Zwischen Synoptikern und Gnosis - ein viertes Evangelium: Studien zum Johannesevangelium und zur Gnosis
 9783666593666, 9783525593660

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Novum Testamentum et Orbis Antiquus / Studien zur Umwelt des Neuen Testaments

In Verbindung mit der Stiftung „Bibel und Orient“ der Universität Fribourg/Schweiz herausgegeben von Martin Ebner (Bonn), Max Küchler (Fribourg), Peter Lampe (Heidelberg), Stefan Schreiber (Augsburg), Gerd Theißen (Heidelberg) und Jürgen Zangenberg (Leiden) Band 108

Vandenhoeck & Ruprecht

Roland Bergmeier

Zwischen Synoptikern und Gnosis – ein viertes Evangelium Studien zum Johannesevangelium und zur Gnosis

Vandenhoeck & Ruprecht

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-525-59366-0 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de n 2015, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/ Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A. www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Satz: Konrad Triltsch Print und digitale Medien GmbH, Ochsenfurt Druck und Bindung: Hubert & Co, Göttingen Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gnosis und Neues Testament . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Die Gegner in den Pastoralbriefen . . . . . . . . . . . . 1.1.1 Zur Vorstellung von einer frühjüdischen Gnosis . Exkurs zu J. Lahe, Gnosis und Judentum . . . . . . . . 1.1.2 „Jüdische Fabeleien“ und die Fabeleien von einer jüdischen Gnosis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die „Gnosis“ der Gegner in den Pastoralbriefen . . . . 1.3 Fremdbestimmte Deutungen der Gegner . . . . . . . . 1.4 Wurzeln des Gegnerbildes in den Pastoralbriefen . . . . 2. Johannesevangelium und Gnosis . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Gnosisnähe und Dualismus . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Sackgasse einer vermeintlichen Alternative . . . . . . . 2.3 Fragen zu den Quellen des Johannesevangeliums . . . . 2.4 Von der Gnosis zu den Synoptikern . . . . . . . . . . . 3. Die Rede vom „Kommen zu Jesus“ . . . . . . . . . . . . . . 4. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bibliographie der mit Kurztitel angeführten Literatur . . . .

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II. Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema Mit einem Anhang zum Perfekt-Gebrauch im vierten Evangelium . Zusammenfassung und Ergänzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Synoptische Zeugnisse im Johannesevangelium . . . . . . . . . 2. Literarische, nicht traditionsgeschichtliche Verwandtschaft . . 3. Das Zeugnis des Johannes in 19,35 . . . . . . . . . . . . . . . . Anhang Beobachtungen zur Perfektverwendung im vierten Evangelium: Das skripturale Perfekt . . . . . . . . . . . . . . . a) Bezug auf Synoptikertexte . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bezug auf die Schriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Johannesevangelium selbst ist geschriebener Text .

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III. „Königlosigkeit“ als nachvalentinianisches Heilsprädikat . . . . . 102 1. Problemskizze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Valentinianische Heilssystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

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Inhalt

3. Vollkommenes Heil als Königlosigkeit . . . . . . . . . . . . . 4. )bas¸keutor und %maqwor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. )bas¸keutor jenseits der Demiurgen-Sphäre . . . . . . . . . . Anhang A . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu E.H. Pagels, Conflicting Versions of Valentinian Eschatology : Irenaeus’ Treatise vs. The Excerpts from Theodotus, HThR 67 (1974), 35 – 53 . . . . . . . . . . . . . . Anhang B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu E. Mühlenberg, Wieviel Erlösungen kennt der Gnostiker Herakleon?, ZNW 66 (1975), 170 – 193 . . . . . . . . . . . . . Anhang C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu neueren Arbeiten über die Fragmente des Herakleon . . . 1. Deutung von Herakleons Menschenklassen im Streit . 2. Zum Verständnis des Ausdrucks „Ort der Mitte“ . . . 3. Bibliographische Ergänzung zu den Literaturhinweisen in Anhang C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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IV. Weisheit – Dike – Lichtjungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mythos und Weisheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einzige Bleibe der Weisheit – in Israel oder nur bei den Engeln. 3. Arats Dike-Legende in jüdischer Rezeption . . . . . . . . . . . 4. Rückzug von Dike und Weisheit und das Kommen der Ungerechtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Arats Jungfrau-Dike und die gnostische Lichtjungfrau . . . . . 6. Die weisheitliche Lichtjungfrau im Manichäismus . . . . . . . . Ergänzende Literaturhinweise und Notizen . . . . . . . . . . . . . V.

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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 Namen und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160

Vorwort Im alten Streit darüber, ob „die Gnosis“ vorchristlichen Ursprungs ist, hat sich die Situation entspannt, geblieben ist aber die Frage, wie nahe sich an den zeitlichen Rändern, d. h. in den Spätschriften des NT frühes Christentum und Gnosis gekommen sein mögen, sofern es, wie manche argumentieren, Gnosis schon unabhängig von der Existenz christlicher Gemeinden gegeben habe oder auch, wie andere postulieren, in vom Christentum berührten Kreisen in statu nascendi vorauszusetzen sei. Auf diesem Hintergrund, konkret in Auseinandersetzung mit H.-F. Weiß’ umfangreicher Untersuchung „Frühes Christentum und Gnosis“, war die seit Bischof Irenäus von Lyon namengebende Stelle 1Tim 6,20 (Iren.haer. I 23,4) im Rahmen der Gegnerpolemik der Pastoralbriefe zu untersuchen, ob und inwieweit sie historisch wahrscheinlich machen kann, dass sich in der johanneischen Sprachwelt schon gnostische Bezüge spiegeln können. Unumstößlicher Ausgangs-Befund ist aber in jedem Fall, dass wir aus vor-irenäischer Zeit keine patristischen Belege dafür haben, dass man statt von Häsesie und Häretikern schon von Gnosis und Gnostikern gesprochen hätte. In Fortsetzung und Wiederaufnahme meines Einstiegs in die religionsgeschichtliche und exegetische Arbeit am Johannesevangelium, 1974 niedergelegt in meiner Heidelberger Dissertation, 1980 mit dem Titel „Glaube als Gabe nach Johannes“ publiziert, fand ich es nach verschiedenen Beobachtungen geboten, unter heute veränderten Bedingungen noch einmal der Frage nachzugehen, ob die Gnosis Schlüssel zum angemessenen Verstehen des vierten Evangeliums ist oder sein kann. An vielen Stellen hatte sich mir gezeigt, dass die Annahme johanneischer Rezeption synoptischer Texte mehr zum Verständnis beiträgt als gnostische Rundschau, abgesehen davon, dass genuin gnostische Merkmale oder auch antignostische Polemik im vierten Evangelium exegetisch nicht nachweisbar sind. Von daher bot sich dann auch an, den 2006 publizierten Aufsatz „Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema“ dem bisher unveröffentlichten ersten als zweiten Teil anzuschließen, wobei zu diesem Anlass der seinerzeit gekürzte Anhang zum Gebrauch des Perfekts im vierten Evangelium wieder erweitert und noch ergänzt werden konnte. Ein Teil dieses Perfektgebrauchs scheint keinen anderen Grund zu haben, als dass er sich aus literarischer Bezugnahme auf einen synoptischen Prätext herleitet. Diese Perfektverwendung wie auch Beispiele der Rückperspektive, die aus dem Erzählfluss des Evangeliums selbst hinausführen, sind untrügliche Kennzeichen der Abhängigkeit von den Synoptikern, die im Übrigen alle drei als literarische Vorgaben des vierten Evangeliums anzusehen sind. So weit H. Thyen und ich im Blick auf Gnosis und

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Vorwort

Literarkritik im johanneischen Feld, was meine „Studien zum religionsgeschichtlichen Ort des prädestinatianischen Dualismus in der johanneischen Literatur“, masch. Diss. Heidelberg 1974 betrifft, auseinanderlagen, so nahe sind wir uns heute in der Einschätzung der Synoptiker als „Prätexte“ des Johannesevangeliums, wie er zu sagen pflegt, gekommen. Allerdings würde ich ihm in der zur bedingungslosen Programmatik erhobenen Einschätzung nicht folgen wollen. Abhängigkeit von den Synoptikern muss immer auch philologisch nachvollziehbar ausgewiesen werden. Religionsgeschichtliche Arbeit im Umkreis johanneischer Exegese regt gelegentlich an, umstrittene Themen um ihrer selbst willen genauer zu verfolgen und zu untersuchen, auch wenn sie für die Exegese des vierten Evangeliums nicht unmittelbar etwas abwerfen. Beispiele dafür sind die Teile 3 und 4, ältere Aufsätze, die aber mit aktualisierenden Ergänzungen wiedergegeben werden. In Teil 3 geht es um die Systematik valentinianischen Erlösungsverständnisses, in dessen Kontext die Rede von „Königlosigkeit“ zu verstehen ist – bis hin zum Erkenntnisgewinn in Fragen der Altersbestimmung gnostischer Texte. Der Aufsatz beleuchtet des Weiteren ein Beispiel großer gnostischer Rezeption des Johannesevangeliums in Herakleons Johannes-Kommentar. Dabei finden wir uns mit der schier unlösbaren Aufgabe konfrontiert, erkennen und entscheiden zu müssen, ob Herakleon den von Origenes überlieferten und redigierten Fragmenten zufolge tatsächlich von unterschiedlichen „Naturen“ und Heilsstufen ausgegangen ist. Deutlich auf jeden Fall zeigt sich, wie allererst durch gnostische Rezeption der Eindruck von der johanneischen Sprache selbst ins Gnostische changiert. Teil 4 schließlich handelt von Recht und Unrecht, von einer Grundgestalt des Weisheitsmythos zu sprechen, von deren Existenz als Variante eines gnostischen Offenbarer-Mythos R. Bultmanns Johannes-Kommentar einmal ausgegangen war, insofern die Verwandtschaft des Johannes-Prologs mit der jüdischen Weisheitsspekulation darauf beruhen sollte, dass beide auf die gleiche Tradition als ihre Quelle zurückgingen: die vorchristliche Tradition eines Urmensch-ErlöserMythos. Aber was Bultmann aus unzusammenhängenden Texten über die Weisheit nach dem Vorbild von Joh 1,1 – 18 zu deren Mythos zusammengefügt hat, lässt sich als rein gedankliche Konstruktion der Forschung erweisen. Die Teile 2 – 4 wurden in den Formalien Teil 1 „Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis“ angeglichen. Die verwendeten Abkürzungen richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis von RGG4 Bd. 8, XXV – XXIX. Die Bibliographie zu Teil 1 findet sich unter 1,5, die der Teile 2 – 4 den ursprünglichen Publikationen entsprechend in den jeweiligen Fußnoten. Um Geschmack am Lesen zu finden, empfehle ich Teil 1,3 „Die Rede vom ,Kommen zu Jesus‘ “ , in dessen Zusammenhang die johanneische Gestalt des Nikodemus in vielleicht noch nie gesehener Weise als literarische Figur, gewonnen aus synoptischen „Prätexten“, wahrgenommen wird. Erst spät, so dass sie nicht mehr dargestellt werden konnte, kam mir die Erkenntnis, dass wohl auch der sog. Lieblingsjünger als eine rein literarische

Vorwort

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Figur auf synoptischer Basis zu erklären sein dürfte (s. dazu die Auslegungsskizze S. 140–143). Dem Verlag Vandenhoeck & Ruprecht danke ich, die Publikation meiner Untersuchungen ermöglicht, der Evangelischen Landeskirche in Baden, zum Druckkostenzuschuss beigetragen zu haben. Verbunden bin ich den Herausgebern von Novum Testamentum/Studien zur Umwelt des NT für die Aufnahme des Sammelbands in diese Reihe: den Herren M. Küchler und J. Zangenberg, insbesondere den Herren P. Lampe und G. Theißen, ohne deren freundliches Begleiten und Bemühen mir vielleicht doch der Atem ausgegangen wäre. Weingarten (Baden), im September 2014

Roland Bergmeier

I. Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis 1. Gnosis und Neues Testament Meine Lektüre von H.-F. Weiß’ großräumig angelegter Untersuchung „Frühes Christentum und Gnosis“ hinterließ bei mir den Eindruck, da werde zu beweisen versucht, in der Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert n. Chr. sei es schon möglich gewesen, dass Gnostiker und Christen in Kontakt kamen und miteinander kommunizierten – mit der Folge, dass es erste christliche Gnostiker gab wie z. B. die in den Pastoralbriefen bekämpften Gegner oder dass sich „gnostische Sprache“ derart verbreitete, dass sich beispielsweise der vierte Evangelist ihrer bedienen konnte. Die literarisch bezeugte Existenz jener Gegner in den Pastoralbriefen würde, so gesehen, einen chronologischen Fixpunkt in der Geschichte der Gnosis darstellen, von dem dann auch das Problem „Johannesevangelium und Gnosis“ berührt wäre, wie man im Sinn und mit Worten E. Käsemanns argumentieren könnte: „Spiegelt sich im Evangelium historisch jene Entwicklung, welche von den Schwärmern in Korinth und von 2. Tim 2,18 zum christlichen Gnostizismus führt“,1 wäre auch die Alternative entschieden, ob „Johannes gnostische Verkündigung vorbereitet oder bereits unter ihrem Einfluß steht“.2 Geht man also von Weiß’ Argumentation aus, ist auch in einer Untersuchung über die Stellung des vierten Evangeliums mit der Frage nach jenen Gegnern und ihrem Verhältnis zur Gnosis zu beginnen. Eine der Argumentationsfiguren von Weiß lautet: „So gesehen ist das Gesamtbild der gnostischen Irrlehre in den Pastoralbriefen offensichtlich relativ einheitlich und eindeutig, …“3 Die Formulierung „so gesehen“ in Verbindung mit dem Gebrauch von „offensichtlich“ reizt zum Widerspruch, weil, was „so gesehen“ wird, gerade nicht „offensichtlich“ ist. Zwar erkennt Weiß im Durchschreiten von Gnosisforschung und Quellenlage klar, es sei „hier unumwunden zuzugeben, dass es – was den gegenwärtig erreich- und verfügbaren Bestand an literarischen Quellen betrifft – in der Tat keine einzige gnostische Quellenschrift gibt, die als solche als vor-christlich (im genannten Sinn) auszuweisen ist“.4 Dabei bedeutet „im genannten Sinn“:

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Käsemann, Wille, 154. Käsemann, Wille, 151. Weiß, Gnosis, 39; vgl. auch 188, 527. Weiß, Gnosis, 185. Sich davon nicht beeindrucken zu lassen, hat Tradition, vgl. z. B. Traub, oqqamºr, 529: Philo und Paulus setzen zweifellos „einen gnostischen Mythos vom Urmenschen

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„vor der grundlegenden Phase der Entstehung und Ausbildung des frühen Christentums im Verlauf des 1. Jh.s n. Chr.“.5 Aber es habe an dieser Stelle „eine differenzierendere Sicht der Dinge“ Platz zu greifen, und zwar im Sinne eines Suchens nach Spuren, die auf vorliterarische Begegnung von „Urchristentum und Gnosis“ schließen lassen.6 Der das „Schlagwort“ Gnosis dokumentierenden Stelle 1Tim 6,207 komme dabei – mit Berufung auf einen weitreichenden Konsens8 – zentrale Bedeutung zu,9 insofern „nach Ausweis der neutestamentlichen Pastoralbriefe (1 Tim 6,20!)“ das Stichwort Gnosis „spätestens bereits zu Beginn des zweiten nachchristlichen Jahrhunderts zur Bezeichnung einer bestimmten, sich selbst so nennenden Gruppierung innerhalb oder am Rande der frühen Kirche bezeugt ist“,10 einer Gruppierung, für die „›Erkenntnis‹ im Sinne einer bestimmten Art von Gottes- und Heilserkenntnis“ offensichtlich schon „zu einem ›Programmwort‹ geworden“ sei: „›Gnosis‹ als eine Art terminus technicus“.11 Aus alledem resultiert: „So gesehen setzen die Pastoralbriefe bereits einen ihnen vorlaufenden Prozess der Begegnung von Christentum und Gnosis voraus, …“12 Exegetisch ist das aber, so scheint mir, anders zu sehen, wie nun im Folgenden zu zeigen sein wird.

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voraus. Der Ursprung dieses Mythos liegt völlig im Dunkel. Die sich aus ihm herleitende Begrifflichkeit war Allgemeingut.“ Weiß, Gnosis, 184 f. Aus dem Zitat erhellt, dass die einschlägigen Bemerkungen im Übergang von ebd., 61 f falsch ausgedrückt sind. Nicht was „vorchristlich“ besagt, versucht Weiß „differenziert“ zu sehen, sondern „die Grundfrage“, wie er formuliert, ob sich die Relation „Frühes Christentum und Gnosis“ nur an der Datierbarkeit der hierfür in Betracht kommenden Quellen (ebd., 62) ablesen lässt oder nicht vielmehr erst im Sinne eines dynamischen Prozesses wechselseitiger Begegnung im vorliterarischen Bereich (ebd., 521) erschließt. Die im Übergang von ebd., 61 f formulierte Kritik übersieht im Übrigen den durch Haenchen, Gnosis, 265 vorgegebenen Bezugsrahmen: „Wäre die Gnosis älter als das Christentum, dann wäre es zum mindesten möglich, daß sie das werdende Christentum beeinflußt hat …“ Weiß, Gnosis, 63. Rudolph, Gnosis, 63. Vgl. auch Haufe, Irrlehre, 328; Weiß, Gnosis, 37 f. Weiß, Gnosis, 37, 38, 73, 74, 75. Herzer, Abschied, 1275, 1277 f und Janßen, Antithesen, 97 f berühren Konsens-Metamorphosen in aktuellen Deutungen der Gegner. Weiß, Gnosis, 37, 73, 80, 129, 187 f, 204 f, 527. Weiß, Gnosis, 34. Die Rede von „Bewegung“ und „Gruppierung“ ist schillernd: Nach S. 34 ist der Gnosis-Begriff von 1Tim 6,20 mit Ausrufezeichen „zur Bezeichnung einer bestimmten, sich selbst so nennenden Gruppierung … bezeugt.“ Nach S. 36 ist ebendieser „bereits im Neuen Testament (1 Tim 6,20) bezeugte Terminus Gnosis vorzüglich dazu geeignet“, „eine durch bestimmte Merkmale präzis zu bestimmende religiöse Bewegung der spätantiken Religionsgeschichte zu bezeichnen.“ Nach S. 37 hat der Forschungskonsens „nicht eine bestimmte religiöse Bewegung mit dem Namen ›Gnosis‹ im Blick“, „sondern eine bestimmte Gruppierung innerhalb der christlichen Gemeinde, für die das Stichwort ›Gnosis‹ eine grundlegende Bedeutung gewonnen hat.“ S. 205 handelt von „jener religiösen Bewegung“, „die bereits die Pastoralbriefe selbst als (…) ›Gnosis‹ bezeichnen“, bzw. von „der bereits in den Pastoralbriefen vorausgesetzten ›Gnosis‹ 1 Tim 6,20!)“. Weiß, Gnosis, 37 f. Weiß, Gnosis, 188.

12 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis 1.1 Die Gegner in den Pastoralbriefen Obwohl sie die „Irrlehrer“ der Pastoralbriefe als Gnostiker deuten,13 erklären M. Dibelius / H. Conzelmann zu 1Tim 1,3 f mit wünschenswerter Klarheit: „Was hier über die 2teqodidasjakoOmter (vgl. Ign Pol 3 1) gesagt wird, genügt nicht zur Identifizierung der bekämpften Lehre mit einer uns sonst bekannten Richtung.“14 Nach N. Brox trägt die Häresie der Pastoralbriefe zwar „unzweifelhaft gnostische Züge, jedoch ist sie in wenig präzisen Umrissen nur angedeutet“.15 Es empfiehlt sich also, den Aussagen und Anschuldigungen der sog. „Irrlehrerbekämpfung“ im Einzelnen nachzugehen.

1.1.1 Zur Vorstellung von einer frühjüdischen Gnosis Was an der „Irrlehrerbekämpfung“ der Pastoralbriefe auffällt, sind nicht zuletzt Elemente, die auf Jüdisches hinweisen (Tit 1,10.14). Anstatt sich aber darauf einzulassen, dass diese spezifischen Elemente so nur im Titusbrief begegnen,16 findet in der Auslegung leicht die Ausweitung statt, die Stelle Tit 1,10 mache es „doch wahrscheinlich“, dass die ganze bekämpfte Richtung etwas mit dem Judentum zu tun habe,17 die Irrlehrer der Pastoralbriefe demzufolge Vertreter einer frühen Form der Gnosis mit stark jüdischem Einschlag seien,18 dass es sich also offenbar „um eine merkwürdige Mischung von gnostischen Lehren und jüdischer Frömmigkeit, also eine judenchristliche Form der Gnosis“ handle.19 Man kümmert sich kaum darum, dass die Vorstellung von der Existenz einer jüdischen Gnosis oder eines gnostisierenden Judentums einerseits sachliche Gründe gegen sich hat, andererseits rein hypothetischer Natur ist.20 So führt ja auch kein kirchlicher Häresiologe die Gnosis auf das Judentum zurück; bedenkt man, wie antijüdisch hin und 13 Dibelius/Conzelmann, Pastoralbriefe, 2, 52 – 54. 14 Dibelius/Conzelmann, Pastoralbriefe, 14, vgl. ebd., 2: Das Bild der Gegner sei „kaum zu rekonstruieren“. 15 Brox, Pastoralbriefe, 32. Zur nur andeutenden Unbestimmtheit der Briefe in ihren Aussagen über die Häresie bzw. zum Fehlen klarer Anspielungen auf typische Elemente der erst im zweiten Jahrhundert entfalteten großen Systeme s. ebd., 38. 16 Zur Sonderstellung des Titusbriefs vgl. auch von Lips, Korintherbrief, 160 – 174; Schaefer, Judentum, 67 f. 17 Dibelius/Conzelmann, Pastoralbriefe, 101. 18 Haufe, Irrlehre, 332 f; Weiß, Gnosis, 74; Oberlinner, Pastoralbriefe, I, XXXVIII („Verknüpfung von gnostischen Spekulationen mit jüdischer Gesetzlichkeit“). 19 Rudolph, Gnosis, 327. 20 Maier, Jüdische Faktoren, 239 – 258; vgl. auch Roloff, Timotheus, 234. Den konkreten Fall der Bedeutung des jüdischen Weisheitsmythus untersucht Bergmeier, Weisheit, 75 – 86, s. u. 127 – 139.

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wieder argumentiert wird,21 hätte man sich die Gelegenheit schwerlich entgehen lassen, das Judentum seiner aktiven Beiträge zur Gnosis wegen zu diffamieren, hätte, wie moderne Forschung das erwarten lassen sollte, die Kenntnis solcher Beiträge zur Verfügung gestanden. Zutreffend argumentiert W.C. van Unnik daher : „Es ist merkwürdig, daß die kirchlichen Häresiologen wohl Samaritaner, aber nicht Juden am Anfang der Gnosis nennen; daß sie wohl griechische Philosophie mit dem Gnostizismus in Verbindung bringen, aber nicht das Judentum, obwohl sie doch viele Kontroversen auch mit der jüdischen Religion gehabt haben.“22 Die Behauptung J. Lahes, bereits Hegesipp habe gemeint, „dass die Häresien aus jüdischen Sekten erwachsen seien“,23 ist philologisch nicht begründbar.24 Seiner Behauptung zweiter Teil: „Für Justin und Irenäus stammte die Gnosis aus Samarien, …“ und damit „aus dem Judentum“,25 verwechselt nicht nur Religionsgeschichte mit Topographie,26 sondern produziert auch angesichts der Wendung Justins, fast alle Vgl. IgnMagn 8,1; 10,3; Phld 6,1, im Übrigen Hruby, Juden, 21 – 26. Van Unnik, Komponente, 485. Lahe, Gnosis, 59, vgl. auch 99. Der Eusebtext (Eus.h.e. IV), den auch van Unnik, Komponente, 485, Anm. 20 nennt, sagt, Hegesipp äußere sich über den Ursprung der Häresien seiner eigenen Zeit (jat( aqtºm) mit den Worten von 22,4 – 6 und berichte mit den Worten von 22,7 außerdem noch (5ti d() über die Sekten, die es vormals bei den Juden gegeben habe (t±r p²kai cecemgl´mar paq± Youda¸oir aRq´seir). Weder die Hegesipp-Paraphrasen selbst noch die Euseb-Einleitungen stellen eine Verbindung zwischen den beiden Passagen her. 25 S. Anm. 23. 26 Iust. 1 apol. 26,2: S¸lyma l´m tima Salaq´a, t¹m !p¹ j¾lgr kecol´mgr C¸thym. Der erste, der diesen Simon förmlich mit dem von Apg 8 identifierte und zum Begründer aller Häresien machte, war nicht Justin, sondern Irenäus, s. Iren.haer. I 23,1 – 4. Die Formulierung p²mter oR !p¹ to¼tym [von den Anhängern Markions] bql¾lemoi (Iust. 1 apol. 26,6) belegt nicht, wie Lahe, Gnosis, 55 meint, dass Simons Ahnherrschaft der Gnosis wie für Irenäus „schon für Justin“ galt. Für Irenäus war sie inhaltlich bestimmt, Simon sozusagen der erste Giftmischer, aus dessen Becher sie alle getrunken haben (Iren.haer. I 23,2.4; 27,4), Justin hingegen bietet lediglich eine „historische“ Reihenfolge von Simon über Menander bis zu seinem Zeitgenossen Markion (zur Fortsetzung der Reihe vgl. Iust.dial. 35,6). Die Auskunft, Menander sei ein Gnostiker des ersten Jahrhunderts, weil er nach Rudolph, Gnosis, 319 „bis etwa 80 n. Chr. gelebt haben könnte“, ist nicht ausweisbar, zumal sein Lehrer, der Gnostiker Simon, „der erst nachträglich zu einem Gnostiker gemacht wurde“ (so Lahe, Gnosis, 175), durch ebendiesen Befund aufhört, eine Gestalt des ersten Jahrhunderts zu sein, denn der nach Apg 8,9 in der Hauptstadt Samariens wirkende Magier gleichen Namens steht als Gnostiker nicht zur Verfügung, vgl. Bergmeier, Gesetz, 16 – 18. Zutreffend beobachtet Hyldahl, Abfassungszeit, 79, der Leser von Apg 8 „muss aus anderer Quelle – etwa aus Justin! – wissen, dass Simon nicht nur Magier, sondern in Wahrheit Gnostiker gewesen ist, um ihn in der Schilderung der Apg als Gnostiker erkennen zu können“. Aber Hydahl beachtet nicht, dass Justin seinen Simon weder mit Apg 8 verbindet noch ihn als Gnostiker oder „als den Urheber aller Ketzereien bezeichnet“ (s. Hyldahl, ebd., 78). Nicht selten wird Justin dadurch zu einem älteren Zeugen dessen gemacht, was Irenäus über Simon ausbreitet, indem man annimmt, er selbst habe seine antihäretischen Aussagen wie später dann auch Irenäus aus dem verlorenen Syntagma, s. Iust. 1 apol. 26,8 exzerpiert, so Beyschlag, Simon, 10, Anm. 8. Dagegen sprechen aber zwei Beobachtungen: a) In seiner Bestandsaufnahme der Schriften Justins erwähnt Euseb das genannte Syntagma nicht, s. Eus.h.e. IV 18,1 – 10. b) Der Hinweis auf ein Syntagma (Iust. 1 apol. 26,8) bzw. eine Syntaxis (Iust.-

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14 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis Samaritaner verehrten Simon aus Gitta als „den höchsten Gott“, ein abstruses Zerrbild samaritanischer und jüdischer Religion. Justin schreibt im Übrigen noch in der Mitte des 2. Jh. n. Chr. ohne Gebrauch des „Gnosis“-Begriffs von „den Häresien“ (1 apol. 26,8), dass sich ihre Anhänger allesamt als Christen bezeichnen (26,6). Da des Weiteren das nachweislich begrenzte Material, das Gnostiker aus dem AT bezogen, die eigene christlich gewordene Heilige Schrift betraf,27 ist man auch nicht auf die Idee gekommen, gnostische Verwendung biblischer Inhalte auf die Existenz einer jüdischen Gnosis zurückzuführen. Exkurs zu J. Lahe, Gnosis und Judentum Lahe hat der Vermutung, die Gnosis sei jüdischen Ursprungs, eine breit angelegte Retrospektive der Forschungspositionen gewidmet. Nachdem er die verschiedenen Hypothesen über den Ursprung der Gnosis rekapituliert hat, resümiert er : Kurzum: Nach eingehender Analyse der religionsgeschichtlichen Ursprungstheorien geht die vorliegende Studie davon aus, dass die Gnosis am wahrscheinlichsten dem antiken Judentum entsprang oder zumindest unter starkem Einfluss des Judentums entstand. Für den Autor dieses Buches ist diese Theorie eine Arbeitshypothese, die es kritisch zu überprüfen gilt, was Aufgabe des zweiten Teils dieses Buches ist.28 Im Ergebnis aber führt dieser zweite Teil über die zitierte Ausgangslage nicht hinaus: Die Analyse des Gebrauchs alttestamentlicher und jüdischer Texte bei den Gnostikern beweise zwar nicht, dass die Gnosis aus dem Judentum ableitbar sei, doch zeige sie, dass jene Hypothese, die nach den Anfängen der gnostischen Bewegung im Judentum suche, die wahrscheinlichste sei.29 Lahe hebt zu Recht hervor, dass die gnostischen Motiv-Anteile aus Judentum und Mittelplatonismus von beträchtlichem dial. 80,3), die Justin sozusagen in petto habe und bei Bedarf vorlegen könne, liest sich wie eine schriftstellerische Floskel, nicht wie ein Hinweis auf veröffentlichte Schriften. 27 Maier, Jüdische Faktoren, 239 – 243. Lahe, Gnosis, 192 reagiert auffallend ungenau auf Maiers Argumente, die von einer „sehr unterschiedlichen Kenntnis des AT“ (241) handeln, von „indirekter AT-Aufnahme und Adaptierung“, von einer „eigentümlichen Begrenztheit der ATVerwendung“, bei der „gewisse Texte und Stoffe, vor allem aus den Anfangskapiteln der Genesis und monotheistische Bekenntnisformeln“ (vgl. Jes 45,5) dominieren. Von ungenügenden „ATKenntnissen der Gnostiker“ ist damit keineswegs die Rede, wohl aber davon, dass der Blick auf das AT nicht der von Menschen ist, die mit dem ATund frühjüdischen Traditionen von Haus aus vertraut waren. Zum begrenzten und sekundären Charakter der alttestamentlichen Anleihen s. auch van Unnik, Komponente, 486 – 492. Die statistischen Argumente, die Lahe, Gnosis, 192 gegen Maier und van Unnik ins Feld führt, gehen ins Leere, da sie ja beide den selektiven Gebrauch des AT und die Dominanz der Verwendung von Gen 1 – 11 sowie Jes 45,5 zum Gegenstand ihrer Argumentation gemacht haben. 28 Lahe, Gnosis, 185. 29 Lahe, Gnosis, 395. Den Befund von ebd., 393 darf man nicht überbewerten: „Die Existenz solcher Kreise zu Beginn unserer Zeitrechnung in Palästina und in der Diaspora konnte nachgewiesen werden.“ Die Feststellung betrifft lediglich „Kreise, die für Einflüsse aus dem griechischen Denken offen waren“, ein Befund, der kaum jemandem zweifelhaft ist.

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Umfang sind.30 Aber so wenig es von daher nachweisbar wäre, dass es speziell gescheiterte Mittelplatoniker waren, die zu Gnostikern wurden und somit Elemente aus dem Mittelplatonismus in die Gnosis einbrachten, so wenig beweisen jüdische Motive die Herkunft der Gnosis aus Kreisen jüdischer Apostaten. Im Blick auf die Frage nach der Rolle des frühen Christentums formuliert Lahe: „Da die phänomenologischen Grundstrukturen der Gnosis und des Christentums unterschiedlich sind, kann als sicher gelten, dass die Gnosis nicht nur außerhalb des Christentums existierte, sondern auch unabhängig von ihm entstand.“31 Der Autor vergisst nur zu begründen, warum diese Argumentation nicht zumindest gleicherweise auf das Judentum zutrifft. Er nimmt wohl zur Kenntnis, dass „der Antagonismus zwischen Gott und Demiurg im Judentum (auch im hellenistischen) nicht nachweisbar ist“, gleichwohl lasse „die Verstärkung der Idee von der Transzendenz Gottes“, „die Weiterentwicklung der göttlichen Mächte zu selbständigen Hypostasen“, vor allem „der Versuch, einen Engel zum Schöpfer der Welt zu machen“, die antagonistische Unterscheidung zwischen dem unbekannten Gott und dem Demiurgen als auf jüdischem Hintergrund basierend plausibel werden.32 Dem Ergebnis ist entgegenzuhalten, dass Argumente, die nur aus Sekundärliteratur ermittelt, also nicht selbstständig aus Primärquellen begründet wurden, nicht als Verfizierung der Arbeitshypothese vom jüdischen Ursprung der Gnosis gelten können.33 Dass einige „ketzerische“ Lehrer so weit gegangen sein sollen, zu behaupten, dass der im ATso genannte „Engel des Herrn“ die Welt geschaffen und durch die Propheten gesprochen habe, findet Lahe mit G. Quispel bei Iust.dial. 62 belegt.34 Aber was steht da wirklich? Die jüdische Identifizierung des „Engels des Herrn“ lautet nach dial. 60,3: dr ja· %ccekor toO t_m fkym poigtoO heoO jake?tai. Nicht von einem Schöpfer-Engel, sondern vom Engel des Schöpfers ist da die Rede. Justin seinerseits versucht demgegenüber mit allen Mitteln zu erweisen, dass an den jeweils angeführten Bibelstellen vom christologischen Logos die Rede sei. Dementsprechend argumentiert er in 62,2: Mit den Worten von Gen 1,26 Poi¶sylem jtk. habe Gott nicht, wie ihre, der Juden, Lehrer sagen, „zu sich selbst“ oder „zu den

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Lahe, Gnosis, 395. Lahe, Gnosis, 394. Lahe, Gnosis, 342 f. Ein Beispiel bloßer Blütenlese, d. h. ohne Klärung sachlicher oder chronologischer Fragen: Nach G. Quispel, Gnosis, 420 f sei „die Unterscheidung zwischen Gott und dem Engel-Demiurg“ bereits Philo bekannt gewesen, „der den die Welt erschaffenden Logos einen ,zweiten Gott‘, ,Herrn (=JHWH)‘ und ,Erzengel‘ nannte“ (Lahe, Gnosis, 340). Als Textbelege führt Lahe, ebd., Anm. 856 an: „S. Conf 146; Migr 174; QuisRer 205 f.“ Da nun Philo in conf. 146 vom vielnamigen Logos schreibt, er werde nämlich auch genannt !qwµ ja· emola heoO ja· kºcor jtk., tut Lahe so, als kenne Philo schon die Vorstelllung vom „kleinen Jahwe“ (ebd., 340: „Weder ,der kleine Jahwe‘ noch ,der Logos‘ sind bei Philo böse …“). An anderen Stellen entspricht „der ,kleine Jao‘ aus der ,Pistis Sophia‘ “ (ebd., 115) „in der rabbinischen Tradition“ dem Namen „kleiner Jahwe“ (ebd., 363), d. h., er „findet sich bereits im 3. Henoch als ,kleiner Jahwe‘ “ (ebd., 115). Die Frage der Entstehungszeiten der genannten Schriften, Pistis Sophia wohl 3. Jh. (W.C. Till als Hg. nach Schmidt, Schriften, XXIV), 3. Henoch „nicht vor dem 5. oder 6. Jahrhundert“ (Herrmann, Jüdische Gnosis?, 45, vgl. 84, 86, 88), wird nicht diskutiert. 34 Lahe, Gnosis, 339 mit Anm. 850.

16 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis Elementen“,35 sondern zu einem personalen Gegenüber gesprochen (pqºr tima, ja· !qihl` emta 6teqom ja· kocij¹m rp²qwomta). Entsprechend seien die Worte ªr eXr 1n Bl_m (Gen 3,22) auszulegen. Ausdrücklich wolle er nicht verifizieren, was auch immer der von jüdischer Seite formulierte philosophische Lehrsatz besage. Folgende drei Formulierungen sind nichts anderes als stilistische Variationen: $ oR did²sjakoi rl_m k´cousim (62,2), fpeq B paq( rl?m kecol´mg aVqesir doclat¸fei, C oR 1je¸mgr did²sjakoi (62,3). Justin schreibt demzufolge als Philosoph, der die angesprochenen dºclata (vgl. fpeq … doclat¸fei) als Schulmeinung (aVqesir)36 der jüdischen Philosophie bzw. der jüdischen Lehrer ins Feld führt. Die Phrase fpeq B paq( rl?m kecol´mg aVqesir doclat¸fei ist also, wie auch ein Vergleich mit )mt¸owor b paq± to?r þkkgsim he¹r kecºlemor (Flav.Jos.Ant. 12,125) zeigt,37 Wort für Wort nach den Regeln der Philologie zu übersetzen: „was auch immer die bei euch formulierte Schulmeinung als Lehrsatz geltend macht.“ Dessen Inhalt beschreibt Justin nicht mit zitierenden Worten, die wir dann im frühjüdischen Schrifttum wiederfinden könnten, sondern stilisiert ihn mit eigenen Worten,38 und zwar für seine griechischrömische Leserschaft39als dºclata der jüdischen Philosophie: fti !cc´koir 5kecem C fti !cc´kym po¸gla Gm t¹ s_la t¹ !mhq¾peiom.40 Von Häretikern oder von einem Schöpfer-Engel ist weder in 62,2 noch in 60,3 die Rede. Eine Metabasis in jüdische Häresie würde ja auch im Blick auf die fiktiven jüdischen Dialogpartner seine Argumentation sinnleer erscheinen lassen. K. Rudolph zitierend, lässt Lahe auch Iust.dial. 35,2 – 6; 80,3 f; Or.Cels. III 13; IV 28 „von häretischen jüdischen Sekten, die der Gnosis nahe stehen“, handeln.41 Tatsächlich handelt Iust.dial. 35,2 – 6 jedoch ausdrücklich von sog. Christen (35,1.2.4. 5.6), namentlich von Markianern, Valentinianern, Basilidianern, Satornilianern. Auch 80,3 f ist zunächst von sog. Christen die Rede, deren Christsein aber so zu beurteilen sei wie das Judesein der Sadduzäer oder der ähnlichen Schulen der „Genisten, Meristen, Galiläer, Hellenianer, Pharisäer und Baptisten“. Die Rede von den 35 … pq¹r 2aut¹m …, bpo?om ja· Ble?r l´kkomt´r ti poie?m pokk²jir pq¹r 2auto»r k´colem Poi¶sylem, C fti pq¹r t± stoiwe¸a …, 1n ¨m mooOlem t¹m %mhqypom cecom´mai. Die Hervorhebungen zeigen, dass Justin nicht zitiert, sondern plausibilisierend argumentiert. 36 Vgl. dazu Schlier, aVqesir, 180: „Die aVqesir des Philosophen, …, bezieht sich auf dºclata.“ 37 Bauer, Wörterbuch, Sp. 954, s.v. k´cy II, 3 führt dazu auch Eph 2,11 an. 38 Als Parallelfall lässt sich Iust.dial. 32,3 f anführen: Streng nach dem Wortlaut müssten sich Belege finden lassen, dass jüdische Ausleger die dreieinhalb Zeiten von Dan 7,25 als 350 Jahre auffassten. Bill. IV,2, 1009 f notiert zweimal, dass die Länge der Zeit nicht ausgedeutet wird, vgl. auch Kittel, Rabbinica, 33 f zum rabbinischen Sprachgebrauch von „dreiundeinhalb Jahre“ im Sinn von „eine Zeitlang“. 39 Vgl. dazu von Campenhausen, Kirchenväter, 20: „So viel ist überall deutlich: Justin wendet sich an alle Menschen, gleichviel ob er insbesondere zu Juden, Ketzern oder Heiden spricht …“ 40 Selbst bei Philo findet sich nichts wirklich Vergleichbares. Nach opif. 75 denkt Philo, Gott könnte sich in Gen 1,26 an Untergebene oder Gehilfen wenden – in fug. 69 als he?ai dum²leir bezeichnet –, die den sterblichen Teil der Seele zu schaffen haben, nicht den Körper, der nach opif. 134 f von Gott selbst gebildet wird. Rabbinisch berät sich Gott mit den Dienstengeln, s. PesK 34a.b (vgl. Bill. III, 681). 41 Rudolph, Randerscheinungen, 786 f zitierend, Lahe, Gnosis 338, Anm. 846 auf S. 339.

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„Schulen“ der Sadduzäer und Pharisäer beruht wohl auf Apg 5,17 und 15,5, die Bestreitung des Judeseins könnte Apk 2,9; 3,9 nachempfunden sein. Schwerlich war Justin die Kenntnis vorchristlicher jüdischer Häretiker, die den Schöpfergott gelästert hätten, zur Hand, denn er war nach Iren.haer. V 26,2 der Überzeugung, der Satan habe vor der Ankunft des Herrn nie gewagt, Gott zu lästern. Orig.Cels. III 12 f verhandelt die Frage, ob man Schulenbildung als Argument gegen Wahrheitsanspruch geltend machen dürfe: „Heilkunde“ wird nicht widerlegt, weil sie zu Schulenbildung führte, so auch nicht die Philosophie. Der Wahrheitsanspruch der heiligen Mosebücher und der Propheten werde nicht durch jüdische Schulenbildung in Frage gestellt, genauso wenig der Christenglaube durch Schulenbildung im Christentum, wenngleich solche Erscheinungen wie die Ophianer und Kaianer selbstredend zu verwerfen seien. Von ketzerischen jüdischen Sekten weiß die Textstelle also nichts zu sagen. Auch IV 28 nicht. Um das dort Gesagte richtig einorden zu können, muss man mindestens IV 23 – 28 zur Kenntnis nehmen. Danach sieht sich Origenes angesichts der gemeinsamen Schmähung von Juden und Christen, nur weil ihre Lehren Celsus nicht gefallen, veranlasst, ihre gemeinsame Bibel und ihren Streit um deren christologische Auslegung zu verteidigen. Dabei ist ihm gewiss: All das, was Celsus behauptet hat, würde sich kein Jude zu eigen machen, wenn auch auf anderen Gebieten – im Zusammenhang gesehen, auf dem Gebiet der christologischen Deutung des AT – durchaus von einigen „Törichtes“ vertreten werde. Aus der umfangreichen Sekundärliteratur zur sog. Mandäerfrage erhebt Lahe das Ergebnis, dass die Mandäer eine Richtung der Gnosis vertreten, in der alttestamentliche und jüdische Motive – und zwar ohne über die Vermittlung des Christentums zu den Mandäern gelangt zu sein – eine herausragende Rolle spielen.42 Den Nachweis, dass diese Motive nicht ebenso wie die Legenden um die Gestalt Johannes des Täufers „aus häretisch-christlichen, vielleicht gnostischen Kreisen übernommen“ und umgeprägt wurden,43 konnte Lahe freilich nicht erbringen. Es wiederholen sich vielmehr auch in der Mandäerfrage die zuvor berührten Unterschiede in der Logik der Argumentation: Scharfe antijüdische Polemik in den Mandaica schließt den jüdischen Ursprung der mandäischen Religion nicht aus, sondern könnte nach Rudolph „als Beleg für die häretisch-jüdische Herkunft der Mandäer gelten“.44 Warum sollte dann „die Feindschaft gegenüber dem Christentum viel zu ausgeprägt“ gewesen sein,45 als dass die Mandäer nicht auch mit christlich-gnostischem Milieu in Verbindung gestanden haben? Jedenfalls bleibt es auch nach Lahes Arbeit dabei, dass ein verlässlicher Nachweis für die Existenz der Mandäergemeinde erst für das 3. Jh. n. Chr. zu erbringen ist,46 wobei speziell der judenchristlichen Täuferbewegung im palästinisch-syrischen Raum als Ursprungsmilieu tragende Bedeutung zukommt.47 42 43 44 45 46 47

Lahe, Gnosis, 385, 392, 394. Rudolph, Gnosis, 390. Lahe, Gnosis, 381. Lahe, Gnosis, 380. Zur Begründung im Einzelnen s. Bergmeier, Glaube, 121. Vgl. Bergmeier, Glaube, 120.

18 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis 1.1.2 „Jüdische Fabeleien“ und die Fabeleien von einer jüdischen Gnosis Vom Problem der Existenz einer frühjüdischen Gnosis abgesehen, laden die einschlägigen Belege des Titusbriefs nicht dazu ein, die literarisch disparaten antihäretischen Aspekte der einzelnen Pastoralbriefe „zu einem geschlossenen Gesamtbild“ zusammenzufügen,48 das dann auch noch offensichtlich „für einen größeren geographischen Raum charakteristisch ist“, als hätten alle drei Briefe im Wesentlichen die gleiche häretische Bewegung vor Augen.49 R.F. Collins stellt, und dies mit gutem Grund, im Blick auf die Attacken des Schreibers der Pastoralbriefe die Schwierigkeit heraus, “to ascertain with any precision the nature and source of the errors with which he is concerned“, ja mehr noch: “It is difficult to conceive that this variety of errors comes from a single source, …”50 Bleiben wir also bei der zutreffenden Beobachtung, dass sich der Abschnitt Tit 1,10 – 16 von der Irrlehrer-Polemik der anderen Pastoralbriefe unterscheidet: „Es werden kretische Besonderheiten erwähnt 1 12 und es wird die jüdische Herkunft der Gegner betont 1 10.14.“51 Ja, schon der Blick auf die Gegner wird in V. 9 durch das unter den Pastoralbriefen nur dem Titusbrief eigene !mtik´comtar eingeleitet. Weitere Besonderheiten der Terminologie fallen auf: l²kista oR 1j t/r peqitol/r (V. 10) ist genauso spezieller Sprachgebrauch wie Youdazjo?r l¼hoir ja· 1mtoka?r !mhq¾pym (V. 14) oder l²war molij²r (3,9)52 und aRqetij¹m %mhqypom (3,10).53 Exegese sollte also die kretische Schelte nicht nivellieren, zumal eWp´m tir 1n aqt_m Udior aqt_m pqov¶tgr (1,12) nur Sinn hat, wenn sich die Formulierung auf Kreter insgesamt, jedenfalls nicht auf „die aus der Beschneidung“ bezieht. Wenn wir also nach dem Sinn der Rede von lOhoi ja· cemeakoc¸ai (1Tim 1,4) fragen, haben wir nicht von Tit 1,14 auszugehen, als käme dem Ausdruck Youdazjo· lOhoi „wegweisende Bedeutung“ zu, müsse die ganze bekämpfte Richtung etwas mit dem Judentum zu tun haben oder sei an eine jüdische bzw. judenchristliche 48 Roloff, Timotheus, 230 formuliert zwar die Aufgabe, „daß man zunächst die verschiedenen Aussagen über die Gegner daraufhin überprüft, ob sie konkrete, aktuelle Bezüge enthalten, um sodann zu fragen, ob sich diese Bezüge ohne Willkür zu einem in sich geschlossenen Gesamtbild zusammenfügen lassen, …“ Jedoch „zeigt sich“ (ebd., 233) für ihn auf kurzen Wegen, „daß das Bild der Irrlehrer insgesamt durchaus einheitlich und in sich stimmig ist“. Tatsächlich hatte er aber ebd., 229 zutreffend beobachtet, dass sich die Kennzeichnung „der Gegner als Juden“ auf die Stellen Tit 1,11.14 beschränkt. 49 Haufe, Gnostische Irrlehre, 325. Zur Kritik an der Vernachlässigung des je eigenen Profils der Briefe vgl. auch Herzer, Abschied, 1277 f, 1280; Schaefer, Judentum, 65 – 76. 50 Collins, Timothy, 11 f, vgl. auch Ders., Pastoralbriefe, 991. Häfner, Polemik, 324 resümiert: „Ein signifikantes Profil der Polemik in den einzelnen Briefen hat sich nicht ergeben.“ 51 Dibelius/Conzelmann, Pastoralbriefe, 101. 52 Collins, Timothy, 368: “The adjective nomikos, ‘about the law,’ is not used as an adjective in any other New Testament passage. The legal disputes to which the Pastor refers are undoubtedly disputes about the Jewish law (see p. 29).” 53 Vgl. auch Schaefer, Judentum, 75, Anm. 59 mit Berufung auf Fuchs, Unterschiede.

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Gnosis zu denken.54 Was 1Tim 1,3 f angeht, hatte jedoch wohl schon Ignatius von Antiochien die Auslegungsspur auf Jüdisches gelenkt. Wie aus dem paulinischen Briefkorpus überhaupt schöpfte er auch aus den Pastoralbriefen, ohne förmlich zu zitieren.55 In Entsprechung zu 2teqodidasjake?m (1Tim 1,3; 6,3) schreibt Ignatius in Magn 8,1 von ta?r 2teqodon¸air und verbindet damit die pastorale Rede von den „Mythen“ (1Tim 1,4; 4,7; Tit 1,14), die entsprechend Tit 3,9 als „schädlich“ bezeichnet werden. Die „alten Fabeln“ der Irrlehren, die Ignatius, wie man sieht, noch nicht mit einer gnostischen Bewegung in Verbindung zu bringen weiß, gehören für ihn zum „Judaismus“;56 er deutet also 1Tim 1,3 f wie die zuvor angeführten Exegeten von Tit 1,14 her. Näher liegt, wie mir scheint und wozu der Weg ja auch schon gewiesen wurde,57 die Wortverbindung „Mythen und Genealogien“ als rhetorische Figur zu interpretieren, die sich dann auch nach ihren Bestandteilen verwenden (lOhoi 1Tim 4,7; Tit 1,14) oder neu kombinieren ließ (fgt¶seir ja· cemeakoc¸ar Tit 3,9): „Urzeit- und Abkunftssagen“ oder frei nach deutschem Sprachgebrauch „Mythen und Märchen“. Ihr Zusammenhang mit Jüdischem war nicht eo ipso gegeben, sondern bedurfte, wie Tit 1,14 deutlich macht, der förmlichen Attribuierung: Youdazjo?r. Gerne umstellt man, was Irenäus in der Vorrede zu seiner „Widerlegung“ gerade nicht getan hat,58 den cemeakoc¸aiGebrauch in 1Tim 1,4; Tit 3,9 mit Hinweisen auf offenbar „gnostische Pleroma-Spekulationen“,59 „mythische Spekulationen über Archonten und Äonenreihen“60 oder „Spekulationen über Kosmogonie und Anthropogonie“61 bzw. „mythische Erzählungen über vorzeitliche Ereignisse in der ,oberen Welt‘“,62 ohne sich darum zu kümmern, dass der Wortgebrauch als solcher gnostisch nicht belegt ist.63 Wird die Argumentation zutreffender, wenn man mit Weiß „in der bereits in den Pastoralbriefen vorausgesetzten ›Gnosis‹ (1Tim 6,20!) wie auch in der sethianischen Gnosis bestimmte Tendenzen“ sich abzeichnen sieht, die als Ausdruck einer frühen Wechselbeziehung zu deuten seien?64 Öffnet uns, was in den Schriften der Bibliothek von Nag Hammadi 54 Stählin, lOhor, 790. 55 Vgl. Fischer, Väter, 122. Zu IgnEph 10,3 1m p²s, "cme¸ô s. 1Tim 5,2; zu 14,1 t´kor d³ !c²pg s. 1Tim 1,5; zu IgnMagn 11; IgnTrall praescr. und 2,2 t/r 1kp¸dor Bl_m s. 1Tim 1,1; zu IgnPol 3,1 2teqodidasjakoOmter s. 1Tim 1,3; 6,3; zu 4,3 doukeu´tysam s. 1Tim 6,2. 56 Vgl. noch IgnMagn 10,3; IgnPhld 6,1. 57 Büchsel, ceme², 661 f. 58 Iren.haer. I, praef. 1. Dibelius/Conzelmann, Pastoralbriefe, 14 f pointieren mit der Behauptung, Irenäus beziehe die Ausdrucksweise auf die fortgebildete Gnosis seiner Zeit, falsch, denn Irenäus identifiziert die Ausdrucksweise nicht, sondern argumentiert, indem er den Text von 1Tim 1,4 insgesamt ins Spiel bringt, mit der Autorität des Apostels (jah½r b !pºstokºr vgsim) gegen die Irrlehrer seiner Zeit, dazu s. auch Brox, Pastoralbriefe, 32 f. 59 Rudolph, Gnosis, 327. 60 Dibelius/Conzelmann, Pastoralbriefe, 14; vgl. auch Oberlinner, Pastoralbriefe, I, 13. 61 Roloff, Timotheus, 232; vgl. auch Weiß, Gnosis, 75. 62 Brox, Pastoralbriefe, 35. 63 Büchsel, ceme², 662 notiert: „Solche Aeonenreihen tragen nirgends den Namen cemeakoc¸ai.“ 64 Weiß, Gnosis, 205.

20 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis vom Samen und Geschlecht des Seth ausgesagt wird, tatsächlich ein Zeitfenster, durch das wir ältere Spuren einer Interaktion zwischen Gnosis und frühem Christentum wahrnehmen können? Die sethianischen Formen einer Drei-Naturen-Lehre, von denen Weiß handelt, sind durchaus nicht nur als „Parallelerscheinungen“ zum Valentinianismus anzusprechen,65 sondern setzen diesen historisch wie auch der Sache nach voraus,66 so dass ein Vergleichen mit mutmaßlichen Lehren der Gegner der Pastoralbriefe weder aus sachlichen noch chronologischen Gründen in Betracht kommt. 1.2 Die „Gnosis“ der Gegner in den Pastoralbriefen Wie haben wir den Passus, der von der „fälschlich so genannten Gnosis“ (1Tim 6,20) handelt, zu verstehen? Schon die Rede in diesem Zusammenhang von einer „Bewegung“, „Richtung“ oder „Partei“67 geht über den Textbefund hinaus.68 Sie verdankt sich vielleicht der Formulierung im Fortgang von V. 21: Fm timer 1paccekkºlemoi. Aber wenn nach 1Tim 2,10 Frauen Gottesfurcht bekunden (1paccekkºlemai heos´beiam), besagt das nur, dass man von ihnen erwarten darf, dass sie sich auch wie Gottesfürchtige verhalten, nicht, dass sie zu einer Bewegung der Gottesfürchtigen gehören. Entsprechendes gilt, wenn nach Xenophon, Memorabilien I 2,7 jemand !qet¶, nach Diogenes Laertius, Vitae, Einl. 1,12 sov¸a bekundet. Wenn welche nach 1Tim 6,21 cm_sir bekunden, bekennen sie sich demzufolge auch nicht zu einer speziellen „Bewegung“, sondern machen für sich geltend, dass sie „Erkenntnis“ haben (wie andere, dass sie sich auf !qet¶ verstehen oder dass sie „Weise“ sind).69 Die „Gnosis“, die sie für sich geltend machen, soll sodann in einem negativen Verhältnis zum „Glauben“ erscheinen, weil ja Glaube und „Erkenntnis der Wahrheit“ eigentlich zusammengehören (1Tim 4,3; 2Tim 3,7 f) wie andererseits auch peq· tµm p¸stim !stowe?m (1Tim 6,21) und peq· tµm !k¶heiam !stowe?m (2Tim 2,18). So ist „die fälschlich sog. Gnosis“ Gegenstück zur „Erkenntnis der Wahrheit“,70 wie sich bei Philo t¹m !kgh/ heºm und to»r xeudym¼lour

Zu Weiß, Gnosis, 204. Bergmeier, Glaube, 180 – 189; Ders., Königlosigkeit, 316 – 339, s. u. 102 – 126. Vgl. z. B. Wucherpfennig, Heracleon, 407 f. Lahe, Gnosis, 14, 183 macht überdies darauf aufmerksam, dass die Anhänger „der gleichnamigen Bewegung“ diese selbst nie als „Gnosis“, auch sich selbst nicht als Anhänger einer „Bewegung“ bezeichnet haben. 69 S. dazu auch Roloff, Timotheus, 374, Anm. 230 mit Hinweis auf Schniewind/Friedrich, 1pacc´kky, 573,30 – 36. 70 Vgl. auch Schlarb, Lehre, 62: „Eines der kürzesten und auffälligsten Beispiele für die Stilistik ist die prägnante Formulierung eines gegnerischen Schlagwortes … in 1 Tim 6 20: … Dieser Art ,Erkenntnis‘ stellt er darum in den gesamten Briefen als feste Wendung die 1p¸cmysir !kghe¸ar … gegenüber.“ In Anlehnung an Wucherpfennig, Heracleon, 408 ließe sich vielleicht auch vertreten, dass sich in der Formulierung „der fiktiven Warnung des Apostels vor der ,fälschlich 65 66 67 68

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gegenüberstehen (Mos. II 171). In der Sache aber erscheint diese pseudonyme Gnosis, bezogen auf t±r beb¶kour jemovym¸ar ja· !mtih´seir,71 als Pendant zum „Schein der Weisheit“, bezogen auf jat± t± 1mt²klata ja· didasjak¸ar t_m !mhq¾pym (Kol 2,23). Suchen wir also zum Verständnis des vorliegenden Gnosisbegriffs eine Erklärungsspur im Feld der Paulusbriefe selbst, werden wir auf 1Kor 8 geführt72 – freilich auch ein Tummelfeld der Fabelei von einer jüdischen Gnosis. Aber schon Conzelmann stellte fest: „Zur Begründung des Verhaltens in Korinth bedarf es aber nicht der ,Gnosis‘ im technischen Sinn.“73 Cm_sim 5weim (1Kor 8,1.10) hat jedenfalls mit der Frage „essen oder nicht essen“ zu tun. Und in solchem Fragehorizont steht wohl auch die Rede von der „fälschlich sog. Gnosis“, wie aus der Rede vom !p´weshai bqyl²tym, $ b he¹r 5jtisem eQr let²kglxim … to?r pisto?r ja· 1pecmyjºsi tµm !k¶heiam (1Tim 4,3) geschlossen werden kann. Der paulinischen Rede von der cm_sir (nämlich dass man essen darf) setzten die t¸mer von 1Tim 6,21, die damit vom Glauben abgeirrt seien, wohl die !mt¸hesir entgegen: „Wir haben die Erkenntnis, dass man sich enthalten muss.“ Denkbar fern stehen sie, „so gesehen“, zu der oben zitierten Beschreibung von Weiß, wonach für sie das Stichwort Gnosis im Sinne einer bestimmten Art von Gottes- und Heilserkenntnis „eine grundlegende Bedeutung gewonnen hat“.74 Woraus die Gegner ihre „Erkenntnis“ bezogen haben, wird nicht ausdrücklich mitgeteilt, kann aber wohl aus der Anlage des Schreibens erschlossen werden, insofern sich 1Tim 6,20 f mit 1,3 – 7.18 – 20 als Ringkomposition darstellt.75 1Tim 1,3 – 7.18 – 20

1Tim 6,20f

Vma paqacce¸k,r tis·m lµ 2teqodidasja- tµm paqah¶jgm v¼kanom (V. 20) ke?m (V. 3) 1netq²pgsam eQr lataiokoc¸am (V. 6)

71

72 73 74 75

1jtqepºlemor t±r beb¶kour jemovym¸ar (V. 20)

so genannten Gnosis‘ “ eher „der Anspruch des tatsächlichen Briefautors“ ablesen lässt, „in der Lehre des Paulus eine unverfälschte ,Erkenntnis‘ bewahrt zu haben“. Die im Verbund mit t±r beb¶kour jemovym¸ar einhergehende Verwendung des Stichworts !mtih´seir erlaubt entgegen Janßen, Antithesen, 109 keinen Schluss auf die Intention des Verfassers, als wolle er dem geneigten Leser signalisieren, in welcher Spätzeit er schreibe, wenn er gegen Markion polemisiere: „Wider die Antithesen der fälschlich so genannten Gnosis“. Dieser Leser müsste zuvor schon wissen, was selbst Justin noch nicht zu schreiben wusste, dass Markion ein Gnostiker war. Janßen, ebd., 99 erläutert aber schön: „Die allgemeine Polemik gegen ,Haarspaltereien und Dispute‘ und damit auch gegen !mtih´seir gehört zum traditionellen Inventar der Antisophistenpolemik, auf das die Pastoralbriefe in vielerlei Hinsicht zurückgreifen.“ Vgl. auch Roloff, Timotheus, 374 unter Berufung auf Lindemann, Paulus, 135. Conzelmann, Korinther, 171, Anm. 7. S. Anm. 9; hier Weiß, Gnosis, 37. Vgl. auch Roloff, Timotheus, 100, 371; Oberlinner, Pastoralbriefe, I, 309.

22 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis ¨m timer !stow¶samter (V. 6) Fm timer !pys²lemoi peq· tµm p¸stim 1mau²cgsam (V. 19)

Fm timer 1paccekkºlemoi peq· tµm p¸stim Astºwgsam (V. 21)

Dem Bewahren der apostolischen Überlieferung (6,20) entspricht der Auftrag, Vma paqacce¸k,r tis·m lµ 2teqodidasjake?m (1,3).76 Der Passus 1jtqepºlemor t±r beb¶kour jemovym¸ar jtk. (6,20) rundet sich mit 1netq²pgsam eQr lataiokoc¸am (1,6), dem Abirren der t¸mer vom Glauben (6,21) entspricht, bezogen auf Liebe, gutes Gewissen und Glaube, ¨m timer !stow¶samter (1,6). Daraus erhellt, dass die t¸mer von 6,21 die h´komter eWmai molodid²sjakoi von 1,7 sind, denen in 1,3 ein 2teqodidasjake?m angelastet wird. – Dass unter den t¸mer von 1,19 Hymenäus und Alexander namentlich herausragen (V. 20), hilft historischer Analyse auch nicht weiter, denn sie werden außerhalb der Pastoralbriefe nirgends erwähnt,77 spielen demzufolge auch in den häresiologischen Nachrichten keine Rolle.78 – Es geht nach 1,8 – 11 um ein vom pseudoapostolischen Evangelium abweichendes Gesetzesverständnis unter Christen. Die kurze Belehrung darüber, dass das Gesetz nicht für den Gerechten, sondern für Gesetzlose da ist (V. 8 f), besagt, dass sich die Funktion des Gesetzes auf die Verurteilung alles dessen reduziert, was gegen das wahre Christentum verstößt. Daraus lässt sich schließen, dass Pseudo-Paulus auch sagen will: Die Fülle der rituellen Vorschriften der Tora stellt für Christen, die Bescheid wissen (oUdalem, eQd¾r 1,8.9), eine Quantit~ n~gligeable dar. Eben das würden, so können wir weiter vermuten, die Gegner, lµ mooOmter l¶te $ k´cousim l¶te peq· t¸mym diabebaioOmtai (1Tim 1,7), nicht beachten. Schauen wir uns im frühchristlichen Schrifttum um, finden wir vielerlei Versuche, das Problem zu bewältigen, dass das Gesetz zwar Bestandteil der Heiligen Schrift ist, aber im Wortlaut vieler seiner Bestimmungen für Christen keine Verbindlichkeit hat.79 Es bedarf da der rechten cm_sir (Barn 6,9; 9,8; 10,10). Auch wenn die Warnung zur Vorsicht gültig bleibt, dass das Bild der Gegner kaum zu rekonstruieren sei,80 lässt sich doch begründet vermuten, dass sie aus dem Gesetz für Christen gültige !p´weshai-bqyl²tym-Forderungen (4,3) abgeleitet haben. Ein jüdischer bzw. judenchristlicher Hintergrund der Gegner aber wird im Brief nicht angesprochen. Das unterscheidet ihn vom Titusbrief.

76 Vgl. auch Schlarb, Lehre, 235. 77 Roloff, Timotheus, 105. 78 Wären sie als „zwei prominente Ketzer“ (Brox, Pastoralbriefe, 120) gnostische Sektenführer gewesen, wäre das Schweigen der Häresiologen unerklärlich. 79 Vgl. Kol 2,16 f; Barn 7,3 – 10,11. 80 Dibelius/Conzelmann, Pastoralbriefe, 2.

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1.3 Fremdbestimmte Deutungen der Gegner Schaut man sich in der Fachliteratur um, fällt auf, wie groß die konnotativen Anreicherungen sind, durch die die Exegese die Irrlehrer der Pastoralbriefe als Gnostiker erscheinen lässt. Ohne Zweifel wären die von Roloff im „Exkurs: Die Gegner“ beschriebenen Irrlehrer christliche Gnostiker gewesen,81 aber die ihnen zugedachten Charakteristika gehören nicht zum Textbestand der Briefe, sondern sind wie Randnotizen in den Text einzulesen. Vom Gnosisbegriff selbst und von den cemeakoc¸ai war schon die Rede. Zum Gnosisbegriff (1Tim 6,20) resümiert Roloff unter Hinweis auf den genannten Exkurs: „Klar ist auf alle Fälle, daß mit dem Begriff cm_sir auf den Eigenanspruch der bekämpften Gegner angespielt wird, vertiefte »Erkenntnisse« über die himmlische Welt Gottes, die Herkunft der Seele des Menschen und das Wesen des Kosmos zu vermitteln (vgl. 2Tim 2,25; 3,7; s. auch …).“82 Aber wie soll man von der Erwartung, dass Gott den Widerspenstigen vielleicht doch noch „Umkehr zur Erkenntnis der Wahrheit“ schenkt, während die Frauenzimmer von 2Tim 3,6 f „nie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen können“, darauf schließen, dass mit dem Gnosisbegriff von 1Tim 6,20 die von Roloff angegebenen Inhalte verbunden waren? Die Rede von der Erkenntnis der Wahrheit kennzeichnet ja nicht die Gegnersprache, wie Roloff mit dem Hinweis auf 2Tim 2,25; 3,7 zu argumentieren scheint,83 sondern die Sprache des „Apostels“ der Pastoralbriefe selbst, der die Wahrheit bzw. deren Erkenntnis für sich und die Angehörigen der rechtgläubigen Gemeinde in Anspruch nimmt. Es entbehrt exegetisch auch jeder Grundlage, schon das Stichwort „Gnosis“ (1Tim 6,20) bringe zum Ausdruck, es gehe den Gegnern um eine erlösende Gotteserkenntnis, deren Erlösungsgehalt „in der Befreiung aus dem Gefängnis der materiellen Welt“ bestehe.84 H.-M. Schenke argumentiert einmal im Blick auf NHC I,4 zu Recht, mit bloßen Begriffen könne man überhaupt keine gnostische Schrift identifizieren.85 Um wieviel mehr gilt das im Blick auf die Gegner in den Pastoralbriefen. Aus dem Vorwurf, diese Gegner gäben vor, Gott zu erkennen, verleugneten ihn jedoch mit ihren Werken (Tit 1,16), kann man schwerlich erheben: Offensichtlich „verstanden sie sich als Träger und Vermittler besonderer, geheimer Erkenntnis hinsichtlich der göttlichen Welt“.86 81 Roloff, Timotheus, 228 – 239. Ähnliches gilt auch schon im Blick auf Brox, Pastoralbriefe, 31 – 39, Ausführungen, die sich wie eine Vorlage zu Roloffs Exkurs ausnehmen. Im Blick auf seine eigenen Darlegungen notiert Brox, ebd., 32 zu Recht: „Die Häresie dieser Briefe trägt unzweifelhaft gnostische Züge, …“ 82 Roloff, Timotheus, 374. 83 Vgl. auch Roloff, Timotheus, 231. 84 Roloff, Timotheus, 234. 85 Schenke, Rheginus, 48. 86 Roloff, Timotheus, 231. In der Sache ist der Vorwurf Tit 1,16 wohl einer der t¸mer-Fundstellen der originalen Paulusbriefe geschuldet: 1Kor 15,34.

24 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis Oder : „Im Mittelpunkt ihrer Lehre stand der Anspruch, »Gott zu kennen« (Tit 1,16), und das heißt, den höchsten, unbekannten, von der materiellen Welt unendlich distanzierten Gott.“87 Die rhetorische Figur „kennen – aber nicht“ ist direkt zu vergleichen mit 1Joh 2,4, im weiteren Sinn mit 2Tim 3,5; 1Joh 1,6; 2,9; 4,20. Die Wendung he¹m eQd´mai hat im Kontext der Paulusbriefe mit Gnosis im technischen Sinn nichts zu tun, wie ein Blick auf Gal 4,8; 1Thess 4,5; 2Thess 1,8 (vgl. auch Gal 4,9) ad oculos demonstriert. Der gegen die törichten Schwätzer gewandte Vorwurf besagt: Sie geben sich als Christen aus, indem sie bekennen, „Gott zu kennen“, aber mit ihrem praktischen Leben verleugnen sie ihn. Die Antithetik heißt „bekennen – verleugnen“;88 von „Anspruch“, dazu noch mit „elitärem Zug“,89 ist im Text, wenn man ihn nach dem „realen Informationsgehalt“ befragt,90 nicht die Rede, auch nicht zwischen den Zeilen. Ein weiteres Tummelfeld lebhafter Phantasie bieten die asketisch anmutenden Neigungen der Gegner, die dazu benützt werden, von einer „materiefeindlichen Grundhaltung“,91 von „übertrieben asketischer Lebensweise, die die Schöpfungsordnung dämonisiert“,92 von einer Verurteilung der „Schöpfung als böse“,93 vom Weltschöpfer „als feindlicher, verderblicher Macht“ zu sprechen,94 so dass es „als bewiesen zu betrachten“ sei, „daß die bekämpften Irrlehrer der Past solche gnostischen Gedanken vertraten“, wie sie aus den häresiologischen Nachrichten zu erheben sind.95 Der Sinn der zeugmatisch verunglückten Formulierung von 1Tim 4,3 mit ihrer asyndetischen Anfügung von !p´weshai bqyl²tym an jykuºmtym cale?m liegt aber nicht zutage. Unter welchen Bedingungen (vgl. z. B. 1Kor 7,28), wen und warum die Gegner davon abhalten, zu heiraten, wird nicht gesagt. Sie könnten sich ja unter Umständen auf Paulus selbst berufen haben, der 1Kor 7,1 in Spannung zu Gen 2,18 formuliert: jak¹m !mhq¾p\ cumaij¹r lµ ûpteshai. Andererseits wird der Verfasser in 1Tim 5,14 eine mögliche Gegenposition zu jykuºmtym cale?m beziehen: bo¼kolai owm meyt´qar cale?m. Es wird auch nicht deutlich, von welcherlei Speisen man aus welcherlei Gründen sich enthalten soll. Selbst aus dem Gütesiegel der Schöpfung (1Tim 4,4), das wohl auf 87 Roloff, Timotheus, 236. 88 Vgl. Mt 10,32 f; 1Joh 2,23. Zur grammatischen Konstruktion s. Blass/Debrunner/Rehkopf, Grammatik, § 397, Anm. 5; 405, Anm. 1. 89 Roloff, Timotheus, 236 f. 90 Roloff, Timotheus, 229. 91 Roloff, Timotheus, 230. 92 Schwindt, Weltbild, 503. Schwindt überinterpretiert, wenn er ebd., 503 f die Dämonisierung dessen, was nach 1Tim 4,1 in der endzeitlichen Verführung zum Glaubensabfall geschieht, förmlich auf die gegnerische Lehre von der Schöpfung bezieht. 93 Roloff, Timotheus, 231. 94 Roloff, Timotheus, 234. 95 Oberlinner, Pastoralbriefe, I, 180, bezogen auf das häresiologische Expos~ ebd., 179, das sich so darstellt, als böten die auf die Speisen bezogenen Aussagen von 1Tim 4,3 f die Begründung für jykuºmtym cale?m.

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das jakºm der Schöpfungsgeschichte zurückgeht (vgl. Gen 1,4.8.10.12.18), kann man nicht zwingend auf die tatsächlichen Gründe schließen, die zu den !p´weshai-bqyl²tym-Forderungen führten. Zweierlei sollte jedoch beachtet werden: 1. Das Schöpfungs-Argument bezieht sich den Worten nach nur auf bq¾lata, wie aus $ b he¹r 5jtisem (1Tim 4,3) hervorgeht. Diesen einzig intendierten Bezug unterstreicht auch die Wiederaufnahme der Phrase eQr let²kglxim let± eqwaqist¸ar im folgenden Vers: let± eqwaqist¸ar kalbamºlemom. Theologisch liegt die gleiche Argumentationsfigur wie bei Paulus selbst vor, der das Argument der „Danksagung“ (1Kor 10,30) ebenfalls mit einem Bekenntnis zum Schöpfungsglauben (V. 26) verbindet.96 Man kann nach alledem nicht mit Roloff die „Gegenargumentation“ dahingehend ausweiten, dass hinter beidem, jykuºmtym cale?m und !p´weshai bqyl²tym, „eine schöpfungsfeindliche Haltung steht“.97 2. Von der Formulierung oqd³m !pºbkgtom führt kein Pfad zu dualistischer Qualifizierung im Sinn von „materiefeindlich“ oder „böse“. Im Blick auf Tit 1,15 sprechen Dibelius/Conzelmann m. E. zu Recht von kultischer Nahrungsaskese und erklären: „Das erste jahaqºr ist im Sinne von I Tim 4 4 zu nehmen: p²mta jahaq² = oqd³m !pºbkgtom …“98 In biblischer Tradition bezeichnet !pºbkgtor daher, was nach Gottes Willen nicht „wohlgefällig“, sondern „ein Gräuel“,99 bzw. was rituell nicht „rein“, sondern „unrein“ ist.100 Zur Rede von „gnostischer Weltverneinung“101 oder von „Hass gegen die Schöpfung“102 gibt der Text von 1Tim 4,3 f selbst keine Veranlassung. Man muss sich ja auch wundern, dass den in der Forschung zu „Pneumatikern“ stilisierten Gegnern mit ihrer „gnostischen Distanzierung von der materiellen Welt“103 vom Apostel der Pastoralbriefe nicht nur Handeln aus Gewinnsucht (1Tim 6,5; 2Tim 3,2; Tit 1,11),104 sondern geradezu auch Vergnügungssucht (2Tim 3,4) vorgeworfen wird, als kennte er schon das häresiologische Gnosisbild vom Nebeneinander asketischer und libertinistischer „Distanzierung zur Welt“.105 Der Meinung, sie huldigten gnostischer Weltverneinung war er jedoch nicht. Das Mindeste, das wir im bejahenden Fall erwarten dürften, wäre, dass der Widerspruch zwischen gnostischer Weltentsagung und Gewinn- sowie Vergnügungssucht angeprangert würde. „In 2Tim 2,18 zitiert der Verfasser“, so L. Oberlinner im Exkurs über die 96 97 98 99 100 101 102 103 104

Vgl. dazu Conzelmann, Korinther, 216 f, Anm. 16. Roloff, Timotheus, 230. Dibelius/Conzelmann, Pastoralbriefe, 103. Lev 7,18; 19,7 nach der Übersetzung Aquilas. Hos 9,3 nach der Übersetzung des Symmachus. Zu Oberlinner, Pastoralbriefe, I, 182. Brox, Pastoralbriefe, 37. Roloff, Timotheus, 237. Roloff, Timotheus, 333: „Eigentliche Triebkraft der Irrlehrer, das, was ihr Denken und Handeln korrumpiert, ist die Gewinnsucht.“ 105 Roloff, Timotheus, 237.

26 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis Irrlehrer, „als das Bekenntnis seiner Gegner, ,daß die Auferstehung schon geschehen ist‘. Diese schlagwortartige Glaubensaussage kann nach E. Schlarb als der ,Kernsatz‘ der Auseinandersetzungen angesehen werden.“106 Das Problem ist nur, dass der „Kernsatz“ bzw. der Vorwurf im Brief selbst „unkommentiert bleibt“.107 Nichts lässt der Autor über „das Bekenntnis seiner Gegner“ verlauten, außer dass sie vorgäben: !m²stasim Edg cecom´mai, was nach seinem Urteil vom „Glauben“ bzw., wie die Gegner Hymenäus und Philetus, außerhalb der Pastoralbriefe leider unbekannt,108 schon beweisen, von der „Wahrheit“ abbringt. Wir erfahren nicht, ob diese Gegner von der Auferstehung gesprochen haben wie Joh 5,24 f; 11,25 f109 oder wie Kol 2,12 f110 oder Eph 2,5 f;111 denn von der Art ihres Christus-Glaubens ist nirgendwo die Rede, so dass man nur unzulässig behaupten kann, sie sympathisierten offensichtlich „mit dem kol und eph Kerygma des Mit-auferweckt-worden-seins (Kol 2,12; 3,1; Eph 2,6)“.112 Auszuschließen ist daher auch ein Vorstellungshintergrund nach dem Modell des „Briefes an Rheginus“, wonach die Auferstehung schon durch den gnostischen Salvator zustande gekommen ist, d. h. „durch unseren Herrn, den Erlöser, Jesus Christus“ (Rheg 48,18 f), in dessen Auferstehung (45,25 – 29) die präexistentiell erwählten Salvandi (46,25 – 27) als „die lebendigen Glieder“ schon auferstanden sind, so dass sie jetzt nur noch offenbar zu werden brauchen (48,1 – 6).113 Denn das ist deutlich: Das Merkmal, durch das die Gnosis unverwechselbar aus dem spätantiken Geist herausragt, die Konsubstantialität – im Anschluss an Clemens von Alexandrien wäre von der Homousie zu sprechen114 – nach der Salvator-SalvandusKonzeption,115 ist weder mit dem Gnosis-Begriff von 1Tim 6,20 noch mit der 106 107 108 109

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Oberlinner, Pastoralbriefe, III, 54. Roloff, Timotheus, 231. Vgl. Brox, Pastoralbriefe, 248; Roloff, Timotheus, 105. Weiß, Gnosis, 352 – 354. Weiß handelt ebd. einerseits von „einer gnostischen Rezeption der präsentischen Eschatologie des JohEv“ im Rheginosbrief, andererseits ist ihm gewiss, dass in diesem Brief eine Grundposition sichtbar werde, „die derjenigen der in den Pastoralbriefen … bekämpften gnostischen Irrlehre des Hymenaios und Philetos, … , unmittelbar entspricht“ (353). Sellin, Auferstehung, 233 f. Käsemann, Wille, 37 – 40 führt ebenso das Bündel der Stellen Joh 5,24; 11,25 f; Kol 2,12 f; Eph 2,5 f; 2Tim 2,18 an und folgert ebd., 154: „Spiegelt sich im Evangelium historisch jene Entwicklung, welche von den Schwärmern in Korinth und von 2. Tim 2,18 zum christlichen Gnostizismus führt, so ist seine Aufnahme in den Kanon der Großkirche errore hominum et providentia Dei erfolgt.“ Bemerkenswert ist, dass Käsemann, ebd., 39, 40, 154, 155, Anm. 1 im Blick auf 2Tim 2,18 immer nur von häretischer, nicht von gnostischer Verkündigung handelt. Schwindt, Weltbild, 505. Zur Übersetzung s. Schenke, Rheginus, 49 – 52; zur Auslegung vgl. Weiß, Gnosis, 353 f. Vgl. eQ lµ ja· aqt¹r aqto?r bloo¼sior kewhe¸g (Stromata IV 13,91.2). Nagel, Rezeption, 306 formuliert, über den ebd. gegebenen Zusammenhang hinaus zutreffend: „Die Wesensgleichheit zwischen dem Erlöser, …, und den zu Erlösenden, den Pneumatikern, bildet die anthropologische Grundlage der Soteriologie.“ Colpe, Schule, 116 f, 185 f; Ders., Himmelsreise, 120 – 123. Colpe skizziert die doppelte Spaltung, die das Wesen der Gnosis ausmacht: die Spaltung zwischen Diesseits und Jenseits – dem

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Behauptung: !m²stasim Edg cecom´mai (2Tim 2,18) verbunden,116 sonst dürfte von den Pastoralbriefen nicht gesagt werden können, dass sie „die Christologie der Gegner nirgends thematisieren“.117 Denn wo, wenn nicht in der Christologie, müsste der Streit um die Wahrheit zum Austrag gekommen sein. Die Vorstellung, es sei „weder sachlich noch chronologisch undenkbar“, „daß II Tim 2,18 schon eine Reaktion auf unseren Rheginusbrief sei“,118 stellt somit nicht einen beachtenswerten Gedanken, sondern eine Fehleinschätzung dar, die die fundamentale Bedeutung der Christologie für die gnostische „Abhandlung über die Auferstehung“119 und ihr Fehlen im Bild der Gegner in den Pastoralbriefen außer Acht lässt. Aus dem gleichen Grund kann von unmittelbarer Entsprechung nicht die Rede sein. Kann man tatsächlich mit Schlarb den „Auferstehungslogos“ in 2Tim 2,18 als Kernsatz der Auseinandersetzungen mit den Irrlehrern begreifen,120 einen Satz, den der Apostel der Pastoralbriefe doch lediglich „unkommentiert in den Raum stellt“,121 das heißt vor allem, ohne sich inhaltlich damit auseinanderzusetzen? Zwei Punkte sind wohl zu nennen, die im Blick auf die Briefstelle zu würdigen sind: a) Es ist das einzige Mal, dass eine Lehrmeinung der Gegner inhaltlich mitgeteilt wird. Das lässt die Stelle aus dem Übrigen der Pastoral-

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Kennzeichen „Antikosmismus“ vergleichbar – und die Spaltung der Seele in einen oberen Teil, der zum Erlöser wird (salvator), und einen substantiell identischen unteren Teil, der erlöst werden muss (salvandus), damit es zur Redintegration des gefallenen Seelenanteils in seinen transmundanen Ursprung kommt. G. Theißens Definionsversuch unterscheidet sich von Colpes Skizzierung in charakteristischer Weise, insofern er in platonisierender Diktion (s. dazu Bergmeier, Entweltlichung, 63 – 65) von einer „Wesensidentität des inneren Menschen mit der transzendenten Gottheit“ ausgeht (s. Theißen, Religion, 314 f), vom gnostischen Erlöser absehen und demzufolge eine Gnosis annehmen kann, „die unabhängig vom Christentum entstanden ist“ (Religion, 320 f). Von unmittelbarer Entsprechung kann, wenn das Entscheidende fehlt, entgegen Weiß, Gnosis, 353 (s. o. Anm. 113) nicht die Rede sein. Roloff, Timotheus, 238. Zu Schenke, Rheginus, 49. Schenkes Wiedergabe von Layton, Resurrection, 1 überhöht noch dessen „Gedanke“, der selbst schon kritikwürdig ist: Die koptische Wiedergabe der original griechisch verfassten „Abhandlung über die Auferstehung“ stammt aus der ersten Hälfte des 4. Jh. Über die Entstehungszeit des griechischen Traktats wissen wir nichts. In der Literatur der Häresiologen findet sich kein Hinweis, weder auf den Inhalt noch auf den Titel der Schrift noch auf den Empfänger Rheginus. Aus heiterem Himmel wird erklärt: “an anonymous gnostic work probably belonging to the second century A.D.” Indem dann auch die Pastoralbriefe “some time in the second century” verfasst worden sein sollen, geraten sie mit ihrer HäresieAttacke von 2Tim 2,[18] zu einem äußeren Zeugnis der gnostischen Schrift. Peel, Resurrection, 139 f (“The Savior’s Work”). Schlarb, Lehre, 222. j kºcor aqt_m („ihre Verkündigung“ V. 17) stellt zusammen mit t±r beb¶kour jemovym¸ar (V. 16) den Gegensatz zur (kirchlichen) „Verkündigung der (christlichen) Wahrheit“ (t¹m kºcom t/r !kghe¸ar V. 15) dar. Das inhaltliche Abweichen von der Norm der christlichen Wahrheit selbst wird dann in V. 18 an k´comter !m²stasim jtk. festgemacht, nicht wie Schlarb meint, dass b kºcor aqt_m … k´comter die „Zitierung“ der Position der Gegner darstellt. Schwindt, Weltbild, 504.

28 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis briefe so herausragen, dass Schlarb geradezu von der „Zitierung der gegnerischen Hauptthese“ bzw. vom Zitat „des Kernsatzes ihrer Lehrdisputationen“ sprechen kann,122 obwohl wir noch nicht einmal entscheiden können, ob ihre Position förmlich zitiert123 oder lediglich inhaltlich beschrieben wird als “a claim that the resurrection (…) has already occured”.124 b) Es könnte sein, dass die förmliche Verurteilung als Falschlehre die kirchliche Ketzerbekämpfung sensibilisierte, speziell auf diesen Punkt Acht zu haben, so dass für uns der Eindruck entsteht, in 2Tim 2,18 stoße man „auf ein zentrales gnostisches Theologumenon“,125 ein hoch bedeutsames „gnostisches Dogma“, das „in der Kirche von Anfang an als besonders empörend und ketzerisch empfunden“ wurde.126 Allerdings bedarf, was da in der Forschung diesbezüglich zusammengetragen wurde, auch der sorgfältigen Sichtung. Die Belege über Streitfälle in apostolischer Zeit: „Origenes, c.Cels. III,11; Chrysostomus, Hom. in I Cor. 38,1“ stellen lediglich Hinweis auf und Zitat von 2Tim 2,18 dar. Daraus lassen sich keine Schlüsse auf einen gnostischen Zusammenhang oder Hintergrund ziehen. Iust.dial. 80,4 handelt von der Bestreitung, dass Tote auferstehen (lµ eWmai mejq_m !m²stasim, vgl. 1Kor 15,12), Bestreitung in dem Sinn, dass die Seele sogleich beim Sterben in den Himmel aufgenommen werde (vgl. die Häretiker bei Iren.haer. V 31,1: simul atque mortui fuerint dicunt se supergredi caelos etc.), ohne also, wie Iren.haer. V 31,2 gegenargumentiert, auf die Auferstehung des Leibes warten zu müssen. Mit der in 2Tim 2,18 angesprochenen Auffassung haben beide Stellen nichts zu tun. Nach Iust. 1 apol. 26,4 verzauberte der Simon-Schüler Menander viele derart, dass sie glaubten, als seine Jünger würden sie nicht sterben. In dieser primären Form fehlt diesem Überlieferungselement nicht nur die Rede von der schon geschehenen, sondern das Stichwort „Auferstehung“ überhaupt, so dass eine greifbare Nähe zu 2Tim 2,18 nicht vorhanden ist. Erst Iren.haer. I 23,5 wird das Stichwort Auferstehung hinzufügen, so dass nach ihm davon die Rede ist, der Empfang der Auferstehung werde durch die Taufe auf Menander vermittelt, mit der Folge, dass seine Jünger nicht mehr sterben könnten, weil sie nicht mehr alterten. Noch deutlicher rückt Tert.an. 50,2 die Überliefung in den Lichtkegel von 2Tim 2,18, wenn Menander mit der Botschaft angeführt wird, er sei gesandt worden, damit die, die seine Taufe annähmen, sogleich zur Auferstehung gelangen würden (statim resurrectionis compotes fiant). In den Referaten über die gnostischen Lehren selbst berührt Irenäus, soweit ich sehe, den Zusammenhang von Gnosis und Auferstehung nicht, selbst die johanneische Sprechweise in Iren.haer. I 15,2 führt nicht dazu. Auch die Stellen Iren.haer. I 21,2.4 oder 30,14 formulieren nicht in dieser Richtung. Losgelöst 122 123 124 125 126

Schlarb, Lehre, 180, 183. Oberlinner, Pastoralbriefe II, 101. Collins, Timothy, 233. Brox, Pastoralbriefe, 37. Brox, Pastoralbriefe, 248.

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von inhaltlichen System-Referaten begegnet die Feststellung, dass das Erlangen der Gnosis die Auferstehung sei, bei Irenäus im Blick auf die Anhänger von Simon und Karpokrates in Iren.haer. II 31,2,127 bei Tertullian im Blick auf „die Häretiker“ allgemein in Tert.res. 19,1 – 7; 22,1. Erst Hipp.haer. V 8,24 führt avtg, vgs¸m, 1st·m B !m²stasir jtk. unmittelbar im System-Bericht über die Naassener selbst an. Brox argumentiert, Clemens von Alexandrien referiere in Strom. III eine gnostische Auffassung, nach der ihr Eheverbot „mit der schon geschehenen Auferstehung“ begründet werde, so dass durch diese Notiz „zwei isolierte Daten der Pastoralbriefe (1 Tim 4,3 und 2 Tim 2,18) plötzlich einen einleuchtenden sachlichen Zusammenhang“ erhalten.128 Schaut man die Stelle nach, changiert der Eindruck beträchtlich, denn Clemens breitet dort nicht gnostische Überlieferung, sondern eigene, aus dem NT genährte Argumentation aus. Nach III 40,1.2 will er die Häresien insgesamt ("p²sar t±r aRq´seir) nach den Prinzipien der propagierten Lebensweise in zwei Gruppen einteilen, frivole Nivellierung von Gut und Böse bei den einen, überspannte Enthaltsamkeits-Forderungen bei den andern. Die Auseinandersetzung mit der zweiten Gruppe beginnt in III 45,1: To?r d³ eqv¶lyr di( 1cjqate¸ar !seboOsim jtk. In 47,3 ruft er, was Enthaltungsforderungen hinsichtlich „Heirat“ und „Speisen“ angeht, nacheinander das Herrenwort Mt 22,30parr. und das Apostelwort 1Kor 6,13 auf. Demzufolge gilt im Blick auf „was nach der Auferstehung sein wird“ (let± tµm !m²stasim) das Herrenwort oute caloOsim oute cal¸fomtai, aber eben auch das Apostelwort, dass bei der Auferstehung (1m t0 !mast²sei) der Bauch und die Speisen zunichte werden (48,1). Hätten nun die Häretiker, wie sie behaupten, die Auferstehung – Clemens unterstellt natürlich tµm pqosdojyl´mgm !m²stasim (48,2) – tatsächlich erlangt, dürften sie auch nicht mehr essen und trinken, d. h., sie würden gar nicht mehr hungern und dürsten noch all das erleiden, was irdisches Leben mit sich bringt (48,2). Die Clemens’sche Formulierung eQ coOm tµm !m²stasim !peik¶vasim ist also trotz ¢r aqto· k´cousi nicht zitierend aus gnostischer Überlieferung, sondern argumentierend aus dem zitierten Herrenwort geschöpft. Das ganz und gar unausgewiesene ¢r aqto· k´cousi bezieht seine Legitimation aber wohl aus k´comter !m²stasim Edg cecom´mai, die Drastik der Argumentation nicht minder. Denn Clemens lässt sich hier ja nicht, wozu er andernorts – in Auseinandersetzung mit Markion – selbst fähig ist,129 auf ein symbolisches Verständnis von Auferstehung ein, wie es Tert.res. 19,1 – 7 als häretischen Trick vorstellt, sondern argumentiert in der Sache von !m²stasim Edg cecom´mai her im Sinn von „die von uns Christen erwartete ,Auferstehung sei schon geschehen‘ “ . Es scheint mir daher so zu sein: Die Gnosis-Zeugnisse der Kirchenväter sind nicht dazu angetan, die Gegner der Pastoralbriefe als Gnostiker 127 In Iren.haer. I 23,1 – 4 bzw. 25,1 – 6 war davon nicht die Rede. 128 Brox, Pastoralbriefe, 38. 129 Clemens, Stromata III 25,4: fti 1nam´stg toO lm¶lator toO juq¸ou t± p²hg mejq¾samtor, dies in Auslegung des 25,3 zitierten Herrenworts Lk 9,60, kombiniert mit Mt 8,22.

30 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis zu erweisen, aber die auf Gegner bezogenen Stellen der Pastoralbriefe belegten den Kirchenvätern, dass die Gnostiker ihrer Zeit Häretiker waren. Als Beispiel sei Tert.praesc. 33 genommen: (6) Indem er (sc. Paulus) Timotheus belehrt, brandmarkt er diejenigen, die auch die Ehe verbieten (vgl. 1 Tim 4,3): So lehren Marcion und sein Anhänger Apelles. (7) Ebenso erwähnt er diejenigen, die sagten, die Auferstehung sei schon geschehen (vgl. 2 Tim 2,18): Dies behaupten die Valentinianer von sich. (8) Aber auch wenn er die endlosen Abstammungsreihen nennt (vgl. 1 Tim 1,4), erkennt man Valentin: Bei diesem zeugt jener unsägliche ,Äon‘, … Aus dieser ersten Achtheit von Äonen erheben sich dann zehn andere und die zwölf übrigen Äonen mit wunderlichen Namen zu einem bloßen Mythos von dreißig Äonen.130

Einen Extremfall des Bezugs auf 2Tim 2,18 stellt Fragment 1 aus Hippolyts Schrift „Über die Auferstehung an die Kaiserin Mammäa“ dar. Brox zitiert daraus, mit dem leicht irreführenden Zusatz „nach einer alten Überlieferung der Begründer der gnostischen Sekte der Nikolaiten“ verbunden: Nach Hippolyt (De resurr., frgm. I, H.Achelis, GCS 1 (1897), 2. Hälfte, 251) vertrat der Diakon Nikolaos (Apg 6,5) … die Meinung, ,die Auferstehung sei bereits geschehen‘, wobei er unter Auferstehung dies verstand, daß wir an Christus glauben und die Waschung (der Taufe) empfangen, eine Auferstehung des Fleisches aber bestritt.131

Die vorgenannte „alte Überlieferung“ hatte Irenäus begründet, der – analog zur Simon-Identifikation (haer. I 23,1) – in einem ersten Schritt den Nikolaos aus Apg 6,5 zum Namengeber der Nikolaiten aus Apk 2,6.15 gemacht hatte (haer. I 26,3), in einem zweiten Schritt diese Nikolaiten zu einem Ableger dessen, was nach 1Tim 6,20 die fälschlich so genannte Gnosis ist (haer. III 11,1). Darauf fußt auch Hippolyt. Er verknüpft die Nikolaiten-Information des Irenäus mit christianisierten „Auferstehungs“-Elementen aus dessen Menander-Beschreibung (haer. I 23,5), die er dann auf 2Tim 2,18 zuspitzt: Unter den von Nikolaiten gegründeten Sekten „standen vornehmlich die sogenannten Gnostiker auf, zu denen Hymenaeus und Philetus gehörten, über die der Apostel schreibt“, was 2Tim 2,18 geschrieben steht.132 Wir können 130 Tertullian, De praescriptione haereticorum. Vom prinzipiellen Einspruch gegen die Häretiker, übers. und eingel. von D. Schleyer (FC 42), Turnhout 2002, 297, 299. Aus der Zusammenstellung von Pastoralbrief-Notizen, die Tertullian vornimmt, kann man nicht auf eine inhaltlich gnostische Zusammengehörigkeit der Themen bei den Gegnern der Pastoralbriefe schließen, wie Brox, Pastoralbriefe, 38 im Blick auf die oben besprochene Stelle Clemens, Strom III 48,1 anzunehmen scheint. Eine solche Zusammengehörigkeit ist bei Tertullian auch nicht angedacht, denn er bezieht die Notiz von 1Tim 4,3 auf Markion und dessen Anhänger Apelles, die von 2Tim 2,18 auf die Valentinianer. 131 Brox, Pastoralbriefe, 36. 132 Hippolyt’s kleinere exegetische und homiletische Schriften, hg. von H. Achelis (GCS Hippolytus 1. Bd., 2. Hälfte), Leipzig 1897, 251.

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daraus entnehmen, wie Hippolyt die Pastoralbrief-Stelle verstand, aber nichts für deren exegetisches Verständnis. C. Looks machte darauf aufmerksam, dass die Formulierung xeudym¼lor cm_sir (1Tim 6,20) bei Irenäus so internalisiert sei, „daß er sie an insgesamt 15 (!) Stellen verwendet“: neunmal erwähnt er die ,fälschlich so genannte Gnosis (Erkenntnis)‘ (Titel […]; I,23,4; II pr 1; II,14,7 […]; III,11,1; III,12,12; IV,41,4; V pr ; Iren Epid 99) und noch weitere sechsmal die ,fälschlich so genannten Gnostiker‘ (II,13,10; II,31,1; II,35,2; IV,6,4; IV,35,1; V,26,2).

Da Irenäus den programmatischen Titel „der Schrift Adversus haereses“ insgesamt „aus verschiedenen Worten der Pastoralbriefe zusammengesetzt und eben auch 1 Tim 6,20 verwendet“ hat,133 wird man der genannten Briefstelle geradezu mäeutische Bedeutung zuschreiben dürfen: In ihrem Licht nämlich erschloss sich für Irenäus ein Wesens-Zusammenhang, der die disparaten Häresien, die er beschreiben wollte, allererst auf den Begriff brachte.134 Aber der Gebrauch, den der Kirchenvater von der Formulierung xeudym¼lor cm_sir (1Tim 6,20) machte, beleuchtet nicht, wie die Briefstelle im Kontext der Pastoralbriefe selbst zu verstehen ist. Eine Illustration liefert Euseb. Weder Justin noch Hegesipp hatten die Häretiker schon als Gnostiker bezeichnet. Das führte auf der Grundlage von 1Tim 6,20 erst Irenäus ein (haer. I 23,4; III 11,1). In der Folge konnte dann Euseb, der „mit Irenäus sehr vertraute Kirchengeschichtsschreiber“,135 Hegesipp über die nachapostolische Zeit so reden lassen, als habe sich damals „zum ersten Male der gottlose Irrtum durch den Trug der Irrlehrer“ erhoben, die wagten „der Lehre der Wahrheit eine falsche sogenannte Gnosis entgegenzusetzen.“136 Quelle dieser Terminologie ist nicht Hegesipp, sondern 1Tim 6,20 in irenäischer Aufbereitung.137

133 Looks, Das Anvertraute, 335. Die Zählung „neunmal“ ist fragwürdig, da ja Iren.haer. „IV,41,4“ und „Iren Epid 99“ lediglich Titel-Wiederholungen sind. 134 Jonas, Gnosis, 1 setzt mit der Bemerkung ein: „In der Erforschung des spätantiken Synkretismus gibt seit längerem das Problem der Gnosis für die Erschließung ganz neuer Bezirke den Leitfaden ab.“ Er realisiert jedoch nicht, dass es erst Irenäus war, der diesen Begriff aus 1Tim 6,20 zu einem solchen Leitfaden machte. 135 Looks, Das Anvertraute, 464. 136 Eus.h.e. III 32,8, zitiert nach Eusebius, Kirchengeschichte, hg. und eingel. von H. Kraft, Darmstadt 21981, 183. Janßen, Antithesen, 96 schreibt die Formulierung von h.e. III 32,8 fälschlich Hegesipp zu. 137 Euseb geht, aus heutiger Sicht geurteilt, mit seinen Quellen um wie ein Schriftsteller, nicht wie ein Geschichtsschreiber; man braucht im vorliegenden Fall nur h.e. III 32,7 f mit IV 22,4 – 6 zu vergleichen, um zu sehen, wie er Quellenaussagen einsetzt, kreativ umgestaltet und erweitert.

32 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis 1.4 Wurzeln des Gegnerbildes in den Pastoralbriefen Unter 1.1.2 waren wir von dem Befund ausgegangen, dass die literarisch disparaten antihäretischen Aspekte der Pastoralbriefe in sich kein geschlossenes Gesamtbild dieser Gegner ergeben. Danach hatte sich herausgestellt, dass in der Forschung ein solches Gesamtbild erst durch sekundäre Anreicherungen aus weit auseinanderliegenden gnostischen Textbelegen hergestellt wurde, wobei sich ein innerer Zusammenhang allenfalls durch den Oberbegriff „Gnosis“ einstellte, also nicht so, dass man sagen könnte, die Gegner in den Pastoralbriefen waren Gnostiker dieser oder jener Richtung. Wie aber könnte die Disparatheit der Aspekte aus näherliegenden Gründen zu erklären sein? Etwa so: Die epistolaren Lehrschreiben, die wir Pastoralbriefe nennen, zeigen uns im Mantel paulinischer Pseudonymität, wie unter veränderten Bedingungen das Erbe des großen Apostels hochgehalten und bewahrt werden soll. Zu diesem Erbe gehört nicht nur, was die Paulusbriefe an Glaubensverkündigung und ethischer Weisung enthalten, auch die Grenzlinien sind dazuzurechnen, die der Apostel hier und da gegenüber ganz unterschiedlichen und unbestimmten t¸mer gezogen hat (Röm 3,8; 1Kor 4,18; 15,12.34; 2Kor 3,1; 10,2; Gal 1,7; Phil 1,15; vgl. auch 2Thess 3,11). Von so gearteten t¸mer, heterogen wie die authentisch paulinischen, handeln demzufolge auch die Pastoralbriefe (1Tim 1,3.6.19; 4,1; 5,15; 6,10.21; 2Tim 2,18). Was den Gegnern im Einzelnen angelastet wird, ist sozusagen literarischer antihäretischer Standard. Hatte der Apostel in 1Kor 15,12 korinthische t¸mer „sagen“ lassen, fti !m²stasir mejq_m oqj 5stim, so ist ja bis heute umstritten, was diese t¸mer wirklich meinten.138 Der Schreiber von 2Tim 2,18 deutete ihren Logos aber von 1Kor 15,19.32 her so, dass sie „Auferstehung“ auf eine Erfahrung „in diesem Leben“ bezogen, und präzisierte demgemäß ihr k´ceim fti !m²stasir jtk. zu k´comter !m²stasim Edg cecom´mai (2Tim 2,18). Daraus erhellt, warum einerseits der Schreiber an dieser Stelle ausnahmsweise einmal so etwas wie einen Bekenntnissatz anführt, von dem sich wie seinerzeit in Korinth t¸mer haben affizieren lassen (1Kor 15,12c; 2Tim 2,18c), und dass andererseits die in einem Teil der Textüberlieferung gegebene Artikellosigkeit bei !m²stasim durchaus naheliegt. In Gal 1,6 f argumentiert Paulus so, dass seiner Erkenntnis nach t¸mer da seien, die das Evangelium von Christus eQr 6teqom eqacc´kiom verkehren. Christus-Evangelium bildet sich in den Pastoralbriefen im Gebrauch von didasjak¸a ab (1Tim 5,17; 6,1.3; 2Tim 4,3; Tit 1,9; 2,1), leicht erkennbar im Vergleich von 1Tim 4,6 (1mtqevºlemor to?r kºcoir t/r p¸steyr ja· t/r jak/r didasjak¸ar) mit Phil 2,22 (1do¼keusem eQr t¹ eqacc´kiom). Dementsprechend kehren in 1Tim 1,3; 6,3 jene t¸mer von Gal 1,6 f mit ihrem „anderen Evangelium“ wieder als solche, denen ein 2teqodidasjake?m angelastet wird. Von falschem Anspruch, „Gott zu kennen“ (Tit 1,16), handelt 138 Vgl. Bachmann, Gedankenführung, 39 – 52; Ders., 1Kor 15,12 f, 73 – 77.

Johannesevangelium und Gnosis

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Paulus in 1Kor 15,34, wonach sich t¸mer durch !cmys¸a heoO auszeichnen. An die Auseinandersetzung um 1sh¸ete und lµ 1sh¸ete (1Kor 10,27 f) erinnert, wie der übereinstimmende Rekurs auf die Danksagung (1Kor 10,30) belegt, der Passus 1Tim 4,3 f, an den Streit um den rechten Gebrauch der Erkenntnis (1Kor 8,1 f.7.10 f) der Schlusspassus 1Tim 6,20 f; das Nebeneinander von vhºmor und 5qir der t¸mer von Phil 1,15 begegnet wieder in 1Tim 6,4. H. von Lips beobachtet „zu einer Gemeinsamkeit zwischen Gal und Tit: Die in den authentischen Paulusbriefen nur in Gal 2,12 gebrauchte Wendung oR 1j t/r peqitol/r findet sich wieder in Tit 1,10! Es kann kaum Zufall sein, dass der Verfasser des Tit die Gegner der Verkündigung des Titus mit dem gleichen Begriff einordnet wie Paulus in Gal 2,12 die Gegner seines Evangeliums …“139 So besteht Grund zu der Annahme, dass ein historischer Anlass der Gegnerbekämpfung der Pastoralbriefe, den es ja durchaus gegeben haben kann, ausgeweitet und verallgemeinert wurde durch Rekurs auf die Vorgaben, die der große Apostel hinterlassen hatte. Zu der Annahme, dass diese Gegner in irgendeiner Form von gnostischen Ideen berührt waren, besteht keine Veranlassung.

2. Johannesevangelium und Gnosis Nicht ohne Grund fügt Weiß in der „Frage nach der Relation ›Urchristentum – Gnosis‹“ den Überblick über „das spezielle Problem der sog. Pastoralbriefe“ unmittelbar dem über das Verhältnis Johannesevangelium und Gnosis an.140 Für ihn steht fest: Mit seiner unverkennbaren Neigung zu dualistischer Redeweise bekundet das vierte Evangelium „eine gewisse Nähe zu einer spezifisch gnostischen Sprache“, ja es „liegt hier doch ganz offensichtlich ein auf die Gnosis hin angelegtes Sinnpotential vor“.141 2.1 Gnosisnähe und Dualismus Gnosis, Dualismus und johanneische Sprache in eins zu sehen, begegnet in der johanneischen Forschung vielfältig. H. Thyen hat seinerzeit unter Berufung auf L. Schottroff den Zusammenhang des „dem vierten Evangelium eigentümlichen Dualismus“ mit dem „Ganzen der johanneischen Sprache“ in seiner gnostischen Bedeutung eindrücklich vor Augen geführt: „ Himmel“ und „Erde“, „oben“ und „unten“, „Licht“ und „Finsternis“, „Geist“ und „Fleisch“, „Wahrheit“ und „Lüge“, „Gott“ und „Kosmos“ sind in ihm derart auseinandergetreten, daß es keinerlei Brücken mehr gibt. Das Erlösungsziel besteht 139 Von Lips, Korintherbrief, 170. 140 Weiß, Gnosis, 73. 141 Weiß, Gnosis, 71.

34 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis darum in der totalen „Entweltlichung“ des Menschen und seinem schließlichen Auszug aus dem gottfeindlichen Kosmos in die vom Erlöser bereiteten himmlischen Wohnungen.142

Zwar will Weiß der Sicht Schottroffs, wonach Johannes das erste uns ausführlicher bekannte System einer Gnosis sei, die sich christliche Traditionen adaptiere, nicht das Wort reden,143 gleichwohl bleibt Gnosisnähe der Sprache des Johannesevangeliums für ihn zugleich ein Phänomen „seiner dualistischen Weltsicht“, der die „Einzeichnung der Christologie in ein dualistisches Rahmenkonzept (Joh 3,13.31!)“ entspricht.144 Dies setze keine Abhängigkeit von gnostischen Quellenschriften voraus, „wohl aber – vorsichtig ausgedrückt – den Ursprungsort des Johannesevangeliums bzw. der spezifisch johanneischen Tradition im Umkreis einer entstehenden Gnosis, möglicherweise in Syrien“.145 Die dargelegte Problematik wird in rezeptionsgeschichtlicher Sicht noch einmal vertieft, denn nur äußerlicher oder formaler Art seien jene Anknüpfungsmöglichkeiten, die die gnostischen Ausleger in dieser Schrift fanden, jedenfalls nicht gewesen, wie Weiß im Einzelnen ausführt: Was vielmehr konkret die Möglichkeit einer spezifisch gnostischen Interpretation des JohEv.s begründete, ist der sog. johanneische Dualismus gewesen, d. h. jenes eigentümlich ›dualistische‹ Wirklichkeitsverständnis, das sich, gleichsam programmatisch, bereits im Prolog des JohEv.s äußert: ›Und das Licht scheint in der Finsternis, …‹, ein ›johanneischer Dualismus‹ also, der sich sodann im gesamten Evangelium in den Gegensatzpaaren von ›Licht und Finsternis‹, ›Leben und Tod‹, ›Wahrheit und Lüge‹, darüber hinaus nicht zuletzt auch in der Gegenüberstellung von ›Oben‹ und ›Unten‹ fortsetzt.146

Dementsprechend, so Weiß an späterer Stelle, sei die Frage nach einer gnostischen Prägung der ursprünglich johanneischen Tradition die Schlüsselfrage der Interpretation dieses Evangeliums, eine Frage, die in methodischer Hinsicht unter dem Aspekt von Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte zu beantworten sei.147 Erhärtet also die Prominenz seiner spezifisch gnostischen Rezeptionsgeschichte den Anfangsverdacht, dass dem Evangelium selbst als Potenz bereits eigen war, was Gnostiker darin nur wiederzuentdecken brauchten?148 Das ist aber keine notwendige Sicht der Dinge, denn wir können sie mit Weiß selbst auch anders sehen. Gegenüber Iren.haer. III 11,7 plenissime utentes beobachtet er, der gnostische Gebrauch des Johannesevangeliums 142 143 144 145 146

Thyen, Literatur, 50. Weiß, Gnosis, 70 mit Zitat aus Schottroff, Welt, 295. Weiß, Gnosis, 71; vgl. auch 353. Weiß, Gnosis, 73. Weiß, Gnosis, 390. Zur begründenden Vorlage solcher Sicht vgl. etwa Schenke, Christologie, 226, doch s. Bergmeier, Weihnachten, 163 – 175. 147 Weiß, Gnosis, 397. 148 Vgl. dazu Weiß, Gnosis, 71 f („Sinnpotential“), 334 („in diesem Evangelium selbst bereits eine ›Potenz‹ vorgegeben“).

Johannesevangelium und Gnosis

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beschränke sich doch sehr stark „auf die Benutzung des Prologs zum JohEv“, sei damit ein Hinweis „auf den hohen Stellenwert, der im Rahmen gnostischer Denkweise dem Mythos vom ›Ursprung aller Dinge‹ (…) zukommt, begründet jedoch keineswegs eine Sonderstellung des JohEv.s gegenüber den anderen Schriften des Neuen Testaments“. Sein häufiger Gebrauch im überlieferten gnostischen Schrifttum weise „als solcher noch keineswegs auf eine besondere gnostische Prädisposition des JohEv.s selbst hin, sondern, ebenso wie im Falle der synoptischen Evangelien, zunächst nur auf eine Lesart auch dieser Evangelienschrift unter einem gnostischen Vorzeichen“.149 Lässt man sich nämlich von Weiß daran erinnern, dass der Gnostizismus nach Rudolph keine eigene Tradition, sondern nur eine geborgte habe, wird zugleich deutlich, dass die aus dem Johannesevangelium oder aus anderen neutestamentlichen Schriften rezipierten Texte und Motive „am Ende allesamt in einen neuen, eben gnostischen Kontext integriert bzw. auf ein spezifisch gnostisches Zentrum hin ausgerichtet worden sind bzw. nunmehr, in einem gnostischen Kontext, gleichsam unter einem gnostischen ›Vorzeichen‹ stehen“.150 Ähnlich bringt auch Chr. Urban – mit den Worten R.McL. Wilson’s – die Frage ins Spiel: Stammen gnostisch anmutende Ausdrücke und Begriffe im Johannesevangelium „aus der Gnosis oder dem Gnostizismus, oder wurden sie nur gnostisch im Zusammenhang mit einem gnostischen System?“151 Im Blick auf die Frage, die, wie wir sahen, von Weiß ins Zentrum des johanneischen Problems gerückt wurde, die Frage nach dem Verhältnis der johanneischen zur gnostischen Sprache, fordert Urban jedoch in ihren Ausführungen zu „Johanneische Sprache und gnostische Sprache“ als methodische Prämisse, zunächst das Phänomen, das man mit einem anderen Phänomen vergleichen will, selbst zu bestimmen, „ohne es textfremden Fragen oder Erkenntnisinteressen zu unterwerfen“.152 Zu dem von Weiß als gnosisnahe diagnostizierten dualistischen Rahmenkonzept der Rede vom eWmai 1j t_m j²ty im Unterschied zum eWmai 1j t_m %my des johanneischen Jesus153 führt Urban aus, dass die „eWmai1j-Formeln in Ursprungs- und Zugehörigkeitsaussagen“ zu unterscheiden seien,154 so dass „nur die anthropologisch-christologischen“ Formulierungen eWmai 1j t_m j²ty und eWmai 1j t_m %my Ursprungsaussagen sind, und zwar 149 Weiß, Gnosis, 307. Weiß nähert sich so zwar grundsätzlich der von Markschies, Gnosis, 1047 f erinnerten Erkenntnis, dass „ »potentielle Gnostisierbarkeit« und gnost. Charakter eines Textes zu unterscheiden“ seien, aber er vollzieht sie nicht. 150 Weiß, Gnosis, 32. 151 Urban, Menschenbild, 91 mit Anm. 83, dort Zitat aus Art.: Gnosis/Gnostizismus II, TRE 13 (1984), 535 – 550, hier 540. 152 Urban, Menschenbild, 85 – 95, hier 87 und 94. 153 Weiß, Gnosis, 71 f, 353. 154 Urban, Menschenbild, 333, vgl. auch 379, 454 u. ö. Aus Gründen, die ich nicht kenne, versucht Urban, ebd., 334 in dieser Frage einen verwinkelt formulierten Gegensatz zu meinen Ausführungen in: Glaube, 220 aufzubauen und verdeckt damit, dass die sorgfältige Unterscheidung in Herkunfts- und Zugehörigkeitsaussagen, s. ebd., 220 – 223 und 234 Gegenstand meiner Ausführungen war.

36 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis dahingehend, dass sie analog den „jt¸fy-1j-Formulierungen“ des frühjüdisch-weisheitlichen Sirachbuchs,155 also fern aller gnostischen Fragestellung, die irdische Begrenztheit aller Menschen zum Ausdruck bringen. In diesem Sinn handelt Joh 8,23 nach Urban von einer anthropologisch-christologischen Gegenüberstellung, in der die anthropologische Seite „die wesenhaft menschliche Begrenztheit und Unvollkommenheit“ zum Ausdruck bringt und als „Gegensatz zur eWmai-1j-Aussage über den Sohn konstruiert wird“.156 Dies in der Tat müsste jedem, der sich exegetisch mit dem Johannesevangelium beschäftigt, auffallen, dass es in dieser Evangelienschrift insgesamt keine der Gnosis vergleichbare Sprache gibt, die von Menschen Herkunfts- oder Ursprungsaussagen machte, die denen vom Salvator gleichkämen. Zur Verdeutlichung vergleiche man nur, wie sich johanneische Sprache in gnostisierter Umgestaltung darstellt: Es ziemt sich aber, daß sich die Seele selbst wieder gebiert und daß sie wieder wird, wie sie früher einmal war. Die Seele nun gerät von selbst in Unruhe, und sie empfängt das Göttliche vom Vater, um erneuert zu werden, damit sie wieder an den Ort, an welchem sie zu Beginn war, versetzt werden kann. Das ist die wahre Auferstehung von den Toten. Das ist die Befreiung von der Gefangenschaft. Das ist der Aufstieg hinauf zum Himmel. Das ist der Weg hinauf zum Vater.157

Da nun dem Johannes-Evangelium die Salvator-Salvandus-Konzeption nicht zugrunde liegt, findet Salvator-Terminologie auf die Salvandi keine Anwendung,158 ist Heil nicht als Rückkehr in den Himmel vorzustellen.159 Vom Sohn wird nicht nur gesagt, er sei vom Vater bzw. von Gott gesandt,160 sondern auch, er sei von Gott (3,2; 8,42; 16,27), von oben (3,31), vom Himmel gekommen (3,31) bzw. vom Himmel herabgestiegen (3,13; 6,33) und steige dahin auch wieder hinauf (3,13; 6,62, vgl. auch 13,3; 20,17) bzw. gehe zum Vater (17,11.13). Ihm ist eine vorweltliche Herrlichkeit zu eigen, die die Seinen einmal sehen sollen (Joh 17,5.24), ohne aber selbst aus ihr gekommen zu sein oder wieder in sie einzugehen. Auch Johannes der Täufer war von Gott gesandt (1,6.33), stammte aber wie alle Menschen von der Erde (3,31). Dahin zu gelangen, wohin der Sohn des Vaters gehen kann, weil er von dort gekommen 155 Urban, Menschenbild, 304. 156 Urban, Menschenbild, 364 (Der Originalsatz wäre als Zitat nicht verstehbar). In der Sache vgl. Bergmeier, Glaube, 242, Anm. 113. 157 ExAn (NHC II,6) 134,6 – 15, zitiert nach Franke, Erzählung, 274. Thematisch Ähnliches findet sich auch sonst, s. z. B. AJ (NHC II,1) 31,11 – 25; Lidzbarski, Mandäische Liturgien, 223,9 – 226,9; zum Perlenlied vgl. Jonas, Gnosis, 320 – 326. 158 Völlig willkürlich dreht Schenke, Christologie, 227 im Blick auf Joh 2,23 – 3,21 und 3,31 – 36 das sonst vorherrschende Argumentationsmuster um, indem er das Abweichen der Texte von seiner Vorstellung als „das interessante Phänomen“ erklärt, „daß nicht die gnostische ErlöserVorstellung, sondern die gnostische Anthropologie (die ja aber in der Gnosis ganz eng mit der Erlöser-Vorstellung zusammenhängt) die johanneische Christologie bestimmt.“ 159 Formulierung mit Schottroff, Welt, 237. 160 Joh 3,17.34; 5,23 f.36 f.; 6,38 f.44.57; 8,16.18; 10,36; 12,49; 14,24; 20,21.

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ist, bedarf im Blick auf den Menschen, dass er dem Sohn vom Vater aus der Welt gegeben wird (17,6), dass er demzufolge zum Glauben an den Sohn kommt (3,15 f.36; 6,29.40; 11,25 f; 20,31), durch den allein er auch zum Vater kommen kann (14,6), zur Auferstehung gelangt (5,24 f; 11,25 f), aus dem Geist neugeboren wird (3,3.5). Wer solcherart glaubt, ist somit nicht einer, der dahin gelangen wird, von wo er ursprünglich ausgegangen ist.

2.2 Sackgasse einer vermeintlichen Alternative Urbans Ergebnisse zum Verständnis der johanneischen Sprache lassen sich einerseits präzisieren, bedürfen aber andererseits gründlicher Korrekturen. Macht man sich Urbans Forderungen zu eigen, johanneische Aussagen streng im „Bezug zu ihrer Kontextstellung“ zu lesen161 und nicht textfremden Fragen und Erkenntnisinteressen zu unterwerfen162 oder durch „textfremde Begrifflichkeiten Aussagen des Joh verhüllen oder verdecken“ zu lassen,163 muss man zunächst fragen, ob sie sich selbst an ihre Forderungen gehalten hat. Sie setzt nämlich die Auslegung der strittigen Verse Joh 8,23 und V. 44 einer Reihe von Vorentscheidungen aus, die das Ergebnis präjudizieren. Die „Strukturanalyse von Joh 8“ lässt sie mit 8,21 – 30 als dem „ersten Gesprächsgang“ beginnen164 und hat damit schon die Bedeutung der Klammerung der Gesprächsabschnitte verfehlt, führt doch das oqj 1cm¾jate aqtºm (V. 55a) die Folge der „dialogischen Auseinandersetzung Jesu mit den Juden“165 (8,12 – 59) auf den Ausgangspunkt oute 1l³ oUdate oute t¹m pat´qa lou (V. 19) zurück, so dass „die Möglichkeit einer Inbeziehungsetzung der Juden zu Jesus“166 gerade nicht in dem Sinn vorgeführt wird, dass ihnen die Wahl ihrer „jeweiligen Bezugnahme offensteht“.167 Nach Urban wird in V. 33 „über die Juden im allgemeinen gesprochen“,168 während doch die Narratio dramaturgisch gerade damit überrascht, dass die „wir“ von V. 33 diejenigen Juden sind, die zwar nach V. 30 f gerade angefangen haben, an ihn zu glauben, am Ende aber im Kontrast zur Abrahamskindschaft, auf die sie sich berufen, Jesus zu steinigen versuchen werden (V. 56 – 59).169 Von zwei Vorgaben her trägt Urban „Offen161 Urban, Menschenbild, 309. 162 Urban, Menschenbild, 21, 55, 87. 163 Urban, Menschenbild, 36. Urban verkennt a. a. O., dass ich den Begriff „Prädestination“ behelfsmäßig benützte in dem Sinn, dass im Johannesevangelium Menschen als zur Heilsteilhabe bestimmt (die der Vater dem Sohne „gegeben hat“ Joh 6,37.39; 10,29; 17,6.9.24; 18,9) oder verschlossen (Joh 8,43 f; 12,37 – 40) erscheinen, vgl. Glaube, 29, Anm. 11, im Übrigen ist der Buchtitel „Glaube als Gabe nach Johannes“ binnensprachlich formuliert. 164 Urban, Menschenbild, 310. 165 Urban, Menschenbild, 297. 166 Urban, Menschenbild, 331. 167 Urban, Menschenbild, 309. 168 Urban, Menschenbild, 360. 169 Vgl. dazu Bergmeier, Glaube, 224 f.

38 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis heit“ in Joh 8 und, im Vorbeigehen,170 in Joh 12,35ff ein, die von den Texten selbst nicht zum Ausdruck gebracht wird.171 Indem Urbans Blick auf die johanneischen Texte wie selbstverständlich von der uns Heutigen geläufigen Sicht ausgeht, dass „der Mensch seinem Wesen nach zwar einerseits immer in Beziehung zu etwas oder jemandem stehen muß, aber ihm andererseits die Wahl seiner jeweiligen Bezugnahme offensteht“172 bzw. dass mit der menschlichen Chance einer Beziehungskonstituierung „die ebenso wesenhaft im Menschen angelegte Möglichkeit seiner Neukonstituierung, seiner Veränderbarkeit“ einhergeht,173 erscheinen ihr auch Joh 8 und 12 in solchem Licht. Die genannten anthropologischen Vorgaben werden durch Anleihen bei der frühjüdischen Weisheit des Sirachbuchs unterfüttert. Urban entwickelt aus den “jt¸fy-1j-Formulierungen Sirachs“174 – die sich jedoch nur in 17,1 und 36,10, auf die Menschen selbst bezogen nur in 17,1 finden – die anthropologischen Auffassungen Ben Siras im Sinne der „Relationalität der Menschen einschließlich ihrer absoluten Begrenztheit“,175 verbunden mit einer bedingten Entscheidungsfreiheit des Menschen über sein Wohin,176 und sieht die Möglichkeit gegeben, diese Auffassungen „in die Diskussion um die joh eWmai1j Bezeichnungen“ einzubeziehen.177 Das Ergebnis liest sich so: In Joh 8,21ff erfolgt eine „Differenzierung der eWmai-1j-Aussagen in Ursprungs- und Zugehörigkeitsaussagen“.178 Die Zugehörigkeitsaussagen beantworten die Frage nach dem Wohin der Menschen,179 so dass im Sirachbuch „nun in der Tat eine beachtliche Nähe zu joh anthropologischen Aussagen im allgemeinen, aber aufgrund der Zugehörigkeitsaussagen über die jt¸fy-1j-Formeln auch zu Joh 8,44 zu konstatieren“ sind.180 Lassen wir die griechisch nicht nachvollziehbare Deutung von eWmai 1j als „Hinkunftsbezeichnung“ beiseite,181 muss man nachfragen, wie Urban es schafft, die Aussagen in Joh 8,44.47 als Beschreibung eines von den Juden selbst gewählten Solipsismus182 oder „absoluten Selbstbezugs“ auszuweisen.183 In gewisser Weise verdankt sich dieses Ergebnis dem Entschluss, die christologisch angelegte Auseinandersetzung von Joh 8 anthropologisch zu lesen. Der johanneische Text hat von V. 19 an das Vater-Sohn-Thema zum Gegenstand, das in V. 38 in die Entgegensetzung 1c¾ 170 171 172 173 174 175 176 177 178 179 180 181 182 183

Urban, Menschenbild, 383, Anm. 285. Zu Joh 12,37 – 43 vgl. Bergmeier, Glaube, 228 – 231. Urban, Menschenbild, 309. Urban, Menschenbild, 447. Urban, Menschenbild, 403. Sie verweist ebd., 192 auf „(Sir 17,1; vgl. z. B. auch 41,[10])“. Urban, Menschenbild, 305. Urban, Menschenbild, 304. Urban, Menschenbild, 305. Urban, Menschenbild, 393. Urban, Menschenbild, 392, 394. Urban, Menschenbild, 393. Urban, Menschenbild, 394 Urban, Menschenbild, 360, 378, 388. Urban, Menschenbild, 387 f.

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– rle?r zugespitzt, dann weiter entfaltet wird in die Argumentation: Während Jesus redet, was er von seinem Vater gehört hat (die Wahrheit, V. 40, vgl. V. 26), tun die Angeredeten, was sie von ihrem Vater, der Mörder und Lügner ist (V. 44), gehört haben. In anthropologischer Lektüre verschiebt sich mit der Blickrichtung das Thema, so dass aus „selbstbestimmten Identitätsaussagen“184 (Abraham bzw. Gott ist unser Vater [V. 39.41]) Aussagen über „menschliche Selbstbezogenheit“185 und selbstverschuldeten Solipsismus werden.186 Demnach ist der Unglaube als A-Relationalität „einzig durch einen bewußten Selbstbezug entstanden“.187 So geht es nach Urban in Joh 8,31 – 47 „um die Frage nach dem Wohin der Juden zum Leben oder zum Tod, die sich durch die selbstbestimmte[n] Identitätsaussagen der Juden in V 44 als eine Zugehörigkeitsaussage beantworten“ lässt.188 Die „anthropologische Funktionalisierung des Teufels als kak0 t¹ xeOdor, 1j t_m Qd¸ym kake?“189 beschreibt sodann nichts anderes als die solipsistische Haltung der Menschen, das „aus dem Eigenen reden“ als ein total selbstbezogenes ,Aus-sich-selbst-sein-wollen‘“,190 als würde die johanneische Text-Entgegensetzung lauten: Während ich nichts aus mir selbst (!p( 1lautoO) tue, sondern rede, wie mich mein Vater gelehrt hat (V. 28), wollt ihr aus euch selbst (!v( 2aut_m) handeln, wie euch euer Vater gelehrt hat, der von Anfang an aus sich selbst (!v( 2autoO) sein wollte. Aber in welcher Handschrift finden wir dazu den passenden Evangelientext? Die nächstliegende Lesart von Joh 8,44 sagt ja vom Teufel, dass „die Wahrheit nicht in ihm ist“, so dass, wenn er redet, was ihm eigen ist, Lüge redet. Philologisch bezeichnet 1j t_m Qd¸ym „was jemandem eigen ist“ und nichts sonst. Die Vorfahren des Hohenpriesters Onias II. hatten nach Flav.Jos.Ant. 12,158 die Tributleistungen, schwerlich solipsistisch, „aus der eigenen Tasche gezahlt“ (1t´koum 1j t_m Qd¸ym). Parallel zu 1j t_m Qd¸ym (Joh 8,44) argumentiert Joh 15,19 im Blick auf die Jünger : Wenn ihr zur Welt – aus deren Zugehörigkeit ich euch erwählt habe – gehören würdet (1j toO jºslou eWmai), würde die Welt das ihr Zugehörige (t¹ Udiom) lieben.191 Wie nun, wer nach Joh 3,31 irdisch ist, von dem redet, was irdisch ist (1j t/r c/r 1stim ja· 1j t/r c/r kake?), redet der Teufel, wenn er Lüge redet, von dem, was ihm als Vater der Lüge eigen ist. Was die Angeredeten also von ihrem Vater lernen, kann nichts anderes als Lüge sein, von Lüge sind daher auch sie erfüllt, so dass Jesu Wort in ihnen keinen Raum hat (8,37). Würden sie aber zu Gott als ihrem Vater gehören, würden sie auch sein Wort annehmen (V. 47), d. h. nach 6,45: von ihm hören und lernen und also zu Jesus kommen. Man braucht das nicht Präde184 185 186 187 188 189 190 191

Urban, Menschenbild, 396, vgl. auch 388. Urban, Menschenbild, 364, vgl. auch 371, 373. Urban, Menschenbild, 397. Urban, Menschenbild, 389. Urban, Menschenbild, 396. Urban, Menschenbild, 396. Urban, Menschenbild, 363, 371. Der Anklang an „Selbstliebe“ ergibt sich nicht aus t¹ Udiom, sondern aus vike?m.

40 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis stination zu nennen, wenn man nur darauf verzichtet, da ein Nicht-Wollen und Sich-selbst-Bestimmen hineinzulesen, wo von Entscheiden und Wollen nicht die Rede ist, es sei denn, es folge aus vorgängiger „Kindschaft“: t±r 1pihul¸ar toO patq¹r rl_m h´kete poie?m (8,44). Im ganzen Evangelium gilt, dass sich ein Mensch nichts nehmen kann, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist (3,27). Und deshalb wird von den „Seinen“ nicht so geredet, als hätten sie aufgrund der ihnen offenstehenden Wahl ihrer Bezugnahme192 bzw. der prinzipiell gegebenen Relationalität eine Beziehung zu Jesus konstituiert und ihm sodann weitere Jünger zugeführt,193 sondern so, dass sie Jesus vom Vater gegeben sind (Joh 6,37.39; 10,29; 17,6.9.24; 18,9), da das Kommen zu Jesus allein auf dem Ziehen des Vaters beruht (6,44). Urban hat wohl richtig erkannt, dass die Antithetik „oben – unten“, „himmlisch – irdisch“ (Joh 3,12.31; 8,23) nicht von gnostischem Dualismus her zu erschließen ist, hätte freilich noch deutlicher die Spuren verfolgen können, die in die Sprachwelt des hellenistischen Judentums weisen194 und von daher auch im sonstigen frühchristlichen Schrifttum begegnen. Verfehlt aber erscheint mir ihr Bemühen, den „prädestinatianisch“ erscheinenden Firnis johanneischer Texte nicht nur, was den Begriff Prädestination angeht, sondern zugleich in der Sache selbst zu tilgen. Wie Urban wehrt auch Thyen im Blick auf die Narratio des Evangeliums die dogmatischen Obertöne einer exegetischen Verwendung des Prädestinationsbegriffs ab. Allerdings neigt er dann seinerseits zu Aussagen, die gegenüber dem Text des Evangeliums frei konjiziert sind, so z. B. zu Joh 10,25 – 27: „Wieder begegnet hier das Paradox, daß sie nicht glauben und nicht hören können, weil sie nicht seine Schafe sind, und daß sie sich durch ihr NichtGlauben- und Nicht-Hören-Wollen doch zugleich erst zu Nicht-Schafen machen, …“195 Tatsächlich aber gibt schon die Hirtenrede (Joh 10,1 – 21) vor, dass es Schafe gibt, die als solche einem bestimmten Hirten gehören (V. 3 f), während sie einem anderen nicht gehören (V. 12). Und dieser Vorgabe entspricht dann die Rede von den „anderen Schafen“, die auch noch, weil sie seine Schafe sind (ja· %kka pqºbata 5wy), seiner Stimme folgen werden (V. 16).196 Abschließend führt V. 29 die Rede von „seinen Schafen“ darauf zurück, dass der Vater sie ihm gegeben hat. Die Eindeutigkeit dieser Aussage wäre wie im Blick auf die Wendung: oqde·r d¼matai 1khe?m pqºr le 1±m lµ b patµq b p´lxar le 2kj¼s, aqtºm in Joh 6,44 mit Thyen so zu umgehen, „daß Gottes ,Ziehen‘ kein vorzeitiges und schon gar nicht ein ,doppeltes‘ Dekret, sondern aktuelles Geschehen ist“,197 indem nicht anders als im Glauben, im Kommen zu Jesus 192 Vgl. oben Anm. 167.172. 193 Urban, Menschenbild, 363. 194 Vgl. Bergmeier, Glaube, 255, Anm. 332. Schaller, Testament, 367 merkt zu TestHiob 46,8 an: „Zur Antithese 1j t/r c/r – 1j toO oqqamoO vgl. 1 Kor 15,47; Joh 3,31.“ Zu Joh 3,12 f s. Bergmeier, Gottesherrschaft, 202 f. 195 Thyen, Johannesevangelium, 498. 196 Zu Auslegungsfragen im Einzelnen s. Bergmeier, Glaube, 26 f. 197 Thyen, Johannesevangelium, 361.

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Gottes Ziehen oder Geben geschieht. Blicken wir aber auf Formulierungen wie die von Joh 17,2.6.24, wird man sagen dürfen, dass dieselben von Eph 1,4 f nicht mehr weit entfernt sind, so dass J. Becker wohl zu Recht von „der exkludierenden Gnadenwahl Gottes vor aller Zeit“198 sprechen kann: „Analog den christologischen Herrlichkeitsaussagen mit ihrer Zentrierung in der Präexistenz wird auch die Heilslehre verwurzelt in der Ewigkeit vor aller menschlichen Geschichte. Weltgeschichte ist vorzeitlich in der Ewigkeit festgelegte Heils- und Unheilsgeschichte und mündet wieder in derselben Ewigkeit (V 24).“199 So sei auch die Einheit nach Joh 17 – „durch die Reziprozitätsformel gleichsam definiert“200 – „wie 10,14 f. im gegenseitigen Kennen kraft Besitzverhältnisses aufgrund göttlicher Determination zu sehen“.201 Unrecht hat Becker jedoch darin, dass er im gleichen Zusammenhang „Entweltlichung“ wie ein Merkmal behandelt, das einem Text „Nähe zur Gnosis“ verleiht.202 Denn da fehlt die Rechenschaft darüber,203 was sich in der Rezeptionsgeschichte des Johannesevangeliums allererst noch an Wandlung vollziehen musste, bis dasselbe in der Gnosis angekommen war : Der „Akosmismus“ bloßer „Entweltlichung“ musste sich im gnostischen Bruch transformieren in „Antikosmismus“,204 aus der „ehemaligen für die Sendung verlassenen Herrlichkeit“, um deren Restitution der Vater in 17,5 gebeten wird, musste eine in die !p¾keia geratene Herrlichkeit werden, aus deren Verlorenheitsstand die Seinen, gnostisch gesehen, mit gerettet wurden, weil die in die Tiefe der Materie entsunkene v¼sir ihrer vorweltlichen, d. h. „im Denken“ des Vaters statuierten Erwählung (1jkoc¶) mit jener Doxa immer schon wesensverwandt war. So sollte sich die Exegese wohl eher an E. Haenchens großer Lernbereitschaft im Umgang mit den gnostischen sowohl als auch den johanneischen Texten orientieren: Das JE benutzt wohl einige gnostisch klingende Sätze, ist aber wesentlich von der gnostischen Lehre verschieden: sein Erlöser, Jesus, ist nicht einer jener gefallenen göttlichen Funken, sondern der ,Sohn‘, der von je in ungestörter Einheit mit dem Vater existiert hat, und unter den Menschen gibt es keine v¼sei s\fºlemoi, von Natur gerettete Menschen, auch keine, die sich durch gute Taten die Rückkehr zum göttlichen Lichtreich verdienten, sondern nur die, denen durch den unerforschlichen göttlichen Willen das Heil durch den Glauben … erschlossen wurde. Judas ist der 198 Becker, Johannes, 623, vgl. auch ebd., 631 („durch Prädestination in die vorzeitliche Dimension eingebunden“). 199 Becker, Johannes, 620 f. 200 Becker, Johannes, 629. 201 Becker, Johannes, 630. Die Ausdrucksweise erläutert sich durch die Beobachtung, es werde unermüdlich betont, „daß die Adressaten der Sendung die Menschen sind, die Gott Jesus gegeben hat“ (ebd., 629). 202 Becker, Johannes, 620 f, 623, 630. 203 Becker, Johannes, 629, 631 deutet solche Rechenschaft an, ohne jedoch die Problematik von „Nähe“ und Differenz zur Gnosis zu klären. 204 Bergmeier, Entweltlichung, 79 f.

42 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis Typus der ,Söhne des Verderbens‘, die von der Gnadenwahl ausgeschlossen waren. Der Christ, dem der Glaube an den Erlöser geschenkt wurde, verdankt sein Heil … der göttlichen Gabe.205

2.3 Fragen zu den Quellen des Johannesevangeliums Mit Weiß waren wir von der Frage nach „dem Ursprungsort des Johannesevangeliums“ bzw. von der „Rückfrage nach Ursprung und Entstehungsbedingungen der johanneischen Tradition“ ausgegangen. Sie hat mit der Betrachtung und Erklärung dessen zu tun, was man häufig den „johanneischen Dualismus“ genannt hat. Wie wir mit Urban gesehen haben, ist nicht jede Opposition, nicht jede Antithetik von einem dualistischen Antagonismus bestimmt. Urban selbst hat aber die Verwendung des Dualismusbegriffs nicht sorgfältig genug reflektiert.206 Aus dem gleichen Grund würde ich die Terminologie „johanneischer Dualismus“ auch nicht durch die Rede von „dualistischen Motiven“ ersetzen wollen,207 sondern die Oppositionen danach sortieren, ob oder inwieweit sie überhaupt dualistisch bestimmt, d. h. auf die antagonistischen Pole von Gut und Böse ausgerichtet sind. Das gilt zumal im Blick auf die „unüberwindbare Differenz von Himmel und Erde“,208 nach der die Herkunftsbezeichnungen des johanneischen Jesus und der Menschenwelt einander gegenübergestellt werden. Im Blick auf die Langfassung des Johannesapokryphons illustriert E.E. Popkes eindrücklich, wie sich die „johanneische spatiale Rhetorik … von ihrer gnostischen Modifikation im ,PronoiaMonolog‘ “ unterscheidet.209 Nahe bei der „Differenz von Himmel und Erde“ liegt johanneisch die Opposition von „Fleisch“ und „Geist“ (3,5 – 8), von irdischer und göttlicher „Zeugung“ (1,13). „Fleisch“ und irdische Zeugung sind Merkmale des irdisch kreatürlichen Daseins, nicht dualistische Kennung, also nicht um den Pol des Bösen und Gottfeindlichen angeordnet,210 mit den Worten L. Schottroffs: „Nicht Gottfeindlichkeit ist mit der s²qn gegeben, 205 Haenchen, Johannesevangelium, 222. Der Verfasser der Diss. „Bergmeier, R., Studien zum religionsgeschichtlichen Ort des prädestinatianischen Dualismus in der joh. Literatur, masch. Diss. Heidelberg 1974“, die Haenchens Literaturhinweise anführen, fühlt sich mit dem Zitat, wenn man von der unjohanneischen, deshalb hier ausgelassenen Rede von den „guten Werken“ absieht, bestens verstanden. 206 Urban spricht von einem anthropologischen Grunddualismus „Verstehen – Nichtverstehen“, s. Menschenbild, 83, als den „prinzipiell im Menschen angelegten Möglichkeiten des Verstehens und Nichtverstehens“, und dies aufgrund seiner Sprachfähigkeit, durch die er darin eingebunden ist, „daß alle Sprachsysteme ihrem Wesen nach offene Systeme sind“, s. ebd., 445. Was besagt dann aber der Gebrauch des Begriffs Dualismus? 207 Popkes, Theologie, 11 – 17 u. ö.; Frey, Hintergrund, 14 – 73. 208 Stroumsa, Dualismus, 1004. Vgl. dazu auch Käsemann, Wille, 131. 209 Popkes, Theologie, 221 zu AJ (NHC II,1) 30,23 – 31,31 im Exkurs „Anmerkungen zum religionsgeschichtlichen Profil der spatialen Motive johanneischer Christologie“ (219 – 222) im Rahmen von „2.3 Die spatiale Rhetorik (Joh 3,12 – 15)“ ebd., 214 – 222. 210 Bergmeier, Glaube, 219 f.

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sondern nur vergängliche, sichtbare Menschlichkeit, die mit der physischen Zeugung beginnt und mit dem Tode endet …“211 Freilich gilt wie in 1Kor 15,50, dass Fleisch und Blut vom Gottesreich ausgeschlossen sind, weshalb es, um in die Basileia einzugehen, allererst der Neuschöpfung im Glauben bedarf (Joh 3,5), im Glauben an den, der allein das ewige Leben zu schenken vermag (3,15 f). Entsprechend sterben, die nicht glauben, in ihren Sünden (8,21.24), denn sie können, wohin Jesus geht, nicht hingelangen.212 So gehört auch die metaphorische Opposition Leben und Tod mit ihrer biblisch frühjüdischen Vorgeschichte in das Gebiet der Antithetik, nicht des Dualismus, wie man an dieser Vorgeschichte ablesen kann.213 Eine dualistische Komponente hingegen haben die Oppostionen Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge, Gott und Teufel. Ihre Verwendung in Joh und 1Joh weist noch unverkennbar Spuren ihrer religionsgeschichtlichen Matrix auf. Diese Spuren stellen sich dar, wie folgt: Gott

Teufel

eWmai 1j toO heoO (Joh 8,47)

eWmai 1j toO diabºkou (Joh 8,44)

t± t´jma toO heoO (Joh 11,52)

t± t´jma toO diabºkou (1Joh 3,10)

eWmai 1j t/r !kghe¸ar (Joh 18,37)

eWmai 1j toO patq¹r toO xe¼dour (Joh 8,44)

1qc²feshai t± 5qca toO heoO (Joh 6,28) 1qc²feshai t± 5qca toO [diabºkou] (Joh 8,41) t¹ v_r (Joh 3,19 – 21)

t¹ sjºtor (Joh 3,19)

b poi_m tµm !k¶heiam (Joh 3,21)

b vaOka pq²ssym (Joh 3,20)

1qc²feshai t± 5qca toO heoO (Herm sim I 7)

t± 5qca toO diabºkou 1qc²feshai (Herm mand VII 3)

t± 5qca toO !cc´kou t/r dijaios¼mgr (mand VI 2,3.8)

toO !cc´kou t/r pomgq¸ar t± 5qca (mand VI 2,4.10).

Es leidet keinen Zweifel, dass die in Herm mand VI dargelegte Zwei-EngelLehre nächstliegend mit der Zwei-Geister-Lehre von 1QS 3,13 – 4,26 in Ver-

211 Schottroff, Welt, 273. 212 Vgl. fti s±qn ja· aXla basike¸am heoO jkgqomol/sai oq d¼matai (1Kor 15,50) und fpou 1c½ rp²cy rle?r oq d¼mashe 1khe?m (Joh 8,21). Thyen, Johannesevangelium, 426 redigiert: „Natürlich ist diese Aussage kein definitives Urteil, …, sondern Paränese, die gewinnen und retten will. Und sie kommt, wie V. 30 zeigt, ja auch zum Ziel.“ Damit ist aber der Weg des Textes von V. 30 zu V. 59 ausgeblendet. Die Verwendung des aus 8,21 zitierten Satzes in 13,33 muss in Verbindung mit k´cy %qti gesehen werden, er gilt auch für die Jünger (ja· rl?m) im Blick auf die aktuelle Situation des Abschieds Jesu, nicht grundsätzlich, wie das mOm – vsteqom (V. 36) zeigt. 213 Bergmeier, Glaube, 48 – 62.

44 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis bindung zu bringen ist.214 Die zwei antagonistischen Mächte sind unmittelbar auf den Menschen bezogen,215 präzise auf seinen Wandel, seine Taten.216 Mit dem Zwei-Engel-Dualismus verbindet sich wie in den Qumrantexten sekundär der fundamentale Dualismus von Gott und Belial217 bzw. von Gott und Teufel.218 Die Bezogenheit der dualistischen Struktur auf die Alternativen von Gut und Böse im Tun des Menschen bleibt als Erkennungsmerkmal erhalten. Die christlichen Varianten im Strahlungsbereich des von den Qumrantexten bezeugten Dualismus zeichnen sich sodann durch Angliederung des Glaubensbegriffs aus, an der Oberfläche im Hermashirten,219 zentral in der johanneischen Literatur.220 Immer noch aber reden Joh und 1Joh vom Tun und von den „Werken“.221 Wie man leicht sieht, ist der sog. johanneische Dualismus nicht unmittelbar aus Qumran ableitbar, gleichwohl lässt er noch seine religionsgeschichtliche Herkunft erkennen und steht eigenständig neben der Gestalt, zu der er im Hermashirten gefunden hat. Die Erscheinungsformen des Dualismus in den Qumrantexten sind selbst pluralistisch und lassen gelegentlich traditions- und literargeschichtliche Wandlungsprozesse erkennen und nachvollziehen.222 Das Erkennungsmerkmal der Bezogenheit auf das Tun und Verhalten des Menschen, nicht auf Substantialitäten seines Wesens bleibt durchgehend erhalten. Dasselbe trifft auch noch auf die johanneische Variante dieses Dualismus zu. Der Befund, dass im johanneischen Schrifttum nirgendwo die „für essenischen Dualismus charakteristische Teufelsbezeichnung ,Belial‘ “ vorkommt,223 ist im Blick auf die Kennung des Dualismus religionsgeschichtlich nicht aussagekräftig. Der Grundtext 1QS 3,13 – 4,26 sowohl als auch Herm mand VI weisen ebenfalls keine „Belial“-Terminologie auf, 214 Leutzsch, Hirt, 134; vgl. auch Schweizer, pmeOla, 389; Beyschlag, Clemens, 119, Anm. 4. 215 Gott setzte für den Menschen zwei Geister ein, „damit er darin wandelt“ (1QS 3,18); „zwei sind der Engel mit dem Menschen“ (Herm mand VI 2,1). 216 Vgl. z. B. „hinsichtlich ihrer Taten“ (1QS 3,14), „damit er darin wandelt“ (3,18), „auf den Wegen des Lichtes wandeln“ (3,20); 1qcas²lemor aqt² Herm mand VI 2,10, bezogen auf 2,3 – 10. Zutreffend beobachtet Steudel, Teufel, 197: „Von der Testamenten-Literatur, Vorläufern des TestXII sowie VisAmr und TestQah kannten die Essener die Macht des Bösen in ethischem Kontext, …“ Im Blick auf „Belial“ ist zu sagen, „daß man sich in essenischen Kreisen tastend einer Adaption dieser Figur genähert hat“ (ebd., 193). 217 Vgl. z. B. 4QMidrEschat 3,8 f; 10,8 – 10; 11,10 – 16. 218 Vgl. terminologisch „die Gebote Gottes“ (mand VII 1), „die Werke Gottes“ (sim I 7) einerseits, „die Werke des Teufels“ (mand VII 3; XII 6,2) bzw. „die Gebote des Teufels“ (mand XII 4,6) andererseits. 219 Herm mand VI 2,1.3.6 f.10. 220 Joh 6,28 f, vgl. 1Joh 3,23, s. dazu Bergmeier, Glaube, 223 f.; Gerechtigkeit, 31. 221 Vgl. Joh 3,20 f; 6,28 f; 8,38.41; 1Joh 1,6; 2,17.29; 3,4.7 f.10.12. 222 Von der Osten-Sacken, Belial, 17 – 41, 73 – 196; Lange, Weisheit, 121 – 170. 223 Frey, Hintergrund, 21. Außer in 1QS 1,18.24; 2,5.19 ist „Belial“ als Teufelsbezeichnung in ganz 1QS nicht belegt, ebenso wenig in 1QH, s. dazu die Unterscheidung bei K.G. Kuhn, KQT, 33, vgl. auch Jeremias, Lehrer, 194, Anm. 12; Steudel, Teufel, 193. Den Prätexten des in den QumranSchriftrollen begegnenden Dualismus, 1QS 3,13 – 4,26 und VisAmr, ist der Dualismus von „Gott und Belial“ nicht zu eigen.

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gleichwohl sind im Hermashirten t± 5qca toO heoO nichts anderes als t± 5qca toO !cc´kou t/r dijaios¼mgr und t± 5qca toO diabºkou nichts anderes als toO !cc´kou t/r pomgq¸ar t± 5qca.224 Vergleicht man die Erscheinungsformen von Dualismus, die erst durch die Entdeckung der Qumrantexte bekanntgeworden225 oder auch erst dadurch wieder ins Bewusstsein getreten sind,226 mit solchen aus der Textwelt der Gnosis, wird deutlich, dass die jüdischen Varianten wie sodann auch der sog. „johanneische Dualismus“ nicht auf jene doppelte Spaltung bezogen sind, die unverwechselbar das Wesen der Gnosis ausmacht. Zu Recht erinnert Urban an das religionswissenschaftliche Mandat, nach der „unverwechselbaren Eigenart der Gnosis“ so zu fragen,227 dass „die gnostische Bewegung in der spätantiken Welt“228 nicht nur wie bei H. Jonas als deren „neues Weltgefühl“ erscheint, das „in den Jahrhunderten um die Zeitenwende erwuchs“,229 und so „zum Geist der Spätantike schlechthin wird“.230 Deshalb haben wir genauer darauf zu achten, ob in einem Text und seiner dualistischen Sprache die genannte doppelte Spaltung in Erscheinung tritt. Sie betrifft ja nicht nur eine solche zwischen Welt und Überwelt, so dass vom genuin gnostischen „Antikosmismus“ gesprochen werden kann,231 sondern die Spaltung der „Seele“ selbst in eine obere Größe, aus der schließlich die Erlösergestalt hervorgeht (salvator), und einen substantiell identischen unteren Teil, der erlöst werden muss (salvandus).232 An dem im vorigen Abschnitt angesprochenen System der Langfassung des Johannesapokryphons233 lässt sich das folgendermaßen ablesen: Die Differenz von transmundanem und irdischem Ursprung gestaltet diese Schrift genuin dualistisch so, dass sie die Erde als „das Reich der Finsternis“ (30,17), „die Mitte des Gefängnisses“ (30,18 f), „das Innere der Unterwelt“ (30,26; 31,1 und 22), „die unterste Region der ganzen Materie“ (20,8 f) bezeichnet, worin der Erste Archon den Geschlechtsverkehr eingerichtet hat (24,27), da ja die Hyle „das Unwissen der Finsternis und der Begierde ist“ (21,7 f), während die obere Sphäre bestimmt ist von „reinem Licht“ (2,31; 6,11), von Unvergänglichkeit (2,30), ganzer Vollendung (3,4), Pleroma (25,5)

224 S. Tabelle oben! Im Blick auf die Kennung des Dualismus notiert Böcher, Dualismus, 29 nicht zu Unrecht: „Daß der Gegensatz zwischen Gott und Beliar nicht zuletzt ethischer Natur ist, zeigt die Zusammenordnung von ,Gesetz des Herrn‘ und ,Werken Beliars‘ (Test Lev 19,1) bzw. ,Gesetz des Herrn‘ und ,Gesetz Beliars‘ (Test Naphth 2,6).“ 225 Vgl. etwa Frey, Patterns, 275 – 335. 226 Zur Würdigung der TestXII vgl. Böcher, Dualismus, 11 – 16, 23 – 26 u. ö. 227 Urban, Menschenbild, 92. 228 Jonas, Gnosis, 43. 229 Jonas, Gnosis, 74. 230 Urban, Menschenbild, 93; vgl. auch Schenke, Christologie, 210; Lahe, Gnosis, 26 f. 231 Rudolph, Gnosis, 69 zur „«gegenweltlichen» Ausrichtung des Geist-Körper-Dualismus“. Nach Lahe, Gnosis, 82, Anm. 187 stammt der Begriff „Antikosmismus“ von Jonas (s. Gnosis I, 5ff). 232 S. dazu oben Anm. 115. 233 S.o. Anm. 209.

46 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis und „Ruhe der Äonen“ (26,31 f).234 Die Spaltung dessen, was wir als „Seele“ oder „Selbst“ bezeichnen können, wird als Drama des Äons Sophia inszeniert, indem sie ohne Zustimmung des unsichtbaren Geistes machthaltig ein Abbild von sich in Erscheinung treten lässt, worin ein Quantum ihrer Lichtmacht als Jaltabaoth Gestalt annimmt und als Träger ihrer „Unwissenheit“ förmlich aus der Überwelt hinausgeworfen wird (9,25 – 10,14). Da draußen geriert er sich nicht nur als Ausgeburt ihres „Mangels“ (vgl. 13,14) und „unwissende Finsternis“ (11,10), sondern mutiert als Protarchon zum Inbegriff der jaj¸a (13,22), zum antibiblischen Weltgott (10,19 – 13,13). In der Erschaffung der Menschen aber gibt er unwissend von der Lichtmacht, die aus seiner Mutter in ihm ist, an seine Geschöpfe weiter, in denen sich die zuvor dargestellte Spaltung anthropologisch derart wiederholt, dass sich nun der Anteil der mütterlichen Lichtnatur „in den untersten Regionen der Materie“, im Grab und Gefängnis des menschlichen Leibes befindet und in „der Fessel des Vergessens“ in Schlaf und Selbstvergessenheit versinkt (19,15 – 21,14). Das überweltliche Pendant zur Lichtnatur im Menschen, „der Reichtum des Lichtes“ und „die Erinnerung der Fülle“, naht ihm schlussendlich als erweckende Erlösergestalt, durch die die getrennten Lichtsubstanzen wieder zusammengebracht werden und „die Wiederherstellung des Mangels der Mutter“ (vgl. 20,27 f) initiiert wird: Ich bin die Vorsehung des reinen Lichtes, …, das dich zum geehrten Ort erhebt. Richte dich auf und erinnere dich daran, daß du der bist, der gehört hat, und folge deiner Wurzel, die ich bin, …, und hüte dich vor den Engeln der Armut und den Dämonen des Chaos und all denen, die dich fesseln, …“235

Es ist nun nicht immer einfach zu entscheiden, ob einer antithetischen Sprache Dualismus zugrunde liegt, aber auch nicht, ob dieser Dualismus antikosmisch bestimmt ist. Hält man mit Jonas die antikosmische Daseinshaltung der Gnosis für „deren charakteristischstes Merkmal“,236 kann religionsgeschichtliche Ortsbestimmung einer Textwelt leicht danebengreifen. Im Blick auf die Handschriftenfunde vom Toten Meer hat Rudolph seinerzeit 234 Übersetzungen nach Waldstein, Apokryphon, 104 – 149. 235 NHC II,1, 31,11 – 19, Übersetzung nach Waldstein, Apokryphon, 149. In der hier in nachirenäischer Zeit vorliegenden Engelsvorstellung sind die Merkmale von Inferiorität, Dämonisierung und Versklavung tatsächlich miteinander verbunden, die immer einmal wieder in der Auslegung von Gal 3 eine Rolle spielen, als habe der Judenchrist Paulus bei der Formulierung von Gal 3,19 auf eine solche Konzeption zurückgreifen können, vgl. H. Hübner, Art. mºlor, EWNT, II (1981), 1158 – 1172, hier 1169 (Engel „als übelwollende dämonische Gesetzgeber“); U. Schnelle, Gibt es eine Entwicklung in der Rechtfertigungslehre vom Galater- zum Römerbrief ? In: Paulus – Werk und Wirkung, FS A. Lindemann, hg. von P.-H. Klumbies u. D.S. du Toit, Tübingen 2013, 289 – 309, hier 297 (Die Engel „als dämonische Mächte“ werden „zu Urhebern der Tora gemacht, um so ihre Inferiorität zu erweisen“. Dieses Gesetz „versklavt den Menschen“.). 236 Jonas, Gnosis, I, 26.

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unter Hinweis auf Arbeiten wie die von K. Schubert oder H. Braun237 den angesprochenen Tatbestand eindrücklich vor Augen geführt: „Die Texte der Qumra¯nsekte … bezeugen uns ein sektiererisches Judentum am Rande Palästinas, das … eine streng dualistische Konzeption von Licht und Finsternis vertritt.“ Der ethische Dualismus habe hier schon kosmologische Züge, die Wissensterminologie stelle dieses Judentum in die Nähe gnostisierender Kreise, die Existenz einer vorchristlichen gnostischen Richtung im sektiererischen Judentum lasse sich also nicht mehr ableugnen, der beste Beweis dafür sei die Polemik bestimmter Schriften des NT, wie des Johannes-Evangeliums, des Paulus, des Kolosser- und Epheserbriefes.238 Noch in seinem vielbeachteten Gnosisbuch wird Rudolph davon sprechen, dass in den poetischen Qumran-Texten das Schicksal des Frommen in der bösen Welt so geschildert werde „wie in der Gnosis das Schicksal der Seele in der Körperwelt“.239 Auf den ersten Blick scheint er ja recht zu haben, denn beiderseits wird Erlösung als Versetztwerden aus der Unterwelt an einen oberen Ort beschrieben: Gnostiker bezeichneten die Körperwelt, aus der sie erlöst werden, gerne als „Unterwelt“, „Hades“ oder „Abgrund“,240 ihre Erlösung als Erhebung „zum geehrten Ort“,241 1QH 11,19 f (= 3,19 f alte Zählung) artikuliert: „Ich will dich preisen, Herr, dass du meine Seele aus der Totengrube erlöst hast242 und mich aus der Abgrund-Unterwelt243 zu ewiger Höhe erhoben hast.“244 Hält man sich nun aber nicht bei der Frage auf, ob die Textaussagen das oben angesprochene „Antikosmismus“-Merkmal aufweisen, sondern beurteilt sie nach dem Trennschärfe-Kriterium der Salvator-Salvandus-Konzeption, wird zwingend deutlich, dass die gnostische Seele und die Seele des bekennenden Danklieds von 1 QH schlechthin inkommensurabel sind. Wie zuvor schon dargelegt, ist die nach AJ (NHC II,1) ohne eigenes Verschulden in die untere Welt der Finsternis geratene Lichtnatur im Menschen gleichen Wesens mit der Pronoia, 237 Rudolph, Stand, 526 f, Anm. 56 verweist auf K. Schubert, Der Sektenkanon von En-Feshcha und die Anfänge der jüdischen Gnosis, ThLZ 78 (1953), 495 – 506, zu „gnostischen Gottes prädikaten von 1QH“ auf H. Braun, Spätjüd.-häretischer und frühchristl. Radikalismus, Tübingen 1957, Teil 1, 21, Anm. 1 und 23, Anm. 3. Die Einlösung der Prognose, dass weitere Untersuchungen dieser Art sicherlich noch folgen werden, hielt sich, m. E. zu Recht, in Grenzen. Lahe, Gnosis, 128 – 134 lässt lediglich die einschlägige Sekundärliteratur Revue passieren. 238 Rudolph, Stand, 526 f. 239 Rudolph, Gnosis, 300. 240 Luttikhuizen, Unterwelt, 163. 241 AJ (NHC II,1) 31,13 f. Vgl. dazu den mandäischen Gleichklang in GL 455,29ff (Lidzbarski), s. Bergmeier, Glaube, 123. 242 Vgl. Hi 33,28. Zu Ps 103,4 notiert Kraus, Psalmen, 703: „N;a bezeichnet das Grab, in das bereits das Leben des Beters versank.“ 243 Kuhn, Enderwartung, 44, Anm. 1 weist zu Recht auf Spr 15,11; 27,20 hin. Die in 1QH vorliegende Konstruktus-Verbindung deutet er als Pleonasmus. Zu @94a in den Hodayot s. Nebe, Scheol, 181 f, 195 – 198. 244 Zur Syntax der Imperfektform 8?794 s. Gesenius, Grammatik, 328, § 107 n, zur Einleitung des Objektssatzes mit =? s. ebd., 515, § 157 b.

48 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis die ihm bei ihrem Descensus ad inferos als erhebender Weckruf begegnet.245 Demgegenüber interpretiert das bekennende Ich von 1QH 11,19 – 23 die Erhebung aus der Unterwelt zu ewiger Höhe als Hoffnung für den, den Gott aus dem Grabesstaub heraus zu ewiger Gemeinschaft (neu)geschaffen, indem er den verkehrten Geist von viel Vergehen gereinigt hat, so dass er nun in der Gemeinschaft mit den Himmlischen Gott preisen kann. Mit gutem Grund hat H.-W. Kuhn die Erhebung aus der Unterwelt als Heilsereignis vergegenwärtigter Eschatologie interpretiert, indem er deutlich machte, dass die Einleitung des Liedes mit ihren Wörtern für „Totenreich, Unterwelt“ (N;a, @94a, C9754) auf die im selben Lied folgende kleine Apokalypse (Z. 26 – 36) Bezug nimmt (N;a Z. 26.27; N9B Z. 28; C9754 Z. 32).246 Dieser Zusammenhang verdeutlicht nicht nur den Sinn von Kuhns Buchtitel „Enderwartung und gegenwärtiges Heil“, sondern macht vor allem deutlich, was es mit der Unterweltsterminologie auf sich hat. Sie meint nicht die Seelen-Feindlichkeit einer demiurgischen Welt, sondern bezeichnet apokalyptisch die Macht des Verderbens, das die Welt der Sünder unausweichlich vernichten wird (5a8 C=4@ Z. 27; 59aN 4@9 Z. 36). Der apokalyptisch ausgemalten Hoffnungslosigkeit (89KN C=4@ Z. 27) stellt das soteriologische Bekenntnis mit seinen Heilsperfecta dasjenige Handeln Gottes gegenüber, das dem Beter eine Hoffnung gegeben hat (89KB a= Z. 20), indem es ihm schon den Zugang zum Himmel eröffnete. Die Handschriftenfunde vom Toten Meer haben also nicht die Tür zu einer jüdischen Welt der Gnosis aufgestoßen, jedoch unsere Kenntnis des dem NT gleichzeitigen Judentums so erweitert, dass die Exegese der neutestamentlichen Schriften auf vielen Gebieten davon profitieren kann, die des vierten Evangeliums zumal. Von der dualistischen Sprache war schon die Rede gewesen, Prädestination, die zuvor noch nirgendwo sonst anzutreffen war,247 tritt zur Seite. Und nun hätten wir auch noch zu realisieren, dass es schon vor Paulus und Johannes auf jüdischem Boden möglich war, eschatologische Heilsaussagen so zu vergegenwärtigen, dass einerseits die Eschatologie als solche nicht eliminiert wurde, ihre Vergegenwärtigung aber auch nicht unter Gnosisverdacht zu stellen ist.248 Kuhn beschreibt die Problematik des Nebeneinanders von Apokalypse (1QH 11,26 – 36) und zusammenfassendem Heilsbericht in der einleitenden Zusammenfassung des Lieds (Z. 19 f) als Diskrepanz. Sie liege darin, dass die Einleitung von einem geschehenen Ereignis berichte, während die Apokalypse von der Zukunft spreche: In der Einleitung ist die Totenwelt der Ort, dem der Fromme schon entnommen ist („du hast mich heraufgeführt“), während im apokalyptischen Text von der Totenwelt 245 246 247 248

Zu Einzelheiten vgl. Luttikhuizen, Unterwelt, 166 f. Kuhn, Enderwartung, 59. Bergmeier, Prädestination, 102. Kuhn, Enderwartung, 50 wies schon auf die Bedeutung für das Verständnis von 2Kor 5,17 und Gal 6,15 hin, ich selbst verfolgte die johanneische Spur, s. Bergmeier, Entweltlichung, 60 – 62, 76 f; Ders., Gottesherrschaft, 191 – 205.

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das endzeitliche Unheil ausgeht, diese also als eine Macht verstanden ist, die die Welt und den Menschen am Ende überfällt.

Die Bezugnahme der Einleitung auf die Apokalypse besage also, dass der Fromme schon dem Mächtigwerden der Scheol entnommen sei.249 Bedeutsam erscheint auch die Verwendung von A@9F zur eschatologischen Qualifizierung gegenwartsbezogener Aussagen,250 dem das griechische aQ¾mior entspricht. Für die Auslegung von Joh 5,24 – 29 werden aus alledem Folgerungen zu ziehen sein. Die erste sei, den Text noch einmal sorgfältig zu lesen. Lange Zeit haben wir „mit dem fragwürdigen Schlagwort der ,präsentischen Eschatologie‘ des Johannesevangeliums“ literarkritisch so hantiert, dass die zusammenhängende Textfolge in eine vom Evangelisten und eine aus späterer Redaktion stammende Aussage über die Totenerweckung auseinandergenommen wurde.251 Exegetisch haben wir von den Aussagen zur Übereinstimmung des Tuns des Sohnes mit dem Tun des Vaters (Joh 5,17.19) auszugehen. Demzufolge liebt der Vater den Sohn so, dass er ihm alles zeigt, was er selbst macht, darüber hinaus aber auch noch ein größeres Tun als dieses (to¼tym, nächstliegend zu beziehen auf $ aqt¹r poie?), so dass die von V. 18 her angeredeten Kontrahenten „sich wundern“ werden (V. 20). V. 21 nun entfaltet als Erläuterung von $ c±q #m 1je?mor poi0, taOta ja· b uR¹r blo¸yr poie? (V. 19) die Entsprechung zwischen der Totenerweckung des Vaters und der des Sohnes (V. 21). Erst die in V. 22 folgende Aussage thematisiert das Gericht, worin somit, nächstliegend, das größere Tun von V. 20 zu sehen ist: B jq¸sir p÷sa, so formuliert, um zu folgern: Vma p²mter til_si t¹m uRºm (V. 23). Im Blick auf b t¹m kºcom lou !jo¼ym ja· piste¼ym t` p´lxamt¸ le entfalten sodann die Verse 24 f die Vergegenwärtigung der eschatologischen Totenerweckung des Sohnes, die dem Jetzt des 5weim fyµm aQ¾miom korrespondiert. Durch die vom Evangelisten gesetzte Wendung ja· mOm 1stim ist die eschatologisch zu erwartende, also zukünftige Stunde – fte oR mejqo· !jo¼sousim … ja· … f¶sousim – auf die Gegenwart bezogen.252 V. 26 bildet sodann, aus ¦speq c±q b patµq jtk. ersichtlich, mit V. 21 eine Inklusion, auf deren Weg das dem Vater parallele f\opoie?m des Sohnes zum dem Vater gleichen fyµm 5weim 1m 2aut` gesteigert wird. Zusammen mit tµm jq¸sim p÷sam d´dyjem t` uR` (V. 22) ist so die 1nous¸a-Aussage von V. 27 unmittelbar vorbereitet. Das Gerichtsthema selbst, 249 Kuhn, Enderwartung, 59 f. Zur Aufhebung der „strengen Scheidung zwischen Erde und Himmel, zwischen Jetztzeit und eschatologischer Heilszeit“ (185) und damit zum Problem der „Parallelität zwischen gnostischem und essenischem Heil“ (187) s. Ders., ebd., 185 – 187. Von ganz anderem Charakter als in den Qumrantexten und im Johannesevangelium ist die Gegenwart des Heils nach OdSal 22, wo in nach-neutestamentlicher Manier das Befreiungswerk des Erlösers im Stil des Descensus ad inferos besungen wird. 250 Kuhn, Enderwartung, 58. 251 Thyen, Johannesevangelium, 314. Zu Thyen selbst vgl. z. B. Literatur, 240. Meine literarkritischen Ausführungen zu Joh 5 (s. Fragen, 121 – 130) möchte ich förmlich zurücknehmen. 252 Frey, Eschatologie, III, 377; vgl. auch Bergmeier, Glaube, 13.

50 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis zumal im Blick auf „das größere Tun“, verbunden mit Vma rle?r haul²fgte,253 war bisher noch unabgeschlossen geblieben. Deshalb müssen die V. 27 – 29 folgen und steuern mit jq¸sim poie?m und lµ haul²fete toOto auf den Schlusspunkt: eQr !m²stasim jq¸seyr (V. 29) zu. Während sich die im Jetzt erfolgende Totenerweckung auf die, „die der Sohn beleben will“ (V. 21), bezieht, redet V. 28 von „allen, die in den Gräbern seine Stimme hören werden“. Konsistent mit V. 24 ist auch in V. 29 „die Auferstehung zum Leben“ von der jq¸sir, dem Strafgericht, nicht betroffen. Die Vergegenwärtigung der Totenerweckung (V. 24 f) im Blick auf die, die der Sohn erwecken will (V. 21), hebt also, anders als oft vermerkt,254 die Erwartung der allumfassenden Totenauferstehung (p²mter oR 1m to?r lmgle¸oir V. 28) nicht auf. Die Kontrahenten sollen sich demzufolge nicht wundern: Am Ende steht das sie verdammende Strafgericht. Wie im ganzen Evangelium verengt sich auch in 5,29fin. das semantische Spektrum von jq¸sir ganz auf die Bedeutung „Strafgericht“ oder „Verdammnis“,255 so dass die endzeitliche Auferstehung wie in Mt 25,46 der Tradition von Dan 12,2 zufolge in eine solche zum Leben – johanneisch vergegenwärtigt im Glauben an den Sohn – und eine solche zur Strafe auseinandertritt. Die Bedeutungsverengung von jq¸sir begegnet im Blick auf die Kontrahenten von Mt 23 auch dort (V. 33) als höllische Verdammnis. Das mit solcher Verengung verbundene 1jb²kkeshai 5ny in Joh 12,31 ist terminologisch und sachlich das gleiche wie in Lk 13,28. Wie auch sonst zeigt somit der vergleichende Blick auf synoptische Stellen, dass das vierte Evangelium mit der Sprach- und Vorstellungswelt der synoptischen Evangelien wohl vertraut ist und solche Vertrautheit auch bei seinen Lesern voraussetzt,256 wie schon U. Wilckens hervorhebt.257 Einem Paradigmenwechsel gleich haben wir daher, wie nun zu zeigen ist, die johanneische Sprache primär in der Verflechtung mit ihren synoptischen Wurzeln zu interpretieren.

2.4 Von der Gnosis zu den Synoptikern Für R. Bultmann stellte sich die johanneische Sprache als „ein Ganzes“ dar, „innerhalb dessen der einzelne Terminus erst seine feste Bestimmung erhält“.258 Dieses „Ganze“ resultierte aus dem gnostischen Mythos und dessen 253 Zur literarischen Bedeutung des prohibitiven lµ haul²fete toOto, fti vgl. Frey, Eschatologie, III, 337, 387 f. 254 Vgl. z. B. Haenchen, Johannesevangelium, 70. 255 Vgl. Frey, Eschatologie, III, 291 f, 383 – 385, 475; zu Joh 5,24.29 vgl. auch Thyen, Johannesevangelium, 313, 314, 317. 256 Vgl. Bergmeier, Bedeutung, 458 – 483, s. u. 73 – 104. 257 Wilckens, Johannes, 4. 258 Bultmann, Johanneische Schriften, 233. Vgl. dazu auch Thyen, Literatur, 50.

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dualistischer Terminologie,259 weshalb ja auch Johannes eine andere Sprache als die Synoptiker rede.260 Johannes von den Synoptikern abzuscheiden, bedeutete, ihn von der alttestamentlich-jüdischen Tradition zu trennen.261 Demgemäß konnte Bultmann ausführen: Die Sprache dieses ,Dualismus‘ ist die gnostische; und besonders die Zweiteilung der Menschen in solche, die 1j heoO oder 1j toO diabºkou, 1j t/r !kghe¸ar oder 1j toO jºslou, 1j t_m %my oder 1j t_m j²ty sind, erweckt den Eindruck, als ob die Menschheit in zwei Klassen zerfiele, deren jede durch die ihr eigene Natur von vornherein in Wesen und Schicksal bestimmt ist.262

Näherhin erklärte er das so: Im gnostischen Mythos sei der Glaube nicht wie bei Johannes „echte Entscheidung, sondern Wiedererinnern des mythischen Ursprunges; der Gnostiker ist ja ein v¼sei syfºlemor, und der Ungläubige ist auf Grund seiner schlechten v¼sir verloren.“263 Diese Ausgangsbasis war in dreierlei Hinsicht zu kritisieren gewesen: 1. Die Elemente, die Bultmann als „Sprache dieses ,Dualismus‘ “ einander zuordnete, sind, wie oben gezeigt wurde, Oppositionen, die nicht samt und sonders einem dualistischen Antagonismus zugehören. 2. Der gnostische Weckruf ist in der Mehrzahl der gnostischen Texte, jedenfalls in den als nichtchristlich einzustufenden, Ruf in die Entscheidung,264 also kann „der johanneische Determinismus“, von dem Bultmann sprach, nicht aus der Gnosis stammen. 3. Die prädestinatianische Färbung zahlreicher johanneischer und anderer neutestamentlicher Texte hat umgekehrt, d. h. rezeptionsgeschichtlich, auf einige gnostische Systeme abgefärbt und allererst jene Naturenlehre hervorgebracht, von der Bultmann als gemeingnostischer Sprache ausging.265 Alternativ zu dem Weg, den Bultmann auf der Suche nach den Wurzeln der johanneischen Sprache gewiesen hatte, war zu prüfen, ob „die johanneische Begrifflichkeit, die sich von der synoptischen deutlich unterscheidet“, nicht gleichwohl „in der alttestamentlichjüdischen Tradition“, „in der die Synoptiker stehen“,266 ihre Wurzeln hat. Dazu hatte selbst H. Braun im Blick auf die Licht-Terminologie von Lk 16,8 und Joh 12,35 f urteilen können, dass der dualistische Rahmen, in den das Verhalten des Menschen eingezeichnet werde, in Qumran und an den genannten neutestamentlichen Stellen der gleiche sei.267 In ähnlicher Weise fand sich zwischen dem „prädestinatianischen terminus technicus didºmai (Joh 6,37 259 260 261 262 263 264 265 266 267

Bultmann, Johanneische Schriften, 232; so dann auch Schenke, Christologie, 225. Bultmann, Johanneische Schriften, 233. Bultmann, Johanneische Schriften, 231. Bultmann, Theologie, 373. Bultmann, Johannes, 240. So auch Schottroff, Dualismus, 237 mit Hinweis auf ebd., 96 ff. Bergmeier, Glaube, 117 – 199, vgl. auch Ders., Königlosigkeit, 321 f, s. u. 107. Zitat-Formulierung nach Bultmann, Johanneische Schriften, 231. Braun, Qumran, 187, 224.

52 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis usw.)“268 und dem erstmals in Qumrantexten begegnenden prädestinatianischen Profil in Mk 4,11: rl?m t¹ lust¶qiom d´dotai jtk. eine synoptische Brücke, denn zu „Mt. 13,11.13.16 = Mk. 4,11.12 = Lk. 8,10“ hatte schon Braun erwogen, die synoptische Theorie der Parabelverhüllung könne „aus der Esoterik von Qumran“ übernommen sein. „Die Form ist zwar beiderseits verschieden, der Inhalt der Geheimnisse aber, Naheschatologie und Prädestination, der gleiche.“269 Aus dem Umkreis des der synoptischen „Parabeltheorie“ eigenen Offenbarungsverständnisses (vgl. Mk 9,32; Lk 18,34) entstammt dann ja auch der eigentümliche Gebrauch von cim¾sjy in Joh 8,43 (vgl. 10,6).270 Zu Recht also hat sich in der johanneischen Forschung die Erkenntnis wieder eingestellt, dass die Johannes-Exegese nur gewinnen kann, wenn wir die johanneischen Texte zu ihren synoptischen Prätexten in Beziehung setzen.271 In dieser Richtung hatte sich mir der johanneische Gebrauch der Schrifterfüllungs-Terminologie als ein synoptisch profilierter erwiesen272 und schließlich die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema erschlossen.273 Schwierigkeiten bereitet der Befund, dass der johanneische Umgang mit den synoptischen Prätexten oft von schriftstellerischer Kreativität getragen ist, die den unmittelbaren Durchblick auf die synoptischen Vorlagen verhindert. Doch wir tun gut daran, beim Lesen und Auslegen des vierten Evangeliums seine synoptischen Prätexte aufzusuchen und mit zu bedenken, freilich ohne deshalb in Abrede zu stellen, dass der johanneische „Jesus in einem anderen Stil über andere Themen spricht“ als der synoptische.274 Aber die Herleitung johanneischer Semantik aus der Gnosis hatte oft verhindert, Anschlussstellen des vierten Evangeliums an die Synoptiker gebührend zu würdigen, zumindest als solche anzuerkennen. Wer sie dennoch aufspürte, wurde der bloßen Apologetik bezichtigt.275 Aus dem Weg zur Vollendung alles dessen, das in der Heiligen Schrift von Gott fest268 Böcher, Dualismus, 147. 269 Braun, Qumran (s. o. Anm. 267), 123. 270 Käsemann, Wille, 20 ruft im Blick auf Joh 17,3, wenn auch mit anderer Zielsetzung, gleichfalls die synoptische Matrix der geheimen Jüngerbelehrung in Erinnerung: „Jedoch können nur die Jünger Hörende und Verstehende sein. Ihnen wird Einsicht vermittelt, welche die Welt nicht hat und nicht einmal haben soll, … Charakteristischerweise fällt bereits in V. 3 das Stichwort Gnosis.“ 271 Zu „wieder eingestellt“ vgl. Haenchens Rückblick auf E. Hirsch, s. Johanneische Probleme, 79 mit Anm. 2 und 3. 272 Vgl. Bergmeier, TETEKESTAI, 113: Mit Haenchen zu sprechen, entwickelt sich das frühchristliche Passionsbild „ , von Mk über Lk bis zu Joh in der Weise, daß die Hoheit immer mehr im Vordergrund steht‘, aber man darf dabei nicht vernachlässigen, auch den Zusammenhang mit der synoptischen Überlieferung, will man das Johanneische nicht wie eine Trockenblume, sondern wie eine lebendige Pflanze betrachten, die ja nicht ohne ihre Wurzeln lebt“. In diesem Sinn weist der Aufsatz sodann die synoptische Verwurzelung von Schriftbezug und Schrifterfüllung im vierten Evangelium nach. 273 Bergmeier, Bedeutung, 458 – 471, s. u. 73 – 87. 274 Haenchen, Johannesevangelium, 1. 275 Käsemann, Wille, 24 – 26.

Johannesevangelium und Gnosis

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gelegt worden war (Lk 18,31; 22,37; Apg 13,29), wurde ein Weg der Selbstbestimmung dessen, der „als Sieger in den eigenen Tod“ geht.276 Zu tet´kestai (Joh 19,28.30) stellte nämlich nach Bultmann Lk 18,31 (vgl. 22,37) „keine Analogie“ dar,277 aber es war „möglich, daß die Formulierung aus der gnostischen Tradition stammt“,278 die er zum Nachweis, dass dem Johannesevangelium der gnostische Mythos zugrunde liege,279 aus ganz unterschiedlichen Belegen konstruiert hatte.280 Das sprachliche Indiz, wonach sich das ausschließlich 19,28.30 johanneisch belegte tek´y vom tekeiºy-Gebrauch im Rahmen der johanneischen Gesandtenchristologie (Joh 4,34; 5,36; 17,4) unterscheidet, wurde nicht wahrgenommen. Deutlich indes bezieht sich das p²mta tet´kestai Vma tekeiyh0 B cqav¶ (Joh 19,28) auf das Ganze des in der Schrift aufgezeichneten Ratschlusses Gottes281 über die Passion Jesu, wie aus Lk 18,31 bzw. Apg 13,29 hervorgeht: tekesh¶setai p²mta t± cecqall´ma jtk.282/1t´kesam p²mta t± peq· aqtoO cecqall´ma. Die Wurzeln nun des gewichtigen Elements jenes „johanneischen Determinismus“, von dem Bultmann gesprochen hat, finden sich an dem literarischen Ort Mk 4,11 f parr.:283 Die dort vorliegende Formulierung im Perfekt (Mk 4,11 = Mt 13,11 = Lk 8,10) bleibt in allen johanneischen Verwendungen der Terminologie erhalten, s. 3,27; 6,65; 19,11.284 Ihre vom vierten Evangelisten analog 5,20 f geschaffene Variante im Präsens: p÷m d d¸dysv¸m loi b pat¶q (6,37) setzt dann ihrerseits „zitierende“ Formulierungen im Perfekt aus sich heraus, s. 6,39; 10,29; 17,2.9.24; 18,9. Demnach ist den einen der Zugang zum Verstehen bzw. zur Heilsteilhabe erschlossen, während die anderen gemäß Jes 6,9 f ausgeschlossen sind. Der Schritt von Joh 8,43 zu 12,39 ist nur konsequent. Die Antagonisten verstehen Jesu Rede nicht, weil sie auf sein Wort nicht hören können. Dieses Hörenkönnen müsste ihnen von Gott gegeben sein, dann 276 Käsemann. Wille, 27, vgl auch 27, 45. Kritisch zu „Es ist vollbracht!“ als Siegeswort s. Bergmeier, Gesetz, 27 f. 277 Bultmann, Johannes, 522, Anm. 2. 278 Bultmann, Johannes, 523, Anm. 2. 279 Bultmann, Bedeutung, 59. 280 Bultmann, Bedeutung, 70 f. 281 Lk 22,37 verwendet das charakteristische de?, vgl. dazu etwa Popkes, de?, 670: „Lukas weitet das d. systematisch auf die ganze Heilsgeschichte aus: Der göttliche Plan, der in Jesu Tod, Auferstehung und Erhöhung kulminiert …“ Dementsprechend findet Lk 24,7.26 Resonanz in Joh 12,34; 20,9. 282 Vgl. auch Lk 24,44: fti de? pkgqyh/mai p²mta t± cecqall´ma jtk. 283 Vgl. dazu Bergmeier, Glaube, 229. Es wäre im Heidelberg der 70-er Jahre für eine Promotion, die es wagte, für das Verständnis des Johannesevangeliums wider den Gnosis-Stachel zu löcken, vollends tödlich gewesen, dazu noch literarische Abhängigkeit des 4. Evangelisten von den Synoptikern nachweisen zu wollen. So wählte ich ob fehlenden Heldenmuts den Weg traditionsgeschichtlichen Nachweises. 284 In der Sache entspricht das „Gegebensein, Macht zu haben“ über Jesus (Joh 19,11) der Rede von Gottes Ratschluss und Vorherbestimmung in Lk 22,22; Apg 2,23; 4,28. Den lukanischen Hintergrund verrät zumal Joh 19,11d mit seiner Rede von b paqado¼r l´ soi, was Lk 22,22 oqa· t` !mhq¾p\ 1je¸m\ di( ox paqad¸dotai entspricht.

54 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis würde Jesu Wort in ihnen Raum haben (vgl. 8,37). Zuspitzend formuliert sodann 12,39 f, dass sie deswegen nicht glauben konnten, weil Gott sie Jes 6,9 f zufolge verstockt, vom Sehen, Verstehen und Umkehren ausgeschlossen hatte. Glauben oder Nicht-Glauben-Können – entsprechend Hören oder NichtHören-Können – hat den Charakter des Vorgegeben-Seins. Deshalb gibt es Schafe, die auf seine Stimme hören“ und solche, die nicht darauf hören, d. h., die nicht glauben. Philologisch betrachtet, verbietet es sich, Joh 10,26 lediglich als Explizierung des Nicht-Glaubens aufzufassen, als könne man sagen: „Die Forderung der Juden zeigt, daß sie nicht an ihn glauben; – daß sie also nicht zu seinen Schafen gehören“,285 oder gar als Folge, so dass sie sich durch ihr NichtGlauben allererst zu „Nicht-Schafen“ machen.286 Der Satz: fti oqj 1st³ 1j t_m pqob²tym t_m 1l_m (Joh 10,26) begründet das vorausgehende rle?r oq piste¼ete. Der Befund ist der gleiche wie Joh 6,65 f. Dem Nicht-Glauben liegt zugrunde: fti oqde·r d¼matai 1khe?m pqºr le 1±m lµ × dedºlemom aqt` 1j toO patqºr, wie umgekehrt über die Glaubenden V. 37 zufolge gesagt werden kann: „Über sie ist vom Himmel her entschieden.287

3. Die Rede vom „Kommen zu Jesus“ Die johanneische Rede vom „Kommen zu Jesus“, sachlich gleichbedeutend mit „an ihn glauben“, „sein Jünger werden“ (Joh 5,40; 6,35.37.44.45.65; 7,37),288 ist nach Bultmann „im Mythos traditionell: der Offenbarer ,ruft‘ die Menschen zu sich, und die hörenden ,kommen‘ zu ihm“.289 Der intendierte Bezug von „im Mythos traditionell“ ist der gnostische „Erlösungsmythos“, dessen Grundgedanken Bultmann „im Anschluß an Reitzenstein“ so darstellen kann, dass er „außer den mandäischen und manichäischen Quellen auch die jüdische Weisheitsliteratur, die Oden Salomos und gnostische Texte, vor allem aus den apokryphen Apostelakten“ verwertet.290 Mögen dabei die herangezogenen Quellen selbst jünger sein als das Johannesevangelium, „so ist doch das höhere Alter des Mythos gegenüber dem JohEv nicht zu bezweifeln“, konsequent daher, dass das Evangelium nach Meinung des Exegeten den skizzierten Erlösungsmythos voraussetze und nur auf seinem Hintergrund verständlich sei.291 Nachdem sich einerseits die Existenz jenes Mythos, 285 286 287 288

Wilckens, Johannes, 170. Thyen, Johannesevangelium, 498. Zur gleichen Problemstellung vgl. oben 38. Käsemann, Wille, 18. Vgl. z. B. Schnackenburg, Johannesevangelium, II, 58; Wilckens, Johannes, 102 zu Joh 6,35; Bauer, Wörterbuch, 631 s.v. 5. I.2.c. 289 Bultmann, Johannes, 168, Anm. 4. 290 Bultmann, Bedeutung, 59. Die zitierte Quellen-Verwertung im vorliegenden Fall belegt Bultmann, Johannes, 228, Anm. 7. 291 Bultmann, Bedeutung, 97. Die Zusammenhänge von Verständnis und Vorverständnis auf den

Die Rede vom „Kommen zu Jesus“

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von deren historischer Gegebenheit Bultmann ausgegangen war, religionsgeschichtlich als nicht erweisbar herausgestellt hat und andererseits die Synoptiker in ihrer literarischen Gestalt als Ausgangsbasis des Johannesevangeliums immer deutlicher hervorgetreten sind, dürfte es naheliegen, auch die johanneische Rede vom „Kommen zu Jesus“ im Licht ihrer synoptischen Prätexte zu interpretieren. Als narrative Formulierung in eigentlich-lokaler Bedeutung belegt das Markusevangeliumt 5qweshai pq¹r t¹m YgsoOm bzw. pq¹r aqtºm in vielfältigen Zusammenhängen: Es kommen Menschen zu Jesus, die Hilfe und Heilung suchen (Mk 1,40), viele, die von seinen Wundern gehört haben (1,45; 2,13; 3,8; 5,15), andererseits auch solche, die eine bestimmte Frage an ihn richten wollen (11,27; 12,18). Solcher Gebrauch begegnet dann auch noch im Johannesevangelium, wenn Joh 3,26 in Rivalitätsperspektive auf Mk 1,5 formuliert: Ude oxtor bapt¸fei ja· p²mter 5qwomtai pq¹r aqtºm292 oder Joh 6,5: pok»r ewkor 5qwetai pq¹r aqtºm – wie Mk 2,13 p÷r b ewkor oder Mk 3,8 pk/hor pok¼. Vorherrschend aber wird im vierten Evangelium der Gebrauch von 5qweshai pq¹r t¹m YgsoOm im übertragenen Sinn. Und soll man dabei nicht an „glaubend zu Jesus in Beziehung treten“, „sein Jünger werden“ denken, kann der Evangelist die lokale Bedeutung eigens anmerken. In Joh 11,28 f.32 verwendet er aus Mk 10,49 f die erzähltechnischen Elemente 5ceiqe, vyme? se … Gkhem pq¹r t¹m YgsoOm, indem er formuliert: … ja· vyme? se … Ac´qhg taw» ja· Gqweto pq¹r aqtºm, und lässt in V. 37 einige der Mittrauernden förmlich an die Blindenheilung erinnern: Hätte b !mo¸nar to»r avhaklo»r toO tuvkoO nicht auch den Todesfall verhindern können? Den Gedanken, dass Maria im vorliegenden Kontext zur Glaubenden werde, will er gleich gar nicht aufkommen lassen, weshalb er, Handlungsverlauf schildernd, im Imperfekt formuliert: Gqweto pq¹r aqtºm und in V. 32 präzisiert: ¢r Gkhem fpou Gm YgsoOr. Die gerade angesprochene Markus-Stelle ihrerseits lässt nun freilich Übergang von der eigentlich-lokalen zur übertragenen Bedeutung von 5qweshai pq¹r t¹m YgsoOm bzw. pq¹r aqtºm deutlich werden, stellt doch die Heilung des Blinden die letzte Jüngerberufung im Markusevangelium dar : Bartimäus, sehend geworden, folgt Jesus auf seinem Weg (in die Passion) nach – „als sein Jünger“,293 als einer, der auf seinen Ruf hin zu ihm gekommen war, „als hätte der Ruf ihn schon sehend gemacht“.294 So hatte er „nicht bloß das Augenlicht gewonnen, sondern auch durch seinen Glauben Zugang zu Jesus, der ihn zu retten vermag, erhalten“.295 Diesen metaphorischen Gebrauch von 5qweshai pq¹r t¹m YgsoOm bzw. pq¹r aqtºm bezeugt wohl erstmals die Perikope von der Kindersegnung

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unterschiedlichen Ebenen von „der erste Leser“, der Evangelist und der Exeget vgl. Ders., Untersuchungen, 124. Mk 1,5 ja· 1nepoqe¼eto pq¹r aqt¹m p÷sa B Youda¸a w¾qa ja· oR Zeqosokul?tai p²mter, ja· 1bapt¸fomto rp( aqtoO jtk. Grundmann, Markus, 223. Grundmann, Markus, 222. Gnilka, Markus, 111.

56 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis (Mk 10,13 – 16 parr.): Die Rede vom Annehmen der Gottesherrschaft weist die Basileia als eine präsentische Größe aus. „Markus hat diesen Gegenwartsbezug christologisch verstanden. Im Wirken Jesu kann man die Basileia bereits jetzt erfahren. Ein Bild hierfür bildet die Abschlußszene, in der Jesus die Kinder in seine Arme nimmt und sie segnet.“296 =qweshai pq¹r aqtºm entspricht somit der christologisch bestimmten Gegenwart der Gottesherrschaft. Matthäus 19,14 verdeutlicht das noch, indem 1khe?m pqºr le als von lµ jyk¼ete aqt² abhängig konstruiert ist.297 Im Übrigen gerät der Gebrauch von 5qweshai pq¹r t¹m YgsoOm bzw. pq¹r aqtºm in eigentlich-lokaler Bedeutung bei Matthäus fast vollständig aus der Übung,298 so auch bei Lukas.299 In Lk 6,47 und 14,26 bezeichnet 5qweshai pqºr le unzweideutig Christ- bzw. Jüngerwerden, zumal eWma¸ lou lahgt¶r (Lk 14,27) auf eU tir 5qwetai pqºr le (V. 26) Bezug nimmt.300 Wie eine Brücke zum johanneischen Gebrauch der Wendung formuliert J. Gnilka im Blick auf Mk 10,13 – 16: Jesus verkünde das Reich nicht nur, sondern bringe es in der Gegenwart den Menschen nahe. „Nicht jedem ist dies begreiflich, sondern nur jenen, denen es gegeben wird (4,11), die werden wie ein Kind.“301 Die Rede vom Kommen zu Jesus wird im vierten Evangelium meist zu „an ihn glauben“ in Beziehung gesetzt, so auch, wenn 5,40 im Anklang an Mt 22,3; 23,37 gesagt wird: ja· oq h´kete 1khe?m pqºr le Vma jtk., bezogen auf die Rede vom „Glauben“ (Joh 5,38.44.46.47). Schon das Kommen Nathanaels zu Jesus (1,47) lässt der Evangelist ausmünden in das Glaubensbekenntnis von V. 49 und in die Bestätigung seines Glaubens in V. 50.302 So folgt auch auf Joh 4,30.40 die Rede vom Glauben derer aus Samaria (V. 41 f). Und von den „Vielen“, die nach 10,41 „zu ihm kamen“, sagt V. 42: ja· pokko· 1p¸steusam eQr aqt¹m 1je? – „Und viele kamen dort zum Glauben an ihn.“ Das ist nun nach Joh 1,35 – 42 die zweite Stelle, an der sich einlöst, dass der Weg zum Glauben für alle durch das Zeugnis Johannes des Täufers gewiesen ist (Joh 1,7).303 Die Erinnerung an sein Zeugnis in Joh 19,35 wird daher in Aufnahme des absoluten piste¼eim von 1,7

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Gnilka, Markus, 81. Entsprechend wird 23,13 formulieren: oqd³ to»r eQseqwol´mour !v¸ete eQsekhe?m. Nur Mt 14,28 f belegt noch die eigentlich-lokale Bedeutung. Einziger Beleg ist Lk 8,35. Klein, Lukasevangelium, 514, Anm. 24 notiert zu 14,26: „Das ist ein Bild für das Christwerden, vgl. 6,47 …“ 301 Gnilka, Markus, 82. 302 In V. 51 wird die Bestätigung des ex, durch exeshe überindividuell ausgeweitet. Zu “Nathanael’s ‘going to’ Jesus” vgl. Hunt, Nathanael, 191 mit Anm. 18. 303 Die Formulierung in Joh 10,41c p²mta d³ fsa … !kgh/ Gm ist parallel zu fpou Gm (V. 40) als Rückperspektive im Deutschen plusquamperfektisch (vgl. Blass/Debrunner/Rehkopf, Grammatik, § 330) wiederzugeben: „Aber alles, was Johannes über diesen gesagt hatte, war wahr gewesen.“ In der Sache sei auf Thyens Beobachtungen zur Ringkomposition hingewiesen, s. Ders., Johannesevangelium, 505 f.

Die Rede vom „Kommen zu Jesus“

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formulieren: „damit auch ihr zum Glauben kommt“.304 In großem Reigen schließlich entfaltet Joh 6 den Zusammenhang von „an Jesus glauben“ bzw. „zu Jesus kommen“ als das Geheimnis der Gabe Gottes.305 Dabei lohnt es sich, genau auf die Schritte zu achten, mit denen das sgle?om von der wunderbaren Speisung (6,1 – 15)306 in einen Traktat über das Essen des Lebensbrots ausmündet. Der ewkor, so V. 24 – 27, hat das sgle?om nicht verstanden, sondern sucht vergängliche Speise, die irdisch satt macht. Darum die Aufforderung: 1qc²feshe … tµm bq_sim tµm l´mousam eQr fyµm aQ¾miom, Dm b uR¹r toO !mhq¾pou rl?m d¾sei. Dieses 1qc²feshe wird aufgenommen in der Frage: t¸ poi_lem Vma 1qcaf¾leha t± 5qca toO heoO; (V. 28). Der folgende Vers 29 löst die Rätselrede dahingehend auf, dass „das von Gott geforderte Werk“ in Erinnerung an Joh 3,14 f der Glaube an den ist, den er gesandt hat.307 Nun steht es aber in keines Menschen Macht, sich zu solchem Glauben zu entschließen, sich dafür zu entscheiden, zu Jesus zu kommen: Es muss ihm „vom Vater“ gegeben sein (V. 37.44.45.65). Und ebendieses „Geben“ erläutert V. 45 in Anlehnung an Jes 54,13 als ein Erschließen von Gott her. Wie alles Nehmen eines Menschen „vom Himmel“ gegeben sein muss (Joh 3,27), steht es auch um die Neugeburt eines Glaubenden. Unverfügbar ist sie – wie das Wehen des Windes (3,8).308 Oder anders gesagt: Niemand kann die Gottesherrschaft sehen, „wenn Gott ihm nicht ein neues Leben und neue Augen geschenkt hat“.309 Blicken wir von hier auf Bultmanns Überlegung zurück, wonach das Verstehen der johanneischen Sprache das Verstehen der Sprache des gnostischen Mythos zur Voraussetzung habe, muss man feststellen: Weder geschichtlich noch sachlich setzt das Johannesevangelium zu seinem Verständnis die Gnosis voraus, sondern steht „im Spannungsfeld zwischen den Synoptikern und den Gnostikern“310 noch diesseits des Bruchs der gnostischen Weltauffassung311 in beachtenswerter Nähe zu den Synoptikern. 304 Die Bedeutung, die im Johannesevangelium der Martyria des Täufers zukommt, verbietet es, mit Bultmann, Johannes, 30 zu sagen, er sei „nur Zeuge“. 305 Bultmann, Johannes, 163 beobachtet zu beiden Aspekten zutreffend, dass „hier der Glaube als das ,Kommen zu Jesus‘ bezeichnet wird“ und andererseits: „die Möglichkeit des Glaubens wird nur von Gott gegeben (V. 43 – 46)“. 306 Zum „Problem des intertextuellen Verhältnisses des Johannes zu den Synoptikern“ s. Thyen, Johannesevangelium, 332. 307 Das literarische Spielen mit 5qcom, 5qca, 1qc²feshai führt noch 6,30 weiter : Das von uns geforderte Werk ist der Glaube, und was für ein Werk tust du, damit wir sehen und glauben? 308 Vgl. dazu Bergmeier, Gottesherrschaft, 201. 309 Haenchen, Johannesevangelium, 106. 310 J.M. Robinson, Vorwort zu Haenchen, Johannesevangelium, hier VI. 311 Wollte man mit Rudolph, Verfasser, 553 die Qumrantexte im Vergleich mit Oden Salomos und Mandaica in einer „zur Gnosis führenden Entwicklung“ sehen, gilt jedenfalls Rudolph, ebd. zufolge: „Zwischen den H}daj}t und den Oden Salomos liegt ein Bruch: die gnostische Weltauffassung.“ Angesichts der strukturellen Nähe des johanneischen zum „essenischen“ Dualismus ist dann – zumal im vierten Evangelium die Salvator-Salvandus-Konzeption nicht nachweisbar ist – das exegetische Recht einer gnostischen Interpretation dieses Evangeliums gleichermaßen zu bestreiten; anders Rudolph, Verfasser, 555 und Lattke, Oden, III, 274. Zu

58 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis Einen Bogen haben wir noch um die auffällige Rede vom 5qweshai pq¹r aqt¹m mujtºr (Joh 3,2; 19,39) gemacht, die mit der Gestalt des Nikodemus verbunden ist. Wer ist dieser Nikodemus?312 Die Gestalt mutet uns leicht ganz unsynoptisch an. Man muss, um ihr auf die Spur zu kommen, von ihrer letzten Belegstelle im Evangelium (Joh 19,39) ausgehen. Demnach kam wie Josef von Arimathäa (Gkhem owm V. 38) auch Nikodemus (Gkhem d³ ja· jtk.)313 zur Vorbereitung der Grablegung Jesu. Mit dieser Verdoppelung des Gkhem fädelt der Evangelist die literarische Verdoppelung der Gestalt des Josef ein, die er selbst am deutlichsten nach dem matthäischen Vorbild zeichnet: dr ja· aqt¹r 1lahgte¼hg t` YgsoO (Mt 27,57) – £m lahgtµr toO YgsoO (Joh 19,38). Demzufolge wird die Gestalt des Nikodemus, der an der Stelle seiner Ersteinführung „bei Nacht zu Jesus gekommen war“ (Joh 3,2), als Inszenierung eines Kryptojüngers anzusprechen sein,314 sozusagen Josef als „Nikodemit“, wie Calvin später einen Kryptoprotestanten schelten wird.315 Synoptische Elemente, die die Josefsgestalt ausmachen, standen somit der Darstellung der NikodemusFigur frei zur Verfügung: Josef als lahgteuhe·r t` YgsoO (Mt 27,57), als boukeut¶r (Mk 15,43; Lk 23,50), als pqosdewºlemor tµm basike¸am toO heoO (Mk 15,43; Lk 23,51), als lµ sucjatateheil´mor t0 bouk0 ja· t0 pq²nei aqt_m (Lk 23,51), als %mhqypor pko¼sior (Mt 27,57). Schon das abendliche „Kommen eines Menschen mit Namen“ Josef (Mt 27,57) scheint sich in Joh 3,1 f „im Kommen eines Menschen mit Namen“ Nikodemus zu reorganisieren, seine Ratsmitgliedschaft (boukeut¶r Mk 15,43; Lk 23,50) nimmt %qwym t_m Youda¸ym (Joh 3,1) auf,316 im Stil von Lk 14,1 als eine pharisäische Mitgliedschaft (Joh 3,1; 7,50) pointiert. Die Entgegnung von Joh 3,3 setzt – literarisch von Mk 15,43 her begründet, narrativ jedoch gänzlich unvorbereitet, so dass Jesus eine Frage zu beantworten scheint, „die Nikodemus ihm überhaupt nicht gestellt hatte“317 – voraus, dass Nikodemus, eben weil pqosdewºlemor tµm basike¸am toO heoO, als einer gekommen ist, der nach dem „Sehen“,318 dem

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Recht jedoch handelt Lattke, Salomoschriften, 808 davon, dass die Salomooden „Qumran- und NT-Parallelen (nicht nur Joh, sondern auch Mt und Paulinen)“ aufweisen, nicht davon, dass das vierte Evangelium von den Oden Salomos her zu interpretieren wäre. Zur Deutungsvielfalt vgl. Culpepper, Nicodemus, 250 – 252. Vgl. auch Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 348. Vgl. auch Oepke, jq¼pty, 975,45 – 976,1 zu „heimliche Jünger Jesu“. Vgl. dazu Scholl, Entschuldigungsschreiben, 209 – 265 (Einführung, Text und Übersetzung des „für den ganzen Komplex der antinikodemitischen Schriften exemplarischen Traktats“ [ebd., 213]: Excuse de Jehan Calvin w Messieurs les Nicodemites, sur la complaincte qu’ilz font de sa trop grand’ rigueur). Bill. II, 412 f: „Durch %qwym soll Nikodemus (vgl. Joh 7,26.48; 12,42; Lk 23,13.35; 24,20; Apg 3,17) als Mitglied des Synhedriums bezeichnet werden.“ Thyen, Johannesevangelium, 188. Brown, Gospel, 138 sieht Jesu Antwort in 3,3 “to treat Nicodemus’ greeting as an implicit request about entrance into the kingdom of God”, aber eQsekhe?m steht erst in V. 5, und zwar nach dessen Verwendung in V. 4. Die narrative Leerstelle lädt ein, sich etwa mit Schneider,

Die Rede vom „Kommen zu Jesus“

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Erleben der Gottesherrschaft“ (vgl. Lk 9,27) fragt.319 Daraus folgt über das Stichwort „Gottesherrschaft“ die Verknüpfung mit Mk 10,15/Mt 18,3.320 Der Einspruch des Nikodemus an der Stelle Joh 7,51 steht sodann in Parallele zu Lk 23,51, die „exorbitante Menge kostbarer Salben“ von Joh 19,39321 lässt den Reichtum des Josef im „reichen Begräbnis“322 wiederkehren. So ist denn der eine, b 1kh½m pq¹r aqt¹m mujt¹r t¹ pq_tom (Joh 19,39),323 des anderen Zwilling: £m lahgtµr toO YgsoO jejqull´mor d³ di± t¹m vºbom t_m Youda¸ym (V. 38). Wohl beweist sein Kommen zu Jesus, zuerst bei Nacht, dann am Abend des Tages der Kreuzigung, unendliche Wertschätzung (19,39 fin.) des von Gott gekommenen Lehrers (3,2), doch dem Geheimnis der Gottesherrschaft kommt er nicht auf die Spur: p_r d¼matai taOta cem´shai; (Joh 3,9). Nach Nathanael, „wahrhaftig ein Israelit“, ist der Pharisäer Nikodemus, „Lehrer Israels“, die zweite Gestalt im Evangelium, von der förmlich ein 5qweshai pq¹r aqtºm erzählt wird. Hatte aber die Nathanael-Episode mit dessen Bekenntnis zum Gottessohn und König Israels geendet, Bekenntnis eines piste¼eim, dem ein offener Himmel über dem Menschensohn als „Sehen von noch Größerem“ verheißen wurde (1,50 f),324 so endet die Episode vom 5qweshai pq¹r aqt¹m mujtºr mit der Feststellung: „Ihr nehmt unser Zeugnis nicht an.“ Ja, das Himmlische mit Blick auf den Menschensohn sei ihnen verschlossen (3,11 – 13).325 Was in 3,2 wie eine Zeitangabe (mujtºr) daherkommt, scheint eher im Blick auf den Ausgang der Episode bedeutsam zu sein. Die Nathanael-Folge von 1qwºlemom pq¹r aqtºm über piste¼eir bis 1p· t¹m uR¹m toO !mhq¾pou leuchtet in einem Bogen des Glaubens wie ein Chagall-Fenster über das Motiv der Himmelsleiter, die Nikodemus-Folge von Gkhem pq¹r aqt¹m mujtºr über oq piste¼ete bis b uR¹r toO !mhq¾pou (3,2.12 f) verharrt in der Nacht bloßer Kryptojüngerschaft, deren Glauben (12,42) es nicht „gegeben“ zu sein scheint, aus „der Finsternis“ herauszutreten (12,46),326 oder, mit R. Alan Culpepper

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Johannes, 91 auszudenken: „Nikodemus hat zweifellos die Absicht, Jesus bestimmte Fragen vorzulegen … Vielleicht bewegt ihn vor allem die Frage nach dem Reich Gottes.“ Der Dialog mit Nikodemus präludiert die mit Joh 8,21 angesprochene Grundproblematik. Vgl. dazu Bergmeier, Gottesherrschaft, 185 – 205. Die literarische Bedeutung der Synoptiker steht in diesem Beitrag allerdings noch nicht im Blick. Thyen, Johannesevangelium, 184, vgl. ebd., 753. Becker, Johannes, 711. Dass das nächtliche Kommen nach Joh 3,2 den Eifer des Nikodemus anzeigen solle, so Bultmann, Johannes, 94, Anm. 4, scheint mir die Parallel-Anlage der Partizipial-Formulierungen Joh 19,38.39 zu widerlegen. In der Rede von der „Stimmung des Geheimnisvollen“, die Bultmann, ebd. durch mujtºr erzeugt sehen möchte, spiegelt sich eher, dass der Exeget im Blick auf das Wiedergeburtsthema an eine nächtliche Mysterien-Feier denkt, während dem Evangelisten, der Joh 11,10; 12,35 formulieren wird, solche Denkweise eher fremd sein dürfte. Auch in Mt 28,13 beschreibt mujt¹r 1khe?m ein heimliches Kommen. Vgl. dazu Hunt, Nathanael, 198. Vgl. dazu Culpepper, Nicodemus, 253: “Verse 12 seems to continue the address to Nicodemus, but now as a member of a larger group (rl?m), …” Vgl. dazu Bergmeier, Gottesherrschaft, 203 f.

60 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis metaphorisch zu sprechen: “Nicodemus emerges from the dark of night, but never completely.”327 Das Wiederaufgreifen des Menschensohn-Themas in Joh 12,23.34 geschieht dabei schwerlich von Ungefähr, markiert es doch die Trennung der Wege.328 Seine positive Konnotation erinnert, wie die Namen Philippus und Andreas (V. 21 f) signalisieren, an den Anfang der EvangelienErzählung, deren „Sehen von noch Größerem“ (1,50) eben jetzt in Kapitel 12 eingelöst wird, da in direkter Verschränkung329 mit dem Wunsch der þkkgmer, Jesus zu sehen (V. 21),330 die Stunde gekommen ist, dass der Menschensohn verherrlicht wird (V. 23). Nikodemus’ zwiespältige Nähe zu Jesus (7,48.50; 12,42) aber war schon Kapitel 3 zufolge im Dunkel der Heilsverschlossenheit des Unglaubens geblieben, weil das Entscheidende dessen, was johanneisch Glauben ausmacht (V. 11 – 15), nicht angenommen werden konnte: ja· taOta oq cim¾sjeir; (V. 10) ja· tµm laqtuq¸am Bl_m oq kalb²mete (V. 11) p_r piste¼sete; (V. 12).

Und so entsprechen sich nun in den Kapiteln 3 und 12: p_r d¼matai taOta cem´shai; (3,9) p_r k´ceir s» fti de? rxyh/mai t¹m uRºm toO !mhq¾pou; (12,34).

327 Culpepper, Nicodemus, 249. 328 Leinhäupl-Wilke, Stunde, 186, 207 f arbeitet „die Stunde des Menschensohns“ als „heimliche Mitte“ des Evangeliums“ heraus. Aber er beachtet kaum die Trennung der Wege (vgl. Joh 12,32 gegenüber 8,28), spitzt vielmehr die Auslegung so zu, als stünde „die eschatologische Rettung“ allen offen, während der johanneische Christus doch die „alle“ zu sich zieht, die ihm der Vater gegeben hat.. 329 Schlund, Knochen, 144 beobachtet zutreffend, dass die Notiz von der Ankunft der Griechen „zum Auslöser für die Proklamation der Stunde Jesu“ wird. Die oben angesprochene Verschränkung erklärt sich aus den vorausgehenden Stellen 10,15 f und 11,51 f, vgl. dazu Brown, The Greeks, 398. Im unmittelbaren Kontext redet 12,24 von „viel Frucht“ des Sterbens, einmündend in p²mtar 2kj¼sy pq¹r 1lautºm (V. 32), des Weiteren s. Bergmeier, Bedeutung, 473 f, s. u. 84 f. 330 Bultmann, Johannes, 323, Anm. 5 erklärt unter Hinweis auf Lk 9,9; 23,8 usw. den (vordergründigen) Sinn von t¹m YgsoOm Qde?m als „Jesus kennen zu lernen“. Schlund, Knochen, 143 vermerkt zu Recht, dass von der Interpretation der Wendung pqosjume?m 1m t0 2oqt0 (Joh 12,20) „die Auffassung von der religiösen Identität der ,Griechen‘“ abhängt. Thyen, Johannesevangelium, 558 argumentiert, der Sprachgebrauch scheine in Joh 12,20 „ähnlich wie in 7,35 zu sein“, „wo die Rede von der Diaspora sicherstellt, daß es sich um die Mission unter Diasporajuden handeln muß.“ Nur hat der Autor vergessen, dass er ebd., 399 bestimmt hatte, es handle sich um heidnische Griechen. Zur Verwendung von pqosjume?m bei einem Heiden, der nach Jerusalem gekommen war, um dort anzubeten, s. Apg 8,27.

Zusammenfassung

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4. Zusammenfassung Nicht wenigen gilt 1Tim 6,20 als Beleg für eine frühe Begegnung gnostischer Strömungen mit dem werdenden Christentum. Man muss aber, um die Gegnerpolemik der Pastoralbriefe als eine Auseinandersetzung mit Gnostikern zu begreifen, mehr in den Wortlaut der Texte hineinlesen, als die Irrlehrerbekämpfung als solche herzugeben vermag. Zumal die Idee vom jüdisch gnostischen Charakter der attackierten Irrlehren liegt in Gänze außerhalb dessen, was Exegese begründen kann. Wollte man annehmen, in der Irrlehrerbekämpfung der Pastoralbriefe spiegle sich Auseinandersetzung mit einer Form christlicher Gnosis, müsste man einen sonst ganz unbekannten Typ derselben voraussetzen, eine Gnosis, die von Erlösung, vom Erlöser und vom Schicksal der Seele nichts zu sagen wüsste – eine insgesamt inadäquate Vorstellung von Gnosis. Beachtet man demgegenüber, dass sich 1Tim 6,20 f mit 1Tim 1,3 – 7.18 – 20 kompositionell zu einem Ring zusammenfügt, wird erkennbar, dass sich „die fälschlich so genannte Gnosis“ der Gegner nicht auf „Heilsgewinn durch Erkenntnis“331 bezieht, sondern auf Abweichen von der wahren Erkenntnis des Glaubens im Blick auf den angemessenen Umgang mit dem Gesetz beruht. Im Übrigen lässt sich kein gnostisches Ganzes aufzeigen, das der Disparatheit der antihäretischen Aspekte in den Pastoralbriefen Konsistenz verleihen könnte. Diese Aspekte beruhen vielmehr auf Vorgaben, sei es in den authentischen Paulusbriefen, sei es im antiken Phänomen polemischer Auseinandersetzung überhaupt.332 Die Bekämpfung der Gegner in den Pastoralbriefen einschließlich des ihnen angelasteten Anspruchs auf „Gnosis“ kann somit den Beweis historischer Berührung von frühem Christentum und Gnosis nicht erbringen. Mehr aber als jede andere Schrift des Neuen Testaments stellt das vierte Evangelium die Exegeten vor die Frage, wie sein Verhältnis zur Gnosis zu bestimmen ist. Es ließ sich zeigen, dass sich seine antithetische, ja sogar seine dualistische Sprache, seine hohe Christologie, sein Verständnis von der Gegenwart des Heils von heute überprüfbaren Konzepten gnostischer Texte in spezifischer Weise unterscheiden. Das Evangelium ließ sich sehr wohl wie die anderen Evangelien auch von Gnostikern in ihrem Sinn rezipieren, verwandelte sich aber erst dadurch in die Erscheingungsform einer christlichen Gnosis. Seine eigene Rezeptionsleistung bezieht sich nicht auf gnostische Texte, Mythen oder Traditionen, sondern auf die synoptischen Evangelien, die es literarisch voraussetzt, deren Erzählfäden es weiterspinnt, deren theologische Aussagen es weiterführt und neugestaltet. Je nach eigener Wahrnehmung 331 Theißen, Religion, 315 zur Frage, was Gnosis sei: „Gnosis bedeutet Heilsgewinn durch Erkenntnis.“ 332 Vgl. etwa Janßen, Antithesen, 99, 101; Häfner, Polemik, 296, Anm. 9 mit Hinweis auf R.J. Karris, The Background and Significance of the Polemic in the Pastorals, JBL 92 (1973), 549 – 564.

62 Das vierte Evangelium in seiner Stellung zwischen Synoptikern und Gnosis heutiger Exegeten ist „Johannes“ dabei auf dem Weg, den Typ Evangelium in Richtung Gnosis fortzuschreiben. Der hier vorliegenden Untersuchung zufolge bewegt sich der Evangelist jedoch noch in deutlicher Entfernung zum gnostischen Bruch: Wie beispielsweise in Dtn 4,39 oder Jos 2,11 bleiben Himmel und Erde, oben und unten von der Einheit Gottes zusammengehalten, so dass über den s²qn gewordenen Logos gesagt werden kann: „Wir sahen seine Herrlichkeit“ (Joh 1,14), von dessen Auftragserfüllung: 1c¾ se 1dºnasa 1p· t/r c/r (17,4). Die zu Jesus kommen und an ihn glauben – nach Johannes die, die der Vater dem Sohn gegeben hat – kehren durch ihre Erlösung nicht in einen transmundanen Ursprung zurück; nichts an oder in ihnen hat teil an der himmlischen Herkunft ihres Erlösers oder lässt Aussagen über sie, die Salvandi, mit solchen über den Salvator zusammenschwingen. In „der christlichen Gnosis der Oden Salomos“333 wird das entschieden anders sein.334 Fragt man so nach den Quellen des Johannesevangeliums, fallen alle gnostischen Texte, die wir heute kennen, aus. Seine dualistischen und prädestinatianischen Komponenten wie auch die seiner Vergegenwärtigung eschatologischer Aussagen verbinden das Evangelium mit frühjüdischen Traditionen, die uns durch die Entdeckung der Qumrantexte bekannt geworden oder, soweit sie die TestXII betreffen, wieder ins Bewusstsein getreten sind. Im Strom dieser frühjüdischen Traditionen, zwischenzeitlich allerdings gnostisiert, stehen auch die zuvor angesprochenen Oden Salomos, so dass wir den religionsgeschichtlichen Ort des Johannesevangeliums zwischen „Qumran“ und Oden Salomos anzusiedeln hätten, dabei den Synoptikern aber immer noch näher als schon der Gnosis. Die drei ersten Evangelien sind, so konnte gezeigt werden, literarisch als Quellen des vierten Evangeliums zu berücksichtigen, wie dann auch im Schlussteil der Untersuchung an den Beispielen der Rede vom „Kommen zu Jesus“ sowie der Darstellung des Nikodemus – als Doppel des Kryptojüngers Joseph von Arimathäa ausgestattet mit dessen vielseitigen synoptischen Charakteristika – erhoben und erläutert wird. Aus der Nacht, in der der angesehene Ratsherr, dem Kreis der Pharisäer zugehörig, zu Jesus kam (3,2; 7,50; 19,39), lässt ihn der Evangelist bis zum Ende nicht heraustreten. Anders als diesem Nikodemus erschließt sich die Rede vom Menschensohn, der erhöht werden muss, „damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben“ (Joh 3,14 f, vgl. 12,32), Jüngern wie Philippus und Andreas, die ihm der Vater gegeben hat, oder auch Hellenen, insofern sie zu „den zerstreuten Kindern Gottes“ (11,52) gehören, die mit ihrem Kommen, um Jesus kennenzulernen (Joh 12,20), den Anbruch der Stunde anzeigen, „dass der Menschensohn verherrlicht wird“ (V. 23), d. h. durch seine Erhöhung ans Kreuz 333 Kuhn, Enderwartung, 187 zur „Verbindung von Essenismus und Gnostizismus in späterer Zeit“; vgl. auch Lattke, Salomoschriften, 808. 334 Lattke, Salomoschriften, 809 zur Vereinigung von Salvandi-Salvator-Aspekten in Heilsaussagen und Ausdrücken der Heilszuversicht der Oden Salomos; vgl. auch Bergmeier, Glaube, 42, Anm. 256; 179.

Bibliographie der mit Kurztitel angeführten Literatur

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(3,14; 8,28; 12,33) dahin aufsteigt, woher er gekommen ist (3,13; 6,62), um alsdann alle – d. h. die, die der Vater zu ihm zieht (6,44) – zu sich zu ziehen (12,32).

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II. Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema Mit einem Anhang zum Perfekt-Gebrauch im vierten Evangelium Wiedergabe des gleichnamigen Aufsatzes in NTS 52 (2006), 458 – 483. Der „Anhang zum Perfekt-Gebrauch im vierten Evangelium“, der seinerzeit hat gekürzt werden müssen, wird in wieder erweiterter Fassung angefügt, ohne damit den Anspruch zu erheben, den Perfekt-Gebrauch des Evangeliums insgesamt zu erklären.

Zusammenfassung und Ergänzung Eine Reihe von laqtuq´y- bzw. laqtuq¸a-Belegen im vierten Evangelium ruft förmlich synoptische Zeugnisse auf. Das ist nicht verwunderlich, wenn man zur Kenntnis nimmt und gelten lässt, dass es auch sonst johanneische Befunde der unzweideutigen Kenntnis, Verwendung und Umgestaltung synoptischer Vorlagen gibt. Dabei ist sorgfältig auf subtile unterschiedliche Tempusverwendung im Johannesevangelium, zumal auf den Gebrauch des Perfekts zum Ausdruck schriftlicher Textreferenz zu achten. Zu der fundamentalen Täufermartyria, die die Evangelienerzählung eröffnet, bildet Joh 19,35, der ursprünglich letzte laqtuq´y-Beleg, eine Inklusion, indem unter dem Kreuz anstelle des Bekenntnisses des römischen Centurio (Mk 15,39) ausdrücklich an die Verkündigung des ersten Christus-Zeugen (Joh 1,29 – 34) erinnert wird. E. Käsemann, dem zufolge Johannes die Synoptiker „schwerlich“ kannte (Jesu letzter Wille nach Johannes 17, Tübingen 31971, 81), entwickelte die eigentümliche Vorstellung, die Passionsgeschichte klappe im vierten Evangelium nach, habe also nicht organisch in das Werk eingefügt werden können. Im Ergebnis zeigt der folgende Aufsatz das Gegenteil auf, indem er nachweist, wie schon die Kap. 1 und 2 das Ganze des Weges Jesu auf Kreuz und Auferstehung ausrichten. Käsemanns Argumentation war folgende gewesen: „Im 4. Evangelium beherrscht Jesu Herrlichkeit aber die Darstellung so sehr im ganzen und von vornherein, daß die Einordnung der Passionsgeschichte zu einem Problem werden muß. Von wenigen vorausweisenden Bemerkungen abgesehen, kommt sie erst zum Schluß in den Blick. Fast möchte man sagen, sie klappe nach, weil Johannes sie unmöglich übergehen, die überlieferte Gestalt jedoch auch nicht organisch seinem Werk einfügen konnte. Er hat sich

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Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

geholfen, indem er ihr die Züge des Sieges Christi aufprägte“ (ebd., 22 f). Zum Motiv des „Sieges“ wiederum ist anzumerken, dass es keinesfalls dem Evangelientext selbst entnommen, sondern von außen an ihn herangetragen wurde, vgl. dazu R. Bergmeier, Das Gesetz im Römerbrief und andere Studien zum Neuen Testament (WUNT 121), Tübingen 2000, 27 f. Was Kommentare als Siegesmotivik wahrnehmen, ist im Evangelientext selbst anders konnotiert: Das Ganze der Passion ist als Gottes Plan in der Schrift niedergelegt, darauf bezieht sich Jesu Vorauswissen, das in 13,1; 18,4 und 19,28 durch eQd¾r zum Ausdruck gebracht wird (s. dazu R. Bergmeier, TETEKESTAI Joh 19,30, in: Bergmeier, Gesetz, 113 – 121, speziell 117). Das sieht dann für uns so aus, als würde Jesus nicht wie ein Leidender, sondern wie ein Sieger den Weg der Passion durchschreiten, indem er ihn hoheitlich selbst inszeniert: „Der ganze Geschehensablauf wird von ihm in Gang gesetzt, und zum geeigneten Zeitpunkt wird er ihn beenden“ (Ch.K. Barrett, Das Evangelium nach Johannes (KEK.Sonderband), Göttingen 1990, 531). Im Evangelium selbst aber durchschreitet Jesus wie in den Synoptikern den Weg, der in der cqav¶ über ihn vorgezeichnet ist.

1. Synoptische Zeugnisse im Johannesevangelium Charakteristisch für das vierte Evangelium, narrativ und theologisch, ist die wiederholte Rede von einem Zeugnis für Jesus, das ihn als den Sohn, den der Vater gesandt hat (Joh 5,36 f), ausweist.1 Sogleich eröffnet im Eingangskapitel die Täufer-Martyria2 – in Übereinstimmung mit dem am Ende3 formulierten

1 Vgl. J. Beutler, Martyria. Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zum Zeugnisthema bei Johannes, Frankfurt a.M. 1972, 23. 2 U. Busse, Das Eröffnungszeugnis Joh 1,19 – 34 – Erzählstrategie und –ziel, in: EPITOAUTO Studies in honour of P. Pokorny´ on his sixty-fifth birthday, Praha 1998, 33 – 41. 3 Nur wer so vehement wie einst Literarkritik heute Kohärenz beschwört, kann sich selbst glauben machen, die Verse Joh 20,30 und 31 seien nicht ursprünglicher Schluss des Evangeliums, sondern hätten eine Brückenfunktion, indem sie sowohl das Corpus des Evangeliums beschlössen, zugleich aber auch der Eröffnung seines Epilogs als des Zeugnisses Jesu für dieses Evangelium dienten, gegen H. Thyen, Das Johannesevangelium (HNT 6), Tübingen 2005, 773. Zeugnis für dieses Evangelium wird allein 21,24 mit den Worten gegeben oUdalem fti !kghµr aqtoO B laqtuq¸a 1st¸m. 21,1 let± taOta und p²kim können sich ausweislich 21,14 tq¸tom nur auf die in Kap. 20 erzählten Erscheinungen des Auferstandenen vor seinen Jüngern beziehen, also schließt sich 21,1 let± taOta so an 20,29 an, als sei das Buch nicht gerade eben abgeschlossen worden. Im Übrigen ist der Gebrauch des Wortes Epilog, der ja ohnehin nur dem gattungsmäßig uneigentlichen Gebrauch des Wortes Prolog korrespondiert, sinnentleert, wenn, was „sinn- und stilmäßig“ das ganze Buch abschließt (so H. Thyen, Johannes 13 und die „Kirchliche Redaktion“ des vierten Evangeliums, in: Tradition und Glaube, Festg. für K.G. Kuhn, hg. von G. Jeremias, H.-W. Kuhn u. H. Stegemann, Göttingen 1971, 343 – 356, hier 344), zugleich, also auch nur mit „bescheidenem literarischen Vermögen“ (vgl. Thyen, Johannesevangelium, 772), holterdiepolter – nur unter-

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Anliegen der Evangelienschrift (20,31) –, dass Jesus der Sohn Gottes ist (1,34).4 Ch. Dietzfelbinger beobachtet zu diesem Täufer-Zeugnis: „Wir stoßen auf eine frappierende johanneische Eigenheit: Die Anrede Gottes an Jesus: Du bist mein geliebter Sohn … (Mk. 1,11; in Mt. 3,17: dieser ist mein geliebter Sohn …) wird im Johannesevangelium zum Wort des Täufers an die Zeitgenossen.“5 Darüber hinaus legen die 5qca Zeugnis für Jesus ab (5,36), und es ist der Vater selbst, von dem gesagt wird: ja· b p´lxar le patµq 1je?mor lelaqt¼qgjem peq· 1loO (5,37). Doch es macht den Kommentatoren sichtlich Mühe zu ermitteln, „auf welches Zeugnis Joh an dieser Stelle verweist“.6 Dass sich das laqtuqe?m der Schriften von der „christologischen Schriftauslegung des vierten Evangelisten“ her versteht,7erscheint demgegenüber eindeutig zu sein. „Zeuge für Jesus“ ist nachösterlich der Paraklet,8 der Geist der Wahrheit, mit dessen Zeugenschaft die der Jünger in eigentümlicher Weise koordiniert wird (15,26 f).9 Allen voran aber geht das Zeugnis Johannes’ des Täufers,10 das „wie

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5 6 7

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stützt durch ein unausweisliches „nach diesem (allen)“ – den Epilog eröffnen soll, obwohl dieser mit let± taOta seine eigene Einleitung hat (a. a. O., 779, vgl. 773). Der Wortlaut des Zeugnisses fti oxtºr 1stim b uR¹r toO heoO stimmt vollständig mit Apg 9,20 überein und entspricht oxtºr 1stim b uRºr lou Mt 3,17 bzw. Mk 9,7par. Auch die förmlichen Bezugnahmen auf die Täufer-Martyria in 5,33 und 10,41 bestätigen U. Wilckens’ textkritische Entscheidung gegen die Lesart b 1jkejt¹r toO heoO, die den Zusammenhang zwischen 1,34 und 1,49 zerstören würde: „Hier wird aus dem hinweisenden Zeugnis des Johannes (V.34) das Glaubensbekenntnis des Jüngers (V.49)“, s. Das Evangelium nach Johannes (NTD 4), Göttingen 1998, 43 f. Ch. Dietzfelbinger. Das Evangelium nach Johannes, I (ZBK.NT 4.1), Zürich 2001, 51. Ch.K. Barrett, Das Evangelium nach Johannes (KEK.Sonderband), Göttingen 1990, 281. R. Schnackenburg, Die christologische Schriftauslegung des vierten Evangelisten, in: Ders., Das Johannesevangelium (HThK 4,4), Freiburg/Basel/Wien 1984, 143 – 152; vgl. auch M. Hengel, Die Schriftauslegung des 4. Evangeliums auf dem Hintergrund der urchristlichen Exegese, JBTh 4 (1989), 249 – 288; W. Kraus, Johannes und das Alte Testament. Überlegungen zum Umgang mit der Schrift im Johannesevangelium im Horizont Biblischer Theologie, ZNW 88 (1997), 1 – 23; A. Obermann, Die christologische Erfüllung der Schrift im Johannesevangelium. Eine Untersuchung zur johanneischen Hermeneutik anhand der Schriftzitate (WUNT 2/83), Tübingen 1996; M. Theobald, Schriftzitate im »Lebensbrot«-Dialog Jesu (Joh 6). Ein Paradigma für den Schriftgebrauch des vierten Evangelisten, in: The Scriptures in the Gospels, ed. by C.M. Tuckett (BEThL 131), Leuven 1997, 327 – 366; D. Sänger, Das Alte Testament im Neuen Testament. Eine Problemskizze aus westlicher Sicht, in: Das Alte Testament als christliche Bibel in orthodoxer und westlicher Sicht. Zweite europäische orthodox-westliche Exegetenkonferenz im Riakloster vom 8.–15. September 2001, hg. von I.Z. Dimitrov, J.D.G. Dunn, U. Luz und K.-W. Niebuhr (WUNT 174), Tübingen 2004, 155 – 203, hier 194 – 203, speziell 194 f, Anm. 172 mit zahlreichen Literaturhinweisen. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium, III. Teil (HThK 4,3), Freiburg/Basel/Wien 1975, 134, unter Hinweis auf Beutler, Martyria, 274. Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 135. Sehen wir, dass johanneisch der Paraklet, die Jünger, die messianischen Werke und der Vater selbst für Jesus Zeugnis ablegen, wäre es exegetisch unangemessen, ausgerechnet beim Zeugnis der Schrift oder Johannes’ des Täufers davon zu sprechen, dass ihre Bedeutung auf ihre Zeugnisfunktion „beschränkt“ werde. Johanneisch ist die Zeugnisfunktion des Täufers eher im Anschluss an J. Frey, Die „theologia crucifixi“ des Johannesevangeliums, in: Kreuzestheologie

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Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

in den anderen Evangelien Jesu Kommen“ einleitet.11 Dabei fällt das laqtuqe? ja· j´jqacem k´cym 1,1512ebenso aus dem Evangelium heraus wie das lelaqt¼qgja 1,34 und lelaqt¼qgjem 5,37. Treffend beginnt J. Becker: „V 15 ist eine Variante zu Mt 3,11 par. und begegnet nochmals in 1,30. An beiden Stellen (1,15.30) wird es als Selbstzitat des Täufers eingeführt. Vom Ursprungskontext des Wortes berichtet E nichts. Er setzt also seine Kenntnis voraus.“ Ohne Grund aber fährt der Ausleger fort: „Diese wird nicht durch die Synoptiker gegeben sein, …“13 Doch hat das Selbstzitat nur Sinn, wenn der Evangelist bei seinen Hörern und Lesern voraussetzen kann, dass sie die Herkunft des Zitats erkennen, weil es ja sonst unbegründet wäre, den „Ursprungskontext des Wortes“ einfach wegzulassen.14 Und tatsächlich zeigt das b ap¸sy lou 1qwºlemor Joh 1,15 = Mt 3,11 unzweideutig, dass der Evangelist den Täufer sich selbst so zitieren lässt (dm eWpom), wie er nach Mt 3,11 gesprochen hat.15 – Ein analoger Fall begegnet Joh 10,36.16 – Er nun freilich, der vierte Evangelist, gibt diesem Zitat „in spezifisch joh. Formulierung, die sich in Anspielungen und Paradoxien bewegt“,17 einen neuen Klang: Der synoptische Vorläufer wird johanneisch zum Zeugen des präexistenten Sohnes.18 In 1,30 liegt der gleiche Sachverhalt zugrunde, aber die synoptische Formulierung als solche ist vollständig verschwunden: V. 15, eingeleitet mit Yy²mmgr laqtuqe? peq· aqtoO, war eindeutig Mt 3,11 zuzuordnen gewesen, V. 30 (peq· ox 1c½ eWpom) lässt sich, obwohl Parallele zu V. 15,19 mit keiner synoptischen Version mehr direkt vergleichen. Die Verschiebung der Perspektive bringt der Evangelist dadurch zum Ausdruck, dass er nicht mehr oxtor Gm dm eWpom (V. 15), sondern

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im Neuen Testament, hg. von A. Dettwiler und J. Zumstein (WUNT 151), Tübingen 2002, 169 – 238, hier 200, so zu umschreiben: Johannes ist nicht mehr nur Prediger der Bußtaufe zur Vergebung der Sünden, sondern vielmehr Zeuge für Jesus, der als das von Gott erwählte Lamm die Sünde der Menschheit tilgt. J. Becker, Das Evangelium nach Johannes, Kapitel 1 – 10 (ÖTBK 4/1), Gütersloh 31991, 82. J´jqacem k´cym wird, obwohl Einzelfall im NT, gerne als Perfektform mit Präsensbedeutung interpretiert. Aber diese müsste dann neben laqtuqe? dazu noch als praesens historicum aufgefasst werden. Joh 7,28.37; 12,44 wird immer die Aoristform verwendet. Becker, Johannes, I, 83 f. Johanneische Entsprechungen zum synoptischen Täuferbild bespricht auch J. Frey, Das Vierte Evangelium auf dem Hintergrund der älteren Evangelientradition. Zum Problem: Johannes und die Synoptiker, in: Th. Söding (Hg.), Johannesevangelium – Mitte oder Rand des Kanons? Neue Standortbestimmungen (QD 203), Freiburg 2003, 60 – 118, hier 95 – 100. So im Schatten der Leuvener Umorientierung jetzt auch Thyen, Johannesevangelium, 101. Bezogen auf den Vorwurf der Gotteslästerung (Mk 14,61 – 64; Mt 26,63 – 65; vgl. Joh 10,33) formuliert Mt 27,43: eWpem c±q fti heoO eQli uRºr, entsprechend Joh 10,36: fti eWpom uR¹r toO heoO eQli. Ähnlich vergleichbar sind Lk 22,67 und Joh 10,24 f. R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (KEK 2), Göttingen 211986, 50. R. Bergmeier, Weihnachten mit und ohne Glanz. Notizen zu Johannesprolog und Philipperhymnus, in: Ders., Das Gesetz im Römerbrief und andere Studien zum Neuen Testament (WUNT 121), Tübingen 2000, 163 – 184, hier 172. Zur Parallelität im Zusammenhang von Joh 1 vgl. Bergmeier, Weihnachten, 171 f.

Synoptische Zeugnisse im Johannesevangelium

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oxtºr 1stim jtk. schreibt, ein sprechendes Beispiel für direkten Rückgriff auf die Synoptiker und deren johanneische Umgestaltung.20 Die Zeitstufen verdienen Beachtung:21 In Joh 1,15 folgt dem Präsens laqtuqe?, das sich ebenso wie j´jqacem k´cym auf das synoptische Zeugnis und nicht auf die Erzählzeit des vierten Evangeliums bezieht, im Zitat Gm und eWpom, um die „Rück-Perspektive des Erzählers“,22 im Deutschen plusquamperfektisch, zum Ausdruck zu bringen. Die Übersetzung müsste, kommentiert, lauten: „Johannes legt (im Evangelium) Zeugnis für ihn ab und hat (so) den Ruf seiner Botschaft erschallen lassen: ,Dieser war der gewesen, von dem ich gesagt hatte …‘.“ Einen vergleichbaren Fall, auch ein laqtuq´y-Beleg, haben wir in Joh 4,44 aqt¹r c±q YgsoOr 1laqt¼qgsem fti jtk.: „Jesus hatte ja“ – wie die Leser nämlich aus Mk 6,4 par. Mt 13,57 wissen – „selbst bezeugt,23 dass ein Prophet in seiner24 Heimat kein Ansehen hat.“ Das mit Mk 6,4 gemeinsame Substrat ist: fti pqov¶tgr – 1m t0 patq¸di – Verweigerung von til¶. Der Bezug auf das synoptische Zeugnis dient wohl zunächst, wie das sonst sinnlose c²q nahelegt, dazu, den durch keine Tradition gedeckten zweiten25 Aufbruch eQr tµm Cakike¸am (Mk 1,14; Mt 4,12; Lk 4,14) zu legitimieren. Zugleich stellt der Evangelist einen seiner beliebten Widersprüche her, hier zwischen dem synoptischen Zeugnis (4,44) und dem Erzählungsfortgang V. 45 1d´navto aqt¹m oR Cakika?oi, einen Kontrast, den er noch steigert durch 6,14 und dann auflöst durch 6,66. Die Formulierung Beckers zur Stelle („Fragt man, wo Jesus im Joh dieses bezeugt hat, fehlt eine Antwort.“)26 erweist sich somit als nicht angemessen, weil die Frage falsch gestellt ist. R. Bultmann hingegen dürfte dem Textbefund näher gewesen sein: Es besteht eine „Parallelität von 4,43 – 45 mit 2,23 – 25“27 – vgl. besonders aqt¹r d³ YgsoOr (2,24), aqt¹r c±q YgsoOr (4,44) –, des Weiteren ist „Jesu Wort 4,44 eine Variante des Mk 6,4 überlieferten Wortes“ und „6,41 ff. die joh. Variante der Szene Mk 6,1 – 6.“28 20 Vgl. dazu auch D.-A. Koch, Der Täufer als Zeuge des Offenbarers. Das Täuferbild von Joh 1,19 – 34 auf dem Hintergrund von Mk 1,2 – 11, in: F. van Segbroeck/C.M. Tuckett/G. van Belle/J. Verheyden (Hg.), The Four Gospels, 3 Bde., FS F. Neirynck (BEThL 100), Leuven 1992, 1963 – 1984. 21 So auch, wenngleich mit anderer Intention und anderen Ergebnissen, J. Frey, Die johanneische Eschatologie, Bd. 2 Das johanneische Zeitverständnis (WUNT 110), Tübingen 1998, 68 („die verwendeten Tempora, mit Bedacht gewählt und für die Interpretation relevant“), z. St. vgl. 71 f. 22 H. Weinrich, Textgrammatik der deutschen Sprache, Hildesheim 32005, 228. 23 Zum plusquamperfektischen Sinn s. auch Bultmann, Johannes, 150, Anm. 4. 24 Zu Qd¸ô s. R. Schnackenburg, Das Johannesevangelium, I. Teil, (HThK 4,1), Freiburg/Basel/Wien 1967, 494 mit Anm. 4. 25 a) Joh 1,43, b) 4,3.43.45.47.54. Die Motivierung von 4,1 ist, wie der Erzähler vielleicht selbst empfunden hat, nicht sehr überzeugend, denn von Eifersucht, Misstrauen, Argwohn oder gar wachsendem Unmut der (Jesus feindlich gesinnten) Pharisäer, so Bultmann, Johannes, 128; J. Schneider, Das Evangelium nach Johannes (ThHK, Sonderband), Berlin 21978, 108; Schnackenburg, Johannes, I, 458; Wilckens, Johannes, 80, ist ja nicht wirklich die Rede. 26 Becker, Johannes, I, 185. 27 Bultmann, Johannes, 149. 28 Bultmann, Johannes, 150.

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Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

So ermutigt, nach den synoptischen „Zeugnissen“ im vierten Evangelium zu fragen, wenden wir uns nun auch 5,37 zu. Da wird auf ein in der Vergangenheit liegendes Zeugnis des Vaters verwiesen, wie Bultmann feststellt, das seine Gültigkeit immer noch habe.29 J. Schneider beobachtete zutreffend: „Es liegt am nächsten, an die Gottesstimme bei der Taufe Jesu zu denken.“30 Sein Einwand, Johannes erwähne diesen Vorgang 1,32 – 34 nicht, erübrigt sich,31 wenn wir uns klarmachen, dass die synoptischen Texte wie selbstverständlich vorausgesetzt werden, woran ja Joh 1,32 – geradezu ausdrücklich ein synoptisches Zeugnis (1laqt¼qgsem) – erinnert hatte: Joh 1,32 teh´alai t¹ pmeOla jataba?mom ¢r peqisteq²m

Mk 1,10 eWdem … t¹ pmeOla ¢r peqisteq±m jataba?mom.

Die Worte des Täuferzeugnisses (1,32a) sind nahezu vollständig Zitat. Charakteristisch ist aber die Ersetzung von eWdem durch teh´alai, wodurch zugleich der jeweilige Empfänger der Vision ein anderer ist: Jesus bei Markus, der Täufer in Joh 1,32. Zur Zitatebene gehören auch noch die Parallelwendungen:32 Joh 1,33 bapt¸feim 1m vdati, b bapt¸fym 1m pme¼lati "c¸\

Mt 3,11 bapt¸fy 1m vdati bapt¸sei 1m pme¼lati "c¸\.

In Anlehnung an teh´alai 1,32 – und dadurch vorbereitet – wird 1,34 das Zeugesein des Täufers mit den Worten zusammengefasst: j!c½ 2¾qaja ja· lelaqt¼qgja fti oxtºr 1stim b uR¹r toO heoO. Für das also, was synoptisch Vision und Audition des getauften Jesus war, stehen johanneisch Augenzeugenschaft und Bezeugung des Täufers, aber nicht, wie 5,37 deutlich zeigt, um die Erinnerung an die Gottesstimme an Jesus zu verdrängen oder zu ersetzen. Johannes der Täufer ist nun zwar Zeuge für die Gottessohnschaft Jesu. Aber diese Bezeugung hat Jesus selbst gar nicht nötig, weil es ein größeres Zeugnis gibt, wie schon die synoptische Perikope von der Anfrage des Täufers gezeigt hatte: die 5qca (Mt 11,2; vgl. Joh 5,36). – Der synoptische Bezug spiegelt sich auch, wie ich meine, im Gebrauch des Perfekts d´dyjem. – Und schließlich ist Jesus selbst, authentisch, im Offenbarungswissen dessen, was der Täufer wahrheitsgemäß bezeugt hat (5,33): Er ist der Sohn, den der Vater gesandt hat (5,37). Literarisch erinnert 1je?mor lelaqt¼qgjem an die Gottesstimme in der 29 Bultmann, Johannes, 200. 30 Schneider, Johannes, 133. 31 Vgl. Bultmann, Johannes, 65: Der Evangelist nehme auf die Taufe Jesu durch Johannes „sichtlich unbefangen Bezug; aber er erzählt sie nicht, weil er sie als bekannt voraussetzen kann, …“ 32 Vgl. auch W. Bauer, Das Johannesevangelium (HNT 6), Tübingen 31933, 38: „Daß der Abschnitt 29 – 34 auf dem synopt. Taufbericht fußt, geht klar aus 32.33 hervor, denen 34 der Ersatz der synoptischen Himmelsstimme zur Seite tritt.“ Vgl. auch Thyen, Johannesevangelium, 124 f.

Synoptische Zeugnisse im Johannesevangelium

75

synoptischen Taufgeschichte, während die zweite Vershälfte dann – wieder literarisch, darum, wie ich meine, das ungewöhnliche33 p¾pote mit Perfekt – ad vocem vymµm aqtoO auf Dtn 4,12 (vgl. Dtn 5,24) anspielt.34 So gestaltet also der vierte Evangelist im Gespräch mit synoptischen wie auch mit altbiblischen Texten seinen neuen, den johanneischen Text,35 und wir können demzufolge nicht mehr mit E. Haenchen urteilen, die Berührungen mit den synoptischen Evangelien seien gering und beträfen nur gewisse Geschichten und Motive, und also auch nicht mehr schlussfolgern: „Johannes dürfte die Synoptiker gar nicht gekannt haben.“36 Er hat sie gekannt, er hat sie benützt.37 Die in Joh 1,19 – 28 aufgerufene Täufer-Martyria (avtg 1st·m B laqtuq¸a toO Yy²mmou) schließt sich denn auch ganz deutlich an die schon in 1,6 vorausgesetzte synoptische Vorlage an: Joh 1,6 1c´meto …, !pestakl´mor …, … Yy²mmgr

Mk 1,2.4 !post´kky – 1c´meto Yy²mmgr

1,20 b wqistºr

Lk 3,15 b wqistºr

1,21 Ik¸ar

Mt 11,14 Ik¸ar

1,23 1c½ vymµ bo¾mtor 1m t0 1q¶l\7 eqh¼mate tµm bd¹m juq¸ou, jah½r eWpem Isaýar b pqov¶tgr

Mk 1,3 vymµ bo¾mtor 1m t0 1q¶l\7 2toil²sate tµm bd¹m juq¸ou, eqhe¸ar jtk. 1,2 jah½r c´cqaptai 1m t` Isaýô t` pqov¶t,

1,26 1c½ bapt¸fy 1m vdati

Mt 3,3 1c½ … bapt¸fy 1m vdati

1,27a b ap¸sy lou 1qwºlemor

Mt 3,11 b ap¸sy lou 1qwºlemor

33 Vgl. Bultmann, Johannes, 54, Anm. 4. Zu Joh 1,18a.c ist als Anspielung zu vergleichen: t¸r 2ºqajem aqt¹m ja· 1jdigc¶setai7 (Sir 43,31). 34 Vgl. R.E. Brown, The Gospel according to John (i–xii) (AncB 29), Garden City, New York 1966, 225. Zu eWdor heoO vgl. Gen 32,31. 35 Das johanneische Verhältnis zu den synoptischen Texten ist nicht zu vergleichen mit der quellenkritischen Abhängigkeit des Matthäus und Lukas von Markus, sondern mit dem intertextuellen Umgang des vierten Evangeliums selbst mit den Texten der griechischen Bibel. Vgl. dazu I.D. Mackay, John’s Relationship with Mark: An Analysis of John 6 in the Light of Mark 6 – 8 (WUNT II/182), Tübingen 2004, 15, 291, 302 (jeweils mit Hinweis auf J. Marsh, Saint John, Harmondsworth 1968, 46); M. Labahn/M. Lang, Johannes und die Synoptiker. Positionen und Impulse seit 1990, in: Kontexte des Johannesevangeliums. Das vierte Evangelium in religionsund traditionsgeschichtlicher Perspektive, hg. von J. Frey u. U. Schnelle unter Mitarb. von J. Schlegel (WUNT 175), Tübingen 2004, 443 – 515, hier 471: „Wer seine Quellen in solch souveräner Weise zitiert und intertextuell mit ihnen spielt, von dem ist ein vergleichbarer Umgang mit den Synoptikern zu erwarten.“ 36 E. Haenchen, Johanneische Probleme, in: Ders., Gott und Mensch. Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1965, 78 – 113, hier 110 f. 37 Vgl. auch J. Blinzler, Johannes und die Synoptiker. Ein Forschungsbericht (SBS 5), Stuttgart 1965, 52 – 60. Die „Positionen und Impulse seit 1990“ besprechen Labahn/Lang, Johannes, 443 – 515.

76

Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

1,27b ox oqj eQl· … Vma k¼sy aqtoO t¹m Rl²mta toO rpod¶lator

Mk 1,7 ox oqj eQl· … kOsai t¹m Rl²mta t_m rpodgl²tym aqtoO

1,33 oxtºr 1stim b bapt¸fym 1m pme¼lati "c¸\

Mt 3,11; Lk 3,16 aqt¹r … bapt¸sei 1m pme¼lati "c¸\.

Welche weitreichenden religionsgeschichtlichen Schlüsse zog Bultmann aus Joh 1,20! Die Täuferantwort: „1c½ oqj eQl· b Wqistºr, weist deutlich auf den zeitgeschichtlichen Hintergrund. Die Frage, ob Jesus oder Johannes der Messias sei, steht zur Diskussion, …“38 In Wirklichkeit war die Frage im vorliegenden johanneischen Text von niemandem gestellt worden, sondern wird literarisch aus Lk 3,15 vorausgesetzt.39 In Abwandlung nimmt 3,28 (laqtuqe?te fti eWpom) noch einmal Bezug auf die Täufermartyria 1,19 – 28, verrät aber zugleich, dass sich der Evangelist nicht nur auf die synoptische Vorlage Mk 1,2 – 8 par., sondern, wie schon 1,21 par. Mt 11,14 ausweist, auch auf Mt 11,10 = Lk 7,27 bezogen hat: Joh 3,28 fti !pestakl´mor eQl· 5lpqoshem Mt 11,10; Lk 7,27 !post´kky … 1je¸mou 5lpqosh´m sou.

J. Beutler erwog im Blick auf „von Gott gesandt“ (1,6), von besonderer Bedeutung für diese Stelle scheine Mal 3,1.22 zu sein, und näherhin: „Die Verbindung von Mal 3,1 mit Jes 40,3 in Mk 1,2 läßt daran denken, daß die Maleachistelle zusammen mit dem Jesajazitat (das auch in den anderen syn Evangelien auftaucht) Teil einer urchristlichen Testimoniensammlung gewesen sei.“40 Aber der gegenüber der Maleachistelle gemeinsame Gebrauch von !post´kky und 5lpqoshem zeigt, dass Bultmann Recht hatte, und zwar weitergehend, als er dachte: „Daß dem Evglisten die christliche Deutung von Mal 31 (Mt 1110 = Lk 727 Mk 12) geläufig ist, zeigt schon das b ap¸sy lou 1qwºlemor 115.“41

2. Literarische, nicht traditionsgeschichtliche Verwandtschaft Wenn im vierten Evangelium förmlich, wie wir gesehen haben, synoptische „Zeugnisse” aufgerufen und Synoptikertexte vergegenwärtigt werden, hat dieser Befund auch Bedeutung für die übrigen Stellen, bei denen ein Korrespondenzverhältnis zu Texten der Synoptiker zur Frage steht. Im Blick auf 38 39 40 41

Bultmann, Johannes, 60. Wilckens, Johannes, 45. J. Beutler, Martyria, 242. Bultmann, Johannes, 126, Anm. 5.

Literarische, nicht traditionsgeschichtliche Verwandtschaft

77

Joh 15,26 f war aufgefallen:42 Dem Jesus-Zeugnis des Geist-Parakleten tritt das Zeugnis der Jünger zur Seite, weil sie ja, wie es V. 27 heißt, „von Anfang an“ mit ihm gewesen seien. Diese Kennzeichnung der Jünger wird schwerlich von Lk 1,2 oR !p( !qw/r aqtºptai unabhängig sein, zumal auch das auffällige Nebeneinander von Geist- und Jüngerzeugnis seine lukanische Parallele hat.43 Hinzu kommt die Formulierung let( 1loO 1ste, die nach Mk 3,14 (Vma §sim let( aqtoO) im Vergleich zu Mk 5,18 speziell den Zwölferkreis charakterisiert. Ein letztes Mal sodann ruft der Evangelist 13,21 ein synoptisches „Zeugnis“ förmlich auf (YgsoOr … 1laqt¼qgsem): 13,21 eWpem7 !lµm !lµm k´cy rl?m fti eXr 1n rl_m paqad¾sei le.

Mt 26,21; Mk 14,18 eWpem7 !lµm k´cy rl?m fti eXr 1n rl_m paqad¾sei le.

M. Theobald verweist zwar „zu den Redeeinführungsformeln mit laqtuqe?m“ auf44 M. Dibelius: „laqtuqe?m leitet viermal im Johannes-Evangelium ein Wort ein – 1,15; 1,32; 4,44; 13,21 –, und jedesmal dürfte es sich um ein Logion handeln, das nicht erst der Evangelist formuliert hat.“45 Aber aus der eigenen Wahrnehmung scheint der Beleg 13,21 entschwunden zu sein, denn Theobald vermerkt zur Zitationsformel aqt¹r c±q YgsoOr 1laqt¼qgsem fti (Joh 4,44), laqtuqe?m in einer Zitateinleitung vor Jesus-Worten begegne sonst nicht mehr im vierten Evangelium.46 Dem steht der Wortlaut von 13,21 klar entgegen, und die dortige Bezeichnung des „Verräters“ hat ihre eindeutigen synoptischen Parallelen, wie W. Bauer präzise beschrieben hat: „Auf die Andeutungen 10. 18. 19 folgt nunmehr die unverhüllte Ankündigung nach Mc 14,18; Mt 26,21.“47 Die syntaktische Form des ersten synoptischen Zeugnisses: oxtor Gm dm eWpom (Joh 1,15) verdient noch einmal Beachtung, zumal sie im Evangelium nicht alleine dasteht. Man kann, ja man muss sie vergleichen mit ihren übrigen syntaktischen Parallelen. Völlig zu Recht erklärt R. Schnackenburg zu Joh 18,14 Gm d³ Jaz²var b sulbouke¼sar jtk., diese Bemerkung über Kajafas 42 Vgl. Joh 15,26 f mit Lk 24,48 f: 15,26 ja· rle?r d³ laqtuqe?te

24,49 rle?r l²qtuqer to¼tym

15,27 b paq²jkgtor dm 1c½ p´lxy rl?m paq± 24,48 1c½ !post´kky tµm 1paccek¸am toO patqºr toO patqºr lou 1v( rl÷r. 43 Apg 5,32, vgl. Bultmann, Johannes 427; Schneider, Johannes 273. 44 M. Theobald, Herrenworte im Johannesevangelium (HBS 34), Freiburg usw. 2002, 48 f, Anm. 115. 45 M. Dibelius, Joh 15,13. Eine Studie zum Traditionsproblem des Johannes-Evangeliums, in: Ders., Botschaft und Geschichte I, in Verb. mit H. Kraft hg. von G. Bornkamm, Tübingen 1953, 204 – 220, hier 208. 46 Theobald, Herrenworte, 37. Doch hätte er die Stelle 13,21 aufgenommen, hätte er wohl ein weiteres Mal, wie Bultmann, Johannes, 366, formuliert: „daß der Evglist einen der synoptischen Berichte benutzt habe, läßt sich nicht erweisen und ist unwahrscheinlich.“ 47 Bauer, Johannesevangelium, 173.

78

Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

sei dem Evangelisten zuzuschreiben.48 Ganz anders die Argumentation, was Joh 11,2 betrifft: Dieser Vers ist eine Glosse, die dem Leser erläutert, wer die eben genannte Maria war, … Die Schilderung, wie sie Jesus die Füße salbte …, ist keine Erinnerung an die Sünderin von Lk 7,37 f, sondern eine Vorwegnahme von 12,3. Diese Tatsache, mehr noch der Gebrauch von b j¼qior (vgl. 6,23) und die grammatikalische Konstruktion machen es so gut wie sicher, daß der Vers nicht vom Evangelisten stammt.49

Tatsächlich aber haben wir in den drei genannten und in weiteren Fällen die gleiche erzählerische Rück-Perspektive vor uns: oxtor Gm dm eWpom jtk.

1,15

„Dieser war der gewesen, von dem ich gesagt hatte …“

Gm d³ Laqi±l B !ke¸xasa t¹m j¼qiom jtk.

11,2

„Maria aber war die gewesen,50 die den Herrn gesalbt hatte …“

Gm d³ Jaz²var b sulbouke¼sar jtk.

18,14 „Kaiphas aber war der gewesen, der den Rat erteilt hatte …“

Gm )mdq´ar … eXr 1j t_m d¼o t_m 1,40 … !jokouhgs²mtym aqt`

„Andreas … war einer der beiden gewesen, die … ,ihm nachgefolgt waren‘.“ (vgl. Mk 1,18 par.)

Gm d³ s²bbatom 1m Ø Bl´qô t¹m pgk¹m 1po¸gsem b YgsoOr jtk.

9,14

„Es war aber Sabbat gewesen an dem Tag, da Jesus den Teig gemacht hatte …“

Hyl÷r d³ … oqj Gm let( aqt_m fte Gkhem YgsoOr.

20,24 „Thomas aber … war nicht bei ihnen gewesen, als Jesus gekommen war.“

Die Parallelität der Syntax lässt nun Joh 11,2 in einem neuen Licht erscheinen: Für den Leser ist das Dorf V. 1 als die Heimat „des ihm bekannten Schwesternpaares charakterisiert. Bekannt war es aus Lk 10, 38 – 42 …“51 Damit aber hat das Dorf noch nicht den Namen aus der markinischen Salbungsgeschichte: Bgham¸a Mk 14,3; Mt 26,6; Joh 11,1; 12,1, wodurch das Geschehen allererst in die Nähe von Jerusalem gerückt wird (Joh 11,18, vgl. Mk 11,1). Darum verknüpft der Evangelist mit der Perikope Lk 10,38 – 42 die frühere von Lk 7,36 – 50, indem er Joh 11,2 in der erzählerischen Rück-Perspektive Maria identifiziert als B !ke¸xasa t¹m j¼qiom l¼q\ ja· 1jl²nasa to»r pºdar aqtoO ta?r hqin·m t/r jevak/r aqt/r: „Maria aber war die gewesen, die [lukanisch] 48 Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 265. 49 Schnackenburg, Johannesevangelium, II, 403. 50 Bultmann, Johannes, 302, Anm. 1, verkennt den Charakter der Rück-Perspektive, wenn er meint, „(genauer wäre ‘ist’)“. 51 Bultmann, Johannes, 302, Anm. 1.

Literarische, nicht traditionsgeschichtliche Verwandtschaft

79

den Kyrios [vgl. Lk 7,38 to»r pºdar aqtoO, ja· ta?r hqin·m aqt/r 1n´lassem, … ja· Ekeivem t` l¼q\] gesalbt hatte.“52 Dass der Evangelist tatsächlich verknüpfend vorgegangen ist, belegt gerade auch der Gebrauch von b j¼qior, denn Maria wird ja Lk 10,39; Joh 11,2 mit to»r pºdar toO juq¸ou verbunden. Von dem Dorf aber wird Joh 11,30 mit förmlichem Bezug auf Lk 10,38 gesagt, Jesus sei dort noch nicht angekommen gewesen. Zu wenig nämlich ist in den Kommentaren gewürdigt, dass das vierte Evangelium hin und wieder geradezu förmlich auf synoptische Darstellung Bezug nimmt. Sicher, es gibt Einfügungen, die sekundär synoptische Verhältnisse wiederherstellen.53 Aber das darf uns nicht generell die Sicht auf die förmlichen Bezugnahmen des Evangelisten verstellen. Joh 3,24 kommentiert Schnackenburg erhellend: Die Zwischenbemerkung des Evangelisten, daß Johannes noch nicht ins Gefängnis geworfen war, ist für das Verhältnis zu den Syn wichtig. Was hier erzählt wird, geschah alles vor dem öffentlichen Auftreten Jesu, wie es die Syn beschreiben (Mk 1,14 f parr). Die Kenntnis vom Lebensausgang des Täufers setzt der 4. Evangelist voraus.54

Später aber, zu 6,17 f, bemerkt derselbe Exeget, oupy + Plusquamperfekt in 3,24; 7,30; 8,20; 11,30 bedeute „die Antizipation einer Tatsache, die erst später erzählt wird.“55 Nein, das ist eine Fehleinschätzung. Der Evangelist nimmt vielmehr mit dieser Konstruktion ausdrücklich auf synoptische Stellen Bezug, deren Kenntnis er, wie Schnackenburg zu Joh 3,24 formuliert hatte, voraussetzt: Joh 3,24 oupy c±q Gm bebkgl´mor eQr tµm Lk 3,20 (vgl. Mk 1,14; 6,17) jat´jkeisem vukajµm b Yy²mmgr t¹m Yy²mmgm 1m vukaj056 Joh 6,17 ja· oupy 1kgk¼hei pq¹r aqto»r b YgsoOr

Mk 6,48 5qwetai pq¹r aqto»r jtk.57

52 Zur johanneischen Rede vom j¼qior vgl. Artikel: j¼qior jtk. (J.A. Fitzmyer), EWNT II, Stuttgart usw. 1981, 811 – 820, hier 819: „Die Verwendung ähnelt dem Gebrauch der erzählenden lukanischen Abschnitte über Jesu Wirken …“ Im Übrigen vgl. auch Thyen, Johannesevangelium, 510 – 513. 53 Zu Einfügungen, die sekundär synoptische Verhältnisse wiederherstellen, vgl. R. Bergmeier, Fragen zur Interpretation der johanneischen Schriften. Homogenität und Widersprüche, ThZ 60 (2004), 107 – 130, hier 107 f. 54 Schnackenburg, Johannesevangelium, I, 451. 55 Schnackenburg, Johannesevangelium, II, 34. 56 Zur Redewendung b²kkeim eQr vukaj¶m vgl. Mt 5,25; 18,30; Lk 12,58; 23,25. Der bestimmte Artikel Joh 3,24 zeigt an, dass sich der johanneische Text auf die synoptische Rede von der Inhaftierung des Täufers bezieht. 57 Es hat keinen Sinn, das oupy des johanneischen Texts mit dem “oupy sum¸ete of Mark 8:17,21” in Verbindung zu bringen, gegen Mackay, Relationship, 170. Stattdessen ist der Bezug auf Mk 6,48 sehr konkret und wörtlich.

80

Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

Joh 7,30; 8,20 fti oupy 1kgk¼hei B ¦qa aqtoO

Mk 14,41 Gkhem B ¦qa

Joh 11,30 oupy d³ 1kgk¼hei b YgsoOr eQr Lk 10,38 aqt¹r eQs/khem eQr j¾lgm tim²7 tµm j¾lgm58 … B L²qha … L²qha.59

Und so ist es immer wieder : Die Diktion des vierten Evangelisten erinnert bei Hörern und Lesern an deren Kenntnis der Synoptiker.60 Zutreffend daher beschreibt Bultmann zu Joh 6,19 f den sachlichen Befund so: „Sie fürchten sich, – was, ohne daß es ausdrücklich gesagt ist, natürlich im Sinne von Mk 6,49 zu verstehen ist: … Dem entspricht (wie Mk 6,50) Jesu Wort V. 20: 1c¾ eQli, lµ vobe?she, …“61 Hinzu kommt, dass der johanneische Text die Furcht der Jünger vor Jesus gar nicht selbst motiviert,62 sondern als bekannte Erzählversion voraussetzt, während doch sonst „im 4. Ev die Jünger niemals Furcht vor Jesus haben, auch nicht vor dem Auferstandenen“.63 Es ist ferner so, dass der bei Johannes nur hier „gebrauchte nautische Ausdruck 1ka¼meim“ genauso Mk 6,48 vorkommt64 und peqipat_m 1p· t/r hak²ssgr ebenso wie 5qweshai pq¹r aqto¼r für beide Texte charakteristisch ist. Es zeigt sich: Anklänge an synoptische Redeweise und Erzählstücke oder Anspielungen auf Stoffe der drei ersten Evangelien sollten nicht mehr nur unter traditions- bzw. überlieferungsgeschichtlichen65 Gesichtspunkten verhandelt,66 sondern vor allem im Sinn von synoptischen Metatexten interpre58 Barrett, Johannes, 395: „Daß Jesus … bleiben sollte, wo er war, anstatt in das Dorf zu gehen, ist ein anderer Zug der Erzählung, der sich nicht erklären läßt.“ Wie man sieht, erklärt sich der Zug aus der Erinnerung an Lk 10,38. 59 R. Bauckham, John for Readers of Mark, in: The Gospels for All Christians. Rethinking the Gospel Audiences, ed. by R. Bauckham, Edinburgh 1998, 147 – 171, restringiert seine im Übrigen zutreffenden Beobachtungen zu Joh 3,24 (151 – 155) und 11,2 (161 – 165) auf die johanneische Kenntnis des Markusevangeliums. Tatsächlich aber erschließen sich die johanneischen Formulierungen erst von ihren lukanischen Parallelen her. 60 Vgl. auch Frey, Evangelium, 114. 61 Johannes, 159. 62 Es genügt nicht, nur festzustellen, “John gives no motive for the fear”, gegen Mackay, Relationship, 186, vgl. auch 174. Vielmehr ist zu realisieren, dass die johanneische Erzählversion von ihrer markinischen Vorlage, in der die Furcht motiviert ist, lebt. 63 Schnackenburg, Johannesevangelium, II, 36. 64 Schnackenburg, Johannesevangelium, II, 35. Vgl. auch M. Labahn, Offenbarung in Zeichen und Wort. Untersuchungen zur Vorgeschichte von Joh 6,1 – 25a und seiner Rezeption in der Brotrede (WUNT II/117), Tübingen 2000, 259. 65 Theobald, Herrenworte, 18 – 20, plädiert „für eine Unterscheidung von Traditions- und Überlieferungskritik“, wobei er unter „Überlieferung“ die mündliche Vorgeschichte einer Einheit, unter „Tradition“ Motiv- und Stoffgeschichtliches versteht. Eine Klärung dieser Art ist sinnvoll, aber man kann sie nicht rückwirkend auf frühere Literatur anwenden. 66 Davon sind natürlich auch meine eigenen Beiträge zum vierten Evangelium betroffen: TETEKESTAI, 113 – 121; Gottesherrschaft, Taufe und Geist. Zur Tauftradition in Joh 3, in: a. a. O., 185 – 205 (speziell 197 f); ausführlicher in der überarbeiteten Fassung meiner Heidelberger Dissertation von 1974: Glaube als Gabe nach Johannes. Religions– und theologiegeschichtliche

Literarische, nicht traditionsgeschichtliche Verwandtschaft

81

tiert werden,67zumal kreative Transformation68 nicht nur „der joh. Gemeinde als Tradentin von Jesus-Worten“,69sondern gleichermaßen dem Evangelisten70 und seiner Schule als Verfassern und Herausgebern des vierten Evangeliums zuzutrauen sind. „Die ,Gretchenfrage‘ der Johannesforschung“, wie Theobald formuliert: „Wie hältst du es mit ,Johannes und den Synoptikern‘?“,71 kann schwerlich vom begrenzten Befund der „Herrenworte“ her entschieden werden. Vielmehr ist ein ganzes Bündel von Beobachtungen zu würdigen, die man nicht einfach als Modeerscheinung72 deklarieren kann. Die Rezeption der Gattung Evangelium und die Kompositionsanalogien weisen „auf Markus als die grundlegende synoptische Vorlage des Johannesevangeliums hin“.73 Wir haben des Weiteren mit den Synoptikern „gemeinsame Erzählungsstücke“ und „gemeinsame Logien“,74 unter ihnen auch die von Theobald subtil untersuchten „Herrenworte“.75 Und nicht zu unterschätzen ist die Beobachtung U. Wilckens’: „Der Joh.evangelist setzt bei seinen Lesern die Kenntnis dieser Evangelienschriften, ja ihr Vertrautsein mit diesen, voraus.“76 Wir müssen also, wie gerade die synoptischen „Zeugnisse“ im vierten Evangelium belegen, davon ausgehen, dass die drei ersten Evangelien im literarischen Sinn bei der Entstehung des vierten Evangeliums Pate gestanden haben und nicht erst in

67

68 69 70 71 72 73 74 75

76

Studien zum prädestinatianischen Dualismus im vierten Evangelium (BWANT 112), Stuttgart usw. 1980, z. B. 208; 216 f; 229 f; 235. Theobald, Herrenworte, 201: „Mit Metatext bezeichnen wir einen joh. Text, der aus der Auseinandersetzung mit einer syn. Überlieferung als seinem Basistext hervorgegangen ist.“ Nach meinem Verständnis wäre zu formulieren: der aus der Auseinandersetzung mit synoptischen Basistexten (im literarischen Sinn) hervorgegangen ist. Vgl. Theobald, Herrenworte, 60, 127, 197 – 200, 616 u. ö. Theobald, Herrenworte, 68, ähnlich 197 u. ö.. Vgl. Theobald selbst: Herrenworte, 596, 617. Theobald, Herrenworte, 6. Theobald, Herrenworte, 6: „Heute wird es … wieder Mode …“ Schnelle, Johannes, 16. Schnackenburg, Johannesevangelium, I, 16 – 23 u. 23 – 26; vgl. auch Frey, Evangelium, 82 – 86. Theobald, Herrenworte, 196 behauptet aber mehr, als er tatsächlich „nachgewiesen“ hat: „Dass E seine syn. Logien aus einem der syn. Evangelien geschöpft hat, ließ sich nicht nachweisen.“ Von außen gesehen hat Theobald den Nachweis noch nicht einmal versucht. Schon bevor der Binnen-Nachweis in 3,1.5 geführt worden ist, formuliert Theobald, a. a. O., 62: „Methodische Voraussetzung für die Annahme, dass Joh 3,3/5 eine alte Spruchüberlieferung zugrunde liegt, ist die Überzeugung, dass eine unmittelbare Bekanntschaft mit den syn. Evangelien, näherhin mit Mt 18,3 und Mk 10,15 (= Lk 18,17), sich für unsere Stelle nicht erweisen lässt.“ An mehreren Stellen räumt Theobald selbst ein, dass man die Kenntnis der bzw. eines der Synoptiker nicht ausschließen kann, s. z. B. 38, 107, 108, 113, 127, 145, 146. Schließlich darf man vor der Zirkularität der überlieferungskritischen Analysen nicht die Augen verschließen. Es wird z. B. die Nähe verschiedener Logien zum ersten Evangelium konstatiert, dann aber überlieferungskritisch in die judenchristliche Sonderüberlieferung oder Q-Überlieferung zurückgefragt, deren Wortlaut dann eben wieder im Matthäusevangelium erhalten geblieben sei, s. 197. So bleibt man am besten mit dem Autor bei der Feststellung S. 7: „Man kann sich auch vorstellen, dass der Evangelist diesen oder jenen Synoptiker gekannt und dennoch ,Spruchgut‘, auch syn. Provenienz, aus der eigenen Gemeindeüberlieferung geschöpft hat.“ Wilckens, Johannes, 4.

82

Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

einem späten Stadium sekundärer Einfügungen von Bedeutung wurden, wie auch M. Hengel klar formuliert hat: „Was die Abhängigkeit von den Synoptikern anbetrifft, so ist ihre kritische Kenntnis wie auch ihr unmittelbarer Einfluß – immer jedoch in ungebundener, völlig freier Weise – vorauszusetzen.“77 Nehmen wir ergänzend als Beispiel die vielfach nur traditions- bzw. überlieferungsgeschichtlich eingeordnete Fernheilungsgeschichte Joh 4,46 – 54! Das Muster der Fernheilungsgeschichte hat der Evangelist den Texten Mk 7,24 – 30 par. Mt 15,21 – 28 entnommen, wozu ja schon Mt 8,13 Verbindung hergestellt hatte. Von daher erklärt sich die Einfügung der schroffen Abweisung Joh 4,48, die Umwandlung von pa?r (Mt 8,6.8.13; Joh 4,51) in uRºr (Joh 4,46.47.50.53) und, ganz verräterisch, die plötzliche Rede von t¹ paid¸om lou Joh 4,49 wie Mk 7,30 t¹ paid¸om. Endlich schließt Joh 6,1 – 3 wie Mt 15,29.30a an die jeweilige Fernheilungsgeschichte an. Im Übrigen ist das Erzählmaterial Mt 8,5 – 13 par. Lk 7,1 – 10 entnommen: Joh 4,46 – 54

Mt 8,5 – 13; Lk 7,1 – 1078

V. 46 Javaqmao¼l

Mt 8,5; Lk 7,1 Javaqmao¼l

V. 47 !jo¼sar

Lk 7,3 !jo¼sar

V. 47 Aq¾ta

Lk 7,3 1qyt_m

V. 47 Elekkem … !pohm0sjeim

Lk 7,2 Elekkem tekeut÷m

V. 49 j¼qie

Mt 8,6 j¼qie

V. 50 1p¸steusem

Mt 8,13 1p¸steusar

V. 53 [1m] 1je¸m, t0 ¦qô

Mt 8,13 (vgl. 15,28) 1m t0 ¦qô 1je¸m,.

An Mt 8,5 – 13 schließt sich mit V. 14 f die markinische Geschichte von der Heilung der Schwiegermutter des Petrus an. Aus ihr ist die Wendung entnommen: !v/jem aqt¹m (aqtµm) a puqetºr. Endlich ist die Schlussbemerkung ja· 1p¸steusem aqt¹r ja· B oQj¸a aqtoO fkg (4,53) schwerlich unabhängig von den lukanischen Formeln Apg 18,8 (1p¸steusem … s»m fk\ t` oUj\ aqtoO), vgl. auch 11,14; 16,15.31 f. Dass literarische Abhängigkeit vorliegt, erhellt insbesondere aus dem Nebeneinander von Hinweis auf die „Stunde“ und Einführung des „Fiebers“ erst am Schluss der Erzählung, dazu noch mit den gleichen Worten: !v/jem aqtµm / aqt¹m a puqetºr Mk 1,31; Mt 8,15; Joh 4,52.

77 M. Hengel, Die johanneische Frage. Ein Lösungsversuch. Mit einem Beitr. zur Apokalypse von J. Frey (WUNT 67), Tübingen 1993, 245, vgl. auch 16 mit Anm. 14, 209 mit Anm. 16. 78 Eine ähnliche Liste hat Bultmann, Johannes, 151, Anm. 4.

Das Zeugnis des Johannes in 19,35

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3. Das Zeugnis des Johannes in 19,35 Neben den laqtuq¸a-/laqtuq´y-Belegen, die synoptische „Zeugnisse“ im vierten Evangelium markieren, gibt es eine Reihe von Stellen, die Martyria aus dem Johannesevangelium selbst in Erinnerung rufen. Sie haben alle mit Johannes dem Täufer zu tun. „Joh 3,26 è s» lelaqt¼qgjar verweist zurück auf das Zeugnis des Täufers für Jesus Joh 1,19 ff.“79 Entsprechend erinnert aqto· rle?r loi laqtuqe?te fti (3,28) an 1,20. Wieder fällt der Gebrauch des Perfekts und des Präsens auf. Vergleichbar80 ist dann aber auch 5,32: oWda fti !kgh¶r 1stim B laqtuq¸a Dm laqtuqe? peq· 1loO.81 Die Reihe der Täuferstellen wird dann, ohne laqtuq¸a-/laqtuq´y-Beleg zu sein, darum in der Tempusverwendung kongruent mit der Erzählebene, mit 10,41 p²mta d³ fsa eWpem Yy²mmgr peq· to¼tou !kgh/ Gm vorläufig abgeschlossen: „Alles aber, was Johannes über diesen gesagt hatte, war wahr.“ Alles, das bezieht sich ja wohl vornehmlich auf die Inklusion82 ja· avtg 1st·m B laqtuq¸a (1,19) und j!c½ 2¾qaja ja· lelaqt¼qgja (1,34). Einen letzten Fall der zu besprechenden Art stellt Joh 19,35 dar : ja· b 2yqaj½r lelaqt¼qgjem. Sinn und Bedeutung dieser Stelle scheinen mir in den Kommentaren bisher nicht zureichend wahrgenommen worden zu sein. Doch für einen angemessenen Zugang bedarf es noch breiterer Vorbereitung. Nach den Befunden, die mir aufgefallen sind, gestaltet der Evangelist, sieht man vom Prolog ab, Kap. 1 und 2 sehr stark mit Motiven, die aus dem Umkreis der synoptischen Leidensgeschichte stammen, komponiert aber auch selbst ausdrückliche Hinweise auf seine eigenen Schlusskapitel. Die Abweisung der 79 Beutler, Martyria, 220. 80 Die Kommentare beziehen %kkor (5,32) in der Regel nicht auf den in V. 33 sogleich genannten Täufer, sondern weit voraus auf b p´lxar le pat¶q (V. 37), da V. 34 das Annehmen von Menschenzeugnis ausgeschlossen werde. Aber formallogisch klingen viele Sätze des Evangeliums so, dass sie scheinbar nicht zusammenstimmen, so z. B. auch 5,31 und 8,14! 5,34 muss dann aber genauso interpretiert werden wie 5,31: Die Legitimität des Gesandten beruht weder auf Selbstzeugnis noch Täuferzeugnis, diese können jene nicht begründen. Trotzdem sind beide Zeugnisse als solche wahr, können also auch abgelegt werden. Wenn nun nach V. 32 sogleich der Täufer genannt wird, ist es naheliegend, dass er zunächst in V. 32 auch gemeint ist. Denn so etwas wie: „an ihn, bei dem ihr euch einst erkundigt habt, denket ihr wahrscheinlich bei dem ,Andern‘, auf den ich mich berufe“ (H.J. Holtzmann, Evangelium des Johannes (HC IV.1), Freiburg u. Leipzig 21893, 96) steht schlicht nicht da. Und wenn der Evangelist den %kkor sogleich ausschließlich als den Vater gedacht hätte, hätte er diesen nicht nach den „Werken“ (V. 36) mit „auch“ angefügt. Das Argument des unterschiedlichen Tempusgebrauchs, Präsens beim %kkor als Vater (V. 32), Perfekt beim Täufer (V. 33), wird entgegen Beutler, Martyria, 257 durch das Perfekt V. 37 widerlegt. 81 Vgl. auch M. Lang, Johannes und die Synoptiker. Eine redaktionsgeschichtliche Analyse von Joh 18 – 20 vor dem markinischen und lukanischen Hintergrund (FRLANT 182), Göttingen 1999, 245, zu Joh 5,32 – 39: „Das wahre Zeugnis wird von Johannes d. Täufer abgelegt (vgl. 1,17.19 – 34).“ 82 Vgl. dazu Brown, John, I, 67.

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Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

Mutter durch den Sohn wird begründet durch den Hinweis auf dessen Stunde, die noch nicht gekommen sei (2,4). Denn wenn sie gekommen sein wird, wird sich der Sohn sehr wohl der Mutter zuwenden, dann mit dem Ergebnis: ja· !p( 1je¸mgr t/r ¦qar jtk. (19,27).83 Diese Verschränkung mit der Kreuzigung steht in einer Geschichte, die mit ja· t0 Bl´qô t0 tq¸t, (2,1) wie eine Ostergeschichte beginnt.84 Das Gegenstück bildet 2,13 – 22, eine Erzählung, die mit der Nähe des Passafestes, dem Gang nach Jerusalem und der Tempelreinigung scheinbar die Leidensgeschichte einleitet (vgl. Mk 11,15 – 19; 14,58; 15,29), und da wird durch die Deutung der Rede von Abbruch und Wiederaufrichtung des Tempels in drei Tagen (2,19 – 22) der Bogen zu Ostern geschlagen. Der Hinweis, den der Evangelist in V. 22 gegeben hat, zeigt also, dass er die synoptische Tempelreinigung aus inhaltlichen Gründen an den Anfang stellte, denn unübersehbar sollte sein, dass der Weg seines Christus von Anfang an auf Kreuz und Auferstehung hinführt.85 Sucht man nun bei den Synoptikern einen Zusammenhang, in dem sich ähnlich wie in Joh 1,19 – 51 „christologisch relevante Titel oder Bezeichnungen“86 verdichten, wird man auf den Umkreis der Passion geführt: b uR¹r toO heoO Mt 26,63; 27,40.43; Lk 22,70; Joh 1,34.49, Nabb¸ Mk 14,45; Joh 1,38, b wqistºr Mk 14,61; 15,32; Mt 26,63; Lk 22,67, t¹m Less¸am … wqistºr Joh 1,41, basike»r (toO) Ysqa¶k Mt 27,42; Joh 1,49 (toO nach Zeph 3,15; Joh 12,13), b uR¹r toO !mhq¾pou Mt 24,30; 26,64; Lk 22,69; Joh 1,51. Zu Joh 1,45 vermerkt H.J. Holtzmann, mit dm 5cqaxem Ly{s/r … ja· oR pqov/tai werde nach Lk 24,27 der Messias umschrieben.87 Auch dort ist t± peq· 2autoO ausdrücklich auf „Jesus aus Nazareth“ bezogen (V. 19). Fragt man also im Blick auf Joh 1,45c, warum „dies erst hier (nicht schon V. 41) gesagt ist“,88 wird der Grund wohl in der lukanischen Vorlage gegeben sein. Synoptisch fragen schließlich die Jünger zur Zeit, fte t¹ p²swa 5huom, wo sie dem Meister das Passa bereiten sollen (Mk 14,12par.). Johanneisch verkündigt demgegenüber der Täufer „programmatisch für den ganzen Weg Jesu“89 : Ude b %lmor toO heoO 1,29.36.90 Zum ersten und zum letzten der „christologisch 83 Vgl. auch Lang, Johannes, 227. 84 Zu t0 Bl´qô t0 tq¸t, s. Lk 18,33 und 1Kor 15,4, vgl. auch Frey, Eschatologie, II, 193. Frey, ebd., 84 f, fiel auf: „Besonders auffällig ist diese mimetische Gestaltung neben der konsequent mit praesentia historica und direkter Rede gestalteten Perikope Joh 2,1 – 11 in den johanneischen Ostererzählungen.“ 85 Vgl. G. Richter, Studien zum Johannesevangelium, hg. von J. Hainz (BU 13), Regensburg 1977, 60. Frey, Eschatologie, II, 192 – 196 glaubt, die Zeitangaben in Joh 1,19 – 2,11 verschränke ein typologischer Sinn mit Joh 19 f. Die Beobachtung ist der meinen analog, aber es fehlen, wie mir scheint, die ausdrücklichen Textbefunde. 86 C. Colpe, Artikel: b uR¹r toO !mhq¾pou, ThWNT VIII, Stuttgart usw. 1969, 403 – 481, hier 472. 87 Holtzmann, Johannes, 52. 88 Bultmann, Johannes, 73. 89 Zitat: J. Frey, Erwägungen zum Verhältnis der Johannesapokalypse zu den übrigen Schriften des Corpus Johanneum, in: Hengel, Frage, 326 – 429, hier 388. 90 Ch. Schlund, »Kein Knochen soll gebrochen werden«. Studien zur Bedeutung und Funktion des Pesachfests in Texten des frühen Judentums und im Johannesevangelium (WMANT 107),

Das Zeugnis des Johannes in 19,35

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relevanten Titel“ bildet schließlich Joh 19,36 f eine große Klammer. „Stirbt Jesus auf Golgotha, als die Passalämmer im Tempel geschlachtet wurden (19,14.31), dann wird E, der 1,35 f. gestaltete, 19,36 an das Passalamm, dem keine Knochen gebrochen werden sollten, erinnern.“91 Zu 19,37 exomtai eQr dm 1nej´mtgsam ist geltend zu machen: exomtai dürfte ein heilvolles Sehen sein, da das verknüpfende c²q (V. 36) auf … Vma ja· rle?r piste¼[s]gte zu beziehen ist.92 Das ist im Evangelium (1,51) vorbereitet durch die Transformation des futurisch-eschatologischen Sehens des kommenden Menschensohnes (Mk 13,26par.; 14,62par.) in eine Heilserfahrung, die „in der Zeit liegt“.93 Mit den Worten Theobalds gesagt: „Dieses Menschensohn-Wort steht wie ein Themasatz über dem nun einsetzenden Corpus des Buches, das seine Verheißung – den geöffneten Himmel über Jesus zu schauen – in der Erzählung von seinem Wirken und Sterben insgesamt einholen wird.“94 Auf dem Weg von 1,51 nach 19,37 interpretiert der Evangelist diesen Zusammenhang weiter in 12,20 – 33. Ausdrücklich wird 12,21 an Philippus erinnert, der nach 1,46 Nathanael zu Jesus gerufen hatte. Das Kommen „der Voraus-Repräsentanten der künftigen Heidenkirche“,95 die Jesus „sehen“ wollen, signalisiert in der Erzählung, dass die Stunde gekommen ist, dass der Menschensohn verherrlicht wird (12,23). 19,37 markiert demzufolge die Erfüllung von 1,51 und 12,32 f. Die Bezugnahme auf Sach 12,10 als solche verbindet Joh 19,37 ebenfalls mit dem Menschensohnwort in Mt 24,30, wobei die dem Theodotiontext entsprechende Lesart eQr dm 1nej´mtgsam (19,37) in allen frühchristlichen Texten auf den Parusie-Christus bezogen war,96 nun aber in dem erfüllt ist, der durch seine Erhöhung ans Kreuz in die dºna des eschatologischen Menschensohns eintritt.

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Neukirchen-Vluyn 2005, 174, resümiert ihre Studien in Bezug auf Joh 1,29.36 so: Die krampfhafte Suche nach einer „Sühnebedeutung“ des frühjüdischen Pesach falle weg, wenn die Referenzen im Johannesevangelium mit Hilfe des von ihr erarbeiteten Bedeutungspotentials gedeutet würden und das Sünde fortschaffende „Lamm Gottes“ von diesen Pesach-Referenzen abgekoppelt werde, wie es aufgrund der Terminologie ohnehin geboten scheine. Die Argumentation ist kurzschlüssig. Denn sollen wir etwa auch die Wurzel des Christus-Titels 1Kor 15,3 nicht im ATund im Frühjudentum suchen, weil weder AT noch Judentum einen Messias kennen, der für unsre Sünden sterben muss? Becker, Johannes, II, 709. Vgl. auch U. Busse, Die Tempelmetaphorik als ein Beispiel von implizitem Rekurs auf die biblische Tradition im Johannesevangelium, in: The Scriptures in the Gospels, ed. by C.M. Tuckett (BEThL 131), Leuven 1997, 395 – 428, hier 424 – 426; Frey, „theologia crucifixi“, 209 – 211. W. Thüsing, Die Erhöhung und Verherrlichung Jesu im Johannesevangelium (NTA 21), Münster 3 1979, 20. Vgl. auch Holtzmann, Johannes, 219: „Das c²q 36 bezieht sich rückwärts auf die an die Leser gestellte Zumuthung zu glauben.“ Zum „glaubenden Aufsehen“ der Gemeinde s. Lang, Johannes, 251. Zitat: Colpe, ThWNT VIII, 473. Theobald, Herrenworte, 48, vgl. auch 242. Wilckens, Johannes, 190. Frey, Erwägungen, 342 f. mit Anm. 88; ders., Eschatologie, III, 42 mit Anm. 69; 91 mit Anm. 95; 276 mit Anm. 171.

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Die Bedeutung der Synoptiker für das johanneische Zeugnisthema

Zur Frage, wie der Evangelist die Schrifterfüllung in V. 36 verstanden haben dürfte, führt, wie schon zitiert, Becker glänzend aus: „Kaum übersehbar, bilden für ihn 1,35 f. und 19,36 eine Klammer. Stirbt Jesus auf Golgotha …“97 Aber der Zitatanfang: „Kaum übersehbar“ markiert genau das Problem. Überall im Evangelium wird, was nicht verstanden werden könnte oder was jeweils gemeint und intendiert ist, deutlich herausgestellt: 1,38.41.42; 2,21; 4,45.46; 6,71; 7,39.50; 11,13; 12,16.33; 18,14; 19,14.31 u. a.m. Warum ist der Evangelist aber so enigmatisch, wenn er „den in den Tod gehenden Jesus auch als Passalamm (19,14.31.36)“ bedenkt und es sicher gewollt ist, „daß von Jesus als dem Lamm … am Anfang und am Ende des Johannesevangeliums gesprochen wird“?98 Die Herkunft des Schriftworts 19,36 lässt sich nicht zwingend ermitteln: „Die Bevorzugung der einen oder anderen Stelle hängt bei den meisten Forschern davon ab, welche Konzeption sie hinter der Stelle sehen: Paschalamm-Typologie oder Schutz für den leidenden Gerechten. Für beides lassen sich Gründe anführen.“99 Wenn man 19,35 auf einen Augenzeugen bezieht, ist offen, wer das ist, der Lieblingsjünger, unterschieden von100 oder identifiziert mit dem Evangelisten,101 oder aber bzw. und zugleich die johanneische Version des markinischen Centurio,102und offen ist, was speziell er gesehen und bezeugt hat: das Fließen von Blut und Wasser als Wunder und Hinweis auf die Sakramente103 bzw. als Heilstatsache104 bzw. als historisches Faktum, das auf die kirchlichen Sakramente hindeutet, aber vor allem die Realität des Kreuzestodes antidoketisch sichert,105 oder aber, kongruent mit den Worten der Schrifterfüllung (V. 36 f), alles, was „V 32 – 34 insgesamt“ 97 Becker, Johannes, II, 708; vgl. schon R.E. Brown, The Gospel according to John (xiii–xxi) (AncB 29 A), Garden City, New York 1970, 953. 98 Dietzfelbinger, Johannes, I, 53 f. 99 Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 342; vgl. auch Lang, Johannes, 248. 100 F. Hahn, Theologie des Neuen Testaments, Bd. I Die Vielfalt des Neuen Testaments. Theologiegeschichte des Urchristentums, Tübingen 2002, 587 f. Vgl. auch Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 340: Es gebe gewisse, wenn auch nicht eindeutige Anzeichen dafür, dass 19,35 und 21,24 zusammengehören. 101 Hengel, Frage, 184, 215, 265, 270; Wilckens, Johannes, 300 f. 102 P.S. Minear, Diversity and Unity : A Johannine Case-Study, in: U. Lutz und H. Weder (Hg.), Die Mitte des Neuen Testaments, FS E. Schweizer, Göttingen 1983, 162 – 175; H. Thyen, Johannes und die Synoptiker. Auf der Suche nach einem neuen Paradigma zur Beschreibung ihrer Beziehungen anhand von Beobachtungen an Passions- und Ostererzählungen, in: A. Denaux, John and the Synoptics, ed. by A. Denaux (BEThL 101), Leuven 1992, 81 – 107, hier 103 f; Ders., Johannesevangelium, 748 – 751; Busse, Tempelmetaphorik, 427; Lang, Johannes, 246; vgl. auch Barrett, Johannes, 533; J.R. Michaels, The Centurion’s Confession and the Spear Thrust, CBQ 29 (1967), 102 – 109; J.M.C. Scott, John, in: J.D.G. Dunn and J.W. Rogerson [Eds.]: Eerdmans Commentary on the Bible, Grand Rapids, Michigan/Cambridge, U.K. 2003, 1161 – 1212, hier 1207. 103 Bauer, Johannesevangelium, 226; Bultmann, Johannes, 525; Lang, Johannes, 244. 104 Thüsing, Erhöhung, 19. 105 E. Schweizer, Das johanneische Zeugnis vom Herenmahl, EvTh 12 (1952/ 53), 341 – 363; Schnelle, Johannes, 292 f; Lang, Johannes, 243 f, 246.

Das Zeugnis des Johannes in 19,35

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erzählt war.106 So hat „das Rätsel von V. 35“107 viele Gesichter : „Der Gegenstand des Sehens und Bezeugens, dann auch des Glaubens wird nicht angegeben.“108 Auch wird der Augenzeuge „gänzlich unerwartet“ ins Spiel gebracht,109 dazu „in umständlicher Feierlichkeit als zuverlässiger Augenzeuge“110 angeführt, so dass die Frage entsteht: „Warum muß die Wahrhaftigkeit dieses Zeugnisses so auffallend unterstrichen werden?“111 Bultmann beobachtete: „Mysteriös erscheint die Bemerkung: ja· 1je?mor oWdem fti !kgh/ k´cei, denn wer ist der 1je?mor?“112 Im Pendant spricht Schnackenburg im Blick auf 5,32, wonach „Jesus selbst ,weiß, daß sein (des %kkor) Zeugnis wahr ist‘,“ von einer eigentümlichen Ausdrucksweise.113 Die angesprochenen Probleme erledigen sich, wenn wir 19,35 als literarisches Mittel begreifen, vor dem V. 36 an den zu erinnern, der als einziger Zeuge im Evangelium in dieser ausdrücklichen Formulierung „geschaut und bezeugt hat“ (1,34).114 Wie der Evangelist darauf kam, das Glauben weckende Zeugnis und das Sehen des Gekreuzigten zu thematisieren, darf man vielleicht mutmaßen: Auch bei den Synoptikern spielt das Qde?m eine gewichtige Rolle (Mk 15,39par.; Lk 23,49), und der Centurio bekennt: !kgh_r oxtor b %mhqypor uR¹r heoO Gm (Mk 15,39). Der vierte Evangelist aber erinnert an dieser Stelle an die Eingangsmartyria des Täufers, die schon „Lamm“ und „Sohn Gottes“ miteinander verbunden hatte. Das bedeutet: Dieser Mensch, der hier nach Mk 15,39 starb, ist als das vom ersten Zeugen förmlich als solches bezeichnete Lamm Gottes115 (1,29.36) b uR¹r toO heoO (1,34). Die höchst umständlich klingenden Formulierungen von 19,35 nehmen sodann ganz präzise Bedeutung an. 1je?mor oWdem fti !kgh/ k´cei erinnert an 5,32: oWda fti !kgh¶r 1stim B laqtuq¸a Dm laqtuqe? peq· 1loO. 106 107 108 109 110 111 112 113 114

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Becker, Johannes, II, 708. Dietzfelbinger, Johannes, II, 312. Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 340 f. Dietzfelbinger, Johannes, II, 310. Immer wieder wird daher geltend gemacht, 19,35 sei wie Kap. 21 Hinzufügung der Endredaktion, obwohl die Anzeichen dafür, dass 19,35 und 21,24 zusammengehören, nicht eindeutig sind, s. Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 340. H. Strathmann, Das Evangelium nach Johannes (NTD 4), Göttingen 111968, 243. Dietzfelbinger, Johannes, II, 310. Bultmann, Johannes, 526. Mit Bezug auf Bultmanns Frage deutet Thyen, Johannesevangelium, 749, jetzt den 1je?mor, der sich vom 2yqaj¾r unterscheide, auf den „geliebten Jünger als den fiktionalen Evangelisten.“ Schnackenburg, Johannesevangelium, II, 171. Zu Recht beginnt Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 339 seine Wortfeldbetrachtung, wie folgt: „Im Ev ist besonders das Zeugnis des Täufers Johannes vergleichbar ; nach 1,34 sagt er: j!c½ 2¾qaja ja· lelaqt¼qgja.“ Holtzmann, Johannes, 219 nimmt das Täuferzeugnis als Analogie. M. Theobald, Die Fleischwerdung des Logos. Studien zum Verhältnis des Johannesprologs zum Corpus des Evangeliums und zu 1 Joh (NTA 20), Münster 1988, 275, 351 – 354, hier 445 f, schließt aus der auffallenden sprachlichen und sachlichen Verwandtschaft zwischen 1,34 und 19,35, dass beide Stellen derselben literarischen Schicht der Lieblingsjünger-Redaktion angehören. Vgl. dazu Bill. II, 844: „Das Passahlamm mußte als solches, d. h. unter ausdrücklicher Angabe seiner Bestimmung, geschlachtet werden; …“, vgl. auch IV,1, 49 f.

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Anhang

Die Formulierung fti !kgh/ k´cei (19,35) ist zu vergleichen mit der letzten Täufererwähnung: p²mta d³ fsa eWpem Yy²mmgr peq· to¼tou !kgh/ Gm (10,41). Selbst die Formulierung „auch ihr“ (Vma ja· rle?r piste¼[s]gte) bekommt ihren präzisen Sinn: Johannes der Täufer war von Gott gesandt, Vma p²mter piste¼sysim di( aqtoO (1,7). Seine letzte Erwähnung (10,40 f) resümiert: ja· pokko· 1p¸steusam eQr aqt¹m 1je? V. 42. Jetzt (19,35), unter dem Kreuz, vergleichbar einer Reihe von Darstellungen in der christlichen Kunst,116 wird den Lesern die Täufermartyria noch einmal in Erinnerung gerufen, damit auch ihnen Glauben erschlossen wird, fti oxtºr 1stim b uR¹r toO heoO (1,34).

Anhang Beobachtungen zur Perfektverwendung im vierten Evangelium: Das skripturale Perfekt Wie sich gezeigt hat, ist auf die unterschiedliche Tempusverwendung im Johannesevangelium sorgfältig zu achten: Es finden sich Beispiele des Aorists, um (plusquamperfektisch) die erzählerische Rück-Perspektive auszudrücken, des Präsens und des Perfekts, um die fiktive Zeitstufe des Lesers, sei es des Johannesevangeliums selbst, sei es „der Schriften“,117 sei es der Synoptiker, in Betracht zu ziehen. Dieser „liest“ z. B. im Markusevangelium oder „hat“ in der Heiligen Schrift „gelesen“.118 Ein besonderes Augenmerk soll hier auf die Verwendung des Perfekts gerichtet werden.119 J. Frey hat mit großer Umsicht und fundiertem Wissen auch „Die johanneische Perfekthäufung und ihre Erklärung“ zum Gegenstand seiner Studien gemacht,120 und dies insbesondere im Anschluss an die „Einteilung der Lexemklassen bei J. Mateos“. Danach „bezeichnen Perfekt-Formen a) bei statischen Lexemen Intensität … oder 116 Vgl. E.M. Vetter, Die Kreuzigungstafel des Isenheimer Altars (SHAW.PH 1968,2), Heidelberg 1968, 9 – 11, speziell 9: „Einer Kreuzigung zugeordnet, steht er auf einem Wandgemälde aus der Mitte des 14. Jahrhunderts im ehemaligen Augustinerkloster Raudnitz zwischen dem Evangelisten und dem Hauptmann, der über ihn hinweg auf Christus deutet (Abb. 2 u. 3). Das Zeugnis ,Dieser war Gottes Sohn‘ konkretisiert durch die Verbindung mit dem Heilsgeschehen auf Golgotha den Ausspruch des Johannes und macht dadurch die Parallele zwischen dem von ihm gehaltenen Symbol [sc. Gotteslamm in der Scheibe] und dem Gekreuzigten bewußt.“ Zu Abb. 2 u. 3 vermerkt der Abbildungsnachweis: „Prag, Amt für Denkmalpflege“. 117 Sänger, Das AT, 196 spricht zu Recht von der „Schrift, von der Johannes in Form von Zitaten, Paraphrasen und Anspielungen ausgiebig Gebrauch macht.“ Eine instruktive Zusammenstellung gibt Lang, Johannes, 324 f. 118 Vgl. auch J.H. Moulton, Einleitung in die Sprache des Neuen Testaments. Auf Grund der vom Vf. neu bearb. 3. engl. Aufl. übers. dt. Ausg., Heidelberg 1911, 223, 226 zum Stil des Hebräerbriefs. 119 Moulton, Einleitung, 220 bemerkt zum Perfektum: „Es ist ohne Zweifel das exegetisch wichtigste aller griechischen Tempora.“ 120 Frey, Eschatologie, II, 98 – 115 (Gliederungspunkt 4.2).

Zur Perfektverwendung im vierten Evangelium

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Definitivität …, b) bei dynamisch-durativen Lexemen Kontinuität …, c) bei dynamisch-momentanen Lexemen Kontinuität oder Definitivität des durch die Handlung erreichten Zustandes, d) bei dynamisch-resultativen Lexemen ebenfalls Kontinuität oder Definitivität des durch die Handlung erreichten Zustandes …“121 Ohne meine Beobachtungen mit diesem gelehrten Stand der Diskussion vergleichen zu können, möchte ich einige johanneische Befunde, wie folgt, beschreiben und erklären: Perfektformen bringen häufig eine TextRelation zum Ausdruck, d. h. sie beziehen sich auf Geschriebenes.122 Das skripturale Perfekt sei also das Perfekt zum Ausdruck eines Text-Bezugs. Eine ganze Reihe johanneischer Perfektvorkommen – selbstverständlich die Formen ausgenommen, die ohnehin das Präsens ersetzen123 – beziehen sich demnach jeweils auf einen Text in den Synoptikern, in den Schriften oder im Johannesevangelium selbst. An einem Beispiel sei hier der Unterschied zur erzählerischen Rück-Perspektive verdeutlicht! Theobald hat die Befunde des Johannesevangeliums unter dem Begriff der „Wiederaufnahmen“ gesammelt und besprochen.124 Durchweg werden in den „Zitationsformeln“ die Formen eWpom, eWpem, k´ceir und k´cei gebraucht. Ausnahmen sind das schon besprochene aqt¹r c±q YgsoOr 1laqt¼qgsem fti (Joh 4,44), ein synoptisches Zeugnis, und di± toOto eUqgja rl?m fti (6,65). Warum, abweichend vom konstanten rück-perspektivischen Aoristgebrauch in der Gruppe der „ausdrücklichen Selbstzitate Jesu“,125 hier das Perfekt? 3,7 nimmt Bezug auf 3,3, 8,24 auf 8,21, 13,33 auf 7,34 (8,21), 15,20 auf 13,16, 16,15 auf 16,14, 16,19 auf 16,16, 18,8 auf 18,5. Zur Auffälligkeit von Joh 6,65 zitiert Theobald die Beobachtung Bultmanns: „Statt des 1±m lµ b patµq … 2kj¼s, aqtºm (V.44): 1±m lµ × dedol´mom aqt` 1j toO patqºr (V.65). Die Abweichung überrascht um so mehr, als 6,37.39 didºmai anders gebraucht war (der Vater ,gibt‘ dem Sohne die Glaubenden). Die sonstigen Selbstzitate Jesu bei Joh sind viel genauer.“126

Joh 6,65 ist aber nicht einfach Selbstzitat Jesu nach 6,44, sondern kombiniert ein Jesus- und ein weit zurückliegendes Täuferwort:

121 Frey, Eschatologie, II, 103. 122 Diesen Befund soll, abweichend vom Sprachgebrauch, die Bezeichnung „skriptural“ zum Ausdruck bringen. 123 F. Blaß/A. Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, bearb. von F. Rehkopf, Göttingen 141976, § 99.2; 341; vgl. auch Moulton, Einleitung, 231 f. 124 Theobald, Herrenworte, 26 – 47. 125 Theobald, Herrenworte, 26. 126 Theobald, Herrenworte, 27; Bultmann, Johannes, 214, Anm. 7.

90

Anhang

di± toOto eUqgja rl?m fti oqde·r d¼matai 1khe?m pqºr le (6,65b.c)

oqde·r d¼matai 1khe?m pqºr le 1±m lµ b patµq jtk. (6,44)

1±m lµ × dedol´mom aqt` 1j toO patqºr (6,65d)

1±m lµ × dedol´mom aqt` 1j toO oqqamoO (3,27).

Das Täuferwort selbst aber ist Nachhall des synoptischen rl?m d´dotai (Mk 4,11, vgl. Mt 19,11).127 Ebendiesen Bezug nicht nur auf das, was auf der Erzählebene, als Zitat, gesagt worden war, sondern den auf Geschriebenes drückt das skripturale Perfekt aus. Höchst auffällig, wenngleich wenig beachtet,128 ist der Unterschied zwischen Aorist- und Perfektformen in den folgenden Fällen. Wenn sich eine Textstelle mit taOta bzw. toOto auf narrativ zuvor Gesprochenes bezieht,129 werden Aoristformen verwendet.130 Mit den Worten Schnackenburgs zu Joh 17,1: „Den Abschluß der bisherigen Reden markiert eine Wendung (taOta 1k²kgsem YgsoOr ja¸ …), die auch in 12,36b einen Schlußstrich unter die Reden im ersten Teil des Ev. zieht.“131 Entsprechend bezieht sich die überleitende Wendung132 taOta eQp¾m, eQpºmtor, eQpoOsa (vgl. 7,9; 9,6; 11,43; 13,21; 18,1.22; 20,14) bzw. eWpem/eWpam/eWpom (vgl. 6,59; 9,22; 11,11; 12,41; 16,4; 20,18), mit toOto (7,39; 11,28.51; 14,6; 18,38; 20,20.22; 21,19) auf ein zuvor erzähltes Sprechen.133 Das ist nun bei der „idiomatisch für die joh Abschiedsreden“134 begegnenden Vermächtnis-Wendung taOta kek²kgja rl?m in charakteristischer Weise anders, worauf schon das Nebeneinander von taOta kek²kgja rl?m und p²mta $ eWpom rl?m (14,25 f) bzw. fti 1c½ eWpom rl?m (16,4) oder taOta kek²kgja rl?m paq( rl?m l´mym (14,25) und taOta d³ rl?m 1n !qw/r 127 Vgl. dazu Bergmeier, Glaube, 229. Es ist eine Verkennung der johanneischen Texte, wenn Thyen, Johannesevangelium, 87 das je von Gott Gegeben-Sein im Johannesevangelium meint als „die freie und spontane Antwort auf das Wort“ interpretieren zu können. Es hat seinen Grund in den Texten selbst, warum der große Johannes-Ausleger Bultmann von so etwas wie dem „johanneischen Determinismus“ gesprochen hatte, auch wenn die Anleihe bei „dem gnostischen Mythos“ eine Fehleinschätzung gewesen war. Letztlich kann denn Thyen, ebd., 225 seine Zuflucht auch nur zu einer Hintertür der Logik nehmen: „Onuki hat in seinem schönen Buch, Gemeinde und Welt, deutlich gemacht, daß Bergmeiers ,prädestinatianisch akzentuierter Dualismus‘ keineswegs die ,Prämisse johanneischer Theologie‘, sondern deren Konsequenz und eine ,Funktion der Offenbarung Gottes‘ ist (38ff u. pass.).“ Wäre nämlich, was wir behelfsmäßig Prädestination nennen, Konsequenz johanneischer Theologie, wäre der zugrundeliegende Textbefund keineswegs theologisch weniger brisant. 128 Doch s. Frey, Eschatologie, II, 108 mit Anm. 162. 129 Wenn das Geredet-Haben in irgendeiner Weise qualifiziert wird, steht Perfekt: toOto !kgh³r eUqgjar Joh 4,18; vgl. auch 1c½ paqqgs¸ô kek²kgja (18,20). 130 Wenn wir plusquamperfektisch formulieren würden, steht Imperpekt: Joh 2,22; 6,6; (8,6) 12,33. Zur Sache vgl. J.H. Moulton, A Grammar of New Testament Greek, Vol. III Syntax, by N. Turner, Edinburgh 1963, 67 (§ 2.5). 131 Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 192. 132 Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 250. 133 Das gilt auch für taOta aqtoO kakoOmtor (Joh 8,30). 134 H. Hübner, Artikel: kak´y, EWNT II, Stuttgart usw. 1981, 827 – 829, hier 828.

Zur Perfektverwendung im vierten Evangelium

91

oqj eWpom (16,4) aufmerksam zu machen vermag. Die Perfektwendung „findet sich in 14,25; 15,11; 16,1.4.6.25 (mit dem Zusatz 1m paqoil¸air).33.“135 Schon ihre rasche Aufeinanderfolge in 16,1.4.6 widerrät, sie als formales Gliederungselement der erzählten Abschiedsreden zu begreifen.136 Zutreffend beobachtet Schnackenburg zu 16,1, der angegebene Zweck, dass die Jünger keinen Anstoß nehmen sollen, gehöre nicht zu einer Abschlussformel, sondern weise auf das Folgende.137 Am leichtesten kommen wir dem Sinn der Perfektverwendung auf die Spur, wenn wir genauer auf die Inklusion 16,1.32 Acht haben. Die Wendung Vma lµ sjamdakish/te (V. 1) nimmt nämlich ebenso wie Qdo» 5qwetai ¦qa ja· 1k¶kuhem Vma sjoqpish/te (V. 32) deutlich auf Mt 26,31 Bezug, zumal Vma sjoqpish/te nicht aus Sach 13,7, sondern eben aus der synoptischen Lesart ja· diasjoqpish¶somtai t± pqºbata jtk. (Mk 14,27; Mt 26,31) stammt.138 Den Matthäustext speziell setzt die Wendung Qdo» 5qwetai ¦qa ja· 1k¶kuhem voraus, denn sie spiegelt 1m t0 mujt· ta¼t,. Sehr genau, wenn wir von der stereotypen Verwendung des Wortes „Tradition“ absehen, hatte schon Bultmann, wohl im Anschluss an M. Dibelius,139 den exegetischen Befund beschrieben: „Der Evglist benutzt die Tradition, in der die Weissagung der Jüngerflucht mit Benutzung von Sach 13,7 gegeben war (Mk 14,27; Mt 26,31), wie er weiterhin in 16,32b.33 die Weissagung der Auferstehung (Mk 14,28par.) in seinem Stile wiedergibt.“140 Danach haben wir also in Joh 16 eine Auslegung der synoptischen Weissagung von Anstoß und Jüngerflucht vor uns, wie sie sich der johanneischen Schule vom österlichen Sieg des Lebens über die Welt des Todes her darstellte. Die Formel taOta kek²kgja rl?m signalisiert somit, dass vorgegebener Text neu ausgelegt, ergänzt oder weitergeführt wird. Ad vocem sjamdakish/mai wird nun Joh 16,1ff als weitere

135 Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 104. 136 Entgegen Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 104 mit Anm. 9; Brown, John, 650. 137 Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 138. Sinn und Bedeutung der Wendung sind nicht leicht zu bestimmen. Ch. Dietzfelbinger, Der Abschied des Kommenden. Eine Auslegung der johanneischen Abschiedreden (WUNT 95), Tübingen 1997, 63; Ders., Johannes, II, 66 zu Joh 14,25 f: „Die Wendung ,dies habe ich zu euch gesagt‘ markiert jeweils einen Einschnitt (15,11; 16,4.33) oder einen Beginn (16,1).“ S. Schulz nannte sie eine Übergangswendung: Das Evangelium nach Johannes (NTD 4), Göttingen 121972, 192. Ch. Hoegen-Rohls, Der nachösterliche Johannes. Die Abschiedsreden als hermeneutischer Schlüssel zum vierten Evangelium (WUNT/02, 84), Tübingen 1996, handelt von formelhafter Einleitungswendung (Joh 15,11; 16,1.4a.33a), s. ebd., 165, bzw. rhetorischer Reflexionswendung, ebd., 178, 197 f, 201. Nach A. Dettwiler, Die Gegenwart des Erhöhten. Eine exegetische Studie zu den johanneischen Abschiedsreden (Joh 13,31 – 16,33) unter besonderer Berücksichtigung ihres Relecture-Charakters (FRLANT 169), Göttingen 1995, 57, Anm. 17, 202 bereitet die Formel den Abschluss einer Rede vor. Theobald, Herrenworte, 403, vgl. auch 416 nennt sie „eine metareflexive Abschlussformel“. 138 Zur Verwendung von diasjoqp¸fy s. Joh 11,52. 139 Dibelius, Joh 15,13, 207. 140 Bultmann, Johannes, 456, Anm. 6.

92

Anhang

Stelle Mt 24,9 f141 assoziiert, weshalb auch Joh 16,3 in Erinnerung an di± t¹ emol² lou in „fast wörtlicher Wiederholung“142 15,21 noch einmal aufgerufen und 16,4 taOta kek²kgja rl?m wiederholt wird. Dabei ist die ¦qa (V. 4) die in V. 2 f mit synoptischem Inhalt angekündigte Stunde (vgl. tºte … !pojtemoOsim rl÷r, … di± t¹ emol² lou, ja· tºte sjamdakish¶somtai jtk. Mt 24,9 f). Wie sich dann taOta auf diesen Inhalt, bezieht sich das zweimalige aqt_m (B ¦qa aqt_m … aqt_m) eben auf taOta143 Des Weiteren wird Joh 16,5 f auf Mk 9,32par. Bezug genommen: ja· 1voboOmto 1qyt/sai aqtºm (Lk 9,45), ja· 1kup¶hgsam svºdqa (Mt 17,23). Und so erinnert dann taOta kek²kgja rl?m an die synoptische Jüngerbelehrung (Mk 9,31) wie auch taOta 1m paqoil¸air kek²kgja rl?m (Joh 16,25) an das synoptische 1m paqaboka?r kake?m aqto?r (Mt 13,10.13; Mk 12,1) denken lässt. Nicht zu Unrecht notiert Brown zu Joh 16,25: “In recalling Jesus’ custom of speaking in figures of speech, John is in agreement with Mark IV 34 …”144 Da also taOta – vergleichbar dem taOta in Mt 11,25/Lk 10,21 – Botschaft des irdischen Jesus meint, sagt Joh 14,25 ausdrücklich: paq( rl?m l´mym145 und erinnert an die testamentarischen Worte des lukanischen Christus:146 oxtoi oR kºcoi lou otr 1k²kgsa pq¹r rl÷r 5ti £m s»m rl?m (Lk 24,44), wieder aufgenommen mit dem charakteristischen (rle?r l²qtuqer) to¼tym (V. 48) und wie in Joh 14,26 gefolgt von der Geistverheißung (Lk 24,49).147 Im Sinn der johanneischen Schule ist dann auch der Wortlaut von Joh 13,34, den 15,12 augenscheinlich wieder aufnimmt, Text der Botschaft des irdischen Jesus. Darauf verweist taOta kek²kgja rl?m (Joh 15,11). Nicht wenige der johanneischen Perfektformen also beziehen sich nach alledem jeweils auf schriftlich vorliegende Texte, sei es in den Synoptikern, sei es in den Schriften, sei es im Johannesevangelium selbst:

141 Vgl. auch A. Schlatter, Der Evangelist Johannes. Wie er spricht, denkt und glaubt, Stuttgart 3 1960, 310. 142 Bultmann, Johannes, 428. 143 Einen solchen Fall stellt zweifelsfrei Mt 11,25 dar (fti 5jquxar taOta !p¹ … ja· !poj²kuxar aqt± m¶pioir). Zu B ¦qa aqt_m vgl. t¹ xeOdor … ja· b patµq aqtoO (Joh 8,44)! 144 Brown, John, 723. 145 Über 14,16 zu 14,9 leh( rl_m eQli zeigt sich verbale Verwandtschaft mit Mt 17,17 leh( rl_m 5solai. 146 W. Grundmann, Das Evangelium nach Lukas (ThHK III), Berlin 61971, 452. 147 Vgl. auch oben bei Anm. 42!

Zur Perfektverwendung im vierten Evangelium

93

a) Bezug auf Synoptikertexte Johannesevangelium

Synoptiker

1,6 !pestakl´mor paq± heoO

Mk 1,2 Qdo» !post´kky t¹m %ccekºm lou148

1,15 ja· j´jqacem149 kecym

Mk 1,7 ja· 1j¶qussem k´cym

1,15 (vgl. V. 30) b ap¸sy lou 1qwºlemor 5lpqosh´m lou c´comem

Mt 3,11 b d³ ap¸sy lou 1qwºlemor Qswuqºteqºr lo¼ 1stim

1,32 teh´alai t¹ pmeOla jataba?mom ¢r peqisteq±m 1n oqqamoO ja· 5leimem 1p( aqtºm

Mk 1,10 eWdem [YgsoOr] t¹ pmeOla ¢r peqisteq±m jataba?mom … Lk 3,22 vymµm 1n oqqamoO Mt 3,16; Lk 3,22 1p( aqtºm

1,34 j!c½ 2¾qaja ja· lelaqt¼qgja fti oxtºr 1stim b uR¹r toO heoO 19,35 ja· b 2yqaj½r lelaqt¼qgjem

Mt 3,17 ja· Qdo» vymµ 1j t_m oqqam_m k´cousa oxtºr 1stim b uRºr lou

1,41 … S¸lyma ja· k´cei aqt`7 erq¶jalem Mk 8,29 b P´tqor k´cei aqt`7 s» eW b t¹m Less¸am Wqistºr 1,45 dm 5cqaxem Ly{s/r … ja· oR pqov/tai erq¶jalem

Lk 24,27 ja· !qn²lemor !p¹ Ly{s´yr ja¸ !p¹ p²mtym t_m pqovgt_m jtk.

1,51 t¹m oqqam¹m !me\cºta

Lk 3,21 !me\wh/mai t¹m oqqamºm

2,4 oupy Fjei150 B ¦qa lou 7,8 fti b 1l¹r jaiq¹r oupy pepk¶qytai151 12,23 1k¶kuhem B ¦qa Vma donash0 b uR¹r toO !mhq¾pou 17,1 1k¶kuhem B ¦qa7 dºnasºm sou t¹m uRºm

Mt 26,18 b jaiqºr lou 1cc¼r 1stim Mt 26,45 Eccijem B ¦qa Mk 14,41 Gkhem B ¦qa, Qdo» paqad¸dotai b uR¹r toO !mhq¾pou152

148 Die Stelle Mk 1,2 stilisiert Johannes den Täufer (V. 4) als von Gott gesandt, weil sich in seinem Kommen die Schrift erfüllt. 149 Man deutet j´jqacem gerne als präsentisches Perfekt, vgl. dazu Blaß/Debrunner/Rehkopf, Grammatik, § 341 mit Anm.3; s. auch W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der frühchristlichen Literatur, 6., völlig neu bearb. Aufl., hg. von K. Aland und B. Aland, Berlin/New York 1988, Sp. 909 s.v. jq²fy 2.a. Doch s. Joh 7,37 ja· 5jqanem [v.l. 5jqafem] k´cym. 150 Zu Fjy für 1k¶kuha s. Blaß/Debrunner/Rehkopf, Grammatik, § 322.2. 151 Barrett, Johannes, 322; Thüsing, Erhöhung, 91 erwägen, dass eine Anspielung auf Mk 1,15 vorliegt. Zu vergleichen ist jedenfalls auch Mt 26,18 und 26,45. 152 Vgl. dazu auch Frey, Evangelium, 88 f.

94

Anhang

3,2 Nabb¸, oUdalem fti … 1k¶kuhar did²sjakor

Mk 12,14 did²sjake, oUdalem fti jtk.

3,27 1±m lµ × dedol´mom aqt` 1j toO oqqamoO 19,11 eQ lµ Gm dedol´mom soi %myhem

Mk 4,11 rl?m t¹ lust¶qiom d´dotai jtk.

3,28 fti !pestakl´mor eQl· 5lpqoshem 1je¸mou

Mt 11,10; Lk 7,27 (nach Mal 3,1) !post´kky … 5lpqosh´m sou

3,35 b patµq !capø t¹m uR¹m ja· p²mta d´dyjem jtk.

Mt 11,27par. p²mta loi paqedºhg rp¹ toO patqºr lou153

5,36b t± c±q 5qca $ d´dyjem loi b pat¶q Mt 11,2 t± 5qca toO WqistoO 5,37a 1je?mor lelaqt¼qgjem peq· 1loO. Mk 1,10 eWdem … ja· vymµ 1c´meto 1j t_m oute vymµm aqtoO jtk. (vgl. unter b z.St.) oqqam_m7 s» eW b uRºr lou 5,42 !kk± 5cmyja rl÷r fti jtk. 6,61eQd½r d³ b YgsoOr 1m 2aut` fti jtk. s. auch 13,1.3; 18,4; 19,28

Mt 9,4 ja· eQd½r b YgsoOr t±r 1mhul¶seir aqt_m

6,19 1kgkajºter

Mk 6,48 1m t` 1ka¼meim

6,69 ja· Ble?r pepiste¼jalem ja· 1cm¾ja- Mk 1,24 oWd² se t¸r eW, b ûcior toO heoO lem fti s» eW b ûcior toO heoO Mk 6,2 did²sjeim … 1nepk¶ssomto 7,14 f ja· 1d¸dasjem. 1ha¼lafom owm … k´comter7 k´comter7 pºhem to¼t\ taOta, ja· t¸r B p_r oxtor cq²llata oWdem lµ lelahgj¾r; sov¸a jtk. 8,33 sp´qla )bqa²l 1slem ja· oqdem· dedouke¼jalem p¾pote

Mt 3,9; Lk 3,8 pat´qa 5wolem t¹m )bqa²l

11,11 K²faqor … jejo¸lgtai

Mt 9,24 oq c±q !p´hamem … !kk± jahe¼dei

11,27 1c½ pep¸steuja fti s» eW b wqist¹r Mt 16,16 s» eW b wqist¹r b uR¹r toO heoO b uR¹r toO heoO jtk. 11,44 dedel´mor to»r pºdar ja· t±r we?qar Mt 22,13 d¶samter aqtoO pºdar ja· we?qar 13,2 toO diabºkou Edg bebkgjºtor eQr tµm Lk 22,3 eQs/khem d³ satam÷r eQr Yo¼dam jaqd¸am … Yo¼dar jtk. jtk.

153 Vgl. auch U. Luz, Das Evangelium nach Matthäus. Teilbd. 2. Mt 8 – 17 (EKK I/2), Zürich/ Braunschweig/Neukirchen-Vluyn 1990, 210, Anm. 92.

Zur Perfektverwendung im vierten Evangelium 14,25 taOta kek²kgja rl?m paq( rl?m l´mym

95

Lk 24,44 oxtoi oR kºcoi lou otr 1k²kgsa pq¹r rl÷r 5ti £m s»m rl?m

16,1 taOta kek²kgja rl?m Vma lµ sjamda- Mk 14,27 ja· k´cei aqto?r b YgsoOr fti kish/te p²mter sjamdakish¶seshe 16,6 !kk( fti taOta kek²kgja rl?m B k¼pg Mk 9,31ja· 5kecem aqto?r fti jtk. pepk¶qyjem rl?m tµm jaqd¸am Mt 17,23c ja· 1kup¶hgsam svºdqa 16,25 taOta 1m paqoil¸air kek²kgja rl?m Mt 13,34 taOta p²mta 1k²kgsem b YgsoOr 1m paqaboka?r to?r ewkoir 16,32 Qdo» 5qwetai ¦qa ja· 1k¶kuhem Vma sjoqpish/te jtk.

Mt 26,31 1m t0 mujt· ta¼t,. … ja· diasjoqpish¶somtai jkt.

18,11 t¹ pot¶qiom d d´doj´m loi b patµq Mk 14,36 … b pat¶q, … t¹ pot¶qiom jtk. toOto jtk.154 19,28 fti Edg p²mta tet´kestai, Vma tekeiyh0 B cqav¶

Lk 18,31 ja· tekesh¶setai p²mta t± cecqall´ma di± t_m pqovgt_m155

19,38 £m lahgtµr toO YgsoO jejqull´mor Mt 27,57 dr ja· aqt¹r 1lahgte¼hg t` YgsoO 20,17 f poqe¼ou d³ pq¹r to»r !dekvo¼r lou … !cc´kkousa to?r lahgta?r fti 2¾qaja t¹m j¼qiom

Mt 28,10 !pacce¸kate to?r !dekvo?r lou … j!je? le exomtai156

20,23 …, %m timym jqat/te jejq²tgmtai

Mt 18,18 fsa 1±m d¶sgte … 5stai dedel´ma …157

b) Bezug auf die Schriften Johannesevangelium

Schriften

1,18a.c he¹m oqde·r 2¾qajem p¾pote7 … 1je?mor 1ngc/sato vgl. auch 6,46

Sir 43,31 t¸r 2¾qajem aqt¹m ja· 1jdigc¶setai;

154 Vgl. dazu auch Frey, Evangelium, 89 f. 155 Tet´kestai Joh 19,28.30 bezieht sich auf die Schrifterfüllung, der Sprachgebrauch als solcher ist lukanisch, s. Bergmeier, TETEKESTAI, in: Ders., Das Gesetz, 113 – 121, speziell 116. 156 Zu Mt 28,10 als Prätext vgl. Thyen, Johannesevangelium, 764. Schnackenburg, Johannesevangelium, III, 379 f handelt vom „traditionsgeschichtlichen Zusanmmenhang“. 157 Zur Verwandtschaft von Joh 20,23 mit Mt 18,18 vgl. auch Theobald, Herrenworte, 174 – 177.

96

Anhang

2,17 fti cecqall´mom 1st¸m s. auch 6,31.45; 8,17; 10,34; 12, 14.15816; 15,25

2,17c Schriftzitat Ps 69(68),10

3,13 ja· oqde·r !mab´bgjem eQr t¹m oqqamºm Spr 30,4 t¸r !m´bg eQr t¹m oqqamºm 4,38 heq¸feim d oqw rle?r jejopi²jate7 Jos 24,13 c/m, 1v( Dm oqj 1jopi²sate 1p( %kkoi jejopi²jasim ja· rle?r eQr t¹m jºpom aqt/r aqt_m eQsgk¼hate 5,37b.c oute vymµm aqtoO p¾pote !jgjºate oute eWdor aqtoO 2yq²jate

Dtn 4,12 vymµm … rle?r Ajo¼sate ja· blo¸yla oqj eUdete, !kk( C vym¶m

6,32 oq Ly{s/r d´dyjem rl?m t¹m %qtom 1j toO oqqamoO159

Ex 16,15 eWpem d³ Ly{s/r … Ovtor b %qtor dm 5dyjem jtk.

7,19 oq Ly{s/r d´dyjem rl?m t¹m mºlom;160

Dtn 33,4 (= Sir 24,23) mºlom, dm 1mete¸kato rl?m Lyus/r

7,22 Ly{s/r d´dyjem rl?m161 tµm peqito- Lev 12,1.3 1k²kgsem j¼qior pq¹r Lyus/m l¶m k´cym ja· t0 … peqitele? 8,41 Ble?r 1j poqme¸ar oq cecemm¶leha

Hos 2,6162 fti t´jma poqme¸ar 1st¸m

9,29 fti Ly{se? kek²kgjem b heºr

Num 12,2 Lµ Lyus0 lºm\ kek²kgjem j¼qior;

11,52 t± t´jma toO heoO t± diesjoqpisl´ma163

ja· t± pqºbata diasjoqpish¶somtai Sach 13,7 nach Mk 14,27

12,27 B xuw¶ lou tet²qajtai

Ps 6,4 B xuw¶ lou 1taq²whg jtk.

12,40 tet¼vkyjem aqt_m to»r avhaklo¼r Jes 6,10164 ja· to»r avhaklo»r aqt_m 1j²llusam 14,22 t¸ c´comem fti jtk.

Pred 7,10 t¸ 1c´meto fti jtk.

158 Zum Mischzitat vgl. G. Reim, Studien zum alttestamentlichen Hintergrund des Johannesevangeliums (MSSNTS 22), Cambridge 1974, 29 – 32. 159 Vgl. dazu Bergmeier, Glaube, 215. 160 Zur Formulierung s. Joh 6,32, zum Inhalt vgl. auch 1,17. 161 Zur Formulierung s. Joh 6,32, zur Auslegung vgl. R. Meyer, Art. peqit´lmy jt., ThWNT VI, 72 – 83, hier 81. 162 S. dazu Bergmeier, Glaube, 225 mit Anm. 413. 163 Zur Deutung auf dem Hintergrund der „Sammlung der Zerstreuten Israels“ s. Bergmeier, Glaube, 27 mit Anm. 316 und 318; vgl. auch Barrett, Johannes, 403 (1. Abschnitt). 164 Zur freien Verwendung von Jes 6,9 f vgl. Bergmeier, Glaube, 229 – 231.

Zur Perfektverwendung im vierten Evangelium 15,24 mOm d³ ja· 2yq²jasim ja· lelis¶jasim

97

Joh 15,25 fundiert durch freies Zitat des Prätextes Ps 69(68),5: fti 1l¸sgs²m le dyqe²m.165

c) Das Johannesevangelium selbst ist geschriebener Text: cecqall´ma 1m t` bibk¸\ to¼t\ (20,30b) taOta d³ c´cqaptai (20,31a). Johannesevangelium

johanneische Bezugsstelle

1,3c d c´comem

1,3a p²mta di( aqtoO 1c´meto

1,24 !pestakl´moi

1,19 fte !p´steikam jtk.

3,6 t¹ cecemmgl´mom 1j t/r saqjºr/1j toO 1,13 oT oqj … 1j hek¶lator saqj¹r … !kk( pme¼lator 1j heoO 1cemm¶hgsam V. 8 b cecemmgl´mor jtk. 3,11 d 2yq²jalem jtk.

1,18 … 1je?mor 1ngc¶sato

3,18b.c Edg j´jqitai, fti lµ pep¸steujem 3,18a b piste¼ym eQr aqt¹m oq jq¸metai 3,19 fti t¹ v_r 1k¶kuhem eQr t¹m jºslom 1,9 Gm t¹ v_r … 1qwºlemom eQr t¹m jºslom 3,26 è s» lelaqt¼qgjar

1,19 avtg 1st·m B laqtuq¸a toO Yyammou

4,18 toOto !kgh³r eUqgjar

4,17 … B cumµ ja· eWpem

4,42 aqto· c±q !jgjºalem

4,41 di± t¹m kºcom aqtoO

4,45 p²mta 2yqajºter fsa 1po¸gsem

2,23 heyqoOmter aqtoO t± sgle?a $ 1po¸ei

4,47 fti YgsoOr Fjei … eQr tµm Cakike¸am 4,43 fte owm Gkhem eQr tµm Cakike¸am 5,10 t` teheqapeul´m\ 5,14 Ude rci/r c´comar

5,9 1c´meto rci/r b %mhqypor

5,22 tµm jq¸sim p÷sam d´dyjem t` uR`

3,35 b patµq !capø t¹m uR¹m ja· p²mta d´dyjem 1m t0 weiq· aqtoO (s. unter a)

5,33 rle?r !pest²kjate pq¹r Yy²mmgm, ja· lelaqt¼qgjem t0 !kghe¸ô

1,19 avtg 1st·m B laqtuq¸a toO Yy²mmou, fte !p´steikam pq¹r aqt¹m oR Youda?oi

165 Nach Thyen, Johannesevangelium, 653 dürfte mit Berufung auf Reim, Studien, 42 f, 160ff Ps 69 (68),5 Prätext des Johannes sein.

98

Anhang

5,43 1c½ 1k¶kuha 1m t` amºlati toO patqºr lou

5,30 oq d¼malai 1c½ poie?m !p( 1lautoO oqd´m

6,36 fti ja· 2yq²jat´ le ja· oq piste¼ete 6,30 Vma Udylem ja· piste¼syl´m soi 6,38 bti jatab´bgja !p¹ toO oqqamoO 6,42 bti 1j jtk.

3,13 b 1j toO oqqamoO jatab²r

6,39 Vma p÷m d d´dyj´m loi lµ !pok´sy 1n aqtoO 10,29 b pat¶q lou d d´dyj´m loi jtk. 17,2b p÷m d d´dyjar aqt` 17,9 peq· ¨m d´dyj²r loi 17,24a d d´dyj²r loi 18,9 otr d´dyj²r loi jtk.

6,37 p÷m d d¸dys¸m loi b pat¶q

6,39 (s. o.)

6,63 t± N¶lata $ 1c½ kek²kgja rl?m pmeOl² 1stim

3,34 t± N¶lata toO heoO kake?, oq c±q 1j l´tqou d¸dysim t¹ pmeOla

6,65b.c di± toOto eUqja rl?m fti oqde·r d¼matai 1khe?m pqºr le 6,65d 1±m lµ × dedol´mom aqt` 1j toO patqºr

6,44 oqde·r d¼matai 1khe?m pqºr le 1±m lµ b patµq jtk. 3,27 1±m lµ × dedol´mom aqt` jtk. (s. unter a)

7,28 ja· !p( 1lautoO oqj 1k¶kuha s. auch 8,42

5,19 oq d¼matai b uR¹r poie?m !v( 2autoO oqd´m jtk.166

7,47 lµ ja· rle?r pepk²mgshe;

7,12 pkamø t¹m ewkom

8,31 pq¹r to»r pepisteujºtar aqt`

8,30 pokko· 1p¸steusam eQr aqtºm

8,40 dr tµm !k¶heiam rl?m kek²kgja Dm Ejousa paq± toO heoO

8,26b j!c½ $ Ejousa paq( aqtoO taOta kak_ jtk.167

8,52 mOm 1cm¾jalem fti dailºmiom 5weir

7,20b dailºmiom 5weir

8,55 ja· oqj 1cm¾jate aqtºm

8,19 oute 1l³ oUdate oute t¹m pat´qa lou

8,57 ja· )bqa±l 2¾qajar;

8,56 ja· eWdem ja· 1w²qg

9,32 tuvkoO cecemmgl´mou

9,20 fti tuvk¹r 1cemm¶hg

11,34 poO tehe¸jate aqtºm;

11,17 1m t` lmgle¸\

166 Vgl. dazu Schnackenburg, Johannesevangelium, II, 203 und 130. 167 Vgl. auch Schnackenburg, Johannesevangelium, II, 284, Anm. 1.

Zur Perfektverwendung im vierten Evangelium

99

11,39 toO tetekeutgjºtor 11,44 b tehmgj¾r

11,14 K²faqor !p´hamem

11,42 di± t¹m ewkom t¹m peqiest_ta

11,31 oR owm Youda?oi … Ajoko¼hgsam aqt0

12,18 fti Ejousam toOto aqt¹m pepoigj´mai t¹ sgle?om 12,37 tosaOta d³ aqtoO sgle?a pepoigjºtor jtk.

11,47 pokk± poie? sgle?a 12,17 b ewkor b £m let( aqtoO fte t¹m K²faqom 1v¾mgsem 1j toO lmgle¸ou

12,29 5kecem bqomtµm cecom´mai, %kkoi 5kecom7 %ccekor aqt` kek²kgjem 12,30 B vymµ avtg c´comem

12,28 Gkhem owm vymµ 1j toO oqqamoO

12,46 1c½ v_r eQr t¹m jºslom 1k¶kuha

1,9 Gm t¹ v_r … 1qwºlemom eQr t¹m jºslom

12,49 b p´lxar le patµq aqtºr loi 1mto- 10,18 ta¼tgm tµm 1mtokµm 5kabom paq± toO kµm d´dyjem patqºr lou 12,50 jah½r eUqgj´m loi b pat¶q, ovtyr kak_

8,28 jah½r 1d¸dan´m le b patµq taOta kak_

13,10 b kekoul´mor jtk.

13,8 1±m lµ m¸xy se

13,12 cim¾sjete t¸ pepo¸gja rl?m ;

13,7 d 1c½ poi_ s» oqj oWdar %qti

14,7a.b eQ 1cm¾jat´ le, ja· t¹m pat´qa lou cm¾seshe V. 9c ja· oqj 5cmyj²r le, V¸kippe;

8,19 eQ 1l³ Õdeite, ja· t¹m pat´qa lou #m Õdeite

14,7d ja· 2yq²jate aqtºm 12,45 ja· b heyq_m 1l³ heyqe? t¹m p´lV. 9d b 2yqaj½r 1l³ 2¾qajem t¹m pat´qa xamt² le 14,29 ja· mOm eUqgja rl?m pq·m cem´shai

13,19 !p( %qti k´cy rl?m pq¹ toO cem´shai

15,3 Edg rle?r jahaqo¸ 1ste di± t¹m kºcom 13,10 k´cei aqt` b YgsoOr7 … ja· rle?r dm kek²kgja rl?m jahaqo¸ 1ste 15,10 jah½r 1c½ t±r 1mtok±r toO patqºr 14,31 jah½r 1mete¸katº loi b pat¶q, ovtyr lou tet¶qaja poi_ 15,15 rl÷r d³ eUqgja168 v¸kour

15,14 rle?r v¸koi lo¼ 1ste

168 Im Unterschied zum zitierenden Gebrauch (¢r eWpom) steht hier im Sinn von „nennen“ eUqgja, denn dies ist ja V. 14 geschehen.

100

Anhang

15,18 b jºslor … fti 1l³ pq_tom rl_m lel¸sgjem

7,7 b jºslor … 1l³ d³ lise?

15,24 mOm d³ 2yq²jasim ja· lelis¶jasim 6,36 fti ja· 2yq²jat´ le s. o. jtk. 16,11 fti b %qwym toO jºslou to¼tou j´jqitai

12,31 mOm jq¸sir 1st·m …, mOm b %qwym toO jºslou to¼tou 1jbkgh¶setai 5ny

16,24 Vma B waq± rl_m × pepkgqyl´mg

15,11 Vma … B waq± rl_m pkgqyh0

16,27 aqt¹r c±q b patµq vike? rl÷r, fti rle?r 1l³ pevik¶jate ja· pepiste¼jate

14,21 b d³ !cap_m le !capgh¶setai !p¹ toO patqºr lou

16,28 ja· 1k¶kuha eQr t¹m jºslom

12,46 1c½ v_r eQr t¹m jºslom 1k¶kuha (s. o.)

17,4 t¹ 5qcom tekei¾sar d d´dyj²r loi Vma poi¶sy

4,34 Vma poi¶sy t¹ h´kgla toO p´lxamtºr le ja· tekei¾sy aqtoO t¹ 5qcom

17,6 ja· t¹m kºcom sou tet¶qgjam

14,23 t¹m kºcom lou tgq¶sei V. 24 ja· b kºcor … 1stim … toO p´lxamtºr le patqºr

17,8b d´dyja aqto?r

17,8a t± N¶lata $ 5dyj²r loi

17,13 Vma 5wysim tµm waq±m tµm 1lµm pepkgqyl´mgm 1m 2auto?r

15,11 Vma B waq± B 1lµ 1m rl?m × ja· B waq± rl_m pkgqy0

17,14 1c½ d´dyja aqto?r t¹m kºcom sou

17,8 (s.o,)

17,23 Vma §sim tetekeiyl´moi eQr 6m

17,11 Vma §sim 4m jah½r Ble?r

18,20 1c½ paqqgs¸ô kek²kgja t` jºsl\ 7,26 ja· Ude paqqgs¸ô kake? 18,21 1q¾tgsom to»r !jgjoºtar t¸ 1k²kgsa aqto?r

s. 18,20

18,24 aqt¹m … dedel´mom

18,12 ja· 5dgsam aqtºm

18,37 1c½ eQr toOto cec´mmglai ja· eQr toOto 1k¶kuha eQr t¹m jºslom

11,27 b eQr t¹m jºslom 1qwºlemor

19,19c Gm d³ cecqall´mom 19,20 ja· Gm cecqall´mom 19,22 d c´cqava, c´cqava

19,19a 5cqaxem d³ ja· jtk.

Zur Perfektverwendung im vierten Evangelium 20,17 oupy c±q !mab´bgja pq¹r t¹m pat´qa

3,13 ja· oqde·r !mab´bgjem eQr t¹m oqqamºm

20,21 jah½r !p´stakj´m le b pat¶q

17,18 jah½r 1l³ !p´steikar

20,29 fti 2¾qaj²r le pep¸steujar;

1,50 fti eWdºm se …, piste¼eir;

101

Entsprechend dem Makarismus von Joh 20,29c wird im primären Buchschluss 20,30 f der Zusammenhang von Sehen und Glauben transformiert in den des förmlich skripturalen c´cqaptai und der Zielvorgabe: Vma piste¼[s]gte.

III. „Königlosigkeit“ als nachvalentinianisches Heilsprädikat Wiedergabe des gleichnamigen Aufsatzes in NovTest 24 (1982), 316 – 339 Aktualisierende Notizen und Literaturhinweise werden, den bestehenden Vorgaben dieses Aufsatzes entsprechend, als Anhang C angefügt.

1. Problemskizze Was wollten Gnostiker zur Sprache bringen, wenn sie das Besondere ihres Heilsstands bzw. ihrer Erlösung als „Königlosigkeit“ bezeichneten?1 Da politische2 Herrschaftsverhältnisse an keiner Belegstelle des Ausdrucks angesprochen sind, ist der Zugang zu sachgemäßem Verständnis wohl kaum mit F. T. Fallon über eine Analyse der “relatively rare occurrences of the term in classical and Greco-Roman literature” zu gewinnen.3 Der von Fallon erhobene Gebrauch des Terminus “ ‘ kingless’ in its proper, political sense” wie auch der Gebrauch “ in a metaphorical sense”: “ a person’s freedom from subjection to the rule of a king”, und zwar “ of a real, earthly king”,4 weist außer der formalen Gleichung „Freiheit von Herrschaft“ keinen zwingenden Zusammenhang mit der gnostischen Ausdrucksweise auf: “Although the term !bas¸keutor involved only an earthly king in the Hellenic and Greco-Roman literature, it would understandably involve a heavenly ruler when that ruler was considered a king and when the framework under consideration changed to the cosmic realm.”5 Könnte man Fallons Ausführungen folgen, hätten wir freilich in ApkAd 82,19 f einen frühgnostischen Beleg vor uns, der im Unterschied zu späteren Dokumenten !bas¸keutor noch ausdrücklich auf irdische Herrschaft bezieht: “What is particularly striking in ApocAd and perhaps a further sign of its early 1 So die Naassener nach Hipp.haer. V 8,2.30 (!bas¸keutor); vgl. ferner UW (NHC II,5/p. 97,24 – 127,17) 125,2.6; 127,14; ApkAd (NHC V,5/p. 64,1 – 85,32) 82,19 f. 2 Ob der gnostische Gebrauch von !bas¸keutor für die politische Verdächtigung der Christen vonseiten des Kelsos von Belang war – so W. Ullmann, Gnostische und politische Häresie bei Celsus, in: Theologische Versuche 11, hg. von J. Rogge u. G. Schille, Berlin 1970, 153 – 158, hier 156 –, lässt sich schwerlich erweisen, denn, so Ullmann selbst: „Der Terminus abasileutos begegnet allerdings weder bei Celsus noch im Kommentar des Origenes zu dessen Ausführungen.“ 3 F. T. Fallon, The Gnostics: The undominated Race, NovTest 21 (1979), 271 – 288, hier 271. 4 Fallon, The Gnostics, 275. 5 Fallon, The Gnostics, 276.

Problemskizze

103

date is that it retains a reference to the earthly realm in its use of ‘undominated’.”6 Zu Recht nun ordnet Fallon die ApkAd in den sethianischen Gnostizismus ein, spricht aber dann zu Unrecht von “an early form of Jewish Gnosticism, not yet influenced by Christianity”.7 Der Sethianismus datiert, berücksichtigt man seinen Zusammenhang mit dem iranisch-aramäischhellenistischen Synkretismus, frühestens aus dem 2. Jh. n. Chr.8 Im Blick auf die Geschichte des sethianischen Gnostizismus selbst stellt die ApkAd sodann eine ausgesprochene Spätform dar.9 Dies zeigt sich u. a. darin, dass die Schrift Mythologumena einführt und mythologische Zusammenhänge andeutet, ohne dieselben zu erklären bzw. zu begründen, eben weil sie schon bekanntes gnostisches Überlieferungsgut darstellen.10 So steht es auch um die Auflistung der dreizehn Königreiche (ApkAd 77,27 – 82,19), deren Zahl sich nicht bezieht auf “the kings of this world who are descended from Shem, Ham and Japheth”,11 sondern eher auf die geläufige Vorstellung von den dreizehn Äonen bzw. Kräften des Weltgottes.12 Entscheidend ist die Beziehung zwischen p. 77,19ff und p. 82,19ff: „Das Geschlecht (ceme²), das keinen König über sich hat“, steht mit seiner Aussage über den Phoster im Gegensatz zu „den Engeln und allen Geschlechtern (ceme²) der Kräfte, die den Namen des Phoster als pk²mg benutzen“, was dann in den Aussagen der 13 Königreiche expliziert wird. „Alle Geschlechter der Kräfte“ bilden also 13 Königreiche, wobei „der Gott der 13 Äonen“ seinerseits mit seiner Macht über „alle Kräfte in den Äonen herrscht“ (ApkAd 74,19ff). Demgegenüber befinden sich die Sethmenschen, die „nicht Geist von diesem selben Königreich erhalten haben“ (p. 76,24 f), als „das Geschlecht ohne einen König über sich“ nach p. 75,26 f „oberhalb der Engel und der Herrschaften der Kräfte“. Offenkundig ist demnach der Begriff der „Königlosigkeit“ in ApkAd 82,20 antikosmisch und antidemiurgisch verwendet. Befriedigende Erklärung der in Rede stehenden Ausdrucksweise kann wohl auch nicht sein, mit H.-G. Bethge von einer „gebräuchlichen Metapher“ zu sprechen, die einen „sozialen Begriff“ überhöht gebrauche: „die so Bezeich6 Fallon, The Gnostics, 280. 7 Fallon, The Gnostics, 277. 8 Vgl. dazu C. Colpe, Heidnische, jüdische und christliche Überlieferung in den Schriften aus Nag Hammadi (II/III), JAC 16 (1973), 106 – 126, hier 115; 17 (1974), 109 – 125, hier 121, Anm. 37. 9 Vgl. dazu meinen Nachweis in: Glaube als Gabe nach Johannes (BWANT 112), Stuttgart/Berlin/ Köln/Mainz 1980, 183 – 189. 10 Hier wäre zu nennen: die Rede vom dritten Kommen des Phoster (ApkAd 76,8ff), von der „Frucht“ (85,1), von dem Äon, aus dem Adam und Eva in Einheit entstanden waren (64,11 f), von Eva als Lehrerin der Gnosis (64,12 f), von der „Ersten Gnosis“ (64,27) oder z. B. auch die Kenntnis vom himmlischen Seth in 65,5ff, vgl. dazu meine Einlassungen in: Glaube als Gabe, 183 – 186. 11 So Fallon, The Gnostics, 280 im Zusammenhang der Seiten 278 ff. 12 Vgl. EvÄg (NHC III,2/p. 40,12 – 69,20) 63,18 „der Gott der 13 Äonen“, 64,3 f „die Kräfte der 13 Äonen“; nach Zostr (NHC VIII,1/p. 1,1 – 132,9) 4,26 – 29 umfaßt „die ganze Welt“ die 13 Äonen, deren Engelwesen und Archon.

104

„Königlosigkeit“ als nachvalentinianisches Heilsprädikat

neten sind wirklich frei“.13 Schließlich hat man lange Zeit in der Gnosis „Freiheit“ gepredigt, ohne von „Königlosigkeit“ zu sprechen. Von der Freiheit gegenüber den Engelmächten, die die Welt gemacht und den Sklavendienst des Nomos eingerichtet hätten, handelten die Simonianer14 und die Karpokratianer,15 von der 1keuheq¸a der Königskinder16 gegenüber dem geschriebenen Gesetz die Anhänger des Prodikos.17 Vielfach erscheint der Gegensatz von Knechtschaft (Sklaven) und Freiheit (Freien),18 wobei auch der Bezug auf die Archonten ausdrücklich angesprochen sein kann: „Sie (sc. die Archonten) wollten nämlich den Freien (1ke¼heq[o]r) nehmen und ihn sich zum Sklaven bis in Ewigkeit machen.“19 Zumal das Ausscheiden aus dem Weltzusammenhang und Erlangen der endgültigen Erlösung heißt „Erlangen der Freiheit“.20 So formuliert EvPhil Spruch 125: „Und alle, die sich in ihm (sc. dem vollkommenen Licht) befinden, werden [die] Salbung ([wq?]sla) [empfangen]. Dann (tºte) werden die Sklaven frei (1ke¼he[qor]) sein und die Gefangenen (aQwl²kytor) erlöst werden.“ Das ist inhaltlich konkordant mit dem Naassener-Bericht Hipp.haer. V 8,30: toOto, vgs¸m, 1st· t¹ l´ki ja· t¹ c²ka, ox ceusal´mour to»r teke¸our !basike¼tour cem´shai ja· letaswe?m toO pkgq¾lator. Warum also wird hier wie auch in NHC II,5 die Vollendung gnostischen Heils als „Königlosigkeit“ bezeichnet? Die Frage läßt sich m. E. zureichend nur beantworten, wenn wir Soteriologie und Eschatologie des Valentinianismus in unsere Betrachtung einbeziehen.

2. Valentinianische Heilssystematik Der Valentinianismus als „ein wichtiges Zwischenglied in der vom älteren zum neueren Platonismus reichenden Tradition“21 zeichnet den Demiurgen (die 13 Vom Ursprung der Welt: Die fünfte Schrift aus Nag-Hammadi-Codex II neu herausgegeben und unter bevorzugter Auswertung anderer Nag-Hammadi Texte erklärt, Diss. Berlin (DDR) 1975, 439. 14 Iren.haer. I 23,3, vgl. dazu meinen Beitrag: Quellen vorchristlicher Gnosis? in: Das Gesetz im Römerbrief und andere Studien zum Neuen Testament (WUNT 121) Tübingen, 2000, 209 – 229, hier 214 f, 217. 15 Iren.haer. I 25,2 – 4. 16 Vgl. dazu auch ActThom 111. 17 Clemens Alexandrinus, Strom. III 30,1. 18 Vgl. EvPhil (NHC II,3/p. 51,29 – 86,19) Spr. 13, 87, 110, 123, 125; LibThom (NHC II,7/p. 138,1 – 145,23) 143,31 f; AuthLog (NHC VI, 3/p. 22,1 – 35,24) 30,18 ff.; ExcTheod 57. 19 EvPhil, Spr. 13 (p. 54,29 – 31), s. (J. Leipoldt-) H.-M. Schenke, Koptisch-gnostische Schriften aus den Papyrus-Codices von Nag-Hamadi (ThF 20), Hamburg-Bergstedt 1960, 40; vgl. auch aus dem Ophianer-Bericht Or.Cels. VI 31: (an den Archon Jaldabaoth gewendet): paqode¼y tµm sµm 1ke¼heqor p²kim 1nous¸am. 20 ActTom 167 tµm 1keuheq¸am kalb²my. 21 H.J. Krämer, Der Ursprung der Geistmetaphysik. Untersuchungen zur Geschichte des Platonismus zwischen Platon und Plotin, Amsterdam 1964, 263.

Valentinianische Heilssystematik

105

Weltseele) und damit in eins das Psychische als ein Mittleres zwischen Pneuma und Hyle.22 Wohl begegnet das Philosophumenon „die Seele als ein Mittleres“ als ausgeprägtes Lehrstück erst im Neuplatonismus,23 hat aber wohl eine vorbereitende Tradition24 z. B. in der valentinianischen Gnosis, bei Philo,25 in der xenokratischen Überlieferung26 und findet seinen platonischen Pol in Tim. 30b (moOm l³m 1m xuw0, xuwµm d( 1m s¾lati)27 und 35a (1m l´s\).28 Die systematische Konsequenz aus diesem philosophiegeschichtlichen Zusammenhang müsste sein, dass das Psychische die Freiheit hat, sich entweder dem Pneuma oder der Hyle anzugleichen, also gerettet zu werden oder verlorenzugehen. Solche Konsequenz hat denn auch in neueren Interpretationsversuchen zu Texten des Valentinianismus zu entsprechenden Ergebnissen geführt, z. B. bei H. Langerbeck29 und L. Schottroff,30 bei E. Mühlenberg im Blick auf die Fragmente des Herakleon,31 bei E.H. Pagels im Blick auf die Excerpta ex Theodoto (ExcTheod).32 Nun ist aber mit der oben stillschweigend vorausgesetzten Gleichung der beiden Reihen moOr – xuw¶ – vkg (s_la)33 und pmeOla – xuw¶ – vkg der eingefleischte Irrtum, moOr korrespondiere pmeOla,34 mit vollzogen und damit in eins der vom Platonismus abzuhebende gnostische Bruch ausgeblendet:

22 Vgl. Krämer, Geistmetaphysik, 241 f. 23 W. Theiler, Die Seele als Mitte bei Augustin und Origenes, in: Ders., Untersuchungen zur antiken Literatur, Berlin 1970, 554 – 563, hier 554. 24 Vgl. J.H. Waszink, Porphyrios und Numenios, in: Die Philosophie des Neuplatonismus, hg. von C. Zintzen (WF 436), Darmstadt 1977, 167 – 207, hier 203 f: „… über den Proklostext (test. 31), wo Numenios genannt wird in einer großen Gruppe von Timaiosexegeten …, die annehmen, daß ,die Weltseele, die zwischen den natürlichen und den übernatürlichen Dingen in der Mitte steht, …‘.“ Für Plutarch s. Krämer, Geistmetaphysik, 95. 25 Vgl. z. B. LA III 220 ff. 26 Vgl. R. Heinze, Xenokrates, Hildesheim 1965, 65,76, 149; H.J. Krämer, Platonismus und hellenistische Philosophie, Berlin/New York 1971, 124. 27 Diese Stelle nannte mir Herr Prof. Dr. L. Koenen mit Brief vom 23. 1. 1977. 28 Vgl. Theiler, Untersuchungen, 560. 29 H. Langerbeck, Die Anthropologie der alexandrinischen Gnosis, in: Aufsätze zur Gnosis. Aus dem Nachlaß hg. von H. Dörries (AAG phiI.-hist. Kl. III, 69), Göttingen 1967, 38 – 82, bes. 63 ff. Zur Auseinandersetzung mit Langerbeck s. Bergmeier, Glaube, 180 ff. 30 L. Schottroff, Animae naturaliter salvandae. Zum Problem der himmlischen Herkunft des Gnostikers, in: Christentum und Gnosis, Aufsätze hg. von W. Eltester (BZNW 37), Berlin 1969, 65 – 97, hier 83 – 97. Zur Auseinandersetzung mit Schottroff s. Bergmeier, Glaube, 180 ff. 31 E. Mühlenberg, Wieviel Erlösungen kennt der Gnostiker Herakleon?, ZNW 66 (1975), 170 – 193; dazu s. u. Anhang B. 32 E.H. Pagels, Conflicting Versions of Valentinian Eschatology : Irenaeus’ Treatise vs. the Excerpts from Theodotus, HThR 67 (1974), 35 – 53; dazu s. u. Anhang A. 33 Zu diesem dreigliedrigen Stufenbau vgl. Heinze, Xenokrates, 139, 143; Krämer, Geistmetaphysik, 117, 233 f u. ö. 34 Vgl. R. Reitzenstein, Die hellenistischen Mysterienreligionen, Darmstadt 1966, 328; H. Jonas, Gnosis und spätantiker Geist, I, Göttingen 31964, 211; K.-W. Tröger, Mysterienglaube und Gnosis in Corpus Hermeticum XIII (TU 110), Berlin 1971, 90.

106

„Königlosigkeit“ als nachvalentinianisches Heilsprädikat

Der gnostische Weltschöpfer gehört zur Seele, ist im kaiserzeitlichen Weltschema um eine Stelle nach links verschoben, so daß es nun heißt: Materie (Teufel) – Seele (Demiurg) – Pneuma (Sophia) – Bythos (Guter Gott); vgl. über Valentin Hippolyt. 6, 34,1; Orig. c. Cels. 6, 35: xuwij¹r dgliouqcºr; über Herakleon Epiphan. pan. 36, 4,5; 5,1.35

Die Verschiebung wird noch deutlicher, wenn wir die Verlagerung des fqor ins Auge fassen. „Das valentinianische Emanations- und Derivationssystem“, als „eine mythologisch-anthropomorph überkleidete Form der Geistmetaphysik“ betrachtet,36 verlegt den fqor (Plato Tim. 69e) aus der Stellung zwischen göttlicher und sterblicher Seele, die mit den pah¶lata verbunden ist, zwischen die vom Nu¯s angeführten Äonen des Pleroma und die pneumatische Fixsternsphäre der Achamoth. Erst aus den abgesonderten p²hg der Achamoth entstehen sodann die psychische Sphäre der Hebdomas und schließlich die Elemente der Hyle.37 Bythos die vom Nu¯s angeführten Äonen des Pleroma

moOr

Horos - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - Achamoth, die pneumatische Fixsternsphäre der Ogdoas (obere Weltseele) xuw¶ Demiurg, der psychische Bereich der planetarischen Hebdomas (untere Weltseele) Hyle

vkg

Aus dem bisher Dargelegten ergibt sich, dass der systematische Ort der Mitte nicht mehr statisch wie in einer platonischen Stufenlehre, sondern prozesshaft zu sehen ist,38 nämlich verteilt auf die Sphären einer oberen, „theoretischen“ und einer unteren, demiurgischen Weltseele.39 Mitte ist das Psychische (Iren.haer. I 6,1; 8,3)40 bzw. die Seele (Hipp.haer. VI 32,8), der Demiurg (Hipp.haer. VI 32,7 f; Epiph.haer. XXXIII 7,4 f), wie denn auch die Menschen des Demiurgen „im untersten Teil der Mitte“ leben (Herakleon, Frgm. 40).41 35 36 37 38

W. Theiler, Art. Demiurgos, RAC III (1957), 694 – 711, hier 708. Krämer, Geistmetaphysik, 259. Iren.haer. I 2,4; 4,1 ff; 5,4; Hipp.haer. VI 31,6; 32,3 ff; vgl. dazu Krämer, Geistmetaphysik, 240 f. So in Anlehnung an Krämers analoge Bemerkungen zum basilidianischen System, s. Geistmetaphysik, 237. 39 Vgl. dazu Krämer, Geistmetaphysik, 242. 40 Vgl. auch TractTrip (NHC I,5/p. 51,1 – 138,25) 98,15 f; 119,20 f. 41 W. Völker, Quellen zur Geschichte der christlichen Gnosis (SQS NF 5), Tübingen 1932, 80,21 f. Entsprechend versucht nach EvVer (NHC I,3/p. 16,31 – 43,24) 17,35 die Plane die zu verführen, die zur Mitte gehören.

Vollkommenes Heil als Königlosigkeit

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Andrerseits nimmt Achamoth bzw. die Ogdoas bis zur Vollendung den Ort der Mitte ein.42 Diese Systematik der Mitte, verbunden mit der „spezifisch gnostischen Sonderlehre“ vom Pneuma,43 die, was den Valentinianismus betrifft, an neutestamentlichen Erwählungs- und Prädestinationsaussagen festgemacht ist,44 führt dazu, dass „Heil“ und „Rettung“ nach valentinianischem Verständnis nun ebenfalls vermittelt, d. h. nicht mehr eindeutig sind: Das Heil innerhalb des Pleroma erlangen nur die Erwählten, das Pneumatische, das sp´qla, die Kinder, die wahre v¼sir, die Pneumatiker ;45 das psychische Wesen geht, sofern es sich den Oberen, der Ogdoas, angeglichen hat, bei der Vollendung in die Ogdoas ein, wird also versetzt aus der Sterblichkeit in die Unsterblichkeit, aus der Knechtschaft in die Freiheit.46 Aber das ist eine Rettung außerhalb des Pleroma! Wenn demnach die Mutter, Achamoth, wie auch die Spermata je ihren Bräutigam erhalten und in das Brautgemach innerhalb des Horos zur ewigen Hochzeit der Paarung gehen, verbleiben die Seelen in der Ogdoas47 – „draußen vor dem Brautgemach“48 –, wohin ja auch der Demiurg aufsteigen darf.49

3. Vollkommenes Heil als Königlosigkeit Das Heil „unter den Schwingen des Kreuzes“, d. h. des Horos, ist tatsächlich „Rettung“, nämlich Rettung vor dem Untergang, aber defizient, weil Gemeinschaft des Demiurgen mit dem unvermischten Licht und dem makellosen Pleroma ausgeschlossen ist.50 Diesen Demiurgen aber bezeichnete man u. a. als König,51 in platonisierender Sprache52 speziell als pat´qa ja· basik´a p²m42 Iren.haer. I 5,3 f; 6,4; 7,1.5; 8,4; Epiph.haer. XXXI 6,9. 43 Krämer, Geistmetaphysik, 241. 44 Vgl. Langerbeck, Aufsätze, 79 f. und meine Ausführungen in Glaube als Gabe, 181 f; vgl. auch E.H. Pagels, The Johannine Gospel in Gnostic Exegesis: Heracleon’s Commentary on John (SBLMS 17), Nashville u. New York 1973, 100 ff. 45 Vgl. Valentin, Frgm. 4 (Völker, Quellen, 58,23 f); EvPhil Spr. 99 (S. 75,10 f); Iren.haer. I 6,4; 7,1.5; Herakleon, Frgm. 37; ExcTheod 1,2; 41,1 f; 56,3; 58,1; vgl. auch TractTrip 58,34 f; 119,16ff; 122, 12 ff. 46 Hipp.haer. VI 32,9; ExcTheod 56,3ff; 57. 47 Iren.haer. I 7,1.5; ExcTheod 63 f; 34,2 und 37. 48 ExcTheod 65,1, vgl. auch TractTrip 122,19 ff. 49 Iren.haer. I 7,1.4; ExcTheod 34,2. 50 EvPhil Spr. 125 (S. 84,29 – 85,1), vgl. dazu O. Hofius, Der Vorhang vor dem Thron Gottes (WUNT 14), Tübingen 1972, 34 ff. 51 HerakIeon, Frgm. 40; vgl. auch TractTrip 100,28 f. 52 Plato Tim. 28c pat´qa toOde toO pamtºr, epist. II 312e peq· t¹m p²mtym basik´a. Zu Xenokrates, Frgm. 15 (Heinze) s. Krämer, Geistmetaphysik, 37; Numenios, Frgm. 21 u. 25 (Leemans); Plutarch, de Iside 373B, 374D, 383A; Maximos von Tyros (Hobein) XI 5a he¹r eXr p²mtym basike¼r, ja· pat¶q, 12a.b.d „Vater“, „Demiurg“ und „König“; Philo opif. 144, legat. 3; vgl. auch Flav.Jos.Ant. 14,24.

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„Königlosigkeit“ als nachvalentinianisches Heilsprädikat

tym.53 Und nun wird klar, was in nachvalentinianischer Zeit „Königlosigkeit“ in Bezug auf das Heil besagen sollte: Rettung, die nicht in der Gemeinschaft mit dem Demiurgen belässt, sondern zur Gemeinschaft mit dem transmundanen Ursprung selbst führt, nicht letztlich doch noch defizientes, sondern wirklich vollkommenes Heil im Pleroma. Entsprechend erläutert ja der Naassener-Bericht, Hipp.haer. V 8,30 das to»r teke¸our !basike¼tour cem´shai durch letaswe?m toO pkgq¾lator. Ganz klar setzt UW 124,33 – 125,11; 127,10 – 14 einen unterschiedlichen Rang des Heils an, indem differenziert wird zwischen drei Geschlechtern,54 die zu den Königen der Ogdoas gehören, und einem vierten, das vollkommen und ohne König ist (125,4 – 6). Wohl wird die zuerst genannte Gruppe „ihre Herrlichkeiten in ihren Äonen und in den Königreichen der Unsterblichen empfangen“,55 aber niemals gelangen zur „Königlosigkeit“, während das vierte Geschlecht die vollendete Heilsstufe erreichen wird (125,7 – 11). Heil minderer Qualität ist zugeordnet den Königen der Ogdoas, den Königreichen der Unsterblichen (das entspricht valentinianisch der Rettung des Psychischen), vollendetes Heil als „Königlosigkeit“ erhebt zum transmundanen Ursprung selbst (das entspricht valentinianisch dem pneumatischen Heil im Pleroma). Sicher wird in UW nicht valentinianische Theologie als solche vorgetragen,56 aber, religionsgeschichtlich betrachtet, doch aller Wahrscheinlichkeit nach als Bezugspunkt vorausgesetzt. Die hier um das Stichwort „Königlosigkeit“ versammelten Texte sind ja auch keineswegs die einzigen, die ohne valentinianische Vorgeschichte nicht zu denken sind. An die sethianische Resorption der valentinianischen Anschauung von den drei v¼seir bzw. c´mg wäre hier zu erinnern, wie insbesondere ÄgEv sie vor Augen führt; an die sethianische Interpretation der barbelognostischen Systematik der vier Leuchter – bis hin zur Einteilung der Menschheit in drei Klassen in ApkAd.57 Auch in der spät-sethianischen Schrift ParSem (NHC VII,1/p. 1,1 – 49,9) findet sich in nachvalentinianischer Manier die Unterscheidung von Heilsstufen. Dem „Samen der universalen Finsternis“ (35,12 f) – das sind die, die weder 53 Iren.haer. I 5,1. 54 Zostr 27,13 – 28,16 belegt die Dreizahl von Arten unsterblicher Seelen, eine gnostische Möglichkeit der Hypostasierung, die wohl von der barbelognostischen Systematik der vier Leuchter (vgl. dazu Bergmeier, Glaube, 186 f) angeregt worden ist, vgl. auch die Fortsetzung in Zostr 29,1 ff. 55 UW 127,l1ff (Bethge, Diss., 91). 56 Bethge argumentiert merkwürdig unentschieden. Nach Diss., 464 (zu p. 127,10 – 13) liegt „valentinianisches Gedankengut“ nicht vor, nach ebd., 438 (zu p. 125,3 – 7) wird „valentinianisches Gedankengut mit manichäischen Vorstellungen zum Ausdruck gebracht“. Die für die religionsgeschichtliche und speziell chronologische Einordnung der Schrift so wichtige Fragestellung Bethges, inwiefern UW manichäische Lehrüberlieferung widerspiegle, bleibt von diesem Einwand unberührt. 57 Zum Nachweis im Einzelnen vgl. Bergmeier, Glaube, 186 – 189: „Die ApkAd als Beispiel substantialisierter Fassung des Prädestinationsgedankens“.

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)bas¸keutor und %maqwor

etwas vom Lichtpneuma noch vom Glauben besitzen und darum in der Finsternis zugrunde gehen (35,31 – 34) – stehen zwei Gruppen von Heilsempfängern gegenüber, von denen die eine durch sume¸dgsir und laqtuq¸a (29,22 f; 42,25.29), die andere durch p¸stir und let²moia (35,25.27) charakterisiert wird. Während nun das Geschlecht SÞems, die Sodomiter,58 zum unbeschreiblichen Licht gelangen und im ungezeugten Geist ruhen werden (29,26; 35,24; 48,24ff), wird die Gruppe derer, die den Willen des Glaubens zu tun vermochten (vgl. 35,10 f), „am Ort des Hymen ruhen“ (35,28). Wie aus dem Stufenaufbau des Alls (Geist – Hymen – Schweigen – Mitte; Physis)59 ersichtlich ist, entspricht der Ausdruck „am Ort des Hymen“ in valentinianischen Texten der Terminologie „unter den Schwingen des Kreuzes“, d. h. des Horos:60 Bythos

Geist

- - - - - - - - - - - - Horos - - - - - - - - - - - -

- - - - - - - - - - - - Hymen - - - - - - - - - - - -

Ogdoas

Schweigen

Hebdomas

Mitte

Hyle

Physis.

4. )bas¸keutor und %maqwor Selbstverständlich erklären sich aus dem bislang beleuchteten Komplex nicht der Gebrauch und das Verständnis aller negierten Herrschafts-Aussagen in gnostischen Texten. Gehen wir davon aus, dass wir hinsichtlich der koptischgnostischen Schriften in der Regel nach der griechischen Sprachgestalt zurückzufragen haben,61 ergibt ein Blick in das Unbekannte altgnostische Werk (UAW), dass neben !bas¸keutor62 auch %maqwor63 in die Betrachtung mit 58 ParSem 26,2.18 f; 29,13 ff. Zur Rolle Sodoms vgl. EvÄg (NHC III,2) 56,4–13; 60,9 – 18. 59 ParSem 33,3 – 16; 47,23 – 35; vgl. auch 13,2ff; 17,13 ff. 60 Vgl. oben Anm. 50. Vorstellungsmäßig entspricht fqor dem rl¶m recht genau, sofern man sich durch die Übersetzung „Jungfernhäutchen“ (M. Krause, in: F. Altheim-R. Stiehl, Christentum am Roten Meer, II, Berlin/New York 1973, 13) nicht irritieren lässt; zu rl¶m im kosmologischen Sinn vgl. R. Eisler, Weltenmantel und Himmelszelt, München 1910, I, 110 f (Text 53), II, 522; A.D. Nock-A.-J. Festugi{re, Corpus Hermeticum, I, Paris 31972, 128, Anm. 47 zu CH X,11; E. des Places, Oracles chalda‚ques, Paris 1971, S. 124 f zu Frgm. 6 (S. 67 f). 61 Für die Nag-Hammadi-Texte vgl. B. Layton, The Hypostasis of the Archons or The Reality of the Rulers, HThR 67 (1974), 351 – 425, hier 362. 62 UAW 352,10 f (C. Schmidt-W. Till, Koptisch-gnostische Schriften, I (GCS 45), Berlin 31959), vgl. auch 343,20 (atrro, s. Ch.A. Baynes, A Coptic Gnostic Treatise contained in the Codex Brucianus, Cambridge 1933, XXV Ms. f. 108R, Z. 22).

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„Königlosigkeit“ als nachvalentinianisches Heilsprädikat

einzubeziehen ist. Im philosophischen64 wie im patristischen65 Sprachgebrauch begegnet %maqwor im Sinne von „ohne Anfang“. Auch gnostische Texte verwenden den Begriff in dieser Bedeutung: Der valentinianische „Vorvater“ ist nach Iren.haer. I 2,1 %maqwor und %maqwor N¸fa; im gleichen Sinn reden Eug (NHC III,3/p. 70,1 – 90,13) 75,2 f und SJC (BG 8502,3/p. 77,8 – 127,12) 91,3 f vom „anfanglosen Vorvater“. Wir werden also nicht fehlgehen, wenn wir die Rede von der !qw¶, die keine !qw¶ habe,66 neben die Formel von der %maqwor !qw¶ bei Clemens von Alexandrien67 stellen. Geradezu selbstverständlich gesellt sich zum Terminus !c´m(m)gtor68 auch %maqwor. Man hat wohl – zumal im 4. Jh. n. Chr. – auch im Griechischen das in Rede stehende %maqwor nicht mehr nur im Sinne von „ohne Anfang“, sondern wie !bas¸keutor im Sinne von „ohne Herrschaft“ verstanden. So gebraucht der Redaktor der sog. Apostolischen Konstitutionen gegen Ende des 4. Jh.69 in den für ihn charakteristischen Wendungen70 folgende Gottesprädikate promiscue: b lºmor !c´mmgtor ja· !bas¸keutor ConstAp VIII 5,1, t¹m lºmom !c´mmgtom ja· %maqwom ja· !bas¸keutom ja· !d´spotom VIII 12,6, J¼qie … %maqwe, lºmaqwe VIII 11,2.

Was ewig, also über die Bedingungen des Werdens und Vergehens erhaben ist, ist nicht nur „ohne Anfang“, sondern zugleich im Blick auf das Entstandene „ohne Herrschaft“. Schön lässt sich dieser Zusammenhang an Platos Ausführungen über die Seele ablesen: Da die Seele 1m pq¾toir ist, ist ihre Bestimmung gegenüber dem Körper das !qwe?m (Gesetze 892a, 896c, vgl. auch Epinomis 980d.e) und nicht %qweshai pqesb¼teqom rp¹ meyt´qou (Tim. 34c).71 -m-aqwor als Ewigkeits- und Unvergänglichkeitsprädikat72 konnte somit beide Aspekte ansprechen: ohne Anfang des Werdens – nicht beherrscht durch 63 UAW 336,21 f; 367,1. 64 Parmenides, Frgm. 8,27; Philo aet. 53, 75; CH IV,8; Asklepius 26; vgl. auch U. Dierse, Art. Anarchie, Anarchismus, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, I, hg. von J. Ritter, Darmstadt 1971, 267 – 294, hier 268. 65 Vgl. W. Pannenberg, Die Aufnahme des philosophischen Gottesbegriffs als dogmatisches Problem der frühchristlichen Theologie, ZKG 70 (1959), 1 – 45, hier 29 f; M. Elze, Tatian und seine Theologie (FKDG 9), Göttingen 1960, 64; im Übrigen s. G.W.H. Lampe, A Patristic Greek Lexicon, Oxford 1961, S. 119. 66 OgdEnn (NHC VI,6/p. 52,1 – 63,32) 58,10 – 13. 67 Strom V 141,1; VII 2,2. 68 Eug 71,22; SJC (BG) 84,6 f. Vgl. auch die Wiedergabe von Plato Phaidr. 245c !qwµ d³ !c´mgtom bei Cicero rep. VI 27 und Tusc. 154 principii autem nulla est origo, im Übrigen s. o. Anm. 65. 69 W.C. van Unnik, Art. Apostolische Konstitutionen, RGG3 I, 517. 70 E. Schwartz, Über die pseudoapostolischen Kirchenordnungen (SWGS 6), Straßburg 1910, 31. 71 Vgl. dazu OdSal 4,2a.3a: „Denn es gibt keine Herrschaft über ihn (sc. deinen heiligen Ort) … Der ältere soll keine Veränderung erfahren von seiten derer, die geringer sind als er.“ 72 Zum Kontext von %maqwor gehört: Abwesenheit von c´mesir und ekehqor, Parmenides, Frgm. 8,21.27 f; Ewigkeit und Unvergänglichkeit, Philo aet. 53, 75; vgl. auch Clemens Alexandrinus, Frgm. 37 (GCS 172, 219,17 f): oqs¸a he¸a 1st·m !¸diºm ti ja· %maqwom jtk.; Asklepius 26 (voluntas dei) sine initio sempiterna.

)bas¸keutor jenseits der Demiurgen-Sphäre

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etwas Gewordenes. So gehören denn beide Aussagen zusammen: Der !c´m(m)gtor hat keine !qw¶ – und niemand herrscht (%qweim) über ihn.73 Der zweite Aspekt konnte dann wohl auch durch !bas¸keutor ausgedrückt werden.

5. )bas¸keutor jenseits der Demiurgen-Sphäre Ist als zentraler Sinn von %maqwor – !bas¸keutor die Ewigkeits- und Unvergänglichkeitsaussage ermittelt, stellen sich folgende Parallelen von selbst ein: Iren.haer. I 29,3 (der wahre Mensch), den sie auch Adamas nennen, weil er weder selbst beherrscht ist noch die, zu denen er gehört

EvÄg (NHC III, 2) 49,18 f der unvergängliche (%vhaqtor) Mensch Adamas

Eug 85,15 f; SJC (BG) 108,12 f der Äon, über den es keine Herrschaft gibt

ApkAd 74, 2 der große Äon der Unvergänglichkeit (!vhaqs¸a)

SJC (BG) 92,6 f; Eug 75,17 f; HA 97,4 „das Geschlecht, über das keine Herrschaft ist“ bzw. „das keine Herrschaft hat“ zur Bezeichnung von “pleromatic beings”74

EvÄg (NHC III, 2) 55,3 f die unvergängliche (%vhaqtor) pneumatische Kirche

Hipp.haer. V 8,2 B !bas¸keutor ceme²

Herakleon, Frgm. 37 B %vhaqtor t/r 1jkoc/r v¼sir EvÄg (NHC III,2) 51,9 u. ö. das nicht wankende, unvergängliche (%vhaqtor) Geschlecht (ceme²)

SJC (NHC III,4) 118,14 f der Ruheort, über den es keine Herrschaft gibt

2LogSeth (NHC VII,2/p. 49,10 – 70,12) 67,7 f Ruhe der Unvergänglichkeit (!vhaqs¸a).

Die !m²pausir !bas¸keutor von SJC 118, 14 f (vgl. BG 125,8 f) steht überdies in aufschlussreicher Beziehung zur „Ruhe in der Ogdoas“ (NHC III, 4, 117,14 f; BG 123,10): „Wer aber den Vater in heiligem Wissen erkennt, wird zum Vater eingehen und wird zur Ruhe kommen im ungezeugten Vater. Wer ihn aber (d´) 73 SJC (BG) 84,6 f.9 f; vgl. Eug 71,22 – 72,1. 74 So mit Fallon, The Gnostics, 283 f. Der Ausdruck ist also nicht nur technisch als Selbstbezeichnung der Gnostiker zu interpretieren, gegen Ullmann, Häresie, 156.

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„Königlosigkeit“ als nachvalentinianisches Heilsprädikat

mangelhaft erkennt, wird im Mangel bleiben und in der Achtheit zur Ruhe kommen.“75 In nachvalentinianischer Manier wird also unterschieden zwischen einem vollen und einem defizienten Heil, wobei das volle Heil als „Ruhe im ungezeugten Vater“ zugleich als !m²pausir !bas¸keutor erscheint. Wie haben wir nun den Befund insgesamt zu deuten? Wie wir sahen, stehen %maqwor und !bas¸keutor als Ewigkeits- und Unvergänglichkeitsprädikate in Beziehung zu philosophischem und patristischem Sprachgebrauch, und auch Gnostiker konnten diesen Sprachgebrauch übernehmen. Auffällig an einer Reihe gnostischer Zeugnisse war nur dies: !bas¸keutor bezeichnete nicht nur allgemein die Zugehörigkeit zur transmundanen Unvergänglichkeit, sondern speziell die Teilhabe am vollkommenen Heil, und zwar in zum Teil betonter Abhebung von einer Heilsstufe minderen Rangs. Den religionsgeschichtlichen Bezugspunkt solcher Differenzierung der Heilsebenen fanden wir im Valentinianismus. Das heißt: „Königlosigkeit“ meint nicht nur Freiheit von der Welt des Werdens bzw. des Gewordenen, sondern speziell Jenseitigkeit zur Sphäre des demiurgischen Königs. Solches Verständnis von !bas¸keutor aber war, historisch betrachtet, erst in nach-valentinianischer Zeit möglich. Die entsprechenden Texte bzw. Textschichten datieren also frühestens aus der Epoche nach der Blütezeit des christlichen Gnostizismus des 2. Jh. n. Chr. Als Texte dieser Art können aufgrund vorliegender Analyse hier genannt werden: die sog. Naassener-Predigt nach Hipp.haer. V 7,2 – 9,9,76 Vom Ursprung der Welt (NHC II, 5),77 Ägypterevangelium (NHC III, 2; IV, 2),78 Apokryphon Johannis (BG 2), p. 35,20 – 36,15,79 Apokalypse Adam (NHC V,5),80 Paraphrase des SÞem (NHC VII,1).81 75 BG 123,2 – 10, s. W.C. Till-H.-M. Schenke, Die gnostischen Schriften des koptischen Papyrus Berolinensis 8502 (TU 60), Berlin 21972, 287. 76 K. Wegenast, Art. Naassener, in: Der kleine Pauly, III, 1547 bezeichnet die Naassener wohl zu Recht als „vulgär-gnostische Schule im Phrygien des 2. und 3. Jh.“. Zur Naassenerpredigt vgl. auch C. Colpe, Die religionsgeschichtliche Schule (FRLANT 78), Göttingen 1961, 10 f. 77 Vgl. auch H.-G. Bethge, in: The Nag Hammadi Library : In English, Leiden 1977, 161. 78 Vgl. auch A. Böhlig, Christentum und Gnosis im Ägypterevangelium von Nag Hammadi, in: Christentum und Gnosis, Aufs. hg. von W. Eltester (BZNW37), Berlin 1969, 1 – 18, hier 18. 79 Da es sich in BG 35,20 – 36,15 um einen sekundären Einschub handelt, der die sethianische Weiterentwicklung der barbelognostischen Systematik der vier Leuchter zur Voraussetzung hat, s. Bergmeier, Glaube, 186 f, erscheint mir M. Krauses zeitliche Einordnung des AJ (BG) korrekturbedürftig: „Das Apokryphon des Johannes in seiner uns vorliegenden Kurzform wird sicher nicht viel später“ (sc. als „vor 180“, s. 138) „entstanden sein.“ So in: Die Gnosis, I, hg. von W. Foerster, Zürich/Stuttgart 1969, 139. 80 Vgl. auch W. Beltz, Bemerkungen zur Adamapokalypse aus NagHammadi-Codex V, in: Studia Coptica, hg. von P. Nagel (BBA 45), Berlin 1974, 159 – 163. 81 Vgl. auch K.M. Fischer, Die Paraphrase des Se¯em, in: Essays on the Nag Hammadi texts in honour of Pahor Labib, ed. by Martin Krause (Nag Hammadi Studies 6), Leiden 1975, 255 – 267, hier 266 f.

Conflicting Versions of Valentinian Eschatology

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Anhang A Zu E.H. Pagels, Conflicting Versions of Valentinian Eschatology : Irenaeus’ Treatise vs. The Excerpts from Theodotus, HThR 67 (1974), 35 – 53 Pagels vertritt die Meinung, Irenäus habe das theologische Konzept valentinianischer Eschatologie und Soteriologie verzeichnet (S. 35 f), wobei sie einerseits polemische Absicht (S. 35, 37, 39, 51) voraussetzt, anderseits annimmt, Irenäus habe die valentinianische Unterscheidung von Oikonomia und Ewigkeit nicht zur Kenntnis genommen (S. 52). Zentral steht die Behauptung: “The pattern of his (sc. Irenaeus’) interpretation proves consistent: in place of an inclusive eschatology he substitutes an exclusive one” (S. 46). Erläutert besagt dies: “Where Theodotus envisions the final reunion of the elect and the called, Irenaeus depicts an eternal dichotomy separating them from one another.”82 Pagels’ These und Ausführungen im Einzelnen können nicht unwidersprochen bleiben. Zu Unrecht legt die Autorin die Exzerpte als zusammenhängende, einheitliche Quelle aus, schreibt sie also durchweg Theodot zu,83 während sich die Texte selbst als „eine Sammlung von Aussprüchen von verschiedenen Valentinianern“ zu erkennen geben,84 so dass die Aussprüche speziell „Theodot“85 oder aber allgemein „den Valentinianern“86 zugewiesen werden.87Darüber hinaus sind die Exzerpte 43,2 – 65,2 längst als zusammengehörige Einheit erkannt, die mit dem Irenäus-Referat in Iren. haer. I 1,1 – 8,4 nahe verwandt

82 83 84 85 86 87

Pagels, Versions, 51, vgl. auch Dies., Johannine Gospel, 72, 95 f. Vgl. Pagels, Versions, 35 f, 38 f, 44 – 48, 51. W. Foerster, Die Gnosis, I, Zürich u. Stuttgart 1969, 287. Vgl. Clemens Alexandrinus, III (GCS 172), 114,15; 115,16 f; 116,27 f u. ö. Vgl. Clemens Alexandrinus, III, 105,14 f; 107,18; 112,5.9; 113,19 u. ö. Was ExcTheod 38 angeht, ist valentinianische Herkunft vielleicht überhaupt fraglich. § 38,1 – 2 stellt in allen Einzelheiten „eine genuin jüdische Schilderung der himmlischen Wohnung Gottes“ dar, s. Hofius, Vorhang, 14 f. Die Gnostisierung dieses Texts durch § 38,3 wirkt denkbar ungereimt. Die in § 38,2 waren, wie auch die Wendung lºmor d³ b !qw²ccekor lehrt, „Engel“, in § 38,3 sind die „Geister“ aber eher die in § 37 erwähnten „Gerechten“. Hier wie auch in § 18 liegt also ein Motiv aus der kirchlichen Lehre „von der Errettung der alttestamentlichen Gerechten“ (C. Schmidt [- I. Wajnberg], Gespräche Jesu mit seinen Jüngern nach der Auferstehung (TU 43), Leipzig 1919, 504) zugrunde. Der letzte Teil von § 38,3 schließt dann überhaupt nicht mehr an an, sondern spricht vom sp´qla. Eine erhellende Parallele zu § 38,3 findet man, soweit ich sehe, nicht im Umkreis valentinianischer Texte, sondern in der Pistis Sophia, S. 230,16 – 25 (C. Schmidt/W. Till, GCS 45, auch zitiert von C. Schmidt, TU 43, 505): „Abraham dagegen und Isaak und Jakob habe ich … an den Ort (tºpor) des Jabraoth und aller Archonten (%qwomter), die Busse gethan (letamoe?m) haben, gestellt. Und wann ich zur Höhe gehe …, werde ich ihre Seelen (xuwa¸) mit mir zum Lichte tragen, aber (!kk²) wahrlich (!l¶m) ich sage dir, Maria: Nicht werden sie zum Lichte gehen, bevor ich deine Seele (xuw¶) und die aller deiner Brüder zum Lichte getragen habe.“

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Anhang A

ist,88 von den übrigen Exzerpten sich aber deutlich abhebt.89 Man kann demnach zwar feinen Unterschieden in den Paralleltexten nachspüren – denn „die Freiheit der Spekulation, ihrer unterschiedlichen Fortentwicklung, muß innerhalb der Schule sehr groß gewesen sein“90–, aber “comparative analysis of the sources”91 ist auf die definierten Quellen zu beschränken. Irenäus habe, so Pagels, die valentinianische Theologie fälschlich so dargestellt, als leugne sie a) “the oneness of mankind” (S. 51) sowohl als auch b) “the oneness of God” (S. 52). Aber wir brauchen ad a) nur die verwandten Partien Iren.haer. I 6,1 und ExcTheod 56,3 synoptisch zu vergleichen92 und ExcTheod 56,2 zur Kenntnis zu nehmen – pokko· l³m oR rkijo¸, oq pokko· d³ oR xuwijo¸7 sp²moi d³ oR pmeulatijo¸ –, um zu sehen, dass Irenäus zutreffend referiert, Pagels aber unzutreffend interpretiert hat. Ad b): Natürlich bekennen die Valentinianer den einen „Voranfang, Vorvater und Urgrund“,93 gleichwohl wird von diesem der Gott unterschieden – als eQj½m toO Patqºr –, durch den die Sophia Himmel und Erde gemacht hat,94 der Demiurg, der in den Schriften des AT spricht.95 In sachlichem Einklang damit unterscheidet der Brief des Ptolemäus an Flora von „dem vollkommenen Gott und Vater“ (Epiph.haer. 33 3,4), der einen !qwµ t_m fkym (7,8), dem „einen und einzigen guten Gott“ (7,5), dem „Vater des Alls“ (3,7), jenen anderen Gott, „der das Gesetz erlassen hat“ (7,2 f), „den Gott der Gerechtigkeit“ (3,7), „den Belohner der ihm entsprechenden Gerechtigkeit“ (7,5), „den Demiurgen und Schöpfer dieses ganzen Kosmos und dessen, was in ihm ist“ (7,4), toO jqe¸ttomor eQj¾m (7,7). Nach diesen mehr den Gesamtrahmen der Interpretation betreffenden Korrekturen muss davon die Rede sein, dass Pagels an einer Reihe von Stellen philologische Sorgfalt weit hinter sich lässt. 1. Die Ausführung Iren.haer. I 6,1 über das Pneumatische, das ausgesandt sei, damit es hier, zusammengespannt mit dem Psychischen, gestaltet werde,96 paraphrasiert Pagels so: “… and that the pneumatic element has been ‘sent’ in order to become ‘joined’ with the psychic, and to ‘form’ it and transform it in the process” (S. 37). Damit soll wohl das Ergebnis der Analyse vorbereitet werden: “ ‘At the consummation‘ both are to be transformed and re-united” (S. 50). Gestaltet und erzogen aber wird nach Irenäus das Pneumatische,

88 Vgl. Schottroff, Animae, 84, Anm. 29, 86 – 90. 89 Vgl. F. Sagnard, La gnose valentinienne et le t~moignage de Saint Ir~n~e (EPHM 36), Paris 1947, 522ff, 537ff, 548 ff. 90 Jonas, Gnosis, I, 362. 91 Pagels, Versions, 36. 92 Völker, Quellen, 112,3 ff. 93 Iren.haer. I 1,1. 94 ExcTheod 47,1, vgl. Iren.haer. I 5,1. 95 ExcTheod 50,2.3, vgl. auch § 47,3.4. 96 Vgl. dazu meine Ausführungen in Glaube als Gabe, 194, Anm. 84.

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wobei die Existenzgemeinschaft97 mit dem Psychischen eschatologisch aufgelöst wird, wenn sich die Pneumatiker nach Ablegung der Seelen als Bräute mit den Engeln des Soter vereinigen.98 Denn nur solange das Pneumatische unmündig war, hatte es die psychischen und wahrnehmbaren Erziehungsmittel nötig. Pagels zitiert zwar in diesem Zusammenhang die von K. Müller begründete Lesart 5dei c±q t_m xuw_m ja· aQshgt_m paideul²tym,99 übersetzt aber : “For the psychic, sensual means of discipline were necessary” (S. 37). Das ist eine elementare Sinnverschiebung, die wohl Pagels’ Auffassung von der vollkommenen Rettung der Psychiker, welche geglaubt haben, vorbereiten soll (S. 48 – 50). 2. Aus Iren.haer. I 4,5 konstruiert Pagels als wesentliche valentinianische Lehre “the doctrine of the twofold emission of ‘the seed’ ” : Was Sophia, befreit von den pathe¯, angesichts der mit dem Soter gekommenen Lichter (Engel) empfangen und geboren hat, war “‘seed’ in two parts – one part of it ‘in her own image’, and the other ‘in the likeness of the Savior’s attendants’ (AH 1.4.5)” (S. 40). Das mit der Übersetzung “in her own image” gestellte Problem, von welchem griechischen Text die Autorin auszugehen gedenkt, wird noch nicht einmal in einer Anmerkung angesprochen. Bei Vergleich der Stellen ExcTheod 53,3 und Iren.haer. I 4,5; 5,6 wird jedoch unzweideutig klar, dass wir entgegen Pagels’ Irreführung jat± tµm eQjºma < aqt_m>, nämlich der Engel, zu lesen haben. Mit der Fehldeutung obiger Textstelle kombiniert Pagels aus den mit dem Irenäus-Bericht nicht verwandten Exzerpten eine Fehldeutung von ExcTheod 2,1 – 2 und 21,1 – 3. Die zuletzt genannten Stellen erlauben ja folgende beiden Reihungen, die im Sinne von überhimmlisch integrer und irdisch zerstreuter Pneumasubstanz voneinander zu unterscheiden sind: (außerweltlich) (innerweltlich) t± !qqemij²

t± hgkuj²

B 1jkoc¶

B jk/sir

t± !ccekij²

!pºqqoia toO (%qqemor ja·) !ccekijoO t¹ sp´qla t¹ pmeulatijºm t¹ diav´qom sp´qla.

Obwohl ExcTheod 21,1 ausdrücklich gesagt wird: ja· t± l³m !qqemij± !ccekij± jakoOsi, t± hgkuj± d³ 2auto¼r, t¹ diav´qom sp´qla, trägt Pagels aus 97 !mastqov¶ bedeutet hier „Wandel, Lebensführung“, nicht “conversion”, wie Pagels, Versions, 37 meint. 98 Iren.haer. I 7,1.5; ExcTheod 64. 99 K. Müller, Beiträge zum Verständnis der valentinianischen Gnosis I – III/IV, NGWG.PH 1920, 179 – 242, hier 235 f, Anm. 56.

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anderen valentinianischen Quellen die Gleichung „das Weibliche“ = „die Berufung“ = „die Psychiker“ ein100 und verzeichnet so die Texte vollständig. 3. Entgegen Pagels’ fehlgeleiteter Exegese (S. 41 f) beziehen sich die „Samen“-Spekulationen des dem Irenäus-Bericht nicht verwandten Teils der Exzerpte auf die „Erwählten“ (nicht zu verwechseln mit 1jkoc¶!): p÷m pmeulatij¹m sp´qla = oR 1jkejto¸ (§ 1,2). Leicht lässt sich dies durch folgende Reihung erkennen: oR %ccekoi toO diav´qomtor sp´qlator (§ 35,1), t_m 1jkejt_m t± !ccekij² (§ 39), t± !ccekij± t_m speql²tym (§ 40,1). Nun hat Pagels ihre Sicht der Dinge mit Hilfe des undurchsichtigen Texts von ExcTheod 39 im Zusammenhang von §§ 39 – 41 zu erhärten versucht. Doch wie? Zutreffend hatte R.P. Casey zu § 39 jk¶qym owm t± !ccekij² ausgeführt: “The text of the MS is obviously impossible, and Stählin emends to jkgt_m following Bernays, and brackets owm. The result is intelligible, but produces difficult inconsistencies with Exc. 21.”101 Ohne selbst auch nur mit einem Wort auf die gleich mehrfachen Probleme des überlieferten Textes einzugehen, gibt Pagels die soeben zitierte Stelle so wieder, als habe Casey geäußert, “that the text of the manuscript ‘is obviously impossible,’ since as it stands it produces difficult inconsistencies with Exc. 21’,” und ironisiert sodann: “Yet the ‘difficult inconsistencies’ he finds are doctrinal rather than textual” (S. 42). So kann freilich nur jemand argumentieren, der wie die Autorin den griechischen Wortlaut ¦ste ja· toO tºpou ja· t_m jk¶qym t± !ccekij± aqtµ pqob²kkousa ohne Federlesens wiederzugeben vermag durch “the angelic elements of the topos of the called” (S. 42). Im Kahlschlag werden sodann alle Probleme gelöst: ExcTheod 39 beschreibe, wie Sophia “first emits the ‘complete’ seed (bkºjkgm) of the elect” – tatsächlich aber t¹m Wqist¹m bkºjkgqom! –; “and then … she brings forth ‘by herself ’ the incomplete ‘seed’ (!ccekij²) of the called” (S. 43) – tatsächlich aber toO Tºpou ja· t_m < jkgt_m> t± !ccekij².102 In diesem Stil geht es weiter : “The following passage (Exc. 40) outlines each stage in sequence: ‘… the seed of the ecclesia was put forth (by the Mother) after the demand for the light, since the angelic elements of the seed were emitted before by the Male’ ” (S. 43). Aber fte … pqoeb²keto bezieht sich auf let± tµm toO vyt¹r aUtgsim und heißt nicht “since … before”, sondern “at the time when”. Es besteht also die geläufige Beziehung: «L’ ~mission des Anges du Sauveur a pr~c~d~ et caus~ … l‘enfantement … des semences pneumati100 Pagels, Versions, 41. Die gleiche Fehldeutung bei K. Rudolph, Die Gnosis, Göttingen 1978, 290. 101 The Excerpta ex Theodoto of Clement of Alexandria (StD I), London 1934, 133. 102 Der überlieferte Text ist offensichtlich korrupt, aber auch die Emendationen schaffen keinen befriedigenden Sinn: Das gilt für das jat´weim der Sophia (was soll es eigentlich besagen?) gleichermaßen wie für toO Tºpou ja· t_m jk¶tym t± !ccekij². Die Rede von „den Engeln“ bzw. von „dem Engelhaften“ in §§ 2,1 f; 21 f; 35 f; 40 ist von der Art, dass sie wohl zu t_m 1jkejt_m t± !ccekij², nicht aber zu dem in Frage stehenden Ausdruck passt. Im Blick auf toO Tºpou t± !ccekij² wäre aus anderen valentinianischen Texten zu erinnern an Iren.haer. I 5,1 f; ExcTheod 47,3; 50,2; Herakleon, Frgm. 40; Iren.haer. I 21,5.

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ques (cf. Ir. I, 4,5).»103 Die als „Kinder“ hervorgebrachten diav´qomta sp´qlata (Exc Theod 41,1.2) sind alsdann nicht, wie Pagels (S. 42ff) glauben machen möchte, die Psychiker, die gerettet werden, sondern die Pneumatiker, die zwar als „Kinder der Frau“ ungestaltet waren, aber, vom Soter gestaltet, „Kinder des Mannes und des Brautgemachs“ werden (ExcTheod 68, vgl. § 79). 4. Am stärksten findet Pagels ihre Auffassung, “the ‘whole seed’ ” umfasse die Pneumatiker und “the psychics who are saved”, bestätigt durch ExcTheod 63: “The ‘marriage feast’ - discrimination or equalization?” (S. 44ff). Im Unterschied zu Irenäus sage Theodot ausdrücklich, dass auch die gläubigen Psychiker “now ‘ascend into the ogdoad’ ” (S. 44). Richtig daran ist aber nur, dass nach ExcTheod 63 die gläubigen Seelen schon zum „Hochzeitsmahl“, das Irenäus nicht erwähnt, in die Ogdoas aufsteigen; denn auch nach Iren.haer. I 7,1 verbleiben „die Seelen der Gerechten“ nicht in der Hebdomas, sondern finden ihre eschatologische Ruhe „im Ort der Mitte“,104 d. h. in der Ogdoas.105 Unzulässig ist auch in diesem Zusammenhang wieder Pagels’ Umgang mit dem griechischen Text. “The repose of the spiritual … is with the Mother, who keeps their souls” setzt Caseys Emendation 1wo¼s, voraus, ohne dass dies vermerkt und begründet würde. Vielleicht ist aber Emendation gar nicht geboten, sondern es liegt im Rückgriff auf … t± pmeulatij± … 1md¼lata c²lym t±r xuw±r kabºmta (ExcTheod 61,8) in § 63,1 mit dem überlieferten 5womta eine Inkongruenz vor: B l³m owm t_m pmeulatij_m !m²pausir …, [sc. t± pmeulatij² nach § 61,8] 5womta t±r xuw±r t± 1md¼lata %wqi sumteke¸ar.106 Die Übersetzung “until all … know one another” versieht Pagels (S. 45) mit dem griechischen Text %wqir #m !pisyh0 p²mta ja· !kkgcoq¶s,, wieder ohne sich zur notwendigen Emendation zu erklären. Der Satz über Psychiker und Pneumatiker : “Both had received ‘souls’ as ‘garments’ from the demiurge (AH 1.6.1)” (S. 46) vernachlässigt den Textzusammenhang, denn „die Kleider“ von ExcTheod 63,1 werden durch § 61,8 als 1md¼lata c²lym des Pneumatischen identifiziert. Der Ausdruck nimmt bekanntlich Bezug auf Mt 22,12. Auf die gleiche Perikope, nämlich V. 14, geht auch die numerische Unterscheidung von Psychikern und Pneumatikern (ExcTheod 56,2; vgl. Herakleon, Frgm. 37) zurück und dementsprechend die Unterscheidung von „Berufenen“ und „Erwählten“.107 Von ganz anderer Art 103 Cl~ment d’Alexandrie, Extraits de Th~odote, ed. F. Sagnard (SC 23), Paris 1948, 145, Anm. 3. 104 t²r te t_m dijai¾m xuw±r !mapa¼seshai ja· aqt±r 1m t` t/r lesºtgtor tºp\ Iren.haer. I 7,1 (N. Brox, Irenäus von Lyon [FC 8/1], Freiburg usw. 1993, 168,16 – 18), aR d³ %kkai pista· xuwa· … !mawyqoOsi ja· aqta· eQr icdo²da ExcTheod 63,1 (zur nichtattischen Lesung ja· aqta¸ vgl. § 64 ja· aqt², im Übrigen F. Blass/A. Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, bearb. von F. Rehkopf, Göttingen 141976, § 277,3). 105 S.o. Anm. 42, anders Pagels, Versions, 44. 106 Zu Inkongruenzen des Partizips vgl. Blass/Debrunner/Rehkopf, Grammatik, 113 (§ 136): „Den Hauptanteil an diesen Inkongruenzen hat das Ptz., …“ 107 Vgl. Sagnard, La gnose, 303.

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ist, wie wir oben gesehen haben, der Gebrauch von jk/sir und 1jkoc¶ in den dem Irenäus-Referat nicht verwandten Teilen der Exzerpte.108 Pagels wirft Irenäus vor, er habe einerseits t± pmeulatij² und oR pmeulatijo¸ und anderseits oR xuwijo¸ – t± xuwij² – aR xuwa¸ als je identisch interpretiert (S. 46). Dort, wo es in ihre Konzeption passt, tut Pagels aber das Gleiche, nur eben willkürlich: t± pmeulatij² § 63,1 (vgl. § 61,8) sind so “the pneumatics, who have previously attained to the ogdoad”,109 t± pmeulatij² § 64 aber seien die pneumatischen Elemente aller Geretteten, die nach dem Hochzeitsmahl von § 63,2 nicht mehr nach Psychikern und Pneumatikern unterschieden werden könnten (S. 46). Die (pista·) xuwa¸ § 63,1 deutet auch Pagels als “he psychics who are saved” (S. 44), nur die xuwa¸ § 64 bezieht sie auf “the excluded psychic elements” (S. 46), wobei sie offenbar ihre frühere Behauptung vergessen hat: “The pneumatic Savior … enacts a redemptive process that culminates not with the division of the psychic from the pneumatic elements, but with their reunion” (S. 37). Gegen Pagels’ Aufstellungen müsste angesichts der Wendung t± pmeulatij± … jolifºlema ja· aqt± to»r mulv¸our to»r !cc´kour 2aut_m (ExcTheod 64) gleichsam innervalentinianischer Protest formulieren: Woher sollen „die gläubigen Seelen“ (§ 63,1), die ja nach § 61,8 noch nicht einmal ein Brautkleid haben und schon deswegen als Auszuschließende bezeichnet werden müssen, den zu ihnen gehörenden Engel-Bräutigam110 nehmen? – Von denen, die als t± pmeulatij² zum Hochzeitsmahl kommen, wird ausdrücklich gesagt, dass sie vor Eintritt ins Brautgemach t±r xuw²r ablegen (§ 64); was würde denn von denen, die als pista· xuwa¸ am Mahl teilnehmen, noch übrigbleiben, wenn auch sie nach Pagels t±r xuw²r ablegen? Rundheraus gesagt: Nichts, denn durch den Aufstieg in die Ogdoas hat das Psychische, das gerettet wird, erlangt, was ihm nötig und möglich war : „Größe“ (§ 61,2) und „Veränderung von der Knechtschaft zur Freiheit“ (§ 57). Daraus folgt: Den Temporalsatz „bis alle gleich werden und sich gegenseitig erkennen“ (§ 63,2) darf man nicht mit Pagels dahingehend verstehen, als würde gesagt, dass alle gleich werden, sondern muss ihn auf das Folgende beziehen: t¹ d³ 1mteOhem !poh´lema t± pmeulatij± t±r xuw±r jtk. (§ 64). Schluss: Die Stichworte “unifying”, “unitive”, “reunion”, “inclusive”, auf die Pagels’ Gesamtauslegung abhebt,111 passen nicht auf die Beschreibung der Erlösung von Pneumatikern und Psychikern, sondern nur auf das Verhältnis von irdisch zerstreuten Pneumata und jenseitig integren Selbsthypostasen, speziell in den dem Irenäus-Referat nicht verwandten Teilen der Exzerpte.112

108 109 110 111 112

Anders Pagels, Versions, 46. Pagels, Versions, 44, s. auch 45: “psychics and pneumatics alike”. Vgl. ExcTheod 44,1; 53,3; Iren.haer. I 2,6; 4,5; 5,6; 7,1.5; Herakleon, Frgm. 35. Vgl. Pagels, Versions, 36ff, 44, 46 u. ö. S.o. Abschnitt 2.

Wieviel Erlösungen kennt der Gnostiker Herakleon?

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Insbesondere die §§ 21 f und 35 f113 kreisen um den Gedanken der Einigung von Pneumatikern und ihren Engeln, von Weiblichen und Männlichen, wofür § 21,1 auch die Bezeichnungen „Berufung“ und „Erwählung“ verwendet. Aber die hier verwendeten Termini für «la syzygie du Valentinien et de son Ange»114 dürfen nicht im Sinne Pagels’ auf andere Texte übertragen werden.

Anhang B Zu E. Mühlenberg, Wieviel Erlösungen kennt der Gnostiker Herakleon?, ZNW 66 (1975), 170 – 193 Mühlenberg möchte im Anschluss an Langerbeck (S. 171) aus den Fragmenten des Herakleon die Lehrmeinung erheben: Jeder ist als natürlicher Mensch „Psychiker“ (S. 185 f); es gibt nur eine Erlösung, nämlich die, dass aus dem „Psychiker“ ein „Pneumatiker“ wird (S. 193). Langerbeck hatte ausgeführt: Der Mensch, der vor seiner Angleichung115 als irdischer v¼sei Psychiker sei, sei jat± v¼sim Gnostiker (Pneumatiker).116 Dicht bei Langerbeck steht die Analyse Schottroffs.117 Entgegen Mühlenbergs Behauptung hält auch Schottroff nicht „an dem Substanzverständnis von Natur“ fest (S. 171), sondern formuliert: „v¼sei und jat± !m²cjgm beschreiben nicht eine substanzhafte Wirkung des Pneuma, sondern die unbedingte Heilsgewißheit“.118 Hyle, Psyche und Pneuma seien Wesensbestimmungen, die das Wesen des Menschen in seiner Relation zu den Polen des Dualismus, zu Heil und Unheil, beschrieben.119 Auch Pagels’ Interpretation wird unzutreffend charakterisiert, wenn Mühlenberg nur sagt, sie schlage eine verschiedene Erlösung für Pneumatiker und Psychiker vor (S. 171). Verschieden ist nach Pagels die Erlösung nur in chronologischer, nicht in eschatologischer Hinsicht: Herakleon stimme mit dem Autor von ExcTheod 27 darin überein, “that the psychics themselves may finally receive the logos and the ‘truth itself ’ (CJ 13.44; 13.53) which pneumatics receive in the present”.120 Zwei Punkten der Interpretation, die Mühlenberg emphatisch hervorhebt, 113 Zur Mehrschichtigkeit der „Samen“-Spekulationen vgl. W. Foerster, Von Valentin zu Herakleon (BZNW 7), Gießen 1928, 88. 114 Sagnard, Extraits, 139, Anm. 4. 115 Langerbeck, Anthropologie, 69. 116 Langerbeck, Anthropologie, 72. 117 Schottroff, Animae, 83 – 95, näherhin 94 f. 118 Schottroff, Animae, 93. 119 Schottroff, Animae, 92. 120 Pagels, Johannine Gospel, 72. Entgegen Pagels’ Behauptung (ebd., 71 f) ist ExcTheod 27 allerdings nichtvalentinianischer Herkunft, s. Sagnard, Extraits, 220 – 223; Hofius, Vorhang, 2, Anm. 12.

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Anhang B

ist ohne Weiteres zuzustimmen. a) Zu Fragment 23 wird ausgeführt: „Es handelt sich um den Bereich der Materie, aus dem die Erlösung geschieht. Bezieht sich das Verlorensein ,in der tiefen Materie der Verirrung‘ auch auf die Samariterin? Ich meine ja, …“ (S. 180). Aber das ist ja, valentinianisch betrachtet, selbstverständlich,121 so selbstverständlich wie b) der Schlusssatz der Analyse, dass in dem Bereich der Mitte (lesºtgr) und der Siebenheit (6bdolar) keine Bleibe sei für die Seele (S. 193). Wenn Mühlenberg jedoch die Intention seiner Deutung a. a. O. durch Hinweis auf Hipp.haer. VI 32, 8 – 9 bestätigt findet, muss man entgegenhalten, dass auch das von Hippolyt referierte System die typisch valentinianische Dreiteilung kennt, und zwar dergestalt dass der materielle Mensch eine Wohnung sei entweder der Seele allein oder der Seele und der Dämonen oder aber der Seele und der von oben herabgesäten Logoi (VI 34,6). Mühlenbergs Analyse krankt an einer Prämisse, der er sich selbst unterworfen hat. Zu Herakleons Auslegung der Geschichte von der Samariterin und der Geschichte von dem Königlichen stellt Mühlenberg fest: „Der überzeugende Grund für die Behauptung, daß in Herakleons Verständnis beider Geschichten die verfehlte Seinsweise ein und dieselbe Ebene ist, liegt m. E. in der Vereinigung mit der Materie.“122 Tatsächlich aber beruht die behauptete Konvergenz auf Mühlenbergs Prämisse: „Pagels legt großen Wert auf die Feststellung, daß das Wort Sünde in den Fragmenten über die Samariterin nicht begegnet, dagegen in Fragment 40 über den Sohn des Königlichen. Darauf ist zu erwidern, daß ,hurend‘ und ,gegen die Vernunft‘ und ,nicht gemäß dem Leben‘ gesagt wird, was ich sprachlich als "l²qtgla verstehe.“123 Folgt man dieser Vorgabe nicht, bleibt der Unterschied bestehen, und auch „die Erlösung der Samariterin und die des Sohnes des Königlichen“ sind nicht gleichzusetzen.124 Dass die Rede von Sünde und Sündenvergebung auf die psychische Ebene beschränkt ist, wird auch nicht durch Fragment 10 in Frage gestellt:125 Als Prophet (vgl. Frgm. 5: „Das ,um ihn‘ waren gleichsam seine Kleider.“) spricht Johannes der Täufer vom „Lamm Gottes“, d. h. von der psychischen Leibeshülle des Erlösers,126 als „mehr als ein Prophet“ spricht er von der Sündenvergebung: „das die Sünden der Welt trägt“. Diese Unterscheidung entspricht der Veränderung des Echos (= die ganze Reihe der Propheten) in eine Stimme (= Johannes der Täufer) nach Fragment 5. Ausdrücklich wird von dieser Ebene des „Knechts“ jene andere des „Jüngers“ abgehoben: die Verwandlung der dem Logos verwandten Stimme zum

121 122 123 124 125 126

Vgl. Bergmeier, Glaube, 182. Mühlenberg, Erlösungen, 182, vgl. auch 189, 191. Mühlenberg, Erlösungen, 173, Anm. 12 (Hervorhebung von mir). Entgegen Mühlenberg, Erlösungen, 191. Entgegen Mühlenberg, Erlösungen, 188. Vgl. Iren.haer. I 7,2; ExcTheod 47,3; 59,2: Die Propheten weissagen vom psychischen Christus des Demiurgen.

Wieviel Erlösungen kennt der Gnostiker Herakleon?

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Logos,127 die Veränderung der Frau in einen Mann,128 was sich im Sinne von Frgm. 23 f auf „das dem Vater Verwandte“ bezieht: „gemäß dem Angebeteten pneumatisch“. Mühlenberg verkennt offensichtlich den valentinianischen Sinn von „huren“. Denn „huren“ kann nur „die Samariterin“, also „das dem Vater Verwandte“, nicht „der Sohn des Königlichen“, also „die dem Demiurgen verwandten Menschen“ (Frgm. 40), insofern nur die Samariterin einen rechtmäßigen Mann, ihren Paargenossen im Pleroma, hat (Frgm. 18). Die Begegnung der „Pneumatiker“ mit dem Soter führt zur Erkenntnis, nicht zur Stiftung ihres Paargenossen,129 die Begegnung der „Psychiker“ mit dem Soter dazu, dass „sie gesund und rein nach dem Erdenaufenthalt des Soter wandeln“ (Frgm. 40). Dass Herakleon sodann auch das eschatologische Heil der beiden Typen unterschieden wissen wollte, geht m. E. aus der Allegorie der drei Tage deutlich hervor. Bei der Auslegung von Joh 4,39 f (Frgm. 37 f) unterscheidet Herakleon nicht nur zwischen „vielen Psychikern“ und der „einen unvergänglichen Natur der Auswahl“, sondern auch zwischen einem Bleiben paq( aqto?r und einem solchen 1m aqto?r. Das Bleiben paq( aqto?r ist begrenzt auf „zwei Tage“: „nämlich den Tag vor dem Gamos und ,den im Gamos‘, denn, wie die Exc. zeigen, erfreuen sich auch die Psychiker eines Hochzeitsmahles außerhalb des Pleroma“.130 Davon abgehoben ist der dritte Tag, der pneumatische (Frgm. 15). Auch Mühlenberg sieht die hier angesprochenen Differenzierungen, möchte sie aber im Sinn einer Stufenfolge „im Erlösungsprozeß“, „erst Psychiker und dann Pneumatiker“, erklären, vor allem durch Hinweis auf die Rede vom Glauben: „ ,Bei ihnen‘ im Gegensatz zu ,in ihnen‘ ist sicher eine Einschränkung; jedoch ,durch sein eigenes Wort zum Glauben führen‘ kann in bezug auf Glauben nicht überboten werden, …“ (S. 187). Er verkennt, dass „glauben“ in einem valentinianischen Text nicht eindeutig ist, „denn auch der Demiurg ist leicht bereit zu glauben, …“ (Frgm. 40). Der Demiurgensphäre der Hebdomas zugehörig wird nun aber auch „die Natur des Geheilten“ bezeichnet.131 Selbstredend bleiben die Psychiker, die zum Glauben gekommen sind, nicht in der Hebdomas, aber ihre eschatologische Rettung ist Heil „außerhalb des Pleroma“ (Frgm. 13). Der Vergleich mit EvPhil, Spruch 125 zeigt, dass die Mitteilung des Origenes nicht unglaubwürdig ist:

127 128 129 130 131

Vgl. ExcTheod 64. Vgl. ExcTheod 21,3. Vgl. dazu Frgm. 18, 22, 35. Foerster, Valentin, 90. Frgm. 40. Zu Hebdomas und Mesotes vgl. auch Mühlenberg, Erlösungen, 170 („trotz einiger ,verdächtiger‘ Termini“).

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Anhang C

EvPhil, Spruch 125

Herakleon, Frgm. 13

Die gesamte Gottheit, d. h. wohl der Demiurg und sein Anhang, wird nicht ins Allerheiligste, das Pleroma, sondern nur bis unter die Schwingen des Kreuzes gelangen. Zusammen mit dem Hohenpriester werden einige im Stamm der Priesterschaft in das hinter dem Vorhang hineingehen können.

„ «Der Vorhof, wo auch die Leviten sind, sei Symbol der Psychiker, die außerhalb des Pleromas eine Rettung erlangen.» “ (Das Allerheiligste), „ «in das nur der Hohepriester hineingeht, wohin» – so glaube ich, daß er sagt – «die Pneumatiker gehen.» “ 132

Demnach dürfte auch Herakleon die Rettung der gläubigen Psychiker vom Heil der Pneumatiker im Pleroma qualitativ unterschieden haben.

Anhang C Zu neueren Arbeiten über die Fragmente des Herakleon 1. Deutung von Herakleons Menschenklassen im Streit Infolge der ungesicherten Ausgangslage, was Textbestand von Herakleons Johannes-Kommentar und was lediglich Deutung durch Origenes ist, werden wohl die Fragen um Anthropologie, Menschenklassen und Prädestination immer wieder so unterschiedlich beantwortet werden, wie etwa aus folgenden Beiträgen zu ersehen ist: Nagel, Rezeption, 327: „Herakleon kennt drei Gruppen von Menschen, von denen zwei einen festgelegten Bezug zur göttlichen bzw. widergöttlichen Wesenheit haben – die Pneumatiker, deren Prototyp … die Samaritanerin (Joh 4) darstellt, die Psychiker, für ‹die› der Sohn des königlichen Beamten (ebd.) ein Beispiel gibt‹,› und die Choiker, die durch die Juden (Joh 8) repräsentiert werden. … Jedem dieser drei Menschentypen eignet eine spezielle Natur.“ Wucherpfennig, Heracleon, 326: Zu Beginn ihres Daseins haben die Menschen samenartig Anteil am pneumatisch göttlichen Leben erhalten. „Diesen Samen haben sie verdorben. … Die Zugehörigkeit des Menschen zum Demiurgen ist vermutlich eine uneigentliche, vorübergehende Beziehung, die von der eigentlichen Bindung des Menschen an den Vater in Wahrheit eingeschlossen ist.“ Sein eschatologisches Schicksal steht nicht fest: „Die Möglichkeit zum Leben, …, steht ihm offen. Er kann 132 Übersetzung: Foerster, Die Gnosis, I, 219.

Zu neueren Arbeiten über die Fragmente des Herakleon

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aber auch ins Verderben geraten, wenn er sich von seiner eigentlichen Herkunft entfremdet.“ Aland, Heracleon, 208: „Diese sehr gute Vermutung des Verfassers (326) macht jede Menschenklassenlehre obsolet und klärt – in antik-verständlicher Weise –, was Erlösung ist: Wiederherstellung der ursprünglich guten, vom Vater initiierten Schöpfung, die vom Menschen ergriffen werden muß.“ Holzhausen, Seelenlehre, 295 f: „In wessen Seele ein Pneumafunke schlummert, der gelangt … zur gnostischen Erkenntnis, wem dieser fehlt, muß sich mit einer Rettung durch Sündenvergebung begnügen. Diese Prädestinationslehre hat ihren Ursprung in der paulinischen Gnadenlehre. Die pneumatische Anlage ist Geschenk, kein Verdienst. Und sie kann ungenutzt bleiben, …“ Dunderberg, Theories, 120: “One of the points where Professor Thomassen and I are clearly on opposite sides is the debate as to whether Heracleon subscribed to a fixed division into the spiritual, the animate and the material people or not. Thomassen, together with the majority of scholars, argues that Heracleon interpreted the story of the Samaritan woman (Joh 4,1 – 42) as describing a spiritual person’s conversion and that of the healing of the royal officer’s son (Joh 4,46 – 54) as a paradigm of an animate person’s salvation. In my view, this reading of the respective fragments is to much based upon a general impression of what a Valentinian teacher should teach and pays too little attention to the views attested for Heracleon himself.” Thomassen, Saved, 136 bestätigt: “… the Samaritan woman of Joh 4,7 – 30 represents the type of the spiritual. … The nature of the psychic is represented … above all by the basilikos of Joh 4,46/53, … His son, …, represents the psychic beings in general, …” Aber im Blick auf das Zitat von 1Kor 15,54 in Frgm. 40 argumentiert er : “Heracleon thus envisages a total transformation of the psychics into a new state of being.” Dann sei auch anzunehmen, dass “the salvation he contemplates for the psychics … cannot be any different from that which awaits the spirituals.”

Bezugnahmen auf „die Fragmente des Herakleon“ bedürfen immer wieder der kritischen Klärung. Origenes, dessen Johannes-Kommentar wir die Überlieferung der Mehrzahl dieser Fragmente verdanken, war mit denen, die Herakleon zeitlich wesentlich näher standen, Clemens von Alexandrien und Irenäus von Lyon, der Meinung gewesen, dass er ein Gnostiker valentinianischer Richtung war. Dies verdeutlichte Origenes nach bis heute üblicher Vorgehensweise, indem er nachzuzeichnen versuchte, wie die kommentierenden Ausführungen Herakleons zu johanneischen Lemmata im Lichte valentinianischer Lehraussagen zu verstehen sind und ihr Profil gewinnen. Dieser origenistischen Leseanleitung sollte man, wie der gründlichen Untersuchung Wucherpfennigs zu entnehmen ist, nicht unbesehen Folge leisten.133 Folgt man aber umgekehrt Wucherpfennigs Methode, nur das als Herakleons Aussagen 133 Zu H. Langerbecks Mahnung zur Vorsicht vgl. Bergmeier, Glaube, 180.

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Anhang C

anzuerkennen, was Origenes förmlich als Zitat anführt, und die so gewonnenen Aussagen dann ganz im Licht mittelplatonischer Vergleichstexte zu lesen, erscheint in dieser Form der Lesehilfe nicht nur merkwürdig, wie es geschehen konnte, dass Origenes, der ja immerhin noch den gesamten Text des Herakleon vor sich hatte, diesen so gründlich verkannt haben soll,134 sondern es wird nahezu unerkennbar, inwiefern Herakleon überhaupt ein Gnostiker war : „Herakleons Johanneskommentar lässt sich deswegen … wohl eher als gnostisierende denn als wirklich gnostische Schrift einstufen“,135 gnostisierend in dem Sinn genommen, wie es anderen Zeugnissen des kaiserzeitlichen Platonismus auch nachgesagt wird.136

2. Zum Verständnis des Ausdrucks „Ort der Mitte“ Wenn sich der Gebrauch des Ausdrucks „Ort der Mitte“ auf eine dynamische Systematik des Alls und des Heils bezieht, kann dessen Verständnis nicht aus einer bloßen Belegsammlung oder aus einer einzigen Belegstelle erhoben werden, dies zu W. Bauer, Die Oden Salomos, in: NTApo, II, Tübingen 31964, 576 – 625, hier 602, Anm. 3; Die Oden Salomos, übers. und eingel von M. Lattke (FC 19), Freiburg usw. 1995, 161, Anm. 7. Im Zusammenhang der Bezeichnung des Demiurgen als König ist auf eine verbreitete Verwendung der platonischen Königsmetapher hinzuweisen, vgl. Wucherpfennig, Heracleon, 262 f, 309 – 313; zur Verwendung bei Platon und im kaiserzeitlichen Platonismus s. ebd., 311 mit Anm. 263 – 265, zur Verwendung in den Nag-Hammadi-Texten vgl. Nag Hammadi Deutsch, I, 261 mit Anm. 140, 262. In Herakleon, Frgm. 40 begegnet der Ausdruck basikijºr, weil er so in Joh 4,46 vorliegt. Er wird nach philologischer Methode aus dem Verhältnis eines Kleinkönigs zum basike»r jahokijºr erklärt, ohne dass diese Erklärungsebene selbst ausgedeutet würde, so dass man sich Wucherpfennigs Vergleich mit Numenius’ Verwendung des Königstitels (s. ebd., 311) enthalten muss. Herakleons Deutung von lijqºr (tir basike¼r) handelt nur davon, dass seine basike¸a „klein (lijqºr) und zeitlich begrenzt (pqºsjaiqor)“ ist (Wucherpfennig, ebd., 260). Damit bildet die Basileia des basikijºr keineswegs das Ganze der Welt ab, sondern erstreckt sich nur bis zum Übergangsbereich der lesºtgr, der schon mit der HylÞ verbunden ist. Dieser ist die Zahl 6 zugeordnet, wie aus Frgm. 16 (bezogen auf t¹ pk²sla) und Frgm. 18 (bezogen auf das In-der-Welt-Sein) erhellt. Dementsprechend wird dann die 7 „der Natur des Geheilten“ zugewiesen, die sich auf die Menschen bezieht, die dem 134 Aland, Heracleon, 207, 209. 135 Wucherpfennig, Heracleon, 402 f. 136 Beispielhaft A. Wlosok, Laktanz und die philosophische Gnosis. Untersuchungen zu Geschichte und Terminologie der gnostischen Erlösungsvorstellung (AHAW.PH 1960.2), Heidelberg 1960.

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Demiurgen verwandt sind (Frgm. 40). Diesem Geheilten war es zuvor „nicht seiner Natur entsprechend“ gegangen, worauf auch zu beziehen ist, dass es für die Psyche – zwischen Vergänglichkeit und Unsterblichkeit – möglich ist, gerettet zu werden. Man ersieht aus alledem, dass Herakleon an der valentinianischen Mythologie schon erheblichen Anteil hatte, wie auch ein Blick auf Hipp.haer. VI 32,7.8 bestätigt. Dort wird besagte „Mitte“ ebenfalls als tºpor bezeichnet, eine Lesehilfe, ohne die Herakleon, Frgm. 35 undeutbar ist. Die HylÞ wird im Übrigen durch die Rede von B rkijµ p÷sa jaj¸a (Frgm. 18) charakterisiert, auch der Teufel wird ihr zugeordnet (Frgm. 20). Frgm. 23 nimmt mit den Worten 1m t0 bahe¸ô vk, t/r pk²mgr auf sie Bezug, so dass die PlanÞ unmittelbar mit der HylÞ verknüpft ist. Ergänzender Vergleich: Herakleon, Frgm. 40 b dgliouqcºr tºpor (Frgm. 35) B 2bdolµ ¦qa … B v¼sir toO Qah. vhaqtºm, hmgtºm lesºtgr t0 vk, !hamas¸a

Hipp.haer. VI 32,7.8 b dgliouqcºr tºpor 2bdol²r hmghµ B xuw¶ … vhaqt¶ lesºtgr t0 vk, !h²mator.

Weichenstellend für eine Gesamtdeutung der Fragmente ist der Ausgangspunkt in Frgm. 2,137 über den sich Aland und Wucherpfennig einig sind: Mit der Rede von „den pneumatischen Menschen“ führt Origenes leicht in die Irre, denn die Einsaat des pneumatischen Samens sei keineswegs nur auf eine bestimmte Gruppe von Menschen beschränkt, sondern beziehe sich idealtypisch auf alle Menschen, d. h. auf den Menschen schlechthin.138 Mir scheint das eine Fehleinschätzung zu sein. Man wird im Anschluss an die obigen Ausführungen zur HylÞ in der Lehre des Herakleon doch einen gnostischen Bruch zu diagnostizieren haben, indem das Pneumatische – weil „von einem anderen gesät“ (Frgm. 2, vgl. auch Frgm. 35), „im Äon“ nicht „durch den Logos geworden“ (Frgm. 1) – im Jetzt gespalten erscheint in die himmlische Vollkommenheit (pk¶qyla) der Pneumatiker im Äon (Frgm. 18) einerseits und andrerseits in „das dem Vater Verwandte“, das „in der tiefen HylÞ des Irrtums“ verloren ist, bis es vom Erlöser „heim“-gesucht wird. Von dem „dem Vater Verwandten“, pmeOla wie der Vater selbst (Frgm. 24), unterscheiden sich die dem Demiurgen verwandten Menschen, die jk/sir, der wyq·r pme¼lator vom j¼qior des Evangeliums Hilfe zuteil wird (Frgm. 13). Diese Unterscheidung wird durch die Begriffe 1jkoc¶ und jk/sir aus der paulinischen Sprachwelt belegt, denen Herakleon – vielleicht im Anschluss an Mt 22,14 (vgl. Frgm. 37) 137 Wucherpfennig, Heracleon, 160 – 171. 138 Aland, Erwählungstheologie, 154 f; Heracleon, 206; Wucherpfennig, Heracleon, 168.

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Anhang C

– unterschiedliche Bedeutungen beigemessen hat. Die 1jkoc¶ jedenfalls ist die Einheit der pneumatischen Natur der Erwählten, das Pleroma, d. h. die Vollkommenheit, „im Äon“, d. h. im gnostisierten Ideenhimmel der Gedanken Gottes (Frgm. 18),139 wohin sich die Erlösung und Wiederherstellung derer vollzieht, die als Frucht zum ewigen Leben geerntet werden (Frgm. 34), „die pneumatische Kirche“ (Frgm. 37). 3. Bibliographische Ergänzung zu den Literaturhinweisen in Anhang C Aland, B., Erwählungstheologie und Menschenklassenlehre. Die Theologie des Herakleon als Schlüssel zum Verständnis der christlichen Gnosis?, in: Gnosis and Gnosticism: Papers Read at the Seventh International Conference on Patristic Studies (NHS 8), Leiden 1977, 148 – 181. –, Heracleon Philologus. Rez. Wucherpfennig aus: Theologie und Philosophie 79 (2004), 277 – 281, in: Dies., Was ist Gnosis? Studien zum frühen Christentum, zu Marcion und zur kaiserzeitlichen Philosophie (WUNT 239), Tübingen 2009, 204 – 210. Dunderberg, I., Valentinian Theories on Classes of Humankind, in: Zugänge zur Gnosis. Akten zur Tagung der Patristischen Arbeitsgemeinschaft vom 02. – 05. 01. 2011 in Berlin-Spandau, hg. von Markschies, Chr. u. Oort, J. van (SPA 12), Leuven 2013, 113 – 128. Holzhausen, J., Die Seelenlehre des Gnostikers Herakleon, in: xuw¶ – Seele – anima, FS für Alt, Karin, hg. von Holzhausen, J. (Beiträge zur Altertumskunde 109), Stuttgart/Leipzig 1998, 279 – 300. Nagel, T., Die Rezeption des Johannesevangeliums im 2. Jahrhundert. Studien zur vorirenäischen Aneignung und Auslegung des vierten Evangeliums in christlicher und christlich-gnostischer Literatur (Arbeiten zur Bibel und ihrer Geschichte 2), Leipzig 2000. Thomassen, E., Saved by nature? The question of human races and soteriological determinism in Valentinianism, in: Zugänge zur Gnosis. Akten zur Tagung der Patristischen Arbeitsgemeinschaft vom 02. – 05. 01. 2011 in Berlin-Spandau, hg. von Markschies, Chr. u. Oort, J. van (SPA 12), Leuven 2013, 129 – 149. Wucherpfennig, A., Heracleon Philologus. Gnostische Johannesexegese im zweiten Jahrhundert (WUNT 142), Tübingen 2002.

139 Vgl. Wucherpfennig, Heracleon, 137; s. auch Bergmeier, Glaube, 178.

IV. Weisheit – Dike – Lichtjungfrau Wiedergabe des gleichnamigen Aufsatzes in JSJ 12 (1981), 75 – 86 Mit einem Anhang über ergänzende Literaturhinweise und Notizen

1. Mythos und Weisheit Der Manichäismus ist nicht nur als eine universale gnostische Erlösungsreligion zu verstehen,1 sondern stellt auch, was die spätantike Geschichte von Religion und Synkretismus angeht, einen Kulminationspunkt der gnostischen Strömungen dar,2 bewundernswert in seiner Integrationskraft und Systemleistung. Als man im Anschluss an „Boussets und Reitzensteins Forschungen“3 das rationalen Bedürfnissen genügende einfache Grundmuster4 des manichäischen Erlösermythus statt an das Ende an den Anfang der gnostischen Strömungen zu setzen vermochte,5 lieferte ebendieses Grundmuster des manichäischen Systems zugleich das methodische Rüstzeug für religionsgeschichtliche Forschung. Die Grundgestalt „des gnostischen Mythus“ formulierte R. Bultmann einmal so: Nach gnostischer Lehre seien die vom Erlöser Berufenen – die präexistenten Seelen, die in die Welt zerstreuten Lichtfunken – eine ursprüngliche Einheit: der Leib des Urmenschen, jener himmlischen Lichtgestalt, die einst von den dämonischen Mächten der Finsternis überwältigt und zerrissen wurde. Und das Werk des Erlösers besteht … darin, die zerstreuten Lichtfunken zu sammeln und zur ursprünglichen Einheit zusammenzubringen.6 1 Vgl. H.-Ch. Puech, Der Begriff der Erlösung im Manichäismus, in: Der Manichäismus, hg. von G. Widengren (WF 168), Darmstadt 1977, 145 – 213, hier 146. 2 Vgl. K. Rudolph, Die Gnosis, Göttingen 1978, 349. 3 R. Bultmann, Der religionsgeschichtliche Hintergrund des Prologs zum Johannes-Evangelium, in: Ders., Exegetica, hg. von E. Dinkler, Tübingen 1967, 10 – 35, hier 27; vgl. auch Ders., Die Bedeutung der neuerschlossenen mandäischen und manichäischen Quellen für das Verständnis des Johannesevangeliums, in: Ders., Exegetica, 55 – 104, hier 59. 4 Vgl. dazu H.J. Polotsky, Manichäismus, in: Der Manichäismus, hg. von G. Widengren, 101 – 144, hier 108 f; Puech, Erlösung, 164 f. 5 R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (KEK II. Abt.–18. Aufl.), Göttingen 1964, 11: „Muß auch das Ganze dieser Anschauung im wesentlichen aus Quellen rekonstruiert werden, die jünger als Joh sind, so steht doch ihr höheres Alter einwandfrei fest.“ 6 Bultmann, Johannes, 285; vgl. auch Ders., Theologie des Neuen Testaments, Tübingen 41961, 169 f.

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Weisheit – Dike – Lichtjungfrau

Nach der angesprochenen Forschungsrichtung bestand sodann aber auch das Werk des Religionshistorikers darin, die „disiecta membra des Mythus“7 aus den verschiedenartigsten Texten zu sammeln und wieder zur ursprünglichen Einheit zu ergänzen.8 Unter anderem ist so auch die Gestalt der Weisheit in den Zusammenhang des vorchristlichen heidnischen Mythos hineingestellt worden: Die Weisheit „hat einen Mythos, von dem die Überlieferung wenigstens Fragmente enthält“.9 Die Plausibilität der historischen Rekonstruktion und ihrer Ergebnisse10 ändert nichts daran, dass die Dinge geschichtlich erkennbar anders liegen. Das manichäische System ist nachchristlich, und zwar nicht nur in chronologischer Hinsicht. Zu seinen Grundlagen gehört das Christentum11 nicht weniger als „ein Magiersystem mit iranischen Grundelementen“,12 wie schon Ibn anNadı¯m formuliert hatte: „Und Mani gewann seine Glaubenslehre aus der Tradition der Magier und der Christen.“13 Interpretiert man die Weisheitsgestalt der alttestamentlich-jüdischen Überlieferung nicht mehr als Variante 7 Formulierung: W. Baumgartner, Der heutige Stand der Mandäerfrage, ThZ 6 (1950), 401 – 410, hier 404; s. auch Ders., Zum Alten Testament und seiner Umwelt. Ausgewählte Aufsätze, Leiden 1959, 339. 8 Vgl. dazu C. Colpe, Die religionsgeschichtliche Schule (FRLANT 78), Göttingen 1961, 57 – 67. – Unüberbietbar wird solche Ergänzungskunst als Zirkelschlussverfahren der Exegese gehandhabt von W. Schmithals, Das Verhältnis von Gnosis und Neuem Testament als methodisches Problem, NTS 16 (1969/70), 373 – 383; Die gnostischen Elemente im Neuen Testament als hermeneutisches Problem, in: Gnosis und Neues Testament, hg. von K.-W. Tröger, Berlin, 1973, 359 – 381; Gnosis und Neues Testament, VF 21 (1976), 22 – 46, hier 28 – 31. Gnostische Mythen können also zu vorliegenden Texten hinzuerfunden werden (Schmithals, Verhältnis, 373), wobei die Richtigkeit der Erklärung nicht davon abhängen kann, ob die Gnosis, die man zur Deutung schließlich voraussetzen musste, „auch sonst überhaupt oder in neutestamentlicher Zeit bekannt ist“, so Schmithals, Verhältnis, 380 betr. 1Kor 10,16 f. Geistlose „Quellenpositivisten“ (vgl. Ders. Gnosis und Neues Testament, 33, Anm. 10a auf S. 34) können hier nur wehmütig des Augenblicks gedenken, da „die beschriebenen Blätter“ fortflogen, vgl. Ders., Gnosis und Neues Testament, 28. 9 Bultmann, Johannes, 8 [Zitat-Ergänzung: Die Gestalt der Weisheit, mit der Gestalt des Logos im Johannes-Prolog verwandt (S. 9), „ist präexistent … Sie sucht …“]. 10 Von „historischer Rekonstruktion“ und „Hypothese“ spricht H.-M. Schenke zu Recht auch im Blick auf sein von Bultmanns Ansatz differierendes Gnosis-Modell, s. Schenke, Die neutestamentliche Christologie und der gnostische Erlöser, in: Gnosis und Neues Testament, hg. von Tröger, 205 – 229, hier 205, 207, 209ff, 217 f. – Wie wenig sich bei Ersetzung einer Unbekannten durch eine andere tatsächlich ändert, zeigt sich an folgendem Sachverhalt: Der AnthroposMythus „der sogenannten religionsgeschichtlichen Schule (Bultmann eingeschlossen)“, „gewonnen im wesentlichen an manichäischen Texten“, ist „in seiner behaupteten Allgemeinverbindlichkeit als eine unsachgemäße Abstraktion zu betrachten“, und „die betreffende RahmenKonzeption der Gnosis“ ist „längst nicht mehr vertretbar“ (210). Gleichwohl gilt im Blick auf die Abhängigkeit des Joh als ganzem „von der gnostischen Erlöser-Vorstellung“: „Der allgemeine Nachweis dafür ist auf breiter Basis längst erbracht, besonders von R. Bultmann, …“ (225). 11 A. Henrichs-L. Koenen, Ein griechischer Mani-Codex, ZPE 5 (1970), 97 – 216, hier 140. Vgl. auch P. Nagel, Die apokryphen Apostelakten des 2. und 3. Jahrhunderts in der manichäischen Literatur, in: Gnosis und Neues Testament, hg. von Tröger, 149 – 182, bes. 181. 12 C. Colpe, Rez.: Henrichs-Koenen, Mani-Codex (s. Anm. 11), JAC 14 (1971), 151. 13 A. Adam, Texte zum Manichäismus (KlT 175), Berlin 21969, 118 (8,57ff).

Einzige Bleibe der Weisheit – in Israel oder nur bei den Engeln

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eines angeblich uralten, tatsächlich aber erst im fertigen manichäischen System ausgebildeten Erlösermythus, sondern als „ein Gebilde sui generis“,14 erscheint sie nicht mehr als Zentralfigur eines „zusammenhängenden Weisheitsmythos“,15 sondern als ein durchaus uneinheitliches Phänomen,16 dessen unterschiedlichen Gestalten „verschiedene mythische Stoffe zugrunde liegen“.17 Eine forschungsgeschichtliche Wende markiert in diesem Zusammenhang H. Conzelmanns Beitrag zu Sir 24,3 ff.18

2. Einzige Bleibe der Weisheit – in Israel oder nur bei den Engeln Man kann die neue Erkenntnislage im Blick auf äthHen 42, den Eckpfeiler religionsgeschichtlicher Theoriebildung alten Stils,19 mit G. von Rad so zusammenfassen: „Ob es je einen Mythus von der suchenden und enttäuschten Weisheit gegeben hat, … ist äußerst fraglich geworden. … Deutlich ist die Vorstellung nur in 1 Hen 42,1 – 3.“20 Und J.-A. Bühner hebt zu Recht darauf ab, dass äthHen 42,1 f der einzige Text sei, „in dem expressis verbis vom Ab- und Aufstieg der Weisheit die Rede ist“.21 Ja, man wird noch präzisieren müssen: 14 C. Colpe, Schule, 193 (dort bezogen auf „Weisheitsmythus“). 15 U. Wilckens, Weisheit und Torheit (BHTh 26), Tübingen 1959, 160 – 197, bes. 190 f, s. auch Ders., Art. sov¸a jtk. C. Judentum, ThWNT VII, 497 – 510, hier 508 – 510; G. Fohrer, Art. sov¸a jtk. B. Altes Testament, ThWNT VII, 476 – 496, hier 490 – 492; K. Haacker, Die Stiftung des Heils (AzTh I, 47), Stuttgart 1972, 101ff; J.P. Miranda, Der Vater, der mich gesandt hat (EHST 7), Bern/ Frankfurt 1972, 147 ff. 16 Vgl. H. Ringgren, Word and Wisdom, Lund 1947, 89: “A closer examination shows that the doctrine of personal Wisdom has not been entirely uniform and that the various authors differ considerably as to their conception of this Wisdom.” 17 B.L. Mack, Logos und Sophia (StUNT 10), Göttingen 1973, 18. 18 H. Conzelmann, Die Mutter der Weisheit, in: Zeit und Geschichte, Dankesgabe an R. Bultmann zum 80. Geburtstag, hg. von E. Dinkler, Tübingen 1964, 225 – 234, hier 228 ff. An die Vorarbeiten, die Conzelmanns Aufsatz ermöglichten, erinnert M. Hengel, Judentum und Hellenismus (WUNT 10), Tübingen 1969, 285, Anm. 324, wobei R. Reitzenstein, Zwei religionsgeschichtliche Fragen, Straßburg 1901, 108 f ebenfalls zu nennen gewesen wäre. – Die oben im Text angesprochene „Wende“ wird nicht tangiert durch J. Marböcks Kautelen (Weisheit im Wandel [BBB 37], Bonn 1971, 53 im Zusammenhang von 47 – 63): „Ob Ben Sira ein Lied auf Isis einfach übernommen und nur retouchiert sowie judaisiert hat, wie Conzelmann behauptet, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Kann doch die Herstellung literarischer Abhängigkeitsbeziehungen nie vorsichtig und sorgfältig genug geschehen, vor allem, wenn die historisch-chronologischen Zusammenhänge nicht völlig eindeutig sind wie hier. Daß aber der Sirazide derartige Aretalogien gekannt hat und dadurch zur Abfassung seines Gedichtes von K. 24 mitangeregt wurde, muß auf Grund des Ichstils, des Aufbaus und der werbenden Thematik sowie konkreter paralleler Motive auf beiden Seiten ernstlich erwogen werden.“ 19 Vgl. Wilckens, sov¸a, 508,32 – 36. 20 G. von Rad, Weisheit in Israel, Neukirchen-Vluyn 1970, 208, Anm. 17. 21 J.-A. Bühner, Der Gesandte und sein Weg im 4. Evangelium (WUNT II, 2), Tübingen 1977, 92, vgl. auch 102 f.

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Weisheit – Dike – Lichtjungfrau

Selbst vom Abstieg der Weisheit ist in diesem Text nur indirekt die Rede, insofern sich eben aus dem Zusammenhang von „Ausgehen, um Wohnung bei den Menschen zu nehmen“ und „Rückkehr der Weisheit an ihren Ort“ die weltbildhafte Vorstellung vom Abstieg zwangsläufig ergibt. (Die nächstliegende Ausdrucksparallele bietet Hos 5,15a, wo Jahwes Absicht, sich vor seinem Volk zu verbergen, in die Worte gekleidet wird: „Ich will wieder zurückgehen an meine Stätte.“22 Der kurze Passus lautet in J. Flemings Übersetzung:23 Die Weisheit fand keinen Platz, wo sie wohnen konnte, da ward ihr eine Wohnung in den Himmeln zu teil. Die Weisheit ging aus,24 um bei den Menschenkindern Wohnung zu nehmen, aber sie fand keine Wohnung; da kehrte die Weisheit zurück an ihren Ort und nahm ihren Sitz bei den Engeln.

Was der Text zunächst über die Weisheit sagt, ist unzweideutig nur dies: Die Weisheit wollte eigentlich bei den Menschen weilen, bei ihnen suchte sie Wohnung. Spricht man von Verwendung eines gängigen antiken Topos, nämlich „Umherirren, vergebliches Suchen einer Göttin“,25 lässt man das Eigentümliche des Texts ungeklärt: das Suchen einer Wohnung bei den Menschen. Von der traditionsgeschichtlichen Betrachtungsweise her, in die uns von Rad auch die „Weisheit“ einzubeziehen gelehrt hat,26 erklärt sich der Topos von Sir 24,4ff her. Dort findet die das All durchmessende Weisheit Wohnung, den Ort ihrer Verehrung, wozu Conzelmann mit Recht feststellt: „Das ist ein sinnvoller Abschluß. Man braucht nicht zu postulieren, daß eine Flucht der Weisheit zugunsten ihres Wohnens in Israel weggebrochen sei.“27 Der jüdische Teil des Liedes präzisiere nur : „Die Weisheit findet in Israel ihre Wohnstatt.“28 Danach hätten wir es in äthHen 42,1 f mit einer Neuauslegung des Topos von der Wohnungssuche der Weisheit zu tun, einer Neuauslegung, die man mit dem apokalyptischen Pessimismus im Blick auf diese Weltzeit in Verbindung gebracht hat.29 Im Gegenzug zu Sir 24,7ff formuliert äthHen 42,1: „Die Weisheit fand keinen Platz, wo sie wohnen konnte, da ward ihr eine Wohnung in den Himmeln zuteil.“ 22 Zu dieser Übersetzung von =B9KB.@4 859M4 ý@4 s. W. Rudolph, Hosea (KAT 13,1), Gütersloh 1966, 131. 23 J. Flemming/L. Radermacher, Das Buch Henoch (GCS 5), Leipzig 1901, 67,11 – 15. 24 Nach einigen Handschriften wäre „kam“ zu übersetzen. 25 So erwägt L. Schottroff, Der Glaubende und die feindliche Welt (WMANT 37), NeukirchenVluyn 1970, S. 54. 26 Vgl. z. B. von Rad, Weisheit, 203, Anm. 13, 222 f. 27 Conzelmann, Mutter, 231. 28 Conzelmann, Mutter, 232. 29 Ringgren, Word, 122; H.H. Schmid, Wesen und Geschichte der Weisheit (BZAW 101), Berlin 1966, 151; Rudolph, Gnosis, 298; vgl. auch Mack, Logos, 33, 62; Bühner, Der Gesandte, 102 f.

Arats Dike-Legende in jüdischer Rezeption

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Schwerlich ist mit dem soeben angedeuteten „Reflexionsprozeß“30 das Mythologische in äthHen 42,1 f schon zureichend erklärt, wie denn auch die „inhaltliche Parallelität von V. 1 und V. 2“31 auf Verwendung eines vorgegebenen mythologischen Rahmens aufmerksam macht. Was B.L. Mack an „Bausteinen für die Gestaltung“ des Mythus aus weitgestreuten „ägyptischen Vorstellungen von Isis und Maat“ zusammengetragen hat,32 liegt von äthHen 42 weit ab, so dass eine befriedigende Erklärung nicht zustande kommt. Wie steht es z. B. um das im so wenig gesprächigen Kontext auffallende Detail, dass die Weisheit „ihren Sitz bei den Engeln“ nimmt? Und wie erklärt sich, dass der Redaktor der „Bilderreden“ das Quellenstück, das Weisheitslied äthHen 42,33 in die Komposition der „ , astronomischen‘ Visionen, die im Ichstil berichtet werden,“ also Kap. 41,3 – 9 und 43,1ff,34 eingelegt hat? Genügt hier die Auskunft, Kap. 42 sei wahrscheinlich nur zu dem Zwecke eingefügt worden, „die mit 39,3 ff. anhebende Aufzählung der in den himmlischen ,Wohnungen‘ (39,4 – 8; 41,2a; 42,1 f.) und ,Behältern‘ (41,4 f.; 42,3) enthaltenen Geheimnisse zu vervollständigen“?35 Oder wohnt dem „Weisheitsmythus“ originär, von seinen Grundlagen her, eine Verwandtschaft zum „Astronomischen“ inne? Darüber könnte uns ein Vergleich von äthHen 42 mit einer der berühmtesten Sternsagen aus hellenistischer Zeit36 Aufschluss geben, dem Mythus, „den wahrscheinlich Aratos erdacht hat, nämlich der von Dike, der Göttin der Gerechtigkeit, die früher unter den Menschen geweilt, dann aber, abgestoßen von soviel Bosheit und Unrecht, die Erde verlassen habe und zu den Sternen aufgestiegen sei“.37

3. Arats Dike-Legende in jüdischer Rezeption „Aratos aus Soloi in Kilikien (um 310 – 245 v. Chr.) dichtete wahrscheinlich am Hofe des Antigonos Gonatas (276 – 239) in Makedonien sein Lehrgedicht ,Phainomena‘ (Himmelserscheinungen).“38 Als Schulbuch und Dichtung 30 31 32 33

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Mack, Logos, 61. Wilckens, Weisheit, 161, Anm. 1. Mack, Logos, 61 f. J. Theisohn, Der auserwählte Richter (StUNT 12), Göttingen 1975, 66: Der Verfasser der Bilderreden „arbeitet aber nicht nur mit traditionellem Material, sondern nimmt auch Texte auf, die ihm bereits in geprägter oder schriftlicher Form vorgelegen haben müssen. … und auch das Weisheitslied (äthHen 42) ist hier zu nennen.“ Wilckens, Weisheit, 160, Anm. 2. F. Stier, Zur Komposition und Literarkritik der Bilderreden des äthiopischen Henoch (Kap. 37 – 69), in: Orientalistische Studien, E. Littmann zu seinem 60. Geburtstag, hg. von R. Paret, Leiden 1935, 70 – 88, hier 75. Vgl. dazu W. und H.G. Gundel, Astrologumena (Sudhoffs Archiv, Bh. 6), Wiesbaden 1966, 94. A. Schott(-R. Böker), Aratos (Das Wort der Antike VI), München 1958, 24. Gundel, Astrologumena, 94.

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Weisheit – Dike – Lichtjungfrau

waren die „Phainomena“ (= phain.) in hellenistisch-römischer Zeit beliebt und vielgelesen.39 Wie das Lehrgedicht insgesamt40 hatte Arat zumal die DikeWeltalter-Einlage, phain. 96 – 136, nach dem Vorbild der „Werke und Tage“ Hesiods gestaltet.41 Schon immer ist der Zusammenhang zwischen Arats Jungfrau-Dike und Hesiod, Werke V. 256 f gesehen worden:42 B d´ te paqh´mor 1st· D¸jg, Di¹r 1jcecau?a, judq¶ t( aQdqo¸g te heo?r oT mkulpom 5wousim.43 Ferner hat Arat Hesiods Weltaltermythos nachgestaltet und derart mit Dike verknüpft, dass sich die Ersetzung von Aidos und Nemesis durch Dike zwanglos ergab. Treffend analysiert W. Ludwig:44 Berühmt sind die Schlußverse des Weltaltermythos bei Hesiod, V. 197 – 201: Ja· tºte dµ pq¹r mkulpom !p¹ whom¹r eqquode¸gr keujo?sim v²qessi jakuxal´ma wqºa jakºm !ham²tym let± vOkom Utom pqokipºmt( !mhq¾pour AQd½r ja· M´lesir7 t± d³ ke¸xetai %kcea kucq² hmgto?r !mhq¾poisi7 jajoO d( oqj 5ssetai !kj¶.45 Arat hat sie zweimal verwertet. Zuerst am Ende der Prophezeiung der Dike im silbernen Zeitalter, sodann „am Schluß seiner Dike-Erzählung“, V. 133 – 136: Ja· tºte lis¶sasa D¸jg je¸mym c´mor !mdq_m 5ptah( rpouqam¸g, ta¼tgm d( %qa m²ssato w¾qgm, Hw¸ peq 1mmuw¸g 5ti va¸metai !mhq¾poisi Paqh´mor 1cc»r 1oOsa pokusj´ptoio Bo¾tey.

Arats Dike-Legende kehrt bei Späteren vielfach und auf verschiedene Weise wieder,46 hat doch Arat „kaum weniger als Hesiod auf die Folgezeit nachgewirkt“.47 So spricht z. B. Verg.georg. II 474 von „Iustitia excedens terris“, und Ovid, Fasti I 249 f sekundiert: „nondum Iustitiam facinus mortale fugarat,/ ultima de superis illa reliquit humum.“48 Die Verknüpfung der Dike-Legende 39 W. Ludwig, Die Phainomena Arats als hellenistische Dichtung, Hermes 91 (1963), 425 – 448, hier 425 – 427. 40 Ludwig, Phainomena, 429, 439 ff. 41 Ludwig, Phainomena, 440 f; F. Solmsen, Aratus on the Maiden and the Golden Age, Hermes 94 (1966), 124 – 128. 42 Eratosthenes, Sternsagen 9, vgl. auch Scholia in Aratum vetera, ed. J. Martin, Stuttgart 1974, 126,20 f. 43 Interessant der im Polytheismus mögliche Gleichklang mit Sprüche Achikars 95: =8 8L=K= C8@4@ G4 Aramaic Papyri of the Fifth Century B.C., ed. A. Cowley, Oxford 1923, 215. 44 Ludwig, Phainomena, 441. 45 Auf diese Stelle weist von Rad, Weisheit, 208, Anm. 17 hin. 46 Vgl. W. Gundel, Art. Parthenos 1, PRE 18,4, 1936 – 1957, hier 1945,31ff; B. Gatz, Weltalter, goldene Zeit und sinnverwandte Vorstellungen (Spudasmata XVI), Hildesheim 1967, s. Register 2 B IIa 3a–c. 47 Gatz, Weltalter, 64. 48 Als Iustitia erscheint Virgo auch in: The Aratus ascribed to Germanicus Caesar, ed. D.B. Gain, London 1976, Zeile 104.

Rückzug von Dike und Weisheit und das Kommen der Ungerechtigkeit 133

mit dem Weltaltermythos konnte im Gefolge der Katasterismen49 völlig zurücktreten,50 wie überhaupt in der römischen Spätzeit die Virgo-Legende „mitunter den ganzen Mythos ersetzen kann“.51 Auch im Blick auf die reiche Tradition römischer Bearbeitungen der Dike-Weltaltererzählung bleiben wir für unsere weiteren Überlegungen nicht ohne Belehrung: „In den griechischen Versionen ist die Parthenos fast immer die Dike, in Rom dagegen, abgesehen von der reinen Arattradition und Laktanz (div. inst. 1, 11,50; 5, 5,1; 5, 6,13; 7, 2,1),52 selten die Iustitia.“53 Vor allem Fides und Pietas treten römischem Empfinden entsprechend an ihre Stelle.54 In jüdischer Rezeption würde demzufolge aus Dike die Weisheit werden können, wie auch wohl in Sib I 90 f Hesiods „Aidos und Nemesis“ wiederkehren in Form von aQd¾r und sov¸g.55

4. Rückzug von Dike und Weisheit und das Kommen der Ungerechtigkeit Dürfen wir, ohne es allerdings beweisen zu können, Arats Dike-Mythus für jenen Kreis, dem äthHen 42 seine Entstehung verdankt, als bekannt voraussetzen,56 würde von daher auf den Weisheitsmythus erhellendes Licht fallen. Wer konnte für jüdische Ohren jene Dike, die die Alten auf dem Markt oder auf geräumiger Straße versammelte und, die Menschen anspornend, Rechts49 Zu den Katasterismen vgl. Gundel, Astrologumena, 95. Die dem Eratosthenes zugeschriebenen Katasterismen formulieren lapidar: eWta st²seym ja· pok´lym aqto?r emtym di± tµm pamtek0 aqt_m !dij¸am !polis¶sasam eQr t¹m oqqam¹m !mekhe?m (Sternsagen 9, s. Eratosthenis catasterismorum reliquiae, ed. C. Robert, Berlin 21963, 82,14 – 83,4). 50 Vgl. Scholia in Aratum vetera, ed. J. Martin, 123,12 – 14: ja· jatakipoOsam l³m t¹m peq¸ceiom di± tµm t/r pomgq¸ar aungsim, jatakaboOsam d³ t¹m oqqamºm . 51 Gatz, Weltalter, 131. 52 Die theologische Auseinandersetzung des Kirchenvaters Laktanz mit der Dike-Legende sowohl als auch mit dem Gesamtkomplex des „goldenen Zeitalters“ (vgl. Gatz, Weltalter, 207) führt zu der Lösung, die J. Bidez et F. Cumont, Les mages hell~nis~s, Bd. 2, Paris 1938, 365 so resümieren: «Pendant cette p~riode la malice pr~vaut sur la terre, mais au bout de six mille ans, la justice et la tranquillit~ r{gneront en ce monde et un mill~nium de bonheur commencera.» Der Interpretationsrahmen, d. h. die Rede a) von der Zeit, „quo iustitia proicietur“ (inst. VII 17,9, Bidez et Cumont, ebd., 370), danach b) von der 1000-jährigen Herrschaft der iustitia (inst. VII 14,11; 24,5, Bidez et Cumont, ebd., 366 und 375), ist somit nicht aus den Oracula Hystaspis geschöpft. 53 Gatz, Weltalter, 141. 54 Vgl. Gatz, Weltalter, 72, Anm. 41, 141. 55 Zur Hesiodnähe von Sib I „im sprachlichen Detail“ vgl. zusammenfassend Gatz, Weltalter, 79 ff. 56 Immerhin zitiert Aristobul „als Zeugen für das Weltregiment des einen Gottes … die bekannten Verse des Stoikers Aratos“, s. Hengel, Judentum, 299 f, nämlich phain. 1 – 9; aus Zeile 5 ist Apg 17,28 geschöpft, vgl. H. Conzelmann, Die Apostelgeschichte (HNT 7), Tübingen 1963, 101 und 155, Beilage 6.

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sprüche sang,57 anderes sein als die Gestalt der Weisheit?58 Dass Dike sich von den Menschen zum Himmel zurückzieht und unter den Sternen als „Jungfrau“ Wohnung nimmt,59 kehrt sodann in äthHen 42,2 wieder in der Phrase: „Da kehrte die Weisheit zurück an ihren Ort und nahm ihren Sitz bei den Engeln.“ Der Wechsel von „Sternen“ auf „Engel“ war leicht zu vollziehen.60 Dass dem Rückzug der Weisheit in äthHen 42,3 das Hervorkommen der Ungerechtigkeit korrespondiert, so dass diese, nicht jene nun bei den Menschen wohnt, ist gewiss zutiefst jüdisch-apokalyptisch empfunden,61zugleich aber auch durch die Weltaltererzählung im Dike-Mythus präfiguriert.62 Mit dem apokalyptischen „Zeit- und Gerechtigkeitsverständnis“63 konvergent formuliert Ov.met. I 128 f im Zusammenhang des Dike-Weltaltermythus: „protinus inrupit venae peioris in aevum/omne nefas: fugere pudor verumque fidesque.“ Wir werden sodann nicht fehlgehen, wenn wir auch 4 Esra 5,9ff in den aufgezeigten Zusammenhang hineinstellen: „Da verbirgt sich die Vernunft, und die Weisheit flieht in ihre Kammer ; … Der Ungerechtigkeit aber und Zuchtlosigkeit wird viel sein auf Erden. Dann fragt ein Land das andere und spricht:“ – die Formulierung klingt nun fast wie Arat, phain. 113: D¸jg, d¾teiqa dija¸ym – „Ist etwa die Gerechtigkeit, die das Rechte tut, durch dich gekommen?“64 Wenn schließlich in syrBar 48,36 aus der ursprünglichen Göttin ein reiner Begriff geworden ist,65entspricht dies der Beobachtung, die B. Gatz für den römischen Bereich so formuliert hat: „Die schon früh“ – wohl schon bei Eratosthenes, Sternsagen 9 – „einsetzende, fast schrankenlose Identifizierung der Parthenos mit anderen Göttinen ermöglichte es, sie darüberhinaus als die Verkörperung jedweder ethischen Norm aufzufassen.“66

5. Arats Jungfrau-Dike und die gnostische Lichtjungfrau Ein Weiterleben eigener Art war Arats Jungfrau-Dike in gnostischen Kreisen beschieden. Schon W. Gundel hat im Blick auf die „Lichtjungfrau“ der „Pistis Sophia“ auf den astralmythologischen Zusammenhang aufmerksam 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66

Arat, phain. 105 – 107. Vgl. Spr 1,20ff; 8,1 ff. Arat, phain. 133 – 136. Vgl. P. Volz, Die Eschatologie der Jüdischen Gemeinde im neutestamentlichen Zeitalter, Hildesheim 1966, 400; W. Bousset-H. Greßmann, Die Religion des Judentums im späthellenistischen Zeitalter (HNT 21), Tübingen 41966, 321 ff. Vgl. Wilckens, Weisheit, 161, Anm. 2. Vgl. Arat, phain. 108 f.121.125 f.130 f. Mack, Logos, 62. Zitiert nach H. Gunkel, in: Kautzsch AP II, 360. Vgl. Ringgren, Word, 12: “Even the words ‘multitude of ’ clearly express that this wisdom is not personal, nor a hypostasis.” Gatz, Weltalter, 140.

Arats Jungfrau-Dike und die gnostische Lichtjungfrau

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gemacht.67 Die Lichtjungfrau wird hier u. a. als Richtergöttin68 aufgefasst: Wenn die Seelen aus dem Körper herausgegangen sind, werden sie schließlich auf den Weg des Lichtes der Sonne gebracht und gelangen so vor die Lichtjungfrau, die die Seelen zu prüfen hat.69 Die Lichtjungfrau richtet die Guten und die Schlechten, die Gerechten und die Sünder,70 und befindet über das weitere Schicksal der Seelen.71 Ohne Frage beruht diese Vorstellung auf dem aus Plato, Gesetze 903b – 905d abgeleiteten Mythologumenon von „Dike, die über das Los unterhalb des Himmels befindet“, das bei Xenokrates, Frgm. 15 begegnet.72 Den astralmythologischen Hintergrund der Lichtjungfrau-Vorstellung beleuchtet sodann vollends klar der astrologisch apotelesmatische73 Zusammenhang von Pistis Sophia, Kap. 148: Wenn im Zuge der Drehung der sva?qa Kronos (Saturn) und Ares (Mars) hinter die Lichtjungfrau und Zeus (Jupiter) und Aphrodite (Venus) vor die Jungfrau kommen, werden die in jener Stunde in die Welt geschickten Seelen gerecht und gut und erreichen zuletzt die Lichtmysterien; bei entgegengesetzter Konstellation werden die Seelen schlecht und jähzornig und finden die Lichtmysterien nicht.74 Nun gibt sich bei näherem Zusehen auch die Lichtjungfrau des spätgnostischen Werks als Gestalt der Sophia zu erkennen. Ihre Zuordnung zum „großen Ja}“, „dem großen Anführer der Mitte“,75 spiegelt das valentinianische Verhältnis von Achamoth und Demiurg.76 Die Zuordnung der „Kraft“ – das ist „das Innere der Seele (xuw¶), innerhalb von ihnen allen, damit sie imstande sind zu stehen, denn sie ist ihre Aufrichtung“77 – zur Lichtjungfrau,78 die ihre Lichtkraft in die Seele hineinwirft „wegen ihrer (sc. der Seele) Aufrichtung,79 hat ihr Vorbild im barbelognostischen Mythus von der gefallenen „Kraft der Mutter“,80 d. h. der Sophia,81 die in jeden Menschen kommt, „denn ohne sie können sie nicht stehen“.82 67 Gundel, Parthenos, 1945 f. 68 B aqtµ (sc. B Paqh´mor) d´ 1sti D¸jg, Ftir t± fuc± takamte¼ei Scholia in Aratum vetera, ed. Martin, 117,6. 69 Pistis Sophia 170,8 f; 185,3 – 6, s. C. Schmidt-W. Till, Koptisch-gnostische Schriften, I (GCS 45), Berlin 31959. 70 Pistis Sophia 247,1 f.36 f. 71 Pistis Sophia 170,9ff; 185,6ff; 247,3 ff.38 ff. 72 R. Heinze, Xenokrates, Hildesheim 1965, 165,2 f: D¸jgm, t/r rp¹ t¹m oqqam¹m k¶neyr Bcoul´mgm, Ftir 1st·m aqt` xuwµ toO pamtºr. Vgl. dazu H.J. Krämer, Platonismus und hellenistische Philosophie, Berlin/New York 1971, 125, Anm. 83. 73 Vgl. Gundel, Astrologumena, 325. 74 Pistis Sophia 253,19 – 35. 75 Pistis Sophia 126,14 ff. Man beachte auch das Nebeneinander von „Ort der Mitte“ und „Ort der Rechten“ (127,19 f.33 f)! 76 Iren.haer. I 5. 77 Pistis Sophia 223,7 ff. 78 Pistis Sophia 184,13 f; 185,5 ff. 79 Pistis Sophia 185,7 f. 80 Vgl. AJ 51,14.19; 52,20 – 53,1 (BG 2). 81 Vgl. AJ 36,16 (BG 2).

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Weisheit – Dike – Lichtjungfrau

So erlaubt uns der astralmythologische Hintergrund der „Weisheit“ von äthHen 42, den eingangs in Frage gestellten Zusammenhang zwischen „Weisheitsmythus“ und manichäischem System in neuer Weise wiederherzustellen. Es ist ja nicht von ungefähr, dass die „in zahlreich bezeugter Triade“ begegnende manichäische „Lichtjungfrau“83 in Kephalaia 35,15 ausdrücklich als „die herrliche Weisheit“, in Kephalaia 44,8 f als „der Anfang aller Weisheiten der Wahrheit“ bezeichnet wird, so dass „die Lehre der Weisheit“, die von einem Electus weitergegeben wird, der Lichtjungfrau entspricht, „die auf und ab wandelt in der f¾mg, die oben und der, die unten ist“.84 Zusammen mit „Jesus dem Glanz“ und dem „Urmenschen“ befindet sie sich im Schiff der Nacht,85 d. h., die manichäische Lichtjungfrau ist nichts anderes als „die im Monde residierende Weisheit“.86

6. Die weisheitliche Lichtjungfrau im Manichäismus Wie ist der dargelegte Befund zu deuten? Dass die jüdische Tradition der Weisheitslehre mit als Voraussetzung und Grundlage der gnostischen Sophiaspekulationen anzusehen ist, kann schwerlich in Zweifel gezogen werden.87 Gleichwohl sind die oben angeführten „Lichtjungfrau“-Vorstellungen nicht aus jüdischer Vorlage ableitbar ; wie bei der gnostischen Sophiagestalt überhaupt sind komplexere Zusammenhänge zu bedenken. Den philosophiegeschichtlichen Zusammenhang mit der platonischen Tradition hatte die oben apostrophierte Verwandtschaft der Lichtjungfrau mit der Weltseele berührt,88 auf den religionsgeschichtlichen Zusammenhang mit der Isis-Religion in hellenistisch-römischer Zeit macht die manichäische Versetzung der „Jungfrau“ in den „Mond“ aufmerksam. Die synkretistische Gleichung Isis = Dike ist möglicherweise alt,89 lag denn auch nicht fern, wenn Isis als „Gerechtigkeit“ und „Nemesis“ bezeichnet wurde.90 Die Residenz der manichäi82 83 84 85 86 87 88 89 90

AJ 67,4ff (BG 2). Colpe, Schule, 111 mit Anm. 10, vgl. auch Polotsky, Manichäismus, 124 f. H.J. Polotsky-A. Böhlig, Kephalaia, Stuttgart 1940, 172,20 – 24. Kephalaia 82,32 – 83,1. H.H. Schaeder, Urform und Fortbildungen des manichäischen Systems, in: Studien zur orientalischen Religionsgeschichte, hg. von C. Colpe, Darmstadt 1968, 15 – 107, hier 53. Vgl. G.W. Macrae, The Jewish Background of the Gnostic Sophia Myth, NT 12 (1970), 86 – 101; Rudolph, Gnosis, 297 ff. Vgl. oben Anm. 72. Den philosophiegeschichtlichen Zusammenhang erörtert H.J. Krämer, Der Ursprung der Geistmetaphysik, Amsterdam 1964, 231 – 264. Vgl. Eratosthenes, Sternsagen 9. Vgl. G. Roeder, Art. Isis 1, PRE 9,2, 2084 – 2132, hier 2119,9ff; Th. Hopfner, Plutarch: Über Isis und Osiris, I, Darmstadt 1967, 36 f; F. Dunand, Le culte d’Isis danss le bassin oriental de la M~diterran~e, III, Leiden 1973, 273 ff.

Ergänzende Literaturhinweise, Notizen und Übersetzungen

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schen Lichtjungfrau im Mond dürfte sich daher aus der Gleichung Isis = Selene erklären.91 So steht die manichäische Anschauung von der weisheitlichen Lichtjungfrau nicht in der Nachfolge einer Interpretatio judaica des Astralmythus von der Sternenjungfrau, sondern inmitten dessen synkretistischer Auflösung, die die Angleichung der Parthenos an die „Weisheitsgöttin“ Isis92 zur Folge haben musste. Nur eine ungeschichtliche Betrachtungsweise – ungeschichtlich im Blick auf die jüdische Tradition der Weisheitslehre sowohl als auch im Blick auf die Isis-Religion, ja selbst im Blick auf die gnostischen Sophiaspekulationen – konnte einst die Zeugnisse aus mindestens fünf Jahrhunderten in einem idealtypischen „Weisheitsmythus“ zusammenschauen.

Ergänzende Literaturhinweise und Notizen G. Boccaccini, Beyond the Essene Hypothesis. The Parting of the Ways between Qumran and Enochic Judaism, Grand Rapids, M./ Cambridge, U.K. 1998.

Der Autor verknüpft die nach Sir 24,2 – 12 und äthHen 42,1 – 3 differenten Aussagen darüber, wo die Weisheit eine Bleibe gefunden habe, dergestalt, dass äthHen 42 “a direct attack against the sapiential myth of the torah as the earthly embodiment of heavenly wisdom” sei (146). Aber der Wortlaut von äthHen 42,1 – 3 hat nichts vom Charakter eines “direct attack against …”, und Boccaccinis Blick auf Sir 24 führt eher am Text vorbei als zu ihm hin. Im ganzen Kap. 24, ja im ganzen Buch sucht man vergeblich nach einem solchen weisheitlichen Mythos von der Tora, denn was vollzieht V. 23 anderes, als die Selbstdarstellung der Weisheit zu unterbrechen mit einem Kommentar aus Dtn 33,4, mit Hilfe dessen der Weisheitslehrer die Weisheit nachträglich mit der Tora identifizert, weil für ihn Weisheit und Tora übereinkommen in der Gottesfurcht, vgl. Sir 19,20 und insgesamt von Rad, Weisheit, 309 – 317. W. Bousset, Hauptprobleme der Gnosis (FRLANT 0), Göttingen 1973 (Neudr. der 1. Aufl. 1907), 61 f, 76 f.

Die Gestalt der Lichtjungfrau in den seinerzeit bekannten koptisch-gnostischen Schriften erklärt Bousset als „Verdopplung der Barbelo“ (62), die im manichäischen System als eine Verdoppelung des dritten Gesandten (77).

M. Ebner, Wo findet die Weisheit ihren Ort? Weisheitskonzepte in Konkurrenz, in: Die Weisheit – Ursprünge und Rezeption, FS K. Löning (NTA NF 44), Münster 2003, 79 – 103. 91 Vgl. Roeder, Isis, 2115,57 ff. Zu Plutarch, Über Isis und Osiris Kap. 52 („Isis aber sei keine andere als der Mond“) s. Hopfner, Plutarch, II, 227. 92 Vgl. dazu Reitzenstein, Fragen, 105ff; Ders., Poimandres, Darmstadt 1966, 44; Hopfner, Plutarch, II, 53; A. Wlosok, Laktanz und die philosophische Gnosis. Untersuchungen zu Geschichte und Terminologie der gnostischen Erlösungsvorstellung (AHAW.PH 1960.2), Heidelberg 1960, 57 mit Anm. 33; Hengel, Judentum, 285, Anm. 325.

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Weisheit – Dike – Lichtjungfrau

A. Grandy, Die Weisheit der Gottesherrschaft. Eine Untersuchung zur jesuanischen Synthese von traditioneller und apokalyptischer Weisheit (NTOA/StUNT 96), Göttingen 2012.

Grandy lässt die Weisheit-Dike-Parallele im Anschluss an Ebner, Wo findet, 85 speziell zu Sir 24,2 – 8 in Beziehung treten (ebd., 18, Anm. 18). Dabei wird aber von beiden übersehen, dass die Weisheit von Sir 24 wie die von Bar 3,9 – 4,4, erwählungstheologisch empfunden (vgl. Sir 24,11 f; Bar 3,37), in Israel eine Bleibe findet, während nur die Weisheit von äthHen 42 wie Arats JungfrauDike definitiv nirgendwo mehr auf Erden ein Zuhause hat und sich deshalb zum Himmel zurückzieht. H. von Lips, Weisheitliche Traditionen im Neuen Testament (WMANT 64), NeukirchenVluyn 1990, 174 – 176.

Der Autor führt unter der Überschrift „Apokalyptische Transformation und religionsgeschichtliche Parallele“ ähnliche Beobachtungen zu äthHen 42 an, wie sie im hier wiedergegebenen Aufsatz seit 1981 vorlagen, z. B. mit den Worten: „Auffälligerweise kann der schon zitierte – und bisher kaum berücksichtigte! – Text aus Arats Phainomena die Verbindung herstellen“ (174 f).

S. Uhlig, Das äthiopische Henochbuch (JSHRZ V/6), Gütersloh 1984, 584 notiert zu V. 1 („fand keinen Platz“) die Parallelstelle 94,5 sowie Parallelen zur „Himmelswohnung der Weisheit“.

Ausgangspunkt des hier wiedergegebenen Aufsatzes war einmal das imponierende Ganze eines Weisheitsmythos, das Bultmann, Johannes, 8, den Logos von Joh 1,1 – 18 vor Augen, aus vielerlei Textbezügen auf die Grundgestalt eines vorchristlichen Layout hat formatieren können, wie folgt: Die Weisheit „ist präexistent und ist Gottes Genossin bei der Schöpfung. Sie sucht Wohnung auf Erden unter den Menschen, wird aber abgewiesen; sie kommt in ihr Eigentum, aber die Ihren nehmen sie nicht auf. So kehrt sie in die himmlische Welt zurück und weilt dort verborgen.“ Das Layout ist schon oft in den Papierkorb verschoben worden, harrt dort aber auch immer auf „Wiederherstellen“, vgl. z. B. J.D. Turner, Sethian Gnosticism and the Platonic Tradition (BCNH studes 6), Qu~bec/Louvain–Paris 2001, 221: Sophia is regarded as a preexistent divine power, …, emanation and breath of the high deity, his instrument in the creation of the world. … Although a heavenly figure … she covers the primeval earth …, descending from her celestial dwelling to bring wisdom and divine revelation to humankind. Among these she seeks a dwelling, on some accounts successfully finding a permanent (as Torah and temple in Sirach 24) or temporary (as does the Logos of John 1) earth dwelling, although without success among others (1 Enoch 42), resulting in her return to her celestial home and the descent of iniquity – perhaps in the form of the angelic watchers of Gen 6:1 – 4 – to take her place.

Ergänzende Literaturhinweise, Notizen und Übersetzungen

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Man braucht dann nur noch durch die Tür eines “heterodox Jewish speculation” zu gehen, um in die Hände sethianischer Gnostiker zu geraten (ebd., 223).

Übersetzungen zu S. 137:

Hesiod, Werke V. 197 – 201 (nach O. Schönberger, Hesiod: Werke und Tage [Reclams Universal-Bibliothek Nr. 9445], Stuttgart 2007, 17/19):

Dann nun verlassen Anstand und Ehrgefühl die Menschen und gehen beide, den schönen Leib in weiße Gewänder gehüllt, von der breitstraßigen Erde zum Olympos, zur Schar der Unsterblichen. Übrig bleiben den sterblichen Menschen nur bittere Schmerzen, und nirgends ist Abwehr des Unheils. Hesiod, Werke V. 256 f (nach Schönberger, Hesiod, 23):

Auch ist Jungfrau Dike da, Tochter des Zeus, hehr und bei Göttern geachtet, die im Olymp wohnen. Arat, Phainomena V. 133 – 136 (nach M. Erren, Aratos, Phainomena. Sernbilder und Wetterzeichen, München 1971, 13):

Da flog Dike, voll Haß über das Geschlecht dieser Menschen, zum Himmel und nahm Wohnung an dem Ort, wo sie nächtlich noch den Menschen erscheint, die Jungfrau, dicht beim vielbetrachteten Bootes.

V. Anhang Das Zeugnis Johannes des Täufers und das Zeugnis seines Jüngers. Eine Auslegungsskizze Eine dem vierten Evangelium eigentümliche Passage erzählt, wie Johannes der Täufer „in Betanien, auf der anderen Seite des Jordan,“ (1,28)1 zusammen mit zweien seiner Jünger dasteht, Jesus umhergehen sieht und, an den Vortag erinnernd (V. 29), sagt: „Siehe, das Lamm Gottes!“ Die zwei Jünger hören das und folgen daraufhin Jesus nach (1,35 – 37). Wenn wir mit H. Thyen Joh 1,1 – 21,25 als literarisch so und nie anders konzipiertes Textganzes zu lesen hätten,2 würde R. Bultmann überraschend in seiner Annahme Recht bekommen, der Evangelist sei ursprünglich ein Täuferjünger gewesen.3 Liest man nämlich Joh 1,35 – 40 im Licht von 21,20 – 24, kann man auf die Idee kommen, dass der Jünger, dem Jesus als Freund verbunden war (21,20; 13,23; 19,26, immer Ac²pa wie 11,5) und sterbend seine Mutter anvertraute (19,26 f), literarisch ebender sein soll, b cq²xar taOta (21,24), zugleich aber auch einer der beiden Johannesjünger, die als erste Jesus nachgefolgt waren (1,35.37). Ein scheinbares Textsignal dieser Beziehung lautet: 1j t_m lahgt_m aqtoO d¼o (1,35; 21,2), aber in 21,2 bezieht sich aqtoO auf Jesus, so dass dem wohl beabsichtigten Gleichklang der Formulierungen eher redaktionell verschränkende Bedeutung zukommt.4 Die literarische Manier, Jünger namenlos einzuführen, wird nicht Mk 14,13 (ja· !post´kkei d¼o t_m lahgt_m aqtoO), sondern Lk 7,18 zum Vorbild haben, weil diese Stelle ein identisches aqtoO aufweist (ja· pqosjakes²lemor d¼o tim±r t_m lahgt_m aqtoO b Yy²mmgr). Bultmanns Sichtweise war in jedem Fall darin zu kritisieren gewesen, dass er die Johannesjüngerschaft nicht auf der literarischen Ebene bleibend interpretierte,5 sondern historisch nahm und zugleich die synoptisch vorgegebene Täuferjüngerschaft religionsgeschichtlich zu einem „täuferisch-gnostischen Einfluß im Johannesevangelium“ auflud.6 Beides war aber eher eine Fehlein1 2 3 4

J. Beutler, Das Johannesevangelium. Kommentar, Freiburg i.Br. 2013, 98. H. Thyen, Das Johannesevangelium (HNT 6),Tübingen 2005, 1. R. Bultmann, Das Evangelium des Johannes (KEK), Göttingen 1964, 5. Nach Thyen, Johannesevangelium, 781 könnte man sagen: „Dann hätte der Erzähler die ,beiden anderen seiner Jünger‘ nur hinzugefügt, um das Rätsel um den geliebten Jünger zu komplizieren.“ Aber dieser Erzähler schreibt weder einen Krimi noch war er schon ein Kierkegaard. 5 Vgl. Thyen, Johannesevangelium, 795 zur Unterscheidung zwischen „dem tatsächlichen Evangelisten“ und dem „Bild des Jüngers, den Jesus liebte“. 6 R. Bultmann, Der religionsgeschichtliche Hintergrund des Prologs zum Johannes-Evangelium, in: Ders., Exegetica, Tübingen 1967, 10 – 35, hier 35.

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schätzung gewesen, mit Folgen jedoch, die zeigen, dass man ihre Kritik nicht mit „Etikettenstreit um ,Gnosis‘ “ 7 verwechseln darf. Den Täufern wird nämlich nicht, wie Bultmann meinte, „ihr Heros entwunden, indem das, was sie von ihm sagen, von Jesus behauptet und er zum Zeugen für Jesus gemacht wird“,8 vielmehr bestätigt das vierte Evangelium mit dem Bogen des Logospsalms, der sich von 1m !qw0 zu B !k¶heia di± YgsoO WqistoO spannt, die Wahrheit von Mk 1, wonach das jgq¼sseim des Täufers (V. 4.7)9 mit der Stimme der Heiligen Schrift (V. 2 f) übereinkommt, in welcher »!qwµ toO eqaccek¸ou YgsoO WqistoO« (V. 1) grundgelegt ist. In der Wahrheit korrespondieren sodann auch das Zeugnis Johannes des Täufers (Joh 1,19: avtg 1st·m B laqtuq¸a jtk.; 10,41: p²mta d³ fsa eWpem Yy²mmgr peq· to¼tou !kgh/ Gm) wie das Zeugnis seines Jüngers, von dem man nach Joh 21 sagen soll, er habe das Evangelium geschrieben (21,24: b laqtuq_m peq· to¼tym … ja· oUdalem fti !kghµr aqtoO B laqtuq¸a 1st¸m). Suchen wir nun die Entdeckungsspur zu dem, der „dies geschrieben hat“ (21,24), nicht im Feld der Religionsgeschichte, sondern im Evangelium selbst und seinen prominenten Vorgaben, den Evangelien nach Markus und Matthäus sowie dem lukanischen Doppelwerk, heißt das: Aus der Reihung von Brüderpaaren unter den Jüngern (Mt 4,21: %kkour d¼o !dekvo¼r, Y²jybom t¹m toO Febeda¸ou ja· Yy²mmgm t¹m !dekv¹m aqtoO) musste in Joh 21,2 von oR toO Febeda¸ou ja· %kkoi 1j t_m lahgt_m aqtoO d¼o geschrieben werden, weil die Zebedaiden, die in Joh 1 nicht erwähnt worden waren, noch eingeführt werden mussten, wie das auch bei Lukas der Fall ist, der die Geschichte vom wunderbaren Fischzug des Petrus als dessen Jüngerberufung moderierte und mit Einzelheiten der markinischen Jüngerberufung ergänzte (V. 10: blo¸yr d³ ja· Y²jybom ja· Yy²mmgm uRo»r Febeda¸ou). Der Zebedaide Johannes taugt alsdann aber nicht zu dem einen der zwei in Joh 1,35 Namenlosen, ist sein Paargenosse doch Jakobus, nicht Andreas. Weder ein Jünger Johannes im lukanisch vorgegebenen Gespann mit Simon Petrus (Lk 22,8) noch in der synoptisch vorgegebenen Verbindung mit dem Zebedaiden Jakobus dürften somit als in Joh 1,35 angedacht gelten. In beiden Fällen dürfte man sich nur von einem ersten schnellen Blick affizieren lassen, ohne nachzufragen, „ob’s sich also verhielte“. Man muss vielmehr wahrnehmen, dass die Episode um die zwei Jünger (Joh 1,35 – 39) derjenigen von Lk 7,18 – 23 nachgestaltet ist: Es geht dabei um „zwei Johannesjünger“, darum, was sie bei Jesus „sehen“, und zwar zu einer bestimmten „Stunde“, und im Ganzen um die Frage, ob Jesus der nach der 7 Zitat: H. Thyen, „… denn wir lieben die Brüder“ (1Joh 3,14), in: Ders., Studien zum Corpus Iohanneum (WUNT 214), 83 – 96, hier 84, Anm. 2. 8 R. Bultmann, Hintergrund, 35. 9 9c´meto %mhqypor, … Yy²mmgr (Joh 1,6) schließt unübersehbar an Mk 1,4 an: 1c´meto Yy²mmgr. Vom Synoptikeranschluss unberührt ist die Beobachtung, dass Joh 1,1 – 18 ein Logospsalm zugrundeliegt; vgl. dazu R. Bergmeier, Weihnachten mit und ohne Glanz. Notizen zu Johannesprolog und Philipperhymnus, in: Ders., Das Gesetz im Römerbrief und andere Studien zum NeuenTestament (WUNT 121), Tübingen 2000, 163 – 184, hier 163 – 175.

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Schrift zu Erwartende sei. Aber der im Johannesevangelium von Gott selbst unterrichtete Zeuge des Gottessohns hat es gar nicht mehr nötig, von seinen Jüngern belehrt zu werden, vielmehr bezeugen seine Jünger einem anderen (vgl. Mk 8,29par.), was sie schließen aus dem, was sie „gehört und gesehen“ haben: „Wir haben den Messias gefunden“ (Joh 1,41). b Yy²mmgr ja· 1j t_m lahgt_m aqtoO d¼o d¼o tim±r t_m lahgt_m aqtoO b Yy²mmgr (Joh 1,35) (Lk 7,18) 5qweshe ja· exeshe (V. 39)

$ eUdete ja· Ajo¼sate (V. 22)

¦qa Gm ¢r dej²tg (V. 39)

1m 1je¸m, t0 ¦qô (V. 21)

… S¸lyma ja· k´cei aqt`7 erq¶jalem t¹m s» eW b 1qwºlemor; (V. 19) – b P´tqor k´cei Less¸am f 1stim leh. wqistºr (V. 41) aqt`7 s» eW b Wqistºr (Mk 8,29)10

Mit der lukanischen Anfrage des Täufers ist in Joh 1 die synoptische Perikope von der Jüngerberufung (Mk 1,16 – 20par.Mt 4,18 – 22) verknüpft, denn die Verse 1,36 – 40 reichen wie in Mt 4,18 – 20 vom peqipate?m Jesu bis zu Ajoko¼hgsam aqt`. Das erste matthäische Brüderpaar (Simon Petrus und Andreas) nimmt Joh 1 zunächst in Form eines anonymen Jüngerpaares auf. Die synoptische Erstberufung des Brüderpaars Simon und Andreas (Mk 1,16par.Mt 4,18) wird dabei so gesplittet, dass Andreas als der eine der beiden anonym Eingeführten erkannt wird, aber beide die ersten Nachfolger werden (Joh 1,37.40), während Petrus in die zweite Reihe rückt, indem erst Andreas seinen Bruder Simon Petrus hinzuführt (Joh 1,40 f). So bleibt das matthäische Brüderpaar Simon Petrus und Andreas (4,18) zwar erhalten, aber einer von den zwei Jüngern in der Anonymität. Und daran ändert auch Joh 21 nichts. Wenn nämlich in 21,2 entsprechend Lk 5,10 oR toO Febeda¸ou auftauchen, wird in neuer Paarbildung erzählt: Der synoptisch vorgebildete Leser weiß, dass die Zebedaiden zweie sind, darum werden die anfänglich zwei Namenlosen durch %kkoi 1j t_m lahgt_m aqtoO d¼o rückbindend an 1,35 ersetzt, weil nun auch Andreas wieder wie in Lk 5 namentlich nicht aufgeführt wird. So bleibt die Leerstelle11 der Erzählstrecke Joh 1,35 – 40 erhalten, es sei denn, Joh 21,23 führte doch noch zu einer Lösung. Vorläufig aber drängt sich nach der Lektüre von Joh 1,35 – 39 die Frage auf: Wo „blieb“ der anonyme Johannesjünger nach „jenem Tag bei Jesus“ (Joh 1,39)? Betrachtet man, philologisch versteht sich, den Evangelientext selbst, muss man ausschließen, dieser Anonymus sei „einer der Zwölf“ und Augenzeuge „der ganzen Geschichte Jesu von ihrem Anfang an“ gewesen.12 Der Text sagt ja nur : tµm Bl´qam 1je¸mgm und mit

10 Vgl. oben S. 93. 11 Vgl. dazu Thyen, Johannesevangelium, 132, 134. 12 Thyen, Johannesevangelium, 782.

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Andreas, dem Galiläer (1,44), vergleichbar selbstverständliche Nennungen (6,8; 12,22) gibt es nicht. Immerhin, einen Wink für unsere Suche nach dem einen namenlos gebliebenen der zwei Johannesjünger von Joh 1,35, die Jünger Jesu geworden sind, gibt uns die narrative Einführung des Jüngers, dem Jesus in Freundschaft verbunden war : Gm !maje¸lemor eXr 1j t_m lahgt_m aqtoO 1m t` jºkp\ toO YgsoO, dm Ac²pa b YgsoOr (Joh 13,23; vgl. 12,2). Das klingt so, als werde an die Teil-Dechiffrierung der namenlos Eingeführten angeknüpft, wo es heißt: )mdq´ar … eXr 1j t_m d¼o t_m … !jokouhgs²mtym aqt` (1,40, für ihn typisch auch 6,8: eXr 1j t_m lahgt_m aqtoO). Zugleich kann man in 12,2 eine Brücke betreten, die zu dem, dem Jesus in Freundschaft verbunden war (Joh 11,3.5.11.36), mit den Worten hinführt: b d³ K²faqor eXr Gm 1j t_m !majeil´mym s»m aqt`, zu Lazarus, die aus Lk 16,31 kreierte Symbolfigur der Auferstehung.13 Zu 20,8 notiert J. Beutler : „Die Leserschaft fragt sich, wie die Tatsache, dass das Schweißtuch zusammengebunden neben den Leinenbinden Jesu lag, zum Osterglauben führen konnte.“14 Narrativ erinnert dieses Schweißtuch von 20,7 an das von 11,44. Als demzufolge dieser Jünger, dm 1v¸kei b YgsoOr (20,2; vgl. 11,3 dm vike?r), in das Grab Jesu hineinging und das Schweißtuch – mit einem solchen war er selbst als von den Toten Erweckter aus seinem Grab gekommen – zusammengewickelt liegen sah, da erkannte er, was da geschehen sein musste und so „sah er und glaubte“ (20,8).15 Seine Geschichte mit Jesus hatte auch mit Sehen und Glauben begonnen. Das Zeugnis seines ursprünglichen Meisters: „Siehe, das Lamm Gottes!“ hatte ihn zum Anschluss an Jesus gebracht, dessen „Kommt und seht!“ sich so erfüllte, dass sie „sahen“ und deshalb bezeugen konnten: „Wir haben den Messias gefunden.“ Unter dem Kreuz war an diesen Anfang zu erinnern. Das geschieht durch den Deute-Passus 19,35 – 37, der der Erzählung 19,31 – 34 folgt: b 2yqaj½r lelaqt¼qgjem (V. 35) erinnert an 1,34, wobei es der Jünger unter dem Kreuz ist,16 der weiß, dass er das Zeugnis seines ehemaligen Meisters: ortºr 1stim b uR¹r (1,34) – Ude b !lm¹r toO heoO (1,36) als wahr bezeugen kann, „damit auch ihr glaubt“ (19,35, vgl. 20,31), „es geschah dies nämlich, damit die Schriftstelle“ über das Passalamm „erfüllt wurde: ,Ihr sollt ihm kein Bein zerbrechen!‘ “ In der Beschreibung dessen, was man auf der literarischen Ebene beobachten kann, führt neuerdings auch Beutler zu Joh 11,1 – 3 sehr dicht an meine 13 Vgl. H. Thyen, Die Erzählung von den bethanischen Geschwistern (Joh 11,1 – 12,9) als Palimpsest über synoptischen Texten, in: Ders., Studien zum Corpus Iohanneum (WUNT 214), 182 – 212, hier 195, 200. 14 J. Beutler, Das Johannesevangelium. Kommentar, Freiburg i.Br. 2013, 518. 15 Vgl. dazu auch H. Thyen, Johannes und die Synoptiker, in: Ders., Studien zum Corpus Iohanneum (WUNT 214), 155 – 181, hier 180. 16 Vgl. H. Thyen, Noch einmal: Johannes 21 und „der Jünger, den Jesus liebte“, in: Ders., Studien zum Corpus Iohanneum (WUNT 214), 252 – 291, hier 286 mit der ausführlichen Begründung dafür, „daß der wissende 1je?mor nur der geliebte Jünger sein kann“.

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Ausführungen heran: „Der Ort Betanien erinnert an das Betanien jenseits des Jordan, wo Johannes der Täufer seine Tätigkeit begann (Joh 1,28, vgl. 10,40). Vielleicht soll hier auch bewusst ein Bogen geschlagen werden. Ein neuer Zyklus öffnet sich. An die Stelle des Täufers tritt nun Lazarus. Er ist einer, den Jesus liebt (V. 3), und bereitet damit seinerseits den Übergang zu dem von Jesus Geliebten Jünger vor, der ab Kap. 13 an der Seite Jesu erscheint und sein Zeuge wird.“17 Die Frage: Wo blieb der anonyme Johannesjünger nach „jenem Tag bei Jesus“ (Joh 1,39)? kann nun wohl so beantwortet werden: Er blieb in Bethanien, bis Jesus kam, um ihn aufzuwecken, vgl. Joh 12,1: „Bethanien, wo Lazarus gewesen war, den Jesus von den Toten auferweckte.“ Dass er dann auch der Verfasser des Evangeliums sei, wird bis zum Abschluss „dieses Buchs“ (20,30)18 nicht gesagt. Würde man mit Thyens emphatischem Ja zur literarischen Ganzheit dessen, was uns als „Evangelium nach Johannes“ vorliegt,19 an die Auslegung dieses Textganzen herangehen, blieben einige Kröten zu schlucken, an denen sich ein Philologe leicht verschluckt. Er kann schon nicht davon ausgehen, dass Joh 21 „das Zeugnis Jesu für dieses Evangelium“ darstelle.20 Ich finde die Textstelle nicht, die das sagt. J. Beckers ironisierender Vergleich des zum originären Textganzen Joh 1,1 – 21,25 erhobenen Evangeliums mit dem ungenähten Rock21 kann uns etwas lehren, denn ein Kleidungsstück ist auch dann ein Ganzes, wenn man die Nähte seiner Stoffteile deutlich sieht und auch als solche versteht. So scheinen mir auch im Johannesevangelium Nähte sichtbar geblieben zu sein, die auf eine Genese schließen lassen, aber als lediglich gewollt konzipierte Nahterscheinungen auch einem hochpoetischen Textganzen nicht zuzutrauen sind. So muss von der Abfolge der Kap. 20 und 21 einmal wieder die Rede sein, wenn Gelegenheit sich bietet, der Vielfalt der Probleme, die der Text aufgibt, nachzugehen.

17 J. Beutler, Das Johannesevangelium. Kommentar, Freiburg i.Br. 2013, 326 f. 18 Thyen, Noch einmal, 254 schreibt, von „suggeriert werden soll“ abgesehen, zutreffend: „Daß durch den ausdrücklichen Hinweis auf „dieses Buch“ und auf sein „Geschriebensein“ (20,30) dem impliziten Leser suggeriert werden soll, hier endet das Evangelium, läßt sich schwer bestreiten.“ 19 Thyen, Johannesevangelium, 772 f. 20 Thyen, Noch einmal, 262, s. auch 290; Ders., Johannesevangelium, 773, 795. 21 J. Becker, Aus der Literatur zum Johannesevangelium (1978 – 1980), in: Ders., Annäherungen zur urchristlichen Theologiegeschichte und zum Umgang mit ihren Quellen (BZNW 76, Berlin/ New York 1994, 138 – 203, hier 144 („das Joh sei, im Bilde von Joh 19,23 gesprochen, der ungenähte Rock Christi“).

Register Stellen 1. Biblische Bücher 1.1 Altes Testament Genesis 1,4.8.10.12.18 25 1,26 15.16 2,18 24 3,22 16 Exodus 16,15 96 Leviticus 7,18 25 12,1.3 96 19,7 25 Numeri 12,2 96 Deuteronomium 4,12 75.96 4,39 62 5,24 75 33,4 96.137 Josua 2,11 62 24,13 96 Jesaja 6,9f 53.54.96 6,10 96 40,3 76 45,5 14 54,13 57

Hosea 2,6 96 5,15 130 9,3 25 Zephanja 3,15 84 Sacharja 12,10 85 13,7 91.96 Maleachi 3,1 76.94 3,22 76 Psalmen 6,4 96 69(68),5 96 69(68),10 96 103,4 47 Sprüche 1,20ff 134 8,1ff 134 15,11 47 27,20 47 30,4 96 Hiob 33,28

47

Prediger 7,10 96 Daniel 7,25 16

146 12,2 50 1.2 Neues Testament Matthäus 3,3 75 3,9 94 3,11 72.74.75.76.93 3,16 93 3,17 71.93 4,12 73 4,18 141.142 4,21 141 5,25 79 8,5–13 82 8,14.15 82 8,22 29 9,4.24 94 10,32f 24 11,2 74.94 11,10 76.94 11,14 75.76 11,25 92 11,27 94 13,10 92 13,11 52.53 13,13 52.92 13,16 52 13,34 95 13,57 73 14,28f 56 15,21–28 82 15,29.30 82 16,16 94 17,17 92 17,23 92.95 18,3 59.81 18,18 95 18,30 79 19,11 90 19,14 56 22,3 56 22,12 117 22,13 94 22,14 117.125 22,30 29

Register 23,13 56 23,33 50 23,37 56 24,9f 92 24,30 84.85 25,46 50 26,6 78 26,18 93 26,21 77 26,31 91.95 26,45 93 26,63–65 72 26,63.64 84 27,40.42 84 27,43 72.84 27,57 58.95 28,10 95 28,13 59 Markus 1,1 141 1,2–8 76 1,2f 141 1,2 75.76.93 1,3 75 1,4 75.140 1,5 55 1,7 76.93.140 1,10 74.93.94 1,11 71 1,14f 79 1,14 73.79 1,15 76.93 1,16–20 141 1,18 78 1,24 94 1,31 82 1,40.45 55 2,13 55 3,8 55 3,14 77 4,11f 52.53 4,11 52.53.56.90.94 4,34 92 5,15 55 5,18 77

Register 6,1–6 73 6,2 94 6,17 79 6,48 79.80.94 6,49.50 80 7,24–30 82 8,17.21 79 8,29 93.141 9,7 71 9,31 92.95 9,32 52.92 10,13–16 56 10,15 59.81 10,49f 55 11,1 78 11,15–19 84 11,27 55 12,1 92 12,14 94 12,18 55 13,26 85 14,3 78 14,12 84 14,13 140 14,18 77 14,27 91.95.96 14,28 91 14,36 95 14,41 80.93 14,45 84 14,58 84 14,61–64 72 14,61 84 14,62 85 15,29.32 84 15,39 69.87 15,43 58 Lukas 1,2 77 3,8 94 3,15.16 75.76 3,20 79 3,21.22 93 4,14 73 5,10 141.142

6,47 56 7,1–10 82 7,18–23 141 7,18 140.141 7,27 76.94 7,36–50 78 7,37f 78 8,10 52.53 8,35 56 9,9 60 9,27 59 9,45 92 9,60 29 10,21 92 10,38–42 78 10,38 79.80 12,58 79 13,28 50 14,1 58 14,26.27 56 16,8 51 16,31 142 18,17 81 18,31 52.53.95 18,33 84 18,34 52 22,3 94 22,8 141 22,22 53 22,37 52.53 22,67 72.84 22,69.70 84 23,8 60 23,13 58 23,25 79 23,35 58 23,49 87 23,50 58 23,51 58.59 24,7 53 24,19 84 24,20 58 24,26 53 24,27 84.93 24,44 53.92.95 24,48.49 77.92

147

148 Johannes 1,1 141 1,3 97 1,6 36.75.76.93.140 1,7 56.88 1,9 97.99 1,13 42.97 1,14 62 1,15 72.73.77.78.93 1,17 96 1,18 75.95.97 1,19–51 84 1,19–28 75.76 1,19 83.84.97.141 1,20 75.76.83 1,21 75.76 1,23 75 1,24 97 1,26.27 75 1.28 140.143 1,29–34 69 1,29 85.87.140 1,30 72.93 1,32–34 74 1,32 74.77.93 1,33 36.74.76 1,34 71.72.74.83.84.87.88.93.142.143 1,35–42 56 1,35–40 140.142 1,35–39 141.142 1,35–37 140 1,35f 85.86 1,35 140.141.142 1,36 84.85.87.143 1,37 140.141 1,38 84.86 1,39 141.142.143 1,40 78.141.142 1,41 84.86.93.141 1,42 86 1,43 73 1,44 142 1,45 84.93 1,46 85 1,47 56 1,49 56.71.84

Register 1,50f 59 1,50 56.60.101 1,51 56.84.85.93 2,1–11 84 2,4 84.93 2,13–22 84 2,17 96 2,21 86 2,22 84.90 2,23–25 73 2,23 97 3,1 58 3,2 36.58.59.62.94 3,3 37.58.81.89 3,4 58 3,5–8 42 3,5 37.43.58.81 3,6 97 3,7 89 3,8 57.97 3,9 59.60 3,10 60 3,11–15 60 3,11–13 59 3,11 60.97 3,12–15 42 3,12f 40.59 3,12 40.59.60 3,13 34.36.63.96.98.100 3,14f 57.62 3,14 63 3,15f 37.43 3,17 36 3,18 97 3,19–21 43 3,19 43.97 3,20f 44 3,24 79.80 3,26 55.83.97 3,27 40.53.57.90.94.98 3,28 76.83.94 3,31 34.36.39.40 3,34 36.98 3,35 94.97 3,36 37 4,1.3 73

Register 4,17 97 4,18 90.97 4,30 56 4,34 53.100 4,38 96 4,39f 121 4,40 56 4,41f 56 4,41.42 97 4,43 73.97 4,44 73.77.89 4,45 73.86.97 4,46–54 82 4,46 82.86.124 4,47 73.82.97 4,48.49.50.51.52.53 82 4,54 73 5,9.10.14 97 5,17.18 49 5,19 49.98 5,20f 49.53 5,22 49.97 5,23f 36 5,23 49 5,24f 26.37.49.50 5,24 26.50 5,26 49 5,27–29 50 5,29 50 5,30 98 5,31 83 5,32 83.87 5,33 71.74.83.97 5,34 83 5,36f 36.70 5,36 53.71.74.83.94 5,37 71.72.74.83.94.96 5,38 56 5,40 54.56 5,42 94 5,43 98 5,44.46.47 56 6,1–15 57 6,1–3 82 6,5 55 6,6 90

6,8 142 6,14 73 6,17f 79 6,19f 80 6.19 94 6,23 78 6,24–27 57 6,28f 44 6,28 43.57 6,29 37.57 6,30 57.98 6,31.32 96 6,33 36 6,35 54 6,36 98.100 6,37 37.40.51.53.54.57.89.98 6,38f 36 6,38 98 6,39 37.40.53.89.98 6,41ff 73 6,40 37 6,42 98 6,43–46 57 6,44 36.40.54.57.63.89.90.98 6,45 39.54.57.96 6,46 73.75 6,57 36 6,59 90 6,61 94 6,62 36.63 6,63 90 6,65f 54 6,65 53.54.57.89.90.98 6,66 73 6,69 94 6,71 86 7,7 100 7,8 93 7,9 90 7,12 98 7,14f 94 7,19 96 7,20 98 7,22 96 7,26 58.100 7,28 72.98

149

150 7,30 79.80 7,34 89 7,35 60 7,37 54.72.93 7,39 86.90 7,47 98 7,48 58.60 7,50 58.60.62.86 7,51 59 8,6 90 8,14 83 8,16 36 8,17 96 8,18 36 8,19 37.38.98.99 8,20 79.80 8,21ff 38 8,21 43.59.89 8,23 36.37.40 8,24 43.89 8,26 39.98 8,28 39.60.63.99 8,30f 37 8,30 43.90.98 8,31 98 8,33 37.94 8,37 39.54 8,38 38.44 8,39 39 8,40 39.98 8,41 39.43.44.96 8,42 36 8,43f 37 8,43 52.53 8,44 37.38.39.40.43.92 8,47 38.39.43 8,52 98 8,55 37.98 8,56–59 37 8,56.57 98 8,59 43 9,6 90 9,14 78 9,20 98 9,22 90 9,29 96

Register 9,32 98 10,3f 40 10,6 52 10,12 40 10,15f 60 10,16 40 10,18 99 10,25–27 40 10,24f 72 10,26 54 10,29 37.40.53.98 10,33 72 10,34 96 10,36 36.72 10,40f 88 10,40 56.143 10,41 56.71.83.88.141 10,42 56.88 11,1–3 143 11,1 78 11,2 77.78.79.80 11,3 142.143 11,5 140.142 11,10 59 11,11 90.94.142 11,13 86 11,14 99 11,17 98 11,18 78 11,25f 26.37 11,27 94.100 11,28f 55 11,28 90 11,30 79.80 11,31 99 11,32 55 11,34 98 11,36 142 11,37 55 11,39.42 99 11,43 90 11,44 94.99.142 11,47 99 11,51f 60 11,51 90 11,52 43.62.91.96

Register 12,1 78.143 12,2 142 12,3 78 12,13 84 12,14 96 12,16 96.96 12,17.18 99 12,20–33 85 12,20 60.62 12,21f 60 12,21 60.85 12,22 142 12,23 60.62.85.93 12,24 60 12,27 96 12,28.29.30 99 12,31 50.100 12,32f 85 12,32 60.62.63 12,33 63.86.90 12,34 53.60 12,35ff 38 12,35f 51 12,35 59 12,36 90 12,37–40 37.38 12,37 99 12,39f 54 12,40 96 12,41 90 12,42 58.59.60 12,44 72 12,45 99 12,46 59.99.100 12,49 36.99 12,50 99 13,1 70.94 13,2 94 13,3 36.94 13,7.8 99 13,10 77.99 13,12 99 13,16 89 13,18 77 13,19 77.99 13,21 77.90

13,23 140.142 13,33 43.89 13,34 92 13,36 43 14,6 37.90 14,7 99 14,9 92.99 14,16 92 14,21 100 14,22 96 14,23 100 14,24 36.100 14,25 90.91.92.95 14,26 92 14,29.31 99 15,3.10 99 15,11 91.92.100 15,12 92 15,14.15 99 15,18 100 15,19 39 15,20 89 15,21 92 15,24 97.100 15,25 96.97 15,26f 71.77 16,1ff 91 16,1 91.95 16,2f 92 16,4 90.91.92 16,5f 92 16,6 91.95 16,11 100 16,14.15.16.19 89 16,24 100 16,25 91.92.95 16,27 100 16,28 100 16,32 91.95 16,33 91 17,1 90.93 17,2 41.53.98 17,3 52 17,4 53.62.100 17,5 36.41 17,6 37.40.41.100

151

152 17,8 100 17,9 37.40.53.98 17,11.13 36.100 17,14 100 17,18 101 17,23 100 17,24 36.37.40.41.53.98 18,1 90 18,4 70.94 18,5.8 89 18,9 37.40.53.98 18,11 95 18,12 100 18,14 77.78.86 18,20 90.100 18,21 100 18,22 90 18,24 100 18,37 43.100 18,38 90 19,11 53.94 19,14 85.86 19,19.20.22 100 19,26f 140 19,27 84 19,28 52.70.94.95 19,30 52.95 19,31–34 142 19,31 85.86 19,32–34 86 19,35–37 142 19,35 56.69.83.86.87.88.93.142.143 19,36f 85.86 19,36 85.86.87 19,37 85 19,38 58.59.95 19,39 58.59.62 20.2.7.8 142 20,9 53 20,14 90 20,17f 95 20,17 36.101 20,18.20 90 20,21 36.101 20,22 90 20,23 95

Register 20,24 78 20,29.30f 70.101 20,30 97.143 20,31 37.71.97.143 21,1 70 21,2 140.141.142 21,14 70 21,19 90 21,20–24 140 21,20 140 21,23 142 21,24 70.86.140.141 Apostelgeschichte 2,23 53 3,17 58 4,28 53 5,17 17 5,32 77 6,5 30 8,9 13 8,27 60 9,20 71 11,14 82 13,29 52 15,5 17 16,15.31f 82 17,28 133 18,8 82 Römerbrief 3,8 32 1. Korintherbrief 4,18 32 6,13 29 7,1.28 24 8,1f 33 8,1 21 8,7.10f 33 8,10 21 10,26 25 10,27f 33 10,30 25.33 15,3 85 15,4 84

Register 15,12 28.32 15,19.32 32 15,34 23.32.33 15,47 40 15,50 43 15,54 123 2. Korintherbrief 3,1 32 5,17 48 10,2 32 Galaterbrief 1,6f 32 2,12 33 3,19 43 4,8.9 24 6,15 48 Epheserbrief 1,4f 41 2,5f 26 Philipperbrief 1,15 32.33 2,22 32 Kolosserbrief 2,12f 26 2,16f 22 2,23 21 3,1 26 1. Thessalonicherbrief 4,5 24 2. Thessalonicherbrief 1,8 24 3,11 32 1. Timotheusbrief 1,1 19 1,3–7 21.61 1,3f 12.19 1,3 19.21.22.32 1,4 18.19.30

1,5 19 1,6 21.22.32 1,7 22 1,8–11 22 1,8f 22 1,18–20 21.61 1,19 22.32 2,10 20 4,1 24.32 4,3f 24.25.33 4,3 20.21.22.24.25.29.30 4,4 24.25 4,6 32 4,7 19 5,2 19 5,14 24 5,15.17 32 6,1 32 6,2 19 6,3 19.32 6,4 33 6,5 25 6,10 32 6,20f 21.33 6,20 11.19.20.21.22.23.26.30.31.61 6,21 20.21.22.32 2. Timotheusbrief 2,15.16.17 27 2,18 10.20.25.26.27.28.29.30.32 2,25 23 3,2.4 25 3,5 24 3,6f 23 3,7f 20 3,7 23 4,3 32 Titusbrief 1,9 18.32 1,10–16 18 1,10 12.18.33 1,11 18.25 1,12 18 1,14 12.18.19 1,15 25

153

154 1,16 2,1 3,9 3,10

Register 23.24.32 32 18.19 18

1. Johannesbrief 1,6 24.44 2,4.9 24 2,17 44 2,23 24 2,29 44 3,4.7f 44 3,10 43.44 3,12 44 4,20 24 Johannesapokalypse 2,6 30 2,9 17 2,15 30 3,9 17 2. Frühjüdische Literatur

Sibyllinen I 90f 133 Sirach 17,1 38 19,20 137 24,2–12 137 24,2–8 138 24,4ff.7ff 130 24,11f 138 24,23 46.137 36,10 38 41,10 38 43,31 75.95 Testament Hiobs 46,8 40 Testament Levis 19,1 45 Testament Naphthalis 2,6 45

2.1 Außerkanonische Schriften neben der Biblia Hebraica (1.) Baruch 3,9–4,4 138 3,37 138

2.2 Schriften aus Qumran

2. (syrischer) Baruch 48,36 134

(4QMidrEschat) Midrash zur Eschatologie 3,8f 44 10,8–10 44 11,10–16 44

4. Esra 5,9ff 134 1. (äthiopischer) Henoch 39,3ff.4–8 131 41,2.3–9 131 42,1–3 129.130.137 42,1f 129.130.131 42,1 130 42,2 134 42,3 131.134 43,1ff 131 94,5 138

(1QH) Hhda¯jht (alte Zählung) 11,19f (3,19f) 47.48 11,26–36 (3,26–36) 48

(1QS) Gemeinderegel 1,18.24 44 2,5.19 44 3,13–4,26 44.45 3,14.18.20 44

Register 2.3 Frühjüdische Schriftsteller 2.3.1 Philo (aet.) De aeternitate mundi 53.75 110 (conf.) De confusione linguarum 146 15 (fug.) De fuga et inventione 69 16 (her.) Quis rerum divinarum heres sit 205f 15

(Barn) Barnabasbrief 6,9; 7,3–10,11 22 (ConstAp) Apostolische Konstitutionen VIII 5,1; 11,2; 12,6 110 (Herm) Hirt des Hermas (mand) mandata VI 2,1.3.4.8.10 43f VII 1 44 VII 3 43.44 XII 4,6; 6,2 44 (sim) similitudines I 7 43.44

(LA III) Legum allegoriae, Buch III 220ff 105

(Ign) Brief des Ignatius

(legat.) Legatio ad Gajum 3 107

(Eph) an die Epheser 10,3; 14,1 19

(migr.) De migratione Abrahami 174 15

(Magn) an die Magnesier 8,1 13.19 10,3 13.19 11 19

(Mos. II) De vita Mosis, Buch II 171 21 (opif.) De opificio mundi 75.134f 16 144 107 2.3.2 Flavius Josephus

155

(Phld) an die Philadelphier 6,1 13.19 (Pol) an Polykarp 3,1 12.19 4,3 19

(Ant.) Antiquitates Judaicae 12,125 16 12,158 39 14,24 107

(Trall) an die Trallianer praesc.; 2,2 19

3. Frühchristliche Schriften neben dem Neuen Testament

(Chrys.hom.) Ioannes Chrysostomus, Homiliae Hom. in I Cor 38,1 28

(ActThom) Thomasakten 111.167 104

4. Schriften aus der Zeit der Alten Kirche

156 Clemens von Alexandrien (ExcTheod) Excerpta ex Theodoto 1,2 107.116 2,1–2 115.116 18 113 21f 116.119 21,1–3 115 21,3 120.121 27 119 34,2.37 107 35f 116.19 35,1 116 38 113 39 116 40 116 40,1 116 41,1.2 107.117 44,1 118 47,1.3f 114 47,3 114.116.120 50,2 114.116 50,3 114 53,3 115.118 56,2 114.117 56,3ff 107 56,3 107.114 57 104.107.118 58,1 107 59,2 120 61,2 118 61,8 117.118 63f 107 63 117 63,1 117.118 63,2 118 64 115.117.118.121 65,1 107 68 117 79 117 (Strom) Stromata III 25,3.4 29 III 30,1 104 III 40,1.2 29 III 45,1 29

Register III 47,3 29 III 48,1 29.30 III 48,2 29 IV 13,91,2 26 V 141,1 110 VII 2,2 110 (Epiph.haer.) Epiphanius von Salamis, Liber de haeresibus XXXI 6,9 107 XXXIII 3,4.7 114 XXXIII 7,2f 114 XXXIII 7,4f 106.114 XXXIII 7,5.7.8 114 XXXVI 4,5; 5,1 106 (Eus.h.e.) Eusebius, Historia ecclesiastica III 32,7f 31 IV 18,1–10 13 IV 22,4–6 13.31 IV 22,7 13 (Hipp.haer.) Hippolytus, Refutatio omnium haeresium V 7,2–9,9 112 V 8,2 102.111 V 8,24 29 V 8,30 102.104.108 VI 31,6 106 VI 32,3ff 106 VI 32,7f 106.125 VI 32,8f 120 VI 32,9 107 VI 34,1 106 VI 34,6 120 (Hipp. De resurr., frgm.) Hippolytus, De resurrectione ad Mammaeam Imperatricem Frgm. 1 30 (Iren.haer.) Irenaeus, Adversus haereses I praef. 1 19 I 1,1 114 I 2,1 110 I 2,4 106

Register I 2,6 118 I 4,1ff 106 I 4,5 115.117.118 I 5 135 I 5,1f 116 I 5,1 108.114 I 5,3f 107 I 5,4 106 I 5,6 115.118 I 6,1 106.114 I 6,4 107 I 7,1 107.115.117.118 I 7,2 120 I 7,4 107 I 7,5 107.115.118 I 8,3 106 I 8,4 107 I 15,2 28 I 21,2.4 28 I 21,5 116 I 23,1–4 13.29 I 23,1 30 I 23,3 104 I 23,4 13.31 I 23,5 28.30 I 25,1–6 29 I 25,2–4 104 I 26,3 30 I 27,4 13 I 29,3 111 I 30,14 28 II 13,10; 14,7; 31,1 31 II 31,2 29 II 35,2 31 III 11,1 30.31 III 11,7 34 III 12,12 31 IV 6,4; 35,1; 41,4 31 V 26,2 17.31 V 31,1.2 28 (Iust.) Iustinus Martyr (1 apol.) Erste Apologie 26,2 13 26,4 28 26,6.8 13.14

157

(dial.) Dialogus cum Tryphone 32,3f 16 35,2–6 16 35,6 13 60,3 15 62 15.16 80,3f 16 80,3 14 80,4 28 (Or.Cels.) Origenes, Contra Celsum III 11 28 III 12f 17 IV 23–28 17 VI 31 104 VI 35 106 (Tert.) Tertullianus (an.) De anima 50,2 28 (praesc.) De praescriptione haereticorum 33,6–8 30 (res.) De resurrectione mortuorum 19,1–7 29 22,1 29 5. Gnostische Schriften (AJ) Das Apokryphon des Johannes (Kurzversion BG 2) 35,20–36,15 112 36,16 135 51,14.19 135 52,20–53,1 135 67,4ff 136 (AJ) Das Apokryphon des Johannes (Langversion NHC II,1) Belege aus 2,30–31,22 45 30,23–31,31 42 31,11–25 36 31,11–19 46 31,13f 47

158

Register

(ApkAd) Die Apokalypse des Adam Belege aus 64,11–85,1 103 74,2 111 82,19f 102.103 (AuthLog) Authentikos Logos 30,18ff 104 (Eug) Der Brief des Eugnostos 71,22–72,1 111 71,22; 75,2f 110 75,17f; 85,15f 111 (EvÄg) Ägypter-Evangelium (NHC III,2) 49,18f; 51,9;55,3f 111 56,4–13; 60,9–18 109 63,18; 64,3f 103 (EvPhil) Evangelium nach Philippus Spr. 13 104 Spr. 87 104 Spr. 99 107 Spr. 110 104 Spr. 123 104 Spr.125 104.107.122 (EvVer) Evangelium Veritatis (NHC I,3) 17,35 106 (ExAn) Die Exegese über die Seele 134,6–15 36 (ExcTheod) s. 4 Clemens von Alexandrien (HA) Die Hypostase der Archonten 97,4 111 (Herakleon, Frgm.) Fragmente Herakleons 1 125 2 125 5 120 10 120 13 121.122.125 15 121 16 124

18 20 22 23f 23 24 34 35 37f 37 40

121.124.125.126 125 121 121 120.125 125 126 118.121.125 121 107.111.117.125.126 106.107.116.120.121.123.124.125

(LibThom) Das Buch des Thomas 143,31f 104 (2LogSeth) Der zweite Logos des großen Seth 67,7f 111 (Kephalaia) Koptische Manichaica, Manichäische Kephalaia 35,15; 44,8f 136 82,32–83,1 136 (OdSal) Oden Salomos 4,2.3 110 22 49 (OgdEnn) De Ogdoade et Enneade 58,10–13 110 (ParSem) Die Paraphrase des Se¯em 13,2ff; 17,13ff 109 26,2.18f 109 29,13ff.22f 109 33,3–16; 35,10f 109 35,12f 108 35,24.25.27.28.31–34 109 42,25.29 109 47,23–35; 48,24ff 109 (PistSoph) Pistis Sophia 126,14ff; 127,19f.33f 135, Anm. 75 170,8f; 185,3–6 135, Anm. 69 230,16–25 113

159

Register 247,1f.36f 135, Anm. 70 170,9ff; 185,6ff; 247,3ff. 38ff 135, Anm. 71 253,19–35 135, Anm. 74 223,7ff 135, Anm. 77 184,13f; 185,5ff 135, Anm. 78 185,7f 135, Anm. 79 (Rheg) Der Brief an Rheginus 45,25–29; 46,25–27; 48,1–6.18f

27,13–28,16 29,1ff 108

6. Literatur der klassischen Antike

26

(SJC) Die Sophia Jesu Christi (BG 3) 84,6f 110.111 84,9f 111 91,3f 110 92,6f; 108,12f 111 123,10; 125,8f 111 (TractTrip) Tractatus Tripartitus 58,34f 107 98,15f 106 100,28f; 119,16ff 107 119,20f 106 122,12ff 107 (UAW) Unbekanntes altgnostisches Werk 336,21f 110 343,20 109 352,10f 109 367,1 110 (UW) Vom Ursprung der Welt 124,33–125,11 108 125,2.6 102 125,4–6.7–11 108 127,10–14 108 127,14 102 (Valentin, Frgm.) Fragmente Valentins Frgm. 4 107 (Zostr) Zostrianus 4,26–29 103

108

(Arat, phain.) Aratos von Soloi, Phainomena 96–136 132 105–107 134 113 134 133–136 132.139 Hesiod, Werke 197–201 132.139 256f 132.139 Plato (epist.) Epistulae II 312e 127 Gesetze 892a; 896c 110 903b–905d 135 (Phaidr.) Phaidros 245c 110 (Tim.) Timaios 28c 107 30b 105 34c 110 35a 105 69e 106 Ovidius Fasti I 249f

132

(met.) Metamorphoses I 128f 134 (Verg.georg.) Vergilius, Georgica II 474 132

160

Register

Namen und Sachen Arat(os) 131.132.134 Auferstehung 26–30.32.36.37.50.69.84.91 Dike 131–136.138.139 Dualismus (dualistisch) 25.33.34.35.40. 42–48.51.57.61.62.90.119 Gnosis (gnostisch, Gnostizismus) 7.8.10–15.17.19–36.40.41.42.45.46. 47.49.50.51.53.54.57.61.62. 103.104.105.127.128 – jüdische Gnosis 12.14–19.21.48 Hegesipp 13.31 Hymenäus 22.26.30 Joh und Gnosis 7.10. 33–37.41.45.52.57. 61.62.90.140 Joh und der Gebrauch des Perfekts 7.53.69.72. 74.75.83.88–101 Joh und die Synoptiker 7.8.50.51. 52.55.57.62.69.70.73.75.76.80. 81.82.84.87.88.89.92–95 Justin 13–17.21.31 Mandäer, mandäisch 17.36. 47.54.57 Manichäismus 127.128.129.136

Markion 13.21.29.30 Menander 13.28.30 Mythos – gnostischer M. 8.10.11.50. 51.53.54.57.90.127.128.129 – Weisheitsmythos 8.131.136. 137.138 – Weltaltermythos 132.133.134 Nikolaos

30

Pastoralbriefe – Antithesen 21 – Gegner 7.10.11.12.18. 20–33.61 – Irrlehrerbekämpfung 12.18.19. 23–27.31.61 – Gnosis, Gnostiker 10.12.21.23. 24.26.29.30.31.32.61 Philetus 26.30 Salvator-Salvandus-Konzeption 26.27.36.45. 47.57.62 Simon Magus, Simonianer 13.14.28. 29.30.104 Weisheit

128–138