Quadrats und der Summe der Seiten der beiden letzten Quadrate, also aus 5 und 5 + 7, was auf das pythagoreische Tripel 122 − 52 = 119, 2 · 5 · 12 = 120 und 122 + 52 = 169 33 34

Siehe seinen Brief [Fermat 1891, vol. II, S. 195] an Fr´enicle vom Juni 1640. Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 223].

222

6 Fermat

f¨ uhrt. In seiner Antwort35 gibt Fr´enicle eine Konstruktion aller Tripel von Quadraten in arithmetischer Progression aus pythagoreischen Tripeln. Fermat war nat¨ urlich klar, dass er, wenn einer seiner Korrespondenten auch nur eines der obigen Probleme (1) bis (4) l¨osen konnte, damit sofort auch die andern Aufgaben erledigen k¨onnen w¨ urde. Auch k¨onnen wir Fermats Frustration nachvollziehen: Egal wie oft er eines dieser Probleme anpackte, er landete immer bei einem anderen. Irgendwann muss ihm aber das Licht aufgegangen sein, dass man diesen Schritt nur zweimal hintereinander zu machen braucht, um wieder bei der Ausgangsgleichung zu landen: Damit ist unendlicher Abstieg anwendbar, und dieser zeigt, dass keines der obigen Probleme eine L¨osung in positiven ganzen Zahlen besitzt. Diese pl¨otzliche Erleuchtung ist ihm aber, wie man dem Brief an Carcavi wohl entnehmen darf, erst gekommen, nachdem er gesehen hat, dass man mittels unendlichem Abstieg zeigen kann, dass Primteiler von Summen teilerfremder Quadrate immer die Form 4n + 1 haben, also nicht vor Ende 1640.

Positive Propositionen Nach diesen beiden Beispielen f¨ ur negative Propositionen“ wendet sich Fer” mat den positiven Aussagen, also Existenzs¨atzen zu. Wenn Fermat im Jahre 1659 schreibt, dass er f¨ ur eine lange Zeit“ nicht in ” der Lage war, positive Fragestellungen mit seiner Methode des unendlichen Abstiegs anzugreifen (Abschnitt 2. seines Briefs), dann sind damit sicherlich nicht einige Monate“ gemeint. Den unendlichen Abstieg hat er zuerst 1640 ” auf negative Fragestellungen anwenden k¨onnen, etwa auf den Beweis des Satzes, dass kein Teiler von x2 + 3y 2 die Form 3n + 2 hat. Erst in seinem Brief36 an Pascal vom 25. September 1654 behauptet Fermat, S¨ atze wie den Zweiquadratesatz beweisen zu k¨onnen, also die Behauptung, dass sich jede Primzahl der Form 4n + 1 als Summe zweier Quadrate schreiben l¨ asst. Die Entdeckung dieses Beweises muss man daher auf die Jahre zwischen 1641 und 1654 datieren. Fermats Beweisidee d¨ urfte dieselbe gewesen sein wie diejenige, die sich heute noch in den B¨ uchern findet: Wir nehmen an, die Primzahl p = 4n + 1 sei keine Summe zweier Quadrate; dann zeigt man, dass sich ein Vielfaches von p als Summe zweier teilerfremder Quadrate darstellen l¨ asst, also mp = x2 + y 2 , und ¨andert x und y so ab, dass m < p wird. Sei q ein Primteiler von m; dann ist q ebenfalls von der Form 4n + 1. Ist q nicht Summe zweier Quadrate, hat man eine Primzahl q < p von der Form 4n + 1 gefunden, die nicht Summe zweier Quadrate ist, und der unendliche Abstieg liefert den gew¨ unschten Wip. Jetzt nimmt derspruch. Ist q Summe zweier Quadrate, dann auch m p = m q 35 36

Siehe den Brief [Fermat 1891, vol. II, S. 232] vom 6. September 1641. Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 310–314]

6.6 Der unendliche Abstieg

223

man einen Primfaktor q  von m < m und f¨ahrt fort, bis man bei p = x2 + y 2 im Widerspruch zur Annahme landet. Der Zweiquadratesatz ist f¨ ur Fermat aber nur ein Zwischenschritt in Richtung hin auf ein Resultat, auf das er noch viel stolzer ist: In Abschnitt 3. formuliert er den Vierquadratesatz, wonach sich jede nat¨ urliche Zahl als Summe von h¨ ochstens vier Quadraten schreiben l¨asst. Dies ist ein beachtliches Ergebnis: der Beweis des Vierquadratesatzes ist nicht einmal Euler, sondern erst Lagrange gegl¨ uckt. Es hat den Anschein, als w¨ are dieser Beweis zum Zeitpunkt, an dem Fermat den Brief verfasst, noch nicht allzu alt. Der Vierquadratesatz ist ein Spezialfall des allgemeineren Polygonalzahlensatzes, von dem Fermat bereits am Beginn seiner Karriere behauptete, ihn beweisen zu k¨onnen, also noch bevor er wusste, wie man etwa den Zweiquadratesatz angreift. In seinem Brief37 an Mersenne, den dieser an Jumeaux de Sainte-Croix weitergeben sollte, und der etwa zwischen September 1636 und Juni 1638 geschrieben worden sein d¨ urfte (am 27. Juli 1638 schreibt Descartes in einem Brief an Mersenne, dass er diesen Satz von Jumeaux kennt), z¨ ahlt Fermat die vier Probleme auf, die wir schon auf S. 220 gegeben haben, und f¨ ahrt dann fort: Diesen vier Problemen f¨ uge ich zwei S¨atze hinzu, welche ich entdeckt habe, und von welchen ich den Beweis von Sainte-Croix erwarte. Wenn mein Warten umsonst ist, werde ich diesen Beweis geben. Diese zwei Propositionen sind u ¨brigens sehr bemerkenswert: 1. Jede Zahl ist die Summe von von von von von

1, 2 oder 3 Dreieckszahlen, 1, 2, 3 oder 4 Quadratzahlen, 1, 2, 3, 4 oder 5 Pentagonalzahlen, 1, 2, 3, 4, 5 oder 6 Hexagonalzahlen, 1, 2, 3, 4, 5, 6 oder 7 Heptagonalzahlen,

usw. bis ins Unendliche. Diophant scheint die zweite Proposition als wahr anzunehmen, und die Wahrheit dieses Satzes wurde von Bachet numerisch best¨ atigt, aber er hat keinen Beweis gegeben. [. . . ] 2. Wenn man eine Einheit von einem Vielfachen der 8 abzieht, dann erh¨ alt man eine Zahl, welche nur Summe von vier Quadraten ist, nicht nur in ganzen Zahlen, was andere erkannt haben k¨ onnen, sondern auch in gebrochenen Zahlen, was ich mich zu beweisen verpflichte. 37

Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 63–71; III, S. 286–292]

224

6 Fermat

Abb. 6.6.3. Fermatstatue in Beaumont de Lomagne. Foto: Klaus Barner

6.6 Der unendliche Abstieg

225

Die Bachetsche Behauptung, Diophant m¨ usse den Vierquadratesatz gekannt haben, haben wir schon im letzten Kapitel (Seite 194) ins Reich der Phantasie verbannt.

Abb. 6.6.4. B¨ usten von Pascal and Descartes in der Bibliothek Sainte-Genevi`eve in Paris; Alain Juhel

Im September 1654 kommt Fermat in seinem Brief38 an Blaise Pascal wieder auf den Polygonalzahlensatz zu sprechen und bemerkt, dass man zu seinem Beweis folgende Propositionen beweisen m¨ usse: 1. Primzahlen p = 4n + 1 sind Summen zweier Quadrate; 2. Ist eine Primzahl p = 4n + 1 gegeben, z.B. 53, so finde man die beiden Quadrate, aus denen diese Zahl zusammengesetzt ist. 3. Primzahlen p = 3n + 1 k¨onnen in der Form x2 + 3y 2 dargestellt werden. 4. Primzahlen p = 8n + 1 und p = 8n + 3 k¨ onnen in der Form x2 + 2y 2 dargestellt werden. 5. Es gibt kein rechtwinkliges Dreieck mit ganzzahligen Seiten, dessen Fl¨ acheninhalt eine Quadratzahl ist. Beim ersten Lesen erwecken diese Zeilen den Eindruck, als m¨ ochte Fermat uns sagen, der Polygonalzahlen-Satz w¨ urde aus diesen f¨ unf Propositionen folgen. 38

Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 310–314]

226

6 Fermat

Das ist aber auf den zweiten Blick nicht sehr wahrscheinlich, da die letzte Aussage beim besten Willen nichts mit dem Polygonalzahlen-Satz zu tun hat. Es erscheint einleuchtender anzunehmen, dass Fermat sagen wollte, dass man zum Beweis des Satzes eine Technik braucht, die man auch zum Beweis der f¨ unf Propositionen benutzen muss, n¨amlich den unendlichen Abstieg. Auf der andern Seite kann man nat¨ urlich feststellen, dass die Aussagen u ¨ber quadratische Formen implizieren, dass alle Primzahlen der Formen 4n + 1, 8n + 3 oder 3n + 1 Summen von h¨ochstens vier Quadratzahlen sind, da sie in der Form x2 + y 2 , x2 + y 2 + y 2 bzw. x2 + y 2 + y 2 + y 2 geschrieben werden k¨ onnen. In seinem Brief an Carcavi ist jedenfalls vom Polygonalzahlensatz keine Rede mehr – ein Eingest¨andnis, dass der Beweis, den Fermat in seinen jungen Jahren zu besitzen glaubte, nicht stichhaltig war? Dagegen spricht, dass er im Juni ur den fr¨ uher an Jumeaux mitgeteilten Satz 1658 an Digby39 schreibt, dass er f¨ einen Beweis besitze.

6.7 Brouncker Fermats n¨achstes Ergebnis in Abschnitt 4 seines Briefes an Carcavi ist die L¨osbarkeit der Gleichung N x2 + 1 = y 2 . Diese war Gegenstand der Herausforderung Fermats vor allem in Richtung der englischen Mathematiker Wallis und Brouncker, die zum Zeitpunkt des Briefes kaum zwei Jahre her war. Vermittler zwischen den beiden Parteien war der Engl¨ ander Kenelm Digby40 . Dieser wird am 11. Juli 1603 in Gayhurst geboren. Im Alter von 2 Jahren verliert er seinen Vater, der wegen seiner Beteiligung an einem Sprengstoffanschlag auf K¨onig Jakob I 1605 hingerichtet wird. Digby studiert in Oxford, verl¨asst die Universit¨at aber ohne Abschluss, um eine Reise durch Europa zu machen. Nach seiner R¨ uckkehr 1623 wird er geadelt, und 1625 heiratet er Venetia Stanley; 1628 arbeitet“ er f¨ ur ein Jahr als Freibeuter und wird ” 1629 Beamter. 1630 tritt der Katholik Digby zu den Anglikanern u ¨ber, aber nach dem Tod seiner Frau 1633 wird er wieder katholisch und beginnt, sich f¨ ur die Wissenschaft (Biologie, Chemie, Pharmazie, Magnetismus, Optik) zu interessieren. Im Englischen B¨ urgerkrieg, der von 1642 bis 1649 zwischen K¨ onigstreuen und den Verteidigern des Parlaments gef¨ uhrt wurde, k¨ ampft er auf Seiten des K¨onigs, wandert danach auf Geheiß des Parlaments ins Gef¨ angnis, und kommt 1643 frei. Er geht nach Frankreich, wo er im Auftrag der geflohenen K¨ onigin Henrietta Maria bei Papst Innozenz X. um Unterst¨ utzung f¨ ur die englische Monarchie bitten soll; als Charles II wieder an die Macht kommt, kehrt Digby nach London zur¨ uck. Im Sommer des Jahres 1656, ein Jahr nach dem Erscheinen der Arithmetica Infinitorum von John Wallis, h¨ alt sich Digby in Toulouse 39 40

Siehe [Fermat 1891, vol. III, S. 314–319]. Ein Portrait Digbys und seiner Zeit findet man bei [Moshenska 2017].

6.7 Brouncker

227

Abb. 6.7.1. Sir Kenelm Digby, nach einem Gem¨ alde von Anthonis van Dyck. Daneben Digbys Kochbuch mit Rezepten unter anderem f¨ ur Cider, Kirschwein, Bier etc.

auf und hat sich dort mit Fermat getroffen. Gestorben ist er am 11. Juni 1665; Digbys Sohn ver¨offentlicht posthum ein Kochbuch mit Rezepten seines Vaters. John Wallis (1616–1703) ist der Sohn des Pfarrers von Ashford, Kent, der starb, als Wallis 6 Jahre alt war. Er lernt Latein, Griechisch und Hebr¨ aisch, studiert in Cambridge diverse F¨acher, konzentriert sich dann aber auf Theologie und wird nach dem Studium Kaplan; Mathematik hat er sich neben seinem Studium selbst beigebracht. Bekannt ist er vor allem f¨ ur seine B¨ ucher, die Arithmetica Infinitorum und seine Algebra. William Brouncker wird 1620 in Castle Lyons in Irland geboren. Sein Vater war 1645 von der Englischen Krone geadelt worden, entweder f¨ ur seine Verdienste“ im Krieg zwischen England und Schottland oder gegen ei” ne betr¨achtliche Geldzahlung, wie es Ger¨ uchte wissen wollten. Samuel Pepys schreibt in seinem Tagebuch41 : [. . . ] er gab Mr. Ashburnham und dem jetzigen Lord Digby 1200 Pfund, um zu einem Irischen Lord gemacht zu werden, und schwor am selben Tag, dass er keine 12 pence mehr hatte, um sein Abendessen zu bezahlen. 41

Siehe [Wheatley 1893, S. 372], Eintrag vom 24. M¨ arz 1667.

228

6 Fermat

Abb. 6.7.2. John Wallis, Gravur von Michael Burghers. John Brouncker, Gem¨ alde

Zwei Monate sp¨ater stirbt der Viscount, und sein Sohn William erbt den Titel. In Oxford studiert dieser Medizin; nach seinem Abschluss liest er B¨ ucher u ¨ber Musik und Mathematik und versucht, als Beg¨ unstigter des K¨ onigs m¨ oglichst wenig aufzufallen: Der Englische B¨ urgerkrieg zwischen den Anh¨ angern des K¨ onigs und denen des Parlaments endet 1649 mit der Enthauptung Charles I; England wird zur Republik, und 1653 wird Oliver Cromwell Protektor. Nach Cromwells Tod kommt es 1660 zu Wahlen, bei denen Brouncker als Royalist gew¨ahlt wird; das Parlament beschließt die R¨ uckkehr zur Monarchie und setzt Charles II, den Sohn von Charles I, als K¨onig ein. Dieser dankt Brouncker f¨ ur dessen Loyalit¨at und macht ihn zum Kanzler von Queen Anne. Brouncker ist außerdem Mitbegr¨ under der Royal Society of London und wird ihr erster Pr¨ asident. Brouncker stirbt am 5. April 1684 in Westminster in London. Da er nie geheiratet hat (er lebte viele Jahre mit der Schauspielerin Abigail Williams zusammen), vererbte er seinen Titel an seinen Bruder Henry (1627–1688), dessen schlechter Ruf legend¨ar war.

Die erste Herausforderung Kenelm Digby sandte Fermat im Sommer 1656 von Paris aus eine Kopie von Wallis’ Arithmetica Infinitorum. Fermats Urteil u ¨ber dieses Buch findet man

6.7 Brouncker

229

in seinem Brief vom 20. April 1657 an Wallis, der aber nicht direkt an diesen adressiert war: die beiden korrespondierten u ¨ber Digby. Fermat schreibt, dass ihm die Resultate u ¨ber die Quadratur von Parabeln und Hyperbeln schon seit vielen Jahren bekannt seien. Dass Wallis den Großteil seiner Resultate nicht durch Beweise untermauert, kann Fermat nicht sonderlich beeindruckt haben, und er l¨asst Wallis dies auch sp¨ uren. Bevor er ihm aber sein Urteil u ¨bermitteln l¨asst, fordert er ihn und andere zu einem mathematischen Wettstreit auf: Am 3. Januar 1657 schreibt Fermat einen Brief42 an alle europ¨aischen Mathematiker“, besonders diejenigen in ” Frankreich, Holland und England, in welchem er diesen folgendes Problem stellt: Finde eine Kubikzahl, welche, zur Summe ihrer echten Teiler addiert, eine Quadratzahl liefert. ur die Als Beispiel gibt er die Zahl 343 = 73 , f¨ 343 + 1 + 7 + 49 = 400 = 202 . Gesucht sei, so Fermat, eine zweite derartige Kubikzahl. Außerdem m¨ oge man eine Quadratzahl bestimmen, die, zur Summe ihrer echten Teiler addiert, eine Kubikzahl liefert. F¨ ur Primzahlen p ist das erste Problem gleichbedeutend damit, weitere L¨osungen der diophantischen Gleichung 1 + p + p 2 + p3 = q 2

(6.1)

zu finden. Diese Gleichung kann man in der Form (1 + p)(1 + p2 ) = q 2 schreiben; f¨ ur ungerade Primzahlen folgt dann, da die Faktoren 1+p und 1+p2 den gr¨oßten gemeinsamen Teiler 2 haben, dass 1 + p = 2y 2 und 1 + p2 = 2z 2 ist. H¨atten die herausgeforderten Mathematiker nach einer weiteren L¨ osung gesucht, in der p prim ist, w¨are alles Suchen vergeblich gewesen. Fermat wusste n¨ amlich (siehe seinen Zusatz zu Fr´enicles Solutio43 ), dass 7 (neben der 1) die einzige Primzahl“ ist, f¨ ur welche p = 2y 2 − 1 und gleichzeitig p2 = 2z 2 − 1 ” ist. Diese Herausforderung kommt am 14. M¨arz bei William Brouncker in London an, der sie am darauffolgenden Tag an Wallis weiterleitet. Wallis antwortet bereits am 17. M¨arz und sagt, er habe gerade Wichtigeres zu tun, und dass die Zahl 1 beiden Bedingungen gen¨ uge. In einem Brief an Leibniz vom 3. April 1697 macht sich Johann Bernoulli immer noch u ¨ber die Wallissche Antwort lustig. 42 43

Siehe [Fermat 1891, vol. III, S. 311–312]. Siehe [Frenicle 1657] und vor allem [Hofmann 1943].

230

6 Fermat

Auch Fr´enicle erh¨alt Kenntnis von der Herausforderung und kann sofort L¨osungen der beiden Probleme angeben; als die Fragen schließlich Wallis erreichen, war er bereits u uhlt sich aber ¨ber die L¨osung durch Fr´enicle informiert, f¨ dennoch berufen, seine eigene L¨osung“ p = 1 als Antwort auf die Fermatsche ” Herausforderung anzusehen. Unter den L¨osungen, die Fr´enicle gegeben hat, sind p = 751530 = 2 · 3 · 5 · 13 · 41 · 47,

und

q = 27 · 32 · 52 · 13 · 17

f¨ ur das erste Problem, und p = 7 · 11 · 29 · 163 · 191 · 439,

und

q = 3 · 7 · 13 · 19 · 31 · 67

f¨ ur das zweite. Selbstverst¨andlich haben weder Fermat noch Fr´enicle diese L¨ osungen durch Probieren gefunden. Die Summe einer Zahl n und ihrer echten Teiler wird heute in Anlehnung an eine von Euler eingef¨ uhrte Notation mit σ(n) bezeichnet; Fermats Probleme fragen also nach L¨osungen der Gleichungen σ(p3 ) = q 2 und σ(p2 ) = q 3 . Fr´enicle und Fermat mussten bemerkt haben, dass σ multi” plikativ“ ist in dem Sinne, dass σ(mn) = σ(m)σ(n) f¨ ur teilerfremde Zahlen m und n gilt. So ist σ(4) = 1 + 2 + 4 = 7, σ(3) = 1 + 3 = 4, folglich σ(12) = 28, im Einklang mit 1 + 2 + 3 + 4 + 6 + 12 = 28. Die Frage nach σ(m2 ) = n2 hat Fermat nicht gestellt, da die Antwort zu leicht osung gewesen w¨are: aus σ(42 ) = σ(52 ) = 31 folgt ja sofort σ(202 ) = 312 . Zur L¨ der von Fermat gestellten Probleme ben¨otigt man lediglich Tabellen, welche die Werte von σ(m) f¨ ur Primzahlpotenzen m = pk sowie deren Primfaktorzerlegungen angeben, und das Wissen, dass die Funktion σ multiplikativ ist, also σ(mn) = σ(m) · σ(n) f¨ ur teilerfremde m und n gilt. Da Fr´enicle sich bereits fr¨ uher mit verwandten Problemen besch¨aftigt hatte, lagen ihm sicherlich umfangreiche Tafeln dieser Art vor, als er Fermats Brief erhielt. Die Werte in Tab. 6.1 gen¨ ugen bereits, um Fermats erstes Problem zu behandeln. p σ(p3 ) 2 3·5 3 23 · 5 5 22 · 3 · 13 7 24 · 52 11 23 · 3 · 61

p 13 17 19 23 29

σ(p3 ) 22 · 5 · 7 · 17 22 · 32 · 5 · 29 23 · 5 · 181 4 2 · 3 · 5 · 53 22 · 3 · 5 · 421

σ(p3 ) p 31 26 · 13 · 37 37 22 · 5 · 19 · 137 41 22 · 3 · 7 · 292 43 23 · 52 · 11 · 37 47 25 · 3 · 5 · 13 · 17

Tabelle 6.1. Werte von σ(p3 ) f¨ ur kleine Primzahlen p.

Beginnt man mit p = 47, so braucht man, um die Faktoren 13 und 17 von σ(473 ) in Quadratzahlen zu verwandeln, lediglich 473 mit 53 und 133 zu multiplizieren und erh¨alt

6.7 Brouncker

231 σ(53 132 473 ) = 29 · 32 · 52 · 7 · 132 · 172 .

Den Faktor 7 eliminieren“ wir mit σ(413 ), und dann sieht man sofort Fr´enicles ” L¨osung. F¨ ur Fermats zweites Problem sind bereits ausgedehntere Tabellen notwendig, wie die großen Primfaktoren in der L¨osung zeigen. Betrachtet man die Eintr¨age in Tabelle 6.2, so stellt man sofort fest, dass Zahlen der Form 1 + p + p2 außer durch 3 nur durch Primfaktoren der Form 3n + 1 teilbar sind. Multiplikation mit 4 und quadratische Erg¨anzung zeigt dann, dass als Teiler von x2 + 3 nur 2, 3 und Primzahlen der Form 3n + 1 in Frage kommen. p σ(p2 ) 2 7 3 13 4 31 5 31 11 7 · 19 29 13 · 67

p σ(p2 ) 67 3 · 72 · 31 79 3 · 72 · 43 137 7 · 37 · 73 163 3 · 7 · 19 · 67 191 7 · 132 · 31 211 3 · 13 · 31 · 37

p σ(p2 ) 2 263 7 · 13 · 109 313 3 · 1812 2 373 3 · 7 · 13 · 73 439 3 · 312 · 67 499 3 · 7 · 1092 653 7 · 132 · 192

Tabelle 6.2. Werte von σ(p2 ) f¨ ur kleine Primzahlen p.

Die Methode, die Fermat und Fr´enicle hier anwenden, wurde von Legendre und Gauß f¨ ur die Entwicklung von Algorithmen zur Primfaktorzerlegung großer Zahlen benutzt, und bilden die Grundlage einer ganzen Reihe moderner Faktorisierungsalgorithmen.

Die zweite Herausforderung Seiner ersten Herausforderung ließ Fermat wenig sp¨ ater eine zweite folgen44 . 45 Das Problem leitet er mit folgenden Worten ein : Es gibt kaum jemand, der rein arithmetische Aufgaben stellt, und kaum jemand, der sie zu l¨osen versteht. Ist der Grund vielleicht der, dass die Arithmetik bis heute mehr geometrisch als arithmetisch behandelt worden ist? Denn das ist in den meisten Werken der Fall, sowohl in denen der Alten wie in denen der Neueren, ja sogar im Diophant, der sich doch weiter als die u ¨brigen von der Geometrie entfernt hat, indem er seine Analyse auf die Betrachtung bloß rationaler Gr¨ oßen beschr¨ ankte. Dass aber dieses Gebiet auch nicht ganz von der 44 45

Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 334–335]. Siehe [Wertheim 1899, S. 562].

232

6 Fermat Geometrie befreit ist, zeigen hinl¨anglich die Zetetica des Vieta, in denen Diophants Methode auf die stetige Gr¨oße, also auf die Geometrie ausgedehnt wird. Indessen hat die Arithmetik ein ihr eigenes Gebiet, die Theorie der ganzen Zahlen. Diese Theorie ist von Euklid in seinen Elementen nur schwach skizziert und von seinen Nachfolgern nicht gen¨ ugend ausgebaut (wofern sie nicht in denjenigen B¨ uchern Diophants verborgen ist, deren uns die Ungunst der Zeit beraubt hat). Die Arithmetiker haben sie also zu entwickeln oder zu erneuern. Um den Weg zu erhellen, schlage ich Ihnen vor, den folgenden Satz zu beweisen, bzw. die in demselben enthaltene Aufgabe zu l¨osen. Wenn Sie das fertig gebracht haben, werden Sie mir zugeben, dass Fragen dieser Art weder hinsichtlich der Feinheit, noch der Schwierigkeit, noch der Beweisart den ber¨ uhmtesten Aufgaben der Geometrie nachstehen.

Danach formuliert Fermat seine Aufgabe: Ist eine beliebige nat¨ urliche Zahl, die keine Quadratzahl ist, gegeben, dann gibt es unendliche viele Quadratzahlen mit der Eigenschaft, dass nach Addition der Einheit zum Produkt von einer dieser Quadratzahlen mit der gegebenen Zahl ein Quadrat entsteht. [. . . ] Fragen wir z.B. nach einem Quadrat, aus dem durch Addition der Einheit zu seinem Produkt mit 149 oder 109 oder 433 etc. ein Quadrat entsteht. Fermat fragt also nach der L¨osung der diophantischen Gleichung Ay 2 + 1 = x2 ,

(6.2)

in der A eine beliebige positive Nichtquadratzahl bezeichnet. Da die Werte von A so gew¨ahlt sind, dass die kleinsten L¨osungen außerordentlich groß sind, muss Fermat umfangreiche Tabellen mit den L¨osungen dieser Gleichung angefertigt haben. Beispielsweise ist 149 · 4 227 522 0402 + 1 = 23 687 980 4292 . Am 21. September 1657 erh¨alt Wallis von Brouncker dessen L¨ osung. Da Fermat nicht betont hatte, an ganzzahligen L¨osungen interessiert zu sein, gab Brouncker zuerst eine L¨osung in rationalen Zahlen, was aber f¨ ur jeden, der halbwegs mit Diophant vertraut war, ein Kinderspiel ist: setzt man Ay 2 + 1 = (ry − 1)2 , alt so folgt (Ay + 2r − r2 y)y = 0; l¨ost man den ersten Faktor nach y auf, so erh¨ man r2 + A 2r , x = ry − 1 = 2 , (6.3) y= 2 r −A r −A

6.7 Brouncker

233

Abb. 6.7.3. Brounckers L¨ osung der Gleichung 13a2 + 1 = 

ein Resultat, das bereits die Hindus kannten. Nachdem Fermat die erste rationale L¨osung nicht anerkannt hatte, gelang es Brouncker, eine Methode zu finden, welche die L¨ osung f¨ ur jede gegebene Zahl A erlaubt. Wallis pr¨asentiert diese Methode in Briefen an Fermat vom 17. Dezember 1657 und 30. Januar 1658. Brouncker ist zu Unrecht vor allem f¨ ur die von ihm gefundene Kettenbruchuhmt, die Wallis zusammen mit seiner Produktformel entwicklung von π4 ber¨ f¨ ur π4 in seiner Arithmetica Infinitorum ver¨offentlicht hat: 4 =1+ π

12 32

2+

52

2+ 2+

72 . 2 + ..

Dabei ist seine Leistung im Zusammenhang mit der L¨ osung der Fermatschen Herausforderung sicherlich h¨oher einzusch¨atzen. Betrachten wir dazu die Gleichung 13a2 + 1 = . Ziel ist es, den Nenner amlich letztendlich gleich r2 − 13 in (6.3) so klein wie m¨oglich zu machen, n¨ 1, und dazu verwendet Brouncker die Methode, die bereits Bachet zum L¨ osen linearer diophantischer Gleichungen benutzt hat: Die Anwendung von linearen Substitutionen mit dem Ziel, die Koeffizienten der Gleichung √ nach und nach zu 2 verkleinern. Die positive reelle Nullstelle von r − 13 ist 13, und wir haben √ 3 < 13 < 4. Haben wir eine L¨osung von y 2 = 13a2 + 1, dann ist r = ay √ eine rationale Approximation von 13; aus 3 < r < 4 wird die Ungleichung 3a < y < 4a, und wenn wir also y = 4a − b setzen, so folgt 13a2 + 1 = (4a − b)2 = 16a2 − 8ab + b2 , also

234

6 Fermat 8ab − b2 = 3a2 − 1.

Division durch b2 liefert 8 ab − 1 = 3( ab )2 − die Substitution a = 2b + c ergibt 8(2b + c)b − b2 = 3(2b + c)2 − 1,

1 b2

≈ 3( ab )2 , also 2b < a < 3b, und

also

3b2 + 1 = 4bc + 3c2 .

Eine Fortsetzung dieser Rechnungen f¨ uhrt nun auf folgendes Schema: Gleichung 13a2 + 1 = y 2 8ab − b2 = 3a2 − 1 3b2 + 1 = 4bc + 3c2 c2 + 1 = 8cd − 3d2 3d2 + 1 = 8de − e2 4ef + 3f 2 = 3e2 − 1

Substitution y = 4a − b a = 2b + c b = 2c − d c = 8d − e d = 2e + f e = 2f + g

osung Damit erh¨alt Brouncker f 2 + 8f g + 3g 2 = 1 (Brouncker setzt in seiner L¨ sofort g = 0, benutzt also die Substitution e = 2f ). Diese Gleichung hat die L¨osung f = 1, und Einsetzen liefert nun nacheinander e = 2,

c = 38,

b = 71,

a = 180,

y = 649

und damit die L¨ osung 13 · 1802 + 1 = 6492 . Brounckers L¨osung enth¨alt den Keim f¨ ur zwei fundamentale Entwicklungen: zum einen erinnern die wiederholten Substitutionen an den euklidischen Algorithmus, und h¨atte Brouncker nicht nur π4 , sondern auch Quadratwurzeln in Kettenbr¨ uche entwickelt, dann h¨atte er vielleicht gesehen, dass seine Substitutionen bei der L¨osung von 13U 2 + 1 = T 2 sich in der Kettenbruchentwicklung √ von 13 widerspiegeln. Diese Beobachtung hat erst Euler explizit gemacht. Eine andere Interpretation von Brounckers L¨ osung ist die, dass dieser eine Folge von quadratischen Formen“ konstruiert: ausgehend von T 2 − 13U 2 = 1 ” erh¨alt er 3U 2 − 8U V + V 2 = 1 und 3V 2 + 4V W − 3W 2 = 1 usw.; diese bin¨aren quadratischen Formen haben alle Diskriminante 52. Lagrange wird diese Beobachtung sp¨ater zu seiner Theorie der Reduktion quadratischer Formen ausbauen. Fermat war mit Lord Brounckers Antwort nicht zufrieden. Zwar f¨ uhre sie bei gegebenem A auf eine L¨osung; Brouncker habe aber nicht gezeigt, dass diese Methode f¨ ur alle Werte von A, die keine Quadrate sind, auch immer funktioniere. Allerdings wird man zugeben m¨ ussen, dass Fermat dies auch nicht getan hat. Andr´e Weil war, wie viele andere Mathematiker auch, davon u ¨berzeugt, dass Fermat einen Beweis f¨ ur die L¨osbarkeit der Pellschen Gleichung“ besessen ” habe, da ein solcher Beweis lediglich einige wenige Hilfss¨ atzchen ben¨ otige.

6.7 Brouncker

235

Das mag man durchaus glauben; allerdings sind uns keinerlei Hinweise auf einen derartigen Beweis durch Fermat bekannt. Hofmanns Rekonstruktion eines Fermatschen Beweises46 zu verstehen ist mir nicht gelungen. Die Vermutung, dass Fermat in diesem oder in anderen vergleichbaren F¨ allen keinen vollst¨andig ausgearbeiteten Beweis besessen hat, wird durch Fermat selbst best¨atigt. In seinem Brief47 vom 3. Juni 1636 an Mersenne schreibt er n¨amlich im Zusammenhang mit einigen geometrischen Problemen: Ich glaube, dass Sie mir zugestehen, dass diese Untersuchungen sehr sch¨ on sind, aber ich habe so wenig Gelegenheit, die Beweise aufzuschreiben, welche die schwierigsten und unangenehmsten der ganzen Geometrie sind, dass ich mich damit zufrieden gebe, die Wahrheit entdeckt zu haben und das Mittel zu kennen, um den Beweis zu f¨ uhren, wenn ich einmal die Muße dazu finde. Sicher sollte man diese Einstellung aus dem Jahre 1636 nicht einfach auf die Situation 20 Jahre sp¨ater anwenden; auf der andern Seite zeigt sie, dass Fermat mit ich habe einen Beweis“ manchmal wohl nur sagen wollte, dass er ” ihn ausarbeiten k¨onnte, wenn er die Zeit dazu f¨ ande. Dass beim Ausarbeiten einer Idee bisweilen L¨ ucken auftreten, die man zuvor nicht gesehen hat, ist eine Erfahrung, die wohl jeder Mathematiker schon gemacht hat. Weitere Aufgaben der zweiten Herausforderung betreffen Klassiker wie Vietas Problem u osbarkeit der ¨ber Summen zweier Kubikzahlen, sowie die Unl¨ Fermatgleichungen vom Grad 3 und 4: Es sollen zwei Kuben gefunden werden, deren Summe gleich der Summe zweier anderer Kuben sei. Es soll ein Kubus gefunden werden, der gleich der Summe zweier Kuben sei. Es ist zu beweisen, dass es kein rechtwinkliges Dreieck in rationalen Zahlen gebe, dessen Fl¨ache eine Quadratzahl sei. Die Zahl 9 = 1 + 8 ist als Summe zweier anderer rationalen Kuben darzustellen.48 W¨ ahrend Fermat schreibt, dass es kein rechtwinkliges Dreieck in Zahlen gibt, dessen Fl¨ache ein Quadrat ist (also keine L¨osung der Gleichung x4 + y 4 = z 2 in positiven ganzen Zahlen), formuliert er die Unm¨ oglichkeit der kubischen osung dieser Gleichung Gleichung x3 + y 3 = z 3 nicht, sondern fordert, eine L¨ zu geben. 46

Siehe [Hofmann 1944] Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 14]. 48 Fermat zeigt in seinem Kommentar 9 (siehe [Fermat 1891, vol. III, S. 247]) zu Diophant, wie man dieses Problem l¨ osen kann. 47

236

6 Fermat

6.8 Fermats Vermutungen In Abschnitt 5 seines Briefs an Carcavi beginnt Fermat, verschiedene Vermutungen zu formulieren, von denen er glaubt, dass sie mit unendlichem Abstieg bewiesen werden k¨onnen. Die wichtigste Information, die wir aus diesen Zeilen ur Jumeaux ziehen sollten, ist folgende: Fermat hatte bereits in seinem Brief49 f¨ die kubische Fermatgleichung als Problem angef¨ uhrt, und gibt jetzt zu ( Da” nach habe ich . . .“), dass er deren L¨osung keinesfalls vor 1657 (also vor der Herausforderung an Wallis und Brouncker) gehabt haben kann. Sollte Fermat seinen Diophanteintrag u achlich vor ¨ber die Fermatsche Vermutung also tats¨ 1657 verfasst haben, dann kann der Beweis, den er damals angek¨ undigt hat, nicht stichhaltig gewesen sein. Die Interpretation, dass Fermat hier behauptet, Abstiegsbeweise f¨ ur die angef¨ uhrten S¨atze zu besitzen, scheint allgemein anerkannt zu sein. Ich mag mich dieser Meinung allerdings nicht anschließen und m¨ ochte vermuten, Fermat habe hier nur seiner Meinung Ausdruck gegeben, dass sich endg¨ ultigen Beweisen durch unendlichen Abstieg nur noch einige kleinere Schwierigkeiten entgegenstellen d¨ urften. Die Gr¨ unde, die f¨ ur die letztere M¨ oglichkeit sprechen, sind die folgenden. 1. In allen Problemen, die Fermat bis hierher aufgez¨ ahlt hat, behauptet er expressis verbis, einen Beweis zu besitzen, w¨ ahrend er sich hier ziemlich ausweichend ausdr¨ uckt und durch die Blume zu erkennen gibt, dass der gew¨ohnliche“ Abstieg nicht zu funktionieren scheint. ” 2. Die letzte hier aufgef¨ uhrte Behauptung, dass die Fermatschen Zahlen“ n ” ater gezeigt hat. In Fn = 22 + 1 alle prim seien, ist falsch, wie Euler sp¨ fr¨ uheren Briefen hatte Fermat immer zugegeben, keinen Beweis zu haben. Auch Huygens ist dies aufgefallen: Auf seiner Kopie von Fermats Brief50 schreibt er Siehe S. 186 im Commercium Epistolicum von Wallis, wo Fermat zugibt, dass er den Beweis dieses Satzes nicht kennt.51 Auch Huygens hat also die Fermatsche Bemerkung so interpretiert, dass dieser damit anzeigen wollte, im Besitz eines Beweises zu sein. Trotz der Erkl¨arung Fermats hier handele es sich um eine negative Proposition, ist auch vollkommen unklar, wie ein Beweis dieser Vermutung durch unendlichen Abstieg u onnte. ¨berhaupt aussehen k¨ 49

Der Brief [Fermat 1891, vol. II, S. 63–71; III, S. 286–292] wurde von P. Tannery auf 1636, von Itard auf 1638 datiert. Als gesichert kann keine der beiden Jahreszahlen gelten. 50 Siehe [Wallis 1658, S. 186]. 51 Vide Commercium epistolicum Wallisi pagina 186, ubi fatetur Fermatius demonstrationem hujus theorematis sibi adhuc ignotam.

6.8 Fermats Vermutungen

237

Aus der Bemerkung Fermats, ein Beweis sei schwierig, darf man nicht automatisch schließen, Fermat habe einen Beweis gekannt. So schreibt uglich der Fermat in seinem Brief52 an Pascal vom 29. August 1654 bez¨ n Primalit¨at der Zahlen 22 + 1: Dies ist eine Eigenschaft, f¨ ur deren Wahrheit ich mich verb¨ urge. Der Beweis davon ist sehr schwer und ich gestehe, dass ich ihn noch nicht vollst¨andig finden habe k¨onnen; ich w¨ urde Ihnen nicht vorschlagen ihn zu suchen, wenn ich ihn schon gefunden h¨atte. 3. Die Sache sieht f¨ ur Fermats zweite53 und dritte Behauptung, etwa dass 2 3 urlichen Zahlen besitzt, y + 2 = x die einzige L¨osung x = 3, y = 5 in nat¨ nicht viel besser aus. Weil54 nennt sie zwar wenig mehr als einfache Folge” rungen“ gewisser Hilfss¨atze u ¨ber quadratische Formen der Diskriminante −4 und −8, mit deren Hilfe Fermat den sp¨ ateren Beweis von Euler ohne Verwendung imagin¨arer Gr¨oßen h¨atte aufschreiben k¨ onnen; allerdings bleiben sowohl Weil als auch Mahoney55 die Antwort auf die Frage schuldig, wo in diesem Beweis der unendliche Abstieg versteckt ist, den Fermat als Beweisprinzip angibt. Fahren wir nun mit Fermats Brief an Carcavi fort. Im letzten Teil von Abschnitt 5. behauptet Fermat, dass die Gleichung 2z 2 − 1 = (2y 2 − 1)2 nur die beiden L¨ osungen (y, z) = (1,1) und (y, z) = (2,5) in positiven ganzen Zahlen besitzt. Wir haben schon bemerkt, dass dieses Problem ihren Ursprung in der Gleichung (6.1) hat, und dass Fermat wusste, dass die einzigen ganzzahur Primzahlen p durch p = 1 ligen L¨osungen von p = 2y 2 −1 und p2 = 2z 2 −1 f¨ und p = 7 gegeben sind. Fermat gibt den Beweis f¨ ur Primzahlen im Anhang ¨ zu Fr´enicles Solutio im wesentlichen vollst¨andig an, aber die Ubertragung auf zusammengesetzte Werte von p erledigt er wie folgt: Was f¨ ur Primzahlen bewiesen worden ist, kann in einem zweiten Beweis auf zusammengesetzte Zahlen ausgedehnt werden; bekanntlich kann jemand, der dies f¨ ur Primzahlen kennt, leicht auch f¨ ur zusammengesetzte Zahlen ableiten, und ich halte mich nicht mit so einfachen Dingen auf. Ganz so einfach liegen die Dinge hier allerdings nicht. 52

Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 307–310] Diese Behauptung taucht auch in Fermats Kommentaren [Fermat 1891, vol. III, Aufg. VI.19] zu Diophant auf, wo er behauptet, einen sicheren Beweis zu besitzen. Beide Probleme stellt Fermat in seinem Brief [Fermat 1891, vol. II, S. 245] vom 15.08.1657 an Digby den englischen Mathematikern. 54 Siehe [Weil 1984, II, § XVI]. 55 Siehe [Mahoney 1994, S. 350]. 53

238

6 Fermat

Die kubische Fermatgleichung Eine kleine Episode zwingt uns, noch einmal auf die kubische Fermatgleichung zur¨ uckzukommen, also auf die Behauptung, dass es keine Kubikzahl gibt, welche Summe zweier Kuben ist. Fermat hatte diese Behauptung in Briefen an Mersenne in den Jahren 1638 und 1640 formuliert. Nach seiner ersten Herausforderung an Wallis und Brouncker hat Frans van Schooten (1615– 1660, Professor der Mathematik in Leiden) in einem Brief an Fermat vom 17. Februar 1657 als Gegenherausforderung das folgende Problem gestellt: Man finde zwei Kuben, deren Summe ein Kubus ist, oder beweise, dass das Problem unm¨oglich ist. Wir wissen von diesem Brief, weil van Schooten u ¨ber diese Angelegenheit am 18. M¨arz 1658 an Wallis schreibt. Sollte Fermat den Brief erhalten haben, w¨ are seine Reaktion darauf, sagen wir einmal, bemerkenswert. Anstatt van Schootens Herausforderung anzunehmen und einen Beweis der Unm¨ oglichkeit der kubischen Fermatgleichung zu geben, zieht er es vor, den Brief nicht zu beantworten und stattdessen das van Schootensche Problem in seine eigene zweite Herausforderung aufzunehmen. Die Antwort, die van Schooten in seinem Brief an Wallis auf das Schweigen Fermats gibt, ist ebenfalls bemerkenswert56 : Aber zu all dem hat mir, soweit ich weiß, Fermat nichts geantwortet, oder zumindest ist bei mir keine Antwort angekommen; ich habe nicht geglaubt, in dieser Sache nachbohren zu m¨ ussen, um nicht den Eindruck zu erwecken, es w¨are w¨are allzu ruhmreich, ein Problem zu l¨osen, das offensichtlich weder eine Anwendung besitzt noch irgendwie n¨ utzlich ist. ur die Im Jahre 1668 gibt Wallis in einem Brief an Brouncker57 Beweise f¨ L¨osbarkeit der Pellschen Gleichung und die Unl¨ osbarkeit der kubischen Fermatgleichung. urlichen Wallis betrachtet die Gleichung a3 + b3 = c3 in teilerfremden nat¨ Zahlen und bemerkt, dass a + b < c sein muss. Er setzt daher c = a + b − e; wegen e < a und e < b kann er b−e = f und a−e = g schreiben und gelangt so zur Gleichung b3 = f 3 + 3a2 f + 3af 2 . Den Fall, wo f ein Teiler von b ist, kann er ausschließen (mit einer L¨ ucke, weil er dem Beweis, dass b3 = 3a2 + 3a + 1 keine ganzzahlige L¨osung hat, durch ein unzul¨ assiges Argument ausweicht). Weil nun f ein Teiler von b3 , aber nicht von b ist, setzt Wallis b = rst und f = rs2 . Wie das Beispiel f = 35 und b = 32 zeigt, ist dies nicht immer m¨oglich. 56

Die hier aufgeworfene Frage kann man in aller Ausf¨ uhrlichkeit bei [Hua & Rousseau 2002] nachlesen. 57 Siehe [Wallis 2005, S. 545–553].

6.8 Fermats Vermutungen Datum 06.1638 ? 27.07.1638 05.1640 10.11.1642 25.09.1654 17.02.1657 15.08.1657 02.1658 18.03.1658 07.04.1658 20.06.1658 08.1659

Quelle

239 3 4 AΔ AP

F. → Mers., FII, 63 x x Mersenne → Gillot, CM VII, 427 F. → Mers., FII, 195 x x de Billy → Mers. x F. → Pascal, FII 210 Schooten → F. x F. → Digby, FII 346, CE 23 x Fr´enicle → Digby, CE 121 x Schooten → Wallis, CE 141 x F. → Digby, FII 374 x Wallis → Digby, CE 181 F. → Carcavi, FII 441 x x

x x x

x

x

x x

Tabelle 6.3. Die Fermatsche Vermutung in Briefen

Tabelle58 6.3 listet Erw¨ahnungen von Problemen auf, die zu einer Fermatgleichung ¨aquivalent sind. Dort bedeuten die Spalten 3 und 4 die Gleichungen x3 + y 3 = z 3 bzw. x4 + y 4 = z 2 , AΔ ist die Aussage, dass es kein rechtwinkliges Dreieck in Zahlen gibt, dessen Fl¨ache eine Quadratzahl ist, und AP die Behauptung, es gebe keine drei Quadrate in einer arithmetischer Progression, deren gemeinsame Differenz eine Quadratzahl ist. Ein Wort noch zur Datierung von Fermats Kommentar59 zu Diophants Problem II.8, in welchem er die Unl¨osbarkeit der Fermatgleichung f¨ ur alle Exponenten n ≥ 3 behauptet: Cubum autem in duos cubos, aut quadratoquadratum in duos quadratoquadratos, et generaliter nullam in infinitum ultra quadratum potestatem in duas ejusdem nominis fas est dividere: cujus rei demonstrationem mirabilem sane detexi. Hanc marginis exiguitas non caperet. In unz¨ahligen Quellen findet sich die Behauptung, dass Fermat diesen Satz im Jahre 1637 in seinen Diophant geschrieben habe; eine Begr¨ undung daf¨ ur wird nirgends gegeben. Vermutlich geht die Jahreszahl auf eine Fußnote bei uck, welche die Fermatsche Vermutung betrifft: Molk60 zur¨ 58 Diese Tabelle stammt, bis auf kleinere Korrekturen, aus [Hua & Rousseau 2002, S. 104]. Die Quellen sind FII (Band II von Fermats Werken [Fermat 1891, II]), CM 7 (Band 7 der Mathematischen Korrespondenz von Mersenne) und das Commercium Epistolicum [Wallis 1658] von Wallis. 59 Siehe [Fermat 1891, I. S. 291] und [Fermat 1891, vol. III, S. 241]. 60 Siehe Fußnote 199 in [Molk 1906, S. 37]. . Die Datierung des betreffenden Briefs auf 1638 statt 1636 durch Itard fand erst viel sp¨ ater statt.

240

6 Fermat P. de Fermat (pour m = 3 et m = 4, vraisemblablement d`es 1637) Observations sur Diophante; Œuvres I, p. 291; 3, p. 241; cf. P. Tannery, Bull. sc. math. (2) 7 (1883), p.121–3.

Diese Fußnote ist so zu verstehen, dass die Vermutungen f¨ ur die Exponenten m = 3 und m = 4 vermutlich auf die Zeit nach 1637 zur¨ uckgehen, n¨ amlich ahrend die allauf den bereits zitierten Brief an Jumeaux61 aus dieser Zeit, w¨ gemeine Vermutung in den Observations zu finden ist, f¨ ur welche kein Datum existiert. Dickson hat die Jahreszahl 1637 dann auf den Fermatschen Kommentar u ur ihre Verbreitung gesorgt. Wie der Brief¨bertragen und damit f¨ wechsel aus den Jahren 1637 und 1638 zeigt, hat sich Fermat in diesen Jahren fast ausschließlich mit dem Problem der Bestimmung von Tangenten und von Fl¨acheninhalten besch¨aftigt. Aus diesem Grund erscheint die Datierung auf 1637 h¨ochst zweifelhaft. In seinem Kommentar zu Diophant V.12 schreibt Fermat: Die Zahl 21 kann nicht in zwei rationale Quadrate zerlegt werden, wie wir leicht zeigen k¨onnen, und allgemeiner kann keine Zahl, deren dritter Teil nicht selbst durch 3 teilbar ist, in zwei Quadrate zerlegt werden, weder in ganzen Zahlen noch in Br¨ uchen. Wenn man annimmt62 , dass Fermat den Beweis dieses Satzes erst 1640 gefunden hat, dann muss zumindest dieser Kommentar danach geschrieben worden sein63 . Im Kommentar zu Problem VI.26 gibt Fermat einen Hinweis auf den Abstiegsbeweis des Satzes, wonach der Fl¨acheninhalt eines rechtwinkligen Dreiecks in Zahlen kein Quadrat sein kann. ur uns fast banale Beziehung Andere Kommentare, etwa derjenige64 u ¨ber eine f¨ zwischen Binomialkoeffizienten, erwecken den Eindruck, als w¨ aren sie vor 1640 geschrieben worden. Auch bei diesem Kommentar schreibt Fermat, er habe weder die Zeit noch den Platz, um den Beweis auf den Rand zu setzen“. Die ” Datierung des Diophant-Kommentars zur Fermatschen Vermutung bleibt also offen.

L¨ osbarkeitskriterien Im sechsten Abschnitt kommt Fermat auf ein anderes Thema zu sprechen. Anstatt wie bisher einzelne zahlentheoretische und diophantische Probleme zu 61

Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 63–71; III, S. 286–292] Vergleiche Fermats Brief an Roberval, aus dem wir auf S. 215 und S. 218 zitiert haben. 63 [Gram 1909] datiert Fermats Kommentare zu Diophant gar auf die Zeit nach 1657, weil viele davon im Zusammenhang mit den Herausforderungen an Wallis und Brouncker stehen. 64 Siehe [Fermat 1891, vol. III, S. 273]. 62

6.8 Fermats Vermutungen

241

besprechen, fragt er jetzt nach Kriterien, wann gewisse Probleme eine L¨ osung haben und wann nicht. Was Fermat mit den Regeln zur L¨osbarkeit etwa der Gleichung ax2 + b = y 2 meint, ist nicht ganz klar. Man darf vermuten, dass damit ein Verfahren gemeint ist, das entweder zeigt, dass die Gleichung keine L¨ osung (in ganzen oder rationalen Zahlen) hat, oder auf eine solche L¨ osung f¨ uhrt65 . Doppelgleichungen vom Typ, wie sie Fermat in Abschnitt 6 anspricht, tauchen in Diophant (und vor allem in Billys Inventum Novum ) auf; die allgemeine Doppelgleichung αN + β = y 2 , γN + δ = x2 f¨ uhrt nach Elimination von N auf αx2 − γy 2 = αδ − βγ, also auf eine Gleichung des Typs aX 2 + bY 2 = cZ 2 .

(6.4)

Ein ¨ahnliches Beispiel und eine ¨ahnliche Bemerkung zu Bachet steht in Fermats Kommentaren zu Diophant. Dort betrachtet er die Doppelgleichung 2N + 5 = ,

6N + 3 = ,

stellt fest, dass mit N = 11 2 auch 2N + 5 = 16 und 6N + 3 = 36 ist, und dass es unendlich viele andere L¨osungen gibt. Fermats n¨achstes Thema in Abschnitt 7 seines Briefes an Carcavi ist die Zerlegung von Zahlen in Primfaktoren. Fermats Methode, die Zahl der Divisionen zu verringern, besteht zum einen darin zu zeigen, dass Primteiler von Zahlen der Form an ± 1 eine ganz bestimmte Form haben; auf der andern Seite erm¨oglicht seine Faktorisierungsmethode, die darin besteht, eine Zahl N als Differenz zweier Quadrate zu schreiben66 , das schnelle Zerlegen von Zahlen, welche zwei in etwa gleich große Faktoren besitzt. Das Motto am Schluss seines Briefes heißt in etwa: Viele kommen und gehen, aber das Wissen w¨achst. Dieses Motto, mit dem Fermat bereits seinen letzten Brief an Mersenne beschlossen hat und das auch in seinem Brief an Pascal aus dem Jahre 1654 65

Ob die Zahl 7967 in Fermats Beispiel korrekt ist, ist nicht ganz klar. [Hofmann 1961] bemerkt, dass die Zahl 7967 unter den L¨ osungen der diophantischen Gleichung x4 − 2y 4 = z 2 auftaucht; diese sind gegeben durch (x, y, z) = (1,0,1), (3,2,7), und (113, 84, 7967) . . . . Andr´e Weil dagegen schreibt, dass diese Zahl bei [Fermat 1891, IV, S. 139] mit 1967 = 7 · 281 angegeben ist. 66 Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 256–258].

242

6 Fermat

Abb. 6.8.1. Francis Bacon, Novum Organum, London 1620.

6.9 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen

243

erscheint, findet sich auf der ersten Ausgabe des 1620 in London erschienenen Novum Organum. In diesem Buch betont Francis Bacon, dass Wissenschaft vor allem auf der Beobachtung und nicht auf der Autorit¨ at des Aristoteles beruht.67 Bacon hat dieses Motto aus dem Buch Daniel adaptiert hat, wo es heißt: Plurimi pertransibunt, et multiplex erit scientia.

6.9 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen Die haupts¨achliche Quelle diophantischer Probleme in der Geschichte der Zahlentheorie ist sicherlich das Studium rechtwinkliger Dreiecke in Zahlen, die Suche nach rechtwinkligen Dreiecken, deren Seitenl¨ angen ganz oder rational sind, und die zus¨atzlichen Bedingungen gen¨ ugen. Auch nach Fermat haben sich viele Mathematiker diesem Thema gewidmet, von denen wir einige hier vorstellen (und andere, wie Prestet oder van Schooten, aus Platzgr¨ unden u ¨bergehen) werden.

Fr´ enicles Trait´ e Was Goldbach sp¨ater f¨ ur Euler war, war Fr´enicle f¨ ur Fermat: Ein geduldiger Zuh¨orer, der im Gegensatz zu den meisten seiner Zeitgenossen an zahlentheoretischen Fragen seine Freude hatte, und der in der Lage war, den Gedanken seines Gegen¨ ubers auf diesem Gebiet zu folgen. Der große Unterschied zwischen diesen beiden Paaren ist sicherlich die Tatsache, dass Euler seine ¨ Uberlegungen freigiebig mit Goldbach teilte, w¨ ahrend Fermat peinlich darauf achtete, niemals zu viele Informationen preiszugeben. Bernard Fr´enicle de Bessy wird etwa um 1605 in Paris geboren und findet eine Anstellung am M¨ unzamt in Paris. Er korrespondiert wie viele seiner an Mathematik interessierten Zeitgenossen mit Mersenne, sowie mit Fermat und Huygens. In seinem Buch68 pr¨asentiert er den Beweis (dessen Grundidee er wohl von Fermat erhalten hatte) des Satzes, dass es kein rechtwinkliges Dreieck mit ganzzahligen Seiten gibt, dessen Fl¨acheninhalt ein Quadrat ist, also die gleichbedeutende Aussage, dass die diophantische Gleichung x4 + y 4 = z 2 keine nichttriviale L¨osungen hat. Fr´enicle de Bessy stirbt am 17. Januar 1675 in Paris. In seinem Buch M´ethode pour trouver la solution des probl`emes par 67

Der Ausspruch Wissen ist Macht“ steht als “Wissen und menschliche St¨ arke ” sind synonym“ in Buch I der Aphorismen von Francis Bacon. George Orwell hat dies in seinem Roman 1984“ in Unwissenheit ist St¨ arke“ verwandelt, das Leitmotiv der ” ” Didaktik des 21. Jahrhunderts. 68 Siehe [Frenicle 1676]

244

6 Fermat

les exclusions, das erst 1693 nach seinem Tod erscheint, erkl¨ art er an Hand von zehn Regeln, wie man ein mathematisches Problem angehen sollte. Fr´enicles Trait´e69 besteht aus einer detaillierten Untersuchung rechtwinkliger Dreiecke mit ganzzahligen Seiten; das dort abgeleitete Hauptergebnis ist der Fermatsche Satz, dass es kein solches Dreieck gibt, dessen Fl¨ ache eine Quadratzahl ist. Fermat hat diesen Satz an verschiedenen Stellen erw¨ ahnt, so in den Kommentaren70 zu Diophants Problemen VI.10 und VI.11, sowie in seinem Brief vom September 1636 via Mersenne an Jumeaux de SainteCroix71 und vom 7. April 1658 an Digby72 . Ob Fermat ihm diesen Beweis mitgeteilt hat, oder ob Fr´enicle ihn nach einigen Hinweisen von Fermat selbst entwickelt hat, ist nicht bekannt. Der Beweis ist f¨ ur heutige Leser recht langatmig: Fr´enicle bevorzugt wie Fermat die euklidische Beweismethode und vermeidet die Sprache der modernen Algebra, so weit es ihm m¨ oglich ist. F¨ ur manche Propositionen gibt er gar zwei Beweise, einen klassischen und einen algebraischen. In Prop. XXXV behauptet Fr´enicle folgendes: Wenn die gerade Seite eines primitiven Dreiecks das Doppelte einer Quadratzahl ist, dann sind die Erzeugenden des Dreiecks Quadratzahlen, und die Hypotenuse ist die Summe zweier vierter Potenzen. Sei das Dreieck gegeben durch (x, y, z); dann gilt x = a2 − b2 , y = 2ab und z = a2 + b2 . Nach Voraussetzung ist ab eine Quadratzahl, und Euklids Theorie der ¨ahnlichen ebenen Zahlen impliziert, dass a und b im Verh¨ altnis von Quadratzahlen stehen. Da sie teilerfremd sind (denn das Dreieck ist primitiv), m¨ ussen a = m2 und b = n2 Quadratzahlen sein. Also ist z = m4 + n4 . Fr´enicle bewegt sich ganz gem¨ utlich auf den Hauptsatz zu; das Fehlen einer algebraischen Schreibweise zwingt ihn dazu, jeden einfachen Schritt als Zwischenergebnis zu formulieren. Seine Prop. XXXVI besagt, dass die Differenz zweier vierter Potenzen das Produkt der Hypotenuse und einer Kathete eines rechtwinkligen Dreiecks ist. Ist n¨amlich c = a4 − b4 , also c = (a2 + b2 )(a2 − b2 ), dann ist (x, y, z) mit x = a2 − b2 , y = 2ab und z = a2 + b2 ein rechtwinkliges Dreieck. Auch Fr´enicles Prop. XXXVIII ist ein solches Zwischenergebnis: Sind die Hypotenuse und die gerade Kathete in einem rechtwinkligen Dreieck Quadratzahlen, dann ist die Wurzel der Hypotenuse die Hypotenuse eines andern primitiven rechtwinkligen Dreiecks, dessen ungerade Kathete ein Quadrat und dessen gerade Kathete das Doppelte eines Quadrats ist. Der Beweis ist wieder ganz einfach: Ist x2 + y 2 = z 2 , und ist y gerade und sind y und z Quadrate, dann ist y = 2rs = u2 und z = r2 + s2 = t2 . Die letzte 69

[Frenicle 1676] Siehe [Fermat 1891, vol. I, S. 331; III, S. 271] 71 Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 63–71; III, S. 286–292] . 72 Siehe [Fermat 1891, vol. II, S. 374–378]. 70

6.9 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen

245

Gleichung zeigt r = a2 − b2 , und s = 2ab, und aus der ersten folgt, dass r und 2s Quadratzahlen sind. Also ist (r, s, t) ein primitives rechtwinkliges Dreieck in welchem die ungerade Seite r ein Quadrat und die gerade Kathete s = 2ab das Doppelte eines Quadrats ist. Jetzt k¨onnen wir Fr´enicles Hauptsatz zeigen. Im Folgenden werden wir Fr´enicles Argumente in der linken und die moderne Version in der rechten Spalte pr¨asentieren: Ist das Dreieck primitiv und hat eine Quadratzahl als Fl¨ache, dann muss eine Kathete eine ungerade Quadratzahl sein.

Sei (x, y, z) ein primitives rechtwinkliges Dreieck, und sei dessen Fl¨ ache 1 2 xy = r ein Quadrat. Dann muss 2 eine der beiden Katheten, sagen wir x, eine ungerade Quadratzahl sein.

Die Erzeugenden des Dreiecks sind die Hypotenuse und die gerade Kathete eines zweiten primitiven Dreiecks (Prop. XXXIV), und diese Erzeugenden sind Quadratzahlen (Prop. XXXV).

Sei x ungerade; dann ist a2 = x = m2 − n2 nach Prop. XXXIV. Weiter sind 2xy und x Quadrate, folglich y = 2mn das Doppelte eines Quadrats. Also ist m = r2 und n = s2 . Mit a ist auch m ungerade.

Also sind die Hypotenuse und die gerade Kathete des zweiten Dreiecks Quadratzahlen, und dieses Dreieck ist kleiner als das erste.

Also ist (a, n, m) ein rechtwinkliges Dreieck, und dieses ist kleiner als (x, y, z).

Nach Prop. XXXVIII ist die Wurzel der Hypotenuse des zweiten Dreiecks die Hypotenuse eines dritten primitiven Dreiecks, deren ungerade Kathete eine Quadratzahl und deren geraden Kathete das Doppelte einer Quadratzahl ist.

Prop. XXXVIII zeigt, dass (r, s, t) ein primitives rechtwinkliges Dreieck ist, in dem r eine Quadratzahl und s das Doppelte einer Quadratzahl ist.

Aus dem Dreieck (x, y, z), dessen Fl¨ache eine Quadratzahl ist, hat Fr´enicle nun ache rs(r2 − s2 ) ein zweites Dreieck (r2 − s2 , 2rs, r2 + s2 ) konstruiert, dessen Fl¨ nicht notwendig ein Quadrat ist. Es bedarf einer Menge Mut, an dieser Stelle nicht die Flinte ins Korn zu werfen. Sturheit wird hier aber belohnt: Das dritte Dreieck in dieser Konstruktion hat wieder eine Quadratzahl als Fl¨ ache, worauf eine einfache Anwendung des unendlichen Abstiegs zeigt, dass es ein solches Dreieck (x, y, z) gar nicht geben kann: Aber diese Folgerung ist absurd: Ganze Zahlen k¨ onnen nicht unendlich oft kleiner werden, denn da sie bei der Einheit beginnen, m¨ ussen sie dort auch aufh¨oren; folglich ist es unm¨oglich, dass die Fl¨ache eines primitiven rechtwinkligen Dreiecks eine Quadratzahl ist.

246

6 Fermat

Mit derselben Methode zeigt Fr´enicle in Prop. XL, dass es kein rechtwinkliges Dreieck in ganzen Zahlen gibt, dessen Fl¨ache das Doppelte einer Quadratzahl ist. Am Schluss seiner Abhandlung h¨alt Fr´enicle als Folgerung fest, dass die Gleichungen x4 + y 4 = z 2 und x2 + 4y 4 = z 4 keine L¨ osungen in positiven ganzen Zahlen haben.

De Billys Inventum Novum Jacques de Billy wird am 18. M¨arz 1602 in Compi`egne an der Oise im Norden Frankreichs geboren, einer Stadt, die wiederholt Spuren in der Geschichte hinterlassen hat. Im Jahre 1430 wurde Jeanne d’Arc bei Compi`egne gefangen genommen und an die Engl¨ander verkauft; am 17. Juli 1794 wurden w¨ ahrend des Grande Terreur“ der Franz¨osischen Revolution 16 Schwestern des Kar” mels von Compi`egne durch der Guillotine hingerichtet; am 11. November 1918 wurde bei Compi`egne der Waffenstillstand zwischen Frankreich und Deutschland unterschrieben, am 21. Juni 1940 an derselben Stelle (im selben Zugabteil, aber mit vertauschten Sitzen) die Kapitulation Frankreichs besiegelt – Hitler ließ dazu den Waggon aus dem Museum in Compi`egne holen. De Billy tritt den Jesuiten bei, lernt bei ihnen und unterrichtet dann sein Leben lang an diversen jesuitischen Coll`eges in Frankreich. W¨ ahrend seiner Zeit in Reims zwischen 1631 und 1633 freundet er sich mit Bachet an; zu seinen Sch¨ ulern in Dijon Ende der 1660er Jahre geh¨ ort Ozanam. Er schreibt eine ganze Reihe von Lehrb¨ uchern der Mathematik. 1637 ver¨ offentlicht er sein Abr´eg´e des pr´eceptes d’alg`ebre mit den ersten Elementen der Algebra, und einer Einf¨ uhrung in die algebraische Sprache der Cossisten: Die Unbekannte wird mit R, deren Quadrat mit Q und die dritte Potenz mit C bezeichnet. 1643 folgt die Nova Geometriae clavis, Algebra (Algebra, der neue Schl¨ ussel der Geometrie). Es beginnt mit einfachen Lemmata; das erste behauptet, dass wenn man zur Differenz zweier ungleicher Zahlen deren Summe addiert, man das Doppelte der gr¨oßeren erh¨alt. Die Beweise sind euklidisch: Zahlen werden wie bei Euklid durch Strecken AB dargestellt. Danach erscheinen noch der Tractatus de proportione harmonicae (1658), sowie Diophantus geometria sive opus contextum ex arithmetica et geometria simul (1660). De Billy stirbt am 14. Januar 1679 in Dijon. Die von Fermats Sohn Samuel 1670 herausgegebene Ausgabe73 des Diophant beginnt mit dem Abdruck des Doctrinae analyticae inventum novum74 , in welchem Pater Jacques de Billy eine Einf¨ uhrung in die L¨ osung diophantischer 73 Siehe [Fermat 1670]; neun Jahre sp¨ ater hat Samuel Fermat den Band [Fermat 1891] mit Arbeiten seines Vaters herausgegeben. 74 ¨ Eine sch¨ one deutsche Ubersetzung wurde von [Schaewen 1910] besorgt und zusammen mit dem lateinischen Original und ausf¨ uhrlichen Kommentaren herausgegeben.

6.9 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen

247

Probleme gibt, die er, wie er selbst schreibt, aus Briefen zusammengestellt hat, welche er im Laufe der Zeit von Fermat erhalten habe. Die Beitr¨age Fermats zur Theorie der diophantischen Gleichungen, die de Billy im Inventum Novum vorstellt, betreffen diejenigen diophantischen Gleichungen, die in Diophant nicht vorkommen, weil, so der einhellige Tenor von Fermat und de Billy, deren L¨osung das Rechnen mit negativen Zahlen notwendig macht. De Billy sieht es als eine der wichtigsten Leistungen Fermats an, dass dieser Gleichungen l¨osen konnte, bei welchen andere Mathematiker (insbesondere auch Bachet) wegen des Auftretens negativer Zahlen aufgaben und das Problem f¨ ur unl¨osbar hielten. Die L¨osungen der diophantischen Probleme in de Billys Inventum Novum sind ¨außerst kunstfertig und verraten eine langj¨ ahrige Vertrautheit mit den Methoden Diophants. Die technischen Raffinessen Fermats werden bis zum Erscheinen von Euler auf der mathematischen B¨ uhne un¨ ubertroffen bleiben.

Ozanam Jacques Ozanam wurde am 16. Juni 1640 in Sainte-Olive geboren. Er ist Autor einer ganzen Reihe von Lehrb¨ uchern und hat sich auch unter die Herausgeber von Diophant eingereiht, und zwar mit seinen Les six livres de l’Arithm´etique de Diophante augment´es et r´eduits ` a la sp´ecieuse. Ozanam stirbt verarmt am 3. April 1718 in Paris. In seinem Dictionaire75 bespricht Ozanam einige diophantische Probleme, so etwa das folgende. Finde drei Quadratzahlen, sodass die Summe von je zweien wieder eine Quadratzahl ist. Zur L¨osung bildet Ozanam aus ax und by die beiden rechtwinkligen Dreiecke (2abxy, a2 x2 − b2 y 2 , a2 x2 + b2 y 2 )

und

(2abxy, a2 y 2 − b2 x2 , a2 y 2 + b2 x2 ).

Wie er auf diese Formeln kommt, verr¨at er nicht. Konstruiert man aber zwei pythagoreische Tripel (A, B, C) und (A , B, C  ) mit

und

A = m2 − n2 ,

B = 2mn,

C = m2 + n2

A = p2 − q 2 ,

B = 2pq,

C = p2 + q 2 .

so muss, damit beide Dreiecke dieselbe Kathete B besitzen, mn = pq sein; nach dem Euklidischen Vierzahlensatz gilt daher 75

Siehe [Ozanam 1691, S. 90].

248

6 Fermat m = ax, n = by, p = ay, y = bx

f¨ ur Zahlen a, b, x und y. Also folgt A = a2 x2 − b2 y 2 ,

B = 2abxy,

C = a 2 x 2 + b2 y 2 ,

A  = a2 y 2 − b 2 x 2 ,

B = 2abxy,

C  = a2 y 2 + b2 x 2

wie von Ozanam angegeben.

C

C

B

A

A

Damit haben wir A2 + B 2 = C 2 und A + B 2 = C  ; es bleibt daher die 2 Gleichung A2 + A = R2 zu l¨osen, also 2

2

(a2 x2 − b2 y 2 )2 + (a2 y 2 − b2 x2 )2 = R2 . Ozanam setzt y = r− ax b ; Einsetzen liefert eine Gleichung, die man so schreiben kann: b4 R2 = [(a4 − b4 )q 2 − 2a3 bqr + a2 b2 r2 ]2 + b6 r2 (2aq − br)2 . Der Koeffizient von q 4 in dieser Gleichung ist ein Quadrat, n¨ amlich das von a4 − b4 . Setzt man nun b2 R = (a4 − b4 )q 2 − 2a3 bqr + a2 b2 ·

a 4 + b4 2 ·r , a 4 − b4

so heben sich die Glieder mit q 4 , q 3 r und q 2 r2 weg, und es verbleibt 4ab7 · Aufl¨osen nach

q r

4 4 4 4 a 4 + b4 3 8 (a + b )(3a − b ) · qr − b · · r4 = 0. a 4 − b4 (a4 − b4 )2

ergibt dann nach leichter Rechnung

p = a(a4 − 3b4 ),

q = b(3a4 − b4 ),

r = 4a(a4 − b4 ).

Ozanam gibt das Beispiel a = 2 und b = 1, das auf p = 26 und q = 47 und endlich auf 81602 + 4952 = 81752 , 4952 + 48882 = 49132 , 81602 + 48882 = 95122 f¨ uhrt. Ozanams Formeln ergeben

⎫ A = 8a2 b2 (a4 − b4 )(a4 + b4 ), ⎬ B = 2a2 b2 [4(a4 − b4 )2 − (a4 + b4 )2 ], ⎭ A = (a4 − b4 )(a4 + b4 + 4a2 b2 )(a4 + b4 − 4a2 b2 ).

(6.5)

6.9 Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen

249

Saunderson W¨ahrend Wallis und Brouncker den zahlentheoretischen Leistungen Fermats sehr reserviert gegen¨ uber standen, haben einige ihrer Landsleute mehr Gefallen an diophantischen Problemen gefunden. Einer der ersten ist John Kersey, der als Lehrer in London seinen Lebensunterhalt verdient hat. Das dritte Buch seiner Algebra76 befasst sich nicht nur mit Problemen aus Diophants Arithmetika, sondern auch mit den Kommentaren Fermats und dem Inhalt von de Billys Inventum Novum.

Abb. 6.9.1. Nicholas Saunderson Memorial Obelisk, St Johns, Penistone. Dieser Obelisk wurde von Sarah Jones-Morriswith zusammen mit Sch¨ ulern aus Penistone gestaltet. Mit freundlicher Genehmigung des Penistone History Archive.

Ein weiterer Liebhaber diophantischer Probleme auf englischem Boden ist ahe des Nicholas Saunderson77 , der im Januar 1682 in Thurlstone (in der N¨ heutigen Penistone) geboren wird. Bereits im Alter von 12 Monaten verliert er durch Pocken sein Augenlicht. Die Legende will wissen, dass sich Saunderson das Lesen durch das Abtasten von Grabsteinen selbst beigebracht hat. 1707 beginnt er, sich als Lehrer in Cambridge seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er erarbeitet sich einen guten Ruf als Lehrer unter den Studenten in Cambridge; 1711 folgt er William Whiston auf dem Lucasischen Lehrstuhl nach, und 1723 heiratet er. Saunderson stirbt am 19. April 1739 in Cambridge. 76 77

Siehe [Kersey 1674]. Die Person Saunderson beschreibt [Tattersall 1992].

250

6 Fermat

Zur Zahlentheorie hat Saunderson mit seiner Algebra, die 1756 ins Franz¨ oahrend er sische78 u ¨bersetzt wurde, einen wesentlichen Beitrag geliefert. W¨ voll des Lobs f¨ ur die Kommentierung Diophants durch Bachet ist, kann er sich mit manchen seiner Beweise nicht anfreunden: Er schreibt79 , dass Bachet f¨ ur die 16. und 17. Proposition schreckliche Beweise gibt, in denen er alle ” Buchstaben mit Ausnahme von I und O“ benutzt habe, was tats¨ achlich der Wahrheit entspricht (Abb. 6.9.2).

Abb. 6.9.2. Bachets Alphabetisierung Diophants

In der heutigen Fachliteratur ist Saunderson wohl nur deswegen nicht vollkommen vergessen, weil James Tattersall einen Algorithmus80 nach ihm benannt hat, der zu zwei Zahlen a und b mit gr¨oßtem gemeinsamen Teiler d die Linearkombination d = ax + by berechnet; dieser Algorithmus ist verwandt mit der im selben Buch vorgestellten Methode von Roger Cotes, eine Zahl durch einen Bruch mit m¨oglichst kleinem Z¨ahler und Nenner zu approximieren. Weiter behandelt Saunderson81 das oben besprochene Problem von Ozanam und erh¨alt die heute nach ihm benannte Parametrisierung (Abb. 6.9.3) A = u(4u2 − w2 ),

A = v(4u2 − w2 ),

B = 4uvw.

Setzt man in (6.5) a4 − b4 = u, 78

2a2 b2 = v

und

a4 + b4 = w,

Siehe [Saunderson 1756]. Siehe [Saunderson 1740, S. 405]. 80 Saundersons Algorithmus findet man in [Saunderson 1740, Art. 175]. 81 Siehe [Saunderson 1740, S.429–431]. 79

(6.6)

6.10 Der 30-j¨ahrige Krieg

251

Abb. 6.9.3. Saundersons Parametrisierung

dann ist u2 + v 2 = w2 , und es gilt (6.6). Ozanams L¨ osung liefert also nur einen Spezialfall der allgemeineren L¨osung82 von Saunderson. Euler greift dieses Problem in seiner Algebra83 wieder auf, und heute kennt man es unter dem Namen Euler-Ziegel“: ein Eulerscher Ziegel ist ein Quader mit ganzzahligen ” Kanten, in welchem die drei Seitendiagonalen rational (und damit ebenfalls ganzzahlig) sind. Es ist ein offenes Problem, ob es einen vollkommenen Eulerschen Ziegel gibt, also einen, in welchem auch die Raumdiagonale ganzzahlig ist; ¨aquivalent dazu ist die Frage, ob nichttriviale ganzzahlige L¨ osungen des diophantischen Systems x2 + y 2 =  ,

x2 + z 2 =  ,

y2 + z2 =  ,

x2 + y 2 + z 2 = 

existieren.

6.10 Der 30-j¨ ahrige Krieg Der 30-j¨ahrige Krieg von 1618 bis 1648 war ein Konflikt um die Hegemonie im ” Heiligen R¨omischen Reich Deutscher Nation und in Europa und zugleich ein Religionskrieg“: so steht es kurz und b¨ undig auf Wikipedia. Auch die Schlacht bei N¨ordlingen kann man so zusammenfassen: 1634 konnten die kaiserli” chen Armeen in der Schlacht bei N¨ordlingen den ersten wirklich großen Sieg u ¨ber die Schweden unter dem bedeutenden Feldherrn Bernhard von SachsenWeimar erringen“. Was die Ereignisse dahinter f¨ ur die Bev¨ olkerung bedeutet haben, wird daraus nicht klar; selbst Bertolt Brechts Mutter Courage und ihre Kinder kann die Schrecken dieser Zeit nur unvollkommen abbilden.

Schickard Wilhelm Schickard wird am 22. April 1592 in Herrenberg bei T¨ ubingen geboren. Am theologischen Stift in T¨ ubingen studiert er Theologie und wird mit 22 Jahren Diakon in N¨ urtingen. 82 83

Diese Aufgabe wird bei [Hofmann 1974] besprochen. Siehe [Hofmann 1974].

252

6 Fermat

Im Jahre 1617 lernt er Johannes Kepler kennen und beginnt, sich f¨ ur astronomische Fragen zu interessieren; vermutlich aus diesem Grund lernt er, mit den Napierschen Logarithmen umzugehen, und 1623 entwirft er, um Kepler bei dessen Rechnungen zu helfen, eine mechanische Rechenmaschine.

Abb. 6.10.1. Nachbau der Rechenmaschine von Wilhelm Schickard

Die f¨ ur Kepler gedachte Maschine wird bei einem Brand zerst¨ ort, seine eigene geht wahrscheinlich w¨ahrend des 30-j¨ahrigen Kriegs verloren. Erst die Entdeckung einer Beschreibung der Rechenmaschine in Unterlagen Keplers erm¨oglichen es 1957, eine Rekonstruktion der Maschine zu versuchen; diese wurde 1960 fertiggestellt und kann heute im T¨ ubinger Rathaus besichtigt werden. W¨ahrend in ganz Deutschland der 30-j¨ahrige Krieg tobt, beginnt Wilhelm Schickard, die Gegend um T¨ ubingen mit der Snelschen Methode zu vermessen. W¨ahrend des Kriegs werden Schickards Mutter und sein Onkel erschlagen, und 1634 kommt mit durchziehenden kaiserlichen Truppen die Pest nach T¨ ubingen. Am 9. Juli 1635 brennt das Haus seiner Schwester ab, worauf er diese und ihre drei Kinder bei sich aufnimmt. Am 21. September stirbt eine seiner Nichten an der Pest, seine Schwester erkrankt. Daraufhin flieht Schickard mit seinem Sohn nach Dußlingen, einem bis dahin von der Pest verschonten Dorf. Aus Angst um seine Bibliothek kehrt er aber nach T¨ ubingen zur¨ uck;

6.10 Der 30-j¨ahrige Krieg

253

am 25. September stirbt seine Schwester, am 23. Oktober er selbst, und am 24. Oktober sein Sohn. Mit Schickards Tod macht der 30-j¨ahrige Krieg in Deutschland das Licht aus. W¨ ahrend im europ¨aischen Ausland Namen wie Galilei, Cardano, Descartes, Pascal, Fermat, Huygens, Rømer, Cassini, Barrow und Newton f¨ ur sich sprechen, gibt es auf deutschem Boden erst wieder mit Leibniz jemanden, den man diesen Gr¨oßen an die Seite stellen kann.

Halcke An Hamburg ist der 30-j¨ahrige Krieg, der weite Teile S¨ uddeutschlands in Schutt und Asche gelegt hat, fast spurlos vor¨ ubergegangen; der Handel mit andern St¨adten, auch im Ausland, sorgte dort f¨ ur Wohlstand und machte einen Rechenunterricht f¨ ur die angehenden Kaufleute notwendig, der mit dem noch heute bekannten Namen Joachim Jungius verbunden ist. Auch wenn sich der Unterricht in Mathematik nicht mit dem in Latein messen konnte, das f¨ ur ein Studium an einer ausl¨andischen Universit¨at unerl¨ asslich war, brachte er doch eine Reihe von Lehrern hervor, deren Engagement in der Geschichte deutliche Spuren hinterlassen hat. Paul Halcke (1662–1731), eigenen Worten nach Schreib- und Rechenmeister aus Buxtehude, verdiente seinen Unterhalt mit dem Schreiben von Kalendern und war Mitglied der Hamburger Kunstrechnungsliebenden Societ¨ at“, einer ” 1690 von Valentin Heins und Heinrich Meißner gegr¨ undeten Vereinigung, aus der die heutige Hamburger Mathematische Gesellschaft hervorging. Das Ziel des Vereins war die Verbreitung mathematischer F¨ ahigkeiten; um im Hamburg des ausgehenden 17. Jahrhunderts Rechnen zu erlernen, musste man eine der f¨ unf Hamburger Kirchenschulen besuchen, und Meißner war ab 1688 Schulmeister an der Kirchenschule St. Jacobi, Heins, der sich schon als 14-j¨ ahriger ein Zubrot als Rechenlehrer verdient hatte, ab 1670 an St. Michaelis. Diese beiden Vertreter der Mathematik m¨ ussen allerdings in der damaligen Zeit als absolute Ausnahmen gelten: Bubendey84 zitiert einen Journalisten mit den Worten diese h¨ochst elenden Schulmeister kamen, wie Pilze aus der ” Erde, ohne alle vorherige Geistespflege ins Schulamt“. Um der Societ¨at beitreten zu k¨onnen, musste eine Aufnahmepr¨ ufung abgelegt werden, in der das L¨osen quadratischer und kubischer Gleichungen ebenso gepr¨ uft wurde wie die vornehmsten und n¨otigsten Fundamenta Euclidea nebst ” sattem Verstande numerorum irrationalium et binomiorum“. Schon fr¨ uh gewann die Societ¨at auch ausw¨artige Mitglieder; sp¨ ater geh¨ orten ihr unter anderem die Niederl¨ander Jacob Oostwoud und Arnoldus Bastiaan Strabbe an. Strabbe gr¨ undete 1769 die Zeitschrift Oeffenschool der Mathematische Weetenschappen und 1778 die Genootschap der Mathematische Weetenschapen, 84

Siehe [Bubendey 1889].

254

6 Fermat

Abb. 6.10.2. Triangulation um T¨ ubingen durch Wilhelm Schickard

6.10 Der 30-j¨ahrige Krieg

255

von denen ein Drittel Mitglied der Societ¨at waren. Diese beiden Gesellschaften geh¨oren damit zu den ¨altesten Mathematikervereinigungen: die London Mathematical Society folgte 1865, die American Mathematical Society85 1888. Außerdem gelang es dem Verein, ein kaiserliches Druckprivileg aus Wien zu ergattern, das damals der einzige Schutz gegen Raubkopien war. Dies erlaubte es den Mitgliedern der Societ¨at, an den ver¨ offentlichten B¨ uchern auch zu verdienen, so etwa an Stern und Kern der Algebra (Meißner 1692) und Tyrocinium Mercatorio-Arithmeticum (Heins 1694), welches sich sehr gut verkaufte und bis Anfang des 19. Jahrhunderts aufgelegt wurde. Vom 16-b¨ andigen Kommentar Meißners zu Euklids Elementen sind nur 2 B¨ ande erhalten, die u ¨brigen konnten mangels eines Verlegers nicht gedruckt werden, und das Manuskript ist 1842 verbrannt. Das bekannteste Werk eines Mitglieds der Societ¨ at war aber Halckes 1719 ver¨offentlichtes Buch86 Deliciae Mathematicae mit 574 Aufgaben aus Algebra, Geometrie und Astronomie, das ebenfalls bis ins 19. Jahrhundert hinein neu aufgelegt worden ist und das von Jacob Oostwoud 1777 ins Niederl¨ andische u ¨bersetzt worden ist. Halcke zitiert in seinem Buch des ¨ofteren das Rechenbuch des Simon Jacob (1510–1564) und u urzen des ¨bernimmt einige seiner Aufgaben, so etwa das K¨ Bruchs 77002051 219 739 . 124 591 936 076 998

Abb. 6.10.3. K¨ urzen eines Bruchs bei Simon Jacob

Z¨ahler und Nenner sind das 19-fache der Fibonaccizahlen F62 und F63 ; Simon Jacob war also bewusst, dass die Berechnung des gr¨ oßten gemeinsamen Teilers 85

Siehe [Bubendey 1889] und [Baayen 1978]. Siehe [Halcke 1719], sowie [K¨ uhl & Schmidt 2004] f¨ ur eine sch¨ one Einf¨ uhrung in dieses Buch und den Hinweis darauf, dass der Husumer Rechenmeister Peter Nikolaus Svensen die L¨ osung fast aller Aufgaben aus Halckes Buch in einem 530 Seiten starken Werk ver¨ offentlicht hat. 86

256

6 Fermat

mit dem euklidischen Algorithmus recht m¨ uhsam ist, wenn man ihn auf zwei aufeinanderfolgende Fibonaccizahlen87 anwendet. Der Kern von Halckes Werk ist eine Sammlung diophantischer Aufgaben, bei denen Halcke in der Regel auf Diophant und auf Vieta verweist. In der Einleitung zu diesem Teil des Buches schreibt Halcke: Diese Auffgaben sind eben von derselben Art / als der vierte Theil des Kunst-Spiegels / und hat der alte ber¨ uhmte Diophantus davon 5 B¨ ucher geschrieben / welche noch heutiges Tages von den K¨ unstlern gar hoch gehalten werden [. . . ] darinn auch bißweilen solche Sachen vorkommen / welche fast den h¨ochsten Grade der Vernunft erfordern. Ein Beispiel einer solchen Aufgabe ist die folgende: 259. Von den beyden Cubic-Zahlen 8 und 27 thut die Differentz 19. Man begehrte zwo andere Cubic-Zahlen zu suchen / deren Summa 19 thut. Als L¨osung gibt Halcke x=

246491883 294079625

also

 627 3 665

und

+

5341020992 , 294079625

y=

 1748 3 665

= 19.

K¨ urzen der Br¨ uche ergibt  33 3 35

+

 92 3 35

= 19.

Das Problem, das bereits Ozanam gel¨ost hat, findet sich ohne Hinweis auf die Literatur als 289. Drey Quadrat-Zahlen zu finden / wann man derselben zwo zusammen addiret / daß drey rationale Quadraten kommen. Hier gibt Halcke ohne Kommentar die L¨osung 1936 = 442 ,

57600 = 2402 ,

13689 = 1172 .

Damit hat Halcke den kleinsten Euler-Ziegel gefunden. Auch Aufgaben, bei denen unendlich viele L¨osungen verlangt sind, kommen bei Halcke vor: 87

Siehe [Schreiber 1995] und [L¨ uneburg 2011]. Jacob erw¨ ahnt Fibonacci nicht und spricht in diesem Zusammenhang von einem “arithmetischen Labyrinth”.

6.10 Der 30-j¨ahrige Krieg

257

Abb. 6.10.4. Titelblatt von Halckes Deliciae Mathematicae. Rechts: Seite 48 des Rechenbuchs von Simon Jacob mit den Fibonaccizahlen am Rand

330. Zu finden unz¨ahliche rechtwinckelte Triangula, dessen Basen und Hypothenusen sind Trigonal-Zahlen / und die Cathetus Cubic-Zahlen; Auch wann man die Basen und Hypoth. zusammen addiret / oder von einander subtrahiret / daß rationale Quadraten kommen. Als L¨osung gibt Halcke folgende Tabelle: Trigonales Basis Cathetus Hypothenusa 1 3 6 8 10 36 27 45 3 6 64 136 6 10 120 10 15 300 125 325 Und so fortan unendlich. In der Tat: setzt man a = n(n+1) und b = 2 und z = a2 + b2 , dann sind x=

n2 (n2 − 1) 2

und

y = n3 ,

n(n−1) , 2

sowie

sowie x = 2ab, y = a2 − b2

z=

n2 (n2 + 1) , 2

258

6 Fermat

d.h. die Basis x und die Hypotenuse z sind Dreieckszahlen, und die Kathete y ist eine Kubikzahl. Halckes letzte Aufgabe (Abb. 6.10.5) zeigt noch einmal, dass der Rechenmeister seinen Namen zu recht getragen hat.

Abb. 6.10.5. Auszug aus Halckes Deliciae Mathematicae

6.11 Geometrische Interpretation Dass man die diophantischen Substitutionen als Geradengleichungen und diophantische Gleichungen wie y 2 = x3 −2 als algebraische Kurven interpretieren kann, ist erst in der zweiten H¨alfte des 19. Jahrhunderts Allgemeingut der Mathematiker geworden. Ob es zuvor niemandem aufgefallen ist, oder ob es niemand der M¨ uhe wert erachtet hat, diese Beobachtung zu ver¨ offentlichen, hat Anlass zu vielerlei Spekulationen gegeben. Sicher ist nur, dass Newton diese geometrische Interpretation gel¨aufig war; ver¨ offentlicht hat er seine diesbez¨ uglichen Erkenntnisse allerdings nicht88 . Der Namen Newton wird selten mit der Zahlentheorie in Verbindung gebracht, nicht nur deswegen, weil seine zahlentheoretischen Ergebnisse neben seinem Hauptwerk verblassen, sondern weil sie erst mit der Ver¨ offentlichung seiner Gesammelten Werke im Jahre 1971 bekannt geworden sind. 88

Vergleiche die Ausarbeitungen [P´epin 1884] und [Hofmann 1943].

6.11 Geometrische Interpretation

259

Der wesentliche Beitrag Newtons zur unbestimmten Analysis ist die geometrische Interpretation der linearen Substitutionen Diophants. Die dazu notwendigen Mittel, n¨amlich die Grundlagen der analytischen Geometrie“, hatten ” Ren´e Descartes und Pi`erre Fermat bereitgestellt. Beiden war klar, dass Gleichungen in zwei Variablen vom Grad 2 Kegelschnitte beschreiben. Descartes erkl¨arte auch im Detail, wie man L¨osungen quadratischer Gleichungen mit Zirkel und Lineal konstruieren kann. In einem der ersten Manuskripte89 von Newton mit diophantischem Inhalt l¨ost dieser die diophantische Gleichung x2 + a − b2 y 2 = 0 noch mit Methoden, die er wohl aus dem Commercium epistolicum von Wallis (1658) kannte: x & y will be rationall by makeing

rr−ass 2rs

= x, &

rr+ass 2brs

= y.

Newton betrachtet auch Spezialf¨alle der allgemeinen Gleichung ax2 + bxy + cy 2 + dxz + eyz + f z 2 = 0; er setzt m = a(ae2 + f b2 + cd2 − bde − 4aef )

und

n = d2 − 4af

und gibt L¨osungen, falls eine der Zahlen m, n oder mn eine Quadratzahl ist. Newtons Artikel90 aus dem Jahre 1670 war in der Sprache von Descartes’ Geometrie geschrieben; insbesondere hatten seine Koordinatensysteme nur eine Achse. Zur L¨osung von Problemen in rationalen Zahlen, schreibt Newton, m¨ ussen die gesuchten Zahlen in Form einer Gleichung dargestellt werden, und werden dann als Basis und Ordinate einer Kurve interpretiert, die dieser Gleichung gen¨ ugen. Dann muss man Punkte auf dieser Kurve suchen, deren Koordinaten beide rational sind. Dazu unterscheidet Newton zwei F¨alle; im einfachsten Fall hat die Gleichung Grad 2: 1. Wenn die Zahlen in der Gleichung den Grad 2 nicht u ¨bersteigen, so dass die Kurve ein Kegelschnitt ist, dann sei ein Punkt F auf der Kurve gegeben, dessen Koordinaten AH und HF rational sind, und aus diesem einzigen Beispiel wird wie folgt eine allgemeine Regel abgeleitet werden. Im heutigen Sprachgebrauch w¨are A der Ursprung des Koordinatensystems, die Gerade AH die x-Achse und die Gerade durch A parallel zu BC die yAchse; insbesondere entspricht die Strecke AH der x- und die Strecke HF der y-Koordinate eines Punkts auf dem Kegelschnitt (siehe Abb. 6.11.2 links). Auf AH w¨ahle man eine Strecke HE mit beliebiger rationaler L¨ ange, und bezeichne den Schnittpunkt von EF mit der Kurve mit G. Ist dann GK parallel zu CB, dann werden die Zahlen AK und KG rational sein.

260

6 Fermat

Abb. 6.11.1. Auszug (S. 184) aus Newtons waste book“, in welchem er Ideen ” sammelte, von denen viele nicht vor 1970 ver¨ offentlicht wurden. C

C G

G

F E A

DH

B

K

H

N

B

K

Abb. 6.11.2. Newtons geometrische Konstruktion rationaler Punkte

Newton w¨ahlt nun einen Punkt E auf der x-Achse mit rationaler x-Koordinate und schneidet die Gerade durch E und den rationalen Punkt F mit dem Kegelschnitt: der zweite Schnittpunkt G dieser Geraden mit dem Kegelschnitt neben F ist dann notwendig ein rationaler Punkt. Liegt der Punkt F auf der Geraden AH, ist also FH gleich 0, dann w¨ahle man HN von beliebiger rationaler L¨ ange, bilde NE parallel zu BC von ebenfalls beliebiger rationaler L¨ ange, und bezeichne den Schnittpunkt der Kurve mit HE mit G; dann werden AK und KG rational sein. Um den einen rationalen Punkt zu finden, nimmt Newton an, dass die Gleichung der Kurve gegeben ist durch ax2 + bxy + cy 2 + dx + ey + f = 0, und zeigt dann, dass man in den folgenden und unz¨ ahligen anderen“ F¨ allen ” eine solche L¨osung hat: 89 90

Siehe [Newton 1967, S. 542]. Siehe [Newton 1971, § 2]

6.11 Geometrische Interpretation

261



f = 0;



ax2 + dx + f hat eine rationale L¨osung x;



cy 2 + ey + f hat eine rationale L¨osung y;



b2 − 4ac ist eine Quadratzahl.

Danach behandelt Newton den Fall kubischer Gleichungen. Hier nimmt er an, er kenne bereits drei rationale Punkte, die nicht in arithmetischer Progres” sion“ liegen; damit meint er, dass diese drei Punkte nicht auf einer Geraden liegen sollen. Sind P , Q und R diese drei Punkte, dann erh¨ alt er drei neue rationale Punkte S, T , U dadurch, dass er die Geraden P R, RQ und P Q mit der Kurve schneidet. Dass Newton drei rationale Punkte braucht, liegt daran, dass er zum Zeitpunkt des Abfassens seiner Idee die Tangentenkonstruktion nicht kennt, die Diophant im algebraischen Gewand so oft angewandt hat. Wenn Newton also nur zwei rationale Punkte P und Q als gegeben annimmt, kann er zwar einen dritten rationalen Punkt R als Schnittpunkt der Geraden P Q und der Kurve bestimmen, kommt danach aber mit seiner Sekantenmethode nicht mehr weiter.

Aufgaben 6.1 Zeige, dass p = 3 die einzige Primzahl der Form 22n −1 und 22n+1 +1 ist. Damit besagt die Mersennesche Regel, dass 2p − 1 genau dann eine Mersennesche Primzahl ist, wenn p = 3 oder p eine Primzahl der Form 22n +1 (p = 5, 17, 257), 22n ± 3 (p = 13, 19, 67) oder 22n+1 − 1 (p = 7, 31, 127) ist. 6.2 Fermat konstruiert aus drei Quadraten a2 , b2 , c2 in arithmetischer Progression die pythagoreischen Dreiecke (a1 , b1 , c1 ) = ((a + b)2 − b2 , 2b(a + b), (a + b)2 + b2 ) und (a2 , b2 , c2 ) = ((b + c)2 − b2 , 2b(b + c), (b + c)2 + b2 ). Rechne nach, dass dies pythagoreische Tripel sind, und dass b1 − a1 = c2 − b2 und b1 − c1 = a2 − b2 gilt. 6.3 L¨ ose die Doppelgleichung 2t2 + 4t + 1 = u2 ,

2t2 + 2t + 1 = v 2

wie folgt: Da die Gleichung 2t2 +4t+1 = u2 eine rationale L¨ osung hat, n¨ amlich (t, u) = (0,1), kann man mit dem diophantischen Ansatz u = mt+1 (oder durch Parametrisierung) alle L¨ osungen gewinnen: t=2·

m−2 , 2 − m2

u=

m2 − 4m + 2 . 2 − m2

Setze diese Formeln in die zweite Gleichung ein; es folgt v2 =

m4 − 4m3 + 12m2 − 24m + 20 . (m2 − 2)2

262

6 Fermat Mit w = v(m2 − 2) f¨ uhrt dies auf w2 = m4 − 4m3 + 12m2 − 24m + 20. L¨ ose diese Gleichung durch die Substitution w = m2 − 2m + 4.

6.4 (Ozanam, Recreations Mathematiques et Physiques, vol. I, 1701; S. 298) Gesucht ist ein rechtwinkliges Dreieck, dessen Fl¨ ache (in Zahlen) gleich seinem Umfang ist. Zeige, dass es in ganzen Zahlen nur zwei L¨ osungen gibt, n¨ amlich die Dreiecke (a, b, c) = (6,8,10) und (5,12,13). atze u 6.5 In seinem Dictionaire91 gibt Ozanam diverse S¨ ¨ber rechtwinklige Dreiecke in Zahlen mit derselben H¨ ohe, etwa die folgenden: •

Es gibt unendlich viele rechtwinklige Dreiecke in Zahlen mit derselben Fl¨ ache.



Es gibt unendlich viele rechtwinklige Dreiecke in Zahlen, deren Katheten dieselbe Differenz besitzen (z.B. gleich 7).



Es gibt unendlich viele rechtwinklige Dreiecke in Zahlen, f¨ ur welche die Differenz zwischen Hypotenuse und einer Kathete dieselbe ist (beispielsweise gleich 1).

Beweise diese Aussagen. 6.6 Jean Prestet wurde 1648 in Chˆ alon-sur-Saˆ one in bescheidenen Verh¨ altnissen geboren. In [Prestet 1694, S. 260–261] gibt er folgende Formeln, um aus einer L¨ osung (x, y, z) der Gleichung x3 + y 3 = Az 3 eine neue zu gewinnen: x1 = x(2y 3 + x3 ),

y1 = −y(2x3 + y 3 ),

z1 = z(x3 − y 3 ).

Verifiziere diese Formeln, leite sie mit Diophants Technik einer geschickten Substitution her, und erkl¨ are sie mit dem Tangentenverfahren, bei welchem man einen rationalen Punkt auf einer Kubik findet, indem man die Tangente in einem bekannten Punkt mit dieser schneidet. 6.7 Jean-Dominique Cassini (Cassini I) hat 1680, wie er schreibt, im Zusammenhang mit der Astronomie die Folge 1, 1, 2, 3, 5, 8, . . . untersucht, die Lucas sp¨ ater nach Fibonacci benannt hat. Hier ist F1 = F2 = 1 und Fn+1 = Fn + Fn−1 . In [Cassini 1680] gibt er ohne Beweis folgende Identit¨ aten: Fn−1 Fn+1 = Fn2 ± 1 Fn−1 Fn+2 = Fn Fn+1 ± 1 Fn−2 Fn+2 = Fn2 ± 1 Beweise diese Identit¨ aten und bestimme die korrekten Vorzeichen.

91

Siehe [Ozanam 1691, S. 37].

7

Euler und Lambert

Abb. 7.0.1. Leonhard Euler. Bild von Jakob Emanuel Handmann

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_7

264

7 Euler und Lambert

Die Mathematik zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde mathematisch von der Schweiz dominiert: Die Gelehrtenfamilie der Bernoullis, welche ebenso wie Euler aus Basel stammte, sowie sp¨ater Lambert aus M¨ ulhausen, dr¨ uckten der Mathematik ihren Stempel auf. In dem einzigen Artikel1 zur Geschichte der Mathematik aus der Feder von Gauß heißt es zu den beiden letzteren: Aber wie ein Stern erster Gr¨osse leuchtet der unsterbliche Leonhard Euler hervor. Von keinem andern Mathematiker ¨alterer und neuerer Zeit kann man eine solche fast unbegreifliche Schnelligkeit in den schwierigsten Arbeiten bey einer solchen unersch¨ opflichen Fruchtbarkeit an neuen Ideen und H¨ ulfsquellen r¨ uhmen. Alle Theile der Mathematik bearbeitete er, und die meisten erhielten unter seinen H¨ anden eine ganz neue Gestalt. Unvergesslich werden seine Verdienste um die h¨ ohere Arithmetik, die Behandlung der Kreisfunctionen, die Anwendung der Analyse auf die krummen Linien, die Lehre von den Reihen, die Theorie der algebraischen Gleichungen, die Differential- und Integralrechnung, die mechanischen und die optischen Wissenschaften seyn. Zu den verdienstvollesten Mathematikern des Jahrhunderts geh¨ort auch Johann Heinrich Lambert2 , wegen der vielfachen Anwendungen, die er von mathematischen Lehren auf Gegenst¨ande des gemeinen Lebens machte. Im 17. Jahrhundert waren die wesentlichen Fortschritte in der Mathematik und vor allem in der Zahlentheorie in erster Linie außerhalb der Universit¨ aten erzielt worden; man denke nur an Bachet, Fermat, Brouncker oder Leibniz. Isaac Newton auf dem Lucasischen Lehrstuhl in Cambridge mag als die Ausnahme gelten, welche die Regel best¨atigt. Auch zu Eulers Lebzeiten gab es kaum attraktive Lehrst¨ uhle an Universit¨aten; zu den wenigen großen Namen unter den Lehrstuhlinhabern geh¨oren die Br¨ uder Jakob und Johann Bernoulli an den Universit¨ aten von Basel bzw. Groningen. Die Mathematikvorlesungen an deutschen Universit¨aten beschr¨ankten sich darauf, den H¨ orern die mathematischen Grundlagen beizubringen, die diese etwa f¨ ur die Feldmessung oder ¨ die Mechanik ben¨otigten. Anderungen an diesem Zustand sind kaum sichtbar; allerdings schrieb Johann Andreas von Segner, mit welchem auch Euler korrespondierte, in seinem Vorlesungsprogramm 1735 in G¨ ottingen3 : Was ich neues geh¨ort, gelesen oder durch eigenes Nachdenken gefunden habe oder noch finden werde, das werde ich alles nach meiner 1

Diesen kleinen Artikel u ¨ber die Entwicklung der Mathematik in Deutschland im 18. Jahrhundert hat [Biermann 1983] entdeckt und ver¨ offentlicht. 2 Auf der Seite http://www.kuttaka.org/~JHL/Main.html, die von Maarten Bullynck gepflegt wird, findet man alle Ver¨ offentlichungen von Lambert. 3 In [Hinneberg 1914, S. 107] finden sich drei Essays u ¨ber die Kulturgeschichte der Mathematik.

7 Euler und Lambert

265

Gewohnheit Euch in einer zur Einf¨ uhrung geeigneten Weise mitteilen. Die Hauptfiguren in der Entwicklung der Zahlentheorie im 18. Jahrhundert, n¨ amlich Euler, Lambert und Lagrange, waren Mitglieder von Akademien der Wissenschaften, also Einrichtungen, an denen sich Herrscher wie Friedrich der Große (in Berlin) oder Katharina I. (in St. Petersburg) mit den großen Denkern ihrer Zeit schm¨ uckten. Die Accademia dei Lincei (Akademie der Luchse – der Name wurde wegen der scharfen Augen dieser Raubkatzen gew¨ahlt) wird 1603 von Frederico Cesi gegr¨ undet; 8 Jahre sp¨ater nimmt sie das prominenteste Mitglied der Akademie auf: Galileo Galilei. Zur Akademie geh¨orten auch zwei Deutsche; einer davon war der Jesuit Johann Schreck, der 1618 als Missionar nach China ging und 1630 in Peking starb. Die Accademia dei Lincei u under nur ¨berlebt ihren Gr¨ um zwei Jahrzehnte; erst Papst Pius IX haucht ihr als Pontificia Accademia dei Nuovi Lincei wieder Leben ein. In England scharen sich Anh¨anger von Francis Bacon um M¨ anner wie Robert Boyle, Robert Hooke, John Wallis und Lord Brouncker. Nach dem Ende des Englischen B¨ urgerkriegs 1660 wird daraus die Royal Academy of Sciences; deren Ansehen steigt gewaltig unter ihrem Pr¨ asidenten Isaac Newton. Das franz¨osische Pendant, die Acad´emie Royale des Sciences, wird von Ludwig XIV und seinem Finanzminister Jean-Baptiste Colbert 1666 ins Leben gerufen. Die Preußische Akademie der Wissenschaften wird erst 1700 von Kurf¨ urst Friedrich III auf Anraten von Leibniz gegr¨ undet. Eine erkleckliche Anzahl der Mitglieder sind Hugenotten, die 1685 nach der Aufhebung des Edikts von Nantes, das ihnen die Religionsfreiheit garantiert hatte, aus Frankreich emigriert waren. Die neuen Akademien beginnen damit, Zeitschriften herauszugeben; darunter sind das Journal des Scavans in Paris, die Philosophical Transactions in London, die Acta Eruditorum in Berlin und die Commentarii Academiae scientiarum imperialis Petropolitanae in St. Petersburg. Die Kirche hatte den Kampf gegen die aufstrebende Wissenschaft verloren, die Zeit der Hexenverbrennungen war im Wesentlichen vor¨ uber, Krankheiten waren nicht mehr ein Anzeichen mangelnden Glaubens an Gott oder Folge eines Fluchs einer Hexe, und wurden vermehrt mit medizinischen Mitteln behandelt. Das Jahrhundert der Aufkl¨arung nahte, und es war fortan m¨ oglich (wenn auch nicht ratsam), die Kirche offen zu kritisieren, sei es mit dem scharfsinnigen Witz eines Voltaire oder der unzweideutigen Sprache eines Jean Meslier4 : Ein Mann, der weder die Wissenschaft kannte noch Bildung besaß, außerte einmal den Wunsch, dass alle Adligen mit den Ged¨armen der ¨ 4

Siehe [Meslier 1864, Band 1, S. 19].

266

7 Euler und Lambert Priester erh¨ angt und erw¨ urgt werden sollten. Dieser Ausdruck wird roh, ungehobelt und emp¨orend wirken, aber man wird zugeben, dass er mit wenig Worten ausdr¨ uckt, was solche Leute verdienen.

Die ersten Universit¨aten beginnen damit, von Freiheit der Forschung und Lehre zu reden. Die Entlassung des Philosophen Christian Wolff 1723 oder das Beispiel der G¨ottinger Sieben 1837 markieren die Grenzen dieser Freiheit. Musik und Literatur schwingen sich in ungeahnte H¨ ohen, wie man allein an den Namen Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Antonio Vivaldi, Voltaire, Friedrich Schiller, Johann Wolfgang Goethe und vielen anderen ablesen kann. Am Ende des 18. Jahrhunderts wird erst mit der Industriellen und dann mit der Franz¨ osischen Revolution ein neues Zeitalter eingel¨autet. Auf dem Gebiet der Zahlentheorie geschieht nach Fermat erst einmal wenig Spektakul¨ares: Die Ausarbeitung der von Newton und Leibniz entwickelten Inur Mathematik interessiert, finitesimalrechnung5 besch¨aftigt jeden, der sich f¨ und ihre Anwendungen etwa auf die Mechanik und die Astronomie bieten unz¨ahlige M¨oglichkeiten, Neues zu entdecken und Altes zu verbessern. Dass Newton sich mit diophantischen Problemen befasst hat, haben wir bereits gesehen. Auch Leibniz und die Bernoullis haben sich, vor allem in Zusammenhang mit der Berechnung von Stammfunktionen, mit diophantischen Techniken befasst.

7.1 Diophantische Methoden in Analysis und Geometrie Mit der Herleitung der Keplerschen Gesetze aus seinem Gravitationsgesetz hat Newton ganze Generationen von Mathematikern und Physikern mit Problemen versorgt. Zwar hat Newton diese Herleitung im Wesentlichen mit geometrischen Mitteln durchgef¨ uhrt, in der Folge jedoch wird vor allem die Infinitesimalrechnung auf mechanische und astronomische Probleme angewandt. Dieses Feld haben zwischen Newton und Euler in erster Linie Mathematiker aus der Gelehrtenfamilie Bernoulli kultiviert, n¨ amlich die aus Basel stammenden Jakob Bernoulli (1655–1705) und sein Bruder Johann (1667–1748) I, sowie der Sohn Johanns, Daniel Bernoulli (1700–1782). W¨ahrend die großen Namen sich mit der Infinitesimalrechnung besch¨ aftigen, werden in Lehrb¨ uchern der Algebra auch weiterhin diophantische Probleme behandelt; Fortschritte u ¨ber Fermat hinaus werden dabei aber nicht erzielt. Die ersten Hinweise auf Anwendungen diophantischer Gleichungen auf die 5

Die Geschichte der Analysis und der Priorit¨ atsstreit zwischen Newton und Leibniz wird in [Sonar 2011] und [Sonar 2016] beschrieben.

7.1 Diophantische Methoden in Analysis und Geometrie Jahr

Ereignis

1703

Peter der Große gr¨ undet die Stadt St. Petersburg, die bis 1918 Hauptstadt Russlands bleibt. Edmond Halley sagt die Wiederkehr des nach ihm benannten Kometen voraus. Die Preußische Akademie der Wissenschaften wird gegr¨ undet. Johann Sebastian Bach ver¨ offentlicht die Brandenburgische Konzerte. Peter der Große gr¨ undet die Russische Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg. Die Ver¨ offentlichung von Diderots Enzyklop¨ adie beginnt. James Watt verbessert die Dampfmaschine von Thomas Newcomen erheblich und l¨ autet die Industrielle Revolution ein. Die Boston Tea Party ist ein Vorbote der amerikanischen Unabh¨ angigkeit von England. Die USA erkl¨ aren sich f¨ ur unabh¨ angig. Friedrich Wilhelm Herschel entdeckt den Uranus. Kant ver¨ offentlicht seine Kritik der reinen Vernunft. Der Sturm auf die Bastille markiert den Beginn der Franz¨ osischen Revolution. Henry Cavendish bestimmt die Masse der Erde.

1705 1707 1721 1724 1751 1769 1773 1776 1781 1789 1798

267

Tabelle 7.1. Das 18. Jahrhundert

Integralrechnung finden sich bereits bei Leibniz; auf diese wollen wir zuerst eingehen6 , bevor wir uns dann mit den Leistungen Eulers befassen.

Leibniz Gottfried Wilhelm Leibniz wird am 21. Juni 1646 in Leipzig geboren, geht dort zur Schule und besucht die dortige Universit¨at. 1663 wechselt er nach Jena, und bereits 3 Jahre sp¨ater schreibt er im Alter von 19 Jahren sein erstes Buch, n¨amlich De Arte Combinatoria. Weil er in Leipzig als zu jung zum Promovieren befunden wird, geht er an die Universit¨at Altdorf bei N¨ urnberg. 1672 stellt er der Royal Society seinen Rechenautomaten vor, danach lernt er in Paris die moderne Mathematik kennen. Parallel mit Newton entwickelt er die Infinitesimalrechnung, wird aber in einen wenig erquicklichen Priorit¨ atsstreit7 hineingezogen. Er stirbt einsam am 14. November 1716. 6 In diesem Zusammenhang sei vor allem auf den sehr informativen Artikel [Weil 1981] hingewiesen. [Langlands 2010] argumentiert, dass auch der Fundamentalsatz der Algebra sich vor allem im Zusammenhang mit der Integration rationaler Funktionen – Stichwort Partialbruchzerlgeung – entwickelt hat. 7 Details dazu findet man bei [Sonar 2016].

268

7 Euler und Lambert

Bereits Leibniz8 beklagt in einem Brief an L’Hˆopital vom 23. Januar 1693, dass es keine allgemeine Methode gebe, diophantische Probleme anzugreifen. In seiner Antwort weist L’Hospital9 auf das Buch Nouveaux Elemens10 von Prestet hin, in welchem dieser ohne Beweis den Satz benutze, dass eine Zahl, welche sich als Summe dreier rationaler Zahlen schreiben l¨ asst, immer eine Summe von h¨ochstens drei Quadraten ganzer Zahlen ist; er fragt sich weiter, warum Fermat, der ja behauptet habe, viele ¨ahnlich schwierige S¨ atze beweisen zu k¨onnen, so wenig dar¨ uber ver¨offentlicht hat. Als L’Hospital schreibt11 , dass das Studium diophantischer Probleme keinen großen Nutzen verspreche, und dass man in der Theorie der Zahlen noch nicht einmal beweisen k¨onne, dass jede Primzahl der Form 4n + 1 Summe zweier ganzer Quadrate ist, antwortet Leibniz, die diophantischen Probleme seien n¨ utzlicher als man denkt, etwa bei der Berechnung gewisser Fl¨ achen oder beim Nachweis, dass eine solche nicht m¨ oglich sei. Auch nach Leibniz bleibt die Tatsache, dass man diophantische Techniken in der Integralrechnung anwenden kann, im Bewusstsein der Mathematiker; neben Johann Bernoulli weisen auch Daniel Bernoulli in einem Brief12 von 1723 an Goldbach und d’Alembert in seinem Artikel u adie darauf ¨ber Diophant in Diderots Enzyklop¨ hin. Voltaire hat sich dieser Meinung nicht angeschlossen; unter dem Stichwort Geometrie seines philosophischen W¨orterbuchs schreibt er u utzlichkeit ¨ber die N¨ der Mathematik: Man muss zwischen der n¨ utzlichen Geometrie und der sonderbaren Geometrie unterscheiden. Die n¨ utzliche ist der von Galilei erfundene Proportionalzirkel, die Messung der Dreiecke, der K¨orper, die Berechnung bewegter Kr¨afte. Fast alle anderen Probleme k¨onnen den Geist erhellen und ihn st¨ arken; sehr wenige davon werden sp¨ urbar n¨ utzlich f¨ ur das menschliche Geschlecht sein. Quadriert so viele Kurven wie ihr wollt, ihr zeigt einen extremen Scharfsinn. Ihr ¨ahnelt einem Arithmetiker, der die Eigenschaften von Zahlen untersucht statt sein Verm¨ogen zu berechnen. Als Archimedes das spezifische Gewicht von K¨orpern entdeckt hat, erwies er dem menschlichen Geschlecht einen Dienst; aber wozu soll es gut sein, drei Zahlen zu finden, sodass die Differenz der Quadrate von zweien addiert zum Kubus der drei immer ein Quadrat ergibt, und dass die Summe der drei Differenzen addiert zum selben Kubus ein anderes Quadrat ergibt? Nugæ difficiles. 8

Siehe [Leibniz 2003, S. 484]. Siehe [Leibniz 2003, S. 499]. 10 Siehe [Prestet 1694]. 11 Brief vom 23. April 1693, [Leibniz 2003, S. 529] 12 Siehe [Fuss 1845, II, S. 190]. 9

7.1 Diophantische Methoden in Analysis und Geometrie

269

Nugæ difficiles sind schwierige Kleinigkeiten“, also philosophische Fragen, ” die ausf¨ uhrlicher untersucht werden als ihnen wegen ihrer geringen Bedeutung eigentlich zusteht.

Jakob und Johann Bernoulli Jakob Bernoulli wird am 6. Januar 1655 in Basel geboren, sein Bruder Johann am 6. August 1667. Auf Wunsch seines Vaters studierte Jakob in Basel Philosophie und Theologie, eignet sich aber nebenher Mathematik und Astronomie an. Jakob arbeitet als Hauslehrer, sp¨ater reist er durch Europa und beginnt, die Arbeiten von John Wallis und Isaac Barrow zu studieren. 1687 wird er in Basel zum Professor f¨ ur Mathematik ernannt. Johann studiert ab 1683 an der Universit¨at Basel und wird von seinem Bruder in die Infinitesimalrechnung eingef¨ uhrt. In Paris unterrichtet er 1691 den Marquis de L’Hospital, der wenig sp¨ater seine neu erworbenen Kenntnisse im ersten Lehrbuch der Analysis verbreitet. 1695 wird Johann Professor in Groningen. 1705 macht er sich auf den Weg zur¨ uck in seine Heimatstadt Basel; w¨ ahrend der Reise stirbt Jakob, und Johann u ¨bernimmt dessen Professur bis zu seinem eigenen Tod im Jahre 1748. Wie die meisten Zeitgenossen Eulers haben sich auch die Bernoullis bisweilen u ¨ber das Interesse lustig gemacht, das Euler zahlentheoretischen Problemen alteren Bruder Jakob schl¨ agt entgegen brachte. In einem Brief13 an seinen ¨ Johann Bernoulli allerdings andere T¨one an: Haben wir daher diesen diophantischen Fragen nicht das gr¨ oßte Unrecht getan, wenn wir sagen, dass sie nur zu unn¨ utzen Spekulationen taugen [. . . ]? Was er damit gemeint hat, erkl¨art Johann in seinem Werk u ¨ber Analysis14 . Dort schreibt er in Bezug auf die Integration von Wurzelfunktionen, dass alles darauf hinauslaufe, irrationale Ausdr¨ ucke rational zu machen, wobei dio 3 dx phantische Fragen sehr n¨ utzlich seien. Ist etwa x√aax−xx zu bestimmen, so m¨ usse man zuerst ax − xx zu einem Quadrat machen. Dazu setzt Bernoulli 2 2 2 ax − x2 = amx2 , was auf x = mam uhrt und 2 +a2 f¨ √

ax − xx =

a2 m m2 + a2

und

dx =

2a3 m dm (m2 + a2 )2

liefert. Damit folgt 13

Im selben Brief vom 22. Mai 1691 in [Joh. Bernoulli 1955, S. 105] erw¨ ahnt 1 Johann I. das Problem, die Reihe 1 + 14 + 19 + 16 + . . . zu summieren. 14 [Joh. Bernoulli 1682, S. 393].

270

7 Euler und Lambert

Abb. 7.1.1. Stadtansicht von Basel (Emanuel B¨ uchel, 1761). In der Martinskirche in der rechten H¨ alfte des Bilds wurde Leonhard Euler am 17. April 1707 getauft.



 a3 dx 2a3 2a3 √ . dm = − = m2 m x ax − xx  a2 x , so erh¨alt man Setzt man hierin wieder m = a−x 

a dx √ = −2a2 x ax − xx



a−x , x

was man durch Ableiten leicht best¨atigt.

2 dx Beim Versuch15 , eine geschlossene Form f¨ ur das Integral √xa4 −x zu finden, 4 erkl¨art Bernoulli, warum das in diesem Fall nicht ebenso glatt funktioniert wie eben: Wenn jemand nach der Methode des Diophant, die wir in dem vorigen Teil gebraucht haben, hier die Irrationalit¨at beseitigen wollte, so w¨ urde er ein Menschenalter verbrauchen. Denn die Geometer haben bemerkt, dass eine Summe oder eine Differenz von zwei Biquadraten wie a4 −x4 niemals ein Quadrat bilden kann. F¨ ur die Anwendungen in der Integralrechnung reicht es nicht, rationale L¨ osungen einer diophantischen Gleichung wie y 2 = f (x) zu kennen; vielmehr 15

Siehe [Jac. Bernoulli 1704, S. 95].

7.2 Goldbach und Euler

271

braucht man eine Parametrisierung dieser Kurve. Nur im Falle von Kurven vom Grad 2 (genauer, wie sich sp¨ater zeigen w¨ urde, solche vom Geschlecht 0) folgt aus der Existenz von rationalen L¨osungen die Existenz einer Parametrisierung, also von Polynomen a(t) und b(t) mit der Eigenschaft b(t)2 = f (a(t)). Im vorliegenden Falle w¨ urde aus der Existenz einer rationalen Parametrisierung allerdings die Existenz rationaler L¨osungen folgen, und diese gibt es nicht. F¨ ur Jakob Bernoulli ebenso wie f¨ ur fast alle seiner Zeitgenossen waren Diophants Methoden eine Technik, die bei der Integration algebraischer Funktionen helfen konnte. Jacobi hat viel sp¨ater erstmals bemerkt (vergleiche S. 494), dass umgekehrt solche elliptischen Integrale“, wie sie hier aufgetaucht sind, ” bei der L¨osung diophantischer Probleme hilfreich sind.

7.2 Goldbach und Euler Auch wenn Christian Goldbach nicht in derselben Liga spielte wie Leonhard Euler, ist es doch ihm zu verdanken, dass Euler sich schon in jungen Jahren mit zahlentheoretischen Fragen besch¨aftigt hat. Weiter erfahren wir aus dem uber, sehr umfangreichen Briefwechsel16 zwischen diesen beiden sehr viel dar¨ wie und wann Euler seine wichtigsten Ergebnisse erhalten hat.

Goldbach Christian Goldbach wird am 18. M¨arz 1690 im ostpreußischen K¨ onigsberg geboren; sein Vater war Pfarrer und Professor f¨ ur Geschichte und Rhetorik. Nach seinem Studium an der K¨onigsberger Universit¨ at geht Goldbach im Sommer 1710 auf seine Grand Tour“: In Leipzig trifft er Leibniz, in England Newton, ” Halley und den Basler Mathematiker Nikolaus I Bernoulli. Weitere Stationen sind Paris, Neapel, Venedig, Wien, Prag und Berlin, bevor er 1714 wieder nach Hause zur¨ uckkehrt. In den darauffolgenden Jahren baut sich Goldbach einen Korrespondenzzirkel in ganz Europa auf, bevor er 1718 – wohl im Auftrag ¨ Preußens – nach Schweden, D¨anemark und Osterreich reist. 1725 beginnt Peter der Große mit dem Aufbau der Petersburger Akademie; er schickt den d¨ anischen Seefahrer Vitus Bering auf eine Reise, um herauszufinden, ob es eine Landverbindung zwischen Asien und Nordamerika gibt und holt den Architekten Domenico Trezzini nach St. Petersburg. Die ¨ alteren 16

Der Briefwechsel zwischen Euler und Goldbach wurde bereits dreimal herausgegeben, n¨ amlich von [Fuss 1845], [Juskevic & Winter 1965] und [Lemmermeyer & Mattm¨ uller 2015]; in der j¨ ungsten Edition findet man alle Briefe im Original sowie ¨ in englischer Ubersetzung.

272

7 Euler und Lambert

Gelehrten Europas (Christian Wolff, Johann Gabriel Doppelmayr, die beiden Bernoulli-Br¨ uder) nehmen die Einladung nach St. Petersburg nicht an, geben aber den jungen Talenten ihre besten W¨ unsche mit auf den Weg: So schreibt Wolff am 20. April 1727 an Euler, dass dieser in das Paradies der Gelehr” ten“ reise. Der Aufbau der Petersburger Akademie er¨ offnet einer ganzen Reihe von jungen Nachwuchstalenten M¨oglichkeiten, die ihnen zu Hause nicht offen gestanden haben: Nikolaus II und Daniel Bernoulli ziehen ebenso nach St. Petersburg wie Goldbach selbst und wenig sp¨ater Leonhard Euler. Als Goldbach im Juli 1725 in St. Petersburg ankommt, sind bereits alle Professuren besetzt, aber Goldbach erh¨alt den Posten des Sekret¨ars der Akademie. In einem Brief17 an den Sekret¨ar der akademischen Kanzlei in Petersburg, Johann Daniel Schumacher, vom Oktober 1741 schreibt Euler u ¨ber seine Zeit in St. Petersburg, er selbst und alle u uck gehabt, einige Zeit bey der russisch¨brige, welche das Gl¨ Kaiserlichen Academie zu stehen, m¨ ussen gestehen, daß wir alles, was wir sind, den vortheilhaften Umst¨anden, worin wir uns daselbst befunden, schuldig sind. Dann was mich betrifft, so w¨ urde ich in Ermangelung dieser herrlichen Gelegenheit gen¨othiget gewesen seyn, mich auf ein ander Studium haupts¨achlich zu legen, worinn ich allem ansehen nach doch nur ein St¨ umper w¨ urde geworden seyn. Eulers Korrespondenz mit Goldbach beginnt im Oktober 1729. Der Briefwechsel intensiviert sich, als Euler 1741 nach Berlin zieht. Etwa zur gleichen Zeit beginnt Goldbach seine T¨atigkeit als Kryptograph“ im russischen Außenmi” nisterium, die ihn auf der beruflichen Erfolgsleiter ganz nach oben bringt. Goldbach stirbt am Abend des 1. Dezember 1764 in seinem Haus auf der Vasilevski-Insel in St. Petersburg.

Euler Leonhards Eulers Vorfahren waren wie diejenigen der Bernoullis aus dem Ausland nach Basel gekommen; die Familie Bernoulli stammte urspr¨ unglich aus Antwerpen, die Eulers dagegen kamen aus Lindau am Bodensee. Mit dem ¨ Aufbl¨ uhen von Basel als Handelsstadt beschloss Hans Ferg Owler 1594, nach Basel zu ziehen, wo er das Basler B¨ urgerrecht beantragte und erhielt. Wie bereits in Lindau arbeitete er auch in Basel als Kammmacher. Paul Euler wurde 1670 in Basel geboren und geh¨orte bereits der vierten Generation der Basler Euler an. Er studierte an der Universit¨at Basel Philosophie und Theologie und h¨orte Vorlesungen bei Jacob Bernoulli. Nach einigen kleineren Anstellungen erhielt er 1708 die Pfarrstelle in Riehen, damals noch ein Dorf in der N¨ ahe von Basel. 17

Siehe [Hoffmann 2008].

7.2 Goldbach und Euler

273

Auch Eulers Mutter Margarethe Brucker stammt aus Basel und wurde dort 1677 geboren. Die Familie Euler hatte vier Kinder: Leonhard und Johann Heinrich, sowie Anna Maria und Maria Magdalena. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1745 nahm Leonhard Euler seine Mutter 1750 bei sich in Berlin auf; dort starb sie 1761. Leonhard Euler kommt am 15. April 1707 zur Welt. Die ersten Schritte auf dem Gebiet der Mathematik machte er unter der Aufsicht seines Vaters18 , denn weil derselbe einer von den Discipeln des weltber¨ uhmten Jacob Bernoulli gewesen, so trachtete er mir sogleich die erste Gr¨ unde der Mathematic beizubringen und bediente sich zu diesem Ende des Christophs Rudolphs Coss mit Michaels Stiefels Anmerkungen, worinnen ich mich einige Jahre mit allem Fleiss u ¨bte. Euler schreibt sich am 8. Oktober 1720 an der Universit¨ at Basel ein und sucht sofort Kontakt zu Johann I Bernoulli, der dort seit 1705 Professor der Mathematik war. Bernoulli gibt ihm mathematische Werke zu lesen und stellt ihm Aufgaben, und l¨asst ihn jeden Samstag nachmittags zu sich kommen, um die aufgetretenen Probleme zu besprechen. 1724 schließt Euler sein Studium mit dem Titel des Magisters ab.

Abb. 7.2.1. Leonhard Euler (Gem¨ alde von Jakob Emanuel Handmann); Kunstmuseum Basel. Daniel Bernoulli 18

Der folgende Ausschnitt geht auf Euler selbst zur¨ uck; siehe [Fellmann 1995, S. 1].

274

7 Euler und Lambert

Danach verfasst Euler eine erste Arbeit u ¨ber die Bemastung von Schiffen und bewirbt sich 1727 mit einer Arbeit u ¨ber den Schall um den Basler Lehrstuhl in Physik. Als er diesen nicht erh¨alt, nimmt er eine Stelle an der eben gegr¨ undeten St. Petersburger Akademie der Wissenschaften an. Die Stellen wurden, da Russland u ¨ber keinen nennenswerten akademischen Nachwuchs verf¨ ugte, mit Wissenschaftlern aus Europa besetzt. Bereits 1725 waren der Sch¨ uler Bernoullis, Jacob Hermann, sowie Nikolaus II und Daniel, die beiden ¨altesten S¨ohne Johann Bernoullis, dem Ruf nach St. Petersburg gefolgt. Die beiden Bernoullis beschaffen auch Euler eine Stelle; Daniel schreibt Euler Ende September 1726, er m¨oge so schnell wie m¨ oglich nach St. Petersburg kommen, wo er schon ungeduldig erwartet werde. Daniel Bernoulli kam 1700 in Groningen auf die Welt. Im Alter von 5 Jahren zieht die Familie nach Basel, wo sein Vater die Professur seines Bruders Jakob u ¨bernimmt und Daniel zur Schule geht und Medizin studiert; nach Aufenthalten in Heidelberg und Straßburg promoviert er in Medizin. Von 1725 bis 1733 ist er an der Petersburger Akademie, danach kehrt er nach Basel zur¨ uck und lehrt an der dortigen Universit¨at zuerst Anatomie und Botanik, ab 1750 dann Physik. Er stirbt 1782 in Basel. Euler entschließt sich, ebenfalls nach St. Petersburg zu gehen, und weil dort nur noch eine Stelle in Physiologie und Anatomie frei ist, schreibt er sich kurzfristig an der medizinischen Fakult¨at in Basel ein. Als Euler in St. Petersburg ankommt, ist Katharina I bereits gestorben, und ihr designierter Nachfolger Peter II zu diesem Zeitpunkt erst zw¨olf Jahre alt. Trotz der politisch instabilen Lage u are ¨berlebt die junge Akademie; Eulers Kurzstudium in Medizin w¨ allerdings nicht n¨otig gewesen: Direkt nach seiner Ankunft erh¨ alt er eine Stelle in der mathematischen Klasse der Akademie. Weil Nikolaus II bereits 1726 gestorben ist, kann Euler in seinen ersten sechs Petersburger Jahren im Haus von Daniel Bernoulli wohnen. Charles Hutton19 gibt die folgende Geschichte wieder, die Daniel Bernoulli selbst erz¨ ahlt und die ihm mehr Freude bereitet haben soll als alle anderen Ehrungen, die er erhalten hat: Als er auf einer Reise mit einem gelehrten Fremden zusammentraf und dieser ihn nach seinem Namen fragte, antwortete Bernoulli bescheiden: Ich bin Daniel Bernoulli“, worauf der Fremde, der meinte, sein Ge” spr¨achspartner mache sich u ¨ber ihn lustig, antwortete: Und ich bin ” Isaac Newton“. Als Jacob Hermann 1730 Petersburg verl¨asst, erh¨ alt Euler dessen Stelle als Professor der Mathematik, und drei Jahre sp¨ ater die Professur der Physik, die mit dem Weggang Daniel Bernoullis frei wird, der sich dem Klima St. Petersburgs, das bereits seinem Bruder zum Verh¨ angnis geworden war, durch Ausreise entzieht. Die mit dem beruflichen Aufstieg verbundene finanzielle 19

Siehe [Hutton 1815, S. 226].

7.3 Auf den Spuren Fermats

275

Sicherheit erlaubt es Euler 1733, die aus St. Gallen stammende Katharina Gsell zu heiraten. In den Folgejahren arbeitet Euler als Mathematiker, aber auch als Geograph: Zusammen mit Heinsius ist Euler an der Arbeit zu einem Atlas Russlands beteiligt, der 1745 erscheint. Obwohl manche Angaben im Atlas sehr ungenau sind, h¨alt Euler das Werk f¨ ur brauchbarer als alles, was an Karten von Deutschland erh¨ altlich ist. Bessere Karten, so Euler, k¨ onnten erst durch eine Triangulation Russlands geschaffen werden, was aber f¨ ur die n¨ achsten 50 Jahre ein vollkommen unm¨ogliches Unterfangen sei. Als sich 1741 Kaiserin Elisabeth an die Macht putscht, nimmt Euler den Ruf an die Berliner Akademie an, den er von Friedrich II erhalten hat. Das politische Klima in Russland, eine Mischung aus Vetternwirtschaft und Inkompetenz, machte Euler den Abschied leicht. Rudio beschreibt in einem Vortrag20 die damaligen Verh¨altnisse so: Die russische Verfassung ist despotisch, aber durch den Meuchelmord gemildert. 1748 erscheint eines von Eulers erfolgreichsten B¨ uchern, seine Introductio in analysin infinitorum, ein didaktisches Meisterwerk. In Berlin bleibt Euler bis 1766, f¨ uhlt sich dort aber nicht wirklich wohl, da Friedrich II den franz¨ osischen Esprit mehr zu sch¨atzen weiß als die mathematischen F¨ ahigkeiten seines Zy” klopen“ (Euler hatte in seiner Petersburger Zeit ein Auge verloren). 1766 zieht Euler auf Einladung der Kaiserin Katharina II wieder nach St. Petersburg. Bereits ein Jahr sp¨ater erscheint seine Vollst¨ andige Anleitung zur ¨ Algebra in russischer Ubersetzung, wenig sp¨ater im deutschen Original. 1771 erblindet er v¨ollig, 1773 stirbt seine Frau, drei Jahre sp¨ ater heiratet er deren Stiefschwester Salome Abigail Gsell. Am 18. September 1783 stirbt Euler und wird in St. Petersburg beigesetzt. Fran¸cois Arago schrieb in seinem Nachruf21 auf Euler, dass dieser ohne jede Anstrengung gerechnet habe, so wie andere M¨anner atmen oder Adler sich in der Luft halten.

7.3 Auf den Spuren Fermats Ohne Christian Goldbach w¨are die Geschichte der Zahlentheorie ganz anders verlaufen; Goldbach war es, der Euler von den Vermutungen Fermats in Kenntnis setzte und solange nachbohrte, bis auch Euler sich von diesen Fragen anstecken ließ22 . 20

Siehe [Rudio 1883, S. 9]. Siehe [Barral 1854, S. 133]. 22 ¨ Einen kleinen Uberblick u ¨ber die zahlentheoretischen Untersuchungen Eulers gibt [Neumann 2008]. 21

276

7 Euler und Lambert

Abb. 7.2.2. Eulers Grab auf dem Friedhof Alexander Nevsky Lavra in St. Petersburg

Goldbach hat nicht nur Euler mit dem Virus der Zahlentheorie anzustecken versucht; bereits 13. September 1724 schreibt23 er etwa an Daniel Bernoulli und erw¨ahnt Ozanams Beweis24 von Fermats Behauptung, dass die Gleichung osbar ist. Bei Daniel Bernoulli a4 − b4 = c2 in positiven ganzen Zahlen nicht l¨ hat Goldbach mit seinen zahlentheoretischen Fragen auf Granit gebissen; im postscriptum seines ersten Briefs25 an Euler vom 1. Dezember 1729 startet einen weiteren Versuchsballon. Euler hatte Goldbach im Zusammenhang mit der Interpolation von Folgen angeschrieben, und in seiner Antwort fragte ihn Goldbach: Ist Ihnen Fermats Bemerkung bekannt, wonach alle Zahlen der Form x−1 + 1 (d.h. 3, 5, 17, usw.) prim sind, und welche er selbst nicht 22 beweisen konnte und die seitdem auch niemand, soweit ich weiß, bewiesen hat? Goldbachs Frage hat Euler erst einmal kalt gelassen – auch er hatte sich vor allem mit analytischen Fragen auseinandergesetzt, insbesondere dem der Interpolation von Folgen durch Integrale. In seiner Antwort vom 8. Januar 1730 bemerkt er lediglich, dass er dar¨ uber nichts herausgefunden habe. Goldbach 23

[Fuss 1845, vol. II, S. 217ff.]. Journal des S¸cavans 12, 20.V.1680. 25 ¨ Eine englische Ubersetzung des Briefwechsels zwischen Euler und Goldbach mit vielen Kommentaren findet man bei [Lemmermeyer & Mattm¨ uller 2015]. 24

7.3 Auf den Spuren Fermats

277

l¨ asst aber nicht locker: in seinem Brief vom 22. Mai 1730 erkl¨ art er Euler, n amlich 24 + 1 warum keine Fermatzahl 22 + 1 durch 7 teilbar sein kann: Da n¨ bei der Teilung durch 7 den Rest 3 l¨asst, wird die n¨ achste Zahl 28 + 1 bei der 2 Teilung durch 7 den Rest (3 − 1) + 1 = 5 lassen, und 216 + 1 dann wieder Rest n 3 wegen (5−1)2 +1 = 17. Also lassen alle Zahlen 22 +1 bei der Teilung durch 7 den Rest 3 oder 5. Goldbach hat diese Rechnung f¨ ur alle Primzahlen unterhalb von 100 fortgesetzt. Mit nur etwas mehr M¨ uhe h¨ atte er also entdecken k¨onnen, dass 641 ein Teiler von 232 + 1 ist. Goldbach war zum Zeitpunkt dieses Briefs mit der Rechnung mit Restklassen seit langem vertraut: 1724 ver¨offentlichte er eine Arbeit, in welcher er Fermats Behauptung zu beweisen versuchte, dass es keine Dreieckszahl > 1 gibt, die eine vierte Potenz ist. Am Ende dieser Arbeit gibt er eine Reihe von Aussagen u ¨ber Dreieckszahlen T , die sich alle leicht mittels Kongruenzen beweisen lassen, und welche alle die Form haben, dass T + a f¨ ur kleine Werte von a keine kleinen Potenzen sind. Die Gleichung n(n+1) +a = xm l¨ asst sich nach Multipli2 kation mit 8 und quadratischer Erg¨anzung in der Form (2n+1)2 +8a−1 = 8xm schreiben. Um zu zeigen, dass T + 2 f¨ ur keine Dreieckszahl T ein Quadrat ist, schreibt Goldbach die Gleichung T + 2 = x2 in der Form (2n + 1)2 + 15 = 8x2 . Betrachtet man alle m¨oglichen Reste von (2n+1)2 modulo 15, so folgt schnell, dass 2n + 1 und x durch 5 teilbar sein m¨ ussen, und dann ist die rechte Seite durch 25 teilbar, die linke aber nicht. F¨ ur weitere Beispiele siehe Aufg. 2. Am 4. Juni 1730 schreibt Euler, dass er inzwischen etwas ausf¨ uhrlicher u ¨ber das Problem Fermats nachgedacht habe, und er teilt Goldbach seine Erkenntnis mit, dass alle Zahlen 2n + 1 zusammengesetzt sind, falls n keine Potenz von 2 ist. Euler bekennt auch, dass er angefangen hat, die Arbeiten Fermats zu lesen, und dass er dort den Vierquadrate-Satz entdeckt habe. Ab diesem Zeitpunkt hat die Zahlentheorie Euler nicht mehr losgelassen, auch wenn es Phasen gab, in denen er sich haupts¨achlich mit anderen Problemen herumschlug. Jedenfalls beginnt jetzt ein zahlentheoretisches Tennisspiel zwischen Euler und Goldbach, das mit Unterbrechungen bis zum Tod Goldbachs weitergef¨ uhrt n wird. Am 25. Juni 1730 schreibt Euler, keine Fermatzahl 22 + 1 teile eine andere, und am 20. Juli 1730 antwortet Goldbach, dass die Fermatzahlen paarweise teilerfremd seien. Daraus folgt, was Goldbach aber nicht bemerkt, dass es unendlich viele Primzahlen gibt. Goldbachs Frage f¨ uhrt zu Eulers erster zahlentheoretischen Ver¨ offentlichung26 , in welcher er zeigt, dass die Fermatsche Vermutung u at der ¨ber die Primalit¨ n Fermatzahlen 22 + 1 falsch ist, indem er nachweist, dass 641 ein Teiler von uber hinaus gibt er eine ganze Reihe von Vermutungen, die er 232 + 1 ist. Dar¨ aber nicht beweisen kann: •

Ist p = 8m − 1 prim, dann gilt: p teilt 24m−1 − 1. 26

Siehe [E026], ein 1732 geschriebener und 1738 erschienener Artikel.

278 •

7 Euler und Lambert

F¨ ur prime p = 2n + 1 gilt: p teilt 2n + 1, falls n = 4k + 1, 4k + 2, p teilt 2n − 1, falls n = 4k, 4k − 1, p teilt 3n + 1, falls n = 6k + 2, 6k + 3, p teilt 3n − 1, falls n = 6k, n = 6k − 1, p teilt 3n + 2n , falls n = 12k + 3, 12k + 5, 12k + 6 oder 12k + 8, p teilt 3n − 2n , falls n = 12k, 12k + 2, 12k + 9 oder n = 12k + 11.

Diese Vermutung krankt etwas an ungeschickt gew¨ ahlter Notation. Tats¨ achlich steckt hinter diesen Aussagen das Eulersche Kriterium: Dies erkennt man, wenn man die Vermutungen etwas anders aufschreibt. F¨ ur ungerade Primzahlen p gilt demnach:  p−1 2 2 + 1 falls p = 8n ± 3, p teilt p−1 2 2 − 1 falls p = 8n ± 1.  p−1 3 2 + 1 falls p = 12n ± 5, p teilt p−1 3 2 − 1 falls p = 12n ± 1.  p−1 6 2 + 1 falls p = 24n ± 7, ±11, p teilt p−1 6 2 − 1 falls p = 24n ± 1, ±5 p−1

uglich der Das Eulersche Kriterium verbindet die Restklasse von a 2 bez¨ Primzahl p mit dem quadratischen Restverhalten von a: Genau dann teilt die p−1 ungerade Primzahl p den Ausdruck a 2 − 1, wenn a quadratischer Rest von p ist. Dabei nennt Euler eine Zahl a einen quadratischen Rest von p, wenn es eine Zahl x gibt, sodass p ein Teiler von x2 − a ist, Der einfache Teil ist der Nachweis, dass f¨ ur Primzahlen p = 2m + 1 und a = f 2 ± pα die Zahl am − 1 durch p teilbar ist; dies ist eine Folge des kleinen Fermatschen Satzes27 . Der folgende Beweis f¨ ur den quadratischen Fall von Eulers Kriterium stammt aus Eulers Tractatus28 . Sei p = 2m + 1 prim. Ist a quadratischer Rest von p, dann ist am − 1 durch p teilbar nach Fermats kleinem Satz. Sei umgekehrt am − 1 durch p teilbar, und seien a1 , . . . , am die quadratischen Reste von p. Ist a quadratischer Nichtrest von p, dann sind auch a1 a, . . . , am a quadratische ur alle quadratischen Nichtreste x = ai a Nichtreste. Dann ist aber xm − 1 f¨ durch p teilbar, da ja (ai a)m ≡ am ≡ 1 mod p gilt. Weil aber Polynome X m −1 h¨ochstens m Wurzeln modulo p haben, ist dies unm¨ oglich. 27

Euler beweist dies erstmals in [E134]. In [E262] verallgemeinert Euler diese Beobachtung auf h¨ ohere Potenzreste (Thm. 17) und beweist auch die schwierigere Umkehrung. 28 Siehe [E792, art. 321].

7.4 Potenzreste und Reziprozit¨atsgesetze

279

Euler29 verallgemeinerte den kleinen Fermatschen Satz auf beliebige Exponenten; danach ist aϕ(m) ≡ 1 mod m f¨ ur alle zu a teilerfremden Exponenten m, wobei die Eulersche phi-Funktion ϕ(m) die Anzahl der Restklassen modulo m z¨ ahlt, welche zu m teilerfremde Zahlen enthalten.

7.4 Potenzreste und Reziprozit¨ atsgesetze In noch viel gr¨oßerem Ausmaß als Fermat versucht Euler, aus seinen Beobachtungen an Teilern von Zahlen der Form an ± bn allgemeine Gesetze herauszudestillieren. In Fragen der Darstellung von Primzahlen durch quadratische Formen kommt er u ur gelingt ihm die ¨ber einige Spezialf¨alle nicht hinaus, daf¨ korrekte Formulierung eines Gesetzes, das die Entwicklung der algebraischen Zahlentheorie f¨ ur die n¨achsten 250 Jahre dominieren sollte.

1. Primteiler quadratischer Formen In einem Brief30 an Goldbach behauptet Euler, dass die Primzahlen p, welche Zahlen der Form a2 +f b2 teilen, entweder Teiler von 2f sind (diese Bedingung findet sich allerdings noch nicht im Brief, sondern erst in der Publikation31 ), oder aber durch lineare Formen 4f m + a dargestellt werden (siehe Tab. 7.2). f 1 2 −2 3 −3 5 6 −7

Linearformen der Teiler 4m + 1 8m + 1, 8m + 3 8m + 1, 8m + 7 12m + 1, 12m + 7 12m + 1, 12m + 11 20m + 1, 20m + 3, 20m + 7, 20m + 9 24n + 1, 24n + 5, 24n + 7, 24n + 11 28n + 1, 28n + 9, 28n + 11, 28n + 15, 28n + 23, 28n + 25

Tabelle 7.2. Linearformen zu quadratischen Formen 29

Den ersten Beweis des kleinen Fermatschen Satzes gibt Euler in [E054] mit Hilfe der Binomialentwicklung, der zweite Beweis in [E134] beruht auf demselben Prinzip; der Beweis in [E262] folgt demjenigen, den wir im letzten Kapitel skizziert haben. Der Satz von Euler-Fermat samt phi-Funktion steht in [E271]. 30 Siehe [Lemmermeyer & Mattm¨ uller 2015, Brief 54, 28.8.1742]. 31 Siehe [E164].

280

7 Euler und Lambert

Euler kann 1742, als der diesen Brief schreibt, keine einzige dieser Vermutungen beweisen; sp¨ater findet er Beweise f¨ ur f = 1, 2, 3. Allerdings hat er versucht, mehr u ¨ber die Werte von a der Linearformen 4f m + a herauszufinden, die Primteiler der Form x2 + f y 2 darstellen. Seine vielen Beobachtungen in E164 kann man so zusammenfassen: Die zu 2N teilerfremden Primteiler von Zahlen der Form a2 ± N b2 verteilen sich auf Linearformen 4aN + α, und zwar so, dass die eine H¨ alfte dieser Linearformen nur solche Primzahlen darstellt, die Teiler von Zahlen a2 ± N b2 sind, die andere H¨alfte dagegen nur Nichtteiler. Dabei ist die Menge der Linearformen, die Primteiler darstellen, multiplikativ abgeschlossen in dem Sinne, dass mit 4N m + α und 4N m + β auch 4N m + αβ eine Linearform ist, welche Teiler darstellt. Der wesentliche Inhalt dieser Beobachtungen ist ein Satz, welchen ich den Eulerschen Modularit¨atssatz32 nennen m¨ochte: Ob eine Zahl N quadratischer Rest oder Nichtrest einer Primzahl ist, h¨ angt nur von der Restklasse von p modulo 4N ab. Euler hat sich zeitlebens nicht nur um einen Beweis, sondern auch um die richtige“ Formulierung dieses Satzes bem¨ uht. In unz¨ ahligen Arbeiten hat ” er Spezialf¨alle dieses Gesetzes auf viele verschiedene Arten formuliert; einem allgemeinen Beweis ist er dabei allerdings nicht n¨ aher gekommen. Bereits in E164 hat Euler auch einen Spezialfall des Gesetzes entdeckt, das Legendre sp¨ater Reziprozit¨atsgesetz genannt hat. Zu 2N teilerfremde Primur teiler p von Zahlen der Form a2 − N b2 sind genau diejenigen Primzahlen, f¨ welche N quadratischer Rest ist. Primzahlen von der Form p = 4N m + a2 , so Euler, geh¨oren zu diesen. Letztere sind aber genau diejenigen quadratischen Reste von N , welche die Form 4n + 1 haben. F¨ ur Primzahlen der Form 4n + 1 gilt also: Ist p quadratischer Rest von N , dann ist N umgekehrt quadratischer Rest von p. Noch deutlicher formuliert Euler dieses Reziprozit¨ atsgesetz in E552: ur eine Primzahl s; 1. Sei p eine Primzahl der Form p = 4ns + (2x + 1)2 f¨ dann sind s und −s quadratische Reste von p. ur eine Primzahl s; 2. Sei p eine Primzahl der Form p = 4ns − (2x + 1)2 f¨ dann ist s ein quadratischer Rest und −s Nichtrest von p. 3. Sei p eine Primzahl der Form p = 4ns − 4z − 1 f¨ ur eine Primzahl s, aber sei p nicht von der Form 4ns − (2x + 1)2 ; dann ist −s ein quadratischer Rest und s Nichtrest von p. 32 In [E806, p. 178] findet sich eine im wesentlichen dazu a ¨quivalente Aussage; Euler spricht nat¨ urlich nicht von Restklassen, sondern von Linearformen. Auf die Vorz¨ uge der Formulierung des Reziprozit¨ atsgesetzes als Modularit¨ atssatz haben bereits [Kronecker 1880a] und [Edwards 1983]. hingewiesen.

7.4 Potenzreste und Reziprozit¨atsgesetze

281

4. Sei p eine Primzahl der Form p = 4ns + 4z + 1 f¨ ur eine Primzahl s, aber sei p nicht von der Form 4ns + (2x + 1)2 ; dann sind s und −s beides quadratische Nichtreste von p. Die erste Vermutung besagt, dass wenn p eine Primzahl der Form 4m + 1 und quadratischer Rest der Primzahl s ist, auch s quadratischer Rest von p ist; die restlichen F¨alle des Reziprozit¨atsgesetzes werden von den andern drei Aussagen abgedeckt. Eine weitere Formulierung des Reziprozit¨ atsgesetzes gibt Euler in E557.

2. Die lange Suche nach einem Schl¨ ussel Euler ist immer und immer wieder auf diverse Aspekte der Modularit¨ at und der Reziprozit¨at gestoßen, ohne aber dabei einen Schl¨ ussel zu finden, der ihm die M¨oglichkeit eines Beweises er¨offnet h¨atte. Zu den vielen Begegnungen mit seinem zu beweisenden Satz“ geh¨oren die folgenden. ” •

Darstellung von Nichtquadraten. In seinem Brief33 vom 19. August 1741 an Euler erw¨ahnt Goldbach, dass Zahlen der Form (3m + 2) n2 + 3 keine Quadrate sein k¨onnen: Was halten E. H. von dergl[eichen] propositionibus: (3m + 2)n2 + 3 kan niemahls ein numerus quadratus seyn positis pro m et n numeris integris quibuscunque. Euler antwortet am 9. September mit dem einfachen Beweis und der Bemerkung Ich habe vor langer Zeit auch solche ¨ ahnliche Theoremata gefunden: Als 4mn − m − 1 kan nullo modo ein Quadrat seyn. Item 4mn − m − n kan auch kein Quadrat seyn, positis m et n numeris integris affirmativis. In der Tat: Die Gleichung 4mn−m−1 = a2 kann in der Form m(4n−1) = ur positive ganze Zahlen n w¨ are damit 4n − 1 a2 + 1 geschrieben werden; f¨ ein Primfaktor von a2 + 1, was aber nicht sein kann. Euler kannte den onnen, Satz, dass Primteiler von x2 + 1 nicht die Form 4n − 1 haben k¨ damals noch nicht; sp¨ater34 fand er einen Beweis, der sich auf den kleinen Fermatschen Satz st¨ utzt. 33

Siehe [Lemmermeyer & Mattm¨ uller 2015, Brief no. 39, 19.8.1741]; in [Goldbach 1717] und [Goldbach 1732] finden sich ¨ ahnlich triviale S¨ atzchen aufgestellt, so etwa die Unl¨ osbarkeit der Gleichung x2 = 3n + 2, die auf der offensichtlichen Tatsache beruht, dass 2 kein quadratischer Rest modulo 3 ist. 34 Vgl. [Lemmermeyer & Mattm¨ uller 2015, Brief 47, 6. M¨ arz 1742]. Euler pr¨ asentiert seine Ergebnisse u ¨ber die Darstellung von Nichtquadraten im Brief [Lemmermeyer & Mattm¨ uller 2015, Brief 74] vom Oktober 1743 an Goldbach und ver¨ offentlicht seine Untersuchungen sp¨ ater in [E164].

282 •

7 Euler und Lambert

Die diophantische Gleichung f x2 + gy 2 = hz 2 . Euler untersucht diese Gleichung in E556; er bemerkt, dass eine notwendige Bedingung der L¨osbarkeit ist, dass gh, hf und −f g quadratische Reste von f , g, bzw. h sind. Er vermutet weiter, dass wenn die Gleichung f x2 + ur s = h l¨osbar ist, sie auch f¨ ur alle primen Werte von s = gy 2 = sz 2 f¨ h ± 4nf g l¨osbar ist. Die Verbindung mit dem Eulerschen Modularit¨ atssatz ist offenkundig, wenn auch alles andere als klar ist, ob und wie einer der S¨atze aus dem anderen folgt.



Die quadratische Periodengleichung. In E559 stellt Euler folgende Vermutungen35 auf: Sei p = 4m + 1 prim; dann ist jeder Teiler von m − n − n2 ein quadratischer Rest nach p. Sei p = 4m − 1 prim; dann ist jeder Teiler von m + n + n2 ein quadratischer Rest nach p. Diese Vermutungen lassen sich mit dem quadratischen Reziprozit¨ atsgesetz leicht beweisen. Umgekehrt folgen aus diesen Vermutungen Teile des Reziprozit¨atsgesetzes. Derartige Polynome haben Goldbach und Euler auch im Zusammenhang mit primzahlerzeugenden Polynome untersucht; Das Beispiel Eulers, ur x = 0, 1, 2, . . . , 39 nur n¨amlich f (x) = x2 + x + 41 aus E461, stellt f¨ Primzahlen36 dar.

Der als n¨achstes beschriebene Versuch Eulers, an einen Beweis des Reziprozit¨atsgesetz zu kommen, liefert ihm und Lagrange wenigstens Spezialf¨ alle dieses Gesetzes.

3. Fermats unendlicher Abstieg Euler hatte von Fermats Technik des unendlichen Abstiegs aus Fr´enicles Trait´e erfahren, und zeigte, dass sich diese Methode benutzen ließ, um eine ganze Reihe von diophantischen Gleichungen als unl¨osbar nachzuweisen. Sp¨ ater entdeckte er wie Fermat vor ihm, dass man mit unendlichem Abstieg auch den Zweiquadratesatz beweisen kann. Hier wollen wir uns mit der Anwendung des Abstiegs auf Fragen u ¨ber quadratische Reste und Nichtreste befassen. Euler37 schreibt: 35

Euler erw¨ ahnt diese Vermutungen in seinem Brief [Euler 1773] an Lagrange vom 24. September 1773; vgl. auch Kraffts Note [E806, p. 179]. 36 Dass kein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten nur Primzahlen darstellen kann, hat erstmals Goldbach bewiesen; vgl. [Lemmermeyer 2019]. 37 Siehe [E449, art. 86]; die Zahl 86 ist im Artikel versehentlich als 85 gedruckt.

7.4 Potenzreste und Reziprozit¨atsgesetze

283

Keine Zahl der Form 2pp − qq, wo p und q teilerfremde ganze Zahlen sind, besitzt einen Teiler der Form 8m + 3 oder 8m − 3. W¨ahrend Euler zum Beweis der analogen Eigenschaft, dass Summen zweier teilerfremden Quadrate keine Teiler der Form 4n − 1 haben, den kleinen Fermatschen Satz benutzt hat, zeigt er die vorliegende Proposition mit unendlichem Abstieg: Wenn die Zahlen p und q beide ungerade sind, dann wird die Zahl 2p2 − q 2 die Form 8n + 1 haben; ist aber p gerade und q ungerade, dann hat sie die Form 8n − 1; ist endlich p ungerade und q = 2r gerade, dann hat die Zahl die Gestalt 2(p2 − 2r2 ), hat also die Form 2(8n + 1) oder 2(8n − 1); ihre H¨alfte aber, n¨ amlich p2 − 2r2 , ist wieder 2 2 2 in der Form 2p − q enthalten wegen p − 2r2 = 2(p + r)2 − (p + 2r)2 . are eine Zahl Hat daher die Form 2p2 − q 2 einen Teiler 8n ± 3, dann w¨ der Form 8n ± 1 teilbar durch diese Zahl, und der Quotient w¨ urde ebenfalls die Form 8m ± 3 haben, und sie w¨ are kleiner als der Divisor da wir verlangen k¨onnen, dass p und q nicht nur kleiner als der Divisor, sondern sogar kleiner als dessen H¨alfte sind. Also w¨ are die Form 2p2 − q 2 teilbar durch den Quotienten, also eine kleinere Zahl der Form 8m ± 3, wo p und q wiederum kleiner als dessen H¨ alfte gew¨ahlt werden k¨onnen, sodass ein weiterer Quotient kleiner als der Divisor sich ergeben w¨ urde. Die Zahlen p und q w¨aren immer noch teilerfremd, und k¨onnten also nicht verschwinden. Daher w¨ urde man bei einer kleinsten Zahl der Form 2p2 − q 2 ankommen, die durch eine Zahl der Form 8m ± 3, also durch 3 oder 5 teilbar ist, was offenbar unm¨ oglich ist. Euler bemerkt noch, dass ein analoger Beweis zeigt, dass Zahlen der Form 2p2 + q 2 mit teilerfremden p und q keine Primfaktoren der Form 8n + 5 oder 8n + 7 haben. Euler kann auch Aussagen u ¨ber quadratische Reste mit dieser Technik beweisen: weil −1 und −2 Nichtreste von Primzahlen der Form 8n + 7 sind, muss 2 quadratischer Rest solcher Primzahlen sein.

4. Quadratische Reziprozit¨ at via Fermats kleinem Satz Eines der ersten Ergebnisse u ¨ber quadratische Reste, das Euler beweisen konnte, betrifft den quadratischen Charakter von −1: Wenn eine Primzahl p = 4n − 1 ein Teiler von a2 + b2 ist, dann ist p ein Teiler von a und b. Aus Fermats kleinem Satz folgt n¨amlich, dass a4n−2 − b4n−2 durch p teilbar ist. Wenn p kein Teiler von b ist, kann also a4n−2 + b4n−2 nicht durch p teilbar

284

7 Euler und Lambert

sein. Andererseits ist a4n−2 + b4n−2 durch a2 + b2 teilbar, folglich kann p kein Teiler von a2 + b2 sein. Fermats kleiner Satz ist auch Grundlage des entsprechenden Resultats f¨ ur Primzahlen der Form p = 4n + 1: f¨ ur solche ist die Kongruenz x2 ≡ −1 mod p immer l¨osbar: Nach Fermats kleinem Satz ist a4n − 1 durch p teilbar38 . Nun ahlen k¨ onnen, dass ist aber a4n − 1 = (a2n − 1)(a2n + 1). Wenn wir also a so w¨ p kein Teiler von a2n − 1 ist, dann muss p ein Teiler von a2n + 1 = (an )2 + 1 sein. Euler bewies mit einer h¨ ubschen kombinatorischen Idee, dass eine solche Wahl immer m¨oglich ist. Er benutzt dazu die heute aus der Mode gekommenen h¨oheren Differenzen. Betrachten wir dazu die Folge der Quadratzahlen; deren Differenzen, sowie die Differenzen dieser Differenzen bilden ebenfalls Folgen: 1

4 3

9 5

2

16 7

2

25 9

36 11

2

2

F¨ ur die Folge an = n2 ist also die Folge der zweiten Differenzen konstant. F¨ ur Kubikzahlen sieht die entsprechende Tabelle so aus: 1

8 7

27 19

12

64 37

18 6

125 61

24 6

216 91

30 6

Hier sind also die dritten Differenzen konstant. Allgemein kann man per Induktion zeigen, dass die n-ten Differenzen einer Folge ak = k n + an−1 k n−1 + . . . + a1 k + a0 konstant gleich n! ist. W¨ urden daher 12n , 22n , 32n , . . . , (p − 1)2n bei der Teilung durch p alle den Rest 1 lassen, dann w¨aren ihre Differenzen alle durch p teilbar, und ebenso die zweiten und dritten Differenzen etc. und schließlich auch die 2n-ten Differenzen. Diese bilden aber eine konstante Folge mit dem Wert (2n)!, und diese Zahl kann wegen p = 4n − 1 > 2n nicht durch die Primzahl p teilbar sein. Etwas eleganter ist der folgende Beweis, der ebenfalls auf Euler zur¨ uckgeht: ist p ein Teiler von a2n f¨ ur a = 1, 2, . . ., p − 1, dann hat das Polynom x2n − 1 vom Grad 2n = p−1 2 mindestens p − 1 Wurzeln modulo p, was aber, wie Euler wusste39 , nicht m¨oglich ist. Euler setzt seine diesbez¨ uglichen Untersuchungen f¨ ur andere Formen fort: Er kann auf ¨ahnliche Weise zeigen, dass prime p = 8n + 1 Teiler von Zahlen der Form r2 − 2s2 sind. In der Tat: p = 8n + 1 teilt x8n − 1 = (x4n − 1)(x4n + 1) f¨ ur alle zu p teilerfremden Werte von x; f¨ ur die H¨alfte der Werte ist dabei p ein Teiler von 38 39

Euler arbeitet mit a4n − b4n und spezialisiert erst sp¨ ater. Siehe [E449, § 28].

7.4 Potenzreste und Reziprozit¨atsgesetze

285

(x4n + 1) = (x2n + 1)2 − 2x2n ; dieser Ausdruck hat die Form r2 − 2s2 , wenn onnen, dass es einen Wert man x2n +1 = r und xn = s setzt. Wenn wir zeigen k¨ von x gibt, f¨ ur welchen p kein Teiler von rs ist, dann folgt die Behauptung. Aber p teilt rs genau dann, wenn p Teiler von r(r2 + 1) = x2n (x2n + 1) ist. Dies kann h¨ochstens f¨ ur 2n der 4n quadratischen Nichtreste geschehen. Das analoge Argument, angewandt auf x4n + 1 = (x2n − 1)2 + 2x2n , zeigt, ur gewisse dass Primzahlen p = 8n + 1 immer Zahlen der Form r2 + 2s2 f¨ teilerfremde Werte von r und s teilen.40 . Allgemein bemerkt Euler41 , dass Primzahlen p = λn + 1 geeignete Zahlen der Form rλ − sλ teilen. F¨ ur λ = 5 findet er die Zerlegung   1 2 2 1 r4 + r3 s + r2 s2 + rs3 + s4 = r2 + rs + s2 − 5 rs 2 2 und schreibt, dass +5 unter den quadratischen Resten von Primzahlen der Form p = 5n + 1 vorkommen muss. Euler listet die entsprechende Faktorisierung f¨ ur den Exponenten 7 in [E449, § 97] auf; damit kannte er also folgende Zerlegungen: ⎧ 2 2 ⎪ f¨ ur p = 3, ⎨(2a + b) + 3b ap − bp 2 = (2a + ab + 2b2 )2 − 5(ab)2 4 f¨ ur p = 5, (7.1) ⎪ a−b ⎩ 3 2 2 3 2 2 2 2 f¨ ur p = 7. (2a + a b − ab − 2b ) + 7(a b + ab ) Diese Zerlegungen und Fermats kleiner Satz erlaubten Euler den Beweis der folgenden Ergebnisse: a −1 2 −2 −3 5 −7

a Nichtrest p = 4n − 1 p = 8n ± 3 p = 8n + 5, 7 p = 3n − 1 p = 5n + 2, 3 p = 7n + 3, 5, 6

a Rest p = 4n + 1 p = 8n ± 1 p = 8n + 1, 3 p = 3n + 1 p = 5n + 1 p = 7n + 1

Die erste L¨ ucke in der Bestimmung des quadratischen Restcharakters f¨ ur kleine Zahlen betrifft die Aussage, dass 5 quadratischer Rest von Primzahlen der Form 5n + 4 ist; diese L¨ ucke wurde erst von Lagrange geschlossen.

5. Eulers Tractatus Euler hatte geplant, ein Lehrbuch u ¨ber die Zahlentheorie zu schreiben, und hat auch damit begonnen; fertiggestellt wurde es aber nie, und der Tractatus, 40 Die entsprechende Aussage f¨ ur Primzahlen der Form p = 3n + 1 findet sich in [E449, § 76]. 41 Siehe [E449, § 94].

286

7 Euler und Lambert

wie das Fragment heißt, wurde erst nach Eulers Tod 1849 ver¨ offentlicht. Der Tractatus ist nach den Elementen modelliert: Die erste Zeile definiert Zahlen als Vielfache der Eins. In Kapitel V unterteilt er die ganzen Zahlen in Klassen nach den Resten, welche sie bei Division durch m lassen, und zeigt, dass man mit diesen Klassen rechnen kann. In den darauffolgenden Kapiteln sammelt Euler seine Resultate u.A. u ¨ber Teiler von Zahlen der Form an ± bn . Der letzte und interessanteste Teil ist den Potenzresten gewidmet: Hier geht Euler mit seinen Vermutungen weit u ¨ber das hinaus, was er in seinen Arbeiten ver¨offentlicht hat. Was quadratische Reste angeht, formuliert er das quadratische Restverhalten aller Zahlen bis 15. Beim Studium kubischer Reste beginnt Euler, wie Fermat seinerzeit bei den quadratischen Resten, mit den Primfaktoren von Zahlen der Form 2n −1. Weil nach Primzahlen der Form 6n + 5 jede Zahl kubischer Rest ist, untersucht Euler, welche Primzahlen der Form p = 6n + 1 Teiler von 22n − 1 sind. Diese sind offenbar Primzahlen, nach welchen 2 ein kubischer Rest ist. Weiter pr¨ uft er, ob p ein Teiler von 2n + 1 oder von 2n − 1 ist, und untersucht im letzteren Fall die Teilbarkeit von 2n/2 ± 1 usw. Aus diesem Zahlenmaterial (Euler dehnt die Tabelle auf alle Primzahlen bis 1093 aus) kristallisiert er dann seine Vermutung heraus:

Abb. 7.4.1. Auszug aus Eulers Tractatus.

Wenn wir sehr sorgf¨altig abw¨agen“, schreibt er, dann stellen wir fest, dass sie ” ” alle in der Form 27pp + qq darstellbar sind, so oft diese eine Primzahl ist; aber wir k¨onnen diese Beobachtung noch nicht durch einen Beweis best¨ atigen.“ Euler stellt eine ausf¨ uhrliche Liste von Vermutungen f¨ ur kubische Reste auf, von denen wir nur die beiden einfachsten nennen wollen: • 2 ist kubischer Rest modulo einer Primzahl 6n + 1 = q 2 + 3p2 genau dann, wenn p durch 3 teilbar ist. •

3 ist kubischer Rest modulo einer Primzahl 6n + 1 = q 2 + 3p2 genau dann, wenn p oder p ± q durch 9 teilbar ist.

Euler konnte keine einzige seiner Vermutungen beweisen; er hat hinter diesen Beispielen auch kein Muster gesehen, also kein allgemeines Kriterium gefun-

7.5 Diophantische Gleichungen

287

den, wann eine beliebige Zahl a kubischer Rest von Primzahlen p = 6n + 1 ist. Als der Tractatus ver¨offentlicht wurde, hatten Gauß, Jacobi und Eisenstein all diese Vermutungen bereits best¨atigt. Dasselbe gilt f¨ ur Eulers Vermutungen u ¨ber biquadratische Reste: 1. 2 ist biquadratischer Rest modulo Primzahlen 8n + 1 = p2 + q 2 genau dann, wenn q durch 8 teilbar ist. 2. 3 ist biquadratischer Rest modulo Primzahlen p2 + q 2 genau dann, wenn p durch 12 teilbar 12 | p oder p durch 3 und q durch 2, aber nicht durch 4 teilbar ist. 3. 5 ist biquadratischer Rest modulo Primzahlen p2 + q 2 genau dann, wenn p durch 10 teilbar ist. Auf den ersten Blick legen diese Vermutungen den Schluss nahe, dass es im Falle von dritten und vierten Potenzresten kein einfaches Reziprozit¨ atsgesetz wie im Fall der Quadratreste gibt, weil diese Kriterien nicht von Restklassen modulo p, sondern von der Darstellung von p durch die quadratischen Formen x2 + 3y 2 bzw. x2 + 4y 2 abh¨angen. Zweifellos wird sich Euler auch davon u ur ¨berzeugt haben, dass Kriterien f¨ 5. Potenzreste modulo p nicht von Darstellungen der Form p = x2 + 5y 2 abh¨angen. Es gibt auch keine ¨ahnlich einfachen Potenzrestkriterien f¨ ur f¨ unfte Potenzreste, sieht man von wenigen Spezialf¨allen ab. So folgt aus der Theorie der h¨oheren Potenzreste, dass die Zahl 2 nach jeder Primzahl, die sich in der asst, ein f¨ unfter Form x4 + 25x2 + 125x2 oder x4 + 50x2 y 2 + 125y 4 darstellen l¨ Potenzrest ist. Allerdings sind dies nur hinreichende Kriterien, die weit davon entfernt sind, auch notwendig zu sein.

7.5 Diophantische Gleichungen In der Kunst, schwierige diophantische Gleichungen zu l¨ osen, stand Euler Fermat nicht nach. Auch auf diesem Gebiet k¨ onnen wir Eulers Leistungen nur an einigen wenigen Beispielen erkl¨aren.

Lineare diophantische Gleichungen Euler beginnt [E036] mit der Bemerkung, dass Probleme, bei denen eine Zahl gesucht ist, deren Reste bei der Teilung durch gewisse Zahlen vorgegeben sind, in fast allen B¨ uchern zur Arithmetik zu finden seien; die Arbeit Bachets (oder gar die der indischen Mathematiker) zu diesem Problem sind ihm unbekannt. Euler behandelt das Problem, eine Zahl z zu finden, die bei Teilung durch m

288

7 Euler und Lambert

den Rest p und bei Teilung durch n den Rest q l¨ asst, sucht also Zahlen a und b zu einer ganzen Zahl zu machen. mit z = ma+p = nb+q. Dazu ist n = ma+p−q b wird. Euler setzt v = p − q und schreibt a = αb + c, sodass n = mα + mc+v b Ab−v ganz werden; Aufl¨ o sen nach m ergibt m = . Ist v Jetzt muss A = mc+v b c durch c teilbar, ist man fertig; andernfalls schreibt man b = βc + d und f¨ ahrt fort, bis die Division aufgeht. Euler gibt explizite Formeln zur Bestimmung von A, die im Wesentlichen auf Kettenbr¨ uche hinauslaufen; diese tauchen aber noch nicht explizit auf. Selbstverst¨andlich illustriert Euler seine Methode mit Beispielen. Gesucht sei etwa eine Zahl z, welche bei Teilung durch 103 den Rest 87 und bei Teilung durch 57 den Rest 25 l¨asst. Jetzt ist 103 = 1 · 57 + 46, 57 = 1 · 46 + 11, 46 = 4 · 11 + 2, und die Division 4 : 2 = 2 geht auf. Im n¨achsten Schritt berechnet Euler aus den Quotienten 1, 1 und 4 die folgenden Tabelle: 1 1 4 1 1 2 9 +−+− Hier entsteht beispielsweise die letzte 9 aus der Addition des Produkts 2 · 4 zu der 1 links von der 2. Die Vorzeichen der unteren Zeile beginnen mit + und alternieren. Aus den Resten p = 87 und q = 25, sowie dem letzten Quotienten 2 bestimmt er nun 87−25 = 31; dies wird mit der Zahl −9 aus der 2 obigen Tabelle multipliziert und zum zweiten Rest addiert; so erh¨ alt Euler die L¨osung z = 25 − 57 · 9 · 31; um diese positiv zu machen, addiert er 3 · 57 · 103 und erh¨alt die kleinste positive L¨osung z = 1735.

Euler und die Pellsche Gleichung Nachdem Euler von Goldbach auf Fermat aufmerksam gemacht worden ist, begann er, die Werke Fermats und die Arbeiten von Wallis aufmerksam zu lesen. In seinem Brief an Goldbach vom 25. Juni 1730 erw¨ ahnt Euler den Fermatschen Satz, wonach 1 die einzige Dreieckszahl ist, die eine 4. Potenz ist, 2 w¨ahrend es unendlich viele rationale L¨osungen der Gleichung x 2+x = y 4 gebe. Goldbach antwortet, dass er einst42 sogar bewiesen habe, dass 1 die einzige Dreieckszahl ist, die ein Quadrat ist. Euler konstruiert daraufhin43 unendlich 42 Wie er Euler schreibt, hat er dies Daniel Bernoulli brieflich mitgeteilt; der Brief ist nicht erhalten. 43 Dies hatte bereits Johannes de Nemore getan; vgl. Aufgabe 2 auf S. 198.

7.5 Diophantische Gleichungen

289 2

viele L¨osungen der Gleichung x 2+x = y 2 , indem er zeigt, dass die Quadrate jedes Terms der Folge 1, 6, 35, 204, . . . Dreieckszahlen sind. In der Tat folgt 2 aus x 2+x = y 2 nach Multiplikation mit 8 und quadratischer Erg¨ anzung die Gleichung (2x + 1)2 = 8y 2 + 1, also (2x + 1)2 − 2(2y)2 = 1. Diese Gleichung hat, wie man leicht sieht, unendlich viele L¨osungen. Euler ver¨offentlicht seine Ergebnisse in E029, wo er zeigt, dass man die L¨osung gewisser quadratischer Gleichungen in ganzen Zahlen auf die Gleiuckf¨ uhren kann, und gibt den Algorithmus, den er bei chung N a2 + 1 = b2 zur¨ Wallis gefunden hat. Weiter schreibt er, dass sich bereits Pell und Fermat mit dieser Gleichung besch¨aftigt h¨atten. Dass wir Gleichungen der Form N x2 + 1 = y 2 unter dem Namen Pellsche Gleichungen kennen, verdanken wir diesem Fehler Eulers, den er in seiner Algebra wiederholt44 : Hiezu hat ein gelehrter Engl¨ander, Namens Pell, eine sehr sinnreiche Methode erfunden, welche wir hier erkl¨aren wollen. Dieselbe ist aber nicht so beschaffen, dass sie auf allgemeine Art f¨ ur jede Zahl a, sondern nur f¨ ur jeden besonderen Fall gebraucht werden kann. Das M¨archen, Pell habe die Brounckersche L¨osung der Gleichung aN 2 +1 = b2 ¨ in die englische Ubersetzung von Rahns Algebra aufgenommen, wird auch heute noch kolportiert45 . In [E323] transformiert Euler die Brounckersche L¨ osung der Pellschen √ Gleichung N a2 + 1 = b2 in einen auf der Kettenbruchentwicklung von N beruhenden Algorithmus. Allerdings gelingt es ihm nicht zu zeigen, dass seine Methode f¨ ur jede positive nat¨ urliche Nichtquadratzahl N eine L¨ osung liefert.

Euler-Ziegel In § 238 seiner Algebra behandelt Euler folgendes Problem. Man sucht drei Quadratzahlen x2 , y 2 und z 2 , die so beschaffen sind, dass die Summe von je zweien wieder ein Quadrat bildet. 44

Das nachfolgende Zitat findet man in [Euler 1770, art. 98]. Biographisches zu John Pell steht bei [Malcolm & Stedall 2005]. 45 Diese Geschichte findet sich auf Tausenden von Webseiten. Bereits Wertheim [Wertheim 1901] hat darauf hingewiesen, dass die auf Hankel [Hankel 1874, S. 203] zur¨ uckgehende Aussage falsch ist, und Enestr¨ om [Enestr¨ om 1902], [Cajori 1924] oder [Jacobson & Williams 2009] beschreiben die Sachlage korrekt und unmissverst¨ andlich.

290

7 Euler und Lambert

Euler dehomogenisiert das Problem durch Division durch z 2 und erh¨ alt die drei zu l¨osenden Gleichungen x2 y2 + = , z2 z2

x2 + 1 = , z2

y2 + 1 = . z2

Die beiden letzten Gleichungen l¨ost er mit der klassischen Formel f¨ ur pythagoreische Tripel: x p2 − 1 y q2 − 1 = , = . z 2p z 2q Setzt man dies in die erste Gleichung ein und beseitigt die (quadratischen) Nenner, erh¨alt man als zu l¨osende Gleichung q 2 (p2 − 1)2 + p2 (q 2 − 1)2 = . Euler bemerkt, dass man zur L¨osung dieser Gleichung eine bekannte L¨ osung ben¨otigt, dass eine solche aber schwer zu erraten sei. Um eine solche erste L¨osung zu finden, schreibt er die Gleichung in der Form q 2 (p − 1)2 (p + 1)2 + p2 (q − 1)2 (q + 1)2 =  und versucht, die rechte Seite durch (p + 1)2 teilbar zu machen. Dies gelingt, indem man q − 1 = p + 1 setzt. Dies liefert dann (p + 2)2 (p − 1)2 + p2 (p + 3)2 = 2p4 + 8p3 + 6p2 − 4p + 4 = . Euler sieht, dass der konstante Term ein Quadrat ist, setzt daher den Ausdruck gleich (2 + f p + gp2 )2 , und bestimmt f und g so, dass die drei letzten Terme verschwinden: dies ist genau dann der Fall, wenn f = −1 und g = 54 ist, was auf p = −24 und q = −22 f¨ uhrt. Einsetzen ergibt x 575 =− , z 48

y 483 =− , z 44

also nach geschicktem Erweitern der Br¨ uche und Weglassen des negativen Vorzeichens x = 6325, y = 5796, z = 528.

Rechtwinklige Dreiecke in Zahlen Eine diophantische Gleichung, zu deren L¨osung Euler sein ganzes K¨ onnen ausspielen musste, ist xyz(x + y + z) = a f¨ ur gegebenes rationales a. Diese Gleichung hat ihren Ursprung in der Theorie rechtwinkliger Dreiecke in Zahlen; nach der Heronschen Formel ist n¨ amlich das

7.5 Diophantische Gleichungen

291

Quadrat der Fl¨ache A eines rechtwinkligen Dreiecks mit den Seiten a, b und gegeben durch c und halbem Umfang s = a+b+c 2 A2 = xyz(x + y + z),

wo

x = s − a, y = s − b

und

z =s−c

ist. In seinem Brief an Goldbach vom 15. April 1749 schreibt Euler, dass die Gleichung xy(x + y) = a f¨ ur a = 1 und a = 3 keine L¨ osung zu haben scheine, w¨ahrend xyz(x + y + z) = a f¨ ur jedes a rational l¨ osbar ist, und kan so gar in genere die solution angegeben werden, welche ich endlich nach vieler angewandter M¨ uhe herausgebracht. Nehmlich man setze [. . . ]  2 6ast3 at4 − 2s4 , x= (4at4 + s4 ) (2a2 t8 + 10as4 t4 − s8 )  2 3s5 4at4 + s4 , y= 2t (at4 − 2s4 ) (2a2 t8 + 10as4 t4 − s8 )   2 2a2 t8 + 10as4 t4 − s8 ; z= 3s3 t (4at4 + s4 ) so wird x+y+z =

2a2 t8 + 10as4 t4 − s8 , 6s3 t (at4 − 2s4 )

und hieraus bekommt man xyz (x + y + z) = a. Noam Elkies46 hat mit den Methoden der modernen algebraischen Geometrie Parametrisierungen von kleinerem Grad hergeleitet. Wie Euler auf seine Formeln gekommen ist, bleibt aber weiter im Dunkeln.

Gleichungen vom Grad 3 oder 4 Euler hat die von Diophant, Bachet und Fermat entwickelten Techniken zur Konstruktion von rationalen L¨osungen von Gleichungen der Form y 2 = f (x), wo f ein Polynom in x vom Grad 3 oder 4 ist, weiterentwickelt und, soweit dies ohne geometrische Hilfsmittel m¨oglich war, perfektioniert. Ausgehend von einer rationalen L¨osung hat er gezeigt, wie man mit diversen Hilfsmitteln weitere L¨osungen erzeugen kann. 46

Siehe seinen Vortrag [Elkies 2009].

292

7 Euler und Lambert

Ist etwa eine Gleichung47 y 2 = f (x) gegeben und ist x = ξ, y = η eine rationale L¨osung der Gleichung, so folgt durch Subtraktion der Gleichungen y 2 = f (x) und η 2 = f (ξ), dass y 2 − η 2 = (x − ξ)Q(x) f¨ ur ein Polynom Q mit rationalen Koeffizienten ist. Mit P (x) = ξ und R(x) = x − ξ gilt also f = P 2 + QR. Euler zeigt weiter, dass man P als nichtkonstantes Polynom w¨ahlen kann, wenn man zwei rationale L¨ osungen der Gleichung y 2 = f (x) kennt. Hat man das Polynom f in der Form f = P 2 + QR geschrieben, dann mache man, so Euler, den Ansatz f (x) = P 2 + QR = (P + Qy)2 .

(7.2)

Dieser f¨ uhrt auf die in y quadratische Gleichung Qy 2 + 2P y − R = 0,

(7.3)

in welcher P , Q und R Polynome in x mit rationalen Koeffizienten sind. osung x = ξ und Nehmen wir nun an, die Gleichung z 2 = f (x) habe eine L¨ z = η. Aus (7.2) ergibt sich dann ein rationaler Wert y = η. Weil die in y quadratische Gleichung (7.3) eine rationale L¨osung besitzt, muss die zweite L¨osung y = η  ebenfalls rational sein. Jetzt erh¨alt man die Gleichung (P + Qη  )2 = P 2 + QR, welche die rationale L¨osung x = ξ besitzt. Falls diese Gleichung quadratisch in x ist, kann man dieses Verfahren in der Regel unendlich oft fortsetzen48 . Euler betrachtet zur Illustration seiner Methode zuerst das Beispiel des kubischen Polynoms f (x) = 3x3 + 1. Hier ist f = P 2 + QR mit P = 2x,

Q = x − 1,

R = 3x2 − x − 1.

Die Gleichung (7.3) lautet daher (x − 1)y 2 + 4xy − (3x2 − x − 1) = 0. Beginnen wir also mit x = 1 und y = 5 und η  = − 101 ξ  = − 16 84 . 47

1 4,

dann erhalten wir nacheinander

Die folgenden Ergebnisse stammen aus [E778]. Nach [J10] verlaufen Eulers Rechnungen parallel zu denen bei der Herleitung der Additionstheoreme f¨ ur elliptische Funktionen aus dem Jahre 1757. Einzelheiten zu Eulers Methoden findet man bei [Schlesinger 1908]. 48 In der j¨ ungeren Literatur ist diese Technik als Vieta-Jumping bekannt.

7.6 Algebraische Zahlen

293

7.6 Algebraische Zahlen Ein großer Teil des zweiten Bandes von Eulers Algebra49 ist der diophantischen Analysis gewidmet. Neben den klassischen Methoden f¨ uhrt Euler hier eine neue Technik ein, die auf dem Gebrauch algebraischer Gr¨ oßen beruht. Dabei u urlicher Zahlen ohne hinreichende ¨bertr¨agt Euler Eigenschaften nat¨ Begr¨ undung auf algebraische Zahlen; aus diesem Grund gehen wir zuerst etwas auf Eulers Aussagen zur eindeutigen Primfaktorzerlegung der nat¨ urlichen Zahlen ein.

Eindeutige Primfaktorzerlegung Eine der einfachsten Anwendungen der eindeutigen Primfaktorzerlegung ist der Beweis des Satzes, dass ein Produkt teilerfremder nat¨ urlicher Zahlen genau dann ein Quadrat ist, wenn die Faktoren Quadratzahlen sind. Euler kennt diese Aussage50 und bemerkt dazu: Der Beweis dieses Lemmas ist einfach, und wurde seit Euklid weitergegeben, sodass es unn¨otig ist, ihn hier zu reproduzieren. In § 41 seiner Algebra schreibt Euler, nachdem er die Grundrechenarten erkl¨ art hat: Die zusammengesetzten Zahlen aber, welche sich durch Factoren darstellen lassen, entspringen alle aus den obigen Primzahlen, so daß alle Factoren davon Primzahlen sind. Dies ist die Existenz der Primfaktorzerlegung, die Euler wie folgt beweist: Denn wenn je ein Factor keine Primzahl, sondern schon zusammengesetzt w¨are, so w¨ urde man denselben wieder durch zwei oder mehrere Factoren, die Primzahlen w¨aren, darstellen k¨ onnen. Dies ist im wesentlichen Euklids Argument. Auf die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung geht Euler nicht explizit ein. Allerdings spielt sie eine Rolle in der folgenden Bemerkung: Wenn man also eine beliebige Zahl in ihre einfachen Factoren zerlegt hat, so ist es sehr leicht, alle diejenigen Zahlen anzugeben, durch welche sich dieselbe theilen l¨aßt. 49

Das Buch [Euler 1770] hat Euler auf Deutsch diktiert, erschienen ist es aber ¨ zuerst in einer russischen Ubersetzung. Johann III Bernoulli hat es ins Franz¨ osische ¨ u sp¨ ater mit Zus¨ atzen versehen. ¨bersetzt, und Lagrange hat diese Ubersetzung 50 Siehe [E054, Lemma 1].

294

7 Euler und Lambert

Auch f¨ ur Euler ist die eindeutige Primfaktorzerlegung eine Aussage u ¨ber die m¨oglichen Teiler einer Zahl. Weder formuliert er die eindeutige Primfaktorzerlegung explizit, noch benutzt er sie in Beweisen. An Stellen, wo wir sie einsetzen w¨ urden, benutzt Euler den euklidischen Vierzahlensatz. Zur L¨ osung der Gleichung51 (p + 1)(q + 1) = (r + 1)(s + 1), setzt er etwa p = αx − 1,

q = βy − 1,

r = βx − 1,

und

s = αy − 1.

Quadratische Zahlringe In seiner Algebra zeigt Euler, wie man quadratische Irrationalit¨ aten zum L¨ osen diophantischer Gleichungen verwenden kann. Insbesondere wendet Euler Zah√ len der Form a + b −2 an, um Fermats Behauptung zu beweisen, die einzige urlichen Zahlen sei x = 3, y = 5. L¨osung der Gleichung y 2 = x3 − 2 in nat¨ Die Bemerkung, Euler habe dazu die eindeutige Primfaktorzerlegung im Ring √ Z[ −2] benutzt, ist in mancherlei Hinsicht falsch. √ Weil Euler Primelemente im Bereich der Zahlen a + b −2 nicht einmal definiert, kann die eindeutige Primzerlegung in diesem Ring gar keine Rolle gespielt haben. Tats¨achlich sieht Eulers L¨osung in § 193 so aus: Da also x2 + 2 ein Cubus sein soll, und 2 ein doppeltes Quadrat ist, so suche man erstens die F¨alle, in denen die Formel x2 + 2y 2 ein Cubus wird, welches aus der fr¨ uheren Er¨orterung ( § 188), wo a = 1 und c = 2, geschieht, wenn x = p3 − 6pq 2 und y = 3p2 q − 2q 3 . Da nun hier y = ±1, so muß 3p2 q − 2q 3 = q(3p2 − 2q 2 ) = ±1, und also q ein Theiler von 1 sein. Es sei demnach q = 1, so wird 3p2 − 2 = ±1; gilt das obere Zeichen, so wird 3p2 = 3 und p = 1, folglich x = 5; das untere Zeichen aber giebt f¨ ur p einen irrationalen Werth, welcher hier keine Geltung hat; woraus folgt, daß nur das einzige Quadrat 25 in ganzen Zahlen die verlangte Eigenschaft hat. Eulers Idee war es, die Gleichung x2 + 2 = y 3 zu zerlegen in √ √ (x − −2 )(x + −2 ) = y 3 . Ist in den nat¨ urlichen Zahlen ein Produkt aus zwei teilerfremden Zahlen eine Kubikzahl, dann ist jeder Faktor eine solche. Euler u agt diese Eigenschaft ¨bertr¨ √ ohne Beweis auf Zahlen der Form a+b −2, und dar¨ u berhinaus erkl¨ art er zwei √ √ ur teilerfremd, wenn ggT(a, b) = 1 ist. Der Faktoren a − b −2 und a + b −2 f¨ 51

Siehe [E152, Prob. 2].

7.7 Analytische Methoden Rest seines Beweises, der dann zwanglos aus der Folgerung (x + √ (p + q −2 )3 folgt, ist nicht zu beanstanden.

295 √

−2 ) =

Dass der Analogieschluss, den Euler nicht bewiesen hat, nicht vollst¨ andig korrekt ist, bemerkt Euler noch in seiner Algebra, wo er, etwa bei Zahlen der √ ater52 gibt er selbst Form a + b 10, auf die Rolle der Einheiten eingeht. Sp¨ ein Gegenbeispiel: urdig; Die Formel 1812 +7 = 323 ist unserer ganzen Aufmerksamkeit w¨ obwohl n¨amlich 32 = 52 + 7, ist es nicht wahr, dass √ √ 181 + −7 = (5 + −7 )3 , √ √ 1 + 3 −7 (5 + −7 )3 181 + −7 = 8 haben. Wir bemerken auch, dass √ √ 1 + 3 −7 1 − 3 −7 · =1 8 8

obwohl wir



ist, was zeigt, dass die Entwicklung in imagin¨are Faktoren tiefere Untersuchungen erfordert. Dar¨ uber hinaus hat ihn der Rechenmeister Abraham Wolff (Wolff gilt als Vorbild von Lessings Figur al Hafi in seinem Werk Nathan der Weise) aus Berlin am 9. August 1770 auf diese L¨ ucke in dessen Beweis der kubischen Fermatgleichung aufmerksam gemacht: Es lieget die Schwierigkeit hierin, das mir der Kunstgrif fehlet, wodurch √ ich vergewißert pp +√ 3qq = (tt + 3uu)3 also √ werde, das in√denen 3 3 (p + q√ −3 ) · (p − q −3 ) = (t √+ u 3 −3 ) (t − u −3 ) ; der werth von p + q −3 nothwendig (t + u −3 ) seyn muß. Ob Euler darauf geantwortet hat, ist nicht bekannt. Letztendlich wurden die von Euler aufgeworfenen Fragen erst von Gauß, Dirichlet und Dedekind zufriedenstellend beantwortet53 .

7.7 Analytische Methoden Euler war der erste Mathematiker, der analytische Methoden zur L¨ osung zahlentheoretischer Probleme benutzt hat. Die ersten Schritte in dieser Richtung 52 53

In seinem posthum erschienen Artikel [E806, Art. 44]. Vergleiche auch [Lemmermeyer 2017a, Kap. 1].

296

7 Euler und Lambert

gehen zur¨ uck auf ein Problem, das Wallis in seiner Algebra54 studiert hatte: Ist eine Folge a1 , a2 , a3 , . . . gegeben, so suche man den Wert zwischen dem ersten und dem zweiten Glied. Damit ist gemeint, dass man eine Darstellung an der Folge angeben soll, f¨ ur die der Ausdruck a 32 sinnvoll ist. undig Wallis betrachtet Folgen von Zahlen Ap,n , welche sich heute kurz und b¨ als Integral hinschreiben lassen:  1 1 = (1 − x1/p )n dx. Ap,n 0 Mit Methoden, die wir heute als besseres Raten“ bezeichnen w¨ urden, zeigt ” er die Formel 3·3 5·5 7·7 4 = A 12 , 12 = · · ··· , π 2·4 4·6 6·8 welche, verbunden mit   1 n+p (n + p)! 1√ = , auf != π f¨ uhrt. Ap,n = n n! p! 2 2 Dieses Ergebnis gibt Wallis nicht explizit; es wird sp¨ ater von Euler auf anderem Weg und mit strengeren Methoden hergeleitet. Auch Goldbach befasst sich mit solchen Interpolationen“ von Folgen. F¨ ur die ” harmonische Reihe 1 1 1 1 + + ... + = 2 3 n k n

Hn = 1 +

k=1

findet er durch angstfreie Manipulation mit divergenten Reihen Hn = =

∞ ∞ ∞ ∞   1 1 1  1 − = − k k k n+k

k=1 ∞   k=1

k=n+1

1 1 − k n+k



k=1 ∞  

=

k=1

k=1

 n . k(n + k)

Euler dagegen benutzt die heute klassische Substitution  1 1 = xn−1 dx n 0

(7.4)

und zeigt in [E613] 54 Eine solches Problem, n¨ amlich die Bestimmung des Terms zwischen 1 und 6 in der Folge 1, 6, 30, 140, 630, . . . , hat Wallis Fermat als Problem gestellt, der sich in seinem Brief [Fermat 1891, II, S. 348] an Digby vom 15. August 1657 (erfolglos) damit besch¨ aftigt.

7.7 Analytische Methoden

297

 1  1 n  1 1 − xn 2 n−1 = dx (1 + x + x + . . . + x ) dx = Hn = k 1−x 0 0 k=1

alt man daraus f¨ ur alle Zahlen n ≥ 1. Mit der Substitution x = t2 erh¨ √  1  1  1 1− x t dt 1  dx = 2 =2 dt = 2(1 − ln(2)). H1/2 = 1− 1−x 1+t 0 0 1+t 0 Euler sucht sofort nach weiteren Interpolationsproblemen, an denen er seine Kr¨afte messen kann, und findet schnell eine Interpolation der hypergeometri” schen Reihe“ von Wallis, also der Folge 1, 2, 6, 24, 120, . . . ; im Gegensatz zur geometrischen Reihe, in welcher jedes Glied mit einem konstanten Faktor multipliziert wird, wird in der hypergeometrischen Reihe das n-te Glied mit n + 1 multipliziert, d.h. es ist an = n!. Folgen mit Indizes wurden aber ebenso erst sp¨ater eingef¨ uhrt wie die Bezeichnung n!, die auf Christian Kramp zur¨ uckgeht. Euler findet, wenn wir die Bezeichnung Γ (n) = (n − 1)! verwenden, die von Legendre stammt,  1 1 s−1 log dt. Γ (s) = t 0 Der hyperbolische Logarithmus“ war f¨ ur Euler eine Funktion, die noch fun” damentaler war als die Exponentialfunktion, weil sich der Logarithmus in

x darstellen l¨ a sst. Heute w¨ urden wir Eulers geschlossener Form“ log x = 1 dt t ” Darstellung der Gamma-Funktion durch die Substitution z = log 1t in  ∞ Γ (s) = z s−1 e−z dz 0

transformieren55 . Die Substitution (7.4) l¨asst sich auch zur Bestimmung gewisser Reihen verwenden, die in Dirichlets Beweis seines Satzes u ¨ber Primzahlen in arithmetischer Progression eine wichtige Rolle spielen werden. Wendet man (7.4) auf die Leibnizsche Reihe an und k¨ ummert sich nicht um Probleme bei der Vertauschung von Grenzwerten, so findet man ∞  k=0



(−1)k

 1 = 2k + 1 k=0  1 = 0





1

(−1)k x2k dx = 0

1

 ∞

0

 (−1)k x2k dx

k=0

dx π = arctan 1 = . 1 + x2 4

Ganz entsprechend folgt 55

Eulers Arbeiten zur Gamma- und Betafunktion (letztere bezeichnet er wie Legendre mit dem Symbol ( pq )) wurden sp¨ ater von Legendre, Gauß und Dirichlet aufgegriffen. In j¨ ungerer Zeit wurden sie von [Aycock 2019a, Aycock 2019b] untersucht.

298

7 Euler und Lambert

1 1 1 1 1 + − − + + ... = 3 5 7 9



1

(1 + x2 − x4 − x6 + . . .) dx 

0 1

(1 + x2 − x4 − x6 )(1 + x8 + x16 + . . .) dx

= 0



1

= 0

1 + x 2 − x4 − x6 dx = 1 − x8

 0

1

1 + x2 dx, 1 + x4

und die Berechnung dieses Integrals liefert π 1 1 1 1 √ = 1 + − − + + ..., 3 5 7 9 2 2 ein Ergebnis, das Euler von Newton kennt.

Die Zetafunktion Die Riemannsche Zetafunktion ζ(s) =



n−s

n≥1

wurde von Riemann ausgiebig untersucht; bei Euler tauchen derartige Summen an allen Ecken und Enden auf, allerdings steht der Aspekt, dass es sich dabei um eine Funktion handelt, noch eher im Hintergrund: Euler wertet die Summen ζ(2n) f¨ ur ganze Zahlen n ≥ 1 aus und findet, ebenfalls f¨ ur ganze Zahlen, einen Zusammenhang zwischen ζ(n) und ζ(1 − n), den er mutig auf alle reellen Zahlen ausdehnt, ohne diese Funktionalgleichung“ aber bewei” sen zu k¨onnen. Die Methoden, die er dabei verwendet, sind geeignet, uns die Haare zu Berge stehen zu lassen; auf der andern Seite muss man aber neidlos anerkennen, dass Euler ein Meister der Manipulation von divergenten Reihen und Integralen gewesen ist.

Berechnung der Werte an geraden Stellen Am Problem, die Summe der reziproken Quadrate exakt zu bestimmen, hatten sich vor Euler bereits verschiedene Mathematiker erfolglos versucht. Die aus numerischen Berechnungen abgeleitete Vermutung, die Summe k¨ onne gleich π2 sein, er¨ o ffnete Euler den Weg zu einem Beweis. Wir werden uns hier kurz 6 fassen, weil es kaum ein Ergebnis Eulers gibt, u ofter geschrieben wurde ¨ber das ¨ als u ¨ber die Bestimmung von ζ(2) = 1 +

1 π2 1 1 + + + ... = . 4 9 16 6

(7.5)

7.7 Analytische Methoden

299

Eulers Ausgangspunkt war die Produktzerlegung ∞   x2  sin x 1− 2 2 , = x k π k=1

die von der Tatsache nahegelegt wird, dass die Funktion sinx x die Nullstellen ±π, ±2π, ±3π . . . besitzt. Ersetzt man die Funktion sinx x durch ihre Potenzreihe, so folgt ∞   x2  x4 x2 1− 2 2 , + − ... = 1− 3! 5! k π k=1

2

und Vergleich der Koeffizienten von x auf beiden Seiten ergibt 1  1 1 1 − = − 2 + 2 + 2 + ... , 6 π 4π 9π woraus die Behauptung ζ(2) =

π2 6

sofort folgt.

Vergleicht man entsprechend die Koeffizienten der h¨ oheren Potenzen von x, so findet man (2π)2n · B2n , ζ(2n) = (−1)n+1 2 · (2n)! wo Bn die von Euler nach Jakob Bernoulli benannten Zahlen B2 =

1 , 6

B4 = −

1 , 30

B6 =

1 ,... 42

sind, die etwa durch die Potenzreihenentwicklung von k¨onnen.

t et −1

definiert werden

Eulers vergebliche Anstrengungen, die Zetawerte an den ungeraden Stellen auf analoge Art zu summieren, haben ihn schließlich auf die Anf¨ ange einer Theorie der multiplen Zetawerte gef¨ uhrt.

Divergenz der reziproken Primzahlen Bereits die Herleitung des Eulerprodukts“ ” 2 · 3 · 5 · 7 · 11 · 13 · 17 · 19 · · · 1 1 1 1 1 = 1 + + + + + + ..., 1 · 2 · 4 · 6 · 10 · 12 · 16 · 18 · · · 2 3 4 5 6

(7.6)

wo das Produkt im Z¨ahler u ¨ber alle Primzahlen p geht und das im Nenner u ¨ber alle Zahlen p − 1, zeigt, mit welcher Leichtigkeit sich Euler u ¨ber moderne Stolpersteine hinwegbewegt hat. Euler setzt x=1+

1 1 1 1 1 + + + + + ..., 2 3 4 5 6

(7.7)

300

7 Euler und Lambert

und folgert daraus 1 1 1 1 1 x = + + + + ...; 2 2 4 6 8

(7.8)

subtrahiert man die zweite von der ersten Gleichung, so folgt 1 1 1 1 x = 1 + + + + .... 2 3 5 7

(7.9)

Zieht man hiervon 1 1 1 1 1 1 · x= + + + + ... 2 3 3 9 15 21 ab, so findet man 1 2 1 1 1 1 · x=1+ + + + + ..., 2 3 5 7 11 13 wo keiner der Nenner auf der rechten Seite durch 2 oder 3 teilbar ist. F¨ ahrt man in dieser Weise fort, so erh¨alt man endlich 1 · 2 · 4 · 6 · 10 · 12 · 16 · 18 · · · x = 1. 2 · 3 · 5 · 7 · 11 · 13 · 17 · 19 · · · Aufl¨osen nach x = 1 +

1 2

+

1 3

+

1 4

+

1 5

+

1 6

+ . . . liefert dann die Behauptung.

Wir bemerken en passant, dass die gedankenlose Subtraktion der beiden Gleichungen (7.8) und (7.9) voneinander die offenkundig falsche Gleichung 0=1−

1 1 1 + − + ... 2 3 4

liefert. Wie wir heute wissen, ist das Eulerprodukt ∞  1  1 = s n 1 − p1s p n=1

f¨ ur s > 1

urlichen Zahlen. Eu¨aquivalent zur eindeutigen Primfaktorzerlegung der nat¨ lers Rechnungen lassen moderne Leser aber derart schwindeln, dass es schwierig erscheint, den Punkt herauszusch¨alen, an welchem Euler die eindeutige Primfaktorzerlegung benutzt hat. Nehmen wir aber einmal an, die Primfaktorzerlegung w¨ are nicht eindeutig; sei dann n die kleinste Zahl mit zwei verschiedenen Zerlegungen. Seien p bzw. q die kleinsten Primfaktoren, die in diesen beiden Zerlegungen auftauchen. Die Minimalit¨at von n garantiert, dass p = q ist. Wie d¨ urfen also annehmen, dass p < q und n = pa = qb ist. Die Zahl n1 wird in Eulers Beweis eliminiert, wenn er den Ausdruck 12 · 13 · · · p1 x subtrahiert; dann fehlt aber das Vielfache

7.7 Analytische Methoden

301

n = qb in seiner Liste, wenn er an die Stelle kommt, an welcher er subtrahiert.

1 2

· 13 · · · 1q x

Um Eulers Beweis zu vervollst¨andigen, m¨ ussen wir also zeigen, dass Zerlegungen n = pa = qb wie oben nicht auftreten k¨onnen. Das folgt aber direkt aus Euklids Lemma (oder dem Euklidischen Vierzahlen-Satz): Da p prim ist, teilt es entweder q (was wegen p < q nicht geht) oder b, und K¨ urzen von p liefert einen Widerspruch zur Minimalit¨at von n. Aus dem Euler-Produkt (7.6) folgt sofort, dass es unendlich viele Primzahlen geben muss, denn andernfalls w¨ urde das (dann endliche) Produkt u ¨ber alle Primzahlen auch f¨ ur s = 1 gegen einen endlichen Wert konvergieren, was der Divergenz der harmonischen Reihe uber  1 widerspricht. Euler gelingt es dar¨ der reziproken Primzahlen divergiert. hinaus zu zeigen, dass die Reihe p Dazu setzt er 1 1 1 1 1 + + + + + ..., 2 3 5 7 11 1 1 1 1 1 B = 2 + 2 + 2 + 2 + 2 + ..., 2 3 5 7 11 1 1 1 1 1 C = 3 + 3 + 3 + 3 + 3 + ..., 2 3 5 7 11 A=

und findet 1 1 1 2 3 5 7 A + B + C + D + . . . = log + log + log + log + . . . ; 2 3 4 1 2 4 6 also gilt  2 · 3 · 5 · 7···  1 1 1 1 1 1 1 1 = 1+ + + + + +. . . . exp A+ B + C + D +. . . = 2 3 4 1 · 2 · 4 · 6··· 2 3 4 5 6 Weil aber

1 1 1 B + C + D + ... 2 3 4 endlich ist und im Vergleich mit ∞ vernachl¨assigt werden darf, muss eA = 1 +

1 1 1 1 1 + + + + + ... 2 3 4 5 6

gelten, also A=

  1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 + + + + + . . . = log 1 + + + + + + . . . = log log ∞ 2 3 5 7 11 2 3 4 5 6

wie behauptet.

302

7 Euler und Lambert

Die Funktionalgleichung Euler dehnt die Zetafunktion“ ζ(s) auch auf negative Werte von s aus; mit ” fast schon haarstr¨aubenden Methoden gelingt es ihm, mit Hilfe der Funktion φ(s) = (1 − 21−s )ζ(s) =

∞ 

(−1)n+1 n−s

n=1

die Gleichung

φ(1 − s) Γ (s)(2s − 1) sπ = − s−1 cos φ(s) (2 − 1)π s 2

f¨ ur ganzzahlige Werte von s zu beweisen“, um dann die G¨ ultigkeit f¨ ur alle ” reellen Zahlen zu behaupten. In moderner Notation liest sich diese Gleichung so: πs ζ(1 − s) = π −s 21−s Γ (s) cos ζ(s). 2 Euler findet sogar eine analoge Beziehung f¨ ur die Reihe L(s) =

∞ 

(−1)

n−1 2

n−s = 1 − 3−s + 5−s − 7−s + . . . ,

n=1

f¨ ur die er die Identit¨at 1 − 3n−1 + 5n−1 − 7n−1 + & c. 1 · 2 · 3 · · · (n − 1) · 2n nπ = , sin −n −n −n n 1 − 3 + 5 − 7 + & c. π 2 erh¨alt, die man auch in der Form L(1 − s) = Γ (s)π −s sin

πs · L(s) 2

(7.10)

schreiben kann. Die Arbeiten Eulers auf dem Gebiet, das sp¨ater zur analytischen Zahlentheorie werden sollte, sind so gehaltvoll, dass wir viele wichtige Ergebnisse56 nicht einmal kurz streifen k¨onnen. Dazu geh¨oren vor allem die Euler-MacLaurinsche Summationsformel57 , der Pentagonalzahlensatz58 ∞ 

(1 − xk ) =

k=1

∞ 

(−1)k xk(3k−1)/2 ,

k=−∞

oder vielfache Zetawerte. 56

Es ist mir ein Vergn¨ ugen, auf das sehr lesenswerte Buch [Varadarajan 2006] hinzuweisen, in welchem diese L¨ ucke wenn nicht geschlossen, dann doch deutlich verkleinert wird. 57 Mehr dazu findet man bei [Schuppener 1994]. 58 Eine sehr sch¨ one und leicht lesbare Einf¨ uhrung bietet der Vortrag [Toeplitz 1931].

7.7 Analytische Methoden

303

Jahr Ergebnis 1729 Euler definiert die Gamma-Funktion 1732 Euler findet den Faktor 641 der Fermatzahl F5 Euler entwickelt die nach ihm und MacLaurin benannte Summationsformel 1735 Euler summiert ζ(2) = π 2 /6 in [E041] und [E063] 1737 Euler beweist die Produktformel f¨ ur die Zetafunktion und die Divergenz der reziproken Primzahlen in [E072] 1739 Euler summiert ζ(2n) 1742 Euler entdeckt seinen Pentagonalzahlensatz; siehe [E158] und den Beweis in [E244], sowie die Anwendung auf Teilersummen in [E175] 1747 Euler entdeckt die Beweisidee des Zweiquadratesatzes (Brief an Goldbach 06.05.1747 und 12.04.1749, sowie [E228] und [E241]) 1748 Euler ver¨ offentlicht seine Einf¨ uhrung in die Analysis des Unendlichen Euler findet die Produktformel f¨ ur Summen von vier Quadraten Euler formuliert seinen Modularit¨ atssatz in [E164] 1749 Euler leitet die Funktionalgleichung der Zetafunktion her 1751 Euler gibt die Additionsformeln f¨ ur elliptische Integrale Euler kann beweisen, dass jede nat¨ urliche Zahl Summe von vier rationalen Quadraten ist (Brief an Goldbach, 04.12.1751) 1758 Satz von Euler-Fermat in [E271] 1760 Euler f¨ uhrt seine phi-Funktion ein 1770 Eulers Algebra erscheint 1772 Euler vereinfacht Lagranges Beweis des Vierquadratesatzes Tabelle 7.3. Chronologie von Eulers Entdeckungen, die f¨ ur die Zahlentheorie relevant sind.

Irrationalit¨ at Die Ahnung, dass das Verh¨altnis von Umfang zum Durchmesser eines Kreises nicht rational ist, ist verschiedentlich in vielen alten Kulturen ge¨ außert worden. Die erste dar¨ uber hinausgehende Aussage stammt vom Lehrer Newtons, Isaac Barrow. Dieser vermutete59 , dass Umfang und Durchmesser nicht nur inkommensurabel sind, sondern auch quadratisch, kubisch, biquadratisch usw. inkommensurabel, dass also, in unserer Sprache, π nicht nur irrational, sondern keine Nullstelle eines Polynoms mit rationalen Koeffizienten ist, was, wie Hutton bemerkt, die Versuche, den Kreis zu quadrieren, ein f¨ ur alle mal beenden w¨ urde. Euler hat, in seinen Arbeiten ebenso wie in manchen Briefen an Goldbach, des are nicht rational. Dies scheint ¨ofteren seine Meinung kundgetan, die Zahl π w¨ ¨ damals eine allgemeing¨ ultige Uberzeugung gewesen zu sein, auch wenn niemand wusste, wie sich das beweisen ließe. Es ist daher einigermaßen erstaunlich, dass Euler in seiner Arbeit u ¨ber die Kettenbruchentwicklungen von ex 59

Siehe [Hutton 1815, S. 317].

304

7 Euler und Lambert

zwar alle Techniken bereit stellt, die ihm erlauben w¨ urden, die Irrationalit¨ at von e zu zeigen, diesen Beweis allerdings nicht durchf¨ uhrt; dies hat wenig sp¨ater sein Landsmann Lambert getan. Ebenso erstaunlich ist die Tatsache, dass diese Kettenbruchentwicklungen, die doch eher der Arithmetik zuzuordnen sind, schon bei Euler in einem analytischen Zusammenhang auftauchen. Sp¨ater hat Hermite diesen Zusammenhang ausgenutzt und einen Beweis der ¨ Transzendenz von e gegeben, dem man seine Herkunft aus den Uberlegungen von Euler und Lambert nicht mehr ansieht, und der den Beweis der Transzendenz von π durch Lindemann erst m¨oglich machte. arz In der Arbeit De Fractionibus Continuis Dissertatio60 , die er am 7. M¨ 1737 in der Akademie von St. Petersburg vorstellte, befasst sich Euler mit Kettenbr¨ uchen und stellt alle Hilfsmittel bereit, die man zum Beweis der Irrationalit¨at von e und e2 ben¨otigt. Kettenbr¨ uche waren in der Vergangenheit bereits bei Wallis, Huygens und anderen aufgetaucht61 . Euler beginnt mit der Beobachtung, dass der aus einer N¨ aherung von e berechnete Kettenbruch62 eine einfache Struktur aufweist: 1

e=2+

.

1

1+

1

2+

1

1+

1

1+

1

4+

1

1+

1

1+ 6+

1 1 + ···

Die von 1 verschiedenen Nenner in dieser Kettenbruchentwicklung scheinen eine arithmetische Progression zu bilden. Der Beweis, den Euler gibt, h¨ angt mit der L¨osbarkeit der Riccati-Differentialgleichung zusammen, die bereits in Briefen und Ver¨offentlichungen von Daniel Bernoulli und Christian Goldbach aufgetaucht war63 . 60

Siehe [E071]. F¨ ur die Geschichte der Kettenbr¨ uche siehe [Brezinski 1991]. 62 Euler hat auch die Brounckersche Kettenbruchentwicklung von π untersucht; f¨ ur eine moderne Darstellung des mathematischen Hintergrunds verweisen wir auf [Khrushchev 2006, Khrushchev 2008, Khrushchev 2010]. 63 F¨ ur die u ange k¨ onnen wir auf [Cretney 2014] ¨beraus interessanten Zusammenh¨ verweisen. 61

7.7 Analytische Methoden

305

Elliptische Integrale Bereits die Bernoullis haben bemerkt, dass die Integration der Funktion √ 1 problemlos m¨oglich w¨are, wenn die diophantische Gleichung a4 −x4 = a4 −x4 y 2 eine parametrisierte L¨osung h¨atte, was aber bekanntlich nicht der Fall ist. Integrale dieser Art tauchen bei der Berechnung des Umfangs von Lemniskaten auf, welche man durch die algebraische Gleichung (x2 + y 2 )2 = a2 (x2 − y 2 ) beschreiben kann. Der erste bedeutende Fortschritt in dieser Frage wurde von Giulio Carlo de’ Toschi di Fagnano erbracht; er konnte zeigen, dass die Gleichung  a  c dt dt √ √ 2 = , 4 1−t 1 − t4 0 0 welche die Verdopplung des Bogens der Lemniskate beschreibt, f¨ ur √ 2a 1 − a4 c= 1 + a4 erf¨ ullt ist. Fagnano ver¨offentlichte seine Ergebnisse in den Jahren 1714–1720, ohne dass irgend jemand davon gr¨oßere Notiz genommen h¨ atte. Fagnano hat auch vorgerechnet, dass man den Bogen der Lemniskate algebraisch in zwei, drei oder f¨ unf gleich Teile zerlegen kann64 ; dass dieses Ergebnis eine zahlentheoretische Dimension hat, haben aber erst Gauß, Abel und Eisenstein gesehen. Im Dezember 1751 erhielt Euler von der Berliner Akademie die Aufgabe, die gesammelten Werke65 Fagnanos zu besprechen. Schon einen Monat sp¨ ater schrieb Euler seine erste Arbeit u ¨ber Verallgemeinerungen der Fagnanoschen Verdoppelungsformel. Eines seiner Ergebnisse ist die Additionsformel  a  b  c dx dx dx √ √ √ + = , 4 4 1−x 1−x 1 − x4 0 0 0 wobei c gegeben ist durch c=

√ √ a 1 − b4 + b 1 − a 4 . 1 + a 2 b2

Euler verallgemeinert diese Additionsformeln auf allgemeinere Polynome 4. Grades wie P4 (x) = (1 − x2 )(1 − k 2 x2 ); der Zusammenhang dieser Resultate mit den diophantischen Gleichungen y 2 = P4 (x) bleibt ihm verborgen; zumindest bleibt es Jacobi vorbehalten, auf diesen Zusammenhang expressis verbis hinzuweisen. 64

Siehe [Watson 1933], [Ayoub 1984] und [Osler 2016]. Siehe [Fagnano 1750], insbesondere [Fagnano 1718]. Die Fr¨ uhgeschichte der elliptischen Funktionen findet man bei [Enneper 1876]. 65

306

7 Euler und Lambert

Abb. 7.7.1. Deckblatt von Fagnanos Gesammelten Werken mit der Bernoullischen Lemniskate.

7.8 Lambert

307

7.8 Lambert Lambert ist in der heutigen Mathematik66 kein allzu gel¨ aufiger Name; bekannt ist er vor allem f¨ ur seinen Beweis der Irrationalit¨ at von π. Tats¨ achlich bewies Lambert viel mehr: Er konnte n¨amlich zeigen, dass tan x f¨ ur alle rationalen Werte 0 < x < π2 nicht rational ist; wegen tan π4 = 1 folgt daraus sofort, dass π 4 und damit auch π nicht rational sein kann. Johann Heinrich Lambert wird am 26. August 1728 in M¨ ulhausen (damals eine Schweizer Exklave, heute in Frankreich) geboren. Mit 12 Jahren muss er die Schule verlassen, um seinem Vater bei der Arbeit zu helfen. Mit 15 erh¨ alt er eine Anstellung als Buchhalter bei Lalance von M¨ umpelgard, mit 17 wird er Schreibgehilfe bei Prof. Johann Rudolph Iselin in Basel, der ihm erlaubt, seine Vorlesungen u asst auch bei ¨ber Jura zu h¨oren. Der Komet von 1744 hinterl¨ Lambert einen tiefen Eindruck. 1748 tritt Lambert eine Stelle als Privatlehrer beim Grafen Peter von Salis in Chur an; mit Hilfe dessen Bibliothek kann Lambert sich weiterbilden und reicht 1755 seine erste Abhandlung in den Verhandlungen der physisch-mathematischen Gesellschaft zu Basel ein. Ein Jahr sp¨ater geht er mit zweien seiner Z¨oglinge auf Bildungsreise“, n¨ amlich ” mit dem dritten Sohn des Grafen, Anton, und dessen Neffen Baptista. Das System der Bildungsreisen (die grand tour“) war eine Einrichtung, die in ” der Renaissance in Mode gekommen war: Die S¨ ohne des europ¨ aischen Adels machten sozusagen als Abschluss ihrer Schulausbildung“ eine Reise durch ” Europa, um etwas von der Welt zu sehen, Sprachen und Manieren zu lernen, ihren Horizont zu erweitern und allerlei Erfahrungen (auch mit Frauen) zu sammeln. Die erste Station der Truppe um Lambert ist G¨ ottingen, wo dieser zum korrespondierenden Mitglied der dortigen Akademie der Wissenschaften ernannt wird. Mitte 1757 besetzen die Franzosen w¨ahrend des siebenj¨ ahrigen Krieges G¨ottingen, und die drei ziehen weiter nach Utrecht. Von dort aus besorgt Lambert die Publikation seiner Abhandlung u ¨ber den Weg des Lichts. Danach geht es u ¨ber Paris, Marseille, Nizza und Turin nach Mailand, und im Mai 1759 macht sich das Trio auf den Weg zur¨ uck nach Chur. Auf dem Weg dorthin besucht Lambert seine Heimatstadt M¨ ulhausen, wo er seine Mutter noch anfindet; der Vater war bereits 1747 gestorben. In Z¨ urich l¨ asst er sein Werk u ater nach Augsburg, wo er sein ¨ber die Perspektive drucken und geht sp¨ Buch u achsten Jahre verbringt er in ¨ber Photometrie erscheinen l¨asst. Die n¨ Chur; 1763 wird er mit Vermessungen der Grenzen zwischen dem Herzogtum Mailand und Chur beauftragt. Weitere Reisen bringen ihn nach Augsburg und Leipzig; seine geplante Reise nach Russland f¨ allt allerdings buchst¨ ablich ins Wasser: Die Postkutsche mit seinen B¨ uchern und Schriften st¨ urzte um, 66 In den letzten Jahren hat sich Maarten Bullynck ausgiebig mit dem Werk Lamberts befasst. Seine Seite http://www.kuttaka.org/ enth¨ alt alle Ver¨ offentlichungen Lamberts und vieles andere mehr.

308

7 Euler und Lambert

Abb. 7.8.1. Lambert beim Unterricht

¨ wodurch ein Teil seiner Schriften durch Wasserschaden verloren ging. Uber Halle kommt Lambert nach Berlin; sein Freund Sulzer macht sich bei K¨ onig Friedrich II. in Potsdam f¨ ur ihn stark. Der Biograph Matthias Graf67 schildert Lamberts Audienz so: Da Lamberts Kleidung nach der Reise des K¨ onigs nicht w¨ urdig gewesen sei, habe dieser Lambert nachts bei gel¨ oschtem Licht empfangen. Das Gespr¨ach sei im Wesentlichen wie folgt verlaufen: Friedrich: Machen Sie mir das Vergn¨ ugen mir zu sagen, welche Wis” senschaften Sie besonders erlernt haben.“ Lambert: Alle.“ ” Friedrich: Sie sind also auch ein geschickter Mathematiker?“ ” Lambert: Ja.“ ” Friedrich: Und welcher Professor hat Sie in der Mathematik unter” richtet?“ Lambert: Ich selbst.“ ” 67

Siehe seinen Aufsatz Johann Heinrich Lambert’s Leben in [Huber 1829]. Die nachfolgende Audienz bei Friedrich steht dort auf S. 15.

7.8 Lambert

309

Friedrich: Sie sind demnach ein zweiter Pascal?“ ” Lambert: Ja, Ihro Majest¨at.“ ” Bescheidenheit ist eine Zier“, sagt das Sprichwort, doch weiter kommt man ” ” ohne ihr“. In Lamberts Fall war dies zun¨achst nicht so: Friedrich jedenfalls muss Lambert f¨ ur den gr¨oßten Dummkopf“ gehalten haben, der ihm je f¨ ur ” seine Akademie vorgeschlagen worden sei. Immerhin zeigt das Gespr¨ ach aber auch, dass Preußen damals von einem Monarchen regiert wurde, der Pascal kannte. Lamberts gesundes Selbstbewusstsein spiegelt sich auch in der Antwort wider, die er auf die Frage nach den gr¨oßten Mathematikern seiner Zeit gibt68 : Euler und d’Alembert seien die ersten, Lagrange der zweite ( ich sage jetzt: denn er ” wird die beiden Ersten bald einholen“), der dritte er selbst, und sonst wisse er niemanden, den man noch anf¨ uhren k¨onne. Erst nach Verhandlungen Lamberts mit Petersburger Diplomaten wird er im Januar 1765 zum ordentlichen Mitglied der Akademie bei einem Gehalt von 500 Reichsthalern ernannt. Lambert trifft in der Folge mit Euler und Lagrange zusammen, und verschafft dem Astronomen Johann Bode eine Stellung in Berlin. Graf erz¨ahlt weiter69 , dass Lambert wegen seines Mundgeruchs (und des Mundgeruchs anderer) sich von der Seite mit anderen Leuten unterhielt; di¨ verse Personen berichteten auch von seinem wenig vorteilhaften Außeren. In sp¨aten Jahren wurde er ziemlich dick, erst seine Krankheit Ende 1775 ließ ihn wieder Gewicht verlieren. Am 25.09.1777 ist Lambert dann in Berlin gestorben. In seinen Cosmologischen Briefen70 entwirft Lambert nicht nur ein Weltbild, das mit den zu seiner Zeit verf¨ ugbaren Daten in Einklang steht, sondern macht auch Vorschl¨age f¨ ur weitere Messungen und sagt eine Reihe von Ergebnissen vorher, unter anderem die Fixsternparallaxe. Von den Entfernungen in unserer kosmischen Nachbarschaft hat er eine recht gute Vorstellung: Das Licht und sein Weg dient mir nur zum Maaße. In acht Minuten kommt es von der Sonne auf die Erde, [. . . ] und dieses ist nun mein Maaßstab, mit dem ich die ¨außersten Fixsterne aufsuche. Ich gebe dem Licht Jahrhunderte Zeit, bis es von denselben zu uns komme, und setze, daß es Fixsterne gebe, von welchen das Licht in den n¨ achsten 6000 Jahren nicht angelangt ist, und die folglich erst unsere Nachkommen werden zu sehen haben. Die 6000 Jahre sind das Alter der Welt, das man aus der Bibel bestimmt hat. Dass Sonne und Erde etwa 8 Lichtminuten voneinander entfernt sind, d¨ urfte 68

Siehe [Huber 1829, S. 38]. Siehe [Huber 1829, S. 36]. 70 Siehe [Lambert 1761], insbesondere S. 2 f¨ ur den nachfolgenden Abschnitt. 69

310

7 Euler und Lambert

¨ er den Uberlegungen des schwedischen Astronomen Ole Rømer (1644–1710) entnommen haben, der durch Beobachtungen der Galileischen Monde des Jupiter auf die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit geschlossen hat. Direkte Messungen der Astronomischen Einheit mit Hilfe von Venusdurchg¨ angen hat man erst nach Erscheinen der Lambertschen Briefe vornehmen k¨ onnen.

Lamberts Beweis der Irrationalit¨ at von π Mit Lamberts Untersuchungen der Irrationalit¨ at von π beginnt die moderne Theorie der Irrationalit¨at und der Transzendenz von Zahlen. Zwar folgt etwa die Irrationalit¨at von e aus den Kettenbruchentwicklungen, die Euler gegeben hat, allerdings hat er dieses Resultat nicht explizit formuliert. Euler hat allerdings die Hilfsmittel bereitgestellt, derer sich Lambert bedient, insbesondere die Kettenbruchentwicklung der Exponentialfunktion. Lambert konnte f¨ ur seinen Beweis nicht die Kettenbruchentwicklung Brounckers benutzen, weil diese zu langsam konvergiert. Er hat stattdessen die Kettenbruchentwicklung der Tangensfunktion hergeleitet und dann bewiesen, dass in der Gleichung y = tan x nicht x und y beide gleichzeitig rational sein at von π4 und damit k¨onnen; wegen tan π4 = 1 folgt daraus die Irrationalit¨ diejenige von π. Lamberts Arbeit war richtungsweisend f¨ ur die nachfolgenden Mathematiker, welche sich mit Fragen der Irrationalit¨at und der Transzendenz von Zahlen besch¨aftigt haben, insbesondere f¨ ur Liouville und Hermite. Hermite schreibt in einem Brief71 an Borchardt: Alles, was ich machen kann, ist eine Wiederholung dessen, was bereits Lambert gemacht hat, nur auf eine andere Art. Ausgangspunkt von Lamberts Untersuchungen72 ist die Darstellung der Funksin x tion tan x = cos x durch Potenzreihen; mit Hilfe des euklidischen Algorithmus gewinnt er aus 3 5 v − v3! + v5! − · · · sin v = tan v = 2 4 cos v 1 − v2! + v4! − · · · die Kettenbruchentwicklung 71

Siehe [Hermite 1873]. Hermites Beweis wird in [Juhel 1994] und [Zhou 2011] untersucht. 72 Eine ausf¨ uhrlich kommentierte Ausarbeitung des Lambertschen Beweises findet man in [Dorrego L´ opez & Guill´e 2023].

7.8 Lambert

311 1

tan v = 1 v

.

1

− 3 v

1

− 5 v



7 v

1 − ...

Der eigentliche Irrationalit¨atsbeweis, den Lambert gibt, ist verwickelt: Ist M v= m n rational und tan v = N ebenfalls, dann entsprechen die Partialquotienten der Kettenbruchentwicklung von tan v der Anwendung des euklidischen Algorithmus auf M und N . W¨are tan v rational, m¨ usste dieser Vorgang abbrechen; auf der andern Seite kann man zeigen, dass er das nicht tut. Lambert bemerkt73 noch, dass die rationalen Werte des Tangens und die rationalen B¨ogen nicht zuf¨ allig auf dem Umfang eines Kreises verteilt sind, sondern dass sich dort eine gewisse Ordnung findet, und dass diese Ordnung sie davon abh¨ alt, sich jemals zu treffen. Danach folgert er aus der Additionsformel tan(ω ± φ) =

tan ω ± tan φ , 1 ∓ tan ω tan φ

(7.11)

dass mit tan ω und tan φ auch tan(ω ± φ) rational sind. Die Winkel, welche rationale Tangenswerte hervorbringen, bilden also im heutigen Sinne eine Gruppe. Anschließend wendet Lambert seine Methode auf die Exponentialfunktion an; ausgehend von 1 ev − e−v = ev + e−v 1 1 v + 1 3 v + 1 5 v + 7 + ... v findet er nach leichter Rechnung ex + 1 = 2

1

,

1

1− 2 x

1

+ 6 x

+

10 x

1 + ...

und schließt daraus, dass x und ex (mit Ausnahme von x = 0) niemals gleichzeitig rational sind. 73

Er macht dies am Ende von [Lambert 1767, § 52].

312

7 Euler und Lambert

Abb. 7.8.2. Lambert-Denkmal in M¨ ulhausen. Foto: Alain Juhel

7.8 Lambert

313

Abb. 7.8.3. Links: Plakette am Lambert-Denkmal in M¨ ulhausen. Foto Wolfgang Volk. Rechts: Lambert.

Lambert-Reihen Die erste Lambert-Reihe taucht bei Euler74 auf, der feststellte, dass  1 1 1 1 + 2 + 3 + 4 + ... = τ (n)a−n a−1 a −1 a −1 a −1 n≥1

ist, wo τ (n) die Anzahl der Teiler einer Zahl n bezeichnet. Lambert kommt sp¨ater75 zum gleichen Ergebnis und schreibt es in der Form ∞ 

 xn = τ (n)xn . n 1 − x n=1 n≥1

Er bemerkt außerdem, dass ∞  n=1

n

 xn = σ(n)xn n 1−x n≥1

gilt, wo σ(n) die Teilersumme von n bezeichnet. 74 75

Siehe seine Arbeit [E190]. N¨ amlich in seiner Arbeit [Lambert 1771].

(7.12)

314

7 Euler und Lambert

Die großen Hoffnungen, die Euler und Lambert (und auch Dirichlet) auf die Anwendungen dieser Reihen in der Zahlentheorie gesetzt haben, sind bis jetzt entt¨auscht worden.

Lamberts Primalit¨ atstest Die Zerlegung einer Zahl in Primfaktoren steht im Zentrum vieler Untersuchungen zu vollkommenen und befreundeten Zahlen. An Methoden zur Erkennung der Primalit¨at einer Zahl N oder ihrer Zerlegung in Faktoren gab es zu Lamberts Zeiten sehr wenig: Zu nennen √ w¨aren das Sieb des Eratosthenes, die Division durch kleine Primzahlen ≤ N , und die Fermatsche Methode durch Zerlegung N = x2 − y 2 von N in eine Differenz zweier Quadrate. Lambert76 hat in Bezug auf Primalit¨atstests eigene Ideen: § 50. Was u ¨brigens bey allen bißher erfundenen Methoden die Theiler der Zahlen aufzusuchen zu bemerken ist, besteht darinn, daß man bey den Primzahlen am l¨ angsten aussuchen muß, und zuletzt doch nichts findet, weil man nicht voraus weis, ob eine f¨ urgegebene Zahl Theiler hat oder nicht. Die k¨ urzeste Art dieses zu entscheiden, die ich habe finden k¨onnen, und die freylich noch etwas vollst¨ andiger seyn m¨ ußte, als sie ist, gr¨ undet sich auf einen Satz, den Fermat ohne Beweis angegeben, den aber nachgehends Hr. Euler bewiesen, und der in einer Abhandlung u ¨ber die Theiler der Zahlen, so ich in den Actis Eruditorum gegeben, ebenfalls vorkommt. Der Satz selbst ist folgender: § 51. Wenn a eine Primzahl, b eine jede andere durch a nicht theilbare a−1 Zahl ist; so ist allemahl b a −1 = einer ganzen Zahl. Man kann aber nicht r¨ uckwerts schliessen, daß wenn dieser Ausdruck eine ganze Zahl ist, a eine Primzahl seyn m¨ usse, wiewohl das Gegentheil in der That sehr selten ist. § 52. Hingegen kann man schliessen, daß wenn dieser Ausdruck keine ganze Zahl ist, a keine Primzahl seyn k¨onne. Und dieses trift, wenn a theilbar ist, und f¨ ur b einerley Zahl beibehalten wird, fast immer ein. Auch wenn es eintreffen sollte, so darf man f¨ ur b eine andere Zahl nehmen, und es wird nothwendig solche geben, die den Ausdruck ba−1 − 1 a keine ganze Zahl seyn lassen. 76

Siehe [Lambert 1770, S. 43].

7.8 Lambert

315

Abb. 7.8.4. Lamberts Primalit¨ atstest

Nicht nur entwirft Lambert hier den klassischen, auf dem ersten Fermatschen Satz aufgebauten Primalit¨atstest, er weiß auch, dass es Gegenbeispiele77 des Umkehrsatzes“ gibt, und er stellt die Frage, wie man diese Methode, falls ”ba−1 −1 f¨ ur ein b ganz sein sollte, vervollkommnen kann. a Er f¨ uhrt dann an, wie die Rechnung (siehe Abb. 7.8.4) f¨ ur a = 111 und b = 2 auszusehen hat. Lambert beginnt in der linken Spalte mit der Dignit¨ at“ ” (Hochzahl) 110 und halbiert gerade Zahlen; bei ungeraden subtrahiert er 1. Dies wird fortgesetzt, bis links die 1 steht. Dann werden in der rechten Spalte die entsprechenden Potenzen der 2 und die um 1 verminderten Reste bei der Teilung durch 111 berechnet, und zwar von unten nach oben. Auf die Reduktion von 200 modulo 111“ hat Lambert verzichtet, wohl weil das Quadrat ” von 200 sich leichter ausrechnen l¨asst als das von 89.

Die Faktorisierung großer Zahlen Fermat, Fr´enicle und Euler waren an Methoden zur Zerlegung großer Zahlen in Primfaktoren sehr interessiert; auch danach haben sich viele Mathematiker erfolgreich mit diesem Thema befasst. 77

Ein explizites Gegenbeispiel scheint Lambert nicht gegeben zu haben; allerdings muss er solche Gegenbeispiele gekannt haben. Das erste Beispiel n = 341 wird [Sarrus 1819/20] zugeschrieben.

316

7 Euler und Lambert

Lambert78 hat versucht, die periodischen Dezimalbruchentwicklungen zur Faktorisierung von Zahlen der Form 10n − 1 zu verwenden. Auch Johann III Bernoulli hat sich f¨ ur diese Fragen interessiert79 .

Abb. 7.8.5. Grabkreuz von Johann III Bernoulli und seiner Frau auf dem Friedhof Berlin. Foto: Wolfgang Volk

Johann III Bernoulli (1744–1807) war der a¨lteste Sohn von Johann II Bernoulli. Nach seiner grand tour“ durch fast alle L¨ ander Europas leitet er die ” Sternwarte Berlins. Im Jahre 1773 ver¨offentlicht er einen großen Artikel80 u ¨ber die Primfaktorzerlegung von Zahlen der Form Rn = 19 (10n − 1). Dabei muss er die Zerlegungen von Rp f¨ ur die Primzahlen p ≥ 11 und f¨ ur einige andere Werte von n teilweise offen lassen. Erst 1838 findet Westerberg81 die Zerle82 ˇ R17 = 2071723 · 5363222357, gung R11 = 21649 · 513239, und 1858 Simerka eine Zerlegung, welche 1887 von Le Lasseur wiederentdeckt wird. 78

Siehe [Lambert 1769]. Siehe [Joh. III Bernoulli 1773a] und, nachdem er von den Arbeiten Lamberts erfahren hatte die Zus¨ atze in [Joh. III Bernoulli 1773b]. Euler hat diese Arbeit gelesen und ihm in E461 weitere Ergebnisse betreffs des quadratischen Restcharakters von 10 mitgeteilt. Eine weitere Arbeit zu diesem Thema stammt von [Felkels 1785] 80 Siehe [Joh. III Bernoulli 1773c]. 81 Die entsprechenden Angaben bei [Dickson 1919, S. 20] habe ich nicht verifizieren k¨ onnen. 82 Siehe [Lemmermeyer 2013]. 79

7.8 Lambert

317

Primfaktorzerlegung mit der Pellschen Gleichung Graf Franz von Schafgotsch (1743–1809) geh¨orte einer b¨ ohmischen Adelsfauck, die wir milie an; auf ihn geht eine originelle Faktorisierungsmethode83 zur¨ im Folgenden erkl¨aren m¨ochten. Zu Beginn seiner Arbeit erw¨ahnt Schafgotsch den Satz von Wilson als notwendiges und hinreichendes Kriterium f¨ ur die Primalit¨ at einer Zahl, schreibt das Resultat aber Lagrange zu. Selbst f¨ ur Zahlen bescheidener Gr¨ oße ist dieses Verfahren allerdings wenig hilfreich. Um die Primalit¨at von N = 909 091 (dies ist ein Faktor von 1014 − 1, den man in Bernoullis Tabelle findet) zu pr¨ ufen, schl¨ agt er vor, die Darstellung ufen, rechN = 9532 + 882 zu benutzen; um die Teilbarkeit durch 13 zu pr¨ net er N ≡ 42 + 11 mod 13 (ohne Benutzung der Kongruenzschreibweise, die Gauß erst 15 Jahre sp¨ater einf¨ uhrt). Die entsprechenden Rechnungen f¨ ur die Teilbarkeit durch alle Primzahlen ≤ 953 gibt er explizit an. Das Beispiel der Zahl 909 091 hatte bereits vor ihm Bernoulli mit der Lambertschen Methode durchgerechnet. Am Ende der Arbeit bemerkt Schafgotsch, dass sich diese Rechnungen mittels urzen lassen, da nun nur noch Teiler der Beobachtung N = 9532 + 2 · 212 abk¨ der Form 8n + 1 oder 8n + 3 als Faktoren von N in Frage kommen. Dann beweist Schafgotsch, dass die Gleichung ay + 1 = x2 f¨ ur prime Werte von a im Wesentlichen nur zwei L¨ osungen hat, n¨ amlich bis auf das Vorzeichen von x nur (x, y) = (1,0) und (x, y) = (a − 1, a − 2). Mit diesem Satz zerlegt er a = 106 711 in Primfaktoren, indem er bemerkt, dass 9a + 1 = 9802 ist, woraus sich die Zerlegung a = 979 · 109 durch die Bestimmung von ggT(a, 980 − 1) = 979 ergibt. Um eine L¨osung der Gleichung ay+1 = x2 rechnerisch anstatt durch Probieren zu bestimmen, versucht er am Ende seiner Arbeit, statt ay + 1 = x2 die osen. Gleichung ay 2 + 1 = x2 mit Hilfe des Brounckerschen Verfahrens zu l¨ Betrachten wir als Beispiel die Gleichung 55y 2 + 1 = x2 mit der kleinsten ganzzahligen L¨osung x = 89 und y = 12. Schreibt man diese Gleichung in der Form 55 · 122 = 892 − 1 = (89 − 1)(89 + 1) = 88 · 90, so erh¨alt man aus der Berechnung von ggT(88,55) = 11 und ggT(90,55) = 5 die Faktorisierung 55 = 5 · 11. 83

Siehe [Schafgotsch 1786].

318

7 Euler und Lambert

Abb. 7.8.6. Schafgotschs L¨ osung der Pellschen Gleichung 4 545 955x2 + 1 = y 2 .

Im Falle von a = 909 191 nimmt Schafgotsch, da hier die Berechnung allzu ” weitl¨aufig ausfallen84 w¨ urde“, die Zahl b = 5a = 4 545 955, und bestimmt als Grundl¨osung der Gleichung das Paar 790482741705651738629349656268492900551186678587245833797608742 = b · 370748861793367258280487230881607848045136342896607634986552 + 1, woraus sich mit Hilfe des Euklidischen Algorithmus ergibt, dass der gr¨ oßte gemeinsame Teiler von 79048274170565173862934965626849290055118667858724583379760874 + 1 und b = 4 545 955 gleich 1315 = 5 · 263 ist. Dies liefert die Zerlegung 909 191 = 263 · 3457, die wahrlich mit viel M¨ uhe erarbeitet worden ist.

Aufgaben 7.1 Bestimme das Integral



√ dz

z 2 −1

mit der von Jakob Bernoulli85 benutzten dio-

phantischen Technik. 7.2 Im Folgenden bezeichne T eine Dreieckszahl. Beweise die folgenden Ergebnisse von Goldbach: 1. T + 3 ist keine f¨ unfte Potenz; betrachte dazu die Restklassen modulo 5. 84

Die kleinste L¨ osung dieser Gleichung ist x = 2323461 81611369258 28447740252 55197939644 37330426651 77231742323 78821689335 14995532499 91540251173 71603394651 59301942492 75004882685 48592026606 96123175598 7687391240. Andere kleine Vielfache von a liefern ebenfalls astronomisch große L¨ osungen. 85 Siehe [Jac. Bernoulli 1704, S. 73].

7.8 Lambert

319

2. T + 4 ist keine achte oder zehnte Potenz; man betrachte dazu die Reste modulo 17 bzw. 11. 3. T + 5 ist keine Quadratzahl; hier betrachte man die Gleichung modulo 13. osbar ist. Hinweis: Sie ist 7.3 Zeige, dass die Gleichung 4mn − m − n = a2 nicht l¨ aquivalent zu (4m − 1)(4n − 1) = (2a)2 + 1. ¨ osbar ist; schreibe die Zeige allgemeiner, dass 4f mn − m − n = a2 nicht l¨ Gleichung dazu in der Form (4f m − 1)(4f n − 1) = 1 + f (2a)2 .

8

Lagrange und Legendre

Abb. 8.0.1. Statue von Lagrange in Turin

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_8

322

8 Lagrange und Legendre

Wurde die Mathematik zu Beginn des 18. Jahrhunderts vor allem durch Schweizer Mathematiker gepr¨agt, entwickelte sich in der zweiten H¨ alfte des 18. Jahrhunderts Frankreich zur mathematischen Großmacht. Selbst wenn man den geb¨ urtigen Italiener Lagrange (seine Vorfahren v¨ aterlicherseits kamen allerdings aus Frankreich) nicht dazurechnet, sprechen die Namen Clairaut, d’Alembert, Monge, Laplace, Legendre und Fourier f¨ ur sich. In der Zahlentheorie sind es vor allem Lagrange und Legendre, die Herausragendes geleistet haben. Beiden hat die Franz¨osische Revolution wenig Gutes gebracht, auch wenn ihnen nicht so u ¨bel mitgespielt wurde wie Cassini IV oder gar Condorcet und Lavoisier. Eine Seite der franz¨osischen Revolution besteht aus der Erkl¨ arung der Menschenrechte, dem Widerstand gegen die Ausbeutung des 3. Standes durch Adel und Klerus, der Einf¨ uhrung des metrischen Systems, und der Gr¨ undung neuer ´ ´ Schulen wie der Ecole Polytechnique und der Ecole Normale Sup´erieure in Paris; letztere hat mehr Nobelpreistr¨ager und Fields-Medaillisten hervorgebracht als jede andere Universit¨at. Auf der anderen Seite steht das Terror-Regime von Robespierre, welches mehr als 30.000 Menschen das Leben kostete1 , darunter neben Condorcet und dem Chemiker Lavoisier auch Olympe de Gouges, die 1791 die Erkl¨arung der Rechte der Frau und B¨ urgerin ver¨ offentlicht hatte und die am 3. November 1793 mit der Guillotine hingerichtet wurde.

8.1 Die Vermessung der Welt Das 18. Jahrhundert ist eines, in welchem eine ganze Reihe großer Expeditionen zur Vermessung der Erde und unseres Sonnensystems stattgefunden haben. Dar¨ uber hinaus beginnt man, erstmals mit Aussicht auf Erfolg, die Entfernungen zu unseren kosmischen Nachbarn zu bestimmen. 1736 begleitet Maupertuis eine Expedition nach Lappland, um die L¨ ange eines Grads entlang des Meridians zu vermessen, und zwar um die Frage zu entscheiden, ob die Erde, wie Newton vorhergesagt hatte, an den Polen abgeflacht ist oder nicht. Sein Kollege La Condamine war schon 1735 nach Peru aufgebrochen, um dort ¨ahnliche Messungen anzustellen. La Condamine erforscht danach noch den Amazonas und kehrt erst 1745 nach Frankreich zur¨ uck. Die Frage nach der Gestalt der Erde war zu diesem Zeitpunkt aber l¨ angst zu Gunsten von Newton entschieden. Die damals beste M¨oglichkeit, die Entfernung der Erde zur Sonne zuverl¨ assig zu messen, bestand in der Beobachtung eines Venusdurchgangs. Wegen der Neigung der Bahnen von Venus und Erde kommt dies nur etwa zweimal pro Jahrhundert vor. Die Venusdurchg¨ange von 1761 und 1769 waren der Anlass 1 Bereits kurz nach der Revolution erscheint in Deutschland das erste Heft der Revoluzionsgallerie“ der franz¨ osischen Republik [Heymann 1794]; trotz der N¨ ahe ” zum K¨ onig eine lesenswerte Sammlung von Urteilen.

8.1 Die Vermessung der Welt

323

f¨ ur unz¨ahlige Expeditionen in alle Teile der Erde2 ; unter anderem hat Euler 1769 Beobachtungen in Russland koordiniert. Um Entfernungen außerhalb unseres Sonnensystems zu messen, fehlten den Astronomen des 18. Jahrhunderts die technischen Voraussetzungen, wenn auch im Prinzip klar war, wie man vorzugehen hatte. Schon Galilei hatte in seinem Dialogo den Nachweis einer Parallaxe der Fixsterne, dass man also bestimmte Sterne im Laufe eines Jahrs unter einem anderen Winkel gegen¨ uber weiter entfernten Sternen sehen kann, zum entscheidenden Experiment erkl¨art, das zwischen dem kopernikanischen und dem von der Kirche vertretenen ptolem¨aischen Weltsystem entscheiden solle. Die erfolglosen Bem¨ uhungen um den Nachweis einer Parallaxe ließen den Schluss zu, dass die Sterne sehr weit entfernt sein m¨ ussen. Dem Mathematiker James Gregory gelingt die erste Absch¨atzung der Entfernung von Sirius. W¨ahrend seines Aufenthalts in Padua vollendet er sein Buch Vera circuli et hyperbolae quadratura, in welchem erstmals der Hauptsatz der Analysis bewiesen wird; dort erh¨alt er auch aus dem Vergleich der Helligkeit von Jupiter und Sirius, unter der Annahme dass Sirius etwa so hell ist wie die Sonne, einen Abstand von etwas mehr als einem Lichtjahr (der heutige Wert betr¨ agt 8,6 Lichtjahre). Newton ersetzt Jupiter durch Saturn und erh¨ alt auf diesem Weg einen zu großen Abstand von 16 Lichtjahren f¨ ur Sirius, Lambert den sehr guten Wert von 8 Lichtjahren. Die richtige Gr¨oßenordnung der Entfernung von Sternen war also schon zu Newtons Zeiten bekannt3 . Die Versuche, die Parallaxe von Sternen zu messen, f¨ uhrten zu Beginn auf eine Reihe von unerwarteten Entdeckungen: James Bradley entdeckt zwischen 1725 und 1728 die Aberration des Lichts (die nur mit einer endlichen Lichtgeschwindigkeit und einer Eigenbewegung der Erde um die Sonne erkl¨ arbar ist) und danach die Nutation der Erdachse, die von d’Alembert und Euler durch den gravitativen Einfluss des Mondes erkl¨art wird. Dem G¨ ottinger Astronomen Johann Tobias Mayer gelingt 1760 der Nachweis, dass manche Sterne eine Eigenbewegung besitzen. William Herschel schließlich findet heraus, dass auch die Sonne eine Eigenbewegung besitzt, und dass es physische“ Doppel” sterne gibt, also solche, die gravitativ aneinander gebunden sind: Dies ist der erste Nachweis, dass das Newtonsche Gravitationsgesetz auch in den Tiefen des Weltalls gilt. Erst die Entwicklung genauerer Instrumente erlaubten die Bestimmung einer Parallaxe durch Bessel im 19. Jahrhundert. Vermutlich das gr¨oßte Projekt zur Vermessung der Erde geht auf die Konzeption des metrischen Systems zur¨ uck, wonach 1 Meter als der 10-Millionste Teil ¨ des Abstands vom Pol zum Aquator festgelegt wurde. 1792 werden Delambre und M´echain beauftragt, den Meridian zwischen Barcelona und D¨ unkirchen zu messen, nachdem Cassini und Legendre dies abgelehnt hatten. Die ganze 2 Die Geschichte dieser Beobachtungen wird in [Luminet 2005] und [Wulf 2012] erz¨ ahlt. 3 Die Suche nach der ersten Parallaxe wird von [Hirshfeld 2002] beschrieben.

324

8 Lagrange und Legendre

Geschichte der Vermessung des Meridians von D¨ unkirchen bis Barcelona ist in einer ganzen Reihe von B¨ uchern4 nachzulesen. Außer den L¨angenmaßen und Gewichten wurden auch die Zeit (ein Tag hatte zweimal 10 Stunden, jeder Monate genau vier Wochen zu je zehn Tagen) und die Winkel (ein rechter Winkel sollte nun 100 Grad haben statt 90) dezimalisiert, was sich allerdings nicht durchsetzen konnte.

8.2 Die Franz¨ osische Revolution Die politische Lage in Frankreich wird gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer instabiler. Hauptgrund sind die finanziellen Probleme des Staates, und diese hatten viele Ursachen. Zum einen hatte der Siebenj¨ ahrige Krieg (1756– 1763), in dem Preußen, England und Portugal gegen Frankreich, Schweden, ¨ Osterreich, Spanien und Russland k¨ampften, den Staatshaushalt an den Rand des Bankrotts getrieben. In diesem Krieg, der nicht nur in Europa, sondern auch in Amerika und Indien ausgetragen wurde, verloren u ¨ber eine Million Menschen ihr Leben. In der Folge muss Frankreich den Großteil seiner amerikanischen Kolonien an England abtreten. Eine Missernte im Jahr 1788 f¨ uhrt zu einer immensen Verteuerung der Brotpreise, und das luxuri¨ ose Leben von K¨onig Louis XVI und seiner Frau Marie-Antoinette sorgt daf¨ ur, dass der Spruch S’il n’ont pas de pain qu’ils mangent de la brioche!“ ( Wenn das Volk ” ” kein Brot hat, soll es Kuchen essen“), der den Bekenntnissen von Rousseau aus dem Jahre 1766 entstammt, Marie-Antoinette zugeschrieben wird. Da man dem Volk (also dem 3. Stand) nicht noch mehr abverlangen kann, versuchen verschiedene Finanzminister, dem Adel Steuern aufzuerlegen, scheitern aber jedesmal an den Ministern. Als Reaktion auf die schwierige Lage beruft Louis XVI 1788 die erste St¨andeversammlung seit langem ein; diese erkl¨ art sich im Juni 1789 zur Nationalversammlung. Der Aufstand der Franzosen gipfelt am 14. Juli 1789 im Sturm auf die Bastille“, der damals eine eher ” symbolische Wirkung hatte und im Nachhinein zum zentralen Ereignis der Franz¨osischen Revolution erkl¨art wurde. In den darauffolgenden Jahren wird Louis XVI konstitutioneller Monarch, unternimmt in der Nacht vom 20. auf ¨ den 21. Juni 1791 einen Fluchtversuch, kommt aber anstatt nach Osterreich nur in das St¨adtchen Varennes, wo er erkannt und verhaftet wird. Als nach 4

Dazu geh¨ oren [Adler 2002] von Ken Adler, der sich die M¨ uhe machte, diese Strecke mit dem Fahrrad abzufahren und dabei die Archive in den einzelnen Stationen nach Informationen abzuklappern. Dieses Buch ist ¨ außerst lesenswert und unterscheidet sich wohltuend von dem uns¨ aglichen, aber mit Lob und Auszeichnungen u auften und in u ¨berh¨ ¨ber 40 Sprachen u ¨bersetzten Machwerk [Kehlmann 2005]. Weitere lesenswerte B¨ ucher u ¨ber die Vermessung der Welt sind [Al-Khalili 2010,Ariel & Ariel Berger 2006,Guedj 1987,Keay 2000,Hewitt 2010] und [Murdin 2010]. Auf die Rolle Legendres geht [Maurice 1833] ein.

8.2 Die Franz¨osische Revolution

325

¨ Niederlagen der franz¨osischen Armee die Sieger Preußen und Osterreich von Frankreich verlangen, die alte Ordnung wiederherzustellen, wird Louis XVI am 21. Januar 1793 mit der Guillotine hingerichtet. Danach beteiligten sich auch England, Holland, Spanien und Portugal am Krieg gegen Frankreich. Dort u ¨bernimmt Robespierre die Macht, u ¨berzieht das Land mit einem nie dagewesenen Terror, und wird am 27. Juli 1794 selbst Opfer der Revolution. ¨ Eben von seinem Feldzug aus Agypten zur¨ uck putscht sich Napoleon 1799 an die Macht und erkl¨art die Revolution f¨ ur beendet. Die Abschaffung der Monarchie durch die Franz¨ osische Revolution sorgt beim europ¨aischen Adel f¨ ur große Angst; wiederholt erkl¨ aren die großen europ¨aischen M¨achte Frankreich den Krieg. Die große Zahl an milit¨ arischen Auseinandersetzungen nimmt erst nach Napoleons Niederlage 1815 bei Waterloo wieder ab. Wir werden uns damit begn¨ ugen, die Auswirkungen der Revolution am Beispiel der Biographien von Condorcet und Cassini IV zu beschreiben.

Condorcet Marie Jean Antoine Nicolas Caritat, Marquis de Condorcet, wird am 17. September 1743 in Ribemont geboren. Kaum 5 Wochen nach seiner Geburt, am 22. Oktober 1743, kommt sein Vater bei einem Man¨ over bei Beuf-Brisach ums Leben. Sein Onkel Jacques-Marie de Condorcet, ein Bischof, veranlasst, dass Condorcet nach zwei Jahren Hausunterricht 1754 an das Jesuitenkolleg in Reims kommt. Die Jesuiten galten damals als die besten Lehrer; die strenge Erziehung hinterl¨asst bei Condorcet allerdings deutliche Spuren. ¨ Uber den Katholizismus gibt er sp¨ater ein verbittertes und zynisches Urteil ab: Um dem ewigen Feuer zu entkommen gibt es kein anderes Mittel als alles, ” was man gemacht hat, auf den Knien eines Paters zu erz¨ ahlen, der von Gott das Recht bekommen hat, alle S¨ unden zu vergeben“. Die Sexualerziehung bei den Jesuiten machen aus Condorcet einen Menschen, der die moralischen Grenzen sehr viel weiter zieht als die allermeisten seiner Zeitgenossen und der offensiv gegen die Unterdr¨ uckung der Homosexualit¨ at oder die Verteufelung des Ehebruchs durch Frauen anschreibt. 1756 geht Condorcet ans Coll`ege Navarre in Paris. In die Geschichte der Analysis hat er sich mit seiner Arbeit Essai sur le calcul int´egral eingetragen. Unter Ludwig XV wird er Generalinspekteur der staatlichen M¨ unze. Condorcet wird 1769 Mitglied der Acad´emie des Sciences und wird 1777 zu ihrem st¨ andigen Sekret¨ar ernannt; diese Stelle hat er bis zur Abschaffung der Akademie im Jahre 1793 inne. Eine der Hauptaufgaben eines st¨ andigen Sekret¨ ars war das Verfassen von Nachrufen; in Condorcets Werken finden sich daher Nachrufe auf bekannte Wissenschaftler wie Euler, Bezout, d’Alembert, Cassini, Buffon, l’Hˆopital und Pascal.

326

8 Lagrange und Legendre

Abb. 8.2.1. Statue von Condorcet in Paris. Foto: Alain Juhel

8.2 Die Franz¨osische Revolution

327

Condorcet war eine liberale Triebkraft der Revolution; nach der Verk¨ undung der Menschenrechte setzt er sich f¨ ur das Frauenwahlrecht ebenso ein wie f¨ ur die Abschaffung der Sklaverei. Nach der Macht¨ ubernahme der Jakobiner unter Robespierre findet Condorcet deutliche Worte und wird angeklagt und verurteilt, kann sich aber bis 1794 versteckt halten. Nach der Ver¨ offentlichung eines Dekrets, das alle Leute mit dem Todesurteil belegte, die Verurteilte verstecken, erkl¨art Condorcet Madame Vernet, die ihn bei sich aufgenommen hatte: Ich muss Sie verlassen; ich stehe außerhalb des Gesetzes. L¨anger ” zu bleiben bedeutet Sie zu verlieren, ohne mich zu retten.“ Deren Antwort Wenn Sie außerhalb des Gesetzes stehen, so stehen Sie doch nicht außerhalb ” der Menschlichkeit, und werden bleiben“ hat Condorcet nicht u ¨berzeugt. Bei seiner Flucht aus dem Versteck in Paris treibt ihn der Hunger in das Dorf Clamart, wo er verhaftet und in Bourg-la-Reine, das w¨ ahrend der Revolution ´ in Bourg-l’Egalit´ e umgetauft worden war5 , in ein Gef¨ angnis geworfen wird. Als man 24 Stunden sp¨ater nach ihm sieht, findet man nur noch seine Leiche; es wird vermutet, dass Condorcet sich selbst vergiftet hat. Condorcet ist außerhalb der Mathematik sehr bekannt, und es gibt Dutzende Biographien6 . Condorcet wird von Jacobi in dessen Fundamenta Nova wie folgt zitiert: Ich kenne niemanden, der diese schwierige Materie, der Aufmerksamkeit der Analytiker wert, Beachtung geschenkt h¨atte, mit Ausnahme von Condorcet.

Cassini Die Cassini waren eine Familie von Astronomen, die seit Giovanni Domenico Cassini7 , der 1669 aus Italien nach Paris gezogen war, im Observatorium von Paris lebten und arbeiteten. Jean-Dominique Comte de Cassini (Cassini IV) wird am 30. Juni 1748 in Paris geboren. 1768 nimmt er an einer wissenschaftlichen Expedition teil, deren Zweck der praktische Test der von Pierre Le Roy entwickelten Uhren war, die es erlaubten, den Standort der Schiffe auf hoher See zu bestimmen. Die Reise f¨ uhrt Cassini nach Amerika und Afrika, und den Reisebericht Voyage fait par ordre du roi en 1768 pour ´eprouver les montres marines invent´ees par M. Le Roy ver¨offentlicht er 1770. Im Jahre 1791 verliert Cassini seine Ehefrau und muss fortan seine sechs Kinder alleine großziehen. Die Revolution vertreibt den adligen Cassini aus seinem 5

Das R-Wort war nach der Revolution ge¨ achtet. Eine Biographie aus j¨ ungerer Zeit, aus der die meisten Informationen oben stammen, ist [Badinter & Badinter 1988]; ein etwas ¨ alteres ist [Charma 1863]. 7 F¨ ur biographische Einzelheiten siehe [Bernardi 2017]. 6

328

8 Lagrange und Legendre

Jahr

Ereignis

1735

La Condamine bricht nach Peru auf, um dort einen L¨ angengrad zu vermessen. Maupertius leitet eine Expedition nach Lappland zur Messung eines L¨ angengrads. Die Venusdurchg¨ ange von 1761 und 1769 werden zur Bestimmung der Astronomischen Einheit benutzt. M´echain, Cassini und Legendre erhalten von der Akademie der Wissenschaften den Auftrag, Greenwich und Paris durch Triangulationen zu verbinden. Die St¨ ande-Versammlung erkl¨ art sich zur Nationalversammlung. Im Juli folgt der Sturm auf die Bastille, im August die Deklaration der Menschenrechte. Die Nationalversammlung beschließt, den Meter als den 10-millionsten Teil des Quadranten des Meridians zu definieren, auf dem D¨ unkirchen und Barcelona liegen. Delambre und M´echain beginnen mit der Vermessung des Meridians. Im Herbst beginnt Robespi`erres Terrorherrschaft. Im Juli wird Robespierre mit der Guillotine hingerichtet. Der Urmeter aus Platin wird vorgestellt. Napoleon kommt aus ¨ Agypten zur¨ uck und putscht sich am 18. Brumaire“ an die Macht. ” ¨ Frankreich besiegt Osterreich, Preußen und Russland in der Schlacht bei Austerlitz. Napoleons Russlandfeldzug endet im Fiasko. Zwei Jahre sp¨ ater dankt er ab, kehrt 1814 von seinem Exil auf Elba aber zur¨ uck und wird 1815 bei Waterloo endg¨ ultig geschlagen. Das metrische System wird in Deutschland eingef¨ uhrt.

1736 1761 1787

1789

1791

1792 1793 1794 1799 1805 1812

1872

Tabelle 8.1. Zeittafel Franz¨ osische Revolution und Vermessung der Welt

Observatorium, wo er zusammen mit seiner Mutter, seinen Kindern und seiner Kusine Elisabeth Fran¸coise de Forceville gelebt hat. Am 14. Februar 1794 werden er und seine Kusine, die sich wohl u ¨ber das Schicksal von Verurteilten erregt hatte, verhaftet; am 6. Juni wird die 42-j¨ ahrige auf dem Place de la R´evolution mit der Guillotine hingerichtet. Cassini kommt nach dem Sturz von Robbespierre nach 7-monatiger Haft wieder frei. Die beiden großen T¨ochter Cassinis haben ihre Ausbildung im Kloster der Ursulinen in Clermont erhalten. Als 1792 die religi¨ osen Orden aufgel¨ ost werden, haben die Schwestern das Kloster innerhalb von zwei Stunden zu r¨ aumen, und 13 Ordensschwestern und an die 80 Sch¨ ulerinnen werden auf die Straße gesetzt. Nach seiner Freilassung zieht sich Cassini auf sein Schloss in Thury-sousClermont an der Oise zur¨ uck, wo er den Ordensschwestern Zuflucht gew¨ ahrt; neun von ihnen nehmen sein Angebot an, auf seinem Schloss zu wohnen, das er die Republik von Thury nennt.

8.2 Die Franz¨osische Revolution

329

Abb. 8.2.2. Chateux Fillerval in Thury, Domizil der Cassinis

Delambre und Lalande versuchen vergeblich, ihn zur R¨ uckkehr in die Wissenschaft zu bewegen. In Mon Apologie8 schreibt Cassini diesbez¨ uglich: Aber, so werden Sie sagen, Ihre Ehre, Ihr Ruf, Ihre Pflichten als Wissenschaftler, stehen dieser Wahl entgegen . . . Mein Freund, die Pflichten eines Vaters stehen u ¨ber denen eines Akademikers . . . Die Erziehung seiner beiden S¨ohne nimmt Cassini selbst in die Hand: Ich habe zwei Jungs, der eine ist 6, der andere 14 Jahre alt. Der ur ¨altere ist in seinem Unterricht schon recht fortgeschritten; es wird f¨ mich eine ebenso interessante wie angenehme Besch¨aftigung sein, ihn in seinen Studien der lateinischen Sprache zu vervollkommnen, ihn in die Literatur einzuf¨ uhren, ihm den Geschmack an Poesie und den K¨ unsten nahezubringen, ihn zeichnen zu lehren und ihm Mathematik beizubringen. Der j¨ ungere Sohn f¨allt 1809 in der Schlacht von Braga; Cassini stirbt am 18. Oktober 1845 in Thury. 8

Siehe Riens qui vaillent, [Cassini 1842, S. 75].

330

8 Lagrange und Legendre

8.3 Lagrange Joseph Louis Lagrange wird am 25. Januar 1736 in Turin geboren, als Sohn von Joseph Louis Lagrange und Maria Theresa Gros. Er ist das ¨ alteste von 11 Kindern, aber 9 seiner Geschwister sterben schon sehr fr¨ uh. 1754 beginnt Lagrange eine Korrespondenz mit Euler, zuerst vor allem u ¨ber analytische Probleme. 1755 erh¨alt er eine Stelle als Lehrer an der Turiner Artillerieschule, und auch Euler erkennt die Begabung des jungen Mannes und empfiehlt ihn (mit Erfolg) als korrespondierendes Mitglied der Berliner Akademie. Auf seiner Reise nach Paris macht Lagrange 1763 die Bekanntschaft des sieben Jahre j¨ ungeren Condorcet und l¨adt ihn ein, einige Arbeiten an die von ihm mitbegr¨ undete Akademie der Wissenschaften in Turin zu schicken. 1766 wird Lagrange als Nachfolger von Euler, der wieder nach St. Petersburg zur¨ uckgegangen war, nach Berlin berufen. Dort blieb er bis 1786, und nahm nach dem Tod von Friedrich ein Angebot aus Paris an. Im Zusammenhang mit der Hinrichtung von Lavoisier berichtet Delambre von einem Gespr¨ach mit Lagrange, der dazu folgendes gesagt haben soll: Sie haben nur einen Moment gebraucht, diesen Kopf abzuschlagen, aber vielleicht werden hundert Jahre nicht ausreichen, wieder einen vergleichbaren hervorzubringen. Diese Vorf¨alle hatten Lagrange dazu bewegt, ernsthaft u uckkehr ¨ber eine R¨ ´ nach Berlin nachzudenken; die Einrichtung neuer Schulen wie der Ecole Polytechnique hielten ihn dann aber zur¨ uck. Am 10 April 1813 ist Lagrange9 in Paris gestorben; er wurde im Pantheon beigesetzt.

Die Pellsche Gleichung ur Der Hauptsatz u ¨ber die Pellsche Gleichung“ besagt, dass x2 − Ay 2 = 1 f¨ ” alle nat¨ urlichen Zahlen A, die keine Quadrate sind, eine L¨ osung in nat¨ urlichen Zahlen besitzt. Fermat hatte Brouncker vorgeworfen, nur eine Methode zur L¨osung gegeben zu haben, ohne zu beweisen, dass es eine solche immer gibt, hat allerdings selbst nur vage Andeutungen u oglichen Beweis ge¨ber einen m¨ macht. Auch Euler hat sich mit Methoden besch¨ aftigt, diese Gleichung zu l¨osen. Lagrange hat insgesamt drei Beweise f¨ ur die L¨ osbarkeit von x2 − Ay 2 = 1 10 uche gegeben. Sein erster Beweis in [La01] verl¨auft so: Er benutzte Kettenbr¨ 9

Biographisches Material findet sich bei [Loria 1913] und [Giacardi et al. 1995]. Die beiden anderen Beweise Lagranges findet man in [La02] und in den Zus¨ atzen zu Eulers Algebra [La06]. Vgl. auch [Buraux-Bourgeois 1993]. 10

8.3 Lagrange

331

um zu √zeigen, dass es unendlich viele ganze Zahlen m und n gibt derart, dass − a < m2 − an2 < 0 ist. Daraus folgt dann (mit dem √ ”Dirichletschen“ ur Schubfachschluss), dass es eine ganze Zahl R zwischen − a und 0 gibt, f¨ welche die Gleichung R = m2 − an2 unendlich viele L¨ osungen hat. Nun benutzt Lagrange die Formel (x2 − ay 2 )(w2 − az 2 ) = (xw ± ayz)2 − a(xz ± yw)2 . Ist R eine Primzahl, die a nicht teilt, und ist R = x2 − ay 2 = w2 − az 2 , dann kann man die Vorzeichen so w¨ahlen, dass R ein Teiler von xw + ayz wird; dann teilt R aber auch die zweite Klammer xz + yw, und K¨ urzen von R2 in der Gleichung R2 = (xw + ayz)2 − a(xz + yw)2 liefert eine L¨osung der Pellschen Gleichung. Der letzte Schritt, falls R zusammengesetzt ist, besteht in der Induktion u ¨ber die Anzahl der Primfaktoren von R.

Der Vier-Quadrate-Satz Der zweite Fermatsche Satz neben der L¨osbarkeit der Pellschen Gleichung, den Lagrange beweisen konnte, ist die Bachetsche Vermutung, dass sich jede nat¨ urliche Zahl als Summe von h¨ochstens vier Quadraten schreiben l¨ asst. Die wesentliche Struktur des Beweises hat bereits Euler11 erahnt: •

Es gen¨ ugt, den Satz f¨ ur Primzahlen zu beweisen.



F¨ ur jede Primzahl p gibt es eine Zahl m < p derart, dass mp Summe von vier Quadraten ist.



Ist m durch q teilbar, dann ist mit mp auch mp/q Summe von vier Quadraten.

In seinem Brief12 an Goldbach vom 04.05.1748 gibt Euler seine Produktformel: Sind m = a2 + b2 + c2 + d2 und n = x2 + y 2 + z 2 + v 2 Summen von vier Quadraten, dann auch deren Produkt mn = f 2 + g 2 + h2 + k 2 , wobei f , g, h und k gegeben sind durch 11

Eigentlich h¨ atte er den Beweis selbst vollenden k¨ onnen; lediglich der letzte Schritt hat ihm noch gefehlt – siehe [Pieper 1993] und [Lemmermeyer 2010], sowie [EG138]. 12 [Lemmermeyer & Mattm¨ uller 2015, S. 958ff.].

332

8 Lagrange und Legendre 

f = ax + by + cz + dv, g = bx − ay − dz + cv, h = cx + dy − az − bv, k = dx − cy + bz − av.

(8.1)

Den letzten Schritt kann Euler nur f¨ ur kleine Werte von q zeigen. etwa f¨ ur q = 2 und q = 3; der vollst¨andige Beweis durch Induktion (oder unendlichen Abstieg) muss er Lagrange in [La04] u ¨berlassen.

Reduktion Quadratischer Formen Lord Brouncker war mit seiner L¨osung des Fermatschen Problems, Gleichungen der Form N x2 + 1 = y 2 zu l¨osen, kein großer Erfolg beschieden: Fermat kritisierte, dass Brouncker nicht bewiesen habe, dass diese Gleichung f¨ ur jede nat¨ urliche Nichtquadratzahl N l¨osbar ist, Euler hat seinen Beitrag Pell zugeschrieben, und die Nachwelt hat die Bedeutung seiner L¨ osungsmethode nicht erkannt. Erst Lagrange hat die Brounckersche Methode zu seiner Technik der Reduktion quadratischer Formen vervollkommnet, welche die Beweise einer erklecklichen Anzahl von Vermutungen Fermats und Eulers trivialisiert. Schauen wir uns noch einmal an, wie Brouncker die Gleichung x2 − 13y 2 = 1 alt man gel¨ost hat13 . Mit den Substitutionen x = 4x1 − y1 und y = x1 erh¨ 1 = x2 − 13y 2 = (4x1 − y1 )2 − 13x21 = 3x21 − 8x1 y1 + y12 . Zwischen den Formen Q0 (x, y) = x2 − 13y 2 und Q1 (x, y) = 3x2 − 8xy + y 2 bestehen die Beziehungen Q1 (x, y) = Q0 (4x−y, x) und Q0 (x, y) = Q1 (y, x+4y); daraus folgt sofort, dass Q0 und Q1 dieselben Zahlen darstellen. Insbesondere osungen von Q0 (x, y) = 1 kann man aus den L¨osungen von Q1 (x, y) = 1 die L¨ berechnen (und umgekehrt). Brouncker berechnet mit seiner Substitutionsmethode eine Folge von Formen Q1 , Q2 , . . . , bis er eine Form Qr findet, bei der die L¨osung Qr (x, y) = 1 offensichtlich ist. Lagrange betrachtet etwas allgemeiner als Brouncker Substitutionen x = rx1 + sy1 , y = tx1 + uy1 mit ru − st = ±1 und zeigt, dass Formen Q(x, y) = Ax2 + Bxy + Cy 2 und Q1 (x, y) = A1 x2 + B1 xy + C1 y 2 , welche die ullen, nicht nur dieselben Zahlen darstellen, Gleichung Q1 (x1 , y1 ) = Q(x, y) erf¨ sondern auch dieselbe Diskriminante haben14 : B 2 − 4AC = B12 − 4A1 C1 . Sein erstes Hauptergebnis ist der Satz, dass jeder Teiler n von Q(r, s), wo Q = (A, B, C) eine quadratische Form und r und s teilerfremde ganze Zahlen sind, von einer Form derselben Diskriminante dargestellt wird. Damit wird er sp¨ater viele Einzelergebnisse Fermats und Eulers auf einen Schlag erhalten: Jede Zahl, die eine Summe zweier teilerfremder Quadrate r2 + s2 teilt, ist darstellbar durch eine Form derselben Diskriminante −4. Da es, wie Lagrange ¨ zeigen wird, bis auf Aquivalenz nur eine solche Form gibt, n¨ amlich Q(x, y) = 13 14

Vgl. insbesondere Abb. 6.7.3. Siehe [La07, Thm. 1, p. 697].

8.3 Lagrange

333

x2 + y 2 , ist jede Zahl, die eine Summe von Quadraten zweier teilerfremder ¨ Zahlen teilt, selbst Summe zweier Quadrate. Ahnliche Resultate gelten f¨ ur ¨ alle Diskriminanten, f¨ ur die es bis auf Aquivalenz nur eine Form gibt. Jetzt zeigt Lagrange in [La07, Thm. 2, p. 698], dass und wie man Formen reduzieren“ kann (er benutzt dabei keine Absolutbetr¨ age, die es damals noch ” nicht gab, sondern schreibt vielmehr, dass z.B. M gr¨ oßer als L ist unabh¨ angig von deren Vorzeichen): Jede Form (A, B, C) mit |B| > |A| oder |B| > |C| ur die |B  | < |B| ist. kann in eine Form (A , B  , C  ) transformiert werden, f¨ Als n¨achstes beweist Lagrange, dass jeder Teiler von Q(r, s) mit teilerfremden Zahlen r und s, wo A = (A, B, C) ist, von einer reduzierten Form derselben Diskriminante dargestellt wird, also von einer Form (A , B  , C  ) mit |A | ≤ |C  | und |B  | ≤ |C  |. Danach gibt Lagrange eine Reihe von Spezialf¨allen, die im Wesentlichen alle bereits von Fermat und Euler entdeckt und zum Teil schon bewiesen worden waren. Als typisches Beispiel betrachten wir die Form Q0 (x, y) = x2 + 5y 2 . Jede Primzahl p = 2, 5, die eine Zahl der Form x2 + 5y 2 mit teilerfremden x und y teilt, wird von einer der beiden reduzierten Formen mit Diskriminante −20 dargestellt, n¨amlich von Q0 selbst oder von Q1 (x, y) = 2x2 + 2xy + 3y 2 . Insbesondere haben solche Primteiler von x2 + 5y 2 alle die Form p = 20n + 1, 3, 7, 9. Um auch die Umkehrung zu beweisen, dass n¨amlich solche Primzahlen von Q0 oder Q1 dargestellt werden, m¨ usste man als erstes zeigen, dass −5 quadratischer Rest dieser Primzahlen ist. Dieses zentrale Problem seiner Theorie der quadratischen Formen konnte Lagrange aber nur in Spezialf¨ allen l¨ osen. In einem solchen Spezialfall geht es um Primzahlen der Form 4n−1; Lagrange [La07, p. 780, Lemma V] zeigt, dass solche Primzahlen genau dann Teiler von Zahlen der Form t2 − au2 (mit, wie immer, teilerfremden Werten von t und u) sind, wenn sie keine Teiler von Zahlen der Form t2 + au2 sind. Mit dieser Beobachtung kann Lagrange zeigen, dass Primzahlen der Form 20n + 3 und 20n + 7 von der Form y 2 + 5z 2 dargestellt werden. In der Tat: Primzahlen p = 20n+3 oder p = 20n+7 teilen keine Zahlen der Form x2 −5y 2 , da sie sonst selbst von dieser Form dargestellt w¨ urden (die einzige reduzierte Form der Diskriminante Δ = 20). Also teilen diese Primzahlen x2 + 5y 2 , und werden daher von einer der beiden Formen x2 + 5y 2 oder 2x2 + 2xy + 3y 2 mit Diskriminante −20 dargestellt. Die erste dieser Formen stellt aber nur Primzahlen der Form 4n + 1 dar, woraus die Behauptung folgt.

Quadratische Diophantische Gleichungen In [La02] benutzt Lagrange die Technik der Transformation bin¨ arer quadratischer Formen (welche zumindest implizit bereits bei Brounckers zu finden ist) dazu, Gleichungen der Form

334

8 Lagrange und Legendre Ar2 = p2 − Bq 2

(8.2)

zu l¨osen. Dazu transformiert Lagrange die erste Hauptgleichung“ (8.2) in ” eine andere Gleichung derselben Art, die zweite Hauptgleichung“, und zwar ” so, dass die neue Gleichung kleinere Koeffizienten hat als die erste. Um die zweite Hauptgleichung aufstellen zu k¨onnen, muss Lagrange annehmen, dass B quadratischer Rest von A ist; wenn dies nicht der Fall ist, hat die Gleichung (8.2) sicherlich keine L¨osung in ganzen Zahlen. Indem er diesen Schritt wiederholt, findet Lagrange entweder einen Widerspruch zur L¨ osbarkeit in Form einer Kongruenz, die nicht gelten kann, oder eine Hauptgleichung, in welcher z.B. A = 1 ist. Da diese Gleichung l¨osbar ist, kann er nun r¨ uckw¨ arts eine L¨osung der Ausgangsgleichung gewinnen. Wir wollen Lagranges Methode an einem seiner Beispiele erkl¨ aren. Sei dazu die Gleichung 109r2 = p2 − 7q 2 (8.3) gegeben. Damit diese Gleichung l¨osbar ist, muss 7 ein quadratischer Rest modulo 109 sein, und in der Tat ist 152 = 2 · 109 + 7. Wenn man in (8.3) p durch 15q − 109s ersetzt, so erkennt man an 109r2 = (15q + 109s)2 − 7q 2 , dass die Gleichung sich nach Aufl¨osen der Klammern durch 109 teilen l¨ asst und wir hoffen d¨ urfen, dass die Koeffizienten danach kleiner sind als diejenigen in (8.3). Tats¨achlich finden wir 2q 2 + 30qs + 109s2 = r2 , woraus sich nach Multiplikation mit 2 und quadratischer Erg¨ anzung die Gleichung (2q + 15s)2 − 7s2 = 2r2 ergibt. Mit t = 2q + 15s haben wir daher die achlich bedeutend Gleichung t2 − 7s2 = 2r2 zu l¨osen, deren Koeffizienten tats¨ kleiner sind als die der Ausgangsgleichung (8.3). Jetzt ist 2 quadratischer Rest modulo 7 wegen 32 = 2 + 7. Mit t = 3r + 7u folgt jetzt 7s2 = (3r + 7u)2 − 2r2 = (32 − 2)r2 + 42ru + 492 , nach K¨ urzen von 7 also s2 = r2 + 6ru + 7u2 = (r + 3u)2 − 2u2 = v 2 − 2u2 mit v = r + 3u. Die so entstandene Gleichung 2u2 = v 2 − s2 = (v − s)(v + s) l¨asst sich jetzt problemlos l¨osen, indem man v + s = 2m2 und v − s = 4n2 setzt. Dies liefert v = m2 + 2n2 , s = m2 − 2n2 und u = 2mn setzt. Jetzt rechnet man r¨ uckw¨arts: r = v − 3u = m2 − 6mn + 2n2 , q=

t−15s 2

= −6m2 − 2mn + 18n2 ,

t = 3r + 7u = 3m2 − 4mn + 6n2 , p = 19m2 − 30mn + 52n2 ,

und in der Tat liefert dies eine parametrisierte L¨ osung der Gleichung (8.3).

8.3 Lagrange

335

Diophantische Analysis In der Einleitung zu seiner großen Arbeit15 [La10] u ¨ber diophantische Probleme erinnert Lagrange an Fermats Beweis des Satzes, dass die Gleichung ahnt er x4 − y 4 = z 2 keine L¨osung in positiven ganzen Zahlen hat. Dann erw¨ die entsprechenden Beitr¨age Eulers in dessen Algebra, um endlich festzustellen, dass diophantische Gleichungen wie 2x4 − y 4 = z 2 , die eine L¨ osung besitzen, schwieriger zu behandeln sind, jedenfalls wenn man nicht mit der Angabe einer oder auch unendlich vieler L¨osungen zufrieden ist, sondern wenn man sie alle beschreiben m¨ochte. Dass die angegebene Gleichung L¨ osungen hat, sei leicht zu sehen; Lagrange nennt (x, y, z) = (1, 1, 1) und (13, 1, 239). Aber die bisher bekannte Methode, aus einer bekannten L¨ osung neue zu gewinnen, liefert nicht alle L¨osungen. Lagrange erkl¨art, dass die Gleichung 2x4 − y 4 = z 2 auf Fermats Problem zur¨ uckgehe, ein rechtwinkliges Dreieck mit ganzzahligen Seiten zu finden, in dem sowohl die Hypotenuse, als auch die Summe der beiden Katheten ein Quadrat ist. Bezeichnet man die Katheten mit p und q, muss also p + q = y 2 und p2 + q 2 = x4 sein. Daraus folgt aber 2x4 − y 4 = 2(p2 + q 2 ) − (p + q)2 = p2 − 2pq + q 2 = (p − q)2 , also, wenn man noch p − q = z setzt, die von ihm betrachtete Gleichung. Umgekehrt lassen sich aus den L¨osungen dieser Gleichung diejenigen des Fermatschen Problems bestimmen. Lagrange erinnert seine Leser daran, wie man aus der bekannten L¨ osung (1, 1, 1) der Gleichung 2x4 − y 4 = z 2 mit den Fermatschen Methoden weitere L¨osungen gewinnt. Er erw¨ahnt die Behauptung Fermats, dessen L¨ osung x = 2 165 017,

y = 2 372 159,

z = 3503833734241

beziehungsweise p = 4 565 486 027 761

und

q = 1 061 652 293 520

sei die kleinste in positiven ganzen Zahlen, bemerkt aber auch, dass Fermat dies weder bewiesen habe, noch dass er selbst glaube, dass sich dies mit den Fermatschen Methoden beweisen lasse. Lagrange zeigt nun, dass die ganzzahligen L¨osungen der beiden Gleichungen x4 − 2y 4 = z 2

und

s4 + 8t4 = u2

sich mit den bekannten Methoden aus den beiden Grundl¨ osungen (x, y, z) = (3, 2, 7) und (s, t, u) = (1, 1, 3) gewinnen lassen. Dabei geht er vor wie Fermat: dieser hatte aus der L¨osbarkeit von x4 + y 4 = z 2 diejenige von r4 − 4s4 = t2 15

¨ Eine englische Ubersetzung findet man in [Goff & Saclolo 2021].

336

8 Lagrange und Legendre

gefolgert, und daraus wiederum die L¨osbarkeit der ersten Gleichung, aber in kleineren positiven Zahlen. Lagrange zeigt jetzt, dass jede ganzzahlige L¨ osung uhrt, und von 2x4 − y 4 = z 2 auf eine ganzzahlige L¨osung von r4 + 8s4 = t2 f¨ dass genau dann (r, s, t) = (1, 1, 3) ist, wenn (x, y, z) = (1, 1, 1) ist. In einem zweiten Schritt folgert er aus der Existenz einer ganzzahligen L¨ osung der zweiten Gleichung eine solche der ersten. Am Ende seiner Arbeit erw¨ahnt Lagrange, wie sich die gew¨ ohnliche Me” thode“, um bei Gleichungen h¨oheren Grades aus einer bekannten rationalen L¨osung weitere zu finden, mit Hilfe der Differentialrechnung erkl¨ aren l¨ asst. Eine geometrische Interpretation der von ihm hergeleiteten Substitutionen findet sich dort allerdings nicht.

Lagrange und das Quadratische Reziprozit¨ atsgesetz Die gr¨oßte L¨ ucke in seiner Theorie der bin¨aren quadratischen Formen war f¨ ur Lagrange sicherlich das fehlende quadratische Reziprozit¨ atsgesetz. Dennoch ist Lagrange nur an einer Stelle auf Beweisversuche dieses fundamentalen Satzes eingegangen16 , und er muss einsehen, dass er in dieser Sache nicht arg viel weiter kommt als Euler. Wie dieser beweist er einige Spezialf¨ alle des quadrap −1 tischen Reziprozit¨atsgesetzes durch die Darstellung der Polynome xx−1 in der Form Y 2 − p∗ Z 2 , und zwar wie Euler f¨ ur p = 3, 5 und 7. Auch Lagrange beißt sich am Fall p = 11 die Z¨ahne aus und schreibt: . . . aber ich sehe nicht, wie man diese Gr¨oße auf die Form t2 − 11u2 bringen kann; deshalb scheint mir der Gebrauch der obigen Methode auf diejenigen F¨alle beschr¨ankt zu sein, die wir oben untersucht haben. Lediglich in einem Punkt geht Lagrange u ¨ber Euler hinaus: es gelingt ihm zu zeigen, dass 5 quadratischer Rest nach allen Primzahlen der Form 5n − 1 ist, und zwar durch Betrachtung von Zahlen der Form √ √ (a + b )m − (a − b )m √ (8.4) b f¨ ur quadratische Nichtreste b von p. 16

Siehe [La07, S. 789ff]; offenbar hat Lagrange die Bedeutung dieser Zerlegungen unabh¨ angig von Euler und im Wesentlichen zur selben Zeit wie dieser gefunden; Euler hatte seine Untersuchungen [E449] 1772 in der Akademie vorgetragen und 1774 ver¨ offentlicht.

8.4 Legendre

337

8.4 Legendre Adrien-Marie Legendre wird am 18. September 1752 in Paris17 geboren. Am Coll`ege Mazarin wird ihm eine erstklassige Ausbildung zuteil. Von 1775 bis 1780 unterrichtet er zusammen mit Laplace an der Milit¨ arschule in Paris; die Stelle hatte ihm d’Alembert besorgt. Laplace war nur drei Jahre ¨ alter als Legendre, hatte aber schon eine Unmenge von Arbeiten publiziert und galt als einer der hellsten K¨opfe der mathematischen Physik. Im Jahre 1782 nimmt Legendre am Wettbewerb um den Preis der Berliner Akademie der Wissenschaften teil und gewinnt diesen mit einer Arbeit u ¨ber die Flugbahn von Projektilen; dadurch wurde Lagrange auf das junge Talent aufmerksam. In der Folgezeit arbeiten Laplace und Legendre mehr oder weniger gemeinsam u ¨ber das Problem der Anziehungskraft von Ellipsoiden und die Form von Planeten. Ein Jahr sp¨ater legt Legendre der Akademie eine Abhandlung u uhrt ¨ber die Anziehung ellipsoider K¨orper vor. In diesem Artikel f¨ er die sp¨ater nach ihm benannten Legendre-Polynome18 Pn (x) ein, die der

1 Orthogonalit¨atsrelation −1 Pn (x) · Pm (x) dx = 0 f¨ ur m = n gen¨ ugen. In den folgenden Jahren befasste sich Legendre außer mit Himmelsmechanik und der Theorie elliptischer Integrale auch mit einem Gebiet, f¨ ur das er wenig sp¨ater den Namen th´eorie des nombres“ (also Zahlentheorie) pr¨ agen sollte. ” Legendres Abhandlung u ¨ber seine zahlentheoretischen Untersuchungen wurde 1785 fertiggestellt, ist aber erst 1788 erschienen. Im Zusammenhang mit der Verbindung von Paris mit Greenwich durch Triangulationen (nachdem er den franz¨osische Teil vermessen hatte, k¨ ummerte Legendre sich auch um die restlichen Messungen in England) kommt Legendre nach London, wo er in die Royal Society aufgenommen wird. Die franz¨osische Revolution bringt Legendre 1793 um sein Verm¨ ogen; trotz der finanziellen Sorgen kann er 1794 ein sehr erfolgreiches Lehrbuch u ¨ber Geometrie ver¨offentlichen, das er auf Anraten Condorcets geschrieben hatte und das 1886 in der 29. Auflage erschien. In seinem Brief an Jacobi vom 30. Juni 1832 schreibt Legendre, nachdem er Jacobi zur Heirat geraten hatte, u ¨ber seinen eigenen Lebenslauf: Ich habe mich sehr viel sp¨ater als Sie verheiratet, und zwar nach einer blutigen Revolution welche mein kleines Verm¨ogen zerst¨ ort hat; wir 17

Einige Quellen geben Toulouse als Geburtsort an, unter anderem [Lievyns et. al. 1844, S. 21], wo es heißt: N´e a ` Toulouse, en 1752, a ` vint de bonne heure ` a Paris et ” termina ses ´etudes classiques au coll`ege Mazarin“. Selbst im Briefwechsel zwischen Andr´e Weil und Henri Cartan (siehe die Briefe vom 15.10.1982 und 25.10.1982 in [Audin2011]) wurde diese Frage noch diskutiert (siehe auch [Poisson 1833] und [Itard 1973]). Wie man [Baillaud & Bourget 1905b, Fußnote S. 200] entnehmen kann, wurde Legendre am 18.09.1752 in Paris geboren und am selben Tag getauft; seine Eltern waren Adrien Legendre und Marie Anne Charlotte Rifau. 18 F¨ ur die Geschichte dieser Polynome siehe [Laden 1938].

338

8 Lagrange und Legendre

Abb. 8.4.1. Coll`ege Mazarin (Coll`ege des Quatre-Nations); Kupferstich von Israel Silvestre um 1670.

kamen in einige Verlegenheit und hatten recht schwierige Momente zu u ¨berstehen, aber meine Frau hat mir sehr geholfen, meine Gesch¨afte nach und nach wiederherzustellen und mir die seelische Ruhe zu geben, die n¨otig ist, um mich meinen Aufgaben widmen und um die neuen Werke schreiben zu k¨onnen, die nach und nach zu meinem Ruf beigetragen haben und die mir bald eine anst¨ andige Existenz und ein kleines Verm¨ ogen verschafften, deren Tr¨ ummer, nach neuen Revolutionen, die mir große Verluste bereitet haben, gerade noch gen¨ ugen, um f¨ ur die Bed¨ urfnisse meines Alters vorzusorgen19 und f¨ ur diejenigen meiner geliebten Frau, wenn ich einmal nicht mehr da bin. Aber ich erz¨ahle zu viel von mir selbst. Legendre besaß ein Haus in Auteuil (Paris), wo er nach seinem Tod am 10.01.1833 begraben wurde. Seine Witwe hat dort bis zu ihrem Tod gelebt; 1835 hat sie, als Andenken an ihren Mann, ein Bett im Hospice des Incura” bles“ f¨ ur einen alten Mann aus Auteuil gestiftet. Außer einer Karikatur und einer Zeichnung (vgl. Abb. 8.5.3) kennt man von Legendre kein Bild; ein Portrait Legendres, das in vielen B¨ uchern zu finden 19 ¨

Uber die Verwicklungen im Zusammenhang mit Legendres Pensionen (als ehemaliger Pr¨ ufer in Mathematik an der Ecole Polytechnique, als Mitglied des Bureau de Longitudes und als Mitglied des Institut de France) siehe [Baker & Stigler 2005].

8.4 Legendre

339

Abb. 8.4.2. Inschrift auf Legendres Grabstein auf dem Friedhof von Auteil (57 rue Claude Lorrain; Abschnitt 5, Reihe 4, Grab 6). Wikimedia Commons / Mu, bearbeitet vom Autor.

ist, stammt in Wirklichkeit von Louis Legendre20 , der von Beruf Metzger21 war, am Sturm auf die Bastille teilgenommen hatte und nach der Revolution in die Nationalversammlung gew¨ahlt wurde. Die erste zahlentheoretische Publikation Legendres war Recherches d’analyse ind´etermin´ee22 , dessen Titel auf das Studium diophantischer Gleichungen hinweist. In aller Regel hat Legendre Literaturverweise auf seine direkten Vorg¨anger Lagrange und Euler ebenso wie auf Fermat und Diophant gegeben, und war mit der Arbeit seiner Lehrmeister“, was diophantische Gleichungen ” angeht, im Großen und Ganzen vertraut. Im Jahr VI der Revolution“, also 1798, erscheint mit Legendres Essai de ” Th´eorie des Nombres ein ausf¨ uhrliches Lehrbuch der Zahlentheorie, das 1808 seine zweite und 1830 gar eine dritte Auflage erlebt, und welches dazwischen wiederholt durch verschiedene Anh¨ange erg¨anzt wird23 . Mit dem Essai ist erstmals eine zusammenh¨angende Darstellung der Zahlentheorie gegeben worden. Schon Euler hatte sich beklagt, dass er jedesmal, wenn er wieder in die Zahlentheorie einsteigen wollte, sich alles ganz von vorne habe entwickeln m¨ ussen, da er die dazugeh¨origen Resultate im Gegensatz zu denen aus Analysis und Geometrie nicht im Kopf behalten habe. Legendres Essai hat das Studium der Zahlentheorie f¨ ur Anf¨anger erst m¨oglich gemacht. 20

F¨ ur die Geschichte der Entdeckung des Fehlers vgl. [Duren 2009]. Siehe [Michelet 1868, S. 87]. 22 Siehe [Legendre 1785]; Untersuchungen der unbestimmten Analytik. 23 Kausler hat die erste Auflage des Essai ins Deutsche u ¨bersetzt; ob diese ¨ Ubersetzung auch erschienen ist, ist mir nicht bekannt. Die zweite Auflage von 1808 ¨ wurde von [Creizenach 1829] zum Teil ins Deutsche u ¨bersetzt; die definitive Ubersetzung der dritten Auflage wurde von Maser besorgt, der auch die Disquisitiones Arithmeticae ins Deutsche u ¨bertragen hat. 21

340

8 Lagrange und Legendre

8.5 Die Recherches Legendres Recherches24 von 1785 geh¨oren wohl zu den am seltensten gelesenen Klassikern der Zahlentheorie. Dies mag daran liegen, dass Legendres Stil schwerf¨allig ist; seinen Schriften fehlt die klare Pr¨ azision der Gaußschen Disquisitiones Arithmeticae, die Legendres Werk in weiten Teilen u ussig ¨berfl¨ machte. Allerdings geht das Herzst¨ uck der Disquisitiones, n¨ amlich die Theorie der bin¨aren und tern¨aren quadratischen Formen, auf die Besch¨ aftigung mit den offenen Fragen in Legendres Recherches zur¨ uck. Legendres Abhandlung behandelt Probleme, die direkt von seinen Vorg¨ angern Fermat, Euler und Lagrange inspiriert und manchmal auch schon formuliert worden sind: Die L¨osbarkeit von Kongruenzen, L¨ osbarkeitskriterien diophantischer Gleichungen vom Grad 2, und im Zusammenhang damit das quadratische Reziprozit¨atsgesetz, das Euler bereits vor Legendre ausgesprochen hatte. Weiter befasst er sich mit der Gleichung t2 − mU 2 = 1, die schon bei Fermat eine große Rolle gespielt hat und deren allgemeine L¨ osbarkeit f¨ ur positive Nichtquadratzahlen m Lagrange bewiesen hat; Legendre zieht im Wesentlichen Folgerungen aus Lagranges Satz und leitet daraus insbesondere die L¨osbarkeit der Gleichung x2 − py 2 = −1 f¨ ur Primzahlen p = 4n + 1 her. Die letzten Abschnitte sind Vermutungen gewidmet; zum Einen behauptet Legendre, den Satz von der arithmetischen Progression beweisen zu k¨ onnen, was er aus Platzmangel aber nicht ausf¨ uhrt; zum Anderen st¨ oßt er bei Untersuchungen u ¨ber das Fermatsche Problem der Summe von drei Quadratzahlen auf Zusammenh¨ange mit der Klassenzahl bin¨arer quadratischer Formen. Legendre beginnt mit der Frage nach der L¨osbarkeit der diophantischen Gleichung Ay = axn + bxn−1 + cxn−2 + . . . in ganzen Zahlen x, y. Dazu f¨ uhrt Legendre zwei Notationen ein: Um auszudr¨ ucken, dass A ein Teiler von P ist, urzung f¨ ur schreibt er P A = e, wobei e keine Zahl darstellt, sondern die Abk¨ entier“ (ganz) ist. Da es bei der Frage nach Teilbarkeit durch A auf Vielfache ” von A nicht ankommt, f¨ uhrt er auch noch die Bezeichnung P = Q f¨ ur Zahlen an, die sich nur um Vielfache von A unterscheiden ( pourvu qu’on ne perde ” pas de vue le nombre A dont on rejette les multiples“, heißt es bei ihm25 ). Anschließend beweist Legendre den Satz, den er Lagrange zuschreibt, dass ein Polynom n-ten Grades h¨ochstens n Nullstellen modulo einer Primzahl ” A“ (wie wir sagen w¨ urden) haben kann. Der eigentliche Kern des Beweises ist Euklids Lemma, wonach ein Produkt nur dann durch eine Primzahl teilbar ist, wenn mindestens ein Faktor es ist. Legendre benutzt dieses Ergebnis allerdings kommentarlos. Nachdem Legendre auch den kleinen Fermatschen Satz erw¨ ahnt hat (ohne Fermat beim Namen zu nennen), beweist er seinen ersten wirklichen“ Satz: ” 24

Siehe [Legendre 1785]. vorausgesetzt, man verliert die Zahl A, deren Vielfache man wegl¨ asst, nicht ” aus den Augen“. 25

8.5 Die Recherches

Abb. 8.5.1. Die erste Seite von Legendres Recherches.

341

342

8 Lagrange und Legendre

Genau dann ist die Primzahl A ein Teiler von xn − B f¨ ur ein geeignetes x, A−1 wenn A ein Teiler von B ω − 1 ist, wobei ω der (gr¨ oßte) gemeinsame Teiler von n und A − 1 ist. Nach einigen weiteren allgemeinen S¨ atzen von ¨ ahnlicher Natur kommt Legendre zu dem wichtigen Spezialfall quadratischer Reste, und pr¨asentiert das Eulersche Kriterium, das er allerdings Lagrange zuschreibt: A−1

Soll A ein Teiler von x2 − B sein, so muss B 2 = 1 sein; sind 2 und A−1 teilerfremd, d.h. ist A = 4a − 1, dann ist x = ±B a eine L¨ osung 2 2 −B = e. der Ausgangsgleichung26 x A F¨ ur Primzahlen der Form A = 4a − 1 kann Legendre also die Kongruenz A+1 2 osen. x ≡ B mod A durch Angabe der L¨osung x = B 4 explizit l¨ Quadratisches Reziprozit¨ atsgesetz Das wohl wichtigste Ergebnis der Recherches, was diophantische Gleichungen betrifft, ist der Beweis, dass die bereits von Euler gegebenen notwendigen Bedingungen f¨ ur die L¨osbarkeit der Gleichung ax2 + by 2 = cz 2 in ganzen Zahlen schon hinreichend sind. Legendre27 erzielt dieses Resultat mit den Methoden von Lagrange: Ist die Gleichung ax2 + by 2 = cz 2 gegeben, in welcher a, b, c positive teilerfremde und quadratfreie ganze Zahlen sind. dann ist diese Gleichung l¨ osbar, wenn man ganze Zahlen λ, μ, ν finden kann derart, dass 2 2 2 die drei Ausdr¨ ucke aλ c+b , cμ a−b , cν b−a ganze Zahlen sind. Die Gleichung ist also genau dann l¨osbar, wenn −ab, bc und ac quadratische Reste von c, a bzw. b sind. Mit diesem Resultat versucht Legendre, sein Reziprozit¨ atsgesetz zu beweisen, das er bei seinem Studium der Untersuchungen Lagranges gefunden hat28 : La Grange hat in allgemeiner Art und Weise (M´em. Berlin, 1773 & uglich 1775) die Teiler der Form t2 ± au2 betrachtet, und er hat bez¨ der Primzahlen eine Vielzahl von interessanten S¨ atzen daraus abgeleitet. Die Untersuchungen dieses großen Mathematikers haben mich veranlasst, ganz besonders den Fall zu betrachten, in dem a in der 26

Durch ax−b = e dr¨ uckt Legendre aus, dass ax−b durch c teilbar ist; der Buchstac be e steht dabei f¨ ur entier“. Diese Notation hat Legendre von seinem Lehrer l’abb´e ” Marie (Joseph-Fran¸cois Marie (1738–1801)) am Coll`ege Mazarin u ¨bernommen. Die¨ sen Hinweis verdanke ich Maarten Bullynck. L’Abb´e Marie hat auch die Ubersetzung der Eulerschen Algebra ins Franz¨ osische besorgt. 27 Siehe [Legendre 1785, S. 513]. 28 Siehe [Legendre 1785, S. 515].

8.5 Die Recherches

343

Form t2 + au2 eine Primzahl ist, und mit Hilfe des Satzes aus art. III ist es mir gelungen, sehr allgemeine Propositionen u ¨ber Primzahlen zu beweisen, welche diesen Teil der Analysis voranzubringen und die Beachtung der Mathematiker zu verdienen scheint. Jetzt f¨ uhrt Legendre die Bezeichnungen a und A f¨ ur Primzahlen der Form 4n + 1 und b, B f¨ ur solche der Form 4n + 3 ein, und erinnert an seine Version der Kongruenz“: ” c−1

Wir weisen auch noch einmal darauf hin, dass der Ausdruck d 2 = 1 oder −1 bedeutet, dass man die Vielfachen von c im ersten Term wegl¨asst. In dieser Notation formuliert er das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz wie folgt (vgl. Abb. 8.5.2): a−1

I. Wenn b 2 b−1 II. Wenn a 2 A−1 III. Wenn a 2 A−1 IV. Wenn a 2 b−1 V. Wenn a 2 a−1 VI. Wenn b 2 B−1 VII. Wenn b 2 B−1 VIII. Wenn b 2

= +1 so = −1 so = +1 so = −1 so = +1 so = −1 so = +1 so = −1 so

b−1

folgt a 2 = +1 a−1 folgt b 2 = −1 a−1 folgt A 2 = +1 a−1 folgt A 2 = −1 a−1 folgt b 2 = +1 b−1 folgt a 2 = −1 b−1 folgt B 2 = −1 b−1 folgt B 2 = +1

Danach fasst er diese acht S¨atze29 zu einem einzigen zusammen: d−1

Sind c und d zwei Primzahlen, dann haben die Ausdr¨ ucke c 2 und c−1 2 nur dann verschiedene Vorzeichen, wenn c und d beide von der d Form 4n−1 sind; in allen andern F¨ allen haben diese Ausdr¨ ucke immer dasselbe Vorzeichen. Auch hier wollen wir exemplarisch einige F¨alle besprechen, um uns dar¨ uber klar zu werden, welche L¨ ucken Legendres Beweis hat. Legendre beginnt mit der Beobachtung, dass Gleichungen der Form (4m + 1)x2 + (4n + 1)y 2 = (4p − 1)z 2 nicht l¨osbar sind (außer durch x = y = z = 0), weil diese Gleichung nicht einmal modulo 4“ l¨osbar ist. Insbesondere ist also Ax2 + ay 2 = bz 2 nicht ” l¨osbar. Nach seinem Satz u ¨ber die L¨osbarkeit solcher Gleichungen bedeutet dies, dass mindestens eine der drei Bedingungen 29 Die Formulierung Legendres ohne das Legendre-Symbol ist nahe an der Eulerschen aus E557.

344

8 Lagrange und Legendre

Abb. 8.5.2. Legendres Formulierung des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes

a

A−1 2

b

A−1 2

= 1,

A

a−1 2

b

a−1 2

= 1,

A

b−1 2

a

b−1 2

=1

(8.5)

falsch sein muss. Im Falle A = 1 ist die erste Bedingung trivial, w¨ ahrend die beiden anderen auf a−1 b−1 b 2 = 1 und a 2 = −1 hinauslaufen. Da diese nun nicht gleichzeitig wahr sein k¨ onnen, folgt also: a−1

b−1

I. Wenn b 2 = 1 ist, dann gilt a 2 = 1. b−1 a−1 II. Wenn a 2 = −1 ist, dann gilt b 2 = −1. Damit hat Legendre die ersten beiden seiner S¨ atze (die, wie er bemerkt, aquivalent zueinander sind), bewiesen. ¨ Als n¨achstes (S. 518) betrachtet Legendre den Fall

8.5 Die Recherches

345 b

a−1 2

= 1,

A

b−1 2

= −1;

in diesem Fall ist die dritte Gleichung in (8.5) automatisch erf¨ ullt, und die beiden andern besagen a

A−1 2

= −1 und

A

a−1 2

= 1.

Diese beiden Gleichungen k¨onnen daher nicht gleichzeitig bestehen, folglich gilt A−1 a−1 III. Wenn a 2 = 1 ist, dann gilt A 2 = 1. a−1 A−1 IV. Wenn A 2 = −1 ist, dann gilt a 2 = −1. Auch hier bemerkt Legendre, dass die beiden Aussagen III. und IV. ¨ aquivalent zueinander sind. Dann kommt er auf die Rolle der Primzahl b zu sprechen, die er in seinem Beweis verwendet hat: nebenbei bemerkt ist die Hilfszahl b, welche uns dazu gedient hat, die Schlussfolgerungen zu erhalten, eine Zahl, welche den Bedingungen a−1 b−1 ugt. Man kann sich vergewissern, dass b 2 = 1 und A 2 = −1 gen¨ es davon unendlich viele gibt; aber hier ist ein Beweis, der jede Schwierigkeit vermeidet. Legendre hat also, wie Gauß sp¨ater bemerkt, die L¨ ucke in seinem Beweis durchaus erkannt, hat sich aber u ber die Schwierigkeiten hinweggeredet, die ¨ einem vollst¨andigen Beweis entgegenstehen. Auch der jetzt folgende Beweis, ” der jede Schwierigkeit vermeidet“, hat entgegen der Behauptung Legendres eine L¨ ucke, denn dieser zweite Beweis benutzt ebenfalls eine Hilfsprimzahl b, zu welcher Legendre lapidar sagt: Wir haben nur angenommen, dass es eine Primzahl b der Form 4n − 1 gibt, welche ein Teiler der Form x2 + Ay 2 ist. Auch die Beweise der weiteren S¨atze ben¨otigen Hilfsprimzahlen; insgesamt verwendet Legendre die folgenden Annahmen: (L1) Zu primen B ≡ b ≡ 3 mod 4 gibt es Primzahlen p ≡ 1 mod 4 mit (p/B) = (p/b) = −1. (L2) Zu primen a ≡ 1 mod 4 gibt es Primzahlen β ≡ 3 mod 4 mit (a/β) = −1 (zweiter Beweis von III). (L3) Zu primen a ≡ A ≡ 1 mod 4 gibt es Primzahlen b ≡ 3 mod 4 mit ( ab ) = +1 und ( Ab ) = −1. Legendre war also weit davon entfernt, im Besitz eines vollst¨ andigen Beweises des quadratischen Reziprozit¨atsgesetzes zu sein. Am Ende des Artikels verweist Legendre auf Vorarbeiten Eulers u ¨ber die Gleichungen der Form f xx + gyy = hzz und benutzt sein Reziprozit¨ atsgesetz, um die von Euler ausgesprochenen Vermutungen zu beweisen.

346

8 Lagrange und Legendre

Primzahlen in Arithmetischer Progression In seinem ersten Beweisversuch f¨ ur das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz hat Legendre unter anderem verwendet, dass es in jeder arithmetischen Progression ax + b mit teilerfremden Zahlen a und b eine Primzahl gibt. Zu dieser Behauptung schreibt er am Ende seiner Recherches30 Folgendes: Es erscheint vielleicht notwendig, eine Sache genau zu beweisen, welche wir an mehreren Stellen dieses Artikels als richtig angenommen haben, n¨ amlich dass es unendlich viele Primzahlen gibt in jeder arithmetischen Progression, deren erstes Glied und Verh¨ altnis teilerfremd sind, oder, was auf dasselbe hinauskommt, in der Formel 2mx + μ, wo 2m und μ keinen gemeinsamen Teiler haben. Diese Proposition ist ziemlich schwer zu beweisen, wiewohl man sich davon u ¨berzeugen kann, dass sie wahr ist, indem man die gegebene arithmetische Progression mit der gew¨ohnlichen Progression 1, 3, 5, 7 . . . vergleicht. [. . . ] Ich begn¨ uge mich hier mit dieser Andeutung des Beweises, welcher zu lang w¨are, wollte man die Details geben, insbesondere da diese Arbeit die gew¨ohnlichen Grenzen bereits u ¨berschreitet. Von der hier nur andeutungsweise skizzierten Beweisidee“ l¨ asst sich Legendre ” bis an sein Lebensende nicht abbringen; in jeder Auflage seiner Zahlentheorie versucht er, dieser Skizze neues Leben einzuhauchen, ohne damit aber erfolgreich zu sein. Legendre31 erkl¨art gar: √ Sei ψ die gr¨ oßte Primzahl unterhalb von 2n − 4 − 1; ich behaupte, dass es unter den ψ ungeraden Zahlen, die auf 2n − 1 folgen, mindestens eine Primzahl gibt. Dass diese Aussage f¨ ur einige kleine Werte von n falsch wird, hat Legendre selbst gesehen; im Nachhinein wurde gezeigt, dass der Beweis so, wie sich Legendre das vorgestellt hat, nicht funktionieren kann32 Ein weiterer wunder Punkt, den Gauß aufgezeigt hat, ist folgender: Selbst wenn der Satz u ¨ber die Existenz von Primzahlen in arithmetischer Progression 30

Siehe [Legendre 1785, p. 552]. In [Legendre 1808, § 409] und [Legendre 1830, § 413]. 32 Desboves [Desboves 1855] hat die L¨ ucke erkannt, Lebesgue [L38] hat auf Desboves Artikel hingewiesen, und 1858 hat die Akademie der Wissenschaften in Paris [anonym 1859] einen Wettbewerb ausgeschrieben mit dem Ziel, Legendres Beweisversuch genau zu untersuchen und insbesondere die Behauptung zu pr¨ ufen, dass wenn pn die n-te Primzahl bezeichnet, f¨ ur jede nat¨ urliche Zahl k mindestens eine der Zahlen 2k + 1, 2k + 3, . . . , 2k + 2pn−1 + 1 nicht durch eine der Primzahlen p1 , . . . , pn teilbar ist. Daraufhin zeigte Dupr´e [Dupr´e 1859], dass Legendres Behauptung f¨ ur kleine pn richtig ist, aber falsch f¨ ur 43 ≤ pn ≤ 113; Alfred Brauer und Hermann Zeitz [Brauer & Zeitz 1930] haben endlich gezeigt, dass Legendres Behauptung f¨ ur alle pn ≥ 43 falsch ist. 31

8.5 Die Recherches

347

bewiesen w¨are, bliebe in Legendres Beweis immer noch eine L¨ ucke: Zwar kann man mit diesem Satz die Existenz von Primzahlen der Form (L1) nachweisen, nicht aber diejenige vom Typ (L2) oder (L3), denn dazu w¨ urde man neben diesem Satz auch noch das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz ben¨ otigen, und wir h¨atten, wie Gauß bemerkt, einen veritablen Zirkelschluss. Summen dreier Quadrate Legendre bemerkt, dass quadratische Formen t2 + nu2 und ihre quadratischen Teiler (also Formen derselben Determinante) Zahlen darstellen, die in gewissen Restklassen modulo 4n (linearen Teilern) liegen. Formen, die nur ungerade Zahlen der Form 4n + 1 darstellen, bezeichnet Legendre mit P , solche, die nur ungerade Zahlen 4n − 1 darstellen, mit Q. So gibt es z.B. genau zwei quadratische Teiler“ von t2 + 5u2 , n¨amlich diese Form und 2x2 + 2xy + 3y 2 . ” Alle ungeraden Zahlen, die von t2 + 5u2 dargestellt werden, haben die Form 20n + 1, 9, also insbesondere die Form 4n + 1; also ist t2 + 5u2 eine Form P . Die Form 2x2 + 2xy + 3y 2 dagegen stellt Zahlen der Form 20n + 3, 7 dar, also nur solche der Form 4n + 3, und ist daher eine Form Q. Auf der andern Seite stellt die Form t2 + 3u2 sowohl 3 und 7, als auch 13 dar, ist also weder eine Form P noch eine Form Q. Summen dreier Quadrate haben schon Fermat interessiert, der aber, ebenso wenig wie sp¨ater Euler und Lagrange, keine großen Fortschritte auf diesem Gebiet machte. Um so bemerkenswerter ist das Interesse, das Legendre diesem schwierigen Problem entgegenbringt; seinen eigenen Ausf¨ uhrungen nach (vgl. das Zitat auf S. 346) hat er diesen Satz als eines der letzten ungel¨ osten Probleme Fermats betrachtet, w¨ahrend er der diophantischen Gleichung xn +y n = z n zu diesem Zeitpunkt noch kein Interesse entgegenbrachte. Am Ende seiner Arbeit33 pr¨asentiert Legendre verschiedene Tabellen; die erste davon (Tabelle 8.2) betrifft quadratische Teiler“ P und Q von Formen t2 +cu2 ” f¨ ur prime c = 8n − 3. Legendre dehnt diese Tabelle bis c = 173 aus und 34 spricht folgende Vermutung aus: Sei c = 8n − 3 eine Primzahl. Dann gibt es ebensoviele Teiler P wie Teiler Q, und die Zahl der Teiler P ist gleich der Anzahl der M¨oglichkeiten, c als Summe von drei Quadraten zu schreiben. Hierbei sind P quadratische Teiler, die Zahlen der Form 4n + 1 darstellen, und Q solche, die Zahlen der Form 4n + 3 darstellen. Diese Aussage erg¨anzt er35 wie folgt: Die quadratischen Teiler P von t2 + cu2 sind ebenso Summen von drei Quadraten wie die Formen 2Q; insbesondere kann man Q in der Form x2 + y 2 + 2z 2 darstellen. 33

Siehe [Legendre 1785]. Siehe [Legendre 1785, S. 531, Prop. 1]. 35 Siehe [Legendre 1785, p. 532, Prop. 1]. 34

348

8 Lagrange und Legendre c

P 2

Q 2

2

2y + 2yz + 3z 2

5

y + 5z

13

y 2 + 13z 2

2y 2 + 2yz + 7z 2

29

y 2 + 29z 2

2y 2 + 2yz + 15z 2

5y 2 + 2yz + 6z 2 3y 2 + 2yz + 10z 2 Tabelle 8.2. Auszug aus Legendres Tabelle I.

Legendres Behauptungen erkl¨aren sich so: Sei P = py 2 + 2qyz + rz 2 eine Form, die Zahlen der Form 4n + 1 darstellt. Ist r gerade und P von der Form 4n + 1, dann ist y ungerade und p ebenfalls von der Form 4n + 1. Also ist Q = 2py 2 + 2qyz + 2r z 2 eine Form, die Zahlen 4n − 1 darstellt: Aus 8n + 3 = q 2 − pr folgt n¨amlich, wenn r = 2r ist, dass r die Form 4n − 1 hat. Ist r ungerade und p gerade, dann vertausche man die Rollen von p und r. Sind endlich p und r ungerade, liefert die Substitution y = y  + z eine Form mit geradem Koeffizienten von z 2 . Dass diese Zuordnung zwischen Formen P und Q bijektiv ist, ist nicht selbstverst¨andlich; Legendre u ¨bergeht den Beweis. Ist weiter P = (my + nz)2 + (m y + n z)2 + (m y + n z)2 eine Summe von drei Quadraten linearer Formen, dann gilt, wovon man sich leicht u ¨berzeugt, auch 2Q = (2my + nz)2 + (2m y + n z)2 + (2m y + n z)2 . Im Falle p = 29 gibt es zwei Formen P , und 29 l¨ asst sich auf zwei Arten als Summe von drei Quadraten schreiben: 29 = 02 + 22 + 52 = 22 + 32 + 42 . Beide Formen P wiederum sind Summen dreier Quadrate: y 2 + 29z 2 = y 2 + (2z)2 + (5z)2 und 5y 2 + 2yz + 6z 2 = (y − z)2 + (2y + z)2 + (2z)2 . Was den Beweis seiner Aussagen angeht, bemerkt Legendre auf S. 523: Es ist nicht leicht zu sehen, warum die Anzahl dieser Formen genau gleich der Anzahl der Arten ist, in welcher man c als Summe dreier Quadrate schreiben kann. Tats¨achlich ist dies nicht nur nicht leicht zu sehen; vielmehr gibt Legendre offen zu, dass ihm der Beweis dieser Vermutungen nicht gelungen ist: 18. Da wir diese Proposition nicht direkt beweisen k¨ onnen, wollen wir annehmen, dass sie gilt, und die Konsequenzen untersuchen, die sich daraus ergeben.

8.6 Der Essai von 1798

349

Was den Zusammenhang der Darstellung einer Zahl a als Summe dreier Quadrate und der Darstellung einer quadratischen Form mit Determinante a als Summe dreier Quadrate angeht, stellt er fest36 : Ist P = (my + nz)2 + (m y + n z)2 + (m y + n z)2 , eine solche Summe dreier Quadrate, also p = m2 + m + m , 2

2

q = mn + m n + m n ,

r = n2 + n + n , 2

2

dann folgt a = pr − q 2 = (mn − m n)2 + (m n − m n )2 + (m n − mn )2 . L¨asst sich also irgend eine quadratische Form der Determinante a = pr − q 2 als Summe dreier Quadrate darstellen, dann muss auch a eine Summe dreier Quadrate sein. Die n¨achsten Seiten sind dem Beweis des folgenden Satzes gewidmet: Sei Q eine primitive bin¨are quadratische Form mit Determinante a, wo a eine ungerade Zahl ist. Ist die Form Q Summe dreier Quadrate, dann auch die Zahl a. Ist umgekehrt a Summe dreier Quadrate, dann gibt es eine bin¨ are quadratische Form Q mit Determinante a, die ebenfalls als Summe dreier Quadrate geschrieben werden kann. ¨ Uber dieses Ergebnis kommt Legendre in seinen Recherches nicht wesentlich hinaus.

8.6 Der Essai von 1798 Mit dem Essai sur la Th´eorie des Nombres legt Legendre das erste Lehrbuch der Zahlentheorie vor und gibt dieser Theorie damit auch ihren Namen. Große Teile des Buchs befassen sich mit der Erweiterung der Themen, die Legendre bereits in den Recherches behandelt hatte. Den wichtigsten Fortschritt erzielt Legendre auf dem Gebiet der bin¨aren quadratischen Formen: Es gelingt ihm zu zeigen, dass man zwei beliebige Formen derselben Determinante kompo” nieren“ kann; allerdings hatte Legendres Komposition den Mangel, dass das Produkt“ zweier solcher Formen im allgemeinen mehrdeutig ist. ” In der Einf¨ uhrung beweist Legendre die Kommutativit¨ at der Multiplikation, Euklids Lemma, oder die Unendlichkeit der Primzahlen (zu denen er auch 1 z¨ ahlt) nach Euklid; nebenbei bemerkt er, dass dieser Satz nach Euler auch 36

Siehe [Legendre 1785, S. 533–534].

350

8 Lagrange und Legendre

Abb. 8.5.3. Karikatur von Legendre um 1820. Rechts daneben steht die Figur zum euklidischen Beweis von Prop. I.47, des Satzes von Pythagoras. Das rechte Bild stammt aus [Barral 1892].

u ¨ber die Divergenz der harmonischen Reihe bewiesen werden kann. Danach widmet er sich dem Satz u ¨ber Primzahlen in arithmetischen Progressionen und ¨außert auf S. 19 die Vermutung, dass die Anzahl der Primzahlen unterhalb von a n¨aherungsweise gegeben ist durch die Formel A logaa+B , wo A und B geeignete Konstanten sind: Die exakte Bestimmung dieser Koeffizienten ist ein merkw¨ urdiges Problem und w¨ urdig, die Kunst der Analytiker zu testen. Der erste Teil des Essai ist der Theorie der Kettenbr¨ uche gewidmet, wie sie Euler und Lagrange entwickelt haben. Im zweiten Teil u ¨berarbeitet Legendre seinen Beweis des quadratischen Reziprozit¨atsgesetzes, ohne aber die L¨ ucken schließen zu k¨onnen. Der dritte Teil pr¨asentiert Legendres Ideen zu Summen dreier Quadrate, und in Teil 4 gibt er seinen Beweis“ des Satzes von Primzah” len in arithmetischer Progression und behandelt diophantische Gleichungen ur Polynome P4 vom Grad 4. vom Typ y 2 = P4 (x) f¨ In der zweiten Auflage von 1808 hat Legendre den dritten Teil u ¨ber Summen dreier Quadrate noch einmal komplett u ¨berarbeitet, außerdem hat er einen 5. Teil hinzugef¨ ugt, in dem er auf die Gaußsche Theorie der Kreisteilung eingeht. Kettenbr¨ uche In seiner Einf¨ uhrung in die Theorie der Kettenbr¨ uche beginnt Legendre mit dem u ¨blichen Formelapparat, und gibt dann eine Anwendung auf lineare diophantische Gleichungen. Danach beweist er seinen Satz u osbarkeit ¨ber die L¨ der Gleichung ax2 + by 2 = vz 2 , und bespricht dann die Entwicklung von

8.6 Der Essai von 1798

351

Quadratwurzeln nat¨ urlicher Zahlen in Kettenbr¨ uche. Er wendet die dabei gewonnenen Erkenntnisse auf quadratische diophantische Gleichungen vom Typ √ an: Deren L¨ o sungen lassen sich alle aus der x2 − Ay 2 = ±D mit D < A √ Kettenbruchentwicklung von A ablesen. Es folgen seine bereits in den Recherches behandelten Ergebnisse u ¨ber die Gleichung x2 − Ay 2 = 1, wo er Arbeiten von Fermat, mylord Brownker“ und Eulers Algebra, sowie den Be” weis Lagranges erw¨ahnt. Der Name Pell f¨allt dabei nicht ein einziges Mal. In § VIII bespricht Legendre die Reduktion quadratischer Formen. und beweist Legendres Lemma“, wonach die kleinsten Zahlen, die von der reduzierten ” Form py 2 + 2qyz + rz 2 mit positiver Determinante pr − q 2 dargestellt werden, p und r sind. √ ur PrimzahAußerdem beweist er, dass die Kettenbruchentwicklung von A f¨ len A = 4n + 1 die Darstellung von A als Summe zweier Quadrate liefert. Endlich gibt Legendre noch eine Anwendung von Kettenbr¨ uchen auf die Faktorisierung zusammengesetzter Zahlen. Zum Auffinden der Primfaktoren einer √ osungen Zahl N entwickelt er N in einen Kettenbruch und notiert sich die L¨ von Gleichungen der Form x2 − N y 2 = a f¨ ur kleine Werte von a. Da a nun quadratischer Rest jedes Primteilers p von N ist, muss p in ganz bestimmten Restklassen modulo 4a liegen. Durch Kombination solcher Kriterien gelingt es Legendre, die Anzahl der notwendigen Divisionen bei der Faktorsuche deutlich zu verringern. Das Legendre-Symbol In seinem Essai f¨ uhrt Legendre in Art. 135 das sp¨ ater nach ihm benannte Legendre-Symbol ein:

Abb. 8.6.1. Das Legendre-Symbol

352

8 Lagrange und Legendre c−1

Da die analogen Ausdr¨ ucke N 2 im Laufe unserer Untersuchungen h¨ aufig auftreten werden, benutzen wir zur Abk¨ urzung das Symbol ( Nc ) c−1 um den Rest auszudr¨ ucken, den N 2 bei der Teilung durch c l¨ asst, und der, wie wir gesehen haben, nur +1 oder −1 sein kann. Damit formuliert er das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz in der heute bekannten Form  p  q  p−1 q−1 = (−1) 2 · 2 q p f¨ ur ungerade Primzahlen p und q. Außerdem gelingt es ihm, seine Annahmen, die er in den Recherches gemacht hatte, auf eine einzige zu reduzieren, n¨ amlich auf die Existenz von Hilfsprimzahlen der Form (L2). Ein Fortschritt in Bezug auf die urspr¨ ungliche Version scheint dies allerdings nicht zu sein, denn wie wir schon gesehen haben, l¨asst sich die Existenz solcher Hilfsprimzahlen nicht einmal mit dem Satz u ¨ber Primzahlen in arithmetischer Progression beweisen. F¨ ur mehr u atsgesetz ¨ber Legendres Arbeiten zum quadratischen Reziprozit¨ verweisen wir auf Pieper37 . Komposition quadratischer Formen Die Komposition quadratischer Formen geh¨ort zu denjenigen Themen, die in den Recherches keine Rolle spielten, aber im Essai ausf¨ uhrlich besprochen wurden. Die Vorgeschichte der Komposition beginnt mit Fermats Entdeckung, dass das Produkt zweier Primzahlen p und q der Form 20n + 3 oder 20n + 7 asst. Die kleinsten Beispiele sich immer in der Form pq = x2 + 5y 2 darstellen l¨ sind 3 · 3 = 9 = 22 + 5 · 12 und 3 · 7 = 21 = 12 + 5 · 22 . Dabei sind 3 und 7 nicht in der Form x2 + 5y 2 darstellbar. Lagrange konnte zeigen, dass das Produkt zweier Primzahlen der Form 20n + 3, 7 von der Form x2 + 5y 2 dargestellt wird; dies folgt aus der Identit¨at (2x21 + 2x1 y1 + 3y12 )(2x22 + 2x2 y2 + 2y22 ) = x23 + 5y32 ,

(8.6)

wo x3 = 2x1 x2 + y1 x2 + x1 y2 − 2y1 y2 und y3 = x1 y2 + y1 y2 + y1 x2 ist. Legendre hat sich nun daf¨ ur interessiert, wie diese Identit¨ aten f¨ ur beliebige Formen aussehen: Nach Lagrange wird jede Primzahl mit (m/p) = +1 durch eine Form der Determinante −m (oder, wie Legendre sich ausdr¨ uckte, durch einen quadratischen Teiler von t2 + mu2 ) dargestellt. Sind p1 und p2 solche Primzahlen, und ist p1 = Q1 (x1 , y1 ) und p2 = Q2 (x2 , y2 ), dann wird auch deren Produkt p1 p2 von einer Form der Determinante −m dargestellt, mit andern Worten: Es gibt eine Form Q3 derart, dass p1 p2 = Q3 (x3 , y3 ) ist. Legendre wollte diese Beobachtung durch eine geeignete Identit¨ at erkl¨ aren, also durch eine Gleichung der Form 37

Siehe [Pieper 1978, Pieper 1997].

8.6 Der Essai von 1798

353

Q1 (x1 , y1 ) · Q2 (x2 , y2 ) = Q3 (x3 , y3 ), welche die Lagrangesche Identit¨at (8.6) als Spezialfall enthalten w¨ urde. Legendre weiß aus Eulers Algebra, wie sich solche Identit¨ aten durch den Gebrauch von geeigneten quadratischen Imagin¨ aren herleiten lassen. Um die Identit¨at (8.6) zu erkl¨aren, macht Legendre den Ansatz (2x21 + 2x1 y1 + 3y12 )(2x22 + 2x2 y2 + 2y22 ) = X 2 + 5Y 2 .

(8.7)

Multiplikation mit 4 und quadratische Erg¨anzung verwandelt dies in ((2x1 + y1 )2 + 5y12 )((2x2 + y2 )2 + 5y22 ) = 4(X 2 + 5Y 2 ), und daraus lassen sich die Werte von X = ±x3 und Y = ±y3 leicht ablesen, indem man das Produkt der entsprechenden komplexen Zahlen auf der linken Seite ausrechnet: √ √ (2x1 + y1 + y1 −5 )(2x2 + y2 + y2 −5 ) √ = (2x1 + y1 )(2x2 + y2 ) − 5y1 y2 + [(2x1 + y1 )y2 + (2x2 + y2 )y1 ] −5 √ = 2(2x1 x2 + x1 y2 + x2 y1 − 2y1 y2 ) + 2(x1 y2 + x2 y1 + y1 y2 ) −5. Die zweite Identit¨at folgt entsprechend aus √ √ (2x1 + y1 + y1 −5 )(2x2 + y2 − y2 −5 )

√ = 2(2x1 x2 + x1 y2 + x2 y1 + 3y1 y2 ) + 2(−x1 y2 + x2 y1 ) −5.

Damit haben wir (2x21 + 2x1 y1 + 3y12 )(2x22 + 2x2 y2 + 2y22 ) = X 2 + 5Y 2 mit oder

X = 2x1 x2 + x1 y2 + x2 y1 − 2y1 y2 , X = 2x1 x2 + x1 y2 + x2 y1 + 3y1 y2 ,

Y = x1 y2 + x2 y1 + y1 y2 , Y = x1 y2 − x2 y1 .

¨ Die verschiedenen M¨oglichkeiten f¨ ur X und Y in (8.7) beeinflussen die Aquivalenzklasse der komponierten Form nicht, die in jedem Falle von der Form x2 + 5y 2 repr¨asentiert wird. Auf diese Art erhalten wir die Multiplikationstabelle ¨ f¨ ur die Aquivalenzklassen A = [(1,0,5)] und B = [(2,2,3)] der Formen mit Diskriminante −20: ∗ AB AAB B BA Ebenso zeigt Legendre, dass sich zwei beliebige Formen derselben Diskrimioheren Klassennante komponieren lassen38 ; allerdings zeigt sich, dass bei h¨ zahlen unangenehme Dinge passieren: Es gibt Klassen, die sich auf zwei wesentlich verschiedene Arten komponieren lassen! F¨ ur die Formen 38

Siehe [Legendre 1798, S. 421ff]).

354

8 Lagrange und Legendre A = x2 + 41y 2 ,

B = 2x2 + 2xy + 21y 2 ,

D = 3x2 + 2xy + 14y 2 ,

C = 5x2 + 6xy + 10y 2 ,

E = 6x2 + 2xy + 7y 2

mit Diskriminante −4 · 41 findet Legendre n¨amlich einerseits (5x2 + 6xy + 10y 2 )(5z 2 + 6zw + 10w2 ) = (5zx + 3xw + 3yz + 10yw)2 + 41(xw − yz)2 , andererseits aber auch (5x2 + 6xy + 10y 2 )(5z 2 + 6zw + 10w2 ) = 2X 2 + 6XY + 25Y 2 mit X = 5xw + 5zy − 6yw und Y = xz − 2yw. Die vollst¨ andige Multiplikationstabelle sieht bei Legendre39 so aus:

Abb. 8.6.2. Kompositionstabelle bei Legendre

In moderner Notation entspricht dies der folgenden Gruppentafel“: ” AB C D E AAB C D E C E D B BA C C C A oder B D oder E D oder E D D E D oder E A oder C B oder C E E D D oder E B oder C A oder C F¨ ur uns, die wir mathematische Strukturen sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen haben, ist sofort klar, dass hier etwas nicht ganz richtig gemacht wird. Tats¨achlich fallen jedem, der die Anfangsgr¨ unde der Gruppentheorie verstanden hat, zwei Probleme auf: Zum einen ist Legendres Komposition, wie wir bereits festgestellt haben, zweideutig; zum andern ist B ∗ C = C, ohne dass B zur Hauptform A ¨aquivalent w¨are. Offenbar l¨ asst sich dieses Problem nicht durch eine geschickte Auswahl der Faktoren beheben: Tats¨ achlich wird ¨ Gauß dieses Problem durch eine Einschr¨ankung der Aquivalenz auf Substitutionen mit Determinante +1 l¨osen. Dadurch zerf¨ allt Legendres Klasse C in 39

Siehe [Legendre 1798, S. 432]; vgl. auch die Darstellung bei [Cox 1989].

8.6 Der Essai von 1798

355

zwei verschiedene Klassen C1 und C2 , und dann gilt BC1 = C2 und BC2 = C1 im Einklang mit den Gruppenaxiomen. Bei Legendre treibt die Zweideutigkeit seltsame Bl¨ uten: Er unterscheidet40 das Produkt BB zweier Formen, die zu B ¨aquivalent sind ( le produit de deux ” diviseurs quadratiques semblables a` B“) vom Quadrat B 2 der Form B, in welcher die Faktoren identisch sind. Summen dreier Quadrate Legendre hat, ebenso wie Gauß, in der Zeit seit Erscheinen seiner Recherches am Problem des Dreiquadratesatzes gearbeitet und Beweise seiner damaligen Vermutungen ausgearbeitet. Wie Gauß in seinen Disquisitiones allerdings feststellt, hat Legendre auch hier an einer wesentlichen Stelle neben einigen kleineren L¨ ucken und unbewiesenen Behauptungen wiederum den Satz u ¨ber Primzahlen in arithmetischer Progression verwendet. Nach Gauß scheinen nur der franz¨osische Pater P´epin und vor allem der b¨ ohmische Priester Vaclav 41 ˇ die Arbeit Legendres zur Summe von drei Quadraten durchgearSimerka beitet zu haben; arg viel erleuchtender als das Original sind deren Darstellungen allerdings nicht, und ein detailliertes Studium dieses Teils von Legendres Schaffen nebst dem Herausarbeiten der hinter diesen Ergebnissen liegenden mathematischen Strukturen steht noch aus42 . Gitterpunkte in Kreisen Ein Gitterpunkt in der euklidischen Ebene ist ein Punkt (x, y), dessen Koordinaten x und y ganze Zahlen sind. Die Frage nach der Anzahl aller Gitterpunkte, die im Innern eines Kreises mit Radius r und Mittelpunkt im Ursprung liegen, wird im allgemeinen Gauß zugeschrieben; dabei geht sie auf Legendres Essai von 1798 zur¨ uck. Im Zusammenhang mit seinem Beweis“, dass sich jede ” nat¨ urliche Zahl als Summe dreier Quadrate schreiben l¨ asst, ben¨ otigt Legendre folgenden Satz43 : 40

Siehe [Legendre 1798, S. 428]. In [P´epin 1879] f¨ ullt P´epin eine L¨ ucke in einem von Legendres Beweisen; ˇ [Simerka 1859] gibt eine Darstellung der Ergebnisse Legendres, die auf dem Gauߨ chen Begriff der Aquivalenz aufbauen. 42 Jedenfalls kann man die Behauptung in [Dickson 1920, S. 261] und [Heath 1910, S. 273], wonach Legendre den Dreiquadratesatz in seinem Essai bewiesen habe, nicht kommentarlos stehen lassen; Stieltjes schreibt am 12.11.1883 an Hermite (siehe [Baillaud & Bourget 1905a, S. 51]), dass Legendre den Satz gefunden und Gauß ihn bewiesen habe. Legendres Version von Lagranges Beweis des Vierquadratesatzes wird in [Catalan 1887] kritisch analysiert. Einer der wenigen Beitr¨ age zu einer angemessenen W¨ urdigung des zahlentheoretischen Werks Legendres stammt von [Silva 2010]. 43 Siehe [Legendre 1798, § 319]. 41

356

8 Lagrange und Legendre

Abb. 8.6.3. Gitterpunkte in Kreisen

F¨ ur jede quadratische Form Q(x, y) = Ax2 + Bxy + Cy 2 mit Determinante D = N gibt es eine ganze Zahl c < N , die von Q dargestellt wird und die mit N keinen quadratischen Faktor gemeinsam hat. √ Legendre setzt y = η und zeigt, dass es 2 AN · A − η 2  Werte von x mit Q(x, y) < N gibt. Also ist die Anzahl X der ganzen Zahlen < N , die von A repr¨asentiert werden, durch die Formel √  √ √ √ 2 N  √ · A + A − 1 + A − 4 + A − 9 + . . . X= A

gegeben. Als n¨achstes stellt Legendre fest, dass die Summe in den Klammern eine geometrische Interpretation erlaubt: F¨ ur große Werte von A will √ die Summe ungef¨ahr gleich der Fl¨ache eines Viertelkreises mit Radius A sein, also 14 πA. Also, schließt Legendre, wird die Zahl X gegeben sein durch √ √ X ≈ 2 AN · π4 A = π2 N . Insbesondere h¨angt diese Summe nicht von den Koeffizienten A, B, C ab und gilt f¨ ur alle Formen Q mit Determinante N . Wie so oft findet sich bei Legendre außer der genialen Idee und etwas Heuristik nichts wirklich Handfestes. Dennoch hat Legendre auch damit ein neues Zeitalter eingel¨autet und Ideen vorweggenommen, die Gauß44 , Dirichlet, Eisenstein und sp¨ater vor allem Minkowski zu voller Bl¨ ute entwickeln w¨ urden. 44

In dem zu Lebzeiten unver¨ offentlichten Manuskript [G12] untersucht Gauß eben dieses Problem, und zwar im Zusammenhang mit Klassenzahlformeln quadratischer Formen; Dirichlet arbeitete dieselben Ideen sp¨ ater aus, ohne zu wissen, dass Gauß dies schon vor ihm getan hatte. Eisenstein benutzte die geometrische Veranschaulichung von Zahlen durch Gitterpunkte, um einen Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes zu trivialisieren, und Minkowski entwickelte schließlich die Geometrie ¨ der Zahlen. Einen exzellenten Uberblick u ¨ber diese Entwicklungen geben [Scharlau & Opolka 1980].

8.7 Legendres Verm¨achtnis

357

8.7 Legendres Verm¨ achtnis Legendres Werk in der Zahlentheorie ist vielleicht bisher untersch¨ atzt worden. Tats¨achlich f¨ ugt er den Beweisen Eulers und Lagranges wenig hinzu: Im Wesentlichen behandelt er die L¨osbarkeit der Gleichung ax2 + by 2 = cz 2 abschließend in dem Sinne, dass es erst Minkowski gelingt, dieses Thema mit neuen Ideen voranzubringen. Im 20. Jahrhundert gl¨ uckt Hasse mit der Entdeckung des Lokal-Global-Prinzips, dessen einfachster Spezialfall der Satz von Legendre ist, ein wegweisender Durchbruch. Die bedeutendsten Beitr¨age Legendres sind allerdings diejenigen seiner S¨ atze“, ” die er nur teilweise oder gar nicht beweisen kann. Hier ist an erster Stelle das quadratische Reziprozit¨atsgesetz zu nennen, dem er den Namen gibt und das er auch teilweise beweisen kann, und das Euler vor ihm und Gauß nach ihm entdeckt haben. Legendres Blick in die Tiefen der Theorie der quadratischen und tern¨aren Formen im Zusammenhang mit dem Problem der Summen von drei Quadraten wird f¨ ur Gauß das Problem, an dem er seine Kr¨afte misst: Die Untersuchung dieses Problems f¨ uhrt Gauß auf fundamentale Einsichten, die einen großen Teil des Abschnitts V der Disquisitiones Arithmeticae ausmachen werden. Der Beweisversuch Legendres in seinem Essai ist nicht vollst¨andig (und auch in der Struktur wesentlich verwickelter als der Gaußsche Beweis), da er, wie bei seinem Beweisversuch des quadratischen Reziprozit¨atsgesetzes, den Satz von der arithmetischen Progression zu Hilfe nehmen muss. Auch dieser Satz erwies sich, wegen der wunderbaren Technik, mit der Dirichlet ihn sp¨ater bewies, als wegweisend f¨ ur die ganze algebraische Zahlentheorie. Ebenfalls in diese Richtung zeigt Legendres Vermutung des Primzahlsatzes u ¨ber die Anzahl π(x) der Primzahlen unterhalb einer Schranke x, die er in der ersten Auflage seines Essai in der Form π(x) = A lnxx+B aussprach und in der zweiten Auflage dahingehend pr¨ azisierte, dass A = 1 und B ≈ 1,08366 ist. Dass A = 1 und B ≈ 1,08106 ist, schreibt Legendre erstmals in einem Brief45 an den Stuttgarter Lehrer Christian Friedrich Kausler 46 ¨ von Eulers Algebra aus dem vom 10. April 1801; nach dessen Ubersetzung ¨ Franz¨osischen mit den Zus¨atzen Lagranges hatte er sich an die Ubersetzung von Legendres Essai gemacht. Ob er diese vollendet hat, ist mir nicht bekannt; 47 ¨ von der sp¨ateren Ubersetzung durch Michael Creizenach existieren noch Exemplare, von denen ich aber keines gesehen habe. Auch u ¨ber den Verbleib von ¨ Kauslers Ubersetzung des Diophant ist nichts bekannt. 45

Eine Transkription dieses Briefes findet man in [Lemmermeyer & Verdier 2022]. Im Anhang von [Kausler 1796] stellt er eigene Ergebnisse vor, n¨ amlich Untersuchungen zur Faktorisierung von Zahlen (neben der Fermatschen Methode erw¨ ahnt er auch die auf S. 317 besprochene Methode von Schafgotsch) und einen Beweisversuch f¨ ur die Fermatsche Vermutung mit Exponent 3, der allerdings ebensowenig taugt wie sein sp¨ aterer Beweis f¨ ur den Exponenten 6. 47 Siehe [Creizenach 1829]. 46

358

8 Lagrange und Legendre

Es ist nur leicht u ¨bertrieben, wenn man feststellt, dass Legendre 1785 und 1798 Probleme formuliert hat, deren L¨osung die Zahlentheoretiker des 19. Jahrhunderts besch¨aftigen w¨ urden: Das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz, die Theorie quadratischer und tern¨arer quadratischer Formen, den Dirichletschen Satz u ¨ber Primzahlen in arithmetischer Progression, den Primzahlsatz, oder das Problem der Gitterpunkte in Kreisen. F¨ ugt man dieser beeindruckenden Liste noch die Theorie der elliptischen Integrale dazu, dann muss man dieser Sammlung f¨ ur die Zahlentheorie eine ¨ahnliche Bedeutung zuweisen wie den 23 Problem, die Hilbert ein Jahrhundert sp¨ater als richtungsweisend f¨ ur die Mathematik des 20. Jahrhunderts zusammengestellt hat.

Aufgaben 8.1 Sir John Leslie ist ein wenig bekannter Mathematiker. In Deutschland haben diverse Autoren48 seine Methode zum L¨ osen quadratischer diophantischer Gleichungen ausf¨ uhrlich dargestellt. Wie Euler nutzt Leslie die Faktorisierung einer l¨ osbaren diophantischen Gleichung aus. Ist AB = CD, so gilt f¨ ur jede rationale Zahl m auch A · mB = C · mD, und wenn man A = mD setzt, folgt 1 B= m C. Um etwa eine gegebene rationale Zahl als Differenz zweier Quadrate zu schreiben, setzt Leslie die gegebene Zahl in der Form ab an und hat dann x2 −y 2 = ab, b also (x + y)(x − y) = ab. Mit x + y = ma und x − y = m folgt dann x = b+a 2 b−a und y = 2 . L¨ ose auf analoge Art die diophantische Aufgabe, eine Summe zweier Quadrate als Summe zweier anderer Quadrate zu schreiben. 8.2 Beweise die Formeln (x2 + ay 2 )(p2 + aq 2 ) = (px − aqy)2 + a(py + qx)2 = (px + aqy)2 + a(py − qx)2 , aus [Legendre 1798, art. 231] durch Ausmultiplizieren der Ausdr¨ ucke √ √ √ √ (x + y −a )(p + q −a ) bzw. (x + y −a )(p − q −a ). 8.3 Zeige, dass aus der Produktformel f¨ ur Summen zweier Quadrate folgt, dass (a2 + b2 + c2 + d2 )(x2 + y 2 ) ebenfalls eine Summe von vier Quadraten ist. 8.4 Bruce Reznick schreibt in The secret lives of polynomial identities“: ” 48 Leslies Methode, die dieser in [Leslie 1790] vorgestellt hatte, findet sich bei [Buchner 1838] und [Berkhan 1856].

8.7 Legendres Verm¨achtnis

359

Not all identities are interesting, of course. Sometimes they’re just a consequence of linear dependence. For example, who cares that (x + 2y)2 + (2x + 3y)2 + (3x + 4y)2 = 14x2 + 40xy + 29y 2 ? The left hand side has to equal . . . some binary quadratic form. Zeige, dass die quadratische Form 14x2 + 40xy + 29y 2 zur Form 2x2 + 3y 2 aquivalent ist, und dass die obige Identit¨ at durch eine geeignete Substitution ¨ aus (x + y)2 + (x − y)2 + y 2 = 2x2 + 3y 2 entsteht, die zeigt, dass die Form (2, 0, 3) eine Summe dreier Quadrate ist. osungen im 8.5 Zeige, dass die Gleichung 101 = a2 + b2 + c2 vier verschiedene L¨ Sinne von Legendre besitzt, und dass es (ebenfalls im Sinne von Legendre) acht Klassen quadratischer Formen mit Determinante 101 gibt: Formen P 2

y + 101z

2

Formen Q 2

2y + 2yz + 51z 2

6y 2 + 2yz + 17z 2

3y 2 + 2yz + 34z 2

5y 2 + 4yz + 21z 2

7y 3 + 4yz + 15z 2

9y 2 + 8yz + 13z 2 10y 2 + 6yz + 11z 2 8.6 Legendre behauptet in seinen Recherches (S. 513), dass eine Primzahl der Form p = 8n − 1 genau dann von der tern¨ aren Form x2 + y 2 + 2z 2 dargestellt wird, wenn 2p Summe dreier Quadrate ist. Beweise diese Behauptung. 8.7 Zeige: Ist N Summe dreier Dreieckszahlen, dann ist 8N + 4 Summe dreier Quadrate. Folgere daraus: L¨ asst sich jede nat¨ urliche Zahl als Summe dreier Dreieckszahlen schreiben, dann ist jede nat¨ urliche Zahl auch Summe von vier Quadratzahlen.

9

Gauß

Abb. 9.0.1. Carl-Friedrich Gauß. Gem¨ alde von Christian Albrecht Jensen

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_9

362

9 Gauß

Carl-Friedrich Gauß ist zweifellos der gr¨oßte Mathematiker, den Deutschland hervorgebracht hat. Obwohl er kaum direkte Sch¨ uler hatte, pr¨ agte er eine ganze Generation deutscher Zahlentheoretiker mit seinem Jahrhundertwerk Disquisitiones Arithmeticae1 . Sch¨ uler kennen seinen Namen vor allem durch das Gaußsche Eliminationsverfahren“, das bereits die Chinesen entwickelt ” haben und das ab dem Ende des 19. Jahrhunderts nach Gauß benannt wurde2 , und von der Gaußschen Normalverteilung.

9.1 Carl Friedrich Gauß ¨ Carl Friedrich Gauß wird am 30. April 1777 in Braunschweig geboren3 . Uber seine Eltern berichtet er selbst in einem Brief vom 15. April 1810 an Minna Waldeck, mit der er sich nach dem fr¨ uhen Tod seiner ersten Frau verlobt hatte: Meine Großv¨ater wohnten auf dem Lande und waren, wenn auch nicht ganz, so doch halb was man Bauren nennt. Mein Großvater v¨aterlicherseits zog um das Jahr 1740 nach Braunschweig, wo er sich etablirte und haupts¨achlich von G¨artnerei n¨ahrte. Er hat drei S¨ohne gehabt, wovon mein Vater der zweite war, aber die beiden andern starben viel fr¨ uher als mein Vater, der seit zwei Jahren todt ist. [. . . ] Mein Vater war zweimal verheirathet. Aus der ersten Ehe hat er einen noch lebenden Sohn, 9 Jahre ¨alter wie ich [. . . ]. Meine Mutter, f¨ unf Meilen von Braunschweig geb¨ urtig, kam um das Jahr 1769 nach Braunschweig und hat dort mehrere Jahre als Magd gedient. Sie heirathete 1776 meinen Vater, und hat weiter keine Kinder gehabt als mich. Ihre Ehe war nicht gl¨ ucklich, aber haupts¨achlich durch ¨ außere Umst¨ ande, und weil die beiden Charaktere nicht zusammen paßten. Auf der Volksschule f¨allt der kleine Gauß auf, als er eine Summe von Gliedern einer arithmetischen Reihe im Handumdrehen berechnet anstatt, wie die andern Kinder, die Zahlen nacheinander aufzuaddieren. Sein Lehrer verschafft dem Achtj¨ahrigen daraufhin ein eigenes Rechenbuch, und zwar dasjenige von Remer4 . Bemerkenswerterweise rechnet Remer in seinem Buch vor, dass die 1

Dieses Buch [Gauß 1801] wurde in viele verschiedene Sprachen u ¨bersetzt. Das Standardwerk zur historischen Einordnung der Disquisitiones ist [Goldstein, Schappacher & Schwermer 2007]. 2 Siehe [Grcar 2011]. 3 Unter den zahlreichen Biographien heben wir diejenigen von [Biegel & Reich 2005], [B¨ uhler 1987], [Wußing 1974] und [Dunnington 1935], sowie [Biermann 1990] hervor. 4 Das Buch [Remer 1737], und in noch gr¨ oßerem Ausmaß das Rechenb¨ uchlein [Leiste 1790], haben den jungen Gauß entscheidend beeinflusst; siehe etwa [Maennchen 1918], sowie [Siebeneicher 2010, Siebeneicher 2011]. Mehr u ¨ber die Bibliothek des jungen Gauß findet man bei [K¨ ussner 1979] und [Reich 2005]; insbesondere hat Gauß 1798 das Mercatorio–Arithmeticum von Valentin Heins erworben.

9.1 Carl Friedrich Gauß

363

Abb. 9.1.1. Auszug aus dem Brief von Gauß an Minna Waldeck vom 15. April 1810

Reste der Potenzen von 3 bei Teilung durch 7 gleich 1, 3, 2, 6, 4, 5 sind und sich dann wiederholen. Dies ist im Wesentlichen der kleine Fermatsche Satz (samt Beweisidee). Das Sieb des Eratosthenes findet sich ebenso in Remers Buch wie die Fermatsche Faktorisierungsmethode, ein Beweis des Euklidschen Lemmas oder die euklidische Konstruktion vollkommener Zahlen. Wirklich gef¨ordert wird der kleine Junge aber von seinem Hilfslehrer Johann Christian Martin Bartels. Dieser ist am 12. August 1769 in Braunschweig geboren. 1783 findet er eine Anstellung als Assistent des Lehrers B¨ uttner an der Katherinenschule in Braunschweig. Wie Gauß nach ihm besucht er erst das Collegium Carolinum in Braunschweig, wo er den Professor f¨ ur Mathematik, Physik und Naturgeschichte, Eberhard August Wilhelm von Zimmermann (1743–1815), kennenlernt, und studiert ab 1791 in Helmstedt bei Pfaff und in G¨ottingen bei K¨astner Mathematik. Nach Anstellungen in der Schweiz kommt er nach Braunschweig zur¨ uck; Pl¨ane, wonach f¨ ur Gauß eine Sternwarte eingerichtet und Bartels die Leitung der h¨oheren Schulen u ¨bertragen werden sollten, zerschlagen sich, als Herzog Carl Wilhelm Ferdinand bei der Schlacht von Jena und Auerstedt verwundet wird und kurz darauf seinen Verletzungen erliegt. Bartels bem¨ uht sich erfolgreich um eine Professur an der neu gegr¨ undeten Universit¨at Kasan in Russland; einen Ruf dorthin hatte er 1805 abgelehnt. Einer seiner Sch¨ uler dort war Nikolai Lobatschewski. 1821 ging Bartels an die Universit¨at Dorpat, wo er im Dezember 1836 starb5 . Herzog Ferdinand von Braunschweig erm¨oglicht dem jungen Gauß mit 11 Jah¨ ren den Ubertritt auf das Katharineum Gymnasium und 5 Jahre sp¨ ater auf das Karolinum, eine Art Kolleg zur Vorbereitung auf die Universit¨ at. Das Katharineum war eine von zwei Stadtschulen in Braunschweig, die zu Beginn des 15. Jahrhunderts auf Wunsch des Stadtrats (und mit Erlaubnis des Gegenpapsts Johannes XXIII nebst sp¨aterer Best¨ atigung durch Papst Martin V.) gegr¨ undet worden waren; diese sollten nicht dem Klerus unterstellt sein und nicht nur der Ausbildung von Priestern und M¨ onchen, sondern der aller B¨ urger dienen. Bereits 1647 hatte Braunschweig die allgemeine Schulpflicht eingef¨ uhrt, wenn auch nicht mit Zwang durchgesetzt; erst 1752 wurde den Predigern verboten, ein Kind zur Konformation anzunehmen, das nicht mindestens ein Jahr ei5

Im Vorwort seiner Vorlesungen u ¨ber mathematische Analysis gibt Bartels viele Details u ¨ber seine Biographie.

364

9 Gauß

Abb. 9.1.2. Fricke Tweedorp bringt 1415 die Gr¨ undungsurkunde der Stadtschulen St. Martini und St. Katharini von Konstanz nach Braunschweig.

ne der obersten Klassen besucht hatte. Die Zust¨ ande an den Schulen waren allerdings teilweise katastrophal: Der Septimus, also der Lehrer der siebten (untersten) Klasse, ist 1740 verhungert, und der Sextus war zu schwach, um zu unterrichten6 . Eine heute kaum noch bekannte Einnahmequelle der Lehrer im 17. und fr¨ uhen 18. Jahrhundert waren die Leichengelder, welche sie erhielten, wenn sie ihre Sch¨ uler dazu anhielten, verstorbene B¨ urger im Leichenzug zum Grab zu begleiten. Das erste Mathematikbuch, das Gauß mit 14 Jahren anschafft, ist heute noch uhe 20. Jahrhundert u erhalten7 . Wie bis ins fr¨ ¨blich ließ Gauß sich das Buch durchschießen“: dabei wurde das Buch neu gebunden und dabei zwischen ” jedes Blatt des Buchs ein unbeschriebenes Blatt Papier eingelegt, auf das der Leser allerlei Nebenrechnungen und Bemerkungen notieren konnte. Unter den Gaußschen Aufzeichnungen aus diesen fr¨ uhen Tagen kommt bereits eine Darstellung einer elliptischen Funktion als unendliches Produkt vor. 6

Siehe [Kehrbach 1886, S. C–CII] und [Biegel & Reich 2005, S. 26]. Die L¨ osung des finanziellen Problems, die sp¨ ater auch das Martineum kopierte, war denkbar einfach: Anstatt das f¨ urstliche Budget oder den Milit¨ arhaushalt zu k¨ urzen, wurde die Anzahl der Klassen von sieben auf sechs und sp¨ ater sogar auf f¨ unf verringert. ¨ Ahnlichkeiten mit heutigen Bildungsreformen wie G8 sind nat¨ urlich rein zuf¨ allig. 7 Es handelt sich um das von Christian Leiste verfasste Buch [Leiste 1790].

9.1 Carl Friedrich Gauß

365

Jahr

Ereignis

1777 1784 1788

Gauß wird am 30. April in Braunschweig geboren. Gauß besucht die Katharinen-Volksschule in Braunschweig Gauß wechselt an das Katharineum. Preußen f¨ uhrt das Abitur als Zugangsberechtigung zum Universit¨ atsstudium ein. Gauß besucht das Collegium Carolinum. Er beginnt, Arbeiten von Newton, Lagrange und Euler zu lesen und erwirbt Jakob Bernoullis Ars conjectandi. Gauß immatrikuliert sich in G¨ ottingen. (29.03.) Erster Eintrag im Tagebuch u ¨ber die Konstruktion des regelm¨ aßigen 17-Ecks. Gauß kehrt nach Braunschweig zur¨ uck. Promotion bei Pfaff u ¨ber den Fundamentalsatz der Algebra. Ver¨ offentlichung der Disquisitiones Arithmeticae. Berechnung der Bahn der Ceres. England erkl¨ art Frankreich den Krieg; Napoleon l¨ asst das von George III. regierte Hannover besetzen. Gauß heiratet Johanna Osthoff. Preußen erkl¨ art Frankreich den Krieg; Herzog Carl-Wilhelm stirbt nach der Schlacht von Jena-Auerstedt. Gauß erf¨ ahrt die Identit¨ at von Sophie Germain. Gauß wird zum Direktor der Sternwarte G¨ ottingen ernannt. Sein Vater stirbt im Alter von 64 Jahren. Seine Frau Johanna stirbt. Gauß heiratet ein Jahr sp¨ ater Minna Waldeck. Die Gebr¨ uder Grimm ver¨ offentlichen ihre erste Sammlung von M¨ archen. Metternich macht Napoleon im Juni ein Friedensangebot, das dieser mit den Worten Ein Mann wie ich scheißt auf das Leben von einer Million ” Menschen“ ablehnt. Drei Monate sp¨ ater wird Napoleon durch die Niederlage in der V¨ olkerschlacht bei Leipzig zum R¨ uckzug aus Deutschland gezwungen. Der Wiener Kongress ordnet Europa nach der Niederlage Napoleons. Napoleon kehrt aus seinem Exil zur¨ uck, wird aber bei Waterloo endg¨ ultig geschlagen. Gauß wird mit der Vermessung des K¨ onigreichs Hannover beauftragt. Gauß ver¨ offentlicht seine Untersuchungen u ummung von ¨ber die Kr¨ Fl¨ achen. Wilhelm Weber wird Nachfolger von Johann Tobias Mayer. Gauß und Weber installieren den ersten elektromagnetischen Telegraphen zwischen Webers Labor und der Gaußschen Sternwarte. Die G¨ ottinger Sieben protestieren gegen die Aufhebung der Verfassung von 1833 und werden entlassen. Zu ihnen geh¨ oren die Gebr¨ uder Grimm, Gauß’ Schwiegersohn Heinrich Ewald, und sein Freund und Kollege Wilhelm Weber. In der M¨ arzrevolution k¨ ampfen Deutsche f¨ ur demokratische Reformen und einen deutschen Nationalstaat; die Erfolge sind aber nur von kurzer Dauer. Gauß stirbt am 23. Februar in G¨ ottingen.

1792

1795 1796 1798 1799 1801 1803 1805 1806

1807 1809 1812 1813

1814

1820 1828 1831 1833 1837

1848

1855

Tabelle 9.1. Zeittafel Gauß

366

9 Gauß

Dass Gauß als Studienort G¨ottingen und nicht die Landesuniversit¨ at Helmstedt gew¨ahlt hat, d¨ urfte auch an der dortigen Bibliothek gelegen haben: In G¨ ottingen hat er nun Zugang zu den großen Werken seiner Vorg¨ anger und liest sich durch Euler, Lagrange und Legendre. Seine zahlentheoretischen Interessen gehen jetzt in die Tiefe, und er beginnt bereits mit Arbeiten an seinem Buch Disquisitiones Arithmeticae. Der Mathematikprofessor an der Universit¨ at G¨ottingen, Abraham Gotthelf K¨astner8 , wird ihm nicht viel beigebracht haben; Gauß sagte sp¨ater u ¨ber ihn, dieser sei der erste Mathematiker unter den Dichtern und der erste Dichter unter den Mathematikern gewesen.

Abb. 9.1.3. Von Gauß gezeichnete Karikatur K¨ astners vor einem Tafelanschrieb mit einer fehlerhaften Addition. In der linken oberen Ecke steht eine Skizze zum euklidischen Beweis des Satzes von Pythagoras. SUB G¨ ottingen. Wolfgang Bolyai schrieb darunter: Diese Zeichnung hat Gauß in einem Sitz gemacht, die Addition ” ist mit Absicht falsch, um K¨ astner auch damit zu charakterisieren.“

Beim Studium der Literatur nach seiner Ankunft in G¨ ottingen im Herbst 1795 bemerkt Gauß, dass Euler und Legendre ihm zwar mit der Formulierung des goldenen Satzes“ zuvorgekommen waren, dass aber Euler gar keinen und ” 8

Abb. 9.1.3 zeigt eine von Gauß gezeichnete Karikatur von K¨ astner, einschließlich eines absichtlich eingebauten Rechenfehlers. Siehe auch [Kr¨ oger 2014].

9.1 Carl Friedrich Gauß

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Legendre nur einen unvollst¨andigen Beweis geliefert hatten. In einem Brief9 vom 19. Oktober 1795 an Zimmermann10 schreibt Gauß: Ich habe die Bibliothek gesehen und verspreche mir davon einen nicht geringen Beitrag zu meiner gl¨ ucklichen Existenz in G¨ottingen. Ich habe schon mehrere B¨ande von den Comment. Acad. Petrop. im Hause, und eine noch gr¨oßere Anzahl habe ich durchbl¨ attert. Ich kann nicht leugnen, daß ich den gr¨oßten Teil meiner sch¨onen Entdeckungen in der unbestimmten Analytik nur zum zweiten Male gemacht habe. Was mich tr¨ ostet, ist dieses: Alle Entdeckungen Eulers, die ich bis jetzt gefunden habe, habe ich auch gemacht, und noch einige mehr. Im September 1798 kehrt Gauß nach Braunschweig zur¨ uck; er beantragt weitere finanzielle Zuwendungen bei Herzog Ferdinand, die ihm gew¨ ahrt werden unter der Auflage, dass er Dr. der Philosophie“ wird. Die Arbeit an sei” ner Doktorarbeit nimmt Gauß nach Abschluss seiner Disquisitiones auf, und zwar gibt er dort den ersten strengen Beweis des Fundamentalsatzes der Algebra. Verz¨ogerungen beim Druck der Disquisitiones sorgen daf¨ ur, dass die Doktorarbeit bereits 1799, die Disquisitiones dagegen erst 1801 erscheinen. Die m¨ undliche Pr¨ ufung wird Gauß erlassen, und er wird am 16. Juli 1799 in Abwesenheit an der braunschweigischen Landesuniversit¨ at Helmstedt promoviert; begutachtet wird seine Dissertation von Johann Friedrich Pfaff. Seine Dissertation und noch viel mehr seine Disquisitiones beeindrucken die großen Mathematiker seiner Zeit; ber¨ uhmt wird Gauß aber durch eine aufsehenerregende Arbeit auf dem Gebiet der Astronomie.

Neue Planeten Am 1. Januar 1801 findet Piazzi einen schwachen Stern“, der sich in den ” n¨achsten Tagen als Wandelstern entpuppt. In seiner Publikation nennt Piazzi den Himmelsk¨orper vorsichtig einen Kometen, obwohl er bereits den Verdacht hegt, es k¨onne sich hier um einen Planeten handeln. Da das neue Objekt bald hinter der Sonne verschwindet, kann Piazzi nicht gen¨ ugend Daten sammeln, um daraus mit den damals existierenden mathematischen Methoden dessen Bahn zu bestimmen und um den Planeten wiederentdecken zu k¨onnen, wenn er sp¨ater wieder auftauchen w¨ urde. Der junge Carl 9

Der Briefwechsel von Gauß wurde relativ ausf¨ uhrlich publiziert; so liegen seine Korrespondenz mit Schumacher, von Humboldt, Bessel, W. Bolyai, Olbers und Gerlinger in gedruckter Form vor. Weiter existiert eine Liste des kompletten Briefwechsels auf https://gauss.adw-goe.de/ und https://www.hs.uni-hamburg.de/ DE/GNT/gauss/register.htm. 10 Siehe [Poser 1987, S. 19–22].

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Friedrich Gauß entwickelt daraufhin neue Methoden, womit ihm die Bestimmung der Bahndaten gelingt; der Planetoid wird in der Nacht vom 31.12.1801 auf den 01.01.1802 von Freiherr Franz Xaver von Zach und eine Nacht sp¨ ater auch von Heinrich Wilhelm Olbers exakt an der Stelle wiedergefunden, die Gauß vorhergesagt hatte. Piazzi nennt ihn Ceres. Guiseppe Piazzi hatte sich im Fr¨ uhjahr 1787 bei Lalande in Paris Ratschl¨ age f¨ ur den Bau eines Observatoriums in Palermo holt. Im September reiste er nach London, um sich am Royal Greenwich Observatorium umzusehen. Auf dem Weg dorthin trifft er in Calais Cassini, Legendre und M´echain und isst mit ihnen am 21. September zu Abend11 . F¨ ur Gauß waren die Entdeckung der Planetoiden so wichtig, dass er seine ersten drei Kinder nach deren Entdecker benannte: Joseph (1806–1873), Wilhelmine (1808–1840) und Louis (1809–1810) nach Giuseppe Piazzi (Ceres 1801), Wilhelm Olbers (Pallas 1802, Vesta 1807) und Ludwig Harding (Juno 1804). Die drei Kinder mit seiner zweiten Frau waren Eugen, Wilhelm und Therese. Der Tod seiner ersten Frau 1806 zieht sich Herzog Ferdinand bei der Schlacht von Jena letztendlich t¨odliche Verwundungen zu; Gauß betrachtet seine Aussichten in Braunschweig als recht d¨ uster und nimmt daher eine Berufung nach G¨ ottingen an. Die ersten Jahre in G¨ottingen sind alles andere als leicht: Die Stadt ist von den Franzosen besetzt, und Gauß werden Zwangsanleihen auferlegt, die er nur mit Hilfe eines anonymen Spenders aus Frankreich bezahlen kann12 . Der Tod seiner geliebten ersten Frau f¨allt ebenfalls in diese Jahre, und hat Gauß schwer getroffen. An seinen Freund Olbers schreibt er am 12. Oktober 1809, einen Tag nach Johannas Tod13 : Sie luden mich so freundlich ein, Sie zu besuchen, wenn meine Frau sich wohl bef¨ande. Jetzt befindet sie sich wohl. Gestern Abend um 8 Uhr habe ich ihr die Engelsaugen, in denen ich seit f¨ unf Jahren einen Himmel fand, zugedr¨ uckt. Der Himmel gebe mir Kraft, diesen Schlag zu tragen. Erlauben Sie mir jetzt, theurer Olbers, bei Ihnen ein paar Wochen in den Armen der Freundschaft Kr¨ afte f¨ ur das Leben zu sammeln, das jetzt nur als meinen drei unm¨ undigen Kindern geh¨orend Werth hat. Erlaubt es der Arzt, so komme ich vielleicht diesem Briefe schon in ein paar Tagen nach. In Nachlass von Gauß wurde eine geschriebene Totenklage gefunden, in welcher er versucht hat, mit seinem Schmerz fertig zu werden. Dort heißt es: 11

Mehr dar¨ uber findet man bei [D´ebarbat 2001]. Siehe [Mania 2009, Kap. 8]. 13 F¨ ur den Brief an Olbers und die handschriftliche Notiz siehe [B¨ uhler 1987, S. 62]. 12

9.1 Carl Friedrich Gauß

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Siehst Du geliebter Schatten meine Thr¨anen? Du kanntest ja, solange ich dich die meine nannte, keinen Schmerz, als den meinigen, und brauchtest zu Deinem Gl¨ ucke Nichts, als nur mich froh zu sehen! Selige Tage! Ich armer Thor konnte ein solches Gl¨ uck f¨ ur ewig halten, konnte w¨ahnen, Du einst verk¨orperter und jetzt wieder neu verkl¨arter Engel seyst bestimmt, mein ganzes Leben hindurch aIle die kleinlichen B¨ urden des Lebens mir tragen zu helfen? Womit hatte ich denn dich verdient? Gauß heiratet ein Jahr sp¨ater die Freundin seiner Frau, Minna Waldeck, Tochter eines Professors der Rechtswissenschaften in G¨ ottingen.

Abb. 9.1.4. Carl-Friedrich Gauß

Den Tod seiner ersten Frau hat Gauß nie verschmerzt; am 7. Januar 1810 schreibt er an Bessel: Meine Gem¨ utsverfassung ist jetzt so weit wieder hergestellt, dass ich zu Geistesarbeiten wieder f¨ahig bin, aber die Lust daran fehlt. Ich arbeite bloß, um Besch¨aftigung zu haben, und f¨ uhle weder etwas von der ehemaligen unnennbaren Satisfaction, wenn mir etwas gelingt, noch sonderliches Missvergn¨ ugen beim Gegentheil.

Vermessung des K¨ onigreichs Hannover Nach dem Abzug der Franzosen kommt G¨ottingen wieder unter Hannoveraner Herrschaft, und die Zust¨ande bessern sich. Allerdings wird Gauß jetzt zu Vermessungsarbeiten im K¨onigreich Hannover herangezogen.

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9 Gauß

1818 beginnt er mit Vermessungen im Zusammenhang mit dem Anschluss an die Triangulation D¨anemarks durch H.C. Schumacher, danach verbindet er die Sternwarten von G¨ottingen und Altona und setzt die Triangulation bis an die niederl¨andische Grenze fort. F¨ ur die sp¨ater gemachten Vermessungen von Hannover f¨ uhrt Gauß die Rechnungen durch. Als Produkt dieser m¨ uhsamen Plagerei14 fallen immerhin seine Arbeiten u ummung von Fl¨ achen ¨ber die Kr¨ ab.

Die G¨ ottinger Sieben Nach dem Ende der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover besteigt Ernst August I im Jahre 1837 den Thron des K¨ onigreichs Hannover. Seine erste Amtshandlung war die Aufhebung der Verfassung zum 1. November 1837. Daraufhin reichen die G¨ottinger Sieben, n¨amlich Wilhelm und Jacob Grimm, Wilhelm Eduard Albrecht, Friedrich Christoph Dahlmann, Georg Gottfried Gervinus, Wilhelm Eduard Weber und Heinrich Georg August Ewald, am 18.11. einen schriftlichen Protest ein. Eine Kopie kam Studenten in die H¨ ande, und nach wenigen Tagen sind Hunderte von Kopien im Umlauf, und auch die ausl¨andische Presse berichtet u ¨ber den Vorfall. Am 12. Dezember werden die Professoren von Ernst August I entlassen, und drei von ihnen, Friedrich Dahlmann, Jacob Grimm und Georg Gottfried Gervinus, werden des Landes verwiesen; Hunderte von Studenten verabschiedeten sich von den dreien an der Grenze zu Hessen. Ob die Unterst¨ utzung der G¨ ottinger Sieben wesentlich u ¨ber Teile der Studentenschaft hinausging, darf bezweifelt werden. Ernst August anzerinnen und Huren soll15 die Aktion so kommentiert haben: Professoren, T¨ ” kann man u ur Geld wiederhaben.“ ¨berall f¨

Die letzten Jahre W¨ahrend der ersten 25 Jahre nach dem Erscheinen seiner Disquisitiones gab es in Deutschland niemanden, der mit diesem Buch etwas anzufangen wusste, und auch in Frankreich lasen diejenigen, die sich f¨ ur Zahlentheorie interessierten, eher das Lehrbuch von Legendre. Dies ¨anderte sich erst Ende der 1820er, als Abel und Jacobi ihren Wettlauf um die Theorie der elliptischen Funktionen begannen. Gauß verfolgte das Rennen interessiert, machte sich aber bei seinen Zeitgenossen unbeliebt mit seinen Behauptungen, den Großteil der Resultate Abels und Jacobis schon seit langem besessen zu haben. Dies entsprach 14

Siehe [Reich 2002] und [Lelgemann 2011]. Nach Wilhelm Grimm (Brief an Gustav Hugo vom 23. April 1842) hat er dies in Berlin zu Alexander von Humboldt gesagt. 15

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Abb. 9.1.5. Denkmal f¨ ur Gauß und Weber in G¨ ottingen.

zwar, wie die Papiere in seinem Nachlass eindr¨ ucklich belegten, durchaus der Wahrheit, wurde von der nachwachsenden Generation aber nicht gerade als vorbildhaftes Verhalten angesehen. Die Tatsache, dass seine Werke nun auch in Deutschland goutiert werden ¨ konnten, mag mit dazu beigetragen haben, dass Gauß seine Uberlegungen zum Reziprozit¨atsgesetz der vierten Potenzreste 1825 und 1831 zumindest in Teilen ver¨offentlichte. Jacobi und Dirichlet, sp¨ ater auch Eisenstein und

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9 Gauß

Kummer, st¨ urzten sich auf die Gaußschen Andeutungen und entwickelten eine Theorie der h¨oheren Potenzreste, aufbauend auf dem siebten Abschnitt der Disquisitiones. In seinen letzten Jahren hatte Gauß noch zwei außerordentlich begabte Studenten, n¨amlich Bernhard Riemann (1826–1866), der in seinem im Beisein von Gauß gehaltenen Habilitationsvortrag den Grundstein f¨ ur die Differentialgeometrie in h¨oherdimensionalen R¨aumen legte, und Richard Dedekind (1831–1916), dessen Gedanken zu den Grundlagen der Mathematik und der abstrakten Algebra die Entwicklung der Mathematik im 20. Jahrhundert ganz wesentlich beeinflussten. Gauß starb am fr¨ uhen Morgen des 23. Februars 1855 in G¨ ottingen und wurde dort auf dem Albani-Friedhof begraben.

9.2 Reaktionen Der gnadenlos strenge Aufbau der Disquisitiones ist sicherlich kein Zufall: Gauß ging es um die Einf¨ uhrung euklidischer Strenge in die Arithmetik. William Kingdon Clifford schrieb16 [. . . das Ziel jedes wissenchaftlichen Studenten in jedem Fach war es, sein Wissen in diesem Fach in eine so vollkommene Form zu bringen wie diejenige, welche die Geometrie erreicht hat. Gauß hat diese Strenge nicht der leichteren Lesbarkeit opfern wollen; insbesondere hat der Abschnitt u ¨ber quadratische Formen den meisten seiner Lesern zu viel abverlangt. Die erste Reaktion aus Frankreich auf die Ver¨ offentlichung der Disquisitiones17 kommt von Legendre: Dieser hat bereits im Januar 1802 einen Vortrag u ¨ber das Werk des deutschen Geometers Charles Fr´ed´eric Bruce“ gehalten18 . ” Delambre schreibt in seinem Bericht u ¨ber die Gaußsche Entdeckung der Konstruktion des regelm¨aßigen 17-Ecks: Diese wichtige und besondere Entdeckung gelangte nach Frankreich u ¨ber einen Brief, der an Legendre adressiert war, welcher dann einen 16

Siehe [Clifford 1901, S. 354]. Die Gaußschen Werke wurden zwischen 1863 und 1933 herausgegeben. Allerdings gen¨ ugt diese Ausgabe heutigen Anspr¨ uchen nicht mehr, und viele Fragmente aus dem Gaußschen Nachlass wurden damals nicht abgedruckt. Auch der Nachdruck der Werke durch Olms (Hildesheim 1981) kann diesen Mangel nicht beheben. 18 Die Rezeption der Disquisitiones und deren Bedeutung f¨ ur die weitere Entwicklung der Mathematik wird nirgendwo ausf¨ uhrlicher untersucht als in [Goldstein, Schappacher & Schwermer 2007, S. 19]. Den hier zitierten Bericht findet man bei [Delambre 1808, S. 68]. 17

9.2 Reaktionen

Abb. 9.1.6. Grab von Gauß auf dem Albani-Friedhof in G¨ ottingen

Beweis dieses Satzes im Spezialfall der Gleichung x17 − 1 = 0 gab, und welche auf der Summation von Werten des Cosinus f¨ ur B¨ogen in arithmetischer Progression beruhte.

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Lacroix u ¨bernimmt die Aufl¨osung der Gleichung xp − 1 = 0 bereits 1804 in die 3. Auflage seines Lehrbuchs der Algebra19 , und auch Peter Barlow pr¨asentiert die Gaußsche Theorie in seinem 1811 erschienenen Lehrbuch der Zahlentheorie20 . Schon 1805 schreibt Poullet-Delisle, Lehrer in Orleans, einen Brief an Gauß und ¨außert seine Absicht, die Disquisitiones ins Franz¨ osische zu u ¨bersetzen. Gauß antwortet21 am 16. Juni 1805: Ich habe, mein Herr, Ihren freundlichen Brief erhalten, mit dem Sie mich beehrt haben. Es ist mir ebenso angenehm wie schmeichelhaft, dass die Untersuchungen, welche in meinem Werk enthalten sind, welchen ich den besten Teil meiner Jugend gewidmet habe, und welche die Quelle meiner sch¨onsten Freuden waren, so viele Freunde in Frankreich gefunden haben; dies ist g¨anzlich verschieden von ihrem Los, das sie in Deutschland gefunden haben, wo der Geschmack f¨ ur die schwierigsten Teile der reinen Mathematik nur ganz wenigen Personen zu eigen ist. Ich begl¨ uckw¨ unsche mich, dass mein Werk in Ihnen einen ¨ so t¨ uchtigen Ubersetzer gefunden hat. Leider lassen mir gegenw¨artig andere Besch¨aftigungen, vor allem die Astronomie, so wenig Zeit, dass ich nicht daran denken kann, mich mit Eifer meiner geliebten Arithmetik zuzuwenden; ich bin mit mehreren Arbeiten besch¨aftigt, die einen langen Atem erfordern, und es wird wohl einige Jahre dauern, bevor ich in der Lage sein werde, zu dieser sch¨onen Wissenschaft zur¨ uckkehren zu k¨ onnen und all die sonderbaren Untersuchungen auszuarbeiten, welche ich schon vor langer Zeit gemacht habe und die ein oder zwei B¨ ande bilden und das 1801 ver¨offentlichte Werk fortsetzen w¨ urden. Dieser Stoff ist so fruchtbar, und ich habe in meinen Unterlagen so viel Interessantes, dass dessen Ausdehnung mindestens so groß ist wie das bereits ver¨ offentlichte ¨ Material. Ich bin daher der Meinung, dass Sie in Ihrer Ubersetzung nichts vom ersten Band weglassen sollten. Ich weiß auch nicht, ob ich, sollte ich eines Tages einen neuen Band dieses Werks vollendet haben, so einfach die H¨ urden u ¨berwinden kann, welche in Deutschland einer Ver¨offentlichung entgegenstehen. Unsere B¨ uchereien haben Angst, hier mitzumischen, weil der Geschmack f¨ ur diese Dinge bei uns im Allgemeinen nicht sehr groß ist. Die Ausdehnung des Materials ist viel zu groß um daraus einen Artikel f¨ ur die Verhandlungen einer der Akademien zu machen, deren Mitglied 19

Er beginnt seine Ausf¨ uhrungen mit dem Beweis des kleinen Fermatschen Satzes, geht auf die Existenz von Primitivwurzeln ein und gibt dann die Aufl¨ osung der Gleichung x17 − 1 = 0 unter Verweis auf die Gaußschen Disquisitiones; dabei f¨ uhrt er den Begriff der Kongruenz nicht ein. Siehe [Lacroix 1804, S. 294–315]. 20 Siehe [Barlow 1811]; Barlow benutzt dabei nicht den Begriff der Kongruenz. 21 Der Brief wurde in [de Jonqui`eres 1896] abgedruckt.

9.2 Reaktionen

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ich bin, und ich besitze nicht die Mittel, um dies auf eigene Kosten drucken zu lassen, oder mich der Unehrlichkeit ausl¨ andischer Buchh¨andler zu unterwerfen, wie es mir beim ersten Band im Allgemeinen passiert ist. So hat beispielsweise ein gewisser Herr X. 1802 von mir 80 Exemplare [. . . ] erhalten und mir keinen Sou gezahlt und auf keinen meiner Briefe geantwortet22 . Ich w¨ unsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Ihr Unterfangen Ihnen auch von dieser Seite vorteilhafter sein wird als es f¨ ur mich gewesen ist. Antoine Charles Marcel Poullet-Delisle wird am 17. Juni 1778 in Janville ge´ ´ boren, und besucht ab 1796 die Ecole Polytechnique und ab 1798 die Ecole des Ponts et Chauss´es. Am 17. Mai 1804 wird er zum Professor f¨ ur Mathematik am Gymnasium in Orl´eans ernannt und sp¨ ater Rektor der Akademien in Bourgs (1815), Angers (1817), und Limoges (1824). Gestorben ist er ¨ am 23. August 1849 in Remoni`ere. Außer mit seiner Ubersetzung der Disquisitiones ist er mathematisch nur noch mit einer Arbeit Application de l’Alg`ebre a ` la g´eom´etrie in Erscheinung getreten. Poullet-Delisle hat sich bei ¨ der Ubersetzung ausf¨ uhrliche Notizen zum Inhalt der Disquisitiones gemacht, die allerdings nie ver¨offentlicht wurden und wohl verloren gegangen sind. Den Eindruck, den die Gaußschen Zeitgenossen von diesem Werk hatten, kann man erahnen, wenn man sich den Bericht von Delambre u ¨ber die Fortschritte der Mathematik von 1789 bis 1808 ansieht. Dort schreibt dieser23 : Gauß hat diese ganze Theorie auf eine vollkommen neue Art behandelt, in einem ¨außerst bemerkenswerten Werk, von welchem wir unm¨ oglich auch nur eine Idee geben k¨onnen, weil alles darin neu ist, bis hin zur Sprache und zur Notation. Die Autoren der Biographie nouvelle des contemporains ver¨ offentlichten 1822 eine bemerkenswerte Einsch¨atzung der Gaußschen Disquisitiones in ihrem Eintrag u ¨ber Gauß: ´ de ´ric), ber¨ GAUSS (Fre uhmter Astronom aus Braunschweig, hat sich mit der Theorie der Gleichungen und der Bewegung einiger Planeten besch¨ aftigt, von welchen er die Bahnen mit gr¨ oßerer Genauigkeit bestimmt hat als man es vor ihm gemacht hatte. Dieser Astronom hat allerdings ein Werk mit dem Titel Disquisitiones Arithmeticae ver¨ offentlicht, nach welchem man nicht versucht ist, den Ergebnissen seiner Beobachtungen großes Vertrauen entgegenzubringen. Auch wenn nichts weniger z¨ahlt als das Vergn¨ ugen schwieriger mathematischer Operationen, f¨allt es doch schwer, das besagte Werk zu 22 Gauß bittet wenig sp¨ ater Le Blanc (Sophie Germain) darum, Informationen u ucher einzuholen. Allem Anschein nach hat sich der ¨ber den Verbleib der B¨ Buchh¨ andler aus Paris zur¨ uckgezogen, nachdem er Insolvenz anmelden musste. 23 Siehe [Delambre 1808, S. 10].

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9 Gauß lesen ohne zu lachen. W¨ urde man uns um eine Analyse bitten, w¨ aren wir wohl ¨ ahnlich ratlos wie die Mathematiker des Instituts in ihrem Bericht, den sie 1810 verfasst haben: Es ist uns unm¨ oglich“, steht ” dort, davon einen Eindruck zu vermitteln, weil alles dort neu ist ” und uns u ¨berfordert, bis hin zur Sprache.“ Der Autor befasst sich dort mit großen Beweisen u ¨ber Dreieckszahlen und geht danach zur Untersuchung von Eigenschaften der Zahlen u ¨ber, welche ihm Gelegenheit geben, Kongruenzen verschiedenen Grades aufzustellen; er zieht Schl¨ usse und verliert dabei die Natur und die Wirkung dieser Kongruenzen aus den Augen24 , welche vollkommen seine eigene Erfindung sind. Die verst¨andlichen Passagen lassen viel Kindisches erkennen. Dieses Werk wurde trotzdem in zwei Sprachen u ¨bersetzt25 und hatte einen Erfolg, nach welchem man versucht w¨are zu glauben, dass Scharlatanerie bisweilen bis in das Gebiet der Mathematik eindringt.

In der Auflage von 1834 steht eine angemessenere W¨ urdigung des Gaußschen Werkes, allerdings hat die erste Besprechung Eingang in den Nachruf auf Gauß in den Proceedings of the Royal Society 7 (1856) gefunden, von welchem Rouse Ball f¨ ur seine Geschichte der Mathematik Gebrauch gemacht hat26 . Diese Episode mag unterstreichen, als wie neu die Zeitgenossen von Gauß die Inhalte der Disquisitiones empfunden haben m¨ ussen, und unter welchen Schwierigkeiten sie sich diese angeeignet haben. Die Gaußschen Ausf¨ uhrungen zur Kreisteilung haben sich dabei zuerst durchgesetzt, ebenso das Rechnen mit Kongruenzen und seine Arbeiten zum quadratischen Reziprozit¨ atsgesetz, zumindest unter den Mathematikern in der ersten Reihe. Der tiefste Teil der Disquisitiones, der Abschnitt V u are quadratische For¨ber bin¨are und tern¨ men, wurde dagegen von kaum jemandem verstanden. Vermutlich ist es nicht u ¨bertrieben zu behaupten, dass vor 1850 nur Dirichlet und Eisenstein den Abschnitt V gewinnbringend studiert haben. Wenn man liest, dass Fermat und Euler vergeblich versucht h¨ atten, ihre Zeitgenossen f¨ ur zahlentheoretische Probleme zu interessieren, dann muss man konstatieren, dass Gauß im ersten Viertel des 19. Jahrhunderts in Deutschland auf dem Gebiet der Zahlentheorie ebenfalls vollkommen isoliert war. Dies 24 Dieser Satz klingt verd¨ achtig nach den Zitaten von Legendre auf den Seiten 340 und 378, mit welchen er begr¨ undet, warum er f¨ ur die Kongruenz kein eigenes Symbol einf¨ uhrt. Trotz der Animosit¨ aten zwischen Legendre und Gauß ist es nur schwer vorstellbar, dass Legendre dieser Besprechung seines Intimfeindes zugestimmt h¨ atte. 25 ¨ Die ersten Ubersetzungen nach Poullet-Delisle waren diejenigen von Maser ins Deutsche (1889), von Winogradow ins Russische (1959), und von Clarke ins Englische (1966). 26 Siehe die Balls Fehler betreffenden Publikationen [Emch 1935] und [Dunnington 1935]. Auch bei [Watson 1933] und [Kline 1972, Band 3, p. 813] findet man die Geschichte, wonach die franz¨ osische Akademie es 1800 abgelehnt habe, die Disquisitiones zu ver¨ offentlichen.

9.3 DA I–IV, VI: Elementare Zahlentheorie

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mag mit ein Grund daf¨ ur gewesen sein, dass Gauß sich lieber mit astronomischen Problemen besch¨aftigte als an der Fortsetzung der Disquisitiones zu arbeiten, f¨ ur die sich in Deutschland vor Dirichlet und Jacobi de facto niemand interessiert hat.

9.3 DA I–IV, VI: Elementare Zahlentheorie Was wir heute als Elementare Zahlentheorie bezeichnen, hieß im 19. Jahrhundert h¨ohere Arithmetik. Die niedere Arithmetik war die ganz banale Lehre vom Rechnen mit Zahlen im Dezimalsystem nebst Anwendungen auf das b¨ urgerliche Rechnen. Die ersten vier Abschnitte der Disquisitiones befassen sich mit h¨ oherer Arithmetik. Die Anfangsgr¨ unde dieser Gaußschen Untersuchungen gehen auf eigene Entdeckungen in seiner Jugend zur¨ uck. Damals hatte er sich mit der ange Umwandlung von Br¨ uchen in Dezimalzahlen besch¨ aftigt27 . Die Periodenl¨ 1 der Dezimalentwicklung von p ist genau dann gleich p − 1, wenn 10 eine Primitivwurzel modulo 10 ist, wenn also jede prime Restklasse modulo p von einer Potenz von 10 repr¨asentiert wird, und ein echter Teiler von p − 1 sonst. Hier spielen der kleine Fermatsche Satz und die Existenz von Primitivwurzeln modulo p hinein. Gauß baut die dahinter steckende Theorie auf seinem Begriff der Kongruenz auf und klassifiziert alle Moduln, nach welchen eine Primitivwurzel existiert. Kongruenzen Zu den Neuerungen bis hin zur Sprache und zur Notation“, welche den Lesern ” der Disquisitiones zu Beginn des 19. Jahrhunderts Schwierigkeiten bereiteten, geh¨ort zu allererst der Begriff der Kongruenz. W¨ ahrend schon Goldbach, Euler, Lambert und Legendre mit Resten rechneten, f¨ uhrt Gauß explizit den Begriff der Kongruenz samt einer geeigneten Notation ein. Er schreibt im allerersten Satz der Disquisitiones: Wenn die Zahl a in der Differenz der Zahlen b, c aufgeht, so werden b und c nach a congruent, im andern Fall incongruent genannt. Im zweiten Paragraphen f¨ uhrt er f¨ ur die Kongruenz das Zeichen ≡ ein und schreibt in einer Fußnote: 27 Angeregt wurde er dazu von der Lekt¨ ure von Carl Friedrich Hindenburgs [Hindenburg 1776]. Dieses B¨ uchlein kam 1793 in die H¨ ande des 16-j¨ ahrigen Gauß. Weiter hat sich [Lambert 1770,Lambert 1758,Lambert 1769] mit derartigen Fragen befasst.

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9 Gauß Dieses Zeichen habe ich wegen der großen Analogie, die zwischen der Gleichheit und der Kongruenz stattfindet, gew¨ ahlt. Aus demselben Grund hat Legendre in seinem unten ¨ofter zu erw¨ahnenden Werke geradezu das Gleichheitszeichen f¨ ur die Congruenz beibehalten; doch habe ich Bedenken getragen, ihm darin zu folgen, um keine Zweideutigkeit entstehen zu lassen.

Danach zeigt Gauß, dass die Kongruenz wirklich analog zur Gleichheit ist (bei der Division zeigen sich allerdings Unterschiede, jedenfalls wenn der Modul eine zusammengesetzte Zahl ist), indem er, in moderner Sprache ausgedr¨ uckt, zeigt, dass die Restklassen modulo m einen Ring bilden, dass also aus a ≡ b mod m immer f (a) ≡ f (b) mod m folgt, wenn f ein Polynom mit ganzzahligen Koeffizienten ist. W¨ahrend sich vor allem die erste Reihe der Mathematiker sofort dieses Begriffs bedient, lehnen ihn andere, etwa Legendre, mit teils deutlichen Worten ab. Noch 1852 schreibt Desmarest in seinem Buch28 u ¨ber unbestimmte Analysis, dass die Legendreschen Bezeichnungen besser klingen w¨ urden als Begriffe wie Kongruenz, kongruent, inkongruent, Modul oder quadratischer Rest. V. A. Lebesgue hat die Kritik in [L28] postwendend zur¨ uckgewiesen. So unscheinbar dieser Begriff f¨ ur Leser ist, die damit seit ihren ersten Studientagen vertraut sind, sollte man dessen Wirkung auf die weitere Entwicklung der Mathematik nicht untersch¨atzen. Gauß verallgemeinert ihn im lange Zeit unver¨offentlicht gebliebenen Abschnitt 8 der Disquisitiones u ¨ber h¨ohere Kongruenzen auf Polynomringe und f¨ uhrt sogar doppelte Kongruenzen (nach Polynomen und Primzahlen) ein, sp¨ater u agt er ihn auf Zah¨bertr¨ len der Form a + bi. Die Konstruktion endlicher K¨ orper durch Galois, von Zerf¨allungsk¨orpern durch Kronecker (dieser f¨ uhrte komplexe Zahlen als reelle Polynome in x modulo x2 + 1 ein), die Restklassenringe nach idealen Zahlen bei Kummer oder nach Idealen bei Dedekind sind ebenso Weiterentwicklungen dieses Begriffs wie die Quotientenstrukturen in der Mathematik des 20. Jahrhunderts. Der Begriff der Kongruenz hat sich erst in der zweiten H¨ alfte des 19. Jahrhunderts mit der Ver¨offentlichung der Dirichletschen Vorlesungen u ¨ber den engen Kreis von Dirichlet, Jacobi, Cauchy, Eisenstein und Kummer hinaus ausgebreitet29 . Noch 1827 hat Legendre in seinem Aufsatz u ¨ber die Fermatsche Vermutung30 geschrieben: Diese Gleichungen zwischen den Resten, welche von der Division mehrerer Zahlen durch dieselbe Primzahl θ herr¨ uhren, verhalten sich wie gew¨ ohnliche Gleichungen, und zwar ohne dass man dazu neue Symbole der Gleichheit oder neue und recht inkongruente Bezeichnungen ben¨otigt, von welchen manche Geometer Gebrauch machen. 28

[Desmarest 1852, S. VI]. Vgl. Tab. 9.2, sowie [Boucard & Verdier 2015] und [Bullynck 2009]. 30 Siehe die Fußnote in [Legendre 1827, S. 15]. 29

9.3 DA I–IV, VI: Elementare Zahlentheorie Jahr

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Ver¨ offentlichung

1808 Der Els¨ asser Mathematiker Christian Kramp (1760–1826) gibt eine kurze Einf¨ uhrung [Kramp 1808] in die Theorie der Kongruenzen. 1829 Ersch und Gruber erw¨ ahnen den Begriff der Kongruenz in ihrer Encyclop¨ adie der Wissenschaften und K¨ unste (Band 19, Conami bis Corythus). 1831 In Kl¨ ugels mathematischem W¨ orterbuch [Kl¨ ugel 1831, S. 1062ff], bearbeitet von Johann August Grunert, werden Kongruenzen erkl¨ art (samt eindeutiger Primfaktorzerlegung bis hin zum quadratischen Reziprozit¨ atsgesetz). 1832 Ferdinand Minding (1805–1885) schreibt ein Lehrbuch [Minding 1932] als Einf¨ uhrung in die ersten vier Abschnitte der Disquisitiones. Offenbar hat er sich die Disquisitiones selbst¨ andig erarbeitet. 1833 Libri benutzt Kongruenzen in seiner Abhandlung [Libri 1825]. 1838 In seinem zweib¨ andigen Lehrwerk [d’Andrea 1838, d’Andrea 1840] benutzt d’Andrea die Lehre der Kongruenzen und wendet sie auf die L¨ osung von Kongruenzen vom Grad ≤ 4 an. 1839 Jacobis Canon Arithmeticus [J13] erscheint, eine Sammlung zahlentheoretischer Tabellen (Primitivwurzeln, Indizes, Periodenl¨ angen). 1840 In einer Abhandlung [Longoni 1840] u osung diophantischer ¨ber die L¨ Gleichungen vom Grad 1 (angeregt von Libris Arbeit) benutzt der Abt Giacinto Longini auch Kongruenzen. 1842 Arndt untersucht in [Arndt 1842] quadratische Reste und Primitivwurzeln in einigen Artikeln im Archiv der Mathematik und Physik. 1843 Franz Moth (Linz) erkl¨ art das Rechnen mit Kongruenzen in seiner Sammlung von Formeln, Lehrs¨ atzen und Aufgaben. 1844 Der b¨ ohmische Mathematiker Wilhelm Matzka erkl¨ art den Begriff der Kongruenz in seinem Buch [Matzka 1844, S. 4] u ¨ber Chronologie. 1846 Grunert [Grunert 1846] gibt eine Bearbeitung des Artikels [Poinsot 1845] von Poinsot. 1846 Charles Hackley pr¨ asentiert die Rechnung mit Kongruenzen im Anschluss an die Disquisitiones in seinem Treatise on Algebra. 1849 Chebyshev verfasst eine Habilitationsschrift u ¨ber die Theorie der Kongruenzen in Russisch; 1889 erscheint sie auf Deutsch. 1854 Der Braunschweiger Hobbymathematiker Hermann Scheffler ver¨ offentlicht ein Lehrbuch [Scheffler 1854] u ¨ber diophantische Gleichungen; der 6. Abschnitt ist Kongruenzen gewidmet. 1855 Hermann Schwarz ver¨ offentlicht ein Lehrbuch [Schwarz 1855] der Zahlentheorie, das auf unver¨ offentlichten Manuskripten von Ludwig Adolf Sohncke beruht. Dieser hatte in K¨ onigsberg, vermutlich auch bereits bei Jacobi, studiert. 1859 V.-A. Lebesgue erkl¨ art das Rechnen mit Kongruenzen in [L46]. 1863 Dedekind gibt Dirichlets Vorlesungen [Dirichlet 1863] u ¨ber Zahlentheorie heraus. Tabelle 9.2. Lehre der Kongruenzen in B¨ uchern. Man beachte, dass auch viele H¨ orer der Vorlesungen u ¨ber Zahlentheorie von Jacobi und Dirichlet an die Zahlentheorie von Gauß herangef¨ uhrt wurden.

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9 Gauß

Poinsot ist ihm darin in seiner elementaren Einf¨ uhrung in die Zahlentheorie31 gefolgt. Einer der ersten Artikel u ¨berhaupt, in welchem die Gaußsche Lehre der Kongruenzen sogar im Titel auftaucht, erscheint 1829 in Russland. Autor ist der franz¨osische Mathematiker Victor-Am´ed´ee Lebesgue. Dieser wird 1791 in Grandvilliers32 geboren, geht in Amiens zur Schule, studiert in Paris und wird danach Lehrer. Er wechselt oft die Stellung und verdingt sich schließlich als Tutor an eine englische Familie und zieht nach London. Danach arbeitet er f¨ ur eine russische Familie und zieht bis 1830 nach Russland. Dort ver¨ offentlicht er 1829 drei Arbeiten u ¨ber die Lehre der Kongruenzen, und gibt eine Version des dritten Beweises des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes. Am Ende des dritten Teils der Arbeit spricht er die Vermutung aus, dass 2 ein kubischer Rest f¨ ur alle Primzahlen der Form a2 + 27c2 ist, und k¨ undigt weitere S¨ atze u ¨ber kubische und biquadratische Reste an. Die Literaturverweise zeigen, dass Lebesgue 1829 mit den Disquisitiones ebenso vertraut gewesen ist wie mit den Arbeiten von Dirichlet und Jacobi u ¨ber kubische und biquadratische Reste. 1830 kehrt Lebesgue nach Frankreich zur¨ uck, und erh¨ alt 1834 eine Stelle als Dozent an der Universit¨at von Grenoble. 1838 geht er nach Bordeaux, wo er bis 1858 arbeitet. Danach lebt er in diversen St¨ adten S¨ udfrankreichs, bis er 1875 in Bordeaux stirbt. Die eindeutige Primfaktorzerlegung Dass sich Zahlen eindeutig in ihre Primfaktoren zerlegen lassen war u ¨ber Jahrtausende hinweg eine Erfahrungstatsache, die so nat¨ urlich und selbstverst¨andlich zu sein schien, dass es kaum jemand der Rede Wert fand, diese Tatsache auszusprechen. Zwar hatte Euklid ebenso wie andere Mathematiker, die sich mit vollkommenen und befreundeten Zahlen besch¨ aftigten, S¨ atze der Art bewiesen, dass alle Teiler einer Zahl wie 2a p durch die Potenzen 2m mit 0 ≤ m ≤ a und die entsprechenden Vielfachen 2m p von p gegeben sind; in keinster Weise hat irgend jemand aber realisiert, dass die Eindeutigkeit der Primzerlegung eine fundamentale Wahrheit ist, aus der man auch Schl¨ usse ziehen kann, die u ¨ber die Frage nach allen Teilern einer bestimmten Zahl hinausgehen. Der erste, der dies erkannt hat, war Gauß. Gauß beweist zuerst das Euklidische Lemma, wonach eine Primzahl, die ein Produkt teilt, mindestens einen Faktor teilt. Gauß kommentiert dieses Ergebnis so: 31

Er behandelt in [Poinsot 1845] nur die Anfangsgr¨ unde der Zahlentheorie. Sowohl V.-A. Lebesgue als auch sein ber¨ uhmter Namensvetter Henri Lebesgue (der im selben Jahr in Beauvais geboren ist, in welchem Victor-Am´ed´ee gestorben ist) stammen aus dem Departement Oise. Es ist meines Wissens nicht bekannt, ob sie gemeinsame Vorfahren haben. Jedenfalls haben die Eltern von Victor-Am´ed´ee in Henris Geburtsort Beauvais geheiratet. 32

9.3 DA I–IV, VI: Elementare Zahlentheorie

381

Der Beweis dieses Satzes ist bereits von Euclid, Elem. VII, 32, gegeben worden. Wir haben ihn jedoch nicht weglassen wollen, einmal weil von den Neueren einige entweder nur nichtige Gr¨ unde f¨ ur einen Beweis des Satzes ausgegeben oder ihn ganz und gar u ¨bergangen haben, sodann weil sich das Wesen der hier angedeuteten Methode, deren wir uns sp¨ater zur Aufsuchung viel versteckter liegender Wahrheiten bedienen werden, an einem einfacheren Beispiele leichter verstehen l¨aßt. Den Fundamentalsatz spricht er in Art. 16 dann so aus: Jede zusammengesetzte Zahl l¨asst sich nur auf eine einzige Weise in Primfactoren zerlegen. Gauß wendet den Satz in den Disquisitiones nur vereinzelt an; in dem erst posthum ver¨offentlichten Abschnitt VIII der Disquisitiones zeigt er, dass sich Polynome mit ganzen Koeffizienten modulo p eindeutig in ihre Primfaktoren zerlegen lassen, und in seiner Abhandlung u ¨ber biquadratische Reste beweist er die eindeutige Primfaktorzerlegung in den Gaußschen Zahlen der Form a + bi. Das Quadratische Reziprozit¨ atsgesetz: Theorema aureum Wie Gauß vor seiner G¨ottinger Zeit zu seinen ersten Untersuchungen u ¨ber quadratische Reste gekommen ist beschreibt er im Vorwort seiner Disquisitiones: W¨ahrend ich n¨amlich damals mit einer andern Arbeit besch¨ aftigt war, stiess ich zuf¨allig auf eine ausgezeichnete arithmetische Wahrheit (wenn ich nicht irre, war es der Satz des Artikels 108), und da ich dieselbe nicht nur an und f¨ ur sich f¨ ur sehr sch¨on hielt, sondern auch vermutete, dass sie mit andern hervorragenderen Eigenschaften im Zusammenhang stehe, bem¨ uhte ich mich mit ganzer Kraft, die Prinzipien, auf denen sie beruhte, zu durchschauen und einen strengen Beweis daf¨ ur zu erhalten. Als mir dies endlich nach Wunsch gelungen war, hatten mich die Reize dieser Untersuchungen derart umstrickt, dass ich sie nicht mehr verlassen konnte; so kam es, dass, w¨ ahrend das Eine immer zu dem Andern den Weg bahnte, das in den vier ersten Abschnitten dieses Werkes Mitgeteilte gr¨ osstenteils erledigt war, ehe ich von ¨ahnlichen Arbeiten anderer Geometer etwas zu Gesicht bekommen hatte. Der Satz des Artikels 108 ist derjenige, mit dem sich bereits Fermat am Anfang seiner Karriere33 besch¨aftigt hatte, und von dem auch Gauß in seinen Bann gezogen wurde: 33

Siehe die Ausf¨ uhrungen auf S. 218.

382

9 Gauß Von allen Primzahlen von der Form 4n + 1 ist −1 quadratischer Rest, dagegen Nichtrest von allen Primzahlen der Form 4n + 3.

Seinen Beweis, dass 2 und −2 Reste von Primzahlen der Form 8n + 1 sind, erg¨anzt Gauß in seinem eigenen Exemplar34 der Disquisitiones durch einen eleganteren“ Beweis, der auf den Identit¨aten ” (a3n − an )2 = 2 + (a4n + 1)(a4n − 1) und (a3n + an )2 = −2 + (a4n + 1)(a4n + 1) beruht: Nach dem kleinen Fermatschen Satz ist p ein Teiler des Produkts (a4n + 1)(a4n − 1) = a8n − 1, woraus die Behauptungen folgen. Nachdem Gauß die auf Euler und Lagrange zur¨ uckgehenden Beweise in Spezialf¨allen erkl¨art hat, gibt er einen Beweis seines Reziprozit¨ atsgesetzes durch vollst¨andige Induktion. Sind p und q ungerade Primzahlen und ist p quadratischer Rest modulo q (Gauß schreibt daf¨ ur pRq; er benutzt das Legendresymbol, welches Legendre in seinem Essai eingef¨ uhrt hat, weder in den Disquisitiones, noch sp¨ater in anderen Arbeiten zum quadratischen Reziprour eine Zahl e, also e2 = p + qf f¨ ur ein zit¨atsgesetz), so ist p ≡ e2 mod q f¨ bestimmtes f . Reduktion dieser Gleichung modulo p unter Ausnutzung der Tatsache, dass das Reziprozit¨atsgesetz f¨ ur alle Primzahlen unter einer Schranke gelten soll, f¨ uhrt dann nach einigen elementaren Rechnungen darauf, dass auch qRp ist, wenn p die Form 4n + 1 hat. Ist dagegen p quadratischer Nichtrest von q, also pN q, so muss man, um u uhren, ¨berhaupt eine Gleichung aufstellen zu k¨onnen, eine Hilfsprimzahl r einf¨ f¨ ur welche ebenfalls rN q ist; dann folgt wie oben e2 = pr + qf , und weitere kunstvolle Rechnungen ergeben das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz auch in diesem Fall – damit die vollst¨andige Induktion durchf¨ uhrbar ist, muss allerdings r < p sein. Der Nachweis der Existenz dieser Primzahlen kostete ihn nach eigenen Angaben ein ganzes Jahr. In seinem Brief an Zimmermann vom 26. Mai 1796 heißt es n¨amlich: Ich habe in den Memoires von Paris 1785 eine vortreffliche Abhandlung von Le Gendre gefunden, wo ein Beweis von dem Lehrsatze, den ich so lange vollst¨andig zu beweisen umsonst gesucht hatte, vorkommt, aber wo gerade das angenommen wird (je ne suppose que ce que . . . schreibt l. G.35 ), was allein mir seit beinahe einem Jahr noch fehlte und was ich nunmehr gefunden habe. 34 Das Gaußsche Handexemplar der Disquisitiones wurde erstmals von Schering untersucht ( [Gauß 1801, Werke I, S. 475ff.]); den Hinweis auf diese Notiz verdanke ich Karin Reich. 35 In [Legendre 1785, S. 520] schreibt Legendre Dans cette d´emonstration, nous ” avons suppos´e seulement qu’il y avoit un nombre premier b de la forme 4n − 1, qui 2 2 pouvait diviser la formule x + Ay .“ Dieses Zitat gibt Gauß auch im Artikel 151 der Disquisitiones.

9.4 DA V: Quadratische und Tern¨are Formen

383

Nach seinem Tagebuch36 hat er den ersten Beweis des Reziprozit¨ atsgesetzes kurz vorher, n¨amlich am 8. April 1796, gefunden. Das quadratische Reziprozit¨atsgesetz kr¨ont bereits bei Gauß die Abschnitte I–IV u ¨ber die elementare Zahlentheorie. In Abschnitt V wird er einen weiteren Beweis mit Hilfe seiner Theorie der quadratischen Formen geben, und zwei weitere Beweise, welche er urspr¨ unglich im Abschnitt VIII u ohere ¨ber h¨ Kongruenzen geben wollte, der dann aber wegen Platzmangel nicht gedruckt wurde, sind zu seinen Lebzeiten unver¨offentlicht geblieben. Gauß selbst hat noch vier weitere Beweise des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes ver¨offentlicht; heute kennt man Hunderte von elementaren Beweisen37 . Der Abschnitt VI der Disquisitiones ist der algorithmischen Zahlentheorie gewidmet. Gauß bespricht Methoden zur Verwandlung von Br¨ uchen in periodische Dezimalzahlen, die L¨osung quadratischer Kongruenzen, die L¨ osung der Gleichung mx2 + ny 2 = A und Methoden zur Faktorisierung ganzer Zahlen. Weil er an einigen Stellen die Theorie der quadratischen Formen ben¨ otigt, sind diese eigentlich elementaren Fragen zwischen die Abschnitte u ¨ber quadratische Formen und u ¨ber die Kreisteilung plaziert worden.

9.4 DA V: Quadratische und Tern¨ are Formen Gauß ist bereits mit einzelnen Ergebnissen Fermats, Eulers und Lagranges vertraut, als ihm Legendres Recherches in die H¨ ande fallen. Der von Legendre vermutete Zusammenhang (siehe die Ausf¨ uhrungen auf S. 347) zwischen der Darstellbarkeit einer Zahl durch 3 Quadrate und der Klassenzahl quadratischer Formen hat Gauß von Beginn an gefesselt. Am 26. Mai 1796 berichtet er Zimmermann von seiner Entdeckung der Recherches, danach geht es Schlag auf Schlag. Am 22. Juni 1796 schreibt er in sein Tagebuch: Ich habe begonnen, u ¨ber verbundene Multiplikatoren (in den Formen der Teiler der quadratischen Formen) nachzudenken. 36

In seinem mathematischen Tagebuch [Gauß 1976] hat Gauß viele seiner fr¨ uhen Entdeckungen mit Datum festgehalten, beginnend mit der Entdeckung der geometrischen Konstruierbarkeit des regelm¨ aßigen 17-Ecks am 30. M¨ arz 1796. Nach dem Tod seiner ersten Frau 1809 beendet er seine Eintragungen; als er sein Tagebuch 1812 wieder aufnimmt, macht er nach weiteren f¨ unf Eintragungen endg¨ ultig Schluss. In [Neumann 1979] bespricht Olaf Neumann die Entstehung der Kreisteilung anhand einiger Tagebucheintr¨ age, und f¨ uhrt diese Untersuchungen in [Neumann 1980a,Neumann 1980b] fort. 37 Siehe die Dissertation von [Baumgart 1885] und die ausf¨ uhrliche Liste der Be¨ weise in der englischen Ubersetzung [Baumgart 2015].

384

9 Gauß

Anhand der Disquisitiones l¨asst sich der Sinn dieser Zeilen nicht erschließen: Dort tauchen keine verbundenen Multiplikatoren auf. Bevor wir darauf zur¨ uckkommen, verfolgen wir die Entwicklung der Gaußschen Gedanken weiter. Schon f¨ unf Tage sp¨ater, am 27. Juni 1796, notiert Gauß: Eine neue Darstellung des goldenen Lehrsatzes, von der bisherigen grunds¨ atzlich abweichend und sehr elegant. Dieser zweite Beweis des Reziprozit¨atsgesetzes entspringt der Theorie der bin¨aren quadratischen Formen und wird von Gauß in die Disquisitiones aufgenommen. Dort findet sich der Satz als Folge der Geschlechtertheorie, die Gauß im Juni 1796 aber noch nicht ausgearbeitet hatte. Der Beweis von 1796 d¨ urfte ein Induktionsbeweis basierend auf der Lagrangeschen Reduktion quadratischer Formen gewesen sein. Dieser Beweis dient Gauß in der Folge als Leitziel f¨ ur die Theorie der bin¨aren quadratischen Formen, die er in den n¨ achsten Jahren entwickelt38 . Eine weitere Woche sp¨ater, am 3. Juli 1796, schreibt Gauß in sein Tagebuch: Jede Zerlegung der Zahl a in drei  ergibt eine in drei  zerlegbare Form. Mit diesem bereits Legendre bekannten Ergebnis hat Gauß den Beweis der Legendreschen Vermutungen u ¨ber Summen dreier Quadrate in Angriff genommen. Schon eine Woche sp¨ater, am 10. Juli 1796 meldet er in seinem Tagebuch Vollzug: EYPHKA! num =  +  + . Heureka! Zahl =  +  + .

Abb. 9.4.1. Tagebucheintrag

Dass jede nat¨ urliche Zahl Summe dreier Dreieckszahlen ist, ist gleichbedeutend damit, dass jede Zahl a = 8n + 3 Summe dreier Quadrate ist. Wenige Wochen, nachdem Gauß die Recherches von Legendre entdeckt hat, ist er also im Besitz eines Beweises des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes durch bin¨are quadratische Formen und des Dreiquadratesatzes (oder zumindest eines Spezialfalls davon), den er durch Untersuchungen von quadratischen 38

[Gauß 1801, Werke I, S. 476]: Die Prinzipien dieser Methode habe ich zuerst ” am 27. Juli 1796 erkannt, aber verbessert und in die gegenw¨ artige Form gebracht erst 1800.“

9.4 DA V: Quadratische und Tern¨are Formen

385

Formen erhalten hat, welche Summen dreier Quadrate sind. Wie dieser Beweis ausgesehen hat l¨asst sich kaum mehr rekonstruieren. In den n¨ achsten Jahren wird Gauß damit besch¨aftigt sein, diese Beweise (oder Beweisideen) auf nat¨ urliche Art in eine allgemeine Theorie der bin¨ aren und tern¨ aren quadratischen Formen einzubetten und dabei das Ger¨ ust abzubauen“, also jede ” Spur zu verwischen, die uns einen R¨ uckschluss darauf erlauben w¨ urde, auf welchem Weg er diese S¨atze entdeckt und zuerst bewiesen hat.

Verbundene Multiplikatoren ¨ In Band X-1 der Gaußschen Werke findet man diverse Fragmente von Uberlegungen, die Gauß zu verschiedenen Zeiten angestellt und auf gerade vorhandene Zettel geschrieben hat. Auf S. 80 findet man Notizen u ¨ber Summen dreier Quadrate. Dort wird auch der Begriff von verbundenen Multiplikatoren erl¨autert: Zwei ganze Zahlen M und Δ heißen verbundene Multiplikatoren (in Bezug auf eine gegebene Determinante A), wenn das Produkt M · Δ von der Hauptform der Determinante A dargestellt wird, wenn also M · Δ = x2 + Ay 2 f¨ ur geeignete Zahlen x und y ist. Der Inhalt des Fragments39 dreht sich um die Behauptung Wenn A eine Primzahl ist, so gibt es so viele Formen der Divisoren 4n + 1 von  + A als es verschiedene Arten gibt, A in drei Quadrate zu zerlegen. Dies ist ein fast direktes Zitat aus den Recherches von Legendre40 . Gauß gelingt damit der Beweis der Fermatschen Vermutung, dass jede nat¨ urliche Zahl N eine Summe dreier Dreieckszahlen ist. Weil aber genau dann N=

a(a + 1) b(b + 1) c(c + 1) + + 2 2 2

ist, wenn 8N + 3 = (2a + 1)2 + (2b + 1)2 + (2c + 1)2 Summe dreier (notwendig ungerader) Quadratzahlen ist, l¨ auft dies auf den Beweis des Drei-Quadrate-Satzes in diesem Spezialfall hinaus. Diesen wiederum beweist Gauß durch den Nachweis, dass es im Falle A = 8n + 3 eine Bijektion zwischen Klassen primitiver quadratischer Formen der Determinante A und der Anzahl der Darstellungen von A als Summe dreier Quadrate gibt. Die Existenz der Hauptform (1, 0, A) garantiert dann die Existenz mindestens einer solchen Darstellung. 39 40

Siehe [Gauß, ca. 1796]. Siehe die Ausf¨ uhrungen auf S. 347 ff.

386

9 Gauß

Gauß skizziert den Beweis in dem oben erw¨ahnten Fragment nur, aber aus seinen Andeutungen kann man entnehmen, dass er zu diesem Zeitpunkt quadratische Formen noch wie Lagrange und Legendre als ¨ aquivalent betrachtete, wenn sie durch Substitutionen mit Determinante ±1 aus einander hervorgehen. Bei fester Diskriminante −4A heißt eine Zahl a ein Multiplikator, wenn a durch eine Form mit Diskriminante −4A (also im Sinne von Legendre durch einen quadratischen Teiler von x2 + Ay 2 ) dargestellt wird, und zwei Multiplikatoren a und b heißen verbunden, wenn ab von der Hauptform x2 + Ay 2 dargestellt wird. Dies sind erste Ans¨atze zur Komposition von Formen, aber ¨ eben noch aufgebaut auf Lagranges Begriff der Aquivalenz. ¨ Dass Gauß sp¨ater Aquivalenzklassen betrachtet hat, welche von Substitutionen mit Determinante +1 erzeugt werden, k¨onnte ebenfalls an seinen Ergebnissen zu Summen dreier Quadrate liegen: Die Formeln, welche die Anzahl der Darstellungen einer Zahl als Summe dreier Quadraten mit Klassenzahlen verkn¨ upfen, werden bedeutend einfacher, wenn man Klassenzahlen im Gaußschen Sinne zugrunde legt.

Komposition der Formen Auch wenn die Betrachtungen der verbundenen Multiplikatoren bis ins Jahr 1796 zur¨ uckreichen, befasste sich Gauß nach eigenen Worten41 erst ab dem Herbst 1798 mit der Komposition von Formen. Dass diese Komposition bisher von niemandem untersucht worden ist, bedeutet, dass Gauß unabh¨ angig von Legendre die Komposition von Formen entdeckt hat42 . Die Definition der Komposition quadratischer Formen in den Disquisitiones erstreckt sich u ¨ber mehrere Seiten; dies liegt auch daran, dass Gauß gr¨oßtm¨ogliche Allgemeinheit anstrebt. Er will nicht nur, wie Legendre, zwei Formen derselben Diskriminante komponieren, sondern f¨ ur zwei Formen mit beliebigen Diskriminanten untersuchen, unter welchen Bedingungen sie sich komponieren lassen. 41 [Gauß 1801, Werke I, S. 476]: Diese Untersuchungen habe ich im Herbst 1798 ” begonnen“, schreibt Gauß in Bezug auf Art. 234 und bemerkt, dass dies bisher von niemand gemacht worden sei. 42 Weil spekuliert in [Weil 1986] dar¨ uber, ob Gauß die Idee der Komposition aus Legendres Essai u ur seine These ist die Ver¨bernommen hat. Weils einziger Beleg f¨ mutung, dass Gauß das Werk Legendres 1798 bei seinem Besuch bei Pfaff gesehen haben k¨ onnte. Das von Weil erw¨ ahnte Gauß-Zitat u ¨ber den Gebrauch von idealen ” Faktoren“ war aber bereits durch [Waterhouse 1984] als Phantom entlarvt worden, weil es sich auf den Abschnitt VIII der Disquisitiones und nicht auf die Komposition von Formen bezieht. Erstaunlicherweise erw¨ ahnt Weil Legendres Recherches mit keiner Silbe. Ich kann auch keinen Grund daf¨ ur erkennen, warum Gauß in diesem Punkt die Unwahrheit gesagt haben sollte, sind doch seine anderen Bemerkungen zur Chronologie seiner Entdeckungen, soweit wir das beurteilen k¨ onnen, ehrlich und u ¨ber jeden Zweifel erhaben.

9.4 DA V: Quadratische und Tern¨are Formen

387

Gauß betrachtet nur Formen (A, B, C) = Ax2 + 2Bxy + Cy 2 mit geradem Mittelkoeffizienten; dies ist keine Einschr¨ankung der Allgemeinheit, da man anstatt der Form x2 + xy + y 2 nur die Form (2, 1, 2) = 2x2 + 2xy + 2y 2 zu untersuchen hat. Allerdings sorgt diese Wahl f¨ ur eine ganze Reihe technischer Schwierigkeiten, die sich durch den Einschluss von Formen mit ungeradem Mittelkoeffizienten vermeiden oder zumindest abmildern lassen43 . Deshalb sind sp¨atere Autoren Gauß in dieser Wahl in der Regel nicht gefolgt. In art. 235 beginnt Gauß so: Wenn die Form AX 2 + 2BXY + CY 2 = F u ¨bergeht in das Product zweier Formen: ax2 + 2bxy + cy 2 = f,

and

ax + 2b x y  + c y  = f  2

2

durch eine Substitution von der Form X = pxx + p xy  + p yx + p yy  , Y = qxx + q  xy  + q  yx + q  yy  ,

 (9.1)

[. . . ], so werden wir einfach sagen, die Form F  sei transformierbar in f f  ; ist diese Transformation u ¨berdies so beschaffen, dass die sechs Zahlen ⎫ P = pq  − qp , Q = pq  − p q, ⎬ R = pq  − p q, S = p q  − q  p , (9.2) ⎭ T = p q  − q  p , U = p q  − q  p keinen gemeinschaftlichen Teiler haben, wo werden wir die Form F aus den Formen f , f  zusammengesetzt (componiert) nennen. Die Komponierbarkeit zweier Formen Q1 und Q2 verlangt also nur (wie bei Legendre) die Existenz einer Identit¨at Q1 (x1 , y1 ) · Q2 (x2 , y2 ) = Q3 (x3 , y3 ), in welcher x3 und y3 gewisse von x1 und y1 bzw. von x2 und y2 abh¨ angige Bilinearformen (wie in (9.1)) sind. Gauß kann zeigen, dass eine solche Identit¨at dann und nur dann existiert, wenn die Diskriminanten der beteiligten Formen die Gestalt Δm2 , Δn2 und Δ haben. Ein Teil dieser Allgemeinheit ist dabei k¨ unstlich: Es gen¨ ugt n¨ amlich, • die Komposition von Formen derselben Diskriminante zu definieren; 43

Es ist leicht zu sehen, dass eine bin¨ are quadratische Form h¨ ochstens dann Summe dreier Quadrate von Linearformen sein kann, wenn der Mittelkoeffizient gerade ist. Dies mag Gauß zu seiner Wahl veranlasst haben.

388 •

9 Gauß

Projektionen von Formen der Diskriminante Δm2 auf solche der Diskriminante Δ zu definieren und zu zeigen, dass diese mit der Komposition vertr¨aglich sind.

Zum Komponieren von Formen der Diskriminanten Δm2 und Δn2 projiziert man diese auf Formen der Diskriminante Δ und komponiert diese. Um die Dinge so einfach wie m¨oglich zu halten, nehmen wir jetzt (im Gegensatz zu Gauß) an, dass die Formen f und f  dieselbe Diskriminante besitzen. Dann rechnet Gauß vor, dass die Formeln P = an , Q = a n,

R − S = 2bn , 

R + S = 2b n,

U = cn , T = c n

gelten, und Gauß nennt F direkt aus f und f  zusammengesetzt, wenn n = n = +1 ist. Zwischen den Parametern P , Q, . . . , U und den Koeffizienten der quadratischen Formen bestehen dabei die folgenden Beziehungen: a=P a = Q A = q  q  − qq 

2b = R − S 2b = R + S

c=U c = T

2B = pq  + qp − p q  − q  p

C = p p − pp .

Mit der Definition der direkten Komposition gelingt Gauß, was Legendre ver¨ sagt geblieben ist, n¨amlich auf den Aquivalenzklassen quadratischer Formen gegebener Diskriminante eine Gruppenstruktur zu definieren. Man beachte, ¨ dass Gauß keine Formen komponiert, sondern Aquivalenzklassen: Ist etwa Q3 die direkte Komposition zweier Formen Q1 und Q2 , also Q1 + Q2 = Q3 , und ist Q3 der Form Q3 ¨aquivalent, dann ist auch Q1 + Q2 = Q3 . Wir wollen noch einmal die Komposition der Form Q = (5, 3, 10) = 5x2 +6xy+ 10y 2 mit sich selbst betrachten, die schon im letzten Kapitel aufgetaucht ist. Dort haben wir gefunden, dass Q(x1 , y1 )Q(x2 , y2 ) = R1 (x3 , y3 ) = R2 (x3 , y3 ) ist, und zwar mit R1 = (1, 0, 41)

x3 = 5x1 x2 + 3x1 y2 + 3x2 y1 + 10y1 y2 , y3 = x1 y2 − x2 y1 bzw.

R2 = (2, 3, 25)

x3 = 5x1 y2 + 5x2 y1 + 6y1 y2 , y3 = −x1 x2 + 2y1 y2 .

Beides sind Kompositionen der Form Q mit sich selbst, aber nur die zweite ist direkt. Man findet n¨amlich, dass die zur ersten Kompositionen geh¨ orige Substitution durch p p p p  5 3 3 10 = 0 1 −1 0 q q  q  q 

9.4 DA V: Quadratische und Tern¨are Formen was auf

389

P = pq  − qp = 5, Q = pq  − p q = −5, R = pq  − p q = 0, S = p q  − q  p = −6, T = p q  − q  p = −10, U = p q  − q  p = 10

und mit n = −1 und n = +1 auf Q1 = (5, 3, 10),

Q2 = (5, 3, 10)

und

Q3 = (1, 0, 41)

f¨ uhrt. Insbesondere liegt hier keine direkte Komposition vor. Dagegen liefert p p      0 556 p p    = −1 0 0 2 qq q q die Koeffizienten P = pq  − qp = 5, Q = pq  − p q = 5, R = pq  − p q = 6, S = p q  − q  p = 0, T = p q  − q  p = 10, U = p q  − q  p = 10, sowie A = q  q  − qq  = 2, 2B = pq  + qp − p q  − q  p = 6 und C = p p − pp = 25 und damit die Formen Q1 = (5, 3, 10),

Q2 = (5, 3, 10)

und

Q3 = (2, 3, 25) = R2 .

Hier ist n = n = 1, folglich ist 2Q1 = R2 eine direkte Komposition. Im Anschluss zeigt Gauß, dass, modern gesprochen, die (direkte) Komposition ¨ die Menge der Aquivalenzklassen primitiver quadratischer Formen der Diskriminante D zu einer Gruppe macht. Die einzelnen Schritte bestehen im Nach¨ weis, dass die Komposition wohldefiniert ist, dass als die Aquivalenzklasse der komponierten Form Q1 + Q2 nicht von der Auswahl der Formen Q1 und ¨ abh¨angen; f¨ ur Diskriminanten −4n spielt die Q2 in ihren Aquivalenzklassen 2 Form X +nY 2 die Rolle des neutralen Elements, und die zu (A, B, C) inverse Formenklasse wird von (A, −B, C) dargestellt. Auch die Kommutativit¨ at der Komposition ist relativ schnell einzusehen; essentielle Schwierigkeiten macht allein die Assoziativit¨at: Gauß gibt 28 Gleichungen an, deren Herleitung er teilweise dem Leser u ¨berlassen muss, und gibt den Beweis auf einer zweiseitigen Rechnung. Gauß kann auch zeigen, dass die Anzahl der Formen mit Diskriminante Δf 2 sich f¨ ur negative Diskriminanten leicht aus derjenigen f¨ ur Diskriminante Δ bestimmen l¨asst. Weiter zeigt er, dass die Klassengruppe der primitiven Formen mit Diskriminante Δ = N 2 isomorph zur Restklassengruppe (Z/N Z)× ist.

390

9 Gauß

Geschlechtertheorie Die Gaußsche Geschlechtertheorie ist eine umfassende Verallgemeinerung der klassischen Beobachtungen, dass Primzahlen, die von Formen wie x2 +y 2 oder x2 ±2y 2 dargestellt werden, in bestimmten Restklassen modulo 4 bzw. modulo 8 liegen. Als Beispiel w¨ahlen wir wie Gauß Formen der Determinante −161. Man rechnet leicht nach, dass die Formen (1, 0, 161), (2, 1, 81), (9, 1, 18) und (9, −1, 18) der Determinante −161 = −7 · 23 nur solche Zahlen darstellen, welche ≡ 1 mod 4 sind, sowie quadratische Reste modulo 7 und modulo 23. Gauß ordnet jeder dieser Formen daher die Charaktere 1, 4; R7 und R23 zu. Die insgesamt 16 Klassen verteilen sich dabei wie folgt (Art. 231): Charakter

Formen

1, 4; R7; R23 (1, 0, 161) (2, 1, 81)

(9, 1, 18)

(9, −1, 18)

1, 4; N 7; N 23 (5, 2, 33) (5, −2, 33) (10, 3, 17) (10, −3, 17) 3, 4; R7; N 23 (7, 0.23) (11, 2, 15) (11, −2, 15) (14, 7, 15) 3, 4; N 7; R23 (3, 1, 54) (3, −1, 54) (6, 1, 27)

(6, −1, 27)

Im vorliegenden Falle verteilen sich die Klassen auf vier Geschlechter, wobei nicht jede Kombination der Charaktere auftritt. Die Formen in der ersten Zeile bilden das Hauptgeschlecht; stellen diese eine −7 −23 Zahl a dar, welche teilerfremd zu 2 · 7 · 23 ist, dann ist ( −1 a )=( a )=( a )= +1. Die anderen drei Charaktersysteme sind (+1, −1, −1), (−1, +1, −1) und (−1, −1, +1). Insbesondere treten nur solche Charaktersysteme auf, deren Produkt +1 ist. Weiter enth¨alt das Hauptgeschlecht nur Formen, die durch Duplikation“ entstehen, die also, wenn man die Klassengruppe multiplikativ ” schreibt, ¨aquivalent zu Quadraten von Formen sind. Damit haben wir folgende S¨atze illustriert, welche Gauß in den Disquisitiones beweist: •

Jedes Geschlecht enth¨alt gleich viele Formen, folglich ist die Anzahl der Geschlechter ein Teiler der Klassenzahl.



Das Produkt der Charaktere einer Form ist +1, d.h. nur die H¨ alfte aller m¨oglichen Charaktere existiert wirklich. Daraus folgt bereits das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz.



Jedes Charaktersystem, dessen Produkt +1 ist, existiert, d.h. f¨ ur jedes solche Charaktersystem existiert eine Form.



Hauptgeschlechtssatz: Die Formen im Hauptgeschlechts entstehen durch Duplikation.

Zum Beweis der beiden letzten S¨atze benutzt Gauß tern¨ are quadratische Formen

9.4 DA V: Quadratische und Tern¨are Formen

391

Ax2 + 2Bxy + Cy 2 + 2Dxz + 2Eyz + F z 2 . Er entwickelt eine Reduktionstheorie der tern¨aren Formen und beweist damit außer dem Hauptgeschlechtssatz weitere S¨ atze, etwa Legendres Satz u ¨ber die L¨osbarkeit der Gleichung ax2 + by 2 + cz 2 = 0. Dabei spielt die Darstellung einer quadratischen Form durch eine tern¨ are Form wie etwa X 2 − 2Y Z eine Rolle; auf solche Fragen ist Gauß ganz zu Beginn beim Studium von Legendres Recherches gestoßen, wo es um die Darstellung einer quadratischen Form durch Summen dreier Quadrate ging. Das Feuerwerk an Ideen, das Gauß in diesem Abschnitt u urfte in ¨ber tern¨are quadratische Formen abbrennt44 , d¨ der mathematischen Literatur einzigartig sein. Mit der Komposition der Formen ist auch zwei Jahrhunderte nach Gauß nur ein u ¨berschaubarer Kreis von Mathematikern vertraut45 . Zwar hat Dirichlet die Gaußsche Komposition vereinfacht46 , Kummer hat die Gaußsche Geschlechtertheorie zur Grundlage seines Beweises des allgemeinen Reziprozit¨atsgesetzes gemacht, und Dedekind hat schließlich gezeigt, dass die technischen Schwierigkeiten der Komposition quadratischer Formen sich durch Verwendung von Moduln beherrschen lassen. Allerdings haben diese Entwicklungen, vor allem die Dedekindsche Theorie der Ideale, das Interesse an der Komposition quadratischer Formen erlahmen lassen. Zu den wenigen Mathematikern, welche die Komposition bin¨ arer quadratischer Formen (und nicht nur Lagranges Reduktion) benutzten, geh¨ oren der franz¨osische Jesuit Th´eophile P´epin (1828–1904), der sich vor allem f¨ ur dioohmische Priester Vaclav phantische Gleichungen interessierte47 , und der b¨ ˇ Simerka, der eine Methode zur Faktorisierung großer Zahlen entwickelte48 , die auf der Klassengruppe quadratischer Formen aufgebaut ist. Vermutlich ist die Einsch¨atzung richtig, dass die Theorie der Komposition quadratischer Formen die Zahlentheorie und vor allem die Algebra weniger befruchtet hat als die abstrakte Struktur der Gruppe, die hinter der Komposition steht. Die Entwicklung des Gruppenbegriffs49 etwa durch Galois, Jordan und Kronecker hat das Strukturdenken bei Dedekind und Emmy Noether vorbereitet. Auch die Gaußschen Charaktere sind unter den H¨ anden von Dedekind und Frobenius zu m¨achtigen Handwerkszeugen der Algebra geworden. 44

In [Shanks 1971] wird dieser Teil der Disquisitiones verst¨ andlich erkl¨ art. Antworten auf die Frage, warum das Erlernen der Komposition auch nach Erfindung der Dedekindschen Ideale ein Gewinn ist, findet man in [Shanks 1989a,Shanks 1989b]. 46 Weitere Ideen zur Komposition quadratischer Formen stammen von [Arndt 1859], [Cayley 1850], [P´epin 1880], [Dedekind 1905], [Speiser 1912] und [Furuta 1992]. 47 Siehe etwa [Lemmermeyer 1999]. 48 Siehe [Lemmermeyer 2013]. 49 Siehe die Habilitationsschrift [Wußing 1966] sowie [Gray 2018]. 45

392

9 Gauß

9.5 DA VII: Die Kreisteilung Nat¨ urlich kannte Gauß, wie alle seine mathematisch gebildeten Zeitgenossen, die euklidischen Elemente, und wusste, dass die Griechen das regelm¨ aßige Dreieck und F¨ unfeck mit Zirkel und Lineal konstruieren konnten; elemen¨ tare Uberlegungen zeigen, dass damit auch regelm¨ aßige n-Ecke f¨ ur n = 2a a a a (a ≥ 2), 3 · 2 , 5 · 2 und 15 · 2 (jeweils mit a ≥ 0) konstruierbar sind. Der erste mathematische Paukenschlag, den Gauß setzte, war die Konstruktion des regelm¨aßigen 17-Ecks mit Zirkel und Lineal. Dabei hatte dieses Ziel, als er begann, sich mit der Kreisteilung“ zu befassen, gar nicht auf seinem Plan ” gestanden. Gauß wusste, dass Lagrange sich mit der Darstellung der Polynome 4

xp − 1 = X 2 − p∗ Y 2 x−1

(9.3)

befasst hatte (der Beitrag Eulers war ihm offenbar unbekannt), wo p∗ = p−1 (−1) 2 p ist, dass ihnen diese Zerlegung f¨ ur p = 3, 5 und 7 gegl¨ uckt war, und dass Lagrange zugegeben hatte, diese Zerlegung f¨ ur p = 11 nicht finden zu k¨onnen. Gauß bespricht die Spezialf¨alle des quadratischen Reziprozit¨atsgesetzes, die man mit Eulers und Lagranges Zerf¨ allungen beweisen kann, in den Artikeln 108–124 der Disquisitiones, und schreibt in art. 124: Unten im Abschnitt VII werden wir allgemein beweisen, dass der Ausp −1 immer auf die Form X 2 ∓ pY 2 (wo das obere Zeichen zu druck 4 xx−1 nehmen ist, wenn p eine Primzahl von der Form 4n + 1, das untere, wenn es eine solche von der Form 4n + 3 ist) gebracht werden kann, wo X und Y rationale von Br¨ uchen freie Functionen von x sind. Diese Zerlegung hat Lagrange u uhrt. ¨ber den Fall p = 7 hinaus nicht ausgef¨ Die L¨osung dieses Problems gelingt Gauß mit Hilfe der fundamentalen Idee, die Polynome X und Y nicht wie seine Vorg¨anger durch Erraten bestimmen zu p −1 = 0. wollen, sondern u ¨ber die Untersuchung der Wurzeln der Gleichung xx−1 Diese Wurzeln, das wussten bereits Euler und Lagrange, sind die komplexen 2πk Zahlen ζ k = cos 2πk ur 1 ≤ k ≤ p − 1. Schreibt man die Gleichung p + i sin p f¨ (9.3) in der Form 4

√ √ xp − 1 = X 2 − p∗ Y 2 = (X − Y p∗ )(X + Y p∗ ), x−1

(9.4)

√ dann sieht man, dass die H¨alfte dieser Wurzeln der Gleichung − Y p∗ = 0 √ X gen¨ ugen muss, und die andere H¨alfte der Gleichung X + Y p∗ = 0. Rechnet man diese Zuordnung f¨ ur die kleinen Primzahlen aus, in denen X und Y bekannt sind, so findet man

9.5 DA VII: Die Kreisteilung

393

√ √ p X − Y p∗ X + Y p ∗ 3 ζ ζ2 4 2 3 5 ζ, ζ ζ ,ζ 7 ζ, ζ 2 , ζ 4 ζ 3, ζ 5, ζ 6 Man sieht auf den ersten Blick, dass die Exponenten auf der linken Seite quadratische Reste, die auf der rechten Seite quadratische Nichtreste modulo p sind. Es liegt daher nahe, den Ansatz   (x − ζ r ), Y = (x − ζ n ) X= r

n

zu versuchen, in welchem r und n durch die quadratischen Reste, bzw. Nichtreste modulo p laufen. Mithilfe dieser einfachen Idee lassen sich die Polynome X und Y f¨ ur jedes p berechnen! F¨ ur p = 5 folgt beispielsweise (ζ + ζ 4 )2 = 2 + ζ 2 + ζ 3 = (1 + ζ + ζ 2 + ζ 3 + ζ 4 ) − (−1 + ζ + ζ 4 ) = 1 − (ζ + ζ 4 ), folglich gen¨ ugt ξ = ζ +ζ 4 der Gleichung ξ 2 = 1−ξ, und da ξ positiven Realteil hat, muss √ −1 + 5 4 ζ +ζ = 2 sein. Also erhalten wir √

(x − ζ)(x − ζ 4 ) = x2 − (ζ + ζ 4 )x + 1 = x2 − −1+2 5 x + 1, √ 2(x − ζ)(x − ζ 4 ) = 2x2 + x + 2 − 5x, √ 2(x − ζ 2 )(x − ζ 3 ) = 2x2 + x + 2 + 5x, √ √ x5 − 1 = (2x2 + x + 2 − 5x)(2x2 + x + 2 + 5x) 4 x−1 = (2x2 + x + 2)2 − 5x2 . Durch entsprechende Rechnungen konnte Gauß zeigen, dass dies f¨ ur jede Primzahl p ≥ 3 funktioniert, dass also f¨ ur jedes solche p Polynome X, Y existieren mit (9.3) xp − 1 = X 2 − p∗ Y 2 . 4 x−1 Damit hatte der junge Gauß ein Problem gel¨ ost, von dem Lagrange hatte zugeben m¨ ussen, dass er daran gescheitert sei. Aber Gauß war noch lange nicht fertig. L¨ost man die quadratische Gleichung x2 −

√ −1+ 5 2

x + 1 = 0,

√ −1+ 5 2

+i

so findet man den Ausdruck ζ5 =

 2

√ 5+ 5 2

394

9 Gauß

f¨ ur eine primitive f¨ unfte Einheitswurzel. Da dieser Ausdruck nur rationale Zahlen und Quadratwurzeln enth¨alt, kann man deren Real- und Imagin¨ arteile mit Zirkel und Lineal konstruieren: diese Tatsache war schon Euler und Goldbach bekannt, und findet sich explizit in den Schriften Lamberts, die Gauß studiert hatte. F¨ ur p = 7 f¨ uhrt diese Methode nicht zum Erfolg: die Einteilung der Einheitswurzeln in zwei Gruppen ergibt wegen 7 − 1 = 6 = 2 · 3 eine irreduzible kubische Gleichung, deren Wurzeln sich nicht mit Zirkel und Lineal konstruieren lassen. Die n¨achste erfolgversprechende Primzahl war p = 17: a dort sind die Wurzeln ζ a mit ( 17 ) = +1 Nullstellen eines Polynoms achten √ Grades mit Koeffizienten, die rational aus 17 zusammengesetzt sind, und wenn man dessen Wurzeln weiter unterteilt in Reste von vierten und dann von achten Potenzen, so w¨ urde man am Ende eine quadratische Gleichung erhalten, deren L¨osung die Konstruktion des regelm¨ aßigen 17-Ecks liefern w¨ urde. Tats¨achlich findet Gauß die Formel  √ 1 1√ 1 2π =− + 17 + 34 − 2 17 cos 17 16 16 16   √ √ √ 1 17 + 3 17 − 34 − 2 17 − 2 34 + 2 17 , + 8 aus welcher sich die Konstruierbarkeit sofort ergibt. Gauß beschreibt diese Entdeckung, die er am 30. M¨ arz 1796 gemacht hat, in einem Brief an Gerling vom 6. Januar 1819 so: Das Geschichtliche jener Entdeckung ist bisher nirgends von mir offentlich erw¨ahnt, ich kann es aber sehr genau angeben. Der Tag ¨ war der 29. M¨arz 1796, und der Zufall hatte gar keinen Anteil daran. Schon fr¨ uher war alles, was auf die Zerteilung der Wurzeln der p −1 = 0 in zwei Gruppen sich bezieht, von mir gefunden, Gleichung xx−1 wovon der sch¨one Lehrsatz D.A. p. 637 unten abh¨angt, und zwar im Winter 1796 (meinem ersten Semester in G¨ ottingen), ohne daß ich den Tag aufgezeichnet h¨atte. Durch angestrengtes Nachdenken u ¨ber den Zusammenhang aller Wurzeln untereinander gl¨ uckte es mir, bei einem Ferienaufenthalt in Braunschweig am Morgen des gedachten Tages (ehe ich aus dem Bette aufgestanden war) diesen Zusammenhang auf das klarste anzuschauen, so daß ich die spezielle Anwendung auf das 17-Eck und die numerische Best¨atigung auf der Stelle machen konnte. Freilich sind sp¨ater viele andere Untersuchungen des 7. Abschnitts der D.A. hinzugekommen. Dieselbe Methode f¨ uhrt, wie Gauß bemerkt, auch f¨ ur Primzahlen der Form n ur p = 257 und p = 65 537 (weitere Fermatp = 22 + 1 zum Ziel, also f¨ sche Primzahlen sind bis heute nicht bekannt). F¨ ur alle andern Primzahlen p, schreibt Gauß, k¨onne er streng zeigen, dass sich das Problem mit Zirkel und Lineal nicht l¨osen l¨asst, gibt aber den Beweis aus Platzgr¨ unden nicht.

9.5 DA VII: Die Kreisteilung

395

Abb. 9.5.1. Gauß-Denkmal in Braunschweig. Foto: Gisela Anvari

Gauß macht seine Entdeckung am 1. Juni 1796 im Intelligenzblatt der allge” meinen Literaturzeitung“ bekannt: Es ist jedem Anf¨anger der Geometrie bekannt, dass verschiedene ordentliche Vielecke, namentlich das Dreyeck, F¨ unfeck, F¨ unfzehneck, und die, welche durch wiederholte Verdoppelung der Seitenzahl eines derselben entstehen, sich geometrisch construiren lassen. So weit war man schon zu Euklids Zeit, und es scheint, man habe sich seitdem allgemein u ¨berredet, dass das Gebiet der Elementargeometrie sich nicht weiter erstrecke: wenigstens kenne ich keinen gegl¨ uckten Versuch, ihre Grenzen auf dieser Seite zu erweitern.

396

9 Gauß Desto mehr, d¨ unkt mich, verdient die Entdeckung Aufmerksamkeit, dass ausser jenen ordentlichen Vielecken noch eine Menge anderer, z.B. das Siebzehneck, einer geometrischen Construction f¨ahig ist. Diese Entdeckung ist eigentlich nur ein Corollarium einer noch nicht ganz vollendeten Theorie von gr¨osserm Umfange, und sie soll, sobald diese ihre Vollendung erhalten hat, dem Publicum vorgelegt werden. C. F. Gauss, a. Braunschweig Stud. der Mathematik zu G¨ottingen

Zimmermann erkl¨art in einem Nachsatz, dass Gauß in seinem 18. Lebensjahre stehe und mit Erfolg in Braunschweig Philosophie, klassische Literatur und Mathematik studiere. In dem 1803 erschienen Buch von Huguenin50 wird die Teilung des Kreises in 17 gleiche Teile ebenfalls vorgerechnet, wenn auch auf einem vom Gaußschen verschiedenen Weg. Die Erkl¨arung findet man in der Fußnote auf S. 283: Daß das 17-Eck durch quadratische Gleichungen in einen Kreis beschrieben werden k¨onne, entdeckte zuerst ein junger Geometer in Braunschweig, dessen Name wie ich mich erinnere Gaus ist: er machte solches einigen Gelehrten bekannt, und da dieses Verwunderung und vielleicht einigen Unglauben erregte, so gab er etwas u ¨ber sein Verfahren an. Zu dieser Zeit (im J. 1796) befand ich mich in Braunschweig, wo ich solches nebst allem was man von dieser unerwarteten Aufl¨ osung wußte, erfuhr, und hatte das Vergn¨ ugen, diese Spur verfolgend, seine eigene Aufl¨osung in kurzer Zeit, heraus zu bringen; die hier gegebene Aufl¨osung aber ist meine eigene und g¨ anzlich von jener verschieden; daher es mir frey stehen wird, diese als mein Eigenthum hier bekannt zu machen, indem ich die Herausgabe der ersten Aufl¨osung, welche g¨ anzlich trigonometrisch war, ihrem Erfinder selbst u ¨berlasse. Nachdem Legendre die Konstruktion des regelm¨ aßigen Siebzehnecks in Frankreich bekannt gemacht hatte, erschien 1806 auch eine entsprechende Bemerkung in England51 . Danach hat sich auch Johann Philipp Gruson52 mit der Konstruktion des 17-Ecks besch¨aftigt. In der Einleitung seiner Arbeit53 schreibt er, dass er von einem General Stamfort geh¨ ort habe, dass Herr Gauß die Konstruierbarkeit aller regelm¨aßigen n-Ecke mit Zirkel und Lineal gezeigt habe; allerdings, so Gruson, 50

Siehe [Huguenin 1803]. In Band I des New Series of the Mathematical Repository, herausgegeben von Thomas Leybourn, auf S. 77–78. 52 Jean Philippe Gruson (auch Gr¨ uson) entstammt einer hugenottischen Familie, die zusammen mit etwa einer Viertelmillion anderer aus Frankreich flohen, als Ludwig XIV im Edikt von Fontainebleau 1685 deren religi¨ ose Freiheiten aufhob. Bekannt ist Gruson in erster Linie f¨ ur seine 1790 erfundene Rechenscheibe. 53 Siehe [Gruson 1812]. 51

9.5 DA VII: Die Kreisteilung

397

konnte ich dem Herrn General meine Zweifel an dieser Erfindung nicht bergen, und es war leicht, ihm auf der Stelle aus unwiderleglichen Gr¨ unden zu beweisen, daß z.B. die Theilung eines Kreisumfanges in 7, 9 und 11 gleiche Theile auf Gleichungen beruhe, die sich schlechterdings nicht in einfache quadratische Gleichungen aufl¨ osen lassen, welches doch zu einer elementarischen geometrischen Construction durchaus erforderlich w¨ are. Der General Stamfort pr¨azisierte dann seine Behauptung dahingehend, dass Gauß dies jedenfalls f¨ ur das regelm¨aßige 17-Eck bewiesen habe. Daraufhin hat Gruson die Konstruierbarkeit des regelm¨ aßigen N -ecks f¨ ur Primzahlen n der Form N = 22 + 1 selbst¨andig entdeckt. Gauß hat 1796 sogar die Teilung eines Kreises in 257 Teile durchgerechnet. Als Georg Paucker 1819 die entsprechenden Rechnungen ver¨ offentlicht, schreibt54 ihm Gauß, dass er in Deutschland nicht eine Person kenne, die sich mit den Disquisitiones vertraut gemacht hat. Er teilt Paucker seine Resultate aus dem Jahre 1796 betreffend des regelm¨aßigen 257-Ecks mit und bemerkt dann: Vielleicht ist es Ihnen nicht uninteressant, wenn ich Ihnen das Datum, wo ich mit dem Wesentlichen der Theorie der Kreistheilung ins Klare kam, anzeige: es war der 30ste M¨arz 1796; so wie ich wenige Tage nachher den ersten Beweis des Fundamentaltheorems, die quadratischen Reste betreffend, zur Vollst¨andigkeit brachte, welches Theorem selbst ich im Anfange des Jahres 1795 durch Induktion fand, ohne zu wissen, daß dasselbe in einer andern Form schon von Legendre durch Induktion gefunden war. Dieser Fund war es haupts¨achlich, was mich an die h¨ ohere Arithmetik zuerst fesselte. Leider lassen mir nur meine Verh¨altnisse jetzt zur Besch¨aftigung mit derselben wenig Zeit u ¨brig, und ich muß mich schon gl¨ ucklich sch¨atzen, wenn ich Muße gewinne, alles das, was ich aus fr¨ uhern Zeiten noch vorr¨atig habe, nach und nach auszuarbeiten. Magnus Georg Paucker (1787–1855) stammt aus dem Dorf St. Simonis in Estland. Er hat auf der Universit¨at Dorpat u.a. bei Georg Friedrich Parrot und Johann Wilhelm Andreas Pfaff studiert, und beteiligte sich 1808 an der Triangulation entlang des Flusses Embach. In einer anderen Arbeit aus dem Jahre 1823 beschrieb Paucker die Konstruktion anderer Vielecke, etwa der regelm¨aßigen 7-, 9- oder 23-Ecks, mit Hilfe anderer klassischer Hilfsmittel wie der Cissoide des Diokles oder der Conchoide des Nikomedes. Dass sich andere regelm¨aßige Polygone außer denjenigen, bei welchen die Anzahl n der Ecken ein Produkt einer Zweierpotenz und verschiedenen Fermatschen Primzahlen ist, nicht mit Zirkel und Lineal konstruieren lassen, hat Gauß in den Disquisitiones ohne Beweis angemerkt. 54

Der Auszug des Briefs vom 2. Januar 1820 ist am Ende der Abhandlung [Paucker 1822] abgedruckt.

398

9 Gauß

Was dies f¨ ur die andern klassischen Probleme wie die Verdoppelung des W¨ urfels oder die Dreiteilung des Winkels bedeutete, wurde von zu Beginn des 19. Jahrhunderts zwar erahnt, bewiesen aber war nichts. So schreibt Hamilton am 18. Dezember 1852 an De Morgan: Sind Sie sicher, dass die Dreiteilung des Winkels nach Euklid unm¨oglich ist? Ich muss keine einzige Stunde beklagen, die ich f¨ ur einen Versuch aufgewandt h¨atte, aber ich sch¨atze dass es eher ein Gef¨ uhl als ein Beweis ist, der uns glauben macht, dass dies die Sache nicht getan werden kann. Zweifellos werden wir von der kubischen Gestalt der algebraischen Gleichung beeinflusst. Aber w¨ urde die Gaußsche Konstruktion eines regelm¨aßigen Siebzehnecks mit Zirkel und Lineal vor einem Jahrhundert nicht weniger unm¨oglich erschienen sein? Allem Anschein nach ist der Beweis, dass sich die Winkeldreiteilung und die W¨ urfelverdopplung nicht mit Zirkel und Lineal ausf¨ uhren lassen, welchen Pierre Wantzel (1814–1848) bereits 1837 gegeben hatte, Hamilton unbekannt geblieben.

Perioden ur die Die Zerlegung des Kreisteilungspolynoms 4Φp (x) = X 2 − p∗ Y 2 ist f¨ Entwicklung der Gaußschen Theorie der Kreisteilung in Abschnitt VII der Disquisitiones zentral. Die im Beweis der Existenz der Polynome X und Y auftretenden Summen  0 2 4 p−3 ζr = ζg + ζg + ζg + . . . + ζg r



1

3

5

ζn = ζg + ζg + ζg + . . . + ζg

p−2

n

verallgemeinert Gauß zu Perioden, in welchen die Gruppe der quadratischen Reste durch beliebige Untergruppen und Nebengruppen der Restklassengruppe modulo p ersetzt werden. Im wesentlichen dreht sich Abschnitt VII darum, diejenigen S¨atze f¨ ur Perioden zu beweisen, die Gauß im Falle quadratischer Gaußscher Summen f¨ ur den Beweis der Existenz der Zerlegung von 4Φp (x) braucht. Die Gleichungen, welche diese Perioden als Nullstellen haben, bestimmt Gauß f¨ ur quadratische und kubische Perioden. In diesem Zusammenhang ist er auf den 7. und 8. Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes gestoßen, welche er im Abschnitt VIII der Disquisitiones geben wollte.

9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie

399

9.6 Abschnitt VIII: H¨ ohere Kongruenzen Die große Ausdehnung des 5. Abschnitts der Disquisitiones zwang Gauß dazu, den eigentlich geplanten Abschnitt 8 u ohere Kongruenzen un¨ber h¨ ver¨offentlicht zu lassen. In seinem Nachlass wurde eine teilweise Ausarbeitung dieses Abschnitts unter dem Namen Analysis Residuorum55 gefunden und von Dedekind ver¨offentlicht. Bereits 1796 hatte Gauß zwei Beweise des quadratischen Reziprozit¨atsgesetzes entdeckt, das auf der quadratischen Periodengleichung beruhte. Diese Beweise wollte er in eine allgemeine Theorie von Polynomen modulo einer Primzahl einbetten, und eine solche Theorie beabsichtigte er mit der Analysis Residuorum zu liefern. In der Tat finden sich die beiden Beweise VII und VIII in den Artikeln 360–366 des achten Abschnitts. Gauß beweist den Satz von Euler und Lagrange, wonach ein Polynom vom Grad n auch modulo p h¨ochstens n Wurzeln besitzen kann, entwickelt den euklidischen Algorithmus f¨ ur Polynome modulo p und beweist damit den Satz von Bezout: Sind A und B teilerfremd modulo p, dann gibt es Polynome P und Q mit AP + BQ ≡ 1 mod p. Daraus leitet Gauß den Satz von der eindeutigen Primfaktorzerlegung her und beweist dann den Hauptsatz, welcher die Anzahl der irreduziblen Polynome modulo p von gegebenem Grad angibt. Er beweist den kleinen Fermatschen Satz und wendet seine Ergebnisse auf das quadratische Reziprozit¨atsgesetz an. Den letzten Schritt, n¨ amlich das quadratische Reziprozit¨atsgesetz f¨ ur solche Polynome zu formulieren und zu beweisen, hat Gauß nicht getan. Viele der Gaußschen Ergebnisse wurden von Serret, Sch¨ onemann und Dedekind wiederentdeckt, bevor die Analysis Residuorum bekannt wurde.

9.7 Sp¨ atere Arbeiten zur Zahlentheorie Obwohl Gauß nach Abschluss der Arbeiten an seinen Disquisitiones geplant hatte, (mindestens) einen weiteren Band zur h¨ oheren Arithmetik zu ver¨offentlichen, kam er wegen astronomischer Arbeiten nicht dazu, einen solchen auszuarbeiten. Nur gelegentlich nahm er sich die Zeit, auf sein Lieblingsthema, die Zahlentheorie, zur¨ uckzukommen. Sein Tagebuch bricht er im Oktober 1801 nach drei Eintr¨agen zur Astronomie ab und schreibt bei der Wiederaufnahme im August 1805, dass er wegen astronomischer Besch¨ aftigungen sein Tagebuch vernachl¨assigt habe. 55

Siehe die ausf¨ uhrliche Untersuchung in [Frei 2007].

400

9 Gauß

Datum

Ergebnis

30.03.1796

Konstruktion des regelm¨ aßigen 17-Ecks.

08.04.1796

Gauß gelingt der Beweis des Hilfssatzes, der ihm f¨ ur seinen Induktionsbeweis des Reziprozit¨ atsgesetzes gefehlt hatte.

Mai 1796

Gauß entdeckt Legendres Recherches in der G¨ ottinger Bibliothek.

27.06.1796

Gauß findet seinen zweiten Beweis des Reziprozit¨ atsgesetzes, der auf der Theorie der quadratischen Formen basiert.

03.07.1796

Gauß beweist die Legendresche Vermutung, dass jede Zerlegung von a in eine Summe dreier Quadrate eine Zerlegung einer quadratischen Form in drei Quadrate entspricht.

10.07.1796

Heureka: jede nat¨ urliche Zahl ist Summe dreier Dreieckszahlen.

Juli 1796

Gauß gelingt die Charakterisierung der Eulerschen idonealen Zahlen.

02.09.1796

Zwei weitere Beweise des Reziprozit¨ atsgesetzes (Gauß VII, VIII).  Gauß beginnt mit dem Studium der von √ dx abh¨ angigen

08.01.1797

1−x4

lemniskatischen Funktionen. 30.05.1799

Das arithmetisch-geometrische Mittel ist mit elliptischen Funktionen verbunden.

Mai 1801

Gauß findet den 4. Beweis des Reziprozit¨ atsgesetzes u ¨ber das Vorzeichen der quadratischen Gaußschen Summen.

30.08.1805

Gauß gelingt, nach 4 Jahren, die Bestimmung des Vorzeichens quadratischer Gaußscher Summen.

April 1806

Gauß zerlegt

15.02.1807

Gauß beginnt mit der Ausarbeitung der Theorie der kubischen und biquadratischen Reste.

06.05.1807

Der dritte Beweis des Reziprozit¨ atsgesetzes mit Hilfe des Gaußschen Lemmas.

23.12.1808

Gauß befasst sich mit kubischen Formen, den Normformen rein kubischer Zahlk¨ orper, und der dazugeh¨ origen Einheitengleichung x3 + ny 3 + n2 z 3 − 3nxyz = 1.

06.01.1809

Eleganter Beweis des kubischen Restcharakters von 3.

29.06.1809

F¨ unfteilung der Lemniskate

23.10.1813

Gauß entdeckt die Grundlage einer allgemeinen Theorie der biquadratischen Reste.

09.07.1814

Letzter Tagebucheintrag u osungen einer Kongruenz 4. ¨ber L¨ Grades, die mit der Lemniskatenteilung zusammenh¨ angt.

xp −1 x−1

in vier Faktoren, wo p ≡ 1 mod 4 prim ist.

Tabelle 9.3. Chronologie der Gaußschen zahlentheoretischen Ergebnisse anhand der Eintragungen im Gaußschen Tagebuch.

9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie

401

Le Blanc und Germain Ende 1804 erh¨alt Gauß einen Brief56 von einem Franzosen namens Le Blanc; dieser hatte die Disquisitiones studiert und macht Gauß nun Mitteilungen u ugliche Resultate, beginnend mit einer leichten Verallge¨ber einige diesbez¨ meinerung des sch¨onen Satzes“ der Zerlegung 4Φp (x) = X 2 − p∗ Y 2 . Weiter, ” schreibt er, habe er mit Erstaunen“ gesehen, dass Lagrange nicht in der Lage ” gewesen sei, den Ausdruck 4Φ11 (x) auf die Form X 2 + 11Y 2 zu bringen. Le Blanc gibt weiter notwendige Bedingungen f¨ ur die L¨ osbarkeit einiger Fermatgleichungen und einen neuen Beweis des zweiten Erg¨ anzungssatzes, den Gauß in seiner Antwort lobend hervorhebt. Es hat den Anschein, als sei Le Blancs Interesse an den Gaußschen Ergebnissen mit ein Grund daf¨ ur gewesen, dass Gauß seine Besch¨ aftigung mit der Zahlentheorie wieder aufnimmt. Ein anderer Grund mag die endlich von Erfolg gekr¨onte Suche nach einem Beweis f¨ ur das Vorzeichen quadratischer Gaußscher Summen sein, der ihm am 30. August 1805 gl¨ uckt. Bereits im Art. 356 der Disquisitiones hatte Gauß bemerkt, dass √  n falls n ≡ 1 mod 4, Nπ Rπ  − cos = cos n n 0 falls n ≡ 3 mod 4,   0 falls n ≡ 1 mod 4, Rπ  Nπ sin − sin = √ n n n falls n ≡ 3 mod 4. Hier durchlaufen R die quadratischen Reste, N die Nichtreste modulo einer ungeraden Primzahl n. Der Beweis, dass diese Gleichungen bis auf das Vorzeichen richtig sind, findet sich in den Disquisitiones; was das Vorzeichen angeht, bemerkt Gauß nur: u onnen ¨ber dieses aber, welches einer tiefern Untersuchung bedarf, k¨ wir an dieser Stelle nicht reden, m¨ ussen uns vielmehr die Betrachtung desselben f¨ ur eine andere Gelegenheit vorbehalten. Am 3. September 1805 schreibt er an Olbers: Ich bin durch verschiedene Umst¨ande – theils durch einige Briefe von Le Blanc in Paris, der meine Disq. Arith. mit wahrer Leidenschaft studirt, sich ganz mit ihnen vertraut gemacht und mir manche recht artige Kommunikationen dar¨ uber gemacht hat, theils durch die Anwesenheit eines Freundes, der jenes Werk jetzt gleichfalls studirt und sich ¨ ofters bei mir Raths erholt – theils auch durch eine Art von Ueberdruss oder wenigstens Erm¨ udung an dem todten mechanischen Kalk¨ ul verleitet worden, in diesem einmal eine Pause zu machen und meine 56

Siehe [Boncompagni 1880] und [Del Centina & Fiocca 2012].

402

9 Gauß geliebten arithmetischen Untersuchungen wieder vorzunehmen. [. . . ] Sie erinnern sich aber auch vielleicht zu gleicher Zeit meiner Klagen u ¨ber einen Satz, der theils schon an sich sehr interessant ist, theils einem sehr betr¨achtlichen Theile jener Untersuchungen als Grundlage oder als Schlussstein dient, den ich damals schon u ¨ber 2 Jahre kannte, und der alle meine Bem¨ uhungen, einen gen¨ ugenden Beweis zu finden, vereitelt hatte. Dieser Satz ist schon in meinen Disq. pg. 636 angedeutet, oder vielmehr nur ein specieller Fall davon, n¨amlich der, wo n eine Primzahl ist, auf den sich u urden ¨brigens hier die u ¨brigen w¨ zur¨ uckf¨ uhren lassen. Was da von Quaecunque igitur radix etc.“ bis ” valde sunt memorabilia“ steht, ist streng dort bewiesen, aber was ” folgt, n¨ amlich die Bestimmung des Wurzelzeichens, ist es gerade, was mich immer gequ¨alt hat. Dieser Mangel hat mir alles Uebrige, was ich fand, verleidet: und seit 4 Jahren wird selten eine Woche hingegangen sein, wo ich nicht einen oder den andern vergeblichen Versuch, diesen Knoten zu l¨ osen, gemacht h¨atte – besonders lebhaft nun auch wieder in der letzten Zeit. Aber alles Br¨ uten, alles Suchen ist umsonst gewesen, traurig habe ich jedesmal die Feder wieder niederlegen m¨ ussen. Endlich vor ein paar Tagen ist’s gelungen – aber nicht meinem m¨ uhsamen Suchen, sondern bloss durch die Gnade Gottes m¨ ochte ich sagen. Wie der Blitz einschl¨agt, hat sich das R¨athsel gel¨ost; ich selbst w¨are nicht im Stande, den leitenden Faden zwischen dem, was ich vorher wusste, dem womit ich die letzten Versuche gemacht hatte, – und dem, wodurch es gelang, nachzuweisen. Sonderbar genug erscheint die L¨osung des R¨athsels jetzt leichter als manches andere, was mich wohl nicht so viele Tage aufgehalten hat als dieses Jahre, und gewiss wird niemand, wenn ich diese Materie einst vortrage, von der langen Klemme, worin es mich gesetzt hat, eine Ahnung bekommen. [. . . ] Jetzt kann ich mich nun nicht enthalten, mich mit der Niederschreibung und Ausarbeitung einiger dieser Materien mit zu besch¨aftigen.

Im Jahre 1807 belagern Napoleons Truppen Braunschweig; Sophie Germain erinnert sich an das Schicksal von Archimedes und l¨ asst dem ihr bekannten General Pernety ausrichten, er m¨oge sich um das Wohlbefinden von Gauß k¨ ummern. Dieser schickt einen Offizier, der Gauß im Namen von Mademoiselle Germain Gr¨ uße bestellt. Germain gibt sich daraufhin am 20. Februar brieflich zu erkennen, und am 24. M¨arz 1807 kann Gauß Olbers die wahre Identit¨ at von Le Blanc mitteilen: Meine Disq. Arith. haben mir unl¨angst eine grosse Ueberraschung veranlasst. Habe ich Ihnen nicht schon einigemale von einem Pariser Korrespondenten Le Blanc geschrieben, der mir Proben gegeben hat, dass er sich alle Untersuchungen dieses Werkes auf das Vollkommenste zu eigen gemacht hat? Dieser Le Blanc hat sich neulich mir n¨aher zu erkennen gegeben. Dass Le Blanc ein bloss fingirter Name eines

9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie

403

Abb. 9.7.1. Plakette am Haus in der Rue de Savoie 13, in dem Sophie Germain gestorben ist.

jungen Frauenzimmers Sophie Germain ist, wundert Sie gewiss ebenso sehr als mich. Marie-Sophie Germain wird am 1. April 1776 in Paris geboren57 ; ihre Eltern waren wohlhabend und b¨ urgerlich, und ihre Erziehung erh¨ alt sie im Elternhaus; ihr Vater besaß eine gut ausgestattete Bibliothek. Mit 13 beginnt sie, Montuclas Geschichte der Mathematik zu lesen, in welchem sie insbesondere erf¨ahrt, dass Archimedes von einem r¨omischen Soldaten erschlagen wurde. ´ Sp¨ater liest sie Etienne Bezouts Trait´e d’Arithm´etique und Jacques AntoineJoseph Cousins Le calcul diff´erential. Sie lernt Latein und studiert Newton und Euler. Mit 18 besorgt sie sich Vorlesungsmitschriebe von Lagranges Vorlesungen u ¨ber Analysis. Um, wie von den H¨orern des Kurses erwartet wurde, am Ende des Semesters eine kleine Hausarbeit einreichen zu k¨ onnen, w¨ ahlt sie den Namen eines Mitstudenten, Antoine-August Le Blanc. Sophie Germain war nicht die erste Franz¨osin, die unter einem m¨ annlichen Pseudonym agierte: Die Naturforscherin Jeanne Baret (1740–1807) segelte als Jean Bar´e zwischen 1766 und 1769 um die Welt. Lagrange ist von der Arbeit beeindruckt und findet heraus, dass Sophie Germain hinter Le Blanc steckt. Er fungiert fortan als ihr Mentor und f¨ uhrt sie in die Welt der Gelehrten ein, ohne dass Germain aber die M¨ oglichkeit bekam, ein Studium aufzunehmen. 57

Biographische Angaben findet man bei [Hill 1995]; f¨ ur Informationen u ¨ber ihre zahlentheoretisches Schaffen siehe [Sampson 1990]; j¨ ungere Arbeiten wie [Laubenbacher & Pengelley 2010] gehen eher in Richtung Hagiographie.

404

9 Gauß

Abb. 9.7.2. Das Grab Sophie Germains auf dem Friedhof P`ere Lachaise in Paris

9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie

405

1798 erscheint Legendres Essai, das Germain studiert; sie schreibt ihm ihre eigenen Ergebnisse u ¨ber die Fermatsche Vermutung, die Legendre ausbaut und in sp¨atere Auflagen u ¨bernimmt. Sophie Germain stirbt am 27. Juni 1831 an Brustkrebs. Zu ihrem 100. Geburtstag ver¨ offentlicht die Pilsener Zeitung (10. und 24. Mai 1876) einen Artikel Zum hundertsten Geburtsjahre einer ” Denkerin“, der mit folgendem Satz endet: So viel u uge des Geistes nicht nur ihr ¨ber eine Frau, die durch ihre Vorz¨ ganzes Geschlecht u ¨berragt, sondern auch den m¨annlichen Vertretern der Wissenachaft als nachahmenswerthes Muster voranleuchten kann.

Der dritte“ Gaußsche Beweis des quadratischen ” Reziprozit¨ atsgesetzes Kurz nachdem Gauß die wahre Identit¨at des Monsieur Le Blanc erfahren hat, gl¨ uckt ihm ein weiterer Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes; da sich die Ausarbeitung des Artikels u ¨ber die Vorzeichenbestimmung quadratischer Gaußscher Summen hinzieht, wird dieser Beweis vor jenem ver¨ offentlicht. Er ist, wie Gauß schreibt, ganz elementar und beruht auf dem nach ihm benannten Gaußsche Lemma“: Bezeichnet p = 2m + 1 eine Primzahl, dann ” nennen wir das System von Restklassen mit den Vertretern aj (j = 1, . . . , m) ein Halbsystem, wenn jede prime Restklasse modulo p einen Vertreter unter den p − 1 Zahlen ±aj hat. Ist a nicht durch p teilbar, so muss also a · aj ≡ (−1)ej ai mod p

(9.5)

sein, und die Multiplikation dieser Kongruenzen f¨ uhrt auf  (−1)ej mod p. am ≡ Nach dem Eulerschen Kriterium ist das Produkt der Vorzeichen also gleich anzungss¨ atze und das dem Legendresymbol ( ap ). Dadurch lassen sich die Erg¨ quadratische Restverhalten kleiner Primzahlen sehr schnell und direkt bestimmen, und der Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetz l¨ auft auf das Abz¨ahlen der Kongruenzen (9.5) hinaus, in welchen das negative Vorzeichen gilt. Gauß schreibt zu diesem Beweis: Man wird es daher sicherlich hoch zu sch¨atzen haben, wenn es einem, nachdem man eine solche Wahrheit lange vergeblich u ¨berdacht und sodann zwar bewiesen hat, aber nur auf versteckter liegenden Umwegen, endlich gelingt, den einfachsten und nat¨ urlichsten Weg zu entdecken. Gauß hat diesen dritten ver¨offentlichten Beweis am 6. Mai 1807 entdeckt.

406

9 Gauß

Biquadratische Reste Die Theorie der biquadratischen Reste hat Gauß schon fr¨ uh besch¨ aftigt, und sp¨atestens seit seiner ersten Korrespondenz mit Sophie Germain hat er diese Fragen ernsthaft untersucht. Die Grundfrage ist die folgende: wenn a quadratischer Rest modulo p ist, wann ist a sogar biquadratischer Rest, also die Kongruenz x4 ≡ a mod p l¨osbar? Man findet sehr schnell heraus, dass die Antwort nicht, wie im quadratischen Fall, von der Restklasse p modulo 4a (oder 8a usw.) abh¨angt, mit Ausnahme des Falls a = −1: Diese Zahl ist biquadratischer Rest modulo p genau dann, wenn p ≡ 1 mod 8 ist. Vielmehr zeigt schon der einfachste Fall a = 2, dass die Sache im biquadratischen Fall viel tiefer liegen muss. Wie bereits Euler vermutete, ist 2 genau dann biquadratischer Rest modulo einer Primzahl p ≡ 1 mod 8, wenn sich p in der Form a2 + 64b2 schreiben l¨asst. So ist 2 biquadratischer Rest modulo 73 wegen 184 = 2 + 1438 · 73, ur das biquadraund es gilt 73 = 32 + 64 · 12 . Solche S¨atze lassen sich auch f¨ tische Restverhalten von −3 und 5 aufstellen, wie bereits Euler in seinem zu Lebzeiten von Gauß noch unver¨offentlichten Tractatus (siehe S. 285) gezeigt hat. Die Betrachtung komplexer Zahlen der Form a + bi mit i2 = −1 wird vom p−1 p−1 Eulerschen Kriterium nahegelegt: Ist a 2 ≡ 1 mod p, dann ist a 4 ≡ p−1 p−1 ±1 mod p; ist dagegen a 2 ≡ −1 mod p, dann sollte doch a 4 ≡ ±i gelten. Beispiele zeigen sofort, dass eine solche Kongruenz jedenfalls nicht mo13−1 dulo p gelten kann; so ist etwa 2 4 = 23 = 8 ≡ i mod 13, weil weder 23 + i, noch 23 − i durch 13 teilbar ist. Man kann sich lange um die komplexen Zahlen herummogeln, indem man p = a2 + b2 schreibt und i durch are 13 = 32 + 22 und die Restklasse ab mod p ersetzt. In unserem Beispiel w¨ 3 2 achlich ist 8 = 64 ≡ −1 mod 13. Letztendlich f¨ uhrt 2 ≡ 8 mod 13, und tats¨ an der Einf¨ uhrung von π = 3 + 2i als Modul aber kein Weg vorbei, und damit gilt einfach 8 ≡ −i mod π. Der Tagebucheintrag vom 23.10.1813 legt nahe, dass Gauß erst damals die Arithmetik der Gaußschen Zahlen ernsthaft betrachtet58 . Damit verliert das biquadratische Restverhalten etwa von 2 auf einen Schlag sein ganzes Mysterium: Dieses h¨angt jetzt nicht mehr von der Darstellung von p = a2 + 4b2 durch eine quadratische Form ab, sondern vom Restverhalten der komplexen Primzahl a + bi. So hat 2 denselben biquadratischen Charakter von allen komplexen Primzahlen a + 2bi, die in derselben Restklasse modulo 8 in Z[i] liegen. Damit war das Ziel gesteckt: Gauß definiert die Begriffe Primzahl, gr¨ oßter gemeinsamer Teiler, Einheit, zeigt den Satz von der eindeutigen Primfaktor58

[Gr¨ oger 2013] versucht sich an einer genauen Chronologie der Entwicklungen von ersten Versuchen zu biquadratischen Resten bis zur Erkenntnis, dass man eine Arithmetik der Zahlen der Form a + bi aufbauen muss.

9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie Beweis

Kommentar

I

Den ersten Beweis durch vollst¨ andige Induktion hat Gauß bis auf einen Hilfssatz 1795 bewiesen; der Beweis des Hilfssatzes gelang ihm am 8. April 1796 ( [Gauß 1976, Eintrag 2]).

407

II

Der zweite Beweis ist auf der Theorie der bin¨ aren quadratischen Formen aufgebaut; Gauß hat ihn am 27. Juni 1796 (Tagebuch [16]) entdeckt, in der Folge aber in seine Theorie der Geschlechter eingebaut. VII, VIII Diese beiden Beweise beruhen auf der quadratischen Periodengleichung und bilden, streng genommen, nur einen Beweis. Urspr¨ unglich sollten diese Beweise im Abschnitt VIII der Disquisitiones erscheinen, blieben aber zu Lebzeiten von Gauß unver¨ offentlicht. Entdeckt hat Gauß sie im September 1796 (Tagebuch [30]). IV Dieser Beweis beruht auf der Vorzeichenbestimmung quadratischer Gaußscher Summen; Gauß hat ihn im Mai 1801 entdeckt (Tagebuch [118]), die Bestimmung des Vorzeichens gelang ihm aber erst am 30. August 1805 (Tagebuch [123]). III Den dritten ver¨ offentlichten Beweis findet Gauß am 6. Mai 1807 (Tagebuch [134]); er beruht auf dem Gaußschen Lemma. V Auch der f¨ unfte Beweis benutzt das Gaußsche Lemma; er wurde 1808 entdeckt, aber erst 1818 publiziert. VI Dieser Beweis benutzt quadratische Gaußsche Summen, kommt aber ohne die Vorzeichenbstimmung aus. Den Beweis selbst f¨ uhrt Gauß mit Hilfe von Polynomen. Die Beweise V und VI hat Gauß bei der Ver¨ offentlichung von Beweis IV (§ 33) versprochen. Tabelle 9.4. Die Gaußschen Beweise des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes

zerlegung und das Analogon von Fermats kleinem Satz und dem Eulerschen Kriterium, und formuliert das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz wie folgt59 : Bezeichnen a + bi, A + Bi Primzahlen von der Beschaffenheit, dass a, A ungerade, b, B gerade sind, so wird entweder jede der beiden quadratischer Rest oder jede der beiden quadratischer Nichtrest der andern sein. Auch bei der Formulierung des biquadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes vermeidet Gauß die Einf¨ uhrung eines dem Legendresymbol nachempfundenen biquadratischen Restsymbols [ α π ]. Gauß setzt vielmehr α

p−1 4

≡ i[c] mod π,

wo π = a + bi eine komplexe Primzahl der Norm p = a2 + b2 ist, und nennt [c] ∈ {0, 1, 2, 3} den biquadratischen Charakter von α modulo π. Das biqua59

Siehe [Gauß 1889, Art. 60].

408

9 Gauß

[c] dratische Restsymbol w¨are hier durch [ α definiert, und das biquadraπ] = i 60 tische Reziprozit¨atsgesetz lautet damit λ π  N π−1 N λ−1 = (−1) 4 · 4 , λ π

wo π und λ komplexe Primzahlen sind, welche durch Multiplikation mit einer geeigneten Einheit auf die Form π ≡ λ ≡ 1 mod (2+2i) gebracht worden sind. In seinen beiden Abhandlungen u ¨ber biquadratische Reste entwickelt Gauß nur die Arithmetik der ganzen komplexen Zahlen der Form a + bi, formuliert das biquadratische Reziprozit¨atsgesetz und beweist den Erg¨ anzungssatz, der das biquadratische Restverhalten von 2 beschreibt; der dritte Teil mit einem Beweis des Reziprozit¨atsgesetzes ist nie erschienen61 , wohl auch weil Jacobi und Eisenstein ihn dieser Pflicht durch die Publikation ihrer eigenen Beweise enthoben haben. Die ganzen Gaußschen Zahlen sind auf die Theorie der biquadratischen Reste zugeschnitten. Gauß war sich bewusst, dass die h¨ oheren Potenzgesetze eine Arithmetik der Kreisteilungsk¨orper erfordert; in [Gauß 1889, S. 541] lesen wir: Nur nebenbei wollen wir wenigstens noch bemerken, dass eine derartige Erweiterung des Feldes der Theorie der biquadratischen Reste besonders angepasst ist. Die Theorie der kubischen Reste muss in ¨ ahnlicher Weise auf die Betrachtung der Zahlen von der Form 3 a + bh, wo h eine  imagin¨are Wurzel der Gleichung h − 1 = 0, et-

wa h = − 12 + 34 · i, ist, gegr¨ undet werden, und ebenso erfordert die Theorie der Reste der h¨oheren Potenzen die Einf¨ uhrung anderer imagin¨arer Gr¨ossen.

Der Gaußsche Beweis, daß die Gaußschen Zahlen eine eindeutige Primfaktorzerlegung besitzen, ist nicht, wie man vielleicht vermuten k¨ onnte, auf dem Euklidischen Algorithmus aufgebaut, sondern beruht letztendlich auf der Tatsache, dass die Klassengruppe der Diskriminante −4 trivial ist. Damit beweist er das Euklidische Lemma f¨ ur die Gaußschen Zahlen und bemerkt: Aus diesem Satze leitet man den anderen, dass die Zerlegung in Primfactoren nur auf eine einzige Weise m¨oglich ist, sehr leicht her, und zwar durch Schl¨ usse, die denen, welche wir in den Disquisitiones Arithmeticae (art. 16) benutzt haben, vollkommen analog sind; daher w¨ urde es u ussig sein, uns hier damit aufzuhalten. ¨berfl¨ Es ist zu vermuten, dass Gauß den Zusammenhang zwischen der Existenz der eindeutigen Primfaktorzerlegung im quadratischen Zahlring mit Fundamentaldiskriminante d und der Klassengruppe der Formen mit Diskriminante d 60

Siehe [Gauß 1889, Art. 67]. Einzelheiten zum Vorgehen von Gauß, die auf in seinem Nachlass gefundenen Fragmenten beruhen, werden in [Gr¨ oger 2013] erkl¨ art. 61

9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie

409

kannte. Vielleicht haben Gauß (und sp¨ater Jacobi und Eisenstein) aus diesem Grunde gedacht, dass der Fortschritt in der Zahlentheorie in der Erweiterung der Theorie der Formen besteht, da die Formentheorie sich f¨ ur alle Diskriminanten entwickeln l¨asst, w¨ahrend die Arithmetik der gew¨ ohnlichen ganzen Zahlen sich nur in Spezialf¨allen (Klassenzahl 1) auf Zahlringe u asst. ¨bertragen l¨

Nachlass Unter den Manuskripten im Nachlass von Gauß wurden eine Menge von Fragmenten gefunden, die bis heute wohl nur teilweise ver¨ offentlicht worden sind. In einem dieser Fragmente behandelt Gauß die Arithmetik der ganzen Zahlen im K¨orper der dritten Einheitswurzeln: bezeichnet ρ eine primitive dritte Einheitswurzel (Gauß benutzt die Bezeichnung ε), so existiert f¨ ur Zahlen der Form a+bρ (a und b ganze Zahlen) ein Euklidischer Algorithmus, und folglich gilt f¨ ur diese Zahlen der Satz von der eindeutigen Primfaktorzerlegung (eine Beweisskizze, die auf der Theorie der quadratischen Formen beruht, ist in den Werken nicht abgedruckt worden). Danach beweist Gauß, dass die kubische Fermatgleichung x3 + y 3 + z 3 = 0 keine nichttriviale L¨ osung in Z[ρ] und damit auch keine in Z besitzt. Dar¨ uberhinaus finden sich Skizzen zur Untersuchung der Fermatgleichung vom Grad 5; im Bereich der p-ten Einheitswurzeln stellt Gauß die Frage, a −ζ b ob sich jede Einheit als Produkt von Quotienten der Form ζζ c −ζ d schreiben l¨asst. Untersuchungen u ¨ber kubische Formen, darunter die Zerlegung von 27Φp (x) f¨ ur prime p ≡ 1 mod 3 in drei Faktoren, analog zur Zerlegung von 4Φp (x) in zwei, sind ebensowenig zum Abdruck gekommen wie dazu verwandte Fragmente u ¨ber die Komposition der Formen zu X 3 + mY 3 + m2 Z 3 − 3mXY Z samt einer Tabelle von Einheiten in rein kubischen Zahlk¨ orpern ( [G24]). Unter den kleineren Beitr¨agen finden sich auch ein Beweis der Irrationalit¨ at m f¨ u r rationale Zahlen =  0 (Werke VIII, 27–29); kritische Bemervon tan m n n kungen zum Beweis von Lambert wurden nicht mit abgedruckt. Weiter hat Gauß, wie vor ihm Legendre, die Anzahl der Gitterpunkte in einem Kreis (und von anderen Kegelschnitten definierte Gebiete der Ebene) untersucht und die Ergebnisse auf die analytische Bestimmung der Klassenzahl62 angewandt. Die Gaußsche Herleitung der Klassenzahlformel f¨ ur bin¨ are quadratische Formen unterscheidet sich von den sp¨ateren in erster Linie dadurch, dass er die auch bei ihm vorkommenden L-Reihen nur f¨ ur s = 1 betrachtet. Wir wollen seine Vorgehensweise63 daher kurz skizzieren. 62

Diese Dinge werden in [Scharlau & Opolka 1980] sehr sch¨ on entwickelt. Die betreffende Ausarbeitung [G12] wurde in seinen nachgelassenen Papieren entdeckt. 63

410

9 Gauß

Ist f eine arithmetische Funktion, also f (n) eine auf allen nat¨ urlichen Zahlen definierte Funktion, so betrachten wir F (n) = f (1) + f (2) + . . . + f (n) und den dazugeh¨origen Mittelwert F (n)/n. Im vorliegenden Fall sei f (n) die Anzahl der Darstellungen der nat¨ urlichen Zahl n als Summe zweier Quadrate. Schreibt man n = 2μ Saα bβ cγ · · · , wobei S das Produkt aller in n aufgehenden Primzahlen der Form 4m + 3 ist und a, b, c, . . . Primzahlen der Form 4n + 1 bezeichnen, und setzt ⎧ ⎪ falls p = 4m + 3, Exponent von p ungerade, ⎨0 (p) = 1 falls p = 4m + 3, Exponent von p gerade, ⎪ ⎩ α + 1 falls p = 4m + 1, Exponent von p ist α, dann ist f (A) = 4(3)(5)(7)(11) · · · . Die summatorische Funktion F (A) = f (1) + f (2) + . . . + f (A) verh¨alt sich f¨ ur große Werte von A wie der Fl¨acheninhalt des Kreises um den √ Ursprung mit Radius A, folglich ist F (A) ∼ πA, und die mittlere Anzahl der Darstellungen eine Zahl A als Summe zweier Quadrate ist daher lim

A→∞

F (A) = π. A

Jetzt greift Gauß in die Trickkiste und betrachtet die Funktion f  (m) = f (m) + f (3m). Hier ist f  (A) = f (A) + f (3A) = 4(3)(5)(7) · · · + 4(3) (5)(7) . . . , wobei (3) = 0 oder = 1 ist, je nachdem A ungerade oder gerade oft durch 3 teilbar ist, und in diesen F¨allen ist (3 ) = 1 bzw. = 0. Wegen (3) + (3) = 1 folgt also f  (A) = 4(5)(7)(11) · · · . Diese Funktion verh¨alt sich, so Gauß, wegen der fehlenden Abh¨ angigkeit von 3 regelm¨aßiger als f . Mit F  (A) = f  (1) + f  (2) + . . . + f  (A) ist dann F  (3A) = f (1) + f (2) + . . . + f (3A) + f (3) + f (6) + . . . + f (9A) = F (3A) + f (3) + f (6) + . . . + f (9A). Ist m genau ein Mal durch 3 teilbar, dann gilt f (m) = 0; weiter ist f (9m) = f (m). Also ist

9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie

411

f (3) + f (6) + . . . + f (9A) = f (9) + f (18) + . . . + f (9A) = f (1) + f (2) + . . . + f (A) = F (A), und wir erhalten F  (3A) = F (A) + F (3A). Der Mittelwert der Funktion F  4 ist daher 4 · πA 3A = 3 π. Als n¨achstes wird die Abh¨angigkeit von 5 ausgeschaltet: Gauß betrachtet f  (m) = −f  (m) + f  (5m) und findet f  (A) = 4(7)(11)(13) · · · ,

sowie

F  (5A) = −F  (A) + F  (5A).

Der Mittelwert von F  ist jetzt 43 · 45 π. Wiederholt man diesen Schritt beliebig oft, n¨ahert sich die durchschnittliche Anzahl der Darstellungen einerseits dem Wert 4, weil die Abh¨angigkeit von den Primzahlen entfernt worden ist, andererseits aber dem Produkt 4 4 8 12 12 · · · · · · · π. 3 5 7 11 13 Gleichsetzen dieses Produkts mit 4 ergibt die Gleichung π =4·

3 5 7 11 13 · · · · ··· , 3 + 1 5 − 1 7 + 1 11 + 1 13 − 1

was sich auch in der Form 1 π  = 1 4 1 − ( −1 p )p p schreiben l¨asst. Entwickelt man die Faktoren in geometrische Reihen, so Gauß, erh¨alt man die Beziehung π 1 1 1 1 1 1 =1− + − + − + ∓ ··· , 4 3 5 7 9 11 13 die Gauß Euler zuschreibt. Diese Reihe erweist sich somit als Folge der arithmetischen Beobachtung, dass sich jede Primzahl p ≡ 1 mod 4 im wesentlichen eindeutig als Summe zweier Quadrate schreiben l¨ asst, dass also die Klassenzahl der Formen mit Determinante −1 gleich 1 ist. Die Gaußschen Umformungen erinnern dabei stark an Eulers Herleitung64 der Produktformel f¨ ur die Zetafunktion an der Stelle s = 1. In den nachgelassenen Schriften von Gauß ist die Herleitung der Klassenzahlformel nur sehr unvollst¨andig ausgef¨ uhrt. Auch der Beweis der mittleren Anzahl der Klassenzahlen, welche er schon in den Disquisitiones angegeben hatte, ist nicht vorhanden. Neben diesen arithmetischen S¨atzen hat sich Gauß ausgiebig mit elliptischen Funktionen befasst, wovon er aber wenig bis gar nichts ver¨ offentlicht hat. Zu 64

Siehe S. 299.

412

9 Gauß

den wenigen Andeutungen in dieser Richtung geh¨ ort die Bemerkung (siehe das Zitat auf S. 470), dass sich der Inhalt des Abschnitts VII der Disquisitiones, also der Kreisteilung, verallgemeinern lasse zu einer Theorie der Teilung der Lemniskate. Einen großen Teil seiner Entdeckungen haben sp¨ ater Abel und Jacobi ver¨offentlicht. Ein zentraler Punkt der diesbez¨ uglichen Gaußschen Untersuchungen ist das arithmetisch-geometrische Mittel65 , das bereits Lagrange in [La11] untersucht hatte: Sind zwei reelle Zahlen a0 und b0 gegeben, so konvergieren die durch a n + bn an+1 = und bn+1 = an bn 2 definierten Folgen gegen einen gemeinsamen Grenzwert M (a0 , b0 ). Gauß hatte durch numerische Rechnungen festgestellt, dass  dx 1 2 1 √ √ = π M (1, 2 ) 1 − x4 0 gilt. √ Diese Gleichung verkn¨ upft das arithmetisch-geometrische Mittel von 1 uhrt zu einer ganzen Reihe von und 2 mit elliptischen Funktionen und f¨ Untersuchungen u ¨ber elliptische Funktionen, die aber erst nach Gauß’ Tod bekannt werden.

Der letzte Tagebucheintrag Bereits bei der Berechnung quadratischer Gaußscher Summen oder dem Produkt von Perioden hat Gauß die Anzahl der L¨ osungen quadratischer Kongruenzen benutzt, und in seinen Arbeiten u ber biquadratische Reste spielen ¨ L¨osungsanzahlen von Kongruenzen vom Grad 4 eine große Rolle. Im Nachlass [G21] findet man die Bestimmung dieser Anzahl f¨ ur eine ganze Reihe von Kongruenzen zweiten Grades, etwa von x2 + y 2 + z 2 ≡ 0 mod p. Auch im letzten Eintrag im Gaußschen Tagebuch [Gauß 1976] vom 9. Juli 1814 geht es um die Anzahl der L¨osungen einer Kongruenz: Eine sehr wichtige Beobachtung, auf induktivem Wege gewonnen, die sehr elegant die Theorie der biquadratischen Reste mit den lemniskatischen Funktionen verkn¨ upft. N¨amlich, wenn a + bi Primzahl und a − 1 + bi durch 2 + 2i teilbar ist, so wird die Anzahl aller L¨ osungen der Kongruenz 1 ≡ x 2 + y 2 + x2 y 2

(mod a + bi)

einschließlich x = ∞, y = ±i und x = ±i, y = ∞ gleich (a − 1)2 + b2 sein. 65

Die Literatur dar¨ uber ist unersch¨ opflich; wir nennen [Schlesinger 1911], [Cox 1984], [Almkvist & Berndt 1988] und [Borwein & Borwein 1987].

9.7 Sp¨atere Arbeiten zur Zahlentheorie

413

Insbesondere weicht die Anzahl der L¨osungen von p um einen Betrag ab, der √ durch 2 p beschr¨ankt ist. Solche Absch¨atzungen spielen in der Zahlentheorie des 20. Jahrhunderts eine große Rolle66 . Die Gleichung x2 + y 2 + x2 y 2 = 1 wird von den lemniskatischen Funktionen parametrisiert; der Zusammenhang mit biquadratischen Resten wird sichtbar, wenn man die Gleichung in der Form y 2 (x2 + 1) = 1 − x2 schreibt und mit 1 + x2 multipliziert; mit w = (1 + x2 )y folgt dann w2 = 1 − x4 . Die Anzahl der L¨osungen solcher Kongruenzen hat Gauß in der zweiten Abhandlung u ¨ber biquadratische Reste bestimmt.

Aufgaben 9.1 Zeige ( [Barlow 1811, S. 178]), dass aus der Produktformel f¨ ur Summen zweier Quadrate folgt, dass ein Produkt einer Summe von zwei und einer Summe von drei Quadraten eine Summe von vier Quadraten ist. 9.2 Untersuche, wie die von Gauß betrachteten Summen 

cos

Nπ Rπ  − cos n n

mit den Summen

p−1    a a=1

n

ζ an

zusammenh¨ angen, wo ζ eine primitive n-te Einheitswurzel bezeichnet. 9.3 Zeige, dass sich jede ganze Gaußsche Zahl a + bi mit ungerader Norm a2 + b2 durch Multiplikation mit einer Einheit auf die Form a + bi ≡ 1 mod (2 + 2i) bringen l¨ asst.

66

Mehr u ¨ber die weitere Entwicklung findet man bei [Herglotz 1921], [Lemmermeyer 2000a] und [Oort 2016].

Teil III. Der Beginn der Modernen Zahlentheorie

Deckblatt der ersten Gaußschen Abhandlung u ¨ber biquadratische Reste

10

Dirichlet

Abb. 10.0.1. Dirichlet 1855; Lithographie des Malers Julius Schrader (1815–1900).

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7_10

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10 Dirichlet

Gauß hat der nachfolgenden Generation mit der Komposition quadratischer Formen, der Kreisteilung, der Bemerkung u ¨ber die analoge Teilung der Lemniskate und mit dem biquadratischen Reziprozit¨ atsgesetz den Weg in das gelobte Land gezeigt. Alle diese Fragen haben die Entwicklung der Zahlentheorie im 19. (und sogar noch im 20.) Jahrhundert außerordentlich befruchtet.

10.1 Aufbruch zu neuen Ufern Zu den wichtigsten politischen Entscheidungen im Deutschland des fr¨ uhen 19. Jahrhunderts geh¨oren zweifellos die Reformen der preußischen Schulen und Universit¨aten nach dem Vorbild Frankreichs. Heinrich Emil Timerding beschreibt dies so1 : Von der gr¨oßten Bedeutung f¨ ur das Unterrichtswesen ist die franz¨osische Revolution gewesen. Sie beseitigte den Gedanken einer besonderen Ausbildung des Adels und hob gerade die b¨ urgerliche Erziehung hervor. Vorher waren alle b¨ urgerlichen Lehranstalten, auch die Universit¨aten, bestimmt, Diener des Adels und der F¨ ursten zu erziehen. Die Geistlichen stehen in Abh¨ angigkeit von dem Grundherrn, die Lehrer, auch die Lehrer der Gymnasien, gar noch in dem¨ utigender Abh¨ angigkeit von der Gemeinde, sie m¨ ussen durch eine Art Bettel ihr Dasein fristen. Die preußischen Reformen, die zeitgleich mit vielen anderen durch die Niederlage der Preußen bei Jena und Auerstedt erzwungenen Staatsreformen durchgef¨ uhrt werden, stehen unter der Leitung von Wilhelm von Humboldt und werden vom Minister Karl vom Stein zum Altenstein (1779–1840) durchgef¨ uhrt. Altenstein veranlasst 1818 die Gr¨ undung der Universit¨ at Bonn, f¨ uhrt 1819 ein mehrgliedriges Schulsystem mit Grund- und weiterf¨ uhrenden Schulen ein, das fast zwei Jahrhunderte lang außerordentlich erfolgreich ist, und l¨asst die Schulpflicht 1825 auf das ganze Land ausdehnen. In erster Linie war dies dazu gedacht, die unhaltbaren Zust¨ande in den Fabriken und Fabrik” schulen“ einzud¨ammen; die direkte Beseitigung dieser Missst¨ ande scheiterte am Einspruch des Handelsministers. Viele Kinder waren damals in Fabriken besch¨ aftigt“, und der Schulpflicht ” wurde dadurch Gen¨ uge getan, dass man ihnen nach 12 Stunden Arbeit abends noch ein bis zwei Stunden Unterricht angedeihen ließ: In den Abendschulen vermag das durch die anstrengende Tagesarbeit physisch und psychisch ersch¨opfte Kind ebenso wenig wie der Lehrer dem Unterricht die geh¨orige Aufmerksamkeit zu widmen; die k¨ orperlichen Bed¨ urfnisse, welche von Hunger, Durst und Erm¨ udung 1

[Hinneberg 1914, S. 111].

10.1 Aufbruch zu neuen Ufern

419

in Anspruch genommen werden, sind in der Regel so gebieterisch, daß das Aufdringen von geistiger Last gew¨ ohnlich ganz erfolglos bleibt, ja nicht selten dazu beitr¨agt, den Unterricht den Kindern recht verhaßt zu machen . . . heißt es in einem von Altenstein angeforderten Bericht2 u ¨ber den Zustand der Schulen. Auch nach Altensteins Reformen war es gang und g¨ abe, dass Kinder nach 10 Stunden Arbeit und 1 12 Stunden Pause noch f¨ unf Stunden Unterricht hatten, der nat¨ urlich wie zuvor an der Ersch¨ opfung der Sch¨ uler scheiterte. Daneben waren Missbrauchsf¨alle jedenfalls nicht unbekannt3 : In einer großen Spinnerei zu Barmen waren dreizehn M¨ adchen im Alter von 10–14 Jahren der Verworfenheit eines Aufsehers preisgegeben worden, welcher infolgedessen zu f¨ unfj¨ahriger Zwangsarbeit verurteilt war. Bei einer sp¨ateren Untersuchung hatte man viele junge M¨ adchen mit Syphilis behaftet vorgefunden; dieselben h¨atten die Krankheit auf ihre Familien u ochst ungl¨ ucklich gemacht. ¨bertragen und diese h¨ Die bisher weitgehend von Kirchen gef¨ uhrten Volksschulen und Gymnasien sollen jetzt unter staatliche Aufsicht kommen, was aber erst durch Bismarcks Schulaufsichtsgesetz von 1872 im Rahmen des Kulturkampfs endg¨ ultig durchgesetzt werden kann. Tats¨achlich standen die Geistlichen oft genug auf der Seite der Ausbeuter. Noch 1865 stellten Stadtverordnete und Mitglieder der Handelskammer einen Antrag4 an die in Trier tagende Generalversammlung der katholischen Vereine mit dem Wortlaut: Die Generalversammlung wolle 1. die Erkl¨ arung abgeben, daß sie in dem Schulzwang ein unheilvolles Eingreifen in die Rechte der Familie erblicke; 2. die katholischen Vereine auffordern, in den L¨ andern, wo der Schulzwang besteht, auf die gesetzliche Beseitigung desselben hinzuwirken. Die reaktion¨aren Tendenzen der st¨adtischen Beh¨ orden“, so schreibt Anton ” weiter, fanden ungeteilte Unterst¨ utzung aufseiten der katholischen Geistli” chen.“ Sie erkl¨arten 12- bis 13-j¨ahrige Kinder als hinreichend ausgebildet, obwohl diese oft genug nicht einmal ihren eigenen Namen h¨ atten schreiben k¨onnen. 1838 erscheint Oliver Twist von Charles Dickens, 1843 A Christmas Carol; dies sind B¨ ucher, welche sich, jedes auf seine Art, mit der Armut der unteren Schichten und Kinderarbeit in England befassen. England hatte mit seinem weltweit ersten Kinderschutzgesetz der Welt 1834 (Preußen folgte 5 Jahre 2

In [Anton 1891, S. 16] findet man eine Menge an Information u ¨ber die damalige Lage der Kinder in Preußen. 3 Siehe [Anton 1891, S. 59]. 4 Siehe [Anton 1891, S. 108].

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10 Dirichlet

sp¨ater) die Arbeit von Kindern unter 9 Jahren verboten und die von Kindern bis 12 Jahren auf unter 9 Stunden und bei denen bis 18 Jahren auf 12 Stunden pro Tag beschr¨ankt; zuvor hatte George III dies f¨ ur Kinder in Baumwollspinnereien durchgesetzt. Charles Dickens selbst hat mit 12 Jahren, als sein Vater ins Londoner Schuldgef¨angnis geworfen wurde und die Mutter mit den sieben Geschwistern ihm dorthin folgte, den Lebensunterhalt der Familie verdient. Papier ist geduldig: Allen Gesetzen zum Trotz wurden Kinder weiterhin ausgebeutet; 1871 beklagt George Smith in einem aufr¨ uttelnden Pamphlet5 , dass in Ziegelfabriken Englands immer noch Kinder ab drei bis vier Jahren besch¨ aftigt sind. In Deutschland braucht die Entwicklung eines funktionierenden Bildungssystems f¨ ur die Massen einen sehr langen Atem; was die h¨ ohere Bildung angeht, sorgt Wilhelms Bruder Alexander von Humboldt6 mit Briefen an die zust¨andigen Minister daf¨ ur, dass junge Talente wie Dirichlet, Jacobi und Eisenstein gef¨ordert werden. Die Gr¨ undung neuer mathematischer Zeitschriften erleichtert die Verbreitung neuer Ideen; zwischen 1810 und 1831 erscheinen die Annales de math´ematiques pures at appliqu´ees, 1823 das Bulletin de F´erussac, 1825 die Correspondance math´ematique et physique in Belgien, 1826 das von Crelle gegr¨ undete Journal f¨ ur die Reine und Angewandte Mathematik und die Zeitschrift f¨ ur Physik und Mathematik, herausgegeben von Baumgartner und v. Ettinghausen in Wien, 1835 die Comptes Rendus der Pariser Akademie, 1836 die von Liouville als Antwort auf die eingegangenen Annales das Journal de Math´ematiques Pures et Appliques, und 1842 die Nouvelles Annales de math´ematique. Aufsehen erregt 1822 die Entzifferung der Hieroglyphen durch Jean-Fran¸cois Champollion. Er wurde zum Vorbild einer ganzen Reihe von Wissenschaftlern, die sich sp¨ater mit der Entzifferung der Keilschrift und der damit geschriebenen Sprachen befassten, unter ihnen Carsten Niebuhr, Georg Friedrich Grotefend und Henry Creswicke Rawlinson. In Deutschland wird das Hambacher Fest 1832 zum Symbol f¨ ur ein geeintes Deutschland und zieht Einschr¨ankungen von Presse- und Versammlungsfreiheit nach sich. Zu den großen technischen Ver¨anderungen am Beginn des 19. Jahrhunderts geh¨ort der Aufbau eines Eisenbahnnetzes. 1835 f¨ ahrt die erste Eisenbahn in Deutschland (made in England: Die Lokomotive wurde von Robert Stephenson & Co. in Newcastle gefertigt und erreicht eine Geschwindigkeit von etwa 30 km/h), und zwar zwischen N¨ urnberg und F¨ urth. Drei Jahre sp¨ ater wird die Eisenbahnverbindung zwischen Berlin und Potsdam errichtet. Die ersten Dampfschiffe halbieren die Reisezeit zwischen Europa und Amerika. Joseph Nic´ephore Ni´epce macht erste Photographien, 1826 entwickelt der englische Apotheker John Walker das Streichholz, und 1835 pr¨ asentiert James Bowman Lindsay die erste Gl¨ uhlampe. 5 6

Siehe [Smith 1871], sowie [Engels 1845]. Siehe etwa [Pieper 2004, Pieper 2007].

10.1 Aufbruch zu neuen Ufern

421

In der Physik beginnt die Erforschung des Zusammenhangs zwischen Elektrizit¨at und Magnetismus. Die Erzeugung von Strom durch Dynamos kommt auf, Gauß und Wilhelm Weber bauen den ersten elektrischen Telegraphen, James Clerk Maxwell kann 1865 seine Gleichungen pr¨ asentieren, welche die Theorie des Elektromagnetismus revolutionieren und die Heinrich Hertz zur Entdeckung des elektromagnetischen Spektrums f¨ uhren. Friedrich Wilhelm Bessel gelingt 1838 die erste Messung einer Parallaxe und damit die Bestimmung der Entfernung eines Sterns; insbesondere ist damit das heliozentrische zweifelsfrei als das korrekte Weltbild erwiesen. Eine der gr¨ oßten wissenschaftlichen Ideen des 19. Jahrhunderts bleibt dennoch die Theorie der Evolution von Charles Darwin: Kaum war die Schlacht zwischen Kirche und Wissenschaft auf dem Gebiet der Astronomie entschieden, er¨ offnete Darwins Theorie den beiden Kontrahenten ein neues Schlachtfeld. Darwin war am 27. Dezember 1831 mit der HMS Beagle zu einer zweij¨ ahrigen Reise aufgebrochen. Die Reise selbst dauert keine zwei, sondern f¨ unf Jahre, und nach der R¨ uckkehr der Beagle am 2. Oktober 1836 schreibt Darwin seinen Reisebericht auf und ver¨offentlicht ihn ein knappes Jahr sp¨ ater unter dem Titel The voyage of the Beagle. Im Jahre 1859 kann Darwin seine Theorie der Entstehung der Arten“ vor” legen. Die Reaktion folgt auf dem Fuß: Vielen Menschen ist die Vorstellung zuwider, sie k¨onnten mit den Affen gemeinsame Vorfahren besessen haben. Ludwig Boltzmann beschreibt dies in einer akademischen Festrede7 vom 15. November 1887 in Graz so8 : T¨ ont es nicht heute lauter denn je, das Gebr¨ ulle aller Dunkelm¨anner, aller Feinde der freien Meinungs¨außerung und Forschung wider den neuen pythagor¨aischen Lehrsatz, die Lehre Darwins? Dabei waren manche der Darwinschen Ideen gar nicht neu. Arthur Arneth etwa, habilitierter Lehrer f¨ ur Mathematik und Physik in Heidelberg, beschrieb die Entstehung der Welt in seiner Geschichte der Mathematik und des menschlichen Geistes9 wie folgt. Die Erde ist zusammen mit der Sonne entstanden, k¨ uhlte ab, und bildete eine Kruste. Aus Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Wasser, Kohlens¨ aure und Ammoniak entstehen organische Verbindungen und endlich die Einzeller, daraus Pflanzen und Tiere und endlich der Mensch. Die7

Siehe [Broda 1979]. Kehlmann kolportiert eines seiner von ihm in Die Vermessung der Welt erfundenen Humboldt-Zitate im Vorwort von Darwins Reisetagebuch Die Fahrt der Beagle, wonach die gr¨ oßte Beleidigung des Menschen die Behauptung sei, der Mensch stamme vom Affen ab. Als Darwin die Theorie der gemeinsamen Vorfahren von Menschen und Affen ver¨ offentlichte, war Humboldt bereits gestorben. 9 [Arneth 1852]. 8

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10 Dirichlet

sen l¨asst er zweimal entstehen: einmal auf dem ¨ altesten Kontinent, n¨ amlich Afrika, und einmal in Asien10 . Beethovens 9. Sinfonie wird 1824 uraufgef¨ uhrt, als das Wunderkind Franz Liszt bereits von sich reden macht. Als es sp¨ater bei seiner Europatournee als Konzertpianist zu Ohnmachtsanf¨allen bei seinen Zuh¨ orern und Zuh¨ orerinnen kommt, pr¨agt Heinrich Heine den Begriff der Lisztomanie. Die wachsende Nachfrage an Tabak, Kaffee, Kakao und Zuckerrohr f¨ uhrt gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu einer extremen Ausweitung des Sklavenhandels, bei dem Millionen von Schwarzen in Afrika gefangen und nach Amerika transportiert werden. Drehscheiben des Sklavenhandels waren Kuba und Santo Domingo (heute Haiti), auf denen nach Angaben von Humboldts11 damals 180 000 bzw. 450 000 Sklaven leben. Von Humboldts Urteil u ¨ber die Sklaverei ist unzweideutig: ¨ Ohne Zweifel ist die Sklaverei das gr¨oßte aller Ubel, welche die Menschheit gepeinigt haben. In den USA werden Indianer aus ihren angestammten fruchtbaren Gebieten vertrieben – beginnend mit den Choctaw 1831 bis zum Langen Marsch“ der ” Navajo 1860 – und zwangsweise umgesiedelt. Die Cherokee bezeichnen den 2000 km langen Marsch als den Weg, auf dem wir weinten“; diese Bezeich” nung geht als Pfad der Tr¨anen“ (Trail of Tears) in die Geschichte ein. Vor ” weiteren Massakern (die bekanntesten sind das Sand-Creek Massaker von 1864 an den Cheyenne und das Massaker bei Wounded Knee 1890 an den Sioux) hat sie die Umsiedlung nicht bewahrt. Weiter s¨ udlich erk¨ ampfen die L¨ ander S¨ udund Mittelamerikas ihre Unabh¨angigkeit von Spanien und Portugal, w¨ ahrend Frankreich seine Schulden f¨ ur Weizenlieferungen Algeriens aus der Zeit Napoleons, welche dessen Nachfolger nicht bezahlen wollten, mit der Besetzung des Landes ab 1830 aus der Welt schafft. Die Vermessung Europas durch Triangulation macht weiter Fortschritte; nach den großen Vermessungen in Frankreich, England und Deutschland werden jetzt die Netze von Preußen und Russland verbunden. Auch andere Teile der Welt von Amerika bis Indien werden vermessen. Die Triangulierung Indiens12 beginnt 1802 und dauert bis 1871. Den gr¨oßten Fortschritt macht man allerdings in der Messung von Fixsternparallaxen, mit denen sich das kopernikanische Weltbild endg¨ ultig durchsetzt. 1846 entdeckt der Astronom Johann Gottfried Galle an der Berliner Sternwarte einen neuen Planeten: Neptun. Der franz¨osische Mathematiker Urbain Le Verrier hatte aus St¨ orungen der Bahn 10 Weitere Vorreiter des Evolutionsgedankens waren Georges-Louis Leclerc de Buffon (1707–1788) und Jean-Baptiste de Lamarck (1744–1829). 11 Das Tagebuch, das von Humboldt bei seinem letzten Aufenthalt auf Kuba 1804 f¨ uhrte, wurde erst k¨ urzlich ausgegraben“. ” 12 Siehe [Keay 2000].

10.2 Dirichlets Leben und Werk

423

des Uranus die ungef¨ahre Position eines neuen Planeten berechnet und Galoffentlicht 1837 einen Entle diese Daten mitgeteilt13 . Charles Babbage ver¨ wurf einer Rechenmaschine, die von einer Dampfmaschine angetrieben und mit Lochkarten gesteuert wird. Das 19 m lange und 3 m hohe Monstrum wird aber nie gebaut. Im Jahre 1838 f¨ahrt das erste Dampfschiff u ¨ber den Atlantik. Mit den europ¨aischen Revolutionen von 1848 und der Ver¨ offentlichung des Kommunistischen Manifests sind wir am Ende des Zeitraums angelangt, den wir in diesem Buch betrachten werden.

10.2 Dirichlets Leben und Werk Johann Peter Gustav Lejeune Dirichlet14 wird am 13. Februar 1805 in D¨ uren geboren, als siebtes Kind von Johann Arnold Lejeune Dirichlet (1762–1837) und Anna Elisabeth Dirichlet, geborene Lindner (1768–1868). Dirichlets Großvater Antoine Lejeune Dirichlet stammt aus Verviers in Belgien; dessen Vater und Großvater hatten denselben Namen Remacle Antoine Dirichlet, und um sie zu unterscheiden nannte man den Sohn Lejeune Dirichlet“. Der Name ” Dirichlet bedeutet de Richelette“: Ein Ahne Dirichlets namens Thiry Lowys ” (Derrick Louis) war 1575 von Richelette, einem kleinen Dorf in Belgien, nach Verviers gezogen. Nach dem Besuch einer Grund- und einer Privatschule kommt Dirichlet 1817 ans Gymnasium in Bonn; franz¨osische Truppen hatten 1794 Max Franz, den Bruder von Marie Antoinette, aus seinem Kurf¨ urstentum verjagt und die Stadt besetzt. Im ganzen Rheingebiet setzten die Franzosen Reformen durch, und zu diesen geh¨orte (wenn auch erst gegen Ende der Besatzung) der Schulunterricht, insbesondere in Mathematik15 . Bonn kam erst nach der Niederlage Napoleons 1813 und dem darauffolgenden Wiener Kongress zu Preußen. Dirichlet wechselt zwei Jahre sp¨ater an das Jesuiten-Gymnasium in K¨ oln, wo er von dem Physiker Georg Simon Ohm (1789–1854) Mathematikunterricht erh¨alt. Mit 16 verl¨asst er die Schule ohne Abitur (und ohne großartige Lateinkenntnisse), um im Mai 1822 ein Studium der Mathematik in Paris zu beginnen. Paris war 1816 nach der Niederlage Napoleons von preußischen, englischen, russischen und niederl¨andischen Truppen besetzt und Ludwig XVIII wieder auf den Thron gesetzt worden; der Adel kehrte zur¨ uck, und die Anh¨anger der Republik wurden unterdr¨ uckt. 13

Die Entdeckung Neptuns wird in [Standage 2001] ausf¨ uhrlich beschrieben. Zu den wenigen biographischen Artikeln u ¨ber Dirichlet vor dem Erscheinen von [Merzbach 2018] geh¨ oren [Ahrens 1905], [Minkowski 1905], [Biermann 1959], [Butzer et al. 1982] und [Elstrodt 2007]. Dirichlets zahlentheoretische Arbeiten hat [Reichardt 1963] besprochen. 15 [Karp & Schubring 2014, Chap. 12]. 14

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Kaum in Paris angekommen erkrankt Dirichlet an den Pocken16 , denen mehr als 1000 Pariser B¨ urger zum Opfer fallen. Im November 1822 bittet Dirichlet seine Mutter, ihm eine Kopie der Disquisitiones Arithmeticae zu besorgen und nach Paris zu schicken; fortan ist dieses Buch f¨ ur Dirichlet ein st¨ andiger Begleiter. 1823 wird Dirichlet von General Maximilien Foy als Hauslehrer f¨ ur seine Kinder angestellt.

Abb. 10.2.1. General Maximilien Foy; Gabriel Lam´e

In Paris liest Dirichlet, dass sich Lam´e mit der Fermatschen Vermutung f¨ ur den Exponenten 5 auseinandergesetzt hat17 ; damals hatte er sich bereits mit der kubischen Fermatgleichung besch¨aftigt. Am 11. Juni 1825 darf er an der Akademie u ur den Exponenten 5 vortragen, und ¨ber seine neuen Ergebnisse f¨ seine Arbeit mit einem Beweis, dass die Fermat-Gleichung vom Grad 5 in vielen F¨allen nur die triviale L¨osung besitzt, wird von Lacroix und Legendre begutachtet und zur Publikation angenommen. Trotzdem wird sie nicht wie geplant ver¨offentlicht: Vielmehr legt Legendre im September 1825 der Akademie den vervollst¨andigten Beweis vor (der aber die u ¨bliche Eulersche ” L¨ ucke“ enth¨alt und damit nicht als vollst¨andig durchgehen kann), druckt ihn als Teil des zweiten Supplements18 zu seinem Essai (der erste Teil dreht sich um einen Satz von Sophie Germain zum ersten Fall der Fermatschen Vermutung) und verweist in diesem Zusammenhang auf einen gewissen Lejeune ” 16

Der englische Arzt Edward Jenner hatte Ende des 18. Jahrhunderts die Pockenimpfung entdeckt; die notwendigen Versuche hat er meist an Kindern durchgef¨ uhrt, so auch an seinem eigenen Sohn. Um eine schnelle Verbreitung der Impfung zu unterst¨ utzen, verzichtete Jenner auf die Patentierung seiner Methode. 17 Vergleiche die Fußnote 10.3 auf Seite 433. 18 Siehe [Legendre 1825].

10.2 Dirichlets Leben und Werk

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Dieterich“. Dirichlet l¨asst die Arbeit 1825 selbst drucken, und ver¨ offentlicht den vollst¨andigen Beweis (die urspr¨ ungliche Version betraf nur die H¨ alfte aller m¨ oglichen F¨alle) 1828 im Crelle-Journal. 1830 nimmt Legendre seinen eigenen (l¨ uckenhaften) Beweis, diesmal ohne Hinweis auf Dirichlet, in die dritte Auflage seiner Th´eorie des Nombres (S. 361–368) auf. Wichtiger f¨ ur Dirichlets Lebenslauf als diese etwas seltsame Episode war die Tatsache, dass Alexander von Humboldt durch Fourier und Poisson auf Dirichlet aufmerksam gemacht werden; dieser lebte seit 1807 in Paris, um die 36 B¨ ande zu schreiben, in denen er die auf seiner S¨ udamerikareise gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse ausbreitete. Als General Foy im November 1825 stirbt, stellt sich f¨ ur Dirichlet die Frage nach seiner beruflichen Zukunft. Mit der Unterst¨ utzung von Humboldt, Gauß und Encke im R¨ ucken kehrt Dirichlet nach D¨ uren zur¨ uck. Allerdings stellen sich bald Probleme ein: Die Mitglieder der Fakult¨ at in Bonn, wo Dirichlet auf Anraten des preußischen Ministers Altenstein promovieren m¨ ochte, damit er danach dort unterrichten kann, stellen sich quer, weil Dirichlet nicht an einer preußischen Universit¨at studiert hat. Erst nach l¨ angeren Diskussionen h¨andigen sie Dirichlet schließlich die Doktorurkunde aus, und im Fr¨ uhjahr 1827 zieht Dirichlet nach Breslau. Dort will er sich habilitieren; er gibt eine Probevorlesung u ¨ber den Lambertschen Beweis19 der Irrationalit¨at von π und verfasst seine Habilitationsschrift wie vorgeschrieben in Latein, schiebt allerdings seine Disputation hinaus, da er nicht fließend Latein spricht. Auf Antrag beim Minister, einem Freund Humboldts, wird ihm diese dann erlassen, allerdings wird seine Habilitation erst mit seinem Vortrag20 im Jahre 1851 formal vollendet. Dirichlet hatte im Zusammenhang mit seiner angestrebten Habilitation auch Gauß um Hilfe gebeten; dieser schreibt in seinem ersten Brief21 an Dirichlet vom 13. September 1826: Es ist mir eine um so erfreulichere Erscheinung, dass Sie mit grosser Neigung demjenigen Theile der Mathematik anh¨angen, der von jeher mein Lieblingsstudium gewesen ist, je seltener dieselbe ist. Ich w¨ unsche Ihnen herzlich eine ¨aussere Lage, wo Sie so viel als m¨ oglich Herr Ihrer Zeit und der Wahl Ihrer Arbeiten bleiben. Ich selbst wurde gleich nach dem Erscheinen meiner Disquisitiones durch andersartige Besch¨ aftigungen, und sp¨ater durch meine ¨ausseren Verh¨ altnisse sehr gehindert, meinen Neigungen in dem Maasse nachzugehen, wie ich gew¨ unscht h¨atte. Anstatt eines zweiten Theils jenes Werkes, den ich fr¨ uher beabsichtigte, werde ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach 19

Siehe S. 310. Im Band II seiner Werke ist diese Rede abgedruckt. 21 Der erhaltene Briefwechsel zwischen Gauß und Dirichlet ist im 2. Band der Dirichletschen Werke abgedruckt, mit Ausnahme eines weiteren Briefes, der in [Ullrich 2022] besprochen wird. 20

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10 Dirichlet

Abb. 10.2.2. Dirichlet

10.2 Dirichlets Leben und Werk

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darauf beschr¨anken m¨ ussen, von Zeit zu Zeit ein Memoir u ¨ber einen einzelnen Gegenstand zu liefern. Die drei Abhandlungen dieser Art, die bisher im 16. Band der hiesigen Commentationes, und im ersten und vierten der Commentationes recentiores erschienen sind, enthalten aber (einen Theil der zweiten abgerechnet) keine von den Gegenst¨anden, die ich schon 1801 zur Fortsetzung im Auge hatte, sondern neue; und so beziehen sich auch meine sp¨ateren Arbeiten dieser Art gleichfalls auf einen neuen Gegenstand, namentlich die Theorie der biquadratischen Reste, die ich in etwa drei Abhandlungen zu geben denke; die erste davon wird in kurzem f¨ ur den sechsten Band der Com¨ ment. rec. gedruckt werden, und die Hauptmaterialien f¨ ur das Ubrige sowie f¨ ur die ¨ahnliche Theorie der cubischen Reste, ist, obgleich noch wenig davon ordentlich zu Papier gebracht ist, im Wesentlichen als abgemacht zu betrachten. Fourier versucht, Dirichlet nach Paris zur¨ uckzuholen, aber Humboldt gelingt es 1828, Dirichlet eine Stelle als Lehrer an der Kriegsschule in Berlin zu verschaffen. Im September 1828 organisiert er eine wissenschaftliche Konferenz, an welcher sogar der wenig reisefreudige Gauß teilnimmt. Humboldt u ¨berredet ur die Er¨offnung der Konferenz zu komFelix Mendelssohn, eine Kantate22 f¨ ponieren, und macht Dirichlet mit dessen Familie bekannt. Dies hat Folgen: 1831 verlobt Dirichlet sich mit Rebecka, einer der beiden Schwestern von Felix, und die beiden heiraten 1832; ein Jahr sp¨ater kommt ihr Sohn Walter zur Welt, der zwischen 1881 und 1887 dem Deutschen Reichstag angeh¨ oren sollte.

Abb. 10.2.3. Zeichnungen Dirichlets und seiner Frau Rebecka von Wilhelm Hensel 22

Es handelt sich um die Humboldt-Kantate“ MWV D 2 des damals 19-j¨ ahrigen ” Felix.

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Dirichlets Erfolge als Lehrer an der Kriegsschule geben schließlich den Ausschlag f¨ ur eine dauerhafte Anstellung an der Universit¨ at Berlin; bisher war er von der Universit¨at Breslau beurlaubt. 1831 erh¨ alt Dirichlet eine Stelle an der Universit¨at von Berlin und unterrichtet weiterhin auch an der Kriegsschule. Damit beginnt seine produktivste Zeit, in welcher er einen mathematischen Meilenstein nach dem anderen setzt: Seine Arbeiten zur Fourier-Entwicklung periodischer Funktionen, der Beweis der Legendreschen Vermutung, dass jede arithmetische Progression an + b mit teilerfremden Zahlen a und b unendlich viele Primzahlen enth¨alt, und den Beweis der Klassenzahlformel f¨ ur bin¨are quadratische Formen. Im Jahre 1841 macht sich Dirichlet an seine letzte große zahlentheoretische Untersuchung: Er will die Ergebnisse u ¨ber quadratische Formen aus dem 5. Abschnitt der Disquisitiones sowie den Satz u ¨ber Primzahlen in arithmetischer Progression auf Zahlen der Form a + bi erweitern. Den dazu notwendigen Beweis, dass die entsprechenden L-Reihen nicht verschwinden, f¨ uhrt er mit Hilfe der Klassenzahlformel f¨ ur bin¨ are quadratische Formen mit komplexen Koeffizienten. Dazu wiederum muss er zeigen, √ dass, in heutiger Sprachweise, jede Einheit im Ring Z[i, δ ] mit δ ∈ Z[i] bis auf vierte Einheitswurzeln (die primitiven 6. oder 8. Einheitswurzeln liegen nicht in diesem Zahlbereich) die Potenz einer Fundamentaleinheit ist, und osbar dass insbesondere die Gleichung T 2 − δU 2 = 1 in diesem Ring immer l¨ ist, wenn δ kein Quadrat ist. Diese Forschungen f¨ uhren ihn auf den Dirich” letschen Einheitensatz“, eine weitreichende Verallgemeinerung der L¨ osbarkeit der Pellschen Gleichung23 . 1839 besucht Dirichlet Paris und lernt dort bei einem Abendessen, zu dem Cauchy eingeladen hatte, Liouville kennen. Joseph Liouville hatte in Paris zu studieren begonnen, als Dirichlet wieder zur¨ uck nach Deutschland ging. Zwischen ihnen (und ihren Familien) entwickelt sich eine tiefe Freundschaft; 1853 und 1856 besuchte Dirichlet Liouville und dessen Familie in Toul24 . Bei seiner Stippvisite in Paris macht Dirichlet auch die Bekanntschaft von Gabriel Lam´e (1795–1870), dessen nicht erschienene Arbeit u ¨ber diophantische Gleichungen x5 + y 5 = 2n z 5 ihn zu eigenen Untersuchungen angeregt hatte, und der ein Jahr nach Dirichlets Besuch einen vollst¨ andigen Beweis der Unl¨osbarkeit von x7 + y 7 = z 7 publizierte. Im Herbst 1843 begleitet Dirichlet Jacobi auf dessen Reise nach Italien. Solche Reisen waren nicht erst seit Goethes italienischer Reise (1786–1788) in Mode gekommen (Jacobi unternahm diese Reise allerdings in erster Linie aus gesundheitlichen Gr¨ unden). Die meisten der etwas besser gestellten Touristen sahen sich die Bauwerke und Kunstsch¨atze in Florenz, Rom oder Neapel an. Aus diesem Grund erw¨ahnenswert ist die Italienreise von Johann Gottfried 23

Dirichlet benutzt die Bezeichnung Pellsche Gleichung“ erst nach seiner Itali” enreise. 24 Der Briefwechsel zwischen Dirichlet und Liouville wurde [Tannery 1910] ver¨ offentlicht. Eine ausf¨ uhrliche Biographie Liouvilles stammt von [L¨ utzen 1990].

10.2 Dirichlets Leben und Werk

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Abb. 10.2.4. Ansicht von Toul aus dem 16. Jahrhundert. Kupferstich v. G. Bodenehr, um 1720

Seume. Dessen Studium der Theologie wurde 1781 unterbrochen, als ihn hessische Soldatenwerber aufgriffen und nach Kanada schickten; erst 1789 kommt er wieder frei. Von 1801 bis 1803 unternimmt er seinen Spaziergang nach Syrakus, und in seinem Reisebericht malt er ein Bild von Italien, das auch dem Blickwinkel des niederen Volkes Raum gibt25 : Die Straßen sind nicht allein mit Bettlern bedeckt, sondern diese Bettler sterben wirklich daselbst vor Hunger und Elend. Sein Bericht ist durchsetzt mit Anklagen gegen Kirche und Adel, und nur gelegentlich l¨asst er gegen¨ uber Vertretern des Klerus Gnade walten26 : Eine Wasserleitung halte ich u ur eins der wichtigsten Werke ¨berall f¨ und f¨ ur eine der gr¨oßten Wohltaten [. . . ] Wenn ein Papst eine recht sch¨one wohlt¨atige Wasserleitung baut, kann man ihm fast vergeben, daß er Papst ist. Bekannt ist Seume f¨ ur ein Zitat, das einem seiner Lieder entlehnt ist: Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, b¨ose Menschen haben keine Lieder. W¨ahrend Jacobi im Juni 1844 nach Berlin zur¨ uckkehrt, beschließt Dirichlet, nach Neapel und dann weiter nach Sizilien zu reisen, um dort auf den Spuren 25 26

Siehe [Seume 1803, S. 364]. Siehe [Seume 1803, S. 125].

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Abb. 10.2.5. Die Schwestern Fanny Hensel und Rebecka Dirichlet; Zeichnungen von Wilhelm Hensel aus S. Hensels B¨ uchern u ¨ber die Familie Mendelssohn.

von Archimedes zu wandeln. Aus Palermo schreibt Rebecka an ihre Schwester Fanny27 : ich hoffe mich bald etwas zu sammeln, und mich von meiner Verwunderung zu erholen, dass ich in Sicilien bin, im Lande Homers, der Sarazenen, der Hohenstaufen, und wo Gott die Welt erschaffen hat. H¨att’ er nur nicht dabei so sehr viel Fl¨ ohe erschaffen. Auf der R¨ uckreise erkranken die Dirichlets in Rom; Rebecka an Gelbsucht ¨ (außerdem ist sie schwanger, was die Arzte aber nicht bemerken), Dirichlet ¨ am R¨omischen Fieber. Die Arzte schicken sie nach Florenz, wo Dirichlets Zustand sich noch verschlimmert. Dirichlet und seine Familie sind gezwungen, den Winter in Italien zu verbringen. Jacobi u ¨bernimmt daraufhin Dirichlets Vorlesungen an der Kriegsschule, damit diesem nicht auch noch das Gehalt zusammengestrichen wird. In Italien bringt Rebecka ihre Tochter Flora zur Welt. Die Hensels reisen, als sie (auf Umwegen) von der Krankheit der Dirichlets erfahren hatten, nach Italien. 27

In [Hensel 1888] findet man sehr viele Briefe Rebeckas aus dieser Zeit.

10.2 Dirichlets Leben und Werk

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Abb. 10.2.6. Syrakus. Aus Meyer’s Universum, 1836

¨ Uber Rebecka erschrak alles im ersten Augenblick sehr, so u ¨bel sah sie aus, und so entstellt waren ihre Z¨ uge. [. . . ] Dirichlet war auch sehr ver¨andert, jene eigenth¨ umliche Fieberfarbe liess ihn elend aussehen28 . Dirichlet kehrt im April nach Berlin zur¨ uck, Rebecka folgt zusammen mit den Hensels im Juni nach. Dirichlet kommt nicht gesund aus Italien zur¨ uck; er scheint danach Konzentrationsschwierigkeiten gehabt zu haben, und kaum eine seiner zahlentheoretischen Arbeiten aus den Jahren nach seiner R¨ uckkehr hat das Gewicht, welche seine fr¨ uheren Werke ausgezeichnet hatten. In den n¨ achsten Jahren sterben Jacobi (1851), Eisenstein (1852) und Gauß (1855); Dirichlet wird als dessen Nachfolger nach G¨ottingen berufen, und er nimmt den Ruf nicht zuletzt auch deswegen an, weil ihm der Unterricht an der Kriegsschule zur Last geworden war. 1858 erkrankt Dirichlet schwer, und als im November Rebecka unerwartet stirbt, verliert auch Dirichlet die Kraft, sich gegen seine Krankheit zu wehren. Er stirbt am 5. Mai 1859, einen Tag vor Alexander von Humboldt. Der franz¨osische Zahlentheoretiker Victor Am´ed´ee Lebesgue schreibt29 kurz nach Dirichlets Tod: 28 29

Siehe [Hensel 1888, Band 2, S. 349]. Siehe [L46, S. vi].

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10 Dirichlet Unter diesen Abhandlungen30 zeichnen sich diejenigen von Lejeune Dirichlet durch ihre Klarheit und relative Einfachheit aus. Die Wissenschaft der Zahlen wurde in mehreren Punkten vereinfacht und vervollkommnet durch diesen herausragenden Mathematiker [. . . ].

Dass es Dirichlet war, der Gauß lesbar gemacht habe, schreibt auch Henry Smith31 : Der Tod dieses großen Mathematikers in diesem Jahr (5. Mai 1859) ist ein irreparabler Verlust f¨ ur die Wissenschaft der Zahlen. Seine originellen Untersuchungen haben vermutlich mehr zu ihrem Fortschritt beigetragen als die jedes anderen Autors seit Gauss; zumindest, wenn wir Ergebnisse nach ihrer Bedeutung und nicht nach ihrer Anzahl bewerten. Er hat weiter (in mehreren seiner Abhandlungen) arithmetischen Theorien, welche in den Arbeiten von Gauß m¨ uhsam und obskur sind, einen elementaren Charakter gegeben; und er hat daher viel getan, um die Zahlentheorie unter den Mathematikern popul¨ arer zu machen – ein Dienst, welchen man unm¨oglich zu hoch bewerten kann. Hier spielt Smith wohl auf eine Bemerkung von Gauß in einem Brief an Humboldt vom 9. Juli 1845 an; in diesem Brief schl¨ agt Gauß Dirichlet f¨ ur den preußischen Orden Pour le m´erite vor und schreibt dann: Derselbe hat zwar meines Wissens noch gar kein grosses Werk publicirt, und auch seine einzelnen Abhandlungen f¨ ullen noch gerade kein grosses Volumen. Aber sie sind Juwele, und Juwele w¨ agt man nicht mit der Kr¨amerwaage.

10.3 Dirichlets Erste Schritte Die Anregungen f¨ ur die ersten Probleme, an denen Dirichlet seine Kr¨ afte misst, kommen von außen: Dirichlets fr¨ uhe Arbeiten [D01a, D01b, D07] sind seine Reaktion auf eine Anzeige einer Arbeit von Gabriel Lam´e zur Fermatgleichung vom Exponenten 5, die Arbeiten [D02, D03, D04] kann man als von der ersten Gaußschen Arbeit u ¨ber biquadratische Reste inspiriert betrachten, selbst wenn Dirichlet etwa in [D04] auch auf elementare Ergebnisse wie den kleinen Fermatschen Satz oder den Satz von Wilson eingeht. In der Analysis befasst er sich mit den von Legendre untersuchten Eulerschen Integralen, also der Beta- und der Gamma-Funktion, sowie mit der Konvergenz der Fourierschen Reihen. Selbst der Satz u ¨ber Primzahlen in arithmetischer Progression 30

Lebesgue sprach davor von zahlreichen seit 1830 erschienenen Abhandlungen u atten. ¨ber Zahlentheorie, welche die Abfassung eines Buchs erleichtert h¨ 31 Siehe [Smith 1859, S. 72]. Dieser Bericht ist ein großartiges Werk u ¨ber die Entwicklung der Zahlentheorie im 19. Jahrhundert.

10.3 Dirichlets Erste Schritte

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geht auf entsprechende Beweisversuche Legendres zur¨ uck; allerdings ist Dirichlet mit diesen Arbeiten zu Fourierreihen und dem Primzahlsatz in [D12, D13] endg¨ ultig den mathematischen Kinderschuhen entwachsen und wird jetzt selbst zu einem mathematischen Ideengeber, dessen Arbeiten von anderen durchgearbeitet werden. Erst jetzt beginnt Dirichlet, regelm¨ aßig Vorlesungen32 u ¨ber Zahlentheorie zu halten – zuvor hatte er nur im Wintersemester 1830/31 eine Vorlesung u ¨ber unbestimmte Analysis gehalten.

Der Fermatsche Satz f¨ ur den Exponenten 5 In [D39] schreibt Dirichlet, dass er eine Anzeige einer Arbeit von Gabriel Lam´e33 gesehen habe; darin gehe es um die Gleichung x5 + y 5 = 2n z 5 . Dies habe ihn an ein Ergebnis erinnert, das er vor etwas mehr als einem Jahr osung gefunden hat. Er zeigt dann, dass die Gleichung x3 ± y 3 = 2n z 3 keine L¨ in positiven ganzen Zahlen hat, bemerkt aber an der entscheidenden Stelle, dass man p2 + 3q 2 bekanntlich“ nur zu einer dritten Potenz machen kann, ” indem man p = m3 − 9mn2 und q = 3m2 n − 3n3 setzt. Offenbar ist dieses Manuskript der Ausl¨oser f¨ ur Dirichlets Besch¨ aftigung mit der Fermatgleichung vom Exponenten 5 gewesen. Der wichtigste Beitrag Dirichlets in [D01b] ist wohl die Sorgfalt, die er in seinem Beweis walten l¨ asst, und die ihn deutlich von der unbek¨ ummerten Arbeitsweise Eulers und vor allem Legendres auf diesem Gebiet abhebt. Der Beweis der Unl¨ √osbarkeit der Gleichung x5 + y 5 = z 5 verl¨auft in den Zahlen der Form a + b 5. Setzt man n¨amlich x = p + q und y = p − q in der Gleichung x5 + y 5 = z 5 , so folgt z 5 = 2p(p4 + 10p2 q 2 + 5q 4 ) = 2p((p2 + 5q 2 )2 − 5(2q 2 )2 ), √ und der Ausdruck in der Klammer wird in den Zahlen a + b 5 zu einem Produkt. Der tiefste Hilfssatz ist ein kleines Lemma, das sp¨ ater von Kummer verallgemeinert und zum Dreh- und Angelpunkt seiner L¨ osung des Fermatschen Problems f¨ ur regul¨a√ re Primzahlexponenten wurde, das Kummersche Lemma: ist eine Einheit a+b 5 kongruent zu einer ganzen Zahl modulo 5 (also b durch 32

Eine Liste der von Dirichlet gehaltenen Vorlesungen findet man bei [Biermann 1959]. Dirichlets Vorlesungen u ater [Dirichlet 1863] bear¨ber Zahlentheorie hat sp¨ beitet und herausgegeben. 33 Diese Anzeige findet sich in den Annales de Chimie et de Physique, Band 25 (1824), auf S. 202; die Sitzung fand am 2. Februar 1824 statt. Eine Arbeit Lam´es mit diesem Titel scheint unbekannt zu sein; jedenfalls ist sie weder im Catalogue of scientific papers (1800–1863), Band III (1869), noch in [Lam´e 1847] oder [Goldstein 2009a] aufgef¨ uhrt, und auch Lam´e selbst gibt sp¨ ater, als er den Beweis f¨ ur den Exponenten 5 in [Lam´e 1839] Legendre zuschreibt, keinen Verweis auf eine fr¨ uhere Arbeit von ihm.

434

10 Dirichlet

5 teilbar), dann ist sie eine 5. Potenz. Die oft anzutreffende Behauptung34 , Legendre habe Dirichlets Beweis vervollst¨andigt, kann man so nicht stehen dass√F 2 − 5G2 nur dann eine lassen: Legendre schreibt35 , es sei wohlbekannt, √ 5 f¨ unfte Potenz sein kann, wenn √ F + G√ 5 = (f + g 5 ) ist. Diese Behauptung ist, wie man an F + G 5 = 2 + 5 sieht, schlichtweg falsch. Allerdings macht√er sp¨ater seine L¨osung allgemein“, indem er sie mit einer Potenz von ” undung daf¨ ur sucht man bei Legendre aber 9 + 4 5 multipliziert – eine Begr¨ vergeblich. Dirichlets Beweis des Fermatschen Satzes f¨ ur den Exponenten 14 in [D07] verl¨auft in ganz√¨ahnlichen Bahnen und benutzt die Arithmetik von Zahlen ur den Exponenten 5 spielt der Form a + b −7. Im Gegensatz zum Beweis f¨ hier Kummers Lemma“ keine Rolle, weil die einzigen Einheiten in diesem ” Falle ±1 sind. Victor-Am´ed´ee greift die Dirichletsche Arbeit in [L15] auf und vermutet36 , osung hat, wenn A durch dass die Gleichung x5 + y 5 = Az 5 nur die triviale L¨ keine Primzahl der form 10n + 1 teilbar ist.

Dirichlets Habilitationsschrift In seiner Habilitationsschrift37 [D02] erinnert Dirichlet an einen bereits von ihm bewiesenen Satz, dass n¨amlich Primteiler p = 4n + 1 von x4 + 3 die Form p = x2 + 36y 2 haben. Mit anderen Worten: Ist −3 biquadratischer Rest einer atze Eulers Primzahl p = 4n + 1, dann ist p = x2 + 36y 2 . Danach gibt er zwei S¨ p −1 und xa + 1 an, die er auf die u ¨ber die Form von Primteilern von Zahlen xx−1 Formen ausweiten m¨ochte, die Lagrange (vgl. (8.4)) betrachtet hat: Sei dazu b eine nat¨ urliche Zahl und kein Quadrat, und √ √ (x + b )n = Un + Vn b. Dirichlet kann dann zeigen, dass eine Primzahl q, f¨ ur welche b quadratischer Rest ist, genau dann eine Zahl der Form Vp teilt wenn q = 2mp + 1 ist. Ist entsprechend b quadratischer Nichtrest von q, dann teilt q eine Zahl Vp genau dann, wenn q = 2mp − 1 ist. 34 In [Ribenboim 1979, S. 5] etwa kann man lesen, Dirichlet habe versucht, den Satz zu beweisen, woraufhin Legendre ihn auf eine L¨ ucke aufmerksam gemacht habe und dann einen von Dirichlet unabh¨ angigen und vollst¨ andigen Beweis vorgelegt habe. An dieser Geschichte stimmt gar nichts; Genaueres findet man bei [Edwards 1977b]. 35 Siehe [Legendre 1830, Band II, S. 361]. 36 Nach Teilergebnissen durch [Terjanian 1987] wurde diese Vermutung in [Halberstadt & Kraus 2004] bewiesen. 37 Kronecker hat sich diese in [Kronecker 1888] genau angesehen.

10.3 Dirichlets Erste Schritte

435

Abb. 10.3.1. Grabmal Dirichlets und seiner Frau auf dem Bartholom¨ aus-Friedhof in G¨ ottingen.

Rationale Reziprozit¨ atsgesetze Der Begriff der rationalen Reziprozit¨atsgesetze“ wurde erst in der zwei” ten H¨alfte des 20. Jahrhunderts gepr¨agt und beschreibt vor allem Reziprozit¨ atsgesetze von 4ten (bisweilen auch h¨oherer) Potenzenrestsymbolen, welche unter geeigneten Voraussetzungen nur die Werte +1 und −1 annehmen. Sind etwa p und q Primzahlen ≡ 1 mod 4 und Reste voneinander, so     quadratische ist ein Gesetz, welches den Wert von pq 4 pq 4 liefert, ein rationales Rezipro  zit¨atsgesetz. Hierbei ist pq 4 f¨ ur Primzahlen p ≡ q ≡ 1 mod 4 definiert, welche   quadratische Reste voneinander sind, und zwar ist pq 4 = +1 oder = −1, je nachdem ob p ≡ x4 mod q l¨osbar ist oder nicht. Nachdem Gauß seine Abhandlungen u undigt ¨ber biquadratische Reste angek¨ hatte, begannen Dirichlet und Jacobi, u ¨ber diese Dinge nachzudenken; auch Victor-Am´ed´ee Lebesgue38 hat sich kurz darauf mit solchen Fragen befasst. 38 In [L01] formuliert er eine Vermutung u ¨ber den kubischen Charakter von 2 modulo Primzahlen p = 3n + 1 und verspricht eine Abhandlung u atze, ¨ber weitere S¨ welche kubische und vor allem biquadratische Potenzreste betreffen.

436

10 Dirichlet

Die elegante Herleitung39 des biquadratischen Charakters von 2, dass n¨ amlich 2 genau dann biquadratischer Rest von Primzahlen p = a2 + 4b2 ≡ 1 mod 8 ist, wenn b durch 4 teilbar ist, also in der Form p = a2 + 64c2 geschrieben werden kann, gibt Dirichlet in [D03] und leicht vereinfacht auch in einem Brief an Stern [D38]. Sein erstes Ergebnis zum biquadratischen Charakter ungerader Primzahlen in [D03] betrifft Primzahlen q ≡ 3 mod 4 und p = a2 + b2 ≡ 1 mod 4. Ist a ungerade und ( pq ) = 1, dann ist  −q  p Hier bezeichnet

4

 =

p+1

(−1) 4  (b+√p )√p  q

falls q | b, sonst.

(10.1)

√ √ p eine Restklasse40 modulo q mit p2 ≡ p mod q.

Als Korollar erh¨alt Dirichlet die Vermutung Eulers, dass −3 genau dann biquadratischer Rest modulo Primzahlen p ≡ 1 mod 12 und p = a2 + 4b2 ist, wenn b durch 3 teilbar ist. Ganz analog erh¨alt Dirichlet im Falle, dass q eine Primzahl der Form ≡ 1 mod 4 ist, das folgende Resultat:  p−1  −q  (−1) 4 falls q | b, =  (b+√p )√p  (10.2) p 4 sonst. q Bei diesen Untersuchungen wird Dirichlet auf die folgende Vermutung gef¨ uhrt, die er nicht beweisen kann: Vermutung. Seien c und p ≡ 1 mod 4 Primzahlen mit ( pc ) = 1; dann existiert eine quadratfreie Zahl δ mit −c < δ < c derart, dass die Gleichung t2 + cδu2 = p ganzzahlig l¨osbar ist. Dirichlets Reziprozit¨atsgesetz (10.2) l¨asst sich etwas umformulieren. Das qua√ √ p ) = +1 nicht von der Wahl von p dratische Restsymbol ( q ), das wegen ( −1  qp  abh¨angt, ist n¨amlich nichts anderes als q 4 . Damit kann man (10.2) auch in der Form p q   b + √p  (10.3) = q 4 p 4 q schreiben. 39 Dirichlet war durchaus stolz auf seine Leistung, die von Gauß angek¨ undigten schwierigen Beweise dieser S¨ atze auf so einfache Art erhalten zu haben (vgl. den Brief an seine Mutter, der in Ausz¨ ugen in [Rowe 1988] zu finden ist). Er ahnte damals noch nicht, wie fundamental die Gaußsche Idee der Einf¨ uhrung der komplexen Zahlen a + bi in die Theorie der biquadratischen Reste sein w¨ urde. 40 Dirichlet bezeichnet diese Restklasse mit dem Buchstaben c.

10.3 Dirichlets Erste Schritte

437

Theodor Sch¨ onemann Dirichlets Ergebnisse werden etwas sp¨ater von Theodor Sch¨ onemann aufgegriffen. Dieser ist am 4. April 1812 in Driesen geboren. Nach seinem Studium in Berlin und K¨onigsberg wird er 1842 in Berlin promoviert und unterrichtet danach am Gymnasium in Brandenburg an der Havel. Er stirbt am 16. Januar 1868 in Brandenburg. Zu seinen bekanntesten Ergebnissen geh¨ort ein Irreduzibilit¨ atskriterium41 , das im wesentlichen identisch ist mit demjenigen, das in der Regel nach Eisenstein benannt ist; er fand auch viele weitere S¨atze aus der Theorie der h¨ oheren Kongruenzen42 ; in heutiger Sprache geht es dabei um Polynome u ¨ber endlichen K¨orpern. Eines seiner Ergebnisse besagt etwa, dass wenn p und m Primzahlen sind und f den kleinsten Exponenten mit pf ≡ 1 mod m bezeichnet, das m −1 modulo p in m−1 irreduzible Polynome vom Grad Kreisteilungspolynom xa−1 f f zerf¨allt. Sein von Dirichlet inspiriertes Reziprozit¨atsgesetz, das heute nach Arnold Scholz benannt ist, ver¨offentlicht43 er 1839. Bezeichnen p ≡ q ≡ 1 mod 4 zwei ungerade Primzahlen, welche quadratische Reste voneinander sind, und √ εp = t + u p eine L¨osung der Pellschen Gleichung t2 − pu2 = −1 in ganzen √ Zahlen, so zeigt Sch¨onemann, dass, wenn man p als Restklasse modulo q auffasst, die Beziehung ε  p q  p = q q 4 p 4 gilt. Aus Symmetriegr¨ unden ist dann (εp /q) = (εq /p). Bemerkt sei auch, dass Sch¨onemann auf dem Einheitskreis modulo p, also den L¨osungen der Kongruenz x2 + y 2 ≡ 1 mod p, eine Addition definiert44 , die der Addition von Winkeln auf dem komplexen Einheitskreis entspricht.

Das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz in Gaußschen Zahlen Nach dem Erscheinen er Gaußschen Abhandlungen u ¨ber biquadratische Reste hat sich auch Dirichlet an Beweisen der darin mitgeteilten S¨ atzen versucht und entdeckt, dass das quadratische Reziprozit¨atsgesetz in den Gaußschen Zahlen sich ganz einfach aus demjenigen in den rationalen Zahlen herleiten l¨ asst. Zu Beginn bespricht er das Verhalten ungerader rationaler Primzahlen q in den Gaußschen Zahlen, die in zwei komplexe Primzahlen zerfallen oder prim 41

Er hat dies in [Sch¨ onemann 1850] ver¨ offentlicht. Er entdeckt, lange bevor die Gaußschen Untersuchungen im damals noch nicht publizierten Abschnitt VIII der Disquisitiones bekannt werden, viele der Gaußschen Ergebnisse in [Sch¨ onemann 1844]. Vergleiche dazu [Frei 2007]. 43 Siehe [Sch¨ onemann 1839a, S. 303–305]. 44 Siehe [Sch¨ onemann 1839b] . 42

438

10 Dirichlet

bleiben, je nachdem q Summe zweier Quadrate ist oder nicht. Dirichlet beweist das Eulersche Kriterium  a + bi  N π−1 mod π. (a + bi) 2 ≡ π wo [ α π ] das quadratische Restsymbol in Gaußschen Zahlen bezeichnet. Danach zeigt er, ebenfalls ganz elementar, dass  a + bi   a2 + b2  = q q f¨ ur Primzahlen q ≡ 3 mod 4 gilt. Ist dagegen π = a + bi, so gilt offenbar bi ≡ ¨ −a mod π, und mit dieser Kongruenz (und einigen elementaren Uberlegungen) kann Dirichlet auch die verbliebenen Restsymbole auf solche in den rationalen Zahlen zur¨ uckf¨ uhren:  c + di   ac + bd  = . a + bi p Danach ist es leicht, das komplette quadratische Reziprozit¨ atsgesetz in den Gaußschen Zahlen zu beweisen: Sind π und λ komplexe Primzahlen, welche der Bedingung π ≡ λ ≡ 1 mod 2 gen¨ ugen, dann gilt das quadratische Reziprozit¨atsgesetz in seiner einfachsten Form: π  λ = . λ π ¨ Mit dieser Arbeit beginnt Dirichlet ein großes Projekt, n¨ amlich die Ubertragung der S¨atze aus den Gaußschen Disquisitiones auf die Gaußschen Zahlen. Wir werden weiter unten mehr dazu sagen. Die Fußnote auf der ersten Seite seines Artikels ist gelegentlich dahinge√ hend interpretiert worden, Dirichlet h¨atte geglaubt, Zahlen der Form t + u a w¨ urden eindeutige Primfaktorzerlegung besitzen. Davon kann aber keine Rede sein. Die Fußnote lautet: √ Man kann, anstelle von ucken der Form t + u −1, allgemeiner √ Ausdr¨ solche der Form t + u a betrachten, wo a keine quadratischen Teiler besitzt. F¨ ur Ausdr¨ ucke dieser Art gelten, unter demselben Blickwinkel betrachtet, S¨atze, welche den in dieser Abhandlung betrachteten analog sind und ganz ¨ahnliche Beweise zulassen. Dirichlet geht auf die eindeutige Primzerlegung in den Gaußschen Zahlen aber nur en passant ein; die S¨atze, die er in dieser Abhandlung betrachtet, drehen sich um quadratische Restsymbole und lassen sich in der Tat verallgemeinern. Der Zerlegung von Primzahlen p, welche Summen zweier Quadrate sind, entspricht im Allgemeinen eine Zerlegung von Primzahlen, welche durch die Form x2 − ay 2 dargestellt werden k¨onnen. Dass man dadurch nicht alle Primzahlen p mit ( ap ) = +1 abdeckt, kann Dirichlet nicht entgangen sein, steht dies doch am Beginn der Besch¨aftigung mit quadratischen Formen bei Lagrange und Gauß.

10.3 Dirichlets Erste Schritte

439

Erste Analytische Hilfsmittel Dirichlet hat sich neben der Zahlentheorie schon sehr fr¨ uh mit analytischen Fragestellungen besch¨aftigt. Bereits in seiner ersten analytischen Arbeit No” te sur les int´egrales d´efinies“ beginnt er mit der auf Euler zur¨ uckgehenden Identit¨at  ∞ Γ (m) e−ky y m−1 dy = . (10.4) km 0 Dabei benutzt er, wie er selbst schreibt, die Notation Legendres“ und macht ” dadurch die Gamma-Funktion auch im deutschen Sprachraum bekannt. Daneben besch¨aftigt er sich schon fr¨ uh mit der Theorie der Fourierschen ¨ Reihen, und in seinem Meisterwerk Uber die Darstellung ganz willk¨ urlicher ” Functionen durch Sinus- und Cosinusreihen“ stellt er die Theorie der Fourierunf Jahre sp¨ ater erscheinen die ersten Reihen auf ein solides Fundament45 . F¨ Arbeiten Dirichlets, in welchen er diese analytischen Methoden auf die Zahlentheorie anwendet. Vorzeichen Gaußscher Summen Dirichlet beginnt in [D10] mit den beiden Fresnel-Integralen46  ∞  ∞ 2 cos x dx = a, sin x2 dx = b, −∞

−∞

und bemerkt, dass diese uneigentlichen Integrale in der Tat existieren, obwohl die beiden Funktionen cos x und sin x im Unendlichen nicht verschwinden. Die Konstanten a = b = π2 sind, wie Dirichlet schreibt, bereits von Euler gefunden worden. Indem er diese Integrale in solche u ange ¨ber Intervalle der L¨ 2π zerlegt, erh¨alt er nach einiger Rechnung die Ergebnisse 45

Die Betrachtung nicht stetiger Funktionen bereitet manchen seiner Zeitgenossen Probleme; so bestreiten Duhamel (1854) und Schl¨ afli (1874) den Dirichletschen Satz, dass die Fourierreihe einer an der Stelle x unstetigen Funktion gegen den Mittelwert von f (x − 0) und f (x + 0) konvergiert; siehe [Sachse 1880, S. 56–57]. 46 Eine moderne Darstellung der Dirichletschen Gedanken findet man in [Cas¨ selmann 2011]. Die Dissertation [Salvadori 1904] gibt einen Uberblick u ¨ber diesbez¨ ugliche Entwicklungen im 19. Jahrhundert. Bereits Euler hat 1781 den Wert dieser Integrale in seiner Arbeit De valoribus integralium a terminus variabilis x = 0 usque ad x = ∞ extensorum [E675] bestimmt.

440

10 Dirichlet 

2k 2 π n  2k 2 π cos n  2k 2 π cos n  2k 2 π cos n cos

= =

√ √

= 0, = 0,

n, n,



2k 2 π n  2k 2 π sin n  2k 2 π sin n  2k 2 π sin n sin

=



n,

n = 4m,

= 0,

n = 4m + 1,

= 0,

n = 4m + 2,

=



n,

n = 4m + 3,

in welcher sich alle Summen u ¨ber die ganzen Zahlen 0 ≤ k ≤ n − 1 erstrecken. Danach zeigt Dirichlet, wie sich aus diesen Ergebnissen das quadratische Reziprozit¨atsgesetz ergibt, und zwar im Wesentlichen mit derselben Rechnung, die Gauß in seinem vierten Beweis vorgef¨ uhrt hat. Zu Beginn seines Artikels erl¨autert Dirichlet, dass die einzige Bestimmung des Vorzeichens der quadratischen Gaußschen Summen auf Gauß zur¨ uckgeht, w¨ahrend eine Bemerkung in einer Arbeit47 Libris, wonach dieser das Vorzeichenproblem ebenfalls gel¨ost haben will, nicht gerechtfertigt sei. Dirichlet schreibt: Die Methode von Gauß war bis jetzt das einzige Mittel, besagte Schwierigkeit zu u ¨berwinden, die in der Unbestimmtheit des Vorzeichens liegt. Die Methode, welche Libri gegeben hat, ist zwar sehr kunstvoll, erscheint aber nicht geeignet, dieses Problem zu l¨osen, da sie die gesuchten Summen von einer quadratischen Gleichung abh¨ angig macht. Um die Unbestimmtheit zu eliminieren, welche sich aus dieser Tatsache ergibt, nimmt der gelehrte Autor eine Darstellung der Summe als Produkt zu Hilfe, ohne irgend ein Mittel anzugeben, wie man die¨ se Transformation bewerkstelligen k¨onne. Aber im Ubergang von der Summe zu einem Produkt besteht die ganze Frage, denn einmal ausgef¨ uhrt macht sie jede andere Analyse u ussig, da dieses Produkt ¨berfl¨ eine Zahl ist, welche Euler schon vor langer Zeit durch die einfachsten ¨ Uberlegungen bestimmt hat. Dirichlets Sch¨ uler August Kramer gibt 1845 eine Variante der Dirichletschen Bestimmung des Vorzeichens quadratischer Gaußscher Summen48 .

Libri Guglielmo Libri Carucci dalla Sommaja enstammt einer alten Adelsfamilie aus Florenz; dort wird er am 2. Januar 1802 geboren. Er studiert zuerst Jura, 47

Siehe [Libri 1832a]. Siehe [Kramer 1845]; in seiner Dissertation [Kramer 1839] bei Encke und Dirichlet hat er sich mit der diophantischen Gleichung px4 − y 4 = z 2 besch¨ aftigt. 48

10.3 Dirichlets Erste Schritte

441

dann Mathematik und kommt 1830 nach Frankreich; drei Jahre sp¨ ater hat er eine Stelle am Coll`ege de France. Als der Astronom Rudolf Wolf 1838 Paris besucht, h¨ ort er sich auch diverse Vorlesungen an. Zu Libri schreibt er in [Wolf 1993, S. 88]: Diesen Morgen hospitirte ich bey Libri in seinem Calcul des probabilit´es; er sieht aus und spricht wie ein Schuhmachermeister. Er unterhielt seine Zuh¨orer die ganze Stunde hindurch von der Unsicherheit der Angaben in den Todtentabellen und von dem best¨andigen Verluste beym Spiele. In staatlichem Auftrag katalogisiert Libri B¨ ucher, welche man dem Adel nach der Revolution konfisziert hatte. Schon 1842 tauchen erste Ger¨ uchte auf, aber Libri kann seinen Kopf jedesmal aus der Schlinge ziehen. Nach der Februarrevolution 1848 flieht er mit seiner aus etwa 40 000 B¨ anden bestehenden Bibliothek nach England und lebt fortan von deren Verkauf. Als auch in England Ger¨ uchte auftauchen, dass Libri B¨ ucher verkauft, die er nicht rechtm¨ aßig erworben hat, kehrt Libri 1868 auch England den R¨ ucken und zieht sich auf eine Villa in der Toskana zur¨ uck, wo er am 28. September 1869 stirbt. Teile des Diebesguts wurden in den darauffolgenden Jahren nach langwierigen Verhandlungen von Italien und Frankreich zur¨ uckgekauft. Auf einige mathematische Leistungen Libris werden wir sp¨ ater noch eingehen; seine Behauptung, er habe49 alle unbestimmte Gleichungen beliebigen Grades gel¨ost, wird sp¨ater von Catalan50 auseinandergenommen. Dieser zitiert auch gen¨ usslich die folgende Behauptung Libris aus einer in Florenz erschienen Zeitschrift: Man betrachte zwei Schachspieler, die bestm¨oglich spielen, und ein Schachspiel in gegebener Position. Man bestimme, in wie vielen Z¨ ugen das Spiel durch Schachmatt beendet sein wird. Die L¨ osung des Problems wird in der n¨achsten Ausgabe gegeben werden. Selbstverst¨andlich, so Catalan, sei die L¨osung niemals erschienen. Libri hat sich auch bei Dirichlet f¨ ur dessen Bemerkungen zu seiner Bestim” mung“ des Vorzeichens quadratischer Gaußscher Summen r¨ achen wollen und hat in einer Antwort auf Dirichlets Skizze des Beweis des Einheitensatzes51 versucht, ihm eine L¨ ucke nachzuweisen. 49

Siehe [Libri 1825]. In seinem Artikel [Catalan 1876] l¨ asst er nicht viel Sympathie f¨ ur Libri erkennen. 51 Dirichlet pr¨ asentierte diese Skizze in einem Brief an Liouville [D23]; Libris Erg¨ anzung findet sich in [Libri 1840]. Dort f¨ ugt er noch die Bemerkung an, er habe die Aufl¨ osbarkeit der Gleichungen, die von der Teilung der Lemniskate abh¨ angen, vor Abel bewiesen, und es h¨ atte ihn gefreut, wenn Jacobi ihn in seiner Arbeit [J14] ebenfalls zitiert h¨ atte. Liouvilles Ansichten zu Libris Arbeit findet man im Briefwechsel [Tannery 1910]. 50

442

10 Dirichlet

Abb. 10.3.2. Guglielmo Libri; Lithographie von Alexis-Nicolas No¨el. Rechts: Fotografie von Liouville (August 1868) in seinem Gartin in Toul.

10.4 Primzahlen in Arithmetischer Progression Dirichlet hatte sich schon eine Weile mit Anwendungen der Analysis auf die Zahlentheorie besch¨aftigt, etwa im Zusammenhang mit dem Vorzeichen quadratischer Gaußscher Summen, als er beginnt, u ¨ber die Unendlichkeit der Primzahlen in arithmetischer Progression nachzudenken. Dirichlet, der in Paris studiert hatte, kannte die Arbeiten der franz¨ osischen Mathematiker, und war nat¨ urlich mit Legendres Versuch, das quadratische Reziprozit¨atsgesetz zu beweisen, vertraut. Dort hatte Legendre ohne Beweis u.a. die Existenz von Primzahlen q angenommen, f¨ ur die eine gegebene Primzahl p quadratischer Nichtrest ist. Diese L¨ ucke konnte Legendre nie schließen, nicht einmal unter Benutzung der ebenfalls unbewiesenen Vermutung, dass Linearformen ax + b bei teilerfremden Zahlen a und b unendlich viele Primzahlen darstellen. In seiner Arbeit [D13] schreibt Dirichlet u ¨ber den Ursprung ¨ seiner Uberlegungen: Der einzige Mathematiker, welcher die Begr¨ undung dieses Theorems versucht hat, ist, so viel ich weiss, Legendre52 , f¨ ur den diese Untersuchung ausser dem Reiz, welcher in der Schwierigkeit des Gegenstands liegt, noch ein ganz besonderes Interesse durch den Umstand haben musste, dass er die erw¨ahnte Eigenschaft der arithmetischen Progression bei fr¨ uheren Arbeiten als Lemma benutzt hatte. Zu diesen fr¨ uheren Arbeiten geh¨ort außer seinem Beweis des Reziprozit¨ atsgesetzes auch sein Beweis des Drei-Quadrate-Satzes. Dirichlet versucht zuerst, 52

Vergleiche die Ausf¨ uhrungen auf S. 346.

10.4 Primzahlen in Arithmetischer Progression

443

auf dem von Legendre benutzten Weg ans Ziel zu gelangen, was ihm aber nicht gelingt: Erst nachdem ich den von Legendre eingeschlagenen Weg ganz verlassen hatte, bin ich auf einen v¨ ollig strengen Beweis des Theorems u ¨ber die arithmetische Progression gekommen. Dirichlets neuer Ansatz geht auf Euler zur¨ uck; im Auszug aus seiner am 27. Juli 1837 vor der Akademie der Wissenschaften gelesenen Abhandlung [D12] steht, dass sein Beweis eine gewisse Analogie mit den von Euler in dem Capitel de seriebus ex evolutione productorum ortis seiner Introductio in analysin infinitorum entwickelten Betrachtungen darbietet [. . . ]. Wir erinnern daran, dass Euler aus der Divergenz der harmonischen Reihe durch Logarithmieren der Produktformel (vgl. Gleichung (7.6)) ∞  1  1 = , n 1 − p1 p n=1

(10.5)

in welcher das Produkt sich u ¨ber alle Primzahlen erstreckt, gefolgert hat, dass 1 der reziproken Primzahlen divergiert. auch die Reihe p

Restklassen modulo 4 Will man entsprechend zeigen, dass es unendlich viele Primzahlen der Form p ≡ 1 mod 4 und q ≡ 3 mod 4 gibt, dann liegt es nahe, die beiden Summen S1 =

1 p

=

1 1 1 + + + ... 5 13 17

und

S3 =

1 q

=

1 1 1 + + + ... 3 7 11

u ¨ber die Reziproken dieser Primzahlen  zu betrachten. Nach Euler wissen wir, dass die Summe S = S1 + S3 = r =2 1r u ¨ber alle ungeraden Primzahlen r divergiert. Wenn man nun zeigen k¨onnte, dass die Differenz S1 − S3 endlich ist, dann atten bewiesen, dass m¨ ussten sowohl S1 als auch S3 divergieren, und wir h¨ es unendlich viele Primzahlen beider Arten gibt, und dass es gewissermaßen in beiden Kongruenzklassen gleich viele“ Primzahlen gibt, denn die Bezie” 3 = 1 und hungen SS1 = SS3 = 12 sind eine Folge der Gleichungen“ S1 +S S ” S1 −S3 = 0. S W¨ahrend Gauß bei der Herleitung der Klassenzahlformel versucht hat, mit den Eulerschen Methoden auszukommen, ersetzt Dirichlet, um Rechnungen mit divergenten Reihen wie S1 und S3 aus dem Weg zu gehen, die Summen

444

10 Dirichlet

u ¨ber p−s mit s > 1. So, wie man ¨ber reziproke Primzahlen p1 durch Summen u die Summe S durch Logarithmieren der Eulerfaktorisierung der Zetafunktion erh¨alt, erscheint die Summe S1 − S3 beim Logarithmieren der Produktzerlegung   −1   1 L4 (s) = n−s = . −1 n 1 − ( p )p−s p =2 ur s → 1 betrachten zu k¨ onnen, muss man Um den Logarithmus von L4 (s) f¨ L4 (1) = 0 zeigen. Dass hier Grenzwert und Funktionswert u ¨bereinstimmen, ur alle s > 0 bedingt (konvergiert) und dort liegt daran, dass die Reihe L4 (s) f¨ eine stetige und sogar differenzierbare Funktion darstellt. Zur Berechnung dieser Summe kann man Eulers Trick (vgl. (7.4) und (10.4)) 1 = n



1 0

dx xn−1

(10.6)

benutzen; man findet wie auf S. 297 1−

1 1 1 π + − + ... = . 3 5 7 4

(10.7)

Wegen L4 (1) = 0 ist der Limes von log L4 (s) f¨ ur s → 1 beschr¨ ankt. Wie bei ur s → 1 gleich der Summe aus S1 − S3 und einer Euler ist aber log L4 (s) f¨ Funktion, die f¨ ur s → 1 beschr¨ankt bleibt, und es folgt, 3 endlich  1dass S1 − S 1 ist. Damit ist aber bewiesen, dass die Summen S1 = und S = ¨ber 3 p q u Primzahlen p ≡ 1 mod 4 und q ≡ 3 mod 4 divergieren.

Restklassen modulo 5 Will man die Verteilung der Primzahlen auf die Restklassen modulo 5 untersuchen, braucht man anstatt der beiden L-Reihen wie im Falle der Restklassen modulo 4 jetzt vier L-Reihen, und zwar sind dies Lωγ (s) =



1 , 1 − ω γ p1s

wobei ω eine vierte Einheitswurzel ist und γ die Werte 0, 1, 2, 3 annimmt, welche durch p ≡ 2γ mod 5 (nach der Wahl der Primitivwurzel 2 modulo 5) eindeutig festgelegt sind. Damit folgt p mod 5 1 2 3 4 γ 0 1 3 2 1 i −i −1 ωγ Die vier L-Reihen Lω sind dann

10.4 Primzahlen in Arithmetischer Progression 1 2s i Li (s) = 1 + s 2 1 L−1 (s) = 1 − s 2 i L−i (s) = 1 − s 2 L1 (s) = 1 +

1 3s i − s 3 1 − s 3 i + s 3 +

1 4s 1 − s 4 1 + s 4 1 − s 4

445

1 6s i + s 6 1 + s 6 i − s 6

+

+

+ ··· , + ··· , + ··· , + ··· .

Logarithmiert man diese L-Reihen und entwickelt die Summanden in geometrische Reihen, so folgt log Lω (s) =



ωγ

1 1  2γ 1 1  3γ 1 ω ω + + + ... qs 2 q 2s 3 q 3s

(10.8)

Die L-Reihe zu ω = 1 divergiert f¨ ur s → 1, w¨ ahrend die Logarithmen der anderen endlich bleiben, sobald man das Nichtverschwinden von Lω (1) in diesen F¨allen gezeigt hat. Mit Eulers Trick, n¨amlich der Substitution  1 1 1 1 = xn−1 logs−1 dx, ns Γ (s) 0 x die im Spezialfall s = 1 auf (10.6) hinausl¨auft, erh¨ alt Dirichlet Lω (1) =

 ωγ n



1

=− 0

fω (x) x xp − 1

dx

(10.9)

f¨ ur beliebige Exponenten p > 1. Hierbei ist fω (x) = ω γ1 x + ω γ2 x2 + . . . + ω γp−1 xp−1 ein Polynom mit Koeffizienten aus den p-ten Einheitswurzeln. Im Prinzip ur p = 5 jetzt durch numerische kann man das Nichtverschwinden von Lω (1) f¨ Integration nachrechnen. So ist etwa x1 f−1 (x) = 1−x−x2 +x3 = (x−1)(x2 −1), folglich 

1

− 0

fω (x) x xp − 1



1

dx = −

x4

0

+

x2 − 1 dx ≈ 0,430408940 . . . ; + x2 + x + 1

x3

der genaue Wert ist u ¨brigens √

log 3+2 √ L−1 (1) = 5

5

,

wie man durch Partialbruchzerlegung des Integranden ohne gr¨ oßere Probleme nachrechnet.

446

10 Dirichlet

Damit folgt der Satz u ur den Primzahl¨ber die arithmetische Progression f¨ modul p = 5. Man hat dazu nur die Reihen (10.8) so mit Einheitswurzeln zu multiplizieren, dass nach Addition die Terme mit den Primzahlen  in einer 1 dieser Progressionen u ur ¨berleben. Will man etwa die Divergenz von p f¨ prime p ≡ 2 mod 5 nachweisen, (in diesem Fall ist γ = 1), so multipliziert man die L-Reihen  1 1 1 + + ..., log L1 (s) = s q 2 q 2s  i 1  i2 + + ..., log Li (s) = s q 2 q 2s  −1 1  (−1)2 + + ..., log L−1 (s) = qs 2 q 2s  −i 1  (−i)2 + + ..., log L−i (s) = qs 2 q 2s in denen die Restsummen ab dem zweiten Term f¨ ur s → 1 alle endlich bleiben, nacheinander mit 1, −i, −1 und i und bildet die Summe dieser Produkte; dabei bleiben nicht nur die Summen u ¨ber die Primzahlen p ≡ 2 mod 5 u ¨brig, sondern es fallen auch alle anderen Primzahlen weg, und man erh¨ alt log L1 (s) − i log Li (s) − log L−1 (s) + i log L−i (s) + F (x) = 4

 q≡2 mod 5

1 qs

f¨ ur eine Funktion F (s), welche f¨ ur s → 1 beschr¨ ankt bleibt. Weil L1 (s) f¨ ur s → 1 divergiert, w¨ahrend alle anderen Terme endlich bleiben, ist der Satz im Falle des Moduls 5 damit bewiesen.

Restklassen modulo einer beliebigen Primzahl Im Falle eines ungeraden Primzahlmoduls p funktioniert alles wie im Falle p = 5, allerdings kann man das Nichtverschwinden der L-Reihen jetzt nicht mehr numerisch angehen. Eine Partialbruchzerlegung des Integrals (10.9) f¨ uhrt Dirichlet auf einen geschlossenen Ausdruck f¨ ur den Wert Lω (1). Allerdings muss Dirichlet einsehen, dass ihm dies seinem Ziel nicht n¨ aher bringt ( [D13, S. 326]):  γ1 ist, so kann man Obgleich dieser Ausdruck f¨ ur ω n sehr einfach  doch im Allgemeinen nicht daraus schließen, dass ω γ n1 einen von Null verschiedenen Werth hat. Lediglich im Falle ω = −1 gelingt ihm dieser Nachweis durch Ausrechnen von L−1 (1). In diesem Fall ist

10.4 Primzahlen in Arithmetischer Progression

f−1 (x) =

447

p−1    k k=1

p

xk

ein Polynom, das heute nach Michael Fekete benannt ist. Weiter sind dann die Gr¨oßen f−1 (ζ), wobei ζ eine primitive p-te Einheitswurzel bezeichnet, nichts anderes als die quadratischen Gaußschen Summen. Mit ganz elementaren Umformungen folgt jetzt π L−1 (1) = √ (B − A) (10.10) p p f¨ ur Primzahlen p = 4ν + 3, wo A und B die Summen der quadratischen Reste bzw. Nichtreste < p bezeichnen. In diesem Fall ist das Nichtverschwinden der L-Reihen in s = 1 offensichtlich: Weil A + B = (p−1)p wegen p ≡ 3 mod 4 2 ungerade ist, muss auch A − B ungerade und damit = 0 sein. F¨ ur Primzahlen p = 4ν + 1 sind die entsprechenden Ausdr¨ ucke durch den Logarithmus eines Ausdrucks gegeben, in welchem die kleinste positive L¨ osung (g, h) der diophantischen Gleichung g 2 −ph2 = 1 die Hauptrolle spielt. In [D13] bemerkt Dirichlet, dass   √ √ 2 (x − e2bπi/p ) = Y + Z p 2 (x − e2aπi/p ) = Y − Z p, a

b

ist, wobei a und b durch die quadratischen Reste bzw. Nichtreste modulo p laufen, und wo X und Y Polynome in x mit ganzzahligen Koeffizienten sind, welche der Gleichung 9.3 Y 2 − pZ 2 = 4

xp − 1 x−1

gen¨ ugen. Der Grenz¨ ubergang x → 1 liefert Dirichlet dann eine L¨ osung der Pellschen Gleichung g 2 − ph2 = 1 mit Hilfe der Kreisteilung. Auch in diesem Fall ist der Nachweis, dass die entsprechende L-Reihe nicht verschwindet, ganz elementar m¨oglich, indem man zeigt, dass die resultierende Einheit von ±1 verschieden ist. F¨ ur die anderen L-Reihen kann Dirichlet durch Betrachtung der Produkte zweier konjugierter L-Reihen, die entweder gar nicht oder beide zusammen verschwinden, zeigen, dass diese f¨ ur s = 1 nicht verschwinden. Damit ist der Satz von der arithmetischen Progression f¨ ur alle Primzahlmoduln bewiesen.

Der allgemeine Fall ¨ Beim Ubergang zu beliebigen Moduln treten noch einmal zwei Probleme auf. Zum einen hat man keine Primitivwurzeln mehr zur Verf¨ ugung, sondern muss die primen Restklassengruppen mit mehr als einer Erzeugenden beschreiben.

448

10 Dirichlet

Dies ist aber nur ein technisches Problem. Die weit h¨ ohere H¨ urde ist der Nachweis des Nichtverschwindens der L-Reihen in s = 1. Wie schon im Falle von Primzahlmoduln l¨auft dies auf das Nichtverschwinden der zu ω = −1 geh¨orenden L-Reihe hinaus. Allerdings kann man den jetzt entstehenden Ausdr¨ ucken das Nichtverschwinden nicht mehr so leicht ansehen. In der ersten Version hat Dirichlet das Nichtverschwinden durch indirecte ” ater hat er geseund ziemlich complicirte Betrachtungen bewiesen53“. Erst sp¨ hen, wie sich dies auf einem anderen Wege weit k¨ urzer“ erreichen l¨ asst. Die ” Formel (10.10) legt einen Zusammenhang mit der Klassenzahl quadratischer Formen nahe; eine solche Klassenzahlformel hatte Jacobi als Vermutung aus der Theorie der Kreisteilung abgeleitet. Um diesen Zusammenhang ausnutzen zu k¨onnen, muss Dirichlet allerdings die Einheitswurzeln ±1, die in den reellen L-Reihen auftreten, mit Hilfe von Legendre-Symbolen beschreiben, und dieser Schritt erfordert das quadratische Reziprozit¨ atsgesetz. Dirichlets Beweis ist also nicht geeignet, die L¨ ucken in Legendres Beweis des quadratischen Reziprozit¨atsgesetzes zu schließen.

Primzahlmodul q ≡ 3 mod 4 In [D16, S. 360] betrachtet Dirichlet arithmetische Progressionen mit Primzahlmodul q ≡ 3 mod 4 und unterscheidet ungerade Primzahlen f und g, je −q nachdem ( −q f ) = +1 oder ( g ) = −1 ist. Er findet dann die drei folgenden Identit¨aten: 

 1 1 = 1 · 1 − fs 1 − g1s



 1 1 1 · 1 − fs 1 + g1s





1 = ζ ∗ (s) , ns (n,2q)=1   −q  1 = = L(s) , n ns

 1 1 = 1 · 1 − f 2s 1 − g12s

(10.11) (10.12)

(n,2q)=1



(n,2q)=1

1 = ζ ∗ (2s), n2s

(10.13)

in denen die Summationen u urlichen Zahlen n geht, die ¨ber alle ungeraden nat¨ keine Vielfachen von q sind. Daraus erh¨alt er f¨ ur s > 1 die Beziehung ζ ∗ (s)L(s)  = ζ ∗ (2s)

1 1+ f1s 1 1− f1s

.

(10.14)

Wegen 53 Einen solchen Beweis hat sp¨ ater Mertens gefunden; siehe dessen Arbeiten [Mertens 1895a, Mertens 1895b, Mertens 1897a, Mertens 1897b].

10.4 Primzahlen in Arithmetischer Progression 1 1+ f1s

449

2 2 2 + 2s + 3s + · · · fs f f  hat die rechte Seite von (10.14) die Form 2μ m−s , wo m durch alle ungeraden nat¨ urlichen Zahlen l¨auft, die nur aus Primfaktoren f bestehen, und welche μ solcher Faktoren besitzen. 1 1− f1s

=1+

Diese Zahlen m werden nun durch quadratische Formen mit Determinante −q ¨ dargestellt. Bezeichnen Q1 , . . . , Qh Formen, welche die h Aquivalenzklassen repr¨asentieren, so folgert Dirichlet aus Ergebnissen in den Gaußschen Disquisitiones, dass nat¨ urliche Zahlen m, die Vielfache von Primzahlen der Art f sind, genau 2μ+1 Darstellungen durch diese Formen besitzen. Damit folgt 2

 2μ   1 1 = + ··· + . s s m Q1 (x, y) Qh (x, y)s

(10.15)

Das Verhalten dieser Summen f¨ ur s → 1 (oder, weil Dirichlet s = 1 + ρ setzt, ¨ f¨ ur ρ → 0) h¨angt nun weder von der Form, noch von der Aquivalenzklasse ab; mit geometrischen Mitteln, so Dirichlet, erh¨alt man n¨ amlich  x,y

1 π q−1 ∼ √ · s Qj (x, y) 2q q s − 1

f¨ ur jedes einzelne j. Also ist  j

x,y

1 π q−1 · h. ∼ √ · s Qj (x, y) 2q q s − 1

(10.16)

Andererseits ist, ebenfalls f¨ ur s → 1, ζ ∗ (s) ∼

1 q−1 · , 2q s−1

Damit erh¨alt man dann die Klassenzahlformel 2q   n  1 . h= π q n

(10.17)

(10.18)

Weil die Klassenzahl aber immer ≥ 1 (und insbesondere = 0) ist, folgt jetzt das ur Primzahlmoduln q ≡ 3 mod 4. Eine analoge Nichtverschwinden von L−1 (s) f¨ Rechnung f¨ uhrt auch im Falle von Primzahlmoduln p ≡ 1 mod 4 zum Erfolg. Wir wollen im n¨achsten Abschnitt die von Dirichlet hier nur angedeutete geometrische Methode im Falle des Restklassenmoduls 4 besprechen. Die Endlichkeit der Klassenzahl hat mit dem Nichtverschwinden der L-Reihen nichts zu tun. Allerdings folgt aus der Endlichkeit, dass es unendlich viele abe Primzahlen mit ( nq ) = −1 und unendlich viele mit ( nq ) = +1 gibt. G¨ es n¨amlich nur endlich viele einer Sorte, w¨ urde die rechte Seite von (10.18) divergieren, w¨ahrend links die (endliche) Klassenzahl steht.

450

10 Dirichlet

Determinante −1 Die Grundidee hinter den oben genannten geometrischen Mitteln“, mit denen ” Dirichlet das Nichtverschwinden der reellen Dirichletreihen in s = 1 nachgewiesen hat, wollen wir jetzt im einfachsten Fall von Formen der Determinante −1 erkl¨aren. Sei dazu N (R) die Anzahl aller Gitterpunkte im Kreis mit Radius R (dieses Problem haben im Zusammenhang mit quadratischen Formen bereits Legendre (S. 355) und Gauß (S. 409) behandelt). Dann ist N (R) auch gleich der Anzahl der Darstellungen aller Zahlen n ≤ R als Summe zweier Quadrate. Wie oft kann man eine nat¨ urliche Zahl als Summe zweier Quadrate schreiben? Z¨ahlt man Vorzeichen und Ordnung der Summanden mit, so hat etwa 1 = (±1)2 + (±1)2 vier Darstellungen. Dirichlet benutzt durchweg die Sprache der Formen, allerdings tut man sich leichter, wenn man diese Anzahl als diejenige der Darstellungen einer Zahl n als Normen von Zahlen der Form a + bi interpretiert. Die Anzahl r(pk ) der Darstellungen einer Primzahlpotenz pk ist, wovon man sich leicht u ¨berzeugt, gleich  −1    −1   −1  r(pk ) = 4 1 + + ... + , + 2 p p pk und diese Formel gilt auch f¨ ur p = 2, wenn wir ( −1 2 ) = 0 setzen. Nun ist die Funktion r multiplikativ: Sind m und n teilerfremde nat¨ urliche Zahlen, dann ist r(mn) = r(m)r(n). Damit folgt die Dirichletsche Massenformel: Die Anzahl der Darstellungen der ungeraden Zahl n als Summe zweier Quadrate ist gleich  −1     −1  r(n) = 4 1+ =4 . p f f |n

Dieselbe Formel (mit einem Faktor 2 statt 4 wegen der fehlenden Einheitswurzeln) gilt f¨ ur alle negative Determinanten. F¨ ur die Anzahl N (R) der Darstellungen aller 0 < n ≤ R gilt also 1 N (R) = r(1) + r(2) + r(3) + . . . + r(R). 4 Jetzt haben wir 1 4 r(1) 1 4 r(3) 1 4 r(5)

=1 =1+ =1+

( −1 3 )

( −1 5 )

1 4 r(2) 1 4 r(4) 1 4 r(6)

=1 =1 = 1 + ( −1 3 )

usw., und Addition dieser Summen liefert, da etwa in jeder dritten Zeile ( −1 3 ), ) usw. auftaucht, in jeder f¨ unften ( −1 5

10.4 Primzahlen in Arithmetischer Progression

451

1 R  −1  R  −1  R R R N (R) ≈ R + · + · + ... = R − + − + ··· . 4 3 3 5 5 3 5 7 Weil der Kreis mit Radius R ungef¨ahr πR Gitterpunkte enth¨ alt, ist also N (R) ≈ πR und damit π N (R) 1 1 1 ≈ ≈ 1 − + − + ··· . 4 4R 3 5 7 ¨ Diese heuristischen Uberlegungen lassen sich exakt machen54 .

Die Klassenzahlformel ¨ Eine Verallgemeinerung dieser Uberlegungen f¨ uhrt Dirichlet auf die schon oben angegebene Klassenzahlformel (10.18). Unter Ausnutzung der sch¨ onen ” Gaußschen Formeln“ f¨ ur quadratische Gaußsche Summen zeigt man schnell, dass sich diese Formel auf die Gestalt   2   b −  a · h= 2− q q bringen l¨asst, wo a und b die quadratischen Reste bzw. Nichtreste modulo q. Dieses Ergebnis stimmt, wie Dirichlet bemerkt, mit dem eleganten Satz von Jacobi u ¨berein, den dieser ein paar Jahre zuvor gegeben hatte. F¨ ur Formen mit Determinante −23 liefert diese Formel wegen  a = 1 + 2 + 3 + 4 + 6 + 8 + 9 + 12 + 13 + 16 + 18 = 92 und  b = 5 + 7 + 10 + 11 + 14 + 15 + 17 + 19 + 20 + 21 + 22 = 161 h=

also

161 − 92 = 3. 23

Im Falle von Formen positiver Determinante wird die Untersuchung durch die nichttrivialen Einheiten erschwert. Ist (T, U ) die kleinste positive L¨ osung der Gleichung T 2 − DU 2 = 1, so erh¨alt Dirichlet im Falle einer positiven Primdeterminante P ≡ 1 mod 4 die Klassenzahlformel 2   (1 − e 2bπi √ P ) 4−2( P ) √ (T + U P )h = . P Im Falle P = 5 ist 

1−e

54

2·2πi 5



1−e

2·3πi 5



√ 5+ 5 , = 2

Einen eleganten modernen Beweis findet man bei [Zagier 1980].

452

10 Dirichlet

folglich die rechte Seite der Klassenzahlformel gleich  1 + √ 5 6 √ = 9 + 4 5. 2 Weil (T, U ) = (9, 4) auch die minimale positive L¨ osung der Pellschen Gleichung T 2 − 5U 2 = 1 ist, folgt damit h = 1. Dirichlet zitiert dazu eine Bemerkung eines ber¨ uhmten Mathematikers“, wo” nach die zahlentheoretischen Untersuchungen zum Einen wegen der Schwierigkeit der Materie interessant sind, zum Andern aber wegen der intimen Beziehungen, welche diese Forschungen zwischen Gebieten herstellen, von denen man einen Zusammenhang nicht vermuten w¨ urde55 .

10.5 Quadratische Formen u ¨ ber den Gaußschen Zahlen Nachdem Gauß erkl¨art hatte, wie man mit Hilfe der Arithmetik von Zahlen der Form a + bi zu einer einfachen und pr¨agnanten Formulierung des biquadratischen Reziprozit¨atsgesetzes kommt, beginnt Dirichlet nun dar¨ uber nachzudenken, wie man den Satz u ¨ber Primzahlen in einer arithmetischen Progression auf den Ring der Gaußschen Zahlen u ¨bertragen kann. Das zum Beweis notwendige Eulerprodukt leitet Dirichlet aus der schon von Gauß bewiesenen eindeutigen Primfaktorzerlegung in Z[i] her. In einer von Arendt herausgegebenen Aufzeichnung einer Vorlesung56 von Dirichlet u ¨ber die Arithmetik der Gaußschen Zahlen kann man nachlesen, mit welcher Liebe zum Detail Dirichlet die Arithmetik dieser Gaußschen Zahlen in seinen Vorlesungen entwickelt hat. Dann rechnet Dirichlet im Wesentlichen mit den Argumenten, die er von den gew¨ohnlichen ganzen Zahlen her kennt, nach, dass der Satz u ¨ber die arithmetische Progression gilt, wenn er zeigen kann, dass die entsprechenden L-Reihen f¨ ur s → 1 einen von 0 verschiedenen Grenzwert besitzen. Dies wiederum kann er darauf zur¨ uckf¨ uhren, dass die Klassenzahlen der bin¨ aren quadratischen Formen mit Koeffizienten aus Z[i] endlich sind. In [D22] bespricht Dirichlet die elementare Zahlentheorie der Gaußschen Zahlen kurz und b¨ undig, f¨ uhrt die Norm ein, zeigt, dass es in Z[i] einen euklidischen Algorithmus gibt, und leitet daraus das Euklidische Lemma und die Eindeutigkeit der Primfaktorzerlegung in Z[i] her. Die Theorie der bin¨ aren quadratischen Formen mit Koeffizienten aus Z[i] (wie Gauß nimmt auch Dirichlet an, dass der mittlere Koeffizient gerade ist) beginnt er mit dem Nachweis, dass die Diskriminante einer Form unver¨ andert bleibt, wenn man die 55

Gauß hat solche Bemerkungen des ¨ ofteren gemacht, etwa in der Anzeige [G01] des dritten Beweises des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes oder in seiner Commentatio Prima [G01] u ¨ber biquadratische Reste. 56 Siehe [Arendt 1863].

10.5 Quadratische Formen u ¨ber den Gaußschen Zahlen

453

Form mit einer Substitution mit Koeffizienten aus Z[i] und Determinante 1 transformiert. Dirichlet bemerkt auch, dass das Hintereinanderausf¨ uhren zweier Substitutionen dem Produkt der entsprechenden Matrizen entspricht. Die Frage nach den Substitutionen, die eine gegebene Form invariant lassen, f¨ uhrt Dirichlet auf die Pellsche“ Gleichung t2 − Du2 = 1 in den komplexen ” Zahlen. Er zeigt zuerst, und zwar mit dem Schubfachprinzip (ohne diesem einen Namen zu geben57 ), dass es zu einer irrationalen komplexen Zahl a immer unendlich viele ganze komplexe Zahlen x und y gibt derart, dass N (x − ay)
2 divisant p − 1, C. R. Acad. Sci. Paris 39 (1854), 593–595 [L34] Note sur le “Canon arithmeticus” de Jacobi. J. Math. Pures Appl. (1) 19 (1854), 334-336 [L35] Arithmologie. Th´eor`eme sur une ´equation du second degr´e´e, Nouv. Ann. Math. (1) 13 (1854), 412–413

1 ∞ 1 n 1 u α < 1), J. Math. [L36] Sur l’integrale 0 1−φ 1 ( s − s+α ) (o` 1−φ dφ = Pures Appl. (2) 1 (1856), 377–378 [L37] Sur la r´eduction des formes quadratiques d´efinies positives a ` coefficients r´eels quelconques. D´emonstration du th´eor`eme de Seeber sur les r´eduites des formes ternaires, J. Math. Pures Appl. (2) 1 (1856), 401–410 [L38] Remarques diverses sur les nombres premiers, Nouv. Ann. Math. (1) 15 (1856), 130–134 [L39] V.A. Lebesgue, Remarques diverses sur les nombres premiers, Nouv. Ann. Math. (I) 15 (1856), 236–239 [L40] Sur un th´eor`eme des nombres (Legendre, Th´eorie des nombres, II, 144), Nouv. Ann. Math. (1) 15 (1856), 403-407 [L41] D´emonstration de ce th´eor`eme: tout nombre impair est la somme de quatre carr´es dont deux sont ´egaux, J. Math. Pures Appl. (2) 2 (1857), 149–152 [L42] D´emonstration de l’irr´eductibilit´e de l’´equation aux racines primitives de l’unit´e, J. Math. Pures Appl. (2) 4 (1859), 105–110 [L43] Nombre de solutions d’une congruence du premier degr´e ` a plusieurs inconnues, J. Math. Pures Appl. (2) 4 (1859), 366 [L44] Trouver un triangle dont les cˆ otes et la surface forment une ´equidiff´erence en nombres rationnels x, x + y, x + 2y, x + 3y, Nouv. Ann. Math. (1) 18 (1859), 44–45 [L45] Sur la valeur de la somme a1m + b1m + c1m + . . . + k1m , a, b, c, . . . , k ´etant les termes d’une progression arithm´etique croissante, Nouv. Ann. Math. (1) 18 (1859), 82-84 [L46] Exercices d’analyse num´erique, extraits, commentaires et recherches relatifs ` a l’analyse ind´etermin´ee et ` a la Th´eorie des nombres, Libraire Centrale des Sciences, Paris, 1859 [L47] Th´eor`eme sur cinq nombres entiers cons´ecutifs, Nouv. Ann. Math. (1) 19 (1860), 112–115; 135–136

589

590

A Literatur¨ uberblick

[L48] Note sur les congruences, C. R. Acad. Sci. Paris 51 (1860), 9–13 [L49] Arithmologie ´el´ementaire. Application ` a l’alg`ebre, Nouv. Ann. Math. (2) 1 (1862), 219–227; 254–266; 406–413 [L50] Extrait d’une Lettre de M. Le Besgue a ` M. Liouville, J. Math. Pures Appl. (2) 7 (1862), 417–420 [L51] Introduction ` a la th´eorie des nombres, Paris 1862 [L52] Sur l’impossibilit´e de quelques ´equations ind´etermin´ees, Nouv. Ann. Math. (2) 2 (1863), 68–77 [L53] Intorno ad un problema indeterminato. Lettere indirizzate dal sig. V. A. Le Besgue ` a D. B. Boncompagni, Annali di Mat. Pura Appl. 5 (1863), 328–330 [L54] Note sur les nombres de Bernoulli, C. R. Acad. Sci. Paris 58 (1864), 853–855; 937–938 [L55] D´etermination de la valeur dit symbole ( ab ), dˆ u ` a Jacobi, C. R. Acad. Sci. Paris 59 (1864), 940–944 [L56] Compl´ement de la note du 5 d´ecembre 1864, p. 941, C. R. Acad. Sci. Paris 59 (1864), 377–379. [L57] Extension d’une formule de Gauss. R´esolution d’une ´equation biquadratique a ` quatre inconnues, C. R. Acad. Sci. Paris 59 (1864), 1067–1069 [L58] Tables diverses pour la d´ecomposition des nombres on leurs facteurs premiers, M´em. Soc. Sci. phys. nat. de Bordeaux 3 (1864), 1–37 [L59] Tables diverses pour la d´ecomposition des nombres en leurs facteurs premiers, Paris 1864 [L60] Tables donnant pour la moindre racine primitive d’un nombre premier, ou puissance d’un nombre premier: 1. les nombres qui correspondent aux indices; 2. les indices des nombres premiers et inf´erieurs aux modules, M´em. Soc. Sci. phys. nat. de Bordeaux 3 (1865), 231–274 [L61] Th´eor`eme pour la r´esolution des congruences binˆ omes ` a module premier. Application a ` la construction du ’Canon arithmeticus’, C. R. Acad. Sci. Paris 60 (1865), 1041–1044 [L62] Nouveau th´eor`eme sur la r´esolution des ´equations binˆ omes ` a module premier, C. R. Acad. Sci. Paris 62 (1866), 20–23 [L63] Sur une congruence du deuxi`eme degr´e a ` plusieurs inconnues, C. R. Acad. Sci. Paris 62 (1866), 868–872 [L64] Sur la classification des racines des congruences binˆ omes. Application a ` la construction du ’Canon arithmeticus’ de Jacobi, C. R. Acad. Sci. Paris 64 (1866), 1100–1103

A.8 Lebesgue [L65] Th´eor`eme sur les racines primitives, C. R. Acad. Sci. Paris 64 (1867), 1268–1269 [L66] Sur une identit´e qui conduit ` a toutes les solutions de I’´equation t2 = x2 + y 2 + z 2 , C. R. Acad. Sci. Paris 66 (1868), 396–398 [L67] Note sur quelques ´equations ind´etermin´ees, Nouv. Ann. Math. (2) 8 (1869), 452–454 [L68] D´emonstration de la m´ethode de Jacobi pour la formation de la p´eriode d’une racine primitive, C. R. Acad. Sci. Paris 70 (1870), 1243–1251 [L69] Note sur les opuscules de L´eonard de Pise, Bullettino di Bibliografia e di Storia delle Scienze matematiche e fisiche 9 (1876), 583–594 [L70] Notices sur les principaux travaux de V.-A. Le Besgue, r´edig´ee par lui-mˆeme, Bullettino di bibliografia e di storia delle scienze matematiche e fisiche (1876), 574–582

Arbeit Jahr Inhalt L01 L02

L03

L04

L05

L06

1829 L¨ osungen von Kongruenzen h¨ oheren Grades 1829 L¨ osbarkeit der Kongruenz x2 − by 2 ≡ c mod p. Vermutung: xn − by n ≡ c mod p ist nur f¨ ur endlich viele Primzahlen nicht l¨ osbar. 1829 Eulers L¨ osung der unbestimmten Gleichung ax + by = c; Gaußsches Lemma; dritter Gaußscher Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes. Kubischer Restcharakter von 2. 1831 Kettenbruchentwicklung quadratischer Irrationalit¨ aten. Vermutungen u ¨ber das kubische Restverhalten von 2, 3, 5 und 7. Kongruenzen von Gauß und Jacobi betreffend Binomialkoeffizienten und Darstellungen p = a2 + b2 bzw. 4p = L2 + 27M 2 . 1837 Anzahl der L¨ osungen der Kongruenz m a1 x m ur Primzahlen p = hm + 1. 1 + . . . + an xn ≡ b mod p f¨ 2 2 F¨ ur die Darstellung p = L + 27M mit p = 3h + 1 gilt 2h L ≡ h mod p (Jacobi). Analoge Resultate f¨ ur p = a2 + 4b2 (Gauß). p −1 1837 Bestimmung der Gleichung Y 2 − piZ 2 = 4 xx−1 f¨ ur prime p = 2h + 1 = 4q + i mit i = ±1; Kongruenz Y ≡ 2(x − 1)h mod p (Legendre); explizite Formeln aufbauend auf Legendre.

591

592

A Literatur¨ uberblick

Arbeit Jahr Inhalt L07

L08

L09

L10 L11

L12 L13 L14

L15

L16 L17 L18

L19

L20

1838 L¨ osungsanzahlen von Kongruenzen; Periodengleichung vom Grad 3 und 4; Kongruenz von Poinsot; Methode Libris. p −1 Zusammenhang mit Y 2 − piZ 2 = 4 xx−1 . Fehler in Legendres Behauptung. Zwei Beweise des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes (L¨ osungsanzahlen von Kongruenzen bzw. Gaußsches Lemma). 1839 Kubischer Restcharakter von 2, 3 5, 7. Ist 4p = L2 + 27M 2 und L ≡ 0 oder M ≡ 0 mod q, dann ist q kubischer Rest nodulo p. Reziprozit¨ atsgesetz von Jacobi. Analoge Ergebnisse f¨ ur biquadratische Reste. S¨ atze von Dirichlet u ¨ber biquadratische Reste. 1840 Vereinfachung der Beweise von Gauß und Dirichlet zur Bestimmung des Vorzeichens quadratischer Gaußscher Summen unter Benutzung der Jacobischen Thetafunktionen. Arbeiten von Stern und Libri. Fragen zu analogen Problemen f¨ ur kubische und biquadratische Gaußschen Summen. 1840 Ist die Gleichung xn + y n = z n l¨ osbar, dann auch x2n + y 2n = z 2 . 1840 Cauchys Formel in [C22] steht schon bei Poisson und Jacobi; Hinweis auf Jacobis Satz u ¨ber Summen von 4 Quadraten in [J09]. 1840 Vereinfachung des Lam´eschen Beweises der Unm¨ oglichkeit der Fermatgleichung vom Exponenten 7. 1840 L. schließt eine L¨ ucke in seinem Beweis aus [L13], auf den ihn Lam´e aufmerksam gemacht hat. 1840 Quadratische Gaußsche Summen und Zusammenh¨ ange mit Summen von Werten trigonometrischer Funktionen und der Dirichletschen Klassenzahlformel. Zusammenhang mit Arbeiten von Stern, Jacobi und Cauchy. 1841 L. dehnt Dirichlets Untersuchungen [D01a, D01b] auf weitere Werte von A aus; so zeigt er, dass x5 + y 5 = Az 5 immer unm¨ oglich ist, wenn A durch 5 teilbar ist. 1843 Elementare Fragen zur Existenz ungerader vollkommener Zahlen. 1844 L. gibt einen Beweis f¨ ur Dirichlets Klassenzahlformel mittels trigonometrischer Reihen. 1846 L. weist darauf hin, dass die Beweise des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes durch Jacobi, Cauchy und Eisenstein im Wesentlichen mit dem sechsten Gaußschen Beweis identisch sind. Kommentare zu weiteren Beweisen. 1847 Herleitung des Reziprozit¨ atsgesetzes f¨ ur Jacobisymbole aus demjenigen f¨ ur Legendresymbole. Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes durch Abz¨ ahlen von Gitterpunkten nach Eisenstein. Vorzeichen quadratischer Gaußscher Summen. 1847 Parametrisierung der L¨ osungen der Gleichung x2 + y 2 = z 2 + t2 unter Benutzung des Vierzahlensatzes. Spezialisierung zur L¨ osung von x2 + y 2 = 2z 2 .

A.8 Lebesgue

593

Arbeit Jahr Inhalt L21 L22 L23 L24 L25

1849 1849 1850 1850 1850

L26 L27

1850 1852

L28

1852

L29 L30

1853 1854

L31

1854

L32 L33 L34 L35

1854 1854 1854 1856

L36 L37

1856 1856

L38

1856

L39

1856

L40

1857

L41

1859

L42

1859

L43 L44

1859 1859

¨ Franz¨ osische Ubersetzung von [Ei03]. ¨ Franz¨ osische Ubersetzung von [Ei19]. Bemerkungen zu [Ei05] und [Cayley 1845c]. Herleitung zweier Identit¨ aten von Jacobi. L. behandelt den Spezialfall xm = y n + 1 der Catalanschen Vermutung mit Hilfe der Arithmetik der Gaußschen Zahlen. Bruchrechnen bei Kongruenzen. Quadratische Gaußsche Summen f¨ ur zusammengesetzte Moduln (Dirichlet, Cauchy). Dirichletsche L-Reihen f¨ ur s = 1. Die Arithmologie hat erneut einen grausamen und ” irreparablen Verlust erlitten. Eisenstein ist gestorben, jung an Jahren, aber ein Veteran der Wissenschaft.“ Kritik an Desmarests Kommentaren zu den Disquisitiones. Bestimmung von Primitivwurzeln. Satz von Richelot: Ist p = 2k + 1 prim, dann ist 3 Primitivwurzel modulo p. Summen von Teilern; Eulers Pentagonalzahlensatz. Diophantische Gleichungen in Eulers Algebra; Jacobis Kommentar zum Zusammenhang mit elliptischen Integralen; Beweise einiger S¨ atze von Jacobi u ¨ber Jacobische und Gaußsche Summen. Elementare Eigenschaften Gaußsche Summen. L¨ osung von Aufgabe 4 aus [Ei16] Bemerkungen zu Jacobis Canon arithmeticus. Der Satz, dass jede Zahl der Form 4n + 2 Summe dreier Quadrate ist, steht schon bei Euler. ¨ Kommentar zur franz¨ osischen Ubersetzung von [D31]. Beweis eines Seeberschen Satzes zur Reduktion tern¨ arer quadratischer Formen. Es gibt beliebig lange Folgen zusammengesetzter Zahlen. Bemerkungen zu Legendres Beweisversuch des Satzes u ¨ber Primzahlen in arithmetischer Progression. Es gibt unendlich viele Primzahlen in jeder der vier arithmetischen Progressionen 8n + 1, 8n + 3, 8n + 5 und 8n + 7. Bemerkungen zu Arbeiten von Bertrand und Chebyshev zur Anzahl der Primzahlen ≤ x. Bemerkungen zu Arbeiten u ¨ber magische Quadrate von Euler, Lagrange und Legendre. Jede ungerade Zahl hat die Form x2 + y 2 + 2z 2 . Beweis unter Benutzung von Dirichletschen Ideen aus [D30]. Lebesgue vereinfacht den Arndtschen Beweis der Irreduzibilit¨ at der Kreisteilungsgleichung. L¨ osungsanzahlen von Kongruenzen Dreiecke in Zahlen, deren Seiten und Fl¨ ache eine arithmetische Progression bilden.

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A Literatur¨ uberblick

Arbeit Jahr Inhalt L45 L46 L47 L48 L49 L50

L51 L52 L53 L54 L55 L56 L57 L58 L59 L60 L61 L62 L63 L64 L65

L66 L67

L68 L69 L70

1859 Konvergenz von Dirichletreihen. Harmonische Reihe und Eulers Konstante. 1860 Einf¨ uhrung in die elementare Zahlentheorie bis zu Dirichletreihen. 1860 Das Produkt von f¨ unf aufeinanderfolgenden Zahlen ist kein Quadrat. 1862 Das Produkt von f¨ unf aufeinanderfolgenden Zahlen ist keine dritte Potenz. 1862 Periodengleichungen und Potenzreste in den Arbeiten von Kummer. 1862 Permutationen und Kombinationen; Multinomialentwicklung. p-Anteil in n!; Verbesserungen des Bertrandschen Postulats. 1863 Einf¨ uhrung in die elementare Zahlentheorie. 1863 Es gibt keine vier Quadratzahlen in arithmetischer Progression. 1864 Kleinere Bemerkungen zu diophantischen Gleichungen. 1864 Elementare Beobachtungen u ¨ber Bernoullizahlen. 1864 Gaußsches Lemma f¨ ur zusammengesetzte Moduln. 1864 Gaußsches Lemma f¨ ur zusammengesetzte Moduln. 1864 Verallgemeinerung des Gaußschen Lemmas. 1865 Tabellen zur Primfaktorzerlegung von Zahlen. 1865 Tabellen zur Primfaktorzerlegung von Zahlen. 1866 Tabellen der kleinsten Primitivwurzeln. 1866 L¨ osung der Kongruenz xn ≡ a mod p. 1866 L¨ osung der Kongruenz xn ≡ a mod p. 1867 L¨ osungsanzahlen quadratischer Kongruenzen in mehreren Variablen; eigener Beweis von Formeln Camille Jordans. 1868 L¨ osung der Kongruenz xn ≡ a mod p. 1869 Sind g und g  Primitivwurzeln modulo p mit gg  ≡ 1 mod p und ß < g, g  < p, dann ist g oder g  Primitivwurzel modulo pn . 1870 L. gibt eine parametrisierte L¨ osung der diophantischen Gleichung t2 = x2 + y 2 + z 2 . 1870 Beweis der Unl¨ osbarkeit von diophantischen Gleichungen wie x2 = y 3 + 7 durch Kongruenzen; L¨ ucke in Legendres Beweis, dass Summen teilerfremder Quadrate nicht durch Primzahlen der Form 4n + 3 teilbar sind. 1870 Ordnung von Elementen modulo p; Primitivwurzeln; Jacobis Canon arithmeticus. 1876 L. macht einige Kommentare zu Leonardo von Pisas Rechnungen in dessen Buch der Quadrate. 1876 L. macht einige Bemerkungen u ¨ber seine eigenen Arbeiten.

A.9 Eisenstein

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A.9 Eisenstein Eisensteins Abhandlungen sind (bis auf einige Diagramme) in seinen Mathematischen Werke abgedruckt; auch die Mathematischen Abhandlungen, in denen sich vor allem seine fr¨ uhen Arbeiten u ¨ber elliptische Funktionen befinden, sind antiquarisch noch erh¨altlich und ebenso wie die Arbeiten, die Eisenstein im Crelle Journal ver¨offentlicht hat, im GDZ online zu finden. [Ei01] Th´eor`emes sur les formes cubiques et solution d’une ´equation du quatri`eme degr´e ` a quatre ind´etermin´ees, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 75–79; Math. Werke I, 1–5 ¨ [Ei02] Uber die Anzahl der quadratischen Formen, welche in der Theorie der complexen Zahlen zu einer reellen Determinante geh¨oren, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 80; Math. Werke I, 6 [Ei03] Allgemeine Aufl¨osung der Gleichungen von den ersten vier Graden, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 81–83; Math. Werke I, 7–9; ¨ Franz. Ubersetzung R´esolution g´en´erale des ´equations des quatre premiers degr`es, Nouv. Ann. 8 (1849), 110–113 [Ei04] Untersuchungen u ¨ber die cubischen Formen mit zwei Variabeln, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 89–104; Math. Werke I, 10–25 ¨ [Ei05] Uber eine merkw¨ urdige identische Gleichung, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 105–106; Math. Werke I, 26–27 [Ei06] Bemerkungen zu den elliptischen und Abelschen Transcendenten, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 185–191; Math. Werke I, 28–34 [Ei07] Transformations remarquables de quelques s´eries, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 193–197; ibid. 28 (1844), 36–40; Math. Werke I, 35–44; Auszug in Sur les fractions continues, Nouv. Ann. Math. 8 (1849), 341–343 age zur Kreistheilung, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 269– [Ei08] Beitr¨ 278; Math. Werke I, 45–54 [Ei09] Elementare Ableitung einer merkw¨ urdigen Relation zwischen zwei ungleichen Producten, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 285–288; Math. Werke I, 55–58 [Ei10] Beweis des Reciprocit¨atssatzes f¨ ur die cubischen Reste in der Theorie der aus dritten Wurzeln der Einheit zusammengesetzten complexen Zahlen, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 289–310; Math. Werke I, 59–80 [Ei11] Nachtrag zum cubischen Reciprocit¨atssatze f¨ ur die aus dritten Wurzeln der Einheit zusammengesetzten complexen Zahlen. Criterien des cubischen Characters der Zahl 3 und ihrer Theiler, J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 28–35; Math. Werke I, 81–88

596

A Literatur¨ uberblick

¨ [Ei12] Uber die Anzahl der quadratischen Formen in den verschiedenen complexen Theorien, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 311-316; Math. Werke I, 89–94 [Ei13] Einfacher Algorithmus zur Bestimmung des Werths von ( ab ), J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 317–318; Math. Werke I, 95–96 [Ei14] Eigenschaften und Beziehungen der Ausdr¨ ucke, welche bei der Aufl¨ osung der allgemeinen cubischen Gleichungen erscheinen, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 319–321; Math. Werke I, 97–99 [Ei15] Neuer und elementarer Beweis des Legendreschen Reciprocit¨atsGesetzes, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 322–329; Math. Werke I, 100–107 [Ei16] Aufgaben und Lehrs¨atze, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 281– 283; Math. Werke I, 108–110 [Ei17] Aufgaben, J. Reine Angew. Math. 27 (1844), 86–88; Math. Werke I, 111–113 [Ei18] La loi de r´eciprocit´e, tir´ee des formules de Mr. Gauss, sans avoir d´etermin´e pr´ealablement le signe du radical, J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 41–43; Math. Werke I, 114–116 [Ei19] Neuer Beweis und Verallgemeinerung des Binomischen Lehrsatzes, J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 44–48; Math. Werke I, 117–121 α

..

.

[Ei20] Entwicklung von αα , J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 49–52; Math. Werke I, 122–125 [Ei21] Lois de r´eciprocit´e, J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 53–67; Math. Werke I, 126–140 [Ei22] Einfacher Beweis und Verallgemeinerung des Fundamentaltheorems f¨ ur die biquadratischen Reste, J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 223–245; Math. Werke I, 141–163 [Ei23] Geometrischer Beweis des Fundamentaltheorems f¨ ur die quadratischen Reste, J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 246–248 Math. Werke I, 164–166 [Ei24] Allgemeine Untersuchungen u ¨ber die Formen dritten Grades mit drei Variabeln, welche der Kreistheilung ihre Entstehung verdanken, J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 289–374 Math. Werke I, 167–286 [Ei25] Aufgaben, J. Reine Angew. Math. 28 (1844), 191–192 Math. Werke I, 287–288 [Ei26] Theorema, J. Reine Angew. Math. 29 (1845), 96 Math. Werke I, 289–290

A.9 Eisenstein [Ei27] Applications de l’Alg`ebre a ` l’Arithm´etique transcendante, J. Reine Angew. Math. 29 (1845), 177–184 Math. Werke I, 291–298 [Ei28a] Beitr¨ age zur Theorie der elliptischen Functionen. I. Ableitung des biquadratischen Fundamentaltheorems aus der Theorie der Lemniscatenfunctionen, nebst Bemerkungen zu den Multiplikationsund Transformationsformeln, J. Reine Angew. Math. 30 (1846), 185–210; Math. Werke I, 299–324 [Ei28b] II. Neuer Beweis der Summationsformeln, J. Reine Angew. Math. 30 (1846), 211–214; Math. Werke I, 325–328 [Ei28c] III. Fernere Bemerkungen zu den Transformationsformeln, J. Reine Angew. Math. 32 (1846), 59–70; Math. Werke I, 329–340 ¨ [Ei28d] IV. Uber einen allgemeinen Satz, welcher das Additionstheorem f¨ ur elliptische Functionen als speciellen Fall enth¨alt, J. Reine Angew. Math. 35 (1847),137–146; Math. Werke I, 341–350 ¨ [Ei28e] V: Uber die Differentialgleichungen, welchen der Z¨ ahler und der Nenner bei den elliptischen Transformationsformeln gen¨ ugen, J. Reine Angew. Math. 35 (1847), 137–146; Math. Werke I, 351– 356 [Ei28f] VI. Genaue Untersuchung der unendlichen Doppelproducte, aus welchen die elliptischen Functionen als Quotienten zusammengesetzt sind, und der mit ihnen zusammenh¨angenden Doppelreihen (als eine neue Begr¨ undungsweise der Theorie der elliptischen Functionen mit besonderer Ber¨ ucksichtigung ihrer Analogie zu den Kreisfunctionen), J. Reine Angew. Math. 35 (1847), 153–274; Math. Werke I, 357–478 [Ei29] Notiz u uche, J. Reine Angew. Math. 32 (1846), 71– ¨ber Partialbr¨ 74; Math. Werke I, 479–482 [Ei30] Neue Theoreme der h¨ oheren Arithmetik, J. Reine Angew. Math. 35 (1846), 117–136; Math. Werke I, 483–502 [Ei31] Aufgaben und Lehrs¨atze, J. Reine Angew. Math. 35 (1847), 275– 286; Math. Werke II, 503–504 [Ei32] Note sur la repr´esentation d’un nombre par la somme de cinq carr´es, J. Reine Angew. Math. 35 (1847), 368; Math. Werke II, 505 [Ei33] Zur Theorie der quadratischen Zerf¨allung der Primzahlen 8n + 3, 7n + 2 und 7n + 4, J. Reine Angew. Math. 37 (1848), 97–126; Math. Werke II, 506–535 ¨ [Ei34] Uber die Irreductibilit¨at und einige andere Eigenschaften der Gleichung, von welcher die Theilung der ganzen Lemniscate abh¨angt., ¨ J. Reine Angew. Math. 39 (1850), 160–179; Uber einige allgemeine Eigenschaften der Gleichung, von welcher die Theilung der

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A Literatur¨ uberblick ganzen Lemniscate abh¨angt, nebst Anwendungen derselben auf die Zahlentheorie, J. Reine Angew. Math. 39 (1850), 224–287; Math. Werke II, 536–619

[Ei35] Lehrs¨ atze, J. Reine Angew. Math. 39 (1850), 180–182; Math. Werke II, 620–622 ¨ [Ei36] Uber ein einfaches Mittel zur Auffindung der h¨ oheren Reciprocit¨ atsgesetze und der mit ihnen zu verbindenden Erg¨ anzungss¨ atze, J. Reine Angew. Math. 39 (1850), 351–364; Math. Werke II, 623– 636 [Ei37] Tabelle der reducirten positiven tern¨aren quadratischen Formen, nebst den Resultaten neuer Forschungen u ¨ber diese Formen, in besonderer R¨ ucksicht auf ihre tabellarische Berechnung, J. Reine Angew. Math. 41 (1851), 141–190; Anhang zu der Tabelle der ” reducirten positiven tern¨aren quadratischen Formen, etc.“ im vorigen Hefte, J. Reine Angew. Math. 41 (1851), 227–242; Math. Werke II, 637–704 [Ei38] Eine neue Gattung zahlentheoretischer Funktionen, welche von zwei Elementen abh¨angen und durch gewisse lineare FunktionalGleichungen definirt werden, Bericht Preuss. Akad. Wiss. Berlin (1850), 36–42; Math. Werke II, 707–711 [Ei39] Beweis der allgemeinsten Reciprocit¨atsgesetze zwischen reellen und complexen Zahlen, Bericht Preuss. Akad. Wiss. Berlin (1850), 189–198; Math. Werke II, 712–721 ¨ [Ei40] Uber die Vergleichung von solchen tern¨aren quadratischen Formen, welche verschiedene Determinanten haben, Bericht Preuss. Akad. Wiss. Berlin (1852), 350–389; Math. Werke II, 722–762

A.9 Eisenstein Arbeit Ei01

Ei02 Ei03 Ei04

Ei05 Ei06 Ei07

Ei08 Ei09 Ei10 Ei11 Ei12 Ei13 Ei14 Ei15 Ei16 Ei17 Ei18 Ei19 Ei20 Ei21 Ei22 Ei23 Ei24

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Jahr Inhalt ¨ 12.1843 Aquivalenz bin¨ arer kubischer Formen; Kettenbruchentwicklungen im Zusammenhang mit elliptischen Funktionen √ √ 12.1843 Klassenzahlformel f¨ ur Q( −3, m ) in der Sprache quadratischer Formen 01.1844 Aufl¨ osung der Gleichungen vom Grad 1, 2, 3 und 4 12.1843 Ausarbeitung der Ank¨ undigungen aus [Ei01]; Zusammenhang zwischen kubischen Formen und quadratischen Formen der Ordnung 3 in der Klassengruppe 12.1843? Identit¨ at im Zusammenhang mit Diskriminanten kubischer Formen 01.1844 E. beginnt, elliptische Funktionen mit Hilfe von bedingt konvergenten Produkten zu untersuchen. 1844? Kettenbruchentwicklung gewisser Funktionen; tern¨ are quadratische Formen; Kettenbruchentwicklungen im Zusammenhang mit elliptischen Funktionen 02.1844 Untersuchung von Gauß- und Jacobi-Summen f¨ ur quadratische, kubische und biquadratische Restsymbole 02.1844 Beziehungen zwischen gewissen unendlichen Produkten 03.1844 Beweis des kubischen Reziprozit¨ atsgesetzes 1844 Erg¨ anzungss¨ atze zum kubischen Reziprozit¨ atsgesetz 03.1844 Klassenzahlformeln f¨ ur biquadratische Zahlk¨ orper und einige abelsche Zahlk¨ orper h¨ oheren Grades 02.1844 Algorithmus zur Berechnung von Jacobi-Symbolen 03.1844 Zusammenhang zwischen der Aufl¨ osung kubischer Gleichungen und bin¨ aren kubischen Formen 04.1844 Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes mit mehrfachen Jacobi-Summen 02.1844 Aufgaben (quadratische Reste, Identit¨ aten) 12.1843 Aufgaben (elliptische Funktionen, Kreisteilung) 05.1844 Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes (Gauß VI) 05.1844 Beweis des binomischen Lehrsatzes xx

··

Untersuchung der Funktion f (x) = xx Beweis des biquadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes Weiterer Beweis des biquadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes Eisensteins geometrischer Beweis des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes 09.1844 Eisensteins große Arbeit u ¨ber kubische Formen, die der Arithmetik zyklischer kubischer Erweiterungen entsprechen; Einheiten in kubischen Zahlringen; Regulator; Klassenzahlformel; Skizze eines Beweises des kubischen Reziprozit¨ atsgesetzes durch Geschlechtertheorie 05.1844 06.1844 1844 06.1844

Arbeit Ei25 Ei26 Ei27

Ei28 Ei28a Ei28b Ei28c Ei28d Ei28e Ei28f

Ei29 Ei30 Ei31 Ei32 Ei33

Ei34 Ei35 Ei36 Ei37 Ei38 Ei39 Ei40 Ei41 Ei42

Jahr Inhalt 1844 Aufgaben (Entwicklung von Produkten, in welchen trigonometrische Funktionen auftauchen) 1844 S¨ atze u ¨ber Kettenbruchentwicklungen im Zusammenhang mit Untersuchungen von Gauß 02.1845 Herleitung des quadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes mit Hilfe der Sinus-Funktion, und des biquadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes mittels elliptischer Funktionen 1845 Eisensteins Werk u ¨ber elliptische Funktionen 10.1845 Beweis des biquadratischen Reziprozit¨ atsgesetzes mittels der Teilungsgleichung der Lemniskate 1845 Beweis der Additionsformeln elliptischer in Analogie zu denjenigen trigonometrischer Funktionen. 02.1846 Neuer Beweis der Teilungsgleichungen aus [Ei28a] 02.1847 Neuer Beweis der Additionstheoreme aus [Ei28b] 1847 Jacobis Differentialgleichungen zur Bestimmung der Transformationsformeln elliptischer Funktionen. 09.1847 Definition elliptischer Funktionen durch Doppelprodukte (gleichzeitig mit Cayley); analoge Theorie der trigonometrischen Funktionen. Antwort auf den Plagiatsvorwurf von Seiten Jacobis 02.1846 Partialbruchzerlegung; Satz von Wilson 02.1847 Geschlechtertheorie tern¨ arer quadratischer Formen 1847 Aufgaben 1847 Summen von f¨ unf Quadraten 01.1848 Kongruenzen f¨ ur Zerf¨ allungen von Primzahlen der Form 8n + 3 durch x2 + 2y 2 , und von Primzahlen der Form 7n + 2 und 7n + 4 durch x2 + 7y 2 1850 Teilungsgleichung der Lemniskate; Irreduzibilit¨ atskriterium 1850 Lehrs¨ atze 1850 Verfahren, um die Gestalt der h¨ oheren Reziprozit¨ atsgesetze vorherzusagen 1851 Tern¨ are quadratische Formen 1850 Zahlentheoretische Funktionen im Zusammenhang mit den h¨ oheren Reziprozit¨ atsgesetzen 1850 Eisensteinsches Reziprozit¨ atsgesetz 1852 Tern¨ are quadratische Formen 1952 Antrittsrede 1852 Reihenentwicklungen algebraischer Funktionen

Abbildungsverzeichnis Cover: Ausschnitt aus einer Kopie von Plimpton 322 (Jeremiah Peterson) I.

Marmorscheibe VA 5953. Vorderasiatisches Museum Berlin. Foto Olaf M. Teßmer https://nat.museum-digital.de/object/458871 . . . . . . . . . .

1

1.0.1 Kopie der Keilschrifttafel Plimpton 322 durch Jeremiah Peterson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3

1.2.1 Vom Piktogramm zur Keilschrift; [Vogel 1959] . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3.2 Tontafel TSS 50; aus [Høyrup 1982] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1.3.3 Keilschrifttafel YBC 7289; Foto A. Urcia, 2014. Mit freundlicher Genehmigung des Yale Peabody Museums. . . . . . . 22 1.5.1 Zeichnung von AO 6484 aus [Vogel 1959]. Darunter: Ausschnitt aus AO 6484; Zunkir, CC BY-SA 4.0, https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=93810306, modifiziert vom Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 1.5.2 Plimpton 322; Columbia University Cuneiform Collection 460, Rare Book & Manuscript Library, Columbia University Libraries. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1.6.2 Ruinen von Susa; Foto: Polly Lohmann https://durchdiebrille.com. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.0.1 Lied der Herden von Nanna; mit freundlicher Genehmigung von Jeremiah Peterson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2.1.1 Himmelsscheibe von Nebra. Foto: Juraj Lipt´ak; mit freundlicher Genehmigung des Landesamts f¨ ur Denkmalpflege und Arch¨aologie Sachsen-Anhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2.2.1 K¨onigsspiel von Ur; mit freundlicher Genehmigung von Jeremiah Peterson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.2.2 Drei Weise aus Indien; aus Libro de los juegos, Toledo 1283 . . . 48 2.2.3 Potenzen von I, V und VI bei Boethius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.2.4 Originalmanuskript des Rinderproblems. Herzog August Bibliothek Wolfenb¨ uttel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.5.1 Illustration aus einem Buch von Li Zhi (PD). https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=14731992 . . 66 3.0.1 Euklids Elemente nach Simon Marius; Quelle: Bayerische Staatsbibliothek M¨ unchen, Res/2 A.gr.b. 543 . . . . . . . . . . . . . . . 69 3.3.1 Arithmetik von Nikomachos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

© Springer-Verlag GmbH Deutschland, ein Teil von Springer Nature 2023 F. Lemmermeyer, 4000 Jahre Zahlentheorie, Vom Zählstein zum Computer, https://doi.org/10.1007/978-3-662-68110-7

602

Abbildungsverzeichnis 3.3.2 Euklid und Nikomachos. Mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Volk http: //w-volk.de/museum/reuklid.htm?regpers,anc=Euklid . . . 80 3.3.3 Dreiecks- und Quadratzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3.3.4 Pythagoras; Fliegende Bl¨atter Band 49 (1868), S. 52; https://www.ub.uni-heidelberg.de/helios/fachinfo/ www/kunst/digilit/fliegendeblaetter.html . . . . . . . . . . . . . 84 3.8.1 M¨ unze mit Kaiser Hadrian; mit Genehmigung der Classical Numismatic Group LLC, https://www.cngcoins.com . . . . . . . 108 3.8.2 Problem I.1 aus dem Manuskript Vat.gr.19 . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4.0.1 Statue von Bhaskara II. Mit freundlicher Genehmigung durch Digvijay Patil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 4.2.1 Pont du Gard; Benh Lieu Song (Flickr), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid= 33474941 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 4.2.2 Konstantinopel https://commons.wikimedia.org/wiki/ File:Constantinopolis_-_Matth%C3%A4us_Merian_-_ 1635.jpg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 4.4.1 Rationale Trapeze bei Brahmagupta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 4.4.2 Auszug aus Lilavati. MS OR Indic beta 249 (CC BY 4.0). https://wellcomecollection.org/works/an9d3cbm/items . 140 4.5.1 Al-Khwarizmi. Mit freundlicher Genehmigung durch Wolfang Volk; http://w-volk.de/museum/rkhwariz.htm?regpers, anc=Khwarizmi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 4.5.2 Fiqh al-Hisab https://images.math.cnrs.fr/ Adivinanza-en-cifras-arabes.html?lang=es . . . . . . . . . . . . . 146 4.5.3 Severus Sebokht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 4.5.4 Chalkis. Foto: Bernard Gagnon – eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php? curid=12045971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 4.5.5 Al-Kashi. Foto von Alain Juhel, https: //www.mathouriste.eu/Obs_Samarkand/obs_p7.html . . . . . . . 150 4.5.6 Ulugh Beg; Foto von Alain Juhel, https: //www.mathouriste.eu/Obs_Samarkand/obs_p6.html . . . . . . . 151 4.5.7 Medrese in Buchara. Foto von Alain Juhel, https: //www.mathouriste.eu/Obs_Samarkand/mdrs_bukh.html . . . . 152 4.6.1 Magisches Quadrat Jaina; Foto: Rainer Typke, eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=7515567. Rechts: Magisches Quadrat bei Albrecht D¨ urer (PD), https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=752363 . . . . . 162

Abbildungsverzeichnis II.

603

Xylanders Ausgabe des Diophant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

5.0.1 Fibonacci; Foto: Wolfgang Volk, http: //www.w-volk.de/museum/monum16.htm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5.1.1 Statue von Gerbert. Foto: Alain Juhel, https://www.mathouriste.eu/Gerbert/Gerbert.html . . . . . . 173 5.3.1 Euklids Elemente, 1482 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 5.3.2 Denkmal und Plakette f¨ ur Simon Marius, Stadtarchiv Ansbach, https://www.simon-marius.net/pix/ content/13/Marius-Denkmal-Ansicht_Biernoth.jpg https://www.simon-marius.net/pix/content/13/ Marius-Schloss-Tafel_Stadtarchiv-Ansbach.jpg . . . . . . . . 182 5.4.1 Regiomontanus. Foto: Wolfgang Volk, http://www.w-volk.de/museum/monum23 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 5.4.2 Wilhelm Holtzman alias Xylander; mit freundlicher Genehmigung durch das Antiquariat Peter Bierl https://www.bierl-antiquariat.de . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 5.5.1 Diagramme aus Vietas Ad logisticen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5.6.1 Bachets Probl`emes plaisans et delectables . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 5.6.2 Bachets Ausgabe des Diophant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 5.6.3 Bachet, Problem VI.19 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 5.6.4 Quadrate unter Dreieckszahlen bei Nemore . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 6.0.1 Bronzeplatte Fermat; Foto: Klaus Barner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 6.1.1 Vollkommene Zahlen bei Pietro Bungus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 6.2.1 Marin Mersenne und seine B¨ ucher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 6.3.1 Fermats Geburtshaus; Foto: Klaus Barner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 6.3.2 Coll`ege de Navarre in Montauban. Foto: Klaus Barner . . . . . . . 208 6.3.3 Fermat, Heiratsvertrag und Sterbeurkunde. Foto: Klaus Barner209 6.6.1 Fermatstatue in Beaumont de Lomagne. Foto: Klaus Barner . . 219 6.6.2 Babylonische Tripel bei Fr´enicle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 6.6.3 Fermatstatue in Beaumont de Lomagne. Foto: Klaus Barner . . 224 6.6.4 B¨ usten von Pascal and Descartes in der Bibliothek SainteGenevi`eve in Paris; Alain Juhel, https://www.mathouriste. eu/Quatuor_Sorbonne/Sorbonne_Quatuor.html . . . . . . . . . . . . 225 6.7.1 Sir Kenelm Digby https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=15950892. Rechts: Digbys Kochbuch . . . . . . 227 6.7.2 John Wallis. Gravur von Michael Burghers, https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=36421040. John Brouncker, Gem¨alde; https://commons.wikimedia. org/wiki/File:William_Brouncker.jpg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228

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Abbildungsverzeichnis 6.7.3 Brounckers L¨osung von von 13a2 + 1 = N 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 6.8.1 Francis Bacon, Novum Organum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 6.9.1 Nicholas Saunderson Memorial Obelisk; Penistone History Archive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 6.9.2 Bachets Alphabetisierung Diophants . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 6.9.3 Saundersons Parametrisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 6.10.1 Schickards Rechenmaschine (PD), Foto: Hughcoil; https://commons.wikimedia.org/wiki/File: HNF-Schickard-Rechenmaschine.jpg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 6.10.2 Triangulation durch Wilhelm Schickard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 6.10.3 K¨ urzen eines Bruchs aus dem Rechenbuch von Simon Jacob . 255 6.10.4 Titelblatt von Halckes Deliciae Mathematicae und Auszug aus dem Rechenbuch von Simon Jacob . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 6.10.5 Auszug aus Halckes Deliciae Mathematicae . . . . . . . . . . . . . . . . 258 6.11.1 Auszug (S. 184) aus Newtons waste book“ (CC BY-NC ” 3.0); https://cudl.lib.cam.ac.uk/view/MS-ADD-04004/184 260 7.0.1 Leonhard Euler. Bild von Jakob Emanuel Handmann (PD), Foto: Martin B¨ uhler; https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1001511 . . . . 263 7.1.1 Stadtansicht von Basel (Emanuel B¨ uchel, 1761); https://www.euler-2007.ch/bilder.htm . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 7.2.1 Leonhard Euler (Gem¨alde von Jakob Emanuel Handmann); Kunstmuseum Basel (PD), https://sammlungonline.kunstmuseumbasel.ch/ eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module= collection&objectId=1429&viewType=detailView . . . . . . . . . 273 7.2.1 Daniel Bernoulli, Historisches Museum Basel, https://www.hmb.ch/en/museums/ objects-in-the-collection/image-download/d/ portraet-des-daniel-bernoulli/19970/) . . . . . . . . . . . . . . . 273 7.2.2 Eulers Grab; Fotograf Alexey Sergeev, Univ. Texas; https://www.asergeev.com/pictures/k/Euler_tomb.htm . . 276 7.4.1 Auszug aus Eulers Tractatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 7.7.1 Deckblatt von Fagnanos Gesammelten Werken . . . . . . . . . . . . . . 306 7.8.1 Lambert beim Unterricht, https://www.numistral.fr/ark: /12148/btv1b10208367q.r=lambert?rk=85837;2# . . . . . . . . . . 308 7.8.2 Lambert-Denkmal in M¨ ulhausen; Foto Alain Juhel, https://www.mathouriste.eu/Lambert/Lambert.html . . . . . 312

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7.8.3 Plakette am Lambert-Denkmal; Foto: Wolfgang Volk, http://www.w-volk.de/museum/monum57.htm . . . . . . . . . . . . . . 313 7.8.4 Lamberts Primalit¨atstest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 7.8.5 Grabkreuz von Johann III Bernoulli; Foto: Wolfgang Volk, http://www.w-volk.de/museum/grave05.htm . . . . . . . . . . . . . . 316 7.8.6 Schafgotschs L¨osung der Pellschen Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . 318 8.0.1 Statue von Lagrange in Turin; Fotograf: Franco56 (PD), https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid= 2985981 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 8.2.1 Statue von Condorcet. Foto: Alain Juhel, http://www.mathouriste.eu/Condorcet/Condorcet.html . . 326 8.2.2 Chateux Fillerval in Thury; Foto: Benoˆıt Prieur https://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei: Ch%C3%A2teau_de_Fillerval_%283%29.JPG . . . . . . . . . . . . . . . . 329 8.4.1 Coll`ege Mazarin, Kupferstich von Israel Silvestre um 1670; modifiziert vom Autor; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Israel_ Silvestre,_Coll%C3%A8ge_des_Quatre-Nations.jpg . . . . . . 338 8.4.2 Legendres Grabstein; Foto: Mu (bearbeitet vom Autor), https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid= 10630841 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 8.5.1 Legendres Recherches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 8.5.2 Quadratisches Reziprozit¨atsgesetz (Legendre) . . . . . . . . . . . . . . . 344 8.5.3 Legendre; https://commons.wikimedia.org/wiki/File: Legendre_and_Fourier_%281820%29.jpg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 8.6.1 Das Legendre-Symbol (Th´eorie des Nombres) . . . . . . . . . . . . . . . 351 8.6.2 Kompositionstabelle bei Legendre (Th´eorie des Nombres) . . . . 354 8.6.3 Gitterpunkte in Kreisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 9.0.1 Carl-Friedrich Gauß https://de.m.wikipedia.org/wiki/ Datei:Carl_Friedrich_Gauss_1840_by_Jensen.jpg . . . . . . . . 361 9.1.1 Brief von Gauß an Minna Waldeck https://gauss.adw-goe.de/handle/gauss/1779 . . . . . . . . . . . 363 9.1.2 Tweedorp; Postkarte (PD) https://de.wikipedia.org/ wiki/Martino-Katharineum_Braunschweig . . . . . . . . . . . . . . . . 364 9.1.3 Karikatur K¨astners; Beilage zum Brief an Bolyai, 20. April 1848; SUB G¨ ottingen https://facethefact.gbv.de/kaestner-karikatur/ . . . . . . . 366 9.1.4 Carl-Friedrich Gauß; (CC BY 4.0) https://ku-ni.de/isil_DE-7_gauss_m1_8, https://ku-ni.de/isil_DE-7_gauss_m1_1 . . . . . . . . . . . . . . . . 369

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Abbildungsverzeichnis 9.1.5 Denkmal f¨ ur Gauß und Weber https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=170202 . . . . . 371 9.1.6 Grab von Gauß. Foto Wolfgang Volk, http://www.w-volk.de/museum/grave33.htm . . . . . . . . . . . . . . 373 9.4.1 EUREKA; Tagebuch Gauß (PD); https: //www.deutsche-digitale-bibliothek.de/ . . . . . . . . . . . . . . . 384 9.5.1 Gauß-Denkmal (Foto: Gisela Anvari) https://denkmalatlas.niedersachsen.de/viewer/ metadata/36003804/1/-/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 9.7.1 Plakette Sophie Germain; Von Wikimedia Commons / Mu – eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=10204015; leicht modifiziert vom Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 9.7.2 Sophie Germain Grab; Foto: Miek Messerschmidt - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=16390209 . . 404 III.

Gaußsche Abhandlung u ¨ber biquadratische Reste . . . . . . . . . . . 415

10.0.1 Dirichlet (PD), https://www.sammlungen.hu-berlin.de/ objekte/portraetsammlung-berliner-hochschullehrer/ 12530/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 10.2.1 General Maximilien Foy (PD), https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=336841 . . . . . 424 10.2.1 Gabriel Lam´e (PD), https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=1702588 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 10.2.2 Dirichlet (CC BY 40) https://ku-ni.de/isil_DE-7_ lejeune_m1_1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 10.2.3 Dirichlet und seine Frau; Zeichnungen von Wilhelm Hensel aus [Hensel 1888] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 10.2.4 Ansicht von Toul; Kupferstich v. G. Bodenehr, um 1720. Mit Genehmigung durch das Antiquariat Clemens Paulusch https://antiquariat-paulusch.de/ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 10.2.5 Fanny Hensel und Rebecka Dirichlet. Zeichnungen von Wilhelm Hensel aus [Hensel 1888] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 10.2.6 Meyer’s Universum, III. Band, 1836, https://digital.ub. uni-duesseldorf.de/ihd/periodical/dpage/8696776 . . . . . . 431 10.3.1 Grabmal Dirichlets. Foto: Wolfgang Volk, http://www.w-volk.de/museum/grave40.htm . . . . . . . . . . . . . . 435 10.3.2 Libri https://commons.wikimedia.org/w/index.php? curid=2560518 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442

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10.3.2 Liouville (Fotograf Maire Liouville); mit freundlicher Genehmigung von Alain Juhel, http://www.mathouriste.eu/Liouville/Liouville.html . . 442 10.5.1 Bahnhof Harzburg, mit freundlicher Genehmigung durch Antiquariat Clemens Paulusch; https://www.zvab.com/kunst-grafik-poster/ Gesamtansicht-Harzburg-Burgberge-Bad-Burgberg/ 22680025348/bd . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 10.6.1 Erschaffung Adams von Michelangelo, https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=29099348 . . 461 11.0.1 Abel (von Johan Gorbitz); aus C. A. Bjerknes, Tableau de sa vie et de son action scientifique 1885, (PD); https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=18156688 . . 465 11.1.1 Denkmal f¨ ur Niels Henrik Abel in Oslo-Blindern. Mit freundlicher Genehmigung durch W. Volk http: //www.w-volk.de/museum/roslo.htm?reglocs,anc=Oslo . . . 468 11.1.2 Gedenkstein Crelle; Foto: Wolfgang Volk, https://www.math.berlin/mathematiker/ august-leopold-crelle.html . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 11.1.3 Lemniskate; Manuskript Abels von https://abelprize.no/sites/default/files/ 2021-04/abel_handskrevne_manuskripter1.pdf; J. reine angew. Math. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 11.1.4 Werke Abel; https://archive.org/details/ oeuvrescomplte01abel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 11.1.4 Canon Arithmeticus; ETH Z¨ urich; https: //www.e-rara.ch/zut/content/zoom/5554707 . . . . . . . . . . . . . 473 11.2.1 Jakob Steiner; Stich von August Weger, https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48330531 . . 484 11.2.1 Ludwig Schl¨afli https://commons.wikimedia.org/w/ index.php?curid=52841 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 11.2.2 Carl Gustav Jacob Jacobi (Foto) https: //library.si.edu/image-gallery/73628 . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 11.2.2 Moritz Jacobi (Gravur von Rudolf Hoffmann); mit freundlicher Genehmigung durch die Smithsonian Libraries and Archives https://library.si.edu/image-gallery/73629 . . . . . . . . . . . 485 11.3.1 De residuis cubicis commentatio numerosa; BBAW . . . . . . . . . 490 11.6.1 Cauchy; Lithographie von Louis Gr´egoire & Deneux (PD), https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid= 283323 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496

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Abbildungsverzeichnis 12.0.1 Gotthold Eisenstein; Fotoalbum der Mathematischen Gesellschaft Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 12.1.1 Eisensteins Gauß; Universit¨atsbibliothek Giessen . . . . . . . . . . . 504 12.1.2 Großer Brand Hamburg; The Illustrated London News. Vol. 1. From May 14 to December 31, 1842, Seite 1. PD, https: //commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5153971 . . . . 505 12.1.3 The London & Greenwich Railway (PD), https://en. wikipedia.org/wiki/London_and_Greenwich_Railway . . . . . 506 12.1.4 Plakette an der Broombridge, https://ingeniousireland.ie/product/ dublin-eureka-by-the-royal-canal-app-audio-guide/ . . . 507 12.1.5 Auszug aus dem Bericht der Preußischen Akademie der Wissenschaften 1844 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 12.1.6 Moritz Stern (CC BY 40) https://ku-ni.de/isil_DE-7_ stern_m1_1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 12.1.7 Eisensteinsches Stipendium https://edoc.hu-berlin.de/ handle/18452/971 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 12.2.1 Inhaltsverzeichnis J. Reine Angew. Math. 27 . . . . . . . . . . . . . . 521 12.3.1 Karl Schellbach; Foto aus [M¨ ulller 1905]. Seite aus [Schellbach 1845] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 12.6.1 Cayley (von Herbert Beraus) http://www-groups.dcs. st-and.ac.uk/~history/PictDisplay/Cayley.html . . . . . . . . 539 12.6.1 Sylvester https://jscholarship.library.jhu.edu/ handle/1774.2/53795 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539

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al-Khwarizmi, Abu Dscha’far Muhammad ibn Musa (um 780–840), 144, 148, 174 al-Kindi, Abu Ya’qub ibn Ishaq (um 800–873), 174 al-Mansur, Abu Jafar (714–775), 142 al-Maridini, Sibt (1423–1506), 18 al-Nasawi, Ali ibn Ahmad (ca1010–1075), 152 al-Tanukhi, Abu Ali al Mushin (um 940–994), 154 al-Tusi, Nadir Al-din (1201–1274), 122 al-Uqlidisi, Abu l-Hasan Ahmad ibn Ibrahim (10. Jh.), 149 al-Zanjani (13. Jh.), 155 Alcuin (735–804), 192 Alcuin von York (735–804), 169 d’Alembert, Jean-Baptiste le Rond (1717–1783), 268, 309, 322, 323, 325, 337 Alexander (356–323), 11, 59, 91 Ambrosi, Gerhard Michael (* 1943), 87 Anagnostakis, Christopher, 30 Anaxagoras (um 499–428), 71 Anaximander (ca. 610–546), 46, 71 Anaximenes (ca. 585–526), 46 Ang, Tian Se, 65 Apastamba (ca. 600 v. Chr., 138 Apollonios von Perge (ca. 265–190), 71 Apostol, Thomas (1923–2016), 74 Arago, Fran¸cois (1786–1853), 275 Archimedes (um 287–212), 51, 53, 71, 88, 123, 124, 169 Archytas von Tarent (um 420–355), 71, 78 Arendt, Gustav (1832–1915), 452

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Namensverzeichnis Barner, Klaus (* 1934), 116, 206, 209 Barozzi, Francesco (1537–1604)), 201 Barrow, Isaac (1630–1677), 303 Bartels, Johann Christian Martin (1769–1836), 363 Bashmakova, Isabella (1921–2005), 116 Baudhayana (um 800 v. Chr.), 138 Beguelin, Nikolaus von (1714–1789), 560 Beha Eddin (1546–1622), 142, 158, 159 Berglund, Lars (* 1938), 161 Berkhan, Gustav Waldemar (1882–1914), 358 Berndt, Bruce (* 1939), 526 Bernoulli, Daniel (1700–1782), 266, 268, 272, 274, 276, 288, 304 Bernoulli, Jakob (1655–1705), 264, 266, 269, 271, 274, 299, 318 Bernoulli, Johann (1667–1748), 229, 264, 266, 268, 269, 274 Bernoulli, Johann III (1744–1807), 293, 316 Bernoulli, Nikolaus I (1687–1759), 271 Bernoulli, Nikolaus II (1695–1726), 272, 274 Bernward (ca. 950–1022), 171 Berossos, 4.–3. Jh. v. Chr.), 51, 71 Bertrand, Joseph (1822–1900), 593 Bessel, Friedrich Wilhelm (1784–1846), 323, 369, 421, 475 ´ Bezout, Etienne (1730–1783), 325 Bhargava, Manjul (* 1974), 540 Bhaskara I (um 600–680), 130, 133

Namensverzeichnis Bhaskara II (1114–1185), 132, 133, 136 Biermann, Kurt (1919–2002), 264, 423, 433, 462, 503 de Billy, Jacques (1602–1679), 210, 241, 246, 247 Blasj¨o, Viktor, 76 Bode, Johann (1747–1826), 309 B¨ ockh, August (1785–1867), 519 Boethius (um 480–525), 48, 79, 171, 172 Boltzmann, Ludwig (1844–1906), 421 Bombelli, Raffael (1526–1572), 190 Boole, George (1815–1864), 538 Borchardt, Carl Wilhelm (1817–1880), 310, 472 Bortolotti, Emma, 473 Bossut, Charles (1730–1814), 50 Bottazini, Umberto (* 1947), 528 Boucard, Jenny, 378 Brack-Bernsen, Lis (* 1946), 34 Bradley, James (1693–1762), 323 Brahe, Tycho (1546–1601), 181 Brahmagupta (ca. 598–665), 131, 133, 135, 136, 138, 162 Brauer, Alfred (1894–1985), 346 Brezinski, Claude (* 1941), 88, 304 Brouncker, William (1620–1684), 208, 226–236, 240, 249, 264, 289, 310, 330, 332, 351 Bruins, Evert Marie (1909–1990), 30 Brun, Viggo, 467 Bubendey, Johann Friedrich (1848–1919), 253 Buchner, Friedrich, 358, 463 B¨ uttner, Johann Nicolaus J¨ urgen (1722–1795), 363 Bullynck, Maarten, 264, 307, 342, 378 Bungus, Petrus (16. Jhdt–1601), 201

667 Bunsen, Christian Karl Josias von (1791–1860), 516 B¨ urk, Albert, 63 Burkert, Walter (1931–2015), 52 Caesar, Gaius Iulius (100–44), 108, 123 Capella, Martianus (5.–6. Jh. n. Chr.), 126 Caratini, Roger (1924–2009), 15 Carcavi, Pierre de (um 1600–1684), 206, 210, 214, 218, 222, 236 Cardano, Gerolamo (1501–1576), 180 Casorati, Felice (1835–1890), 529 Cassini, Jean Dominique (1625–1712), 262 Cassini, Jean Dominique Comte de (1748–1845), 323, 325, 327, 329 Castelli, Benedetto (ca. 1577–1643), 104 Catalan, Eug`ene Charles (1814–1894), 441 Cataldi, Pietro (1548–1626), 200, 202 Cauchy, Augustin-Louis (1789–1857), 467, 471, 479, 492, 495–498, 514, 524, 525, 528 Caveing, Maurice (1923–2019), 15, 19, 37 Cayley, Arthur (1821–1895), 391, 523, 529, 538, 540, 600 Chabert, Jean-Luc, 88 Chace, Arnold Buffum (1845–1932), 58 Chambon, G., 50 Champollion, Jean-Fran¸cois (1790–1832), 59, 420 Charollois, Pierre, 502 Chasles, Michel (1793–1880), 463 Chebotarev, Nikolai Grigorievich (1894–1947), 537

668 Chebyshev, Pafnuty Lvovich (1821–1894), 593 Chemla, Karine (* 1957), 65, 128 Chevalley, Claude (1909–1984), 536 Chortasmenos, Johannes (um 1370–1437), 109 Cicero (106–43), 124 Clagett, Marshall (1916–2005), 58 Clarke, Arthur A., 376 Clausen, Thomas (1801–1885), 467 Clavius, Christopher (1538–1612), 98 Clebsch, Alfred (1833–1872), 502 Clemens von Alexandria (150–215), 77 Clifford, William (1845–1879), 502 Clifford, William K. (1845–1879), 372 Colebrooke, Henry Thomas (1765–1837), 463 La Condamine, Charles-Marie de (1701–1774), 322 Condorcet, Marie Jean Antoine Nicolas Caritat (1743–1794), 325–330, 337 Coquerand, Serge, 106, 189 Cotes, Roger (1682–1716), 250 Cox, David (* 1948), 354 Creizenach, Michael (1789–1842), 339, 357, 509 Crelle, August Leopold (1780–1855)), 420, 467, 475, 508, 530 Cretney, Rosanna, 304 Czwalina, Arthur (1884–1964), 106, 189 Czwalina, Julius (1810–1896), 480 Dalley, Stephanie (* 1943), 11, 14 Damerow, Peter (1939–2011), 16, 34 Dani, Shrikrishna Gopalrao, 64 Dase, Zacharias (1824–1861), 486

Namensverzeichnis Datta, Bibhutibhusan (1888–1958), 132 Dedekind, Richard (1831–1916), 372, 378, 391, 399, 433, 469 Degen, Carl Ferdinand (1766–1825), 466 del Ferro, Scipione (1465–1526), 180 Delambre, Jean-Baptiste Joseph (1749–1822), 323, 329, 330, 372, 375 Demokrit (ca. 460–370), 56, 71, 78, 124 Desboves, Adolphe (1818–1888), 346 Descartes, Ren´e (1596–1650), 202, 212, 223, 259 Deschauer, Stefan, 125 Desmarest, Eug`ene (1786–18??), 378 Dickens, Charles (1812–1870), 419 Dickson, Leonard Eugene (1874–1954), 201, 240, 355, 536 Dieudonn´e, Jean (1906–1992), 91 Digby, Kenelm (1603–1665), 208, 226, 228, 237, 244 Dilke, Oswald (1915–1993), 48, 61 Diodor (1. Jh. v. Chr.), 71 Diogenes Laertios (ca. 3. Jahdt. n. Chr.), 72 Diokles (um 240–180), 71, 397 Diophant, 76, 83, 105, 106, 108, 120, 160, 167, 241, 268, 339 Dirichlet, Peter Gustav Lejeune (1805–1859), 297, 356, 371, 378, 391, 417–463, 467, 476, 477, 481, 504, 508, 511–513, 517, 518, 520, 523, 530 Dirichlet, Rebecka (1811–1858), 427, 430, 431, 483, 486 Dirichlet, Walter (1833–1887), 427 Dirksen, Enne Heeren (1788–1850), 477 Djafari, Alireza, 128, 145, 152, 153

Namensverzeichnis Dove, Heinricht (1803–1879), 479 Duhamel, Jean-Marie (1797–1872), 439 Dupr´e, Athanase (1808–1869), 346 Edwards, Harold (* 1936), 280 Einstein, Albert (1879–1955), 91 Eisenlohr, August (1832–1902), 58 Eisenstein, Gotthold (1823–1852), 356, 371, 408, 420, 431, 437, 454, 466, 472, 487, 501–537 Eisenstein, Helene (1799–1876), 503 Eisenstein, Johann Konstantin (1791–1875), 503 Eisler, Robert (1882–1949), 56 Elkies, Noam (* 1966), 291 Encke, Johann Franz (1791–1865), 505, 506, 508, 509, 514, 517 Engels, Friedrich (1820–1895), 420 Enneper, Alfred (1830-1885), 470 Epicharmos (um 540–460), 74 Epimenides (ca. 6. Jh. v. Chr.), 73 Eratosthenes (ca. 275–194), 71, 79 ´ d’Espagnet, Etienne (* ca. 1596), 206 Eudoxos (ca. 395–340), 71, 73, 78, 81 Euklid (3. Jh. v. Chr.), 28, 45, 71, 75, 78, 82, 83, 90–93, 95, 99, 100, 103, 104, 116, 153 Euler, Leonhard (1707–1783), 36, 223, 243, 251, 272–305, 309, 310, 314, 315, 330, 331, 333, 336, 351, 366, 376, 377, 382, 392, 399, 433, 434, 439, 443, 492, 494, 504, 527, 529, 533, 593 Eupalinos von Megara (6. Jh. v. Chr.), 74 Evans, Ronald, 526 Fagnano, Giulio Carlo de’ Toschi di (1682–1766), 305, 492 Fekete, Michael (1886–1957), 447

669 Fermat, Pierre (1607–1665), 169, 194, 206–251, 259, 282, 315, 330, 332, 333, 335, 339, 340, 347, 351, 376 Fermat, Samuel (1630–1690), 246 Ferrari, Lodovico (1522–1565), 180 Fibonacci (um 1170–1240), 49, 92, 134, 174–177 Finkel, Irving, 13, 46 Fourier, Joseph (1768–1830), 425, 478 Fowler, D. H., 58 ´ Foy, Maximilien Sbastien (1775–1825), 424 Fraunhofer, Joseph von (1787–1826), 485 Frei, G¨ unther (* 1942), 399 Fr´enicle, Bernard (ca. 1605–1675), 203, 205, 209, 212–214, 216, 218, 221, 229–231, 243–246, 282, 315, 557 Friberg, J¨ oran (* 1934), 15, 19, 21, 25, 30, 32, 33, 37, 39, 50, 51, 61–63, 76, 113 Frobenius, Ferdinand Georg (1849–1917), 391, 537 Furtw¨ angler, Philipp (1869–1940), 462 Furuta, Yoshiomi, 391 Fuß, Paul Heinrich (1798–1855), 271, 493 Galilei, Galileo (1564–1642), 104, 182, 185, 323 Galle, Johann Gottfried (1812–1910), 422 ´ Galois, Evariste (1811–1832), 378, 391, 469 Gandz, Solomon (1883–1954), 37 Gauß, Carl-Friedrich (1777–1855), 361–413, 421, 427, 431, 432, 435, 440, 443, 452, 509, 535 Gebhardt, Martin, 18 Gemma Frisius (1508–1555), 180

670 Gensfleisch, Johann, siehe Gutenberg Gerard von Cremona, 174 Gericke, Helmuth (1909–2007), 33, 116 Gerling, Christian Ludwig (1788–1864), 394 Germain, Sophie (1776–1831), 365, 375, 401–403, 424, 479, 536 Gershon, Levi ben (1288–1344), 176 von Gerstenbergk, Heinrich (1814–1887), 50 Gilgamesch, 7 Gilllings, Richard J., 30 Goldbach, Christian (1690–1764), 243, 271–272, 275, 277, 279, 281, 282, 288, 291, 296, 303, 304, 318, 377 Goldstein, Bernard Raphael (* 1938), 30 Goldstein, Catherine (* 1958), 362, 372 Gr¨oger, Detlef, 408 Gray, Jeremy (* 1947), 391, 528 Gregory, James (1638–1675), 323 Grimm, Wilhelm (1786–1859), 370 Gr¨otschel, Iris, 466 Grosseteste (ca. 1175–1253), 177 Grotefend, Georg Friedrich (1775–1853), 13, 420 Grunert, Johann August (1797–1872), 379 Gruson, Johann Philipp (1768–1857), 396, 488 Gsell, Katharina (1707–1773), 275 Guitel, Genevi`eve (1895–1982), 19 Guo, Shuchun (* 1941), 65, 128 Gutenberg, Johannes (um 1400–1468), 178 Hackley, Charles William, 379 Hadrian, Publius Aelius (76–138), 108

Namensverzeichnis Halcke, Paul (1662–1731), 253 Halley, Edmond (1656–1741), 271 Hamilton, William Rowan (1805–1865), 398, 506, 508 Hammurabi (1800 v. Chr.), 4, 8, 15 Hankel, Hermann (1839–1873), 105, 109, 123 Hansteen, Christopher (1784–1873), 467 Harding, Ludwig (1765–1834), 368 Hasse, Helmut (1898–1979), 462, 535 Heath, Thomas (1861–1940), 94, 106 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich (1770–1831), 467 Heiberg, Johan Ludvig (1854–1928), 52 Heins, Valentin (1637–1704), 253, 362 Heinsius, Gottfried Hienrich (1709–1769), 275 Henderson, Thomas (1798–1844), 485 Henriksson, G¨ oran (* 1953) , 43 Hensel, Fanny (1805–1847), 430, 483 Hermann, Jacob (1678–1733), 274 Hermelink, Heinrich (1920–1978), 161 Hermite, Charles (1822–1901), 304, 310, 486, 532, 540 Herodot (um 490–430), 10, 71 Heron von Alexandria (ca. 1. Jh. n. Chr.), 71, 77, 106, 110, 116 Herschel, William (1738–1822), 323 Hertz, Heinrich (1857–1894), 421 Hesiod (um 700 v. Chr.), 71 Hesse, Ludwig Otto (1811–1874), 480 Hilbert, David (1862–1943), 118 Hincks, Edward (1792–1886), 13

Namensverzeichnis Hindenburg, Carl Friedrich (1741–1808), 377 Hipparch (um 190–120), 71 Hippasos (6.–5. Jh.), 77, 78 Hippokrates von Chios (5. Jh. v. Chr.), 71, 78 Hirst, Thomas Archer (1830–1892), 488 Hoffmann, Peter (*1924), 272 Hofmann, Joseph Ehrenfried (1900–1973), 235, 241 Hoh, Theodor (1828–1888), 463 Holmboe, Bernt Michael (1795–1850), 466, 471, 498 Homer, 8.–7. Jh. v. Chr., 42, 46, 52, 70, 71 Hoppe, Edmund (1854–1928), 107 L’Hˆopital, Guillaume Fran¸cois Antoine, Marquis de (1661–1704), 268, 269, 325 Høyrup, Jens (* 1943), 130 Høyrup, Jens (* 1943), 15, 17, 19, 23, 26, 35, 76 Hrotsvitha (935–973), 172 Huber, Peter, 30 Huguenin, Ulrich v. (1755–1833), 396 Hultsch, Friedrich (1833–1906), 118 Humboldt, Alexander von (1769–1859), 420, 422, 425, 427, 431, 462, 481, 508, 509, 512, 515–519 Humboldt, Wilhelm von (1767–1835), 418, 462 Hutton, Charles (1737–1823), 303 Huygens, Christiaan (1629–1695), 210, 217, 236, 243, 253 Hypatia (um 355–415), 117, 126 Hypsikles von Alexandria, 2. Jh. v. Chr., 71 Iamblichos (um 240–320), 71, 73, 77, 147, 154

671 Ibn al-Banna al-Marrakuschi (1256–1321), 152–154 ibn Hayyan, Abu Musa Dschabir (8. Jh.), 161 ibn Labban, Kushyar (ca. 971–1029), 147, 149 ibn Luqa, Qusta (ca. 820–912), 156 ibn Qurra, Abu l-Hasan Thabit (826–901), 153, 174 ibn Sina, Abu Ali al-Husain ibn Abd Allah (ca. 980–1037), 144, 149, 152, 157 Imhausen, Annette (* 1970), 58, 61 Itard, Jean (1902–1979), 88, 94, 218, 236, 239 Jacob, Simon (1510–1564), 255 Jacobi, Carl Gustav Jakob (1804–1851), 271, 287, 305, 337, 370, 371, 408, 412, 420, 428, 431, 435, 441, 448, 466, 472–495, 508, 511, 517, 518, 524, 527, 532, 537 Jacobi, Moritz (1801–1874), 483 Jaydeva, Acarya (11. Jh.), 136 Jestin, Raymond, 19 Jia Xian (um 1010–1070), 128 Johannes von Palermo (13. Jh.), 175 Jordan, Camille (1838–1922), 391 Josephus, Flavius, 1. Jh. n. Chr.), 50 Jumeaux, Andr´e de Sainte-Croix (17. Jh.), 218, 220, 223, 236, 244 Jungius, Joachim (1587–1657), 253 Juschkewitsch, Adolf Pawlowitsch (1906–1993), 271 K¨astner, Abraham Gotthelf (1719–1800), 363, 366 Kalm´ ar, L´aszl´ o (1905–1976), 100

672 Kant, Immanuel (1724–1804), 477 Katyayana (ca. 300 v. Chr.), 138 Kausler, Christian Friedrich (1760–1825), 189, 339, 357 Kepler, Johannes (1571–1630), 181, 185 Kersey, John (1616 – ca. 1690), 249 Khayyam, Omar (1048–1131), 143, 144 Kircher, Athanasius (1602–1680), 181 Kleinert, Andreas, 181 Klemp, Dieter, 44 Kleomedes (1./2. Jh.), 72 Kl¨ ugel (1739–1812), 379 Knorr, Wilbur (1945–1997), 106 Knuth, Donald (*1938), 23 Koenigsberger, Leo (1837–1921), 473, 475, 478, 480, 502 Kopernikus, Nikolaus (1473–1543), 181 Kramer, August (1817–1885), 440 Kramer, Samuel Noah (1897–1990), 4, 14 Kramp, Christian (1760–1826), 297, 379 Kronecker, Leopold (1823–1891), 280, 378, 391, 434, 455, 460, 461, 466, 472, 502, 527, 529, 530 Krushchev, S., 304 Kummer, Ernst Eduard (1810–1893), 372, 378, 391, 461, 466, 481, 511, 513, 517, 530, 534 Kvanvig, Helge (* 1948), 52 Lacroix, Sylvestre Fran¸cois de (1765–1843), 424 Lagrange, Joseph Louis (1736–1812), 223, 282, 285, 309, 317, 330–336, 351, 366, 382, 383, 386, 391, 392, 399,

Namensverzeichnis 403, 412, 434, 481, 504, 513, 535, 538, 593 Lalande, Joseph J´erome (1732–1807), 329, 368 Lam, LayYong (* 1936), 65 Lambert, Johann Heinrich (1728–1777), 264, 265, 304, 307–318, 323, 377, 409 Lambert, Maurice, 19 Lam´e, Gabriel (1795–1870), 428, 433 Landauer, Rudolf, 123 Laplace, Pierre-Simon (1949–1827), 337 Lavoisier, Antoine Laurent de (1743–1794), 330 Law, Narenda Nath, 132 Le Lasseur, Henri (1821–1894), 316 Lebesgue, Victor-Am´ed´ee (1791–1875), 346, 378–380, 431, 434, 435, 518, 536 Legendre, Adrien-Marie (1752–1833), 297, 337–358, 366, 368, 370, 372, 376, 377, 383, 391, 396, 409, 424, 433, 434, 442, 456, 466, 492, 513, 527, 593 Legendre, Louis (1752–1797), 339 Lehmann, Johannes (1922–1995), 58 Leibniz, Gottfried Wilhelm (1646–1716), 229, 264–267, 271 Leiste, Christian (1738–1815), 364 Lemmermeyer, Franz (* 1962), 34, 513 Lenstra, Hendrik (* 1949), 51 Leonardo von Pisa siehe Fibonacci, 174 Leslie, John (1766–1819), 358 Lessing, Gotthold Ephraim (1729–1781), 51, 295 Leurochon, Jean (1591–1670), 192

Namensverzeichnis Leyborn, Thomas (ca. 1769–1840), 396 Libri, Guglielmo (1803–1869), 206, 379, 440–441, 463, 467, 497, 535, 536 Lindemann, Ferdinand (1852–1939), 304 Liouville, Joseph (1809–1882), 310, 420, 428, 441, 469, 497, 528 Liu Hui (ca. 220–280), 66 Liu Hui (um 220–280), 65, 128 Lobatschewski, Nikolai Iwanowitsch (1792–1856), 363 ´ Lucas, Edouard (1842–1891), 203 L¨ uneburg, Heinz (1935–2009), 94, 174 L¨ utzen, Jesper (* 1951), 428 M¨ uller, Felix (1843–1928), 530 Mahavira (9. Jh.), 133 Mahoney, Michael (1939–2008), 237 Mallowan, Max (1904–1978), 15 Malsch, Fritz, 123 Manetho (3. Jh. v. Chr.), 51 Mansfield, Daniel, 30 Marie, Joseph-Fran¸cois (1738–1801), 342 Marius, Simon (1573–1625), 69, 170, 182 Martineau, Harriet (1802–1876), 507 Maser, Hermann (1856–1902), 339, 376 Matzka, Wilhelm (1798–1891), 379 Maupertuis, Pierre Louis Moreau de (1698–1759), 322 Maxwell, James Clerk (1831–1879), 421 Mayer, Johann Tobias (1752–1830), 323

673 M´echain, Pierre (1744–1804), 323, 368 Meißner, Heinrich (1643–1716), 253 Melville, Duncan J., 17 Menaechmos (380–320), 91 Menelaos (um 50–120), 71 Mersenne, Marin (1588–1648), 202–205, 218 Mertens, Franz (1849–1927), 448 Meslier, Jean (1664–1729), 265 Minding, Ferdinand (1805–1885), 379 Minkowski, Hermann (1864–1909), 356, 453, 462 Misrachi, Elia (1455–1526), 127 Molk, Jules (1857–1914), 239 ´ Montucla, Jean-Etienne (1725–1799), 50 Moschopoulos, M. (ca. 14. Jh., 162 Moth, Franz (1802–1879), 379 Muroi, Kazuo, 20, 25, 30 Narayana Pandit (ca. 1325–1400), 132, 161 Nasimoff, P. S., 456 Natani, Leopold (1819–1905), 532 Nebukadnezar II, 6. Jahdt. v. Chr., 4, 9, 10, 56 Nemet-Nejat, Karen, 51 Nemorarius, Jordanus (13. Jh.), 176, 197, 198 Nesselmann, Ferdinand (1811–1881), 51, 91, 158 Neugebauer, Otto (1899–1990), 15, 23, 25, 26, 28, 37 Neumann, Franz (1798–1895), 479 Neumann, Olaf (1938–2017), 275, 383 Newton, Isaac (1643–1727), 169, 258–261, 264–266, 271, 274, 298, 303, 322, 323 Niebuhr, Carsten (1733–1815), 13, 420

674 Nikomachos (1./2. Jh.), 48, 71, 78–82, 106, 153, 154, 161, 171 Nikomedes (um 280–210), 71, 397 Ninnemann, Olaf, 161 Noether, Emmy (1882–1935), 391 Oaks, Jeffrey, 117 O’Connell, Daniel (1775–1847), 506 Ohm, Georg Simon (1789–1854), 477 Ohm, Martin (1792–1872), 477 Oinopides von Chios (5. Jh. v. Chr.), 71 Olbers, Heinrich Wilhelm (1758–1840), 368 Oostwoud, Jacob (1714–1784), 253 Oppert, Jules (1825–1905), 13 Orwell, George (1903–1950), 243 Osiander, Andreas (1498–1552), 181 Ossendrijver, Mathieu, 39, 56 Osthoff, Johanna (1780–1809), 365 Ozanam, Jacques (1640–1718), 192, 246–248, 250, 256, 262, 276 Pacioli, Luca (1447–1517), 192 Pappos (4. Jh. n. Chr.), 71 Pascal, Blaise (1623–1662), 225, 237, 241, 253, 325 Paucker, Magnus Georg (1787–1855), 397 Peet, Thomas Eric (1882–1034), 49 Peletier, Jacques (1517–1582), 185 Pell, John (1611–1685), 332 Pengelley, David, 98 P´epin, Th´eophile (1826–1904), 355, 391 Pepys, Samuel (1633–1703), 227 Peterson, Jeremiah, 3, 41, 47

Namensverzeichnis Peurbach, Georg von (1423–1461), 185 Pfaff, Johann Friedrich (1765–1825), 363, 367 Pfaff, Johann Wilhelm Andreas (1774–1835), 397 Pheru, Thakkar (13. Jh.), 161 Philolaos (um 470 – 399), 78 Piazzi, Giuseppe (1746–1826), 368 Pichot, Andr´e (* 1950), 48 Picutti, Ettore, 200 Pieper, Herbert (1943–2008), 420, 473, 478, 487, 511, 513 Pingala (va. 400 v. Chr.), 131 Planudes, Maximos (1260–1305), 127 Platon (ca. 428–348), 71, 78, 83, 124 Plimpton, George (1855–1936), 28 Plofker, Kim, 56 Plutarch (45–125), 76 P¨orschke, Karl Ludwig (1752–1812), 477 Poisson, Sim´eon Denis (1781–1840), 425, 479 Poullet-Delisle, Antoine Charles Marcel (1778–1849), 375 Prestet, Jean (1648–1690), 243, 262, 268 Proklos (412–485), 83, 125 Proust, Christine, 17 Psellos, Michael (ca. 1018–1078), 126, 184 Ptolem¨ aus, Claudius (2. Jh.), 18, 56, 71, 174, 180, 185 Pythagoras (um 570–519), 42, 46, 70, 73, 124, 154 Quin Jiu-Shao (1202–1261), 128 Qusta ibn Luqa (820–912), 142 Radbruch, Knut (* 1936), 91 Radolf (11. Jh.), 172 Ragimbold (11. Jh.), 172

Namensverzeichnis Rahn, Johann Heinrich (1622–1676), 289 Ramus, Petrus (1515–1572), 182, 185, 186 Rappengl¨ uck, Michael, 42 Rashed, Roshdi (* 1936), 117, 189 Rawlinson, Henry 81810–1895), 13, 420 Regiomontanus (1436–1476), 182, 185, 187 Rehm, Albert (1871–1949), 56 Reich, Karin (* 1941), 185, 190, 194, 362, 382, 467 Remer, Christian Stephan (gest. 1745), 362 Reznick, Bruce, 358 Riccioli, Giovanni Battista (1598–1671), 181 Richman, Fred, 98 Riemann, Bernhard (1826–1866), 512 Ries, Adam (1492–1559), 179 Ritter, Jim, 23 Roberval, Gilles de (1602–1675), 211, 215, 218, 240 Robson, Eleanor (* 1969), 15, 23, 30 Rømer, Ole (1644–1710), 253, 310 Rohrbach, Hans (1903–1993), 462 Rommevaux, Sabine, 98 Roquette, P. (1927–2023), 467 Rosenhain, Johann Georg (1816–1887), 487, 518 Ross, Drew M., 87 Rouse Ball, Walter William (1850–1925), 537 Rowe, David (* 1950), 76, 436 Rudio, Ferdinand (1856–1929), 275 Russell, Bertrand (1872–1970), 91 Sargon I. (2300 v. Chr.), 7, 46 Sarrus, Pierre Fr´ed´eric (1798–1861), 315 Sarton, Georg (1884–1956), 58

675 Saunderson, Nicholas (1682–1739), 249–251 Schaewen, Paul von, 246 Schafgotsch, Franz Ernst (1743–1809), 317, 357 Schappacher, Norbert (* 1950), 106, 127, 362, 372, 503 Scheffler, Hermann (1820–1903), 379, 526 Schellbach, Karl Heinrich (1805–1892), 504, 508, 529 Schenk, Siegfried, 123 Schering, Ernst Christian Julius (1833–1897), 382 Scheubel, Johannes (1494–1570), 185 Schickard, Wilhelm (1592–1635), 251, 252 Schl¨ afli, Ludwig (1814–1895), 439, 483 Schlesinger, Ludwig (1864–1933), 292 Sch¨ onemann, Theodor (1812–1868), 399, 437, 470, 480 Scholz, Arnold (1904–1942), 437 van Schooten, Frans (1615–1660), 209, 238, 243 Schreiber, Peter (* 1938), 91 Schulz, Otto (1782–1849), 106, 117, 189 Schumacher, Heinrich Christian (1780–1850), 466, 486 Schumacher, Johann Daniel (1690–1761), 272 Schweins, Ferdinand (1780–1856), 481 Schwermer, Joachim (* 1950), 362, 372 Scriba, Christoph (1929–2013), 160 Sczech, Robert, 502 Sebokht, Severus (ca. 575–667), 147

676 von Segner, Johann Andreas (1704–1777), 264 Seidenberg, Abraham (1916–1988), 65 Seidlmayer, Stephan (* 1957), 23 Selenius, Clas-Olaf (1922–1991), 136 Serret, Joseph Alfred (1819–1885), 399 Sesiano, Jacques, 106, 143, 156, 158, 161, 189 Seume, Johann Gottfried (1763–1810), 429 Shakespeare, William (1564–1616), 482 Silvester II. (950–1003), 173 ˇ Simerka, Vaclav (1819–1887), 316, 355, 391 Smith, George (1831–1895), 420 Smith, Henry John Stephen (1826–1883), 432, 537 Snel, Willebrord (1580–1626), 180 Sohncke, Ludwig Adolf (1807–1853), 379, 479 Sokrates (469–399), 71, 84–86 Solla Price, Derek John de, 30 Solon (um 640–560), 70 Somayaji, Nilakantha (1444–1544), 133 Sonar, Thomas (* 1958), 39, 266 Sophokles (ca. 497–406), 84 Speiser, Andreas (1885–1970), 391 Sripati (1019–1061), 131 Stedall, Jacqueline (1950–2014), 208 Steele, John, 72 Steiner, Jacob (1796–1863), 474, 481, 483 Stern, Moritz (1807–1894), 436, 503, 509, 525, 536 Stevin, Simon (1548–1620), 104 Stickelberger, Ludwig (1850–1936), 466, 526 Stirling, James (1692–1770), 456

Namensverzeichnis Strabbe, Arnoldus Bastiaan (1741–1805), 253 Strachey, Edward (1774–1832), 463 Struve, Friedrich Georg Wilhelm (1793–1864), 485 Struve, Jacob (1755–1841), 51 Stubhaug, Arild (* 1948), 466, 467 Sun Tzu (3./4. Jh.), 128, 129 Sunzi, siehe Sun Tzu Svensen, Peter Nikolaus, 255 Swetz, Frank J. (* 1937), 65, 161 Sylvester, James Joseph (1814–1897), 523, 538 Szab´o, Arp´ ad (1913–2001), 88 Taisbak, Christian Marinus, 98 Tannery, Jules (1848–1910), 428 Tannery, Paul (1843–1904), 106, 117 Tartaglia, Niccol`o Fontana (1499–1557), 180, 201 Tattersall, James, 250 Taylor, John (†1821), 463 Taylor, John (um 1777–1857), 506 Taylor, Jonathan, 46 Tertullian (ca. 150–220), 143 Thales (ca. 524–546), 42, 46, 56, 70–72 Theaetet (um 415–369), 71, 78, 87 Theodoros (um 460–399), 71, 78, 87 Theodosius (347–394), 71 Theon von Alexandria (um 330-400), 106, 117 Theon von Smyrna (1./2. Jh.), 71, 90 Timerding, Heinrich Emil (1873–1945), 418 Tortolini, Barnaba (1808–1874), 483 Turner, E. G., 58 Ulugh Beg (1394–1449), 149

Namensverzeichnis Unger, Ephraim Salomon (1789–1879), 30 Unguru, Sabetai (* 1931), 76 Unicornus, Josephus (16. Jh.), 201 Vaiman, Aizik Abramovich (1922–2013), 39 della Valle, Pietro (1586–1652), 13 Varahamihira (um 505–587), 161 Varnhagen von Ense, Karl (1785–1858), 516 ver Ecke, Paul (1867–1959), 106 Verdier, Norbert, 378 le Verrier, Urbain (1811–1877), 422 Vieta (1540–1603), 169, 187, 189–191 Vitrac, Bernard, 94, 110, 117 Vitruv (ca. 75–15 v. Chr.), 124 Vogel, Kurt (1888–1985), 12, 15, 25, 58, 62, 65, 125 Vogt, Heinrich (1850–1935), 63 Voltaire (1694–1778), 265, 268 Vossius, Gerhard Johannes (1577–1649), 105 Waldeck, Minna (1788–1831), 362, 369 Wallis, John (1616–1703), 208, 212, 226, 227, 232, 236, 238, 240, 249, 259, 296 Wantzel, Pierre (1814–1848), 398 Waring, Edward (1736–1798), 486 Warning, Ewald (1910–1999), 536 Waschkies, Hans-Joachim (1939–2014), 19 Weber, Heinrich (1842–1913), 466 Weber, Wilhelm (1804–1891), 421 Weierstraß, Karl (1815–1897), 502 Weil, Andr´e (1906–1998), 234, 237, 241, 502, 529, 530, 532, 535

677 Wertheim, Gustav (1843–1902), 51, 106, 113, 127, 189, 200 Westerberg, J., 316 Wildberger, Norman, 30 Williams, Kenneth, 526 Winogradow, Iwan Matwejewitsch (1891–1983), 376 Winter, Eduard, 271 Witting, Alexander (1861–1946), 18 Woepke, Franz (1826–1864), 518 Wolf, Rudolf (1816–1893), 441, 477 Wolff, Abraham (1710–1795), 295 Wußing, Hans (1927–2011), 391 Xenokrates (ca. 395–314), 73 Xenophan (um 427–354), 46 Xylander, Wilhelm (1532–1576), 106, 182, 186, 187, 194 Yang Hui (1238–1298), 128, 129 Yazdi, Muhammad Baqir (16. Jh.), 153–155 Yi Xing (683– 727), 128 Yuste, Piedad, 15, 33, 113 Zach, Franz Xaver von (1754–1832), 368 Zeitz, Hermann (1870–1933), 346 Zenon von Elea (um 490–430), 71 Zhang Qiujian (um 430–490), 128, 129 Zhmud, Leonid (* 1956), 75 Zhu Shi-je (1249–1314), 128 Zimmermann, Eberhard August Wilhelm von (1743–1815), 367, 383 Zolotarev, Jegor (1847–1878), 502 Zu Chongzhi (429–500), 128

Quellenverzeichnis Almagest, 56, 120 AO 17264, 37 AO 3448, 20 AO 6484, 26 Arithmetik Nikomachos, 48 Arithmetika, 76, 108, 120, 127, 156, 157, 187 Ars Magna, 180 Aryabhatiya, 131, 133, 134 BM 15285, 31 BM 29371, 72 BM 34798, 46 BM 33333b, 47 BM 47361, 57 BM 62788, 70 Brahmasphutasiddhanta, 131 Buch der V¨ogel, 129 CBS 6060, 77 Chang Chiu Suan-Ching, 129 Chiu Chang Suan Shu, 128 De architectura, 124 Disquisitiones Arithmeticae, 362, 424, 428, 437, 438, 449, 456, 458, 470, 475–477, 513, 520, 535 Elemente, 90, 92, 93, 143, 174 Buch II, 110, 143 Buch IX, 83, 101, 157 Buch VII, 95 Buch VIII, 94 Buch X, 104 Erm 15189, 39 Flos, 175 IM 58045, 34 Ist S 428, 25 Kuttakadhyaya, 131

Liber Abaci, 49, 174 Liber Quadratorum, 175 Lilavati, 132, 135, 141 Metrika, 110 MS 2317, 21 MS 3049, 32 MS 34186, 48 MS 3971, 30 M 7857, 50 M 8613, 50 Neun B¨ ucher, 65 Papyrus Heidelberg 663, 61, 63 Papyrus Kairo, 51 Papyrus Rhind, 49, 51, 62 Plimpton 322, 26 Practica Geometriae, 92, 174 Propositiones ad acuendos juvenes, 169 Sindhind, 143 Suda, 117 Sulbasutra, 63 Sun Tzu Suan Ching, 129 TMS 1, 32 TMS 23, 37 Tractatus, 278, 285 TSS 50, 16, 18, 19 UET 5 121, 20 VA 5953, 1 VAT 7351, 33 VAT 8917, 77 VAT 9555, 77 YBC YBC YBC YBC

10529, 20 4652, 62 6295, 26 7289, 21, 38

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Sachverzeichnis Abakus, 73, 173 Aberration, 323 Achterprobe, 152 Aff¨are Delpoy, 209 Akkadisch, 46 Akusmatiker, 77 Algol, 57 Almagest, 174 Alphabet, 70, 110 American Mathematical Society, 255 Anthyphairese, 89 Antikythera Mechanismus, 56 Aqua Appia, 121 Aristoteles Lehre, 170, 177, 185, 187 Astronomie a¨gyptische, 57 babylonische, 56 chald¨aische, 51 chinesische, 129 indische, 132 islamische, 143 persische, 122 babylonische Tripel, 36, 40, 175, 197, 221 Bernoullizahlen, 497 Bhavana, 135 Bibel, 13 Brahmaguptas Lemma, 135 Brahmi-Schrift, 70 Byblos-Schrift, 70 Cissoide, 397 Conchoide, 397 Dezimalsystem, 130, 142, 145, 149 Diagonalzahlen, 90 Dionysien, 84 Diophant

negative Zahlen, 115 Symbolik, 109 diophantische Gleichung 2x4 − y 4 = z 2 , 335 Ax2 = z 2 − By 2 , 334 N = Δ + Δ + Δ, 456 N x2 + 1 = y 2 , 135, 226, 289, 332 n = 2y 2 − 1, n2 = 2z 2 − 1, 213 x2 + y 2 = 2z 2 , 36 x2 + y 2 = z 2 , 36, 83, 138 x2 − y 2 = y 2 − z 2 , 176 x3 + y 3 = z 3 , 220 x4 + y 4 = z 4 , 220 x4 − y 4 = z 2 , 335 xy(x + y) = a, 291 xyz(x + y + z) = a, 290 y 2 + 2 = x3 , 115, 197, 213 y 2 + 4 = x3 , 213 lineare, 133, 176, 192, 287 diophantische Gleichungen, 76, 160, 175, 187, 190, 206, 229, 266, 268–270, 282, 287, 290 Dirichletcharakter, 525 Dirichletsche L-Reihen, 525 Dodekaeder, 77 Doppelgleichungen, 241 Dreiecke in Zahlen, 83, 114, 138 Dreieckszahl, 80, 318 Drichletsche Massenformel, 450 Eisenstein-Summen, 526 Eisensteinreihen, 532 Elferprobe, 152 elliptische Funktionen, 292, 364, 400, 411, 456, 470, 486, 502, 512, 524, 526, 527, 529, 532 elliptische Integrale, 271, 305, 337, 470, 492 Additionsformel, 494 Etrusker, 70

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682 euklidischer Algorithmus, 88, 94, 95, 98, 116, 128, 134, 194, 234 Euklids Lemma, 100, 103, 363 Euler-Ziegel, 251, 256 Eulers Trick, 444, 445 Eulersche Konstante, 457 Eulersche Produktformel, 443 Eulerscher Ziegel, 251 Eulersches Kriterium, 217 Faktorisierung, 21, 25 Faktorisierungsalgorithmus, 23, 25, 39 Fekete-Polynom, 447 Feldmesserformel, 16 Feldmessung, 123 Fermatgleichung Exponent 14, 434 Exponent 5, 424, 432 Exponent 7, 428 kubische, 213 Fermats kleiner Satz, 283, 363 Fermatsche Primzahlen, 213 Fermatsche Vermutung, 497, 498 Fermatzahl, 277 figurierte Zahlen, 80 Folge geometrische, 93, 153 Franz¨osische Revolution, 324 Fulbe, 49 Gaußsche Perioden, 398 Gaußsche Summen, 447, 477, 491, 496, 524 quadratische, 451 Vorzeichen, 400, 401, 405, 439, 440, 442 geometrische Reihen, 94 Gilgamesch-Epos, 13 Gitterpunkte im Kreis, 355 goldener Lehrsatz, 366 Goseck, 43 Griechenland, 69

Sachverzeichnis Gr¨oßen aussprechbare, 105 unaussprechbare, 174 Halbsystem, 405 Hambacher Fest, 420 Harpedonapten, 64 Haus der Weisheit, 143 Helios, 51 Herden des Nanna, 45 Hieroglyphen a¨gyptische, 58, 59 kretische, 58 Himmelsscheibe, 43 Hundert V¨ ogel, 129, 170 Hyperdeterminanten, 540 hypergeometrische Reihe, 486 Invariantentheorie, 523 Ischtar-Tor, 10 Jacobi-Summen, 477, 491, 524, 525 Kasten (Indien), 130 Kegelschnitte, 259 Keilschrift, 4, 11, 12 Kettenbruch, 350 Klassenzahl Kongruenz, 497 Klassenzahlformel, 428, 443, 448, 449, 451, 453, 455, 523, 525, 529 Klepsydra, 72 kommensurabel, 105 Kongruenz, 377 Kopfzahl, 17 Kreisgrabenanlage, 43 Lambertsche Reihe, 456 Lascaux, 42 Legende Schachspiel, 50 Legendresymbol, 382, 405, 407 Leichengeld, 364 Lemniskate, 305, 470

Sachverzeichnis Lemniskatenteilung, 412, 471, 477, 532 Letzter Eintrag Tagebuch Gauß, 412 Linear A, 58 Linear B, 58 Logistik, 73, 74, 88, 93, 106 London Mathematical Society, 255 magische Quadrate, 132, 161, 210, 215, 562, 593 Mahavedi, 64 Mathematiker, 77 Megalithen, 44 Menon Dialog, 87 Meridian, 322, 324 Merton-Regel, 39 Mesopotamien, 42 metrisches System, 323 Mittel arithmetisches, 81 geometrisches, 81 harmonisches, 81 Modularit¨atssatz, 280 Multiplikation ¨ Agypter, 60, 61 Babylonier, 17 Multiplikationstabellen, 48 Multiplikatoren, 385 verbundene, 383, 385 Nanna, 51 Naukratis, 46 Neujahrsfest, 10 Neunerprobe, 150, 152 Orion, 42 Pascalsches Dreieck, 129 Pellsche Gleichung, 130, 234, 288, 289, 330–331 polynomiale, 472 Peloponnesischer Krieg, 85 Pentagonalzahlensatz, 486, 493 Ph¨onizier, 70 Plejaden, 42

683 Polygonalzahlen, 106 Potenzreste biquadratische, 287 kubische, 287 Primfaktorzerlegung, 23, 131, 132, 142 eindeutige, 100, 103, 155 Primitivwurzel, 374, 377 Primzahl, 94 Fermatsche, 213, 236, 237, 277, 394 Proportion von Zahlen, 94 Pyramiden von Gizeh, 44 Pythagoreer, 77, 83, 160, 200 pythagoreische Tripel, 28, 61, 83, 118, 139, 157, 175, 221, 261, 290 quadratische Formen Komposition, 352 Reduktion, 332, 333, 481 Quadratverdopplung, 87, 138 Quadratzahlen, 80 Quaterionen, 506 Rechensteine, 73 Rechentisch von Salamis, 73 rechtwinklige Dreiecke in Zahlen, 30, 32, 36, 45, 130, 175, 190, 235, 239, 243, 262 Reihe Leibnizsche, 297 Reziproke, 17 Reziprozit¨ atsgesetz, 279, 526 biquadratisches, 533, 534 Eisensteinsches, 527 kubisches, 524 oktisches, 534 quadratiisches, 524 quadratisches, 280, 336, 342, 380–382, 384, 390, 392, 398–400, 405, 440, 524, 533, 536 Polynome, 399

684 Rinderproblem, 51 Ring of Brodgar, 44 Rithmimachia, 172, 201 Rosetta, 59 Samos Tunnel von, 71 Satz arithmetische Progression, 297 des Pythagoras, 30–32, 61, 78 kleiner Fermatscher, 214, 278 Polygonalzahlen, 225, 545 Pythagoras, 84, 128, 138 Summe von 4 Quadraten, 223, 277 von Wilson, 317, 432 Schachspiel, 47 Schubfachprinzip, 453 Seilspanner, 44, 64 Seitenzahlen, 90 Sekantenmethode, 261 Selena, 52 Seleukia, 11 Seleukiden, 15 Sexagesimalsystem, 18 Sieb des Eratosthenes, 79, 363 Siebenerprobe, 152 Siebzehneck, 396, 398 Sintflut, 13, 14 Sophisten, 86 Stonehenge, 43, 44 Sumerisch, 14 Summe von drei Quadraten, 268, 347 von Quadraten, 114 von vier Quadraten, 223, 331 von zwei Quadraten, 222 Tafelhaus, 14 Teilbarkeitsregeln, 23, 150 teilerfremd, 94 theorema aureum, 366 Trapez, 22, 33, 34 Trapezteilung, 34, 35, 63, 92 Tripelproduktsatz, 492, 495 Tunnel von Samos, 74, 77

Sachverzeichnis unendlicher Abstieg, 101, 194, 211, 282 Venus vom Hohlefels, 42 Venusdurchgang, 322 Verdoppelungsformel, 198 Verdopplung des Quadrats, 31, 78, 84, 125 des W¨ urfels, 71 Vermutung Catalan, 176 Fermat-Zahlen, 205, 216 Fermatsche, 236, 240 Vier-Quadrate-Satz, 331 Vierquadratesatz, 493 Vierzahlensatz, 97, 99, 103, 247, 592 Vieta-Jumping, 292 Vinˇca-Kultur, 44 Wechselwegnahme, 88, 89 Quadrat, 90 Winkeldreiteilung, 398 Wolf, Johann Rudolf (1816–1893), 474 W¨ urfelverdopplung, 71, 398 Zahlen abundante, 82, 153, 172 befreundete, 82, 154, 155, 160, 210, 557 defiziente, 82, 153 ebene, 94 figurierte, 205 gleichgewichtige, 155 irregul¨ are, 17 kongruente, 157, 175 regul¨ are, 17 vollkommene, 82, 127, 153–155, 160, 172, 200, 202, 203, 206, 213 ungerade, 202 Zetafunktion Dedekindsche, 525 Zweiquadratesatz, 222, 282, 493