Zur Struktur der verbalen Personalindikation im Gotischen 3922123171, 9783922123170

Die vorliegende Studie, die im Mai 1980 von der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg als Dissertation angen

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Zur Struktur der verbalen Personalindikation im Gotischen
 3922123171, 9783922123170

Table of contents :
I. Einleitung: Das Thema und seine Einordnung in einen allgemeineren Zusammenhang 1
II. Erster Hauptteil: Koexistenz und Konkurrenz zweier Formtypen der Personalindikation (Materialien zum synchronen Aspekt des Themas) 30
III. Zweiter Hauptteil: Zur Genese des pronominalen Indikationstypus (Materialien zum diachronen Aspekt des Themas) 120
IV. Exkurs: Zur Struktur der gotischen Satzfrage 153
V. Schluss: Rückblickende Reflexion auf Grenzen und Möglichkeiten der thematischen Fragestellung der Arbeit 190
VI. Anhang: Nachweis von Textstellen 192

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Linguistik

Literaturwissenschaft

Klaus Mittermüller

Zur Struktur der verbalen Personalindikation im Gotischen

BURG-VERLAG W ISSEN SCH A FT ISBN 3-922123-17-1

Der Verfasser Klaus Mitterm üller ist Akademischer Rat am Deutschen Semi­ nar, Abteilung für vergleichende germanische Philologie und Skandinavistik der Universität Freiburg i. Br. In seinen Arbeits- und Interessenschwerpunkten Mediävistik und vergleichen­ der Grammatik der älteren germanischen Sprachen (unter besonderer Berück­ sichtigung der Morphologie und Syntax) kom m t zum Ausdruck, daß der V er­ fasser sich der übergreifenden Philologie, die Sprach- und Literaturwissen­ schaft nicht getrennt, sondern in ihrem jeweils fruchtbaren Wechselverhältnis sieht, verbunden fühlt.

©

B U R G - V E R L A G · P O S T F A C H 1227 · 7 8 1 5 K I R C H Z A R T E N 1983 Die Vervielfältigung und die Übertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder,auch für Zweckeder Unterrichtsgestaltung,gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag vorher schriftlich vereinbart worden ist. Im Einzel­ fall muß über die Zahlung einer Gebühr für die Nutzung fremden geistigen Eigen­ tums entschieden werden.

ISBN 3 -9 2 2 1 2 3 -1 7 -1 Druck: Reprographischer Betrieb · 7825 Lenzkirch-Kappel - Telefon 07653/381

INHALT

I.

Einleitung: Das Thema und seine Einordnung in einen allgemeineren Zusammenhang

1-30

1.

Gegebenheiten der verbalen Personalindikation 1 - 2 in den frühmittelalterlichen germanischen Sprachen

2.

Synthetische und synthetisch-analytische Bauform: Seitenstücke zu den strukturellen Lagerungen in der verbalen Personal flexion, aufgewiesen an Materialien aus dem Gotischen und dem Althochdeutschen

3-21

A

Konstituierung eines neuen Strukturschemas 3 - 1 1 im Bereich der verbalen Modusopposition, aufgewiesen am Beispiel der Verhältnisse im Althochdeutschen - Verharren des Goti­ schen beim überkommenen Schema

B

Partielle Neukonstituierung einiger sub- 11 - 21 stantivischer Kasus-Oppositionen mithilfe des Artikelsystems im Althochdeutschen Resistenz der synthetischen Bauform in Gestalt der Artikellosigkeit beim sub­ stantivierten Possessivum

3.

Skizzierung der spezifischen Gegebenheiten 22 - 23 der verbalen Personalindikation im Gotischen - Intention und modus procedendi der vorlie­ genden Arbeit

4.

Die gotische Bibel: Datierung, Textüberlieferung, Verhältnis zum griechischen Original, Werkstil

5.

Methodische Anforderungen an die sprachwis- 29 - 30 senschaftliche Interpretation morpho-syntaktischer Ausrichtung

23 - 29

II·

Erster Hauptteil: Koexistenz und Konkurrenz 30 - 120 zweier Formtypen der Personal­ indikation (Materialien zum synchronen Aspekt des Themas) 1·

Der suffigierende Typus

30

- 64

A

Paradigmatische Vorstellung der Form, Rechtfertigung ihrer Ansetzung als Normaltypus

30

- 37

B

Syntaktische Kontextsituationen ihres Auftretens

38 - 64

a

Bei gegenüber der Vorlage v e r ä n d e r t e r syntaktischer Ebene

38-57

α

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent einer Infinitivfügung

38 - 41

ß

"skulan" als Äquivalent von δεΐν

42

- 43

γ

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent eines Acl-Satzes

43

- 45

δ

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent eines Acl-Satzes auf der Basis eines präpositionalen, instrumentalen oder genitivischen Infinitivs mit Artikel

45 - 49

ε

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent eines Acl-Satzes auf der Basis von έν τφ + Infinitiv

49 - 52

ς

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent eines Acl-Satzes auf der Basis von ώστε + Infinitiv

52 - 54

η

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent eines Verbalabstraktums mit Possessivum

55 - 56

θ

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent einer absoluten Genitivfügung

56 - 57

2.

b

Bei gegenüber der Vorlage b e i b e h a l t e n e r syntaktischer Ebene

α

Die junktive Satzfügung um "í (d"

58 - 62

p

Die junktive Satzfügung um "(Daruh"

62 - 64

Der pronominale Typus

58-64

64 - 109

Syntaktische Kontextsituationen seines Auftretens a

Bei gegenüber der Vorlage v e r ä n d e r t e r syntaktischer Ebene

64-88

α

"skulan" bzw· +,,skulds wisan" als Äqui- 64 - 65 valent von δεΐν

ß

Konjunktionaler Nebensatz als Reflex eines griechischen Acl-Satzes

65 - 66

Ύ

Konjunktionaler Nebensatz als Xquivalent eines Acl-Satzes auf der Basis eines präpositionalen Infinitivs mit Artikel

66 - 68

δ

Konjunktionaler Nebensatz als Äqui" valent eines Acl-Satzes auf der Basis von £v τ^5 + Infinitiv

68 - 70

ε

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent eines Acl-Satzes auf der Basis von &στε + Infinitiv

68 - 70

ζ

Konjunktionaler Nebensatz als Äquivalent einer absoluten Genitivfügung mit Exkurs über den Nebentypus mit invertiertem Pronominalindex

70 - 88

b

Bei gegenüber der Vorlage b e i b e h a l t e n e r syntaktischer Ebene

8 8 - 109

α

Die junktive Satzfügung um " í (d"

88 - 92



III·

P

Die junktive Satzfügung um wJ>aruh"

92 - 94

γ

Das Subordinationsgefüge mit Subjekts· alternation

94 - 108

6

Das irreale hypothetische Gefüge

Das synthetische Präsenspassiv sub specie indication!s personae

108 - 109 110 - 120

Zweiter Hauptteil: Zur Genese des pronominalen 120 - 152 Indikationstypus (Materia­ lien zum diachronen Aspekt des Themas)



Reflex einer Tendenz zur Markierung der anaphorischen Relation, aufgewiesen am Gebrauch des Pronomens sa

121 - 122



Das Personalpronomen der 3· Person im Gotisehen: Aufweis des synonymen Gebrauchs vön "is9sifita" und "sa9so,þata”

122 - 139



Analogisch-proportionale Herleitung des pro- 139 - 145 nominalen Indikationstypus als Konsequenz der Kontamination von "is,si,ita” durch "sa9so9 þata"



Stützung unserer Hypothese durch den Nachweis 145 - 150 des anaphorischen Artikels bei Personennamen



Das Zeugnis des altnordischen Personalpronomens

IV. Exkurs: Zur Struktur der gotischen Satzfrage

151 - 152

153 - 190

1.

Frage-Antwort-Relation im Althochdeutschen als Kontrastfolie zu den Verhältnissen im Gotischen

153 - 155

2.

Die.sprachlichen Lagerungen im Gotischen

156 - 190

A

Tonfrage und Partikelfrage

156 - 179

B

Doppelfrage

180 - 185

C

Satzfrage und Negation

185 - 187

D

Ansätze zu einer gotischen Inversions- 188 - 189 frage

V.

Schluss: Rückblickende Reflexion auf Grenzen 190 - 191 und Möglichkeiten der thematischen Fragestellung der Arbeit

VI.

Anhang:

Nachweis von Textstellen

192 - 200

Literaturverzeichnis I.

Textausgaben

Die gotische Bibel, hrsg. v. Wilhelm Streitberg, 6. Aufl., Heidelberg 1971 Unum redivivum folium (das Speyrer Fragment: Mk 16/12 - 20), in: Piergiuseppe Scardigli, Die Goten * Sprache und Kultur, München 1973, pp. 355 - 360 Sancti Hieronymi Epistula LVII ad Pamachium, in: Migne, Patrologia Latina, XXV, p. 571 Sancti Hieronymi Epistula GVI ad Sunniam et Fretelam, in: Migne, Patrologia Latina, XXV, p. 862 Novum Testamentum Graece et Latine, ed. Erwin Nestle et Kurt Aland, Stuttgart 1957 Das Neue Testament, griechisch und deutsch / Novum Testa­ mentum Graece et Germanice, hrsg. v. Erwin Nestle und Kurt Aland, Stuttgart 1973 D. Martin Luther, Die gantze Heilige Schrifft Deudsch, Wittenberg 1545, hrsg. v. Hans Volz, 2 Bände, Darmstadt 1973 Das Neue Testament, neu übersetzt von Franz Sigge, Frank­ furt / Hamburg 1958 The Holy Gospels in Anglo-Saxon, Northumbrian and Old Mercian Versions, ed. by Walter W. Skeats, Cambridge 1871 - 87 The Monsee Fragments, ed. by George Allison Hench, Strass­ burg 1890 Der althochdeutsche Isidor nach der Pariser Handschrift und den Monseer Fragmenten, hrsg. v. Hans Eggers, Tübingen 1964 (ATB 6 3) Tatian, hrsg. v. Eduard Sievers, 2. Ausgabe, Nachdruck Pa­ derborn 1960 Otfrids Evangelienbuch, hrsg. v. Oskar Erdmann, 5. Aufl·, besorgt v. Ludwig Wolff, Tübingen 1965 Edda, Die Lieder des Codex regius .··, hrsg. v. Gustav Nekkel, 3. Aufl·, besorgt v. Hans Kuhn, Heidelberg 1962

II.

Wissenschaftliches Schrifttum

Baum, Richard, "Dependenzgrammatik", Tesnières Modell der Sprachbeschreibung in wissenschaftsgeschichtlicher und kritischer Sicht, Tübingen 1976 Beade, Pietro, A New Look at Gothic tferb Morphology, Leuvense Bijdragen 62, 1973, pp. 313 - 336 Behaghel, Otto, Deutsche Syntax, 4 Bände, Heidelberg 1923 32 Benseler, Gustav Eduard, Griéchisch-Deutsches Schulwörter­ buch, 11. Aufl., bearbeitet von Adolf Kaegi, Leipzig 1900 Blass, Friedrich und Debrunner, Albert, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch, 9. Aufl., Göttingen 1954 Brinkmann, Hennig, Die deutsche Sprache, Gestalt und Leistung, Düsseldorf 1962 Brugmann, Karl, Vergleichende Laut-, Stammbildungs- und Flex­ ionslehre ... der idg. Sprache, Strassburg 1897 - 1916 Campenhausen, Hans, Freiherr von, Lateinische Kirchenväter, 2. Aufl., Stuttgart 1965 Durante, Emidio, Le rispondenze del genitivo assoluto greco nella Bibbia gotica, Atti della Accademia Nazionale dei Lincei, Volume XIV, 1969 - 70, pp. 146 - 207 Eggenberger, Jakob, Das Subjektspronomen im Althochdeutschen, Chur 1961 Erdmann, Oskar, Grundzüge der deutschen Syntax nach ihrer ge­ schichtlichen Entwicklung, Stuttgart 1886 Fourquet, Jean, L*ordre des éléments de la phrase en germa­ nique ancien, Strasbourg 1938 Guillaume, Gustave, Le problème de l'article et sa solution dans la langue française, Paris 1919 Gutenbrunner, Siegfried, Historische Laut- und Formenlehre des Altisländischen, Heidelberg 1951 Hansen, Thorolf, Über gewisse rhythmische Tendenzen im Codex Argenteus, in: Arbok for Universitetet i Bergen, Humanistik Serie 1961, Nr. 3, pp. 1 5 - 2 3 Heinrichs, Heinrich-Maria, Studien zum bestimmten Artikel in den germanischen Sprachen, Giessen 1954 Held, Karl, Das Verbum ohne pronominales Subjekt in der älte­ ren deutschen Sprache, Palaestra XXXI, Berlin 1903

Hodler, Werner, Grundzüge einer germanischen Artikellehre, Heidelberg 1954 Jones, Oscar F., The interrogative particle -u in Germanie, Word 19, 1958, pp. 213 - 223 Jones, Oscar F., Art Thou He Who To Come? in: Middle Ages, Reformation, Volkskunde - Festschrift für John 0. Kunstmann, Chapel Hill 1959, pp. 208 - 214 Kauffmann, Friedrich, Der Stil der gotischen Bibel, ZfdPh 48, 1920, pp. 7 - 80; pp. 349 - 388 Koppitz, A., Gotische Wortstellung ...: "ni", ZfdPh 33, 1901, pp. 12 - 24 Krause, Wolfgang, Die Runeninschriften im älteren Futhark, Göttingen 1966 Kühner, Raphael und Stegmann, Carl, Ausführliche Grammatik der lateinischen Sprache, Neuauflage Hannover 1971 Lippert, Jörg, Beiträge zur Technik und Syntax althochdeut­ scher Übersetzungen, München 1974 Van der Meer, M.J., Gotica: ... Der got. acc.c.inf. in Sub­ jektsätzen und nach swaei und swaswe, PBB 39, 1914, pp. 201 - 209 Mosset, Fernand, Manuel de l’anglais du moyen âge I vieil anglais, Paris 1950 Noreen, Adolf, Altnordische Grammatik I, Tübingen 1970 Nygaard, M . , Norrtfn Syntax, Kristiania 1905 Saussure, Ferdinand de, Cours de linguistique générale, Paris 1962 Scardigli, Piergiuseppe, Die Goten - Sprache und Kultur, Mün­ chen 197 3 Schade, Oskar, Altdeutsches Wörterbuch, Halle 1872 - 82 Schröder, Werner, Die Gliederung des gotischen Passivs, PBB 79, Halle 1957, pp. 1 - 105 Schulze, Wilhelm ,φ Personalpronomen und Subjektsausdruck im Gotischen, in: Beiträge zur germanischen Sprachwis­ senschaft, Festschrift für 0.' Behaghel, Heidelberg 1924, pp. 92 - 109 Standop, Ewald, Syntax und Semantik der modalen Hilfsverben im Altenglischen, Bochum-Langendreer 1957

Stolzenburg, Hans, Die Übersetzungstechnik des Wulfila, ZfdPh 37, 1905, pp. 145 - 193 und pp. 352 - 392 Tesnière, Lucien, Éléments de syntaxe structurale, Paris 1959 Thompson, Edward Arthur, The Visigoths in the Time of Ulfila, Oxford 1966 Trutmann, Albertine, Studien zum Adjektiv im Gotischen, Berlin-New York 1972 Wartburg, Walter v., Einführung in die Problematik und Metho­ dik der Sprachwissenschaft, Tübingen 1962 Werner, Otmar, Vom Formalismus zum Strukturalismus in der hi­ storischen Morphologie, ZfdPh 84, 1965, pp. 100 - 127 Zinsmeister, Hans, Griechische Grammatik, München 1954

VORWORT Die vorliegende Studie, die im Mai 1980 von der Philo­ sophischen Fakultät der Universität Freiburg als Dissertation angenommen wurde, ist das Ergebnis eines längeren, sehr per­ sönlich bestimmten Weges ihres Verfassers· Das Thema ist germanistisch, in seinem Zustandekommen angeregt durch frühzeitig erwachte und besonders durch die Lektüre der Werke Jacob Grimms bestärkte Freude an der klanglichen Schön­ heit und dem erstaunlichen Formenreichtum der alten germani­ schen Sprachen, insbesondere des Gotischen. Methode und begriffliches Instrumentarium der sprachwissen­ schaftlichen Interpretation hingegen verdanke ich meinem zwei­ ten Studienfach, der Romanistik, und zwar fast ausschliesslich meinem sehr verehrten Lehrer Olaf Deutschmann. In seinen Vor­ lesungen und Übungen lernte ich neben anderen sprachwissen schaftlichen Beschreibungsmodellen die Dependenzgrammatik Lu­ cien Tesnières kennen, die mit ihrer Beschränkung auf die Ana­ lyse syntaktischer Oberflächenstrukturen in einer meiner per­ sönlichen Veranlagung und Interessenausrichtung gemässen Weise anschauungsnahes, gestalthaftes Denken aktiviert und sich beim Umgang gerade auch mit alten Texten m. E. schon vielfach be währt hat. Was das regelbildende Verfahren der Grammatik betrifft, so ha­ be ich immer wieder die folgende ebenso einfache wie tiefgrei­ fende Maxime Goethes bestätigt gefunden: MDas Allgemeine und das Besondere fallen zusammen. Das Besondere ist das Allgemei­ ne,unter verschiedenen Bedingungen erscheinend.” Diese Arbeit hätte nicht geschrieben werden können ohne die be­ ständige Gesprächsbereitschaft und die unermüdliche, selbstlos aufopfernde Hilfe meiner Frau: Ihr möchte ich von ganzem Her­ zen Dank sagen 1

Freiburg, im Oktober 1982

Klaus Mittermüller

Für die Konjugation des Indogermanischen ist es be­ kanntlich charakteristisch, dass das Verbum hinsichtlich seiner grammatischen Person durch seine Flexionsendung ausreichend gekennzeichnet ist und einer zusätzlichen In­ dikation durch das Personalpronomen, wie sie beispielsweise für das heutige Deutsch weithin obligatorisch ist, nicht

η

bedarf . Dieser Status einer suffigierenden Personalindika2 tion ist dem Griechischen ebenso eigen wie dem Lateini3 sehen und ist auch für die Mehrzahl der romanischen Spra4 chen konstitutiv · Was nun das Germanische betrifft, so scheint er sich hier bereits in einer frühen Schicht sprach­ licher Überlieferung nicht mehr unangefochten geltend zu machen: Lässt sich doch zeigen, dass eine Anzahl urnordischer Runendenkmäler1 67 Reflexe des neuen mit einem pronomi­ 5 4 3 2 nalen Indikator arbeitenden Verfahrens aufweist, welches zu dem alttradierten Flexionstypus in Konkurrenz getreten ist6. Deutlicher noch als in Skandinavien freilich ist das 7 neue Indikationsschema im Gotischen bezeugt , wo es,

1

2 3 4

5

6 7

K. Brugmann, Vergleichende Laut-, Stammbildungs- und Flexionslehre, nebst Lehre vom Gebrauch der Wortformen der idg. Sprache, 2. Bearb., 2. Bd., 2. Teil, Strassburg 1911, § 388 E. Schwyzer, Griech. Grammatik, München 1950, 2. Bd., pp. 187 f. R.Kühner-C.Stegmann, Ausführliche Grammatik der latei­ nischen Sprache, Neuauflage Hannover 1971, 2. Teil, Bd. I, § 116 Ausnahmen bilden das Französische, das Rätoromanische und einige oberitalienische Mundarten, sh. W. v. Wart­ burg, Einführung in die Problematik und Methodik der Sprachwissenschaft, Tübingen 1962, pp. 64 u. 65 Sh. hierzu W. Krause, Die Runeninschriften im älteren Futhark, Göttingen 1966 Ders. Die Sprache der urnordischen Inschriften, Heidelberg 1971, p. 139 Als Beleg für die Koexistenz beider Typen sei hier nur Seeland II zitiertf hariuha haitika farauisa. gibu au ja (Krause 1966, p. 262) Vgl. W. Schulze, Personalpronomen und Subjektsausdruck im Gotischen, in: Beiträge zur german. Sprachwissen­ schaft, Festschrift für 0. Behaghel, Heidelberg 1924, pp. 92 ff.

2

wie wir noch sehen werden, bereits in beträchtlichen Ansätzen vorhanden ist, ja sich in bestimmten strukturellen Positionen ο sogar schon grammatikalisiert haben muss . Freilich bleibt, wie wir in dieser Arbeit zu erweisen oder doch wenigstens wahrscheinlich zu machen-suchen werden, das alte rein suffi­ gierende System dennoch das vorherrschende: Die Koexistenz und Konkurrenz beider Fügungstypen ist zwar deutlich angebahnt, von einem entschiedenen Rückgang des älteren Sprachgebrauchs kann aber, wie noch zu zeigen sein wird, wohl nicht gespro­ chen werden. Für die später bezeugten frühmittelalterlichen germanischen Einzelsprachen konstatiert man vom Beginn der Überlieferung an ein entschiedenes Überwiegen des jüngeren Indikationstypus. Dies gilt einmal für das Althochdeutsche, wo sich in den Texten des 8. und 9. Jahrhunderts bis hin zu Otfried das ältere System noch in einer nicht ganz un9 beträchtlichen Reliktposition gehalten hat , und dies gilt noch mehr für die drei nordseegermanischen Dialekte Angel10

sächsisch , Altsächsisch und Alt friesisch, wo das Subjekts­ pronomen in der Prosa obligatorisch ist. Das Altnordische hat in ganz bestimmten funktionalen Positionen das alte System bewahrt 11 , kennt die eingliedrige Verbal form darüber hinaus besonders in poetischen Texten

12

, hat jedoch im grossen

und ganzen ebenfalls das Subjektspronomen zum obligatorischen Personalindex gemacht.* I

8 9

10 11 12

Sh. diese Arbeit pp. 88 - 90 sowie pp. 112 - 120 Sh. K. Held, Das Verbum ohne pronominales Subjekt in der älteren dt. Sprache, Palaestra XXXI, 1903 J. Eggenberger, Das .Subjektspronomen im Althochdeutschen, Chur 1961 Sh. F. Mosset, Manuel de l ’anglais du moyen-âge, I Vieil-Anglais 1, Paris 1950, p. 143 M. Nygaard, Norrpn Syntax, Kristiania 1905, §§ 9 - 17 Sh. beispielsweise: Edda, Die Lieder des Codex regius, ed. G-. Neckel/H. Kuhn, Heidelberg 1962: Br 7/2, Br 8/2, Br 10/3, Br 16/6, Akv 20/1, Akv 24/1, Akv 36/1

3

Die somit in den Einzelsprachen früher oder später überall weithin durchgedrungene Neuregelung im Bereich der personalen Konjugation ist aber nur

e i n e r

von

d r e i

grossen grammatischen Aspekten, unter denen sich im Germa­ nischen der Übergang vom synthetischen zu einem gemischten synthetisch-analytischen Sprachgebrauch vollzieht 13 . So zeigt sich im Bereich der verbalen M o d u s opposition der Wan­ del darin, dass neben den alten suffigierten konjunktivischen 14 Modus in seinem optativischen Teilbereich eine komplexe Umschreibung tritt, in der das modale Hilfsverb ahd. muaz/ muoz, altsächs. möt, ags. möt, morphologisch zur Gruppe der Präterito-Präsentia gehörig, sich den Infinitiv eines Voll­ verbs unterordnet und kraft seiner Bedeutung sowie kraft eigener konjunktivischer Disposition das syntaktisch sub15 ordinierte Verb in diesen Modus überführt Betraf die soeben beschriebene Genesis eines neuen analy­ tischen Flexionssystems in gleicher Weise wie die oben be­ sprochene Auslagerung der Personalindices im Bereich der Konjugation das

V er b u m , so tangiert der nunmehr an

dritter Stelle anzuführende Sprachwandel das S u b ­ s t a n t i v . Das in Bezug auf dessen Realisation in der Rede sich herausbildende A r t i k e l System vermag näm­ lich Teile der Nominal flexion zu antizipieren und diese auf solche Weise aus dem Substantiv selber auszugliedern.

13

14

15

Diese letztere Begriffsbezeichnung ist deshalb zutref­ fender als die traditionell gebräuchliche, weil einmal wichtige Formensysteme wie z. B. die ablautenden Präter­ ita bis heute weitgehend der "Analyse" widerstanden haben, zum andern aber auch, weil dort, wo sich ana­ lytische Bildungen einstellen, die synthetischen weit­ hin mit diesen koexistieren, wie es zumindest in den mittelalterlichen germanischen Einzelsprachen der Fall ist. Im Teilbereich des Konjunktivs der U n s i c h e r ­ h e i t , auf den wir hier nicht eingehen wollen, liegen die Dinge anders. Hier wird die alte synthetische Form von einer Fügung mit westgerman. ^magan konkurrenziert, die nicht in allen Fällen konjunktivisch disponiert ist. Zu den Verhältnissen im Angelsächsischen sh. E.Standop, Syntax und Semantik der modalen Hilfsverben im Altengli­ schen, Bochum-Langendreer, 1957

4

Im folgenden wollen wir diese beiden Tendenzen des Sprachwandels anhand einiger Beispiele kurz vorstellen, um so den von der vorliegenden Arbeit thematisch zu behandelnden Komplex des Wandels im Bereich der verbalen Personalindikation einleitend in den allgemeinen Zusammenhang der Ausgliederung der Flexion im Gotischen und Germanischen einzufügen. Wir gehen dabei zunächst von einem der jüngeren altgermanischen Dialekte, dem Althochdeutschen, aus, um vor der Kontrast­ folie der dort herrschenden grammatischen Strukturen die entsprechenden Gegebenheiten im Gotischen abheben zu können. Wir betrachten ein Beispiel für die Verhältnisse im Bereich des Optativen Konjunktivs, wie sie sich in der Sprache Otfrieds von Weissenburg darstellen: Mit allen unsen kreftin er unsih uns zi leide Thaz wir fon then bilden

bittemes nu druhtin, fon then guaten ni qisceide; mit leidu ni qisceiden,

wir unsih in then riuon 5

ni muazin io biscowon.

Thaz s^. uns thiu wintworfa in themo urdeile helfa, iz unsih mit giwelti ni firwae unz in enti; Joh in fiure after thiu thar ni brinnen io so spriu, wir mit ginadon sinen then wewon bimidens Thaz hirta sine uns warten

10

joh unsih ouh nirwannon Wir unsih muazij'wsamanon mit werkon filu riche In hoho guallichi, bimiden theso grunni

15

20

inti unsih io qihalten uzar then gotes kornon$ zen gotes druttheganon,

zi themo hohen himilriche; theist avur thaz himilrichi; thuruh thio ewinigon wunni,

Joh muazin mit then druton thés himilriches rTiot£n, then spihiri iamer suazan mit salidan niazan, Thaz heilega kornhus, thaz wir ni faren furdir uz, mit sinen unsih fasto Joh wir thar muazin untar in ■ #* ■ fon ewon unz in ewon

frewen thero resto; blide fora gote sin -mit then heilegon selonlAmen. Otfrid I, 28, 1-20

Der vorliegende Spiritaliter-Komplex, eine vom .Einfluss latei­ nischer Vorlagen oder auch literarischer Vorbilder freie Eigenschöpfung des karolingerzeitlichen Dichters, konsti­

5

tuiert sich als ein einziges grosses Satzgefüge

"16

· Dem re­

gierenden Hauptsatz, der einen Gebetsaufruf ausspricht ("bittemes nu druhtin"), sind in der Figur der Anapher eine Reihe von Objektsätzen untergeordnet, die, in genau symmetrischer inhaltlicher Zweiteilung, das Gebetsanliegen explizieren: Die Verse 2 - 1 0 beschreiben in mehrfachen Aspekten die Schrecken der Verdammnis, deren Abwendung erfleht wird, die Verse 10 20 ebenso in mehrfachen Aspekten die Freuden der Aufnahme in den Himmel, die voll^Sehnsucht begehrt werden. Die ihm eigene Dynamik erhält das Textstück vornehmlich von der es tragenden Reihe von Verben, die, durchaus in konjunktivischer Modalität disponiert, Wünsche und ébenso Ängste des Sprechers zum Aus­ druck bringen, und zwar alternieren (jeweils durch einfache bzw. doppelte Unterstreichung sichtbar gemacht) zur gramma­ tischen Bezeichnung dieser Modalität die alten, durch Suffixe gekennzeichneten Wunschkonjunktive mit Modalverbkonstruktio­ nen um ahd. muaz, welchem als Präterito-Präsens die Bedeutung "mir ist vergönnt, ich darf, ich kann" bzw. "mir ist verhängt, ich muss" zugeordnet ist 17 und welches in dieser grammatischen Fügung seinerseits in den Konjunktiv tritt. Dass dabei die komplexere Struktur im Bewusstsein des Sprechers als Synonym­ bildung zu der einfacheren betrachtet wird, geht aus der syn­ taktischen Parallelisierung der beiden Fügungen hervor: "Thaz

16

17

Dass die durch den von "bittemes" regierten Hauptsatz oingeleitete Periode nicht bloss, wie man beim ersten Lesen der Stelle glauben könnte, die eine Hälfte der zwanzig Langzeilen des Abschnitts, sondern über Vers 10 hinausgehend den Spiritaliter-Komplex als Ganzes umspannt, geht aus der Wortstellung von Vers 11 hervor: "Wir unsih muazin samanon zen gotes druttheganon". Die Stellung des Pronomens unsih v o r der regierenden Verbform muazin kann angesichts des von Jean Fourquet für das Alt­ hochdeutsche erarbeiteten Wortstellungssystems nämlich lediglich den Positionsregeln des N e b e n s a t z e s entsprechen (vgl. das Werk des genannten Autors :"L·ordre des éléments de la phrase en germanique ancien, Paris 1938, pp. 120-156). Das Metrum, dem zuliebe Otfried die Wortstellungsregeln seiner Sprache modifizieren könnte, verhält sich in diesem Falle neutral: Die Folge* "Wir muazin unsih samanon" hätte eine ebenso willkommene Halb­ zeile ergeben wie die Sequenz "Wir unsih muazin samanon". Vgl. 0. Schade, Altdeutsches Wörterbuch, Halle 1872 - 82, Artikel "muozan"

6

wir fon then bilden then riuon

mit leidu ni gisceiden, wir unsih in

ni muazin io biscowon" (v. 3-4) ί Konjunktiv­

form und Hilfsverbkonstruktion liegen syntaktisch gesehen auf gleicher Ebene, und dieses Verhältnis wiederholt sich in den 18 Zeilen 14/15 und 18/19, nur dass dort die junktive Beziehung , in der die beiden wünschenden Äusserungen zueinander stehen, durch das Wort

joh

noch ausdrücklich markiert ist, Nach dem

in den beiden zuletzt angeführten Textabschnitten auftreten­ den "joh” erwartet man, dass der von diesem eingeleitete paral­ lele Gliedsatz wie schon dar vorhergehende von einem im Kon­ junktiv disponierten Verb regiert werde; tatsächlich stellt sich aber in beiden Fällen eine Konstruktion mit einem moda­ len muaz ein· - Wollte man der Vollständigkeit halber noch einen besonderen Nachweis der synonymen Verwendung beider fraglicher Verbal formen auch in einfachen Hauptsätzen ver­ langen, so liesse sich hierfür das folgende Beispiel anführen: II

Regula therero buachi uns zeigot himilrichi; thaz nieze Ludowig io thar thiu ewinigun gotes jar! Niazanmuazi thaz sin muat,

io thaz ewiniga guat; Gtfrid, Ad Ludov· 91 - 93 · -

Wenn wir aufgrund der angeführten Textzitate die syntaktische Fügung aus dem konjunktivisch disponierten "muaz" und dem In­ finitiv eines untergeordneten Verbs als Synonymbildung zur synthetischen Konjunktivform ansprechen, so ist dabei natür­ lich in Rechnung zu stellen, dass es sich streng genommen nur um eine angenäherte Synonymie, um Bedeutungs ä h n l i c h k e i t handelt; liegt es doch auf der Hand, dass die Spre­ cher des Althochdeutschen schon angesichts des häufigen Ge­ brauchs von "muaz” auch unabhängig von der den Konjunktiv konkurrenzierenden Fügung eine Differenz zwischen dieser und der synthetischen Verbform realisiert haben. Dass sie

18

Zum syntaktischen Begriff der Junktion vgl. L. Tesnière, Éléments de syntaxe structurale, Paris 1959, pp. 323 358

7

nichtsdestoweniger beide Formen in funktionaler Hinsicht mit­ einander gleichgesetzt haben, zeigt nicht nur Otfrieds junktives joh, das beide syntaktisch miteinander parallelisiert> dass im Zuge der weiteren Sprachentwicklung auf die ältere Form immer weniger Wert gelegt wurde, tritt nämlich eindrucks­ voll im Übergang vom Althochdeutschen zum Mittelhochdeutschen hervor: Waren im Althochdeutschen auch heim synthetischen Mo­ dus die jeweiligen Oppositionsschernata zum Indikativ noch weitgehend intakt, so ist beim Übergang zum Mittelhochdeut­ schen in einer ganzen Reihe von Positionen eine Homophonie der 19 beiden Modi eingetreten ^. In diesem Stadium ermöglichte al­ lein der Rekurs auf die Hilfsverbkonstruktion in allen Posi­ tionen eine Abhebung des Optativen Modus vom Indikativ, wie das beigefügte Schema verdeutlichen möge: Die Modusopposition im Mittelhochdeutschen I.

Das alte :Schema Indikativ - Konjunktiv ih lebe = du lebest = er lebet Φ wir leben = ir lebet si lebent Φ

II. Das neue , Schema Indikativ - Hilfsverb (im Konjunktiv) + Infinitiv

ih lebe

ih lebe

du lebest er lebe wir■ leben ir lebet

du lebest Φ er lebet Φ wir leben Φ ir lebet Φ

si leben

si lebent Φ

Φ

ih müeze leben du müezest leben er müeze leben wir müezen leben ir müezet leben si müezen leben

Offensichtlich hat schon vor der Abschwächung der Endsil­ ben, wie sie für das Mittelhochdeutsche konstitutiv ist, die analytische Bildung vor der synthetischen im Sprachgebrauch den Vorzug erhalten, sonst hätte der alte konjunktivische Mo­ dus kaum in einem derartigen Umfang defektiv werden können. Blicken wir vom Althochdeutschen auf das Gotische und betrachten wir das Verhältnis von Modus und Modalverb in einer germanischen Sprache des 4. Jahrhunderts, so finden wir dort andere, strukturell altertümlichere Gegebenheiten vor. Die

19

Vgl. hierzu auch 0. Werner, Vom Formalismus zum Struk­ turalismus in der historischen Morphologie, ZföPh 84, 1965, pp. 100 - 127

sprachinhaltiche Kategorie des Optativs wird hier - wenig­ stens in den aus dieser Zeit vorliegenden Texten - ausschliess­ lich durch den synthetischen Modus ausgedrückt: III

í Jd

guþ ·.. qibai izwis Jsata samo frajDjan ...

ο δε θεός ... δφη ύμιν το αύτδ φρονεΐν ... R 15/5 IV

jai, broþar, ik þeina niutau in fraujin; anaþrafstei t meinos brusts in Xristau. ναι, όΓόε*λφέ, έγώ οου' όναίμην εν κυρι^· άνάπαυσόν μου τ& σπλάγχνα iv Χριστή. Phiiem.20

Als etymologische Entsprechung des ahd. muoz finden wir got. gamöt, "Raum finden”, welches das griech. übersetzt und einem lat. capere entspricht V

20

... waurd mein ni qamot in -izwis. ... ό λόγος δ έμδς ού χωρεΐ έν ύμΐν. J 8/37

VI

qamcteima in izwis: χωρή,σατε ήμας·

VII

^ ?

jah suns gaqemun managai, swaswe juþan ni qamostedun nih at daura, jah rodida im waurd. καί ευθέως συνόχθησαν πολλοί, ώστε μηκέτι γωοεΐν μηδ^ τδ προς την θύραν, καί έλάλει αύτοΐς τον λόγον. Μκ 2/2

Im Gotischen finden wir, wie aus den angeführten Beispielen hervorgeht, "gamötan” nur als V o l l verb belegt. Dass .eine entsprechende Verwendung von ahd. muaz (muoz) wohl nicht mehr möglich war, legt die Übersetzung der angeführten Stelle J 8/37 in der Tatianschen Evangelienharmome nahe:

20

Vgl. hierzu W. Streitberg, Die got. Bibel, II. Teil: Gotisch-griechisch-deutsches Wörterbuch, 2. Aufl., Heidelberg 1928

9

VIII

... uuanta min uuort ni bifahit in iu. ... quia sermo meus non ç^pij: in vobis. Tat. 131/15 20a

Wäre ahd. muaz (muoz) zur Zeit der Tatian-Übersetzung noch Vollverb gewesen, so hätte an dieser Stelle die Gelegenheit bestanden, das Präterito-Präsens zu gebrauchen, das ja, wie aus den obigen Beispielen ersichtlich ist, in der got. Bibel­ übersetzung einem lat. capere genau entsprochen hätte. Dass die Wahl statt dessen auf ahd. bifahan gefallen ist, ergibt sich eben daraus, dass das Präterito-Präsens im Althochdeut­ schen nur noch als modales Hilfsverb, nicht mehr als Voll­ verb fungieren kann. Eine weitere Differenz zum Althochdeutschen bildet die Präfigierung des got. Verbums durch die Vorsilbe ga-. Könnte nun das in der Wulfilabibel allein belegte ,Tga-mötan" den Schluss auf die Existenz eines entsprechenden unpräfigierten +mötan nahelegen, wie wir es für eine mögliche Optativ-Um­ schreibung gemäss der Seitenstücke im Althochdeutschen doch wohl ansetzen müssten? Für eine solche Annahme spricht die Tatsache, dass einem "magan” ("können,vermögen”) ein "gamagan” 21 ("gelten”) gegenübersteht, ein Entsprechungsmuster , welches übrigens auch im Althochdeutschen erscheint: "mugan” ("posse") 22

^"qimuqan” ("praevalere,sufficere") . Das Simplex ist, wie ersichtlich, jeweils stärker grammatikalisiert als das präfigierte Verb. Lässt das sich als Parallele anbietende Verhält­ nis zwischen "magan" und "gamagan" die Verwendung eines Hilfs­ verbs +motan im Gotischen als durchaus im Bereich des Mögli­ chen liegend erscheinen, so würde eine solche Erschliessung durch eine Erwägung wie die folgende allerdings wieder in Fra­ ge gestellt werden: Hält man nämlich nach einer lexikalischen Entsprechung zu der althochdeutschen Wendung muaz (muoz) + Infinitiv im Gotischen Ausschau, so stösst man auf die Fügung

20a

21 22

Die altenglischen Evangelien verwenden an dieser Stelle die Verba wunian und niman (The Holy Gospels in AngloSaxon, Northumbrian and Old Mercian Versions, ed. by Walter W. Skeat, Cambridge 1871 - 87, Johh VIII/37). Vgl. Streitbergs Glossar zur gotischen Bibel Tatian, hrsg. v. E. Sievers, 2. Ausgabe, Nachdruck Paderborn 1960, Glossar

10

skuld ist + Inf. griech. Verbform Ahd.:

IX

-

22a

, welche eine entsprechende Bildung um die ‘εξεστι,ν wiedergibt:

muoz man

23

in virratagum heilan?

si licet sabbatis curare? Got.:

X

Mons.Matth.XII/10 skuldu ist in sabbatim þiuþ taujan ... ? εξεστιν έν σάββασιν άγαθοποιησαι .·· ; Mk 3/4 Die lat. Entsprechung zu Zitat X lautet: licet sabbatis benefacere ... ? Mc 3/4

Wir sehen: Die Bedeutung "es steht frei, es ist erlaubt, es . ist möglich, man kann1124 ist im Gotischen im Gegensatz zum Althochdeutschen, wo ihr das Hilfsverbum muaz (muoz) + Inf. 25 entsprechen würde, durch "skuld ist" reflektiert , und es be­ steht so gesehen gar keine Notwendigkeit zur Grammatikalisier­ ung des Verbums +motan. Man wende hiergegen nicht ein, dass "skuld ist" auch einem griech. δει (lat.oportet) entsprechen kann, denn das Oszillieren zwischen den Bedeutungen "können" und "müssen" ist ja auch für das ahd. muaz (muoz) charakteri­ stisch. Wenn es in Licht dieser Gegebenheiten mithin als durchaus nicht undenkbar gelten kann, dass ein H i 1 f s verb +mötan im Gotischen gar nicht existiert"^, so würde eine sol-* 6 5 4 3 2

22a 23 24 25 26

Auch auf das Präterito-Präsens binah = "es ist erlaubt, es ist nötig" wäre in diesem Zusammenhang hinzuweisen (sh. wiederum Streitbergs Glossar). Das ahd. Präterito-Präsens kann natürlich auch persönlich konstruiert werden (sh. Mons.Matth.XII/2). Sh. G. Benseler - A. Kaegi, Griech.-dt. Schulwörterbuch, Leipzig 1900, Artikel εξειμι , p. 264 Sh. das Glossar von W. Streitberg Der Einwand, dass Wulfila ein im Gotischen neben "skuld ist" vorhandenes synonymes Hilfsverb +mot etwa deshalb nicht in seinen Text aufgenommen hätte, weil es, anders als "skuld ist", in seiner grammatischen Valenz von griech. δει abgewichen wäre (für +"mot" wäre durchge­ hend ein erster Aktant, für "skuld ist" lediglich poten­ tiell ein dritter Aktant anzusetzen), ist unseres Erach­ tens nicht begründet. Wulfila legt auf lexikalische wie morpho-syntaktische Variation des Ausdrucks auch in Ab­ änderung seiner Vorlage grossen Wert, und dass er im Fall des Gebrauchs eines Hilfsverbs +motan eine Umdisponierung der Verbalvalenz vom Griechischen zum Gotischen (Meta taxe) nicht gescheut hätte, bezeugt unter anderem unser Beispiel VI (sh. oben p. 8).

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che Annahme die Konkurrenzierung des Optativen Konjunktivs durch eine analytische Bildung, wie sie im Althochdeutschen und überhaupt im Westgermanischen zu konstatieren ist, hin­ fällig machen, so dass wir für die Sprache Wulfilas, was die Formation der optativischen verbalen Modalität betrifft, zu­ mindest mit einem hohen Grad von Wahrscheinlichkeit noch den Status einer unveränderten synthetischen Struktur ansetzen . .. . 26a konnten Nachdem wir im vorhergehenden die Koexistenz von synthe­ tischer und gemischter synthetisch-analytischer Flexion am Beispiel der Verhältnisse in der verbalen Modusopposition aufgewiesen haben, wollen wir uns nunmehr dem Bereich des Sub­ stantivs zuwenden, wo uns in Bezug auf die Ausbildung des Ar­ tikelsystems teilweise analoge Befunde entgegentreten. Wählen wir zur Darlegung dieser Befunde wiederum Beispiele aus dem Althochdeutschen der Zeit Otfrieds; Markierung der morphologischen Opposition Nom.Sg. £ Akk.Sg. durch den ahd. Artikel: a) durch den Artikel ther ther brunno (Nom.) thiu zunga^ (Nom.) b)

Φ Φ

then brunnon (Akk.) thia zungun (Akk.)

durch den Artikel ein ein_brunno (Nom.) ein .ein(i)u zunga (Nom.)

Φ ί

einan brunnon (Akk.) eina zungun (Akk.)

Präformiert, wie wir aus den angeführten Beispielen ersehen, die jeweilige Form des Artikels die Nominal flexion, so sind doch die Artikel ihrerseits keineswegs selbst etwa als anti­ zipierte Flexionszeichen anzusprechen. Wir müssen uns somit die Frage vorlegen, y a s denn die Artikel am Substantiv eigentlich indizieren, mit anderen Worten, worin denn die Homophone Formen von Indikativ und Konjunktiv I sind im Gotischen, soweit wir sehen, nur in folgenden Po­ sitionen festzustellen: zweite schwache Verbalklasse: 1. u. 2. Singular, 2. Plural, 2. Dual; dritte schwa­ che Klasse: 2. Singular, 2. Plural.

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Funktion der Artikel überhaupt besteht. Leider gewährt uns nun das vorliegende wissenschaftliche Schrifttum für die älteren Sprachstufen des Deutschen und Germanischen in dieser Hinsicht keine ausreichende Orientierung, was unseres Erachtens einmal darauf zurückzuführen ist, dass die konventionelle Terminolo­ gie mit ihren Korrelatbegriffen des sogenannten bestimmten und unbestimmten Artikels den sprachlichen Gegebenheiten nicht an­ gemessen ist, zum andern aber auch darauf, dass keine der bei27 den vorliegenden Artikel-Monographien den Artikel ein, der immerhin seit dem 9. Jahrhundert mit dem Artikel ther koexi­ stiert, in ihre Untersuchung einbezieht. Auf der Suche nach einer angemessenen Terminologie für das Artikelsystem erwächst uns nun eine Hilfe aus der Tatsache, dass der Artikel kein ein­ zelsprachliches Phänomen ist, dass er sich vielmehr in einer grossen Anzahl von Sprachen zu einer ganz bestimmten Grundge­ stalt herausgebildet hat. "Hätten wir", schreibt W. Hodler, "das Werden des Artikels in e i n e r Sprache wirklich ver­ standen, so würden wir im wesentlichen auch über alle anderen Artikelsprachen Bescheid wissen; denn nicht allein der Aus­ gangspunkt, auch das Ergebnis ist ja überall fast dasselbe. Eine weitgehende Gleichartigkeit des Entwicklungsverlaufs wird 28 dadurch vorausgesetzt." Der Artikel ist demnach nicht nur Gegenstand der deutschen und germanischen Sprachforschung, er ist auch Gegenstand der allgemeinen und vergleichenden Sprach­ wissenschaft. Deren klassischen Beitrag zu diesem Thema stellt nun G. Guillaumes Monographie "Le problème de l’article et sa 29 solution dans la langue française" dar, welche ausgehend vom Französischen unter umfassender Berücksichtigung einer ganzen Reihe von anderen europäischen Artikelsprachen Wesen und Funk­ tion dieses syntaktischen Index in der Theorie wie in der Text­ dokumentation paradigmatisch erhellt. Die Terminologie dieses Werkes wollen wir auf die sprachlichen Lagerungen im Deutschen2 9 8 7

27

28 29

H.M.Heinrichs, Studien zum bestimmten Artikel in den german. Sprachen, Giessen 1954 W.Hodler, Grundzüge einer german. Artikellehre, Heidelberg 1954 W.Hodler, p. 14 Paris 1919

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und Germanischen, wie sie uns hier beschäftigen, anwenden· Führen wir aber zunächst konkrete Textbeispiele an, und stel­ len wir dazu kurz die traditionelle Terminologie zum Artikel­ system anhand der von diesen repräsentierten Funktionstypen' vor» Historisch auszugehen ist von einem Ein-Artikelsystem, in welchem ein ursprünglich demonstratives Pronomen eine anaphorische Funktion übernimmt^0 . Der Artikel besagt hier lediglich, da/?s der von ihm markierte Person- oder Gegenstandsbegriff im vorhergehenden Kontext der Rede als solcher, als eines seiner Synonyme oder auch durch einen nicht-nominalen Reflex bereits evoziert und dem Sprechenden und seinem Zuhörer somit bekannt; ist· XI

akei und hina dag, mibþanei siggwada Moses, hulistr ligib ana hairtin ize; abþan mibþanei gawandeib du fraujin, afnimada fcata hulistr. άλλ’ 'έως σήμερον W x a αν ávu/ινωσκ^τα ι Ιΐωσης κάλυμμα επί την καρόίαν αυτών κεΐται· ήνικα 61 αν έπιστρέψρ προς κύριον, περιαιρειται το κάλυμιια. k 3/15-16

Die traditionelle Terminologie, wie sie z. B. Hodler verwendet, spricht in diesem Fall von direkter Anaphora''^1 · Auf einer historisch jüngeren Stufe germanischer Sprachent­ wicklung nun, wie sie beispielsweise durch das Althochdeutsche der Tatian-Übersetzung repräsentiert wird, hat der Artikel seinen Funktionsbereich erweitert· Er bezeichnet in diesem Stadium nicht mehr nur die direkte, sondern auch die indirekte 32 Anaphora , wobei diese letztere Position dadurch charakteri­ siert ist, dass der fragliche Substantivbegriff nicht als sol­ cher noch einmal angesprochen, sondern als durch den Vorstell­ ungszusammenhang bereits impliziert schon bei seiner ersten Evokation mit dem Artikel versehen wird· In dem folgenden Zitat entspricht dieser Vorstellungszusammenhang einer Beziehung, wie sie zwischen einem Teil und dem ihm zugehörigen Ganzen besteht; man braucht aber wohl kaum darauf hinzuweisen, dass dies kei­ neswegs das einzige Implikationsverhältnis ist, das vom Arti-3 2 1 0

30 31 32

G. Guillaume, Le problème de l ’article.··, p. 16 W. Hodler, Grundzüge einer germanischen Artikellehre, pp. 28-29 W. Hodler, Grundzüge..., p. 35

14

kel markiert werden könnte; beliebig viele andere Arten die­ ses Verhältnisses bedingen die Setzung des Artikels in glei­ cher Weise, XII

In morgan uuerbenti in bürg hungirita. Inti qisah einan fiqboum nah themo uuege inti quam zi imo inti ni rana niouuiht in imo nibi ekkorodo thitf loubir: noh thanne ni uuas zit thero fiqono. 1 Mane autem revertens in civitatem esuriit. Et videns fici arborem unam secus viam venit ad eam et nihil invenit in ea nisi folia tantum; nondum enim erat tempus ficorum Tat. 121/1

Dass das Gotische in dieser Position noch keinen Artikel kann­ te, geht aus dem folgenden Beispiel hervor, welches mit der Evokation eines Feigenbaumes und seiner Blätter eine Parallele zu dem obigen Zitat aus der Tatian-Übersetzung darstellt: XIII

Abban af smakkabaqma ganimiþ þo gajukon. þan þis juban asts blaqus wairF F jah uskeinand laubos, kunnuþ batei nehwa ist asans. ^Απο 6ε της συκης μάθετε την παραβολήν· is awistris; jah þo_ skal briqqan. jah stibnos meinaizos hausjand, jah wairþand ain aweþi, ains hairdeis. και άλλα πρόβατα εχω α οόκ εστιν έκ της αόλης ταύτης· κάκε^ίνα |4ε δει Αγαγεΐν, καί της φωνής μου άκούσουσιν, καί γενήσονται μία ποίμνη, εις ποιμήν. J 10/16

"Kein Zweifel”, so lautet Schulzes Kommentar zu dem Befund des im Gotischen ausgesparten Personalpronomens, "für Ulfilas gilt zusatzloses "skal" in der Regel durchaus als vollwertige Über­ setzung des zweigliedrigen δει με oder δει αυτόν . Mit ande­ ren Worten: Er hört aus der finiten Verbal form im Satzzusammen­ hang noch ganz vernehmlich den ihr inhärenten Subjektsausdruck heraus, auch wenn dieser, wie in "skal", das die 1. und die 3. Pers.Sg. zugleich vertritt, durch lautliche Prozesse formal 87 unkenntlich geworden ist." Wie unsere Zählung der von Schul­ ze angeführten Beispiele ergibt, weisen 8 der insgesamt 13 einschlägigen Stellen abweichend von der Vorlage den rein suf­ figierenden Indikationstypus auf. Auf den mit 5 Beispielen im­ merhin nicht selten bezeugten Gegentypus mit zusätzlichem pro­ nominalen Subjekt brauchen wir, da sich in funktionaler Hin-

86 87

Zu diesem Begriff sh. L. Tesnière, Éléments, pp. 105 115; pp. 239 - 282 Personalpronomen und Subjektsausdruck, p. 97

43

sicht ein komplementärer Bezug zu der eingliedrigen Verbal­ form anscheinend nicht nachweisen lässt, an dieser Stelle der Arbeit noch nicht einzugehen

88

.

Anschliessend an die soeben behandelten Fügungen um griech. δειν führt Schulze eine weitere Beispielsgruppe an, die er summarisch als "andersgeartete Acl-Konstruktionen" bezeich89 net , ohne eine genauere funktionale Spezifizierung vorzu­ nehmen· Es handelt sich um Syntagmata, in denen Acl-Sätze an Verben der Wahrnehmung, des Wünschens, Befehlens und Bittens angeschlossen sind· Da unsere Deutung des Befundes von der90 jenigen Schulzes abweicht , sind wir diesmal genötigt, die Beispiele vollzählig anzuführen 91 8

··· hausidedun ei_ gatawidedi þo taikn. ... ηχούσαν τούτο αυτόν πεποιηκέναι το σημεΐον. J 12/18

9

AþjDan bidja du guda ei ni waiht ubilis taujaifp, ·.· εύχομαι δΐ πρδς τον θεδν μη ποιησαι ύμας κακόν μηδέν, ... k 13/7

10

Joata nu qiþa jah weitwodja in fraujin ei þanaseiþs niqaqqaijj swaswe jah anþaros þiudos gaggand, ... Τούτο ούν λέγω και μαρτύρομαι εν κυρι-Jungierung ebenso wie im Rahmen eines subordi­ nierenden Gefüges kann das zusammengesetzte Konjugationsver­ fahren im junktiv angeschlossenen bzw. im untergeordneten Satz der Gesamtfügung auch bei Subjektsidentität dann ange­ wandt werden, wenn sich bei einer Substitutionsprobe anhand des suffigierenden Typus die Formen dieses letzteren als mor-# phologisch zweideutig erweisen. Die Leistung des gegen die griechische Vorlage der Verbform hinzugefügten Personalindex ist hier wie dort darin zu sehen, dass er eine rasche und zu­ verlässige Identifizierung der Träger des verbalen Geschehens ermöglicht. Die Funktion des Indikators ist als präzisierend anzusprechen; von der emphatischen Wirkung eines betonten Per­ sonalpronomens ist sie scharf getrennt zu halten. Im Zuge unserer Bemühungen um die Erhellung der Relevanz des subordinierenden Fügungstypus mit Subjektsalternation für das pronominale Verfahren der verbalen Personalindikation im Goti­ schen haben wir nunmehr die zugrundeliegenden s t a t i ­ s t i s c h e n Fakten systematisch zusammenzutragen und in­ terpretierend auszuwerten. Diê Zahl der Belege - sie beläuft 191 sich auf 31 - vermag erst dann Aufschluss über die uns in­ teressierende Frequenz des vorliegenden Konstellationstypus zu gewähren, wenn man sie, was Schulze unterlassen hat, zur Ge-1 0 9

190 191

Sh. oben p. 89 Sh. oben p. 99, Anm. 181

103

samtzahl der Beispiele für die subordinierende Fügung mit Sub­ jektsalternanz in Beziehung setzt. Die benötigte Relationszahl 192 beträgt 480 , der Anteil der Fügungen mit zusätzlichem pronominalen Index macht demnach rund 6,5 % aus 19 3 . Wenn man sich in Ergänzung dieses Befundes noch vergegenwärtigt, dass 335 konjunktionale, relative und interrogative Satzgefüge ihr Sub­ jekt mit dem sie regierenden Hauptsatz g e m e i n s a m 194 haben , wobei von diesen nur ein einziges die zusammengesetz195 te Konjugationsform aufweist , so realisiert man den gerin­ gen Anteil dieser letzteren am subjektsgleichen Subordinations­ gefüge und gewinnt damit eine ins Auge springende Kontrastfo­ lie zu der korrespondierenden Lagerung beim Subjekts v e r ­ s c h i e d e n e n Konstellationstypus: Das Entsprechungs­ verhältnis zwischen Subjektsalternanz und pronominaler Indi­ kation, auf das wir unsere modifizierende Kritik an den Ausführungen Schulzes gegründet haben , erfährt somit offenbar auch von den statistischen Gegebenheiten her eine Bestätigung.1 6 5 4 3 2 9

192

193

194 195 196

Die einschlägigen Textstellen, die wir angesichts ihrer grossen Zahl aus Raumgründen hier nicht anführen können, werden in einem Anhang zu dieser Arbeit nachgewiesen (sh. unten pp. 194 - 196)· Der Prozentsatz erhöht sich auf etwa 6,8, wenn wir den 31 Belegen mit g e r a d e r Wortstellung (Pronominal­ index + Verbform) die beiden hier in Betracht kommenden Zeugnisse für den i n v e r t i e r t e n Typus (Verb­ form + Pronominalindex) hinzufügen, der uns oben be­ schäftigt hat (besonders pp. 84 - 85) und auf den wir in der Folge anlässlich der Erörterung der Probleme der Personalindikation beim synthetischen Präsens-Passiv noch einmal zurückkommen werden. Sh. den Anhang zu dieser Arbeit unten pp. 196 - 198 Sh. oben p. 98, Nr. 104 Sh. oben pp. 99 - 100

104

Den uns gegenwärtig beschäftigenden gotischen Subordina­ tionsgefügen mit Subjektsalternation, die analog strukturier­ ten Fügungen der griechischen Ausgangssprache korrespondie­ ren, stehen - freilich weniger zahlreich bezeugt - parallele Konstruktionen gegenüber, die auf die Ersetzung von Transla­ tionen ersten Grades durch solche zweiten Grades zurückgehen: Genötigt von den Erfordernissen eines idiomatischen gotischen Sprachgebrauchs hat der Übersetzer hier Acl-Komplexe und abso­ lute Genitive in konjunktionale Nebensätze mit finiter Verb197 form überführt · Im Zuge einer weitergreifenden Auswertung der soeben ermittelten statistischen Fakten muss es für uns von Interesse sein, das wechselseitige Frequenzverhältnis der beiden Konjugationstypen im Rahmen dieser Satzgebilde vergleichend heranzuziehen. Wenn sich dabei herausstellt, dass in den unterordnenden Gefügen, welche Acl-Konstruktionen auf der Basis von präpositionalen Verwendungen des Infinitivs mit dem Artikel reflektieren, auf 4 nach der jüngeren Indi­ kationsform disponierte Belege ein einziger nach der suffi­ gierenden Flexion strukturierter entfällt, dass ferner in den Reflexen der Acl-Fügungen im Rahmen eines mit der Präposition έν versehenen substantivierten Infinitivs 9 pronominal in­ dizierte gegenüber 3 suffigierenden Verbformen erscheinen, dass schliesslich bei der Umsetzung der absoluten Genitiv­ fügungen ins Gotische die Zahlenrelation zwischen den beiden Indikationstypen 4 : 4 beträgt1 , dann bezeugen diese Frequenzverhältnisse, auf einen gemeinsamen Nenner ge­ bracht, eindrücklich, dass sich der Gebrauch des zusammenge-1 8 7 9

197 198

198a

Vgl. oben pp. 38 - 58 für die suffigierende und pp. 64 - 75 für die pronominale Personalindikation. Zur Verifizierung dieser Angaben vgl. die Beispiels­ gruppen bei Schulze, und zwar für die erste Frequenz­ relation die Gruppe p. 98, für die zweite diejenige auf p. 99, für die dritte diejenige auf p. 102. Es erübrigt sich fast, darauf hinzuweisen, dass es sich natürlich um Satzfügungen mit Subjektsalternanz handeltl

105

setzten Konjugationsverfahrens im Rahmen der auf Transpositio­ nen der angegebenen Art zurückgehenden Subordinationsfügungen weit stärker zur Geltung bringt, als dies in den entsprechen­ den Satzkomplexen der Fall ist, die bei der Überführung vom Griechischen ins Gotische die syntaktische Ebene unverändert 199 beibehalten . Die Divergenz, welche eine vergleichende Sta­ tistik auf solche Weise zu Tage fördert, ist erheblich. Schul­ ze, der das Problem unter einem von unserer Darstellung ab­ weichenden Gesichtswinkel präsentiert, stellt eine homogene Gesamtkonzeption des Übersetzers hinsichtlich der jeweiligen Entscheidung für das eine oder das andere Indikationsschema überhaupt in Frage, wenn er schreibt: "Inkonsequenzen sind uns schon mehrfach begegnet, Inkonsequenz herrscht aber auch im ganzen. Eine einfache Gegenrechnung zeigt, dass dieselbe Übersetzung, die so oft das griechische Pronomen in neu ge­ formten Nebensätzen unterdrückt1 2002 9 , kaum weniger oft ein go­ 1 0 tisches Pronomen als Subjektsausdruck in Nebensätzen eigen­ mächtig einfügt"20· 1 202. wir unsererseits sind der Ansicht, dass’man versuchen sollte, über diese negative Feststellung hinauszukommen, indem man dip widersprüchlichen Befunde nach ihrer Motivierung befragt. Könnte man sie nicht zumindest par-

199 200 201

202

Es bedarf kaum des Hinweises, dass die Differenz in der jeweiligen absoluten Zahl der beiden Formtypen der Vor­ lage bei dieser Erhebung ohne Auswirkung bleibt. Schulze hat hier jene syntaktischen Rahmenfügungen im Auge, die wir oben pp. 43 - 57 behandelt haben; vgl. auch got.skal, pp. 4 2 - 4 3 Hier wird auf jene Beispielsgruppe Bezug genommen, die nach unserer Rubrizierung unter dem Gebrauchstypus der subjektsverschiedenen Subordinationsgefüge (oben pp. 94 ff.) einzuordnen ist. Schulze p. 105

106

tiell als einen Reflex bestimmter Grundsatzpositionen des Übersetzers gegenüber dem Wortlaut seiner Vorlage interpre­ tieren? Wir möchten die Hypothese vertreten, dass es im Lich­ te des "verbum transferre e verbo"^0 ^ für Wulfila einen Un­ terschied ausmachte, ob, wie im Fall eines Teils der Acl-Fügungen und der absoluten Genitiv-Konstruktionen, die Ausspar­ ung des pronominalen Subjekts, oder, wie im Fall der unver­ änderten Rezeption von Subordinationsgefügen, die Setzung eines in der Vorlage nicht vorhandenen Personalindikators zur Disposition stand: Kürzungen des Textes mochten mit der angestrebten engen Anlehnung an den Wortlaut des Originals eher vereinbar scheinen als Zusätze^0^ 205^ Reflektieren auf diese Weise die suffigierenden Konjugationsformen idioma­ tisch gotischen Sprachgebrauch, so fällt von eben diesen For­ men im Sinne komplementärer Funktionalität auch Licht auf das zusammengesetzte Indikationsverfahren. Wenn Wulfila hier bei

203 204

205

Vgl. oben pp. 28 - 29 Dass Wulfila bei seiner Übersetzungstätigkeit zu morpho-syntaktisch bedingten Kürzungen des gotischen Tex­ tes gegenüber der griechischen Vorlage geradezu gewohnheitsmässig disponiert war, dass diese für ihn die Form fester Entsprechungsmuster (patterns) annehmen konnten, die sein Werk vom Anfang bis zum Ende durchziehen, das beweist das gotische Artikelsystem. Es manifestiert dem Sprachforscher seine Autonomie gegenüber dem Griechi­ schen zu beträchtlichen Teilen gerade darin, dass nicht weniger als die Hälfte aller griechischen Artikel im Gotischen unübersetzt bleiben (W.Hodler, Grundzüge ..., passim). Die Übereinstimmung mit dem griechischen Text ist Wul­ fila natürlich grundsätzlich willkommen. So lässt er bei der Adaptation griechischer Acl-Konstruktionen mit vorhandenem Pronominalsubjekt die zusammengesetzte In­ dikation immerhin zweimal auf die subjektsidentische gotische Periode übergreifen (p.49/Nr.27a; p.68/Nr.57); bei der Übernahme von Subordinationsgefügen mit ein­ gliedriger finiter Verbform im Griechischen geschieht dies, soweit wir sehen, nur in einem einzigen Fall (p.98/Nr.104)·

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der Erstellung seines Textes die Pronomina der Vorlage in den Casus rectus transponiert übernimmt, so entspricht dies origi­ när gotischer Ausdrucksweise und findet, wie wir an früherer 206 Stelle dieser Arbeit aufgewiesen haben , für einen sehr gros sen Teil der Beispiele durch die Subjektsalternation der um­ rahmenden Satzfügungen seine Begründung. Anders liegen die Ver hältnisse bei den unverändert rezipierten Subordinationsgefü­ gen: Reagieren diese, wie oben dargelegt, lediglich in etwa 207 7 % der Belege auf einen Subjektswechsel mit der Einfügung eines gotischen Personalindikators im Nebensatz, so mag sich darin eine dieser Tendenz des gotischen Sprachgebrauchs ent­ gegengesetzte apriorische Position des Übersetzers auswirken, welcher angesichts des Fehlens eines Pronomens im Griechischen auch für diesen syntaktischen Kontext den suffigierenden 208 Flexionstypus zur Norm erhoben hat . Dass diese Norm nicht absolut eingehalten wurde und an 33 von 480 Textstellen sich 209 dennoch ein gotischer Personal index einstellte , dürfte sich aus dem Pioniercharakter der Wulfilanischen Arbeit erklären, bei der Normierungen eben gelegentlich überspielt werden konn­ ten. Dass eine Durchbrechung ,der Norm in gar nicht so seltenen Fällen möglich wurde, ist freilich ein Indiz dafür, dass der Druck neu aufkommender Tendenzen der gesprochenen Sprache auf das gewiss auch in diesem Bereich noch hinreichend verankerte suffigierende System nicht unbeträchtlich war, eine Gegeben­ heit, die wiederum den Eindruck bestätigt, den wir aus der Um­ formung von Translationen ersten Grades ebenso wie aus den von der Partikel if> getragenen Junktivfügungen gewannen: Subjekts­ wechsel und pronominale Personalindikation stehen in einem engen Entsprechungsverhältnis zueinander.

206 207 208 209

Sh. oben pp. 66 - 70 Sh. oben p. 103 Zum Verfahren morpho-syntaktischer Normierung bei Wulfila sh. oben pp. 34/35 mit Anmerkung 7 3 Sh. oben p. 103

108

Dass die zusammengesetzte Konjugationsart im Gotischen über den von ihr bevorzugten Anwendungsbereich subjektsalternieren­ der Fügungen hinaus auf andere syntaktische Konstellations­ typen analogisch ausgestrahlt haben muss, bezeugt eine weite­ re von Schulze für ihren Gebrauch angeführte Beispielsgruppe, die an Umfang hinter den bisher untersuchten allerdings er­ heblich zurücksteht. Sie zeigt "das Pronomen eingeschoben hinter "aibbau" bzw. "ni bau" im Nachsatz einer irrealen hy19 210 pothetischen Periode" , wobei in Ergänzung des von Schulze charakterisierten Befundes noch hinzuzufügen wäre, dass es hierbei nicht auf die Art der Markierung der konditionalen Hypotaxe ankommt: Kann doch der bedingende Satz sowohl durch "jabai" wie auch - im Fall der Verneinung - durch "nih" + Inversion eingeleitet werden. Diese zusätzliche Beobachtung erscheint uns deswegen von Gewicht, weil sie darauf hindeu­ tet, dass der Grund für den Gebrauch des zusammengesetzten Indikationsverfahrens in der sprachinhaltlichen Struktur der syntaktischen Fügung selbst und nicht in der rhythmischen Disposition der Aussage zu liegen scheint. Betrachten wir die 4 Beispiele 106

211

:

... jabai in Saudaumjam waurþeina mahteis þos waurþanons in izwis, aif>f>au eis weseina und hina dag. ... εί έν Σοδδμοις έγένοντο αί δυνάμεις αί γενδμεναι έν σοί. εαεινεν δν μέχοι της σήμερον.

Μ 11/23

210 211

Schulze,ρ. 108 Wir ergänzen den von Schulze erhobenen Befund durch die Angabe von 15 Textstellen, die in gleicher syntaktischer Position die eingliedrige Verbalform aufweisen: M 11/21; J 5/46; J 8/19; J 8/39; J 9/33; J 9/41; J 11/21;J 11/32; J 15/19; J 15/22; J 15/24; J 19/11; L 7/39; R 7/7; Sk 5/13.

109

107

Jabai frijodedeiþ mik, aiþþau jus faginodedeift ei ik gagga du attin, ... εί 'ήγαπατέ με, έχαρητε αν οτ ι πορεύομαι προς τον πατέρα, .... J 14/28

108

Nih wesi sa ubiltojis ni þau weis atqebeima þus ina. εί μη ην ούτος κακοποιός, ούκ αν σοι παρεόώκαμεν αυτόν· J 18/30

109

Jabai habaidedeiþ galaubein swe kaurno sinapis, aiþþau jus qeþeiþ du bairabagma þamma: uslausei þuk us waurtim .·., jah andhausidedi þau izwis. εί έχετε πιστιν ώς H^KHcV σινάπεωςέΧ^ετ^ε αν τρ συκαμινo £gr. αυτήν ) undgreipands handu izos (gr. της yzipbç αυτής ); jah aflailot £o (gr. αυτήν )so brinno suns, jah andbahtida im. Mk 1/29-31

MSie baten ihn für sie” - so heisst es bei Lukas, und Wulfila bedient sich bei der Wiedergabe der obliquen Pronominal form des Demonstrativums sa,so,þata (bi þo); "sie sagten ihm von ihr" - so lautet der Bericht bei Markus, und diesmal ent­ spricht der gotische Übersetzer dem griechischen περί αυτής durch das usuelle Personalpronomen (bi ija).

233b

Die Belege für den g e n i t i v i s c h e n Kasus werden dabei nicht mitgezählt!

124

Beim Vergleich der nun folgenden beiden Aussagen: ” ... er schalt das Fieber, und es verliess sie” und ”und es verliess sie das Fieber” beobachten wir eine Verkehrung der bisheri­ gen Differenz zwischen den beiden Fassungen in ihr genaues Gegenteil: Jetzt nämlich entscheidet sich die Version nach Lukas für das oblique Pronomen ija, während diejenige nach Markus sich des Pronomens Jdo bedient:

I.

”gasok þizai brinnon jah aflailot i ja” gegen

II.

”jah aflailot Jdo so brinno ...”

Es wäre denkbar, dass sich in der Darstellung nach Lukas ”ija” gegenüber ”þo” aus e u p h o n i s c h e n Gründen empfohlen hat: Nehmen wir nämlich eine Substitutionsprobe vor und stellen wir der vorliegenden Version mit ”ija” eine ent­ sprechende mit ”po” zu Seite, so tritt eine Abweichung in der rhythmischen Nuancierung deutlich hervor: I.

Jah atstandands ufar ija gasok þizai brinnon jah aflai­ lot i ja. sunsaiw pan usstandandei andbahtida im.

II.

Jah atstandands ufar ija gasok þizai brinnon jah aflai­ lot +þo. sunsaiw þan usstandandei andbahtida im.

Die Situierung des Pronomens an der rhythmisch empfindlichen Stelle ganz am Ende des Aussage-Kolons lässt dieses dem ihm folgenden Kolon gegenüber in den beiden Textdispositionen jeweils etwas anders gewichtet erscheinen. I. hat gegenüber II. den Vorzug, dass es mit drei wenig akzentuierten Silben schliesst: ” jah aflailot ija”, womit das Kolon ruhig in sich

125

ausschwingt, bevor das ihm folgende neue Kolon einsetzt. Bei der Substitutionsprobe in Gestalt von II. "jah aflailot +f>o" ist die Kadenz nur noch zweisilbig, und durch diese Vermin­ derung um eine Senkung scheint das Kolon gegenüber der wulfilanischen Fassung an abschliessender Rundung gegenüber dem nachfolgenden Kolon eine nicht ganz unbeträchtliche klang­ liche Einbusse zu erleiden. Wenn wir in diesem Zusammenhang bedenken, dass dem deutschen Verbalbegriff lesen im Gotischen vor allem das Zeitwort ussiggwan entspricht, die heiligen Texte den Gläubigen also gewissermassen vorgesungen wur­ den*^4 , und wenn man gleichzeitig in Rechnung stellt, dass sich der Übersetzer Wulfila auch in anderer Hinsicht beson235 ders durch die Feinneit seines Gehörs auszeiahnet , so wird man eine Betrachtung wie die soeben von uns angestellte 2 36 nicht überflüssig finden Abschliessend sei nun noch die dritte Parallelstelle zu der Episode von der Heilung der Schwiegermutter des Petrus an­ geführt, die'sich in Matthäus-Evangelium findet:

234

235 236

"Es wird sich nicht um einen Gesang im vollen Sinn des Worts gehandelt haben, sondern einfach um eine rhythmische ^Modulation, die mit einer Einteilung des Textes in κωλα verbunden ist.1* - P. Scardigli, Die Goten. Sprache und Kultur, München 1973, p.120 Scardigli, p.128 Zum Sprachrhythmus im Bibelgotischen vgl. auch Fried­ rich Kaufmann, Der Stil der gotischen Bibel, ZfdPh 48, 1920, pp.7 - 80; pp.349 - 88

126

123

Jah qimands Iesus in garda Paitraus gasahw swaihron is ligandein jah in heitom. _ jah attaitok handau izos ( αυτής ), jah aflailot i ja so heito ( και άφηκεν αΰτ?)ν δ πυρετός )· Μ 8/14-15

Hier kommt wieder die Variante ija, das eigentliche Perso­ nalpronomen also, zur Anwendung. Der Gebrauch von T ° " mochte sich an dieser Stelle wohl schon deswegen verbie­ ten, weil in diesem Fall durch das viermal hintereinander erfolgende Auftreten eines o im Wortauslaut (+aflailot Jdo so heito) ein störender Gleichklang entstanden wäre. - Zu dem anhand der drei Beispiele beobachteten Wechsel im Ge­ brauch der Pronomina kommt in dem vorliegenden Textzitat noch eine l e x i k a l i s c h e Variation hinzu: Gegen­ über der Lukas- und der Markusstelle wird bei Matthäus das griechische δ πυρετός "Fieber" im Gotischen statt durch das bisher verwandte brinno mit der Variante heito wiedergege­ ben. Die Verhältnisse im Bereich der Morpho-Syntax und der Semantik beleuchten sich hier gegenseitig: Die gotische Übersetzung strebt der gleichbleibenden Fassung der grie­ chischen Vorlage gegenüber in beiden Bereichen nach der Variation von Synonymen. Wulfila tritt also, wie wir wohl sagen dürfen, mit seinem griechischen Muster dort, wo ihm dieses die Freiheit dazu lässt, in eine Art von rhetorischem Wettbewerb ein, eine Gegebenheit, die die durchaus positive Einschätzung, welche die Goten ihrer Sprache entgegenbrach­ ten, ja den formalen Ehrgeiz, den sie mit ihrer Pflege be2 38 kündeten, eindrucksvoll vor Augen führt

238

Scardigli schreibt hierzu: "In der humanistischen Men­ talität Wulfilas und der Seinen hielt der nationale Eifer der vom griechischen Stil ausgeübten Anziehungs­ kraft die Waage: Der Stolz, sich sprachlich unabhängig zu machen, ging Hand in Hand mit der demütigen Bereit­ schaft, von denen zu lernen, die viel zu geben hatten." Die Goten ..., pp. 119/120

127

Bevor wir die synonyme Koexistenz und Konkurrenz der Prono­ mina is,si,ita und sa,so,þata, wie sie uns bei der anaphorischen Bezeichnung der Person der Schwiegermutter des Petrus in den behandelten drei Textabschnitten begegnet war, im Sin­ ne des thematischen Anliegens unserer Arbeit genauer auswer­ ten können, müssen wir nunmehr unsere Beispielssammlung wei­ ter vervollständigen. Haben wir doch die sprachlichen Befun­ de bisher lediglich im Bereich der obliquen Formen des Femi­ ninums nachgewiesen, womit das zur Hypothesenbildung notwen­ dige Belegmaterial noch auf keine Weise ausreichend vorge­ führt worden ist. Im folgenden wird daher den Verhältnissen im casus rectus des Maskulinums besondere Aufmerksamkeit ge­ schenkt werden: 124

At andanahtja þan waurþanamma atberun du imma daimonarjans managans; jah uswarp. þans ahmans waurda, jah allans þans ubil habandans gahailida, ei usfullnodedi þata gamelido þairh Esaian praufetu qiþandan: ^a unmahtins unsaros usnam, jah sauhtins usbar. *·· a^Tuc τ&ς ασθένειας ημών άνέλαβεν ... Μ 8/16 - 17 Luther: Eir hat unser Schwachheit auf sich genomen / und unser Seuche hat er getragen. Euang. S.Matth. 8/16 - 171 5 2

125

Allai auk praufeteis jah witoþ und Iohanne fauraqeþun; jah jabai wildedeiþ miþniman, S£ ist Helias, saei skulda qiman. ··· gfyfrSç έστιν *Ηλίας δ μέλλων ερχεσθαι. Μ 11/13 - 14 Luther: Vnd so jrs wolt annemen, er ist Elias, der da soi zukünftig sein. Euang.

S.M a t t h .

1 1 / 1 3 - 14

128

126

Standands pan Zakkaius qap du fraujin: sai halbata aiginis meinis, frauja, gadailja unledaim, ... qap pan du imma Iesus patei himma daga naseins pamma garda warp, unte jah sa sunus Abrahamis ist; ...καθότι καί αύτδς υίδς 'Αβραάμ έστιν·

L 19/8 - 9 Luther: Sintemal er auch Abrahams Sohn ist. Euang. S.Luc. 19/8 - 9 127

Wesunuh pan sumai þize bokarje jainar sitandans jah pagkjandans sis in hairtam seinaim: hwa sa swa rodeip naiteinins? ... jah suns ufkunnands Iesus ahmin seinamma patei swa pai mitodedun sis, qap du im: duhwe mitop pata in nairtam izwaraim? ... δτι ούτως αυτοί διαλογίζονται έν έαυτοΐς .·· Mk 2/6 - 8 Luther: Und Iesus erkennet bald in seinem Geist, das sie also gedachten bey sich selbs ... Euang. S.Marc. 2/6 - 8

128

Sa auk raihtis Herodes insandjands gahabaida Iohannen jah gaband ina in karkarai in Hairodiadins aenais Filippaus broprs seinis, unte po galiugaida. Aύτδς γάρ ό ‘Ηρώδης άποστείλας έχράτησεν τδν 'ΐωάννην.·· Mk 6/17 Luther: Ε£ aber Herodes hatte ausgesand / vnd Johannem gegriffen / vnd ins Gefengnis gelegt / Vmb Herodias willen / seines bruders Philippus weib / Denn er hatte sie gefreiet. Euang.

S . Marc.

6/17

129

129

Sibun broþrahans wesun; jah sa frumista nam qen, jah qaswiltands ni bilaiþ fraiwa. jah anþar nam po jah gadauþnoda, jah ni £>a bilaiþ fraiwa; jah fsridja samaleiko. ... καί δ δεύτερος ελαβεν αυτήν, καί ούδε αύτδο άφήκεν σπέρμα ··· Mk 12/20 - 21 Ein Vergleich mit der Bibel-Übersetzung Luthers er­ übrigt sich hier, da diese einer Textvariante folgt, welche statt καί ούδ£ αύτδς σφήκεν σπέρμα καί άπέθανεν μή καταλιπών σπέρμα lautet.

130

Jah þadei inngaleiþai, qiþaits þamma heiwafraujin þatei laisareis qiþiþ: hwar sind saliþwos, Jsarei paska miþ siponjam meinaim matjau? jah sa izwis taikneifD kelikn mikilata gastrawijb manwjata, jah jainar manwjaif) unsis. .... καί αύτδς ύμΐν δείξει άνάγαιον μέγα έστρωμένον έτοιμου, ..·. Μκ 14/14 - 15 Luther: Vnd er wird euch einen grossen Saal zeigen / der gepflastert vnd bereit ist / Daselbs richtet fur vns zu. Euang. S.Marc. 14/14 - 15

131

Jah qens soei aigi aban ungalaubjandan jah jaa gawilja ist bauan mi|D izai, ni afletai þana aban. καί γυνή ήτις εχει ανδρα άπιστον,καί αύτδς συνευδοκει οίκεΤν μετ' αυτής, μή άφιέτω αυτόν. Κ 7/13 Luther: Vnd so ein Weib einen vngleubigen Man hat / vnd er lesset es jm gefallen / bey jr zu wonen / die scheide sich nicht v Paitrus: frauja, duhwe weis ni mahtedum usdreiban þamma? 242 Zusatz zu L 9/43 nach M 17/19 ..., Δι& τί ημείς ούκ ήδυνήθημεν έκβαλεΐν αυτό; 24 3 Mt 17/192 3 1 4

241 242 243

Novum Testamentum Graece et Germanice, ed. Nestle, ..., Römer 13/3 Sh. die Anmerkung Streitbergs zu L 9/43 Novum Testamentum Graece et Germanice ...

134

Luther: Warumb kundten wir jn^ nicht austreiben? Euang. S.Matth. 17/19 140

Jabai auk diabulau fram anastodeinai nih naupjandin ak uslutondin mannan jah pairh liugn gahwotjandin ufargaggan anabusn, patuh wesi wipra pata gadob, ei frauja qimands mantai gudiskai jah waldufnja, pana galausidedi jah naupai du gagudein gawandidëdi; .. · Sk 1/17

Im folgenden die Belege für das Neutrum. Der Casus rectus ist, wie es scheint, nur einmal belegt, und zwar im Plural244: 141

Warp pan mippanei |x> wesun jainar, usfullnodedun dagos du bairan izai, ...

έγένετο έν τφ είναι αυτούς εκεί ai ήμέραι του τεκεΐν αυτήν, ···

Ϊ7ί.λήσί?ησαν L 2/6

Luther: Vnd als sie daselbst waren / kam die zeit / das sie geberen solte. Euang. S.Luc. 2/6 142

Urrann saiands du saian fraiwa seinamma; jah mippanei saiso, sum gadraus faur wig, jah gatrudan warp, jah fuglos himinis fretun þata. και εν τφ σπείρειν αύτδν δ μ£ν επεσεν παρ& την 8δδν , καί κατεπαΤήθη καί τ& πετεινέ του ούρανοΰ κατέφαγεν αυτ