Zur nordarischen Sprache und Literatur: Vorbemerkungen und vier Aufsätze mit Glossar 9783111651798, 9783111268101

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Zur nordarischen Sprache und Literatur: Vorbemerkungen und vier Aufsätze mit Glossar
 9783111651798, 9783111268101

Table of contents :
Inhalt
Zur Einführung
Erster Aufsatz: Über ein nordarisches Dichtwerk und seine Versmaße
Zweiter Aufsatz: Vom nordarischen Lautsystem
Dritter Aufsatz: Stücke aus Vajracchedikä und Aparimitäyurdhärani in nordarischer Übersetzung
Vierter Aufsatz: Die Adhyardhasatikä Prajnäpäramitä in der mit nordarischen Abschnitten durchsetzten Sanskrit-Fassung
Glossar
Liste I. Die behandelten Textstellen
Liste II. Die metrischen Stellen von Liste I, geordnet nach den Versmaßen
Liste III. Metren-Index zu E
Nachträge und Berichtigungen
Front matter 2
Inhaltsverzeichnis
Erster Teil. Theoretische Entwicklung
Zweiter Teil. Gesetzgebung und Praxis der Einzelstaaten
Front matter 3
Burzoes1) Einleitung zura Buche Kalila waDimna
Worte des persischen Oberarztes Burzöe, der es übernommen hatte, dies indische Buch abzuschreiben und zu übersetzen
Front matter 3
Vorwort
Inhalt
I. Juristischer Teil
II. Die griechischen Papyri
III. Die Demotischen Papyri
Front matter 4
Introduction
Front matter 5
Hochansehnliche Versammlung!
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Hochansehnliche Versammlung!
VERZEICHNIS DER MITGLIEDER DER WISSENSCHAFTLICHEN GESELLSCHAFT ZU STRASSBURG. (1. Januar 1912.)

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Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg 10. Heft

Zur nordarischen Sprache und Literatur Vorbemerkungen und vier Aufsätze mit Glossar von

Ernst Leumann

Straßburg Karl J. T r ü b n e r 1912

Zur nordarischen Sprache und Literatur Vorbemerkungen und vier Aufsätze mit Glossar

von

Ernst Leumann

Straß bürg K a r i J. T r i i b n e r

Lange schon

freuten

wir u n s der S p r a c h e n

Rede ans nördlichem und s i e v e r k ü n d e t wie ein

Land

in h e i m i s c h

verschollenes Volk

Kauruksetrena

Netlena

m i s c h t nun

Inder

B u d d h a ' s Grolle

pntänfim

prfipte t r a i v i d y a m

bahusrntvaiu

ca no

Bauddlmm

LYirasena pfiryate diksu

nava-srutyä

und

harmonisch

ins O h r uns f a l l e n d e n

l'ttai'akui'u-je

apfirvasmtay ödleyaiji

der

ca nah.

lalita-\ istaram

'bhivardhate.

D n u ' k von M. DuMoiit S r h a u b c r g , StrHßburg.

sich

ein.

Khythmen.

begriff.

dy;i

Perser:

Den Freunden

Carl Salemann und Kaikioku Watanabe in Dankbarkeit gewidmet.

Inhalt. Zur Einführung (Inhaltsangabe, hürn, ggüna)

p. 1—8.

Zusätze

p. 9 f.

Erster Aufsatz: Über ein nordarisches Dichtwerk und seine Versmaße p. 11—28. I. Von der Handschrift E : Blätter. Kapitel und Strophen p. 11—15. II. Von den Versmaßen p. 15—19. III. Zur Vorgeschichte der Versmaße (ihr Zusammenhang mit Hexameter, Pentameter und Nibelungenstrophe) p. 19—28. Zweiter Aufsatz: Vom nordarischen Lautsystem p. 29—55. Der Charakter der Sprache p. 29 f. Erste Lautliste mit 10 + 10 Beispielworten p. 31—37. Die Doppelzeichen tt ss .s.s gu'a. Instr.-Abl. Sing. ghau$nä > gösnä > gü?na > güija. 10 Allenfalls mag als zweite Formenreihe eher ghau?anä > gö?anä > gü?ena > gii?na > güiia vermutet werden, so daß sie sich wenig unterschiede von der folgenden, die f ü r die vorläufig noch nicht gefundene N o r m a l f o r m des Instrumentals Ifgguväna resp. *gväna) zu gelten haben w i r d : 15 ghau§anä > gößanä > gü?ana > gü'ana > gu'ena. Jedenfalls gehen unsere Instrumentalformen auf den dem a-Stamm *ghau$a ursprünglich parallelstehenden cm-Stamm (*ghau§an) zurück, wobei dieser im einen Fall möglicherweise die vollständig reduzierte Form *ghau?n- (vgl. ind. rajn-ä), möglicherweise aber wie im andern Fall die halb-reduzierte *ghattfan- (vgl ind. atman-ä) aufgewiesen haben würde. Damit rücken die im Nordarischen zu a-Stämmen gehörenden Instrumentale in eine Linie mit den Instrumentalen der indischen i- und w-Stämme, die bekanntlich auch von parallelen n-Stämmen aus gebildet sind (ahin-ä, paäun-ä). Und ferner gehören in unsern Zusammenhang drei bei Bartholomae in Anlehnung an Per Persson falsch beurteilte Pronominal-Instrumentale des Iranischen : das Awesta bietet uns zu den Pronominalstämmen a und ka die Instrumentale arm 'durch ihn' (aus *an-ä) und kana 'durch wen' (aus kan-ä), und im Altpersischen findet sich zu anya 'ander* der Ausdruck hadä aniyanä 'vor einem Fremdling' (auch hier der Instrumental in ablativischem Sinne!) mit aniyanä aus *anyan-ä, wozu das Lateinische in alien-oneben alio- eine analoge Doppelheit beisteuert Das Nordarische liefert uns weiterhin auch im G e n i t i v P l u r a l i s der a-Stämme eine deutliche Spur von zugehörigen n-Stämmen: außer -änu zeigt sich da gelegentlich die Endung -änw (z. B. in E VII 48 skandhänu dätänu 'skandhänärp dhätünäm'). Daß etwa diese Endung von den »'-Stämmen erborgt wäre, wird bei der ganzen Sachlage Niemand für wahrscheinlich halten 4 ). Unerörtert soll hier bleiben, warum das Sanskrit ') Diese zweite Sage wird die scherzhafte Aufbauschung eines Vorkommnisses oder eine heroisch-stilisierte Anekdote sein. Der ursprüngliche Sinn wfire : der Ganges breitete sich bei Hochwasser über das Gelände des J a h n a aus und ging Ober ihn selber hinweg, so dafi er Wasser schluckte und nachher (was wir selber nach dem Tauchen tun müssen) sich des Wassers im Ohr zu entledigen hatte. Dafi etwa des Jahnu Trommelfell durchbohrt war, wollen w i r nicht annehmen. *) Zur Bedeutung von datänu sei bemerkt, daß data im Gebrauch zunftchst dem indischen

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so

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Zur Einföhrung.

im gleichen Kasus bei a-, i- und u-Stämmen statt -an-äm in-äm -un-am bloß die gelängten Formen -änäm -inäm -Unäm aufweist Im Übrigen sei noch hingewiesen auf die arischen Steigerungs-Feminina Indräni usw., für die ich schon vor 20 Jahren on-Stämme (* Indran &c.) postuliert habe, außerdem auf die Bogazköi-Worte Naiattianna 'die beiden Näsatya's' und mariannu 'die Mannen' >), die auf »-Erweiterungen der vedischen Stämme Ndsatya und mdrya beruhen (also im Yeda *Ndsatyänä und *mdryänah lauten würden), schließlich auf die germanische Adjektiv-Flexion. Nachdem ich so probeweise gezeigt habe, wo und wie eine Anzahl Bedeutungen gewonnen wurden, mag ich verallgemeinernd beifügen, daß, wenn ein Wort oder eine Form in einer größeren Anzahl von Stellen wiederkehrt, unter diesen sich durchschnittlich immer eine findet, die eine Ermittlung der Bedeutung zuläßt oder vorbereiten hilft. So haben die Worte auf -äfia aus E XIII17 f. als Participia Necessitatis erkannt werden können; die ersten Konjunktiv-Formen wurden aus einer mehrfach sich variierenden Verben-Reihe der AP-Fragmente erraten, weitere Konjunktiv-Formen aus zahlreichen Strophen von E, Anderes aus anderen Stellen. Es handelt sich also vornehmlich darum, je den geeigneten Ort zu finden, an dem eine gesuchte Bedeutung bei sorgfältiger Erwägung der Sachlage herausspringen kann. Daß dabei immer einige vergebliehe Versuche gewagt werden müssen, ehe einer gelingt, ist selbstverständlich. Im Übrigen hat man nicht bloß zu suchen, sondern auch stets aufmerksam hinzunehmen, was einem ungesucht in den Weg kommt Einer der ertragreichsten Augenblicke war es, als ich in der Strophe E XII 32. tta hvate Näggärjuni hori parähä k§ändä u värää jäna-pärämate parpjsa biäsä hajvatteta vahä§te unverhofft bemerkte, daß da die fünf ersten Vollkommenheiten (päramitäs) aufgezählt seien, was auf einmal die bis dahin noch unerkannten Gleichungen hora = skt. däna paräha — » Slla väräa = » virya fürs Wörterbuch sicherte und dann im Verlauf die Übersetzung ergab: Also sprach Nägärjuna: die Freigebigkeit, die Gesittetheit, die Milde und die Ausdauer (und die Vollkommenheit der) Beschaulichkeit (dhyäna), — (diese) fünf Vollkommenheiten haben alle ihren Bestand in der Weisheit (zu hajv° vgl. p. 71,6_18). Die Entdeckung der genannten Bedeutungen war mir dadurch erschwert, daß ich zuvor seit Langem über hora (das gewöhnlich haura geschrieben wird) sowie über dharnut entspricht (vgl. ZDMG. 62 p. 109ao\ aber wegen des Anklangs an dhätu dessen Bedentangen mitübernommen hat, daher sich denn ausnahmsweise die Schreibung dhäta findet. ') Vgl. Hago Winckler in der Orientalistischen Literatarzeitung 1910 (Jali) col. 289—301.

Zur Einführung.

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jxtraha ganz falsche Vorstellungen gehegt hatte: die in S häufige Verbindung luiuru hedä schien auf Grund der Parallel-Übersetznngen im Hinblick auf aw. haurva (ind. sarva) soviel zu bedeuten wie ind. sarvarp tyajati 'er verschenkt alles', während nun dänarp dadäti 'er gibt Gabe' herausgelesen werden muß, und in E XXIII 291 ergab sich scheinbar für paräha die Bedeutung des awestischen parähva 'jenseitig'. Jetzt vermute ich, daß hora etymologisch mit ved. sabar- und saparydti zusammenhinge. Das Wort värSa aber muß ein indisches Lehnwort sein, zu sprechen virza : daß ry zu ri (phonetisch ri) werden kann, wurde deutlich, als die Erkenntnis tagte, daß die lange unklar gebliebenen Silbenpaare ttäria 6ün(y)a und ttärya sünya zu vereinigen seien zu ttäriaiün(y)a und ttäryaiänya, wozu unten p. 89, noch die Schreibung ttriyaäünä kommt, alles hervorgegangen aus skt tiryagyon(ik)a Tier' resp. °ni Tierdasein*. Die Schilderung meines allmählichen Fortschreitens aus der Nacht in die Morgendämmerung wäre nicht vollständig, wenn ich nicht auch noch die zu einer besondern Lichtquelle gewordene Metrik kurz erwähnte. Weil die nordarische Orthographie die wahren Quantitätsverhältnisse außerordentlich verschleiert und letztere überdies durch Textverderbnisse da und dort verschoben werden, so schien es anfänglich, als ob über die unbestimmten Rhythmen-Schemata, wie ich sie in ZDMG. 62 p. 95 f. angesetzt habe, kaum hinauszukommen wäre. Man mochte an die freie Rhythmik der Nibelungen-Strophe und des epischen Versmaßes der Inder erinnert werden. Auch die Handschrift E hat nicht ohne Weiteres Ordnung in die Wirrnis gebracht, wenn sie auch bald erkennen ließ, daß gewisse QuantitätenFolgen (zumal unser Hexameter-Schluß) besonders beliebt seien. Andauerndem Studium schließlich enthüllte sich in den Metren ein wunderbar genaues MorenSystem, auf Grund dessen nun alle Quantitäten ermittelt und zahlreiche Lesungen berichtigt werden können. Beispielsweise stellt sich heraus, daß in büiä 'alle' (aus urarisch visvai, — ind. visve, aw. vispe) und in parräte "errettete" (parr- aus urar. parf-) die erste Silbe metrisch fast ausnahmslos als Kürze gilt, während umgekehrt in draya 'drei' die erste Silbe meist lang gemessen wird (im letztern Fall ist, weil -ay- auch sonst als Länge vorkommt, *draia zu lesen, nicht etwa *dräya, wozu das awestische 9räyö verleiten könnte; die Form geht auf *trayäh zurück, womit im Sanskrit der Genitiv trayänäm zu verbinden ifet). Und was Schlußsilben betrifft, so erwähne ich, daß in der oben p. 4, 5 mitgeteilten Halbstrophe sich für Ggarpggo passäte die Quantitäten des kürzern Hexameterschlusses ergeben (Ggamggö päääätß), während andrerseits in bestimmten Worten schließendes e und o entschiedene Längen darstellen. Die genannte Halbstrophe hat uns auch bereits ein Beispiel dafür geliefert, wie das Metrum gewisse Berichtigungen fordert So groß nun auch der Gewinn ist, den die durch die Metrik erreichbaren Aufklärungen prosodischer und textkritischer Art abwerfen, sei es für die sprachgeschichtliche Beurteilung zahlreicher Wortformen, sei es für die Säuberung der handschriftlichen Überlieferung, — von größerer Bedeutung ist es doch, zu wissen,

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Zur Einführung.

daß die Nordarier überhaupt eine so genaue und zugleich eigentümliche Metrik gehabt haben. Da ich schon vor elf Jahren 1 ) im Bereich der andern Sprache von Ostturke8tan ein gleich genaues und eigentümliches Metrum (von 13 + 13 + 13 + 13 + 21 Silben mit zahlreichen Zäsuren) nachgewiesen habe, so erhellt, daß beide Sprachen eine einheimisch-literarische Pflege höheren Grades, die der Bekehrung zum Buddhismus voranging, genossen haben. Und so mag denn, wie in Indien hinter und neben dem Tripifaka der Yeda und das Epos steht, sowohl in der Gegend von Tarfan wie in derjenigen von Khotan je ein der indischen Kultus- und Sagen-Literatur entsprechendes Altschriftentum vorausgesetzt werden. Ja man darf die Hoffnung hegen, daß diese einheimischen Schätze von den Übersetzungen und Neuschöpfungen buddhistischen Glaubens nicht derart überlagert seien, daß davon nicht wenigstens noch unter den so reichen und vielsprachigen Erwerbungen Stein's und Pelliot's einige Spuren zum Vorschein kommen könnten. Dieser Ausblick ins vorbuddhistische Altertum von Ostturkestan braucht sich aber nicht mit der bloßen Hoffnung auf möglicherweise daraus erhaltene Literatur-Reste zu begnügen. Vielmehr noch während ich den rückgleitenden Erwägungen, die ich soeben aussprach, nachhing, entdeckte ich den Weg, der von unserer nordarischen Metrik zur altgriechischen, zum Hexameter und zum Pentameter, und außerdem auch zur Nibelungenstrophe hinüberführt. Der Leser wird diesen Weg, der zum ersten Mal Blicke in die vorzeitliche Rhythmik der Indogermanen eröffnet, in einem nachträglich beigefügten Abschnitt des nachfolgenden Aufsatzes dargelegt finden, ebenso in einem zwischenhinein entstandenen Vortrag, der binnen Kurzem in der Internationalen "Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und Technik zum Abdruck gelangen wird. Doch nun genug dieser einleitenden Streifereien. Ich kehre zurück zum Widmungsblatt, durch das ich zu erkennen geben möchte, wie sehr mir bewußt ist, was ich den beiden da genannten Gelehrten Carl Salemann und Kaikioku W a t a n a b e schulde. Auch das Vertrauen, das mir Rudolf H ö r n l e bewiesen hat, weiß ich hoch zu schätzen. Ebenso fühle ich mich Marc Aurel Stein und dem russischen Konsul P e t r o v s k i verpflichtet: beide haben in Ostturkestan, der eine für England und der andere für Rußland, die Literaturschätze gesammelt, aus deren Fülle ich im Folgenden einiges Wenige versuchsweise herausgebe. Und da während der Monate, in denen diese Schrift großenteils entstand, meine Gedanken nicht selten zum Jubiläum der Berliner Universität abglitten, so gedenke ich hier in Verehrung und Dankbarkeit auch der Männer, die mich einst an dieser Universität in der Indogermanischen Sprachwissenschaft und in der Indischen Philologie — beide Fächer verschränken sich in den nachfolgenden Aufsätzen — auf den Grund geführt haben: es waren J o h a n n e s Schmidt, ') In der Abhandlung 'Über eine von den unbekannten Literatursprachen Mittelasiens*: Mémoires de l'Acad. Imp. des Sciences de St.-Pétersbourg, VIII« Série, Tome IV, N» 8. 1900.

Zur Einführung.

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A l b r e c h t W e b e r und unser jetziger Meister zu Göttingen H e r m a n n Oldenberg. Weil ein nordarisches Wörterbuch, das ich natürlich ron Anfang an zusammenzustellen begonnen habe, noch nicht so bald wird an die Öffentlichkeit treten können, so mag einstweilen das den vier Aufsätzen beigefügte Glossar erwünscht sein, das auch meine frühern beiden Arbeiten, die Nordarisches betreffen, umfaßt.

Zusätze. Was auf Seite 2 sg —3 fl gesagt wurde, erfordert wohl noch eine bestimmtere Darlegung. Daher füge ich hier zunächst bei, daß die erwähnte Neu-Untersuchung die acht Drittelblätter als eine geschlossene Folge erkennen ließ, weshalb dieselben weniger hohe Blattnummern gehabt haben, als ich früher vermutete. Statt 8 123—127 and 130—132, wie in ZDMG. 62 p. 105 s , heiße ich sie jetzt (die erschlossenen Blattnummern stets in eckige Klammern setzend) Ö [101] bis [108], und der Umfang der im Übrigen verlorenen Handschrift berechnet sich darnach auf etwa 150 (nicht 180) Blätter. Der oben gemeinte Zusammenhang nun beschlägt die ersten drei Zeilen von fol. [106], deren erste gänzlich verloren ist und aus deren zweiter und dritter folgende drei auf zwei Fragmente sich verteilende Stücke erhalten sind (Kaumsichtbares kursiv gedruckt): 2 Äonä Jjve hü&£ hüna tcaimani . y rüva äkfi 3 te vari hüna handaryau tcaimaundyau uysnoryau hamtea pa Hier stellt hüna den Lokativ von hüna dar (wegen solcher Lokative vgl. unten p. 713ä), und der Stamm tccnman aus *cak§man (aw. daiman) bedeutet'Auge', daher tcaimaunda aus *cak$mavant 'mit Augen versehen* = sehend. Im Übrigen: hanä hve 'ein blinder Mann* mit hana 'blind' = aw. hana "greisenhaft' (lat. senex); vgl. unten p. 75so. hüitä 'schiäff von der auch im Partizipium hüsand(a) 'schlafend' gebotenen Inchoativ-Basis hüs- aus urar. rnp-ss-, wozu das Iranische in /"a/s- aus urar. svap-si- die bei Inchoativen eigentlich ungehörige Hochstufenform stellt; vgl. noch unten p. 72j7. rüva (Lehnwort mit nordarischer Flexion) = skt. rüpäni 'Gestalten*. Über uysnora 'Wesen' vgl. unten p. 5427»., über handara p. 4634fr., über haqitsa p. 50i ff., über die Endung -yau p. 49 f. Auf Grund des Tibetischen (und Chinesischen) ist der Inhalt der ganzen Stelle folgender (die auf Nordarisch erhaltenen Worte kursiv): Darauf sprach der ehrwürdige (äyu$mant) Mahäkääyapa so zum Herrn (bhagavant): 0 Herr, wenn auch zum Beispiel irgendein von Geburt an blinder Mann schlafend im Traume Augen erlangt (und) öestoft-Erscheinungen zu sehen bekommt (und daher) im Traume froh (und) zufrieden (und) herzbe-

10

glückt (und) hocherfreut Freude und Herzenslust empfindet (und) im Traume* mit andern Wesen, die Augen haben, zusammen aufbricht oder kommt oder herumgeht oder Gespräche führt, * Der Ausdruck 'im Traume' fehlt an dieser Stelle im Tibetischen. Er steht aber im Chinesischen, das dagegen sonst erheblich kürzer ist und gelegentlich abweicht

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10

15

20

25

so

35

Zur Einfährang.

Auch bezüglich der A b k ü r z u n g e n , auf die oben p. 3, e f flüchtig hingewiesen wurde, ist hier Einiges nachzutragen. Zunächst daß ich A B D E nicht nach Blatt und Zeile, sondern nach S t r o p h e n zitiere: A 24 Schluß — 35 Anfang. B [1]61T—[l]71o. D 1—31. E I—XXV (Näheres im erstfolgenden Aufsatz). Wegen S vgl. oben p. 9 , _ u . Für C 50 (mit den Strophen 60T—67T) empfiehlt es sich jetzt, Bh 1 60 zu setzen; denn Dr. Watanabe hat mir auf Orund jener Wochen-Halbzeilen, die ich 1. c. p. 9 5 l i _ M aus C mitteilte (vgl. unten p. 48 J ), nachträglich vom Chinesischen aus nachzuweisen vermocht, daß das Blatt aus einer Handschrift des Bhai?ajyagunivaidüryaprabha[räja]-sütra stamme, und ferner ist auf Grund zweier Eigennamen noch ein weiteres Stück der Hörnle'schen Sammlung (das linke Drittel eines zehnzeiligen Blattes 23) als einer Handschrift jenes Textes zugehörig erkannt worden und muß also die Signatur Bh 2 23 bekommen. Neue Abkürzungen sind auch: Av = Avalokitesvara-dhäraiji (inSalemann's neuer Sendung), 19 zehnzeilige Blätter: 5—22 & [23]. Bei 7—[23] ist der rechte Rand mehr oder weniger beschädigt, bei [23] auch der linke, bei 5 bloß der linke. 5 t —7, = 15 7 —18,. Den Mantra 7 8 —8 S hat mir Dr. Takata in der von 2ögon (bei Max Müller "Ziogon") im Jahre 1680 angefertigten Mantra-Sammlung nachgewiesen; der Text selbst aber ist, wie er mir mitteilt, in den die Dhärapl-Literatur enthaltenden Tokio-Bänden XXV bis XXVH des Kanons nicht zu finden, Suv = Suvanjaprabhäs(6ttam)a-sütra [benannt nach dem Bodhisattva Suvarnaprabhäsöttama, der am Anfang von SuvX genannt wird]. Vorhanden ist (in Salemann's neuer Sendung) je ein größeres Mittelstück aus 9 Blättern. Zu acht solchen Mittelstücken habe ich in der Cambridge-Handschrift Add. 875 die inhaltlichen Entsprechungen gefunden und kann darnach die Blätter, denen diese Mittelstücke einst angehört haben, annäherungsweise numerieren und mit Zeilen-Reihen der besagten Handschrift gleichsetzen:

Suv » » 40 »

[84] = Add. 875 fol. 56»10— bg [99] = » » » 66%—67», [100]= » » » 67%—»>8 [101]= » » » 67 b 9 —68 b i

Suv » » »

[102] = Add. 875 fol. 68", - 69». [103] = » » » 69»6 — *>5 [104]= » » » 6 9 b . — 70», [108]= » » » 72 a 1 0 —73 a s

Über ein nordarisches Dichtwerk und seine Versmaße. [Abschnitt I stammt aus dem Winter 1909/10, Abschnitt II aus dem Dezember 1910, Abschnitt III aus dem Januar 1911.]

I. Von der H a n d s c h r i f t E : B e s t a n d an B l ä t t e r n , K a p i t e l n Strophen.

und

Das Dichtwerk, von dem hier in vorläufigem Sinne die Rede sein soll (eine Ausgabe und Übersetzung der mir bekannt gewordenen Teile bereite ich vor), mag als Ganzes etwa 5300 Strophen umfaßt haben, die sich auf ungefähr 40 Kapitel verteilt haben werden. Winzige Spuren aus etwa zwölf oder mehr Handschriften des Werkes finden sich unter den geringeren Fragmenten der Hörnle'schen und der Petersburger Sammlung. Sie lassen erwarten, daß über kurz oder lang — sei es unter den Stein'schen oder unter den Pelliot'schen Handschriften, sei es sonstwo — ein vollständiges Exemplar zum Vorschein kommen werde. Einstweilen ist mir ein starkes Drittel des Textes zugänglich in der Handschrift E, die durch Petrovski ans Asiatische Museum zu S t Petersburg gekommen ist. Diese Handschrift enthält nahezu auf jedem Blatte 12 vierteilige Zeilen, von denen jede eine Strophe bildet; man kann also auf einen ursprünglichen Umfang von ^jjp, d. h. von rund 440 Blättern schließen. In Petersburg selbst sind von diesen nur 173 erhalten. Andernorts mögen gelegentlich weitere auftauchen; zwei solche wurden im Februar 1908 durch einen Russen von Jerusalem her der Straßburger Universitäts- und Landesbibliothek zum Kauf angeboten: es sind dies jene beiden, die ich in der mehrfach angezogenen Abhandlung p. 103 4i _ 4g & 96 S7_S9 — damals noch ohne Kenntnis der Petersburger Blätter-Masse — unter E 269 & 335 beschrieben habe. Die 173 + 2 Blätter, von denen ich also zur Zeit weiß, sind im Übrigen nicht alle vollständig erhalten. Viele haben kürzere Textstellen eingebüßt, und manche sind überhaupt nur halb oder in noch geringerem Umfange auf die Gegenwart gekommen. Aber durchschnittlich sind doch die linken Ränder, wenn überhaupt, nicht so beschädigt, daß die da auf den Vorderseiten angebrachte BlätterNumerierung fehlte, und ferner bieten auch die rechten Ränder nicht allzu viele Lücken, was für die Feststellung der Blattfolge zuweilen Bedeutung gewinnt, weil überall, wo am Ende der Zeilen Raum bleibt, die Strophen-Nummer —

12

Über ein nordarisches Dichtwerk und seine Versmaße.

meist zwar abgekürzt, indem die Zehner und Hunderter nur selten gesetzt werden — angebracht ist So kann denn innerhalb des Bereiches, auf den unsere Blätter sich verteilen — es ist dies ziemlich genau das zweite und dritte Drittel des ganzen Werkes —, von den verschiedenen Kapiteln, obschon sie nicht numeriert und vielfach fragmentarisch sind, doch die R e i h e n f o l g e und der Umfang mit annähernder Vollständigkeit bestimmt werden. Es zeigt sich, daß solcher Kapitel da ungefähr 25 sehr ungleich große anzusetzen sind, deren Strophensummen zwischen 28 und etwa 700 schwanken. Und ferner mögen nach Maßgabe dieser Ermittlungen im ersten Drittel des Werkes, von dem annoch fast jede handschriftliche Spur fehlt, circa 15 ähnliche Kapitel mit durchschnittlich vielleicht 120 Strophen vermutet werden, so daß sich denn eben im Ganzen rund 40 Kapitel ergeben würden. Der genauere Befund soll durch einige Listen vorgeführt werden. Zunächst ist zu sagen, daß die erhaltenen Blätter in der Hauptsache sich zusammenschließen zu sieben zum Teil lückenlosen Serien, die von Blatt 159 bis Blatt 428 reichen.

Serie I » II » HI

»

IV V VI

»

VH

»

Blätter 159—170 » 181—269 » 281—290 » 302—309 » 335—368 » 399—408 » 417—428

Es fehlen 162 214. 221. 222. 246. 268 alle rechten Hälften

Summe der vorhandenen Blätter

11 84 10

8 341. 359. 360. 361

Summe der in den sieben Serien erhaltenen Blätter:

30 10

12 165

Zu diesen sieben Serien kommen dann noch 10 vereinzelte Blätter, die meist bei ziemlicher Beschädigung die Numerierung entbehren, aber trotzdem bis auf eines mit annähernder Sicherheit bestimmt werden können; drei solche Blätter (das unbestimmbare, an dem links ein starkes Viertel und rechts ein Sechstel fehlt, sowie 146 und 147) liegen vor Serie I, zwei (vermutlich entweder 177 und 178 oder 176 und 177) zwischen Serie I und II, zwei (313 und 314) zwischen Serie IV und V, eines (395) zwischen Serie V und VI, zwei (439, 44 •) hinter Serie VH. Das letzte dieser zehn Einzelblätter, von dem nur noch der vierte Teil erhalten ist, stellt offenbar das Schlußblatt der ganzen Handschrift dar, da die Rückseite unbeschrieben ist; ob es sich indessen unmittelbar an Blatt 439 anschließt oder ob dazwischen eines oder mehr Blätter verloren sind, ist nicht zu ermitteln.

I. Von der Handschrift E: Bestand an Bl&ttern, Kapiteln and Strophen.

13

Zieht man die beiden Jerusalemer Blätter 269 und 335, von denen bereits die Rede war, ab, so bleibt der P e t e r s b u r g e r B e s t a n d . Diesen hat mir Prof. Walleser (seit Juni 1909 mein lieber Nachbar überm Rhein) unter meiner Beihülfe in verkleinerter Aufnahme photographiert auf 114 Blättern, deren ungerade Nummern je die Vorder- und deren gerade je die Rückseiten von meist 3 Handschriftblättern wiedergeben.

Die Konkordanz zwischen Aufnahme und Original ist folgende:

Aufn.

Original

Aufn.

Original

Aufn.

Original

Bl.

Blätter

Bl.

Blätter

Bl.

Blätter

lf.

= • • • 11461159

39 f.

225—227

77t

337—339

3 f.

160|161|163

41 f.

228—230

79 f.

340|342|343

5f.

164—166

43 f.

231—233

81 f.

344—346 347—349

7 f.

167—169

45 f.

234—236

83 f.

9 f.

170|302|177

47 f.

237—239

85f.

350—352

llf.

178| 1811182

49 f.

240—242

87 f.

353-355

13 f.

183—185

51 f.

243—245

89f.

356—358

15f.

186—188

53 f.

247—249

91 f.

362—364

17 f.

189—191

55 f.

=

250—252

93 f.

365—367

253—255

95f.

368|395|399

=

2561)—258

97 f.

400—402

259—261

99 f.

262—264

101 f.

265—267

103 f.

=

281—286

105 f.

192—194

57 f.

21 f.

=

195—197

59f.

23 f.

=

198—200

61 f.

-

25 f.

=

=

19 f.

201—203

63 f.

27 f.

204—206

65 f.

29 f.

207—209

67 f.

-

403—405

=

406-408 417—419 -

420—422

31 f.

-

210—212

69 f.

=

287—2901303

107 f.

=

423—425

33 f.

=

213|215|216

71 f.

=

304—306

109 f.

=

426—428

35 f.

217—219

73 f.

=

307—309

Ulf.

37 f.

22012231224

7 5 f.

=

31313141336

113 f.

439|44• -

147 ¡256 Kol. 1

Wenn hier Blatt 302 an falscher Stelle (hinter Blatt 170) erscheint, so ist dies noch eine Nachwirkung des chaotischen Zustandes, in dem die Handschrift aufgefunden und mir zur Prüfung anvertraut wurde. 8 ) Daß 147 und die erste so ') 256 ohne Kolumne 1 (d. h. ohne das linke Außenviertel). *) Es befanden sich damals nur einzelne Gruppen von Blättern in der richtigen Folge, und beim Ordnen, das wegen der gelegentlich ganz oder fast fehlenden Blätter-Numerierung einige Tage sorgfältigster Untersuchung in Anspruch nahm, ist denn versehentlich das eine Blatt, das vermutlich das 302 te, kaum das 310 te sein wird — nur die rechte Hälfte davon ist erhalten — an der zufälligen Fundstelle hinter Blatt 170 verblieben. Daß es wegen der Strophennummern 73—84 nicht dorthin gehören kann, bemerkte ich erst nach Fertigstellung der photographischen Aufnahme. Die gesamten Ziffern der Blätter-Numerierung, die in der Handschrift fehlen, aber irgendwie erschlossen werden können, vereinige ich hier in numerischer Folge; es sind die nachstehend eingeklammerten. Blatt 405 trug ursprünglich die Nummer 396. [14]6. [14]7. 1[66], [177], [178], [302], 3[07]. 34[2], [356], [36]2. 3[64], 3[6]5. [367]. [427], [428]. [439]. [44] •.

5

14

Ober ein nordarisches Dichtwerk und seine Versmaße.

Kolumne von 256 am Schloß untergebracht sind, hängt daran, daß diese beiden Bestandteile mir erst nachträglich (im März 1910) zukamen. ZngehSrige Strophen

Kapitel

I

190

x-f

II

156

x-f

III

90

Davon vorhandene Strophen

Auf welchen Zeilen der Handschrift

31 - 5 4

146»,—147b,

187—190

159»,

1—30

159b,—161b,

43-138

163»,—170b,

55—78

177»,—178b, b

x-f

IV

151

13-151

x-f

V

120

1—120

181»,—192 , 192b,-202b,

x-f

VI

114

1-114

202b,-211»,.212»,—b,

1-23

212b,_,. 2 1 1 b , . 213»,-

x-f

VII

60

x+

vm

60

1—47

217»,—220b,

x-f

IX

50

12-50

223»,—226»,

x-f

X

28

1—28

226»t-228b,

x-f

XI

35

1-35

228b,-231»,

x-f-

XII

78

1—78

231b,—237b,

x-f

XIII

134

1—96

238»,-245b,

x-f-

XIV

160

36—60

247»,—249»,

1—160

249»,—262»,

1-66

262b,—267b, 269»,-b,

x - f XVf.

235

223—235

281»,—282»,

x - f XVII

67

1—67

282»,—287b,

x - f XVIII

33

1—33

287b,-290»6

x-f

XIX

60

x-f

XX

95

73—95

302»,-303b,

x-f

XXI

98

1—72

304»,-309b,

x - f XXII

173

11-34

313»,-314b,

x - f XXIII

336

102-173

335»,—340b,

186—336

342»,—354b,

x - f XXIV

372

[ 1

1-53

364 b ,—368 b a

90—173

362»,—368b,

114—125 x - f XXV

circa 700

395»,-b,

162-281

399»,—408b,

378-521

417»,-42«b,

642—663

439»,-b,

654 + i 2 y - 6 6 9 + i2y

Ton 146 & 147 fehlt je die rechte Hälfte. 159* hat nur 4 Zeilen (nebst einer CursivNachschrift). Von 160 fehlt d u rechts aallen stehende Viertel. /Von 177 fehlt die linke Hälfte, Avon 178 links anflen ein Achtel.

2U>> folgt erst hinter 212; daher ist 211 so numeriert, daß man die Zahl als 211 oder als 212 lesen kann.

215»,—217»,

109-134

79-90

Besonderheiten gewisser Blätter

44

»,_,

F

on 261 fehlt rechts ein Zehntel, von 262—266 rechts außen ein Sechstel, von V" 267 rechts J .

1 Von 281—290 fehlen die rechten Hälften. ¡-290» hat nnr 5 Zeilen, 290» nar eine I Curslv-Aufschrift.

{

Von 302 fehlt die linke Hälfte; 303*" hat nur5Zeilen (nebst einer CursivNachschrift). Rechts oben fehlt von 308 f. ein kleineres und von 313 f. ein größeres Eckstuck.

/Links fehlt von 367 ein FQnftel l und von 368 ein Zehntel.

fVon 417—427 fehlt rechts oben ein kleines EckstQck; 428 & 43» sind l ringsum leicht beschädigt (Von 44- ist nnr ein den vierton Teil darstellendes HittelstUck erhalten; l. 44 ist leer.

I. Von der Handschrift E: Bestand an Blättern, Kapiteln and Strophen.

15

Die linksstehende Druckseite gibt schließlich auch noch über die vorhandenen Kapitel in Listenform Aufschluß. Da die Anzahl der gänzlich fehlenden Anfangskapitel nur ganz unbestimmt auf 15 veranschlagt werden kann, indem es vielleicht nur 10, vielleicht aber 20 oder mehr gewesen sind, so empfahl r es sich, sie mittelst der Zahl x in Rechnung zu bringen und also die hinterher- -> folgenden Kapitel, die auf unsere Blätter-Masse entfallen — daß es etwa 25 seien, wurde gesagt —, mit x + I bis x + XXY zu bezeichnen. Und in vereinfachendem Sinne mag dann hiefür kurzweg I bis XXV gesetzt werden. Von jedem dieser 25 Kapitel ist nun in zwei Kolumnen, soweit es möglich war, angegeben worden, wie viele Strophen ihm zukommen und wie viele davon io erhalten sind. Zwei weitere Kolumnen bieten die Möglichkeit, von jeder erhaltenen Strophe den Ort, wo sie in der Handschrift zu finden ist, nach Blatt, Seite und Zeile anzugeben und festzustellen, ob und welche Strophenstücke allenfalls fehlen; man hat dabei nur zu beachten, daß überall, wo nichts Anderes bemerkt wird, jede Handschriftseite sechszeilig ist und daß jede Zeile der i;> Handschrift eine Strophe faßt In drei Fällen bleibt die Abgrenzung der aufgeführten Kapitel unsicher: 1. Es mag seih, daß die 246 Strophen, die den Kapiteln x + n und x + LH zusammen zukommen, sich in der Weise auf die beiden Kapitel verteilen, daß x + II deren 144 und x + III deren 102 hat; dann sind den beiden 20 zu x + IE gehörenden Blättern die Nummern 176 und 177, nicht 177 und 178 zuzuweisen. 2. Wenn x + XV f. mit 235 Strophen als Doppelkapitel angesetzt wurde, so ist auch möglich, daß sich diese Strophen vielmehr auf drei oder mehr Kapitel verteilen oder aber daß sie nur ein einziges Kapitel bilden. 25 3. Die unter x + XXII verzeichneten 173 Strophen mögen in Wahrheit auf zwei oder mehr Kapitel entfallen. Hiezu kommt dann noch eine Änderung, die sich aus dem Inhalt ergibt. Dieser lehrt, daß die Strophen x + XII 62—78 eigentlich ein besonderes Kapitel bilden und also gegen die Handschrift mit 1—17 numeriert werden sollten. 30 Es schien aber nicht angebracht, hier von der Handschrift abzuweichen, da ja doch unsere ganze Kapitel-Numerierung nur eine annähernd zutreffende sein kann.

H. Von den Versmaßen. Es zeigt sich, daß zu den beiden Strophen-Arten, von denen ich schon in ZDMG. 62 p. 95 f. zu sprechen hatte, noch eine dritte hinzukommt, die im Bau der zweiten nahesteht. Alle drei — ich heiße sie A B C — zerlegen sich zu- 35 nächst in zwei gleiche Hälften (Halbstrophen), deren jede 3 oder 4 rhythmische Einheiten von 5—7 Moren umschließt. So besteht

16

Über ein nordarisches Dichtwerk and seine Versmaße.

die Halbstrophe 4 a u s 5 + 7 + 5 + 7 = 2 4 M o r e n > » , | » 5 + 6 + 7 = 1 8 Moren, » » . £ . » 7 + 5 + 6 = 18 Moren. Dabei bflden die Moren-Heptaden den kürzern Hexameterschluß (_: ^ ^ i ± 5 oder ein unter Beibehaltung cfes schließenden Trochäus [der nur ganz ausnahmsweise durch einen Tribrachys, nie durch einen Iambus ersetzt wird] entstehendes Äquivalent ( i ^ ^ ^ | ^ oder _ i j. ^ oder ^ ¿. w i ^ oder i ^ _ i n Die Moren-Hexade zeigt in -y vorwiegend den Rhythmus ± ^ w in wo sie endständig ist, meist die katalektische Verkürzung dieses Rhythmus r 10 (_» w w ¿), seltener dessen Yollform, weshalb die Halbstrophe in Wahrheit viel häufiger bloß 17 statt 18 Moren umfaßt Was endlich die Moren-Pentaden anbelapgt, so ist deren Variabilität wenig beschränkt, so daß wir alle acht Formen, die möglich sind, antreffen, immerhin ^ ± _ und ^ j. ^ « etwas weniger häufig als die übrigen. 15 Probeweise wiederhole ich die oben p. 415 ausgehobene Halbstrophe — sie zeigt den Typus — in berichtigter Form und nebenbei in einer phonetischen Umschrift, die die Quantitäten deutlicher erkennen läßt: phonetisch:

Baggirathi räsayi tta pyüstä kyau ggüna Ggamggo paäääte Bagirathi rizayi ta pyüsti cau guija Gango paääde

Vielleicht wäre pyütfä phonetisch eher mit pütfi wiederzugeben; aber auch wenn pyü$i zu sprechen ist, bleibt die vorstehende Skandierung richtig, weil in der nordarischen Metrik anlautende Doppelkonsonanz niemals Position bildet (außer natürlich in der engen Verbindung ni-stä, von der unten p. 7228 f. 2 U reden sein wird). 25 Die für angesetzte Rhythmen-Folge findet man ferner achtmal unten p. 21 und je einmal oben p. 6 J5 (man spreche bi&i hajuatida [oder hajvat0] vahitfe: sowie unten p. 17,9 . 18S1 . 5317 . 65J5 . 72„. Dazu eine Viertelstrophe 4" unten p. 75g (und 3 + 4 weitere p. 4420f. und 481). D

Die Rhythmenfolge— mag durch die Halbstrophe XV 25a illustriert werden, 30 die von Buddha erzählt: pravarttäte

cakkru u pharu

parräte

uysnora

'er rollte das Rad (des Gesetzes) und errettete viele Wesen'. Wie hier in uysnora (Näheres über dieses Wort unten p.5427ir.), 8 0 bildet auch sonst 35 sehr oft inlautende Doppelkonsonanz, aber höchstens vor einer Arsis, keine Position. Daß parräte (vgl. oben p. l^it) nur eine s c h e i n b a r e Doppelkonsonanz enthält, werden wir unten p. 41g ff p sehen. — '6 + 7* oben p. 3S8 (man spreche hüdua güa). Eine Halbstrophe -y, ausnahmsweise mit ungekürzter Moren-Hexade, wird uns unten p. 4929 begegnen. Die übliche 17-morige Form dagegen erscheint z. B. 40 — außer in der p. 53 J t mitzuteilenden Strophenhälfte — in der folgenden Halbstrophe, die sich Wort für Wort ins Sanskrit umsetzen läßt.

• . Von den Versmafien.

17

IV13 b . ttuSiä asära nairätma dharma bissä. 'tucchakä asärä nirätmäno dharmä visve*. 'eitel, gehaltlos (und) ohne Selbst (sind) alle Dinge*. Um schließlich für alle drei Metren gemeinsam auch noch den seltenen s Fall, daß der Trochäus der Heptade durch einen Tribrachys ersetzt ist, zu belegen, füge ich hier aus der Strophe II 22, deren erste Hälfte oben p. 4 f. und vorhin analysiert wurde, die zweite Hälfte bei. II22 b . ssai ?ä sarvafti ni väte sti cva ni Ssadüvani püri. 10 Wenn wir bisher nur Beispiele dafür angetroffen haben, daß die Orthographie gewisse einfache Konsonanten doppelt schreibt, so begegnen hier auf einmal zwei Fälle umgekehrter Art: eine wirkliche Doppelkonsonanz ist in laxer Orthographie als einfacher Konsonant geschrieben. Da es sich beidemal um ein indisches Lehnwort handelt, so können wir ohne Weiteres eine Berichtigung vornehmen. Ge- 15 stützt auf andere Textstellen, die statt sarvani genauer sarvarßni und statt wada 'Glaube' (aus ind. sraddhä) genauer $$adda bieten, werden wir in der geplanten Ausgabe zu drucken haben: §§ai ?ä sarvarfifli ni väte ¿ti cva ni Ssäddüvani püri. Daß nun überdies noch cva nach vedischer Art die Lesung cua erfordert, wird ¡» sich im nächsten Aufsatz (p. 4422fr.) als eine Selbstverständlichkeit ergeben, — womit denn die obige Skandierung nach allen Richtungen gerechtfertigt erscheint. Ehe ich die ganze Strophe übersetze, muß ich vorausschicken, daß sie von einem Gegner Buddha's, dem bekannten Makkhali Gosala (mogha-purisa) — bei den Jaina's Gosäla Marfikhali-putta genannt — gesprochen wird, den die vorangehende Strophe unter 25 dem Kamen Maskkali (aus skt Maskarin) einführt. Dieser Gegner beanstandet es, daß Buddha als sarva-jna 'Allwissender' bezeichnet werde, und nachdem er schon in jener Vorstrophe auf die alten Weisen Asita, Bhärgava und Vyäsa, die auch nicht Alles gewußt hätten, hingewiesen hat, fährt er in unserer Strophe (deren erste Hälfte schon oben p. 4, 0 _ Sä übersetzt wurde) fort: 30 Von dem Weisen Bhagiratha hört man, daß er die Gaiigä aus seinem Ohre entließ. Wenn nicht einmal dieser allwissend ist, wie viel weniger ist es der Sohn des Öuddhodana! Da wir nun sahen, daß in der Moren-Heptade der Daktylus und seine Äqui- 35 valente sich keinenfalls mit dem Trochäus vermischen, so haben wir die oben vorgeführten Moren-Folgen, indem wir zugleich die stärkern Einschnitte, die sich bilden, hervorheben, genauer folgendermaßen anzusetzen: Halbstrophe A : 5 + 4 + 3 | 5 + 4 + 3 » 5+ 6 | 4+ 3

40

C:4+3|5+6 Schriften der Wissenschaftlichen Qeaellschaft in Strafiburg X.

2

18

Ober ein nordarisches Dichtwerk and seine Versmaße.

Weiterhin ist festzustellen, daß anter diesen Schemata bloß das mittlere dorchgehends gilt, während dagegen das erste nur die mit Neonzehntel-Häufigkeit vorkommende H a u p t f o r m von A und das dritte nach dem oben Gesagten nur ein A u s n a h m e - S c h e m a von darstellt, indem das zugehörige Normal-Schema 5 die letzte More fallen ließe. Bei A kommen verschiedene Nebenformen hinzu; ebenso bei wobei wieder jeweils die letzte More normalerweise fehlen oder ausnahmsweise beibehalten sein kann. Yon ^ verdienen folgende drei Nebenformen erwähnt zu werden. Eine erste bildet sich, indem aus der zweiten Pentade zwei Moren in die vor10 hergehende Heptade hinübergenommen werden: 5+4+2+3|3+4+3 Das ist der Rhythmus, den beide Hälften der unten p. 46—48 zu interpretierenden Strophe aufweisen. Süne zweite Nebenform setzt die gleiche Moren-Umlagerung voraus, vermengt 15 die beiden Moren aber mit der benachbarten Vierer-Gruppe, so daß wir 3 + 3 statt 4 + 2 Moren antreffen : 5+3+3+3|3+4+3 Gin Beispiel für diese Rhythmenfolge mag die Strophe H 2 liefern, die den üblichen Anfang buddhistischer Legenden in folgender Form vorträgt: 20 112. ßäjagrhä asta dGrddhrakatu ttu scätu ggaru väte balysä, pharäkyau $?amanyo harptsa pharu bodhisatva balonda. "Bei Bäjagrha auf dem Grdhraküta-Berge weilte zu jener Zeit der Buddha zusammen mit vielen Mönchen, (unter denen sich) viele mächtige Bodhisattva's (befanden)". 0 25 Eine Transkription ästäd Grddhr ließe sich kaum verteidigen; vielmehr muß dGi* für Gf° ein merkwürdiger Fehler der Handschrift sein, beruhend auf Sanskrit-Stellen wie avasad Grdhraküte. Auf Grund einer selten sich bemerkbar machenden Eigentümlichkeit der nordarischen Diktion ist die Zeitbestimmung ttu scätu [ein solcher Akkusativ der Zeit auch in der demnächst mitzuteilenden Halb30 Strophe] *tena samayena* zwischen die zusammengehörenden Akkusative 'Gj-dhrakotarp . . . girim' hineingeschoben ; diese Akkusative selber bekommen durch das nachfolgende väte (vgl. unten p. 45 i7 ) Lokativ-Bedeutung. Das Verbum ästä 'weilte* (zur idg. Wurzel äs) schon in ZDMG. 62 p. 107 31 ; pharäka ist eine Weiterbildung von pharu (hierselbst und oben p. 16M) = noXü-. Zu harptsa vgl. unten p. 501 fr., zu 35 balonda (man spreche balonda) 'balavant' oben p. 9, s und unten p. 4322 f. Daß wamanyo 'sramapaih' (vgl. dazu fumana '¿ramadàn' unten p. 21S6) ein Anapäst ist, werden wir unten p. 50 29 f. sehen. Die Quantitäten-Folge ist also : ^ u u ^ I ' w f w ' u I u u w | w u u

7 u

« Auffallender und zugleich von seltenerem Vorkommen ist die dritte Nebenform des Schemas A, die durch ein gewisses Balancieren zwischen den beiden

III. Zur Vorgeschichte unserer Versmaße.

19

Pentaden zustande kommt, derart daß die eine zugunsten der andern um eine More gekürzt wird. Hiebei entsteht die Duplizität: Nebenform 3 a 4 + 4 + 3 | 6 + 4~+3 3»> 6+ 4+ 3 | 4 + 4+ 3 Als Beispiel der Nebenform 3 a setze ich die erste Hälfte der Strophe YD 54 her: |

w

\ j

I]

w

w

[

J

i

w

cu padä balysa cu vaysfta cu-rro ustamu k[älu hä]märe "was (für) fiuddha's früher (da waren), was (für Buddha's) jetzt (da sind) und was (für Buddha's) in späterer Zeit (da) sein werden". Die eingeklammerten Zeichen sind verloren, können aber leicht ergänzt werden. — cu aus *kam mit dem Palatal von et, das Gegenstück zu ind. Hm mit dem Guttural von Ica; ustamu kälu (Akkusativ der Zeit) wörtlich 'in der letzten [ = spätesten] Zeit* (käla ist Lehnwort); -rro wird gebraucht wie lat -que (zu r r vgL oben p. 16^.). Wenn oben p. 6 M die Nebenform 3 b unseres Schemas vorliegt, so ist htxtie als Tribrachys (huate) zu lesen (vgl dazu noch unten p. 3 9 , _ j und 45g_I0). Um endlich über das Nötige beizufügen, bemerke ich, daß da — abgesehen von geringeren Nebenformen — einfach die erste von A wiederkehrt, und zwar doppelt, insofern eben die Schlußmore fehlen oder bleiben kann. So entstehen mittelst der geschilderten Moren-Umlagerung als wesentlichste Nebenformen von die folgenden beiden: 1® (ohne Schlußmore) 4+ 2+ 3 | 3+ 5 l b (mit » ) 4+ 2+ 3 | 3+ 6 Man sieht, daß im zweiten Falle aus der Halbstrophe zwei neunmorige Strophenviertel hervorgehen. Das Metrum C erlaubt also die Viertelung, welche bei A der Hauptform eigen ist, wenigstens in der Abart einer Nebenform. Theoretisch wäre auch die zweite Nebenform von A (mit der hinzukommenden Moren-Yermengung) bei denkbar, in der Doppelform: 2 a (ohne Schlußmore) 3+ 3+ 3 | 3+ 5 b 2 (mit » ) 3+ 3+ 3 | 3+ 6 Allein für diese Rhythmen-Folgen sind kaum Beispiele zu finden. Eine Halbstrophe vom Typus 1 a wird uns unten p. 4 9 u zu Gesichte kommen. III. Zur Vorgeschichte u n s e r e r

Versmaße.

Wie die obige Darstellung lehrt, entsteht die Hauptform der Halbstrophe A. mittelst einfacher Doppelsetzung eines Rhythmen-Paares r (Moren-Pentade) + R (Moren-Heptade). Hiebei zeigt der Rhythmus r mit seinen ziemlich gleichmäßig alle Quantitierungen zulassenden fünf Moren einen s c h w e b e n d e n oder v o r b e r e i t e n d e n , dagegen der Rhythmus R mit seiner bestimmten Quantitäten-Folge einen e n t s c h i e d e n e n oder a b s c h l i e ß e n d e n Charakter. So bildet 2*

Ober ein nord&risches Dichtwerk nnd seine Versmaße.

20

sich hinter r keine eigentliche Kluft, wohl aber hinter R, ünd wir mögen daher die Stelle hinter r eine Rhythmen-Fuge, die hinter R im Innern der Halbstrophe eine Rhythmen-Scheide heißen. Nur die Rhythmen-Scheide verlangt notwendig einen Wortschiaß (man wird einen solchen oben und auch späterhin 5 überall antreffen); die Rhythmen-Fuge liebt den Wortschluß, ohne ihn unbedingt zu fordern: die vier bisher mitgeteilten Halbstrophen von der hier in Rede stehenden Art [112 b . 22». 22 b . XH 32 b ] zeigen in der Fuge dreimal vollen Wortschluß, zweimal halben Wortschluß (Kompositionsfuge) und dreimal keinen Wortschluß. Der Gegensatz zwischen Rhythmen-Fuge und Rhythmen-Scheide ist obeu 10 bereits in der Weise graphisch zum Ausdruck gekommen, daß für die Fuge ein Pluszeichen, für die Scheide ein Vertikalstrich gesetzt wurde. Behalten wir diese Zeichen bei, so ergibt sich für die Hauptform von 4" das Schema r + R | r + R Und wenn wir die in den Nebenformen von 4 sich einstellenden Rhythmen15 Vergrößerungen und Rhythmen-Verkleinerungen durch untergesetzte Plus- und Minus-Zeichen wiedergeben, so erhalten wir weiterhin für die Nebenformen 1 & 2 von 4" das Schema

r+ R | r+ R

»

»

Nebenform



» »

»

»

r+ R | r+ R

»

»

>

3h

»

»

»

r+ R | r+ R

»

Eng verwandt mit dem Rhythmus R ist nun derjenige, der in der HorenHexade vorliegt: dieser läßt sich kurzweg als die katalektische Kürzung des andern auffassen, und wir mögen so für ihn das Zeichen R einführen. Im Ganzen würden wir hienach bloß von zwei Rhythmen zu reden haben: 1. von einem fallenden Rhythmus, dessen akatalektische Form (R) im Normalfall 25 aus "Daktylus + Trochäus' besteht und dessen katalektische Form (R) im Innern der Zeile als "Daktylus + Länge oder Doppelkürze', am Schluß der Zeile gewöhnlich als "Daktylus + Kürze* erscheint. 2. von einem freien Rhythmus (r) von fünf sich beliebig gruppierenden Moren

20

so

Nach dieser Vereinfachung des metrischen Sachverhalts können wir den in den Vorbemerkungen (p. 8) angekündigten Zusammenhang unserer nordarischen Versmaße mit der griechischen und der germanischen Metrik durch folgende Gleichungen zum Ausdruck bringen. I. -5" = r + R | r + R = Hexameter mit weiblicher Zäsur.

35

40

H.

= r+ Ä | R

III. - | = R I r + Ä IV. r + R | r + R = Pentameter. V. r + fi | + r + R = Hexameter mit männlicher Hauptzäsur. VI. r + R | r + R = Nibelungenzeile. Diese Gleichungen besagen, daß unsere beiden Rhythmen sich zu sechs

21

ID. Zur Vorgeschichte unserer Versmafie.

Kombinationen verbunden haben, von denen wir eine sowohl bei den Nordariern wie bei den Griechen, die übrigen teils bloß bei den Nordariern and teils blofi in Europa antreffen. Bei jeder Kombination ist nicht nur auf die RhythmenFormen zu achten, sondern auch auf die Art, wie diese Rhythmen-Formen aneinander gefügt oder von einander geschieden sind. Immer findet sich aus 5 dem früher geschilderten Grunde hinter r eine Rhythmen-Fuge (durch ein PlusZeichen angedeutet), dagegen hinter R resp. R [im letztern Fall nicht ganz konsequent] eine Rhythmen-Scheide (durch einen Vertikalstrich gekennzeichnet). Zu Olelchnng I übergehend setze ich zunächst vier nordarische A-Strophen und 6 Hexameter (letztere dem Anfang der Odyssee entnommen) her. Alle Hälften 10 der vier A-Strophen folgen dem Schema der Hauptform. Ich lege diese Strophen — wie schon früher die erst-zitierte Halbstrophe — in doppelter Form vor: einmal in der einfachen Zeichen-Umschrift und sodann, damit die Skandieruhg deutlich erkennbar werde, in einer phonetischen Umschrift unter besonderer Hervorhebung einiger Kürzen und Ikten. Es sei dabei in Erinnerung gebracht, daß im iä Nordarischen anlautende Doppelkonsonanz niemals Position bildet und daß selbst inlautende Doppelkonsonanz vor dem Iktus eine Silbe nicht notwendig längt Auch füge ich bei, daß eine Rechtfertigung meiner phonetischen Umschriften im nächsten Aufsatz folgen wird. II 75. kye myänä indryiya hvandä ttä mamä grati tili praysaindi trsija indryau-jsa utära parvachani bvämata rräsca 5 76. dätu ggaipbhlru pyuväre huhvatu käde rra$tu aggarpjsu ttänu vara hämäte praysätu balysänu ääääanu viri 6 77. Badr käde indriya tr$ga trämu bi&ä ?9ävä rraysgu bispadya rrljite äimu, kho ju bärgyi pätl hvandu, 7 78. bissä ??amana hälsto harpgrlte Aniruddhä balysä pruhau,ste sarpkhälu pättäru näte padä pastätä bilsarpggä, 8

»

25

Probeweise habe ich im Vorstehenden die K o m m a t a und die S t r o p h e n z a h l e n mitaufgenommen. Die Kommata (im Original wagrecht in den Zeilenranm gesetzt) linden sich häufig am Schluß der graphisch gleich langen Viertel, in die jede Strophe zerlegt wird, selten im 30 Innern solcher Viertel. Ursprünglich Interpunktionen darstellend, spielen sie in der Handschrift meist nur die Rolle von Fttllseln, die in der Regel angebracht werden, wo am Ende eines graphischen Strophen-Viertels sich eine kleine Leere bildet. Sie können also je nach der graphischen Sachlage ebensowohl vorhanden sein als fehlen und stehen da, wo sie vorhanden sind, nicht selten in Widerspruch mit der Syntax und sogar mit der Worttren- 35 nung. Vorhin z. 6. ist in Strophe 78 ein Komma mitten in das Wort ptuhauffe hineingesetzt, um das graphische Viertel, welches die Silben te bis hau umschliefit, auf die erforderliche Länge zu bringen. Die vier graphischen Viertel besagter Strophe — wie all solche ViertelTetraden zusammen vom linken Rande eines Blattes bis zum rechten reichend — haben in Umschrift, wenn wir die innern Silben der Viertel je durch zwei Punkte ersetzen, folgendes 40 Aussehen: bi^ässama • • hamgrl

teani • • lysäpruhau,

Zum Wortlaut in Kürze Folgendes:

stesamkhä - - runäte

padäpa • • lsamgg&,8

22

Ober ein nordarisches Dichtwerk and seine Versmaße.

75. iye..£fcJ..*ye..te..'; »Wryt'yoistFehlschreibung für»'«drtyo; übermamäunten p.59 1( und 64,„ über indryau p. 66,,, über utära p. 38,,, zu bvdmata p. 7138f. 76». hu-hvata aus *su-svata 'wohl getönf = Vöhl gesprochen'; rratfat = aw. raita, Iat rechts, deutsch *recht*; a-ggatjijsa 'ohne Fehl' vom Femininum ggatßjsa 'Mangel*, wozu im Sanskrit *ganja "Verachtung* und -ganjana Verachtend'. 76b. 'tesäm abhüt prasädo buddhänäip ääsane' = 'sie bekamen Vertrauen zur Lehre der Buddha's'; dabei praymtu = ind. pratädah, aber mit NeutralEndung! Wegen SSäSanu viri vgL unten p. 54g l i . 77 Anf. Badr für Badrä (über den Träger dieses Namens unten p. 2819). Auch sonst wird am Wortende nach Konsonanten meist r für rä geschrieben, was an lat -er (in ager, acer &c.) für -ro[s] und -ri[s] erinnert, im Nordarischen aber nichts weiter als eine graphische Vereinfachung ist, da das Metrum stets -rä erfordert 78. "Alle Mönche berief zusammen dahin Aniruddha, (und) Buddha, nachdem er sich in sein Doppelgewand gekleidet (und) sein (Almosen-)Gefäß genommen hatte, schritt (dann) der Schar der Mönche voran" (bilsat/igga = skt. bhik?u-sarpgha). — halsto 'dahin* schon ZDMG. 62 p. 107 34 ; jyruhatißfe satfikhälu ist eine poetische Variierung der Wendung prahonu prahotfe (1. c. p. 107,, & 108, o _, ä ) 'nachdem er sich in sein Kleid gekleidet hatte', mit sarpkhäla aus skt. sarpghätl; pättäru unten p. 57 12 ; padä 'voran, früher* schon oben p. 19g; pastäta unten p. 32 I7 und 38u f. Phonetische Umschrift (mit richtiger Interpunktion). II 75. cö myänä indria hv&ndi ti mämi gradi Ifli prazajndi, trspa indräu-ja udÄra parvachani bvämada risca. 76. dädu gambhtru pyuvÄrö huvadu kidS rastu agaftju, tänu vara hlmidß prazädu balzänu säianu viri. 77. Badri kidS indria t^sija trämu biäi ?ävä razgu biäpadia rijidö Imu khö ju bärji pädl hvändu. 78. bisi gämana hälstö (h)äiTigrtdfi Aniruddhi, balzi prukau?te saipkhälu pätiru nädö padä pastädi bflsängi. a 16—21. äXX' 6T£ t>f| F T O J nepiTiXo^evuiv ¿viautuiv, Tip ol ¿ireicXiMffavTO Geoi OIK6VÖ€ vkfföai ci? 'leäicnv, oib' IvOa neqtirrnivos ifcv äi0Xwv Kai fiEid oFcri

Vokale

oi [ä]

o [-yo]

äu [-yau]

ai(= i?) wa[va] uä uä ui ue uai uai uö uau

üä Guttural Guttural-Palatale ^[fey] /[gy] Dental-Palatale «. °di. W: °dä. it. °ä W. ta. °jsad°, auch W. »7. °aW. s8> khuai W. «9. bays0. W : näsäfiä. ao. fehlt in W. st. hirä W. s«. °ysana W. s». °vüysaina. s«. °ttamä W. as. °därä W. ae. ta. aj. aysmaya. aa. had°.

40

80

StQcke ans Vajracchedikä and Aparimitäyurdhärani in nordarischer Übersetzung.

gyastä ba'ysl tta hve: 1 mara Subhüta ba'ysüñavüysaina yajato brahmainam tathöktavän: i h a Snbhüte bodhisattvena bhagavän asya etad avocat: iha Subhüte

baudhisatva-yqña bodhisattva- yäne bodhisattva- yäna-

hamjsarndaina t t a - t t a aysmü upev^nä "cu-burä satva 5 sampr&sthitena tathä-tathä cittam utpädayitavyam yävantah sattväh samprasthitena ev am cittam utpädayitavyam yävantah Subhüte sattväh sattea-dhätau satväm näsäme-jsa hamkhlsa ysäya u ähya ysäta o puri}ña u ysäta, 1 sattvänäm samgrahena samsvede jätäs tathä 'nde jälä athavä puräne jätäh, satt ra- samgrahepa samgrhtlä ajftfa-jä vä jaräyujä va saiftsveda-ja t' 10 c u g a ni-stä ysäta ye na santi jätä

ü v a v ä , 1 cu hamtsa rüvina cu 3 B an au rüväna, 1 cuhanitsa aupapädukäh, ye saha rúpena ye vinä rüpena, ye saha aupapOdukä va, r ü p i p o v ä ' r ü p i p o v ä , s a m j ñ i-

syäme-jsa cu anau syäme-jsa, 1 c u v ä tti satva cu ni hamtsa syäme-jsa n i 4 0 anau samjfiayä ye vinä samjñaya, ye vai te sattvä ye na saha saipjñayá na vina 15 no vä 'saipjñino va, naiv a samjñino ndsamjñis y ä m e 4 1 - jsa, 1 ku-burä samjüayä, yävatl no vä, yävän kaá-cit 20

satva-däta-prafiaväftämata 48 fiäpiyä5,1 sattva-dhätu-prajnapyatä jüäpyeta, sattva-dhdtuhprajñapyamanah prajñapyate,

tti — satva te — sattvä te ca

muhu-jsa harbisä aharlna nirváña paranirvüña"; dädirä m a y ä s a r v e 'nupadhi-sese n i r v ä n e parinirvapayitavyäh; tävato maya sarve 'nupadhi-áefe nirvüpa-dhotau parinirvapayitavyäh; ev am — satva ku paranirväye 4S — sattvän yadä parinirväpitavän api sattvän parinirväpya

avamäta 'prameyän aparimapan

hamäti, nä 5 hadi kämu-jä sai sau satvä 5 paranirbhavet, n' arya kai-cid apy ekah sattvah parinirna kaá-cit sattvah parinir-

25 v ä y e hämä. tta ci härä kidna? 1 ci Subhüta baudhisatvä 44 satva-samña väpito bhavet. tathä kasyärthasya krtena? yadi Subhüte bodhisattvasya sattva-samjüä väpito bhavati. tat kasya hetoh ? sa-cet Subhüte bodhisattvasya sattva-samjñü hämätä ni §ä baudhisatvä hvañai. 1 tta ci härä kidna? ni ?i Subhüta baubhaven na sa bodhisattvo vaktavyah. tathä kasyärthasya krtena? na sa Subhüte bo30 pravarteta na sa bodhisattva iti vaktavyafc. tat kasya hetoh? na sa Subhüte bodhisatvä hvañai ci satvä vira samña haraätä o jväkä vira sarpña o dhisattvo vaktavyo yasya sattvara upari samjña bhavaty athavä jlvam upari samjñá 'thavä dhisattvo vaktavyo yasya sativasamjñá pravarteta jirasamjñá vä pudgalä vira samña häme. 1 35 pudgalam upari samjfiä bhavet. pudgalasamjña va prava rieta. Zweites Stück [Max Müller's Ausgabe p. 3 5 1 8 — 3 6 1 9 | . ttí vä ä'sirl Subhütä gyasta-ba'ysä tadä vä äcäryah Subhütir yajatam brahmänam atha khalv äyttftmSn Subhütir bhagavantam n. rüvana.

«o. fehlt.

°i.

°väüam°.

tta hve:1 khu vä tathöktavän: katharp vai etad avocat: katham — 43. parin 0 .

midäua midhvo bh a -

44. satvä vergessen.

Stücke aus Vajracihedikä und Aparimitäyurdhäragi in nordarischer Übersetzung. gyasta ba'ysa 1 5 baudhisatva^-yänl 1 6 yajata brahman bodhisattva-yänikasya g a va n bodhisattvayäna-samprasthitena

81

marä mahäyäna iha mahäyäne sthotavyaui f katham pra-

1

a y s m ü biysamjqnä? cittam pragrahitavyam ? tipattavyam ? katham cittam pragrahitavyam ? gyastä ba'ysi tta h v e : 1 mara Subhüva baudhisatva-inästä-ba'ysijnavQysaina yajato brahmainam tathöktavän: iha Subhüte bodhisattvena mahatä bodhisattvena bhagavän aha: iha Subhüte bodhisattvayäna-samprasthitena tta-tta aysmü upevänä "bisä satva aharlna tathä-tathä cittam utpädayitavyam visve sattvä anupadbi-äese evafi cittam utpädayitavyam sarve sattvä mayä 'nupadhi-itfe nirvä^a-dhätau nirväyjjna"; nirväpayitavyäh; nirväpayitavyäh; eram ca sattvän parinirväpya

paraparipari-

ni hadi kämu-jä satvä 5 p a r a n i r v a n ä 6 n' arya kaä-cit sattvah parinirväpayitavyo na kaicit sattvah parinirväpito

liämä. tta ci h ä r ä k i n a ? cl Subhüva b a u d h i s a t v ä satva-sarpfta hamäti bhavet. tathä kasyärthasya krtena? yadi Subhüte bodhisattvasya sattva-samjnä bhaven bhavati. tat kasya hetoh V sa-cet Subhüte bodhisattvasya sattva-samjüä pravarteta ni baudhisatvä hvanai, 1 o ätma-samna 1 6 o vä jlva-sarpna 16 o pudgala 1 5 na sa bodhisattvo vaktavyah, athav' ätma-samjnä 'thavä vai jiva-samjnä 'thavä pudgalana sa bodhisattva iti vaktavyah, jtva-sa mj Hä vä yävat pudgala-sa inj £ ä s a m n a hamäti ni si baudhisatvä 5 hvanai. 1 tta ci härä kiija? 1 ni-stä sarpjna bhaven na sa bodhisattvo vaktavyah. tatha kasyärthasya krtena? nästi vä pravarteta na sa bodhisattva iti vaktavyah tat kasya hetoft'( nästi Subhüte dharmä kämu-jä baudhisatva-yäna 1 5 hamjsamdai 4 6 ä y a ; sa dharmah kaä-cid bodhisattva- yäne samprasthitah syät; sa kaicid dharmo yo bodhisattva- yänasamprasthito nttma; tat kim manyase Subhüte Y •

astä nai §i Subhüva dharmä cu gyasta-ba'ysäna Dlpamkarä gyasta-ba'ysä asti sa Subhüte dharmo yo yajatena brahmanä Dipamkarasya yajatasya brahmano asti sa kaicid dharmo yas tathä gatena Dtpaqtkarasya tathägatasydaina ka bisä-plrmättamä ba'ysüstä 'ntikäd viSva-paramäm bodhim ntihäd

bustä buddhah

äya?1 syät? anuttaräm samyak-sambodhim

abhisambuddhah '4

ttye hvaye hvanai ä'sirl 4 7 Subhütä 5 gyastä ba'ysä tta h v e : 1 lasminn ukte vaktavye äcäryah Subhütir yajatam brahmänam tathöktavän: — evam uk ta äyufmän Subhütir bhagavantam etad avocat: yathä sä nanu hhagavan bhagavato bhäfitasydrtham

Ojänttmi

ni-stä nästi nästi sa

ham

16

mädqna g y a s t a ba'ysa 1 5 midhvo yajata brahman bhagavan

kämu-jä §ä dharmä cu gyasta-ba'ysäna kaä-cit sa dharmo yo yajatena brahmagä kaä-cid dharmo yas tathägatena DTpaipkarasya tathägatasydrhatafc

samyak-

45. Bei den äna-Partizipien steht in einheimischer Konstruktion der Genitiv, in sanskritischer der Instrumental. 4«. °jsed°. 4j. der Apostroph fehlt. Schriften der Wissenschaftlicheil Gesellschaft in S t r a s b u r g X.

6

82

Stücke aus Vajracchedikä und Aparimitäyurdhärani in nordarischer Übersetzung. bisä-plrmättama ba'ysüstä bustä äya. 1 viäva-paramäm bodhim buddhah syät. anuttarOm samyak-tambodhim abhisambuddhah .

sambuddhasydntikäd ttye

hvaye

er am

hvanai gyasta-ba'ysä

ukte

bhagavän

hve:1

ä'sirl

Subhütä

tta

äyufmantam

Subhütim

etad avocai :

tta-tta '•> e e am

1

si härä Subhüva, ni-éta kjjmu-jä dharmä cu gyasta-ba'ysna so 'rthah Subhüte, nästi kaé-cit sa dharmo yo yajatena brahmanä etat Subhüte, evam etat, nästi Subhüte sa kaä-cid dharmo yas tat h a g ateno ni

Dlpamkarä-gyasta-ba'ysäna 4 8 Dipamkaräd yajatäd brahmano Dipamkarasya tathägatasy drhataft samyak-sambuddhagydntikäd

anuttaräip

tamyak-

1

ba'ysüstä bustä äya ; cl Subhüva kämu-jä si dharmä v y a cu bodhim buddhah syät; yadi Subhüte kaà-cit sa dharmo bhaved yo 15 sambodhim abhisambuddhah »a-cet punah Subhüte kai-cid - dharmas gyasta-ba'ysäna 4 8 ba'ysüstä bustä vya ni muhu yajatena brahmanä bodhim buddho bhavet na mäm tathagatena abhisambuddho 'bhavifyat na mäm vvi ra: "sä hama 20 prati bhava vyäkarifyad "bhavifyasi

Dfpamkaras

thu mänavä ustamäjsl bädü Säkya-munä näma tvam mäijavaka uttame käle ¡Säkya-munir näma tvam mäpava anägate dhvani $äkya-mttnir näma

ba'ysä". brahmä. fato 'rhan xamyak-sambuddha''

tathägato gyastayajato tathä-

iti.

Der Anfang der Aparlmitayur-dliaraui. a>

siddham. 1 tta-tta muhij jsa siddham. tathä-tathä m a y ä siddham. evam may ä

pyüstä. 1 srutam. érutam

sina beda gyastä ba'ysä Srävastä ästä 5 v y ä 4 9 Jlvä rris-pürä ekasmin käle yajato brahmä ärävastyäm nivisto bhüto Jetasya ràt-putrasya ekasmin samaye bhagavän èrdvastyàifi viharati sma JetaAnäthapindl härü samkhyerroa Anàthapipdikasya éresthinah s a m g h ' ä r ä m e AnäthapiQ^adasy' äräme mahatä bhikfu-samghena

bäsa vane vane

—dväs-sedvädaäa-äatasdrdham ardha-tra-

paipjsàéau ä'siryau-jsa u pharäkvau baudhisatvau mistyau ba'ysünavüysyau-jsa 3» pancaéadbhir äc&ryais tathä bahubhir bodhisattvair mahadbhir b o d h i s a t t v a i l i yodaéabhir bhikfu-iataih sambahulaii ca bodhisattvair m a h ä sattvaih hamtsa 6 . särdham. .

ttina tasmin tatra khaln

beda ml gyastä ba'ysä käle 'sau yajato brahmä bhagavän

ManijusrI eysänai50 Manjuériyam kumäram Manjuériyam kumära-bhütam

gurämantriämantra-

48. °ysana. ° zurückweisen 67ft_35; vielleicht aber ist er sinnlos 7024f. Ein ähnlich später Apostroph unten 12722Flexion 65 30—6619. Etymologie 66«—6841. Sing. Nom. à'èirì 78i d > d = 1, vgl. 4I21. —

tcahölsä 'catväriiniat' vierzig 6326 f.

35 tclra (aus * t r a r y a 7122) Ntr. '-mal' 1193g; 'Nochmaliges' = 'Abbild' 102a-,. tcürama 'der vierte' 484; Gen. °mye (ph. °mie)

45 3 1 .

1. tta 'ta' Stamm des Demonstrativ-Pronomens 'er, dieser', im Nom. Sing, vertreten durch den Stamm #a 'sa'. In l e t z t e m ist s ein Sandhi-Produkt, entstanden in ce-fa-

ce, wai $ä usw.; ähnlich § in [64 M ] aw. se & ap. Saiy sowie 9 in skt. e$ä. 40 Sing. Nom. Mask.

'sa' 7 5 i a , Fem.

'sä* 75 1 6 , Ntr. sä 'tad'; die

Maskulin-

Das Demonstrativ-Pronomen tta.

117

Form wird also fürs Neutrum mitverwendet 1152. g. Die in hervorhebendem Sinne übliche Wiederholung 'dieser* ist als einheitliches Wort behandelt nnd ergibt als solches lautgesetzlich $ai [ph. ?ei] ; dagegen bilden auffallender Weise die zugehörigen Feminin-Wiederholungen & 9ä-$a 'diese* [7517] je zwei selbständige Wörtchen und bleiben daher unverschmolzen. In der spätem Ortho- » graphie geht von sai aus der Apostroph auch auf das einfache $ä über [oder steht er da nach 12436*?]; daher die Schreibungen sä und 7 5 27. In AP : Mask.-Xtr. an den unter ci-jä und hatäa aufgeführten Stellen, außerdem 9419- 23* 953.6.3g. 9839. 99 7 . 22- 24-2410 In Vajr: Mask. gä 8028- 8119. 9* 7 9 ig. 80 28- 8122-25-28- 827.7.13. Die übrigen Flexionsformen, soweit ich ihrer sicher bin, sind in nachfolgendem Schema enthalten : Singular Akk. Instr.-Abl. Gen. Lok.

Mask.-Ntr. Fem. ttu tto ttäna ttäfte (-jsa) ttye ttäfta

Nom.-Akk. Instr.-Abl. Gen. Lok.

Plural Mask.-Ntr. Fem. ttä tte, ttä ttyau (-jsa) ttänu

15

Wie die ^-Formen gestatten auch die tf-Formen eine den hinweisenden Charakter des Pronomens verstärkende D o p p e l s e t z u n g ; doch stellen sich, weil dabei 20 maximal bloß drei Silben zugelassen werden, gewisse Vereinfachungen ein: die Anfangsform bleibt stets einsilbig (ttä oder ttu). Überall gilt die Verdoppelung als einheitliches Wort, weshalb der Anlaut der Endform zu t (ph. d) erweicht wird. Also im Singular Mask.-Ntr.: Akk. ttutu oder (nach Ausfall des t kontrahiert zu) ttä [7 9 37. 139i 6 ] 'etam, etad*. •£> Instr.-Abl. ttätäna oder (in lässiger Schreibung) ttätena 'etena'. Gen. Hier ergeben sich auf Grund der für ttye [ph. tie] auch vorkommenden Schreibung ttäye die Doppelformen ttätäye [143 35] und (in lässiger Orthographie) ttäteye 'etasya', außerdem die kontrahierten Äquivalente ttiye & ttfyä. Die mir annoch fehlende Schreibung *ttätye, die man zunächst erwartet, wird » wohl auch vorkommen. Lok. ttätäna und (lässig geschrieben) ttätena "etasmin*. Die entsprechenden Feminin-Formen des Singulars, soweit sie vom Maskulinuni abweichen, lauten natürlich: Akk. ttuto (7237) oder ttüb (13637) 'etäm*. 35 Instr.-Abl. ttätäne(-jsa) 'etayä*, wobei für den mittlem Vokal wieder e eintreten kann. Weitere Schreibungen ergeben sich aus dem Umstand, daß die einfache Form ttäne(-jsa) auch die Varianten ttine(-jsa), ttäni(-jsa) und ttini(-jsa) zuläßt. Vom Plural seien, da mir da einige Formen noch zu wenig gesichert sind, bloß die 40

Das Demonstrativ-Pronomen tla — daätatatä.

118

Nominative Mask.-Ntr. ttätä, Fem. ttäte oder tiätä und der allen drei Geschlechtern gemeinsame Gen. ttätänu

[883g] genannt (aus letzterm später ttyänu

H332).

Anstatt durch Doppelsetzung kann die an sich geringe Hinweiskraft unseres Pronomens auch durch Anhängung der Enklitika tä (ungenau te) = TOI 'dir' 5 gesteigert werden. Doch sind es nur die Nominative, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen: Sing. Mask.-Ntr. ^ä-tä (vä-tej 'dieser, dieses' 64 20 f., häufig nach Wegfall des t kontrahiert zu 90t [ph. ?ei\ oder si [ph. ^1], Fem. fa-tä (m-te) 'diese', häufig kontrahiert ¡cai, 10 Plur. Mask. ttä-tä (üä-te)

'diese',

Fem. tte-tä (tte-te) und ttä-tä (ttä-te)

'diese'.

Wie man sieht, fallen die vorstehenden Pluralformen annähernd zusammen mit den gleichbedeutenden Pluralen, die auf Doppelsetzung beruhen. Unser Demonstrativum kann schließlich drittens durch die Partikel u (IO819) ver15 stärkt werden.

Durch Kontraktion ergeben sich dabei (nach IO82U.) Formen

wie ttäruiu (aus °na + u), ttätü (aus °tä -+- u) usw. 2. tta 'so' vor einem Verbum (in Wendungen wie tta hvate 'so sprach', tta braßte 'so fragte', tta ¡yüstä

'so wurde gehört', ttai

hämätu

'evain asyäbhüt') (¡571.4.

107$,. 415. 624 usw. — Aus urar. *tä in aw. tä und skt. tä-dys 'so aussehend'. 20 tta-tta (verstärkende Wiederholung von 2. tta) 'so' (am Satzanfang). —

Ähnlich

pkt. kc-evatji, skt. ity-evam. ttarandara 'Körper'; Instr. ttararjidaräna häufig unterdrückt werden. trum 'gehen'.

7732. — Im Metrum muß der erste Vokal

Das Wort ist offenbar ein altes fra-Neutrum zu

Die Grundform wäre also *t(a)rantm.

25 ein Analogon zum indischen gätra

ttädätä Fem. 'Finsternis'; Vorformen: *tam(a)stäti 71i 6 f . aus *°dätyu)

in Bildung und Bedeutung

'Körper'. > *tätäti. — Akk. ttädetu (nach

11024-

ttl "dann' (Korrelat zu ei) 7 7 2» 23- 78, 6 . Verstärkungen: tti vä 'tadä vai' 8O37. 30

ttitä oder ttiyä; erstere Schreibung 781. 10717.18, letztere 102:*.:^. ttitä vä oder ttiyä m ; eretere Schreibung 10732. ttuäsä (aus urar. *ttwya

=

ved. tucchyä [Boehtlingk's Schreibung tiicchid

falsch] + ka) 'sünya' leer 17 2 ; Abstr. ttussättätä

ist

Fem. 'sünyatä' Leere 72«.

tram & ttram (aus *taram, cf. lat. tranx) Med. 'gehen, hinübergehen' 11824- Perf.-Part. 35 tranda oder ttranda 2. Plur. ttranda

102äo; Nom. Sing. Mask. trmjidä (cf. 122 2 ) 'er ging (hin)' 77.¿a:

sta 'ihr seid hinübergeschritten' II62. — Infinitiv trinde

10220-

träma oder tträma 'solch' 130io; Akk. Ntr. °mu als Adv.'so' 53.29®. 130n. — Vgl. 112Htsu 'cyu' gehen; tsuta (Nom. Sing. Mask.°ta) 7726! tsutänd (Fem. tsutätä) 122- H6iodasta Adj. 'geschickt' und dastatätä Fem. 'Kunstfertigkeit*, cf. dasta.

dasau — dri.

119

dasau oder dasö (aus *dasakam) 'zehn' 33ur.; Flexion 73uf. dasta (aw. zasta, ap. dasta, skt. hasta) 'Hand'; Akk. (Dual &) PI. dasta 140 5 dista näta 'hasta-präpta' = 'in die Hand erlangt' d. h. sicher Ähnlich wird im Iranischen der Lokativ von zasta resp. dasta mit den Verben da 'setzen* und kar 'machen' verbunden im Sinne von 'in die Hand d. h. in die Macht geben' = 'überantworten, ausliefern'. Nicht als Besitzergreiferin, sondern als Künstlerin erscheint die Hand im nordarischen ya-Adjektivum dasta [nach 723 aus *dastya, lautlich = ind. hdstya\: es bedeutet 'kunstfertig, geschickt, gewandt', und das zugehörige Abstraktum dastatätü gilt offensichtlich als Übersetzung des indischen fealä 'Kunstfertigkeit'. Ob nicht auch aw. zastavat avö zu übersetzen ist mit 'geschickte Hülfe'? data (mit aw. data aus *dhäta) 'dharma' Gesetz oder Lehre (Buddha's). Flexion 10934ff.; Gen. Plur. selten °tänu 'dhätünäm' 534. Zur Bedeutung und zur Ausnahme-Schreibung dhäta 5 2 . — mahäyäna data 'Mahäyäna-Lehre' 122 5. 134n. dätafta 'dharma', Synonym von data; Gen. Plur. Ausnahme-Form °hinu 89b = 93i6 (vgl. 5 33 f.), späte Formen "iiqnu 8826 = 92 39 und °nätß 943». dätana aus °tanya weist auf *dätan, die «-Erweiterung von data, zurück. dätlnä (aus *°naka) 'dharmya', zu data 'dharma' gehörendes Adjektivum in der Bedeutung 'Lehre-, Gesetzes-', also gebraucht wie entsprechende Adjektiva im Slavischen. Deklination usw. 109a\g. & 69e_8 [Beispiel dätinä cakra 'dharmacakra' Gesetzesrad]; vgl. auch 101 n—25- Gleichgebildete Adjektiva sind puniiiä & kädägäninä, von einem amata-Abstraktum armüvämatinä, von einem ttätä-Abstraktum hajvattetinä, von einem ¿/-Stamm mulysdina, von einem ä-Maskulinum sarvainä, von ö-Femininen basdainä und britainü, von einem äw-Stamm bisäninä, von einem «¿-Stamm hvandinä, — von einem in-Stamm jadinä. dätya (ph. dädia, aw. däitya) Adj. 'dharmya' ( = dätinä)-, Akk. Ntr. (nach 6030ff.) däti cakru (oder °kkru) 'dharma-cakram' 134g; Fem. Nom. Sing, dätya (Daktylus) An 192da [ved. di, cf.äyä] redupl. Med. dätte 'zeigt sich', 3. PI. dyäre. — däta 'gesehen' 13238. dijs Med.'dharay' behalten, 3. Sing, diysde & [Konjunktiv] dijsäte 12421—28; dijsäka AP. dädda (ein Trochäus) 'der dritte'; Gen. didye 87 1 . dlra ( = lat. dirus) Adj. 'akusala, päpa' unheilvoll, böse (von Werken gesagt) 33nff. duva und dva (ph. dua) N.-A. Dual 'zwei' (aus urar. dm); hü-d(u)va 'beide' 340fr. düaradirsä (für duavaredP, cf. 122i3ff.) 'zwei-über-dreißig*; Lok. in Av °dirsvä 73i». L duskara 'du?kara' schwierig 134i 3 ; Ntr. Nom. Sing. °ru 55i9, später °rä 782s[L] dufkadara 'schwieriger'. Genesis: °karatara> ph. °karadara> °kardara> °kadara. dri 'tri' drei. — Nom.-Akk. draya (meist trochäisch) und drai 6637f.; in beiden Wortformen häufig drr für dr 5627—57h. Im Sinne von ' d r e i m a l ' findet man drai jüna 5221 & 13634 f und drai tcira 787 [drr°\. — Instr.-Abl. dryau 10627ff.

120

draisu — nïvarana.

draisu 'trayodasa* dreizehn (zum -u cf. dvâsu)-, Lok. (nach 73ijir.) draisvo S 3 3 9 i . dvâsu und duvâsu (u aus tp [vgl. 123.-^.] oder aus ö wie 136 5 f .) 'dvâdasa' zwölf; Lok. nach 73i5c) dväsuvo S J 8s [korrekt wären drùssuro und dt'ö.wo]. — Später dmsin (lcasse & dväsi '1200' 60 3 i f . — Vgl. dum. L nnmas "verehren', namastä 'er verehrt' [nach 73-iif. aus *>iamasafi]\ trans. Perf.Part. namasätänd, wovon Nom. Sing. Mask. ruimasäte 'er verehrte' 107-M. — Dem Verbum liegt das Päli-Präsens ttamassati [aus skt. namasyati] zugrunde. ttaram (cf. tram) 'hinausgehen [ind. pra-vraj\ herauskommen'. — Perf.-Part. nyuäre pt>yäre(!) pväre; Konj. 3. Sing, in AP pyüdte (42 ¡¡) pyuäte pväte, in S M l « pyüväte, in S 3 4 3 5 jtyümte, 3. Plur. pyämnde S 3 4 3 3 und pvände 9917. ig. — pyü?t

»

:>

>

»

»

»

»

»

»

»

Akk.

»

»

» Plur.

» Nom.

» In

A P

» 30

(anaphorisches

Pronomen

6338ir. &

1 0 6 3 1 ff.):

+

i

(anaph. Pron.):

gyastä balysi

gyastänu gyastä balysä +

t

(anaph. P r o n . ) :

balysu

S 1 8 g . 9.

S 1 83.

gyastänu gyastä balysi

gyastänu gyastu balysu 107mí. mä$däna gyasta balysa S1 89. balysa

19g.

134fl.

balysa bissä

134&I.

bisi . . . balysa

6 1 4 0 f. ä l t e r e u n d j ü n g e r e F l e x i o n s f o r m e n :

Nom.-Akk.

gyasta balysa

9920-

Gen. l/alysänu 89k>= 9322- 97se.

»

> pharäkqnu balysänu 9914.

»

»

bissänu balysänu 9535. 99 5.

»

»

bissärp gyastänu balysä 993.

»

»

bissät71 gyastätfi balysärp 9 5 33 f.

Sing. Nom. gyastä ba'ysä

7819. 8228- 37.

»

»

+ í (anaph. Pron.): gyastä ba'ysi 801. 817.

»

»

gyasta-ba'ysä 824.19—22-

»

»

gyastänä gyastä ba'ysä 77 n. 20- 78j. 7913.

» 40

»

S184.

14013.

In V i y r und A p bloß jüngere Flexionsformen: 35

balysi

uyctstä balysä 10733 f.

Gen. balysänu 2123. S ' 8 i . 5.

nach Plur.

í

Vok. gyasta balysa S 1 83. 6- 7- 9-

» 25

+

Akk. gyastä ba'ysä 787.22- 8134. »

gyasta-ba'ysä

8O37.

4420.

S1

87.

basdä — bisän.

127

Sing. Instr.-Abl. gyasta-ba'ysäna 7834. 7919.37. 8128-40- 8215. » » » Dipatfikarä-gyasta-ba'yxäna 8210. > > » gyasta-ba'ysna 82-. > > gyastä-ba'ysäna 79^. » 5 ' • » gyastänä-gyastä-ba'ysäna 7825. :> Gen. iHparßkarä gyasta-ba'ysä 8128> :> gyastänä gyastä ba'ysä 78 4. •> Vok. gyasta ba'ysa 7937. > » midqna gyasta ba'ysa 78-25- 794. 8037—811. 8137 |mäd°], Flur. Gen. harbiiqnä gyastqnä ba'ysqnä 77$. 10 basdä (aus *bazdhyakä 10227) Fem. 'Schuld, Sünde'; Flexion: °dä °dö usw. 13539f. basdainä Adj. zu basdä wie dätinä zu data (cf. 119 ib*.); Nom. Sing, baidainai hatßbwi 'die Sünden-Menge' (dasselbe wie kädägäninai hatftbisä und das Gegenteil von jmninai hatftbisä) S 1 85. b. basaka [ = ind. vatsaka, vgl. 138.«] wörtlich [Jährling = ] 'Kälbchen', gebraucht f ü r 15 'Kind' E VI 94. — Während -k- gewöhnlich schwindet, ist es hier wie in puka = p(it)va und $8üka = $$uva erhalten geblieben. bäda 'Zeit' [Lok. S. beda 7114] 3328 ff.; nach ttädätä und rrä$(änd zu schließen, wird die Grundform *barftih-ta zunächst *bä(a ergeben haben. Zur Bedeutung cf. 13925 f. bäysa 'äsrama, vana* (Mönchen als Aufenthaltsort dienender) Park oder Wald, 20 Lok. nach 72« baia. Später wird das Wort mit Apostroph geschrieben (vgL 1065^7): Lok. bäm [i.e. Sd'sa] 6913 [ = 77 1 4 & 822b]Grundform urar. *baiha 'Außengebiet' zu ind. bahir 'draußen'. Von letzterem ist pkt. fmhira 'draußen befindlich' abgeleitet, während das bezügliche Sanskritwort bähya auf *bäha (das mit unserm bäysa identisch wäre) zurückzugehen scheint. 25 bi-rays (aus urar. vi-raz, cf. 133 a i f.) Med. 'sich erstrecken' 3. Sing, biraysde 13715; Perf.Part. biraxfa, Nora. Sing. Mask.-Ntr. °?tä '(der Name oder Ruhm) erstreckte sich* 107 ss; trans. bira$fänd, Nom. Sing. Mask. °$te 'er verbreitete (die Kunde)' E XXIV 122. bisän Mask. 'Zunge, Rede', Sing. Nom. bim E I X 36, Akk. bisä 961 f., Instr.-Abl. bi&ana Av 5 7 ; Adj. bisäninä 'väftmaya' (cf. dätinä) F 6 1 1 j . s» Grundform *vizhvän zu ind. jihvä und aw. hizvä. Die drei Worte ergeben eine urarische Vorform zvizhvd [idg. yviyhvd], deren Reduplikationssilbe sich teils zu z'i und teils zu vi vereinfachte und in der erstem Form überdies im Westen sich zu zi dissimilierte, woraus dann im Verlauf lautgesetzlich hi wurde. Neben zvizhvä besaß das Urarische auch die Akzent-Variante (z'vizhüa =) zvizhrf, die 35 im Westen und Süden — das nördliche Äquivalent fehlt annoch — den gleichen Veränderungen wie zvizhvä, außerdem aber im Süden einer Vokal-Assimilation und einer Bedeutungsisolierung unterlag (statt *jihü findet man juhü, das fast nur in der übertragenen Bedeutung 'Löffel' vorkommt). Das Ganze ordnet sich graphisch in folgender Weise: *o

bisan und bissa.

128

urar. zvtzhnà & zviz'hú

durch verschiedene Vereinfachung z'iz'hvä & ¿i/hü

vizhvä

durch Vokal-Assimilation ¿uz hu

durch Dissimilation zizhvä & zizhu

\ nordar. ph. *biza

»w. hizva & hizü

ind. jihvá &

juhú

Im Nordarischen liegt nun nicht eigentlich *biza vor, sondern die zugehörige /»-Erweiterung bizän (geschrieben bisän), die im Mittel- und Neupersischen in huzvän usw. einen Stützpunkt findet und im Übrigen sich genau so zum gotischen w-Stamm tuggön 'Zunge* stellt wie 53 B f. jadin zu managein usw. — Man beachte, daß wie bisän auch aw. hizü ein Maskulinum ist. Was noch den Sibilanten von bisän (ph. bizän) betrifft, so findet er seine Erklärung durch bissa 'visva' und ähnliche Worte. Es zeigt sich, daß v hinter den urarischen Konsonanten » z zh [idg. k y f ' 1 63 6ff.] im Norden schon frühzeitig zu y geworden ist, welches dann die genannten Laute entsprechend beeinflußt hat. Die Formel lautet: urar. sv & ¿[h]v > sy & ¿[h]y > sy & zy > s (geschr. ss) & i (geschr. s). Tenuis-Beispiele sind assa 'asva*, bissa 'visva', siita & ssiya "sveta", atä-ssättanu *ati-ävitna'; ein weiteres Media-Beispiel außer bisän kenne ich noch nicht — Vermutlich ist aber v erhalten geblieben, wenn es mit vollvokalischer Aussprache alternierte, also mindestens halbvokalischen Lautwert hatte. Es gilt demnach unsere obige Regel genau genommen nur für das zu rein konsonantischer Aussprache neigende r, und so wiederholt sich hier das Doppel-Verhalten, das wir beim ursprünglichen tv kennen gelernt haben (70i4_i«) und das uns auch beim ursprünglichen sv (woraus jenachdem hv oder Ich entstand) begegnet ist (7025f.).

Das

gleiche Doppel-Verhalten ferner bei de: 120-2 gegenüber 135-2» f. Schon im Jahre 1908 ließ mich die Stelle Av 5, in Verbindung mit Mahävyulpatti 91 für biiän die Bedeutung "väc* erraten. Aber die Etymologie des Wortes war erst zu finden, als endlich im Juni 1911 die Strophe EIX36 — das Kapitel EIX gehört zu den schwierigsten— so weit klar wurde, daß die G r u n d b e d e u t u n g von btiän (samt der Bedeutung von haytge) heraussprang.

bissa (ph. biso, cf. 128i3ir.) "visva' all, jeder; in Indien ist das Wort nach und nach gänzlich durch sarva verdrängt worden, während umgekehrt sarva bei den Nordariern völlig verschwunden ist. Meist Plur.: Nom.-Akk. Mask. biiiä [z. B. bissä gyasta 14013, dharma bissä 17>>, balysa bissä usw. 1 2 6 -2.-)- 33J. zuweilen die Schreibung bäsrn

1. bud — byana.

129

|53-j4j, Fem. korrekt bisse, wofür aber häufig die Maskulinum-Form bisiä eintritt; Instr.-Abl. bisyan öOnir.; Sing. Gen. Mask. und [95 3 ] Fem. biiye (ph. biiie). — bissäpirmättama 'der allererste' 6925fr. & 129j9; Adv. bissälsto 10523; bissu viril 13522f. bistä (nach 1027 fr. entweder aus *visatih 'vimsatih' oder aus *risati) *20' I3632. 1. bud 'budh' Med. erwachen, erkennen, 3. Sing, butte, 3. Plur. buväre & bväre 73j8 ir.; Part, busta & Infin. büke 10222, zum t 10229*.; Infin. 93«- 109 3 I. In

der

Sanskrit-Wendung

[anuttarärp] samyak-sambodhim

abhi-sam-budh

"zur

[höchsten] richtigen Vollerkenntnis erwachen' bleibt das Doppel-Präfix abhi-sam(im Tibetischen immer durch mnon-par rlogs-par wiedergegeben) im Nordarischen unübersetzt, ähnlich wie prati- 1249f.; ebenso wird sambodhim nicht anders als bodhim durch balysäMu (wörtlich 'Priesterschaft', vgl. 723) zum Ausdruck gebracht. Für [antUtarärfi] samyak ferner treten allerlei Umschreibungen e i n : 'die beste' — 'die beste richtige' — 'die allererste* (6925 «r.) usw. A u s A P und S 4 8 kommen hier folgende zwei Gruppen von Wendungen in B e t r a c h t : 1. [u] thatau-ra [sä]

hastama balysüstu butte 'und schnell erwacht er zur besten

Vollerkenntnis' 94^f. \°stä b°\. 95g. 96 3 f . 9735. 99 6 . A n den ersten beiden und letzten beiden Stellen für thatau-ra die Kürzung thyau-ra. Im Original hat vermutlich ksiprajß ca samyak-sambodhim abhisambudhyate gestanden. II. [u

thatau-ra]

bissä-mättama

balysüMu byehe 'und schnell erlangt er die by°\ 945. Das Original wird

allererste Vollerkenntnis' 932if. [°s'yataränu. Die zweimalige Schreibung pya für pä scheint anzudeuten, daß das « von pätar "Vater' [Nom. Sing, päte 6519] — also wohl überhaupt das als Tiefstufe von ä auftretende ä — nicht wie das sonstige den Laut- •"> wert i hat, sondern ein getrübtes •- unmittelbar zu

im letztern urar. sr- zunächst z u .st- und dann z u

L samvara'samvara' die A b w e h r (als Gelübde, cf.lll20ff.) 139ig. Beschrieben in E X I I I und in Siksäsamuccaya Ed. p. 1 1 1 5 — 1 5 ; vgl. auch Mahävyutpatti 245eo4 & 255g. L sainkh'ärama (aus skt. *satßgh'äräma)

'ein dem Mönchsorden gehörender P a r k '

379ff.: von einem verengerten Nebenstamme 7 In der Lok. Sing, xatfikherma E X X I V 32.

*mtp,khärma

a u s bildet sich nach

138

samkhilt — sarva.

xaijikhilt (zu iud. sdkft & singhäna) Med. 'sich beschmutzen', 3. Sing, (nach 12134 f.) satfikhiltte E X X V 227, später°khüte 954.e- it.; a-mtpkhüsta&°khäUsta 'unbeschmutzt'. L samkhyärama (i. e. °khy-är°) = °kh'är° 7033fr.; Lok. Sing, satßkhyerma 7039*. sad (aus urar. mid) 'scheinen', 3. Sing, saittä 'chadäyati (3414)' 55-2g. 3. PI. saindä ÖÖ25; Perf.-Part. sasta (55 17 ) 'geschienen' (Nom. Sing. Xtr. saxtu 'es schien') 11 samca resp. *.•-ú).

Unsere Textstücke aus Vajr enthalten folgende Formen: m i t /¡«IM-

Indikativ

mit

häm-

3. Sing, hamäfä 80 31

Konjunktiv

>

Potential

»

hamäti 80¿¡. 81 1«. 22

hämäiä 80 ¿h hämä 80 25. 81m, °me 80 34

Imperativ |Futurum] 2. Sing, hama 8219 Perfekt 3. Sing. Mask. liamyetä 77 26, °mye >¿¡ »

v Plur.

»

hamya 784

L hlna 'hlna' Adj. 'untergeordnet, (im Verhältnis zu Anderm) geringer', hlna Fem. 'senä' Heer 100 20; »iäst? hiñe jsa 'mit einem großen Heere', hü ( = ap. hauv 'jener'), nur in hü-d(H)va 'jene zwei' = 'beide' 119;t>. hüna (aus *suptui 3 8ff .) 'svapna' Traum (Lok. Sing, hüñá)

20- 140- -a\ in E

meist mit dem Nebensinn 'Unwirklichkeit, Schein' (Mahävyutp. 30 49 & 139 n) hüs (aus *supsi 927f.) 'schlafen'; 3. Sing, hüitä

12^.

hauta oder höta und hauva oder höva [0 für t nach 74«_i2j Fem. 'sakti, prabhäva' Fähigkeit, Kraft, Einfluß, Macht; wohl aus *säva-tä (vgl. 14122). In E meist hötu, seltener hauta, ausnahmsweise höva\ in A P bloß der Nom. Sing, hauva, und zwar innerhalb der Anfangs- und Schlußsätze der Anpreisungen. Diese Anfangs- und Schlußsätze, die alle nach dem Muster der ersten beiden (8822-25- 89 1 9 i r . 90i 3f .) zu interpretieren sind, lauten wie folgt: zu I. §ä vä padauysye prajfläpäramitä-nayä hlvya hauva puñlnai hamblsä u bujsä. $ä padauysye prajñaparamitá-naya hlvya hauva 11 buljsä bvaña. zu II. §ä vä sye prajfiäpäramitä-nayä hlvl puñlnai haipblsa hauva u bujsä. [Bei der Wiederholung:

°mittä-n° . . . °nai hamb 0 . . .].

§ä ttye prajñaparamittä-nayä hlvya hauva u bujsä bvaña. zu IH. §a vä didye prajnäpäramitä-nayä hlvl puñlnai harpblsä hauva u bujsä. §ä ttye didye prajftäpäramitä-nayä hlvya hauva u bujsä bvaña.

143

hauta usw. — hvana.

zu IV. §ä vä tcüramye präjnäpäramitä-nayä hlvl punlnai haipblsä hauva u buljsä. sä vä tcüramä prajnäpäramitä-nayä hlvya hauva u byjsä bväna. zu V & VI. sä vä pühve u k?emye prajnäpäramitä-nayä hlvl punlnai haipblsä hauva u bujsä. Sä pühye u ksemye präjnäpäramitä-nayä hlvya hauva u bujsä bväna. zu V I I — X I I I . sä vä haudamye nayä yäva

*

prajftäpäramitä-nayä hlvl

punlnai hamblsä hauva u bijjsä. sä haudamye audä yäva

prajnäpäramitä-nayä hauva

u byjsä bväna. zu X I V & X V . §ä vä tcahaulasamye u pamjsüsamye prajnäpäramitä-nayä ödä k^a- 10 samye prajnäpäramitä-nayä hlvl punlnai haipblsä hauva u bujsä. hauda und (137-,) höda 'sapta' sieben. — haudama und ( E X I 1 8 ) hödama 'saptama' der siebente: Gen. haudamye (ph. °mie) 87 1 . haura und höra 'däna' Geben, Gabe, Freigebigkeit; Sing. Nom. höri 624fr.. Gen. höri 134,4; Instr.-Abl. (nach 615«.) haurna F 61115:

15

¡manu abyatpga-wbrutemäte ysnänä prahaunä haurna 'durch Schenken von Salbe-Einreibung (sowie) von Bad (und) Kleid an die Ehrwürdigen' =

indem er dem Lehrer und den Eltern (die Glieder) mit Salbe einrieb und ihnen Bad und Kleidung [statt 'Kleidung* stand im Sanskrit-Original nach 20 ] 258tr. wahrscheinlich 'Haut-Einfettung'] besorgte. Vorläufiges über die vorstehend übersetzte Textstelle -f0831-34-

hvanä [aus *xvanyaka\ Part. Fut. Pass. 'vaktavya' zu nennen, Nom. Sing. Mask. °nai 8O2* 3i- 8119. £>. — Das Neutrum unter hvanä. hixtn [lautlich = ind. svan 'tönen'] 'sprechen'. — Perf.-Part. pass. hvata 'gesprochen' 20 Gen. Sing, liratye (ph. hvadie), später hvaye, 14335«.]; trans. hvatänd, Nom. Sing. Mask. hrntr 'er sprach' (zwei- und dreimorig, in letzterm Fall ph. huade) 624. 19i5f. 65 4 . 118,7. — Infin. hnyc 102 24 . — Vgl. hvän. Im Sinne von hvate begegnet auch hve (im Metrum zweimorig E l l 7 1 ) 7822- 79,680,. 37. 817. 34. 824. Diese kürzere Wortform dürfte durch Kontraktion aus hvate so entstanden, also im Metrum hve zu lesen sein; sollte ein singulärer Aorist ohne Augment (Grundform *.wänt) vorliegen, so ergäbe sich nach 11630—32 im Metrum die Aussprache hue. hvanä |aus *xva>mka zu ind. svana & lat. somms] 'Gesprochenes, Darlegung'. Gen.Lok. absol. (mit auffallender Wortstellung) ttäfäye hvatye hvanai 'etasminn ukte 35 väkye' als diese Darlegung dargelegt war S 2 1 9 i . Die gleiche Wendung mit ttye 'tasmin' statt ttätäye 'etasmin' lautet später ttye hvaye hvanai 8I34&824. Dafür ttye hvaye hvanai 79, 3 , wo, wenn der Palatal Vertrauen verdient, als Synonym von hvam ein Neutrum hvanä 'Darlegung* vorliegt, das sich zum Partizipium hvanä verhielte wie im Indischen vakya zu väcya-, der Palatal ist indessen namentlich 40

144

hvand(a) — hvaramcaini.

deswegen unsicher, weil er innerhalb des späten Textes, der ihn bietet, nur beim erstmaligen Vorkommen der Wendung, also an einer der Verderbnis am meisten ausgesetzten Stelle erscheint. {rvjnd(a) 'Mann, Mensch'; Sing. Nom. hvg [ph. hur] & 102;;-,, auch Imve, Akk. hvandti, Instr.-Abl. ¡mindäna, Gen. hvandä & (cf. 48joir.) °däye, Plur. Nom.-Akk. hvgndä, Instr.-Abl. ¡tvandyau, Gen. hwjndänu, Lok. hvgnduvo & °duvo. — Statt ä wird natürlich oft i geschrieben (daher Gen. hvandi 102^), statt nd sehr häufig ffid oder ijind\ auch fehlt nicht selten der Apostroph, im Metrum ist das v von hve stets, das von hvuncP nirgends Silbe-bildend: selbst in E XVII 44'' wo die Schreibung huvanindi begegnet ist hvandi zu lesen: drvau dharmyau jsa Jainbviviva huvanindi ph. driäu dharmäu ja Jambu(d)iriya hvandi 'tribhir dharmair Jämbudvlpakä manusyäh'. Da sonach auf den Worteingang hvand- im Metrum immer bloß z w e i Moren entfallen, v hier also durchgehends k o n s o n a n t i s c h ist, so könnte man versucht sein, den im Metrum gleichfalls stets zweimorigen Nominativ Singularis phonetisch eher durch hve als durch hm wiederzugeben. Eine Stütze hiefür scheint der Umstand zu liefern, daß rrund 'König' — wozu ein Adjektivuni rrviya 'königlich' gehört, genau wie neben {wand das Adjektivum hviyit 'menschlich' steht — den Nominativ Singularis vre bildet Allein wir finden eben doch außer der Schreibung hve ab und zu die Schreibung huve, und der Apostroph unseres Wortes läßt in Verbindung mit der nordarisch-sanskritisch-lateinischeu ßetonuugsregel, die den Akzent nach Möglichkeit dem Wortanfang zuschiebt auf eine vorliterarische Flexion *hii?e *hu?ändu *huzändäntt usw. schließen. Es wird also eine Wirkung des A k z e n t e s sein, wenn nur im Nominativ Singularis das ursprüngliche n sich bis in die literarische Zeit hinein vokalisch erhalten hat. Daß das e von live kurz war, darf man auch aus entnehmen. In vre dagegen ist offenbar ein Vokal mit dem hier gleichfalls zu erwartenden -e zu -e kontrahiert: das Wort scheint infolge einer argen Kürzung aus urar. roivänt 'der Reiche' hervorgegangen zu sein. h ^ n d l n ä , Adj. zu ¡imnd(a),

'Menschen-' (vgl. llO^ur.) E X X I I I 1 9 1 .

hvar ( = aw. / " a r ) 'essen', 3. Sing, hvidä [Vorgeschichte: *hvarati > *hvaradi > *hvardi > *hvlrdi] E II 26, 3. Plur. hvarindä E IV 59. V 33 [°ndi], hvararpclni Fem. 'die rechte Seite', Abstraktum zum Adjektivum hvarandä. Der singularische Lokativ Maskulini und der Femininstamm dieses Adjektivums dürften nach 101 f. *hvaratjica gelautet haben, und vermutlich ist von dieser Form aus unser Abstraktum entstanden. Warum aber nicht eher hvarandä selber als Ausgangsform gedient hat, bleibt unklar. — Instr. hvaratficinä 'auf der rechten Seite' d. h. 'nach rechts' = 'in günstiger Weise' 95 41. hvaramcaini Fem. Nebenform von "cmi, gebildet nach dem Muster von Doppel-

145

hvarandä — hviya. formen =

wie

'nach

hvarandä

brritina

rechts'

und

biitainä.

(umwandeln

[ a u s *suw-ant »gebe die Güter aus meiner Hand in ihre aller dreier Hände". Hieraus folgt, in der Wendung „die Güter sollen bei dem Stamm und Namen bleiben" sind die Worte „Stamm und Namen" nicht als eine rechtliche Einheit, sondern als eine natürliche, als eine genealogische Gemeinschaft zu verstehen. Die Wendung will besagen: die Güter sollen derselben Blutsgemeinschaft, derselben Abstammungsgemeinschaft, derselben Familie im natürlichen Sinne, denen, die von dem Begründer des Geschlechtes abstammen und seinen Namen führen, also den Agnaten erhalten bleiben. Das ergibt auch der Zusammenhang, in dem die Worte in den Hausgesetzen stehen. Sie finden sich in deren begründendem Teile. Sie geben den Zweck, das Motto der Ordnung und Satzimg an. Die Gesetze bestimmen, daß die Erbfolge der Töchter ausgeschlossen, oder: daß auch die Seitenverwandten des Mannesstammes nachfolgeberechtigt, oder: daß die Güter unverteilbar und nur mit Zustimmung des Agnaten veräußerlich sein sollen, und als Grund wird angegeben, damit die Güter bei dem Namen und Stamm bleiben, damit der Mannsstamm erhalten bleibe. In der Erbverbrüderung der Truchsessen von W a l d b u r g von 1461, in Lünigs Reichsarchiv XI S. 342, heißt es: „damit die Güter an und bei dem ') Bei B es e ler, System des gemeinen deutschen Privatrechts, 4. Aufl. 1885. Bd. 2, § 177 S. 799.



9

-

Namen und Stamm der Truchsessen von Waldburg bleiben"; ebenso aber: „damit unser Namen und Stamm desto baß bleibe und desto minder abg i n g e o d e r : „damit ihr Stamm und Name des Geschlechtes der TruchBessen desto baß bei Ehr und Würden bleibe". Die Wendungen sind somit gleichbedeutend. Um das Haus bei Ansehen zu erhalten, um die Güter beim Hause zu erhalten, wird vereinbart, daß ein Stamm den anderen beerben, also Seitenerbenfolge gelten soll. Wie schon der Zusatz „und Namen" und der Ausdruck „Stamm und Namen des Geschlechtes" zeigen, will damit gesagt sein, um diese Blutsgemeinschaft, diese Sippe nicht untergehen zu lassen, wird das und das bestimmt. Jeder Gedanke, jede Vorstellung, damit zugleich auszudrücken, der Mannsstamm, die Gesamtheit der Agnaten bilden eine rechtliche Einheit, fehlt. Sonst könnte nicht jeder der Verbrüderung beitretende, die Erbeinigung abschließende Graf die Hausgüter, die er besitzt, „seine" Güter, sie seien „Aigen oder Lehen", nennen. In keinem Hausgesetze findet sich ein Ausdruck, aus dem sich ableiten ließe, die regierenden Herren hätten die Vorstellung, ihnen rechtlich fremde Güter, fremde Lande und Leute, Güter und Herrschaften, die nicht ihnen sondern dem Hause gehören, zu verwalten und zu regieren. Der hessische Erbvertrag von 1568 fährt an der angeführten Stelle fort: jeder der Grafen wolle des anderen nachgelassene Söhne treulich behelfen, „daß sie alle ihre anererbten Land und Leute behalten" und im Hauptteile wird gesagt und verordnet, daß, „wenn unsrer vier Brüder einer ohne Erben abgienge, alsdann die übrigen drei in seinen zugeteilten Landen und Leuten sukzedieren sollten". Auch in der nassauischen Erbeinigung von 1491 — abgedruckt bei Lünig Spicilegium saeculare I 645 — bezeichnet jeder regierende Graf die Graf- und Herrschaften, die er hat, als eigene, als seine. Beselers und Gierkes Gedankengang setzt sich so fort: nach diesen Hausgesetzen hat das Haus Eigentum an den Familiengütern; also ist das Haus Rechtssubjekt und daher auch Träger der Autonomie. Allein in keinem der Hausgesetze geben sich die die Einigungen, Satzungen und Ordnungen abschließenden Grafen als Vertreter des Hauses. Nirgends Bagen sie, daß sie im Namen des Geschlechtes handeln, sondern die stehende Formel ist: „Wir bekennen und tun kund, vereinigen, verordnen usw. für uns, unsere Nachkommen, Erben und Erbnehmer". Nicht für das Haus, sondern für sich und seine Nachfolger gibt Jeder seine Erklärung ab. Sie setzen und ordnen daher nur zusammen, gemeinschaftlich, nicht einheitlich. 3. Keinen Grund gegen die Annahme einer Rechtspersönlichkeit der hochadeligen Familie bildet, daß die Hausgesetze lediglich lauten: die Güter sollen beim Stamm und Namen bleiben, der Stamm und Namen

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soll erhalten werden, also nur des Mannsstammes gedenken. Denn daraus würde, wenn das Haus Korporation wäre, nur folgen, daß Mitglieder der Korporation eben bloß die Agnaten sind, die Korporation damals nur aus den Schwertmagen bestand. Der Rechtspersönlichkeitsgedanke selbst wäre dadurch nicht erschüttert. Dagegen ist es noch ein anderer Grund, der gegen ihn spricht. Daß die hochadeligen Geschlechter in jenen Jahrhunderten Autonomie erwarben, ist deshalb kein Beweis für die Rechtssubjektivität der hochadeligen Familien, weil die Autonomie nicht nur für alle Agnaten zusammen, sondern für jeden Agnaten entstand. Jeder Agnat des Hauses konnte für sich und seine Linie zur Erhaltung von Ansehen und Macht des Geschlechtes dauernde Satzungen erlassen. „Wie das Haupt des Hauses mit Zustimmung sämtlicher Agnaten bindende Rechtsnormen für alle Mitglieder des Hauses erlassen konnte, so auch jeder Agnat für die von ihm stammende Linie unter Zustimmung der von ihm stammenden Agnaten", formuliert Edg. L ö n i n g in der erwähnten Denkschrift S. 36, 34, 37 das Prinzip. Und auch das Reichsgericht (RZ. 26, 155) schreibt: „Das Recht der Autonomie stand der Gesamtfamilie und jeder einzelnen Linie des reichsständischen Hauses zu". Dies folgt daraus, daß in der Praxis kein Zweifel darüber bestand, ein Hausgesetz könne für eine Linie auch ohne Zustimmung der anderen Linien rechtsgültig zustande kommen; die Zustimmung sämtlicher Agnaten sei nicht erforderlich, aber diese anderen Agnaten würden auch nicht durch ein solches Liniengesetz gebunden '). In jedem Hause mit mehreren Linien begegnen solche Sondergesetze. Die Primogenitur z. B. ist in den meisten Häusern linienweise eingeführt. Die eine Linie geht vor; andere folgen, manchmal erst Jahrzehnte oder Jahrhunderte nachher. Meist findet sich in dem Eingange, daß durch die Satzung anderen Agnaten kein Nachteil, kein Präjudiz geschaffen werden solle. Ein Beispiel: Das Haus W a l d b u r g besteht seit langem aus mehreren Linien. Im Jahre 1686 erließ Graf Johann Christoph der Linie Zeil-Zeil (heute ZeilTrauchburg) für sein Haus, dessen einziger Agnat er war, noch, ehe ihm Kinder geboren waren, eine Primogeniturordnung. Das erste, was er in ihr bestimmt, ist: „Zuvorderst bedinge und erkläre ich, daß ich mit gegenwärtiger Disposition meinen Herrn Agnaten samt und sonders Maß zu geben, Präjudiz oder Konsequenz zu machen im wenigsten nicht gedenke, sondern einzig und allein die von mir nach Gottes Gefallen zu hoffen habende abstammende Posterität hiermit vinkuliert und verbunden haben will". Somit steht fest: von Anfang an konnten nicht nur alle Agnaten zusammen, die ganze Familie, sondern auch jeder Agnat für sich und seine ') L ö n i n g S. 36 Anm. 2.

— 11 — Linie autonomische Satzungen erlassen. Daraus aber folgt: wenn die Juristen sagen: Das jus statuendi stehe dem Hause zu, so meinen sie: den Hausangehörigen, allen und den einzelnen. Haus ist also ein Sammelbegriff. Es bedeutet nicht: nur dem Hause als Ganzem, als Einheit, sondern allen, mehreren und einzelnen Blutsverwandten. Edgar L ö n i n g ist im Rechte, wenn er ausführt: „Daraus, daß in älterer wie in neuerer Zeit das jus statuta condendi dem „Hause" zugeschrieben ward, darf nicht gefolgert werden, daß das Recht der Autonomie des hohen Adels auf eine Korporationsnatur des Hauses gegründet wurde. Es wird damit nur zum Ausdruck gebracht, daß diese statutarischen Normen nicht nur wie ein privatrechtlicher Vertrag nach gemeinem Recht für die Vertragschließenden und ihre Rechtsnachfolger verbindlich sind, sondern daß sie als Rechtsnormen für alle Glieder des Hauses oder der einzelnen Linie (das will sagen: auch für die Kognaten) Geltung haben. In diesem Sinne sagt H. H e r s e m e i e r de Pactis gentilitiis familiarum illustrium 1788 S. 29: tribuitur hoc jus familiae illustri et nobili tanquam persona moralis in republica consideratae, quin ipsa illa hoc respectu rempublicam quandam minorem repraesentat". Die Bezeichnung der erlauchten Familie als universitas, corpus ist deshalb nur ein Vergleich; sie ist der juristischen Person ähnlich, weil sie eine abgeschlossene Gemeinschaft darstellt. Die Autonomie der hochadeligen Familie ist ohne das Mittel der juristischen Person entstanden. Sie ist nicht aus der Korporationsnatur dieser Familie erwachsen. Die Satzungsgewalt stand von Anbeginn an auch den einzelnen Agnaten zu. Daher bedeutet Haus nur Agnatengemeinschaft in diesem Zusammenhange. § 5. Die Hausgesetze des 17. und IS. Jahrhunderts. Wir wollen nun aber den Fall setzen, Beseler und Gierke hätten recht; das hochadelige Haus sei seit der zweiten Hälfte des Mittelalters eine Korporation, der als solcher das Recht der Autonomie zukomme; die Juristen des 16. Jahrhunderts hätten den Satz, das Haus besitze das jus statuendi, in dem Sinne gemeint, es stehe ihm nur als solchem, d. h. als rechtlicher Einheit zu. Dann ließe sich annehmen, die Häuser hätten sich vom 17. Jahrhundert an dieser Lehre angeschlossen. Vorher sei ihnen ihre Korporationsnatur nicht zu Bewußtsein gekommen; in den Hausgesetzen des 14., 15., 16. Jahrhunderts stehen sie noch auf dem Gesamthandsprinzip; mit dem 17. Jahrhundert seien sie, den Juristen folgend, zum Korporationsgedanken übergegangen. Dies würde im Endergebnis mit der herrschenden Lehre übereinstimmen. Diese schildert die Entwicklung vom 17. Jahrhunderte an so: Die Ausge-



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staltung der hochadeligen Familien zu wahren rechtlichen Einheiten, denen Autonomie zusteht, „ist schon vor der Rezeption des römischen Rechts — also sagen wir etwa vor 1550—1600 — in seinen Grundlagen gesichert und daher von einem Einflüsse des fremden Rechts, das die Familie als juristische Einheit nicht kannte, im wesentlichen wenigstens in der Praxis unberührt geblieben"1)Es müßte also jetzt die Korporationsnatur der hochadeligen Familie hervortreten in den Hausgesetzen. Und G i e r k e 1 ) behauptet auch im Anschluß an Beseler: „Seit dem 17. Jahrhundert wird (nicht mehr der Stamm und Name, sondern) häufig das „Haus" oder das „gesamte Haus" als das in letzter Instanz (am Hausgut) berechtigte Subjekt genannt". Ziehen wir die Hausgesetze zu Rat, so ist richtig, daß jetzt das Wort „Haus" erscheint neben „Stamm und Namen". In der hessen-darmstädtischen Erbeinigung von 1606 heißt es: „Auch (durch Teilungen) die H ä u s e r und Geschlechter sowohl an ihrer Reputation, auch an dem Vermögen sehr geschwächt werden" s ). Die Füratenberger Erbeinigung von 1576 gebraucht Stamm und Familie neben einander. Zuerst lesen wir dort, die Satzung sei vereinbart „unser, unserer Erben, Erbens Erben und Nachkommen, unsers Namens und Stammens haab und gueter halben, Lehens und Aigens". Und dann wird u. A. bestimmt, damit die Güter „bei den Agnaten und Familien" unversehrt erhalten bleiben und unser „Stamm und Familion" dadurch in gutem Wesen bleiben möge, von den Gütern solle, solange „unser Agnation, Nam und Stamm" währet, nichts „außer der Familie unsere Namens und Stammens" veräußert werden*). Allein rechtlich hat sich an dem bisherigen Zustande nichts geändert. Die Gründe sind die nämlichen. 1. Auch in der neuen Periode herrscht die Vorstellung fort, die Lehen werden nicht von der Familie als einem rechtlichen Ganzen, sondern von den einzelnen Agnaten zu gesamter Hand besessen. Daraus aber folgt: auch die Autonomie üben die Agnaten im eigenen Namen gemeinschaftlich, nicht im Namen des Hauses einheitlich aus. Das Geaamthandsprinzip tritt in den Familienverträgen dieser Periode sogar noch schärfer hervor. Wir stellen z. B. die Hohenloher Erbeinigungen von 1511 und 1609 einander gegenüber. Die eine ist abgedruckt bei4) Lünig Teutsches Reichs') So R o s i n in Jherings Jahrb. 88, 338. ') Bei Grünhut 5, 569. ») B e s e l e r , Deutsches Privatrecht 4. Aufl. § 177 S. 802. ') Hausgesetze des fttrstl. und landgräfl. Hauses Fürstenberg. Gedruckt bei Heinrich Laupp in Tübingen 1870 S. 7. *) Ebenso bei H a n s e l m a n n , Diplomatischer Beweis, daß dem Hause Hohenlohe schon lange Landeshoheit zustand Bd. 1 (1751) S. 535.

— 13 — archiv Spicilegium seculare II 1819. Die andere findet sich wiedergegeben in Friedrich Carl Mosers Diplomatischen und historischen Belustigungen Bd. 1 (1753) S. 54ff. In der ersten Erbeinigung lesen wir, daß eine Reihe von Angelegenheiten die „Gemeinschaft" betreffen. Sie sind zusammengefaßt in folgendem Satze: wer die Bestimmungen der Erbeinigungen übertrete, solle durch die anderen Grafen von Hohenlohe ausgetrieben werden von allen Hohenloher Lehen, Geleiten, Bergwerken, Minen, den gemeinen Kleinoden, dem gemeinsamen Hausarchiv „und sonst allem, das die Gemeinschaft betrifft". Im Einzelnen heißt es dann z. B. über die gemeinsame Sache des Münzrechtes: „Kein Graf von Hohenlohe soll für sich allein Münz schlagen, sondern alle regierenden Grafen sollen sambhafftig (also gemeinschaftlich) münzen". Dem gemeinsamen Besitze steht dann der Sonderbesitz gegenüber. So heißt es gleich in Nr. 2: Keiner unter uns soll dem anderen sein Leib, Leut, Gut oder Verwandten oder „das demselben zustehet" antasten oder beschädigen. In der anderen Erbeinigung bildet es wohl auch die Regel, daß jeder der Vertragsteile, was nicht gemeinsam sein und verwaltet werden soll, als sein Land und Leute, als seine Graf- und Herrschaften bezeichnet. So heißt es z. B.: Kein Graf von Hohenlohe soll seine Graf- und Herrschaften, Hab und Güter, Land und Leute in einen höheren Standes Schutz geben; denn daraus könne eine Subjektion erzwungen oder der Grafen von Hohenlohe Reputation und unmittelbarer Reichsstand geschwächt oder geschmälert werden. Allein es kommt in diesem Hausgesetze auch einmal vor, daß der Allodialbesitz des Hauses als „dem Hause eigentümlich und pleno jure zuständig" bezeichnet wird. Trotzdem wäre es falsch daraus zu schließen, damit wolle gesagt sein: er gehöre dem Hause als solchem. Die Wendung bedeutet nur: den Hausangehörigen als gebundener Besitz, zur Erhaltung für die vom Stifter des Hauses abstammenden gehörig. Die Wendung steht in folgendem Zusammenhange'). Die Erbeinigung gebietet u. A.: „von den eigentümlichen Erbeinigungsgütern nichts lehnbar zu machen". Dies wird näher mit nachstehenden Worten bestimmt: „Unser Keiner, auch keiner unser Erben soll zu ewigen Zeiten Fug, Macht oder Gewalt haben, einiges Gut, so dieser Erbeinigung unterworfen „und unserm Gräfl. Hauß Aigenthumblich und pleno jure zuständig mit Begebung und Veraeußerung directi dominii" lehnbar zu machen und zu Lehen aufzutragen ohne der anderen (Grafen) einhelligen Konsens". Aus der Stelle auf ein Eigentum an diesen Gütern und dazu wieder auf eine juristische Persönlichkeit des Hauses zu schließen, geht nicht an. ») Bei F. C. Moser S. 93.



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Die genannten Güter werden in der Urkunde sonst immer als Güter .der Grafen" verzeichnet. Der Vertrag teilt die ihm unterworfenen Güter, die Erbeinigungsgüter, ein in Lehens- und Eigen-, in gemeine und sonderliche Güter (S. 69 a. a. 0.). Gemeine Güter heißen die Güter, die auf gemeinsame Kosten der regierenden Herren verwaltet werden und deren Erträge unter sie verteilt werden. Der Wildbann z. B. soll mit gemeinem Zutun erhalten werden; die Wildfuhr zu Hermersberg soll den Grafen und ihren Erben jederzeit gemein verbleiben (S. 50). Sonderliche Güter sind somit die Güter, die jeder Graf in der Urkunde sonst als seine Graf- und Herrschaften, Hab und Güter (S. 37) benennt. Besonders aber ftlllt ins Gewicht: wären die allodialen Hausgüter als Eigentum des Hauses als solchen und nicht der jeweils vorhandenen Agnaten insgesamt anzusehen, so müßte das Gleiche für die Lehensgüter des Hauses gelten. Dem stehen aber klare und deutliche Bestimmungen des Vertrages entgegen. Unterschieden werden Lehen, die das Haus von anderen Fürsten, und Lehen, die es vom Reiche hat. Für die ersteren ist bestimmt: Die kurfürstlichen und fürstlichen Lehen, die zum Hausgute gehören, soll der, der sie in Posseß hat, für sich und alle Agnaten empfangen. Um die Reichslehen soll bei der Lehensemeuerung nicht der Graf muten, der sie in Besitz hat, also sonderlich besitzt, sondern es soll sie jedesmal vom Lehensherrn empfangen der Familiensenior, d. h. der an Jahren älteste regierende Graf. Die Vereinbarungen lauten in der Hinsicht wörtlich: Soviel die Lehenempfängnis betrifft, so verordnen wir, daß die Reichslehen und Regalien, so oft sie zu Fällen (Herrenfall, Mannfall) kommen, „durch den Aeltisten Grafen von Hohenloe von jederzeit regierendem Röm. Kayser im Nahmen aller agnaten" empfahen werden. Belangend aber die übrigen Lehen, so von anderen Chur- und Fürsten zu Lehen rühren, soll derjenige, welcher solche Lehengüter in Händen und Besitzung hat, dieselben „vor sich und als Lehenträger aller Grafen von Hohenloe, so jederzeit im Leben seyn werden, zue gesampter H a n d t empfangen" (S. 53). Wegen der Unkosten, welche die Lehenserneuerung mit sich bringt, ist vereinbart (S. 56): die Unkosten aus Empfahung der Reichslehen haben „die Mitinteressierten insgemein darzulegen; der Aelteste soll damit nicht allein belegt sein"; was die übrigen Lehenschaften belangt, so soll der Besitzer und Inhaber solcher Lehensstücke die Unkosten allein tragen, „obwohl sie im gemeinen Namen aller Agnaten zu suchen sind". Auch bei den Hoheitsrechten, die gemeinsam ausgeübt werden, heißt es nie: sie werden im Namen des Hauses ausgeübt, sondern die Wendungen sind: wir wollen, daß das hohe Heer- oder Feldgeleit in der ganzen Grafschaft gemein verbleiben und dergestalt mit gemeinem Zuthun und

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Kosten soll geführt werden, daß, wo sich Heer- oder Durchzüg begeben, sich alle Grafen von Hohenloe insgemein mit e i n a n d e r vergleichen sollen, wie stark solches Kriegs- oder Feldgeleit durch sie s a m p t l i c h e n möge geführet werden. Heer oder Feldgeleit soll also „im gemeinen Namen und Zutun aller Grafen" bestellt werden (S. 57). Was das Bergregal anlangt, so sollen „alle regierenden Grafen zu g e m e i n e m Gebrauch, Kosten und auch des Nutzes" zugelassen werden (S. 58). Aus dem allen erhellt: „dem Hause eigentümlich zuständig" bedeutet nur, Angehörigen des Geschlechtes zu Nutz und Frommen des Mannsstammes gehörig, Agnaten des Hauses in gebundener Weise gehörig. Bestätigt wird dies durch die wichtigste Bestimmung des Vertrages, durch die, um derentwillen er Erbeinigung heißt. Sie lautet: Wir setzen und ordnen aus vernünftigen Ursachen, sonderlich aber um unser uraltes gräfliches Geschlecht und Haus in größeren Wohlstand zu bringen und zu erhalten, daß die in diese Erbeinigung eingezogenen Güter „zu nutz und Wohlfahrt unsers Gräfl. geschlechts, Mannlichen Stammens und Nahmens perpetuo universali fidei commisso a f f i c i r t und begriffen sein und bleiben, dergestalt da einer von uns, unsern Erben und Nachkommen mit todt Abgehen würde, daß uff solchen fall alle dessen Erbainigungs gueter Jedenmahls uff die nechste Mannlichen welltlichen Stammens fallen, wie solches die proximitas und successio graduum nach der sippschafft und bluet verwandtnus mit sich bringt" (S. 71). Die Erbeinigungsgüter sind hiernach zur Wohlfahrt des gräflichen Mannsstammes oder Hauses mit ewigem Universalfideikommiß belastet, aber wem sie gehören sonderlich oder gemein, das sind die einzelnen Grafen. Jeder Graf hat „der Erbeinigung unterworfen, was er besitzt und innehat an Eigentum oder Lehen" (S. 65) und jeder belegt nun seine Erbschaft mit einem dauernden Universalvermächtnis zugunsten des Mannsstammes. Jeder vermacht seine Erbschaft dem Mannsstamme. Beseler verweist zum Beweise dafür, daß die hochadelige Familie nicht nur als Inbegriff der einzelnen Blutsverwandten, sondern als die eigentliche Trägerin der gemeinsamen Interessen, daher als Rechtssubjekt aufgefaßt wurde, in seinem System des Deutschen Privatrechts 4. Aufl. 1885 Bd. 2 § 177 S. 802 besonders auf ein Testament Ferdinands II. von Österreich 1611 und einen Schwarzburger Sukzessionsvertrag von 1713. In dem Testamente heißt es: „Je mehr und höher an der Zusammenhaltung unseres löblichen Hauses und d e s s e n von Gott verliehenen mächtigen Landen der ganzen weiten Christenheit gelegen ist". Und in dem Vertrage steht: „Daferne unserem fürstlichen Hause etwas von Land und Leuten oder deren Aequivalent zuwachsen würde". Allein wenn daraus, daß Vermögen und Gut als Vermögen des Hauses, als dem Hause ge-



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höriges Vermögen, als Hausvermögen bezeichnet wird, allein schon folgen würde, daß das Haus Rechtspersönlichkeit besitzt, dann müßte jede Familie, also auch die ritterschaftliche und die bürgerliche, Rechtssubjekt sein. Denn da spricht man zur Abkürzung des Gedankengangs auch von Familienvermögen, davon, daß die Familie Vermögen besitzt, reich, wohlhabend ist. Von dem fideicommissum, quod familiae relinquitur, des rezipierten römischen Rechtes konnte für jede Familie Gebrauch gemacht werden; zugunsten jeder Familie konnte jemand seine Erbschaft vermachen. Also wäre aus jedem fideicommissum familiae relictum zu schließen, daß die betreffende Familie Rechtspersönlichkeit ist. Abgesehen davon ergibt der Zusammenhang, in dem die Beselerschen Stellen stehen, wie schon Mejer in Grünhuts Zeitschrift Bd. V S. 248 hervorhob, daß unter „Haus" lediglich die Familienglieder, unter „Güter des Hauses" nicht Güter einer juristischen Person, sondern die den verschiedenen Gliedern der Familie gehörenden verschiedenen Vermögensmassen verstanden werden, gerade so wie es in der näher besprochenen Hohenloher Erbeinigung von 1609 der Fall ist. Wie immer aber auch die Familie in ihrer Beziehung zum Hausgute aufzufassen ist, jedenfalls gilt bei der Autonomie auch für das 17. Jahrhundert, daß ihre Träger die einzelnen Agnaten für sich oder zusammen sind. Bei Abschluß der Erbeinigungen handelt keiner der Grafen für sein Haus oder im Namen des Hauses, sondern „für sich, seine Nachkommen Erben und Erbnehmen" (Hohenloher Erbeinigung von 1609 S. 39, 37, 46). Die Hohenloher Grafen sagen, die Erbeinigung berührt „unser Persohn, Graf- und Herrschaften, Hab und Güter" (S. 57); an ihr als einem nützlichen Werke ist „uns, unserer Linie und Posterität" viel gelegen (S. 36); durch die Erbeinigung werden „wir und unsere Posterität respectu personarum et bonorum verobligiert" (S. 38). Und die ganze Erbeinigung und die einzelnen Bestimmungen erlassen sie mit folgenden Worten: „Zu Nutz und Wohlfahrt unseres gräflichen Stammes und Namens, auch Erhaltung, Besserung und Mehrung unserer Grafschaften und Herrschaften haben wir mit einhelligem Rat und g e s a m t e m Willen für uns, unsere Nachkommen, Erben und Erbnehmern verbindliche Erbainigung, Satzung und Ordnung beschlossen, vereinbart und verglichen" (S. 39); „wir bewilligen und vereinigen uns i n s g e m e i n und ein jeder für sich selbst, auch alle unsere Erben und Nachkommen unseres Namens und Stammes Grafen von Hohenlohe" (S. 68). Als die, welche die Erbeinigung betrifft und für welche die sie Vereinbarenden handeln, erscheinen somit immer Individuen. Es ist so geblieben, wie in dem Jahrhundert vorher. Dort erlassen z. B. die Grafen von F ü r s t e n b e r g ihre Erbeinigung von 1576 jeder „für sich, seine Erben und derselben Erben, auch seine Agnaten Mannspersonen seines Namens und Stammes". Nicht einmal als zusammenfassender, abkürzender Ausdruck



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wird dafür in dein verfügenden Teile der Urkunden gesagt: für sich und seine Linie, für sieh und sein Haus. 2. Daß die Autonomie einen Ausfluß der Korporationsgewalt darstellt, läßt sich für das 17. Jahrhundert noch weniger halten als wie für die vorausgegangenen. Mit dem 17. Jahrhundert und besonders seit dem dreißigjährigen Kriege beginnt, wie Gierke im Handwörterbuch der Staatswissenschaften 3. Aufl. Bd. 4 (1909) S. 106 im Art. Fideikommisse darlegt, im niederen Adel „eine massenhafte Stiftung von Stammgütern mit Erstgeburtsrecht", um der Familie dauernd Glanz und Ansehen zu sichern. Das Recht zur Errichtung solcher Stammgüter wurde abgeleitet aus einer auch vom niederen Adel gewohnheitsrechtlich erworbenen Autonomie. Die Lehre Knipschilds, welche diese Stamingut-Errichtungen als römisch-rechtliches Erbschaftsvermächtnis und damit nicht als autonomen, sondern als rechtsgeschäftlichen Akt auslegte, war noch nicht vorhanden. Seine Dissertation darüber erschien erst 1626 und sein epochemachendes Buch De fideicommis familiarum nobilium erst 1654. Es herrschte die Lehre von Betsius, und dieser hat in seinem Werke De statutis pactis et consuetudinibus familiarum illustrium et nobilium nicht nur den erlauchten, sondern auch den adeligen Familien ein jus statuendi zugesprochen. Niemand behauptet, die reichsritterschaftlichen Familien hätten Rechtspersönlichkeit besessen. Das soll sie nach der Lehre von Beseler und Gierke gerade vom hohen Adel wesentlich unterscheiden. Ihrem Familien- und Standesbewußtsein habe die Kraft und Nachhaltigkeit gefehlt, um aus der rechtlichen Gemeinschaft eine Einheit zu entwickeln1). Wenn es aber Familien ohne Rechtspersönlichkeit gab, die die Statutargewalt besaßen, dann kann Korporationsnatur der Familie nicht die notwendige Voraussetzung des Besitzes von Autonomiebefugnissen sein. Ferner haben sich im 17. Jahrhundert die Primogenitur-Konstitutionen gemehrt. Eingeführt wurde das Erstgeburtsprinzip zumeist nicht gleich im ganzen Hause, sondern in den Linien. Also stand nach wie vor die Satzungsgewalt Einzelnen zu. Daher konnte sie nicht nur ein Recht des Hauses als solchen bilden. 3. Das 18. Jahrhundert weist kein anderes Bild auf. Im Gegenteil, das römische Recht ist in die Hausgesetze des Hochadels noch mehr eingedrungen. Das Hausgut wird in ihnen allgemein als mit dein nexu fideicommissi behaftet erklärt. Dieses aber wurde seit Knipschild dahin konstruiert, daß das Eigentum am Fideikommiß dem jeweiligen Fideikommißinhaber zustehe. Für Bildung des Satzes, daß die Familie Eigen') R o s i n a. a. 0 . S. 334. Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg XI.

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tümerin und daher Rechtspersönlichkeit sei, fehlten die erforderlichen Rechtsgrundlagen in der Hausgesetzgebung. An einem bedeutsamen Hausgesetze, dem N a s s a u e r Erb vereine von 1783 sei es erwiesen1). Er ist abgedruckt im Regierungsblatte für das Herzogtum Nassau von 1861, aber auch zu finden bei Reuß, Teutsche StaatsCanzley XXI S.75ff. Wohl nennt sich die Urkunde des fürstliehen „ Gesamthauses" Nassau im Jahre 1783 erneuerter Erbverein, und es wird in ihm auch von Stammbesitzungen „der" fürstlichen Hauptlinie (Nr. 4), von Erwerbungen, die durch Vermählung „an das Haus" gebracht werden (Nr. 4), von Eigentum »der" Linie (Nr. 7), von Gütern, die dem „allgemeinen Haus-, dem Familienverbande" einverleibt seien (Nr. 10), gesprochen. Allein dies sind nur gelegentliche Äußerungen, ohne rechtliche Bedeutung für die Persönlichkeitsfrage. Wie regierende Linie ein Wechselausdruck für Linie ist, aus der der jeweils regierende Herr stammt, so stellen auch diese Wendungen nur kürzende Ausdrücke für das Eigentum jeweiliger Agnaten und Agnatengesamtheiten dar. In den maßgebenden Teilen der Erbvereinigungs-Urkunde wird das Eigentum am Hausvermögen nicht dem Hause zugesprochen. Der Erbverein hat folgenden Inhalt: An den Stammlanden besteht eine .Gemeinschaft des Grundeigentums" aller Agnaten schon lange; es fand keine Tot-, sondern nur eine Nutzteilung statt. Neu wird nun bestimmt: Die regierenden Grafen geben einander an ihren Gütern auch zivilen Mitbesitz (possessio); sie behalten daran getrennt nur den Naturalbesitz, die Detention. Nr. 9 des Vertrages lautet: „Wir die regierenden Fürsten beider Hauptstämme übertragen einander hiemit den civil Besitz aller und jeder in der Gemeinschaft des Grundeigentums bisher gestandenen Land, Leute, Güter, Renten, Rechte und Gerechtsame, sie seyen Eigen oder Lehne, vermittelst des constituti possessorii und in dessen Folge verbinden wir uns, für uns, unsere Nachkommen, Nachfolger, Erben und Erbnehmen, daß von nun an ein jeder regierender Fürst zu Nassau seine inhabende deutsche Reichslande, Leute, Güter, Renten, Rechte und Gerechtigkeiten hinführo nicht nur für sich, sondern auch für seine Fürstlich männliche N a c h k o m m e n s c h a f t und A g n a t e n und in deren Namen, doch seiner Landeshoheit und seinen Regierungsrechten im übrigen unbeschadet, besitzen und inhaben, ferner solche nach der Erlöschung des Mannsstammes einer oder der andern Linie auf die überbleibende, ohne daß es einer Besitzergreifung bedürfte, ipso jure kommen und solchergestalt der natural Besitz dem civil Besitze anwachsen solle". ') Über ihn R e h m , Graf von Merenberg und die Nachfolge in das nassanische Hausfideikommiß in Festschrift der rechts- und staatswissenschaftl. Fakultät der Universität Strasburg für Laband 1908 S. 6 ff.



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Jeder Regent besitzt daher seine Güter zugleich im Namen seiner Nachkommen und der Agnaten d. h. Seitenverwandten; also nicht im Namen des Hauses als solchen. Die Lande sind „sowohl, in Ansehung des Eigentums als des zivilen Besitzes vereint, verbunden und zusammengesetzt (Nr. 10) und umgeben mit der vi fideicommissi familiae conventionalis et pacti realis" (Nr. 4). In dem Erbvereine ist festgesetzt „die Gemeinschaft des Grundeigentums, des zivilen Mitbesitzes und die Natur eines paktierten Familienfideikommisses" (Nr. 23). Alle Erbeinigungsgüter stehen somit im Miteigentum und sind nicht durch Testament oder Gesetz, sondern durch Vertrag mit einem Universalvermächtnis behaftet. Der Erbverein leitet sich und seine einzelnen Bestimmungen auch nach der alten Formel ein. Nicht im Namen des Hauses handeln die Kontrahenten, sondern jeder urkundet und bekennt für sich, seine Nachfolger an der Regierung, auch Erben und Erbnehmer. Aus dem allen folgt, wenn der Erbverein als seinen Zweck angibt (Nr. 47), daß das Haus Nassau in aufrechtem Stand erhalten und alle zu ihm gehörigen Lande und Leute bey dem männlichen Geschlechte verbleiben sollen, so ist damit kein Eigentum des Hauses behauptet. Der Erbverein bekundet es selbst noch gleich an dieser Stelle. Denn es heißt: „Gleichwie durch diese Erb Vereinigung nichts anders versucht wird, als daß Unser uraltes Haus in einem aufrechten Stand erhalten und alle zu demselbigen gehörigen Lande und Leute bey dem männlichen Geschlechte verbleiben möge, also haben wir zu dessen mehrerer Versicherung einer dem anderen den Mitbesitz in seinem Landesteile eingeräumt." 4. Durch das ganze 18. Jahrhundert hat auch fortgedauert, daß nicht nur alle Agnaten zusammen, sondern ebenso Einzelne für ihre Linien Satzungen erlassen und auch der reichsritterschaftliche Adel Autonomie betätigt. Richtig ist, daß nur, wenn alle Agnaten zugestimmt hatten, die Satzungen für alle Agnaten und Linien des Hauses verbindlich waren. Aber falsch ist es, hieraus abzuleiten, nur allen Agnaten zusammen und zwar als juristischer Person sei das jus statuendi zugekommen. Wenn das zutreffend wäre, so würde daraus folgen, daß ein Familienvertrag, dem nicht alle Agnaten zustimmen, auch für die zustimmenden nicht verbindlich sei. H e r s e m e i e r hat in der früher erwähnten Schrift in der Tat die Behauptung aufgestellt S. 9 ff., der Familienvertrag binde auch die ihn annehmenden nicht, wenn nicht alle Agnaten ihn annähmen. Allein er muß selbst hinzufügen, daß die Praxis dem nicht entspreche1). Gerade die kleineren reichsständischen Häuser sind es, die im 18. Jahrhundert nicht l)

L ö n i n g a. a. 0. S. 36.

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auf einmal, sondern allmählich linienweise die Erstgeburtsfolge einführen. J. J. Moser im Familien-Staatsrecht Bd. 2 S. 1045 leiht dem richtigen Gedanken Ausdruck, wenn er dort schreibt: „Weiter bringt es die gesunde Vernunft mit sich, daß Niemand über etwas pasciscieren kann, als was oder insoferne es sein ist oder wer sonst ein Recht daran hat; mithin alle Pacta illustrium familiarum, soferne sie res vel jura tertiorum betreffen, diese tertios nicht verbinden1). Und bei Jaup, in einer Schrift De valore et efficacia pactorum seu statutorum familiarum illustrium 1792 S. 26, lesen wir die von Löning in der erwähnten Denkschrift S. 41 mitgeteilte Stelle: Si unius alteriusve agnati consensus haud requisitus fuerit, linea eius eo pacto haud tenetur, licet nihilosecius reliquae lineae statuto obligari possunt. Auf der anderen Seite steht fest, daß die Reichsritterschaft auch im 18. Jahrhundert autonomische Anordnungen über ihre Güter- und Familienverhältnisse erließ. Die Literatur wies ihr daher ebenso wie dem Hochadel ein jus statuendi zu. H. Hereemeier tut es 1788 schon im Titel seiner Schrift. Er lautet: De Pactis gentilitiis familiarum illustrium atque nobilium Germaniae. Wenn Hersemeier a. a. 0. S. 29 schreibt: tribuitur hoc jus familiae illustri et nobili tamquam persona moralis in republica consideratae, so zeigt er schon durch das tamquam, daß weder der einen noch der anderen Familie Rechtspersönlichkeit zukommt. Aber selbst wenn er sie als wirkliche moralische Personen bezeichnete, so würde dadurch weder für die eine noch die andere eine rechtliche Einheit von ihm behauptet sein. Die damals herrschende Naturrechtschule faßte die moralische Persönlichkeit rein kollektiv auf und behandelte daher jede Gesellschaft und Gemeinschaft, also auch jede Familie als Rechtssubjekt'). Rosin bemerkt in Jherings Jahrbüchern Bd. 32 S. 351 zutreffend: „Die persona moralis, ficta, composita vel mystica der damaligen Naturrechtslehre war von der Auffassung der Korporation als eines über eine kollektive Personenmehrheit sich erhebenden, in sich gegliederten und organisierten Gemeinwesens weit genug entfernt". Nur so ist es verständlich, daß die Satzungen und Ordnungen des Hochadels, trotzdem Pütter für sie den ihrem Wesen entsprechenden Ausdruck autonomia familiarum illustrium in Aufnahme brachte8), im praktischen Leben nach wie vor Familien Verträge genannt werden. Verträge kommen durch eine Mehrheit, nicht durch eine Einheit zustande. Als Regelung von Familienangelegenheiten wurden die hausgesetzlichen Bestimmungen gerne geheim gehalten. Kur-Brandenburg hat daher ') S. L ö n i n g S. 41. *) G i e r k e im H&ndwörterb. der Staatsw. Bd. 4 S. 109. ') S. L ö n i n g a. a. 0. S. 31 Anm. 2.



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schon bei der Wahl des Kaisers Matthias, wie L O n i n g a. a. 0 . S. 33 nachweist, beantragt, in die Wahlkapitulation die Bestimmung aufzunehmen, daß von keinem Reichsstande die Pacta familiae, welche man allerorten gern in geheim gehalten, gefordert würden. In die Wahlkapitulation Ferdinands I T . von 1633 wurde eine solche Klausel erstmals aufgenommen. In der Wahlkapitulation Karls V I . 1713 erhielt sie die Form: W i r sollen und wollen auch Kurfürsten, Fürsten und Stände des Reiches mit der Edition der alten pactorum familiae nicht beschweren, vielweniger die Reichsbelehnung wegen erstgedachter Edition der pactorum familiae, sie seien neue oder alte, aufhalten lassen" (Art. X I § 2). Der Ausdruck pacta domus bleibt bis zum Ausgang des Reiches. In der letzten Wahlkapitulation, der Franz's II., ist Art. X I § 2 ebenso gefaßt.

§ 6. Die E n t w i c k l u n g im 19. Jnhrhnndert.

Das bisherige Ergebnis ist: nach Ausweis der Hausgesetze hat das hochadelige Haus in früheren Jahrhunderten Rechtspersönlichkeit nicht erworben. Daraus folgt keineswegs, daß es auch heute sie entbehrt. Im Laufe des 19. Jahrhundorts sind die hochadeligen Häuser zu ihr gelangt. 1. Die Bundesakte und die zu ihrer Ausführung ergangenen landesrechtlichen Bestimmungen stehen noch auf dem alten Standpunkte. Art. X I V der Bundesakte lautet in den hieher gehörigen Bestimmungen: A ) in Absatz I : „Um den im J. 1806 und seitdem mittelbar gewordenen ehemaligen Reichsständen und Reichsangehörigen in Gemäßheit der gegenwärtigen Verhältnisse in allen Bundesstaaten einen gleichförmig bleibenden Rechtszustand zu verschaffen, so vereinigen die Bundesstaaten sich dahin: a) Daß diese Fürstlichen und Gräflichen Häuser . . .; b)...; c) es sollen ihnen überhaupt in Rücksicht ihrer Personen, Familien und Besitzungen alle diejenigen Rechte und Vorzüge zugesichert werden oder bleiben, welche aus ihrem Eigentum und dessen ungestörtem Genüsse herrühren und nicht zu der Staatsgewalt und den höheren Regierungsrechten gehören. Unter vorerwähnten Rechten sind insbesondere und namentlich begriffen: 1. Die unbeschränkte Freiheit, ihren Aufenthalt in jedem zum Bunde gehörenden . . . Staate zu nehmen; 2. werden nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung die noch bestehenden Familien Verträge aufrecht erhalten und ihnen die



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Befugnis zugesichert, über ihre Güter und Familien-Verhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen . . . " B) in Absatz III: „Dem ehemaligen Reichsadel werden die Sub. N. 1 und 2 angeführten Rechte . . . zugesichert. Diese Rechte werden jedoch nur nach der Vorschrift der Landesgesetze ausgeübt." Der Artikel spricht wohl „Häusern", den fürstlichen und gräflichen, Rechte zu, Rechte in Rücksicht ihrer Personen, Familien und Besitzungen, aber Haus bedeutet doch nur einen Sammelnamen für eine Mehrheit. Wenn die Häuser z. B. die imbeschränkte Freiheit, ihren Aufenthalt in jedem Bundesstaate zu nehmen, zugesprochen erhalten, so paßt dies nicht auf Familie als rechtliche Einheit, sondern nur auf Familie als Summe von einzelnen. Ferner soll nach Art. XIV die Autonomiebefugnis nicht nur diesen Häusern, sondern auch dem Reichsadel, also der Ritterschaft, zustehen. Diese Familien besitzen keine Rechtspersönlichkeit; also kann auch bei den hochadeligen Familien korporative Natur nicht Voraussetzung der Befugnis sein. Endlich übernimmt die Bundesakte für die verbindlichen Verfügungen den Ausdruck Familienverträge. 2. Immerhin bringt die Bundesakte eine bedeutsame Wandlung. Bisher enthielten die Familiengesetze wohl auch Bestimmungen über die fürstlichen Töchter, Gemahlinnen, Witwen; ihre wirtschaftliche Stellung wurde geordnet. Aber als ihren eigentlichen Zweck bezeichnen jene Gesetze immer die Erhaltung von Ansehen und Macht des Mannsstammes, des Stammes und Namens. Darauf, daß die Hausgüter „bei dem männlichen Geschlechte ständig bleiben", auf „Aufnahme und Lustre des Mannsstammes" zielt z. B. der Nassauer Erbverein von 1783 ab (Nr. 47, 4). Die Kognaten erscheinen nur als etwas, was vom Hause abhängig ist, aber nicht zum Hause gehört. Das Geschlecht, das Haus besteht bloß aus den Agnaten. Diejenigen, welche für die früheren Jahrhunderte der hochadeligen Familie Korporationscharakter beilegen, erblicken in ihr bloß eine Korporation der Agnaten. In der deutschen Bundesakte nun werden die kognatischen Angehörigen der Familie im Prinzip ebenso privilegiert, wie die Agnaten. Auch sie erhalten Aufenthalts-, Steuer- und Gerichtsfreiheit. Familie im Sinne der Bundesakte umfaßt auch sie. Sie werden Mitglieder des Hauses. Das Vorbild gibt die Neuordnung der Hausverfassungen der regierenden Häuser. Napoleon I. hat für die neugegründete kaiserliche Dynastie am 30. März 1806 ein Hausstatut erlassen1). Zu Mitgliedern werden da auch die weiblichen Angehörigen des Hauses erhoben. Die Rheinbundstaaten folgen mit gleichen Hausgesetzen. Der erste Titel der königlich bayerischen ') Rehm, Moderaes Fürstenrecht 1904 S. 88.



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Familiengesetze von 1808 und 1816 lautet: „Von den Peraonen des Königlichen Hauses" und § 1 bestimmt: „Das Königliche Haus begreift 1. die Prinzen und Prinzessinnen Unseres Hauses, 2. ihre Gemahlinnen und Wittwen während des Wittwenstandes". „Alle Glieder des Hauses, fährt § 2 fort, sind der Hoheit und Gerichtsbarkeit des Monarchen untergeben1)." Nahe liegt, daß die nach wie vor zum hohen Adel gehörigen und darum den regierenden Familien ebenbürtig gebliebenen standesherrlichen Geschlechter dieselbe Vorstellung aufnehmen. Sie zerfallen in mehr und in weniger berechtigte Angehörige. Das Haupt erhält in der Bundesakte die meisten Privilegien, etwas weniger die Agnaten (Autonomie), am wenigsten die Kognaten. Korporationsnatur ist damit noch nicht gegeben. Aber durch die Tatsache, daß die ganze Familie, alle Familienmitglieder im Staate Privilegien besitzen, wird ihr vorgearbeitet. Dadurch erscheint die mediatisierte Familie wie ein Staat im Staate. Gleich dem Staate, bahnt sich daher bei ihr der Persönlichkeitsgedanke an. Der Staat ist zur Persönlichkeit geworden durch die Verfassung. Das Wesen der Verfassung ist, daß Andere neben dem Herrscher an der Staatsgewalt mitwirken, ein Teil der Staatsangehörigen, die Volksvertreter. Bei dem mediatisierten Hause stand fest, daß autonomische Bestimmungen der Einwilligung der Agnaten bedurften. Ihr Haupt hatte über sie nicht, wie das Haupt der regierenden Familie über sein Haus, zugleich Hoheit und Gerichtsbarkeit und ausdrücklich war den mediatisierten Häusern Autonomie nur nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung zuerkannt. Darnach bedurften Hausbestimmungen des agnatischen Konsenses; denn die Agnaten waren der Landeshoheit nicht unterworfen. Also war das Analogon mit dem Verfassungsstaate gegeben. Alle Familienglieder waren an die Hausbestimmungen gebunden; nur ein Teil von ihnen zu Mitwirkung bei ihrer Herstellung berufen; die Bestimmungen selbst waren Gesetze. Autonomie, wie das Recht genannt wurde, heißt Selbstgesetzgebung; daher lag der Vergleich mit dem Staatsgesetze nahe. Die Persönlichkeitsnatur war in dem Augenblicke vorhanden, wo der Vertretungsgedanke in das Hausrecht einzog, d. h. vom Staate die Vorstellung übernommen wurde: der Füret ist nicht Subjekt, sondern Organ des Staates; er vertritt ihn, übt also fremde Rechte. Mit Ausdehnung des Verfassungsgedankens tritt diese Tatsache ein. Die Hausgesetze zeigen es. Die neuen standesherrlichen Hausgesetze, die in Verfassungsstaaten entstehen, lauten anders als die alten. Der Zusammenhang mit dem Konstitutionalismus wird hier dadurch bewiesen, daß da, ') S c h u l z e , Hausgesetze Bd. 1 S. 312ff.



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wo der Übergang zum Verfassungsstaate früher eintritt, also im Süden, auch die Hausgesetze eher die veränderte Natur zeigen. Nicht daß der Verfassungsgedanke diese Hausgesetze veranlaßte. Der Anlaß war vielmehr zumeist die veränderte staatsrechtliche Stellung, für die Hausgesetze aus der Zeit der eigenen Landesherrlichkeit nicht mehr paßten. Aber wenn die Häuser in der neuen Periode sich zur Umgestaltung ihrer Hausgesetzgebung entschlossen, dann trat in den veränderten autonomischen Satzungen auch die veränderte Auffassung der Dinge zutage. 3. Der deutsche Süden ging zwischen 1816 und 1824 zum Verfassungssystem über. Der erste neue Hausgesetzgebungsakt, der in diese Periode, in die Zeit zwischen 1820 und 1830, fällt und sich nicht bloß auf Güterrecht beschränkte, sondern die ganze Hausverfassung ordnete, war der Familienvertrag des Hauses Castell vom 6. Juli 1827, kundgemacht im bayrischen Regierungsblatt von 1830 S. 1085. Das Haus Castell ist ein Kondominat, d. h. es bildet kein aus zwei Teilhäusern Castell und Rüdenhausen sich zusammensetzendes Gesamthaus '), sondern ein aus zwei Linien bestehendes einfaches Haus. Das Haus- und Stammvermögen ist der Substanz nach noch heute ungeteilt. Ein Familiengesetz vom 14. Juni 1861 (Bayer. Reg. Bl. 1864 S. 753 ff.) brachte nur die Änderung, daß die Besitzungen für die Ausübung der standesherrlichen Rechte geteilt sind. Nach dem Hausgesetze von 1827 war auch noch die Verwaltung eine gemeinsame, und da bestimmt nun § 1 1 : „In Hinsicht auf die den Häuptern als solchen zukommenden Rechte und auf die Verwaltung des Haus- und Stammvermögens sind nachstehende Vorschriften maßgebend: 1. die Häupter üben gemeinsam die Verwaltung des Hausund Stammvermögens und diejenigen standesherrlichen Rechte aus, welche nach der Verfassimg des Königreiches Bayern dem vormals reichsständischen Gesamthause zukommen". Wir finden also den gleichen Gegensatz von Zukommen und Ausüben, wie beim Verfassungsstaate. Wie bei ihm der Staat Subjekt der Hoheitsrechte ist und der Fürst nur sie ausübt, so ist in dem Hausgesetze die standesherrliche Familie als Subjekt der standesherrlichen Rechte, also besonders der Autonomiegewalt und das Haupt der Familie nur als ihr Ausüber gedacht. Unter der Vorstellung der Vertretung, der bloßen Ausübung, steht damit auch die Teilnalune des standesherrlichen Hauptes an den Sitzungen der ersten Kammer. Der Chef des Hauses ist ihr Mitglied als Vertreter seines Hauses. Er vertritt sein Haus in der Kammer. Wenn das Haupt des Hauses im Parlamente als Vertreter fremden ') S. darüber R e h m , Prädikat- und Titelrecht der deutschen Standesherren 1905 S. 178'

— 25 — Rechtes sitzt, so liegt nahe, daß der Standesherr sich in der Kammer durch einen Stellvertreter aus dem Hause vertreten lassen darf, falls er verhindert ist, während sonst das Prinzip gilt, daß die Teilnahme am Parlament nicht übertragbar ist, sondern persönlich betätigt werden muß. Zwei deutsche Verfassungsstaaten kannten von Anfang an für die standesherrlichen Mitglieder ihres Oberhauses die Berechtigung, sich vertreten zu lassen: Württemberg und Hessen. § 156 der württembergischen Verfassung vom 25. Sept. 1819 bestimmte: „Die Mitglieder beider Kammern haben ihr Stimmrecht in Person auszuüben: nur den erblichen Mitgliedern der ersten Kammer ist gestattet, ihre Stimme einem anderen in der Versammlung anwesenden Mitgliede dieser Kammer (dann im parlamentarischen Leben Geisterstimme genannt) oder einem Sohne oder dem sonstigen präsumtiven Nachfolger in der Standesherrschaft zu übertragen. Dieses besondere Recht der Stimmübertragung kann auf gleiche Weise auch für einen wegen Minderjährigkeit oder anderer persönlicher Unfähigkeit unter Vormundschaft stehenden Standesherrn von dessen Vormunde ausgeübt werden". Das standesherrliche Stirnmenübertragungsrecht ist beider Verfassungsrevision vom 16. Juli 1906 nicht nur aufrechterhalten, sondern der Gedanke, daß der Standesherr nur als Vertreter seines Hauses dem Parlamente angehört, noch ausgebaut worden: er darf die Stimme nur einem Agnaten übertragen. § 156 der württ. Verfassimg lautet jetzt: „Die Mitglieder beider Kammern haben ihr Stimmrecht in Person auszuüben. Niemand kann eine doppelte Stimme führen (Aufhebung der Geisterstimmen). Es steht jedoch das Recht der Stellvertretung den in § 129 Ziff. 2 genannten Mitgliedern der Ersten Kammer (d. h. den Standesherren) insoweit zu, daß sie, wenn sie durch Krankheit oder andere, nicht unter die Voraussetzungen der § 142 Abs. 2 Ziff. 2—4 (Konkurs, Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte, Armenunterstützung) fallende Verhältnisse gehindert sind, selbst in der Ersten Kammer zu erscheinen, und diese die Gründe als zutreffend anerkennt, einen Agnaten mit der Stellvertretung beauftragen können. Steht eines der in § 129 Abs. 2 genannten Mitglieder unter Vormundschaft, so kann der Vormund einen Agnaten mit der Stellvertretung beauftragen oder, wenn er selbst Agnat ist, die Stellvertretung übernehmen". Ähnlich ist in Art. 61 der hessischen Verfassung vom 17. Dez. 1820 und jetzt in dem an die Stelle getretenen Gesetze betreffend die Landstände vom 3. Juni 1911 Art. 65 bestimmt: Kein Mitglied einer Kammer darf sein Stimmrecht durch einen Stellvertreter ausüben lassen. Ist jedoch ein Standesherr minderjährig oder entmündigt, so tritt der Agnat an seine Stelle, der die Vormundschaft führt, oder, falls die Vormundschaft von keinem Agnaten geführt wird, der nächste Agnat des Bevormundeten. Auch soll ein Standes-



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herr, wenn er durch Krankheit oder durch andere Verhältnisse verhindert ist, auf dem Landtage zu erscheinen, und wenn die Erste Kammer diese Gründe als zulänglich anerkennt, oder wenn er zwar volljährig, aber noch nicht 25 Jahre alt ist, das Recht haben, sich durch einen der nächsten Agnaten für diesen Landtag vertreten zu lassen". Es darf angenommen werden, daß die in den vorstehenden Vorschriften zweier Staatsverfassungen zum Ausdruck gelangende Idee, das standesherrliche Haupt sitze im Ständehause als Vertreter seiner Familie, zur Entwickelung der Repräsentationsvorstellung auch in den Hausverfassungen der mediatiBierten Geschlechter beitrug. 4. Im vierten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts gewann der konstitutionelle Staatsgedanke an Intensität. Am 1. Okt. 1846 vereinbarte das gräfliche Haus Erbach-Erbach-Roth einen neuen Familien vertrag. In ihm lesen wir — er findet sich mitgeteilt im bavr. Regierungsblatt 1846 S. 217 ff. — in Abschnitt IV 53: „Dein Haupte des Hauses kommen folgende Rechte zu: 1. Das Haupt des Hauses hat die Verwaltung des Haus- und Stammvermögens und die A u s ü b u n g derjenigen Verwaltungsrechte, welche nach dem deutschen Bunde und den Verfassungen jener Staaten, in welchen die Wartenbergischen Besitzungen, Güter, Renten und Gefälle gelegen sind, dem vormals reichsständischen Hause Wartenberg zukommen". Im Jahre 1848 geht der Norden, insbesondere Preußen, zum Konstitutionalismus über. Das steigert die Einwirkung auf die Hausverfassungen der standesherrlichen Familien. Das Familiengesetz der Grafen von Giech vom 5. März 1855 (Bayr. Reg. Blatt S. 717) bestimmt in § 71 : „Das Familienhaupt repräsentiert das Haus". Das Castell'sche Hausgesetz vom 14. Juni 1861 wiederholt die Vorschrift über die Rechte der Familienhäupter aus dem Familienstatute von 1827. Sie lautet jetzt der Teilung der Verwaltung entsprechend in § 16: „In Hinsicht auf die den Häuptern des Hauses als solchen zukommenden Rechte und auf die Verwaltung des Haus- und Stamm Vermögens wird Folgendes bestimmt: 1. Die Häupter des Hauses üben, jeder in seiner Linie, die Verwaltung des Hausund Stammvermögens und diejenigen standesherrlichen Rechte aus, welche nach der Verfassung des Königreichs Bayern den Häuptern vormals reichsständischer, fürstlicher und gräflicher Häuser zukommen". Am 16. April 1864 erließ die gräfliche Familie Pappenheini eine Hausordnung (Bayr. Reg. Bl. 1867 S. 305). Hier heißt es: „Das Familienhaupt repräsentiert unser standesherrliches Haus in Beziehung auf alle gesetzlich begründeten Rechte und Pflichten". In der erneuerten Revision der fürstlich Oettingen-Wallerstein'schen Hausgesetee vom 24. Juni 1866 (Württ. Reg. Bl. 1900 S. 804, Bayr. Reg. Bl. v. 1870 S. 1337) findet sich in Tit. II Art. 1 der Rechtssatz: „Der Erstgeborene ist das Haupt des

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Hauses. Er repräsentiert dasselbe in seinen äußeren Beziehungen. Er vertritt das Haus auf den Landtagen und g e n i e ß t alle Rechte und Ehrenvorzüge, welche den Häuptern der vormals reichsständigen Häuser durch die Verfassung der Staaten, welchen sie unterworfen werden, zugestanden sind oder zugestanden werden". Vom 11. November 1876 datiert das Statut für das fürstliche Haus Stolberg-Wernigerode. Hier lesen wir im § 2: „Der Stammgutsbesitzer hat unser Haus in allen auf das Stammgut bezüglichen Angelegenheiten, soweit es nicht nach unserem Familienrecht der Mitwirkung der Agnaten bedarf, nach Außen hin und namentlich auch vor Gericht zu vertreten". Und in § 43 steht: „Wenn in diesem Hausstatut die Zuziehung der „nächsten Agnaten" als Vertreter unseres gesamten Hauses zu einzelnen Rechtshandlungen angeordnet ist, so sollen jedesmal zwei Agnaten als solche fungieren" (Hess. Reg. Bl. 1879 S. 13 ff.). Es folgt das Hausgesetz der Gräflichen Familie Solms-Laubach vom 22. Juni 1894 (Hess. Reg. Bl. 1894) mit der Bestimmung in Art. 3 „ D e r Stammgutsbesitzer hat das Haus in allen auf das Stammgut bezüglichen Angelegenheiten nach außen hin und namentlich auch vor Gericht zu vertreten". Auch in diesem Gesetze werden ferner die nächsten mitwirkenden Agnaten „Vertreter des gesamten Hauses" genannt. Ebenso stimmen mit dem Hausstatute der Fürsten von Stolberg-Wernigerode in der Bezeichnung des Stammgutsbesitzers und des Agnatenausschusses überein das Hausgesetz für das fürstliche Haus Bentheim und Steinfurt v. 16. März 1898, die Hausverfassung für das fürstliche Haus Stolberg-Roßla vom 27. Dez. 1899, Art. 23 des fürstlich Wied'schen Hausgesetzes v. 25. Aug. 1905 Art. 12 des Statuts der fürstlichen Familie Salm-Horstmar v. 5. Juli 1899, und die Entwürfe eines Hausgesetzes für das fürstliche Haus Erbach-Schönberg von 1909 und für das Gesamthaus Hohenlohe von 1910. Das Salm-Horstmar'sche Hausgesetz z. B. bezeichnet in Art. 12 den auch den Fürsten mitumfassenden Familienrat als „das die Gesamtheit des Fürstlichen Hauses (und demgemäß laut Art. 1 auch die Kognatinnen) vertretende Organ". Endlich hat der Vertretungsgedanke Anerkennung gefunden bei der Revision der badischen Verfassung am 24. Aug. 1904. Durch sie wurde auch für Baden eine Übertragbarkeit der standesherrlichen Stimmen eingeführt. § 28 der revidierten Verfassung bestimmt: „Wer für den minderjährigen oder geisteskranken Besitzer eines standesherrlichen Gutes als Vormund bestellt ist, kann, wenn er Agnat der Familie ist, an Stelle des Bevormundeten die Mitgliedschaft in der Kammer ausüben. Ist das Haupt einer standesherrlichen Familie aus anderen Gründen an der Ausübung der Mitgliedschaft verhindert, so kann er für die Dauer der Sitzungsperiode einen Agnaten mit der Stellvertretung betrauen". Bemerkenswert ist die Begründung, die Staatsminister Dr. v. Brauer



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in der Sitzung der zweiten Badischen Kammer vom 11. Juli 1904 dieser Bestimmung und der, daß bei Erledigung des Freiburger Bischofstuhls der Bistumsyerweser in die Kammer eintrete, mit auf den Weg gab. Er erklärte: „Sie dürfen nicht übersehen, daß es sich hier eigentlich um Mitglieder der ersten Kammer handelt, die juristische Personen oder Korporationen sind. Nicht der Standesherr ist streng genommen berechtigt, sondern die Standesherrschaft, jenes Gebiet, das bis zur Auflösung des alten Deutschen Reiches reichsunmittelbares Land war und Landeshoheit besaß. Diesem Gebiet, dieser juristischen Person gleichsam, ist das Recht verliehen worden, in allen den Ländern, wo Teile dieses Gebietes liegen, vertreten zu sein, und daß dieses Recht einer juristischen Person auch ausübbar ist durch Stellvertreter, ist doch etwas, was allgemeinrechtlichen Grundsätzen nicht widerspricht". Die Auffassung wird dem Wesen der Sache gerecht. Nur ist nicht die Standesherrschaft im objektiven Sinne, die standesherrliche Besitzung, sondern die Standesherrschaft im subjektiven Sinne, die standesherrliche Familie, personifiziert. 5. Das Ergebnis der Entwicklung ist nach allem Vorgetragenen folgendes: Im Laufe des 19. Jahrhunderts hat sich unter dem standesherrlichen Adel ein gemeines Gewohnheitsrecht dahin gebildet, daß die standesherrliche Familie als solche juristische Person ist, die teils durch alle oder mehrere Agnaten vertreten wird; Töchter, Gemahlinnen und Witwen gehören dem Hause als ininderberechtigte Mitglieder an. Nur wo spezielles Hausrecht ausdrücklich anders bestimmt, seit dieses neue gemeine Privatfürstenrecht entstand, gilt das Gegenteil. Die neue Rechtauffassung tritt darin auch formal hervor, daß autonomische Satzungen, die das Familienhaupt mit anderen Agnaten zusammen erläßt, mehr und mehr aufhören, den Titel Familienvertrag zu führen. Sie werden allenthalben Familienstatut oder Hausgesetz genannt.

B. Die Eigentümerfrage.

Die Entwickelang bis zum 19. Jahrhundert. Eigentlich ist die Frage der Entwickelung bis zum 19. Jahrhundert bereits im ersten Abschnitte erledigt. Die herrschende Lehre erklärt, die hochadelige Familie sei zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert Eigentümerin des Familiengutes und deshalb Rechtspersönlichkeit geworden. Sie leitet die Persönlichkeitsfrage also aus der Eigentumsfrage ab. Daher war zu

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dem Probleme, wem gehörte früher das hochadelige Hausgut? bereits im anderen Abschnitte Stellung zu nehmen. Wir entschieden uns dahin: den Hauptbestandteil des Hausbesitzes bilden Lehensgüter; diese besitzen die Agnaten kraft Mitbelehnung, demgemäß nicht als Einheit, sondern als Gemeinschaft; Hausgut heißt nicht: dem Hause gehörig, sondern: zugunsten des Geschlechtes gebunden. Hier sei nur noch ein Beispiel dafür beigebracht, daß die Praxis der hochadeligen Familien bis ins 19. Jahrhundert gar nicht anders dachte, als daß das hochadelige Hausgut im Gesamtbesitz der Agnaten stehe. Die Grafschaft Hohenlohe wurde 1555 in zwei Hauptlinien geteilt, die Waldenburger und- die Neuensteiner. Die letztere wurde bald gespalten in die Linie Öhringen und die Linie Langenburg, und die Langenburger erhielt rasch drei Unterlinien: die Linien Langenburg, Ingelfingen und Kirchberg. 1805 erlosch die alte Linie Öhringen (oder Neuenstein-Neuenstein) mit Ludwig Friedrich Karl. Der Fürst zu Hohenlohe-Ingelftngen machte den anderen beiden Neuenstein-Langenburger Zweigen (Langenburg und Kirchberg) die Miterbfolge streitig. Es erschien 1805 noch eine die Mitansprüche beider Zweige vertretende Denkschrift unter dem Titel „Beweis des Miterbfolgerechts der Häuser Kirchberg und Langenburg". Hier wird nun ausgeführt S. 3 und 62: „Es tragen die sämtlichen Fürsten zu Hohenlohe mittelst einer dem jedesmaligen Familien-Aeltesten erteilten Samtbelehnung nach den eigenen Worten der Lehensbriefe von kaiserl. Majestät und dem Reiche zu Lehen ihren Teil an der Grafschaft". „Sie besitzen das Recht des Miteigentums, welches ihnen vermöge der Samtbelehnung auf dem Hohenlohischen Familienfideikommiß zusteht". §8. Die Entwicklung des 19. Jahrhunderts bei den regierenden Häusern. Was nach der Beseler-Gierkeschen Theorie vor der Aufnahme des römischen Rechts entstanden und in den folgenden Jahrhunderten in der Praxis unverändert erhalten sein soll, daß die reichsständische Familie als solche Eigentümerin der Hausgüter sei, hat sich in Wahrheit erst im 19. Jahrhundert gebildet. Den treibenden Faktor bildet auch hier der Übergang zum Yerfassungsstaate. 1. Daß bis zum 19. Jahrhundert das Haus nicht Subjekt der Satzungsgewalt und des Hausgutes war, entsprach dem Wesen des Patrimonialstaates. Bis zum 19. Jahrhundert galt: Der Landesherr hat die Hoheitsrechte zu Lehen; er und nicht eine juristische Person wird damit belehnt; er und nicht das Haus gilt als dominus; er ist der Landesherr; er wird als Egen-

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tümer der Staatsgewalt angesehen. Gleichzeitig mit den Hoheitsrechten empfängt der Landesherr auch die Lehensgüter. Mit Hoheitsrechten und Gütern wird er gleichzeitig belehnt. Wenn dieselbe Person beides erhält, ist anzunehmen, daß sie beides auch in gleicher Art besitzt. Ist er dominus der Hoheitsrechte, so wird er deshalb auch dominus der Güter sein. Land und Leute, Güter, Renten und Recht, Staatsgewalt und Hausvermögen werden in den Erbeinigungen immer neben einander genannt. Beides zusammen bildet den Gegenstand der Erbeinigungen. Herrschaft und Vermögen wird zugunsten der Seitenverwandten gebunden. Mit dem Übergange zum Verfassungsstaate wird die Stellung des Fürsten zur Herrschaft, dem Staate, eine andere. Es liegt nahe, daß sich daher auch die zum Hausvermögen ändert und zwar, da es sich hier und dort um dieselben Personen handelt, in der nämlichen Weise. Mit dem Aufkommen der Staatspersönlichkeits-Idee geht die Herrschaft vom Fürsten auf den Staat über. Der Fürst ist nur mehr Verwalter und Nutznießer der Staatsgewalt. In dem gleichen Verhältnisse wie zu den Hoheitsrechten stand er bisher zu den Hausgütern. Deshalb ist zu erwarten, daß sich auch hier die Rechtslage umgestaltet. Der Staat kann nicht Eigentümer des Hausvermögens werden, da mit dem Übergang zur Staatspersönlichkeit Haus- und Staatsvermögen getrennte Begriffe werden. Somit kann die Analogie nur sein: das Haus wird Eigentümer und der Fürst Verwalter und Nutznießer des Haus Vermögens. Die zu erwartende Entwickelung tritt wirklich ein. Infolge des Unistandes, daß Haus- und Staatsvermögen reell in derselben Hand vereinigt sind, beeinflußt bei den regierenden Häusern die Umgestaltung der Eigentümerfrage für das Staatsvermögen auch die Eigentumsverhältnisse des Hausvermögens. Hört der Fürst auf, Eigentümer des Staatsvermögens zu sein, so findet dasselbe beim Hausvermögen statt. Weil der Staat Persönlichkeit wurde, wird er Eigentümer des Staatsvennögens. Das bewirkt, daß der gleiche Gedankengang auf das Hausvermögen übertragen wird. In den früheren Jahrhunderten hinderte die Lehensnatur der Herrschaft und des Hausgutes diese Entwickelung. Mit der Auflösung des Reiches ist dies Hindernis weggefallen. Über dem Landesfürsten steht kein Lehensherr mehr. Er hat Herrschaft und Gut nicht mehr bloß zu Lehen. Mit ihrem Besitze ist kein persönliches Dienstverhältnis noch verbunden. Daher bedarf es auch keiner Mitbelehnung mehr. Sie war ein Kollektivverhältnis und hat durch diese Natur den Einheitsgedanken verhindert. Jetzt fiel dies Hemmnis weg. Ein unpersönliches Wesen, das Haus als gedachte Einheit, konnte Eigentümerin des Familienvermögens werden. Es hat nichts Auffallendes an sich, wenn der Wechsel der Rechtsauffassung nicht sofort klar hervortrat. Am Beginne des 19. Jahrhunderts, in



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der Rheinbunds- und der Wiener-Schluß-Akte, herrechte noch vollständig der Patrimonialstaatsgedanke. Die Länder wurden als „Besitzungen" der Fürsten angesehen. Noch die bayerische Verordnung vom 20. Oktober 1804 über die Verwendung der Einkünfte des Domanialvermögens, die DomanialFideikommißpragmatik, wie sie sich nennt, erklärt den ganzen Komplex an Land, Leuten, Herrschaften, Gütern, Regalien, Renten für ein Hausund Staatsfideikommiß des Fürsten, d. h. für ein Fideikommiß, das Hausund Staatszwecken dient. Da war es begreiflich, daß in den ersten Verfassungsurkunden die Vorstellung über die veränderten Eigentumsverhältnisse am Staatsgute keine deutliche war. Die bayerische Verfassimg von 1818 unterscheidet in Titel III wohl klar zwischen Staatsvermögen und Privatverlassenschaft des Königs, aber keineswegs herrscht in ihr eine deutliche Vorstellung darüber, daß das Staatsvermögen nur im Eigentum des Staates steht. In § 2 wird es als Vermögen des Staates und der Krone bezeichnet. Um so weniger kann erwartet werden, daß sogleich auch die Veränderung der Eigentumsverhältnisse am Hausgute in den Ausdrücken unzweideutig hervortritt. In nur wenigen Staaten wurden die Domänen ganz für Staatsgut erklärt. Entweder wurden sie mit dem Staate geteilt oder blieben ganz dem Hause zu seinem Unterhalte. Wurden sie, soweit sie dem Hause verblieben, dann Haus- oder Familiengut genannt, so war nicht klar, was dies bedeutete. Gerade so, wie „Staatsgut" unklar war, sowohl Gut für Staatszwecke wie Gut des Staates bedeuten konnte, so war möglich, daß Hausgut nicht Gut des IJauses, sondern Gut des Fürsten mit Bindung für das Geschlecht bedeutete. In der badischen Verfassung vom 22. August 1818 lesen wir in §59 den Satz: „Die Domänen sind nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Staats- und Fürstenrechts unstreitiges Patrimonialgut des Regenten und seiner Familie und Wir bestätigen sie als Haupt der Familie in dieser Eigenschaft". Unter Patrimonialgut des Regenten und seiner Familie kann sehr verschiedenes verstanden sein. Infolge des Zusatzes „nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Staats- und Fürstenrechts" bedeutet es: die Domänen sind Eigentum des Landesherrn und der Agnaten; sie stehen im Miteigentum des Fürsten und der Agnaten. Aber es kann auch bedeuten: sie stehen im Alleineigentum des Fürsten mit Bindung für die Agnaten oder im Miteigentum des Fürsten und der Familie als einer Gesamtpersönlichkeit. Aber bald entsteht Klarheit. Bereits in den Verfassungen von 1819. Die württembergische Verfassungsurkunde vom 25. Sept. 1819 bestimmt: Die zu dem vormaligen herzoglich-württembergischen Familien-Fideikommisse gehörigen Grundstücke, Gefälle und nutzbaren Rechte bilden teils das Hofdomänen-Kammergut, teils das königliche Kammergut. „Das Hofdo-



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mänen-Kammergut ist ein Privateigentum der königlichen Familie, dessen Verwaltung und Benutzung dem Könige zusteht". Dem königlichen Kammergute „kommt die Eigenschaft eines von dem Königreiche unzertrennlichen Staatsgutes (d. h. eines im Eigentum des Staates stehenden Gutes) zu" (§§ 102, 108, 103). In der hessischen Verfassung vom 17. Dezember 1820 Art. 6, 7 ist zu lesen: Ein Drittel der sämtlichen Domänen wird an den Staat abgegeben. Die übrigen zwei Dritteile bilden das unveräußerliche Familieneigentum des großherzoglichen Hauses. Zehn Jahre später sind alle Zweifel darüber beseitigt, daß Familieneigentum nicht mehr Eigentum des Fürsten mit Bindung ftir die Familie im natürlichen Sinne, sondern Eigentum der Familie als eines Rechtssubjektes bedeutet. Das Sachsen-Meiningensche Staatsgrundgesetz von 1829 § 38 erklärt das Domänen vermögen für „ Eigentum des herzoglichen Spezialhauses". Nach der königlich sächsischen V.U. vom 4. Sept. 1831 bildet das königliche Hausfideikommiß ein „Eigentum" des königlichen Hauses, dessen „Besitz" nach der für die Krone bestimmten Sukzessionsordnung auf den jedesmaligen König übergeht 1 ). Sehr klar veranschaulicht den allmählichen Übergang die Entwicklung im Herzogtum Nassau. Der Erbverein von 1783 erklärt, wie wir sahen, die „Stamms-Besitzungen" (Nr. 4) für Miteigentum aller Agnaten, also für Kollektiveigentum. Nach dem Verfassungspatente vom Jahre 1814 bilden die Domänen ein „Familiengut". Das kann verschiedenes bedeuten. Das Familienstatut vom 15. Dezember 1822 (abgedruckt im Regierungsblatt von 1861) bestimmt sicher und deutlich: Das Fideikommißvermögen des Hauses bildet ein „Familienfideikommißeigentum" desselben (§ 1) und die „Nutznießung" an ihm steht dem Herzoge zu. 2. Der Zusammenhang der ganzen geschilderten Entwicklung mit dem Verfassungsgedanken wird besonders veranschaulicht, wenn wir die Rechtsentwickelung in Staaten gegenüberstellen, die nicht zum Verfassungsprinzipe übergingen. Die beiden Mecklenburg sind heute noch verfassungslos. Trifft unsere Darlegung zu, dann muß in diesen Staaten noch gelten: die Domänen stehen im Eigentum von natürlichen Personen. Seit dein 17. Jahrhundert wird dort von einer Pertinenzqualität des Hausgutes gesprochen und das Domaniuin als ein „Pertinenzstück und Zubehörung des fürstlichen Hauses Mecklenburg" bezeichnet*). Allein das bedeutet nicht: das Domanium gehört dem Hause, sondern der Ausdruck besagt: es ist für den Glanz des Hauses bestimmt, daher nur mit der Herrschaft vererblich; es besteht dafür nicht Kognatensukzession und Testierfreiheit des Inhabers; er darf darüber nicht frei verfügen. ') Weitere Beispiele bei G i e r k e in tirünhuts Z. 5, 672. •) S. auch G i e r k e a . a . O . S. 570.

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Die Schriftsteller, die sich eingehend mit dem Mecklenburgischen Hausrecht beschäftigt haben, sind einig darüber, daß das Domanium d. h. das Vermögen, das in erster Linie dazu bestimmt ist, die Kosten des Landesregiments zu tragen, heute noch weder eine juristische Person bildet noch einer juristischen Person gehört. Böhlau, Mecklenburgisches Landrecht III. Band, Erste Abteilung 1880 S. 20 schildert die Sache so: Das imbewegliche Stammgut war für den splendor familiae bestimmt und vererbte aus diesem Gesichtspunkte principaliter mit der Herrschaft, also zur gesamten Hand. Erst wenn die Herrschaft aus der Familie fiel, unterlag es der kognatischen Sukzession. Die Verbindung des Stammgutes mit der Herrschaft führte, da die nach mittelalterlichem Staatsrecht dem Landesherrn persönlich und nicht einem Staate zur Last fallenden Kosten der Regierung wie des Hofhaltes in majorem familiae gloriam von beiden, d. h. Stammgut und Herrschaft, zu bestreiten waren, zur sog. Pertinenzqualität des landesherrlichen Domaniums: keiner von mehreren Gesamthändern war gehalten, Regimentskosten aus seinem „eigenen Gut und Darlegen" zu decken, weil und insoferne das in der gesamten Hand stehende Domanium in Verbindung mit der „Herrschaft", d. h. den aus der Landeshoheit fließenden Einnahmen dazu ausreichte. Mithin durfte aber auch keiner der Gesamthänder, also auch der regierende Gesamthänder nicht über Substanz und Ertrag des Stammgutes oder Domaniums zu Zwecken verfügen, die „zu gemeiner Regierung und Enthaltnis", d. h. zum Landesregiment nicht gehörten. Diese Zweckbeschränkung bedeutet das Wort Pertinenzqualität. Nur insoferne wird das Domanium von Böhlau auch ein Vermögen des Hauses genannt. Nicht um zu sagen, das Haus sei juristische Person, sondern um zu sagen: das Gut darf nur für Haus-, d. h. hier Staatszwecke verwendet werden. Böhlau schildert die Eigentumsfrage so 1 ): Das Landesregiment ruht einheitlich in der Hand des Landesherrn; dieser steht dem Regiment« als Person, nicht als Vertreter oder Träger einer anderen Persönlichkeit — des Staates — vor. In Betreff des Schatullgutes ist der Landesherr freier und unbeschränkter Eigentümer und vererbt es auf seine Allodialerben. „In Betreff des Hausgutes, d. h. des Domaniums ist der Landesherr zwar gleichfalls Eigentümer, aber einer doppelten Dispositionsbeschränkuug unterworfen. Durch die agnatischen, aus der alten gesamten Hand stammenden Rechte wird nach näherer Maßgabe des Hausrechtes die Veräußerung beschränkt und die Vererbung an die Primogeniturfolgeordnung geknüpft". Dem Lande, also den Ständen gegenüber, verpflichtet die im Laufe der Jahrhunderte entstandene Pertinenzqualität des Domaniums, aus seinem Reinertrage die Kosten des Landesregiments zu bestreiten. ' ) S. .43, 45. Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßbarg

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Der Unterschied gegenüber der Zeit vor der Reichsauflösung ist also nur: infolge des Aufhörens der Lehensherrliclikeit des Reiches steht das Domanium nicht mehr im Miteigentum der Agnaten. Aber nicht der Staat, sondern der I^andesherr ist allein Eigentümer geworden. Wir lesen bei Buchka, Landesprivatrecht der Großherzogtümer Mecklenburg-Schwerin und Strelitz 1905 S. 24 als geltendes Recht: „Daß dem landesherrlichen Vermögen, das in erster Linie dazu bestimmt ist, die Kosten des Landesregiments zu bestreiten, die privatrechtliche Stellung des Fiskus und dessen Privilegien zustehen, ist niemals bezweifelt worden, wenngleich dieses Vermögen als dem Landesherm gehörig eine selbständige juristische Person nicht bildet. Ebensowenig ist dies der Fall rücksichtlich des Domanialkapitalfonds, der als kapitalisiertes Domanialvermögen lediglich ein Bestandteil des landesherrlichen Vermögens ist".

§ Die standesherrlichen Hausgesetze des 19. und 20. Jahrhunderts. In § 6 ist dargelegt, wie das standesherrliche Haus im Laufe des 19. Jahrhunderts Rechtspersönliclikeit erwarb. Die Familie ißt als Einheit organisiert. Wohl besitzt im Zweifel noch jeder Agnat für seine Linie Autonomie; aber ein Familiengeseta für das ganze Haus ist rechtlich kein Familienvertrag mehr, sondern ein Gesetz, erlassen von allen Agnaten im Namen des Hauses. Weil die mediatisierte Familie Persönlichkeit wurde, muß sie es nicht nach jeder Richtung geworden sein. Logisch denkbar wäre, daß in der Eigentumsfrage nur die Veränderung eintrat, daß die Agnaten als Miteigentümer wegfielen, weil die Gesamtbelehnung aufhörte, aber der Stammgutsinhaber Eigentümer blieb, da ihm allein die Nutzung daran zustand und er nur zu gewissen Verwaltungsakten ihrer Zustimmung bedurfte. Die Entwicklung hätte um so mehr derartig verlaufen können, als eine unmittelbare Rückwirkung vom Staatsvermögen hier fehlte. Der Standesherr ist nicht zugleich Inhaber des Staatsvermögens. Also folgt hier daraus, daß der Stammgutsinhaber aufhört, Eigentümer des einen Vermögens zu sein, nicht, daß er auch das Eigentum an dem anderen Vermögen verliert. Allein wenn die mediatisierte Familie auch die Eigenschaft verlor, regierendes Haus zu sein, so hörte sie doch nicht auf, zu den hochadeligen Häusern zu zählen und damit den regierenden nahe zu stehen. Mit ihnen verband die mediatisierten Geschlechter eine jahrhundertalte gemeinsame Geschichte. Es ist verständlich, daß diese sich fortsetzte. Und so sehen wir, daß auch für die Eigentümerfrage das standesherrliche Recht dem der

— 35 — regierenden Häuser folgte. An die Stelle des gesamthänderischen Miteigentums von Haupt und Agnaten trat das Alleineigentum des Hauses als solchen, das in Ausübung der Eigentumsrechte vertreten wird vom Chef allein oder von ihm und den Agnaten. Der Zusammenhang mit der Verfassungsentwickelung tritt in den Zeitpunkten, in welchen die neuen Hausgesetze erlassen werden, deutlich hervor. Am 6.November 1819 vereinbarte dieGräflich R e c h t e r n - L i m p u r g s c h e Familie ein neues Statut. Es ist abgedruckt im bayerischen Regierungsblatt von 1823 S. 347. Hier heißt es: „Vor allem beachten wir die fideikommissarische Qualität, mit welcher alle Limpurgischen Landen als Reichsallodien und Geschlechtsgüter von den ältesten Zeiten her durch bündigste Verträge affiziert sind dergestalt, daß Landesveräußerungen ohne Vorwissen und Einwilligung s ä m t l i c h e r T e i l h a b e r nicht geschehen noch auf andere Weise sukzediert werden kann, als wie es der Natur der Geschlechts- und Fideikommißgüter und denen damit pari passu stehenden und unzertrennlich verbundenen feudis stemmaticis promiscuae successionis nach den Lehenund fideikommissarischen Rechten, dann den Limpurgischen Hausverträgen gemäß ist". Wir sehen, das Statut ruht noch vollkommen auf alter Anschauung. Jeder Agnat ist Teilhaber. Die Standesherrschaft steht im Miteigentum der Agnaten. Schärfer bekundet dies noch die Bestimmung: Die ältesten Teilhaber (d. s. die zwei Senioren) beider Hauptlinien sollen für die „Gesammtheit" die Verwaltung führen; den übrigen Teilhabern soll die Befugnis der Einsicht der Akten und Rechnungen zustehen. Ganz anders bereits der C a s t e l l e r Familienvertrag von 1827, der schön in § 6 zu erwähnen war. Hier lesen wir in § 11: „Die Häupter üben gemeinsam die Verwaltung des Haus und Stammvermögens . . . aus", nachdem in § 1 und 2 vorausgeht: „In dem gräflichen Hause Castell und für dasselbe besteht ferner wie bisher ein Stamm- und Hausvermögen. Den Gegensatz zum Haus- und Stammvermögen bildet das Privat- und eigene Vermögen jedes Familienhauptes und der einzelnen Familienglieder 4 . Die Häupter üben somit bloß die Verwaltung aus. Das Eigentum gehört ihnen nicht. Deutlicher erklärt den Chef des Hauses nur für den Nießbraucher das Familienstatut der Grafen (seit 1901 Fürsten) von W y k r a d t - I s n y vom 28. Okt. 1838 (bayer. RegBl. 1838 S. 161), indem es dort heißt: „(Die Fideikommißbestandteile) sind Unseren Nachfolgern nur zu einem die Integrität der Substanz nicht alterierenden Nießbrauche überlassen" und der Besitzer der Stamm- und Fideikommißgüter bloß jeweiliger Herrschafts„Inhaber" genannt wird. Es folgt der Familienvertrag des Hauses E r b a c h - E r b a c h - R o t h von 1846. Auch hier finden wir den Satz: „Das Haupt des Hauses hat die s*

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Verwaltung des Haus- und Stammvermögens (und die Ausübung derjenigen Verwaltungsrechte, welche (nach Staatsrecht) dem Hause Wartenberg zukommen)". Das Haupt ist somit nur Verwalter, also Besorger fremder Rechte. Im Giechschen Hausgesetze von 1855 ist die Frage ausführlicher behandelt. § 4 lautet: „Dem Familienhaupt stehen Verwaltung, Genuß und Vertretung des Haus- und Stammvermögens zu. Er übt alle Eigentumsrechte aus". Die von Gerber veröffentlichten Motive hierzu bemerken S. 111: „Nach der in dem Wesen des Eigentums begründeten, gewöhnlichen Auffassung des rechtlichen Begriffes der Stammgüter erscheint die Familie, das Haus, der Stamm oder das Geschlecht als der Eigentümer, das jeweilige Familienhaupt aber als der Verwalter und Nutznießer des Haus- und Stammvermögens. Er übt daher auch Namens der ersteren alle Eigentumsrechte". Im Statut des Hauses Castell 1861 begegnet wieder der Satz: „Die Häupter des Hauses üben (ein jeder in seiner Linie) die Verwaltung des Haus- und Stammvermögens aus". Es wird damit bestätigt, daß ihnen das Eigentum daran nicht zusteht. Die Hausgesetzgebung der Gräflichen Familie Pappenheim von 1864 bringt die Wendimg „das unserem standesherrlichen gräflichen Hause gehörige Vermögen" und bestimmt „das Familienhaupt repräsensiert das Haus in Beziehung auf alle seine gesetzlich begründeten Rechte". Es reiht sich an das Oettingen-Wallersteinische Statut vom 24. Juni 1866. Hier ist in Tit. VI Art. 1 bestimmt: „Das Stammgut ist nach der Natur der Stammgüter ein durch die Statute des Hauses beschränktes Gesamteigentum unseres fürstlichen Stammes, die Verwaltung und Benutzung ist aber der Treue des Erstgeborenen anvertraut. Er ist der Fideikommissar". Das heißt im Zusammenhalte mit dem Satze des Tit. II Art. 1, wonach er das Haus in seinen äußeren Beziehungen repräsentiert : er ist nicht Eigentümer des Stammgutes. Bestätigt wird dies durch das Hausgesetz für das Gesamthaus (Dettingen vom 26. Januar 1876 (bayr. GVerord. Bl. 1876 S. 391; württ. Reg. Bl. 1900 S. 835). Was früher durch Erbeinigung und Gesamtbelehnung geschah, wird hier durch „Hausgesetz" geordnet, indem Art. 1 bestimmt: „Alles, was die fürstlichen Linien Oettingen-Spielberg und Oettingen-Wallerstein gegenwärtig besitzen und in Zukunft erwerben, ist Oettingensches Stammgut und bildet als solches ein dem Eigentum nach gemeinsames, aber der Verwaltung und Nutzung nach getrenntes Stammgut in dem Mannesstamme der vormaligen Grafen und Fürsten von Oettingen mit gänzlichem Ausschlüsse der weiblichen Nachkommen bis zur Erlöschung des Mannsstammes". Art. VI fügt hinzu: „Das jeweilige Haupt einer Linie übt die Verwaltung des seiner Linie

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angehürigen Haus- und Stammvermögens (selbständig und unabhängig von der anderen Linie nach Maßgabe der speziellen Hausgesetze) aus". In Übereinstimmung damit steht auch der fürstlich Leiningische Familienvertrag vom 29. Juni 1867 (hess. Reg. Bl. 1869 S. 964). Hier ist in Art. 3 gesagt: „Die fürstliche Standesherrschaft sowie überhaupt das fürstliche Hausvermögen ist Stammgut des fürstlichen Hauses Leiningen und der gräflichen Häuser Leiningen-Billigheim und LeiningenNeudenau", und Art. 12 ftlhrt fort: „Der jeweilige Inhaber des Stammgutes ist berechtigt, dasselbe nach seinem Ermessen zu verwalten und zu nutznießen". Mit besonderer Klarheit formuliert dann wieder das Statut für das gräfliche (jetzt fürstliche) Haus Stolberg-Wernigerode von 1876. § 2 lautet: „Das Stammgut (des Hauses) ist Eigentum unseres Gräflich Stolberg-Wernigerodeschen Hauses und kann daher, soweit nicht in den folgenden Paragraphen etwas anderes bestimmt ist, nur unter Zustimmung aller zu unserem Hause gehörigen Agnaten veräußert werden. Dem Haupte des Hauses steht als Stammgutsbesitzer die ausschließliche Benutzung des Stammgutes zu; er hat die Verwaltung.... zu führen... und hat unser Haus in allen auf das Stammgut bezüglichen Angelegenheiten . . . nach Außen hin zu vertreten". In dem Hausgesetze der Grafen von Ortenburg-Tambach von 1891, abgedruckt im bayr. Gesetz- und Yerord.-Blatt 1891 S. 416, lesen wir: „In unserem Gräflichen Hause besteht nach wie vor ein unteilbares und in der Regel auch unveräußerliches Haus- und Stamm vermögen". In anderen Artikeln wird dafür gesagt: Stammgut unseres Hauses, Vermögen unseres Hauses. Trotzdem ist damit noch nicht sicher, daß das Haus als Einheit der Eigentümer sein soll. Es könnte auch bedeuten: Vermögen aller Agnaten oder Vermögen des Hauptes, aber den Agnaten verbunden. Allein in Art. 7 wird der Chef „das die Verwaltung führende Familienhaupt" genannt. Daraus folgt, daß weder ihm noch den anderen Agnaten ein Eigentum am Hausgute zugeschrieben wird. Nun kommen eine Reihe Gesetze, welche das Haus mit denselben Worten ak Eigentümer voraussetzen. Im Solms-Laubachschen Familienstatut von 1894 heißt es in Art. 3: „Dem Haupte des Hauses steht als Stammgutsbesitzer die ausschließliche Benutzung des Stammgutes zu; er hat die Verwaltung zu führen und das Haus in allen auf das Stammgut bezüglichen Angelegenheiten, soweit es nicht nach unserem Familienrecht der Mitwirkung der Agnaten bedarf, nach Außen hin und namentlich auch vor Gericht zu vertreten". Die Formulierung ist der des Hausstatutes für die Familie StolbergWernigerode nachgebildet. Denselben Art. III finden wir in dem Haus-

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gesetze für B e n t h e i m - S t e i n f u r t vom März 1898, in der Hausverfassung von Stolberg-Roßla aus dem Jahre 1899. Auch aus den Hausgesetzen der fürstlichen Familien S a l m - H o r s t m a r vom 5. Juli 1899 (Art. 52) und W i e d vom 25. August 1905 (Art. 4) ergibt sich als Eigentümerin des Hausvermögens die Familie selbst. Das Gleiche gilt für die Hausgesetzentwürfe der Häuser E r b a c h - S c h ö n b e r g und Bentinck. In dem Entwürfe des Hausgesetzes für alle Hohenloher Linien vom Jahre 1910 bestimmt § 44: „ Jedes Einzelhaus ist Alleineigentümer seines Stammgutsbesitzes. Die anderen Einzelhäuser haben daran nur Erbrechte. Ein Eigentum des Gesamthauses bilden nur das Fürstliche Archiv zu Ohringen, der Hausschmuck und das sog. Heiligtum". Zuni Schlüsse sei noch ein Hausgesetz erwähnt, das die standesherrliche Familie in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin ausdrücklich als juristische Person bezeichnet. Das an die Stelle des FamihenVertrages von 1867 getretene Hausgesetz für das fürstliche Haus L e i n i n g e n v. 23. Okt. 1897 (bayr. G. u. VOB1. 1898 S. 31; Bad. G. u. YOB1. v. 1898 S. 437; liess. Reg. Bl. v. 1898 S. 327) bestimmt in § 3: „Die Fürstliche Standesherrschaft sowie überhaupt das Fürstliche Hausvermögen ist Stainmgut des Fürstlichen Hauses Leiningen ; dasselbe kann nur unter den durch diese Eigenschaft bedingten . . . Beschränkungen besessen und genossen werden". Indem § 12 fortführt: „Der jeweilige Inhaber des Stammgutes ist berechtigt, dasselbe nach seinem Ermessen zu verwalten und zu nutznießen (gleichzeitig aber auch verpflichtet, dessen Grundstück zu erhalten)", war klargestellt, daß der Genetiv „des Fürstlichen Hauses Leiningen" genetivus possessivus, nicht objectivus ist, d. h. dem Hause, nicht für das Haus gehörig bedeutet. Trotzdem traten Zweifel auf. Das Fürstliche Haus Leiningen hat daher am 27. Juli 1899 eine authentische Interpretation angefügt. Sie lautet: „Die das Stammgut bildenden Vermögensteile stehen im Gesamteigentume des Fürstlichen Hauses als einer juristischen Person oder Körperschaft (der fürstlichen Standesherrschaft im subjektiven Sinne)". Der Wichtigkeit der Sache wegen empfiehlt es sich, die in dem hess. Reg. Blatt von 1899 und den badischen und bayrischen Gesetz- und Verordnungsblättern von 1900 bzw. 1902 abgedruckte authentische Interpretation in ihrem Wortlaute hieher zu setzen. Sie lautet bis auf den Schlußsatz: Nachdem über die Auslegung des § 3 Unseres Hausgesetzes v. 23. Okt. 1897 Zweifel entstanden sind, beurkunden wir hiermit, daß die genannte Vorschrift in Übereinstimmung mit der von jeher in Unserm Fürstlichen Hause geltenden Rechtsüberzeugung und -Übung (z. B. § 3 Unseres früheren Hausgesetzes v. 29. Juni 1867) nach Unserem einmütigen und unzweifelhaften Willen das Folgende besagen sollte:

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1. Der Satz: „Die fürstliche Standesherrschaft sowie überhaupt das fürstliche Haus vermögen ist Stammgut des fürstlichen Hauses Leiningen" bedeutet: Die das fürstlich Leiningische Stammgut bildenden unbeweglichen und beweglichen Vermögensstücke (§ 6 des Hausgesetzes), im Gegensatze zu dem im § 22 erwähnten fürstlichen Privatvermögen, stehen nicht im Einzeleigentume der jeweiligen Fürsten, sondern im Gesamteigentume des fürstlichen Hauses als einer juristischen Person oder Körperschaft (der „Fürstlichen Standesherrschaft" im subjektiven Sinne). 2. Der Satz: „dasselbe kann nur unter den durch diese Eigenschaft bedingten . . . Beschränkungen besessen und genossen werden" bedeutet: dem jeweiligen Fürsten zu Leiningen, als dem Haupte des Hauses, kommt lediglich die Verwaltung und Nutznießung des unter 1 erwähnten fürstlichen Hausvermögens zu.

§ 10. Das Ergebnis der Entwickelang. 1. Aus der im vorigen Paragraphen gegebenen Übersicht über die standesherrliche Hausgesetzgebung der letzten Jahrhunderte folgt, daß sich während derselben ein gemeines standesherrliches Privatfürstenrecht dahin gebildet hat, daß das Haus als juristische Person die Standesherrschaft im objektiven Sinne und überhaupt alle Hausgüter eigentümlich besitzt. Diese Gemeinüberzeugung spricht sich gut in dem Schlußsatze der vorhin betrachteten authentischen Interpretation zum Leiningischen Hausgesetz aus. Es heißt da: „Wir, die mitunterzeichneten Agnaten des Fürstlich Leiningischen Hauses, erklären noch ausdrücklich, daß Wir niemals einem Hausgesetze Unsere Zustimmung erteilt haben würden, das im Widerstreite mit vorstehenden Sätzen das Eigentum an dem Fürstlichen Stammgute dem jeweiligen Fürsten zugesprochen haben würde". 2. Da der Sitz der Standesherrschaften sich weit überwiegend in Ländern befindet, wo der Übergang zum Verfassungsstaate und damit auch zur veränderten Auffassung der Eigentumsverhältnisse des Hausgutes der regierenden Familien vor 1830 erfolgte, darf angenommen werden, daß jene Rechtsüberzeugung in den standesherrlichen Häusern in den dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts zu einer allgemeinen wurde und daher in den folgenden Hausgesetzen ausnahmslos zur Geltung kam. Begreiflich ist, daß die Ausdrucksweise zuerst oft noch eine unsichere war. Die Grafen von Pückler-Limpurg haben im Juni 1906 ein neues, an Stelle des Hausgesetzes vom 18. Nov. 1844 getretenes Familienstatut errichtet. Hier lesen wir über das aus den württembergischen Besitzungen des Hauses gebildete Familienfideikommiß klar und deutlich in Art. X :

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„Der Inhaber des Fideikommisses zieht die Nutzungen des Fideikommißvermögens. Er übt an dem Fideikommiß vermögen alle Eigentumsrechte". Die Eigentumsrechte gehören ihm also nicht. Ganz anders das alte Hausgesetz. Während das neue im württ. Regierungsblatte von 1906 S. 507 mitgeteilt ist, steht das alte auszugsweise abgedruckt im württ. Regierungsblatte des Jahres 1845 S. 73. Dort heißt es wegen der gleichen Frage in § 43 : „Der Fideikommißbesitzer hat bloß die Rechte, aber auch die Pflichten eines Nutzungs-Eigentümers und haftet in dieser Beziehung seinen Fideikommiß-Nachfolgern". Hienach könnte es scheinen, als werde der Fideikommißinhaber immerhin als Eigentümer, wenn auch nur als nutzungs-, nicht verfügungsberechtigter angesehen. Der Vergleich mit einem ähnlichen Familienstatut ergibt, daß Eigentümer einfach für Berechtigter steht. Im hessischen Regierungsblatt von 1871 S. 229 findet sich das Hausgesetz der Grafen E r b a c h - E r b a c h vom 3. Okt. 1870. Die Grafschaft Erbach wurde s. Z. nur einer Nutz-, keiner Grund- oder Totteilung unterworfen. Daher besteht im Hause Erbach neben Spezial-Familien-Fideikommissen der Linien ein Erbachisches Gesamthaus-Fideikommiß. Die Rechtslage ist also dieselbe, wie sie in der Familie Pückler-Limpurg 1844 war. Auch in dieser Familie bestand damals ein Kondominatsverhältnis. In dem Erbach-Erbachischen Hausgesetze heißt es : „Das Eigentum des sämmtlichen Grundbesitzes ruht auf der Gesamtgrafschaft Erbach; die dermalen bestehenden drei Linien Erbach, Fürstenau und Schönberg haben nur ein Nutz-Eigentum". Den gleichen Gedanken kleidet das P ü c k l e r i s c h e Statut von 1844 in die Worte: „Wir (die Gründer der beiden Stämme) verordnen, daß die das Gräflich von Pücklersche Fideikommiß bildenden Güter, Rechte, Gefälle usw. von Unsern Nachkommen stets als ein unzertrennliches Ganzes in Gemeinschaft besessen und nur die Einkünfte verteilt werden sollen. In den zwei Stämmen, welche von Uns, den beiden unterzeichneten Brüdern, ausgehen, Boll die Lineal-Erbfolge nach dem Erstgeburtsrechte in der Art bestehen, daß in jedem Stamme immer nur der Erstgeborene zum Genüsse der Hälfte der Einkünfte des gesammten Fideikommiß" Vermögens berufen wird. Jeder Fideikommißbesitzer (Stammeshaupt, „Kondominatsherr") hat bloß die Rechte eines Nutzungseigentümers (§§ 17, 20, 21, 41)". In dem Statut der E r b a c h - E r b a c h i s c h e n Familie wird das Wort Nutzeigentümer auch umschrieben mit (zeitweiliger) Nutznießer (§ 13) und sein Recht bezeichnet als Verwaltungs- und Genußrecht. In § 17 lesen wir: „Das seit dem 28. Dez. 1754 bereits im Gräflich Erbach-Erbachischen Haus eingeführte Erstgeburtsrecht im Mannsstamm wird ferner aufrechterhalten, bestätigt und soll für immer oberster Grundsatz des Hausgesetzes sein. Demnach steht das Verwaltungs- und Genußrecht an dem Gräflich

— 41 — Erbach-Erbachischen Anteil des Gesamt-Fideikommisses zunächst Mir, Graf Franz Eberhard, und Meinen Nachkommen zu." Somit bedeutet Nuteungseigentümer Verwaltungs- und Genußberechtigter. Das Gesetz stellt ferner in § 5 dem Stamm- und Hausvermögen das „persönliche Privatvermögen des Familienhauptes" gegenüber. Somit ist das Haus- und Stamm vermögen als ein keiner Person d. h. keiner natürlichen Person zustehendes gedacht. 3. Das Endresultat ist nach alledem dieses: im Wege gemeinsamer Übung, also des Gewohnheitsrechtes, ist es gemeines standesherrliches Privatfürstenrecht geworden, daß Eigentümer des Hausgutes das Haus als juristische Person ist. Wenn nicht ein nach den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts erlassenes Hausgesetz klar und deutlich das Gegenteil bestimmt, gilt in allen standesherrlichen Familien: das Eigentum steht dem Hause als solchem zu. Altere Hausgesetze sind in dieser Richtung durch gemeines Gewohnheitsrecht abgeändert, wenn Hausobservanz es nicht beim alten beließ. Neuere Hausgesetze, die zu der Frage nicht Stellung nehmen, sondern nur das mehrdeutige Wort Fideikommißbesitzer verwenden, und ältere geltende Hausgesetze, die daher im Sinne der neuen gemeinen Rechtsüberzeugung auszulegen sind, gibt es z. B. in den Häusern Fugger, Isenburg, Fürstenberg. Ein allgemeines, neueres Hausgesetz fehlt bei ihnen. Wir fassen das ganze so zusammen: Wer Eigentümer des Hausvermögens ist, muß für jedes Haus besonders geprüft werden; im Zweifel sind die Hausgesetze dahin aufzufassen, daß Eigentümerin die Familie als rechtliche Einheit ist. In dem Sinne ist wohl auch zu verstehen ein nicht veröffentlichtes Urteil des Reichsgerichtes vom 28. Juni 1907 in Sachen Fürst Isenburg gegen Fürst Löwenstein. In den Entscheidungsgründen begegnen da die Sätze: „Die rechtliche Konstruktion eines Obereigentums der Familie muß jedenfalls für den vorliegenden Fall für zutreffend erachtet werden, da die Rechtspersönlichkeit der hochadeligen Familie in Wissenschaft und Rechtsprechung anerkannt und überdies in den Hausgesetzen des Isenburgischen Gesamthauses das Stammgutsvermögen für allezeit unveräußerliches Familiengut erklärt ist. Dementsprechend führt dann auch das landgerichtliche Urteil aus, es stehe nicht Vermögen des Herrn Klägers, sondern das unveräußerliche und unteilbare Erbgut der Fürstlichen Familie Isenburg-Birstein in Frage." 4. Dadurch daß die Bundesakte und die sie einführenden Landesgesetze den Mediatisierten nur die Befugnis zusprechen, verbindliche Verfügungen zu treffen, sollte der Hausobservanz weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft der Charakter der Rechtsquelle genommen werden.

— 42 — In demselben Umfange, in dem Privatfiirstenrecht durch Satzung (Familienverträge) entstehen konnte, konnte es sich auch als Hausgewohnheitsrecht bilden. Bundesakte Art. XIV will das fürstliche Sonderrecht erhalten, gleichgiltig aus welcher Quelle es floß und fließen wird1); setzte sich doch das Sonderrecht meist aus Satzung und Herkommen zusammen. Natürlich konnte das Landesrecht seinerseits Autonomie oder wenigstens Gewohnheitsrecht ausschließen. ') Ebenso L ö n i n g S. 45 und 63.

Zweiter Teil.

Gesetzgebung und Praxis der Einzelstaaten. § 11. Die Yerkennung der Kedentnng des Wortes Familienfideikommiß. Während die allgemeine Theorie und die streitige Gerichtsbarkeit fast ausnahmslos bereit ist, die Rechtspersönlichkeit und Eigentümers teilung des hochadeligen Hauses jedenfalls für das heutige Recht im Zweifel anzuerkennen — wir haben das in § 1 dargelegt —, begegnet die Eigentümerstellung und Rechtssubjekts-Eigenschaft der hochadeligen Familien in der Einzel-Gesetzgebung der Gliedstaaten und ihrer Auslegung und in der nichtstreitigen Rechtspflege da und dort der Ablehnung. Wenn wir der Ursache dieser ablehnenden Rechtsaufiassung nachgehen, so liegt sie in einer nicht genügenden Beachtung der Tatsache, daß das Wort Fideikommiß eine weitere und eine engere Bedeutung besitzt. Im weiteren Sinne, der auf Ph. K n i p s c h i l d s Tractatus de fideicoinmissis familiarum nobilium sive de bonis quae pro familiarum nobilium conservatione constituuntur (von den Stämmgütern) aus dem Jahre 1654 zurückführt1), bedeutet Familien-Fideikommiß eine Vermögensmasse, für die zum Zwecke dauernder Erhaltung einer Familie Teilbarkeit, Veräußerlichkeit und Testierfreiheit ausgeschlossen ist. Im engeren Sinne ist eine derartig gebundene Vermögensmehrheit lediglich dann Fideikommiß, wenn diese Gebundenheit auf Rechtsgeschäft ruht. Unter die Fideikommisse dieser Bedeutimg fällt das durch Rechtsgesetz, nämlich einen autonomischen Akt errichtete nicht. Dieses Fideikommiß ist das hochadelige Hausgut. Das Fideikommiß weiteren Sinnes umfaßt das engerer Bedeutung und das hochadelige Hausgut. Für beide hat sich eine verschiedene Rechtsordnung entwickelt. Das eine steht unter gemeinem oder gliedstaatlichem Fideikommißrecht, das andere unter hochadeligem Hausrecht. Das eine wird errichtet durch eine gewöhnlich von einer Fideikommißbehörde genehmigte ') Vergl. B e s e l e r , Über die Stellung des bürgerl. Gesetzbuchs Deutschlands zu dem Familienrechte des hohen Adels 1877 S. 22.

— 44 — Stiftungsurkunde, das andere wird begründet durch ein vom Landesherrn geprüftes oder bestätigtes Hausgesetz. Besonderes staatliches Recht hat Bich nur gebildet für das durch Stiftungsgeschäft entstehende Fideikommiß. Dies ist das eigentliche und wahre Fideikommiß. Das andere ist unechtes, technisch nicht Fideikommiß, sondern hochadeliges Haus- oder Stammgut. Der Unterschied ist im Bürgerlichen Gesetzbuche anerkannt. EG. z. BGB. Art. 59 überläßt dem Landesrechte die Vorschriften über Familienfideikommisse, Lehen und Stammgüter und allodifizierte Lehen. EG. Art. 58 stellt dem Landesrechte und nach Maßgabe des Landesrechtes den Hausverfassungen anheim die Regelung der Familien- und Güterverhältnisse der mediatisierten Geschlechter. Die Güter der standesherrlichen Häuser werden noch heute oft in den Hausgesetzen Fideikommisse genannt. Es wäre besser, dies zu unterlassen, weil es leicht zu Verwechslungen mit den eigentlichen Fideikommissen führt, aber es geschieht. Daher kann nicht Art. 58 einschränkend aus Art. 59, sondern nur Art. 59 einschränkend durch Art. 58 ausgelegt werden. Art. 58 gilt für alle standesherrlichen Güter, nicht bloß für die, welche nicht Fideikommisse heißen, und Art. 59 hat Geltung nicht für alle Familienfideikommisse, sondern bloß für die, die nicht unter Art. 58 fallen. Art. 59 findet keine Anwendung auf Güter der ehemals reichsständischen (und reichsritterschaftlichen) Familien, die hausverfassungsmäßig gebunden sind. Auch dem Reichsgerichte ist die Wesensverschiedenheit von hochadeligem (oder autonomischem) und gewöhnlichem Familienfideikommiß geläufig. Im Erkenntnis des Reichsgerichts III. Zivil-Senat vom 19. April 1887 (EZ. Bd. 18 S. 198ff.) wird, wie Rosin 1 ) treffend bemerkt hat, die Sonderstellung des hochadeligen Familienfideikommisses gegenüber dem »gewöhnlichen" oder „ privatrechtlichen" mehrfach, nämlich S. 206 a. E., 207, 210 a. E., 211, entschieden hervorgehoben. Allerdings findet sich in einem Urteile desselben Senats vom 4. Februar 1890 (Bd. 26 S. 154) der Satz, die wesentlich dem öffentlichen Rechte angehörenden Rechtsgrundsätze, die bei ehemals Reichsständischen rücksichtlich der Nachfolge in die Landesregierung und in die mit dieser in Zusammenhang stehenden Hausund Kronfideikommisse in Geltung waren, könnten nur mehr für die Sukzession in Hausfideikommisse heute noch regierender Häuser, nicht aber noch für die Sukzession in standesherrliche Stamm- und Fideikommißgüter herangezogen werden, weil diese Privateigentum der Mediatisierten geworden seien und daher privatrechtlichen Normen unterlägen. Allein dies ist nur eine vorübergehende Entgleisung. So faßt es auch Rosin auf8). «) Jherings J. 32, 340. •) A. a. 0. S. 342 N. 6.

— 45 — Gleich in dem nämlichen Urteile noch — S. 156 — betont derselbe Senat, daß den Mediatisierten das „Sonderrecht" verblieben sei, ihre eigentümlichen Rechtsverhältnisse selbst zu ordnen. Daher gilt für ihre Güter im Zweifel nicht Privatrecht. In den früher erwähnten, in der Sammlung nicht abgedruckten Entscheidungen vom 23. Oktober 1906 (Fall Welsburg) und 28. Juni 1907 (Fall Isenburg) macht das Reichsgericht innerhalb der hochadeligen Familien keinen Unterschied. Die Grenze läuft nicht zwischen Hausgut regierender und mediatisierter Häuser, sondern zwischen Hausgut autonomiebefugter und autonomieloser Häuser. Denselbep Standpunkt vertritt das Reichsgericht in RGZ. 21 S. 410 und 22 S. 250. § 12.

Prenflen. Am einfachsten erledigen sich die Streitfragen für Preußen. Wie es schon § 52 der preußischen Grundbuch-Ordnung von 1872 tat, bestimmt der an seine Stelle getretene Art. 15 des Ausführungsgesetzes Preußens zur Reichs-Grundbuch-Ordnung vom 26. September 1899 (preuß. G. S. 307): Lehens-, Meier-, Erbzins- und Erbleihegüter sowie sonstige Güter, an denen ein Obereigentum besteht, Erbpacht- und Familienfideikommißgüter . . . sind auf den Namen des jeweilig zu Besitz und Nutzung Berechtigten einzutragen. Die Eigenschaft des Gutes ist als Verfügungsbeschränkung einzutragen. Damit ist gesagt: für das formelle Grundbuchrecht, für das Grundbuchwesen gilt der Fideikommiß-Besitzer und Nutznießer als Eigentümer, mag er es materiellrechtlich sein oder nicht. Dadurch entsteht die Frage, ob die standesherrlichen Hausgüter unter die Bestimmung fallen. Die Frage entscheidet § 90 der Grundbuch-Ordnung. Wohl überträgt GrBO. § 83 den Vorbehalt zugunsten der Landesgesetze und Hausverfassungen für die standesherrlichen Güter auch auf das Grundbuchrecht. Aber § 90 der GrBO. zieht dem eine Schranke. Trotzdem § 83 einen Vorbehalt zugunsten des Art. 57 des EG. z. BGB., d. h. für die regierenden und seit 1815 depossedierten Häuser macht, enthält die GrBO. über ihre Güter doch eine Bestimmung, eben die des § 90. Dort wird geregelt, daß durch landesherrliche Verordnungen „Grundstücke, die zum Hausgut oder Familiengut einer landesherrlichen (oder seit 1815 depossedierten) Familie gehören" vom Buchungszwange befreit werden können. Daraus folgt, daß § 90, obschon § 83 einen Vorbehalt zugunsten der standesherrlichen und reichsritterschaftlichen Güter ausspricht, auch fiir diese Familiengüter Geltung hat. Freilich eine andere. Dadurch, daß er sie in

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§ 90 nicht nennt, hat der Gesetzgeber ausgedrückt: diese Güter müssen ein Grundbuchblatt erhalten. Landesherrliche Verordnung und Hausgesetzgebungsakt können sie nicht für buchungsfrei erklären. Es unterliegt keinem Zweifel, bemerkt auch Edg. L ö n i n g in der oft zitierten Denkschrift S. 131, daß zu den Grundstücken, die vom Buchungszwange befreit werden dürfen, die standesherrlichen Hausgüter nicht gehören. Daher bezieht sich das preußische Ausführungsgesetz zur GrBO. auch auf Grundstücke, die zum Haus- oder Familiengute standesherrlicher Geschlechter gehören. Freilich sind sie in Art. 15 nicht ausdrücklich genannt. Aber der Artikel handelt von all den Gütern, wo es einen jeweilig zu Besitz und Nutzung Berechtigten gibt. Freilassen vom Buchungszwange durfte das Gesetz diese Grundstücke nicht. Ein Grund anzunehmen, daß der Gesetzgeber wollte, bei den standesherrlichen Grundstücken solle das Haus als Eigentümer eingetragen werden, fehlt, da ganz die gleiche Rechtstatsache jeweiligen Besitz- und Nutzungsrechtes vorliegt. Hinzukommt, daß in Preußen sogar beim Hausgute der regierenden Familie es noch üblich ist, es Fideikommiß — Kronfideikommiß — zu nennen. Daher bleibt als die einzig mögliche Erklärung: in Art. 15 des AG. z. GrBO. steht F a m i l i e n f i d e i k o m m i ß a u s n a h m s w e i s e im w e i t e r e n Sinne. Es umfaßt auch die autonomischen Fideikommisse, also, wenn keine landesherrliche Verordnung ergeht (was für das landesherrliche Hausgut allerdings geschah), auch die Hausgüter der nichtinediatisierten hochadeligen Familien Preußens. Im Übrigen werden die standesherrlichen Hausgüter in Preußen nicht wie gewöhnliche Familienfideikominisse behandelt. Ihre Errichtung wird nie durch die Fideikommißbehörde, d. i. einen Senat des Oberlandesgerichts, sondern immer durch den König bestätigt. Die Hausverfassung für das fürstliche Haus S t o l b e r g - R o ß l a vom 27. und 28. Dezember 1899 hat am 31. Januar 1900, also bereits unter der Herrschaft des Bürgerlichen Gesetzbuches, ihre Genehmigung durch den Landesherrn erhalten: „Wir "Wilhelm genehmigen und bestätigen die gedachte Haus Verfassung". Daher steht auch die Frage, wer Eigentümer der Standesherrschaften ist und ob die standesherrliche Familie Rechtspersönlichkeit besitzt, nicht unter gewöhnlichem Fideikommißrechte. Es würde kein einheitliches sein. Nur in den alten Provinzen gilt greußisches Landrecht; in Hannover ist noch ein Fideikommißgesetz von 1836 in Geltung, soweit es sich nicht um die Landesteile handelt, die Preußen 1815 an Hannover abtrat (Ostfriesland, Lingen mit den münsterechen Absplissen und dem Eichsfeld); im ehemaligen Kurhessen und Nassau ist gemeines Recht maßgebend1)- Inder ') Näheres bei R a m d o h r , Landrechts 1909 S. 176 ff.

Das Familienfideikommiß im Gebiete des preuB. Allg.

— 47 — Praxis aber wurden die Standesherrschaften der neuen Landesteile1) von Anfang an nicht anders behandelt, als die der alten. Die Abänderungen und Neuordnungen der Hausgüterverhältnisse werden nicht als Änderungen und Erweiterungen einer Familienfideikommißstiftung, sondern als Änderungen und Umgestaltungen der Hausgesetzgebung, nicht als Familienschlüsse sondern als autonomische Akte angesehen. Die Fürsten von Bentheim und S t e i n f u r t und zu W i e d sind Standesherren sowohl der alten wie der neuen Provinzen. Der Fürst von Bentheim-Steinfurt gehört zu Westfalen wegen SteLnfurt, zu Hannover wegen Bentheim. Der Fürst zu Wied ist Standesherr der Rheinprovinz wegen Wied und solcher Nassaus wegen Runkel und Selters. Trotzdem wird in den Genehmigungsurkunden nicht die Verschiedenheit des Fideikommißrechtes in Westfalen und Hannover, Rheinland und Nassau berührt. In der Genehmigungsurkunde des Königs für das Haus Bentheim-Steinfurt vom 16. Juni 1898 heißt es vielmehr: „Wir bekennen hiedureh, daß wir auf Ansuchen des Fürsten zu Bentheim und Steinfurt dem von demselben mit den großjährigen Agnaten seines Hauses auf Grund des dem Fürstlichen Hause zustehenden Autonomierechts vereinbarten Hausgesetze über die Güter- und Familienverhältnisse des Fürstlichen Hauses Bentheim und Steinfurt Unsere Landesherrliche Genehmigung zu erteilen geruht haben". Den gleichen Wortlaut hat die Genehmigungsurkunde vom 18. Okt. 1905 für das Wiedische Hausgesetz. In diesem Hausgesetze ist im Eingange überdies gesagt, es sei erlassen auf Grund des § 21 der preuß. Instruktion vom 30. Mai 1820 (über die Rechtsverhältnisse der Standesherren in Preußen) und des Art. 58 des EG. z. BGB. Somit kommt EG. z. BGB. Art. 59, also das Fideikommißrecht, gar nicht in Betracht. Der 1903 veröffentlichte Entwurf eines Fideikommißgesetzes für ganz Preußen enthält die Bestimmung: Für die Familienfideikommisse der im Art. 58 des EG. z. BGB. bezeichneten Häuser und Familien bleiben die bisherigen Gesetze maßgebend'). Das würde auch gelten, wenn die Bestimmung in den Entwurf nicht aufgenommen würde. Denn das neue Fideikommißrecht könnte auf diese Fideikommisse keine Anwendung finden, weil sie nicht solche des Fideikommiß-, sondern des Hausrechtes sind. Aus dem Vorgeführten folgt: für die Eigentumsverhältnisse der standesherrlichen Hausgüter in Preußen ist es vollkommen gleichgiltig, ob sie in Landesteilen liegen, nach deren Recht bei gewöhnlichen Fideikommissen die Familie als solche Obereigentümerin ist (Gebiet des preußischen Landrechtes) oder ob sie in Provinzen belegen sind, nach deren Recht das ') Übersicht über diese Standesherrn bei D. G o l d s c h m i d t . Die Sonderstellung des Mediatisierten Preußens nach dem öffentlichen Rechte 1909 S. 64 ff. ») R a m d o h r S. 162.



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Eigentum an den Fideikommißgütern gewöhnlicher Natur dem Fideikommißinhaber zusteht (gemeinrechtliches Gebiet). Überall ist die hochadelige Familie als solche Eigentümerin, weil für die standesherrlichen Fideikommisse ganz anderes Recht, Hausrecht, angewendet wird. Ein dem preußischen Justizministerium angehöriger Kommissar des Bundesrates hat dies auch neuerdings bestätigt. Nach Drucksache Nr. 515 der Verhandlungen des Reichstages, XII. Legisl. Periode II. Session Anlagen, d. h. nach Bericht der 15. Kommission für das Zuwachssteuer-Gesetz, führte er aus, „die im Art. 57 und 58 des EG. z. BGB. behandelten vermögensrechtlichen Gebilde seien anders geartet als die im Art. 59 behandelten. In den Art. 57 und 58 würden nicht Vermögen Einzelner, sondern Vermögen von Familien behandelt und zwar solcher Familien, die korporativ organisiert und nach der herrschenden Lehre auch wie Korporationen anzusehen seien. Die preußische Justizverwaltung teilt somit den Standpunkt, daß die 8tandesherrlichen Familien als solche Eigentümer ihrer Hausgüter sind. § 13. Sachsen. Nicht so einfach wie in Preußen, aber immerhin noch einfach, lösen sich die praktischen Fragen für das Königreich Sachsen, wenn das Ergebnis auch gerade entgegengesetzt ist. Die Standesherren besitzen Autonomie nur, wenn und soweit der Staat sie ihnen einräumt. Die Familie S o l m s - W i l d e n f e l s ist Zweig eines standesherrlichen Geschlechtes1)- Aber für das Gebiet des Königreichs Sachsen besitzt sie keine Autonomie. Sachsen hat ihr nur Ebenbürtigkeit, das Prädikat Erlaucht und Landstandschaft eingeräumt'). Das Haus Schönburg erhielt Autonomie zuerkannt, aber gemäß EG. z. BGB. Art. 58 gehen bei der Regelung des Familien- und Güterrechts der Mediatisierten die Landesgesetze den Vorschriften der Hausverfassungen vor. Von diesem Vorränge, den das Reichszivilgesetzbuch dem Landesrechte beließ, hat die sächsische Landesgesetzgebung Gebrauch gemacht. Durch Gesetz vom 7. Juli 1900 wurde in Sachsen daa Recht der Familienanwartschaften, wie dort die Familienfideikom misse heißen, geregelt. An sich handelt es sich hier um die gewöhnlichen Familienfideikommisse, also um Anwendung des Vorbehalts in EG. z. BGB. Art. 59. Aber § 106 des Gesetzes bestimmt: „Auf die Familienanwartschaften, die von den ') R e h m , Prädikat- und Titelrecht S. 165. ') Näheres bei Otto M a y e r , Das Staatsrecht des Königreichs Sachsen 1909 S. 43.

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Fürsten und Grafen Herren von Schönburg auf Grund der ihnen nach Abschnitt VII § 6 des Erläuterungs-Rezesses vom 9. Oktober 1835 zustehenden Befugnis rechtswirksam angeordnet sind oder angeordnet werden, finden die Vorschriften dieses Gesetzes nur insoweit Anwendung, als nicht abweichende Bestimmungen getroffen sind". Die Befugnis, um die es sich hier handelt, ist die „Befugnis, über ihre Güter und Familienverhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen", somit die Befugnis der Autonomie. Nach § 8 jenes Gesetzes vom 7. Juli 1900 erfolgt die Anordnung einer Familienanwartschaft, also die Errichtung eines Familienfideikommisses durch Rechtsgeschäft unter Lebenden oder Verfügung von Todeswegen, daher durch rechtsgeschäftlichen, nicht durch autonomen Akt. In § 106 handelt es sich um Familienanwartschaften, die im Wege der Autonomie begründet und geordnet werden. Das Gesetz soll für solche Fideikommisse des Schönburgischen Hauses insoweit gelten, als auf Grund der Autonomie-Befugnis nichts abweichendes bestimmt ist oder bestimmt wird. Die standesherrlichen Fideikommisse der Familie Schönburg werden demnach subsidiär dem gewöhnlichen Fideikommißrechte unterworfen. Im Hause Schönburg bestehen zwei Primogeniturfideikommisse, das eine 1834, das andere 1860 begründet. Für das erste gilt zur Zeit die Primogeniturordnung des Fürsten Otto Viktor von 1862, für die zweite eine des Fürsten Karl Heinrich Alban von 1864 (sächs. G. u. VOB1. 1862 S. 532, 1865 S. 197). Beide Fideikommisse sind laut dort beigefugter RegierungsBekanntmachung auf Grund der Autonomiegewalt errichtet. Demgemäß unterstehen sie dem Gesetze von 1900. Dieses gilt auch für Familienanwartschaften, die zur Zeit seines Inkrafttretens bereits bestanden. Also finden auch Anwendung seine Vorschriften über den Eigentümer. Für den Eigentümer erklärt es den jeweiligen Fideikommißbesitzer ')• Die Primogenitur-Ordnungen der Schönburgischen Familie regeln die Eigentümerfrage nicht. Daher gilt für die Schönburgischen Hausgüter als Eigentümer das Stammhaupt. Das Haus kann dies aber jederzeit ändern. Dadurch, daß § 106 nur die Schönburger Familienanwartschaften nennt, ist zugleich bestätigt, daß die Familie Solms-Wildenfels in Sachsen keine Autonomie besitzt. § 14. Hessen. Das Hessische Recht setzt sich in unseren Fragen aus sächsischen und preußischen Rechtsgedanken zusammen. ') Kloß, Sächsisches Landesprivatrecht 1904 S. 224. Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Strafiburg XI.

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Auch die hessische Landesgesetzgebung bringt die standesherrlichen Hausgüter unter das Fideikommißreeht. Sachsen nennt sie Familienanwartschaften, Hessen Fideikommisse. Das in dieser Beziehung durch das hess. Ausführungsgesetz z. BGB. v. 17. Juli 1899 unverändert gelassene Gesetz des Großherzogtums Hessen über die Familien-Fideikommisse vom 13. September 1858 bestimmt in Art. 26, daß „es hinsichtlich der Fideikommisse der standesherrlichen Familien bei den in der Bundesakte Art. XIV denselben zugesicherten Rechten bleiben soll". Wehner 1 ) hat die Behauptung aufgestellt, aus der Vorschrift folge, daß das Fideikommißgesetz für die standesherrlichen Fideikommisse gar nicht in Betracht komme. Er erklärt, sollten die Normen des Fideikommißgesetzes auf die standesherrlichen Fideikommisse Anwendung finden, so wäre damit die den Standesherrn in Art. X des standesherrlichen Ediktes gewährte Autonomie so gut wie hinftlllig. Aus der exemten Stellung der standesherrlichen Fideikommisse folge, daß die Bestimmungen des Fideikommißgesetzes in keiner Weise auf die standesherrlichen Stanimgutsverhältnisse Anwendung finden dürften. Allein die Meinung läßt sich nicht halten. Der klare Wortlaut des Art. 26 verbietet es. Das Privatfürstenrecht soll hiernach nicht ausschließlich, sondern nur an erster Stelle gelten. Auch Löning ist der Anschauung, daß das Fideikommißgesetz für die standesherrlichen Hausgüter subsidiär gelte'). Der Unterschied zwischen dem sächsischen und hessischen Rechte besteht aber darin, daß nach hessischem Rechte die gewöhnliche Fideikommißordnung seltener zur Anwendung kommt als nach sächsischem. Das sächsische Gesetz läßt nur vorgehen Vorschriften, die auf Grund der Befugnis der Familie Schönburg, autonomische Verfügungen zu treffen, ergehen. Die hessische Gesetzgebung räumt den Vorrang ein den in der Bundesakte Art. 14 zugesicherten Rechten. Diese Rechte gehen aber dahin, daß den Mediatisierten zugesichert ist die Befugnis, nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung über ihre Güter und Familienverhältnisse autonom zu bestimmen. Nach den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung kommt die Autonomie den hochadeligen Familien auf dem Grunde des Privatfürstenrechtes, im Rahmen des jus privatum familiarum illustrium zu. Daher steht ihr gleich das Hausherkommen und das allen oder vielen erlauchten Familien gemeinsame gemeine Privatfürstenrecht. Somit gilt hier gewöhnliches Fideikommißreeht nicht bereits dann, wenn in der einzelnen Familie abweichende Rechtssätze und zwar solche landes') W e h n e r , Die privatrechtliche Sonderstellung der hessischen Standeshern 1903 S. 86f. *) In der Denkschrift: Die Autonomie der standesherrl. Häuser S. 74.

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herrlich genehmigter Autonomie fehlen, sondern erst in dem Falle, daß auch abweichende Rechtssätze des Hausherkommens und des gemeinen Fürstenrechts nicht vorhanden sind. Also gälte der Satz des neueren Privatfiirstenrechtes von dem Eigentumsrechte der standesherrlichen Familie als solchen auch dann, wenn das hessische Fideikommißgesetz die Eigentümerfrage regelte. Das ursprüngliche Fideikommißgesetz hatte das getan. 30. Sept. 1899 eine neue Fassung.

Allein dies Gesetz von 1858 erhielt Das alte erklärte den Fideikommiß-

besitzer und die Anwärter als gemeinschaftliche Eigentümer (Art. 15). Das hessische Ausführungsgesetz vom 17. Juli 1899 hat in Art. 277 diesen Artikel 15 aufgehoben, weil den neueren Anschauungen diese Aulfassung nicht mehr entspreche, ohne aber eine andere Theorie zum Gesetz zu erheben. Daraus folgt für die standesherrlichen Stammgüter aber nicht, daß sie im Grundbuche auf den Namen des Hauses eingetragen würden.

Es

bedarf vielmehr auch in Hessen der Eintragung bei jedem Wechsel des Stammgutsbesitzers, indem der hessische Staat Preußen folgend in sein Ausführungsgesetz zur Grundbuch-Ordnung v. 22. Juli 1899 als Art. 13 die Rechtsvorschrift aufnahm: „Familien-Fideikommisse sind auf den Namen des jeweilig zu Besitz und Nutzung Berechtigten einzutragen"1). Damit ist der Frage, wer Eigentümer des standesherrlichen Besitzes sei, die praktische Bedeutung entzogen. Daß Familienfideikommiß im Sinne dieser Bestimmung andrerseits auch das standesherrliche Stammgut umfaßt, folgt, wie in § 12 dargelegt, daraus, daß die Grundbuchordnung sich auch die standesherrlichen Hausgüter unterwirft.

Demgemäß gehören zu den

Familien-Fideikommissen auch eines Ausfuhrungsgesetzes zur Grundbuchordnung die ebengenannten Güter.

§ 15. Baden. Stammgut und Familienfideikommiß sind, wie wir aus § 11 wissen, scharf von einander zu trennen. Beim Fideikommiß beruht die Gebundenheit auf Rechtsgeschäft, beim Stammgute auf Herkommen oder Gesetz'), wozu auch Hausgesetz rechnet. Während nun in Preußen, Sachsen und Hessen die Landesgesetzgebung alter Übung gemäß das Stammgut unter den Begriff Familien-Fideikommiß bringt und so diesem Worte neben einer engeren eine weitere Bedeutung beilegt, ist in Baden seit dem Landrechte von 1809 ' ) Vgl. L ö n i n g a . a . O . S. 134. *) So auch die neueste Untersuchung, die v o n F r o m m h o l d , Zur Lehre vom Stammgut, Familien-Fideikommiß und Familien-Vorkaufsrecht in Festschrift Otto Gierke zum 70. Geburtstage dargebracht 1911 S.67. 4*



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das Fideikommiß unter den Begriff Stammgut gebracht. Die badische Landesgesetzgebung kennt keine Familienfideikommisse, sondern nur Stammgüter, deren Gebundenheit auf Verfügung oder auf Rechtssatz beruht. Wie in den anderen Staaten Zweifel darüber auftauchen, in welchem Sinne das Wort Familien-Fideikommiß im einzelnen Gesetze steht, ob im engeren oder im weiteren, so begegnen für das badische Recht die gleichen Schwierigkeiten wegen des Wortes Stammgut. Das Recht des Stammgutes war bis 1900 im badischen Landrechte geordnet. Seitdem hat es seine Ordnung im Ausführungsgesetze z. BGB. Art. 36. Die Errichtung eines Stammgutes ist nur möglich zugunsten adeliger Familien. Wie das Landrecht, macht auch das AG. z. BGB. Art. 36 § 4 dabei Unterschiede für Stammgüter des Ritter- und des Herrenstandes. Wer zum Herrenstande gehört, richtet sich nach dem VI. Badischen Konstitutionsedikt vom 4. Juni 1808 § 21. Hiernach umfaßt der Herrenstand .alle, welche fürstliche Würde haben oder mit einem wohl erworbenen Erbrecht an einem Fürstentum oder einer Grafschaft des ehemaligen deutschen Reichs unter rheinische Bundessouveräne gekommen sind". Demgemäß fallen die Mediatisierten unter den Begriff Herrenstand, ohne sich aber damit zu decken. Denn reichsständisch muß die Fürstenwürde und die Grafschaft nicht sein. Immerhin gilt somit das badische Stammgutrecht auch für standesherrliche Hausgüter. Es fragt sich nur, ob dem Privatfürstenrechte vorgehend oder es nur ergänzend. Dorner 1 ) behauptet das erstere, Löning*) das letztere. Dorner beruft sich8) für seine Meinung auf das Standesherren-Edikt des badischen Staates vom 23. April 1818 § 3, daß die Standesherren ihre Rechte, also auch ihre Autonomie nur nach Vorschrift der Landesgesetze ausüben dürfen. Allein der Sinn dieser Bestimmung ist damit von Dorner verkannt. Würde sie das bedeuten, was Dorner meint, so würde das autonome Fürstenrecht das gemeine Landesrecht nur ergänzen, nicht abändern können. Darin liegt aber gerade das Wesen dieser Autonomie, daß sie die Güter- und Familienverhältnisse der Mediatisierten abweichend vom gemeinen Landesrechte ordnen kann. Hätte Dorner recht, so würden die Standesherren seit jenem Edikte auch nicht mehr berechtigt gewesen sein, zu bestimmen, daß zur vollwirksamen Ehe Ebenbürtigkeit gehört, unebenbürtige Ehen den Kindern weder Namen und Stand des Vaters noch Ansprüche an das Hausvermögen geben, uneheliche Kinder weder durch nachfolgende Ehe noch ') D o r n e r und S e n g , Badisches Lindesprivatrecht 1906 § 76 Ziff. 2 (S. 404) und § 7 8 Ziff. 2 (S. 415) und g 84 Anm. 11 (S. 440). ") Die Autonomie usw. S. 74. ' ) A. a. 0 . S. 416 Anm. 8. Derselbe, Das bad. Ausführungsgesetz zum BGB. 1902 S. 3 2 8 u. 330.

— 53 — durch Ehelichkeitserklärung zu Hausmitgliedern werden können, auch durch Annahme an Kindesstatt diese Mitgliedschaft nicht erworben werden kann, Adoptionen den Hausangehören überhaupt verboten sein sollen usw. Die Worte „nur nach Vorschrift der Landesgesetze" können daher, soll die verliehene Autonomie überhaupt einen Sinn haben, bleiben, was sie vor 1806 war, nur eine andere Bedeutung besitzen. Sie bedeuten: Landesgesetze, die die Autonomie ausdrücklich beschranken, gehen ihr vor. Die Landesgesetze verleihen den Standesherrn „die Befugnis über ihre Güter und Familienverhältnisse verbindliche Verfügungen zu treffen". „Wir erkennen, erklärt der Großherzog von Baden in dem Standesherrenedikt vom 23. April 1818 § 11, das Recht ihrer Autonomie (der Standesherren) in Ansehung ihrer Familienverträge, Hausgesetze und Sukzessionsordnungen an". Es ist damit den Mediatisierten ein Recht eingeräumt, von allen Landesgesetzen abzuweichen. Also kann der Zusatz „nur nach Vorschrift der Landesgesetze" nicht bedeuten, jedes Landesgesetz über Familien- und Güterverhältnisse geht der Autonomie vor; sondern nur für das Gesetz kann dies gelten, das ausdrückt, daß es ausschließlich herrschen und demgemäß auch die Herrschaft der Autonomie ausschließen will. Wir stimmen L ö n i n g 1 ) völlig bei, wenn er schreibt: „Indem der Staat das Sonderrecht und das Recht der Autonomie der standesherrlichen Häuser anerkennt, hat er für seine g e s a m t e Gesetzgebung einen allgemeinen Vorbehalt gemacht, den er zwar jederzeit durch Gesetz beschränken und aufheben kann, der aber für alle diejenigen Gesetze besteht, die nicht eine ausschließliche Herrschaft fordern und damit diesen Vorbehalt beschränken oder aufheben. Demgemäß sind auch die in den Ausführungsgesetzen mehrerer Staaten enthaltenen Bestimmungen über Familien-Fideikommisse und Stammgüter dahin auszulegen, daß dadurch das bestehende Sonderrecht und das Recht der Autonomie der standesherrlichen Häuser nicht abgeändert wird Diese Bestimmungen gelten nur insoweit für das Hausgut der standesherrlichen Häuser, als nicht dessen Rechtsverhältnisse durch hausrechtliche Normen geordnet sind. Das Landesrecht nimmt nur eine subsidiäre Geltung in Anspruch . . . . Das gilt auch für die Bestimmungen des Badischen Ausführungs-Gesetzes über das Recht der Stammgüter . . . . Sie enthalten zwingendes Recht für diejenigen, die das Recht der Autonomie nicht besitzen". An keiner Stelle sagt das Ausführungesetz in seinen Vorschriften über die Stammgüter, daß es den autonomischen Normen vorgehen wolle. Demgemäß gilt dies Stammgüterrecht für standesherrliche Stammgüter bloß soweit, als autonome Rechtsnormen dafür fehlen. Das folgt auch noch aus einem anderen Grunde. Das Einführungs') A . a . O . S. 72, 86; auch S. 58.

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gesetz zum BGB. spricht von Familienfideikommissen und Stammgütern in Art. 59, von standesherrlichen Gütern in Art. 58, also in einem anderen Paragraphen und zwar so, daß für letztere die landesgesetzlichen Vorschriften und nach Maßgabe der Landesgesetze die Hausverfassungen unberührt sein sollen. Will ein Landesgesetz daher für Stammgüter in der Weise gelten, daß die Hausverfassungen hierüber zurückzustehen haben, so muß es dies ausdrücklich anzeigen. Die Worte: „In Ansehung der Mediatisierten bleiben nach Maßgabe der Landesgesetze die Vorschriften der Hausverfassungen unberührt" bedeuten nicht: die Hausverfassungen gelten nur hinter den Landesgesetzen über Güter- und Familienverhältnisse, sondern sie bedeuten: Landesgesetze dürfen die Hausverfassungen beschränken. Vollkommen zutreffend schreibt Löning: „Soferae das Recht der Autonomie nicht durch besondere Landesgesetze . . . . beschränkt ist, findet es weder an den Rechtssätzen, die in die Verfassungsurkunde aufgenommen sind, noch an verbietenden Landesgesetzen eine Schranke". Nicht alle Landesgesetze, die auch für standesherrliche Güter gelten, sondern bloß solche, die sich dafür ausschließliche Herrschaft beilegen, schließen Autonomie darüber aus. Die 17 Paragraphen, durch die Art. 36 des badischen Ausführungsgesetzes das Stammgutsrecht ordnet, enthalten auch nicht eine Bestimmung, aus der sich ableiten ließe, das Privatfürstenrecht solle hierüber keine abweichenden Bestimmungen bringen dürfen. Das Ergebnis ist somit: Art. 36 § 1 des badischen Ausführungsgesetzes bestimmt zwar „Der jeweilige Stammherr ist Eigentümer des Stammgutes", aber standesherrliches Hausrecht, hausgesetzliches oder observanzmäßiges, das standesherrliche Stammgüter für Eigentum der Familie als solcher erklärt, geht dieser Bestimmung vor. 2. Anderes ergibt auch nicht die badische Rechtspraxis. Dorner behauptet das Gegenteil. Er verweist zu dem Ende in seinem Kommentare zum badischen Ausführungsgesetze 1902 S. 320 auf drei in den Annalen der großherzoglich badischen Gerichte zu findenden Urteile. Allein diese Beweisführung ist nicht zugkräftig. Sie beschäftigen sich mit anderen Fragen. Das in Annalen Bd. 30 (1864) S. 206 abgedruckte Urteil des Oberhofgerichtes und das in den Annalen Bd. 45 (1879) S. 249 mitgeteilte Erkenntnis des Kreis- und Hofgerichtes Konstanz beziehen sich auf die Frage, ob auch Standesherrschaften unter den Begriff Stammgut des badischen Landrechtes fallen. Das dritte Urteil ist eine Entscheidung des Reichsgerichts vom 8. April 1885 (Annalen 51 S. 204) über die Frage, ob der Ausdruck Stammgut im badischen Landrechte auch das eigentliche, also auf Rechtsgeschäft gegründete Familien-Fideikommiß umfaßt. Beide

— 55 — Fragen werden bejaht, aber sie sind andere als die Frage, ob für standesherrliche Stammgüter das badische Stammgutsrecht primär oder nur subsidiär gilt. In dem reichsgerichtlichen Erkenntnisse begegnet allerdings der Satz: „Wenn sodann der Vertreter der Revisionskläger sich noch auf den Art. 14 der Bundesakte beruft, durch welchen die Autonomie der zum ehemaligen Reichsadel gehörenden Personen wiederhergestellt und damit sowie durch die daran sich anschließende badische Gesetzgebung die Möglichkeit erweitert worden sei, daß dem Landrecht widersprechende autonome Statuten entstehen, so kommt hiergegen in Betracht, daß hieraus jedenfalls kein Rückschluß für die Auslegung des badischen Landrechts gezogen werden kann". Allein damit will nur gesagt sein, für die Frage, ob eigentliche Familienfideikom misse Stammgüter im Sinne des Landrechtes sind, ist gleichgültig die Frage, ob autonome Statuten dem Landrechte widersprechen dürfen. Das Urteil des Reichsgerichtes läßt die letztere Frage also unentschieden. Die Fassung ist indessen so, daß es geneigt erscheint, die Frage zu bejahen. Es bestreitet nicht, daß die badische Gesetzgebung (Edikt von 1818) der Autonomie Abweichungen vom Landrechte erlaubt. Unmittelbar befaßt mit der vorliegenden Frage hat sich ein Erkenntnis des badischen Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Januar 1898. Es betrifft die bekannte Fürstenbergische Erbschaftssteuersache und ist abgedruckt in der Zeitschrift für badische Verwaltung und Verwaltungsrechtspflege 1898 S. 29 ff. Dem Gerichtshofe „steht es unzweifelhaft fest", daß der badische Gesetzgeber den im Landrecht normierten Stammgutsbegriff auch auf die Hausgüter der hochadeligen Familien angewendet wissen wollte (Seite 43). Aber der Gerichtshof läßt sich dadurch nicht abhalten zu untersuchen, ob nicht entgegen der Bestimmung des Landrechts, die dem Stammherrn das Eigentum zuspricht, das hochadelige Haus Fürstenberg als der Eigentümer anzusehen sei. Die Frage, daß Hausrecht dem Landrecht in dieser Beziehimg vorgeht, ist dem Gerichtshofe so selbstverständlich, daß er sie gar nicht aufwirft, sondern sofort prüft, ob der fürstlichen Familie Fürstenberg nach ihrer Selbstgesetzgebung die Stellung einer Korporation zukomme. Denkbar ist, daß nach dem Erscheinen des Dornerschen Kommentars zum badischen Ausführungsgesetze badische Behörden der freiwilligen Gerichtsbarkeit, insbesondere Grundbuchämter, sich hin und wieder der Meinung Dorners anschlössen. Die badische Justizverwaltung aber stand jedenfalls von Anfang an nicht auf dem Standpunkte, daß, weil in Baden auch die Familiengüter der Mediatisierten unter den landrechtlichen Begriff



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des Stammgutes fallen, gebundene Güter dieses Hochadels in Baden nur nach Vorschrift des Landesrechts, somit bloß in Gestalt landrechtlicher Stammgüter und bloß unter den Rechtsregeln dieses Landesrechtes möglich seien. Die badische Justizverwaltung geht davon aus, daß die hochadeligen Hausgüter in erster Linie unter Privatfürstenrecht stehen und kraft desselben eine andere Eigenschaft besitzen als die rechtliche Natur des badischen Stammgutes. Nach Grundbuchordnung § 85 können für gewisse Gattungen von Grundstücken besondere nicht nach Bezirken eingerichtete Grundbücher vorgeschrieben werden. Die badische Ausführungaverordnung zur Grundbuchordnung vom 13. Dez. 1900 § 70 Abs. 2 und 3 hat es getan. Sie schreibt vor, daß für die zu einer Standesherrschaft gehörigen Grundstücke ein besonderes Grundbuch zu führen sei, wenn nicht das Justizministerium auf Antrag der Herrschaft anderes bestimme, und in dieses Grundbuch alle Grundstücke eingetragen werden müßten, die dazu gehören und im Großherzogtum hegen. Damit ist anerkannt, daß die standesherrlichen Stammgüter unter einer besonderen Rechtsordnung stehen. Die genannte Ausführungsverordnung bestimmt dann weiter, die zur Standesherrschaft gehörigen Grundstücke seien in das besondere Grundbuch auch einzustellen, „wenn die Standesherrschaft bestreite, daß der standesherrschaftliche Grundbesitz Stammgut sei". Also wird mit der Möglichkeit gerechnet, daß das Familiengut nach Hausrecht eine vom Ländrecht abweichende rechtliche Natur, z. B. die von Korporationseigentum besitzt, und die Gültigkeit dieses anderen Rechtes nicht bestritten. Drittens kommt folgendes in Betracht: Die Dienstanweisung für Grundbuchämter enthält besondere Vorschriften über Stammgutsgrundbücher in ihren §§ 210—218. Aber § 219 erklärt nicht alle auf die zum Hausgut einer Standesherrschaft gehörigen Grundstücke für entsprechend anwendbar, insbesondere nicht § 212, der gemäß AG. z. GrBO. § 27 die Eintragung und Löschung der Stammgutseigenschaft auf Ersuchen des Justizministeriums vorsieht. Daraus ergibt sich folgendes. An sich gelten alle Erfordernisse der Stammgutserrichtung auch für die Vergrößerung schon bestehender Stammgüter. Die Errichtung bedarf der landesherrlichen Genehmigung. Also würde das auch für Neuerwerbungen zum Stammgut gelten und hätte das Justizministerium auf die Genehmigung hin die Eintragung der Stammgutseigenschaft für die neuen Grundstücke zu veranlassen. Denn für die Errichtung gilt, daß die Stammgutseigenschaft erst mit der Eintragung entsteht, und nach A G z. GrBO. § 27 ist es der Justizminister, der von Amts wegen für die Eintragung Sorge zu tragen hat. Die GrundbuchDienstanweisung nimmt nun die Bestimmung von § 23 der Ausführungsverordnung zur Grundbuchordnung aus. Daraus erhellt, wie auch Dorner

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nicht v e r k e n n t d a ß die Justizverwaltung haben will, daß zu standesherrlichen Hausgütern hinzu erworbene Grundstücke unbegrenzt ohne jede Mitwirkung einer staatlichen Aufsichtsbehörde der besondern Rechtsstellung der Hausgüter teilhaftig werden können. Es wird vom Justizministerium somit abweichendes Hausrecht anerkannt. Das gleiche folgt aus § 407 Abs. 2 der Dienstanweisung, wie Dorner im Badischen Landesprivatrecht S. 440 ebenfalls zugibt. Dort wird für die Frage, ob der Standesherr über Stammgutsgrundstücke verfügen darf, nur auf die Hausgesetze verwiesen, also nur eine Genehmigung der Agnaten, aber nicht eine solche des Landesherrn für erforderlich erklärt, obwohl nach Ausführungsgesetz z. BGB. Art. 36 § 5 gilt: „Das Stammgut im ganzen, auch jedes Hauptstück kann nicht ohne Staatsgenehmigung veräußert werden". Auch eine in der Badischen Rechtspraxis 1903 S. 199 mitgeteilte Justizministerial-Entschließung läßt für die Frage der Mitwirkung der Agnaten die hausgesetzlichen und nicht die landesgesetzlichen Normen maßgebend sein. Diese verlangen nur ihre Vernehmung, jene ihre Zustimmung. Besonders bedeutsam aber ist das Verhalten der Badischen Regierung zu der oben in § 9 besprochenen authentischen Interpretation des fürstlich Leiningischen Hausgesetzes. Das Fürstlich Leiningische Geschlecht beschließt am 27. März 1899 in Abweichung vom badischen Landrechte: Eigentümer des fürstlich Leiningischen Stammgutes soll nicht der Stammherr, sondern das fürstliche Haus sein. Qas badische Ausführungsgesetz zum BGB. vom 17. Juni 1899 regelt das Stammgutrecht neu, beläßt es dagegen bei dem Satze: „der jeweilige Stammherr ist Eigentümer". Gleich nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes aber, am 9. Januar 1900, befiehlt der Großherzog, daß die authentische Interpretation vom 27. März 1899 zur allgemeinen Kenntnis gebracht wird, die besagt: „Die das Fürstlich Leiningische Stammgut bildenden Vermögensstücke stehen nicht im Einzeleigentume des jeweiligen Fürsten, sondern im Gesamteigentume des Fürstlichen Hauses als einer juristischen Person". Das Hausgesetz ist also bestätigt, obwohl es vom Landesgesetze abweicht. Somit gilt dieses für standesherrliche Hausgüter nur subsidiär. Dasselbe bestätigen auch neuere Erkenntnisse. In einem das Gräfliche Haus Leiningen betreffenden Rechtsstreite — es handelte sich um Auslegung des Art. XX des Familienvertrages der Grafen von LeiningenBilligheim und Leiningen-Neudenau, der in Baden am 29. Sept. 1869 die landesherrliche Bestätigung erhielt (Bad. G. u. VO. Bl. 1869 S. 416) — hat das badische Oberlandesgericht am 9. Nov. 1904 die Ansicht ausgesprochen, daß mangels eines gültigen Hausgesetzes die landesgesetzlichen Regeln ») Badisches Landesprivatrecht S. 440.



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und zwar Art. 36 § 17 des AG. z. BGB., also landesgesetzliches Stammgutsrecht in Anwendung komme. Das Reichsgericht beanstandete diese Meinung in seinem Urteile vom 30. Mai 1905 nicht. Dieselbe Rechtsfrage in dem gleichen Rechtsstreite beschäftigte das Karlsruher Oberlandesgericht noch einmal. Der erste Prozeß war nur ein Vorprozeß gewesen. Das Gericht blieb bei seiner Auffassung durch Entscheidung vom 17. Juni 1908, und das Reichsgericht bestätigte sie mit Erkenntnis vom 23. Nov. 1909. Das Nähere hierüber findet sich in der Badischen Rechtspraxis 1910 S. 66. 3. Der Badische Gesetzgeber hat seinem Grundbuchrechte nicht die preußisch-hessische Bestimmung einverleibt, daß bei gebundenen Gütern als Eigentümer der Nutzungsberechtigte einzutragen sei. Daher gilt in Baden für die Standesherrschaften, die juristische Personen und Eigentümer des Hausvermögens sind, daß im Grundbuche sie als die Eigentümer bezeichnet werden. In welchen Häusern das Geschlecht als solches das Eigentum besitzt, richtet sich nach dem einzelnen Falle. Im Zweifel gilt heute Eigentümereigenschaft der Familie im ganzen. Dagegen spricht nicht, daß obere badische Gerichte der streitigen Rechtspflege, die sich mit der Frage der Rechtspersönlichkeit des standesherrlichen Hauses und seiner Eigentümerstellung auch vom Standpunkte des Privatfürstenrechtes befaßten, zu einer Verneinung der Rechtssubjektivität und der Eigentümerschaft gelangten. Das Konstanzer Hof- und Kreisgericht tut es in einem bereits erwähnten, in den Annalen der badischen Gerichte Bd. 45 S. 249 abgedruckten Erkenntnisse aus dem Jahre 1879 allgemein. Von dem badischen Verwaltungsgerichtshof geschieht es in dem ebenfalls bereits angeführten Urteile über die Fürstenberger Erbschaftssteuersache, Zeitschrift für badische Verwaltung (1898 S. 44), speziell für die Familie Fürstenberg. Die Urteile stammen aus der Zeit vor 1900. Damals war die Bildung von Gewohnheitsrecht in Baden unwirksam. Das erste Einführungsedikt zum badischen Landrechte hatte nicht nur ehemaliges Gewohnheitsrecht aufgehoben, sondern auch für die Zukunft der Entstehung von Gewohnheitsrecht Wirksamkeit versagt. Diese Schranke ist mit dem Landrechte gefallen. Seit dem 1. Januar 1900 ist auch in Baden wieder gewohnheitsrechtliche Entwickelung anerkannt. Wenn man die Standesherrschaften in Baden vorher auch nicht als eigentliche Körperschaften ansah, soferae nicht Hausgesetze es bestimmten, so hat man sie doch weitgehend ihnen gleich behandelt. In dem genannten Erbschaftssteuerstreite konstatierte die Fürstenbergische Verwaltung, die zum Fürstenberger Hausvermögen gehörigen Liegenschaften seien anstandslos in die Grund- und Lagerbücher und zum Hausgute gehörige Maschinenfabriken und Brauereien auf die fürstliche

— 59 — Standesherrschaft ins Handelsregister eingetragen worden1). Nach der früheren badischen Prozeßordnung konnte eine „Körperschaft" einen Parteieid leisten. Nach § 133 desselben Gesetzes durften sich Körperschaften durch rechtsgelehrte Beamte vor Gericht vertreten lassen. Das wurde beides auch den Standesherrschaften gewährt. Man vergleiche darüber Annalen der badischen Gerichte Bd. 45 S. 249 und Zeitschrift für badische Verwaltung 1898 S. 32. § 16.

Württemberg. Das württembergische Ausführungsgesetz zum BGB. vom 28. Juli 1899 weist insoferne Klarheit auf, als es 1. sich nicht auf den Begriff Fideikommiß oder Stammgut beschränkt, sondern beide Begriffe nebeneinander nennt (Art. 25, 93, 280), 2. von standesherrlichen und ritterschaftlichen Fideikommiß- und Stammgütern spricht (Art. 216, 281). In Art. 216 heißt es z. B.: „Bei der Bestellung einer . . . Hypothek . . . an einem standesherrlichen oder ritterschaftlichen Familienfideikommiß-, Lehen- oder Stammgut ist zugleich mit dem Eintrag ein Höchstbetrag der dem Besitzer und seiner Familie (im Falle der Zwangsverwaltung) gebührenden Kompetenz im Grundbuch vorzumerken". Daher bedarf es für Württemberg keiner langen Untersuchungen darüber, ob die Vorschriften seiner Ausführungsgesetzgebung über Stammund Fideikommißgut auch das hochadelige Hausgut angehen. Da bestimmt nun Ausführungsgesetz Art. 25: „Ist die Mitwirkung oder Zustimmung von Personen, welchen ein Nachfolgerecht in Beziehung auf ein Familienfideikommiß oder Stammgut oder Lehen zusteht, zu einer von dem Eigentümer beantragten Eintragung im Grundbuch erforderlich, so können jene Personen auf Antrag des Eigentümers von dem zuständigen Grundbuchamt zur Abgabe einer Erklärung . . . aufgefordert werden." Württemberg kennt kein besonderes Fideikommiß- und Stammgutrecht. Also gilt gemeines Recht und für standesherrliche Güter Fürstenrecht. Wer nach diesen Rechten der Zustimmung oder Mitwirkung von Nachfolgeberechtigten bedarf, ist der Gutsinhaber. Daher unterliegt keinem Zweifel, daß das Gesetz unter Eigentümer eine physische Person versteht. Es geht also davon aus, daß der Inhaber der Eigentümer ist. Der Artikel ist von der Kammer der Standesherren beantragt. Sie haben somit vergessen, daß nach Hausrecht vielleicht dem Hause das Eigentum zusteht. Ist die Anschauung des Gesetzes bindend? ') Zeitschrift für badische Verwaltung 1898 S. 32.

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Das ist nicht der Fall. Der Gesetzgeber bestimmt nicht: Der Nutznießer ist der Eigentümer, sondern er erklärt nur, ich nehme an, daß nach anderer Bestimmung der Nutznießer das Eigentum besitzt. Was er vorschreibt, ist nur: der, den ich für den Eigentümer halte, hat das Antragsrecht. Der Gesetzgeber setzt voraus, daß der Gutsinhaber auch Gutseigentümer ist, aber er bestimmt es nicht. Im Archiv für zivilistische Praxis Bd. 69 (1886) steht eine Abhandlung von Eisele über unverbindlichen Gesetzesinhalt. Hier lesen wir übereinstimmend S. 323: „Sätze, mittels deren der sprechende kund gibt, nicht, was nach seinem W i l l e n als Recht gelten soll, sondern was nach seiner A n s i c h t geltendes Recht ist oder aus geltendem Rechte folgt, sind nicht Rechtssätze, sondern theoretische Sätze, durch deren Aussprechen niemand gebunden, sondern nur ein Urteil abgegeben werden soll". Das Gesetz enthält nicht den Imperativ: der Nutznießer (Inhaber) soll Eigentümer sein, sondern nur das logische Urteil, er sei der Eigentümer. Daß der Gesetzgeber über die Eigentümerfrage keinen Befehl geben will, folgt auch noch aus dem übrigen Zusammenhange. Es handelt sich in Art. 25 und den nächsten Paragraphen um die Frage, wie wird am raschesten die Zustimmung aller Agnaten nachgewiesen, also um eine formelle Frage, ein Aufgebotsverfahren. Eine materielle Frage, wie es die Eigentümerfrage ist, will nicht erledigt werden. Deren Regelung wird vorausgesetzt. Demgemäß ist Art. 25 bindend und geltend nur soweit, als er Vorschrift sein will. Vorschreiben will der Gesetzgeber: Das Antragsrecht soll haben, wer nach Fideikommiß-, Stammgut-, Lehens- oder sonst geltendem Recht die Mitwirkung oder Zustimmung braucht. Das ist nach allen diesen Rechten der Fideikommiß-, Stammguts- oder Lehensbesitzer. Art. 25 gibt die Eigentumsfrage frei. Somit ist auch durch die württemberger Landesgesetze nicht verhindert, daß die Standesherrschaft im subjektiven Sinne Eigentümerin ist. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Erkenntnisse vom 15. Januar 1908, abgedruckt in der Zeitschrift für die freiwillige Gerichtsbarkeit und die Gemeindeverwaltung in Württemberg Bd. 50 (1908) S. 105, entschieden, ein Grundbucheintrag auf die „ Standesherrschaft" HohenloheOhringen sei unrichtig und Eintragung auf den Namen des jeweiligen Fürsten allein zutreffend. Indessen die Begründung reicht nicht aus. Der Senat sagt: die Standesherrschaft sei keine Rechtspersönlichkeit, denn Eigentümer der Grundstücke, die zu einem adeligen Familienfideikommiß oder Stammgut gehören, ist nach dem w ü r t t e m b e r g i s c h e n und gemeinen Recht der jeweilige Inhaber des Gutes. Der Senat hat somit unterlassen zu untersuchen, ob nach Hohenloher oder gemeinem Privat-

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fürstenrecht nicht anderes gilt und ob dies nicht dem württemberger und gewöhnlichen gemeinen Rechte vorgeht. Die Schriftsteller beurteilen diese Frage vorsichtiger. Schon L a n g in seinem Handbuche des im Königreich Württemberg geltenden Sachenrechts 2. Aufl. II. Teil (1893) S. 112 schreibt: „Es ist nicht einzusehen, warum, wenn ein Standesherr oder Ritter gerade ein Familienfideikommiß errichtet, dieses nicht nach dem über die Familienfideikommisse im allgemeinen geltenden Grundsatze angesehen und bei e t w a i g e n Lücken nach den aus dem Wesen des Instituts im allgemeinen folgenden Grundsätzen ergänzt werden sollte?". Er weist dem gewöhnlichen Rechte im Verhältnis zum standesherrlichen demnach nur subsidiäre Kraft zu. Mandry bemerkt in seinem Württembergischen Privatrecht Bd. I (1901) S. 45 unmittelbar zu Art. 25: „Eine andere Frage ist, ob hiemit auch maßgebend bestimmt ist, daß der Fideikommißinhaber Eigentümer ist, so daß, wenn im konkreten Falle nach dem bisherigen Rechte die Familie als solche Subjekt des Fideikommisses sein sollte, diese Gestaltung nicht mehr in Betracht kommt. Die Frage ist wohl zu verneinen. Aber immerhin möchte es gerechtfertigt sein, in solchem Falle das Familienmitglied, das statt der Familie das Fideikommiß inne hat und nutzt, dem Eigentümer gleich zu behandeln, also den betreffenden Artikel auf ihn anzuwenden." Auch Schneidler, Das gesamte württembergische Landesprivatrecht 1908 S. 215 spricht aus: „Wo die Familie als solche Eigentümerin ist, ist antragsberechtigt das innehabende Mitglied". Er verweist dabei auch noch auf andere Literatur. Da ebenso wie in Baden die Vorschrift fehlt, gebundene Güter sind auf den Namen des Nutznießers einzutragen, steht nach alledem fest: wenn nach Hausrecht, besonderem oder gemeinem, die Standesherrschaft selbst das Eigentum besitzt, hat der Eintrag auf ihren Namen zu geschehen und bedarf es daher bei einem Wechsel des Inhabers der Standesherrschaft keiner Änderungen im Grundbuche. § 17. . Bayern. Alle praktischen Schwierigkeiten fehlen in Bayern. In der Praxis sind die Zweifelsfragen einheitlich gelöst. Von der Verfassungsurkunde an ist das Recht der gewöhnlichen und der standesherrlichen Fideikommisse scharf getrennt. Die Verfassung enthält als Beilage VII ein Fideikommißedikt und erklärt in dessen § 42,

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das Fideikommiß vermögen stehe im Miteigentum des jeweiligen Besitzers lind der Anwärter, fügt aber in § 102 generell hinzu: „Die Verhältnisse der vormals unmittelbaren Fürsten, Grafen und Herren in Beziehung auf ihre Familienfideikommisse und Stammgüter sind in einem besonderen Edikte bestimmt". Also galt die Eigentumsvorschrift jenes § 42 für sie nicht. Was die hienach selbständige Frage der Rechtspersönlichkeit des hochadeligen Hauses angeht, so erklärte der bayerische oberste Gerichtshof noch in einem Urteile vom 1. Juni 1874 — Blätter für Rechtsanwendimg Bd. 39 S. 234 —, ohne eine Einschränkung wegen der hochadeligen Familie zu machen: Es finde sich eine gesetzliche Vorschrift nicht, wodurch . . . der adeligen Familie als solcher die selbständige Rechtspersönlichkeit a l l g e m e i n beigelegt oder anerkannt sei . . . Eine Ausnahme trete nur dann ein, wenn der Familie die selbständige Rechtspersönlichkeit besonders beigelegt oder diese besonders anerkannt sei und zwar in rechtsgültiger Weise. Zwanzig Jahre später vertrat das höchste bayerische Gericht eine andere Meinung. Der Fall war folgender: In einem notariellen Kaufvertrage war die Fürstliche Standesherrschaft Fugger-Babenhausen als Käuferin eines Grundstückes bezeichnet. Das Amtsgericht Krumbach als Hypothekenamt verweigerte die Eintragung auf die Standesherrschaft, da das standesherrüche Haus kein Rechtssubjekt sei. Auf Beschwerde entschied das Landgericht Memmingen am 28. Februar 1894 dahin: für das Gebiet des gemeinen Rechtes erklären namhafte Schriftsteller — Beseler, Kohler, Deutsches Privatfürstenrecht 1832, Hamann, Die deutschen Standesherren und ihre Sonderrechte 1888 — die standesherrliche Familie zum Rechtssubjekt; nach bayerischem Rechte sei sie es aus der IV. Verfassungsbeilage, dem Standesherrenedikt, indem dessen § 2 Abs. 2 bestimme, daß die mediatisierten „Häuser" sich von „ihren" ursprünglichen Stammgütern und Herrschaften benennen. Hier sei ausgesprochen, daß die standesherrlichen Häuser Stammgüter besitzen, daß sie deren Eigentümer, somit juristische Personen sind. Der Streit gelangte auch noch an das oberste Landesgericht. Denn trotz seiner anderen Grundauffassung gab das Landgericht Memmingen im Endergebnis dem Hypothekenamte Krumbach Recht. Der Vertreter der Standesherrschaft F u g g e r - B a b e n h a u s e n habe nur eine Vollmacht des Fürsten gehabt; der Kauf bedürfe auch des Konsenses der Agnaten. Um dieser Frage willen ging die Beschwerde weiter. Das oberste Landesgericht hatte also nicht mehr unmittelbar die Frage der Rechtspersönlichkeit zu berühren. Der Gerichtshof tat es aber indirekt, indem sein Beschluß

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vom 31. Mai 1894 erstens der Anschauung der Meniminger Zivilkammer nicht ausdrücklich entgegentrat, zweitens ausführte, zufolge der Fuggerischen Familienverträge sei die Standesherrschaft ein Fideikommiß, das zu vertreten dem aktuellen Besitzer . . . zukommt". Das oberste Landesgericht setzte somit voraus, Eigentümer der Standesherrschaft sei das Haus selbst. In den Motiven zu der durch die Einfuhrung des BGB. veranlagten Ausführungsgesetzgebung wurde die alte Ansicht beibehalten, trotzdem diese Gesetzgebung standesherrliches Hausgut und Familienfideikommiß gleich der Verfassungsurkunde scharf trennt. Art. 13 des Ausführungsgesetzes zur Grundbuchordnung und zum Zwangsversteigerungsgesetze vom 9. Juni 1899 bestimmt: „Bei einem Grundstücke, das zu dem Familiengute einer standesherrlichen Familie oder zu einem Familienfideikommisse gehört, ist diese Eigenschaft im Grundbuche einzutragen". Auch Art. 16 unterscheidet fest Nachfolge in standesherrliches Familiengut und in Familienfideikommiß. Aber die Begründung zu diesen Paragraphen bemerkt — siehe Becher, Die gesamten Materialien zu den das BGB. und seine Nebengesetze betreffenden bayerischen Gesetzen usw. Abteilung VI 1900 S. 18 —: „Als Eigentümer wird bei den zu einem standesherrlichen Familiengut gehörenden Grundstücken das Familienhaupt, bei den zu einem Familienfideikommisse gehörenden Grundstücken der Fideikommißbesitzer eingetragen". Von den Schriftstellern folgte den Motiven nur Oertmann, Bayerisches Landesprivatrecht 1903 S. 461. Bei Henle, Die Anlegung des Grundbuchs in den Landesteilen diesseits des Rheins, 2. Aufl., besorgt von Otto Dandl, 1909, S. 48 lesen wir: Die Rechtspersönlichkeit der standesherrlichen Familien steht nach der in der Wissenschaft und Rechtssprechung herrschenden Ansicht außer Zweifel. Zitiert werden Kohler, Handbuch des deutschen Privatfürstenrechts, Heffter, Beseler, Gierke, Lewis und der Beschluß des obersten Landgerichts vom 31. Mai 1894, allerdings auch das von den Verfassern scheinbar anders als oben aufgefaßte Urteil vom 1. Juni 1874. Die Gerichte schlössen sich ebenfalls weiter dem obersten Landesgerichte an. Das Landgericht Weiden beschloß in einer Beschwerdesache der Gräflich Castellschen Domanialkanzlei gegen das Hypothekenamt Kemnath: „Der Rechtsanschauung deB Hypothekenamtes, daß die in den Tauschverträgen als Kontrahentin aufgeführte Standesherrschaft Castell kein Rechtssubjekt sei, kann nicht beigetreten werden. Das Beschwerdegericht stimmt in dieser Beziehung der fast einstimmig von der Theorie des deutschen Privatrechts vertretenen Ansicht bei, daß die Familie des hohen Adels als eine Korporation zu gelten hat (Beseler, Gerber, Holtzendorff

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Rechtelexikon S. 43, Ludwig Hoffmann, Das Recht des Adels und der Fideikommiase in Bayern, 1896, S 49). Es muß das Bedürfnis, die Familie des hohen Adels als eine juristische Person zu behandeln, insbesondere dann anerkannt werden, wenn die Familie auf Grund ihrer Autonomie einen Vermögenskomplex geschaffen hat, der nicht im Eigentum des Hauptes steht, sondern eine von dem Privatvermögen der Familienmitglieder getrennte Vermögensmasse bildet. Um dieser Masse eine selbständige Existenz zu schaffen, erübrigt nur, die Familie als juristische Person gelten zu lassen. Folge dieser rechtlichen Auffassung ist, daß das adelige Haus als solches Eigentümer des Hausvermögens ist. Dieser rechtlichen Anschauung hat sich in Bayern auch die Gerichtspraxis angeschlossen. Vergleiche hieher den Beschluß des obersten Landesgerichts vom 31. Mai 1894". Ein Beschluß des Landgerichts Aschaffenburg vom 10. Nov. 1901 führt aus: „Nach dem Leiningischen Hausgesetze ist die „ Standesherrschaft" die juristische Person, in deren Eigentum das Leiningische Stammgut steht. Nun würde freilich die Sache anders hegen, wenn man den Satz aufstellen wollte, eine solche juristische Person sei unmöglich. Diesem Satze würde aber die ganze Entwickelung des Privatfürstenrechts, Literatur und Judikatur entgegenstehen. Es genügt, auf den Beschluß des obersten Landesgerichts von 1894 bezug zu nehmen, verglichen mit dem vorausgegangenen Beschluß des Landgerichts Memmingen und dem Beschluß des Landgerichts Weiden vom 28. Februar 1901. Tatsächlich besteht auch die Standesherrschaft aus einer Vielheit, d. h. einer unbegrenzten Anzahl von Personen, unabhängig von dem Wechsel derselben, besitzt ein von dem Vermögen der Einzelnen getrenntes Vermögen und steht deshalb ihnen als selbständiges Subjekt gegenüber, das einen über die Zwecke des Einzelnen hinausgehenden Sonderzweck verfolgt". Sogar die Landesjustizverwaltung selbst steht auf dem Persönlichkeitsstandpunkte. Unter dem 28. Juni 1902 Nr. 25882 hat das bayerische Justizministerium an den Präsidenten des Landgerichts Augsburg nachstehende Entschließung erlassen: „Die auf die fürstliche Standesherrschaft Fugger-Babenhausen lautende Eintragung im Hypothekenbuch soll nicht weiter beanstandet werden. Die Rechtspersönlichkeit der standesherrlichen Familien ist in der Wissenschaft und Rechtssprechung allgemein anerkannt, insbesondere hat sich auch das oberste Landesgericht in einem nicht veröffentlichen Beschlüsse vom 31. Mai 1894 dieser Ansicht angeschlossen". Das Staatsministerium der Justiz selbst sagte sich somit von der in der Begründung zu den Ausführungsgesetzen des Jahres 1899 vertretenen Anschauung los.

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§ 18. Die Bedeutnng des Fflrstenbergischen Erbschaftssteuer-Streites (Ar die Lehre. Die Übersicht über die Gerichtspraxis der Einzelstaaten ergibt große Verschiedenheit der Meinungen. Sie tritt besonders grell am Hause Fürstenberg hervor. Nahezu gleichzeitig haben zwei Gerichte die Frage seiner Rechtspersönlichkeit entgegengesetzt beantwortet. Das Straßburger Landgericht sprach sich am 18. Dezember 1897 für diese aus, bejahte seine Rechtsfähigkeit. Der badische Verwaltungsgerichtshof hat unter dem 31. Januar 1898 die Vermögensf&higkeit des Hauses als solchen verneint. Diese Entscheidung scheint der Richtigkeit der hier vertretenen Lehre zu widersprechen. Schon aus dem Grunde haben wir ihr nachzugehen, wenn auch der springende Punkt bereits in § 15 gegen Ende berührt ist. Dazu kommen aber noch zwei Gründe. Der Prozeß vor dem badischen Verwaltungsgerichte unterscheidet sich von den anderen, die wir erwähnten, dadurch, daß 1. der Gerichtshof die strittigen Grundfragen nicht nur im Anschluß an die Wissenschaft, sondern selbständig prüft und dabei zu einer Zurückweisung der Beseler-Gierkeschen Entwickelungstheorie gelangt, 2. in der Verhandlung von den Parteien Rechtsgutachten beigebracht wurden, welche die entgegengesetzten Theorien an dem speziellen Falle auf ihre Richtigkeit untersuchten. So gibt jene Fürstenbergische Streitsache noch einmal Gelegenheit, die ganzen Fragen übersichtlich zu betrachten. 1. Der Einfluß der Theorie auf die Rechtssprechung tritt klar zutage. Bis in das letzte Drittel des vorigen Jahrhunderts herein herrscht in der Rechtssprechung die Ansicht, auch dem hochadeligen Hause fehle Rechtspersönlichkeit. Das badische Oberhofgericht in dem erwähnten Urteile von 1864 hält sich jeder Erklärung dafür überhoben. Der bayerische Oberste Gerichtshof spricht ohne weiteres noch 1874 der adeligen Familie im allgemeinen die Subjektseigenschaft ab. Der Grund ist, daß die mediatisierten Häuser ihr Familiengut in Hausgesetzen und Urkunden allenthalben noch als Fideikommiß bezeichneten und die gemeinrechtliche Lehre, welche die Wissenschaft beherrschte, beim Fideikommisse das Eigentumsrecht dem jeweiligen Inhaber zusprach. Dies bewirkte, daß der Gedanke des Miteigentums zu gesamter Hand verschwand und der des Korporationseigentums nicht aufkam. Wie sehr jene Lehre die Praxis beeinflußte, zeigt insbesondere folgender Umstand. J . C. Kohler, ein Fürstlich Oettingen-Wallersteinscher Hofrat, stellte 1832 in seinem Handbuch des deutschen Privatfurstenrechts der vormals reichsständischen, jetzt mittelbaren Fürsten und Grafen § 69 f. die Theorie auf, Eigentümer des StammSchriften der WiMenschaftlichen GsMllachaft in Straflborg XI.

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gutes beim mittelbaren hohen Adel sei die Familie als eine „universitaa personarum, als Eine Person, Ein Subjekt", gebildet aus den lebenden männlichen Mitgliedern der Familie und ihrer (noch ungeborenen) männlichen Nachkommenschaft, und er begründet seine Meinung bereits ebenso, wie nachmals Beseler und Gierke, aus den Wendungen der Hausgesetze, die Graf- und Herrschaft solle am Solmschen Geschlecht, bei Namen und Stamm der Grafen von Bentheim usw. bleiben. Aber er drang nicht durch. Wohl folgte ihm bald Beseler. Aber erst G i e r k e in seinem Genossenschaftsrecht 1868 § 39 S. 412 ff. und besonders die Annahme der neuen Theorie durch H e f f t e r 1871 in seinem in die Gerichtsstuben gelangenden Werke »Die Sonderrechte der souveränen und der mediatisierten Häuser Deutschlands" brachten den Wendepunkt. J. H e l d , System des Yerfassungsrechtes Bd. 2 (1857) § 298 S. 182 und H. A. Zachariae, Das Eigentumsrecht am deutschen Kammergut 1864 S. 105 hatten noch an der alten Anschauung festgehalten. Ein besseres Beispiel für den Sieg der Beselerschen Theorie durch Gierke und Heffter als das Urteil des Landgerichts Straßburg vom 18. Dezember 1897 läßt sich kaum finden. Der Rechtsstreit betrifft eine Kaufpreisforderung der Fürstlichen Standesherrschaft Fürstenberg zu Donaueschingen, vertreten durch den regierenden Fürsten Max Egon, gegen die Luxuspferdehandlung Gebrüder Bodenheimer in Straßburg aus Lieferung von Pferden. Das Gericht prüfte, wie notwendig, von Amts wegen die Prozeßfähigkeit der Standesherrschaft. Erforderlich sei hierzu juristische Persönlichkeit. Nur dann könne sie im eigenen Namen klagen. Das Gericht bejaht sie in folgender Ausführung: „Aus dem deutschrechtlichen Prinzip der gesamten Hand hat sich in Deutschland für die hochadeligen Familien eine Genossenschaft mit korporativem Charakter entwickelt, der durch einen a l l g e m e i n anerkannten Satz des Gewohnheitsrechtes die Eigenschaft einer juristischen Persönlichkeit beigelegt wird. Darnach haben diese Familien ein Gesamteigentum am geineinsamen Vermögen, das auf Grund der dem Hochadel zustehenden Autonomie nach Maßgabe der Hausgesetze verwaltet wird. Diesem Familienrecht des hohen Adels, dem die romanistische Doktrin im 16. und 17. Jahrhundert insoferne Rechnung trägt, als sie die Familie als universitas behandelt, hat nicht nur in Art. 14 der Bundesakte Anerkennung gefunden, sondern auch nach Auflösung des Deutschen Reiches seine Stellung erhalten mit dem Unterschiede, daß an Stelle der Reichsgesetzgebung das Recht desjenigen Landes getreten ist, welchem das Territorium der mediatisierten Familie einverleibt wurde. Für die Standesherrschaft Fürstenberg ist demnach das badische Landrecht maßgebend. Und zwar kommen nicht die Bestimmungen des Art. 577 ff. in Betracht, durch welche die

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Rechte der nicht standesherrlichen Familien des Adels am Stammgut geregelt sind, sondern die großherzogliche Deklaration vom 23. Dezember 1823, durch welche die Rechtsverhältnisse der Standesherrschaft Fürstenberg festgestellt worden sind. In derselben durch §§ 1, 2, 9, 56 ist die Fürstliche Standesherrschaft als Trägerin des Besitzstandes des Fürstlichen Hauses Fürstenberg und als Subjekt der diesem zustehenden Rechte bestätigt, sowie durch § 39 in ihrer Prozeßpartei-Fähigkeit ausdrücklich anerkannt. Yergl. Heffter, Beseler, Gerber, Schulze." § 39 der Deklaration lautet: Der fürstlichen Standesherrschaft wird die fernere Befugnis eingeräumt, bei ihren eigenen Gerichten gegen die der standesherrlichen Gerichtsbarkeit unterworfenen Untertanen klagend aufzutreten. 2. Ein anderes Bild liefert der Steuerprozeß vor dem Verwaltungsgerichtshofe zu Karlsruhe. A) Fürst Karl Egon zu Fürstenberg starb 1896. Mit ihm erlosch die Primogeniturlinie. Die Herrschaft ging auf die Zweitälteste Linie über. Die badische Steuerverwaltung forderte von dem neuen Familienhaupte aus dem auf ihn übergegangenen Hausvermögen die Erbschaftssteuer. Die Fürstliche Kammer zu Donaueschingen stellte namens des Fürsten eine Verpflichtung in Abrede. Das Vermögen gehöre dem Hause. Das Haus sei nicht gestorben. Also liege keine Erbschaft vor. Daa neue Familienhaupt sei in ein Genuß- und Verwaltungsrecht am Hausvermögen nicht als Erbe des letzten Inhabers, sondern kraft eigenen besonderen Rechtes auf Grund der Familiensukzessionsordnung, wenn auch infolge des Todes seines Vorgängers, eingerückt. Die Steuerdirektion erklärte trotzdem den Fürsten am 12. Mai 1897 für erbschaftssteuerpflichtig. Das veranlaßte ihn zur verwaltungsgerichtlichen Klage an den Verwaltungsgerichtshof. Unterstützt durch das bereits in § 2 erwähnte Gutachten von Professor Dr. Laband wurde zur Klagebegründung vorgetragen, wenn wir das Vorgebrachte systematisieren : a) Das Besitztum der Standesherrschaft sei nicht badisch-rechtüches Stammgut, sondern privatfürstenrechtliches Hausgut; es gelte dafür deshalb nicht badisches Landrecht; die Einführungsgesetze zum badischen Landrechte hätten nicht alles Gewohnheitsrecht aufgehoben, sondern nur das für Rechtsgegenstände, die durch das badische Landrecht geregelt wurden. b) Nach Privatfürstenrecht sei das Haus als solches juristische Person; das folge a) aus dem allgemeinen Privatfürstenrechte: alle fürstlichen Familien des Hochadels seien korperative Genossenschaften; ß) aus dem Furstenberger Hausrechte und zwar aa) aus den Hausgesetzen; aus den erneuerten Familienpakten vom 6*

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4. Aug. 1755 §§ 16, 26, 37, 39, 41 ergebe sich, daß die fürstliche Familie als solche Trägerin des Hausgutes sei; ßß) aus dem Hausherkommen: eine Reihe von Zeugnissen (Ordre des Fürsten Karl Egon vom 6. Nov. 1854; Gutachten des Rechtsreferenten der fürstlichen Kammer von 1893) bestätige, daß innerhalb der fürstlichen Familie die Rechtsüberzeugung und Rechtsübung herrsche, das jeweilige Haupt sei nicht Eigentümer des Familienvermögens. c) Dasselbe ergebe sich aus dem staatlichen Rechte: a) Der Eingang der Deklaration über die staatsrechtlichen Verhältnisse des Hauses von 1823, also einer staatlichen Verordnung, spreche von Verhandlungen mit der „fürstlichen Standesherrschaft", und nach § 23 der Deklaration müsse der Fürst auf Verlangen des Landesherrn diesem „für eich und sämtliche Glieder der fürstlichen Familie" huldigen. ß) Die Praxis der Gerichts- und Verwaltungsbehörden behandle die etandesherrliche Familie als korporative Genossenschaft; in allen Klagesachen über Hausgut trete die Standesherrschaft als Klägerin und Beklagte auf, nicht der jeweilige Fürst; die Urteile würden nicht für und gegen diesen, sondern für und gegen die Standesherrschaft erlassen; die Eintragungen in die öffentlichen Bücher und Register erfolgten auf den Namen der Standesherrschaft. Die badische Steuerverwaltung antwortete unterstützt durch ein Gutachten von Professor Dr. Meyer in Heidelberg: a) das badische Landrecht kennt keinen Unterschied zwischen den Stammgütern; es gilt auch für hochadelige; Hausrecht kommt daher nicht in Anwendung; b) auch nach Hausrecht ist das Familienhaupt der Eigentümer: Keine einzige Disposition des Statuts von 1755 nötigt zu der Annahme, daß Familieneigentum mit bloßem Genußrecht des Stammeshauptes besteht; c) die großherzogliche Deklaration von 1823 und die Gerichts- und Verwaltungspraxis erkennen nur eine Einheit der hochadeligen Familie in öffentlich-rechtlicher Beziehung an; eine privatrechtliche Korporationsnatur und ein Eigentum der Familie am Hausgut folgt daraus nicht; d) auch wenn der Familie als solcher das Eigentum zustände, würde der Fürst nicht steuerfrei sein. Der jeweilige Inhaber wäre dann Nutznießer, und die Nutznießung vererbte Bich von dem einen Inhaber auf den anderen. B. Der Verwaltungsgerichtshof hat in folgender Weise entschieden: a) Das badische Landrecht will seinen Stammgutsbegeiff auch auf die Hausgüter der hochadeligen Familie angewendet wissen; denn es spricht von Stammgütern des Herrenstandes; also hat das Haus kein Eigentum an dem Familiengute, da nach Landrecht Eigentümer der Stammherr ist. b) Aus dem Herkommen kann die rechtliche Eigenschaft als Genossen-

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schaft auch nicht abgeleitet werden, weil das erste EinfQhrungsdekret des badischen Landrechtes ihm wie dem Gewohnheitsrechte die Rechtswirksamkeit entzog. c) Ebensowenig folgt aus den Hausgesetzen der Familie Fürstenberg, daß die mit dem Kollektivnamen „fürstliches Haus", »fürstliche Familie" oder „fürstliche Standesherrschaft" bezeichnete Gesamtheit der Familienglieder eine selbständige, von der persönlichen Hechtssubjektivität der einzelnen Glieder verschiedene juristische Person ist. Das maßgebende Hausgesetz sind die erneuerten Familienpakten von 1755. „Das Wort Eigentümer ist in ihm allerdings ebensowenig vom Stammherrn gebraucht wie von der Familie; allein da in Ermangelung einer bestimmten technischen Bezeichnung doch nur derjenige als Eigentümer gelten kann, welchem die wesentlichen Rechte eines Eigentümers zustehen, so spricht gerade das Hausgesetz für das Eigentumsrecht des Stammherrn". § 2 sagt: der jeweilige primogenitus soll der einzig regierende Herr sein und die sämtlichen Fürstenbergischen Land-, Graf- und Herrschaften mit allen Lands-Herrlichkeiten und Regalien an Lehen und Eigen „besitzen, regieren und nutzen" und jederzeit dessen älterer Sohn und Sukzessor in der Regierung den ganzen Nachlaß „zum Gebrauch und anvertrauten Gut erlangen, auch in dessen wahren Besitz nach jedesmaligem Sterbfall des Antecessoris eintreten". „Besitz (wahrer Besitz, Herrschaft), Gebrauch und Genuß des Vermögens stehen ihm allein zu und nur hinsichtlich der Veräußerung ist seine Verfügungsgewalt beschränkt, aber auch nur beschränkt und keineswegs annulliert. Er kann hienach veräußern, aber nur mit Zustimmung der Agnaten. Mithin hat auch das Hausgesetz den regierenden Herrn als Eigentümer angesehen." „Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß dem autonomen Gesetzgeber, der doch selbst Stammherr war, statt des jeweiligen regierenden Herrn irgend eine andere künstlich konstruierte Rechtspersönlichkeit als Eigentümer des Hausvermögens vorgeschwebt hätte." „Das Hausgesetz hat vielmehr ausdrücklich an dem Fideikommißbegriff („rechte, wahre Fideikommißgüter" §41 — in wortgetreuer Verdeutschung: „anvertrautes Gut") festgehalten." In § 43 ist nämlich bestimmt: „alle Land-, Graf- und Herrschaften, Hab und Güter sollen rechte, wahre Fideikommißgüter sein", und in § 2 steht, wie schon bemerkt, der ältere Sohn solle den Nachlaß erhalten „zum Gebrauch und anvertrauten Gut". Der Gerichtshof will damit sagen: Fideikommiß heißt unteilbar und unveräußerlich, aber dem jeweiligen Inhaber gehörig; sein Eigentum ist ihm nur anvertraut, weil er es nicht teilen und veräußern darf. d) Landesherrliche Akte haben dem Hause keine Rechtspersönlichkeit verliehen. In der großherzoglichen Deklaration ist das Wort Standesherrschaft in sehr verschiedener Bedeutimg gebraucht. Bald bezeichnet es ledig-

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lieh die Person des Standesherm selbst, bald die fürstliche Familie als Gesamtheit, bald die Familienmitglieder als Einzelpersonen, bald die Inhaberschaft der Gerichtsbarkeit und verschiedener gutsherrlicher Rechte u. a. m. „Daher darf mit Grund angenommen werden, diese allgemeine Bezeichnung sei lediglich zur Vermeidung von Umschreibungen gebraucht und ein bestimmter Rechtsbegrriff damit überhaupt nicht verbunden worden". e) Die Gerichtspraxis konnte Rechtspersönlichkeit nicht verleihen. Nach badischem Landrechte fehlt dem Gerichtsherkommen rechtsbildende Kraft. 3. Die wichtigste Ausfuhrung in der Begründung des Urteils bildet der Satz (S. 46): „Es findet sich in dem Hausgesetze von 1755 keine einzige Bestimmung vor, die nicht aus dem Gesichtspunkt der Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit erklärt werden könnte". Mit diesen Worten ist summarisch bestätigt, daß das Haus keine Rechtspersönlichkeit besitzt. Die ganzen Darlegungen des Gerichtshofes aber sind für unsere Theorie höchst bedeutsam. Ein unabhängiges, oberstes Gericht hat durch sie am Einzelfalle bewiesen, daß die Auffassung unrichtig ist, die hochadeligen Häuser seien im 18. Jahrhundert nach Hausrecht juristische Personen gewesen. Das Fürstenbergische Hausgesetz von 1755 bildet keine Ausnahmeerscheinung. Es gibt der allgemeinen Zeitanschauung Ausdruck. Es beruht auf den gleichen Rechtsvorstellungen, wie das in § 6 besprochene Nassauer Hausgesetz von 1783. Hier wie dort ergibt sich, daß Haus, Gesamthaus nur zur Vermeidung von umständlicher Einzelaufzählung, nur als abkürzender Ausdruck für eine Gemeinschaft gebraucht wird. Die erneuerten Erbpakten sprechen wohl von „Unseres Fürstlich- und Landgräflichen Hauses Stammgütern" (Nr. 7), von „Hab und Gut des Stammes und Namens Fürstenberg" (Nr. 26), „Lehen, die an das fürstliche Gesamthaus überkommen werden" (Nr. 37). Allein wäre damit ein Rechtssubjekt bezeichnet, das dem regierenden Herrn seine Befugnisse nur zu Gebrauch und Nutzung anvertraut, dann müßte der jeweilige Stammherr auch nur im Namen des Hauses handeln, nicht in seinem und nicht in dem der Agnaten, wenn er die Reichslehen beim Reiche erneuert und die Hauslehen an andere verleiht. Statt dessen bestimmt Nr. 37 der Familienpakten: „Der jeweils nach der Primogeniturordnung neu eintretende regierende Fürst soll alle und jede Lehen, die jetzt vorhanden und künftig an Unser fürstliches und Landgräfliches Gesamthaus überkommen werden, so oft es zu Fällen kommt, von den jederzeit regierenden Majestäten für sich und im Nahmen sammentlicher Agnaten, der nachgeborenen und mitbelehnten Brüder und Vettern empfangen." Noch deutlicher folg! aus Nr. 39, daß Gesamthaus nur eine Sammelbezeichnung ist. Dort ist wegen der Lehen, die vom Hause verliehen werden, gesagt: Dem Regierenden (also dem

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Primogénitas) obliegt, die Lehenspflicht von den Vasallen sowohl f ü r sich als im Namen des gesamten H a u s e s zu erheben. Gesamtes Haus steht, wie der Zusammenhalt mit Nr. 37 ergibt, für „im Namen sämmtlicher Agnaten". Würde es bedeuten: im Namen des Hauses als Einheit, so könnte nicht noch dabei stehen: sowohl für sich. Darin hat der Gerichtshof freilich nicht recht, daß wahrer Besitz, Gebrauchen, Nutzen die Herrschaft, das Eigentum im Sinne von Alleinherrschaft, Alleineigentum bezeichnen. Die Worte sind gewählt, weil die Nachgeborenen, die übrigen Agnaten mitbelehnt Bind, an dem Hausgut Gesamteigentum, Eigentum zu gesamter Hand besteht. Nur die der Praxis fernstehende Doktrin erblickte mit Knipschild auch beim hochadeligen Fideikommiß im Inhaber den Alleineigentümer. Die mit den Lehensbriefen hantierende Praxis' spricht von Miteigentum zu gesamter Hand. 4. Unzutreffend ist es, aus diesem Ergebnisse zu folgern: weil die hochadelige Familie im lß. Jahrhundert keine juristische Person war, ist sie auch im 19. Jahrhundert keine. Edg. L ö n i n g hütet sich, diesen Schluß zu tun. Er beschrankt sich auf den Satz, aus dem Rechte der Autonomie folgt keine Korporationsnatur des Hauses; denn Autonomie steht auch den einzelnen Agnaten zu. Die Frage, ob trotzdem das Haus juristische Persönlichkeit besaß oder erwarb, läßt er unberührt. Sie lag außerhalb seiner Aufgabe. Cosack, Georg Meyer, H ü b n e r haben vollkommen recht, wenn sie auf Grund der Rechtsentwickelung früherer Jahrhunderte die Annahme einer Rechtspersönlichkeit der hochadeligen Familien ablehnen. Wir begrüßen es, wenn Cosack in der 17. Auflage von Gerbers System des deutschen Privatrechts 1895 S. 136 schreibt: daraus, daß die Stammgüter oft als Hausvermögen bezeichnet werden, folgt die juristische Persönlichkeit des Hauses, der Familie noch nicht, so wenig, wie daraus, daß das Eigentum eines Hauses der offenen Handelsgesellschaft A. & Cie. zugeschrieben wird, deren juristische Persönlichkeit folgt. Ebenso war Georg Meyer zuzustimmen, wenn er in seinem Lehrbuche des deutschen Staatsrechtes 6. Aufl. (bearb. von Anschütz), 1905, S.292 ausführte: Die historische Entwickelung (der früheren Jahrhunderte) besage gar nichts für die juristische Konstruktion des Rechtes am Hausgute; sie beweise nur die Gebundenheit der Güter in der Familie. Auch Hübner, Grundzüge des deutschen Privatrechts, 1908, S. 303f. und 100 trifft das richtige, wenn er die Argumente Cosacks und Lönings verbindend ausführt: „Weder läßt sich aus der Bezeichnung „Hausvermögen", „Vermögen des königlichen Hauses" u. dgl. eine Folgerung dafür entnehmen, daß das Haus ein eigenes Rechtssubjekt bilde; besitzt doch z. B. auch die offene Handelsgesellschaft ein eigenes Vermögen, ohne juristische Person zu sein.

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Noch auch nötigt die Tatsache, daß die hochadeligen Häuser ihr Sonderrecht durch Autonomie geschaffen haben, zu dieser Folgerung, denn ebenso gut wie das Haus lasse sich das Familienhaupt als Inhaber der Satzungsgewalt denken; nur daß sie immer nur im Namen und, wo dies bestimmt sei, lediglich mit Zustimmung der Agnaten ausgeübt werden könne". Allein deswegen braucht noch nicht der Schluß ftir die Gegenwart richtig zu sein, der besagt: „Das Eigentum des Stammgutes steht im Zweifel allein dem Besitzer zu; das Eigentum der ganzen Familie ist höchstens partikularrechtlich anzunehmen1)." „Zum mindesten kann dem Satze, daß die hochadelige Familie als solche Rechtspersönlichkeit besitze, keine gemeinrechtliche Geltung zugeschrieben werden. Gerade die dem deutschen Eigentumsbegriff wesentliche Eigenschaft der Beschränkbarkeit legt es nahe, dem Chef des Hauses das Eigentum zuzuschreiben').'' Die sorgfältigen Untersuchungen des badischen Verwaltungsgerichtshofes stehen der Annahme nicht entgegen, daß im 19. Jahrhundert sich die Rechtslage änderte. Mit Recht folgert Dorner in seinen Erläuterungen des Badischen Ausführungsgesetztes z. BGB. S. 331 nur: Es erscheint die Annahme begründet, daß vorlandrechtliche Hausgesetze, welche die Familie für die Eigentümerin der Familienfideikommisse erklären, nicht vorhanden sind. Aus einem Veräußerungs- und Teilungsverbot, aus Bestimmungen, wonach der jeweils regierende Herr das Hausgut besitzen, regieren und nutzen solle, aber Veräußerungen und Verpfändungen ohne Zustimmung der Agnaten kraftlos seien, dürfe in keiner Weise gefolgert werden, daß dadurch die Familie als korporative Genossenschaft zur Eigentümerin habe erklärt werden sollen. Was im 19. Jahrhundert im standesherrlichen Hausrechte neu auftritt, ist das Ausscheiden des Familienhauptes aus der Eigentümereigenschaft durch Zurückdrängung in die reine Vertreterstellung. Schon früher hatte der Chef des Hauses Vertretereigenschaft. Er handelte im Namen des Gesamthauses. Aber Gesamthaus bedeutete nur gesamtes Haus, sämliche nachgeborene Agnaten (umfaßte also weder ihn noch die Prinzessinnen, Gemahlinnen, Witwen) und bezeichnete ein Handeln im Namen der einzelnen Agnaten. Der Chef besaß mit ihnen das Hausgut zu Gesamteigentum. E r handelte daher im eigenen Namen und im Namen eines jeden einzelnen von ihnen. Anders der aus dem Verfassungsleben übernommene Vertretungsgedanke. Es ist etwas völlig verschiedenes, wenn wir z. B. im Hausgesetze für das Fürstlich Salm-Horstmarsche Haus vom 5. Juli 1899 lesen: „Dem Fürstlich Salm-Horstmar'schen Hause gehören an: 1. der Fürst und sämt*) C o s a c k a. a. 0 . S. 136. •) H ü b n e r S. 101 und 304.

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liehe Prinzen und Prinzessinnen, 2. die ebenbürtigen Gemahlinnen und Witwen (Art. 1)'. „Die Mitglieder des Fürstlichen Hauses erkennen den jeweiligen Fürsteü als Oberhaupt der Familie an (Art. 4)". „Der Familienrat als das die Gesamtheit des Fürstlichen Hauses vertretende Organ" hat . . . . die Aufgabe, das gemeinsame Band, welches alle Mitglieder des Hauses umschließt, immer wieder zu erneuern und zur Besprechung und Verhandlung gemeinschaftlicher Angelegenheiten der Familie die Veranlassung zu bieten" (Art. 12). „Dem Familienrat gehören der Fürst, sobald er volljährig ist, und sämtliche volljährigen Prinzen des Fürstlichen Hauses an" (Art. 13). Der Fürst vertritt hier das Haus als eine Einheit; er handelt nicht im fremden und im eigenen Namen; das Haus umfaßt nicht nur ihn und die Agnaten. Der Erbschaftssteuer-Streitfall des fürstlichen Hauses Fürstenberg besitzt aus dem Grunde für die hier zu prüfenden Fragen so großes Gewicht, weil die durch ihn veranlaßten Untersuchungen1) der Rechtsverhältnisse dieser Familie den Beweis erbringen, wie auch in den standesherrlichen Häusern, die im 19. Jahrhundert kein neues Hausgesetz schufen, während dieses Jahrhunderts die Rechtsüberzeugung und Rechtsübung entstand, daß das Haus und nicht der Fürst und die einzelnen Agnaten das Eigentum am Hausfideikommiß besäßen. Aus der dem Gerichtshofe vorgelegten Ordre des Fürsten Karl Egon III. vom 6. November 1854 und aus dem Gutachten des Rechtsreferenten der fürstlichen Kammer vom Oktober 1893 erhellt, daß der jeweilige Sukzessor sich weder als Alleineigentümer noch überhaupt als Eigentümer betrachtete. Nicht er, sondern die Standesherrechaft trat als klagender und beklagter Teil auf. In einem Vergleiche vom 10. Januar 1834 erkannte das badische Justizministerium als Lehenshof die Korporationsnatur des Hauses an. Dasselbe erhellt aus den Entscheidungsgründen zu dem Urteile des Kreis- und Hofgerichts Konstanz vom 24. Januar 1879 über einen Holzberechtigungsstreit der Gemeinde Heudorf gegen die fürstliche Standesherrschaft. Die zum Hausvermögen gehörigen Liegenschaften wurden anstandslos auf die Standesherrschaft in die Grundbücher eingetragen. Für die fürstliche Brauerei zu Donaueschingen steht als Firmeninhaberin die Standesherrschaft im Handelsregister. Wenn der Gerichtshof allen diesen auf ein bestimmtes Herkommen hinweisenden Punkten keine entscheidende Bedeutung beimaß, so geschah es lediglich deswegen, weil das badische Landrecht Beachtung von gewohnheitsmäßiger Rechtsbildung den Staatsorganen verbot. Das Analogon mit der offenen Handelsgesellschaft greift nicht durch. Gewiß kann diese unter ihrer Firma Eigentum erwerben und vor Gericht •) Zeitschr. für bad. Verwaltung 1898 S. 30.

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klagen und verklagt werden und ist doch nicht juristische Person. Aber bei ihr sind alle Gesellschafter Organe der Gesellschaft; hier nur Fürst und Agnaten. Bei ihr wird jeder Teilhaber, der die Gesellschaft vertritt, zugleich im eigenen Namen verpflichtet; beim hochadeligen Hause wird der Vertreter durch Beine Vertretungshandlungen nicht selbst verbunden. Bei der Handelsgesellschaft haften auch die nicht an der Vertretung Beteiligten persönlich; hier ist das nicht der Fall. Das Verbandsleben hängt dort an den Individuen, hier ist es davon losgelöst. Daher sind dort das Handeln und Auftreten unter der Firma nur kurze Ausdrucksweisen für eine Gemeinschaft, hier das Handeln und Auftreten unter dem Hausnamen der Ausdruck für eine wirkliche rechtliche Einheit. § 19Theoretisches und praktisches Ergebnis. 1. Die Hausgüter der reichsständischen Familien bestanden überwiegend aus Lehen. Bei der Aufzählung der Güter in den Familienverträgen wird Lehen fast immer vor Eigen, also Lehengut fast immer vor Eigengut genannt. Für die Lehensgüter war es üblich, daß der Erstgeborene den Lehensbesitz beim Herrn nicht nur für sich, sondern auch für die nachgeborenen Agnaten seines Stammes erneuerte. Der Mannsstamm besaß die Hausgüter kraft Mitbelehnung. Objektives Recht, Lehre und Praxis waren darüber einig, daß das Hausvermögen im Eigentum zu gesamter Hand stand. Dem Haus als solchem wurde das Eigentum daran nicht zugeschrieben und demgemäß ihm auch nicht Korporationsnatur beigelegt. Wenn das Haus wegen des der Gesamtheit der Agnaten zustehenden jus statuendi als universitas bezeichnet wurde, so war dies nur ein Vergleich, den die allgemeine, aber nicht die positive Rechtslehre gebrauchte. Der Staat im allgemeinen galt als moralische Person. Er erläßt Gesetze. Auch die Familienstatuten sind begrifflich Gesetze. Daher ist das Haus tamquam persona moralis, quasi-juristische Person. Jedenfalls hat die positiv-praktische Rechtslehre des Privatfürstenrechts aus dieser dem öffentlichen Rechte angehörenden quasi-juristischen Persönlichkeit keine Eigentümerpersönlichkeit des Hauses abgeleitet. Die Satzungsgewalt gehört dem öffentlichen, das Hausgut dem Privatrechte an. Im 19. Jahrhundert entsteht durch Übertragung konstitutioneller Vorstellungen vom Staate auf das hochadelige Haus im Wege der Übung, die in gleichinhaltlichen Familienstatuten zutage tritt, ein gemeines standesherrliches Fürstenrecht dahin, daß Haupt und Agnaten, wenn sie das Hausvermögen verwalten, nicht eigenes, sondern fremdes Eigentum ausüben, Chef und männliche Familienmitglieder, wenn sie im Namen des

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Hauses handeln, voll und ausschließlich als Vertreter einer Rechtspersönlichkeit fungieren. 2. In Preußen und Hessen werden die Hausgrundstücke kraft Landesgesetz immer auf den Namen des Inhabers eingetragen, mag er nach Hausrecht Eigentümer sein oder nicht. In Bayern sind die zum Familienvermögen gehörigen Immobilien im Zweifel auf die Standesherrschaft einzutragen, da diese im Zweifel privatrechtliche Persönlichkeit besitzt. Nur wenn aus einem Hausgesetze aus der Zeit nach 1840 etwa sich ausdrücklich das Gegenteil ergäbe, wäre als Eigentümer der jeweilige Familienchef einzuschreiben. Das Nämliche gilt für Württemberg und Baden. In Sachsen ist beim Hause Schönburg nach damaligem Rechte der Stammgutebesitzer als Eigentümer zu vermerken. § 20.

Das Recht des Hauses, die Persönlichkeits- and Eigrent&merfrage zo ordnen. Das soeben über die Rechtslage in den einzelnen Staaten Bemerkte läßt ersehen, daß für ein Haus, das in mehreren Staaten Standesherrschaft besitzt, da und dort verschiedenes Grundbuchrecht gelten kann. Das Haus Löwenstein-Wertheim-Rosenberg besitzt Hausgüter in Hessen, in Bayern, Württemberg und Baden, das fürstlich Leiningische Geschlecht in Hessen, Baden und Bayern. In Hessen macht jeder Wechsel in der Familienhauptsteilung Änderungen im Grundbuche erforderlich; in den anderen Staaten ist e9 bei Leiningen gewiß nicht, beim fürstlichen Hause Löwenstein-Rosenberg im Zweifel nicht erforderlich. Aber auch für andere Häuser ist es vorteilhaft, wenn darüber Gewißheit besteht, ob das Haus Persönlichkeit und am Hausvermögen Eigentum besitzt. Jedes mediatisierte Geschlecht ist jederzeit in der Lage, durch einen dem Landesherrn vorzulegenden autonomischen Akt sich Rechtssubjektivität und Eigentum am Familienstammgute beizulegen. Auch Edg. L ö n i n g hat kein Bedenken1), daß dies zur Zuständigkeit der standesherrlichen Hausgewalt gehört. Durch autonomischen Rechtssatz kann die mediatisierte Familie jede Rechtsnorm schaffen, die der Erhaltung des Geschlechtes dient. Nichts fördert mehr die Bewahrung der Familie bei Macht und Ansehen auf Generationen als der Besitz einer von dem Wechsel der Mitglieder unabhängigen Rechtspersönlichkeit. Solche gedachte Persönlichkeit überdauert ') Die Autonomie usw. S. 130.

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Nöten und Stürme. Aus gleichem Grunde ist auch Vermögen, das nicht den einzelnen Familiengliedern, sondern dem Hause als Ganzem gehört, vor Untergang besser gewahrt. Zwischen dem einen und dem anderen Rechtssatze waltet jedoch ein bedeutsamer Unterschied. Die Bestimmung, daß das Haus juristische Persönlichkeit sein solle, ist Ausfluß des Rechtes, die Familienverhältnisse zu ordnen; die Festsetzung, daß ihm das Eigentum am Hausvermögen zustehe, ist Ausfluß der Autonomie über die Güterverhältnisse. Dort wird das Verhältnis der Familienglieder, hier das Verhältnis der Familiengüter zum Hause bestimmt. Die Familien-Autonomie ist nicht auf den Staat beschränkt, dem das Geschlecht als Standesherrschaft angehört. Den Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung gemäß haben ihre Rechtsnormen im ganzen Gebiete, in allen Staaten des ehemaligen Reiches Geltung. Anders verhält es sich mit der Güter-Autonomie. Diese steht den Mediatisierten nach Landesgesetz und Deklaration bloß über ihre Güter d. h. die Güter zu, die sie in dem Staate, dem sie als Standesherrn angehören, besitzen oder erwerben1). Nur innerhalb der ehemals reichsständischen Besitzung brauchen sie nicht zu liegen. Die autonome Güterrechtsnorm eines Hauses, das in Württemberg oder in Hessen standesherrlich ist, aber nicht in Preußen, erhält Rechtskraft daher lediglich in Württemberg bzw. Hessen, aber nicht in Preußen. Nur für das gemeine privatfürstliche Güterrecht besteht diese räumliche Geltungsschranke nicht. >) Vgl. Edg. L ö n i n g a. a. S. S. 63 ff.; R e h m , Deutsche Juristenzeitung 14, 1466 ff.

Schriften der Wissenschaftlichen Oesellschaft in Straßburg: Verlag von KARL J. TRÜBNER in Straßburg.

Heft 1: SPIEGELBERG, W., Der P a p y r u s Libbey. Ein ägyptischer Heiratsvertrag. Mit drei Tafeln in Lichtdruck. 4°. IV, 12 S. 1907. M. 4.— Heft 2: LITTMANN, ENNO, A r a b i s c h e Beduinenerzfthl u n g e n : Arabischer T e x t 4®. VII, 58 S. 1908. M. 8.— : Übersetzung. Mit 16 Abbildungen im Heft 3 : Text. 4°. XI, 57 S. 1908. M. 6.— Heft 4 : EHRHARD, ALBERT, Die g r i e c h i s c h e n Martyrien. Rede, gehalten bei der ersten Jahresversammlung der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg am 6. Juli 1907. Mit Anhang: Erster Jahresbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, erstattet hei der ersten Jahresversammlung am 6. Juli 1907, von ADOLF MICHAELIS. Mit dem Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft. 4°. 30 und 8 S. 1907. M. 3.— Heft 5 : REITZENSTEIN, R., Studien zu Quintilians g r ö ß e r e n D e k l a m a t i o n e n . 4°. IV, 90 S. 1909. M. 9.—

Heft 6: SCHWARTZ, E., Über die pseudoapostolischen Kirchenordnungen.

Mit Anhang: Zweiter Jahresbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, erstattet am 4 . Juli 1 9 0 8 von ADOLF MICHAELIS. Dritter Jahresbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, erstattet am 8. Juli 1 9 0 9 von THEOBALD ZIEGLER. Mit dem Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft. 4«. IV, 40 und 1FR S. 1 9 1 0 . M. 4 . — Heft 7: SCHWARTZ, E., Bußstufen und K a t e c h u m e n a t s klassen. Lex. 8°. IV, 61 S. 1911. M. 3.50 Heft 8: PREISIGKE, FRIEDRICH, Griechische U r k u n d e n des Ä g y p t i s c h e n Museums zu Kairo. Lex. 8°. VIII, 5 8 S. 1 9 1 1 . M. 3 . 2 0 Heft 9: LENEL, WALTER, Venezianigch-Istrische Studien. Mit 3 Tafeln. Lex. 8°. XV, 137 S. 1911. M. 10.50 Heft 10: LEUMANN, ERNST, Zur n o r d a r i s c h e n S p r a c h e u n d L i t e r a t u r . Vorbemerkungen und vier Aufsätze. Lex. 8*. ca. 61/» Bogen. [Unter der Presse.] Heft 11: REHM, HERMANN, Die juristische Persönlichkeit der standesherrlichen Familie. Lex. 8°. VI, 76 S. 1911. M. 3.—

Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg 12. Heft

Burzöes Einleitung zu dem Buche Kalfla waDimna übersetzt und erläutert von

Theodor Nöldeke

Straßburg • 1912 • Karl J. Triibner

Die am 6. Juli 1906 gegründete W i s s e n s c h a f t l i e h e G e s e l l s c h a f t in S t r a ß b a r g , die Vertreter aller Zweige der Wissenschaft umfaßt, veröffentlicht wissenschaftliche Arbeiten verschiedenen Inhalts und Umfangs, die in zwangloser Folge erscheinen und einzeln käuflich sind; sie werden mit laufenden Nummern bezeichnet. Eine Zusammenfassung in Bänden ist nicht beabsichtigt.

Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg 12. Heft

Burzoes Einleitung zu dem Buche Kaiila waDimna übersetzt und erläutert von

Theodor Nöldeke

Straßburg K a r l J. T r ü b n e r 1912

Burzoes Einleitung zu dem Buche Kaiila waDimna übersetzt und erläutert

von

Theodor Nöldeke

Straßburg Karl J. T r ü b n e r 1912

Ernst Kuhn zum Zeichen der Freundschaft und Anerkennung gewidmet.

Burzoes1) Einleitung zura Buche Kalila waDimna. Die arabische Bearbeitung des indischen Märchenbuches, die wir unter dem Namen Kalila waDimna kennen, hat zwei fraglos echte Einleitungen, die des Bearbeiters Ibn Moqaffa' (f 142 d. H.) selbst und die des Burzöe, der zur Zeit des Königs Chosrau I (531—579) das Buch aus Indien gebracht und in die damalige persische Schriftsprache, das sog. Pehlevi, übersetzt hatte. Wie es sich mit dem Bericht über die Sendung Burzöes nach Indien verhält, ist noch unklar. Jedenfalls hat Ibn Moqaffa' ihn nicht so geschrieben, wie wir ihn jetzt lesen; immerhin ist es nicht gerade unwahrscheinlich, daß er seinem Buche einen solchen Bericht vorangeschickt hat, der aber nachher vielfach entstellt sein muß. Ein späterer, gänzlich wertloser Zusatz ist jedoch sicher die in einigen Handschriften sich findende, den alten Übersetzungen unbekannte Vorrede des 'AI" b. Shäh oder Behbödh b. Sadschwän (?), die de Sacy auch mit abgedruckt hat*). Die Einleitung Burzöes stand in dem Pehlevi-Werke, das Ibn Moqaffa' vor sich hatte. Nach einigen Handschriften 8 ) ist diese Einleitung bearbeitet — oder wie wir sonst targama übersetzen wollen — von Buzurgmihr, dem der Belletristik viel besser als der Geschichte bekannten Mustervezir des Chozrau4). Das ist bloß eine unrichtige Folgerung aus jenem Bericht, hat nicht die geringste innere Wahrscheinlichkeit und fehlt dazu nicht nur in anderen Handschriften, sondern auch in allen alten Ubersetzungen. Wir können nicht daran zweifeln, daß dieser Abschnitt des arabischen Werkes in der Hauptsache die vom Oberarzt Burzöe selbst verfaßte Ein') Burzöe scheint die richtige Aussprache des N a m e n s zu sein. Justi, der sie a n n i m m t {Iran. N a m e n b u c h 74), h ä t t e wohl nicht nötig gehabt, d a n e b e n noch eine Form Barzöe zuzulassen, die ganz unbeglaubigt zu sein scheint. «) S. meine E r ö r t e r u n g e n in ZDMG. 59, 804 f. ') Von den mir b e k a n n t e n h a t d a s die Tübinger, a b e r nicht einmal die H a m b u r g e r , d i e sonst s o sehr mit de S a c y s Text übereinstimmt. Dieser gibt sie, u n d so natürlich a n c h die, welche ihn n a c h d r u c k e n . ') S. meinen T a b a r i 251. Natürlich will ich nicht g e r a d e z u leugnen, d a ß B u z u r g m i h r e i n e historische P e r s o n ist, a b e r er h a t keinenfalls die B e d e u t u n g gehabt, welche die b e treffende Oberlieferung ihm zuschreibt. Schriften der Wissenschaftlichen Oesellschaft in StraBburg XII.

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leitung zu dem von ihm aus einer indischen Sprache1) ins Pehlevi übersetzten Buche wiedergibt. Dafür, daß der Verfasser ein Arzt war, sprechen mehrere Stellen. Wozu hätte Ibn Moqaffa' auch nur fingieren sollen, daß Burzöe ernstlich Medizin studiert und ausgeübt habe ? Und dazu kennt der Abschnitt gerade die Anschauungen indischer Mediziner, von denen Ibn Moqaffa' sonst kaum etwas wußte und die breit darzulegen er keine Veranlassung hatte8). Und die ganze Situation scheint mir für die Verhältnisse des Persers zu passen. Beachte namentlich das ausführliche Encoinium auf den persischen König 8 ). Aber damit ist durchaus nicht gesagt, daß der arabische Text ein bis ins Einzelne genaues Abbild von Burzöes Original sei. Zunächst ist zu bemerken, daß Ibn Moqaffa' überhaupt kein bloßer Ubersetzer, sondern durchweg ein Bearbeiter seiner Vorlage war. Ihm kam es hier darauf anr ein dem Geschmack hochgebildeter Leser angepaßtes, unterhaltendes und belehrendes Werk zu Hefern. Er verfuhr deshalb nicht bloß als Wortkünstler ziemlich frei, sondern setzte auch allerlei Eigenes hinzu. Vor allem kommt hier der Prozeß Dimnas in Betracht. Daß dies Kapitel der Zusatz eines Muslims sei, der die stillschweigend ausgesprochene hohe Anerkennung der geschickten, aber niederträchtigen Intrigue nicht so hingehen lassen mochte, hat schon Benfey erkannt, und wir brauchen nicht zu bezweifeln, daß es von Ibn Moqaffa' herrührt4). Auch möchte ich die allerdings ziemlich unbedeutende Geschichte vom Asketen und seinem Gast für Ibn Moqaffa' in Anspruch nehmen5.) Die Art, wie er erzählt, erkennen wir ') Und zwar, wie Joh. Hertel nachgewiesen hat, dem Sanskrit. Das schließt freilich nicht aus, daß dem Perser ein Inder das Verständnis der Vorlage mag vermittelt haben, der eine jüngere indische Sprache redete. ') Daß die Bekanntschaft mit indischer Medizin die Echtheit verbürge, hat mir auch Hertel (brieflich) geäußert. ') Die von mir früher wohl einmal ausgesprochene Vermutung, das ganze Kapitel möge von Ibn Moqaffa herrühren, nehme ich somit entschieden zurück. 4 ) Man kann gerade nicht sagen, daß bei- Dimnas Prozeß der Gang der Erzählung, d. h. des eigentlichen Geschehens, besonderes Lob verdiene. Auch ist keine der eingelegten Geschichten so gut wie die besseren des Pantschatantra; aber die Hauptsache ist für den Verfasser das Rhetorisch-Didaktische, die Gespräche und der Wortwechsel, vor Gericht. Die Gewandtheit, womit sich der Bösewicht verteidigt, wie er die gekränkte Unschuld spielt und jeden Vorteil wahrnimmt, ist sehr gut dargestellt. Der Verfasser bringt mancherlei an, was er von einer leidlich hohen Warte aus beobachtet hat. Daß beide Zeugnisse gegen Dimna nur auf e r l a u s c h t e n Gesprächen beruhen, erscheint uns ungeschickt, aber vielleicht lag das einem Manne nahe, der die Bedeutung des Spionierens in seiner Zeit gründlich kannte. Übrigens ist dies Kapitel allem Anschein nach besonders viel und stark entstellt. Die Texte und Versionen weichen sehr von einander ab. Die Abschreiber verstanden gewiß vielfach die Feinheiten der Sprache in den Dialogen nicht und änderten aus Nachlässigkeit und Willkür manches ab (Cheikhos Text hat dazu große Lücken). Wenn wir den Prozeß Dimnas in seiner Urform hätten, würde sich das Geschick des Verfassers wohl viel glänzender zeigen. ') Dagegen hat mir Hertel nachgewiesen, daß die Geschichte vom Königssohn und seinen Genossen, für deren Autor ich früher ebenfalls Ibn Moqaffa' hielt (ZDMG. 59, 802), auch



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übrigens noch aus seiner eigenen Vorrede. Besondere zu beachten, daß er auch darin, wie in Dimnas Prozeß, Erzählungen nach indischer Art anbringt. Somit ist es von vornherein nicht ausgeschlossen, daß in unserm Burzöe-Kapitel einiges nicht von dem alten persischen Arzte, sondern von Ibn Moqaffa' herrührt. Und daa nehme ich, wie ich längst ausgesprochen habe1), besonders an von der Erörterung über die Unsicherheit der Religionen. Sie scheint viel mehr als für Burzöe ftir Ibn Moqaffa' zu passen. Dieser hatte erst in gereiftem Alter die Religion seiner persischen Väter mit dem Islam vertauscht, gewiß nicht, weil er in diesem die volle Wahrheit erblickte, aber er mochte sich auch nicht mit dem ihm genau bekannten Zoroastriertum oder mit einer der anderen Religionen zufrieden geben, die in seiner Zeit im Herzen des Reichs, dem 'Iräq, offen oder im Geheimen lebten. Einem solchen Manne ist die Skepsis unseres Abschnittes angemessen, die doch nicht ausschließt, daß gewisse, allen Religionen, die der Schriftsteller näher kannte, gemeinsamen Glaubenssätze auch ihm selbstverständlich blieben: Gott als Schöpfer und das Jenseits mit Lohn und Strafe. Wenn er sich im eigenen Namen offen zu solchen Ansichten bekannte, vermochte kein Gönner ihn vor der Todesstrafe zu retten. Dagegen war es gefahrlos, die bedenkliche Ausführung dem längst verstorbenen Perser beizulegen, der doch, selbst wenn er solche Zweifel gehabt haben sollte, als Arzt am königlichen Hofe sie auch nicht hätte äußern dürfen. Den Glauben an das unabänderlich feststehende Fatum, der in dem Kapitel wie in den ganz dem Ibn Moqaffa' zuzuschreibenden hervortritt, könnte allerdings auch ein Mazdajasnier gehabt haben; diese Anschauimg spricht also weder gegen noch für Ibn Moqaffa' als Verfasser. Ebensowenig entscheidet die dort wie hier ausgesprochene Empfehlung reiner Moral. Dafür, daß die Stelle über die Unsicherheit der Religionen von Ibn Moqaffa' herrühre, scheinen mir noch einige Verse im Schähnäme zu sprechen8). Da hat ein indischer König Kaid8) mehrere Träume, die ihm indischer Herkunft ist. Aber entweder war seine Vorlage doch in einigen wesentlichen Zügen von der uns erhaltenen indischen Erzählung verschieden, oder er hat jene selbständig verändert, und zwar nach meinem Urteil verbessert. ') Gött. gel. Anz. 1884, 673. ") Mac an 1293; Mohl 5, 116; in der Separatausgabe von Mohls französischer Obersetzung 5, 53f. Ich habe zu der Stelle seiner Zeit die Leidner Handschrift verglichen; sie ergibt hier aber nichts Wesentliches *) Hier ist eine Verwechslung. Kaid ist eigentlich der Name des Weisen; s. meine „Geschichte des ArtachSir i Pdpakdn S. 28 und 64. Und daß Kaid auf den indischen Kätydyana zurückgeht, steht jetzt fest, denn dieser ist ja gerade der große Traumdeuter, s. Chavannes, Cinq cents contes, eztraits du Tripritaka 3, 106ff. Da legt er die acht Träume des Königs aus wie Kaid die zehn. Die Träume selbst sind verschieden; dagegen kommen zwei von denen des Schähnäme in einer entsprechenden Traumreihe vor Chavannes 3, 323. Für den Namen des Königs Tschandapradyöta, der auch in einer solchen Situation in Kalila waDimna erscheint (als DlSflXC jt^JoLä) hat Firdausl eine rein Iranische Form Mihrän.



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der weise Mihrän auslegt. Den dritten Traum, daß vier Männer an einem feinen Tuche je nach einer Seite zerren, ohne daß es zerreißt, deutet dieser also: „Erkenne, daß das Tuch die göttliche Religion ist und die vier Zerrenden, sie zu bewahren, gekommen sind. Eine Religion ist die des Dihkäns, des Feuerverehrers, welcher den Barsom nicht ohne Gebetsformel in die Hand nimmt1)- Die andere, die Moses, welche man die jüdische nennt, die da sagt, daß außer ihr keine gelobt werden darf; die andere, die des Griechen8), des Frommen, welche ins Herz des Fürsten Gerechtigkeit bringt3); die vierte, eine reine Religion von den Arabern, welche das Haupt der Verständigen aus dem Staube emporhebt. So zerren sie zur Bewahrung (ihrer Religion) in dieser Weise das Tuch nach vier Seiten hin (auseinander), zieht einer es vom andern weg und werden sie der Religion wegen Feinde". Ich möchte diese Stelle, deren Grundanschauung mit der Betrachtung über die Religionen in unserem Kapitel übereinstimmt, jetzt mit noch größerer Bestimmtheit als ZDMG. 59,803 auf Ibn Moqaffa' zurückführen. Im alten Pehlevi-Königsbuch hat sie nicht gestanden, denn dieses konnte nur die nationale Religion als richtig anerkennen und konnte den Islam noch nicht berücksichtigen, selbst wenn die letzte Redaktion in eine Zeit gefallen ist, wo dieser schon bestand. Firdausi aber hat die Stoffe seiner Darstellungen durchweg nicht selbst ersonnen, sondern nur bearbeitet, und das Meiste davon geht auf die Gestalt zurück, die Ibn Moqaffa' der alten Überlieferung gegeben hat*). Wirklich traute man auch der muslimischen Rechtgläubigkeit Ibn Moqaffa's nicht. Er wird mehrfach als Zindiq „Ketzer" bezeichnet5). Auch scheint die Stelle nicht recht in die Disposition des ganzen Abschnittes zu passen. Für Burzöe, der an der Medizin irre wird, ist die Hauptfrage, ob er ein Asket werden solle, eine Frage, die dem Ibn Moqaffa1 ziemlich fern gelegen haben wird. Die Fugen des Zusatzes lassen sich allerdings kaum genau ermitteln. Ibn Moqaffa' hat ihn doch wohl nicht ohne Weiteres eingeschoben, sondern alles kunstvoll verbunden. Er kann auch hie und da etwas weggelassen haben. ') Dihkän, eigentlich der kleine, grundbesitzende Adliche der Säsänidenzeit, als Vertreter der alten persischen Religion. Barsom und Gebetsformel (bai) bekannte Stücke ihres Ritas. ') Mohl falsch „des Jonas". *) Das Christentum. 4 ) Vgl. was ich Uber diese Dinge in meiner Schrift „Das iranische Nationalepos" (im „Grundriß der iranischen Philologie") gesagt habe. •) Agh. 12, 81, 18ff. 18, 200, 25ff.; von der letzteren Geschichte eine andere Wendung Ibn Qotalba, 'Ujün 71, 9f.; ferner Ibn Challikän (Wüst.) Nr. 186, S. 125. Der Ausdruck Zindiq bezeichnete wahrscheinlich ursprünglich einen bestimmten Grad der Bekenner des Manichäismus oder einer ähnlichen Religion, wurde dann aber auf ganz verschiedenartige Ungläubige angewandt. Die Etymologie ( = aramäischem Zaddfq) hat Bevan erkannt.



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Mir ist sehr wahrscheinlich, daß Burzöe sich durch den buddhistischen Roman hat beeinflussen lassen, dessen Original verloren ist und dessen bester Repräsentant für uns das arabische Büauhar icaBodäsf1) ist. Manche Stellen unseres Kapitels erinnern selbst im Wortlaut stark an solche des Romans. So klingt die über die Gefährdung des Körpers an die im Roman 53 f. an; da kommen auch die vier Grundbestandteile (achläf)*) vor, ebenso wie S. 9 und in der Parabel vom Mann im Brunnen. Und diese, die am Schluß des Kapitels steht, ist, wenn nicht alles trügt, mit geringen Veränderungen geradezu aus dem Roman genommen. Sie steht im ganzen Kalila waDimna einsam da, weicht in Art und Tendenz vollständig von dessen Geschichten ab, und zwar auch von den durch Ibn Moqaffa' hinzugekommenen, stimmt aber zu der asketischen Neigung Burzöes. Dabei zeigt sich dessen Schätzung der Askese nicht als ursprünglich, sondern als etwas, wozu er sich mühsam zwingen muß. Vermutlich ist sie erst in Indien recht lebendig geworden8). Und wie weit er sie im Leben durchgeführt hat, mag dahinstehen. Nicht zu übersehen ist, wie er hervorhebt, daß dem idealen Arzte aus seiner Kunst doch auch reicher irdischer Gewinn zufließt. Von diesem Kapitel existiert, so viel ich weiß, keine Übersetzung in ') Lithographiert Bombay 1306 d. H. — Die Aussprache der beiden Namen steht nicht fest, so sicher es ist, daß der zweite auf Bodhisattva zurückgeht. Der arabische Text ist nach allen Anzeichen aus einem Pehlevi-Text übersetzt und dieser aus einem indischen. Dabei wird jedesmal eine leise religiöse Übermalung stattgefunden haben, namentlich in Hervorhebung des Monotheismus und des Jenseits. Aber die Tendenz, zu zeigen, daß die Askese allein selig macht und die Welt mit ihren Gütern gänzlich zu verachten ist, tritt überall hervor. Das paßt für Indien, nicht gut für das lebensfrohe Mazdajasniertum, das nur gelegentlich ein wenig asketische Neigung zeigt, noch für den Islam, welcher der Askese im Grunde abgeneigt ist — (.iLwiH i i l i L l C j Ü —, obwohl auch nach dem .Koran das irdische Leben nur „ ein Apparat zur Belörung" ist (Süra 57, 20). — Die unsäglich langweilige griechisch-christliche Bearbeitung BapXaan Kai 'luuaad gehört hinter 32, 7 S^yw. ') Diesen Satz hätte man lieber vor dem vorhergehenden. Aber die Überlieferung hat ihn hier, soweit sie ihn nicht einfach wegläßt.



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den Lohn im Jenseits erstrebt, und faßte den Entschluß, mich danach zu verhalten und nicht nach irdischem Gewinn zu trachten, um nicht dem Kaufmann zu gleichen, der einen Rubin, durch welchen er einen AVeltreichtum hätte erlangen können, für eine wertlose Perle 1 ) verkaufte. Dazu fand ich aber noch in den Werken der Alten, daß, wenn ein Arzt durch seine Kunst den jenseitigen Lohn erstrebt, er darum doch nichts von seinem Anteil am Irdischem verliert, sondern daß er darin dem Sämann gleicht, der sein Land sorgfältig bestellt, um das Getreide zu erlangen, dem aber dann nachher ohne Weiteres mit der aufsprießenden Saat auch allerlei Kraut wächst 8 ). So machte ich mich denn in der Hoffnung auf jenseitigen Lohn daran, die Kranken zu heilen, und gab mir große Mühe in der Behandlung aller Siechen, auf deren Genesung ich hoffte, ja selbst anderer, bei denen ich solche Hoffnung nicht mehr hatte, denen ich ihr Leiden aber wenigstens zu erleichtern suchte. Ich besorgte persönlich die, bei denen ich es konnte; wo das aber nicht anging, gab ich den Kranken die nötigen Anweisungen und schenkte ihnen auch die Heilmittel. Und von niemand, für den ich so etwas tat, verlangte ich Bezahlung oder eine sonstige Belohnung. Ich beneidete keinen meiner Kollegen, der mir an Wissen gleich stand, aber mich an Ansehen und Vermögen übertraf, während er doch in Worten und Werken Rechtschaffenheit und guten Wandel vermissen ließ. Als aber dennoch meine Seele 8 ) Neigung dazu empfand, mich antrieb, sie zu beneiden und eine Stellung wie ihre zu begehren, trat ich ihr folgendermaßen scharf entgegen: „o Seele, unterscheidest du nicht das dir Nützliche vom Schädlichen? Läßt du nicht ab davon, etwas zu wünschen, das zu erlangen jedem nur geringen Gewinn, aber schwere Mühe und Not verursacht und das ihm, wenn er es schließlich verlassen muß, großen Kummer und hinterher (im Jenseits) gewaltige Strafe 4 ) bringt? 0 Seele, denkst du nicht an das, was auf dies Leben folgt, und läßt dich die Gier nach den Dingen der Welt das vergessen? Schämst du dich nicht, im Verein mit den Schwachköpfen und Toren dies rasch dahin schwindende Erdenleben zu lieben? ') Nachahmung *) Gemeint ist hervorbringt, die zur Futter für die Pferde

einer Perle a u s geringem Stein, vielleicht auch aus Glas. wohl, daß der Acker nach der Getreideernte noch Gras und Kräuter Viehweide dienen können. Nasralläh setzt ausdrücklich hinzu, daß da w a c h s e . Der Text steht fest.

3 ) Nach orientalischer Art stellt der Verfasser sich seine Seele, d. h. sein Selbst, so persönlich gegenüber, daß ich es nicht für zulässig gehalten habe, diese, u n s sehr fremdartige, Ausdrucksweise für d a s Selbstgespräch zu ändern. 4 ) Die Furcht vor den Höllenstrafen, die j a auch ein Lehrstück der damaligen persischen Religion waren, bewegt d e n Verfasser in ähnlicher Weise wie einige Jahrzehnte später den Muhammed, der ohne sie gewiß nicht als Prophet und Religionstifter aufgetreten wäre.



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Wer etwas davon in Händen hält, dem gehört es ja doch nicht; es bleibt ihm nicht, und nur die Betörten, Achtlosen hängen daran. Laß ab von diesem Unverstand und wende deine ganze Kraft, so lange du es noch vermagst, dazu an, dich zunächst um das Gute und den (himmlischen) Lohn zu bemühen. Hüte dich, dies aufzuschieben. Bedenke, daß unser Leib zu allerlei Unbill bestimmt ist und voll von den vier verderblichen, unreinen Grundbestandteilen1), die er in sich faßt, indem sie einander bekämpfen und wechselseitig überwinden, die das Leben stützt, das doch selbst verschwinden muß. Das ist wie bei einem Standbild mit abgesonderten Gliedern, die, wenn sie richtig zusammengefügt sind und je an der rechten Stelle sitzen, ein einziger Stift zusammenhält, die aber, wird er herausgenommen, auseinanderfallen*). 0 Seele, laß dich nicht durch den Umgang mit Freunden und Genossen betören und strebe nicht allzusehr danach, denn dieser Verkehr bringt zwar Freude, aber auch viel Ungemach und Traurigkeit und endet zuletzt in Trennung. Das ist wie eine Schöpfkelle, die man, so lange sie noch neu ist, bei der scharfen Hitze der Suppe braucht3), wenn sie aber zerbricht, zu guter Letzt verbrennt. 0 Seele, laß dich nicht durch Familie und Angehörige bewegen, ihnen zuliebe Güter zu sammeln, wobei du selbst zugrunde gehst. Dann bist du wie ein duftendes Räucherwerk, das verbrannt wird, nur um Andern Genuß zu verschaffen *). 0 Seele, laß dich nicht durch Reichtum und Würden betören, denn kaum erblickt einer etwas von diesen ihm so werten Dingen, da verlassen sie ihn schon. Sie sind wie ein Haar, das man pflegt, so lange es auf dem Kopfe sitzt, aber, sobald es ausfällt, als unrein wegwirft. 0 Seele, bleib immer dabei, die Kranken zu behandeln und laß nicht deshalb davon ab, weil du findest, daß der ärztliche Beruf voll schwerer Anstrengung ist und die Leute dessen Nutzen und hohen Wert doch nicht einsehen. Erwäge bloß, ob nicht einer, der jemandem ein Leid, das er zu tragen hat, wegschafft, so daß er sich wieder ganz frisch und wohl fühlt, großen Lohnes und schöner Vergeltung wert ist. So verhält sich's also schon bei dem, welcher für einen Einzelnen sorgt: ') Siehe unten S. 23 und 27. *) Dies Gleichnis als Geschichte bei Chavannes, Cinq cents contes 3, 171 (aus einem 285 n. Chr. ins Chinesische übersetzten Werke). s ) Die Kelle oder der Löffel ist nötig, weil die Suppe zu heiß ist, als daß man sie mit den Händen aus der Schüssel oder dem Topfe herausnehmen könnte. Aber das täte man doch auch nicht, wenn sie kalt wäre. Vermutlich ist hier ein altes Mißverständnis und handelt es sich nur um siedendes Wasser. Die Stelle ist ja ähnlich der altindischen in Chavannes, Cinq cents contes l, 366 n 100: „S'il y a de l'or dans une marmite, peut-on le prendre avec la main dans l ' e a u b o u i l l a n t e de la marmite?" — Oder ist hier die heiße Suppe bloß deshalb genannt, um den Gegensatz zu zeigen, daß das Geräte, so lange es brauchbar, der Hitze trotzt, dagegen, wenn unbrauchbar geworden, ihr unterliegt ? Natürlich ist es von Holz. 4 ) Hier beginnt eine größere Lücke bei de Sacy und in der Hamburger Handschrift, herbeigeführt durch den gleichen Anfang hat) Bell. jud. 3, 341. *) Die schwarze steht nach der richtigen Lesart voran, da für die arabischen Leser (ich weiß nicht, ob auch für die indischen) das vux6^|ifpov mit der Nacht beginnt. ') Es handelt sich um wilde Bienen; cfr. Hör. Epod. 16, 47; Tibull. 1, 3, 45, sowie 1 Sam. 14, 25f. — Wenige Quellen lassen den Honig herabträufeln; das kommt aber nicht etwa aus der ursprünglichen indischen Gestalt, welche den süßen Saft wirklich aus dem Baume fließen läßt, sondern ist nur zur Erklärung eingefügt, wie der Mann zu diesem Genuß kommen konnte. Ich sehe dazu auch keine andere Möglichkeit als die Annahme, daß er sich auf die beiden Äste stützte, indem er sie unter den Achseln hatte, sodaß er die Hände nach dem Honig ausstrecken konnte. Aber am Ende darf man solche Sachen nicht zu genau nehmen. Auf alle Fälle haben wir hier als Bild für das Leben, das doch eine Einheit ist, darum z w e i Äste, damit er sich daran eine Zeitlang halten kann; bei e i n e m Ast wäre das unmöglich gewesen.

— 27 — welche die Grundlage des Menschen bilden1), von denen aber ein jeder, gerät er in Aufregung, wie tödliches Natterngift ist, die beiden Äste dem Leben, die schwarze und die weiße Maus der Nacht und dem Tage, die in stetem Wechsel die Lebenszeit aufreiben, den Lindwurm dem unvermeidlichen Tode, den Honig aber dem bischen Genuß, den der Mensch vom Riechen, Schmecken, Sehen, Hören und Fühlen*) hat, der ihm aber sich selbst und seine ganze Sache in Vergessenheit bringt und ihn vom Wege des Heils abzieht3). So fand ich mich denn in meine Verhältnisse, suchte, so rechtschaffen wie möglich zu handeln in der Hoflhung, noch einmal eine Zeit zu erleben, worin ich einen Führer für mich selbst und Helfer für meine Sache erlangte4). In diesem Zustande blieb ich, bis ich aus Indien nach meinem Heimatlande zurückkehrte, nachdem ich dies Buch und einige andere5) abgeschrieben hatte •). ') Siehe oben S. 23. Die Tübinger Handschrift (aber nicht Cheikho) hat hier wieder ausdrücklich die A u f z ä h l u n g : Blut, Schleim, Wind, Galle; 'Iqd die übliche arabische R e i h e : beide Gallen, Schleim, Blut; so auch die (ganz schlechte) Berliner Handschrift. Das w e r d e n lauter spätere Zusätze sein. DaB die Gesundheit nur besteht, wenn die vier Grundbestandteile im Gleichgewicht bleiben, aber verloren geht, w e n n einer der einander mißgünstigen Rivalen das Übergewicht bekommt, ist indische wie griechisch-arabische Lehre, die sich in der Humoralpathologie auch in Europa bis zur neueren Zeit erhielt. *) Siehe oben S. 25. Aber es ist nicht einmal sicher, daß ursprünglich a n beiden Stellen dieselbe Folge war. — Der Honig als Bild der Weltlust so (in Nachahmung dieser Stelle) Dschal'ad waSchimäs (Habicht 8, 60; Büläq«, 4, 226). 8 ) Der Spanier hat hier n o c h : „So entschloß ich mich denn fest dazu, Asket zu w e r d e n und nach Kräften gute Werke zu tun, um d a d u r c h im Jenseits, dessen Bewohner unsterblich sind und von keiner Widerwärtigkeit betroffen werden, einen Ruhesitz zu erwerben. Und ich hielt meine Seele rein und behütete sie vor jeglicher Sünde, indem ich dazu noch f ü r f r ü h e r begangene Buße tat. In diesem Zustand blieb ich immer". Der erste und dritte Satz so auch bei Johannes de Capua; der zweite bei ihm anders. Keine weitere Quelle h a t aber etwas von alledem, und ich sehe darin spätere Zusätze. 4 ) Redet hier vielleicht wieder der Skeptiker Ibn Moqaffa", der doch die Hoffnung nicht aufgeben mochte, einmal richtig belehrt zu w e r d e n ? 5 ) Hertel äußerte mir brieflich die plausible Vermutung, daß „dies Buch" n u r das eigentliche, dem Tantrakhjäjika (resp. dem PanUchatantra) entsprechende Werk sei, die andern die Kapitel, welche das alte syrische Karirag tcDamnag nach indischen Vorlagen noch sonst enthält. •) Der Spanier hat zum Schluß: „nachdem ich dies Buch übersetzt hatte. Und ich fand, daß es f ü r den, der es versteht, einiges enthält, und ich bat Gott, daß die, welche es sich ansehen, seine Bedeutung und den Kern (wörtlich d a s „Mark"), den es enthält, verstehen möchten". Da kein Anderer den letzten Satz hat, kann man für sicher halten, d a ß er nicht der Urschrift angehört.

Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Strafiburg: Verlag von KARL J. TRÜMER in Straßburg.

Heft 1: SPIEGELBERG, W., Der Papyrus Libbey. Ein ägyptischer Heiratsvertrag. Mit drei Tafeln in Lichtdruck. 4°. IV, 12 8. 1907. M. 4.— Heft 2: LITTMANN, ENNO, Arabische Beduinenerzählungen: Arabischer Text. 4®. VII, 68 S. 1908. M. 8.— Heft 3: : Übersetzung. Mit 16 Abbildungen im Text. 4°. XI, 57 S. 1908. M. 6.— Heft 4: EHRHARD, ALBERT, Die griechischen Martyrien. Rede, gehalten bei der ersten Jahresversammlung der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg am 6. Juli 1907. Mit Anhang: Erster Jahresbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, erstattet bei der ersten Jahresversammlung Am 6. Juli 1907, von ADOLF MICHAEUS. Mit dem Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft 4*. 30 und 8 S. 1907. M. 3.— Heft 5: REITZENSTEIN, R., Studien zu Quintilians größeren Deklamationen. 4°. IV, 90 S. 1909. M. 9.— Heft 6: SCHWARTZ, E., Über die pseudoapostolischen Kirchenordnungen. Mit Anhang: Zweiter Jahresbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, erstattet am 4. Juli 1908 von ADOLF MICHAELIS. Dritter Jahresbericht der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg, erstattet; am 3. Juli .1909 von THEOBALD ZIEGLER. Mit dem Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft. 4°. IV, 40 und 15 S. 1910. M. 4.— Heft 7: SCHWARTZ, E., Bußstufen und Eatechumenatsklassen. Lex. 8°. IV, 61 S. 1911. M. 3.50 Heft 8: PREISIGKE, FRIEDRICH, Griechische Urkunden des Ägyptischen Museums zu Kairo. Lex. 8°. VIII, 58 S. 1911. M. 3.20 Heft 9: LENEL, WALTER, Venezianisch-Istrische Studien. Mit 3 Tafeln. Lex. 8®. XV, 197 S. 1911. M. 10.50 Heft 10: LEUMANN, ERNST, Zur nordarischen Sprache und Literatur. Vorbemerkungen und vier Aufsätze. Lex. 8°. ca. 61/» Bogen. [Unter der Presse.] Heft 11: REHM, HERMANN, Die juristische Persönlichkeit der standesherrlichen ¡Familie. Lex. 8°. VI, 76 S. 1911. M. 3.— Heft 12: NÖLDEKE, THEODOR, Burzöes Einleitung zu dem Buche Kalüa waDimna. Lex. 8°. V, 27 S. 1912. M. 1.50

Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg 13. Heft

Ein Erbstreit aus dem ptolemäischen Ägypten Griechische und demotische Papyri der Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg i. Eis.

von

Otto Gradenwitz, Friedrich Preisigke, Wilhelm Spiegelberg

Mit vier Tafeln in Lichtdruck

Straßburg • 1912 • Karl J . Trübner

Die am 6. Juli 1906 gegründete W i s s e n s c h a f t l i c h e G e s e l l s c h a f t in S t r a ß b u r g , die Vertreter aller Zweige der Wissenschaft umfaßt, veröffentlicht wissenschaftliche Arbeiten verschiedenen Inhalts und Umfangs, die in zwangloser Folge erscheinen und einzeln käuflich sind; sie werden mit laufenden Nummern bezeichnet. Eine Zusammenfassung in Bänden ist nicht beabsichtigt.

Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Straßburg 13. Heft

Ein Erbstreit aus dem ptolemäisehen Ägypten Griechische und demotische Papyri der Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg i. Eis.

Von

Otto Gradenwitz, Friedrich Preisigke, Wilhelm Spiegelberg

Straßburg K a r l J. T r ü b n e r

1912

Ein Erbstreit aus dem ptolemäischen Ägypten Griechische und demotische Papyri der Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg i. Eis.

Von

Otto Gradenwitz, Friedrich Preisigke, Wilhelm Spiegelberg

Mit vier Tafeln in Lichtdruck

Straßburg K a r l J. T r ü b n e r 1912

Druck yon H. DuMont Scb&uberg, Strasburg.

Vorwort. Die vorliegende Schrift behandelt eine im Besitze der Wissenschaftlichen Gesellschaft zu Straßburg im Elsaß befindliche Gruppe griechischer und demotischer Papyri, die aus inhaltlich zusammengehörigen Aktenstücken eines Erbstreites aus der Zeit des Ptolemaios Euergetes II. besteht. Sie stammen sämtlich aus der Thebais (Gebelen) und erhalten dadurch eine besondere Bedeutung, daß andere, zu demselben Streitfalle gehörige Urkunden sich in anderen Sammlungen vorfinden (BGU. 992; P. Giss. I 36 u. 37; P. Grenf. I 17; P. Heidelb., welchen letzteren G. A. Gerhard alsbald veröffentlichen wird), sodaß gegenseitige Ergänzungen und Erläuterungen gewonnen werden. Die Straßburger Gruppe enthält unter Anderem ägyptische (demotische) Urkunden eben jenes Streitfalles, darunter auch das demotische Original, dessen griechische Übersetzung sich in Gießen befindet, und außerdem das griechische Protokoll über diejenige Gerichtsverhandlung, die zum Urteile in zweiter Instanz führte. Paul M. Meyer hat wiederholt auf unsere Bitten die Gießener Urkunden nachgeprüft und bereitwilligst Auskunft erteilt, wofür wir ihm auch hier unsem verbindlichsten Dank aussprechen. S t r a ß b u r g iin E l s a ß , den 1. Dezember 1911.

Otto Gradenwitz. Friedrich Preisigke. Wilhelm Spiegelberg.

Inhalt. I. J u r i s t i s c h e r T e i l von Otto G r a d e n w i t z

Seite. 1

1. Die Beteiligten

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2. Das Wesen des Streites im Straßburger Prozeß

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A. Zum Vergleich: der Hermiasprozeß B. Insbesondere die mrrxü»pr)f| Kai TÜIV KCRRATPAQJWV T ' ¿VRITPAQJA vorgelegt wurden. Nun ergibt die demotische Urkunde Str. Nr. 16, die, mit Gießen 36 identisch, glücklicherweise nicht, wie Gießen 36, vor dem Schluß abbricht, daß G. 36, 6 ad finem von einem Notar, doch wohl dem, herrühre, der die Urkunden Gießen 37 beurkundet hat; da nun auch diese letzteren sich auf die 35 Aruren beziehen, so ist das Wahrscheinliche, daß ein Komplex von Urkunden über diese 35 Aruren vorliegt, der in seiner Gesamtheit und im Einzelnen von Goiopeato?' Büreau stammt, und dessen eines Stück (eben Gießen 36, 6 ff.) nach einer Abschrift für das Straßburger Protokoll beigefügt ist, und eben deswegen den Kopf dieses Protokolls, seltsamerweise, als eigenes Rubrum auch in dieser Urkundensammlung voranträgt. Dem, für den dieses Urkundenbündel zusammengestellt wurde, kam es nur auf die Erklärung der Schwestern an die Geschwister an; der, der die Urkunde kopierte, schrieb das Protokoll, dem sie beigefügt war, von Anfang an ab — vielleicht absichtlich nur bis zu einem gewissen Punkte, vielleicht, weil ein Höherer seine Schreibfreudigkeit an diesem Punkte kappte. Unzweifelhaft hat er Absatz 1 und 2 abgeschrieben, ebenso unzweifelhaft von Absatz 3 die Namen des Beamten und ') Straßb. werden die Parteien dem Chef (dem ¿moTpd-nitof) zum Schluß vorgefahrt, nachdem vor der Snite verhandelt. — Hermiaa werden die Verhandlungen vor dem ¿moTdrrn und der Suite geführt and gemeinsam wird von ¿mcrrdTTH and Saite Recht gesprochen.

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I. Juristischer Teil.

der Beschwerdeführer samt dem stereotypen dbiKoüntöa und den Namen der Beschwerdeverursacher bis ¿k Tii? aÜTfj; nöXewc. Wenn er aber dann fortfährt: CX opexovTiuv. —, so würde ich nicht an npapexövnuv denken, sondern an etwas, was auch Straßburg Z. 49 hinter TtöXeuji gestanden haben kann: da es nun dort heißt [ ]ujv toü btanöltiv twv imapxovTuuv #lH.iv ktX dpoupwv, so kann man (auf das Wort kommt nichts an) etwa 4X[mba f]äp ¿xövtuiv, oder ¿irfiöuniav t}dp ¿xövruiv für Gießen und danach dasselbe für Straßburg (mit folgendem aüxjwv?) vermuten. Hierauf bricht die reine Einführung Gießen 36 ab, und es kommt zur Sache, den Urkunden selbst: wie es scheint, wird erst eine gleichgültige Urkunde erwähnt: dvirrp ]n€V

Kq0' ümuv,

50 .

. (XIII) für die Brandopfer der Könige zahlen, und wir werden ein TO [drcoTeiffouev iifriv ....].. t u j v [. . K]ai tö ßa I] ^ ^

© Xs-ta-oirw ist.

d) Die Gleichung Anfiuivia = lev^rn^, d. i. T\-irj t-{n)-Mjn „die Tochter des Min" setzt die Identifizierung der Götter Min und Amon voraus, die von Alters her üblich ist. Bemerkenswert ist dabei, daß man 'Ajijiwvia, einen mit dem ägyptischen Gottesnamen gebildeten Eigennamen, als griechisch empfand. Das zeigt klar, daß Amon ähnlich wie Isis in der Ptolemäerzeit bereits nicht mehr als nationalägyptischer, sondern als hellenistischer Gott empfunden wurde. Das spiegelt sich auch in dem Doppelnamen VevafioOvi? 6 Kai 'Afi^düvio? (Oxy. 494,«) wider1). Seit Amon Alexander den Großen, die Verkörperung der damaligen griechischen Kultur, als seinen Sohn anerkannt hatte, waren auch sein Volk, die Griechen, seine Gläubigen geworden, denen er der höchste Gott war, mochten sie ihn nun Zeus oder Amon nennen. III. Dieselbe Form (lies etwa dßte (nas) naf), die sich bereits neuägyptisch als

tj (| ^ nachweisen läßt 2), auch Pap. Rylands XV A und B

Zeile 3 : 4 , Pap. Brit. Mus. 10563. Rev. ¿gypt. I, Tafel 5, S. 119. Daneben kommt auch (Rylands XVII, 2 u.) ddte n--f vor und ferner ddi n*f(djo(?) naf) bei Brugsch: Thes. 889. Rev. 4g. I, Tafel 5, S. 117. Diese drei Formen gehen auf das alte ^ ^ ^ ^

(masc.) ^ ^

°

P (fem.) zurück, in dem ein Partizipium

5

imperf. Pass. (Erman: Aeg. Gram. § 395 Anm. 2) vorliegt. Die demotische Schreibung dieser alten Wendung, die gewiß ein Archaismus des Kanzleistils ist, unterscheidet aber in der Partizipialform die Geschlechter nicht mehr. Fast sieht es aus, als ob das Demotische ebenso wie das Neuägyptische dieVerbalform als unpersönliches Passiv

ddtw n oder_^|

ddw n „man sagt zu. •

aufgefaßt hätte. Zur Ermittlung der Vokalisation der betreffenden Verbalformen mögen diese demotischen Schreibungen einmal von Bedeutung sein. IV. Damit wird die bereits Pap. Giss. II S. 11 vermutete Identität der beiden Ausdrücke bestätigt. ') Siehe L a m b e r t z : Doppelnamigkeit S. 13. »j Vergleiche dazu S e t h e : Verbum I § 27. II § 241.

46

III. Die Demotischen Papyri.

V. Lesung wie Übersetzung dieser Wendimg sind unsicher. Man könnte auch an wm (orw«) denken, und dann in wm smi „eine Anklage essen" einen parallelen Ausdruck wm md t „die Rede essen" sehen, das nach S e t h e in P. Cairo 30647, 6 ein Ausdruck für „hören" ist. Leider ist die entsprechende Stelle im griechischen Texte hoffnungslos zerstört. VI. Diese Ergänzung ist durch die zahlreichen demotischen Paralleltexte gesichert, und bestätigt meine zuletzt1) vertretene Erklärung des demotischen Ausdrucks cw n hi wie des griechischen x^Xaff^a als „Spielraum" bei Maßangaben. VII. Die Zeilenreste stimmen durchaus zu diesem Titel, dessen zweiter Bestandteil am Ende der Zeile besser erhalten ist. Daraus ergibt sich, daß der demotische Text die beiden griechischen Titel TCIKTÓHI m n e - h i ta P n - n : [mtu=]f Dr p ! c n l j

typ

nb

t j Drm.f m n [l>t(?) m ] - s : ( ? ) sh rn

y

m t u G l h b tD P n - [ n i ]

f

a N a - n h t e « f s j P n - t i w T : - s r j t - ( n ) o n p t*f s n - t

wi

?

n t! s t X X X V j h e«f s t e a t m :>r*f

10 m t u = s m h t e n t: p s t n t: s t X X X V j h 11 sh=w a p: c n h n t h r j e o r - h r ( ? ) P n - t : w s: H r 12 X3-nhte=f s: ! ? n k s n t n 1,3 t t s n P r - H t h r n h s p - t 14

3bt(?)

¡pis XXXVI

I I Dih t s w V I I (?)

Übersetzung: „[Abschrift des Eides, welchen T h r a s o n 4 ) der Kaiibis in dem Nobchunis 5 ) leisten wird im Jahre 36] 1 » f am 7. Paophi: ? Bei Suchos, welcher [liier] wohnt [mit] jedem Gott 6 ), 3 welcher hier mit ihm wohnt! Es ist nicht [Silber d a . . . ] . . .

Tempel

von

') Siehe dazu Gradenwitz Seite 15. ») Oder Pn-t',w. 3 ) Über dem n steht ein Strich, den ich bei der Lesung unberücksichtigt gelassen habe. Ob er aber wirklich zufällig ist? *) Oder Patus. der Beiname des Thrason. 4 6

) Ergänzung nach P. Rylands XXXVI. ) Der ägyptische Ausdruck für die aOvvaoi 6coi.

48 f « l ? ? V V i2 ',3

III. Die Demotischen Papyri.

diese Schrift dieser 35 Aruren Acker, welche [mir]3) ausgestellt worden ist im Namen der Tamenos, der Tochter des Panas. [Wenn] er den Eid leistet, so ist Kaiibis, die Tochter des Pa[nas], fern4) von Nechuthes, dem Sohne des Patus, (und) von Senenupis, seiner Schwester, mit den 35 Aruren Acker. Wenn er sich aber weigert, ihn (d. h. den Eid) zu leisten, so bemächtigt sie sich der Hälfte der 35 Aruren Acker. Sie haben den obigen Eid geschrieben vor Patus, dem Sohne des Horos, (und) Nechuthes, dem Sohne des Anax (?), der Epistates in Pathyris ist. — Im Jahre 36 am 7. (?) Paophi". . . . Haus, welches sie gegeben h a t 1 ) als Bezahlung 4 ) für

') Die Wiederherstellung und Lesung dieser zerstörten Stelle ist äußerst problematisch. Mich hat dabei Pap. Rylands XXXVI, 5 geleitet mn kt e tu-» N. . . „es ist kein Silber da, welches N. gegeben hat ( ? ) . . . .", eine Stelle, die freilich auch recht unklar ist. *) Ich denke an das Wort, welchem ftairdvri in derRosett. 12 entspricht. Siehe S p i e g e l b e r g : Rechnungen Setis I S. 64. — Nach der eben zitierten Stelle des P. Rylands XXXVI erwartet man einen Eigennamen, aber dazu wollen die Schriftreste kaum stimmen. ') Zur Not könnte man auch ergänzen e :>r.[»'J „welche ich ausgestellt habe". 4 ) d. h. Kaiibis zediert dem Nechuthes die 35 Aruren.

P. dem. Wiss. Ges. 18. Dunkelbraun.

0,31 X 0,19 m.

Tafel IV.

Der Papyrus ist so aus einer Rolle herausgeschnitten, daß das rechte Blatt 0,25 m, das linke 0,06 m mißt. Schrift parallel zur Faser. Vergleich zwischen Patus and Senenapis. (Juli/Augast 133 v. Chr.)

Wie aus dem Schlosse des griechischen Papyrus hervorgeht, hat Boethos am 4. Thot des Jahres 37 den Erbstreit zugunsten der Senenapis entschieden. Nunmehr war es Sache der beiden streitenden Parteien (Patus und Senenupis), zu diesem Richterspruche Stellung zu nehmen. Sie tun das, indem sie 10 Monate später, am 7. Epeiph des Jahres 37, einen Vertrag aufsetzen des Inhaltes, daß sie von weiteren gerichtlichen Schritten gegen einander Abstand nehmen, d. h. mit dem Richterspruche des Boethos dauernd zufrieden sein wollen. Dieser Vertrag ist der vorliegende Papyrus, an dessen Schluß Patus, wenn ich recht sehe, die Pacht eben jener 35 Araren Acker ttbernimmt, als deren rechtmäßige Eigentümer er Nechuthes und Senenupis anerkannt hat. Es wäre aber auch denkbar, daß nach dem Richterspruche des Boethos ein neaer Streit aasbrach, in dessen Verlauf der vorliegende Vergleich zustande kam.

Umschrift:') } Pn-t:w si P!-ärj-(n)-Mn[te] p: nt dd n Nhte*f si Thrsn arm T:-§rj t-(n)onp Ut sn t e=s mtu-tn c*i 2 tu4 es a hr=tn a tm smi a hr4n a tm tj smi Glhb tD Pn-ni tow rmt-t arm ne=s hrte 3 a hr=tn a tm tj(?) smi rmt nb n p; t: n rn=n hr tia) st XXXV jh e ar Prits S! Ssigrts * sh tb-ht sh wi a-r=w n Tb-mne-h: te=tn mwt n tj p! hrw a4) l>rj §c dt e=f hpr e smi=i ') Der Text ist mit einem schlechten Schreibrohr und vielleicht auch von unsicherer, zittriger (altersschwacher?) Hand geschrieben. Daraus erklären sich manche Eigentümlichkeiten der ungewöhnlichen Handschrift, die übrigens so stark an die des P. dem. Heidelberg 746 (Äg. Zeitschr. XLII (1905) S. 48 und Tafel 4) erinnert, daB man für die beiden aas Gebel6n stammenden Urkunden denselben Schreiber vermuten möchte. *) Verwischt und daher ungewöhnlich aussehend. 3 ) Zu dieser Lesung siehe G r i f f i t h : Rylands Pap. 303 Anm. 24. Unser Text zeigt deutlich, daß die frühere Lesung und Übersetzung „von dem obigen Tage an" nicht zutrifft, da ja hier das Datum nicht oben, sondern unten steht. Schriften der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Strafiburg XIIL

4

50

III. Die Demotischen Papyri.

5 ljnc G l h b t [ o w ] r m t t

3rm ne=s h r t ljnc g: r m t n b n p : t: n rn=n a s h n

w p e tigsts •

srtiku[s] ¡pistts h n c g; a(?) r m t n b n p: t! n t h b n rad t P r - c ! h r t: st X X X V jh nt hrj

y e=i t j h t wth(?) [n(?) dn]f X X Y a n : gll n n: Pr-cjw e=i t j ne=tn ki ht