Zur Soziologie des byzantinischen Mönchtums

531 102 9MB

German Pages 116 Year 1962

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Zur Soziologie des byzantinischen Mönchtums

Table of contents :
Verzeichnis der Abkiirzungen.vi
I. Einleitung: Das Monchtum als Problem der Religions-
soziologie.1
II. Asoziale und soziale Form des Monchtums .... 10
1. Das Anachoretentum.10
2. Die Entstehung der Monchsgemeinschaften . . . 15
III. Das Monchtum im Dienste der Gesellschaft .... 24
1. Die soziale Tatigkeit des Monchtums .... 24
2. Die Bedeutung der Kldster als Trager der Wohlfahrt 34
IV. Das Monchtum und die Wirtschaft.39
1. Die Stellungnahme der Monche zur Arbeit ... 39
2. Die Kloster als Grofigrundbesitzer.45
3. Die gefahrliche Entwicklung des Monchtums ... 52
V. Die MiBachtung der monchischen Ideale und ihre Aus-
wirkungen.58
1. Der Niedergang des Monchtums.58
2. Die politischen Folgen der Erstarkung des Monchtums 69
VI. Die kultursoziologische Bedeutung des Monchtums . . 81
VII. Schlufigedanken und Zusammenfassung.90
Bibliographic.95

Citation preview

ZUR SOZIOLOGIE DES BYZANTINISCHEN MONCHTUMS VON

DEMOSTHENES SAVRAMIS Dr. phil., Dr. rer. pol., Lie. theol.

LEIDEN / KOLN E. J. BRILL 1962

ZUR SOZIOLOG1E DES BYZANTINISCHEN MONCHTUMS

ZUR SOZIOLOGIE DES BYZANTINISCHEN MONCHTUMS VON

DEMOSTHENES SAVRAMIS Dr. phil., Dr. rer. pol., Lie. theol.

LEIDEN / KOLN

E. J. BRILL 1962

Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Daktorgrades der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultat der Universitat zu Koln.

Copyright 1962 by E. J. Brill, Leiden, Netherlands. All rights reserved. No part of this book may be reproduced or trans¬ lated in any form, by print, photoprint, microfilm or any other means without written permission from the publisher.

PRINTED IN THE NETHERLANDS

INHALTSVERZEICHNIS Verzeichnis der Abkiirzungen.vi I. Einleitung: Das Monchtum als Problem der Religionssoziologie.1 II. Asoziale und soziale Form des Monchtums ....

10

1. Das Anachoretentum.10 2. Die Entstehung der Monchsgemeinschaften III.

IV.

.

.

.

15

Das Monchtum im Dienste der Gesellschaft ....

24

1. Die soziale Tatigkeit des Monchtums ....

24

2. Die Bedeutung der Kldster als Trager der Wohlfahrt

34

Das Monchtum und die Wirtschaft.39 1. Die Stellungnahme der Monche zur Arbeit ...

39

2. Die Kloster als Grofigrundbesitzer.45 3. Die gefahrliche Entwicklung des Monchtums ...

52

V. Die MiBachtung der monchischen Ideale und ihre Auswirkungen.58 1. Der Niedergang des Monchtums.58 VI. VII.

2. Die politischen Folgen der Erstarkung des Monchtums

69

Die kultursoziologische Bedeutung des Monchtums .

81

.

Schlufigedanken und Zusammenfassung.90

Bibliographic.95

147161

VERZEICHNIS DER ABKORZUNGEN B.Z. Byzantinische Zeitschrift, Leipzig 1892 ff. — Miinchen 1950 ff. CMedH: The Cambridge Medieval History, New York 1911 ff. CSEL: Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinoruin, Vindobonae 1866 ff. CSHistByz: Corpus scriptorum Historiae Byzantinae, Bonn 1828-1897. DACL: Dictionnaire d'Archeologie Chretienne et de Liturgie; ed. F. Cabrol—H. Leclercq, Paris 1907 ff. DOP: Dumbarton Oaks Papers, Cambridge/Massachusetts 1941 ff. EEBS: Epeteris Hetaireias Byzantinon Spoudon (in griech. Sprache), Athen 1924 ff. EO: Echos d'Orient, Paris - Konstantinopel 1897 ff. ERE: Encyclopaedia of Religion and Ethics, hsg. v. James Hastings, New York 1908. El: The Encyclopaedia of Islam, hsg. v. M. Th. Houtsma, Leyden - London 1913 ff. HdW: Handbuch der Wirtschaftswissenschaften, hsg. v. Karl Hax und Theodor Wessels (2. Bd), Koln 1959. HM: Historia Mundi. Begriindet von Fritz Kern, Bern 1958 (6. Bd. Hohes und spates Mittelalter). JGR: Mansi:

J. Zepos—P. Zepos. Jus Graecoromanum (8Bde), Athen 1931. J. D. Mansi. Sacrorum conciliorum nova et amplissima collectio, Florenz

1759 ff.

MM: Miklosich et Muller. Acta et Diplomata graeca Medii Aevi. I-VI, Wien I860—1889. (Neudruck, Spanos-Athen, I960). OCP: Orientalia Christiana Periodica, Rom 1934 ff. Or.Syr.: L'Orient Syrien, Paris 1956 ff. OS: Ostkirchliche Studien, Wurzburg 1952 ff. PASCH: Papers of the American Society of Church History. Second Series. New York—London 1913 ff. PG: J. P. Migne. Patrologiae cursus completus, series Graeca (161 Bde), Paris 1857 ff. (Neudruck einiger Bde, 1886 ff.). PL: J. P. Migne. Patrolagiae cursus completus, series Latina (217 Bde), Paris 1844 ff. (Neudruck 1879 ff-). PWRE: Real Encyclopiidie der klassischen Altertumswissenschaft. Begr. v. Pauly Wissowa, Stuttgart 1893 ff. RevAscM: Revue d’Ascetique et Mystique, Toulouse 1920 ff. RevEtByz: Revue des Etudes Byzantines, Paris 1943 ff. RGG: Die Religion in Geschichte und Gegenwart (3. vollig neu bearbeitete Auflage), Tubingen 1957 ff. Rhalles-Potles: G. Rhalles—M. Potles. Syntagma ton theion kai hieron Kanonon (in griech. Sprache). I-VI, Athen 1852-1859Regesten: F. Dolger. Regesten der Kaiserurkunden des ostromischen Reiches, Miinchen—Berlin 1924 ff. TICHR: Transactions of the III. International Congress for the History of Religions, Oxford 1908 ff. ZKG: Zeitschrift fur Kirchengeschichte, Gotha—Stuttgart 1877 ff.

I EINLEITUNG: DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER RELIGIONSSOZIOLOGIE Friiher betrachtctc die Soziologie die Religion nur als cine Begleiterscheinung der gesellschaftlichen Entwicklung. Seit der Zeit E. Durkheims

(1858-1917) und Max

Webers

(1864-1920) jedoch wird die

Religion als eine Institution anerkannt, die unumganglich

zu jeder

Gesellschaft gchort, und die sowohl das Leben in der Gesellschaft wie auch seine Struktur bestimmt hat und nodi bestimmcn kann. Durch diese Neuorientierung wurden der Religionssoziologie neue Aufgaben gestellt, deren wichtigste die Erfahrung des Hciligen in seiner Bedeutung fur die Gesellschaft ist. Die grofie Erage, an deren Bewaltigung die Religionssoziologie arbcitet, lautet also:

Wie

wirkt

die

Begegnung zwischen Mcnsch und Gott, bzw. zwischen dem kleinen ich

und dem grofien

D u

auf die Bczichungen

ich

und

d u,

namlich zwischen Mcnsch und Mensch, und auf die gesellschaftliche Ordnung im allgemeinen? Daher untersucht die Religionssoziologie die Bczichungen zwischen Mensch und Gesellschaft, ohne die verschiedenen Formen der Bczichungen Gott — Mcnsch auf ihre Richtigkeit zu priifen. Sie stellt keine Wahrhcitsfragen im religiosen Bereich. Muller-Armack

bemerkt dazu riclitig: ,,Die Religionssoziologie ver-

sucht, innerhalb des angewachsenen geschichtlichen Stoffes eine Zusammenschau zu geben und Verbindungslinicn zu ziehen zwischen der Alltiiglichkeit und Niichternheit unseres politischen und wirtschaftlichen Lebens und dem spirituellen, das seinen vollkommenen Ausdruck im Religiosen findet, zwischen Praxis und technischen Mitteln einerseits und Transzendenz.” *) Diese Gedanken liegen zugrunde, und von dorther ergibt sich eine Bctrachtung des Monchtums als eincs Problems der Religionssozio¬ logie in einer Weise, die zu einer Auseinandcrsetzung zwischen Realfaktoren und Idealfaktoren fiihrt.

Diese

Auseinandersetzung wird

eine cmpirische und soziologische Untersuchung der sozialen, wirtschaftlichcn und politischen Realitiiten und ihre Beeinflussung durch das Wirken dcs Monchtums, in seiner idealen und seiner Verfallsform, fordern. Es lafit sich nicht bezweifeln, daC das Leben der Monche „eine der J) ,,Religion und Wirtschaft”, Stuttgart 1959, S. 1

2

DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER RELIGIONSSOZIOLOGIE

interessantesten Seiten der Geschichte der Kirche und der Kultur'’ ist. 2)

Das Monchtum und seine Geschichte ist ein „dynamisches” 3)

Element und deswegen untrennbar mit dem sozialen, wirtschaftlichen und politischen Leben der Volker verbunden. Das Monchtum fiihrt uns vor eine ,,neugewonnene Einstellung zur Welt und zu ihren Bewohnern” 4), da seine Entstehung in dem Ergebnis eines religiosen Qualitatsunterschiedes zu suchen ist. Es handelt sich um einen Teil dessen, was Max Weber die ,,grofie Leistung der ethischen Religionen’ nennt, namlich „die Konstituierung der Oberlegenheit der Glaubensund ethischen Lebensfuhrungsgemeinschaft

gegeniiber

der

Blutge-

meinschaft, in starken Mafie, selbst gegeniiber der Familie”. 5) Die Wirkung des Monchtums in der Gesellschaft war und ist sowohl unmittelbar wie auch mittelbar sehr groB. Diese groBen Wirkungen drangen dazu, est zu einem selbstandigen Gegenstand der soziologischen und besonders der religionssoziologischen Untersuchung zu machen. Unmittelbar gestaltete das Monchtum in einem positiven Sinne das realwirtschaftliche und soziale Leben z.B. im Westen. Allerdings gingen auch Wirkungen im negativen Sinne von ihm aus, wenn das wirtschaftliche und soziale Leben iiberhaupt negiert wurden, wie das bei den Anachoreten der Fall war. Mittelbar wirkte das Monchtum positiv durch seine asketischen Zuge auf die Kultur ein und negativ storte es oft die gesellschaftliche Ordnung, wie etwa durch die Ne¬ gation der Ehe. Die Organisation der Monche in ihren Gemeinschaften fiihrte dagegen zu ihrer wirtschaftlichen Starkung und machte sie zu einem entscheidenden Faktor in der Kirchenpolitik. Ein anderer Punkt, der das Monchtum zu einem wichtigen Gegen¬ stand der Soziologie werden lafit, ist sein universaler Charakter. Das Monchtum ist keine lokale Erscheinung. Es gehort zur universalen Ge¬ schichte der Religion, und es gibt kaum eine Religionsgemeinschaft, in der wir nicht diesem Phanomen begegnen konnten. — In Indien, dem Mutterlande der Mystik, trifft man das Monchtum sowohl in sei¬ ner asozialen wie auch in seiner sozialen Form. Die indischen Asketen lebten einsam, als Waldeinsiedler, jedoch auch in Gemeinschaften. 6) In Indien entstanden auch die Monchsreligionen Jainismus und Buddhismus. Tibet ist ebenfalls ein sehr interessantes Gebiet, hier spielt das Monchtum eine Rolle im gesamten Leben. Ein Land, von Natur 2) Berliere, U., L’ordre monastique des origines au Xlle siecle., Maredsous 1924, S. IX. 3) Wach, Joachim, Religionssoziologie, Tubingen 1951, S. 207. 4) Wach a.a.O., S. 154. 5) Gesammelte Aufsatze zur Religionssoziologie, Tubingen 1947 (4. photomech. gedruckte Auflage), I, S. 523. 6) Oldenberg, Buddha, 1921, S. 72.

DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER RELIGIONSSOZIOLOGIE

3

zur Einsamkeit geschaffen, wurde durch die Gemeinschaften der Asketen in ein Land verwandelt, wo Buddhas Lehre in einer organisierten

Gesellschaft

regierte.

So entstand

dort

eine

ausgesprochene

Monchskirche in der Form des Lamaismus. Man erlebte dort auch als Protest gegen Welt und Kirche eine Art Reformation, durch den ‘Luther’ des Tibet Tsong-Kha-pa (1358-1419), die Joachim Wach mit der Reformation von Cluny und der Zisterzienser in Europa vergleicht. 7)

Das asiatische Monchtum gab der ganzen ge-

sellschaftlichen Ordnung in diesem Teil der Welt durch seine vollige Weltverneinung eine besondere Fiirbung. Aber auch der Islam, eine rein prophetische Religion, in der das Monchtum an und fur sich keinen Platz haben sollte, hat seine Orden. 8) Besonders iibte der Orden der Bektashi einen grofien EinfluC aus, vornehmlich im 16. Jahrh. in der westlichen Tiirkei. Sein politischer EinfluC wuchs, als seine Mitglieder Geistliche der Janitscharen wurden. 9) Auch das Christentum hat sowohl im Westen als auch im Osten auf die gesellschaftliche Ordnung durch das Monchtum einen groDen EinfluC genommen. Im Osten dehnte das byzantinische und das russische Monchtum 10)

seinen ungeheueren EinfluC auf den kirchen-

politischen Bereich immer weiter aus, wahrend im Westen das Monch¬ tum mehr das wirtschaftliche und soziale Leben bestimmte. Das irdische Leben wird dort in die Tatigkeit der Monche eingeschlossen und erhalt eine neue Sinngebung. 11) Das Monchtum als universales religioses Phanomen konnte soziologischen

Untersuchungen

viele Ankniipfungspunkte bieten.

Viel

mehr bedarf das byzantinische Monchtum einer solchen Untersuchung. Wenige religiose und soziale Erscheinungen haben so starke Gegensatze gezeigt wie das byzantinische Monchtum. Es wurde zum Segen fur die Gesellschaft, als es die soziale Fiirsorge schuf und forderte, 7) a.a.O., S. 207. 8) Vgl. Ober die „Tarika” (Orden) Massignon in E I, IV, S. 665 ff. Ebenso ERE (zentralasiatisches islamisches Monchtum) VII, 888. Brunel, R., Essai sur la confrerie des Aissaoua au Maroc (Paris 1926) (afrikanisches Monchtum). Jacob, Art. ..Derwish” in E I, I, 949 ff und G. Jacob „Beitrage zur Kenntnis der DerwischOrdens der Bektaschi” in Tiirkische Bibliothek, (IX) Berlin 1908. (Tiirkisches Monchtum). G. Bonet-Maury, Les confreries religieuses dans l’Islamisme (TICHR, 1908, S. 339 ff). 9) Wach a.a.O., S. 209 und Anm. 422-424. 10) Dazu vgl. Smolitsch, Igor, Russisches Monchtum, im Augustinus Verlag, Wurzburg 1953 (mit reicher Bibliographic). it) Naheres iiber das westliche Monchtum und bibliographische Angaben siehe in dem die kultursoziologische Bedeutung des Monchtums betreffenden Teil dieser Arbeit.

4

DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER RELIGIONSSOZIOLOGIE

aber es trug auch zum finanziellen Ruin des Reiches bei, als die Kloster sich in der Spatzeit zu Grofigrundbesitzern entwickelten. Es gibt keinen Bereich, dem die Soziologie ihre Aufmerksamkeit zuwendet, sei es das soziale, wirtschaftliche, politische oder kuiturelle Leben, in dem das byzantinische Monchtum keine Spuren hinterlassen hat. Monche und Kloster ,,haben vermoge ihrer Stellung als wichtiger kirchenpolitischer, sozialer und wirtschaftlicher Faktor einen sehr bedeutenden EinfluB auf fast alle Gebiete des kirchlichen wie des offentlichen Lebens iiberhaupt ausgeiibt”. 12) Byzanz bot entscheidende Voraussetzungen fiir die Entwicklung des Monchtums. Die psychologische Struktur des byzantinischen Menschen (orientalische Mystik) und die Struktur der Gesellschaft (Theokratie) erleichterten den Weg zum asketischen und monchischen Leben und offneten ihm alle Tiiren im privaten, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Bereich dieses Staates. Fiir Byzanz war das Monchtum eine Notwendigkeit. Ein Kloster konnte oft als eine Art ‘Sanatorium’ dienen, wohin sich die Menschen aus dem intensiven Leben der Grofistadt Konstantinopel zuriickzogen und Ruhe suchten. So fanden auch Kaiser den Weg hinter die Klostermauern, um seelisches Gleichgewicht und innere Ruhe wiederzuerlangen. Dieser Aspekt des byzantinischen Klosterlebens wird besonders in den letzten Jahren des Reiches iiberdeutlich, als die Zahl der Monche sprunghaft anstieg. Sie wollten dem allgemeinen Niedergang und den Wirren ihres Jahrhunderts entfliehen. 13) ,,Die tatsachliche Gestalt einer Wirtschaft ist immer auch von der gesamten gesellschaftlichen Situation abhangig”. 14)

Diese Grund-

uberlegung erfordert fiir die byzantinische gesellschaftliche Situation eine Untersuchung iiber die Bedeutung des Monchtums,

das

einen

entscheidenden Faktor in der sozialen und wirtschaftlichen Entwick¬ lung bildete. Ein weiterer Grund, der den Soziologen zu einer systematischen Beschaftigung auf diesem Gebiet anregen kann, ist, daB das byzantinische Monchtum ein Vorlaufer des westlichen ist. Athanasios brachte als erster diese Gedanken zum Westen, als er 399 mit zwei 12) So Granic, B., Die rechtliche Stellung und Organisation der griechischen Kloster nach dem Justinianischen Recht, in B.Z. 29 (1929-30) S. 913) Vgl. Bury, A., History of the Eastern Roman Empire from the fall of Irene to the accesion of Basil I, London 1912, S. 208: „Monasticism was an instinct too deeply rooted in Byzantine Society". Ebenso Charanis, P., The monastic Properties and the State in the byzantine Empire, in DOP, 4 (1948) S. 54. Auch a.a.O., S. 118: ,,Monasticism was an institution to which all the Byzantines, great and small, were fervently attached”. Auch a.a.O., Anm. 209 und Pargoire, J., L’Eglise Byzantine, Paris 1923 3, S. 214 f. 14) WESSELS, Th. Einfiihrung in die Volkswirtschaftslehre, in HdW, Koln 1959, 2. Bd., S. 941.

DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER RELIGIONSSOZIOLOGIE

Monchen Rom besuchte, und Benedikt v. Nursia, abendlandischen Monchtums,

fand

die

der

Grundgedankcn

Vater

5

des

fur seine

Regel in den Ideen von Basilios d. GroCen. Obwohl somit das byzantinische Monchtum fur den Soziologen ein wichtiges Gebiet ist, blieb es bis heute wissenschaftliches ‘Neuland’. Obertriebene und einseitige Lobhudeleien 15) wechseln mit oberflachlichen

Beobachtungen und

Verurteilungen. 10)

Eine soziologische

Untersuchung, die eine objektive Betrachtung der positiven und negativen Wirkungen des Monchtums einschlieCt, ist m.E. noch nicht gemacht worden. Der Grund liegt sicher darin, dafi die von Byzanz bestimmte ostkirchliche Zone Europas noch nicht eingehend soziologisch untersucht wurde. 17)

Die ostkirchliche Zone ist nicht nur in Max

Webers religionssoziologischen Untersuchungen unberiicksichtigt geblieben, sondern es gibt auch in der sonstigen Literatur keinen Versuch, „die Briicke zwischen geistiger und wirtschaftlicher Entwicklung zu schlagen”. 18) Einige russische Gelehrte, wie etwa N. Berdjajew, die sich damit beschaftigten, unternahmen keine systematische, religionssoziologische Untersuchung. Von den grohen Religionssoziologen hat sich

Max Weber

— im Rahmen seiner Beschaftigung mit der

christlichen Religion — auf den Calvinismus konzentriert, wahrend Joachim Wach sich hauptsachlich den nichtchristlichen Religionen widmet. Ernst

Troeltsch

beriihrte gelegentlich diese Thematik, ver-

tiefte sie jedoch nicht. So blieben die Ostkirche und ihre religionssoziologisch so wichtige Erscheinung: das Monchtum ein bis jetzt unerforschtes Gebiet der Religionssoziologie. 19)

Damit wird mein Ver-

such, eine Soziologie des byzantinischen Mdnchtums

zu entwerfen,

sich schwierig gestalten. Ich werde diese Aufgabe jedoch nur als einen Anfang verstehen und mir immer vor Augen halten, dafi damit Neu¬ land betreten wird. Es ist dabei meine Absicht, eine Untersuchung der realsoziologischen Wirkung oder anders formuliert eine realsoziologische Deutung des byzantinischen Monchtums zu versuchen. Von den vier Forschungsrichtungen der Religionssoziologie namlich historische (Max Weber, E. Troeltsch, R. Tawney usw.), nicht15) Ein Beispiel dieser einseitigen Betrachtung ist der vor kurzer Zeit veroffentlichte Aufsatz von A. Theodorou, Das Monchtum der Orthodoxen Ostkirche, in: Die Orthodoxe Kirche in griechischer Sicht. (Hrsg. von P. Bratsiotis) 2. Teil, Stuttgart 1960, S. 70-90. 16) Ich verweise als letztes Beispiel dieser Art der Betrachtung des Monchtums auf Haussigs, W. H., Kulturgeschichte von Byzanz, Stuttgart 1959. 17) Vgl. Muller-Armack, A., Religion und Wirtschaft, Stuttgart 1959, S. 8. 18) a.a.O., S. 331. 10) Vgl. auch Savramis, Demosthenes, Die griechisch-orthodoxe Kirche und die soziale Frage, in OS, 7 (1958), S. 79 ff. Savramis

2

6

DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER REL1GIONSSOZIOLOGIE

christliche Religionen bctreffcnde (E. Durkheim,

J.

Fraser

usw.),

systematische (z.B. Typenlehre von Joachim Wach) und empirische Gegenwartsbetraclitung werde ich midi fur die erstere entscheiden, da sie mir dem Gegenstand und deni Zweck dieser Arbeit angepafit ersclieint. So werde ich zuniichst die Wechselwirkungen zwischen deni byzantinischen Mbnchtum und den sozialen Verhiiltnissen in der byzantinischen Gescliichte und sodann cine allgemein soziologische Untersudiung der soziologischen Struktur des byzantinischen Monchtums zu geben versuclien. An Einzelheiten werden dabei besonders die Soziologie der Monchsgemeinsdiaften, ihre Lebensformen, ihre sozialc Struktur, ihr Verhiiltnis zur Welt bzw. zur Gesellschaft, zum Staat und zum wirtsdiaftliclien Leben interessieren. Ebenso ist eine Soziologie des Monchtums als Grofiorganisation mit politischcr und wirtschaftlidier Macht notwendig, wobei audi sein Verhiiltnis zu den Massen untersucht werden mul3. Die Schwierigkeiten, die es zu iiberwinden gilt, urn eine Soziologie des byzantinischen Monchtums zu entwerfen, liegen aber nicht nur in der Tatsache, dab man hier Neuland betritt. Es geht hierbei um eine synthetische Arbeit, die aus kleinsten Stiicken langsam crwachscn muB. Unsere Kenntnis der konkreten Zustiinde in der byzantinischen Klosterwelt ist leider sehr liickenhaft. 20) Die Quellen, die zur Vcrfiigung stehen, sind oft tendenzios abgefaBt und beurteilen das Mbnchtum zu positiv. Als Illustration dieser Schwierigkeiten diene folgendes Beispiel. Die Spitalordnung des Klosters Pantokrator, cin Teil dcs wenigen, wirklich greifbaren Materials, vermittelt keinerlei Einzelheiten, wie es etwa die abendliindischen Spitalordnungen des Mittclalters tun, wo z.B. sogar die Besoldungsordnung der Arzte aufgefiihrt wird. Angesichts dieser Schwierigkeiten mufiten alle verfiigbaren Quellen iiberpriift werden, um aus den dort erhaltenen kurzen Berichten, Anmerkungen etc. ein Bild zu gewinnen, das die soziologische Untcrsuchung erleiclitert. Die Viten der verschiedenen Mbnche bieten zwar umfangreiches Material. Es kann in diesem Zusammenhang aber nur bedingt herangezogen werden, da wir es hier mit subjektiv geflirbten Berichten zu tun haben, die einer historisch-kritischen Betrachtung nicht standhalten. In diesen Lebensbeschreibungen treten Individualitiit und Tatsachen hinter der allgemeinen Idee zuriick. Erbauung und Belchrung

20) Vgl. Krumbacher, K., Geschichte der byzantinischen Literatur (527-1.453). Neudruck der 2. Auflage, in New York, S. 139.

DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER RELIGIONSSOZIOLOGIE

7

stehen im Vordergrund. 21) So mufite ich bei der Vcrwendung dieser Viten als Quelle aufierst kritisch vorgehen.

Ich habe zunachst die

VitaAntonii von Athanasios 22) und die Vita von Pachomios 23) benutzt, da sie beide fur das Studium der Anfange des Monchtums sehr wichtig sind. Ebenso erwies sich die Lebensbeschreibung des bcriihmten Theodor Studites als nutzlich. Er wird seinen Platz in dieser Arbeit haben sowohl als Reformer des byzantinischen Monchtums als auch wegen seiner kirchenpolitischen Tatigkeit. 24) Aus anderen Lebensbeschreibungen konnte ich nur ausgewahlte Stellen verwenden, die iiber die soziale Tatigkeit der Monche informieren. 2S) Als wichtige Quellen dienten dann die Historia Lausiaca von Palladios 26) und die unter dem Namen Apophthegmata bekannte literarische Form der Monchsweisheit. 27) Ebenso die Kirchengeschichten von Socrates und Sozomonos 28) 21) Vgl. Visser, J. A., Nikephoros und der Bilderstreit, Haag 1952, S. 12 und Holl, K., Die schriftstellerische Form des griechischen Heiligenlebens, gesammelte

Aufsatze, Bd. II, Der Osten, Tubingen 1928, S. 249 ff. Auch Delehaye, H., Byzan¬ tine Monasticism, in Byzantium, ed. by H. N. Baynes and L. B. Moss, Oxford 1948, S. 155 und Savramis, Demosthenes, Besprechung des Buches von Alexander, P, The Patriarch Nicephorus of Constantinople, Oxford 1958 (in ZKG, LXIX (1958) S. 342). Auch Dolger, F. (Byzanz und die europaische Staatenwelt, Ettal 1953, S. 218) empfiehlt Vorsicht bei der Verwendung des in der Hagiographie zu findenden Materials, da der Zweck der Hagiographie die Erbauung ist. 22) Vita Sancti Antonii (P.G. 26, 838-976). Zur Echtheit vgl. Eichorn, Al., Athanassii de vita ascetica testimonia collecta, (Diss.) Halle 1886. Mayer, J., Ober die Echtheit und Glaubwiirdigkeit der dem hi. Athanasius zugeschriebenen Vita Antonii in: Der Katholik, 1886 (I, 495 f, II, 72 f und 173 f). 23) Sancti Pachomii vitae graecae, ed. F. Halkin, Bruxelles 1932. Regeln von Pachomios nur in lateinischer Obersetzung von Hieronymus vorhanden (Dom Amand Boon, Pachomiana Latina, Louvain 1932). 24) P.G.99, 113-328. Wichtige Quellen sind auch a) seine Briefsammlung (P.G. 99, 904-1669). Vom Theodoros stammt nach Beck, G. H. (Kirche und theologische Literatur in Byzantinischen Reich, Miinchen 1959, S. 493) auch der in P.G. 102, 923-926 erhaltene Brief. Dagegen Papadopoulos-Kerameus, A. (B.Z. 9 (1900) S. 370-378), der ihn Photios zuschreibt. b) Das Typikon des Studion Klosters (P.G. 99, 1703-1720) und c) Das Testament des Theodoros Studites (P.G. 99, 1813-1824). 25) In dieser Hinsicht erwiesen sich als sehr nutzlich: Usener, H., Der hi. Theo¬ dosios. Schriften des Theodoros und Kyrillos, Leipzig 1890. 26) P.G. 34, 995 ff. Butler, C., The Lausiac History of Palladios, 2 Bde. (18981904). Palladii historia Lausiaca (Lucot, Paris 1912). Reitzenstein, R., Historia monachorum und Historia Lausiaca, Gottingen 1916. Palladius und Rufinus, Ein Beitrag zur Quellenkunde des iiltesten Monchtums: Texte und Untersuchungen von Erwin Preuschen, Gieflen 1897. Lateinische Obersetzung: Historia monachorum, von Rufinus (P.L. 21, 387 ff). 27) P.G. 65, 71 ff. Bousset, W., Apophthegmata, Tubingen 1923. Vgl. auch Beck a.a.O., S. 123 und Anm. 3 (Bibliographic). Noch dazu Ranke-Heinemann, Weisheit der Wiistenvater, Diisseldorf 1958 (Auswahl aus der Apophthegmata sowie aus Viten der Wiistenvater). 28) Socrates, historia ecclesiastica (P.G. 67, 29 ff). Sozomeni, historia

8

DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER RELIGIONSSOZIOLOGIE

Als grundlegendes Material fur den Zweck dieser Arbeit betrachte ich jedoch die

Monchsregeln des B a s i 1 i o s. Dort finden

sich die Grundgedanken dieses Vaters des byzantinischen Monchtums iiber die soziale Ordnung und den wirtschaftlichen Aufbau der Kloster. Diese Schriften sind nicht nur fur das Studium des Monchtums sondern auch fur die gesamte orthodoxe Soziallehre und -ethik von grofier Wichtigkeit.

Die Monchsregeln

liegen

in

sung vor, die langeren und die kiirzeren Regeln. 29)

doppelter

Fas-

Ihnen kommt

fiir die Gesamtentwicklung des Monchtums und die Regelung des gemeinschaftlichen Lebens entscheidende Bedeutung zu. 30) Fiir die Verfallszeit des Monchtums stehen wir vor noch groCeren Schwierigkeiten. Hier lafit sich oft nur mit Andeutungen, die hier und da in den Werken der byzantinischen Geschichtsschreiber oder in den Kanones der Synoden auftauchen 31), arbeiten. Fiir den Bilderstreit, eine Periode, in der der Niedergang des Monchtums bereits eingesetzt hat, besitzen wir keinerlei Schriften der Bilderfeinde, da sie von der Gegenpartei nach ihrem Sieg zerstort wurden. 32) Wiirden wir die Schriften der Bilderfeinde uberliefert bekommen haben, so konnten wir dort wahrscheinlich reichhaltiges Material iiber den Verfall des Monchtums entdecken. In diesem Zusammenhang sind die Schriften des Bischofs von Saloniki Eustathios33) und des Patriarchen von Antiocheia Johannes 34) wichtig. Ober die katastrophalen Wirkungen des Monchtums auf die wirtschaftliche Ordnung des Reiches zu der Zeit, als die Kloster Grofigrundbesitz erwarben, besitzen wir Novellen der Kaiser, die diese Gefahrdung der Wirtschaft durch die ecclesiastica (P.G. 67, 843 ff). 29) Reg. fusius tractatae (P.G. 31, 889-1052). Reg. brevius tractatae (P.G. 31, 1051-1306). 30) Vgl. Altaner, B., Patrologie, Freiburg 1958 6, S. 259. 31) Als Quelle babe ich in diesem Fall Rhalles, G.-Potles, M., Syntagma ton theion kai hieron Kanonon (6 Bde.), Athen 1852-1859, benutzt. 32) Die wichtigste Quelle Theophanes: Chronographia (ed. De Boor, 2 Bde, Leipzig 1883) ist leider, mit grofier Vorsicht zu verwenden. Theophanes, selbst ein Monch, der in einem Kloster bei Sigliane Abt war, berichtet mit leidenschaftlicher Parteilichkeit zugunsten der Bilderfreunde. Sein Bericht enthalt in dem Munde eines Monches sich schlechtausmachende Schimpfworte; so bezeichnet er z.B. Kaiser Konstantin als einen ,,verderblichen und verriickten Bluthund" (vgl. u.a. Theoph. (de Boor) 399 f, 402, 404, 405, 406, 407, 409, 413 usw.). 33) Peri Flypokriseos (iiber religiose Heuchelei), P.G. 135, 373-408. Nach Krumbacher a.a.O., S. 539 gehort es zum besten, was in byzantinischer Zeit geschrieben worden ist. — Episkepsis Biou Monachikou (Betrachtungen iiber den Monchsstand), P.G. 135, 729-910. Auch Tafel, Fr. L. Eusthatii metropolitae Thessalonicensis opuscula, Frankfurt 1832, (ders. deutsch, Berlin 1847.) Vgl. ebenso Kayse, J., Theophrast und Eustathius, Peri Flypokriseos, Philologus 69 (1910) S. 327-358. 34) De monasteriis laicis non tradendis, P.G. 132, 1117-1150, eine wichtige Quelle fiir die als Charistikia bekannte Art der „Verweltlichung” der Kloster.

DAS MONCHTUM ALS PROBLEM DER RELIGIONSSOZIOLOGIE

Monche klar aufzeigen. 35) Miklosich et Muller 36)

9

An dieser Stelle sei die Sammlung von dankend crwahnt. Besonders die im

4. Band gesammelten Urkunden vermitteln ein lebendiges Bild von dem Kampf der Kloster gegen die Kleinbauern, aus dcm die Kloster als Grofigrundbesitzer hervorgingen. Schliefilich bleibt die wichtige Quelle der T y p i k a. 37)

Es han-

delt sich hierbei um Sammlungen der in bestimmten Klostern geltenden Regeln und um Stiftungsurkunden byzantinischer Kloster, die uns Angaben iiber Vermogensstand,

Organisation

der Gemeinschaften,

Sozialtatigkeit, sozialwirtschaftliche Verhaltnisse etc. vermitteln. Fur eine realsoziologische Untersuchung des byzantinischen Monchtums bieten sie daher ein besonders willkommenes Hilfsmittel.

35) Quellen dafiir: Zepos, P., Jus Graecoromanum (8 Bde), Athen 1931 ■ F., Regesten der Kaiserurkunden des ostromischen Reiches, MiinchenBerlin, 1924 ff. 36) Acta et Diplomata graeca Medii Aevi (6 Bde), Wien 1860-1889. (Neudruck, Spanos-Athen, I960). 37) Dmitrievskiy, A., Typika, Kiev 1895. Zur Typika vgl. auch Nissen, W., Die Diataxis des Michael Attaleiates, Jena 1894. Dolger,

II ASOZIALE UND SOZIALE FORM DES MONCHTUMS I.

Das Anachoretentum

Diese Arbeit bedarf, da sie keinen Anspruch erhebt, eine religionswissenschaftliche oder theologische Arbeit zu sein, keiner in Einzelheiten gehenden Diskussion iiber das Problem des Ursprungs1) des Monchtums. Es scheint mir jedoch angebracht, einige einseitige Ansichten kurz zu besprechen. So etwa die Ansicht dab das

Monchtum

im Christentum n u r

Menschings 2),

aus auberchristlichen,

mystischen Stromungen erwuchs, oder die Ansicht

Bachts3),

dab es

in alien seinen wesentlichen Elementen in der vom Neuen Testament ausgehenden Spiritualitat wurzelt und nur von dort seinen Ausgang genommen hat. Die Wahrheit liegt m.E. in einer Verbindung dieser beiden extremen Anschauungen. Die Wurzeln des Monchtums liegen olme Frage auch in der Entwicklung eines christlichen Lebensideals. In Matth. 19, 21 lesen wir: Jesus sprach zu ihm: Willst du volkommen sein, so gehe hin und verkaufte alles, was du hast und gib es den Ar¬ men, so wirst du einen Schatz im Himmel haben; und komm und folge mir nach. 4)

Diese Aufforderung konnte geniigen, der Entstehung

des christlichen Monchtums einen entscheidenden Anstob zu geben. Die Rolle, die diese Stelle wirklich fur das Monchtum gespielt hat, beweist ihre Wirksamkeit im Leben einer so bedeutsamen Gestalt des Monchtums wie des Einsiedlers Antonios. Er empfand diesen Ruf der Eleiligen Schrift als einen Ruf Gottes an sich und fiihlte sich durch eine Lesung dieser Stelle personlich so getroffen, dab er sofort sein Leben in dem dargelegten Sinne iinderte. — Andererseits enthiillt ein einfacher Vergleich des christlichen Monchtums mit dem univerx) Dazu vgl. u.a. Harnack, A., Das Monchtum, seine Ideale und seine Geschichte, Giefien 1901 5 (fibers, als Monasticism, Its Ideals and History, von E. E. Kellet und F. H. Marseille, London 1901). Volter, D., Der Ursprung des Monchtums, Freiburg 1900. Gobillot, P., Les origines du monachisme chr6tien et l’ancienne religion de l'Egypte, in Rech. Sc. Rel. 10 (1920) S. 303-354; 11 (1921) S. 29-86, 168-213, 328-361; 12 (1922) S. 46-86. Lietzmann, H., Geschichte der alten Kirche, Berlin 1944, IV, S. 116-153. Heussi, K., Der Ursprung des Monchtums, Tubingen 1936. (bes. VI. Kapitel: Der Wahrheitsgehalt einiger alteren Hypothesen iiber den Ursprung des Monchtums S. 280-304). 2) Soziologie der Religion, Bonn 1947, S. 198. 3) Bacht, H., Grillmeier, A., Das Konzil von Chalkedon, 2. Bd, Wurzburg 1953, S. 193. Vgl. auch Heussi, a.a.O., S. 129. 4) Vgl. auch Luk., 12, 35 ff. wo von der Vorbereitung auf die Wiederkunft Christi die Rede ist.

11

DAS ANACHORETENTUM

salen Phanomen Monchtum im nichtchristlichen Raum, daC hier nichtchristliche Elemente eingedrungea sind. Uns interessiert jedoch mchr der Ursprung des Monchtums in der Frage nach den sozialen Grunden, die bei der Diskussion meist in den Hintergrund gedrangt werden. Das christliche Monchtum ist auch das Ergebnis des Protestes gegen die damals bestehende gesellschaftliche Ordnung. Das Christentum entwickelte wenigstens in der Urkirche eine soziale StoBkraft mit den Hauptmerkalen Liebe, Gerechtigkeit und Einheit, die in der Gesellschaft regieren sollten. Spater erfafite jedoch die Ungerechtigkeit und die Ausbeutung der Armen in den Grobstadten auch die mittlerweile zur Reichskirche avancierte christliche Kirche. Die echten Christen traten in einen schweigenden Protest gegen die Entwicklung, und sie verlieBen die verweltliche, ungerechte, christliche Gesellschaft, um in der Wiiste das alte christ¬ liche Ideal wieder zu verwirklichen. Zu den soziologischen Grunden der Entstehung des Monchtums ziihlt also auch die Zwangsorganisation der damaligen Gesellschaft. Die Freiheit war verschwunden, und die Sklaven- und Horigenmassen wuchsen ins Unendliche. Uhlhorn schreibt dazu: ,,Nur im Bereich der Kirche ist Freiheit, wer in den Dienst der Kirche tritt, oder wer Monch wird, in der Wiiste sich ansiedelt, in ein Kloster geht, ist frei, er hat die ganze Last mit einem Male abgeschiittelt, deshalb diese Flucht aus der Welt, diese rapide Zunahme des Monchtums”. 5) Die Masse der Bevolkerung in Agypten, dem Lande des Monchtums, bestand schon seit den altesten Zeiten niemals aus freien Bauern mit eigenem Grundbesitz, sondern immer aus Horigen, die im Dienste grosser Herren vor allem der Konige die Felder bestellten und die Herden weideten. 6) In diesem Land, wo der Flcrrschende der Eigentiimer des gesamten Bodens war 7), griindet sich der Reichtum auf die totale Sklavenwirtschaft, und die iibrige Bevolkerung wird mit in den Ruin hineingezogen, wie

wirtschaftlichen und sozialen

Oppenheimer

8) in seiner Soziologie analy-

siert. Es ist angesichts dieses Bildes verstiindlich, dafi eine solche Welt den echten Christen zu einem Protest und zu einem Bruch mit der Ge¬ sellschaft brachte. Allerdings halte ich es nicht fiir erwiesen, daB dieser Protest sich auch gegen die Kirche richtete. 9) Dagegen spricht die Hochachtung des Einsiedlers Antonios gegeniiber der Kir5) Die

christliche

Liebestiitigkeit

(Nachdruck

der

2.

verbesserten Auflage

von

1895), Darmstadt 1959, S. 143. 6) Vgl. Meyer, E., Elemente der Anthropologie; Geschichte des Altertums, l.Bd, 2. Halfte, Stuttgart und Berlin 1907. 7) Vgl. Weber, Max, Wirtschaftsgeschichte, Munchen und Leipzig 1923, S. 138) System der Soziologie, Bd 4, 2; Jena 1933, S. 622. °) Vgl. auch Bacht, a.a.O., S. 194.

12

ASOZIALE UND SOZIALE FORM DES MONCHTUMS

che. 10)

Trotzdem hleibt der Satz von

Troeltsch J1)

zu

Recht be-

stehen, dab, je schwieriger sich die Aufgabe der Kirche in der Welt gestaltet, ,,umso hoher steigt das Monchtum, in dem die Korrektur der Grundsatze der Welt allein noch in voller Strenge moglicht ist”. Die bestehende gesellschaftliche Ordnung trieb die echten Christen in die Wiiste, und so entstand die erste Form, die a s o z i a 1 e Form des Monchtums, deren Vertreter die Anachoreten oder Eremiten 12) sind. 13)

Ihr Protest gegen die Gesellschaft aubert sich im Colibat

(Protest gegen cine Oberbewertung des sexuellen Lebens) und in der Armut (Protest gegen den Reichtum). Das Musterbeispiel eines Ana¬ choreten

war

Antonios

(f

356),

der als

Einsiedler das

liche Eremiten turn zum ersten Mai verwirklichte. 14)

christ-

Er zog sich in

die Einsamkeit des Sandgebirges am rechten Nilufer zuriick. Obwohl wir Antonios mit Recht als den Vater des Anachoretentums bezeichnen konnen, so ist seine asketische Frommigkeit doch nichts Neues. Schon auf. 15)

unter

den

ersten

Christen tauchten asketische

Tendenzen

Die vor Antonios lebenden Asketen versuchten aber immer,

ihr Ideal innerhalb der christlichen Gemeinde zu leben. Ein Beispiel dafiir ist Origenes (185-254), der dadurch manchen als Vorlaufer des Monchtums gilt. 16) 10) P.G. 26, 937 (Athanasios). 1_l) Die Soziallehre der christlichen Kirchen und Gruppen, Tubingen 1912, S. 125. 12) Eremiten: nach ihrem Aufenthaltsort genannt (Wiiste = eremos). Dort, wo es keine Wiisten gab, wie etwa in Syrien, entfernten sich die Monche von der Welt nicht in der Waagerechten, sondern in der Senkrechten. So entstanden die Siiulenheiligen (Styliten). Der bekannteste von diesen war Symeon (390-460). Dazu Delehaye, Les Saints Stylites, Bruxelles 1923. 13) Zum Anachoretentum vgl. Bremond, J., Les peres du desert, 2 Bde, Paris 1927. Al£s de, A., Les peres du desert, Etudes, 108 (1906) S. 7-37. Schiwietz, St., Das morgenlandische Monchtum, 3 Bde, Mainz und Modling. 1904-1938. RankeHeinemann, Weisheit der Wiistenviiter, Diisseldorf 1958 (dazu BZ 52 (1959) S. 177). 14) Siehe Seite 7, Anm. 22. Vgl. noch dazu Hertling, L., Antonios der Einsiedler (Forschungen zur Geschichte des innerkirchlichen Lebens, I, 1929)Amelineau, E., Saint Antoine et les commencements du monachisme Chretien en Egypte, in Revue d'Histoire des Religions, Paris, 65 (1912) S. 16-78. List, J., Das Antoniusleben des hi. Athanasius, Athen 1931. Reitzenstein, R.. Das Athanasius Werk iiber das Leben des Antonios, Heidelberg 1914. Beck (a.a.O., S. 200) nennt die „Vita Antonii”, von Athanasios ein „klassisches Dokument”. Vgl. auch Schmitz, L. A., Die Welt der iigyptischen Einsiedler und Monche, in Romische Quartalschrift fur christliche Altertumskunde und fur Kirchengeschichte, Freiburg, 37 (1929) S. 189-243 und Heussi, K., a.a.O., S. 69-115. 1I5) Vgl. dazu Heussi, K., a.a.O. I. Kapitel: Die Vorstufen des Monchtums in der friihchristlichen Askese. S. 11-52. 10) Vgl. Volker, W., Das Vollkommenheitsideal des Origenes, Tubingen 1931, S. 180.

13

DAS ANACHORETENTUM

Das in Agypten entstandene Anachoretentum betrachte ich als eine a s o z i a 1 e Form des Monchtums im Gegensatz zu den spater entstehenden Monchsgemeinschaften, die s o z i a 1 e Formen entwickeln. Als Hauptkriterium der Unterscheidung verwende ich dabei die Tatsache, dafi die Anachoreten ohne jegliche Verbindung zu irgendeiner Form gesellschaftlicher Ordnung ihr Leben in volliger Einsamkeit verbrachten. Sie bewahrten ihre absolute Selbstandigkeit und entwickelten keinerlei Gemeinschaftsgeist. Demzufolge ordneten sie sich nie einer sozialen Einheit ein und schufen sich keine menschlichen Gesetze zur Regelung zwischenmenschlicher Beziehungen. Das einzige Gesetz, das bei ihnen gait, war ein schweigender Vertrag mit Gott. Nur Gott gegeniiber fuhlten sie sich verantwortlich, ob sie diesen Vertrag nun hielten oder nicht. 17) In dieser Haltung ist ein anarchistischer Zug kaum zu iibersehen. Diese anarchistischen Tendenzen wurden spater besonders stark spiirbar, als das organisierte Monchtum gegen Kirche und Staat auftrat, urn seine eigenen Wege einzuschlagen. Sie stellen die evangelischen Rate (consilia evangelica) iiber die Gebote (praecepta), die jeder Christ zu halten verpflichtet ist, und sie schaffen sich dadurch eine Welt der Einsamkeit und Abgeschiedenheit, fur die die Wiiste der rechte Platz war. 78) Die Wiiste in ihrer Einsamkeit war ihnen ein Abbild ihres Wollens, sie war ihr Lebensraum, den sie benotigten wie die Fische das Wasser. So konnte Antonios schreiben. ,,Die Fische sterben, wenn man sie an Land zieht, und die Monche vergehen in den Stiidten. Kehren sie schnell in die Berge zuriick, wie Fische, die zum Wasser gehen." So werden die Flucht vor der Welt 19) und der Gesellschaft und der Abbruch jeglicher Beziehung auch zu der kleinsten gesellschaftlichen Gruppe der Familie zu den Merkmalen der Anachoreten. 20)

Sie sind fur die Welt gestorben

und betrachten sich selbst als Tote. 21) So versuchen die Anachoreten in absoluter Isolierung von

ihren

Mitmenschen, ohne eine Organisation, die Rettung der Seele zu verwirklichen. 22) Damit stehen sie in Gegensatz zu den Monchs17) vgi. p.G. 65, 85,

18) Zum ,,Individualismus” der friihen Monche vgl. WORKMANN, B. H., The Evolution of the Monastic Ideal from the earliest Time down to the coming of the Friars, 1927 2, S. 23 ff und 124 ff. 1°) Vgl. Heiler, F., Urkirche und Ostkirche, Miinchen 1937, S. 366 ff. Siehe auch Campenhausen v., H., Die asketische Heimatlosigkeit im altkirchlichen und friihmittelalterlichen Monchtum, Tubingen 1930. Und in: Tradition und Leben. Tubingen I960, S. 290-318. 20) Vgl. z.B. P.G. 65, 88; 65, 92; 65, 188 usw. 21) Vgl. etwa P.G. 65, 97; 65, 245. 22) Vgl. Leclercq, H., Monachism, DACL, XI a.a.O., S. 195 f.

(2),

1785 und Heussi, K.,

14

ASOZIALE UND SOZIALE FORM DES MONCHTUMS

gemeinschaften, die als organisierte Gruppen in den sozialen wie auch den wirtschaftlichen Bereich der Gesellschaft hineinwirken. Beiden Gattungen bleibt jedoch vieles gemeinsam, namlich a) dab der vollkommene Monch in dieser Welt ein Fremdling ist 23), b) dab das Lebensideal des Monches in der Verwirklichung seiner Sehnsucht nach der vita contemplativa (bios theoreticos) ist. Dieses mub aber notwendig in einen Gegensatz zur Tatigkeit (vita activa) einmiinden. c) Die Monche betrachten sich selbst als ‘auserwahlte’ und besondere ‘reli¬ giose’ Menschen. 24) d) Sie entwickeln eine Tendenz zur Aufgabe der Personlichkeit und e) beurteilen die Welt negativ und pessimistisch, da sie eine radikale Trennung der Bereiche des profanen Lebens von denen des heiligen Lebens versuchen und den homo religioses in die Isolierung fiihren. 25) Wenn ich aber oben sagte, dab das Anachoretentum asozial ist, so soil das nicht bedeuten, dab diese Monche rein egozentrisch dachten oder dab kein Verstandnis fur das Elend oder andere Probleme der Gesellschaft besaben. ,,Auch im einsamsten Gebetsringen und im erbitterten Kampf mit den Damonen der Wiiste stand der Monch nicht nur fur sich und sein Heil ein, sondern zugleich fur die ganze Kirche.’’ 26) Die Monche bemiihen sich um eine ,,apatheia” (Unempfindlichkeit) nur, um sie den bosen Machten und dem Teufel entgegenzustellen. 27) Das Verhaltnis zu den Mitmenschen und ihrem Leben wird durch die ,,sympatheia” (Mitleid) bestimmt. 28) Antonios schenkte sein ganzes Vermogen den Armen und ging dann in die Wiiste29), und er ,,litt mit seinen Mitmenschen”. 30) Als An¬ tonios starb, beklagten sich viele Menschen, denen er geholfen hatte, als Waisen. 31) Aber auch die iibrigen Anachoreten halfen, wenn es 23) Vgl. P.G. 65, 136; 87, 3, 2861. 24) Dazu Basilios (P.G. 31, 870; 31, 881; 31, 1321 f; 32, 288 f; 32, 224 f; 32, 1019;

32,

1133;

32,

1140).

Chrysostomos

(P.G.

47,

320 f).

Theodoros

Stu¬

dies (P.G. 99, 1816). Isidoros Pelousiotes (P.G. 78, 268). Maximos der Bekenner (P.G. 90, 840). Eustathios v. Saloniki (P.G. 135, 776 f). Als Augustinus von Pontianus iiber das Leben des Antonios horte, iiufierte er sich folgendermafien:

,,Die

Ungebildeten stehen auf und reiflen den Himmel an sich, und wir mit unserer Gelehrsamkeit, siehe, wie tief wir in Fleisch und Blut vergraben sind”. (Conf. VIII, 8). 25) Dieses Bestreben der Monche nach einer besonderen Vollkommenheit hat der Reformation die Moglichkeit gegeben, gegen ,,Die falsche Bedeutung, welche man dem Monchsstande beilegt, als sei er gnadenverdienender Kraft und eine christliche Vollkommenheit hoherer Art denn die des gewohnlichen, Christen”, vorzugehen

in

der

Welt

lebenden

(XXVII. Artikel des Augsburgischen Bekenntnisses).

2G) Bacht, H., a.a.O., S. 314. 27) Vgl. P.G. 34, 1121; 65, 420; 65, 408; 67, 1382; 40, 1232; 40, 1221; 88, 1148. 28) P.G. 79, 86 ff. 29) P.G. 26, 844. 30) P.G. 26, 924-5. 31) P.G. 26, 965.

15

DAS ANACHORETENTUM

ihnen moglich war, den Armen32), sogar Symeon der Saulenheilige dachte an seine Mitmenschen. Theodoret (f 457) schreibt iiber Sy¬ meon: ,,Auch vernachlassigt er die Sorge fur die heilige Kirche nicht. Bald kiimpft er gegen die heidnische Gottlosigkeit, bald bricht er die Frechheit der Juden, ein anderes Mai zersprcngt er die Scharen der Ketzcr, bald schreibt er dariiber an den Kaiser, bald regt er die Beamten zum Eifer fur Gott an and dann wieder legt er den Hirten der Kirche ans Herz, eine grofiere Sorgfalt auf ihre Herzen zu verwenden.” 33) Am hellsten leuchtet jedoch die Menschenliebe der Anachoreten in den Worten des Antonios auf, dafi das ganze Leben der Menschen eine dauernde Bemiihung um die Besserung des Mitmenschen sein sollte. 34) Fur Antonios sind die Mitmenschen eine Verantwortung in Leben und Tod. 35) Sie diirfen niemals ihrem Schicksal iiberlassen werden. So waren die Anachoreten soziologisch gesehen keineswegs neutrale oder gar negative Elemente, wenn cs um das Wohl der Gesellschaft ging. Ihre Wirkung blieb, auch

in

der

Einsamkeit der

Wiiste, bestehen, und sie beeinflufiten die Kirche im positiven Sinne und gaben den Menschen der Welt Grund zum Nachdenken. Um Antonios sammelten sich mehrere Anachoreten, um mit ihm in seiner Umgebung zu leben. So entstanden allmahlich die sogenannten ‘Laura’ (Anachoretensiedlung). Diese Schuler des Antonios bildeten jedoch noch keine ausgepriigte Gemeinschaft. Sie waren nicht verpflichtet, ein geregcltes Zusammenleben zu fiihren, sondern blieben selbstiindig. So stieg die Zahl der Einsiedler standig. 36) Diese Kolonien der Anachoreten in Agypten bildeten den Obergang von der asozialen Form zur sozialen Form des Monchtums. Man kann jedoch nicht von einer dreistufigen Entwicklung sprechen, wie es will. 37) Bei der Laura handelt es sich lediglich um eine Ubergangsform des Anachoretentums zu den Monchsgemeinschaften, Workmann

oder wie es meist ausgedriickt wird zum ‘Coenobitismus’. 2. Die Entstehung der monchsgemeinschaften

Die asoziale Form des Monchtums endet in dem Moment, in dem 32) P.G. 26, 908. 33) Historia religiosa. Dt

Obersetzung von Gutherlat,

50, 26.

34) P.G. 26, 876.

35) P.G. 65, 77; 65, 233; 26, 946. 30) P.G. 26, 855. 37) a.a.O., S. 87-88. Er spricht iiber eine dreistufige Entwicklung des Monchtums: ..Monchtum", „Zonobitismus ", „Klosterleben'\ Das Wort „Koinobion" wird jedoch noch

bis

braucht

heute

in Griechenland

immer als Bezeichnung fur das Klosterleben ge-

16

ASOZIAI-E UND SOZIALE FORM DES MONCHTUMS

der Anachoret seine Einsamkeit in der Wiiste verlabt, um seine Personlichkeit in den Rahmen

einer

Klostergemeinschaft

einzureihen,

sich hier aufzugeben, um als Mitglied eines sozialen Gebildes, der Monchsgemeinschaft, zu leben. Obwohl ich mich der Meinung des bekannten Soziologen R. Konig38) anschlieben mochte, dab ,,das Wort Gemeinschaft ein richtiges Allerweltswort geworden ist, das man volkommen aus dem Sprachgebrauch verbannen sollte”, halte ich seine Anwendung in diesem Falle der Monchsgemeinschaften doch fiir die einzig brauchbare. Dafiir spricht der Rechtsbegriff 39) des Wortes, ,,der ganz allgemein auf das Verhaltnis zwischen Menschen abzielt, die etwas zur gesamten Hand haben” und da zugleich ,,eine soziale Einheit auf einem bestimmten Boden, also eine eigentliche Lokalgruppe gemeint ist.” 40) Ebenso erlaubt das moderne Verstandnis des Wortes, wobei der Ton auf einer rein personlich-geistig-seelischen Verbundenheit 1 iegt, die Bezeichnung Monchsgemeinschaft. Sie ist durchaus zugleich eine ‘Liebesgemeinschaft’, unter Beriicksichtigung der Einschrankung, die

Konig

macht 41) ,,sie kann in diesem Sinne

eine Gemeinschaft sein, sie mub es aber keineswegs.” 42) Die Monchsgemeinschaften sind eine durch positive Umstande gebildete Gruppe. Diese Umstande und Verhaltnisse fiihrten zu einem realen und organisierten Leben, was nach

Tonnis

43) ,,das Wesen

der Gemeinschaft” ist. Es handelt sich hierbei um ein vertrautes, ausschliebliches Zusammenleben, das sich in Gegensatz zur Offentlichkeit (Welt) setzt. Ebenso bestimmt ein gegenseitiges Verstandnis die Gemeinschaft der Monche, da sie sich gegenseitig freiwillig verbunden fiihlen und sich bejahen. Trotz der auffallenden Ahnlichkeiten der Monchsgemeinschaften mit der Familie unterscheiden sie sich doch von ihr, und zwar dadurch, dab man hier aufgenommen wird, wahrend man in die Familie hineingeboren wird. So ist auch die zwischen den Monchen herrschende Liebe und Verbundenheit nicht eine Folge der Blutsverwandtschaft sondern mehr einer geistlichen Verwandschaft in Christo. Ferner wird das Mitglied der Familie zugleich Mitglied der Gesellschaft sein, wah¬ rend das Mitglied der Monchsgemeinschaft, als einer gestifteten und 3®) Grundformen der Gesellschaft. Die Gemeinde, Hamburg 1958, S. 18. 39) a.a.O., S. 19. 40) a.a.O. 41) a.a.O., S. 20. 42) Vgl. auch

Konig,

a.a.O., S. 163 ,,einige sprachliche Unklarheiten” (bes. Anm.

12) und auch die treffende Kritik an der Ansicht

Menschings

giosen und nicht soziologischen Sinn des Begriffes Gemeinschaft. ziologie der Religion, Bonn 1947, S. 23.) 43) Gemeinschaft und Gesellschaft, Berlin 1922, S. 3.

liber den reli-

(Mensching: So-

DIE

ENTSTEHUNG

DER

17

MONCHSGEMEINSCHAETEN

organisierten Gemeinschaft, der Gesellschaft fiir ewig entsagt hat und fur sie gestorben ist. In der Monchsgemeinschaft werden alle Lebensbezirke religios durchdrungen. Es handelt sich um Wahlgemeinschaften, wo der Riickzug auf die urstandliche Gleichheit in Liebe und Opfer angestrebt wird. 44) Diese grundsatzlichen Unterschiede verweisen das Monchtum in die soziologische Kategorie des Bund e s. 45) Die Monche wollen die vollkommene Organisation des christlichen gemeinsamen Lebens erreichen (‘koinonia gar biou teleiotaten ).46) Vor allem muG der Monch lernen, daG alle Dinge gemeinsam sind. 47) Diese soziale Form des Monchtums iiberflugelte bald das Anachoretentum. Die Anachoreten wurden die Ausnahme. 48) Das Konzil von Trullo entschied, daG ein Monch nur dann Anachoret werden darf, wenn er zuvor drei Jahre in einem Koinobion gelebt hat. Zur Entstehung der Monchsgemeinschaften und zu ihrer Entwicklung haben Pachomios (f 348) und besonders Basilios der GroGe (t 379) beigetragen. Aus den Monchssiedlungen der Anachoreten schuf Pachomios49) das erste Kloster59), indem er die Hiitten der Monche mit einer Mauer umgab. Zugleich gab er den Monchen eine feste Regel54), die die Voraussetzungen fiir die Begriindung einer wirklichen Gemeinschaft enthielt. Alle Monche sollten ihre Nahrung

44) Vgl. Troeltsch, Ernst, Die Soziallehre der christlichen Kirchen und Gruppen, Tubingen 1912. S. 122. 45) Dazu Schmalenbach, H., Die soziologische Kategorie des Bundes, in Die Dioskuren, 1 (1922) S. 35-105. 46) P.G. 31, 1381 (Basilios). Auch P.G. 31, 928 f. 47) P.G. 99, 1820 (Theodoros Studites). 48) Vgl. Holl, K., „t)ber das griechische Monchtum", Preufiische Jahrbucher, 94 (1898), S. 272 und Heiler, F., a.a.O., S. 374. 49) Zu Pachomios vgl. Ladeuse, P., De instituto coenobitico sancti Pachomii. Etude sur le cenobitisme pakhomien, Louvain 1898. Grutzmacher, O., Pachomius und das alteste Klosterleben, Freiburg 1896. Rezac, I., De forma unionis monasteriorum S. Pachomii, in OCP, 23

(1957) S. 381-414. Noch dazu Bacht, H., L im¬

portance de l'ideal monastique de S. Pachome pour 1'histoire du monachisme chretien, in RevAsc M, 26 (1950) S. 308-326. Heussi, K., a.a.O., S. 115-131. Ebenso Lefort, Th., Les vies coptes de S. Pachome, Louvain 194350) Aus lateinisch: claustrum — abgeschlossener Raum. 51) Vgl. Hieronymi, Regula Patris nostri 67-82).

Auch

Sozomenos,

P.G.

67,

Pachomii hominis dei usw.

1069 ff.

Palladios,

P.G.

34,

(P.L. 23, 1099-1105.

Ebenso Boon Amand Dom, Pachomiana Latina. Regie et Epitres de S. Pachome, Epltre de S. Theodore et „Liber” Pachome

fragments

de

S.

Orsiesius.

coptes et excepta grecs,

Appendice:

edites par

L.

Th.

La

regie

Lefort.

de

S.

Louvain

1932. Noch dazu Holl, K., Enthusiasmus und Bufigewalt beim griechischen Monch¬ tum, Leipzig 1898, S. 171 ff. Ober die Wirkung der Regeln auf Basilios und Benedikt, vgl. Altaner, B., Patrologie, Freiburg 1958 5, S. 234.

18

ASOZIALE UND SOZIALE FORM DES MONCHTUMS

in einem gemeinsamen Hause einnehmen und ,,keiner darf im Kloster sein, der nicht lescn kann und nicht wenigstens die 150 Psalmen und die vier Evangelien auswendig hersagen kann”. Damit wurde Pachomios dem

zum

gleichen

Stifter

Boden

des

coenobitischen

entstand

wie das

Monchtums,

Anachoretentum

das

auf

(Agyp-

ten) und das im Anfang sich parallel mit dem Anachoretentum entwickelte. Diesem Typos des monchischen Lebens sollte aber die Zukunft gehoren. 52) Pachomios selbst war ein Freund der Armen und der Menschen iiberhaupt (philoptochos kai philanthropos) 53), und er machte die Liebe zur Hauptpflicht der Monche. 54) Dadurch wurde er im wahrsten Sinne zu einem Begriinder einer ‘Liebesgemeinschaft’, die immer der ideale Typus einer Monchsgemeinschaft sein sollte. Der eigentliche Vater des byzantinischen Monchtums in seiner sozialen Form und ihr Gesetzgeber 55) ist jedoch ohne Zweifel B a s ilios

der GroCe von Casarea56), der das gemeinschaftliche Ideal

mit grofitem Nachdruck vertrat. 57) Er unterstrich die Notwendigkeit echter christlicher Gemeinschaften. Fiir unsere Untersuchung ist er insofern wichtig, als er einer der wenigen Kirchenvater ist, der den Titel Soziallehre und Sozialreformer verdient. 58) Die Kirche verlieh der Organisation des Monchtums von Basilios kanonische Giiltigkeit59), und seine Gedanken wurden die Grundlage fiir alle Typika der spateren Kloster. Besonders Theodoros Studites griff in seinen asketischen Schriften das coenobitische Ideal des Basilios wieder auf und bekraftigte es erneut. 60) Seine schonste Verwirklichung fand 52) Vgl. Altaner, B., a.a.O., S. 234. 53) P.G. 34, 1099. 54) Wagenmann

(Entwicklungsstufen des iiltesten Monchtums, Tubingen

1929,

S. 17 f) nennt die Lehre von der Liebe die wichtigste Seite am Werke des Pachomios. 55) Vgl. Beck, G. H., a.a.O., S. 125 und Delehaye, H., a.a.O., S. l4l

(der Ba¬

silios als ,,lawgiver of the monastic life” bezeichnet). 56) Vgl. dazu: Amand, D., l’ascese monastique de Saint Basile, Maredsous, 1948. Morrison, F. E., St. Basil and his Rule, a Study in early monasticism, Oxford 1912. Clarke, L. K. W., St. Basil the Great. A Study in monasticism, Cambridge 1913. Murphy, M., St. Basil and Monasticism, Washington 1930. Rothenhausler, M., Der hi. Basilius und die klosterliche Profefi, in Benedikt. Monatsschrift 4 (1921) S. 87 ff. Laun, F., Die beiden Regeln des Basilius, in ZfK, XL (1935) 1 ff. 57) Vgl. Beck, G. H., a.a.O., S. 125. 58) Dazu: Giet, S., Les idees et Faction sociale de Saint Basil, Paris 1941 und Savramis, Demosthenes, Die griechisch-orthodoxe Kirche und die soziale Frage, in OS, 7 (1958) S. 66 ff. B9)

Vgl. Rhalles-Potles, 2, S. 308-310.

60) Kleine Katechese: ed. J. Cozza Luzi, Nova Patrum bibliotheca, IX, 1, Rom 1888, 1-318. Grofie Katechese, a.a.O., IX, 2, Rom 1888, 1-217. Auch PapadopoulosKerameus, A., Petersburg 1904. Vgl. auch P.G. 31,

1319-1320; 99, 804-901; 99,

1681-1824; 99, 1704-1720; 99, 1721-1730. (Zur Datierung der kleinen Katechese vgl. Beck, a.a.O., S. 493 und Anm. 1).

DIE ENTSTEHUNG DER MONCHSGEMEINSCHAFTEN

19

es in der beriihmten Laura des Heiligen Athanasios auf dem Athosberg. 61) Auch im Westen iibte dieses Ideal einen groben EinfluB aus,

Benedikt verfaDte

die

Regeln

fur

dem Eindruck der Basilios Gedanken. 152)

seinen

Orden ganz

Allerdings

unter

unterscheiden

sich die Regeln des Abendlandes von denen des Basilios grundsiitzlich, da diese das monchische Lcben in alien Einzelheiten festlegen, wahrend Basilios nur erste wichtige Hinweise fur das gemeinsame Leben gibt. Basilios geht gegeniiber Pachomios weiter, da er zum ersten Mai cine Theorie des Monchtums entwickelt, wahrend letzterer mehr an die praktische Organisation des Monchtums dachte. Basilios beschaftigte sich mit der theologischen und piidagogischen Begriindung des asketischen Coenobitentums, und — was fur diese Arbeit sehr wichtig ist — er deckte die sozialen Griinde fur die Not wendigkeit des gemeinschaftlichen Lebens auf. Auf Grund der Erfahrungen, die er in Agypten, Palastina, Syrien und Mesopotamien sammelte, gelangte Basilios zu der Auffassung, dafi das Leben der Anachoreten der

sozialen

Natur der

Menschen

widerspricht und dafi dieses Leben keine Moglichkeiten zur positiven Beeinflussung der Gesellschaft bietet. So entschlofi er sich, gegen den religiosen Individualismus der Anachoreten aufzutreten. 63) Nur in der Gemcinschaft kann man sein Leben als Christ erfullen64), da der Mensch von Natur aus ‘sozial’ veranlagt ist.65) Es existiert keine selbstiindige Tiitigkeit des Individuums, da eine sinnvolle Tiitigkeit jedes Einzelnen nur in ihrem Hinblick auf den gemeinsamen Zweck moglich ist. 66) Auch der Monch soli ein Mitglied einer sozialen Einheit sein, da man sich nicht ohne Schaden von dem Ganzen trennen kann. 67) Der Monch wird in der Einsamkeit weder sich selbst noch den anderen helfen. 68) Die Stelle in 1. Kor.

13, 5, wo der

Liebe jede Selbstsucht abgesprochen wird, wird zum grofien Argu¬ ment des Basilios gegen die asoziale Form des Monchtums. Die gegenseitige Hilfe und eine entsprechende Ordnung,

die diese

Hilfe er-

01) Vgl. Meyer, Ph., Die Haupturkunden fur die Geschichte der Athoskloster, Leipzig 1894, S. 102-140. 62) Vgl. Regula S. Denedicti, ed. Edm. Schmidt, 1892, S. 58. Noch dazu Codex Juris Canonici, typis Polyglottis Vaticanis,

1947, 487 ff. Siehe auch Wagenmann,

a.a.O., S. 24 und Seraphim, Metropolit, Die Ostkirche, Stuttgart 1950, S. 129 und 133. «3) Vgl. Leclercq, H., DACL, IX (2), 1818-9. M) P.G. 31, 929. 66) P.G. 29, 261. 68) P.G. 29, 172. «7) P.G. 31, 928-9. 63) a.a.O.

20

ASOZIALE UND SOZIALE FORM DES MONCHTUMS

laubt, sind Geschenke Gottes. 69) Als grofites Gesetz mufi die Liebe sowohl das Leben innerhalb der monchischen Gemeinschaft als auch die Tatigkeit in der allgemeinen Gesellschaft bestimmen. 70) Obwohl der Monch so leben soil, als ob er bereits in eine ander Welt hiniibergangen ist 71), darf er die Natur doch nicht verleugnen, soil sie veredeln.

Die Askese soil daher Obertreibungen und Mafilosigkeit

vermeiden. 72) Der Monch ist der Nachahmer Christi (mimetes), d.h. er soli nicht ein Feind der Menschen

(misanthropos)

Freund

Damit

(philanthropos)

werden. 73)

stellte

sondern Basilios

ihr den

Monchtum zwei grofie Ziele: a) der Monch soli Gott ahnhch werden. Das Mittel dazu sei ihm die Vollkommenheit. b) Die Liebe ist die Grundlage des gemeinsamen Lebens im Kloster und das Kriterium der Beziehung der Monche zur Umwelt. Das Di e n e n ist dabei die Hauptvoraussetzung des monchischen Lebens. Diese Grundgedanken befahigen die Monche, wie wir es spiiter sehen werden, zu Tragern der Wohlfahrt des byzantinischen Reiches zu werden. 74) Die Monchsgemeinschaften betonen

im

Gegensatz

zur

asozialen

Form des Monchtums das Wir-Verhaltnis und wollen eine Genossenschaft in briiderlicher Liebe erreichen. Der Ausdruck ,,Bruder” (adelphoi), den die Monche in der Anrede verwenden, zeigt die Gleichheit und Einheit, die im Kloster wie in einer Familie herrschen. Nur der Klostervorsteher unterscheidet sich von den anderen. Allerdings ist sein Verhaltnis zu den Monchen nicht das von Obrigkeit zum Untertan, sondern est tragt die Ziige einer Vater-Kind oder Lehrer-Schiiler Verbindung.

Basilios hebt besonders den Gehorsam hervor, den

die Monche dem Abt (Fiegoumenos) schulden 75)

(Reg. brev. 38),

was auch B e n e d i k t spater unter dem Einflufi von Basilius stehend 69) a.a.O. 70) P.G. 31 (644, 649, 904 ff, 993, 1188 f, 1197, 1208, 1233, 1245). 71) P.G. 31, 920-1. 72) P.G. 31 (976, 876-877). 73) P.G. 31, 648. 74 ) Siehe den entsprechenden Teil dieser Arbeit. 75) Vgl. auch P.G. 31, 873; 31, 1032 (Basilios). P.G. 99, 1817 (Theodoros Studites). P.G. 88, 1777 (Johannes Klimax). Der Vorsitzende eines Klosters hiefi Abbas (= Vater, aus der aramaischen Sprache ab abba; vgl. auch Mark. 14, 36). Aufierdem hiefi er auch proestos, proistamenos usw. oder tes mones exarchos (princeps monasterii). P.G. 31 (1004, 1032, 873, 1404, 1417); P.G. 62, 575 f. Vgl. auch Rhalles-Potles 2, 401-402. Schliefilich blieb der Titel Hegoumenos. Vgl. dazu Granic, B., Die rechtliche Stellung und Organisation der griechischen Kloster nach dem Justinianischen Recht, in B.Z., 29 (1929-30) S. 18 f. Dieses monarchische System wurde bald zu einem oligarchischen, da neben dem Hegoumenos ein Rat entstand, der aus wenigen, den Besten (Theodoros Studites, P.G. 99, 1821) gebildet wurde. Auf dem heiligen Berg Athos heifit er heute G e r o n d i a. Vgl. dazu Rhalles, M. K., Ober die Ratgeber der Kloster, Athen 1922 (in griech. Sprache). Zur Hegoumenos vgl. auch Gedeon, M., Kanonische Ordnungen, Kon-

DIE ENTSTEHUNG DER MONCHSGEMEINSCHAFTEN

21

wiederholt. (Ben. Reg. 2) Die Macht des Abtes ist unbeschrankt, er iibt sogar eine Art Briefzensur aus, da die Monche ohne Kenntnis ihres Abtes keine Briefe abschicken oder empfangen diirfen. Ebenso sind die Monche verpflichtet, alles ihrem Abt zu beichten. 7G) Er besitzt ein weitgehende Aufsichts- und Disziplinarstrafrecht, da es auch festgesetze Strafen (epitimia) in den Mbnchsgemeinschaften gab. Es werden niedrige Strafen ‘Metanoia’ (Kniebeugen, Fasten) and auch schwerere wie etwa der AusschluB von der Liturgie und der Kommunion77) verhangt. Soziologisch und wirtschaftlich gesehen scheint es mir sehr wichtig, daB im Kloster ein Kommunismus der Liebe herrschte, der an die ersten Gemeinschaften der Christen (Acta 4, 32) erinnert. Alle Dinge waren gemeinsam und wurden durch die Liebe mit Gerechtigkeit verteilt. Das schone Bild des Apostels Paulus (der Korper als Beispiel einer idealen Gliederung der Gesellschaft) wird zum Vorbild fur die Monchsgemeinschaften. 78) So kann uns Johannes Chrysostomos berichten, dafi in den Klostern alles, d.h. Essen, Wohnung, Kleider gemeinsamer

Besitz waren,

und

die

Gemeinschaft

auch

die Freuden und Leiden des einzelnen trug. 79) Denselben Kommu¬ nismus der Liebe, wo ‘mein’ und ‘dein’ aufgehoben sind, will auch Basilios darstellen. 80) Als wirtschaftlicher Typos gehoren die Gemeinschaften der Monche der Kollektivwirtschaft an, d.h. sie sind eine Verbindung von Produktions- und Verbrauchskollektivismus, wobei die Giiterproduktion und der Verbrauch nach einem einzigen, zentralen Plan erfolgen. Obwohl der Tauschverkehr bzw. die Verkehrswirtschaft nicht ganz ausgeschlossen waren, blieb es doch bei einer geschlossenen Produktionsund Verbrauchsgenossenschaft. Die Monchsgemeinschaften errichteten ein sozialistisches Wirtschaftssystem, das aber auf der Freiheit des Einzelnen und auf dem Boden der religiosen Liebe aufgebaut worden war. Obwohl die soziale Form des Monchtums sich von der asozialen grundlegend unterscheidet, zeigen beide in ihren Beziehungen zur Gesellschaft, die sie Welt nennen, doch gewisse Ahnlichkeiten. So stantinopel 1888-1889, 2 Bde, I, 22. 76) P.G. 31, 985-986 (Basilios). 77) Vgl. Rhalles, M. K., Die Strafe des Ausschlusses von dem Kloster (Berichte der Akademie —■ Athen, 10 (1935) S. 94-102, in griech. Sprache). Der Abt ist nur Richter innerhalb des Klosters. Klagen von aufien werden durch den Bischof erledigt (Justinianos I, Nov. 79, 1). 7S) P.G. 34, 468-9. 7») P.G. 47, 366 und P.G. 58, 671. so) P.G. 31, 1144. Savramis

3

22

ASOZIALE UND SOZIALE FORM DES MONCHTUMs

fordern beide die radikale

Trennung

des

weltlichen,

gesellschaft-

lichen, profanen Lebens von dem heiligen Leben. Beide beurteilen die Welt pessimistisch

und

negieren

die

bestehende gesellschaft-

liche Ordnung und die Kultur, indem sie eine neue Ordnung anstreben. Der Monch behandelt die Welt wie ein Arzt seinen Patienten. 81) Das Hauptziel der Monche bleibt die redemptio animi, die soteria psy¬ ches, das Seelenheil 82), die das zweite Bemuhen, namlich die Vollkommenheit (teleiotes) zu erreichen, bereits voraussetzt. Um dieses Ideal zu erreichen mufi der Monch auf seinen eigenen Willen verzichten 83) und in absolutem Gehorsam (hypakoe, hypotage) 84) leben. Der Gehorsam riickt damit neben dem C 6 1 i b a t (parthenia) und der absoluten

Armut

(aktemosyne) 85)

in

die

Reihe

der

Monchsgeliibde. Zusammenfassend lafit sich sagen, dafi die Monche in ihrer Gemeinschaft sowohl positive wie auch negative Elemente vereinen. Die positiven Elemente sind gemeinsame Mahlzeiten,

a) fester Aufenthaltsort, b)

c) Andachtsiibungen und Gebete,

d) ge-

meinschaftliche Arbeit, e) Uniformitat des Gewandes und f) Kollektivwirtschaft. Zu den negativen Elementen ziihle ich a) die Negation aller Verbindungen mit der Welt und b) die Absage an jegliche Art des privaten oder personlichen Besitzes. Gesetzlich gesehen trugen die Monchsgemeinschaften zu

Anfang

rein privaten Charakter ohne jegliche Rechtsbeziehungen zur kirchlichen Obrigkeit. Die erste kirchenrechtliche Regelung der Verhaltnisse der Monche in ihren Gemeinschaften erfolgte auf der Synode zu Chalcedon. Diese Synode bestimmte durch ihre Kanones 3, 4, 7, 8 und 16 die Kloster zu Anstalten, die rechtlich von der Kirche abhangig waren. 86) Im besonderen bestimmte der 8. Kanon, dafi die Monche 81) Vgl. etwa Theodoros Studites, P.G. 99, 1824 (Testamentum) und a.a.O. 1817. Noch dazu Heussi, a.a.O., S. 187 und 255, Heiler, a.a.O., S. 365, Lucius, Die Anfange des Heiligenkults in der christlichen Kirche, Tubingen 1904, S. 337 ff und Leclercq, DACL, XI, (II) 1805. 82) Vgl. P.G., 31, 88. Auch Rhalles-Potles, 2, 397 und 408. Ebenso Zonaras und Balsamon (Rhalles-Potles, 2, 48 f und 708 f). 83) Callinici de vita S. Hypatii liber edd. Seminarii Philologorum Bonnensis Sodales, Lipsiae 1895, S. 55. 84) Vgl. dazu de Arbeit: Mouratidis, K., Der Gehorsam der Monche in der alten Kirche (ein Beitrag zur Geschichte des kanonischen Rechts der orthodoxen katholischen Kirche) Athen 1956 (in griech. Sprache). 85) Dazu Granic, B., Die privatrechtliche Stellung der griechischen Monche im V. und VI. Jahrhundert, in BZ 30 (1929-1930) S. 669-676, und Dmitrewski v. M., Die christliche, freiwillige Armut vonm Ursprung der Kirche bis zum 12. Jahr¬ hundert, Berlin 1913. 86) Vgl. Rhalles-Potles, 2, S. 220 ff. Dazu auch Ueding, L., Die Kanones von Chalkedon in ihrer Bedeutung fur Monchtum und Klerus, in Bacht-Grillmeier, Das Konzil von Chalkedon, 2. Bd, Wurzburg 1953, S. 569-676.

23

DIE ENTSTEHUNG DER MONCHSGEMEINSCHAFTEN

dem zustandigen Bischof unterstehen, wie es die Tradition der Kirchenvater verlangte. 87) Die staatliche Gesetzgebung schloB sich der kirchlichen an. So hielt sich die Klostergesetzgebung Justinians streng an

die

konziliare

Gesetzgebung. 88)

Das

Prooimmion

der

133.

Novelle Justinians bestimmt, daB der Gesetzgeber im Falle des Monchtums den heiligen Kanones der Kirche folgen wird. Damit wird sowohl von kirchlicher als auch von staatlicher Seite

die

soziale

Form

des

Monchtums als die einzige gultige anerkannt. Diese Entwicklung und die Einrichtung von Klostern in dem Grofistiidten 89) trugen dazu bei, dafi das Monchtum mit der Zeit ein wichtiger kirchenpolitischer, sozialer und wirtschaftlicher Faktor im Staate wurde. 87) Rhalles-Potles, 2, S. 234.

88) Vgl. dazu Granic, B., Die rechtliche Stellung und Organisation usw., a.a.O., S. 9. Ebenso Alivisatos, H., Die kirchliche Gesetzgebung des Kaisers, Justinians I, Berlin 1913, S. 98-112, Pfannmuller, G., Die kirchliche Getsetzgebung Justinians hauptsachlich auf Grund der Novellen, Berlin 1902. 80) Zu den Anfangen des Monchtums in der Hauptstadt des byzantinischen Rei¬ ches, vgl. Marin, E., Les moines de Constantinople, Paris 1897.

Ill DAS MONCHTUM IM DIENSTE DER GESELLSCHAFT l. Die soziale Tatigkeit des Monchtums Basilios der GroBe, den wir bereits als den Vater des morgenlandischen Mdnchtums und als Gesetzgeber gekennzeichnet haben, legte nicht nur die Grundlagen fur die soziale Form des Monchtums, sondern er wies Monchen und Klostern auch den rechten Weg zum sozialen Dienst. Seinen Gedanken, daB der Mensch von Natur sozial veranlagt ist, entwickelte er weiter zu der Auffassung, daB Geben und D i e n e n eine notwendige Seite des Christenlebens sind. Christenpflicht ist es, diejenigen Mitglieder der Gesellschaft zu unterstiitzen, die sich in Not befinden. 4) Wer nur fiir sich selbst sorgt, ist schlimmer als ein Dieb. 2) Basilios gab selbst das Beispiel des Dienens, indem er das Vorbild eines sozialen Fursorgers wurde, wie es u.a. die beriihmte ‘Basileias’ beweist (ein organisiertes Zentrum sozialer Fiirsorge), welches von Gregorios von Nazianz sehr gepriesen wird. 3) Mit Recht verdient Basilios den Namen ‘Caritasapostel’, den ihm Altaner4) zulegt. Das Wort Christi: ,,Ich bin nicht gekommen, daB ich mir dienen lasse, sondern daB ich diene”, sollte zum Gesetz fiir die Monche werden, da der Wille Gottes das Dienen an den Mitmenschen fordert. 5) Das ‘hyperetein’ (dienen) wurde ihnen als Pfliclit auferlegt6), und die sollten sich fiir den sozialen Dienst zur Verfiigung stellen. 7) Dienen als sozialer Dienst heiBt Christus selbst dienen. 8) Es stehen zwei Machte hinter dieser Pflicht des sozialen Dienstes: die Macht der Liebe und die Macht der Idee der ‘redemptio animi’. Die Liebe 9) bekampft die individualistischen Tendenzen der Monche, und sie steht deswegen meist an erster Stelle. Aber die Liebe erzeugt alle iibrigen wichtigen Tugenden der Monche 10), da sie die ‘Mutter 4) P.G. 29, 261. 2) P.G. 31, 276. 3) P.G. 36, 577. 4) Patrologie, Freiburg 1958 5, S. 259. B) Halkin, F., Sancti Pachomii vitae Graecae, Bruxelles 1932, S. 14. 6) P.G. 31, 649. 7) P.G. 47,342; 47, 390. Dazu auch P.G. 79, 493 ff; 31, 1001 und 1188; P.G. 88, 637. 8) P.G. 31, 917; 88, 685; 65, 133; 26, 889. 9) P.G. 88, 665; 88, 1157; 79, 389; 79, 533; 87, 2969. 10) P.G. 65, 273; 82, 1333; 65, 236.

DIE SOZIALE TATIGKEIT DES MONCHTUMS

25

alles Guten’ ist. 11) Die Liebe eines Monches soil sich bis zur Feindesliebe erheben 12), da nach Basilios der HaO ein teuflisches Werk ist. 13) Als zweites ist die soziale Tatigkeit der Monche auch eng mit dem Gedanken der ‘redemptio animi’ verbunden. 14) ,,Wie grofi eure Siinde auch sei, Almosengeben wird sie alle bedecken” sagt Johannes Chrysostomos in seiner VI. Homilie iiber Titus. 15) So wurden diese Griinde zu Ausgangspunkten fur den Sozialdienst der Monche. Der Entschlufi eines Mannes oder einer Frau, in ein Kloster einzutreten, bedeutete zugleich die Aufgabe des Eigentums zum Zwecke der Sozialfursorge (Armenpflege, Krankenpflege, Befreiung der Sklaven etc.) 16) Wo Not und Armut auftraten, meldeten sich die Monche, um zu helfen. Die metaphysische Begriindung gab ihrer sozialen Tatigkeit die Kraft. Fur die Kloster waren, solange sie noch in ihrer urspriinglichen idealen Form bestanden, — d.h. vor dem Niedergang des Monchtums — Reichtum und Besitz eine zum Zwecke der Liebestatigkeit anvertraute Gottesgabe. So trug der soziale Dienst der Kloster viel zur Linderung der sozialen Not bei. 17) Diese Tatig¬ keit der Monche iibte aber auch einen grofien Einflub auf die Bischofe und die offizielle Kirche aus. 18) Die sozial karitativen Leistungen waren in Byzanz erstaunlich. Krankenhiiuser, Altersheime, Irrenanstalten, Witwen- und Waisenhiiuser, Kruppelanstalten, Armenhiiuser und Xenodocheien (Fremdenherbergen) waren die sichtbaren Ergebnisse der ausgedehnten Sozialtiitigkeit der Monche.

11) P.G. 115, 49. 12) P.G. 65, 281 ff; 65, 237. 13) P.G. 31, 885. U) Dazu: Sommerlad, Th., Das Wirtschaftsprogramm der Kirche des Mittelalters, Leipzig 1903, S. 157, und Savramis. Demosthenes, Christentum und soziale Fiirsorge, Athen 1954 (in griech. Sprache), S. 22. 15) Vgl. auch P.G. 60, 750; 49. 293; 58, 510. Gegen den Mifibrauch der Idee der „redemptio animi” durch Almosengeben vgl. Basilios P.G. 31, 300 und 32, 1265. 1®) Von den zahlreichen Berichten der Quellen vgl. P.G. 34, 1227-28; 114, 309; 116, 764 ff; 115, 281; 114, 1042; 87, 3, 3092; 114, 321; 88, 656; 31, 937; 31, 625; 26, 841; 26, 844; 65, 305. Noch dazu Dmitrewski, Die christliche freiwillige Armut (Diss.), Berlin 1913. l?) Vgl. Granic, B., Die rechtliche Stellung und Organisation der griechischen Kloster nach dem Justinianischen Recht, in B.Z. 29 (1929-30) S. 25. Ebenso Volter, D., Der Ursprung des Monchtums, Tubingen 1900, S. 47-51. Ober die karitative und soziale Tatigkeit der Monche und Kloster in Byzanz vgl. Koukoules, Ph., Leben und Zivilisation der Byzantiner, Athen 1948, Bd 2 (I), S. 64-179 (in griech. Spra¬ che), Amandos, K., Griechische Caritas wahrend des Mittelalters, in Athena 35 (1923) S. 131 ff (in griech. Sprache) und Phytrakes, A., Die Monche als soziale Lehrer und Arbeiter in der alten, ostlichen Kirche, Athen 1950 (in griech. Sprache). 18) Vgl. etwa P.G. 99, 945 ff (Theodoras Studites).

26

DAS MONCHTUM IM DIENSTE DER GESELLSCHAFT

Die soziale Tatigkeit der Monche und Kloster begann im Bereich der

Krankenpflege,

da die meisten

Krankenhauser

Teil eines Klosters waren. 19) Dort wurden alle Krankheiten behandelt, es wird von Augenleiden berichtet20) und wenn es notig war, fanden auch Operationen statt. 21) Fur die Geisteskranken bestand eine besondere Pflege. 22) Das Personal, auch die Arzte, bestand fast immer nur aus Monchen, die sich nicht selten auch mit Vorlesungen um die Ausbildung der jungen Arzte

bemiihten. 23) So entwickelte sich das

Spitalwesen im ostromischen Reich in einer Weise, die einen Vergleich mit verwandten Strukturen des Westens erlaubt. 24) Die Kran¬ kenpflege hatte, wie alle soziale Tatigkeit der Monche eine metaphysische Grundlage, da man den Dienst an den Kranken als Dienst an Christus selbst betrachtete. 25) Theodoros Studites lobt die Wohltaten des Hospitals und die Krankenpfleger und sagt, dab ,,das Tragen der Lasten der Kranken eine heilige Sache ist”. 26) Das Krankenhaus, das zu seinem Kloster gehorte, arbeitete nach personlichen Anweisungen, die er fur die Behandlung der Kranken gab. 27) Fur Monche, die die Kranken vernachlassigten, wurden Strafen angesetzt. 28) Auch Basilios versuchte die Krankenpflege metaphysisch zu begriinden, wenn er forderte, dab ,,diejenigen, welche die Kranken pflegen, sie als Briider betrachten sollen”. Er kiimmerte sich personlich um die Kranken, und er opferte sich auf fiir sie, genau wie die zwei anderen groben Kirchenvater Johannes Chrysostomos und

19) Vgl. Koukoules, Ph., a.a.O., S. 145. Zu byzantinischen Krankenhausern siehe Schreiber, B., Byzantinisches und abendlandisches Hospital, in BZ, 42 (1943-1949),

S. 116-149- Auch Leclercq, H., artikel ,,Hopitaux” in DACL. 20) P.G. 58, 671. 21) P.G. 79, 248; 79, 397. 22) P.G. 107, 648. 22) Dmitriewskiy, Typika, 693- Ober das Personal der Krankenhauser vgl. GreGOIRE, H., Sur les personel Hospitalier des Eglises, in Byzantion, 13 (1938). S. 283 ff. Zur Ausbildung der Artze: Grumel, V., La profession medicale a Byzance a l’epoque de Commenes, in RevEtByz, 7 (1950) S. 42-46. Dazu Dolger, F. — Schneider, A., Byzanz, Bern 1952, S. 114. Vgl. auch P.G. 99, 309 und P.G. 99, 1741, wo Theodoros Studites iiber Krankenpfleger und Hilfskrankenpfleger (paranosokomoi) spricht. 21) Vgl. Schonfelds, W., Die Xenodocheien in Italien und Frankreich im friihen Mittelalter, Ztschr. d. Savigny Stiftg. f. Rechtsg., Kan. Abt. 12 (1922) S. 1-54. 25) Deswegen gilt die Krankenpflege als Mittel fiir die Erlosung von der Siinde. (vgl. P.G. 34, 1073; 65, 117) 26) P.G. 99, 1785 (Iambi, VXII: In aegrurum curatorem). Auch P.G. 99, 1792 (Iambi, XXIX: In hospitatem domum). 27) P.G. 99, 212. 28) P.G. 99, (1741 und 1785).

DIE SOZIALE TATIGKEIT DES MONCHTUMS

27

Gregor der Theologe. 29) Basilios wurde, wie es Gregor der Theologe berichtet,

zum ‘Schiitzer der Witwen’,

‘Vater der Waisen’,

‘Freund der Armen’, ‘Bruder de Fremden’ und zum 'Arzt

der

K r a n k e n’. 30) Diese Fiirsorge fand ihren sichtbaren Ausdruck in den karitativen Anstalten, die Basilios vor den Toren von Casarea errichtete, ein Armenheim (Ptocheion), ein Altersheim (Gerokomeion) und ein Krankenhaus (Nosokomeion). 31) Die ganze Geschichte des byzantinischen Monchtums liefert unzahlige Beispiele, welche Rolle die Monche bei der Pflege der Kranken spielten. In Alexandria sorgten die Monche schon sehr friih fur die Kranken32), und in Palastina unterhielt wahrend des 4.-6. Jahrhunderts jedes Kloster ein Krankenhaus. 33) Als Beispiel dafiir diene das Wirken des Heiligen Sabbas, der Kaiser Justinian iiberzeugen konnte, so daC er mit dessen

Hilfe ein Krankenhaus mit hundert Bet-

ten einrichtete. Von der friiheren Zeit sei hier Ephraim der Syrer genannt, ein bekannter Philantrop 34), der als Grunder der ersten bekannten medizinischen Fiirsorgeorganisation in die Geschichte eingegangen ist. Auch in der Hauptstadt forderten die Monche die Krankenpflege. So widmete sich in der Zeit Justinians der Heilige Samp¬ son33) ausschliefilich der Krankenpflege. Er war ein wegen seiner sozialen Tatigkeit bekannter Monch 36), von dem man sagte, dafi er den Armen ‘mit beiden Hiinden half’. 37) Solange er kein Kranken¬ haus besafi, behandelte er die Kranken bei sich zu Hause. 38) Sein Bio¬ graph erzahlt, dafl er Kaiser Justinian geheilt habe. Als Belohnung erhielt er dann die Mittel zum Bau eines Krankenhauses, das auch nach der Zerstorung wahrend des Nika-Aufstandes wieder neu aufgebaut wurde.39) Leider fiel es spiiter wieder der Zerstorung anheim. Die Art, wie die Monche die Krankenpflege organisierten, beweist jedoch

am deutlichsten

Pantokrator40)

das beriihmte Krankenhaus des Klosters

(Mone tou Pantokratos Christou). Es wurde von

29) P.G. 35, 293; 47, 20; 114, 30) P.G. 36 (541 und 604). 31) Vgl. Lobpreis der Basileias 32) P.G. 34, 1035. In P.G. 34, schichte, wie der Monch Makarios 33) Belege dazu in Phytrakis,

1097; 114, 1061; 114,

1076.

(P.G. 36, 577). 1018 ff besitzen wir eine sehr aufschlufireiche Ge¬ Geld fiir seine Kranken erhielt. A., a.a.O., S. 74 und Anm. 3.

34) P.G. 114, 1264. 35) Vita von Sampson in P.G. 115, 281 ff. 3«) P.G. 115, 281. 37) a.a.O. 38) P.G. 115, 289. Sampson bestrafte einen Kleriker, weil er die Behandlung der Kranken vernachliissigte (P.G. 115, 300). 39) Vgl. P.G. 115, 289. Chronikon Paschale, CSHistByz, S. 622. Prokopios, Peri Ktismaton, ed. Haury, S. 19. 40) Vgl. dazu: Schreiber, G., a.a.O., Schreiber, Gemeinschaften des Mittelalters,

28

DAS MONCHTUM IM DIENSTE DER GESELLSCHAFT

Kaiser Johannes II. Komnenos (1118-1143) errichtet und sein Bau war 1136 vollendet. Hier handelt es sich um ein Hospital, das ganz aus der Kraft der Klosteridee lebte. Seine Bedeutung ist umso grofier, da es in einer Zeit entstand, die schon durch Monchtums gekennzeichnet war.

Die

den

Niedergang

Hauptanstalten

waren neben dem groBen Hospital noch

ein

der

Altersheim

des

Klosters (Geroko-

meion), ein Asyl fur Epileptiker und Geisteskranke und eine medizinische Schule. Das Krankenhaus des Pantokratorklosters entwickelte sich zu einer der lebendigsten sozialen Anstalten der damaligen Zeit. Es war mit fiinfzig Betten ausgeriistet 41) und besaB ein ausschliesBlich fur medizinische Belange zustandiges Personal von sechzig Personen, die die Kranken versorgten. Auch die Kranken wurden im Typikon 42) des Klosters ‘Briider’ genannt. 43) Das Krankenhaus war in fiinf Abteilungen eingeteilt a) fur Operational, b) fur schwerere Krankheiten, c) fur normale, leichte Krankheiten

(I),

d)

fur

normale,

leichte

Krankheiten (II) und e) Frauenabteilung. Jede Abteilung wurde von zwei

Arzten

mit

ihren

Assistenten

versorgt.

Der

ganze

Aufbau

erinnert uns an eine moderne Klinik44), und dieses Beispiel kann dazu dienen, die Behauptung Schreibers 45)

zu

unterstutzen,

der

feststellt, daB ,,der Osten weit friiher und weit energischer die Selbstandigkeit des Krankenhauses anmeldete”. Die Monche nahmen sich aber nicht nur der auf Heilung hoffenden Kranken an, sondern ihre besondere Fiirsorge gait auch den unheilbar Kranken. Wichtig war in

diesem

nahme der

dieser ‘Lebendigen Toten’ (nekroi

Leprakranken,

Zusammenhang die Auf-

Munster, 1948. Jeanselme, E. — Oekonomos, E., Les oeuvres d’assistance et les hopitaux byzantins au siecle des Commenes, Anvers, 1921, S. 11-18. Dolger, F., StreifIichter aus der sanitaren und hygienischen Kultur des byzantinischen Reiches, in Munchner Mediz. Wochenschrift, 77 (1930) S. 810-811. Codellas, P., The Pantokrator, the Imperial byzantine Medical Centre of the twelfth Century A. D. in Constanti¬ nople, in Bull, of the History of Medicine, XII, 2, (1942) S. 392-410. Oekonomos, L., La vie religieuse dans 1’empire byzantine au temps des Commenes et des Anges, Paris 1918, S. 193-210. Vom rein medizinischen Standpunkt aus hat der griechische Medizinprofessor Kuses, A. (in d. Archiven fur Medizin und Biologie, in griech. Sprache) das Thema behandelt, (Februar 1920, S. 44 ff). Auf Grund des Typikon des Klosters versuchte der griechische Archaeologe Orlandos, A. eine Rekonstruktion des Krankenhauses. (Rekonstruktion des Xenon des Klosters Pantokrator in Konstantinopel, in EEBS, 17 (1941) S. 198-207; in griech. Sprache.) 41) Dmitriewskiy, Typika, S. 656 ff; auch S. 666 und S. 682 f. 42) Bei einem Drittel des Typikon (Dmitriewskiy, Typika, S. 656-702) handelt es sich um die Darstellung der sozialen karitativen Einrichtungen des Pantokrator¬ klosters. 43) Ditriewskiy, a.a.O., S. 666, 684 und 695. 44) Vgl. Delehaye, H., a.a.O., S. 154 (,,reminds us of a modern clinic”). 45) a.a.O., S. l4l.

DIE SOZIALE TATIGKEIT DES MONCHTUMS

29

pro tou thanatou), wie sie Gregor der Theologe 46) nennt. Die Kirche bewies immer wieder ihre Hilfsbereitschaft diesen Kranken gegeniiber 47), und die Monche gingen unter sie und pflegten sie mit eigenen Hiinden48), was auch von Basilios gesagt wird. 49) In der beruhmten Basileias gab es eine gesonderte Anstalt fur Leprabefallene50), die wohl das erste Asyl dieser Art war. 51) Hier ist ein Vergleich mit der Tatigkeit der Missionare unter den Leprakranken in der heutigen Zeit moglich, die manchem Missionar, so dem bekannten

Pere

Damien

de

Veuster das Leben gekostet hat. 52)

Von grofier sozialer Bedeutung erwiesen sich auch die d och e i a

Xeno-

(Fremdenherbergen), die oft zugleich auch als Kranken-

hauser dienten. Die enge Verbindung zwischen den Xenodochien und dem Monchtum ist iiberhaupt beachtenswert. „Gerade die Kirchenlehrer, welche das Monchtum gefordert haben, sind auch die Pfleger und Forderer der Xenodocheien, Basilios und Chrysostomos im Orient, Hieronymus im Occident.” 53) Der Gedanke, der hinter den Xeno¬ docheien steht,

ist der der Gastfreundschaft,

die sowohl

von der Kirche wie auch von dem Monchtum in Byzanz als eine der wichtigsten Aufgaben aufgefafit wurde. Wie bei der Krankenpflege, so ist auch hier die Begriindung im metaphysischen zu suchen. 54) Basilios tadelt die ‘aphiloxenoi' 55) und Isodoros Pelousiotes verwen det scharfe Worte, um die Monche, die die Gastfreundschaft nicht pflegen, zu verdammen. 56) Euagrios der Asket verlangt die Fiirsorge fur den Fremden, sei es auch nur, dafi man ihn, wenn sich keine andere

Moglichkeit bietet,

mit Brot und

Wasser erquicke57),

und

Theodoros Studites bestrafte die Monche, die nicht gastfreundlich waren. 58) 46) P.G. 36, 580. Auch P.G. 46, 480 (Gregor von Nyssa). Der 17. Kanon der Synode von Angyra nennt die Leprakranken „schmutzige und geschandete Geschopfe" (Rhalles-Potles, 3, 56 f). 47) P.G. 58, 630; 61, 180. 48) P.G. 58, 671. 49) P.G. 36, 580. 80) P.G. 35, 27361) So Garlick: The Wholeness of Man: a Study in the history of healing, Lon¬ don 1943, S. 102. Vfl. auch Savramis, Demosthenes, Christentum und soziale Fiirsorge, Athen 1954 (in griech. Sprache), S. 86. 52) Vgl. Croidy, P., Le pere Damiene, Paris 1937. 83) So Uhlhorn, a.a.O., S. 201.

84) Vgl 58, 671. 88) P.G. 80) P.G. 87) P.G. 88) P.G.

P.G. 28. 271; 65, 244; 67, 889; 115, 912. Noch dazu P.G. 34, 1172; 29, 78, 40, 99,

176. 284. 1256. 1744.

30

DAS MONCHTUM IM DIENSTE DER GESELLSCHAFT

In Agypten durften Fremde bis zu zwei oder drei Jahre in einem Kloster bleiben. Allerdings muBten sie nach Ablauf einer Woche fur das Kloster arbeiten. 59) Die Gastfreundschaft der Monche ging aber so weit, daB sie sich erniedrigten und dem Gast den Dienst der FuBwaschung en\'iesen. 60) Es gab kaum ein Kloster ohne einen Xenon, einen Fremden, einen Gast. Sogar fur die Beerdigung der Fremden trugen die Monche Sorge, sie legten besondere Friedhofe an, die Xenotaphia. 61) Die soziale Bedeutung der Xenodocheien

war

besonders

in

der

Hauptstadt, wo der Verkehr der Reisenden nicht abriB, nicht zu unterschatzen. Es bestanden hier auch Hotels und Herbergen rein weltlichen Charakters 62), aber diesen ging ein schlechter Ruf voraus, die Moral lieB oft zu wiinschen iibrig. 63) Hinzu kam, dafi die weltlichen Hotels den Fremden selbstverstandlich nur gegen eine bestimmte Bezahlung aufnahmen 64), wahrend die Xenodocheien der Kloster freie Unterkunft und Verpflegung gewahrten. So bewahrten sie den Frem¬ den vor der Ausbeutung durch gerissene Geschaftemacher, und sie verhinderten die negativen Einfliisse, die die Moral dieser Hotels auf ihre Gaste ausiibte. Die Xenodocheien dienten oft auch als Krankenhauser. 65) Beide Funktionen gingen zuweilen ineinander liber, so daB die Begriffe Xenodocheion-Nosokomeion als Synonyme in den Quellen auftreten, obwohl es in der staatlichen Gesetzgebung eine deutliche Unterscheidung gab. Ohne Zweifel liegen aber hier bei den Xenodocheien ,,die Keime zu den Pflegeorden und den Spitalorden des Mittelalters." 66) Die soziale Tatigkeit der Monche beschrankt sich nicht nur auf das Gebiet der Krankenpflege, sondern sie tritt immer in Aktion, wenn Not und Elend auftauchen. Besonders versuchten die Monche standig, die

H u nge rs n o t

zu bannen, indem sie die

A r m e n p f 1 ege

59) P.G. 34, 1020. 60) P.G. 31, 113; 58, 671. 61) P.G. 46, 857. Besonders sorgte Theodoras Studites fur die Xenotaphia (P.G. 99, 953). 62) Vgl. etwa P.G. 114, 1160 wo vom Patriarchen Theophilos von Alexandreia die Rede ist der in Konstantinopel kein kirchliches Hotel aufsuchte. Noch dazu: P.G. 56, 111; 53, 92; 55, 387; 59, 219; 59, 440; 59, 718; 60, 753; 65, 45; 29, 216; 36, 368; 40, 185; 38, 961; 115, 349. 63) P.G. 52, 401.