Zur Metaphysik des Ich: Eine religionsgeschichtliche Untersuchung über das personale Bewußtsein [Reprint 2012 ed.] 9783111388533, 9783111026886

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Zur Metaphysik des Ich: Eine religionsgeschichtliche Untersuchung über das personale Bewußtsein [Reprint 2012 ed.]
 9783111388533, 9783111026886

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Das Problem
I. Kapitel. Das Problem der Realität des empirischen Ich
II. Kapitel. Der metaphysische Hintergrund des Ich
III. Kapitel. Das Ich im Vollzuge der Erlösung
IV. Kapitel. Konsequenzen
Anhang: Philosophische Parallelen
Literaturverzeichnis

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GUSTAV MENSCHING

ZUR METAPHYSIK DES ICH

ZUR

METAPHYSIK DES ICH Eine religionsgeschichtlidie Untersuchung über das personale Bewußtsein von

GUSTAV MENSCHING Dr. theol. a.o. Professor In Riga

1934 V e r l a g v o n A l f r e d T ö p e l m a n n in G i e ß e n

Aus der Welt der Religion Forschungen und Berichte, unter Mitwirkung von H e i n r i c h F r i c k und R u d o l f O t t o herausgegeben von E r i c h F a s c h e r und G u s t a v M e n e c h i n g B e i ι g i ο n s w i s s e n s c h a f t l i c h e R e i h e · H e f t 21

Printed in Germany

Druck von H. Laupp jr in Tübingen

Vorwort Die Zeitwende, in der wir stehen, ist in hervorragender Weise charakterisiert durch die Wendling gegen r a t i o n a l i s t i s c h e n I n d i v i d u a l i s m u s , also gegen die Autarkie des absolutgesetzten geistigen Ich. Wir sehen hier wirksam den gewaltigen Prozeß elementarer Rückverbindung mit Urkräften des Lebens. Unsere Untersuchung stellt sich die Aufgabe, die eigentümliche Problematik des Ich auf dem Felde der Religionsgeschichte aufzusuchen und in dem Zusammenhang des in jeder Religion irgendwie erfolgenden Ringens um Aufhebung unheilvoller Isolierung zu v e r s t e h e n . Insofern ist diese Schrift als Fortsetzung meiner Untersuchung über die „Idee der Sünde" (Hinrichs, Leipzig 1931) anzusehen. Für freundliche Unterstützung dieser Arbeit bin ich der Kulturabteilung des Auswärtigen Amtes in Berlin, insbesondere Herrn Gesandten Dr. F. S t i e ν e, und meinem Verleger, Herrn Dr. A. T ö p e l m a n n , zu besonderem Dank verpflichtet. Riga, im Herbst 1933.

Gustav Mensching.

Inhaltsverzeichnis Einleitung: Das Problem

S. 1—β

1. Auffindung des Problems: a Ausgangspunkt: die annihilatio des Ich - b Das bewußte Ich real oder irreal? - c Ich und Seele - d Transzendenter Hintergrund - e Erlösung und Ich. 2. Methode und Ziel: a Erfassung der historischen „Möglichkeiten" - b Der konkrete Weg der Untersuchung I. Das Problem der Bealität des empirischen Ich

S. β—28

1. Die Seele a l s I c h S. 6—10 1. Die ichhafte Seele real - 2. Christliche und islamische Auffassung - 3. Ethischer Personalismus des Konfuzianismus 4. Rämänujas Ichvorstellung und ihr Verhältnis zu ^ankara und dem Christentum 2. D i e I r r e a l i t ä t p e r s o n a l e r S o n d e r u n g S. 11—17 1. Das undifferenzierte Eine - 2. Der Begriff der Bealität 3. Individuation und empirische Realität - 4. Zweiheit illusorisch - 5. Ewiges und empirisches Selbst - β. Verschwimmen historischer Personen im indischen Epos 3. M a t e r i e l l e R e a l i t ä t d e s I c h o r g a n s S. 17—21 1. Ich materiell real — 2. Die Ichfunktion und ihr Organ Sämkhya, Rämänuja, Öankara und der Buddhismus über den Ahankara - 3. Eckharts Idee der „Ichheit" 4. D i e I r r e a l i t ä t v o n Seele u n d I c h S. 21—28 1. Weder Seele noch Ich real - 2. Deutung des Ichphänomens im Buddhismus: a Universeller Wechsel — b Wechsel der Kombinationen der Daseinsfaktoren - c Die 5 Daseinsfaktoren d Die „dharma" - 8. Parallelität zur christlichen Idee des „Fleisches" ? II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

S. 28—45

1. D a s r e i n e S e i n S. 29—36 1. Das Verhältnis des individuellen Seins zum metaphysischen Hintergrunde: a Das Individuelle als Modus des Absoluten b Nur brahman real - Analogon im Islam - 2. Metaphysischer Hintergrund im Buddhismus: a Unerkennbares, absolutes Sein

Inhaltsverzeichnis

VII

hinter jeder Persönlichkeit - b Die Realität der „dharma" β Die Elemente und die dharma - d Die Person als Periode des Seins — β Keine Seele — f Was dauert im samsära ? 2. D i e i m m a n e n t e K r a f t ' S. 36—38 1. Der Ätman als das „Ganz Andere" - 2. Das Zugleichsein von Transzendenz und Immanenz - 3. Unberührbar von empirischen Bedingungen - 4. Analoges bei Eckart und 6. im Taoismus 3. D e r p e r s ö n l i c h e G o t t S. 39—42 1. „Aliud valde ab istis omnibus" - 2. Die Idee der Gottesebenbildlichkeit im Christentum - 3. Gott als Persönlichkeit 4. Individuum und Prädestination 4. D e r m e t a p h y s i s c h e U r s p r u n g S. 42—45 1. Name und Gestalt als Vergewaltigung des reinen Seins 2. Das Eingehen in die Vielheit - 8. „Realität der Realität" 4. Das Absolute will Persönlichkeit werden - 5. Emanation β. Metaphysische Unruhe - 7. Schöpfung ΠΙ. Das Ich im Vollzüge der Erlösung

S. 45—79

1. A l l g e m e i n e W e r t u n g i m p e r s o n a l e n u n d p e r s o n a l e n Seins S. 46—48 1. Höherwertung des impersonalen Seins - 2. Höherwertung des personalen Seins 2. „ E g o i s m u s " a l s U n h e i l S. 48—60 I. „Egoismus" als irriger Glaube an die Realität des empirischen Ich: 1. Ich und Heil unvereinbar - 2. Ich und Werk: a Die Tat als Exponent des Ich = Symptom des Unheils b „Peccatum actuale" und natürliches Ich - 3. Die buddhistische Leidensidee und das Ich: a Kein leidendes Ich vorhanden b Ichvorstellung als Ursache des Unheils - 4. Das Ich als unheilvoller Wechsel - II. „Egoismus" als Selbstbehauptung vor einem Transzendenten: 1. Ich und Heil vereinbar - Primat des persönlichen Lebens - 2. Das Wesen der Selbstbehauptung 3. D i e E i n s t e l l u n g e n zu p e r s o n a l e n T u g e n d w e r t e n S. 60—63 1. Relativer Wert des Ethischen: a Beziehung zum Individuellen - b Beziehung zum Bewußtsein - 2. Absoluter Wert des Ethischen - Kritik des glaubenslosen Werkes 4. D a s I c h auf d e m H e i l s w e g e S. 63—72 1. Impersonale Religiosität: a Annihilatio des Ich - b Erlösung von personalen Sonderkräften - 2. Personale Religiosit ä t : a Sterben des alten Menschen - b Persönliche Heilsaneignung

VIII

Inhaltsverzeichnis

5. D a s I c h i m H e i l s z u s t a n d e 8. 72—79 1. Impersonale Religiosität: a Gebet und Ich - b Bildlose Vereinigung - e Traumloser Tiefschlaf - d Nirväna - 2. Personale Religiosität: a Persönliche Heilsgewißheit - b Das erlöste Ich - c Neue Gerechtigkeit - d Auferweckung IV. Konsequenzen

S. 79—87

1. D a s G r u n d ü b e l d e r I s o l i e r u n g S. 79—82 1. Die Idee der Isolierung in der impersonalen Religiosität und 2. in der personalen Religiosität 2. T y p i s c h e E i n s t e l l u n g e n S. 82—86 1. Impersonale und personale Religiosität = Mystik und Prophetie — 2. Spannung: Ich und Leben; das sekundäre Bewußtsein; Ablehnung des Werkes - 8. Ich und Gott ohne Spannung; Entstehen der Spannung und ihre Aufhebung; positive Stellung zum Werke 3. D a s U r - E i n e u n d d e r h e i l i g e W i l l e S. 86—87 1. Impersonale Schau des Ureinen - 2. Persönliche Erfahrung des heiligen Willens Anhang: Philosophische Parallelen 1. Z u r I d e e d e r „ g e n e r e l l e n I s o l i e r u n g " 2. D a s g e i s t i g e I c h a l s I s o l i e r u n g Literaturverzeichnis

8. 88—97 S. 89—93 8.93—97 S. 98—100

Einleitung

Das Problem Das γνώ&ι αεανχόν der Griechen, das heute wieder als eine Aufgabe anthropologischer Forschung erkannt wird, ist keineswegs nur eine Sache philosophischer Betrachtung. Das Problem des Ich ist in entscheidender Weise eine Angelegenheit der Religion. Es ist bisher nie von seiten der vergleichenden Religionsgeschichte der Versuch gemacht, vom Ich und seiner Deutung her Einsichten in das Wesen religiöser Haltung überhaupt und der Einzelreligion im besonderen zu gewinnen. Um schon an dieser Stelle im a l l g e m e i n e n unsere Absicht vorweg anzudeuten, sei bemerkt, daß unser V e r s u c h der Erkenntnis gelten soll, wie die großen Religionen das Phänomen des I c h erfaßt, gedeutet, bewertet und für das zentrale Anliegen, die Erlösung, in Rechnung gestellt haben. Es wird der rein religionsgeschichtlichen Untersuchung ein Abschnitt folgen, in dem die auffallende Parallelität gewisser gegenwärtiger philosophischer Erkenntnisse und Richtungen mit jenen uralten religiösen Intuitionen aufgewiesen werden soll. Es dürfte auf diese Weise wiederum dargelegt werden können, daß hinter dem fast unentwirrbaren Vielerlei divergierender religiöser wie philosophischer Erkenntnisse der Menschen gleichwohl in l e t z t e r Tiefe g e w i s s e U r a h n u n gen echter Religion und lebensverbundener Philosophie gemeinsam sind. Nichts liegt uns indessen ferner als hier im Interesse solchen Nachweises zu schematisieren und die lebendig divergierende Fülle des konkreten Materials zu vergewaltigen. Wir gehen den Weg e m p i r i s c h p h ä n o m e n o l o g i s c h e r Untersuchung, deren Absicht notwendig gerichtet ist auf die S i n n e r f a s s u n g des Konkreten. Denn mit der M e n a c h l n g , Metaphysik.

1

2

Einleitung: Das Problem

Ausfindigmachung der im bzw. hinter dem Phänomen selbst liegenden Intention ist der Sinn des empirisch gegebenen Phänomens erkannt. Mit dieser allgemeinen Einstellung, die immer noch gegenüber dem reinen Empirismus bloß philologischer Religionsforschung verteidigend dargelegt werden muß, treten wir an den Komplex des Ich-Phänomens und seiner Deutung in der Religionsgeschichte heran. Um indessen in begrifflicher Klarheit einleitend anzugeben, womit diese Untersuchung es zu tun haben soll und womit nicht, bemühen wir uns zunächst, das Problem aufzusuchen, um sodann und daraus den Weg unserer Untersuchung und sein Ziel zu rechtfertigen. 1. a) Die Religionsgeschichte bietet (im Verlauf der Arbeit vorzuführende) Beispiele für ein höchst merkwürdiges Phänomen: nämlich für die „annihilatio" des Ich. An bestimmten (in ihrer Notwendigkeit zu fixierenden) Punkten begegnet uns die Tendenz, das empirische Ich irgendwie zu überwinden, dauernd oder vorübergehend zu vergessen und dergleichen mehr. Schon damit ist ein Problem gegeben. Es genügt nicht, diese an sich bekannte Erscheinung als Eigentümlichkeit zu verzeichnen, sie will verstanden werden aus tieferer Notwendigkeit und im weiteren Zusammenhange. Ist es doch merkwürdig, ja unwahrscheinlich genug, daß der Mensch sein Ich, und das scheint doch zu heißen sich selbst, innerhalb eines Prozesses auszustreichen bemüht ist, der ihn selbst so tief wie nichts sonst betrifft. Wie ist das zu verstehen ? Welche Voraussetzungen müssen in der jeweiligen Religion erfüllt sein, damit diese annihilatio verständlich wird? b) Das führt sogleich weiter. Wir beobachten an manchen Stellen der Religionsgeschichte, daß dieses empirische Ich dem Frommen irgendwie problematisch wird in seiner Realität. Ferner ist dieses Ich beleuchtet vom B e w u ß t s e i n und wieder regt sich religiöse Intuition, die dem Bewußtsein mißtraut. Ist dieses vom Bewußtsein beleuchtete Ich die ganze und die eigentliche Wesenstiefe des Menschen ? Oder liegen Bezirke im Schatten, die für das religiöse Leben von ent-

Einleitung: Das Problem

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scheidender Bedeutung sind ? Und an das Bewußtsein selbst klammert sich die Kritik und fragt, ob nicht das Sein des Bewußt seins geradezu eine, bildlich gesprochen, Lichtspiegelung ist, täuschend, unwirklich und sekundär in ihrer Entstehung. c) Jene soeben entsprungene Frage nach eventuellen, vom Bewußtsein aus gesehen, im Schatten liegenden Wesenheiten weist auf das Phänomen „Seele" hin. Liegt die sogenannte „Seele" hinter dem Bewußtsein? Es ist sofort klar, daß hier sich neue Verhältnismöglichkeiten ergeben, die, wie sich zeigen wird, an verschiedenen Stellen der Religionsgeschichte akut werden: ist die Seele das Ich, ist das Ich ohne Seele oder sind Ich und Seele völlig verschiedene, einander tatsächlich nicht berührende Größen ? Es ist jedenfalls klar, daß das Seelenproblem uns hier nur insoweit angeht, als es sich um das Verhältnis von Ich und Seele handelt. d) Aber auch abgesehen von der Seele und ihrer eventuellen empirischen Wesensart ist im Hinblick auf sie, bzw. auf das Ichphänomen die tiefergreifende Frage nach dem möglichen transzendenten Hintergrund, nach irgendwie gearteter Verankerung im Metaphysischen zu stellen und religionsgeschichtlich faktisch gestellt worden. So führt die Fragestellung in die Sphäre des Transempirischen, und damit taucht ein neues Problem auf, das wiederum am Phänomen selbst lebendig wird. e) Vielfach verbindet sich mit dem Ich-Bewußtsein das Wissen um die I n d i v i d u a l i t ä t , um das Individuum-Sein überhaupt und um die absolute Einmaligkeit des konkreten bewußten Ich im besonderen. Auf dieser Basis aber ergeben sich verschiedene weitere Möglichkeiten: ist Individuation, die im personalen Ich fraglos ihre Höhe erreicht, von jener wie immer gearteten metaphysischen Wesenheit aus gesehen, nicht Trennung, Spaltung, Abfall ? Oder ist im Gegenteil: das individuelle Ich gottgewollt und ganz persönlich Objekt göttlicher Schöpfungs- oder Heilsabsicht? Wir stehen damit an der entscheidenden Stelle, nämlich bei dem Problem der Erl*

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Einleitung: Dae Problem

lösung, das stets mit dem „Ich", so oder so, engstens zusammenhängt. Ist das Ich Träger der Erlösung oder geradezu ein Hinderungsgrund ? Oder sogar beides zugleich ? So führt uns diese Frage auf das Problem des „Egoismus", das uns hier in sehr verschiedenem Lichte erscheinen wird: ethischer Egoismus, metaphysischer Egoismus, Heilsegoismus. Auch ist damit natürlich das wirkliche oder vermeintliche Ideal der P e r s ö n l i c h k e i t und ihrer Vervollkommnung auf dem Boden der Religion gestreift. 2. Nachdem wir somit aufgezeigt haben, wie und wo die zum Problemkreis des „Ich" in der Religionsgeschichte gehörigen Einzelfragen entspringen, gilt es nunmehr einiges über den Weg und sein Ziel zu sagen, den wir zu gehen beabsichtigen. a) Zunächst ist methodisch im allgemeinen zu sagen, daß wir in dieser Arbeit ebenso zu verfahren gedenken wie in unserer letzten Schrift über die „Idee der Sünde" (Leipzig 1931): nämlich nicht „historisch" in dem Sinne, daß an den historischen Religionsgebilden gesondert und in zeitlicher Abfolge dargestellt werden sollte, was diese über das menschliche Ich gedacht haben. Das wird im Laufe der Arbeit auch deutlich werden, ist aber nicht unsere entscheidende Absicht. Sondern wir verstehen unsere „historische" Aufgabe so, daß es gilt die historischen „Möglichkeiten" in systematischer Zuordnung vorzuführen, die im Problemkreis des „Ich" faktisch gegeben sind. Der hierbei verwendete Begriff „historische Möglichkeiten" bedarf, wie sich erwiesen hat, genauerer Klärung. Er steht nämlich in der Gefahr dahin mißverstanden zu werden, als handle es sich bei unserer Arbeit gar nicht um empirische Geschichte, sondern um ein Spekulieren über „Möglichkeiten", denn „Möglichkeiten" seien eben keine Wirklichkeiten und nur mit ihnen habe es echte Geschichtsforschung zu tün. Hier liegt, wie gesagt, ein Mißverständnis vor. Wir treiben durchaus empirische Erforschung der in der Religionswelt gegebenen historischen Wirklichkeit. Das ist der selbstverständliche und notwendige Ausgangspunkt aller religionsgeschichtlicher For-

Einleitung: Das Problem

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schung. Diese in ihren empirischen E i n z e l h e i t e n erforschte Wirklichkeit bietet uns nun aber ζ. B. in dem vorliegenden Falle eine ganze Fülle divergierender, oder ζ. T. divergierender Anschauungen über das Ich und seine Probleme. Blieben wir stehen bei jener nur empirischen Religionsgeschichtsschreibung, so ließen wir es bewenden mit der Aufzählung der „Tatsachen". Diese Tatsachen blieben uns aber „Einzelheiten", d. h. isolierte Gedankendinge, denen wir in keiner Weise ansehen, daß sie verschiedene „Möglichkeiten" sind, eine Idee zu realisieren. Versuchen wir aber, wie es unsere Absicht ist, jene Tatsachen als Möglichkeiten zu erweisen, so liegt darin keineswegs eine spekulative Absicht ausgesprochen, sondern der Gedanke, diese empirischen und isolierten Fakta zu „verstehen" als von einer ihnen gemeinsam zugrunde liegender Idee oder Intuition aus a priori mögliche, und das heißt in ihrer historischen Realität, als n o t w e n d i g e Manifestationen eben dieser Idee oder Intuition. Man sieht, daß der Begriff der Möglichkeit in dieser Anwendung nicht eine Nicht Wirklichkeit bezeichnet, sondern vielmehr ein konkretes historisches Faktum, das von der Idee aus gesehen als e i n e , möglicherweise als eine von vielen verschiedenen in der Geschichte gegebenen Möglichkeiten, von der Empirie aus aber als Wirklichkeit erscheint. Damit ist zugleich gesagt, daß der Versuch gemacht werden soll, ähnliche bzw. innerlich verwandte Phänomene zu vergleichen und in ihrer innerlichen Notwendigkeit, nämlich von der sich in ihnen manifestierenden und zu erfassenden Idee aus zu verstehen. b) Der k o n k r e t e W e g unserer Arbeit, auf dem wir die soeben prinzipiell begründete Erkenntnisabsicht dem Problemkreis des Ich gegenüber zu realisieren gedenken, soll nun, wie sich aus der oben gegebenen Darstellung der Probleme und ihrer Entstehung ohne weiteres ergibt, der folgende sein. Wir gehen aus vom Phänomen des Ich, also vom Empirischen, als von dem sich uns zunächst Darbietenden, und behandeln im I. Kapitel das Problem der Realität des empirischen Ich. Darauf suchen wir zur metaphysischen Tiefe des Ich, wie

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I. Das Problem der Realität des emp. Ich

sie in den Religionen erfaßt wird, vorzudringen und behandeln im II. Kapitel den „metaphysischen Hintergrund" des Ich, um im III. Kapitel „Das Ich im Vollzüge der Erlösung" und damit das Wertproblem des Ich zu erörtern. Das IV. 'Kapitel bietet die „Konsequenzen" aus den vorangegangenen Untersuchungen. Der Arbeit wird sodann ein „Anhang" hinzugefügt, in dem zu den Grundideen Parallelen aus dem Gebiete der Gegenwartsphilosophie beigebracht werden. I. K a p i t e l

Das Problem der Realität des empirischen Ich Die Frage nach der Realität des empirischen Ich ist keineswegs in allen Religionen als solche gestellt worden. Es wird zu zeigen sein, woran das liegt. Überall aber ist die Frage, ob ausdrücklich gestellt oder nicht, der Sache nach beantwortet worden. Es bestehen für unsere Frage verschiedene Möglichkeiten, die in diesem Abschnitte vorzuführen sind: entweder fallen Ich und Seele zusammen, wobei die Realität einer Seele Voraussetzung ist, oder die personale Sonderung in der Welt ist illusorisch bei Wahrung eines letzten Seins, oder es gibt ein empirisches Ich, das materiell und so real wie die Materie selbst ist. Endlich kann sowohl Seele wie Ich geleugnet Werden. Das sind die Möglichkeiten der Beantwortung des Realitätsproblems, deren historischem Nachweise wir uns nun zuwenden, wobei zu beachten ist, daß das dabei vorzulegende Material auf Vollständigkeit keinen Anspruch macht und auch der Idee nach nicht zu machen braucht, es trägt Beispielscharakter. 1. Die Seele als I c h 1. Es ist ohne Weiteres deutlich, daß der nächstliegende und unreflektierte Standpunkt in der Frage nach der Realität des Ich innerhalb der Religion der ist, die Seele und oft dazu auch die geistigen und willentlichen Kräfte des Menschen als die im religiösen Leben zentrale Größe, mit dem Ich zu identifi-

1. Die Seele als Ich

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zieren. Es ist denn auch die Anschauung all der Religionen, die — wie später (S. 86) zu zeigen sein wird — aus besonderen Gründen an der Personalität des menschlichen Wesens interessiert sind, die personale und i c h h a f t e Struktur der Seele vorauszusetzen und an ihre Realität und Dauer zu glauben. 2. Zu diesen Religionen gehört in erster Linie das prophetische C h r i s t e n t u m , das mit seiner durch und durch personalen Tendenz, wie sie sich etwa ausspricht in dem Glauben an den unendlichen W e r t der Einzelseele, das innerste Ich des Menschen in der Eigenart seiner Seele sieht 2 ). Wir sparen uns an dieser Stelle den ausführlichen quellenmäßigen Nachweis8) dieser Behauptung, da wir an anderer Stelle (S. 77) für eben diese personale Interessiertheit den Grund werden anzugeben haben. Aus ähnlichen Gründen teilt 1) Vgl. Fr. Heiler, Das Gebet, 4. Aufl., München 1921, S. 350: „Die Affekte, welche den prophetischen Genius zum Gebet treiben, besitzen eine entschiedene Ichbezogenheit; das eigene oder auch ein fremdes I c h ist Träger eines Wertes oder eines Wertes und Unwertes zugleich." Es muß schon hier darauf aufmerksam gemacht werden, daß, im absoluten Gegensatze zu den später zu erörternden Ich-Auffassungen, hier innerhalb der Welt prophetischer Frömmigkeit gerade am Individuell-Seelischen ein eigentümlicher W e r t haftet, der unter anderen religiösen Blickpunkten gerade geleugnet wird. Vgl. Kapitel I I I . 2) Vgl. 2. Kor. 4 , 1 6 : „Wenn auch unser äußerer Mensch sich verzehrt, so ersteht doch der i n n e r e Tag für Tag in erneuter Kraft." Bö. 5, 3: „ W i r sterben — und doch leben wir u s w . . . . " 3) Nur ein Wort Luthers sei an dieser Stelle zum Beweise der personalen Grundhaltung seiner Frömmigkeit, die mithin die Realität des empirischen Ich unbedingt voraussetzt, angezogen: „So du Christo glaubest und an i h n dich h ä n g e n k a n n s t , so bist du erlöst vom leiblichen und geistlichen Tod und h a s t schon das ewige Leben." Erl. Ausg. 47, 367. — In voller Deutlichkeit zeigt das Gebet L u t h e r s in Worms den personalen Realismus. Man achte auf die Häufung der Worte „ich", „mir", „mich", „mein": „Stehe mir bei, du treuer ewiger Gott, i c h verlasse m i c h auf keinen Menschen... Gott, ο Gott, hörest du mich? mein Gott, bist du tot? . . ^ Hast du m i c h dazu erwählt? I c h frage dich, wie i c h es denn gewiß weiß . . . ei Gott, so stehe mir beil" . . . Erl. Ausg. 64,289 ff.

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I. Das Problem der Realität des emp. Ich

die p r o p h e t i s c h e Frömmigkeit des I s l a m diesen Glauben *). 3. Es dürfte weiterhin verständlich sein, daß der K o n f u zianismus Chinas die personale Realität der Seele voraussetzt. Wenn es in dem Lun-yü heißt: „Der Meister sprach: Wenn du einen Weisen siehst, so sei bedacht ihm gleichzukommen; wenn du einen Nicht weisen siehst, so prüfe dich selbst in deinem Innern" 2). Und an anderer Stelle: „Der Meister sprach: Es ist alles vorbei! Ich habe noch keinen gesehen, der imstande gewesen wäre, seine Fehler zu erkennen und sich in seinem Innern s e l b s t anzuklagen" 3). So ist es deutlich, daß hier personale Werte der Selbst Vervollkommnung einen personalen Seelen- und willensmäßigen Träger voraussetzen. An vielen Stellen 4) des ,,Lun-yü" wird das typisch konfuzianische Ideal des „Edlen" als das Ideal des auf höchster Stufe personaler Selbstvervollkommnung Stehenden gezeichnet. Hier ist der personale Realismus 5) wieder ganz anders motiviert als im Christentum und Islam. Es handelt sich hier um völlig n a i v e n R e a l i s m u s allem empirisch Gegebenen gegenüber. Wie es dem Konfuzianismus auf Grund seiner wesensmäßig im Konkreten stehenden Einstellung, die ohne metaphysische Verankerung ist, nie in den Sinn kommen würde, an der Realität der empirischen Sinnenwelt zu zweifeln, so ist ihm das seelisch-personale Innere des Menschen als Objekt willensmäßiger Gestaltung selbstverständlich real. Wir konstatieren, daß hier der naive und unreflektierte Realismus deshalb nicht erschüttert wird, weil hier jeder lebendige und 1.) Vgl. Horten, Die Philosophie des Islam, München 1924, S. 171 ff., 184 2) Lun-yü IV, 17: Schmitt, Die Chinesen, Tübingen 1927, S. 72. 3) Lun-yü V, 26: Schmitt, S. 72. 4) Lun-yü XII, 7; XVI, 8; XVI, 10; V, 15; IV, 5; XV, 17; XV, 19; XVII, 24. 6) Aber vergleiche auch im Christentum, wie in jeder prophetischen Religion, die ein personales Dauerwesen als Subjekt voraussetzende Aufstellung des P e r s ö n l i c h k e i t s i d e a l s : vgl. Fr. Heiler, Das Gebet, S. 271.

1. Die Seele ale Ich

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unmittelbare Kontakt mit dem Absoluten fehlt. Die rein ethische Orientierung des Konfuzianismus fordert andererseits personale Subjekte, denn nur im Personalen können ethische Werte wurzeln. 4. Aus einer ganz anderen Welt aber stammt ein weiteres Beispiel, in dem zugleich die Sache insofern völlig anders liegt, als hier einerseits bewußt die Frage theoretisch gestellt und in scharfsinniger Auseinandersetzung mit dem theoretischen Gegner geklärt wird und andererseits das Resultat, der seelische Personalismus, anders geartet ist als etwa im Christentum. Es handelt sich um den indischen Religionsphilosophen R ä m ä n u j a (f 1137 n. Chr.) und seine Polemik gegen Öankara (geb. 788 n. Chr.). Öankara vertrat — wie später (S. 19) zu zeigen — von seinem Standpunkt aus völlig konsequent die I r r e a l i t ä t des empirischen Ich. Demgegenüber argumentiert Rämänuja: a) „Wäre das Ich nicht das Selbst, so wäre das Für-sichsein des Selbst nicht. Denn nur durch die Ich-Vorstellung wird das Für-sich-seieüde unterschieden vom Nur-für-anderesseienden" 1). b) „Käme er dann zu dem Schlüsse, daß Erlösung Vergang des Ich sei, so wird er von dannen schleichen beim bloßen Geruch der Erlösung" 2). c) „Durch die Verbindung mit dem Ich hat Erkenntnis allein ihr Sein und ihren Charakter als Erkennen . . . darum steht es fest: ,das Ich, eben der Kenner, ist der innerliche ätmanV 3) d) „Das Ich, selbstevident als der Kenner, macht die innere Seele aus, nicht ,das reine Bewußtsein'. Ohne Ichheit resultiert auch für das Bewußtsein keine Innerlichkeit" 4). e) „Das Ich, auch im Zustand des Schlafens, wohl erwiesen als ein Kontinuum einheitlicher Selbst Wahrnehmung, aber nicht so deutlich wie im Wachen" 6). 1) Rämänuja, Siddhänta übers, v. R. Otto. Jena 1917, S. 56. 2) Ebenda S. 57. 3) Ebenda S. 57. 4) Ebenda S. 65. 5) Ebenda S. 66.

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I. Das Problem der Realität des emp. Ich

Zu diesen Argumenten ist zur Klärung in Kürze folgendes zu beachten: das erste Argument (a) ist rein logischer Art: nur wo die Ich-Vorstellung gilt, ist der Unterschied von Fürsich-seiendem und Nur-für-anderes-seiendem ( = Materiellem) möglich. — In dem zweiten Argument (b) begegnen wir dem gravierendsten Grunde für die Realität des Ich, der uns später (S. 77) noch gesondert beschäftigen wird, wenn vom Heilsegoismus die Rede ist: nur wo das Ich das Selbst ist, kann ich an der Erlösung des Selbst interessiert sein. — Das dritte Argument ist erkenntnistheoretischer Art (c) und besagt, daß nur wo ein Ich ist, Erkenntnis möglich ist, denn sie setzt für ihr Zustandekommen Subjekt und Objekt als etwas Unterschiedenes voraus. — Wenn Sankara lediglich „reines Bewußtsein" gelten lassen will als Wesen der Welt und des Menschen, so wird von Rämänuja demgegenüber im vierten Argument (d) behauptet, daß das selbstevidente Ich die innere Seele ausmacht, zumal ohne Ichheit dieses ,reine Bewußtsein' keine Innerlichkeit kenne. — Endlich (e) wird gegenüber der uns später (S. 16) noch häufiger begegnenden These, daß das Ich keine kontinuierliche Größe sei, da sie im Tiefschlafe erlösche, behauptet: auch im Schlafe dauere das Ich, nur sei die Selbstwahrnehmung weniger deutlich als im Wachen. Warum ist Rämänuja so lebhaft an der Realität des Ich interessiert ? Aus Heilsinteresse. Doch das wird im III. Kapitel genauer zu untersuchen sein. Es muß hier lediglich noch festgestellt werden, daß — wie oben vorausbemerkt — das Resultat dennoch anderer Art ist als etwa im Christentum, denn im Christentum bleibt eine scharfe Trennungslinie zwischen Gott und dem persönlichen Ich *), während Ramanuja wie Sankara einem Monismus huldigen, der in letzter Tiefe (im brahman) keinerlei Unterschiede mehr kennt. So scheidet sich auch in dieser zunächst verwandten Position des personalen Realismus: christlicher Realismus und indischer Monismus. 1) Vgl. Ko. 5, 1: „Gott ist im Himmel und du auf der Erde."

2. Die Irrealität personaler Sonderling

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2. Die Irrealität personaler Sonderung Eine völlig neue Welt eröffnet sich da, wo diese zunächst zweifelloseste Gregebenheit des empirischen Ich irgendwie in Frage gestellt wird. Wir werden verschiedene Formen, die Irrealität des Ich zu behaupten, kennen lernen. Interessanterweise begegnet dieses Phänomen besonders häufig auf dem an religiösen Urformen so überaus reichen Boden Indiens. Wir handeln zunächst von der Irrealitätserklärung, die am Phänomen der Differenzierung in personales Sondersein einsetzt. 1. Der religiöse Urwert, der für die hier in Betracht kommenden Positionen erlebnismäßig vorauszusetzen ist, ist das Eine, das ekam, das zugleich und eben deswegen das sat, das Seiende, ist. Das berühmte Wort der Chändogya-Upanisad lautet:, ,s a d e ν a somyedam a g r a äsidekame vädvitiyam'': „Seiend nur, mein Lieber, war dieses im Anfang, eines nur, ohne ein zweites" 1). Jedes dieser Worte ist von entscheidender Bedeutung wie folgende Exegese zeigt: a) sat = seiend war (äsit) dieses (idam). Die konkrete Welt, auf die das idam hinweist, war (Vergangenheit) einst nur (eva) seiend. Das heißt also, sie ist zwar auch heute noch im tiefsten Grunde (agre — wie sich zeigen wird) sat, aber sie ist heute nicht mehr nur sat, sie ist mehr als das. Worin besteht das „Mehr"? b) Jenes sat in absoluter Reinheit ist das ekam, das Eine 2), d. h. die Reinheit des absoluten Seins besteht in seiner absoluten Einheit. Diese „Einheit" ist die Seinsweise völliger Undifferenziertheit. Es gibt noch eine andere, hernach 1) Chändogya-Up. 6, 2 , 1 . 2) Vgl. S. Radhakrishnan, Indian philosophy, Lond. 1923,1. S. 151: „The highest conception reached in the Vedic hymns was that of the one reality (ekam eat), which r e a l i s e s i t s e l f in all the v a r i e t y of e x i s t e n c e . This conclusion is strengthened in the Upani^ads, where the problem is sometimes approched by way of a philosophical analysis of the nature of the self which they call the ätman."

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I. Das Problem der Realität des emp. Ich

ebenfalls auftretende „Einheit", die der intuitiv Schauende in der M a n n i g f a l t i g k e i t entdecken kann. Hier aber stehen wir noch vor aller Differenzierung. c) Denn es heißt „agre" = „im Anfang", έν αρχή, in principio, bestand dies nur seiende Eine. Rud. Otto 1) hat darauf aufmerksam gemacht, daß dieses „im Anfang" keineswegs nur den zeitlichen Ursprung meint, sondern, wie der Wortsinn von „principium" beweist, zugleich das zeitlos z u g r u n d e liegende Prinzip bedeutet, so führt uns dieses „agre" bereits auf den metaphysischen Hintergrund des Konkreten, von dem später gesondert (S. 28 ff.) gehandelt werden soll. d) Dieses Anfangsstadium, um bei diesem Wortsinne zunächst zu bleiben, wird endlich zusammenfassend noch einmal charakterisiert als „advitiyam", ohne Zweites. Was auch immer dieses Zweite sein könnte, ob bloße Spaltung, ob ein völlig Neues und Anderes, es existierte nur das eine Sein, höchster n u m i n o s e r Wert. Denn selbstverständlich stehen wir hier in r e l i g i ö s e r Erkenntnis, die an numinosen Werten orientiert ist. Ein anderes Wort deutet auf dasselbe hin, wenn es von diesem „anfänglichen" Sein sagt: „ohne Teile (niskalam), ohne H a n d e l n (niskriyam)" 2). 2. Wie erklärt es sich aber nun, wenn in der Taitt.-Upanisad fast genau das Gegenteil des eben zitierten Textwortes sich findet: „ N i c h t s e i e n d war dies im Anfang, aus ihm entstand das Seiende" (asadvä idamagra äsit, tato vai s a d ajäyata) 3). Wir stellen mit Bedacht dieses auf den ersten Blick diametral entgegengesetzte Wort neben jenes erste, um daran für die hier gestellte R e a l i t ä t s f r a g e des Ich vor allen Dingen den gültigen Begriff der R e a l i t ä t zu klären. Es handelt sich natürlich hier um keinen Widerspruch, sondern es ist tatsächlich von demselben „Sein" die Rede wie oben. Was also ist nun S e i e n d e s , was ist N i c h t s e i e n d e s ? 1) R. Otto, West-Östliche Mystik, Gotha 1926, S. 121. 2) Övetäövat.-Up. 6,19. 3) Taitt.-Up. 2, 7.

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a) Das Absolute, ob es nun brahman oder ätman heißt, ist der e m p i r i s c h e n Welt, die man gemeinhin real nennt, das Nichtseiende (asat). b) Sieht man aber „dieses Alles" (idam sarvam) sub specie des Anfänglichen (sat), dann erweist es sich als asat dem E i n e n gegenüber x). 3. Was ist nun „dieses" (idam)? Es ist die konkrete Welt der empirisch erfahrbaren, i n d i v i d u e l l e n Einzeldinge und Einzelwesen. „Dies" ist das „Mehr" gegenüber dem nur Seienden des Anfangs. Dieses erste Sein ist g e s o n d e r t in viele I n d i v i d u e n . Und damit kommen wir zu einer wesentlichen Einsicht in den Sinn dieser indischen Spekulationen über den i l l u s i o n ä r e n Charakter der p e r s o n a l e n Sonderung, an deren Verständnis uns hier gelegen ist. Real im absoluten Sinne ist nur das Eine (ekam advitlyam), das eben deshalb zugleich das A l l g e m e i n e ist. Das Allgemeine ist für die Welt des Zeiträumlichen und ihre Bedingungen stets „irreal". Will es „real" im empirischen Sinne Werden, so kann es das nur, wenn es sich individualisiert. Nur als Konkretes und das heißt stets als i n d i v i d u e l l e s Sein ist jenes e i n e , a l l g e m e i n e Sat in der z e i t r ä u m l i c h e n Welt möglich. Und genau das ist die Grundlage der indischen Gedanken. Eine Formel sagt dasselbe: sarvam svalaksanam = „alles ist einzeln" 2) ( = mit eigenem individuellem Merkmal). Das Individuelle also ist notwendig das Gesonderte, Gespaltene s). Das eigentlich Reale aber ist nicht Objekt empirischer Erfahrung. 1) Vgl. Deussen, Allg. Gesch. d. Philosophie I, 2, Leipzig 1920, S. 90: „Dieser wonneartige ä t m a n . . . ist kein Gegenstand der Erkenntnis mehr; er ist, im Gegensatze zur empirischen Realität, ein Jenseitiges, Unaussprechliches, Grundloses, ein U n b e w u ß t s e i n , eine Nichtrealität." 2) Th. Stscherbatsky, Erkenntnistheorie und Logik nach der Lehre der späteren Buddhisten, München-Neubsberg 1929, S. 145. 3) Auch der Buddhismus teilt diese Grundansicht, wenn er die Wiedergeburten und ihre Möglichkeit haften läßt an der Verbindung von Name und Körperlichkeit (näma-rüpa) mit Bewußtsein, denn

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4. Von hier aus kehren wir zum Problem des e m p i r i s c h e n Ich zurück. Auch in Indien ist das konkrete Ich als Phänomen bekannt und wird auf verschiedene Weise gedeutet. Die uns von den obigen Voraussetzungen aus verständliche erste Form der Behandlung dieser Frage ist die, daß alle personale Sonderung in der Welt als I n d i v i d u e l l e s für illusorisch, für letztlich nicht „real" erklärt wird. Der — wie immer zu erklärende — Prozeß der Individuierung des Sat hat in dem personalen Ich seinen Höhepunkt erreicht: die qualitative Differenzierung ist nicht real. Die personale Struktur der menschlichen Welt setzt eine Zweiheit voraus: das Ich und seine Objekte. Vom Sat aus gesehen oder — um den entscheidenden Begriff einzuführen — vom ätman aus gesehen, ist solche Zweiheit illusorisch: „Wo nämlich gleichsam Zweiheit ist, da schaut einer den andern. Aber wo ihm alles der ätman ward, wie und wen könnte er schauen, wie und was könnte er erkennen" 1). Was unter den Worten: „Wo ihm alles der ätman ward" zu verstehen ist, wird deutlich werden (S. 72) im Zusammenhang der Erörterung des Ichproblems im Lichte der Erlösung. Dieselbe Anschauung gilt im Hinblick auf die Gottheit. Auch hier bezeugt personale Differenzierung zwischen Gottheit und Ich das „unheilvolle" Nichtwissen: „Wer eine andere Gottheit meditiert, meinend: eine andere ist sie, ein anderer bin i c h , der weiß nicht" 2) (annyo 'hamasmi). Es gibt kein essentielles Anderssein personaler Art wie überhaupt keinerlei „näma-rüpa" ist die viralte Formel für das i n d i v i d u e l l e Sein. So heißt es Dlgha-Nik. XV, 1—22: „Nur insofern, Änanda, kann etwas geboren werden, altern oder sterben, vergehen oder entstehen, nur insofern gibt es eine Möglichkeit der Benennung, eine Möglichkeit der Erklärung, eine Möglichkeit der Kenntlichmachung, nur insofern tritt es in den Bereich der Erkenntnis und nur insofern geht der Kreislauf (d. Wiedergeburten) weiter, so daß hier ein neues Dasein zur Erscheinung kommt. — Insofern nämlich N a m e und K ö r p e r l i c h k e i t mit dem B e w u ß t s e i n vereint sind." 1) Brh. 4, 5,15. 2) Brh. 1 , 4 , 1 0 .

2. Die Irrealität personaler Sonderung

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V e r s c h i e d e n h e i t : „Nicht ist hier irgend etwas Verschiedenes" (neha nänästi kimcana) x ). Es darf also zusammenfassend festgestellt werden, daß nach der hier zunächst vorgetragenen Ansicht die p e r s o n a l e S o n d e r u n g , die wir in der Welt vorfinden, illusorisch ist. 5. Es Wird also in aller Klarheit unterschieden zwischen dem eigentlichen e w i g e n S e l b s t , das wandellos ist und ruhend in sich, dem ewigen ätman einerseits: „Wunschlos, weise, unsterblich, von selbst geworden, von Lebenssaft gesättigt, an nichts Mangel leidend, wer diesen erkannt hat, der fürchtet sich nicht vor dem Tod, ihn den weisen alterlosen, ewig jugendlichen ätman soll man erkennen" 2). Dieser ätman ist also eine transempirische, numinose Größe ohne Persönlichkeitsqualität. Interessant ist in diesem Zusammenhange ein Wort aus dem Öatapatabrahmana, das ebenso wie die oben zitierten Worte vom Anfang (agra) im Hinblick auf den ätman spricht und das Wort „Ich" auf diesen alleinigen und impersonalen ätman anwendet: „Diese Welt war im Anfang nur der ätman in Menschengestalt (purusa). Der blickte um sich und sah nichts anderes als sich selbst (den ätman). Da sprach er zuerst das Wort: ,Ich bin es.' Daher entstand das Wort ,Ich'." 3) Der Sinn dieses Wortes scheint der zu sein, daß das Wort „ich" „im Anfang" keinerlei a b g r e n z e n d e n , isolierenden Sinn innerhalb des undifferenzierten Einen gehabt hat. „Ich" als a u s s c h l i e ß e n d e Größe ist erst in der vielheitlichen Welt möglich. Damit sind wir bei der anderen Seite angekommen, dem e m p i r i s c h e n Selbst. Wir sagten schon, die personale Sonderung ist illusorisch. Gleichwohl wird dieses empirische Ich berücksichtigt und in den Erörterungen prädiziert. Chändogya Upanisad VIII, 7—12 wird die Frage nach dem wahren ätman behandelt. Auf die Frage: „was ist das Selbst"? wird 1) Brh. 4,4,19. 2) Atharva-Veda, 10, 8, 44. Geldner, Vedismus und Brahmanismus (Relig. Leseb.), Tübingen 1928, S. 109. 3) Öat. 1 4 , 4 , 2 , 1 . Geldner, S. 102.

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von Prajäpati zunächst die Antwort gegeben: „ya 'eso 'ksini puruso drsyate", d. h.: „Welche Person im Auge gesehen wird" x). Gemeint ist also das äußere Spiegelbild, der materielle Leib. Aber das ist natürlich nicht der ewige ätman. Die zweite Definition: „ya esa svapne mahiyamänascarati" 2) meint die individuelle Seele, die „im Traume fröhlich umherschweift". Hier haben wir es mit dem empirischen Selbst zu tun, das zwar von Leiblichkeit befreit, dennoch die personale Differenziertheit, den Gegensatz von Subjekt und Objekt noch kennt. Auch das ist nicht der wahre ätman. Er ist Chänd. VIII, 11, 1 im Bilde des Tiefschlafes anschaulich geschildert. Wir Werden an anderer Stelle (S. 73) darauf zurückkommen. Hier kam es uns darauf an, den Unterschied von empirischem d. h. wechselndem, vergänglichem und letztlich illusorischem Ich und dem ewigen wandellosen und impersonalen Ich klarzustellen. In demselben Sinne äußert sich ζ. B. auch Banade in seiner Geschichte der indischen Philosophie, wenn er schreibt: „The Self, who inspires the body that is formed by the combination of the subtle and gross elements, is called the Elemental Self. He is thus subject to the tormentations of the body, which is again pessimistically described here as ,arising from sexual intercourse*. . ." „The immortal Self is not affected by the transformation of elemental Self." — „Overcome by the Inner Person and beaten by the qualities, the Elemental Self assumes different forms, as does a heated ball of iron when it is hammered" 3). 6. Endlich ist auf folgende, aus dem Vorhergehenden ohne weiteres einleuchtende, Erscheinung aufmerksam zu machen: wenn es so ist, daß die personale Sonderung die Tiefe nicht berührt, dann sind die in den heiligen Schriften auftretenden Personen im Grunde auch nicht isolierte Einzelwesen, sondern können ineinander verschwimmen. Das ist in der Tat 1) Chänd. VIII, 7, 4. 2) Chänd. VIII, 10,1. 3) Belvalkar und Banade, History of Indian Philosophy, Poona 1927, S. 313, 314.

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3. Materielle Realität des Ichorgans

der Fall. ζ. B. im Mahäbhärata-Epos, wo es an einer Stelle so heißt: „Im gelehrten und hochedlen Priester, in Kuh und Elefant, im Hunde und im Hundeschlächter sieht der Kundige dasselbe Sein. Denn dem Festen, dem Unsteten, und allem, was da lebt und webt, das eine große Selbst einwohnt von dem dies All ist ausgespannt" Oldenberg schreibt dazu: „Wohl verschwinden hier und da [in der epischen Erzählung des Mahäbhärata] die Schranken die P e r s o n v o n P e r s o n trennen. Krsna und Arjuna scheinen als zwei Helden nebeneinander zu stehen, jetzt Schulter an Schulter, jetzt getrennte Wege gehend: und dann plötzlich erfahren wir, daß das nur traumhafter Schein ist. In Wahrheit ist Krsna Arjuna und Arjuna Krsna so wie Visnu und !§iva, Öiva und Visnu, die, tief verschieden, bisweilen doch miteinander verschwimmen . . ." 2). 3. M a t e r i e l l e R e a l i t ä t d e s I c h o r g a n s 1. Wir haben in diesem Abschnitt eine besondere, vornehmlich in Indien anzutreffende, Form der Behandlung des Realitätsproblems des Ich zu behandeln, wodurch die obigen Anschauungen über die I r r e a l i t ä t (im absoluten Sinne) des empirischen Ich nicht außer Kurs gesetzt, sondern ergänzt Werden. Wir stellen also noch einmal fest, daß das empirische und persönlich individuelle Ich in der Anschauung, die wir bisher berücksichtigten, also im wesentlichen in den Upanisaden und ζ. T. in der Bhagavadgltä, im absoluten Sinne irreal, vergänglich und wechselnd ist. Der indische Philosoph Radhakrishnan drückt das mit folgenden Worten aus: „The individual Self is ever unsatisfied with itself and is struggling always to become something else. In its consciousness of limitation, there is a sense of the infinite. The finite Self which is limited, which ever tries to rise beyond its sad plight, is not ultimately real. The true Self has the character 1) Mahäbhärata X I I , 8752, übers. Oldenberg, Das Mahäbhärata, Göttingen 1922, S. 83. 2) Oldenberg, Dae Mahäbhärata, S. 83. M e n g e h i n g , Metaphysik.

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of imperishableness. The Gitä tries to find out the element of permanence in the Self, that which is always the subject and never the object. Ksetra is the place or the object, and Ksetrajna is the subject... In the Self of man, there is the element of the knower that remains constant behind all changes. It is the eternal, immutable, timeless Self-existence"1). Schon hier ist angedeutet, daß das empirische Ich zum „Felde" (ksetra) gehört, d. h. zur materiellen Welt wie Gitä XIII, 5 beweist. An anderer Stelle wird die Wesensart des empirischen Ich von demselben Verfasser folgendermaßen beschrieben: „The ego is the psychological unity of that stream of conscious experiencing which constitutes what we know as the inner life of an empirical Self. This unity is a temporal one, which is ever changing, and not the purusa, which is timelessly present as the presupposition of the temporal unity . . . The egos are existences in a world of existences and alongside of them and are no more ultimately real than material things" 2). Es zeigt sich also, daß das Ich als psychologische und d. h. zeitliche, ständig wechselnde Einheit der inneren Erfahrung angesehen wird. Seine „Realität" ist folglich die der materiell empirischen Welt, zu der es gehört. 2. Sehen wir die Sache nun genauer an, d. h. analysieren wir dieses empirische Ich und fragen nach seiner konstitutiven Funktion, wie sie hier in dieser Betrachtungsweise erkannt wird, so stoßen wir auf ein je und dann besonders in der Samkhya-Philosophie auftretendes Organ, den „ahankära" und seine Funktion des „abhimäna". Was ist der „ahankära"? Sagen wir es mit zwei in den Texten begegnenden Definitionen, so hören wir folgendes: „Er betört den Menschen, so daß dieser wähnt: ,Ich bin der Handelnde'" 3). Ahankära ist also ein psychischer Faktor, der in concreto die Ich-Illusion erweckt. Die genaue Funktion, die dabei vor sich 1) Radakrishnan, Indian Philosophy I. S. 534. 2) Radakrishnan, Indian Philosophy II. S. 283 f. 3) Mahäbhärata VI, 27, 27.

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3. Materielle Realität des Ichorgans

geht, ist die „ I n - B e z i e h u n g - S e t z u n g " mit dem Ich. So heißt es: „abhimäno 'haiikäras", d. h. „Aufsichbeziehung ist der ahaiikära" J). Das eigentümliche Faktum, das innerlich vollzogen wird, wenn der Mensch eine Sache als s e i n e , eine Handlung als von sich getan bezeichnet, wird hiermit als Wirkung eines eigenen zur (illusionären) empirisch materiellen Welt gehörigen Organs und seiner Funktion betrachtet. Dieser Anschauung begegnen wir nun in der indischen Religionswelt mit gewissen Variationen an verschiedenen Stellen. Im Sämkhya-System wird der ahaiikära zur prakrti, also zur Materie gehörig betrachtet, deren Realitäts Weise er damit teilt 2). Bei Rämänuja und Öaiikara wird ebenfalls über die Bedeutung des ahaiikära gestritten. Öaiikaras Ansicht wird von Ramanuja in seinem Siddhänta in folgender Weise charakterisiert: „So ist der dumpfe ahaiikära nur Mittel zur Kundmachung dessen, was vom wandellosen, beharrlichen Wesen ist (des Bewußtseins) und er macht es kund durch die EinWohnung von diesem in ihm selbst. Das ist ja allgemein die Natur der Kundmachungsmittel, daß sie das zu Kündende künden dadurch, daß dieses ihnen selber einwohnt: ein Spiegel, ein Wasserfleck tun das Gesicht oder die Mondscheibe oder den Kuhtypus kund dadurch, daß diese jenen (Kundmachungsmedien) einwohnen. So entsteht die Täuschung, die der Satz ausdrückt: I c h erkenne . . . Aus dem gleichen Grunde aber, weswegen der mit Ich bezeichnete Kenner in dem Urteil: Ich erkenne, kein reales Attribut des reines Denken seienden ätman ist, reicht er ferner auch nicht in die Zustände von Tiefschlaf und Erlösung hinein. In diesen beiden Zuständen vergeht die Aufschrift „Ich" und das Selbst zeigt sich hier im eigenen Wesen als reines Vernehmen schlechthin. Darum bemerkt auch wohl jemand der aus dem Schlafe erwacht ist gelegentlich: ,ich wußte von mir selber nichts mehr'" 3). Wir 1) Sänkhya-Karikä des Iävarakrishna übers. Deussen, Allg. Gesch. d. Philos. I, 3. S. 437. 2) Vgl. Deussen, Allg. Gesch. d. Philos. I, 3. S. 470 f., 490. 3) Bämänuja, Siddhänta S. 40. 2*

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lernten schon Öankaras Auffassung von der absoluten Irrealität des Ich oben (S. 9) kennen. Es ist daher nicht zii verwundern, daß jener ahahkära ebenfalls als illusorisch erklärt wird. Rämänuja dagegen sieht im ahankära diejenige Größe, die bewirkt, daß der nicht geistige Körper zum Ich gemacht wird. Also der ahankära bewirkt eine Verwechslung, denn das Ich als solches ist ja nach Bamanuja real im geistigen Sinne: „Der Erhabene bezeichnet allerdings (Bhagavadgitä XII, 5) den ahankära, eine Sonderform der Umwandlungen des Unentfaltenen, als zum Felde gehörig. Ahankära ( = Ich-Macher) wird sie genannt, weil sie Ursache ist, daß der Nichtgeistige Körper zum ,Ich gemacht' wird" 1). Auch der Buddhismus kennt diese täuschende Funktion des abhimäna und beschreibt von ihr aus die Aufgabe des Erlösungsbeflissenen: „Nicht oben, nicht unten, nirgendwo denkt der Befreite: ,Das bin ich.' Also befreit hat er sich aus der vorher nie durchquerten Flut, gerettet zumNimmerwiedergeborenwerden" 2). Und an anderer Stelle wird allen einzelnen Daseinselementen (von denen S. 35 später genauer zu reden sein wird) gegenüber die Lösung von der Aufsichbeziehung als Haltung des Erlösten beschrieben: „Darum, mein Freund, was für eine Körperlichkeit es auch immer gibt, sei es in Vergangenheit, Zukunft oder Gegenwart, sei es in uns selbst oder in der Außenwelt, . . . alle Körperlichkeit ist, wenn man die Sache richtig und der Wahrheit gemäß auffaßt, so anzusehen, daß man sagt: ,Das ist nicht mein, das bin nicht ich, das ist nicht mein selbst' 3)". 3. Dieselbe Idee der Ichbeziehung kennt nun auch Meister Eckhart. Auch hier tritt das innerste Selbst in scharfen Gegensatz zu dem, Womit im alltäglichen Leben das Selbst identifiziert zu werden pflegt, zum „Ich", zur „Ichheit". Das ist genau der ahankära, die Instanz der falschen Zurechnung, 1) Ebenda, Siddhänta S. 69. 2) Udäna VII, 51 f. Winternitz, Der ältere Buddhismus, Tübingen 1929, S. 110. 3) Samyutta-N. 22, 85. Winternitz, S. 65.

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in Indien. Diese Größe aber gehört nicht zum Selbst, sie wird in echter Selbsterkenntnis als Fremdes, Falsches empfunden, das abzulegen ist. Die „Ichheit" und „Meinheit" bei Eckhart gehört nicht der Seele zu. Ihr muß der Mensch entsagen und zum „Selbst" der Seele gelangen 1 ). 4. Die I r r e a l i t ä t v o n Seele u n d I c h Wir haben uns zur Aufgabe gemacht, in diesem Kapitel die verschiedenen „Möglichkeiten", das Realitätsproblem des Ich von selten der Religion zu lösen, an markanten Beispielen darzustellen. Bisher waren es im wesentlichen folgende Grundformen: Das empirische Ich ist real und identisch mit einer substantiellen Seele, das empirische Ich ist als solches irreal gegenüber einer impersonalen Seele, das empirische Ich ist Wirkung eines materiellen Organs. Jetzt treten wir an eine letzte und, wie es scheint, radikalste Lösungsform heran, die im B u d d h i s m u s , sowohl der Hinayäna- wie der Mahäyänaform, akut ist: weder Seele noch Ich sind real im absoluten Sinne. Wir bleiben also in diesem Kapitel bewußt in der Sphäre des sinnlich Erfahrbaren und suchen hier nach dem empirischen Ich in der Anschauungsweise der Religionen. Die Frage nach dem eventuellen transzendenten Hintergrunde bleibt zunächst ausgeschlossen. 1. Ganz im allgemeinen ist nun von dieser Anschauungsweise zu sagen: es gibt weder eine Seele noch ein Ich. Der brahamanische Standpunkt, einen ätman, also einen selbständigen Leiter aller mentalen und seelischen Operationen anzunehmen, wird vom Buddhismus verworfen. So schreibt ζ. B. S u z u k i in seinem bekannten Werke über den Mahäyänabuddhismus: „The non-ätman theory does not deny that there is a coordination or unification of various mental operations. Buddhism calls this system of coordination vijnäna, not ätman. Vijnäna is consciousnes, while ätman is the ego conceived as a concrete entity, — a hypostatic agent which . . . 1) Vgl. R. Otto, West-Östliche Mystik, S. 108.

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directs all subjective activities according to its own discretion. This view is radically rejected by Buddhism" 1). Und Eliot äußert sich über die Leugnung der Seele folgendermaßen: there is no such thing as a soul — by which is meant no such thing as a permanent unchanging self or ätman. Buddhists are concerned to show that transmigration is n o t i n c o n s i s t e n t with this denial of the ätman." — „It means, that in a living man there is no permanent, unchangeable entity but only a series of mental states." — „. . . mind is merely a function of matter is not explicable as a mere process of cell development: something pre-existent must act upon the cells" 3). Inwiefern die hier zuletzt aufgeworfene Frage nach der Verträglichkeit von Transmigration und Leugnung des ätman positiv gelöst werden kann, wird hier so wenig wie auch sonst zumeist gesagt. Wir werden später (S. 35) der Frage wieder begegnen. An anderer Stelle sagt Eliot über diese Leugnung der Existenz eines Selbst und dessen, was damit negiert ist, folgendes: „As the denial of the existence of the Self or ego (Attä in Päli, Ätman in Sanskrit) is one of the fundamental an original tenets of Gotama, whe must remember that this self whose existence is denied is someting not subject to decay, and possesing free will with power to exercise it. The Brahmanic Ätman is such a self but it is f o u n d nowhere in the world of our experience 3 ). Nagarjuna, der bekannte Gründer des Mahäyänabuddhismus, hat in seinem Kommentar zum Prajnäpäramitä-Sutra in interessanter Weise darauf aufmerksam gemacht, daß Buddha in der Frage nach dem ätman einen doppelten Standpunkt eingenommen habe, je nach dem, in Welcher Absicht er zu bestimmten Zuhörern gesprochen habe. In Radhakrishnans Übersetzung lautet die Stelle wie folgt: „The Tathägata sometimes taught that the ätman exists, and at other times he taught that the ätman does not exist. When he preached 1) Suzuki, Outlines of Mahäyäna Buddhism, London 1907, S.397. 2) Eliot, Hinduism and Buddhism, London 1921, I. S. LII. 3) Ebenda S. 188.

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that the Ätman exists and is to be the receiver of misery or happiness in the succesive lives as the reward of its own karma, his object was to save men from falling into the heresy of nihilism (ucchedaväda). When he taught that there is no Ätman in the sense of a creator or a perceiver or an absolutely free agent, apart from the conventional name given to the aggregate of the five skandhas, his object was to save men from falling into the opposite heresy of eternalism (säsvataväda). Now, which of these two views represents the truth ? It is doubless the doctrine of the denial of Ätman . . . The two doctrines were preached by Buddha for two very different objects. He taught the existence of Ätman when he wanted to impart to his hearers the conventional doctrine; he taught the doctrine of an-Ätman when he Wanted to impart to them the transcendental doctrine" 1). Noch auf einen Punkt ist bei dieser allgemeinen Fixierung des hier gegebenen Standpunktes zu achten. In europäischer Philosophie wird man nach dem bisher Gesagten auf die typische Anschauung des Materialismus und die daraus geborene „Psychologie ohne Seele" schließen. Und in der Tat hat es nicht an solchen Deutungen der buddhistischen anattäLehre gefehlt. Indessen schon Oldenberg hat davor gewarnt, unsere Vorstellungsweise hier unbesehen anzuwenden, wenn er schreibt: „Wir müssen uns hier der Vorstellungsweise völlig entäußern, welche das Innenleben nur dann als ein verständliches gelten läßt, wenn sie seinen wechselnden Inhalt, jedes einzelne Gefühl, jeden Willensakt zu einem und demselben I c h in Beziehung setzen darf" 2). Im Gegenteil trägt diese Seelenleugnung keinerlei materialistisches Gepräge, wie Oldenberg ebenfalls hervorhebt: „Wenn der Buddhismus die Existenz der Seele verneint, darf man das nicht in einem Sinne verstehen, der diesem Gedanken irgendwie ein m a t e r i a l i s t i s c h e s Gepräge aufdrücken würde . . . Körper wie Seele existiert nicht als eine in sich geschlossene, sich in sich selbst 1) Radhakrishnan, Ind. Philos. I. S. 389. 2) O. Oldenberg, Buddha, Stuttgart und Berlin 1921, S. 291.

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behauptende Substanz, sondern allein als ein Komplex von mannigfaltig sich verschlingenden Prozessen des Entstehens und Vergehens" 1). 2. Wie aber erklärt der Buddhismus, der, wie gesagt, in dieser Frage ziemlich einheitlich denkt, das doch ohne Frage auftretende Ich-Phänomen ? a) Die allgemeinste Grundidee, von der auszugehen ist, ist die Idee der universellen V e r ä n d e r l i c h k e i t : „sarvam anityam, sarvam sünyam, sarvam anätmam" („alles ist vergänglich, alles ist leer, alles ist ohne ätman"). So lautet eine bekannte Formel, die diese allgemeine Grundidee treffend zum Ausdruck bringt. Wir müssen auch für den Buddhismus dieselbe Grundanschauung von der unheilvollen Differenziertheit, die in dem ständigen Wechsel ihrer Zustände bezeugt, daß sie nicht eigentlich i s t , sondern ständig wird, voraussetzen. Also von der I n d i v i d u a l i t ä t im allgemeinen ausgehend, da das I c h ja unter dieselbe Kategorie gehört, kann man nur urteilen wie Radhakirshnan, der sagt: „Individuality is an unstable state of being which is ever growing" 2). „Nothing here is permanent neither name nor form" 3). b) Was von allem Individuellen gilt, gilt natürlich in erster Linie von dem I c h selbst, das nun seinerseits aufgefaßt wird als Komplex von Daseinsfaktoren, der in ständigem W e c h sel ist. Worin dieser Wechsel besteht, wird später deutlich werden. Zunächst muß allgemein festgestellt werden, daß jedenfalls neben diesen wie immer gearteten Daseinsfaktoren kein subjektartiger Träger für seelische Funktionen besteht. Im Samyutta-Nikäya heißt es in dieser Hinsicht: „Wie meinst du, daß eine Person sei, Mära ? Du hältst an einer Irrlehre. Nur ein Haufen wandelbarer Gestaltungen (sankhära) ist dies; nicht läßt sich hier eine Person erfassen" 4). Und an anderer Stelle wird von Buddha ausdrücklich die Redeform „er" berührt als unmöglich abgelehnt: „Wer berührt, wer empfin1) Ebenda S. 290. 2) Badhakrishnan, Indian Philosophy, I. S. 383. 3) Ebenda S. 383. 4) Oldenberg, Buddha, S. 296.

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det?" fragt ein Mönch. Der Erhabene sprach: „Diese Frage ist nicht zulässig. Ich sage nicht: ,Er berührt.' Wenn ich sagte: ,Er berührt', dann wäre die Frage zulässig: ,Wer berührt, Herr ?' Da ich aber nicht also sage, so ist es mir gegenüber, der ich nicht so rede, nur zulässig, mich zu fragen: ,Woraus, Herr, geht die Berührung hervor?' Darauf ist die Antwort: ,Aus den 6 Gebieten entsteht die Berührung. Aus der Berührung entsteht die Empfindung'. . ." 1). In anschaulicher Weise wird diese Tatsache an einem Beispiel illustriert anläßlich der Frage des Milinda: zunächst wird die Frage gestellt: Wer ist Nagasena? Worauf die verblüffende Antwort lautet: „Ein Subjekt ist hier nicht zu erfassen." Was gemeint ist, wird sodann am Beispiel des Wagens erläutert, denn mit keinem seiner Teile kann der Wagen identifiziert werden, er ist nichts außer der Totalität seiner Elemente: „In bezug auf Deichsel und Achse, Räder, Wagenkasten und Stange wird der Name, die Benennung, die Beziehung, der Ausdruck, das Wort ,Wagen' gebraucht. . ." 2). „Wie man da, wo die Teile des Wagens zusammenkommen, das Wort ,Wagen' gebraucht, so ist auch, wo die 5 Gruppen (die Elemente) da sind, die P e r s o n da; so ist die gemeine Meinung" 3). c) Die menschlich empirische Individualität ist also die stets wechselnde Kombination der sogenannten D a s e i n s f a k t o r e n : „Individualität, Individualität, so heißt es immer, du Edle. Was ist es denn aber, Du Edle, was der Herr als Individualität bezeichnet hat ? Diese 5 Daseinsfaktoren, Freund Visäkha, sind es, die der Herr als Individualität bezeichnet hat" 4 ). Diese 5 skandha's sind: Körperlichkeit (rüpakäya), Gefühl (vedanä), Gestaltungen (samskära), Bewußtsein (vijnäna) und Vorstellung (samjnä). Das individuelle Wesen des Menschen wird durch diese Faktoren gebildet, außerhalb ihrer gibt es keine subjektive und aktive Größe: „But only when they are all combined in a certain form they make a sentient being. Yet this combination is 1) Oldenberg, Buddha, S. 296. 2) Ebenda S. 294. 3) Ebenda S. 295. 4) Majjhima-Nik. 44. Winternitz, S. 70.

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I. Das Problem der Realität des emp. Ich

not the work of a certain independent entity, which according to its own will, combines the fire skandhas in one form and then hides itself in it. The combination of the constituentelements, Buddhism declares, is achieved by themselves after their karma" x). d) Es liegt nicht in unserem Interesse, die Einzelanalyse dieser Faktoren im besonderen vorzuführen. Der Buddhismus hat sich viel Mühe mit der Erforschung der Einzelkräfte, die das Scheinbild des seelischen Ich hervorbringen, gegeben. Für unseren Zusammenhang haben diese psychologischen Untersuchungen kein Interesse 2). Nur auf eine wichtige Größe sei hier bereits aufmerksam gemacht, die späterhin für unsere Untersuchung von Bedeutung sein wird (S. 35). Es handelt sich um die sogenannten „dharma". Die bewußte Persönlichkeit setzt sich — und das führt uns genauer in das Wesen der Kombinationen des Ichkomplexes ein — aus unauflöslich wechselnden Augenblickskombinationen spontan auftauchender E l e m e n t e zusammen. 0. Rosenberg, dessen aufschlußreiche besonders am Abhidharmakosa des Vasubandhu orientierte Arbeit hier völlig neue Einsichten bietet, schreibt: „Diese (Dharma-) Theorie besteht in der Voraussetzung, daß jedes Element nur einen Moment dauert: die bewußte Persönlichkeit ist folglich eine Kette unaufhörlich wechselnder Augenblicks-Kombinationen, welche aus einzelnen auf einen Moment in die Erscheinung tretenden Elementen bestehen" 3). Das Entscheidende ist nun aber, worauf hier lediglich hingewiesen sei, da die Ausführung in einen anderen Zusammenhang gehört (S. 33 ff.), daß diese empirisch auftauchenden Elemente selbst Funktionen jener geheimnisvollen Kräfte sind, die die buddhistische Terminologie „dharma" nennt: „Das empirische Leben ist eine Illusion. Alles was mich umgibt, muß als Illusion aufgefaßt werden, es gibt nichts außer den momentanen Kombinationen aus momentanen Elementen. 1) Suzuki, Outlines etc., S. 149. 2) Vgl. dazu O. Rosenberg, Probleme der buddhistischen Philosophie, Heidelberg 1924, S. 98. 3) O. Rosenberg, a . a . O .

4. Die Irrealität von Seele und Ich

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Zu diesen flüchtigen Kombinationen gehört unter anderen auch diejenige, welche wir „ich" nennen. Aber wenn diese Kombinationen illusorisch sind, so kann man dennoch die Frage stellen, ob es nicht doch etwas Reales hinter den Kombinationen gibt?" *) Es eröffnet sich also auch hier der Ausblick auf einen metaphysischen Hintergrund. 3. Endlich haben wir an dieser Stelle von einer von buddhistischer Seite angenommenen Parallelität zwischen diesen buddhistischen Anschauungen über das Ich und bestimmten Vorstellungen des Christentums zu handeln. Suzuki weist darauf hin, daß die buddhistische Negation des Ich ein genaues Analogon zur christlichen Verurteilung des „Fleisches" sei: ,,When the Buddhists exclaim: ,Put away" your egoism, for the ego is an empty notion, a mere word without reality', some of our Christian readers may think that if there is no ego, what will become of our personality or individuality? Though this point will become clearer as we proceed, let us remark here that what Buddhism understands by ego or ätman may be considered to correspond in many respects to the Christian notion of ,flesh' or the ,old man' which is the source of all our sinful acts" 2). — Suzuki interpretiert sodann die Stelle Galater 11, 20 („doch nun nicht ich, Christus lebt in mir") und schreibt weiterhin: „When this passage is interpreted by the Buddhists, the ,1' that was annihilated through crucifixion, is our false notion of an egosoul (ätman) and the ,1' that is living through the grace of God is the Bodhi, a reflex in us of the Dharmakäya" 3). 1) Ebenda S. 100. — Vgl. dazu auch die Vermutung Η. O l d e n b e r g s : „Kein Zweifel, daß der Buddhismus jenes in der Erscheinungswelt sich darbietende Bild eines Seelenwesens als ein trügerisches Phantom zerstört. Aber ist es in den Vorstellungssphären, die wir hier betrachten, ausgeschlossen, daß hinter aller auf diese Welt sich richtenden bejahenden oder verneinenden Erkenntnis in unbestimmtem Lichtschimmer die Möglichkeit jenseitiger, für die Sprache alltäglichen Denkens unausdrückbarer Mysterien empfunden wurde ?" Buddha S. 302. 2) Suzuki, Outlines, S. 165 f. 3) Ebenda.

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

Und an einer anderen Stelle wird noch genauer die Analogie zum Gegenpol deB christlichen Begriffes des „Fleisches" zum πνεύμα hergestellt, wenn es heißt: „. . . it must be said that they understand by the flesh our concrete, material existence whose characteristic is predominantly individual, and by the spirit, that which transcends particularity and egoism; for love, joy, peace, longsuffering, faith, meekness, temperance and suchlike virtues are possible only when our egocentric, ätmanmade desires are utterly abnegated" 1). — Dieser angeblichen Parallelität gegenüber muß betont werden, daß, wie wir später (S. 79) sehen werden, hier ohne Frage in letzter Tiefe analoge Gebiete in Frage stehen, daß aber die Lösung eine völlig andere ist, denn das Christentum hat eben die empirische Realität des individuellen Ich und der individuellen Persönlichkeit nie in Frage gestellt. Der „Geist" wird durchaus in per s ö n lie her Bewußtheit erlebt und von P e r s o n e n empfangen. Man kann also wohl sagen: wie im Christentum durch den Empfang des Geistes die Situation der Erlösungsbedürftigkeit des „alten Adam" aufgehoben wird bei Wahrung der persönlichen Existenzform, so wird im Buddhismus durch Aufhebung der persönlichen Seinsweise ebenfalls eine Heilssituation hergestellt. Die Überwindung des „ E g o i s mus" im Christentum betrifft (wie [S. 57] zu zeigen sein wird) eine andere Art von Egoismus als der Buddhismus damit meint. II. K a p i t e l

Der metaphysische Hintergrund des Ich Unsere bisherige Untersuchung hatte zum Gegenstand das empirische Ich und seine Realität bzw. Irrealität. Schon bei der Erörterung der dabei historisch möglichen Formen war es unvermeidlich den im personalen, realen oder irrealen Sein durchschimmernden metaphysischen Hintergrund anzudeuten; jetzt wenden wir uns ausdrücklich diesem Hintergrunde 1) Ebenda S. 166.

1. Das reine Sein

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zu und behaupten: in allem personalen Sein, ob dieses Sein in seiner personalen Form nun im empirischen Sinne als real angesehen wird oder nicht, wird in allen Religionen ein transcendent metaphysischer H i n t e r g r u n d gewittert. Es ist nun unsere Aufgabe, die Formen zu untersuchen, die im Verhältnis dieses, in seiner Wesensart ebenfalls genauer zu prüfenden, Hintergrundes zum personalen Sein möglich, d. h. h i s t o r i s c h wirklich sind. 1. D a s reine Sein Die erste Möglichkeit, den metaphysischen Hintergrund zu erfassen ist in der Form des reinen S e i n s zu erblicken. Die reinste Ausprägung dieser Idee finden wir in der an religiösen Lebensformen so unerschöpflich reichen indischen Religionswelt, aus der wir daher zunächst unsere Beispiele wählen, um dann dazu gelegentliche Parallelen aus anderen Gebieten der Religionsgeschichte anzuziehen. Wir analysieren den großen Komplex der hier auftauchenden Ideen, die in lebensvoller Einheit nicht selten ineinandergehen. 1. Eliot macht darauf aufmerksam, daß in der hinduistischen Gedankenwelt im wesentlichen zwei Theorien zu unterscheiden seien hinsichtlich des Verhältnisses des individuellen Seins zu jenem metaphysischen Hintergrunde: „The first of them identifies the human soul with the supreme and only Being. The doctrine of Samsära holds that different forms of existence may be phases of the same soul and thus prepares the way for the doctrine that all forms of existence are the same and all souls pacts of, or even identical with the Ätman or self, the divine soul which not only pervades the world but is the world". „Connected with this doctrine is another, namely, that the whole World of phenomena is Mäyä or illusion. Nothing really exists except the supreme Ätman; all perception of plurality and difference is illusion and error: the reality is unity, identity and rest" x). Auf der einen Seite 1) Eliot, Hinduism and Buddhism, S. I, 45.

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

also wird — wie wir oben (S. 24) bereits im Zusammenhange des Realitätsproblems erwähnten — die individuelle Vielheit als Wechsel realer Phasen am Absoluten angesehen, auf der anderen Seite ist die Vielheit Illusion, nur das qualitätslos E i n e ist real. a) Sprechen wir zunächst von der ersten Form, so bedeutet sie für unser Problem folgendes: die individuelle, beWußte Seele ist real —, das hörten wir schon oben (S. 6) —, nun aber fahren Wir fort: denn sie ist Modus des absoluten Seins. Am klarsten tritt diese Form bei Rämänuja in die Erscheinung, dessen personalem Realismus wir oben (S. 9) bereits begegnet sind. Von dieser Seite aus wird der Nachdruck nun darauf gelegt, daß jene oben behauptete Realität des individuellen Ich auf der Realität des Brahman beruht, denn alle konkrete Mannigfaltigkeit, also einschließlich der personalen Vielheit, ist Modus und Form des Absoluten. So sagt Rämänuja selbst: „Solche Texte (des Visnu Puräna) lehren das höchste Brahman als seinem Wesen nach frei von jeder Spur eines Fehlers, im Besitze aller edlen Eigenschaften, sein Schöpferspiel treibend in der Welt, Schöpfung, Erhaltung und Zurückziehung, in ihrer Durchdringung und Beherrschung. Sie lehren, daß das ganze g e i s t i g e und u n g e i s t i g e Sein, in allen seinen Seinsarten real und des höchsten Brahman ,Form', nämlich sein Körper, sei . . . Sie besagen, daß das Geistwesen (Seele), durch seinen Machterweis daseiend, selbständig subsistiere und durch Verbindung mit dem Ungeistigen als ,Feldkenner' da sei" x). Und Radhakrishnan charakterisiert diesen Standpunkt treffend mit folgenden Worten: „Rämänuja wages a vigorous and telling polemic against these who regard persons as vain variations of the selfsame absolute. The individual soul, through a mode of the supreme, is real unique, eternel, endowed with intelligence and selfconsciousness without parts, unchanging, imperceptible and atomic" 2). Von hier aus wird auch verständlich, weshalb oben (S. 10) 1) Rämänuja, Siddhänta, S. 85. 2) Radhakrishnan, Indian Philos., II. S. 690.

1. Das reine Sein

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die scharfe Abgrenzung gegen den personalen Realismus des Christentums vollzogen werden mußte: das Christentum kann die reale Person niemals als Modus des Absoluten auffassen. Noch deutlicher wird dieser Gedanke in folgenden Worten Rämänuja's, die das bekannte „tat tvam asi" (das bist du) kommentieren: „Jenes ,DU', das zunächst nur als der Vorsteher des Körpers aufgefaßt ist, ist, insofern es Körper des Höchsten Selbst ist, ein Modus (prakära) des Höchsten Selbst . . . Mithin bedeutet ,du' deinen durch seinen DU-Modus spezialisierten inneren Lenker . . . So bedeuten ,das' und ,du' als zwei Worte, die auf das gleiche Substrat bezogen Werden, ein und dasselbe Brahman. Von ihnen bezeichnet das Wort ,das' das veränderungsfreie Tadellose, das die Ursache der Welt ist, der Innbegriff aller guten Eigenschaften ist, ,du' bezeichnet dasselbe Brahman insoferne es als der innere Lenker der Seelen spezialisiert ist durch den Seele (genannten) Modus seines eigenen Körpers" *). b) Die andere Form findet in Sankara ihren eindrucksvollsten Vertreter. Hörten wir oben (S. 19) von dem Illusionismus Öankaras, so gilt es hier nun die Realität, also den Hintergrund der auch hier hinter der illusionären Vielheit und Individualität gewittert wird, zu studieren. Hören wir zunächst mit Rämänuja's Worten eine durchaus adäquate Darstellung des Standpunktes Öankaras: Die Vorstellung von vielen charakteristischen Einzelwesen und ichhaften Subjekten ist Irrtum: „Es ist das Resultat eines Irrtums wie Wenn man einem Stück Perlmutter das Silbersein beilegt. Die Vernehmung kann nicht zu sich selbst im Verhältnis des Täters (Subjekt) stehen. Der Kenner ist hier nur ,aufgebildet', so wie man etwa in dem Urteil: ich bin ein Mensch, den durch ganz äußerliche Attribute (zoologischer) Menschheit charakterisierten Erdenkloß (des Leibes) dem ätman selber zurechnet" 2). Hier begegnet uns die Idee der „Aufbildung". Das völlig attributlose, undifferenzierte, reines BeWußtsein seiende Brahman, die alleinige göttliche Wirklichkeit wird durch fälschliche Bei1) Rämänuja, Siddhänta, S. 29. 2) Ebenda S.39f.

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

legung vor allem des Prädikates „Kenner" ( = bewußtes Ich), und aller sonstigen Eigenschaften, entstellt. Eine weitere Argumentation weist das Täter-Sein des ätman ( = Brahman) zurück aus folgendem Grunde: „Im Tiefschlaf, Ohnmacht und dergleichen setzt das Ich-Bewußtsein aus, während doch der ätman offenbar beharrt. Daraus folgt, daß der ätman nicht in den Objektbereich des Ich-Bewußtseins fällt. Würde zugegeben, daß der ätman Täter sei und in den Objektbereich des Ich-Bewußtseins falle, so wäre die Folge unvermeidlich, daß er wie der Körper dumpf, nur für anderes daseiend (dinglich) und ätmanlos wäre" x). Das absolute Brahman ist nicht Objekt von Erfahrung, d. h. ist prinzipiell nicht für ein anderes Subjekt objektivierbar: „This universal seif by its very nature cannot be perceived as !§ankara puts it. The witness self illumines consciousness, but never itself is in consiousness. It is not a datum of experience, not an object, though all objects are for it" 2). Die soeben berührte Idee der „Aufbildung", womit die fälschliche Attributierung des reinen Seins gemeint war, wird in charakteristischer Weise von Radhakrishnan erläutert: „Each man is in essence the supreme reality, unchanging and unmodified and partless, and yet we speak of the rise and growth of the soul. For when the adjuncts are produced or dissolved, the self is aid to be produced or dissolved. The limiting adjuncts give individuality to the different souls of the World. They determine the nature of the body, the caste of the jiva, the duration of life etc. The souls are different on account of these adjuncts, and there is no confusion of actions . . . Even if the individual soul is regarded as an äbhäsa or reflection only, like that of the sun in water, the individuality ist no prejudiced" 3). Und Rudolf Otto interpretiert die Idee der Aufbildung bei Sankara mit folgenden Worten: „Unsere Seele aber, der ,inwendige ätman', ist nichts anderes als dies eine, 1) Rämänuja, Siddhänta, S. 39 f. 2) Radhakrishnan, Indian Philos., II. S. 158. 3) Ebenda II. S. 600 f.

1. Dae reine Sein

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einzige, ewige, Wandellose, bestimmungslose Brahman selbst. Durch die rätselhafte Macht der Mäyä aber entsteht in ihr die , Avidyä', das Nichtwissen (besser: Falschwissen). Durch sie wird dem einen Seienden die Vielheit der Welt trüglich ,aufgebildet' (adhyäropa). So schaut die Seele das Seiende, das doch nur eines ist, als Welt, als Mannigfaltiges, als viele Einzeldinge (prapanca) an, und schaut sich selbst als E i n z e l s e e l e , verstrickt in den ,samsära'." Und Deussen weist hin auf die hemmende Kraft der avidyä, die diese fälschliche Beilegung bewirkt: „Es ist . . . nur die avidyä, das Nichtwissen, welches dem höchsten ätman die U p ä d h i ' s (manas, Indriya's etc.) aufbürdet und ihn dadurch als individuellen ätman anschaut. Somit hat die ganze individuelle Seele als solche keine Realität" 2). — Doch hier geraten wir vom ontologischen Gebiet bereits in die Sphäre der Soteriologie, von der später (S. 45) zu handeln ist. Interessant ist in diesem Zusammenhange der Hinweis darauf, daß auch im I s l a m dieser strenge Monismus bekannt ist, der nicht zuläßt, zu sagen: ich kenne Gott, denn damit Wäre eine Zweiheit zugestanden, d. h. eine Realität neben Gott, dem allein Realen 3). Auch daß die Vielheit nur scheinbar sei und das Individuum durch Einführung und Abzeichnung von Grenzen an der göttlichen Substanz entstehe, ist im Islam eine gültige Anschauung 4). 2. Wie aber steht es mit dem metaphysischen Hintergrunde da, wo weder Seele noch Ich als real anerkannt werden ? Die allgemein übliche Ansicht ist die, daß solch ein metaphysischer Hintergrund nicht existiert. Suzuki selbst äußert sich in demselben Sinne über das in Rede stehende Problem: ,,If individual existences are due to relations obtaining between diverse forces, which act sometimes in unison with and sometimes in opposition to one another as predetermined by their karma, they cannot be said to have any transcendental 1) R. Otto, West-Östl. Mystik, Gotha 1926, S. 7. 2) Deussen, Allg. Gesch. I, 2. S. 231 f. 3) Goldziher, Vorlesungen über den Islam, Heidelberg 1925, S. 163. 4) Horten, Philos. d. Islam, S. 166. Μ en β c hing, Metaphysik. 3

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

agency behind them, which is a permanent unity and absolute dictator. In other words, there is no ätman or ego-soul behind our mental activities, and no thing-in-itself (svabhäva), so to speak, behind each particular form of existence. This is called the Buddhist theory of non-ätman or non-ego" 1). Das ist vollkommener Nihilismus. Diese Ansicht stimmt durchaus überein mit derjenigen der meisten abendländischen Forscher, die der Meinung sind, der Buddhismus sei im Grunde keine Religion, sondern eine atheistische Weltanschauung, da er ja auch keine Gottesidee kenne. Schon die geniale Einfühlungsgabe Oldenbergs hat, wie aus dem oben (S. 27) zitierten Worte hervorgeht, geahnt, daß der nihilistische Aspekt des Buddhismus unmöglich die letzte Wahrheit über den Buddhismus sein könne. In 0. Rosenbergs bedeutender Arbeit 2) liegt nun der klare Beweis vor, daß — wie a priori zu erwarten — tatsächlich ein transcendenter Hintergrund der empirischen Persönlichkeit stets (auch im Hinayäna schon) geglaubt wurde. Es handelt sich um die oben (S. 26) bereits gestreifte Dharmatheorie, die wir an dieser Stelle auf Grund der Rosenbergschen Forschungen in ihren Wesentlichen Grundintuitionen entwickeln. a) Die in Rede stehende Frage nach dem metaphysischen Hintergrunde der individuellen P e r s ö n l i c h k e i t wird von Rosenberg also gestellt und bejaht: „Er (der Buddhismus) verneint das ,Ich' der ersten Person; er verneint auch das ,Ich' der anderen Menschen. Das alles ist Illusion. Verneint er aber auch die Realität des Absoluten? Nein, er verneint sie nicht, aber er hält das Absolute für unerkennbar, ,geheimnisvoll'." 3) „Die anderen Menschen, die ich sehe, sind auch Illusionen, aber der Buddhismus gibt zu, daß hinter ihnen ein ebensolcher Wirbel von Elementen verborgen ist, wie derjenige, welcher mich und meine Welt hervorbringt" 4). Die Frage ist nun: was ist dieser Hintergrund ? 1) Suzuki, Outlines . . ., S. 143. 2) O. Rosenberg, Die Probleme der buddhistischen Philosophie, Heidelberg 1924. 3) Ebenda S. 70. 4) Ebenda S. 71.

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1. Das reine Sein

b) Hier taucht der Begriff „dharma" auf. Dieser Terminus hat eine Fülle von Bedeutungen, von denen die allgemein bekannte „Lehre" Buddhas keineswegs die wichtigste ist. Daneben heißt „dharma": Eigenschaft, substantieller Träger, transcendentes Substrat des einzelnen Elementes des bewußten Lebens, das Absolute u. a. Interessant und wichtig ist, daß dharma par excellence auch mit dem Nirväna identisch sein kann1). c) Jene das bewußte und individuelle „Seelen"leben konstituierenden Elemente werden von „Trägern" (dharma) transcendenter Art getragen. Die individuelle Person ist als Wirbel von Elementen lediglich die Punktion jener unerkennbaren, substantiellen „Träger" (dharma) 2). Rosenberg definiert so: „dharma heißen die wahrhaft-realen transcendenten, unerkennbaren Träger oder Substrate derjenigen Elemente, in Welche der BeWußtseinstrom mit seinem Inhalt zerlegt wird" 3). d) Was ist demnach die empirische Persönlichkeit ? Eine Periode des absoluten Seins: „Das irdische, zeitliche Leben der Persönlichkeit ist nur eine der unzähligen kurzen Perioden, welche die jeder Persönlichkeit und deren Welt zugrunde liegende, absolute Unterlage erlebt" 4). e) „Seele" darf dieses jeder Persönlichkeit zugrunde liegende Absolute nicht genannt werden, es zeigt sich aber, daß auch im Buddhismus das Individuum transparent ist (auf eigentümliche Weise) gegen ein impersonales und absolutes Sein. Wir werden aus dieser Erkenntnis später (S. 79) die Konsequenz zu ziehen haben. Hier gilt es jetzt nur noch festzustellen, wie denn eigentlich das, was man als samsära zu bezeichnen pflegt, im Buddhismus möglich sei. f) Ohne diese Dharma-Theorie ist diese Frage nicht zu lösen und faktisch nie gelöst worden. Denn einerseits gab es außer den Elementenkombinationen keine selbständige Größe, 1) Rosenberg a. a. O. S. 83. 2) Ebenda, S. 72. 3) Ebenda S. 10]. 4) Ebenda S. 73. 3*

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

und doch sollte ein Wandern durch viele Existenzen möglich sein. Was aber bleibt denn dabei in sich identisch ? Darauf antwortet die Dharma-Theorie: das in momentanen Elementkombinationen in die Erscheinung tretende Einzelwesen ist im Absoluten ebenfalls eine Kombination jener dharma, ein d h a r m a - K o m p l e x . So sind die einzelnen Leben des konkreten Individuums im metaphysischen Sinne verbunden durch „die Einheit des individuellen wahrhaft seienden Substrates, das ihre Grundlage darstellt" 1 ). Dieser dharmaKomplex aber löst sich zu bestimmter Stunde auf, wenn nämlich das Absolute sich beruhigt und — die Erlösung in völliger Ruhe der bewegten dharma eintritt. Davon ist genauer im Abschnitt über das Ich im Vollzüge der Erlösung (S. 45) zu reden. 2. Die i m m a n e n t e K r a f t Die Frage nach dem Hintergrunde führt uns nunmehr auf eine Form, die mit jenen im vorigen Paragraphen besprochenen nicht selten zusammen geht. Jener Hintergrund des transzendenten reinen Seins erscheint im empirischen Einzelwesen als immanente Kraft, Wobei das Wesentliche dies ist, daß ganz deutlich diese numinos andere impersonale Kraft von den übrigen Funktionen und Kräften des Individuums unterschieden wird. Aus diesem Grunde muß hier noch gesondert davon gehandelt Werden. 1. Bemerkenswert ist zunächst, daß das „unbegrenzte Selbst" ( = ätman) ganz deutlich als prinzipiell verschieden aufgefaßt wird. So macht Radhakrishnan darauf aufmerksam, daß das Unbegrenzte nicht das Nichtbegrenzte ist, also nicht in derselben Ebene der Dinge liegt, aber doch ihre Grundlage bildet: „The true infinite self is not the self which is simply not finite. It is none of the limited things, but yet the basis of all of them. It is the universal self, which is immanent as well as transcendent. The whole universe lives and breathes in it" 2). In der Tiefe der Persönlichkeit also liegt jene geheimnisvolle 1) Ebenda S. 241.

2) Radhakrishnan, Indian Philos., S. 157.

2. Die immanente Kraft

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Kraft, die transzendent und immanent zugleich ist: „Es ist deine Seele, der innere Lenker, der unsterbliche. — Was von ihm verschieden, das ist leidvoll" 1). Diese Kraft ist der innere Lenker (antaryämin), aber darum doch i m p e r s o n a l e r Art: „It is the blazing light, that burns in the deeps of personality, the universal äkäsa from which all creatures proceed, (Chänd. I, 9,1) the vital principle of creation (Chänd. 1,11,5), the subject in which the entire world moves trembling. (Katha VI, 1) There is nothing outside it. It contains all consciousness of objects implicity" 2). 2. In immer neuen Wendungen wird dieses geheimnisvolle Z u g l e i c h s e i n v o n T r a n s z e n d e n z u n d I m m a n e n z hervorgehoben, Wenn es ζ. B. in der Chändogya-Upanisad heißt: „Der Allwirkende, Allwünschende, Allriechende, Allschmekkende, das All Umfassende, Schweigende, Unbekümmerte, dieser ist meine Seele i m i n n e r n H e r z e n , dieser ist das B r a h m a n , zu ihm werde ich, von hier abscheidend, eingehen" 3). Oder: Brhad-Äranyaka-Upanisad heißt es: „ J a dieser große ungeborene Ätman ist derselbe, welcher unter den Lebenshauchen (Organen) der nur aus Erkennen bestehende ist. In dem Raum, der im Herzen ist, in diesem ruht er, der Gebieter des Alls, der Herr des A l l s . . . Er wird weder durch gutes Werk mehr, noch durch ungutes Werk weniger" 4). — 3. Ein weiteres Charakteristikum dieser impersonalen Größe ist die Tatsache der Unberührbarkeit von empirischen Bedingungen: „Dieser Purusa kann nicht von dir geschaut werden, ο Bester, noch auch von mir oder von andern, sofern sie gunahaft sind. Nur vom G u n a f r e i e n kann der Allbefassende mit dem Auge der Erkenntnis geschaut werden. Körperlos wohnt er in allen Körpern, und obgleich er in den Körpern Wohnt, wird er doch nicht durch die Werke befleckt. Er ist meine innere Seele und die deine und aller, die das Merkmal der Körperlichkeit an sich tragen . . ." 5) 1) Brh. III, 7, 23. 2) Radhakrishnan, Ind. Philos., S. 157 f. 3) Chänd.-Up. III, 14,4. 4) Brh.-Ar.-Up. 4 , 4 , 2 2 . Geldner S. 130f. 5) Deussen, Allg. Gesch. I, 3 . S . 29.

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

4. Zu diesen Bestimmungen gibt es auch sonst Analoga. Sehr interessant istz. B. was Meister Eckhart über die Kraft schreibt, die in der Seele ist und von allen empirischen Bedingungen (Zeit und Fleisch) nicht berührt wird: „Ich hän ouch me gesprochen, daz ein Kraft in der sele ist, din berüeret niht zit noch fleisch, si fliuzet uz dem geiste unde belibet in dem geiste und ist zemäle geistlich. In dine Kraft ist got alzemäle grüenende unde blüende in aller der fröide und in aller ere, daz er in im selber ist"1). Diese Kraft ist, wie ersichtlich, das göttliche Sein im Menschen, mit dem in Kontakt zu stehen für den Menschen sogar das Altern hindern würde: „Were der geist allezit gote vereinet in dine Kraft, der mensche enmöhte niht alten" 2). Es mag bei diesem Worte an die von Buddha aufgezeigte Verbindung von innerer religiöser Erkenntnis ( = Kontaktgewinn mit dem Absoluten) und den körperlichen Symptomen der Kontaktlosigkeit (Alter, Krankheit, Tod) erinnert werden. 5. Auch i m T a o i s m u s Chinas ist diese Idee anzutreffen: die Wirkung des Impersonalen durch das Medium der nicht autarkischen, sondern zurücktretenden Person: „Der Himmel ist ewig und die Erde dauernd. Der Grund, Warum der Himmel und die Erde ewig und dauernd zu sein vermögen, ist, weil sie sich nicht selber leben; darum vermögen sie ewig zu leben. Darum auch setzt der Heilige seine Person hintan, und doch tritt seine Person hervor; er entäußert sich seines Selbst, und doch bleibt ihm sein Selbst erhalten. Ist es nicht deswegen, weil er nichts für sich will ? Deswegen vermag er sein Eigenes zu vollenden" 8). Wo das Ich zurücktritt wirkt das impersonale Tao unmittelbar, denn das Hervortreten des persönlichen Ich ist Hinderungsgrund des Unmittelbaren 4). 1) Eckhart, Predigten, hrsg. Pfeiffer, Leipzig 1857, S. 44. 2) Ebenda S. 44. 3) Laotse, Tao-te-king 7. Schmitt S. 90. 4) Vgl. auch die Idee der immanenten Kraft in folg. Textwort Tschuang-tzes: „Im Uranfang war das Nichts, und in dem N i c h t s war das N a m e n l o s e (d. Tao), aus dem das All entstand. Als das All da war, hatte es noch keine Gestalt. Das, wodurch die Wesen die

3. Der persönliche Gott

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3. D e r p e r s ö n l i c h e G o t t Auf der Suche nach dem metaphysischen Hintergrunde des empirischen Ich begegnet uns notwendig auch der p e r s ö n l i c h e Gott. Es ist ohne weiteres deutlich, daß uns das Problem der Persönlichkeit Gottes hier nur soweit interessiert, als vom I c h aus eine metaphysische Beziehung zum persönlichen Gott besteht. Auch das bedarf noch der Einschränkung: nicht jede mögliche Beziehung von Ich und persönlichem Gott kommt hier in Frage, die Heilsbeziehung ζ. B. nicht, sondern allein die kreatürliche, ontologische. Als charakteristischstes Beispiel ist hier das Christentum zu nennen, dessen Glaube an ein empirisches Ich uns bereits oben (S. 7) begegnete. 1. Zunächst muß die grundlegende Tatsache festgestellt werden, daß jener metaphysische Hintergrund, dessen Art und Relationsweise zum Ich noch festgestellt werden wird, das „Ganz Andere" allem empirisch Seienden gegenüber darstellt. Augustin hat das in treffender Formulierung so ausgedrückt: „vidi. . . supra oculum a n i m a e m e a e , supra mentem meam . . . a l i u d , a l i u d v a l d e a b i s t i s o m n i b u s " 1 ) . Dieses Wort ist in mehrfacher Hinsicht interessant. Einerseits ist der metaphysische Hintergrund vom Ich ( = Seele und Geist) aus als „ s u p r a " animam und supra mentem liegend bezeichnet. Also ein prinzipiell Anderes wie die folgenden Worte beweisen. Diese Worte aber sind eine interessante entgegengesetzte Parallele zu dem indischen Worte: idam sarvam yadayamätmä = „Alles d i e s e s ist, was dieser ätman ist" 2). Hier wird ebenfalls auf „dieses alles" hingewiesen, aber im Sinne wesensmäßiger I d e n t i t ä t mit dem numinos Transzendenten. 2. Das ist indessen nur die eine Seite der Beziehung zum Möglichkeit ihres Entstehens erlangen, das nennt man die Kraft (te des tao). Im Gestaltlosen entstand durch sie eine T r e n n u n g (in Yang und Yin) und weil diese ohne Unterbrechung fortdauert, so nennt man sie Leben (ming). Yang und Yin verharren in Bewegung und erzeugen dadurch alle die Wesen." Tschuang-tze cap. 12. Schmitt S. 87. 1) Augustin, Conf. VII, 16. 2) Brh. 4, 5, 7.

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

Transzendenten, dieser absolute Gegensatz, der, wie schon hier bemerkt sei, die U n h e i l s s i t u a t i o n des Menschen von heute, des konkreten Menschen, kennzeichnet. Daneben findet sich das Bewußtsein des Menschen „ex deo et ad deum" zu sein, um wieder mit Augustin zu reden. Die menschliche empirische Wirklichkeit ist zweispaltig im Aspekt des Christentums. Zwei verschiedene Arten von Wirklichkeit begegnen sich im Ich des Menschen: auf der einen Seite die natürliche, im zeiträumlichen Sinne existierende, Wirklichkeit, auf der anderen Seite die geistige Wirklichkeit, die Träger des Absoluten werden kann, die ,,zu Gott" (Rö. 11, 36) ist. Hierher gehört die alte dogmatische Idee der Gott es e b e n b i l d l i c h k e i t . Die Quelle dieser Vorstellung ist Genesis 1, 26. Gott schafft den Menschen nach seinem Bilde und haucht ihm den göttlichen Odem ein. Damit ist gesagt, daß die Seele des Menschen nicht nur als vollkommenste Organisation im Bereich der Naturdinge zu betrachten ist, sondern, daß im Menschen ein qualitativer Unterschied zur sonstigen Natur vorliegt auf Grund des direkten „afflatus" Gottes *). Eine ursprüngliche Verwandtschaft der Seele mit Gott ist damit ausgedrückt. Die Dogmatik hat aus dieser Idee, da sie ja natürlich im Hinblick auf die sündhafte Wirklichkeit des Menschenlebens Schwierigkeiten machte, das Dogma von imago oder similitudo dei gemacht, wobei unter beiden in der altprotestantischen Dogmatik verstanden wurde: ein Zustand vollkommener Erkenntnis, heiligen Willens und reiner Triebe und der körperliche Vorzug der Todes- und Leidensfreiheit 2). Dem gegenüber stellt sich die moderne evangelische Glaubenslehre auf den Standpunkt, von der Überlieferung ausscheiden zu müssen, was nicht in lebendigem Glauben begründet ist: ,, »Ursprünglich* ist die Gottesebenbildlichkeit des Menschen nicht im zeitlichen Sinn, sondern in dem der wesenhaften G o t t b e z o g e n h e i t , die in seiner Geistigkeit zum Ausdruck kommt. Sie blitzt durch alle sündige Ver1) Vgl. E.Seifert, Mensch und Charakter, München 1931, S. 29. 2) Vgl. H. Stephan, Glaubenslehre, Gießen 1928, S. 139.

3. Der persönliche Gott

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kehiung des Menschen hindurch und ermöglicht erst das Werk des Heils" *). Damit sind wir wieder bei unserem Thema angekommen: der metaphysische Hintergrund wird durch die w e s e n h a f t e G o t t e s b e z o g e n h e i t gewittert. Der Hintergrund selbst aber ist im Christentum natürlich der persönliche Gott. 3. Es bedarf keiner ausführlichen Darlegungen, um diese Tatsache zu beweisen. Daß Gott persönlich vorgestellt wurde und wird, bereits im A.T. und ebenso im N.T., daß die persönlichste Prädizierung Gottes die des V a t e r s unser aller (Matth. 6, 9ff.) ist, ist zu bekannt, als daß hier weitere Belege erforderlich wären. Eine genauere dogmengeschichtliche Entwicklung der Grottesidee im Christentum zu geben, liegt völlig außerhalb unseres Themas. 4. Wir haben lediglich noch auf ein anderes christliches Motiv in jenem metaphysischen Hintergrund, also in Gott, aufmerksam zu machen, das die personalistische Grundeinstellung noch von einer anderen Seite beleuchtet: die praed e s t i n a t i o . Ausgehend von Paulus, wo beide Motive, das der Erwählung zum Heil und das der Irrationalität dieser Erwählung (Rö. 8, 28ff.; 1. Kor. 4, 7; Phil. 2, 13 usw. und Rö. 9 —11) zusammen den Prädestinationsgedanken ausmachen, wird die Idee dann vor allem bei A u g u s t i n dominierend in seiner Lehre von der ,gemina praedestinatio'. Die Reformatoren haben teils sehr ausdrücklich (Calvin, Zwingli), teils (Luther) mit gewisser Zurückhaltung die Idee der praedestinatio in ihrer Lehre behandelt. Calvins Definition ist charakteristisch: die praedestinatio ist „aeternum dei decretum, quod apud se constitutum habuit, quid de unoquoque homine fieri vellet . . . aliis vita aeterna aliis damnatio aeterna praeordinatur." Was uns hier an der Idee interessiert, ist in diesem Worte mit ,,de un ο quo que homine" ausgedrückt: die Prädestination setzt eine konkrete I n d i v i d u a l i t ä t voraus, die konkreter Träger einer göttlichen ganz konkreten B e s c h l u ß 1) Vgl. H. Stephan, Glaubenslehre, S. 141.

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

f a Θ sung sogar vor aller Zeit und Träger einer vita a e t e r n a oder damnatio a e t e r n a ist. Schärfer kann der Glaube an die das ganze Sein des Menschen erfassende personale Struktur nicht formuliert werden. Wenn wir von hier aus zurückblicken auf jene früheren impersonalen Formen, so wird der tiefe Gegensatz zum Christentum vollkommen deutlich. Dort die teils überhaupt illusionäre, teils reale personale Gestaltung eines an sich und in letzte Wesenstiefe impersonalen absoluten Seins — hier eine in die Tiefen der menschlichen Existenz reichende „von Ewigkeit zu Ewigkeit" fundierte ichhafte, personale Seinsstruktur. 4. Der m e t a p h y s i s c h e Ursprung Wir haben nun noch die Aufgabe den Augenblick zu beobachten, da diese konkrete, ichhafte Individualität e n t steht. Auch dabei sind an charakteristischen Beispielen die typischen „Möglichkeiten" zu studieren. 1. Entsprechend der in der brahmanischen Welt herrschenden Gesamteinstellung wird hier von „Verwirrung" des ätman gesprochen. Die Frage, um die es sich dabei handelt, wird von Deussen treffend so formuliert: „Aber wenn die individuelle Seele neben der höchsten ein bloßer Schein ist, wie kommt die ewig erlöste, selige höchste Seele dazu, diesen Schein anzunehmen und als individuelle Seele, abgeirrt von ihrer wahren Wesenheit, gebunden zu werden, zu wandern und zu leiden ?" x) Die Antworten sind sehr unbestimmt. Wie gesagt, eine häufig auftauchende Idee ist die der Verwirrung oder Vergewaltigung durch die guna's (Qualitäten). So heißt es in der Maiträyana-Upanisad: „Nun durch diese Überwältigung gerät er in eine Verwirrung, erkennt er den in ihm stehenden hehren, heiligen Schöpfer nicht und . . . in den Wahn (das Ichbewußtsein) verfallend wähnt er: ich bin dieser, mein ist dieses und bindet sich selbst durch sich 1) Deussen, Allg. Gesch. I, 2. S. 236.

4. Der metaphysische Ursprung

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selbst" x) (nibadhnäti ätmanä ätmänam). In der Gitä findet derselbe Gedanke folgenden Ausdruck: „Verwirrt durch alles dieses Sein in der drei Qualitäten Reich, erkennt die Welt es nicht, daß ich höher und unvergänglich bin. Mein göttlich Scheinbild (mäyä) dieser Welt, darüber kommt man schwer hinweg, doch wer mir selbst sich wendet zu, der zwinget dieses Zauberbild" 2). Von dieser Perspektive aus ist die feinsinnige Beobachtung Zimmers von Interesse, die jene Idee der Vergewaltigung verständlich macht: „Vom unmittelbar Wirklichen aus, das seiner selbst inne ist, sind Gestalt und Name etwas Ungeheuerliches, Vergewaltigendes, das da ist, denn es übt Gewalt, — aber eigentlich ist es nichts. So ist „abhava" auch eine Beziehung für das unfaßbar Wesenlose, aber überwältigende Dunkel der Nacht" 3). 2. Eine andere Form ist das ,,E i η g e h e n" in das „sarvam idam", die in der Brhadäranyaka-Upanisad sich findet: „Dieses (All) war damals noch ungeschieden, es schied sich nach Namen und Gestalt: so und so heißt er, die und die Gestalt hat er . . . Er (der ätman als Weltseele und Einzelseele) ging in dieses ein bis in die Nagelspitzen. Wie wenn ein Schermesser im Futteral steckt, oder das Feuer in dem Feuergehäuse, so sieht man ihn nicht, denn er ist nicht der Ganze. Atmend heißt er Atem, sprechend Rede, sehend Auge, hörend Ohr, denkend Verstand. Das sind alles nur Namen für die Tätigkeit. Wer davon nur das eine oder das andere sich vorstellt, der kennt (ihn) nicht . . . Nur als ätman soll man sich ihn vorstellen, denn in diesem werden alle jene zur Einheit" 4). 3. An anderer Stelle wird der Prozeß der Individuation vom Absoluten aus anschaulich durch das Bild von den aus dem Feuer entspringenden Funken illustriert, wodurch das Verhältnis des Individuierten zum Absoluten zugleich ebenfalls gut charakterisiert wird: „Gleichwie die Spinne durch den 1) Maiträyana-Up. 3, 2. Deussen S. 323. 2) Gitä VII, 13. 14. 3) Zimmer, Ewiges Indien, Potsdam u. Zürich 1930, S. 99. 4) Brhadäranyaka-Up. 1, 4, 7. Geldner S. 137.

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II. Der metaphysische Hintergrund des Ich

Faden aus sich herausgeht, wie aus dem Feuer die winzigen Fünklein entspringend, also auch entspringen aus diesem ätman alle Lebensgeister, alle Welten, alle Götter, alle Wesen. — Sein Geheimnisname (upanisad) ist: ,die Realität der Realität', nämlich die Lebensgeister sind die Realität, und er ist ihre Realität" 1 ). An dieser Stelle begegnen wir der bekannten Formel satyasya sat yam „Realität der Realität", die R e a l i t ä t des empirisch Realen ist das Absolute. 4. Wieder eine andere Form der Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der Individualität wird in den Stellen gegeben, die von dem Willen des Absoluten zu erscheinen oder eine P e r s ö n l i c h k e i t zu w e r d e n reden, so ζ. B. Öatapatabrahmäna: „Diese Welt war nämlich im Anfang sozusagen weder nichtseiend noch seiend: sie war nämlich im Anfang gewissermaßen und sie war gewissermaßen auch nicht: sie war nur Denken . . . " „Dieses Denken Wünschte als etwas Erschaffenes in die Erscheinung zu treten, als etwas mehr Ausgesprochenes, Konkretes, es wünschte sich eine P e r s ö n l i c h k e i t (ätman)" 2). — Und an anderer Stelle: „Im Anfang war hier (in der Welt) gar nichts. In Tod war dieses (All) gehüllt, in Hunger, denn Tod ist Hunger. Es beschloß: ich will einer werden, der eine Persönlichkeit besitzt. Er legte sich aufs Beten, und als er also betete, entstanden die Wasser . . ." 3) oder Taittiriya-Upanisad heißt es: „Diese Welt war nämlich im Anfang nichtseiend, daraus entstand das Seiende. Dieses machte sich selbst zu einer Persönlichkeit (ätman), darum heißt es ,wohlgemacht' (asadvä idamagra äsit tato vai sadajäyata, tadätmänam svayamakuruta" *). 5. Weiterhin ist die Idee der E m a n a t i o n zu nennen, die ja vielfach in der Religionswelt bei naturhafter Färbung des Verhältnisses und natürlich auch in Indien zu finden ist: „Die Welt War im Anfang Wasser, die Wasser emanierten die 1) 2) 3) 4)

Brh. II, 1, 20. Deussen S. 411. Öatapatabrahmäna 10, 5, 3, 1. 2. Geldner, Vedismus usw., S. 89. Öatapatabrahmäna 10, 6, 5, 1. Geldner S. 91. Taitt.-Up. 2, 7. Geldner S. 89.

4. Der metaphysische Ursprung

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Wahrheit, die Wahrheit dag Brahman, das Brahman den Prajäpati, Prajäpati die Götter." (äpah satyam asrjanta: von srj = aus sich entlassen)x). 6. Für die oben erörterte buddhistische Vorstellung vom Individuellen muß noch einmal auf die eigentümliche Idee der metaphysischen Unruhe hingewiesen werden, der das individuelle Sein ihr Entstehen verdankt. Wir werden später (S. 75) noch darauf zurückkommen und verzeichnen hier nur die Idee der Vollständigkeit halber. 7. Endlich ist die Idee des bewußten E r s c h a f f e n s zu nennen, die natürlich den personalen Schöpfer voraussetzt. Wollen wir hier wieder aus der christlichen Gedankenwelt das Beispiel wählen, so ist das alttestamentliche Gleichnis vom Töpfer und Ton (Jes. 45, 9), von Paulus aufgenommen (Rö. 9, 20ff.), ein unentbehrliches Element christlichen Glaubens. In unserem Zusammenhange aber ist daran vor allem zu denken, daß zum Wesen christlichen Lebensgefühls das Bewußtsein gehört, das von Luther in die Worte gekleidet ist: „ich glaube, daß mich Gott geschaffen hat." Die individuelle konkrete Person ist Objekt der Schöpfungsabsicht Gottes. — Nur beiläufig sei bemerkt, daß in der vielgestaltigen Vorstellungswelt Indiens natürlich auch die Idee des Schöpfers und der Schöpfung neben jenen oben erörterten Ideen nicht fehlt. Scharbau hat darüber in einer gelehrten und aufschlußreichen Untersuchung gehandelt, auf die hier verwiesen sei 2). III. K a p i t e l

Das Ich im Vollzuge der Erlösung Der nächste Schritt, den unsere Untersuchung zu tun hat, ist die Frage nach den tieferen Gründen alles dessen, was als Phänomen uns bisher begegnet ist. Worauf, so ist zu fragen, 1) Br.-Ar.-Up. 5, 5,1. Geldner S. 91. 2) Scharbau, Die Idee der Schöpfung in der vedischen Literatur. Eine religionsgeschichtliche Untersuchung über den frühindischen Theismus. Stuttgart 1932.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

ruhen diese Anschauungen vom Ich und seiner Art ? Damit kommen wir zu unserem zentralen Anliegen: vom Ich und seiner Deutung und Bewertung aus dem Problem der Erlösung in der Religionsgeschichte näher zu kommen. 1. A l l g e m e i n e W e r t u n g i m p e r s o n a l e n p e r s o n a l e n Seins

und

Ehe wir die konkreten Probleme in Angriff nehmen, stellen wir voran einige Beispiele, die ein Bild der prinzipiellen Verschiedenheit der Bewertung impersonalen und personalen Seins geben. Wir stoßen hier also im Umkreis der Erlösung notwendig auf Wertungen. Hatten wir bisher uns im Gebiet o n t o l o g i s c h e r Feststellungen bewegt, so soll uns nun deutlich werden, daß diese Ontologie H e i l s o n t o l o g i e ist und daher auf primären Wertungen beruht, deren Motive und Argumente wir festzustellen haben. 1. Wir konstatieren, daß durch die Religionsgeschichte eine deutlich erkennbare Wertungsdifferenz hinsichtlich des personalen oder impersonalen Seins geht. Auf der einen Seite wird mit aller Entschiedenheit das neutrale und impersonale Sein höher gewertet als das konkret personale. Beispiele sind allenthalben zu finden. Laotze ζ. B. unterscheidet wertend ganz deutlich das neutrale Sein des Tao von dem personalen Sein Gottes: „Ich weiß nicht, wessen Sohn er ( = der „Sinn" = Tao) ist, Er scheint früher zu sein als der „Herr" 1 ). Dieselbe Idee treffen wir bei Eckhart an: Gott ist gewissermaßen das Korrelat zur individuellen Kreatur. Während die neutrale G o t t h e i t darüber steht: „Als ich aus Gott heraustrat (nämlich in die Vielheit) da sprachen alle Dinge: ,Es gibt einen G o t t ' . Nun kann mich das nicht selig machen, denn hierbei fasse ich mich als Kreatur. Aber in dem Durchbruche da bin ich mehr als alle Kreaturen, da bin ich weder Gott noch Kreatur : ich bin das, was ich war und was ich bleiben werde jetzt und immerdar . . . Da nehme ich weder ab noch zu. Denn 1) Laotse, Tao-te-king. Kap. 4. Wilhelm. Jena 1923,

8.6.

1. Allgemeine Wertung impersonalen und personalen Seins

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ich bin da ein Unbewegliches, welches alle Dinge bewegt. Hier hat der Mensch wieder errungen, was er ewiglich gewesen ist und immer bleiben wird" 1). Gott ist Schöpfer der mannigfaltigen Dinge in der zeiträumlichen Welt, also wirkender Schöpferwille, der ja notwendig personal gebunden ist. Höher aber steht das Eine ( = ekam) 2), das frei von allem bewußten Wirken ist: „Nie hat die G o t t h e i t dies oder das gewirkt, sondern erst Gott schafft alle Dinge. Wo Gott Schöpfer ist, da ist er mannigfaltig und erkennt Mannigfaltigkeit. Wo er aber Eines ist, da ist er alles Wirkens frei und ledig und erkennt in solchem Einssein auch weiter nichts, als was er überwirklich in sich selber ist" 3). Dasselbe ist hinsichtlich des Menschen von Eckhart als Ideal aufgestellt, wenn er die Erhebung über die konkrete Differenziertheit von Kräften des bewußt personalen Lebens fordert: ,,. . . du solt mit umbekümberten sinnen dich erswingen über dich selber und über alle dine Krefte . . . in die verborgene stille dunsternisse, üf daz dü komest in ein bekenntnisse des unbekannten übergotten gotes" 4). Und auch der Gedanke darf in diesem Zusammenhange erwähnt werden, daß das personale Leben in der empirischen Welt sich zerspalten hat in eine Fülle bewußter Funktionen. Demgegenüber gilt es zum unbewußten Beisichsein der Seele zurückzufinden: ,,Nü het sich din sele üzeWendic zerspreitet mit den kreften unde zerströuwet, ieclichin in ir were: din kraft der sehe in daz ouge, din kraft der gehoerde in daz ore, din kraft des smeckens in die zungen, und alsus sint ir Were deste krenker indewendic ze wirkenne: wan ein ieclichin zerspreitetin kraft ist unvollekomen. Her umbe, wil si indewendic kreftecliche wirken, so muoz si wider heim ruofen allen iren kreften unde sie samenen von allen ezrspreiten dingen in ein inneWendic würken" 5). 1) Eckhart hrsg. v. Büttner II, 176. 2) Ebenso steht brahman über iävara. — Vgl. B. Otto, West-Östl. Mystik, S. 19. 3) H. Büttner, Meister Eckharts Schriften und Predigten aus dem Mittelhochdeutschen übers. 2. Ausg. Jena 1912, II S. 194. 4) Eckhart hrsg. v. Pfeiffer S. 8. 5) Ebenda S. 13.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

2. Dieser Höherwertung des neutral Impersonalen steht die entgegengesetzte Wertung des personalen Seins gegenüber. Diese Idee läßt sich am eindeutigsten belegen durch die christliche Vorstellung von der „Menschwerdung" Christi. Wenn es (Joh. 1, 14) heißt: ό λόγος σαρξ έγένετο, so ist hier doch in aller Klarheit die Prävalenz des menschlichen PersonSeins vor aller neutralen Seinsweise ausgesprochen; denn hier eröffnet sich die Fülle der Gottheit in dem konkreten und individuellen Menschen, wobei das Menschsein geradezu eine wesentlichste Bedingung möglicher Tiefenoffenbarung Gottes ist. Gerade durch den Eintritt Gottes in die konkrete Geschichte nicht als impersonale Macht, sondern als persönlicher Mensch hat sich die spezifische Heilsabsicht Gottes kundgetan. Und auf dem Wege über dies personale Sein findet der Christ den Weg zum Vater. Um den G e g e n s a t z zu dieser Grundeinstellung hervorzuheben sei hier an ein Wort Christi bei Seuse erinnert: „Du sollst den Durchbruch nehmen durch meine leidende Menschheit, willst du Wahrlich kommen zu meiner bloßen Gottheit" 1). Hier ist also die Höherwertung der impersonalen und somit überhistorischen Gottheit gegenüber der individuell konkreten Erscheinung Christi in der Geschichte deutlich ausgesprochen. Nachdem wir diese allgemeine Wertungsdifferenz konstatiert haben, fragen wir nun nach den inneren Gründen, auf denen diese Wertungen ruhen. 2. „Egoismus" als U n h e i l Wenn wir in der Überschrift dieses Abschnittes die Begriffe Egoismus und Unheil verwenden, so bedürfen beide Begriffe einleitend einer kurzen Definition. Insbesondere muß festgestellt werden, daß wir beWußt „Egoismus" in einem doppelten Sinne verwenden, und damit bereits auf das prinzipielle Resultat dieser unserer Untersuchung hinlenken: einerseits ist uns Egoismus der irrige Glaube an die Realität 1) Seuse, Deutsche Schriften hrsg. v. Bihlmeyer, Stuttgt. 1907, S. 34.

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2. „Egoismus" als Unheil

des Ich im empirischen Sinne, andererseits nehmen wir Egoismus in dem Sinne der Selbstbehauptung eben dieses empirischen Ich, an dessen Realität indessen nicht gezweifelt wird. Wenn wir nun auf beide Arten den Begriff „Unheil" anwenden, so soll damit die Situation der Unerlöstheit, also die Bewertung sub specie aeterni bezeichnet sein. I. „ E g o i s m u s " a l s i r r i g e r G l a u b e a n d i e ß e a l i t ä t des empirischen Ich

1. Der Glaube an die Realität des empirischen Ich ist uns in der Anschauung verschiedener Richtungen oben (S. 6 ff.) ausführlich begegnet. Die Erörterungen, die diesen Glauben erschüttern sollten, wurden oben mit Absicht nicht über die ontologische Sphäre hinausgeführt. Jetzt soll sich erweisen, daß wir es bei der Metaphysik des Ich ausschließlich mit Heilsmetaphysik zu tun haben. Denn nun eröffnen sich die tieferen, rein religiösen Gründe, aus denen jene metaphysischen Erörterungen entspringen, und von denen aus sie ihrem eigentlichen Sinne nach erst verstanden Werden. Unsere erste These in diesem neuen Problemkreis hat zu lauten: Ich und Heil sind unvereinbare Größen. Das bedeutet also, daß „Egoismus" im ersten Sinne mit Heil und Erlösung nicht zusammen existieren kann. Wir Werden später die Gründe zu erarbeiten haben, aus denen diese Position verständlich ist. Hier hören wir zunächst das Zeugnis Radhakrishnans: „It is not possible for us to support the doctrine of the plurality of souls, when we have no means of finding out, whether in the ultimate condition there is any basis of distinction. Salvation is inconsistent with a separate personality, that is throughout hampered by what is external and contingent and is bound up with the bodily organism and nature it self. The particularity of self opens the way to error and sin, and salvation means the abolition of this particularity" x). Wir sehen hier in aller Klarheit den Gedanken ausgesprochen, daß Erlösung mit separierter Personalität un1) Radhakrishnan, Indian Philos., II. S. 338. M e n s c h i n g , Metaphysik.

4

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III. Das Ich im Vollzüge der Erlösung

vereinbar sei. Bemerkenswert ist dabei noch die Behauptung, daß die Besonderheit des Selbst Irrtum und Sünde die Tür öffnet. Wir werden darauf später (S. 80) zurückkommen. Um indessen zu zeigen, daß diese Anschauung, wie es nach den vorwiegend aus dem indischen Religionsbereich genommenen Beispielen scheinen könnte, nicht auf Indien beschränkt ist, sondern n o t w e n d i g überall da auftaucht, wo bestimmte später (S. 82 ff.) zu erörternde Bedingungen gegeben sind, führen wir aus der Welt der i s l a m i s c h e n Mystik zwei Zeugnisse an die dieselbe Idee in dichterischer Form aussprechen. Es handelt sich um zwei Gedichte Hal-alläg's (f 922 n. Chr.), in denen die Aufhebung der Ich-Grenze im Zustand des Heils verkündet wird: „Bist du es oder bin ich es, diese Substanz in der Substanz ? Fern sei es, fern sei es, zwei zu behaupten! Du hast eine Wesenheit, die für immer in meinem Nichts ist. . . Wo ist deine Wesenheit getrennt von mir ? Wo ich sah, war meine Wesenheit aufgesaugt und zugrunde gegangen, so daß es kein Wo mehr gab, . . . Zwischen mir und dir ist ein ,Ich bin', das mich bekümmert; darum räume in deiner Güte das ,Ich bin' fort!" *) Und das andere Gedicht lautet: „Ich bin der, den ich (liebend) begehre, und der, den ich (liebend) begehre, ist ich; Wir sind zwei Geister, die (zusammen) in einem Körper Wohnen. Wenn man mich sieht, sieht man ihn; Wenn man ihn sieht, sieht man uns . . . Du bewohnst das Bewußtsein im Inneren meines Herzens, Wie die Geister die Körper bewohnen . . . Dein Geist hat sich mit meinem Geist gemischt wie sich Der Wein mit klarem Wasser mischt. Wenn etwas dich berührt, berührt es mich, Nun bist du ich in jeder Lage" 2). 2. Wir kommen zu einer zweiten Idee: das Ich ist stets 1) al-Hallägin Relig. Lesebuch „Der Islam" hrsg. v. Schacht. Tübingen 1931, S. 104 f. 2) al-Halläg in Relig. Lesebuch „Der Islam", S. 103 f.

2. „Egoismus" als Unheil

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Träger der Aktivität, des bewußten, zielsetzenden, tätigen Willens. So gehört die Tat zum Ich und solange das empirische Ich als Realität geglaubt, bzw. als illusionäre Wirklichkeit w i r k t , solange Werden T a t e n getan, Werke verrichtet, an denen das Ich hängt, die man für seine Taten hält usw. Von dieser Perspektive aus ist die eigentümliche Tendenz gewisser Religionsformen zur Ablehnung der T a t und des W e r k e s zu erklären. Und dabei ist zugleich etwas sehr Interessantes in bezug auf das Christentum festzustellen, das ja in einer bestimmten Hinsicht ebenfalls die „guten Werke" ablehnt. a) Auf der einen Seite stehen die Religionen, die, wie wir gesehen haben, das Ich in seinem empirischen Bestände leugnen. Hier wird die Tat als E x p o n e n t des I c h gewertet, wobei noch offen bleibt, inwiefern das Ich-Sein Unheil ist. Taten und Werke zeugen von der noch ungebrochenen W i r k s a m k e i t des empirischen Ich und sind daher S y m p t o m e des Unheils. In charakteristisch besonderer Form teilt die Bhagavadgitä diese Idee auf der Grundlage der SämkhyaPhilosophie ζ. B. „Die Taten kommen all zustand durch Eigenschaften der Natur (prakrteh gunaih); wen Selbstbewußtsein töricht macht, der denkt: Ich bin der Täter, ich" 1 ). Die Werke also sind Frucht der materiellen Welt und der ahankära bewirkt jene oben (S. 18) erörterte Verwechslung. Dasselbe sagt der Vers: „Nie kann man frei von allem Tun auch einen Augenblick nur sein; die in uns wohnende Natur zwingt jeden, irgendwas zu tun" 2 ). Der ätman, die numinose Größe, die entdeckt sein will, schafft keine Taten und Werke: „Nicht Täterschaft noch Taten auch schafft Er, der Herrscher dieser Welt" 3). Es ist also ganz deutlich, daß die gewöhnliche Tat, im natürlichen Sinne, d. h. mit innerer Anteilnahme verrichtet, Symptom des Unheils ist. Vom Frommen heißt es demgemäß: „Mit ihrem Leib, Sinn und Verstand, und mit den Sinnen ganz allein 1) Gitä, übers. L. v. Schröder, III, 27. 2) Ebenda III, 5. S. 17. 3) Ebenda V, 14. S. 28. 4*

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

Tun die Andächtigen jede Tat, ganz ohne Hang — um rein zu sein" 1). Dasselbe gilt natürlich auch für die spezifisch religiöse Tat, das Opfer. So lesen wir in der Gxtä nachdem eine Fülle von Opferarten vorgeführt sind: „karmajän viddhi tän sarvän" („sie alle wisse als tatentstanden" 2). Eben deswegen also sind auch die Opferwerke ichgeboren wie die allgemeinen Werke und daher ebenso Symptom des Unheils wie diese. So daß denn auch konsequenterweise der Gltätext fortfährt: „Besser als Opfer allen Gut's ist der Erkenntnis Opfer" 3). Aktivität also ist „leidvoll", denn sie ist Symptom der Unerlöstheit, weil sie das empirische Ich zum Träger hat. Auch von indischer Seite werden diese Zusammenhänge ähnlich gedeutet, ζ. B. von Radhakrishnan: „This empirical self is agent of all activities. If activity (kartrtva) were the essential nature of the soul, there would be no delivery from it . . . and as long as man has not freed himself from activity, he has faiked to attain h i s highest end, since activity is essentially painful. The activity of the soul depends only on the qualities of the upädhis being ascribed to it and not to its own nature" 4). Diese Abneigung gegen diese ich-geborene Tat des bewußten Willens tritt uns natürlich auch an anderen Punkten der Religionsgeschichte entgegen ζ. B. um nur ein Analogon noch zu nennen, wo die Sache dieselben Gründe hat: im Taoismus Chinas. Das neutrale Tao ist ohne Handeln: „Der Sinn (tao) ist ewig ohne Handeln 5) und nichts bleibt ungewirkt" e). Demzufolge empfiehlt Laotse das wu-wei, das N i c h t h a n d e l n , d. h. das organische und impersonale Reifenlassen des Lebens selbst ohne ichbezogene Akte bewußten Handelns: „Wer das Nichthandeln übt, sich mit Beschäftigungslosigkeit 1) Ebenda V, 11. S. 28. 2) Ebenda IV, 326. 3) Gitä IV, 33 a. 4) Badhakrishnan, Ind. Philos. II. S. 595 f. 5) Vgl. Övetäävatära-Up. 6,19: der ätman iat „ni^kriyam" ohne Handeln. 6) Laotse, Tao-te-king Kap. 37, übers. Wilhelm S. 39.

2. „Egoismus" ale Unheil

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b e s c h ä f t i g t , . . . der sieht das Große im Kleinen und das Viele im Wenigen" 1 ). b) Auf der anderen Seite steht ζ. B. das Christentum mit seiner Verurteilung des „guten Werkes". Obwohl wir erst unter I I von der entgegengesetzten Grundeinstellung sprechen, sei hier doch die völlig entgegengesetzte, obwohl äußerlich ähnliche, Idee des Werkes angedeutet. Hier nämlich wird das „gute Werk" „ante fidem" als Sünde abgelehnt, wenn Luther ζ. B. schreibt: „Tertium peccatum est actuale, quod est fructus originalis. Haec sunt iam propria peccata omnia scilicet opera, quae facimus, etiam iustitiae priores ante fidem" 2). Hier ist der Grund nicht etwa das Ich, das als Täter vorausgesetzt wird, denn post fidem werden durchaus Werke erwartet, sondern das ungebührliche V e r t r a u e n zu der Leistungsfähigkeit dieses n a t ü r l i c h e n Ich: „Haec fides non affert ad deum fiduciam propriorum meritorum . . ." 3). Es ist von hier aus also deutlich, daß der Grund der Verwerfung des Werkes auf dieser Seite nicht die Tatsache des empirischen Täter-Ichs, sondern die Art des subjektiven Verhaltens zur Leistung dieses Ichs ist. Wir werden unter Punkt I I (S. 57) auf diese Probleme zurückkommen. 3. Auf dieselbe Wurzel, nämlich auf das Ich, stoßen wir, wenn wir der spezifisch buddhistischen Idee des Leidens nachgehen. Wir haben an anderer Stelle 4) ausführlich vom Leiden im Buddhismus gehandelt und setzen die dort niedergelegten Resultate ohne näheren Beweis hier voraus. Die wichtigste von den üblichen Interpretationen abweichende Feststellung ist die, daß der Terminus „Leiden" keineswegs das empirische Leiden meint, sondern, daß er die Bezeichnung ist für das, was wir „Unheil" nannten, also für die Situation der Unerlöstheit, die sich symptomatisch in konkreten Phä1) Ebenda Kap. Θ3. Wilhelm S. 68. 2) Luther, Weim. Ausg. 2, 45. 3) Apologie 4. Bekenntnisschriften der ev.-luth. Kirche. Göttingen 1980. S. 168. 4) Mensching, Die Bedeutung des Leidens im Buddhismus und Christentum, 2. Aufl., Gießen 1930.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

nomenen des empirischen Lebens ausspricht. Diese Idee des numinosen Leidens ist auf zwiefache Art mit dem Ichproblem verbunden. a) Einerseits fehlt für das Leiden jegliches tragende Ich. Solange ich noch von meinem Leiden spreche, zeigt das meine Ahnungslosigkeit im Hinblick auf das Ich. Das Leiden ist ein Leiden ü b e r h a u p t , aber es fehlt der Träger: „. . . Der existiert ja gar nicht, dem das Leiden zu eigen ist. Von wem also (kann gesagt werden, daß es) sein Leiden sei ? " 1 ) — Und Ohlenberg interpretiert diese Idee mit folgenden Worten: „Das Denken hat sich von dem steinernen, sich selbst gleichen Sein der Upanisad abgekehrt; hier zieht es die Konsequenz dieser seiner Tat. Ist es das schlechthin rastlose Fließen der Dinge, was Leiden schafft, so kann man nicht mehr sagen, daß ich leide, daß du leidest; es bleibt allein die Gewißheit übrig, daß Leiden da ist, besser noch, daß Leiden entstehend und vergehend sich zuträgt. Denn im Strom der erscheinenden und wieder verschwindenden Sankhäras gibt es kein Ich und kein Du, nur einen Schein des Ich und Du, den die Menge in ihrer Täuschung mit dem Namen der Persönlichkeit anspricht" 2). Auf den naheliegenden Einwand, daß Leiden nie ohne ein Subjekt möglich sei, ist zu antworten, daß nach unserer Interpretation ja „Leiden" auch keinen s u b j e k t i v e n Zustand, sondern eine o b j e k t i v e Situation kennzeichnet, die der Erlöste bzw. der der Erlösung Nahe erkennt 3), ohne sie als s u b j e k t i v e s Leiden zu tragen. b) Und noch auf eine andere Weise ist das Leiden mit dem Ich verbunden: die IchVorstellung ist das Isolierende, das die falsche und unheilvolle Zentrierung aller Tendenzen des Menschen auf dies imaginäre Ich bewirkt. Im japanischen Buddhismus finden wir diesen Gedanken in folgendem Text 1) Säntideva: Bodhicaryävatära VIII, 101. 2) Oldenberg, Buddha, S. 297. 3) Vgl. Majjhima-Nikäya I S. 54. Oldenberg, Reden, S. 152: „Das Leiden (nicht: mein Leiden, oder sein Leiden) nicht erkennen . . . das wird Nichtwissen (avijjä = Quelle des Unheils) genannt."

2. „Egoismus" als Unheil

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ausgeführt: Wir Menschen haben eigentlich ein jeder von uns zwei ganz verschiedene Ich. Was da in uns nach anderem gelüstet, was gegen anderes Widerwillen fühlt, das ist nicht unser wahres Selbst, das ursprüngliche, es ist nur ein vorgetäuschtes Ich, durch dessen Setzung wir uns als Individualitäten isolieren und gegen andere Menschen abgrenzen, eine Unterscheidung, aus der dann mit Notwendigkeit beides, Liebe und Haß, entstehen muß. Jede solche Differenzierung, da man Ich und Nichtich entgegen setzt, ist eine Verkehrung der Wahrheit . . . So aber ist denn auch unser wahres eigentliches Ichwesen nichts anderes, als dieses einige Absolute oder als das Buddhawesen" a). 4. Wieder unter einem anderen Gesichtspunkte ist das Ich mit dem Unheil verbunden auf folgende Weise. Der große Urwert gewisser Religionen, die uns hier durch ihren Impersonalismus als zusammengehörig erscheinen, ist, wie wir oben (S. 11) sahen: das Eine, das zugleich um dieser absoluten Einförmigkeit willen als das absolut R u h e n d e , U n v e r ä n d e r l i c h e und W a n d e l l o s e 2) erschaut wird. Von dieser Norm aus erscheint die empirische Welt des Individuellen als ein Strom (santäna) mit seinem permanenten Wechsel. Hörten wir oben (S. 11 ff.) von der Irrealität des Individuellen, so wird dieses Urteil hier nun zum religiösen Werturteil vom Transzendent-Wandellosen aus gesehen: Wechsel ist Symptom des Unheils, und das Individuum ist selbst ein der Zeit unterliegendes und somit der bloßen Diesseitigkeit angehöriges Wechselsein. Ein Grundprinzip des Mahäyäna lautet: sarvam ksanikam = „alles ist augenblicklich". Und Suzuki folgert daraus: „From this, it logically follows that in this world of relativity all is momentary, that nothing is permanent, so far as isolated, paticular existences are concerned" 3). Das Individuum ist ein Strom und diese Tatsache macht ein Symptom 1) Haas, Moralsystem des japan. Buddhism., S. 231 f. 2) Vgl. Bhagavadgltä VIII, 3 a: ak$aram = das Unveränderliche von kijar = fließen. 3) Suzuki, Outlines . . . VII S. 141.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

seiner Unerlöstheit aus x): „It includes the mental elements and the physical ones as well, the elements of ones own body and the external objects, as far as they constitute the experience of a given personality. The representatives of eighteen classes (dhätu) of elements combine together to produce this interconnected stream" 2). Das Ich also ist durch den ihm wesensmäßig anhaftenden Wechsel als zeitliche Kreatur und damit als Größe erwiesen, die nur im Stadium des Unheils wirklich und wirksam ist: „The ego dependent on the limitations of time and birth cannot be said to be eternal. The self tethered to a local and temporal environment is a creature of time. It is the wanderer in the world of samsära" 3). Während dieses empirische Selbst wechselnd ist, so kennt der Hinduismus, wie oben (S. 12 f.) erörtert, ein dauerndes Impersonales Selbst, das im Gegensatz zum empirischen Ich stetig ist und wandelloser Träger der trotz allem Wandel kontinuierlichen Erfahrung: „This continuity of experience requires us to admit a permanent self underlying all contents of consciousness. That which exists in sleep without any objects to contemplate is the self" 4). Daß die göttliche Kraft und der Kontakt mit ihr allem Wandel, auch dem körperlichen, der im Phänomen des Alterns sich äußert, ein Ende macht oder machen würde, ist auch Meister Eckharts Ansicht: „Were der geist allezit gote vereinet in dine Kraft, der mensche enmöhte niht alten" B). Wir konstatieren also, daß Wandel und Werden in der hier zusammengehörigen, impersonal gerichteten Religionswelt, Symptom der W e s e n l o s i g k e i t ist. Nur das Wandellose hat wahres S e i n und nur im Sein ist Erlösung. So zeigt sich also 1) Daher wird Bhagavadgitä VIII, 4 a die konkrete Welt k$aro bhavah = ,,fließendes Sein" genannt. 2) Th. Stscherbatsky, The central conception of Buddhism and the Meaning of the Word „Dharma", London 1921, S. 26. 3) Radhakrishnan, Ind. Philos., I. S. 153. 4) Radhakrishnan, Ind. Philos., I. S. 155. 5) Eckhart hrsg. v. Pfeiffer, S. 4 i .

2. „Egoismus" als Unheil

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wieder, daß für diese Anschauung Ich und Heil unmöglich zusammen existieren können. II. „ E g o i s m u s " a l s S e l b s t b e h a u p t u n g v o r e i n e m Transzendenten

Wir kommen zum zweiten Sinne von „Egoismus" und damit zu einer zweiten Gruppe von Religionen, die durch ihre p e r s o n a l e Einstellung zusammengehören und bei denen ebenfalls der „Egoismus" das Unheil ausmacht, nur bedeutet hier das Wort nicht dasselbe, sondern wir übersetzen es in diesem Zusammenhange mit S e l b s t b e h a u p t u n g vor einem Transzendenten, wobei die empirische Realität des Ich nicht angefochten, sondern als Wert vorausgesetzt wird. Es fragt sich also, worin hier nun im Komplex des Ichphänomens das Unheil steckt, denn auch hier zeigt es sich — und das rechtfertigt unsere ganze Fragestellung — daß im oder am Ichphänomen das Moment des Unheils ansetzt. 1. Entsprechend unserer unter I, 1 ausgesprochenen These hat nun die klare Antithese zu lauten: I c h und E r l ö s u n g sind v e r e i n b a r e Größen. Die Tatsache des personalen Realismus bestimmter Religionen ist uns oben (S. 6ff.) bereits begegnet. Jetzt erscheint diese ontologische Position in diesem Zusammenhange ebenfalls als h e i l s m e t a p h y s i s c h e . Wir wählen als charakteristischstes Beispiel für diese Gruppe der Religionen das C h r i s t e n t u m , vornehmlich in seiner evangelischen Prägung. Und hier gilt es nun festzustellen, einerseits inwiefern Ich und Erlösung n o t w e n d i g verbunden sind, d. h. also „Egoismus" im e r s t e n Sinne hier geradezu Voraussetzung ist und, andererseits, worin der hier verurteilte Egoismus im z w e i t e n Sinne besteht. Die erste zentrale Frage nach der Zusammengehörigkeit von Ich und Erlösung ist zu beantworten mit dem in den personal gerichteten Religionen herrschenden P r i m a t des persönl i c h e n L e b e n s und der persönlichen Relation zu dem persönlichen Gott. Groethuysen weist in seiner philosophischen Anthropologie darauf hin, daß bei Luther dieser Primat des

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III. Das Ich im Vollzüge der Erlösung

persönlichen Lebens in aller Reinheit vorhanden ist: „So ist es immer wieder der Primat des Lebens, des persönlichen Lebens, der bei Luther zur Geltung gelangt. Der Mensch als Ich, als Persönlichkeit kommt hier zum Ausdruck, und nicht wieder ein von der Persönlichkeit zu sonderndes Weltwesen, das die Idee des Menschen in sich darstellen würde . . ." x). Die Frömmigkeitsart Luthers ist ausgesprochenermaßen an der Ich-Du-Relation orientiert: es interessiert nicht das Sein Gottes, sondern der „deus pro nobis", das „quod deus de nobis cogitat". Luther äußert sich über dieses eigentliche personale Anliegen des christlichen Glaubens: „Eine zwiefache Erkenntnis Gottes gibt es, eine allgemeine und eine besondere. Die allgemeine haben alle Menschen, nämlich daß Gott existiert, daß er Himmel und Erde geschaffen hat, daß er gerecht ist, daß er die Gottlosen straft usw. Aber was Gott über uns denkt (de nobis cogitat), was er schenken und tun will, damit wir von Sünden und Tod befreit und gerettet werden (welches die eigentliche und wahre Erkenntnis Gottes ist), das wissen die Menschen nicht, wie es geschehen kann, daß jemand mir dem Gesicht nach bekannt ist, den ich dennoch nicht, eigentlich kenne, Weil ich nicht sehe, welche Gesinnung (voluntas) er gegen mich hegt . . . Was aber nützt es, Wenn du weißt, daß es einen Gott gibt und dennoch in Unkenntnis bist darüber, welches sein Wille gegen dich sei?" 2) Alles rein Seiende 3 ) ist im Glauben überwunden. Es ist alles auf das Verhältnis des menschlichen Ich und des göttlichen Du gestellt: ,,Es gibt nichts, was bei Luther außerhalb dieses Mein-Dein-Verhältnisses verbleiben könnte. Dieses göttliche Du, wie es Luther faßt, bedingt das Ich-Bewußtsein 1) Groethuysen, Philos. Anthropolog. In: Mensch und Charakter, Abs. A. S. 175. 2) Ausg. d. Textes v. C. Irmischer. Erlang. Ausg. Op. exegetica vol. X I I . 2, 196. 3) Wir verstehen nicht „was das ewige Leben sei, aber wir glauben doch, daß wir desselbigen teilhaftig werden sollen". Luther, Erl. Ausg. 46, S. 269. — „Wenn der Glaube da ist, so hast du schon das ewige Leben." Luther, Erl. Ausg. 47, S. 375, 367.

2. „Egoismus" als Unheil

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des Menschen selbst. Am göttlichen Du wird der Mensch erst Ich, dieses „religiöse" Ich, wie es sich im Glauben faßt"I). Das reale Ich ist also, wie deutlich erkennbar, Voraussetzung der zentralen Glaubensrelation zu Gott. Der Glaube stellt den lebensvollen Kontakt her, von dem später (S. 85) noch zu sprechen ist. Dieser Kontakt selbst wird von Luther unter der Idee der ,,una persona" also wieder unter einem personalen Bilde vorgestellt: „Verum recte docenda est fides, quod per earn sic conglutineris Christo, ut ex te et ipso fiat quasi una persona, quae non possit segregari sed perpetuo adhaerescat ei et dicat: Ego sum ut Christus et vicissim Christus dicat: Ego sum ut ille peccator, quia adhaeret mihi et ego illi" 2). Ziel ist also auch hier eine Einheit, aber eine personal strukturierte Einheit. 2. Nun fragt es sich weiter, worin denn diese zweite Art von Egoismus besteht, die hier als Unheil angesehen wird. Die Antwort darauf geben jene Worte Christi, die von der Selbstbehauptung vor Gott handeln: „Wer sich selbst erhöhet, der wird erniedrigt Werden." (Matth. 23,12), „wer sein Leben findet, der wird es verlieren" (Matth. 10, 39). Was hier und in allen ähnlichen Worten des Ν. T. vorliegt, ist die zweite Art von „Egoismus", die hier das religiöse Unheil dokumentiert. Es handelt sich darum, daß das natürliche Ich zum alleinigen Zentrum aller Lebenstendenz und zum Objekt ausschließlichen Vertrauens gemacht wird. Wie im Α. T. es bereits heißt: „So spricht der Herr: Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verläßt und hält Fleisch für seinen Arm und mit seinem Herzen vom Herrn weicht" 3). Dieses empirische natürliche Ich ist gottentfremdete Diesseitigkeit, auf die das religiöse Vertrauen gesetzt wird. Das ist das Unheil. Nicht, daß ein Ich da ist und als Realität geglaubt wird, sondern, daß dieses Ich sich in völliger Autarkie Gott gegenüber behauptet. Wir stellen noch einmal zusammenfassend fest: völlig ent1) Groethuysen, Phil. Anthropolog., S. 191 f. 2) Ep. Gal. W. W. 40 I. S. 285. 3) Jerem. 17, 5.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

gegengesetzt sind die beiden Grundhaltungen: auf der einen Seite ist das Unheil in der R e a l i t ä t des Ich gegeben, auf der anderen Seite setzt das Heil jene Realität des empirischen Ich geradezu voraus, während das Unheil in der Art der Einstellung zu diesem Ich als Gegenpol Gottes gelegen ist. Dennoch wird später (S. 79) zu zeigen sein, auf welche letzte G e m e i n s a m k e i t diese divergierenden Einstellungen schließlich doch zurückgehen. 3. D i e E i n s t e l l u n g e n zu p e r s o n a l e n Tugendwerten Eine weitere wichtige Konsequenz der erörterten Unheilsideen ist die charakteristisch verschiedene Einstellung zu ethisch-personalen Tugendwerten. 1. Auf der einen Seite, auf der die impersonale Einstellung herrscht, wird das ethische Handeln an sich nicht als SelbstWert gewürdigt. Es gehört als solches in die Sphäre des konkret Individuellen, in die Sphäre des Gestalteten. Denn alle Handlung und die ihr eventuell zugrunde liegende Gesinnung hat es notwendig mit etwas Konkretem und ganz Individuellem zu tun. Alles Aktuelle ist individuell. Und nun ergeben sich für die Ablehnung des Selbstwertes des Ethischen zwei Gedankenreihen auf dieser Seite. a) Einerseits ist ethisches Tun eine Größe der z e i t r ä u m l i c h e n W e l t und ihren Bindungen unterliegend. Insofern liegt Gutes und Böses prinzipiell in derselben Ebene. Die Unerlöstheit des I n d i v i d u e l l e n und des handelnden Ich zumal liegt auf dem ethischen Werte, so daß verständlich ist die Äußerung der Upanisad: „Wer mich kennt, dem wird fürwahr durch kein Werk seine Welt geschmälert" 1). Der 1) Kau§itaki-Up. 3 , 1 . Deussen 44. Deussen bemerkt treffend und unseren Gedankengang bestätigend zu dieser Stelle: „Wer die Erkenntnis des ätman und seiner Einheit mit ihm erlangt und dadurch der Illusion der individuellen Existenz enthoben ist, dessen gute und böse Werke werden zunichte: sie sind nicht mehr seine Werke, weil er nicht mehr I n d i v i d u u m ist." Vgl. ähnl. Stellen: Taittiriya-Up.

3. Die Einstellungerl zu personalen Tugendwerten

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Erlöste ist prinzipiell in einer anderen Sphäre, in der Werke überhaupt sinnlos sind 1). b) Ein zweiter Gedanke aber betrifft näher die innere Artung des ethischen Täters. Alle Handlung und alles ethische Handeln zumal ist mit dem Moment des Bewußtseins verbunden. Das Bewußtsein aber ist in der Bewertung der hier in Betracht kommenden Religionen eine sekundäre, das Unmittelbare in Mittelbares verwandelnde Größe. Bewußtsein fordert Gestalten, fordert Individuen. Zimmer hat in ähnlicher Weise diese prinzipielle Idee formuliert: „In der Gestaltenwelt schlägt das reine sich-selbst-Inne-sein des Seienden in Bewußtsein um. Es wird seiner Selbst gewahr . . . Bewußtsein ist gestaltig. Was Bewußtsein ausmacht, hat etwas Spezifisches an Gehalt und Begrenzung — hat Gestalt, sei sie auch verschwimmend und manchmal kaum benennbar, Bewußtsein ist die Sphäre des M i t t e l b a r e n . . . Ist Gegenüber und Zweiheit als Situation . . . " 2). So ist es verständlich, daß die Bewußtlosigkeit, im Gegensatz zu der auf Individuelles bezogenen Bewußtheit, Charakteristikum des Frommen ist: „Kein inneres Bewußtsein, kein Bewußtsein der Außenwelt habend, ohne dieses beiderseitige Bewußtsein, nicht durch und durch Bewußtsein, nicht bewußt, nicht unbewußt . . . ganz in der Idee des eigenen Selbstes aufgehend, die Erscheinungswelt austilgend . . . das ist der ätman, den soll man erkennen" 3). In interessanter Weise bietet die t a o i s t i s c h e Gedanken2, 9; Maiträyana-Up. 2, 7; 6, 34; Mundaka-Up. 3 1 3 . Käthaka-Up. 2, 14: anyatra dharmäd anyatra adharmäd — „anders als gut und anders als böse". 1) Ähnliche Einstellung bei P l o t i n : „Die Seele darf weder Böses noch Gutes an sich haben, damit sie als Einsame d a s Einsame aufnehme. Enneaden VI, 7, 34. — P6re L a c o m b e urteilt: „Es ist schwerer den Tugenden abzusterben als den Lastern; und dennoch ist das eine so notwendig wie das andere, um zur vollkommenen Einigung zu gelangen." Maximen, Anhang zu Madame Guyon, Ströme, übers, von Kosegarten. Stralsund 1817, S. 150. 2) H. Zimmer, Ewiges Indien, S. 84. 3) Mänd.-Up. 7.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

weit zu dieser Einstellung Analoga, die jedoch auf bestimmte Art wieder von jenen obigen Beispielen unterschieden sind. Laotse wendet sich gegen die be Wußte Tugend als gegen eine mittelbare, abgeleitete Sache. Nicht vom Bewußtsein an sich ist hier die Rede, sondern davon, daß bewußte Tugend der Unmittelbarkeit und der inneren Notwendigkeit entbehrt. Daher die Mahnung: „Gebt auf die Heiligkeit, werft weg die Erkenntnis: Und das Volk wird hundertfach gewinnen! Gebt auf die Sittlichkeit, werft weg die Pflicht: Und das Volk wird zurückkehren zu Familiensinn und Liebe!" 1 ) Das Tao ist bekanntlich das bewußtlos Eine. Wird es verlassen, dann entsteht die bewußte, d. h. abgespaltene und daher fordernde Sittlichkeit: „Der große Sinn (tao) ward verlassen, so gab es Sittlichkeit und Pflicht. Klugheit und Erkenntnis kamen auf: so gab es die großen Lügen" 2). Wir sehen also deutlich eine Abneigung gegen Tugendwerte, aber aus dem Grunde, weil hier eine tiefinnere Leblosigkeit in der b e w u ß t e n Tugend ihren Ausdruck findet. So kann Laotse sagen: „Moral ist Treu und Glaubens Dürftigkeit und der Verwirrung Beginn"3). Und somit ist es verständlich, daß diese Gedanken in diesen Zusammenhang gehören, wo vom Unheil auf der Basis des personalen Seins die Rede ist 4). 2. Die entgegengesetzt eingestellte, also personale Religion, teilt natürlich die Abneigung gegen personale Tugendwerte nicht. Im Gegenteil: Religion und Ethik sind bei ihr engstens verbunden. Der Glaube „wird ohne Zwang willig und lustig, jedermann Gutes zu tun, jedermann zu dienen, allerlei zu leiden, Gott zu Lieb und Lob, der ihm solche Gnade erzeigt hat, also, daß unmöglich ist, Werk vom Glauben scheiden, ja so unmöglich als Brennen und Leuchten vom Feuer mag geschieden sein" 5). 1) 2) 3) 4) 5)

Laotse, Tao-te-king, Kap. 19. Wilhelm S. 21. Ebenda Kap. 18. Wilhelm S. 20. Ebenda Kap. 38. Wilhelm S. 43. Vgl. Mensching, Die Idee der Sünde, Leipzig 1931, S. 28 ff. Luther, Erl. Ausg. 63, 125.

4. Das Ich auf dem Heilswege

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Das genaue Analogon vielmehr zu jener obigen Ablehnung personaler Tugendwerte tritt in der personal orientierten Frömmigkeit in genaue Korrespondenz zu der hier vorliegenden Wertung des Individuellen und des Individuums bzw. des Ich, die wir oben (S. 57) in der Form der Selbstbehauptung kennenlernten, auf in der Kritik des g l a u b e n s l o s e n W e r k e s . Im evangelischen Christentum ist es die „ v i r t u s h u m a n a " , die als „fructus carnis" Produkt des natürlichen Willens ist, die als Sünde verurteilt wird. Wir haben diese Idee an anderen Stellen ausführlich erörtert, so daß hier darauf verwiesen sei x). 4. D a s I c h auf d e m H e i l s w e g e Wir betreten den Problemkreis der Aufhebung des Unheils. Es braucht kaum gesagt zu werden, daß hier selbstverständlich nicht das ganze Erlösungsproblem zur Diskussion steht, sondern nur die Seite des Problems, die mit dem Phänomen des Ich in Beziehung steht. Wir stellen auch hier wieder die beiden religiösen Grundrichtungen, die sich uns in bezug auf das Ich ergeben haben, einander gegenüber: die impersonate Religiosität und die personale. 1. I m p e r s o n a l e R e l i g i o s i t ä t . Der Heilsweg, den die impersonale Religion geht, ist in sehr charakteristischer Weise am Ich orientiert. Der Prozeß, der hier gemeint ist, wird in der Welt der Religion mit verschiedenen Namen und in verschiedener Art bezeichnet. a) Zu nennen ist hier in erster Linie die „annihilatio" des Ich, die Vertilgung des Ich, wie sie uns an den verschiedensten Stellen begegnet. Im Taoismus ζ. B. begegnet uns diese Idee in der, auch in der mittelalterlichen deutschen Mystik vorkommenden Form der ,,Leere" 2 ). So heißt es bei Kuan-tze: 1) Mensching, Die Idee der Sünde, S. 47 ff.: „Tugend als Sünde". — Mensching, Glaube und Werk bei Luther, Gießen 1926, S. 27 ff.: „Die evangelische Idee des Natürlichen." 2) Vgl. Meister Eckharte Idee der inneren „Wüste": „daz gewäre wort der ßwikeite daz wirt alleine in gesprochen in der ewikeit, dä

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

„Das tao ist nicht fern und doch ist sein Erreichen schwer. Wenn der Mensch sich leer macht von seinen Begierden, dann wird Göttlichkeit, Sehen, in ihn einkehren und in ihm verweilen . . . Leersein und Nichtsein und Gestaltlosigkeit, das nenne ich tao . . . Der Himmel ist leer, die Erde ist still, und sie streben also nicht. Wirf weg deine Selbstsucht und sprich nicht, dann wird göttliche Klarheit in dir erhalten bleiben" 1). Oder an anderer Stelle finden sich die Worte: „Das tao des Himmels schädigt den von seinem Ich Erfüllten, aber bringt dem Selbstlosen Vorteil. Das tao verwandelt das Glück der Selbstsüchtigen und überströmt den Selbstlosen mit Segen" 2). Hier taucht, notwendig aus obigen Erörterungen über das Bewußtsein (S. 61) und seine im Unheilsstadium besonders wirksame Rolle folgend, das Ideal der B e w u ß t l o s i g k e i t auf. Hackmann schreibt darüber folgende treffenden Sätze: „Ein Hauptgegner solcher Entleerung, sagt Kuantse, ist das Wissen . . . Doch ist, wie De Groot richtig bemerkt hat, mit dem Wissen nicht bloß das intellektuelle Erkennen, die Wissenschaft gemeint, sondern überhaupt Bewußtsein, bewußte Empfindung, bewußtes Streben, bis in die Leidenschaften hinein. Also möglichst unbewußtes Leben, möglichst unvorsätzliches, willensloses Hineintauchen in den natürlichen Gang der Dinge ist das Ideal" 3). Besonders charakteristisch für die Begründung der Ich-Aufhebung ist ein Kapitel des Tao-te-king, in dem zum Ausdruck gebracht wird, daß der das Ich Beseitigende damit seine sterbliche Stelle aufgegeben hat, denn alle Gefahren können nur das zufällige Ich treffen: „Der Anfang des Seins der Welt heißt die Mutter der Welt. Wer seine Mutter findet, um seine Kindschaft zu erkennen, Wer seine Kindschaft erkennt, um seine Mutter zu bewahren: der mensche verwüestet unde verellendet ist sin selbes und aller manigvaltikeit." S. 26. 1) Kuan-tze Buch 13. Kap. 3Θ. Schmitt S. 95. 2) Yi-king t'uan 1. Schmitt S. 96. 3) Hackmann, Chin. Phil., München 1927, S. 150.

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4. Das Ich auf dem Heilswege

der kommt beim Aufhören des Ichs in keine Gefahr. Wer sein Licht gebraucht, um zurückzukehren zu seiner Klarheit, der hinterläßt kein Ich, das eine Gefahr treffen könnte. Das heißt: das Ewige erben" 1). Mit diesen Worten ist aber zugleich in wundervoller Klarheit ausgesprochen, daß jene annihilatio des Ich kein rein negativer Prozeß ist. In ihm vollzieht sich vielmehr das Zurückfinden in die unbewußte Teilnahme am neutralen tao, am ewigen Leben. Mehr moralisch gewandt, doch so, daß klar hervortritt, daß die individuelle Person, auch wenn sie handelt nur als Medium, noch funktioniert, wird die Idee der annihilatio in folgenden Worten des Tao-te-king behandelt: „Der Himmel ist ewig und die Erde dauernd. Der Grund, warum der Himmel und die Erde ewig und dauernd zu sein vermögen, ist, weil sie s i c h nicht s e l b e r leben; darum auch setzt der Heilige seine P e r s o n hintan und doch tritt seine Person hervor; er entäußert sich seines S e l b s t , und doch bleibt ihm sein Selbst erhalten. Ist es nicht deswegen, weil er nichts für sich will? Deswegen vermag er sein Eigenes zu vollenden" 2 ). In der i s l a m i s c h e n Mystik, dem Sufismus, begegnet uns dieselbe Idee der annihilatio des Ich. Die hier verwendeten Begriffe für den Zustand sind: „fanä" = Zugrundegehen, „mahw" = Auslöschen, „istihläk" = Vernichtung 3 ). Bei Masnavi ζ. B. heißt es in diesem Sinne: „Laß mich nichtseiend werden, denn das Nicht-sein ruft mir mit Orgeltönen zu: ,Zu ihm kehren wir zurück"' 4). 1) Laotse, Tao-te-king Kap. 52. Wilhelm S. 57. 2) Laotse, Tao-te-king, 7. Übers. J. Schmitt S. 90. 3) Vgl. auch Ε. V. Zenker, Geschichte der Chines. Philosophie, Reichenberg 1926, Bd. I: „Der Heilige, der sich dem tao genähert hat, geht allmählich in diesem, im All, auf, er gleitet in die Ewigkeit hinüber; er stirbt und geht doch nicht verloren, et lebt, aber nicht mehr in der Körperlichkeit, selbst wenn er in dieser noch erscheint." S. 120. 4) Masnavi bei Goldziher, Vorlesungen üb. d. Islam, S. 162. M e n a c h i n g , Metaphysik.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

Daß die indische Religionswelt diese Idee der Aufhebung des Ich-Truges kennt, ist in den früheren Ausführungen bereits so oft zum Ausdruck gekommen, daß hier lediglich im Sinne einer Zusammenfassung die Äußerung eines indischen Gegenwartsphilosophen, Ranade, über das Verlieren der S e l b s t h e i t als Bedingung der Erlösung angeführt sei: „This identification of the Individual and universal Self is the burden of the remaining sections in this chapter, each of them emphasing some one aspect of this element of identification. Honey seems to be made out of the juices of different trees; and yet the juices must lose their individuality before they become honey. Similarly all the Individual Selves must lose their Self-hood before they are merged into the Real. As the rivers are fed by the water which emerges from the watery vapour of the ocean, and ultimately merge back into the same ocean, similarly have all the Individual Selves emerged from the Absolute and must vanish in the Absolute. These two different analogies illustrate the emergence and mergence of the Individual Selves from and into the Absolute" i). Ein letztes Beispiel für dieses „Entwerden" 2) der ichhaften Person sei Meister Ε c k h a r t. Das kreatürliche Selbst und die von ihm produzierten kreatürlichen Bilder müssen versinken, wenn Gott sein soll: „Swä creatüre endet, da beginnet got ze sinne. Nü begert got niht me von dir, wan daz du din selbes üz gangest in creatürlicher wise unde läzest got got in dir sin. Daz minneste creatürliche bilde, daz sich iemer in dir bildet, daz ist als gröz, als got gröz ist. War umbe ? Da hindert ez dich eines ganzen gotes" 3). Und an anderer Stelle äußert sich Eckhart über das Auslöschen des 1) Ranade, History of Indian Philosophy, S. 229. 2) Eckhart hrsg. v. Pfeiffer S. 570. — Die Neuplatoniker nennen diesen Prozeß δηλωσις (Vereinfachung), Plotin, Enn. VT, 9, 11; die christl. Mystiker: simplificatio: de adhaer. deo 5; Seuse: „Entmenschen": „Leben" c. 49 hrsg. v. Bihlmeyer S. 168, 174. 3) Eckhart hrsg. v. Pfeiffer S. 66.

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4. Das Ich auf dem Heilswege

natürlichen Ich 1 ) folgendermaßen: „Du ensolt es niht wenen, daz din Vernunft dar zuo gewahsen müge, daz du got erkennen mügest, mer: sol got götliche in dis liuhten, da enfürdert dich kein natürlich lieht zemäle niht zuo, mer: ez muoz zuo einem lütem nihte werden unde sin selbes uz gan zemäle; unt denne ßö mac got in liuhten mit sinem liehte" 2). Das Vergessen seiner selbst ist die Bedingung göttlichen Wissens: „Solt du got götlich wizzen, so muoz din wizzen komen in ein lüter unwizzen und in ein vergezzen din selbes und alles creatüren" 3). b) Untersuchen wir die bisher nur im allgemeinen erörterte Idee genauer, so stellt sich die annihilatio dar als das Erlöstwerden von p e r s o n a l e n S o n d e r k r ä f t e n . α. In höchst interessanter Weise gibt Meister Eckhart gelegentlich eine Analyse der Seele, innerhalb deren er das ruhende werklose „ W e s e n " von den mancherlei „ K r ä f t e n " unterscheidet. Für das Eintreten des zentralen Heilserlebnisses ist Bedingung, daß die Seele sich zurückzieht von den einzelnen peripheren und am Individuellen haftenden Kräften und im „Wesen" verharrt: „Daz ist daz mitel swigen, wan dar in enkam nie kein creature noch bilde noch din sele enhat da weder wirken noch verstän noch enweiz dar umbe kein bilde weder von ihr selber noch von keiner creature. Allin were diu die sele wirket, diu wirket si mit den Kreften. Swaz si verstet, daz verstet si mit der Vernunft. So si gedenket, daz tuot si mit dem gedehnisse. Soll si minnen, daz tuot si mit dem willen und also wirket si mit den kreften unde niht mit dem wesene. Alles ir uzwirken haftet iemer an etwas mitels . . . aber in dem wesene enist kein were. Da von hat 1) Über das Absehen von aller Person sagt Eckhart ganz ausdrücklich folgendes: „Swer in der bl6zheit dine nätüre äne mitel sol bestän, der muoz aller persönen ύζ gegangen sin, alsd daz er dem menschen, der iensit mers ist, den er mit ougen nie gesach, alsö wol guotes gunne alse deme, der bi im ist unde sin heimlich friunt ist." Eckhart S. 65. 2) Eckhart hrsg. v. Pfeiffer S. 25. 3) Ebenda S. 25. 5*

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

diu sele in dem wesene kein were, wan die krefte da mite si wirket, die fliezent uz den gründe des Wesens, mehr . . ." 1). Derselbe Gedanke wird klarer weitergeführt in folgenden Textworten, in denen die Idee des universellen V e r g e s s e n s aller individuellen Vielheit, von deren heilshindernder Bedeutung oben (S. 46) die Rede war, ausgeführt wird: „Unt dar umbe, so du alle krefte allermeist maht geziehen enein und in ein vergezzen aller dinge und ir bilde, diu du in dich ie gezugest, unde ie mer du der creature vergizzest, ie neher dü disem bist unde ie enpfenclicher. Möhtestü aller dinge zemäle unwizzende Werden, ja möhtestü komen in ein unwizzen dines eigen lebennes, also sant Paulo geschach, dö er sprach 'ob ich wire in dem libe oder nicht, des enweiz ich nicht, got der weiz es wol'. da häte der geist alle krefte so gar in sich gezogen, daz ime des lichames was vergezzen, da worhte weder gedehtnisse noch verstentnisse noch die sinne noch die krefte . . ." „Und also solde der mensche entwichen allen sinnen und inkeren alle sine krefte unde komen in ein vergezzen aller dinge unde sin selbes" 2). ß . Unter den heilshindernden mit dem Ich engstens verbundenen Kräften ist keine so konstitutiv wie der Wille. Das große Beispiel für den Kampf gegen den Willen, den Durst (taiihä) ist der Buddhismus, dessen Heilsweg die „Aufhebung des Willens" daher als entscheidende Bedingung vorschreibt. Die Wurzel individueller Existenz ist ja jener Werdedurst (bhavataiihä), der zu tilgen ist, wenn anders Erlösung gewonnen werden soll: „Da entließ der Erhabene beim Cäpäla Cetiya wachsamen und bewußten Geistes von sich den Lebenswillen (sa khära) Und als der Erhabene den Lebenswillen von sich entlassen hatte, geschah ein großes Erdbeben, ein furchtbares, Haarsträuben erregendes, und die Trommeln der Götter erdröhnten. Der Erhabene aber, wie er dies wahrnahm, tat zu dieser Zeit den Ausruf: , Sei's gleicher, sei's ungleicher Art, Entstehn und Werdewillen tat von sich der Weise, zer1) Eckhart hrsg. v. Pfeiffer S. 4 ff.

2) Ebenda S. 7.

4. Das Ich auf dem Heilswege

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brach, in sich befriedet, fest gesammelt gleich einem Panzerkleid des Selbstes Entstehen" 1). Dieses Wort ist besonders deshalb von Interesse, weil mit dem Ereignis der Entlassung des Lebenswillens die typische Schilderung numinosen Naturausdrucks verbunden ist. Es wird dadurch symbolhaft zum Ausdruck gebracht, daß es sich hier um eine entscheidende Heilst at handelt, die die Natur daher mit Phänomenen bezeugt, die das Erlebnis des mysterium tremendum ausdrücken 2). Diese Wendung gegen den Willen als konstitutives Element des individuellen und personhaften Ich findet sich natürlich auch sonst, ζ. B. bei Tauler: „Du solt dinen wandelberen willen einsencken in den gütlichen willen, der unbeweglich ist, daz diner krangheit geholffen werde." — Und an anderer Stelle heißt es: „Die seele soll . . . sich in sich schliessen und vor den sinnen in dem geist sich verbergen und verstecken und entslieffen etvie dicke" 3). 2. Personale R e l i g i o s i t ä t . Wir kommen zu den entgegengesetzten und doch zutiefst analogen Erscheinungen auf der Seite personaler Religion, die nirgend zu so klarem und tiefem Ausdruck kommt, als im Christentum, aus dessen Vorstellungswelt wir daher in erster Linie unsere Beispiele wählen. a) Als erster wichtigster, der a n n i h i l a t i o des Ich analoger, Gedanke ist hier ebenfalls von einem S t e r b e n und Zunichtewerden zureden: vom Sterbendes „alten Adam". Auch hier gilt es kreatürliche Gregebenheiten zu vernichten, aber es wird in keiner Weise das empirische Ich vernichtet, sondern eine gewisse auf dieses Ich als Zentrum hintendierende Neigung und habituelle Einstellung. Im Ν. T. ist hier positiv von der „neuen Schöpfung" die Rede, die durch das 1) Digha-Nikäya Nr. X V I . Oldenberg, Reden, München 1922, S. 105. 2) Dieselben Worte berichten bei Buddhas Tode, d. h. bei seinem Eingang ins höchste Nirväna von ähnlichen Naturerscheinungen. Vgl. das Erdbeben beim Tode Jesu. 3) Tauler, Predigten, hrsg. v. Vetter, Berlin 1910, S. 11.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

πνεύμα, den heiligen Geist gewirkt werde. Ohne im einzelnen die neutestamentliche Idee des „Geistes" und der „Geburt aus dem Geiste" (JToh. 3) zu erörtern, sei darauf hingewiesen, daß dieses Sterben des alten Menschen in keiner Weise eine Zerstörung des personalen Wesens des Menschen bedeutet. Ganz im Gegenteil: heiliger Geist wirkt P e r s ö n l i c h k e i t bildend und vertiefend. So schreibt Stephan treffend: „Erzeugt Jesu Erlösungswerk P e r s ö n l i c h k e i t und wahre Gemeinschaft in Einem, so bewährt auch der Geist seine Kraft im Sinne des ewigen Wertes der Menschenseele zugleich den r e c h t e n I n d i v i d u a l i s m u s zu fördern und den falschen Individualismus der natürlichen Selbstgenügsamkeit (vgl. oben S. 57 unsere Idee des .Egoismus' im zweiten Sinne) zu überwinden" x). So ergibt sich hier also eine, hernach noch genauer zu prüfende, W a n d l u n g des Menschen und vornehmlich des die Persönlichkeit vor allem konstituierenden W i l l e n s : „Gott ist es, der da wirket beides, das W o l l e n und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen" (Phil. 2, 13). Die Idee des Sterbens des alten Menschen und des Wiederhervorkommens eines neuen setzt also in aller Klarheit die p e r s o n a l e S e i n s s t r u k t u r voraus. b) Das bestätigt sich uns, wenn wir analog dem obigen Abschnitt 1 b (S. 67) genauer nach dem Wege fragen, der hier beschritten wird. Es zeigt sich dann nämlich, daß die personale Religiosität durch und durch von personaler Struktur auch und gerade in der Art der H e i l s a n e i g n u n g ist. Die Größe, die jene oben genannte Erneuerung bewirkt, ist der Glaube. Wir haben anderenorts die Wesenheit des Glaubens im evangelischen Sinne ausführlich erörtert, so daß wir hier nur jene Ausführungen voraussetzend, zu besprechen haben, was in engster Beziehung zum Thema steht 2). War oben (S. 67) von der Aufhebung aller personalen Kräfte 1) Stephan, Glaubenslehre, S. 204. 2) Vgl. Mensching, Glaube und Werk bei Luther, Gießen 1926, S. 12 ff.

4. Das Ich auf dem Heilswege

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die Rede, so wird demgegenüber hier von der Verschiebung des Akzents geredet. Durch den Glauben werden die natürlichen Kräfte nicht ausgetilgt, sondern in eine neue Beziehung gesetzt: „Id peccatum (originale, natale) est incurabile v i r i b u s hominis, nec aliquid hie valet liberum arbitrium" x). Für das Heil sind jene personalen natürlichen Kräfte völlig unbrauchbar, aus dem Natürlichen führt keine kontinuierliche Linie in die Welt des Übernatürlichen. Dazu ist jener Glaube nötig, der ein Geschenk Gottes 2) ist. Dieser Glaube ist jedoch, so sehr er mehr ist und ganz anderes als eine psychische Funktion, eine personale Größe, die in dem Ich-Du-Verhältnis Gott gegenüber lebt: ,,Igitur illud pro Me, seu pro Nobis, si creditur, facit istam veram fidem et secernit ab omni alia fide, quae res tantum gestas audit" 3 ). Das religiöse Ich eignet die Heilswerte in p e r s ö n l i c h e r Weise sich an. Wir begegnen also wieder dem „Primat des IchbeWußtseins" 4), der in dem religiösen Ich-Du-Verhältnis seinen unmittelbaren Ausdruck findet. Und noch eins ist in bezug auf die „Kräfte" zu sagen. Der Glaube beweist auch darin seine personale Struktur, daß er, bzw. der durch ihn empfangene „Geist" eine renovatio cordis in der Form der „novi affectus" bewirkt: „Et quia per fidem accipitur Spiritus Sanctus, iam corda renovantur et induunt novos affectus, ut parere bona opera possint" 5). Wir konstatieren noch einmal: auch in der personalen Religiosität handelt es sich auf dem Heilswege um ein Sterben, aber es ist nicht das Ich und seine personalen Funktionen, die getötet werden. Getötet wird „das F l e i s c h " : castigatio carnis, worunter die unheilige Selbstbehauptung des Natürlichen vor Gott verstanden wird: „Et ita Christus expellit Adam de 1) Luther, Weim. Ausg. 2, 44. 2) Vgl. Gal.-Komm. c. 1,12. W. A. 40 I, S. 130: „Sicut autem per verbum fidem donat, ita deinceps per verbum exercet, äuget, coufirmat et perficit earn." 3) Luther, Weim. Ausg. 39 I, S . 46. These 24. 4) Groethuysen, a. a. O. S. 204. 5) Confessio Aug. 20. Bekenntnisschriften S. 77.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

die in diem magis et magis secundum quod cresoit ilia fideB et cognitio Christi" 1). Die „Selbstüberwindung" z), von der hier somit analog gesprochen werden kann, ist weder eine rein moralische Haltung, noch die Aufhebung des Selbst an sich, sondern die im Glauben erfolgende prinzipielle Neuschöpfung und die daraus sich ergebende Neuorientierung des Selbst und seiner Kräfte. 6. D a s I c h im H e i l s z u s t a n d e Vom Heilsweg kommen wir zum Heilszustande, den wir in impersonaler und personaler Religiosität lediglich auf die Stellung des Ich in ihm hin untersuchen. 1. I m p e r s o n a l e R e l i g i o s i t ä t . Unter Heilszustand versteht man hier die Situation der U n i o mit dem Absoluten, der S c h a u , sei es in Permanenz im Jenseits bzw. nach dem körperlichen Tode, sei es in seltenen Augenblicken des zeitlichen Daseins. Die Sache selbst ist bekannt und bedarf keiner näheren Beschreibung. Wie steht das Ich darin ? a) Schon das Gebet nimmt in dieser Frömmigkeit den impersonalen Charakter des Verfließens mit der Gottheit an. Al-Gazäli betont, daß „das Gebet, ja das I c h b e w u ß t s e i n aufhört, so daß jeder Gedanke an das Gebet wie ein hindernder Schleier erscheint" 3). In der Ekstase hört das wesentliche Merkmal alles Betens, das Gegenüber von Ich und Du auf 4 ). 1) Luther, Weim. Ausg. 2,146. 2) Vgl. die analoge Idee in Islam: „Dies Moment der Selbstüberwindung (Sabr) ist es, das das zweite Stadium des religiösen Werdens kennzeichnet. Es bedeutet das feste, dauernde Ausharren des religiösen Triebes im Widerstand gegen denjenigen, unter dessen Bann und Herrschaft wir bis jetzt mit allen unseren Sinnen und Gefühlen, in allem unseren Tun und Lassen mittelbar oder unmittelbar gelebt h a b e n . . . Es ist die Einstellung des Entsagens und Verzichtens schlechthin, der fortwährenden bewußten Selbstüberwindung." Obermann, Der philosophische und religiöse Subjektivismus Ghazali's, Wien und Leipzig 1921, S. 241. 3) Heiler, Gebet S. 316. 4) Ebenda. — Vgl. auch Angelus Silesius, Cher. Wandersmann,

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b) Meister Eckhart kennzeichnet das zentrale Heilsereignis ale Geburt des Wortes in der Seele. Dabei ist aber die notwendige Voraussetzung die b i l d l o s e V e r e i n i g u n g des Seelengrundes mit dem Göttlichen: „Sehet, in derselben wise und in keiner andern gebirt got der vater sinen sun in der sele gründe und in irm wesenne unde vereinet sich also mit ir. Wan were da iht bilde, so enwäre da niht wärin einunge, und an der wären einunge Iis alliu ir eelikeit" 1). Und an anderer Stelle wird diese Idee der O f f e n b a r u n g in bildloser, d. h. nicht individualisierter Einheit, mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht: „Ach, Herre, wä ist daz swigen und wä ist diu stat, da diz wort ingesprochen wird? Wir sagen: . . . ez ist in dem lutersten, daz diu sele geieisten mac, in dem edelsten, in dem gründe, ja in dem wesene der sele. Daz ist daz mitel swigen, wan dar in enkam nie kein creature noch bilde noch diu sele enhat da Weder wirken noch verstan noch enweiz dar umbe kein bilde, weder von ir selber noch von keiner creature" 2). c) In der indischen Religionswelt ist die Tatsache der Aufhebung des Ichbewußtseins im Heilszustande natürlich in aller Klarheit zu beobachten und nach den obigen Voraussetzungen notwendig zu erwarten, da doch, wie wir (S. 49) sahen, gerade an der Tatsache des Ich die Situation des Unheils hing, aus einem Grunde, den wir im nächsten Kapitel (S. 79) noch für alle erörterten Anschauungsformen zu besprechen haben. Es genügen hier nur einige Hinweise. Auf die Aufhebung des Ichbewußtseins deutet vor allem das häufig für den höchsten Zustand gebrachte Bild des t r a u m l o s e n Tief schlaf es: „Das nämlich ist seine Wunschlose, der Übel ledige, von Furcht befreite Form (Zustand) . . . Das ist nämlich seine Form (Zustand), wo sein Wünschen erfüllt ist, wo der Ätman sein einziger Wunsch ist (ätmakämam), wo hrsg. v. Bölsche, Jena 1905, IV, 140: „Das edelste Gebet ist, wenn der Beter sich in das, vor dem er kniet, verwandelt inniglich." 1) Eckhart hrsg. v. Pfeiffer. 1. Abt., Leipzig 1857, S. β. 2) Eckhart hrsg. v. Pfeiffer S. 4 ff

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

er frei von Wunsch (akämam) und der Schmerz ihm fremd ist (sokäntaram)" 1). Da die Erlösung die Aufhebung der trügerischen Zweiheit ist, so hat natürlich nach dem Tode die absolute Einheit im Sinne nicht nur des E i n s - S e i n s mit dem Absoluten, sondern im Sinne des E i n e s - S e i n s dessen, was ist, zu herrschen. In der Brhadäranyaka-Upanisad heißt es daher:,,. . . Nachdem er aus diesen Elementen herausgetreten ist, verschwindet er wieder nach ihnen. Ich sage dir, mein Teurer: Nach dem Tode gibt es kein Selbstbewußtsein (na pretya samjnästi)" 2). In der Chändogya-Upanisad gibt Prajäpati. dem Indra auf die Frage nach dem Selbst, bzw. dem höchsten Zustand, die Antwort: „Wenn einer so eingeschlafen ist ganz und gar und völlig zur Ruhe gekommen, daß er kein Traumbild erkennt, das ist das Selbst (sagt Prajäpati zu Indra)" 3). Interessant ist nun, daß Indra gegen diese Idee den Einwand erhebt, den auch Rämänuja gegen Öankara *) in derselben Frage geltend macht: „Aber ehe er noch bei den Göttern angelangt war, hatte er dieses Bedenken: Ach, da kennt doch nun einer in diesem Zustande sich selber nicht und Weiß nicht, daß er dieser ist, noch auch kennt er die anderen Wesen! In Vernichtung ist er eingegangen: hierin kann ich nichts Tröstliches erblicken" 5). Dagegen erklärt nun Prajäpati, daß Aufhebung des Individuellen nicht gleich V e r n i c h t u n g überhaupt ist. Eine treffendere Antwort aber wird an einer anderen Stelle der Upanisaden auf dieselbe Frage erteilt. Dort 6) wird ein Gespräch Maitreyi's mit dem Weisen Yäjnavalkya berichtet: 1) Βrhadäranyaka-Up. 4, 3, 21. 2) Br.-Är.-Up. 4, 5,13. 3) Chänd. Up. 8; 11, 1. Deussen S. 199 f. 4) Rämänuja, Siddhänta S. 56 f.: „Käme er dann zu dem Schlüsse, daß Erlösung Vergang des Ich sei, so würde er von dannen schleichen beim bloßen Geruch von ,Erlösung'. ,Wenn ich vergehe, so bleibt doch eine gewisse von mir verschiedene Erkenntnis bestehen': .Dergleichen zu erlangen, wird sich kein Mensch anstrengen! Durch die Verbindung mit dem Ich hat Erkenntnis allein ihr Sein und ihren Charakter als Erkennen'" . . . 5) Chänd. Up. 8, 12, 1—6. 6) Brh. Up. 2, 4 , 1 3 f.

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„Da sprach Maitreyi: }Damit, ο Herr, hast du mich verwirrt, daß du sagst, nach dem Tode (pretya) sei kein BeWußtsein (samjnä).' Aber Yäjnavalkya sprach: .Nicht Verwirrung (moha), wahrlich, rede ich: was ich gesagt, genügt zum Verständnisse: denn wo eine Zweiheit ist (yatra hi dvaitam iva bhavati), da siehet einer den anderen, da riecht einer den anderen, da hört einer den andern, da redet einer den andern an, da versteht einer den andern, da erkennt einer den andern; wo aber einem alles zum eigenen Selbste geworden ist (yatra vä asya sarvam ätmaiväbhut), wie sollte er da irgendwen riechen usw. . . . " Dieser wichtige Text sagt deutlich, aus welchem Grunde der Heilszustand n o t w e n d i g ohne IchbeWußtsein zu denken ist. Bewußtsein ist nur in der individuellen und konkreten Vielheitswelt möglich, das Heil besteht darin, daß „einem alles zum ätman wird", d. h. darin, daß die Vielheit sich dem in Kontakt mit dem Absoluten Getretenen als Einheit auflöst, — folglich hört das Ichbewußtsein auf, ohne daß darum ein Aufhören des impersonalen und bewußtlosen Selbstes mitgesetzt ist. Und von der Seite der qualitativen Differenziertheit aus wird der Heilszustand folgendermaßen charakterisiert: „nirgunam nirgunä bhütvä pravisanti sanätanam" = „qualitätslos geworden gehen sie ein ins Qualitätslose, Unvergängliche" x). Der also Erlöste ist damit natürlich auch von aller moralischen Verantwortung frei, er steht jenseits von gut und böse, denn diese Unterschiede haben Gültigkeit nur in der vielheitlichen Welt; „Ihn (den Erkennenden) überwinden diese beiden (Gedanken) nicht mehr: ,Aus dem und dem Grunde tat ich Böses, aus dem und dem Grunde tat ich Gutes.' Er überwindet diese beiden. Ihn quält nicht mehr, was er getan und Was er unterlassen hat" 2). d) Die besondere Form, die der Heilszustand im Buddhismus annimmt, bedarf noch gesonderter Behandlung. Wir haben an anderer Stelle den Komplex der Nirväna-Vorstel1) Mahäbhärata XII, 350, 27. 2) Br. Är.-Up. 4, 4, 22. Geldner S. 131.

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III. Das Ich im Vollzuge der Erlösung

hingen zu interpretieren versucht1), sodaß unter Hinweis auf jene Ausführungen hier nur kurz die Beziehung zur Ich-Vorstellung erörtert sei. Natürlich gilt auch, und gerade hier, daß das Nirvana frei ist von jeglichem Ichbewußtsein. Wir haben oben (S. 45) gesehen, daß die Ursache der konkreten und daher auch der ichhaften Individuationen jene „Unruhe" des Absoluten ist, die sich in dem steten Geborenwerden der dharma äußert. Der Erlösungszustand ist folglich der der „Leere", d. h. der völligen Ruhe des Absoluten. Das oft gebrauchte Bild von den Wellen des Meeres, die aufhören zu rauschen, so daß Meeresstille eintritt, charakterisiert diese Ruhe des Absoluten. 0. Rosenberg hat dieses Bild und das andere vom „Erlöschen" (nirväna) der Lampe, die häufig im absolut nihilistischen Sinne interpretiert werden, mit folgenden Worten treffend positiv gedeutet: „Wenn die Lampe verlöscht, hört das Brennen auf, die Lampe aber bleibt; wenn der Sturm nachläßt, verschwinden die Wellen, das Meer aber bleibt" 2). Damit ist bereits zum Ausdruck gebracht, daß es sich im Nirväna keineswegs um ein absolutes Nichts handelt, dem der Fromme entgegengeht, sondern um den von den obigen Voraussetzungen aus notwendig zu erwartenden Zustand undifferenzierten und überindividuellen Seins 3), der bereits im Diesseits (als dittha-dhammanibbäna = Nirväna der dies1) Mensching, Zum Streit um die Deutung des buddhistischen Nirväna. Zeitschrift für Missionskunde und Religionswissenschaft 1933, Heft 2, S. 33—57. 2) O. Rosenberg, Probleme der buddhistischen Philosophie, S. 243. 3) Vgl. „Wunderbar, Herr, auf welch scharfsinnige Weise von dir die Körperlichkeit beseitigt und das Nirväna angedeutet wird, auf welch scharfsinnige Weise von dir die Empfindungen, die Vorstellungen, die Willensakte, das Bewußtsein beseitigt werden und das Nirväna angedeutet wird." Aus: A^taeäharikä Prajnäpäramitä XVIII, Winternitz, Der Mahäyänabuddhismus, Tübingen 1930, S. 68. „Ferner aber, Änanda, haben alle Wesen, die in der Welt Sukhavat wiedererstanden sind, keinen Begriff von irgend einem anderen, keinen Begriff von einem Selbst, keinen Begriff von Ungleichheit. Aus: Sukhävatlvyuha 24, Winternitz S. 26.

5. Das Ich im Heilszustande

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seitigen Ordnung) zu erreichen ist und nach dem Tode im „parinibbäna" unter Abstreifung der Substrate der Körperlichkeit vollendet wird. Der ins Nirväna Eingegangene ist nun begreiflicherweise jeder Prädizierbarkeit enthoben. Denn alles Begreifen setzt eine in sich differenzierte Objektwelt voraus. Das Sein schlechthin bietet dem umgreifenden, begrenzenden ( = definierenden) Denken keinerlei Ansatzmöglichkeit : das Nirväna ist „das, vor dem die Worte kehren um", und von dem Erlösten gilt ebenso: „von ihm zu sprechen gibt es keine Worte. Zunichte ward, was das Denken könnt' erfassen: so ward zunicht auch jeder Pfad der Rede" x). Endlich ist noch eine Frage in diesem Zusammenhange zu erörtern. Dem Buddhismus ist gelegentlich vorgeworfen, er sei in dem Sinne egoistisch, daß er aus dem Motiv der Flucht vor dem Leiden das Nirväna erstrebe. Wenn man dagegen weiß, daß das, was sich erlöst, gar nicht der individuelle Mensch ist, sondern das Absolute selbst, so kann man im Buddhismus weder von Egoismus noch auch von „Heilsegoismus" reden, denn im Zustande des Heils ist kein Ich vorhanden, das seine Segnungen genießen könnte 2). 2. Personale Religiosität. Der Heilszustand der personalen Religiosität, deren Repräsentant uns das Christentum ist, wird hier durch die Bilder der „neuen Schöpfung", des „neuen Bundes", der „nova oboedientia" und des „ewigen Lebens" bezeichnet. Es ist wiederum nicht unsere Aufgabe, die christliche Heilsidee in extenso zu entwickeln. Worauf es uns ankommt, ist lediglich die Feststellung der Bedeutung des Ich in diesem Zustande. 1) Sutta Nipäta 1074 ff. Oldenberg, Reden, S. 293. 2) Ähnlich äußert sich O. Rosenberg: „Folglich ist dasjenige, was sich erlöst, nichts anderes, als das wahrhaft Seiende, welches danach strebt, sich vom ursprünglichen Sein zu befreien. Es erscheint in jedem i n d i v i d u e l l e n Wesen, und jedes Individuum, das sich erlöst, erlöst sich eigentlich nicht persönlich, egoistisch, wie es scheinen könnte, nicht aus Motiven des alltäglichen Pessimismus, nicht um dem Blende des empirischen Lebens zu entgehen, sondern um sich vom Sein als solchem zu erlösen." Rosenberg, a. a. O. S. 242.

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III. Das Ich im Vollzüge der Erlösung

a) Zunächst ist zu sagen, daß die Gewißheit des Heile (certitudo salutis) zwar im Katholizismus keine individuelle ist, daß aber Luther die individuelle Heilsgewißheit als notwendiges Merkmal des Glaubens fordert: „Es gilt dir deinen Hals, es gilt dir das Leben; darum muß dir Gott ins Herz sagen: Das ist Gottes Wort, sonst ist es unbeschlossen. Also mußt du gewiß sein bei dir s e l b s t , ausgeschlossen alle Menschen" b) Damit ist schon gesagt, daß die Kontinuität des individuellen Bewußtseins des Erlösung Suchenden und des Erlösten durchaus gewahrt wird. Es ist also so, daß „ich", dieses empirische und unerlöste Einzelwesen, in dieser meiner Ichheit die Gewißheit des Heils haben kann. Genau dieses wollte in Indien Rämänuja festhalten, wenn er den Gedanken vertrat, daß das Ich nicht nur ein Attribut des ätman sei, das dann folglich von seinem Träger abgelöst Werden könne, ohne des Trägers Existenz zu gefährden, sondern daß das Ich das Wesen des ätman ausmache: „Wäre es so, (daß das Ich im Zustande der Erlösung nicht dauerte), dann wäre Erlösung Vergang des ätman (wie die Buddhisten lehren) . . . Denn das Ich ist nicht ein bloßes Attribut, so daß auch bei seinem Vergange . . . das Wesen des ätman selber bestehen bliebe, sondern es ist das Wesen des ätman selbst" 2). c) Im Christentum bleiben also das empirische Ich und die empirischen Kräfte erhalten, und doch ist das gesamte Sein auf eine neue, völlig andere Basis gestellt. Der Gedanke der „neuen Gerechtigkeit" (Mtth. 5, 20; Roe. 4,16 etc.) und der „neuen Geburt" (Joh. 3, 3; Joh. 3, 9) deuten an, daß nicht die Korrektur einzelner Akte des Wollens das Heil bedeutet, sondern daß ein neues Genus des Seins vor aller Tat gewonnen ist. So kommt es, daß auf dieser neuen Seinsbasis 3), die ein Einbruch des Transzendenten (vgl. Joh. 1, 14; 3, 16) 1) Luther, Weim. Ausg. 10, III 260 f. 2) Rämänuja, Siddhänta, S. 67. 3) Vgl. die genaueren Ausführungen in meiner Schrift „Die Idee der Sünde" S. 86 ff.

1. Das Grundübel der Isolierung

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gestiftet hat, die individuellen Kräfte sich zu Werken regen, die „coram deo" Geltung haben, weil sie aus dem Ewigen selbst geboren und die individuellen Kräfte nur die Medien im Dienste dieses Ewigen sind: „Requirit igitur fidem etiam in bonis operibus, ut credamus nos placere deo propter Christum, nec opera ipsa per se digna esse, quae placeant" d) Endlich ist daran zu erinnern, daß das Christentum auch den jenseitigen Heilszustand personal vorstellt. Die Form der Ewigkeitshoffnung ist bekanntlich im Christentum nicht die Unsterblichkeit, sondern die Auf er weckung, die ihre Bürgschaft im Erlebnis des Auferstandenen, persönlichen Christus findet (1. Kor. 6, 14; 2. Kor. 4, 14; 2 Tim. 2, 11; 1 Petr. 1, 3 ff. 21). Außer etlichen anderen Gedanken hebt Stephan besonders folgendes uns in diesem Zusammenhange interessierende, als mit dieser Idee verbunden, hervor: „Endlich meint die Auferstehung nicht nur die Seele, sondern den ganzen Menschen in seiner neuen Einheit des persönlichen Lebens" 2). IV. K a p i t e l

Konsequenzen Es steht uns nun noch die Aufgabe bevor, aus den bisherigen Untersuchungen eine Reihe grundsätzlicher Konsequenzen zu ziehen. 1. Das Grundübel der I s o l i e r u n g Alle bisherigen Erörterungen, die von den ontologischen Feststellungen ausgingen und bei den heilsmetaphysischen Erkenntnissen des Unheilscharakters gewisser Ich-Phänomene endeten, ließen die letzte Frage bisher noch offen: warum denn eigentlich die genannten Phänomene „Unheil" seien, worauf ihr, im einzelnen ja, wie wir sahen (S. 48 ff.) sehr verschiedenartiger Unheilscharakter im l e t z t e n Grunde beruhe. Hier sind wir nun bei dem Punkte angelangt, an dem 1) Apol. 4. Bekenntnisschriften S. 195. 2) Stephan, Glaubensl. S. 237.

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IV. Konsequenzen

die letzte Gemeinsamkeit in den scheinbar diametral entgegengesetzten Ich-Intuitionen deutlich wird, wobei sich in höchst interessanter Weise Grundformen religiösen Lebens überhaupt offenbaren. 1. Wir beobachteten eine Gruppe von Religionen, die in völlig eindeutiger Weise impersonal orientiert waren. Hier wurde das empirische Ich allgemein, bei Unterschieden im einzelnen, als Unheil empfunden. Die D i f f e r e n z i e r u n g und I n d i v i d u a l i s i e r u n g verbunden mit dem B e w u ß t 8ein wurde vom absoluten Einen aus als „Unheil" bewertet. Weshalb ? Weil in diesen Phänomenen die für das Gesamtsein der Menschen entscheidende g e n e r e l l e I s o l i e r u n g von einem, wie immer gearteten und vorgestellten, Transzendenten gesehen wird. Wir haben in unserer Untersuchung über die „Idee der Sünde" (Hinrichs, Leipzig 1931) nachzuweisen gesucht, daß aller Hochreligion entscheidend die Idee der Sünde im Sinne genereller und essentieller (also vor allen Werken und Gesinnungen liegender) Isolierung zugrunde liegt. Hier mündet unsere Untersuchung der Metaphysik des Ich in jene Gedankengänge, wo es gilt anzugeben, warum und wieso denn jene beobachteten Erscheinungen in der dargestellten Weise b e w e r t e t würden. Durch die gesamte Religionswelt geht die tiefe Erkenntnis und Ahnung eines zentralen Ereignisses, das in der Substanz des Menschen sich ereignet hat, ob auch vielleicht kein Zeitpunkt dafür angegeben werden kann. Das ist die essentielle, e x i s t e n t i e l l e und daher g e n e r e l l e Isolierung des Menschen von einem transzendenten und absoluten Leben x). Unsere Untersuchung der eigentümlichen Deutungen und Bewertungen des Ich-Phänomens führt auf anderem Wege auf dasselbe Ergebnis; denn in diesem ,,Ich"-Bewußtsein setzt in besonderer Weise jene Grundkonzeption ein. Um zunächst von der* von uns auf Grund ihrer Einstellung zum Ich unterschiedenen impers o n a l e n Religiosität zu sprechen, so ist aus den obigen Dar1) Vgl. die Einzelheiten in meiner Schrift „Die Idee der Sünde" S. 17 ff.

1. Dae Grundübel der Isolierung

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Stellungen klar ersichtlich, daß die Konkretisierung und Individualisierung als Isolierung vom absoluten Sein empfunden und daher als erlösungsbedürftige Situation bewertet wird. Das Ich ist ein Fremdes, Hemmendes, das sich zwischen das elementare Leben geschoben hat und so eine Abspaltung bewirkt hat, die zur Einheit wieder erlöst werden soll. Das Grundgeheimnis des Lebens ist Verbundenheit mit dem Absoluten. Das meint, um nur ein Beispiel anzuführen, Laotse: „Die vor alters tüchtig waren als Meister, Waren im Verborgenen eins mit den unsichtbaren Kräften" 1). Demzufolge dreht sich alles Bemühen und alle Sehnsucht darum, wieder zurückzufinden in die Verbundenheit. Alle Religion predigt notwendig ein „Zurück", das nichts Zeitliches meint, sondern die Wiederherstellung eines „anfänglichen" Stadiums. In der impersonalen Religiosität, die aus besonderen, noch (S. 87) zu erörternden, Gründen im Ich jene Isolierung erblicken muß, kann jene Rückwendung und Rückverbindung (religio) nur bei gleichzeitiger Beseitigung des isolierenden Faktors, des Ich, geschehen. So meint es auch Laotse, wenn er sagt: „Zurückgewandt sein zur Wurzel; das ist Stille, Stille: das ist Rückkehr zur Bestimmung. Rückkehr zur Bestimmung: das ist Ewigkeit" 2). Und an anderer Stelle gebraucht Laotse für dieses Erfülltsein vom heiligen und elementaren Leben (tao) das Bild des Kindes: „Wer seine männliche Kraft erkennt und dennoch in weiblicher Schwachheit 3) weilt, der ist das Strombett der Welt. Ist er das Strombett der Welt, so verläßt ihn nicht das ewige Leben und er kann wieder umkehren und werden wie ein Kindlein" 4). 2. Charakteristisch verschieden und dennoch in der Art der Begründung zutiefst verwandt ist auf der anderen Seite die Einstellung der personalen Frömmigkeit. Wir sahen, daß 1) 2) 3) 4)

Laotse, Tao-te-king. Kap. 15. Wilhelm S. 17. Ebenda Kap. 16. Wilhelm S. 18. Typisch passive Haltung dieser Frömmigkeit. Laotse, Tao-te-king. Kap. 28. Wilhelm S. 30.

M e n s c h l a g , Metaphysik.

β

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IV. Konsequenzen

hier nicht an der Realität des empirischen Ich gezweifelt wurde, daß ein metaphysischer K o n t a k t mit dem Absoluten im empirischen Ich gegeben ist. Das Unheilsmoment setzte gleichwohl auch hier bei dem Ich-Phänomen ein und bestand in der Zentriertheit alles Lebens in jenem empirisch natürlichen Ich: die Selbstbehauptung dem Absoluten gegenüber war das Unheil. W e s h a l b ? Aus demselben Grunde wie oben: Selbstbehauptung ist Vertrauen zum empirischen, d. h. seiner Erscheinung nach zeiträumlich irdischen Phänomen. Das aber macht, daß dieses sich vertrauende Ich eine vom Absoluten g e l ö s t e Größe wird. Das empirische Ich schwebt mit all seinen realen Kräften bei aller empirischen W i r k l i c h k e i t , die ihm verliehen ist, in der Luft, ist entwurzelt und all sein Tun ist „Sünde" auch wenn es moralisch einwandfrei ist. Es wird noch zu erörtern sein, aus welchen Gründen gerade im personalen Sein die Höhe des Daseins erblickt wird, in dem sich der S c h ö p f u n g s w i l l e und auch der H e i l s w i l l e Gottes am reinsten offenbart. An dieser Stelle gilt es zunächst nur festzustellen, daß die letzte Gemeinsamkeit in der Erkenntnis des I s o l i e r t s e i n s von einem Transzendenten besteht. Und beiderseits ist es das I c h , das, freilich in charakteristisch verschiedener Weise, jener Isolierung verfällt und daran schuld ist. 2. T y p i s c h e E i n s t e l l u n g e n 1. Wenn wir nun versuchen, das Resultat unserer Untersuchung t y p o l o g i s c h auszuwerten, so ist zunächst festzustellen, daß die beiden aus unseren Betrachtungen herausgewachsenen Religionsarten, die wir i m p e r s o n a l e und pers o n a l e Religiosität genannt haben, mit der von Söderblom und Friedrich Heiler gemachten1) Unterscheidung von mys t i s c h e r und p r o p h e t i s c h e r Frömmigkeit identisch ist und diese Grundunterscheidung von einer anderen Seite her bestätigt. Wichtiger aber ist es uns zu versuchen, die am Ma1) Friedrich Heiler, Das Gebet, S. 248 ff.

2. Typische Einstellungen

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terial erarbeiteten Erkenntnisse in einen s y s t e m a t i s c h e n Zusammenhang zu bringen. 2. Auf der Seite der mystisch impersonalen Religiosität erlebt der Fromme aus einem S. 86 zu erörternden Grunde eine elementare S p a n n u n g zwischen „Ich" und „Leben", wobei wir unter Leben das Heilige und Absolute, etwa im Sinne Laotses, verstehen. Zum Ich tritt als notwendig begleitendes Moment das daher als sekundär (siehe S. 61) erfaßte B e w u ß t s e i n . So steht Ich-Bewußtsein dem numinosen Sein gegenüber. Alles Sein des im Ich inkarnierten Bewußtseins bedeutet für diesen Aspekt ein a b g e l e i t e t e s zweites und daher in seiner, für das Bewußtsein notwendigen, G e s t a l t e n f ü l l e irreales Sein. Diese Spannung, teils metaphysischer Art kann sinngemäß nur aufgehoben werden, wenn der eine sekundäre Pol, das Ich und seine Bewußtseinswelt, verschwindet. So ist die annihilatio des Ich (S. 63) die notwendige und einzig „mögliche" Lösung. Nur so kann der Urwert des ekam advitiyam, von dem, wie gleich (S. 86) zu zeigen, ausgegangen ist, wiederhergestellt werden. Klar ersichtlich ist von hier aus aber auch, warum alles moralische Handeln in dieser mystisch impersonalen Religion nie Selbst wert, sondern stets nur relativen Vorbereitungswert haben kann. Denn alles Handeln ist an die Täterschaft des aktiven Ich gebunden, bleibt daher in der Ebene von Zeit und Raum und setzt die d i f f e r e n z i e r t e Welt als Objekt voraus. Nicht genug also, daß selbstverständlich das Werk (karma-märga) nicht fähig ist, jene Situation des Unheils aufzuheben, denn das hieße das Ich durch eine Aktion des Ich bekämpfen, so ist außerdem das Tun überhaupt, sofern es mit innerer Anteilnahme geschieht, als B e f e s t i g u n g der ichhaft strukturierten Unheilssituation anzusehen. Daher die eigentümliche Abneigung aller Mystik gegen das Werk, gegen Aktivität überhaupt, abgesehen von ihrer Beziehung zur Aufhebung der Unheilssituation. 3. Dieser mystisch impersonalen Religiosität steht die prophetisch personale gegenüber, deren Einstellung zum Ich6*

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IV. Konsequenzen

Phänomen wir kennengelernt haben und nun in ihrer grundsätzlichen Artung verstehen lernen wollen. Hier ist die Situation prinzipiell anders, jedoch — wie bemerkt — auf der gemeinsamen Basis, daß hier wie dort das generelle Unheil in einer existentiellen Isolierung vom Transzendenten gewittert wird. a) Aus ebenfalls S. 86 zu erörterndem Grunde sieht die prophetische Frömmigkeit z u n ä c h s t im Ich keine Entgegensetzung zum religiösen Leben. Von einer Spannung von Ich und (neutralem) „Leben" kann hier schon aus dem Grunde nicht gesprochen werden, weil der Gegenpol zum Ich hier — wie oben (S. 58) erörtert — das göttlich persönliche Du ist. Das normale Verhältnis wird also keineswegs durch die Existenz und Realität des menschlich empirischen Ich beeinträchtigt, denn das hier gültige normale bzw. „anfängliche" Verhältnis ist das vertrauensvolle Ich-Du-Verhältnis (S. 71). Die „Einheit" des „Anfangs" ist hier nicht das undifferenzierte „ekam", sondern „Einheit" im Sinne der Verbundenheit von Ich und Du. An der Tatsache des empirischen Ich an sich kann also das Erlösungsverlangen nicht haften; denn die ichhafte Seele ist hier geradezu das verbindende Moment, wie die Idee der Grottesebenbildlichkeit beweist. b) Die T a t s a c h e des empirischen Ich ist also noch kein „Unheil"; diese Situation e n t s t e h t vielmehr, wenn innerhalb des Ich eine grundlegende Verschiebung, eine prinzipiell andersartige Orientierung eintritt. Das wesentliche ist hier die hervortretende Prävalenz von b e w u ß t e m W i l l e n und berechnender ratio. Dieses Hervortreten der beiden genannten Kräfte unter Verzicht auf die im Erleben gegebene Bindung an das Transzendente bedeutet zugleich, daß das Ich selbst Objekt dieser Kräfte wird. Der Wille und die ihm Wege weisende ratio lösen sich aus dem ursprünglichen Verband und gehen unkontrolliert ihre eigenen Wege. Dieser Voluntarismus und Rationalismus konstituieren im Leben die fortschreitende Profanisierung des Menschen. Sofern noch

2. Typische Einstellungen

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religiöse Motive wirksam sind, entsteht sekundäre „Werkgerechtigkeit" mit ihrem Glauben an die natürlichen Kräfte des Ich. Das nunmehr zerrissene und aus dem Verbände herausgerissene isolierte Ich ist zum Zentrum des Lebens geworden. Zugleich tritt auch hier, analog der entsprechenden Idee auf der anderen Seite, das Bewußtsein als isolierende Größe insofern auf, als das naiv unmittelbare erste (mythologische) Anfangsstadium (vgl. die ersten Menschen vor dem Sündenfall!) als solches nicht bewußt war. Erst nach dem mythologischen, aber allenthalben wieder akut werdenden, Sündenfalle heißt es: „Adam weiß, was gut und böse ist" (Gen. 3, 22), d.h. er ist aus der Bewußtlosigkeit unmittelbarer Gottverbundenheit durch die isolierende W i l l e n s t a t zugleich in Distanz zu seiner Situation getreten. Das Bewußtsein hat sich eingeschaltet in das Verhältnis zu Gott. c) Die Erlösung im Sinne der Aufhebung des generellen Unheils kann hier sinngemäß nicht an der T a t s a c h e des Ich, sondern nur an der G e r i c h t e t h e i t dieses Selbst ansetzen. Nicht Aufhebung des Ich, sondern „Wiedergeburt", d. h. neue R i c h t u n g (μετάνοια), neue Verbundenheit mit dem personalen Gott „neuer B u n d " ist hier der Sinn der Erlösung. Das Interessante dabei ist nun dies: das I c h bleibt erhalt e n , denn die personale Struktur reicht bis in die letzte Seelentiefe. Aber analog der „Einheit" der impersonalen Religiosität wird auch hier K o n t a k t gesucht mit dem Göttlichen, jedoch unter Wahrung der personalen Struktur des Verhältnisses. „Vertrauen" und „Glaube" bezeichnen daher die Art der „Rückverbindung", die hier gesucht wird. Dabei wird auch das Bewußtsein innerhalb dieses Verhältnisses ausgeschaltet. Das „Werdet wie die Kinder" (Matth. 18, 2) und die im Ν. T. sonst häufig vorkommenden Formen der Anwendung des Kindergleichnisses deuten zugleich die U n r e f l e k t i e r t h e i t des neu gewonnenen Verhältnisses an. Die Stellung zu ethischem und sonstigem Tun ist ebenfalls völlig klar von unseren Voraussetzungen aus einzusehen: a. Auf der einen Seite ist nicht, wie oben (S. 60) das Werk

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IV. Konsequenzen

jeglicher Art an sich vom Übel, sondern auch das moralisch einwandfreie Werk ist, weil aus isoliertem unheiligen Willen entsprungen, „Sünde". ß. Auf der anderen Seite, d. h. im Stadium der Erlösung, besteht die Notwendigkeit des Werkes im moralischen und alltäglichen Sinne gerade auf der Basis der neuen Bindung (vgl. die „novi affectus" S. 71). Das ethische Tun hat hier seinen vollen Eigenwert, denn der ichhafte Täter, die Person, die allein der ethischen Tendenz fähig ist, ist nicht eine im Erlösungsstadium verschwundene Größe, sondern ist auch hier erhalten geblieben und ihre ethische Aufgabe mit ihr. Dasselbe gilt von der konkreten und vielgestaltigen Welt, deren Realität hier ebenfalls erhalten bleibt und damit ihr Anspruch auf ethisches Handeln der menschlichen Person auf sie hin. 3. D a s U r - E i n e und der h e i l i g e Wille Eine letzte Frage bleibt noch, wie oben (S. 83) angekündigt, zu erörtern. Das ist die Frage nach den ersten Ursprüngen der beiden entgegengesetzten Frömmigkeitsformen, der impersonal mystischen und der personal prophetischen. 1. Wir haben nicht zu prüfen wie und unter welchen Bedingungen die eine oder die andere Form entspringt, sondern wir haben festzustellen, von welchem erlebnishaft gegebenen Ausgangswert beide Formen ausgehen, um von ihm aus, also von der Erstgegebenheit jeder Religionsart aus, bereits die ganze von uns im einzelnen bis hierher nachgezeichnete Entwicklung in ihrer N o t w e n d i g k e i t (vgl. S. δ) zu „verstehen". Jene rein x) mystisch impersonale Frömmigkeit nimmt ihren Ausgangspunkt positiv von der Schau (visio, intuitio) des Ur-Einen. Das ist der erstgegebene U r w e r t , von dem aus alle weitere Entwicklung erfolgt, denn: Schau ist u n m i t t e l b a r e s , rein e m o t i o n a l e s Ergreifen von Wesen zu We1) Es darf hier nur angemerkt werden, daß die Religionsgeschichte wie alles konkrete Leben auch Mischformen kennt.

3. Das Ur-Eine und der heilige Wille

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sen1) frei von p e r s o n h a f t e r Trennung, ist Versinken des Vielen und Erlöschen des isolierenden, am Konkreten haftenden B e w u ß t s e i n s . In diesem ersten Erlebnis ist die ganze theoretisch aus ihm herausgesponnene Gedankenwelt in nuce gesetzt. Von ihm aus ist verständlich, daß jene (S. 83) aufgezeichnete Spannung von „Ich" und „Leben" notwendig von dem ins Wache Tagesleben Zurückgekehrten als solche erfahren werden muß. 2. Die prophetische Frömmigkeit dagegen erlebt als Erstgegebenes den „heiligen Willen", dessen „ira" und dessen „mysterium tremendum" keine „Einheit", sondern scharfe Trennung bedeutet. Es ist klar, daß das I c h hier in seiner R e a l i t ä t nicht bedroht wird, wohl aber, und das bis in die Tiefe seiner E x i s t e n z , hinsichtlich seiner G e r i c h t e t h e i t (peccatum essentiale) und, d. h. seiner unheiligen Gebundenheit an die natürlichen Kräfte seiner selbst. Der h e i l i g e Wille ist Schöpfungswille — und damit ist die Vielheit der Objektwelt in ihrer Realität gesetzt. Und er ist H e i l s wille — damit ist die Dauer des personalen Ich, das erlöst werden soll, gesetzt. Zugleich aber ist mit der Prävalenz des h e i l i g e n Willens (in Gott) und des g e h e i l i g t e n Willens (im Erlösten) die Werthaftigkeit des Werkes und der Aktiv i t ä t begründet, im Gegensatz zu der auf der anderen Seite waltenden Ruhe des passiven Gefühls. Das sind die letzten Gegebenheiten, zu denen empirische Forschung vorzudringen vermag. Wir beenden unsere Arbeit damit, zu zeigen, daß auch die Philosophie der Gegenwart in manchen Erscheinungen verwandte Probleme und sogar ähnliche Lösungen aufweist wie sie hier, von der Seite religiöser Erkenntnis gewonnen, vorgeführt wurden. 1) Vgl. dazu die Äußerung Plotins: 4. Enn. IV, 4: „Wenn jemand unbewußt etwas besitzt, so kann es in höherem Grade sein Besitz sein, als wenn er ein Bewußtsein davon hätte . . . Wer sich nämlich unbewußt in einem Zustand befindet, scheint geradezu das zu sein, wovon er befangen ist — ein Erleiden (πά&ημα), das die Seele noch tiefer zu Falle bringt."

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Philosophische Parallelen

Anhang

Philosophische Parallelen Dieser anhangsweise den mit dem vorigen Kapitel beendeten religionsgeschichtlichen Erörterungen hinzugefügte Abschnitt ist durch die Beobachtung veranlaßt, daß an manchen Stellen innerhalb der Gegenwartsphilosophie, die sich bekanntlich in besonderem Maße anthropologisch orientiert und der Erkenntnis der menschlichen „Existenz" zuwendet, ein der religiösen Erkenntnis von dem fundamentalen Bruch im Menschenleben analoges Wissen um eben solch ein negatives Ereignis in der menschlichen Lebenssubstanz wach wird. Es bedarf nicht besonderer Erwähnung, daß uns der Unterschied zwischen religiöser und philosophischer Erkenntnis bewußt ist, das Interessante aber ist gerade dies, daß die philosophischen Richtungen, die von solchem Fundamentalereignis sprechen, zu dieser Einsicht gerade nicht auf dem Wege rein rationaler Erkenntnis gekommen sind, sondern daß sie, der Einseitigkeit rein rationalen Erkennens inne geworden, mit Begriffen wie „Wesensschau" und „Intuition" ihre Methode bezeichnen. Wenn nun, was wir vermuten, richtig ist, so wäre das ein interessanter Beweis dafür, daß rationale Erkenntnis geleitet von unmittelbarer Wesensschau zu analogen Einsichten kommen kann wie religiöse Intuition, die sich rational entfaltet. Dabei erinnern wir uns, daß Paul Deussen, dessen indologische Forschungen wir in unserer Arbeit häufig verwendeten, dieselbe Grundansicht von der möglichen und eigentlich notwendigen Konvergenz von philosophischer und religiöser Erkenntnis hegte, wenn er schrieb: „Es gibt nur eine ewige W a h r h e i t , und alle Systeme, mögen sie religiöser oder philosophischer Art sein, sind mannigfache Wege zu diesem Ziele. Auch besteht nur im Abendlande jener Gegensatz und so oft hervorgetretene Konflikt zwischen religiöser und philosophischer Erkenntnis. Es ist ein Symptom der Ungesundheit unseres geistigen Lebens, und wir hoffen auf eine Zeit, wo der Gegensatz verschwinden und alle echten

1. Zur Idee der „generellen Isolierung"

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religiösen und philosophischen Errungenschaften des Menschengeistes zur organischen Einheit der allem empirischen Erkennen zum Trotze sich behauptenden Metaphysik zusammenwachsen werden" 1). Wir wollen bei dieser Darstellung so verfahren, daß wir zunächst Parallelen andeuten zu der allgemeinen in dieser Arbeit wie auch vor allem in unserer Schrift über „die Idee der Sünde" im Hintergrunde stehenden Erkenntnis der generellen und essentiellen Isolierung. Sodann gehen wir zu den hier verhandelten Sonderfragen aus dem Problemkreise des Ich über, um auch hier eine Reihe analoger philosophischer Erkenntnisse beizubringen. 1. Zur Idee der „generellen I s o l i e r u n g " 1. Wir lesen bei H e i n e m a n n 2): „Das moderne Leben hat sich l o s g e l ö s t vom L e b e n s g r u n d e , vom Mutterboden, vom Mythos, der es an die Natur, vom Glauben, der es an Gott kettete, es ist aufgebrochenes ins Nichts gestelltes Leben". Damit ist genau das Ereignis bezeichnet, das wir mit unserer aus dem Bereich religiöser Erkenntnis genommenen Idee der generellen Isolierung meinen. Die Parallele aber geht weiter. Hatten wir oben (S. 51ff.) konstatiert, daß das religiöse Unheil in einer Verlagerung des Akzents auf die Peripherie des Seins d. h. auf das K ö n n e n und Tun (karma-märga) wurzele, so ist dieselbe Erkenntnis auf philosophischer Seite vorhanden, wenn es bei Heinemann heißt: „Der moderne Mensch ist der der p r a k t i s c h e n Existenz" 3). Die Welt wird nicht mehr „angeschaut", sondern es wird in ihr gewirkt, ja, sie wird selbst „erschaffen" 4). Und wenn wir auf der anderen Seite oben (S. 84) feststellten, daß im Prozeß der inneren, isolierenden Umschich1) Deussen, Allg. Gesch. I, 3 S. 115. 2) Heinemann, Neue Wege der Philosophie, Leipzig 1929, S. X. 3) Heinemann S. XII 4) Vgl. Pichtes „Tathandlung" und Cohens Begriff des „Erzeugens".

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Philosophische Parallelen

tung und Umorientierung neben der Prävalenz des bewußten Willens die berechnende ratio hervortrete, die als „frigide opinio" einen Bruch in die religiöse Unmittelbarkeit bringe, so ist — wie später (S. 91) noch genauer zu belegen — gerade die seit D e s c a r t e s herrschende Absolutheit des reinen Geistes und damit (wie es wenigstens nicht selten von philosophischer Seite [vgl. Fichte u. a.] angesehen wird) des I c h der Grund der hier ebenfalls heute erkannten unheilvollen Isolierung und elementaren Störung. 2. Denn von einer Störung, einer „Krisis" der Totalität des Gegenwartslebens hören wir auf philosophischer Seite heute reden. Wenn ζ. B. Heinemann darauf hinweist, daß die Gesamtheit aller Lebensgebiete (Revolution der Jugend, Auflösung der Ehe, des Autoritätsbewußtseins, der Sitte und Sittlichkeit, der bürgerlichen Ordnung, des Rechtes und der Einzelwissenschaften, der Kunst und der Wirtschaftsformen) im Zeichen der Krisis stehe 1 ), so beweist schon die Totalität und Universalität des Phänomens, daß hier nicht nur Zeitumstände wirksam sind von außen, sondern daß — wie es von selten der Religion stets erkannt wurde — in der Tiefe der Existenz des Menschen ein generelles Ereignis, eine letzte Seinsabwendung sich vollzogen hat. Das erkennt heute die Philosophie ebenfalls, wenn Heinemann ζ. B. das Wesen der universellen Krise bezeichnet als „Störung im R e l a t i o n s g e f ü g e des Menschen" und diesen Gedanken folgendermaßen erläutert: „Der Mensch ist nämlich nichts anderes als ein in seinen Lebensrelationen verankerter Organismus, nicht, wie es zunächst scheint, ein i s o l i e r t e s E i n z e l w e s e n , sondern ein mit bestimmten Sphären des Alls und des Göttlichen unlösbar verbundenes Gebilde. Die Krisis der Kultur beruht also auf einer S t ö r u n g im B e z i e h u n g s s y s t e m der Menschen zueinander, zum Kosmos, zu Gott" 2). 3. Der Beginn dieser isolierenden Überwertung und Absolutsetzung des reinen Geistes, die zu der Gegenwartskrise ge1) Heinemann S. 4 ff.

2) Ebenda S. 6.

1. Zur Idee der „generellen Isolierung"

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führt hat, ist bei D e s c a r t e s zu suchen, durch den die verhängnisvolle Gleichung: Seele = B e w u ß t s e i n in die geistige Welt eingeführt wurde: „. . . nec ulla potest in nobis cogitatio, cuius eodem illo momento, quo in nobis est, conscii non simus" 1). Mit dieser Gleichsetzung ist die Totalität des seelischen Lebens ausgeschaltet und an ihre Stelle die abstrakte = abgespaltene Funktion des Bewußt-Seins gesetzt. Bewußtsein wird zur „essentia sive natura animae". Über diese Entwicklung äußert sich S e i f e r t in folgender Weise: „Die GrundVorstellung des lebenerfüllten konkreten Seins der Seele wird durch den Begriff des „Ich", des abstrakten Gegenspielers der autonom gedachten objektiven Seinssphäre, verdrängt. Das I c h (als Subjekt des cogito) gleicht einem mathematischen Bezugspunkte" 2). Das Bewußtsein, daß durch diese die einseitige ratio zum Weltprinzip erhebende Tendenz 3) ein Bruch im Dasein offenbar wurde, zeigt sich in der Philosophie deutlich in einem allmählichen Anwachsen der gegen diese Abschnürung des rationalen Tagesbewußtseins von den Elementarmächten des Vitalen protestierenden Richtungen. Ohne uns in Einzelheiten zu verlieren und Vollständigkeit anzustreben seien in Kürze folgende Namen genannt, in deren Denkweise das Wissen um die generelle Isolierung des Menschen bzw. seines Bewußtseins deutlichst vorhanden ist: B a c h o f e n , dessen Absicht, die „seelische Unterwelt" der Kultur zu erforschen, da rationale Forschung nur die konkrete Tatsächlichkeit berücksichtige, ihn in die Elementarschicht des Lebendigen führt, die das Schöpferisch-Dunkle gegenüber dem Geklärten, Isolierten, Handlungsmäßigen und Geistigen bedeutet, ist als erster zu nennen 4). 1) Descartes, Resp. IV, 345. 2) Seifert in „Mensch und Charakter" S. 76. 3) Wir erinnern an die fortschreitende Vergeistigung und Rationalisierung des Weltprinzips bei Kant, Pichte, Hegel bis hin zum Neukantianismus. 4) Bachofen, Mutterrecht und Urreligion. Kröner, Leipzig.

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Philosophische Parallelen

Auch in Friedrich N i e t z s c h e lebt der Protest gegen die isolierte Welt der ratio fern vom schöpferischen Walten des Irrationalen. Seine Ausführungen über das „dionysische Leiden" suchen klarzustellen, daß das Individuum dem antiken Griechen auf der tragischen Bühne unerträglich gewesen sei. Dionysos ist „der die Leiden der Individuation an sich erfahrende Gott". Die Zerstückelung eines einheitlich Realen in individuelle Teile ist das dionysische Leiden und damit „Quell und Urgrund alles Leidens". „Die Hoffnung der Epopten ging auf eine Wiedergeburt des Dionysos, die wir jetzt als das Ende der Individuation ahnungsvoll zu begreifen haben". Und Nietzsche faßt seine Interpretation dieser griechischen Mysterienlehre in folgenden Sätzen zusammen: „die Grunderkenntnis von der Einheit alles Vorhandenen, die Betrachtung der Individuation als des Urgrunds des Ü b e l s , die Kunst als die freudige Hoffnung, daß der Bann der Individuation zu zerbrechen sei, als die Ahnung einer wiederhergestellten Einheit" 1 ). Eduard v o n H a r t m a n n s Lehre vom „Unbewußten" als Urgrund der Welt vermittelte zwischen dem blinden „Willen" Schopenhauers und dem Logismus Hegels. Henry Bergs on ist sodann als Wesentlichster Repräsentant dieser Erkenntnisse zu nennen, denn sein Bemühen läuft in seiner letzten Konsequenz auf eine Wiederbeseelung des Menschen hinaus. Endlich nennen wir außer vielen anderen Namen, die noch genannt werden könnten2), Ludwig K l a g e s , der im Geist den Gegenspieler des Lebens sieht und bekämpft a). Alles dies sind Stationen auf dem Wege des Menschen zu sich selbst in der Totalität seiner Existenz 4). Mit diesem letzten Beispiel sind wir bereits wieder in größere 1) Nietzsche, Werke hrsg. v. Messer, Leipzig 1930 I. Bd. Die Geburt der Tragödie aus d. Geiste d. Musik, Seite 15 f. 2) Z.B. Simmel, Dilthey, Freud u. a. 3) „Der Geist als Widersacher der Seele", Leipzig 1929—32. 4) Heine τη arm, a. a. O. S. 347.

2. Das geistige Ich als Isolierung

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Nähe zu unserem Spezialthema dee Ich zurückgekehrt, denn Klages gerade erblickt im Geist zugleich den Träger des Ichprinzips, so daß jene generelle Spaltung in diesem Aspekt mit dem Entstehen des Ich zusammenfällt. 2. Das geistige Ich als Isolierung Wir versuchen nun zu einzelnen Ideen, die uns in unserer Untersuchung begegnet sind, Parallelen aus dem Gebiete der Gegenwartsphilosophie beizubringen. 1. Bei Henri Bergson stoßen wir auf Anschauungen, die in verschiedener Hinsicht mit den Intuitionen des Buddhismus verwandt sind 1). a) Auf der einen Seite wird gegen den Glauben an das ,,Oberflächen-Ich" mit seinen separierten, festen „Zuständen" als gegen eine Mechanisierung des Ich protestiert. Man erinnere sich dabei an die Vorstellung des Buddhismus von den Elementkombinationen (S. 25), die indessen ebenso wie das alltägliche Oberflächen-Ich bei Bergson nur die äußere Erscheinung bilden. b) Auf der anderen Seite tritt bei Bergson an die Stelle des Oberflächen-Ich das wahre Ich, das „dur£e" (Dauer) ist, Und die flüssige kontinuierliche Masse unseres psychischen Daseins darstellt, unerkennbar für die isolierende und fixierende ratio, erfaßbar nur von der unmittelbaren emotionalen „Intuitio". Aus der elementaren Bewegung des Seins schneidet die ratio isolierend und tötend feste Punkte heraus, die wir für Wirklichkeit halten. Die „Unruhe" des Absoluten aus der buddhistischen Gedankenwelt (S. 45. 76) klingt hier an. 2. Theodor Litt hat im Zusammenhange seiner Untersuchung über „Individuum und Gemeinschaft" Betrachtungen angestellt über die Realität des Ich, dessen Lösung in unserem Zusammenhang interessant ist, besonders seine Unterscheidung von erlebendem, sich unmittelbar erfassendem Ich und erkennendem Subjekt-Ich: „Das was die Vorstellung 1) Bergson, Schöpferische Entwicklung, Jena 1912.

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Philosophische Parallelen

des räumlichen Auseinander und Gegeneinander unvereinbar macht mit dem Befunde des sich in Leibseeleneinheit erlebenden Ich, das bringt sich, sinngemäß abgewandelt, in der Vorstellung des zeitlichen Nacheinander abermals zur Geltung. Auch hier werden bestimmte Gehalte so aus dem Ich herausgesetzt, so in ein — im zeitlichen Sinne zu verstehendes — .Jenseits' gebannt, daß sie aus solcher Absonderung sich nicht mehr in die Einheit des Ich zurückfinden können" 1). Und an anderer Stelle heißt es: „Wirklichkeit liegt so wenig in dem abgesonderten, für sich absolut gesetzten Ich des gegenwärtigen Augenblicks, wie sie in dem abgesonderten Ich des vergangenen oder des heranziehenden Moments gefunden werden kann. Wirklichkeit ist nur in dem strukturellen Ganzen, das das hier Unterschiedene nur als ,Momente' kennt" 2). Interessant ist für uns ferner der Gedanke, daß das Ich die Konkretisierung als notwendiges Korrelat fordere, da es kein leeres a l l g e m e i n e s Ich gibt: „. . . Und so stehen wir hier vor der Erkenntnis, daß der Begriff des Ich als solcher die Forderung individueller Konkretisierung in sich trägt. Es gibt kein der Inhaltsfülle des Moments überlegenes allgemeines Ich" 3). — 3. In den Gedankengängen von Ludwig Kl ages finden sich die erstaunlichsten Parallelen. Zunächst begegnet uns hier die Feststellung, daß ,der Geist Träger des Ichprinzips ist und als solcher isolierend wirkt: „Wie . . . nur jener (der Geist) das absolute Ich, so repräsentiert nur diese die (Seele) das Element des Lebens . . . sie ist . . . von allem Körperlichen das mit ihm untrennbar eine Innenleben, und darum so wechselnd, ewig flutend, niemals beharrend wie das kreatürliche Werden und Vergehen" 4). 4. Wichtig sind sodann weiter die von Klages gemachten Unterscheidungen der Grundelemente des Daseins, wobei auf der einen Seite die v i t a l e n Faktoren auf der anderen in den 1) Th. Litt, Individuum und Gemeinschaft, Leipzig 1926, S. 79. 2) Ebenda S. 82. 3) Ebenda S. 90. 4) L. Klages, Grundlagen der Charakterkunde. Leipzig 1926, S. 167.

2. Das geistige Ich als Isolierung

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Akten des Auffassens und Wollens der Geist stehen. Und dann heißt es weiter: „Die beiden letzten Begriffe (Auffassung, Wollen) dagegen betreffen zeitlich unausgedehnte Akte, und diese bilden die persönliche Geistigkeit, deren neues Zentrum das Ich oder Selbst ist. Und nun beachte man: das Ich oder geistige Zentrum ist nicht daseinsfähig ohne ein angeschlossenes Lebenszentrum, das Lebenszentrum aber durchaus ohne angeschlossenes Ich. Nicht nur alle Tiere sind ichlos, es war es auch der ursprünglicheMensch. So gewiß aber die vier vitalen Vorgänge völlig ohne Bewußtsein ablaufen können, so gewiß kann keine Rede davon sein, daß sie nur dann geschehen, wann wir imstande sind, uns mittelst geistiger Akte auf sie zu beziehen" 1). Hier wird ganz analog der impersonalistischen Religionserkenntnis die sekundäre Rolle des personalen BeWußtseins ausgesprochen. 6. Wichtiger aber ist noch die hier bei Klages völlig eindeutig hervortretende Idee des Abfalls in Gestalt der generellen Isolierung, die mit dem Entstehen des Ich symptomatisch angedeutet wird: „Wenden wir zum Paradiesmythos zurück, so können wir dem Abfall vom Leben jetzt die weit strengere Fassung geben: es sei durch ein noch aufzuhellendes Ereignis etwas im Menschen dem Strome des Werdens und Vergehens entrissen worden und habe dafür das Wissen ertauscht um die Vergänglichkeit des (bewußtlosen) Lebens in ihm . . . Der zum Geschehen kontradiktorische Begriff ist das Sein. ,Neben' dem Geschehen befindet sich nur das Seiende, und das einzig Seiende in der durch und durch geschehenden Wirklichkeit ist das Ich. Die Austreibung aus dem Paradiese ist identisch mit der Entstehung des Ichs; denn nur ein Ichwesen ist als Ichwesen seiendes Wesen, folglich ein Wesen mit dem Bewußtsein der Zeitlichkeit und mit dem Wissen um sein Begonnenhaben und Endenmüssen" 2). 6. Wir haben weiterhin oben (S. 84) festgestellt, daß jene 1) Ebenda S. 142. 2) L. Klages, Die Grundlagen der Charakterkünde, S. 153.

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Philosophische Parallelen

grundlegende Umstellung im Ich mit der Prävalenz des Willens zusammenhinge. Dazu vergleiche man Klages: „Wurzelt . . . das W o l l e n im I c h und wirkt mit Hilfe des Wollens das Ich in den Organismus hinein nach Art eines Triebes, so ist das Allgemeinste, woran alle Willensantriebe notwendig teilhaben, der Drang des Ich, sich dem Leben gegenüber in unwandelbarer Selbstheit zu behaupten, oder kürzer der Daseinserhaltungstrieb" x). 7. Im Zusammenhang der Erörterung (S. 86) über die Urr Sprünge der impersonalen Vorstellungswelt aus der Eigenart der visio ist von dem ichfreien, bewußtlosen Zustande des Menschen die Rede gewesen. Bei Klages lesen wir: „Ein vollkommen S c h a u e n d e r weiß von keinem ,Dasein' mehr, hat ,sich vergessen' und ist dennoch in einem Zustand des Erglühens . . . E n t b u n d e n des E i n z e l s e i n s wird er der gespiegelte Inhalt und durch ihn, wovon jener ,an sich' nicht Teil, sondern Blick und Rune ist: die Welt, die .Unendlichkeit', das All" 2). — „Da der ganz im Schauen . . . Gelöste die Welt in sich selber trägt, so kann er kein Streben und kein Gefühl besitzen. Seinen herrschenden Zustand tiefster Fülle oder höchsten Überschwanges unterscheidet vom noch so intensiven Gefühl die Sattheit des Eines-Seins" 3). 8. Interessant ist uns ferner folgende Feststellung William Sterns: „Man kommt dem Wesen einer Person also nicht nahe, wenn man nicht ihre S i n n b e z i e h u n g zu Gott und Welt, zu Gemeinschaften und Nebenmenschen zu Geist und materiellen Mächten erfaßt . . ." 4). Den Grund dieser möglichen Vielfältigkeit des Sinnes einer Person erblickt Stern in der prinzipiellen Vieldeutigkeit der Person im Unterschied zur Sache: „Ein sachlicher Gegenstand ist, so wie er ist, grundsätzlich erschöpfbar in eindeutigen Bestimmungen, die sein Dasein und Sosein betreffen. Etwaige Vieldeutigkeit . . . beruht nur auf einem Mangel des Betrachters . . . Ganz anders die Person. Ihre Vieldeutigkeit ist nicht ein Minus gegenüber 1) Ebenda S. 154. 2) Ebenda S. 162. 3) Ebenda S. 163. i ) W. Stern, Studien zur Personwissenschaft, I. Leipzig 1930, S. 61.

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2. Das geistige Ich als Isolierung

dem realen, bestimmten Sein, sondern ein Plus, nicht subjektiv durch den Betrachter bedingt, sondern ontisch ihr Wesen kennzeichnend. Die Person erschöpft sich nicht im Gregebensein, ist nicht ganz und gar das, was sie ist, sondern zugleich Anderes, Werdendes, Mögliches"1). Eben deshalb haben wir in unserer Arbeit nach der „Metaphysik" des Ich gefragt. — 9. Endlich sind Gedankengänge Keyserlings zu nennen, die er in einer frühen Schrift niedergelegt hat 2). Was uns darin in diesem Zusammenhange interessiert, sind seine Betrachtungen über das Ich. Auf die Frage, ob Unsterblichkeitsglaube die Dauer des konkreten Ich meine, antwortet Keyserling : die irdische Individualexistenz ist unmöglich das Letzte, da die Individualexistenz eine Grenze hat. Die natürlichen Grenzen aber sind nicht meine, denn das elementare Gefühl der Unsterblichkeit richtet eich nicht auf empirische Phänomene, zu denen das Ich gehört, sondern auf unser überpersönliches Wesen. Ewigkeit schließt auch, sagt Keyserling, logisch die Individualität aus, da Individualität die Grenze von Zeit und Raum voraussetze. Jedenfalls reiche das personale Sein nicht bis in die letzte Tiefe unseres Seins 3). Am Ende dieses Abschnittes über philosophische Parallelen, muß noch einmal darauf hingewiesen werden, daß uns der Unterschied von philosophischer und religiöser Erkenntnis durchaus bewußt ist, daß folglich die Anführung dieser philosophischen Gedankengänge keinen anderen Sinn haben kann als den, zu zeigen, daß im gedanklichen Inhalt philosophische und religiöse Erkenntnis nicht selten einander begegnen. 1) Ebenda S. 16. 2) H. v. Keyserling, Unsterblichkeit. Kritik der Beziehungen zwisch. Naturgeechehen und menschlicher Voretellungswelt. München 1907. 3) Ebenda S. 167 ff.

HensehloRi Metaphysik.

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Literaturverzeichnis

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