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German Pages 34 Year 1900
Zur
der
Theorie
Geschichte
der
in
allgemeinen
Weyrpflicht
Deutschland.
Von
Dr. Eduard Otto in Offenbach.
Hamburg. Verlagsanstalt und Druckerei A.-G. (vormals J. F. Richter), Königliche Hofbuchhandlung. 1900.
Das Recht der Ueberseßung in fremde Sprachen wird vorbehalten.
Druck der Verlagsanstalt und Druderei A.-G. (vorm. J. F. Richter) in Hamburg . Königliche Hofbuchdruckerei.
Ein Sammelband der Großherzoglichen Hofbibliothek in Darmstadt (Handschrift 246) enthält u . a . die Abschrift einer Broschüre, deren Inhalt unser volles Interesse verdient.
Der
Titel ist folgender: „ Discursus
von
des H. Röm . Reichs Teutscher Nation
befreyung vnd dessen erhaltung, daß ist Rathschlag vnd bedenken, wie vnd welcher gestalt daß Heil . Röm . Reich Teutscher Nation ernstlich gegen den Zorn Gottes mögte verfönet vnd die antrewenden plagen vnd straffen abgewendet werden, vnd dann, wie zu Schuß, schirm vnd befreyung derselben eine newe krigswahl vnter der jungen Mannschaft ohne der Herrschaft sondern costen, wie auch der Vnterthanen anzustellen,
die alte kriegs .
disciplin wider an die handt zu nemen vnd solche zu guten, ſighafften vnd vnüberwindtlichen Soldaten zu machen, Gestellt vnd beschrieben durch Matthiam Freybergern ,
bestellten
Hauptmann zu Brandeis in Böhmen.
Getruckt zu Prag durch
Georgium Nigrinum
den
ao. 1604 vnd
Edlen,
Ehrnveſten,
Hochachtbarn, fürsichtigen, Ersamen, wohlweisen herrn Eltern, Senioren, Burgermeistern vnd rath des H. Röm . Reichs Statt Ulm dedicirt".
Die Schrift, welche schon zur Zeit, wo der unbekannte Abschreiber sich die Mühe nahm, sie zu kopiren,
nicht leicht er.
hältlich gewesen sein mag und in unserer Zeit selten geworden ist, hat, nach dem Vorworte zu urtheilen, eine recht merkwürdige 1* (513) Sammlung. N. F. XV. 350.
4
Geschichte.
Dem
verständigen, Manne" habe
Verfasser,
heißt
wohlbelesenen,
in
es
dort ,
einem
Reichssachen
„hoch.
hocherfahrenen
ein loser Buchdruckergesell dieses „ Traktätlein “
gestohlen, für sein geistiges Eigenthum ausgegeben und es zahlreichen schwäbischen Reichsständen überreicht.
Der Graf von
Dettingen jedoch habe den Betrug gemerkt und den angeblichen Verfasser in Haft genommen.
Da sei es an den Tag gekommen,
daß er ein Fälscher sei und viele und unterschiedliche (gedruckte ! ) ,,dedicationes et nuncupationes " bei sich führe. der Graf den Bösewicht aus
Gnade und
Indessen habe
auf Fürsprache ein
flußreicher Personen wieder freigegeben, und dieser sei dann zu Stuttgart, wo das Büchlein gedruckt sein solle, auf Befehl des Herzogs Friedrich von Württemberg „erhöhet vnd an liechten Galgen gehenkt"
worden .
Rechtmäßig
gedruckt
ist dann die
Abhandlung, wie der Titel besagt, zu Prag im Jahre 1604 . Die
Schrift
ist
meines
Erachtens
um
des
willen be.
merkenswerth, weil sie uns die Reformgedanken eines Mannes enthüllt, der zur Zeit des üppig wuchernden Söldnerwesens die Nothwendigkeit der Rückkehr „ zur alten Kriegsdisciplin “, d . h . zur altgermanischen Waffenpflicht, zum gemeinen Heerbann, klar erkennt und auf den Grundsaß allgemeiner Wehrpflicht der physisch und moralisch zum Waffendienste geeig . neten gründet.
Unterthanen
einen
förmlichen
Organisationsplan
Er entwickelt seine Vorschläge aus den Bedürfniſſen
und Zuständen seiner Zeit und giebt so zugleich ein Culturbild, das für um so werthvoller gelten muß, als es von einem sachkundigen Manne entworfen ist, der - obwohl Beamter und - die Schäden des landes. durch und durch monarchisch gesinnt und grundherrlichen Regiments
mit dem nämlichen rücksichts-
lojen Freimuthe bloßlegt, wie die mannigfachen Gebrechen des damaligen Volfslebens . Die bewegende Ursache,
(514)
der die Schrift ihre Entstehung
5
verdankt, ist die Türkennoth. demnächstige schwere Heimsuchung
Der Verfasser befürchtet eine durch den Türken
als
ge.
rechte Strafe Gottes für die eingerissene Verachtung und Entheiligung des göttlichen Worts und Gebots, für die allenthalben überhand
nehmende Ungerechtigkeit, für die Zerrüttung
aller
guten Sitten und Tugenden und Uebung greulicher Laster, für die unnüße Verschwendung und die völlige Vernachlässigung der „rechten Kriegsdisciplin " .
Von streng protestantischem Stand-
punkte aus erinnert er an die vielfach beschehenen Zorneszeichen, die
einen nahen Zusammenbruch untrüglich ankündigen,
weist
nachdrücklich darauf hin,
und
welche Wohlthaten Gott den
Evangelischen innerhalb der lezten achtzig Jahre erwiesen habe : die Reformation, den Augsburger Religionsfrieden, die Regierung friedfertiger und versöhnlich gesinnter Kaiser, die Blüthe von Kirchen, Schulen und Univerſitäten, die Verbesserung und Hebung der Landescultur.
Dafür lohnt man Gott mit schnödem Undank.
Die Sonn- und Festtage feiert man auf den Spielpläßen und in Wirthshäusern, und diejenigen, welche noch gewohnheitsmäßig in die Kirche gehen, sind „ ganz taub, blindt vnd todt".
Den
Einen hält der Geiz, den Andern die Hoffahrt von der wahren Gottesverehrung ab.
Dabei giebt man vor, man habe ja die
Bibel und Postillen im Hauſe, aus denen man sich ebensowohl Bericht holen möge wie in der Kirche.
Das in jener Zeit von
allen Sittenpredigern vorzugsweise bekämpfte „ Laſter des Fluchens “ bezeichnet Freyberger als so allgemein, gehalten, sondern für
eine zirdt
daß es für keine sünde
der Rede
worauf man sich viel zu gute thut.
geachtet würdt“ ,
Auch die durch Leicht.
fertigkeit und Einfalt verursachte „ Teufelskunst “ („Wahrsagen und Hexenwerck") reißt täglich mehr ein. wird
Gott gereizt
durch
das
Laster
Am schwersten aber der
Ungerechtigkeit".
Mit anerkennenswerthem Freimuthe und mit scharfen Worten geißelt
der
Verfasser die Mißhandlung der
„armen Leute" (515)
6
(Landsassen), die achtzig Jahre früher zu dem großen Bauernfriege geführt hatte und den
meisten Gegenden
doch in Ober-
und
nach dessen
eher zu
kläglichem Ausgang in
als abgenommen hatte.
bis 1596 die große Bewegung von 1525 wieder Hier hatte sich gezeigt, und
religiöser
im
Hinblick
auf
Freyberger, „ daß
durch
die
siegende
nicht entwurzelt " worden waren.¹ diese der
aufgelebt !
daß " die tiefliegendsten Keime socialer
Unbotmäßigkeit
damals ( 1525 ! )
War
in Niederösterreich in den Jahren 1594
Gewalt Offenbar
österreichischen Bauernunruhen
betont
arme Mann von Tyrannen vnd ihren
tyrannischen beampten vielmale vntertruckt vnd mit verderblichen newerungen und schändlichen griffen vnd vnmeßigen beschwerungen belestigt" werde, „ daß ihme das marck biß vff die bein aus. gesogen würd“ . drein
Und solche Leuteschinder soll man noch oben-
gnädige Herren" heißen !
leidenschaft der Grundherren, zweiflung treibt.
Besonders ist es die Jagd.
die das Bauernvolk zur
Unter Berufung auf des Cyriacus Spangen.
berg ,,Jagteufel " hebt der Verfaſſer hervor, teutsches landts
Ver-
daß
„ daß die herren
wild zu großem verderben vnd schaden
Ihrer selbst vnd dann der vnterthanen
lassen heuffig zunemen,
solches also hegen und schüßen, daß der Arme vnterthan ſampt seinen äckern, wiesen, weingarten verderbt vnd verwüstet würd “. So kommt es, daß der „ arme Mann “, anstatt für die Herrſchaft zu beten, die Rache des Himmels auf sie herabflucht.
Die
Grundherren mögen wohl bedenken, „ daß die, ſo ſich nicht mit der faust rechen können, sich mit den zehren gegen Gott rechen, welche durch die wolcken tringen". ſind
auch dann nicht freizusprechen,
Die Fürsten und Herren wenn,
wie oft geschieht,
„ihre Apostel vnd wildmeister" es ärger treiben, als ihnen auf. getragen ist ; denn : warum laſſen ſie dieſe Quälgeiſter ungeſtraft, anstatt sie wie jener Pharao seinen Bäcker ehren“ ? (516)
zu erhöhen vnd zu
Auch die höheren Beamten, die fürstlichen und herr.
7
schaftlichen Räthe und Richter, Ehrbarkeit", sind für
sehen durch die Finger und Person,
besigen oft eine gar „schmale
Miet vnd Gaben" nicht unempfänglich, entscheiden
" haben kalte herzen,
unter Ansehung der
darauff dann der vnterthanen
großer widerwill, vngehorsam und schlechte Ehrerbittung folget". Den Krebsschaden des städtischen Lebens erblickt Freyberger in dem Wucher, der
Finanzerei ",
der Waarenverfälschung,
Sünden, deren sich die reichen Handelsleute massenhaft schuldig machen.
Wenn man sieht, wie sie die armen Leute ausbeuten,
und durch
ſubtile Ränck vnd griff"
um das Ihre bringen,
ſollte man meinen, „ daß der Mensch zu anders nicht, alß seinen nechsten zu beleſtigen, zu vervortheilen vnd boren" wäre. Als
die
zu betrigen ge-
allgemeinſte Landplage bezeichnet
ſodann das „ landstreicherisch,
der Verfaſſer
herrenlose bettelmannsgefindlein,
besonders aber die Erbarn vnd wohlgebuzte Ziegeuner " . Gesammtzahl der Bettler in schäßt er auf 10000.
allen zehn Kreisen
An einem einzigen Orte verkehren
wöchentlich oft 150-200 Bettler. wirklich
16 Kreuzer erbettele.
des Reiches
Davon ist höchstens die Hälfte in Wahr-
heit unterſtüßungsbedürftig .
von den 5000
Die
Freyberger nimmt an, daß
hülfsbedürftigen
einer
des
Tags
Dann beläuft sich die Summe der Almosen,
die sie zusammen in Klöstern, Kirchen, Spitälern, Städten und Dörfern,
beim
Adel
1333 Gulden und
und
bei den Bauern
20 Kreuzer für
den
empfangen,
Tag .
Die
auf
andern
5000 Landstreicher aber verstehen sich nicht nur auf das Betteln, das sie in
ihrer
Zunftsprache
„ Prachen “,
„ Erobern "
und
„Zopfen“ nennen, sondern auch auf „die edle Kunst des Hühner. fangens und Zugreifens ".
Sie geben sich gerne für Abgebrannte
aus und weisen „ Brennbriefe“ vor,
die ihnen ehrloſe Buben,
,,faule vagierende schreiber vnd studenten inskünfftig" ausgestellt haben,
auf sondere
data
und die auch der Siegel nicht (517)
ermangeln ; denn sie wissen sich von verdorbenen, leichtfertigen ,,bittschirschneidern"
Siegelstempel zu
verschaffen .
Die
„Re-
gister ", die solche Landfahrer über die erbettelten Almoſen zu führen pflegen,
weisen aus,
daß
einer den Tag oft bis zu
6 Gulden erschnappt.
Was sie
Garküchen,
Jaufertswirthshäusern, 2
schlimmen
erschwindeln,
muß
in der
taffernen
mit
freßen, sauffen, wollust, vppigkeit, spielen, huren 2c . " verthan werden. Veranschlagt man jeden dieser 5000 ausgelernten Tagediebe zu einer täglichen Einnahme von 28 Kreuzern, so beträgt die Gesammtſumme ihrer täglichen Almosen 2333 Gulden und 20 Kreuzer, mithin die Gesammtſumme der täglichen Einnahmen aller 10000 Bettler
3666 Gulden und 40 Kreuzer,
ihre Jahreseinnahme 1338 333 Gulden und 20 Kreuzer oder 13 Tonnen Goldes .
Gegen eine solche schier unglaubliche Aus .
beutung des deutschen Volkes, Reichstagsbeschlüsse
und
meint Freyberger,
Landespolizeiordnungen
mögen nichts
alle aus-
richten, da namentlich die Landleute fürchten, daß solch „pracherisch, landstreicherisch, ohne Almosen
vagantisch gesindlein “
eine Abweisung
mit brand rächen “ möchte, wie gar manche dieser
Gesellen anzudrohen sich erfrechen. Wirthschaftlich und sittlich höchst verderblich wirkt nach des Verfassers Versicherung der bei allen Ständen immer mehr ins Kraut schießende Luxus, worin es Einer dem Andern zuvor thun möchte, und der nicht nach Gebühr bestraft wird. sind Luxussteuern (leges sumptuariae), gehabt haben, sehr am Plaze.
Demgegenüber
wie sie die Römer
Die einschlägigen Verbote der
ständischen Polizeiordnungen haben sich ja in dieser Hinsicht als wirkungslos erwiesen .
Ganz ungeheuer ist namentlich der Luxus,
der mit Sammet und Seide getrieben wird .
Der Werth der
Seidenwaare, die auf einer einzigen Frankfurter Messe umgesezt wird auf 15 Millionen Gulden angeschlagen. Die
wird,
Italiener können den Deutschen in Sparsamkeit (518)
als
Muſter
9
gelten ; denn vnd
sie halten geringen Hoff, samlen viel, sind mechtig
reich an geld ;
allein die Teutschen verjagen vnd
ver-
pancketirens jehrlich, ja wohl viel million goldt, alles allein per luxum ;
darnach, wann daß waßer an die körb geht, mangelt
es hinden vnd fornen, will nirgend reichen, da doch Europa, ja Teutschland das reichste land (?) ist ".
Statt die deutsche Wolle
auszuführen und die theueren ausländischen Tuche zu kaufen und damit die Fremden zu bereichern, sollte man die Wolle in Deutschland verarbeiten und Kleider daraus machen. Wie soll man bei dem allgemeinen Verfall der Sitten dem Türken widerstehen, während man zugleich
mit der Römischen.
Babel zu thun vnd genugsam zu schaffen " hat .
Die Papiſten,
die sich als Vorkämpfer der Christenheit gegen die Türken aufspielen, können als solche nicht anerkannt werden ; haben sie bis jezt mit ihrem
heiligen Volk" gegen den Erzfeind
des Christenglaubens ausgerichtet ?
Nichts als Schlimmes haben
die Protestanten von der päpstlichen wärtigen,
die ja
Gottes verfolgt,
die Anhänger
„Hölligkeit “
des seligmachenden Wortes
„Hurengesindel“ in Rom duldet und
vor
(! ) zu ge-
während sie die „ gottlosen Juden“ und das
tragische Ironie muthet Jahre
denn : was
dem
unbehelligt läßt .
Wie
es uns an, wenn Freyberger vierzehn
Ausbruche
des
dreißigjährigen Krieges im
Hinblick auf die Greuel der Hugenottenkriege und der ſpaniſchen Tyrannei in den Karl's
V.
und
Niederlanden bemerkt, seiner
Deutschen zu danken, französisches
daß
geehrten aus der
nur der Mäßigung
Posterität "
hätten
es die
religiösen Spaltung
kein
oder niederländisches wesen " geworden sei, und
wenn er die Deutschen auffordert, an dem Augsburger Religions . frieden zu halten, der doch in seiner Halbheit und Unklarheit die Keime zu dem gräßlichsten Kriege barg. Hat man
also
vom
Papstthum
keinerlei
Unterſtüßung,
sondern eitel Feindschaft zu erwarten, so giebt es der Türken(519)
12
erhalten bis zur Musterung „ für ihre Zehrung " halben Monats. sold .
Bis das Regiment überhaupt zur Musterung kommt, ſind
bereits 5500 Gulden dafür verausgabt. Regiments
beläuft
668 380 Gulden. noch sind
die
sich
Der Monatssold eines
auf 50 370 ,
der
Jahressold
auf
Dabei ist weder der Abzugsfold gerechnet,
vielfachen
Unterschleife
und
Betrügereien in
Anschlag gebracht, die bei jeder Musterung vorkommen .
Be :
ständig schreien die Söldner nach pünktlicher Auszahlung ihres Solds, und wenn sie ihn bekommen, drei
oder
vier
Tag,
er
so wehret es mit wohl
mus an kleider, wein, bier, huren
gehenckt vnd vnnüßlich verschwendt werden, vnd wann dann nit alsobalden wider geld vorhanden, fangen sie an zu meutiniren, wollen wider den feind ohne Geld nit handlen vnd sind weder mit guten noch bösen worten dahin zu vermögen ". Aus alledem ergiebt sich, daß das „verwegen gesindlein“, das gegenwärtig die Heere bildet, moralisch untauglich ist, und daß der Aufwand, der zur Aufbringung und Erhaltung eines Söldnerheers erforderlich ist, seinem kriegerischen Werthe nicht annähernd entspricht. Daher sollen die Landes herren aus ihren eigenen Landsassen ein physisch und moralisch tüchtiges Kriegsvolk aus heben.
Dieses Landesaufgebot
muß aus Leuten bestehen, die nicht um des Gelderwerbs willen oder in der Hoffnung , Kisten und Beutel zu fegen, Leute Harnisch anthun.
anderer
In der Regel sollen nur unverheirathete,
junge Gesellen aufgeboten werden,
denn verheirathete Männer
sind zum Kriegsdienste weit weniger tauglich, weil sie mehr an die Haushaltung denken,
als an den Krieg
und sich in die
kriegerische Zucht und Ordnung schwerer schicken. ist die Hauptsache .
Ordnung aber
Eine Kriegsrüstung , wie sie sein soll, beruht vor . nehmlich auf drei Stücken : 1. „ auff einer beſondern wahl vnd erkiesung der vnterthanen " ;
(522)
13
2. „ auff bewappnung derselben mit allerlei guten wehren vnd leibsbewahrungen “ ; 3. „ auff ernstlicher kriegsdisciplin, fleißiger vnterweisung, abrichtung vnd anführung derselben in allerlei erforderten krigsfachen". Die „Wahl und
Erkiesung“,
denkt sich der Verfasser so, nämlich der dreißigste, Mann
eingestellt werden.
häbigen männlichen
d. h.
die Aushebung,
daß im ganzen drei Aufgebote,
der zwanzigste und
der zehnte
Da die Zahl der seßhaften, haus ,
Unterthanen
in allen
Reiches auf zwei Millionen geschäßt wird,
zehn Kreisen so
des
ergiebt sich für
das erste Aufgebot (den dreißigsten Mann) die Ziffer 66 666, für das zweite Aufgebot (den zwanzigsten Mann) die Ziffer 96666, für das dritte Aufgebot (den zehnten Mann) die Ziffer 183 666.
Das ergiebt eine Gesammtstärke von 346 994 Mann,
eine Zahl, die die Aufstellung zweier oder dreier starker Heere möglich macht. Mit dem Aushebungsgeschäft sind
in jeder Herr-
ſchaft zwei bis drei erfahrene Kommissarien und Muſterherren zu betrauen und zu diesem Zwecke mit Patenten und Instructionen zu versehen.
Diese Musterherren lassen eines jeden Orts junge
Bürger und Bürgerssöhne im Alter von 17 bis 24 oder auch bis 27 Jahren zu bestimmter Zeit an einem bestimmten Musterplaze antreten, wählen und frömmsten"
aus
die geradesten, stärksten, tugendhaftesten und
lassen sie
in die Musterrolle ein-
schreiben. Für die Einstellung der Einzelnen sind folgende fünf Gesichtspunkte feſtzuhalten : Maaßgebend
ist zunächst die Jugend der Mannſchaft ;
denn nur junge Leute vermögen leicht in die Kriegszucht hineinzuwachsen, noch mehr aber ihre moralische Tüchtigkeit , da nur
anneigung zur Erbarkeit vnd Dapferkeit einen geschickten (523)
14
Soldaten vnd guten krigsmann machen “. auszuschließen sind
alle
lasterhafte Buben,
Hurentrecker", Faullenzer, „Zugreifige" (Diebe) .
Von der Musterung
Haderer,
Säufer, Spieler,
Lügner,
Geizhälse
und
Die Ortsobrigkeiten haben den Muster-
herren über den Leumund der Auszuhebenden Auskunft zu geben . Für die Einstellung
giebt fernerhin der Beruf der Leute in-
sofern den Ausschlag,
als man darauf zu ſehen hat, daß eine
ausreichende Zahl von Handwerkern im Heere vorhanden ist, „ die guten nußen schaffen können “, macher, Plattner,
Sporer,
also :
Schlosser,
Schmiede, Büchsen-
Schifter (= Schaften-
macher, d . h. Verfertiger von Speerschäften), Wagner, Sattler, Mezger, Zimmerleute, Schuster u . A. m. die leibliche Gliedmaaßen
Beschaffenheit . ist
wohl zu
achten,
Maaßgebend ist ferner
Auf
die
Proportion
der
weil sie nach Freybergers
Ansicht zugleich für den moralischen Werth eines Mannes einen Maaßstab abgiebt.
Als
die besten notae vnd symbola eines
guten Soldaten " gelten ihm „freimuttes aufgericht vnd ſteiff “ Einhertreten und „ frische Augen “.
„Rote Augen, breite Bruſt
vnd schultern, große achsel, lange Arm, starcke feuſt, ein hoher aber kleiner Magen, kleine, dürre, trockene schenckel mit großen - Von ge kniescheuben" deuten auf ein "I mannhaft gemüt " .8 wisser Bedeutung für die Auswahl sind ferner die Vermögensumstände.
Es sind womöglich nur diejenigen einzustellen, die
ein gewisses Vermögen beſißen oder zu erwarten haben. Die genannten Gesichtspunkte sind im Allgemeinen auch für „die andere Wahl “ , d . h. für das zweite Aufgebot (den zwanzigsten Mann) maaßgebend . Dieses ist - ähnlich wie unsere Reserve
dazu bestimmt, im Nothfalle die erste Wahl (Linie ! ) zu ergänzen und zu verstärken.
So könnte man in der dritten vnd
lezten wahl als dem fünften (muß heißen den notfall zu
zehnten ") man auff
einer nachhuet gerüst haben, in welcher wohl
meistentheils schüßen sein sollen " . (524)
Das dritte Aufgebot also
15
ſoll eine Art von Landwehr bilden .
Von jenen fünf Gesichts-
punkten, nach denen die Auswahl zu treffen wäre, ist hierbei nicht die Rede.
Natürlich !
Da ja der zehnte
Mann aus-
zumustern ist, und die besten Elemente der Bevölkerung schon durch die beiden voraufgehenden Aufgebote in Anspruch genommen sind, so kann man jene Forderungen nicht alle oder nicht alle in ihrer ganzen Strenge berücksichtigen. Nachdem Freyberger dergestalt das Bild der Heeresverfassung, die ihm vorschwebt, und des Aushebungsgeschäfts , wodurch sie in die Praxis umrissen
hat,
disciplin" .
übertragen bespricht
werden
er
im
soll,
in
Folgenden
großen die
Zügen
„ Kriegs-
Zu ihr gehören vier Stücke : Uebung, Ordnung ,
Bezwang und Exempel . Unter
Uebung "
als Exerciren im
Lagerdienst bezeichnen . schaften durch
begreift der Verfasser Alles , was wir
weitesten
Sinne,
als Marsch-, Feld- und
Täglich (! ) müjjen die jungen Mann-
erfahrene Feldmeister " angewiesen werden, „ wie
sie sich zur wehr schicken “,
„ wie sie ein rohr geschwind laden
vnd spannen, recht anlegen vnd abtrucken sollen “.
Sie sollen
lernen, bei den Marschübungen die rechte Stelle nicht zu verlieren und „die Ordnung nicht zu zertrennen " .
Gefechtsübungen,
die den Ernstfall gewiſſermaaßen abspiegeln, sind als sehr nüßlich zu empfehlen.
Auch muß der Soldat sich an das Tragen von
Gepäck gewöhnen und durch Uebungsmärsche befähigt werden , Staub und Hiße zu ertragen.
Ferner ist er mit allen Arten
der Schanz- und Lagerarbeit vertraut zu machen . Zur „Ordnung“ gehört vor Allem eine zweckmäßige Eintheilung des Heeres Rotten. körper
in Regimenter, Fahnen (Fähnlein) und
Auf dem Marsche wie im Gefechte sollen die Truppeneinen gewißen tritt im einherziehen " halten.
Damit sich
die Truppe nicht zusammendrängt oder auseinanderzieht, ist außer dem Tritt auch der Abstand zu beobachten.
Der
Aufrecht(525)
16
erhaltung der Ordnung dient auch die zweckmäßige Anlage des Feldlagers .
Es soll
in gestalt eines kleinen ſtättleins " mit
Pforten, Gaſſen und freien Pläßen angelegt sein. schaften sollen in kleinen
Abtheilungen
von
Die Mann-
je zehn
Mann
(Rotten !) lagern. Unter
Bezwang " versteht
man
die Zucht,
durch die
,,vnbendige vnd mutwillige Soldaten eingethan vnd im zaum gehalten werden ".
Der Soldat ist vor Allem zur Eingezogen-
heit, Mäßigkeit und Enthaltsamkeit zu erziehen .
Nicht Maul-
helden gilt es heranzubilden, sondern Männer der That ; denn :
"1 Im rath die zung hat ihre krafft, im krig die faust das beste schafft".
Der Soldat soll weder mit Kleidern, noch mit Waffen,
noch mit Pferden Luxus treiben .
Zwar ist es beſſer, wenn er
„ zu schönen wehren vnd dapfern hengsten" mehr Luſt hat als zu feilen Dirnen,
aber
er soll
prunken, die dem Feinde
als
nicht mit Gold und Silber lockende Beute in die Augen
stechen, sondern wie die alten Spartaner mit Erz und Eisen . Nächst Gott verlaſſe er sich am meisten auf „ sein frölig, freidig herz, vnd soll derowegen ein soldat 1. fein gerat vnd ſtarck vom leib sein, 2. ein gute wehr vnd rüstung haben, 3. einen fertigen. sinn, vnd, was ihm
anbefohlen, verrichten, daß vberige Gott
vud seinen Feldoberſten anbefehlen, den einwohnern vnd vnterthanen nicht trübsal vnd angst anthun". Sehr kurz werden die „ Exempla “
abgethan .
Es sind
hierunter Belohnungen und Strafen („ praemia et poenae “ ) zu verstehen, die dem Verfasser zur Erweckung und Erhaltung des friegerischen Geistes und zur Aufrechthaltung kriegerischer Zucht unentbehrlich scheinen. Es sollen nicht nur die Ungehorsamen und Nachlässigen gestraft, sondern auch diejenigen, welche sich „ am zierlichsten halten “, durch „ Kleinode " (Preise ! ) belohnt werden. Durch die Betonung des kriegerischen Geistes bezeugt Freyberger, daß er, wie später unser Kaiser Wilhelm I. , einen Unter(526)
17
schied zu machen verstand zwischen Soldaten und „ abgerichteten Bauern" .
Schon darum
ist es wahrscheinlich,
daß
er eine
Ausbildung des Heeres durch periodisch wiederkehrende Uebungen an etwa wöchentlichen oder gar monatlichen Uebungstagen, wie ſie die unten zu besprechenden Landesausschüſſe empfingen, für unzureichend erachtet und eine ununterbrochene Dienstzeit von bestimmter Dauer eingeführt wissen will .
Leider hat
er sich über dieſe wichtige Frage nicht mit wünschenswerther Klarheit ausgesprochen.
In drei bis vier Jahren,
könne man die Mannschaft hinreichend ausbilden, man sie
meint er, doch müſſe
stetig " (!) üben und die Ausgebildeten durch „ Junge"
(Rekruten !) wieder erſeßen .
An einer anderen (ſchon angeführten)
Stelle spricht er von „täglicher “ Uebung der jungen Mannſchaft. Wir dürfen danach wohl die Flecken und Städte, die in den einzelnen Bezirken (je nach Umständen in deren Mitte oder an deren Grenze) den Fähnlein zugewiesen werden sollen, als die Standorte (Garnisonen ! ) dieser Abtheilungen und nicht etwa als wechselnde Uebungspläge periodisch zuſammentretender Verbände ansehen.
Dem scheint freilich die spätere Bemerkung zu wider.
ſprechen,
wonach die Uebungen im Fechten
an gewöhnlichen
feyer vnd sonntägen " von dem ganzen Fähnlein in der Mitte des Kreises oder an verschiedenen Orten desselben von einzelnen Befehlshabern sollen angestellt werden.
Doch darf man, glaube
ich, diese Bestimmung nur auf das zweite und dritte Aufgebot beziehen, die ja nicht die regelmäßige Truppe bilden, sondern nur „begebenden Falls " zur Verwendung kommen sollen. bar denkt sich Freyberger
als
das stehende
Offen-
Heer nur den
dreißigsten Mann, also das erste Aufgebot, während die beiden andern Aufgebote im Nothfalle zur Ergänzung der Lücken der eigentlichen Linie verwandt werden sollen .
Mit dieser Annahme
stimmt überein, daß später bei der Berechnung der Kosten für das Heer nur das erste Aufgebot berücksichtigt wird . 2 Sammlung. N. F. XV. 350.
Immer(527)
18
hin bleibt des Verfassers unklar.
Ansicht über diesen Punkt etwas
Ziemlich eingehend spricht er sich hingegen über die Art der
Rüstung
und
Bewaffnung
aus .
Die Hälfte
der
Mannschaft (wenigstens der beiden ersten Aufgebote) soll aus Doppelföldnern 10 bestehen und
mit Langspießen versehen sein ;
der zehnte Theil soll zur Hälfte Helbarden, zur Hälfte Schlachtschwerter (,,Beidenhänder") führen.
Ein Fähnlein von 400 Mann
soll mithin 200 Spießer, 160 Musketiere, 20 Helbardiere und 20
„Schlachtschwerter “
wie bräuchlich,
zählen .
Die Länge der Spieße soll,
9 Ellen oder 17 bis 19 Schuh messen.
Die
Brustharnische müssen stärker sein als die seitherigen, damit sie besser vor Kugeln schüßen .
Als Vorbilder in der Führung der
Waffen werden die Schweizer empfohlen, die den Spieß „ meisterlich vnd fechterischer weis solcher abgehawen,
wißen zu führen,
vnd wann ihnen
mit ihren beidenhändern wißen dapfer zu
wehren vnd mit denselben den feinden mannlich wißen zu be gegnen vnd die stangen entzwey zu hawen".
Daraus erhellt
zugleich, wie vortheilhaft die Bewaffnung mit Schlachtschwertern ist.
Die Doppelföldner sollen
„ geschneidige,
mit Feuerschlössern an der rechten Seite tragen. sollen mit eisernen Spangen beschlagen sein, soll einen spißigen Hammer bilden .
leichte Pistolet" Diese Piſtolen und ihr Kolben
Bevor sie ihre Spieße
brauchen, sollen die Spießer die Pistolen auf den Feind ab. feuern, um ihn dadurch zu schädigen und zu erschrecken.
Dann
werden sie die Feuerwaffe flugs wieder an die Seite hängen und
ihre spies in achtung nehmen".
Dringt der Feind in
ihre Reihen, so daß sie im Handgemenge die Langspieße nicht handhaben können, so können sie jene Pistolen als Streitkolben gebrauchen, deren Spißhämmer ihnen nach Freyberger's Ueber. zeugung noch bessere
Dienste leisten
Römern ihr Kurzschwert . (528)
werden,
als den
alten
Durch eine zweckmäßige Bewaffnung
19
des Fußvolks
kann
man erreichen,
daß
1500 Spießer
und
Schüßen es mit 2000 Speerreitern und Küraſſieren im freien Felde aufnehmen , vor
während sich sonst 10000 (sic ! ) ¹¹ Schüßen
600 Speerreitern nicht durften sehen
lassen .
Auch die
Helbardiere und Schlachtschwerter sind mit den bewußten Piſtolen zu bewaffnen, und sie müssen anstatt des „ Armgezeugs " Panzer. ärmel erhalten. und
Die Musketiere sind in „ Caßacken " zu kleiden.
mit einem starken Degen und einem Dolch als Seiten .
gewehren zu versehen .
Die Befehlshaber müssen in der Fecht-
kunst wohl erfahren sein und die Soldaten in ihren besonderen Wehren abzurichten verstehen. Wiewohl nun die künftigen Soldaten nicht wie Landsknechte um des Gelderwerbs willen dienen, wird der Kriegsherr dennoch gut thun, ihnen
für Wehr
und Kleidung "
Jahresfold (6 Gulden ! ) auszuwerfen.
einen
mäßigen
Die zehn Tapferſten
eines jeden Fähnleins bilden eine „ gefreite Rotte “, über deren Vorrechte Nichts verlautet, und schaftssold empfängt.
die den gewöhnlichen Mann-
Für jede Rotte ist
ein Rottmeister zu
bestellen, und dieser ist von gewissen Diensten, namentlich von Jagd. und Hegefronden, zu befreien.
Die eigentlichen Befehls.
haber müssen des Krieges wohlerfahrene Leute, rufsfoldaten sein.
also wohl Be.
Zu ihnen zählt Freyberger nicht nur Haupt-
leute, Fähnriche, Lieutenants, Feldwaibel und Fouriere, ſondern auch Trommelschläger und Pfeifer.
Den gesammten Jahressold
für ein Fähnlein berechnet der Verfasser
auf
2490
Gulden,
den eines Regiments auf 24 900 Gulden, wobei allerdings die Kosten für den Regimentsstab nicht mit in Rechnung gebracht sind.
In einem
ziemlichen Fürstenthum ", dessen erstes Auf-
gebot etwa 30000 Mann zählt, beliefe sich die jährliche Ausgabe für
das stehende Heer12 in Friedenszeiten auf ungefähr
20 000 Gulden.
Dies sei zwar, gesteht Freyberger
ein statt
liches Geld " ; aber wie gering sei dieser nothwendige Aufwand, 2* (529)
20
wenn man ihn mit den unnüßen Kosten vergleiche, die das „ landſtreicherische bettelmannsgeſindlein, herrenlose, gartenknecht und zigeuner“ einem Fürstenthum und dessen Unterthanen verursachen. Man muß sich eben das Sprichwort zu Herzen nehmen : „ Spar' das Geld, verlier' das Feld. " Großen Werth legt Freyberger und Geniewesen.
Er
auch auf das Geſchüß-
empfiehlt die Anwendung
von neu
erfundenen und
schröcklich außehenden Inſtrumenten “ ( „ Löwen “,
„Greifen “ 2c.).
Sie sollen auf Wägen befestigt werden, die,
mit vier Pferden bespannt, vor der Schlachtordnung aufgestellt und gegen das feindliche Heer vorgetrieben werden.
Die Wagen
pferde müssen allerdings, damit sie nicht vom Feinde getödtet werden können, hinter den Wagen gespannt und „durch kunſt vnd sondere Instrumenta" regiert und
geleitet werden .
Den
Schrecken und die Verwirrung, den dieſe Geſchüße unter dem feindlichen Heerhaufen
anrichten,
muß
die rasch nachrückende
Truppe durch schleunigen Angriff nach Kräften ausnußen . Für den Festungskrieg
empfiehlt Freyberger
wendung der jüngst
erfundenen Petarde,
Türkenkrieg so gut bewährt habe.
namentlich die Andie sich im
leßten
Zur Leitung des Geſchüß,,
Genie und Belagerungswesens gehören besonders „ Instruierte, abgerichtete, dapfere, ansehnliche, geschickte, ehrliche, tugendhafte, verstendige" Leute. Für die Officiere , wohl namentlich für die Befehlshaber der
zuleht berührten
technischen
Waffengattungen
(Artillerie,
Genie u . s . w .), hält Freyberger eine theoretisch - praktiſche Ausbildung von Jugend auf für nothwendig.
Um allezeit
,,qualificierte Personen “ zur Hand zu haben, erscheint es rathſam, daß ein jeder Landesherr 12-30 ( oder je nach Bedarf mehr) frische und herzhafte Knaben
aus
guten Familien
auf seine
Kosten auf der Universität oder an einer Academie studiren läßt . Die Wissenschaften, denen sie sich vorzugsweise zu widmen haben, (530)
21
sind : Philosophie, Mathesis (Mathematik), Arithmetik, Geographie und Kosmographie.
Auch sollen ſie „ die fürnembsten politicos,
ethicos und krigsſcribenten “ leſen, besonders aber auch hiſtoriſche Schriften, denn „felix quem faciunt aliena pericula cautum “ . Zu dieser geistigen Ausbildung müſſen Leibesübungen im Fechten, Schießen, Laufen, Springen und Schwimmen ergänzend hinzu. kommen.
Diese jungen Leute dürften mit zwanzig Jahren hin-
reichend ausgebildet sein.
Es erübrigt nur noch, daß sie in
fremde Länder geschickt werden, um die ausländischen Sprachen zu erlernen.
Die Herrschaften sollen sich 2000 Gulden jährlicher
Kosten, die diese Ausbildung von Officieren etwa verursachen. würde, nicht dauern laſſen. Wie
aus den vorstehenden Mittheilungen
ersichtlich ist,
denkt der Verfasser bei seinen Reformvorschlägen vorzugsweise an das Fußvolk.
Die Artillerie wird nur nebenbei erwähnt .
Es ist bezeichnend für die im Zeitalter der Landsknechte allgemein herrschende Geringschäßung der Reiterei, daß sich Frey. berger über diese Waffen keine Gedanken macht.
Die reut
terey berürent werden fürsten vnd herrn von ihrem Adel vnd lehenleuthen einen beystand haben vnd sich hie innen wißen zu verhalten".
Es genügt nach seiner Ansicht, wenn sich diese adelige
Lehensreiterei zweimal im Jahre zur Musterung versammelt. Um
die
Tragweite
der
Reformvorschläge
Freybergers
würdigen zu können, wird man die Frage beantworten müssen : Waren denn, als er seine Schrift verfaßte , nicht schon Anfäße zu einem neuen Wehrsystem vorhanden ? — Es ist bekannt, daß der altgermanische Grundsaß der allgemeinen Waffenpflicht durch die Lehensverfassung des Mittelalters mehr und mehr eingeschränkt und seiner practischen Bedeutung allmählich fast ganz entkleidet worden ist. 13 Theoretisch aber blieb. die der alten Grafengewalt entstammende Befugniß der Landesherren, in gewissen Fällen den gemeinen Heerbann aufzubieten, (531)
22
durch das
ganze Mittelalter gewahrt.
Die Weisthümer des
15. Jahrhunderts bezeugen diese Thatsache genugsam . z. B. der Graf von Kaßenelnbogen
als
„ oberster
So war Vogt und
Herr" (Gerichtsherr ! ) berechtigt, durch „Landgeschrei “ und „mit läutender Glocke "
alle
wehrhaften
Leute seiner Landgerichte
(Zentleute) zur Landfolge zu entbieten.
Bei den " ungebotenen
Dingen" erschienen die Zentmannen an der Wahlstatt des Landgerichts, dem „ Landberge “, in Harnisch und Wehr.
Die Be-
fugniß des Zentherrn, über den Heerbann der Zent zu verfügen, war jedoch auf gewisse Fälle beschränkt : meiner Landesnoth; Kezern;
3. der
1. auf den Fall ge-
2. der Verfolgung von Verbrechern und
„Königsreise " (Reichsheerfahrt !) .
Wenn das
Land von Feinden überfallen wird, wenn von einem „ fremden Gewaltherrn" oder von „ Ungläubigen “ Gefahr droht, dann soll dem Zentherrn zum so bestimmen die Zentweisthümer Zwecke der Landvertheidigung Alles Stangen tragen" kann .
folgen,
was „ Stab und
Auch die Unterdrückung
eines „ Un-
christenglaubens " innerhalb des Landes und die Verfolgung und Gefangennahme oder Ausrottung
gemeinschädlicher Verbrecher
gehören zu den kriegerischen Pflichten des gemeinen Zentmannes . Auch bei einer von dem Könige angesagten Reichsheerfahrt wird dem Gerichtsherrn das Recht zugesprochen, den Heerbann aufzubieten.
Indessen haben diejenigen Bestimmungen der Weis.
thümer, die sich auf die Königsreise beziehen, sofern es sich um eine Heeresfolge der bäuerlichen Bevölkerung „ über Berg " oder ,,gegen die Ungläubigen " handelt, im 15. Jahrhundert keine praktische Bedeutung mehr gehabt und sind insofern ein bloßes Rechtsalterthum .
Die Pflicht der Unterthanen hingegen, „ dem
Land zur Wehre, zu Hilfe und Troste" unter die Waffen zu treten, d . h . die Pflicht der Landesvertheidigung, praktische Bedeutung nie ganz verloren zu haben.
scheint ihre Die Bürger-
schaften wenigstens gelten durch das ganze Mittelalter hindurch (532)
23
für die kriegerische Besaßung der Städte .
Die bäuerliche Wehr
kraft begannen die Fürsten gegen Ende des Mittelalters ihren Zwecken wieder dienstbar zu machen, und in diesem Betrachte waren jene altüberlieferten Rechtssäße der Weisthümer gewiß nicht ohne Bedeutung. mählichen Verfall
Die Fürsten gelangten durch den all-
der auf dem Lehenwesen beruhenden Wehr-
verfassung zu dem Bewußtsein, daß kostbare kriegerische Volkskräfte seit Jahrhunderten brach gelegen hatten, und wendeten der Bewaffnung der bäuerlichen Bevölkerung ihre Aufmerksamkeit zu .
In den Kämpfen des 16. Jahrhunderts spielt das bewaffnete
Landvolk, der „ Landesauszug “ , namentlich truppe eine nicht unbedeutende Rolle. 14
als Besaßungs-
Den Kern der Feld-
armee bilden damals freilich die Landsknechte .
Je deutlicher
sich aber die Mängel und Schäden des Söldnerwesens
in der
Folge offenbaren, desto deutlicher tritt bei den Landesherren die Einsicht hervor, daß man die Wehrkraft der Unterthanen mehr als bisher in Anspruch nehmen müsse . sprangen
Dieser Erkenntniß ent-
jene Landesverordnungen, die auf eine bessere und
regelmäßigere Waffenübung des Landes aufgebots und die Vereinigung
der
bestausgebildeten
„Landesausschüssen“ abzielten.
Unterthanen
zu
besonderen
Hierfür war die Berufung
der Fürsten auf die alten Bestimmungen der Weisthümer und die darin zum Ausdruck kommenden alten Grafenrechte um so wichtiger, als die Unterthanen selbst,
namentlich die Bauern,
soweit sie nicht als Reisläufer und Landsknechte das Kriegs . handwerk als Lebensberuf ergriffen hatten, des Waffendienstes entwöhnt waren und die neue Bürde nicht ohne Widerstreben auf sich nahmen .
Einsichtige, vaterlandsliebende Männer hin-
gegen erblickten in den neuen Maaßnahmen der Fürsten zum Zwecke einer neuen Wehrverfassung schritt.
einen bedeutenden Fort-
So berichtet der kurpfälzische Consistorialrath Dr. Markus
zum Lamb in Heidelberg rühmend von seinem Landesherrn : (533)
24
,,Anno 1594 hatt Pfalzgraff Friedrich IV. Churfürst allenthalben durch die Churfürstliche Pfalz Exercitia Militaria an richten vndt die vnterthanen in kriegssachen üben vndt gewaltig abrichten lassen, vff den nottfall sie zu Rettung vndt beſchirmung des Landts nechst göttlicher hilf desto füglicher zu gebrauchen, hatt auch volgents
bis
anhero solches Continuirt vndt zum
wenigsten Einen tag in der wuchen solche Exercitia mit Ihnen treiben lassen, sie offt gemustert vndt selbs besichtiget, also daß allenthalben die Bauern vff den Dörfern so woll, als die Bürger in den Städten vndt Flecken gar wacker vndt woll abgerichtet geworden ; wie auch ire Churfürstliche gnaden iedes orts von den besten vndt geübsten Einen Ausschus verordnet, dieſelben wehrhaft gemacht, also daß sie sonderlich an den Son vndt Feyertagen ire wher antragen haben müssen, vnd in solchem allem auch für ire person als Ein trewer Vatter vndt Christlicher Regent dem Lieben Vatterlandt vndt iren armen vnderthanen sampt allen angehörigen zum besten keinen fleiß, mühe, arbeit gespart haben" .15
Die Gesammtziffer der eingeübten Volkswehr
schäßte man in der Pfalz auf 30000 Mann . Regimenter getheilt , innerhalb deren Dörfern
angehörigen Rotten
(Uniform !) erkannten . 16
Sie war in
sich die den
einzelnen
an ihrer gleichartigen Kleidung
Aehnliche Einrichtungen wurden durch
die ebenfalls im Jahre 1594 erlassene „ Defensionsordnung " in den österreichischen Erblanden getroffen. An die Land. bevölkerung ergingen auf Grund dieser Ordnung stetig erneute ſtändische Erlaſſe über Ausloosung des dreißigsten, zehnten, ſelbſt fünften Mannes .
Die von ihrer Herrschaft also Ausgelooften
haiten sich dann zu bewaffnen, oder, wo diese nicht
entweder aus eigenen Mitteln,
ausreichten, aus den Rüstkammern ihres
Herrn ; bewaffnet wurden sie vor dem ernannten Befehlshaber und den ständischen Deputirten auf dem Sammelplaße gemustert und hatten sich dann bereit zu halten entweder zum Schuß des (534)
25
Landes, oder auch theilweise, nach dem Beschluß der Stände, zur Abführung nach der ungarischen Feldarmee" .17 wärts mühte
man sich,
Auch ander.
„ die althergebrachte, theils auf dem
Lehensverband, theils auf der Unterthanenschaft beruhende Pflicht der Landesvertheidigung durch Aufzeichnung und Organiſation, Bewaffnung und Einübung der
wehrhaften Bevölkerung der
fortgeschrittenen Kriegskunst anzupassen ".18 Dem Landgrafen Moriz von Hessen 3 Kassel hatte die Heimsuchung der Rheinlande und Westfalens durch die Spanier des Mendoza im Jahre 1598 die Nothwendigkeit einer Organiſation des Landesausschusses nahe gelegt, und er hat in der Folge über diesen Gegenstand
mit seinen
Landständen
ernsthaft
unterhandelt.19
Im Jahre 1609 beschloß sein Vetter, Landgraf Ludwig V. von Hessen - Darmstadt , den Landesausschuß
durch regel.
mäßige Uebungen besser, als bisher geschehen, für den Ernſtfall auszubilden,
und erbat sich vom Markgrafen Joachim Ernst
von Brandenburg - Ansbach zu diesem Zwecke einen „ Trillmeister ".20 Welches war der Erfolg dieser landes herrlichen Einrichtungen? ― Im Ganzen blieb die erhoffte Wirkung dieser Neuerungen
aus .
Der
Landesausschuß hat wohl hie
und da als Besaßungsmannschaft seine Aufgabe leidlich erfüllt, wo er aber im freien Felde geschulten Soldtruppen gegenüber stand, oft versagt.
Selbst die besonders zahlreiche und durch
häufige und regelmäßig wiederkehrende "/ Trillereien “ sorgfältig geübte pfälzische Volkswehr hat sich bei Gelegenheit des Einfalls in den Elsaß ( 1610) durchaus nicht bewährt .
Der kur
pfälzische Befehlshaber erkannte mit Schrecken "/ die Unbrauch. barkeit der so lange und eifrig gepflegten Miliz gegen geübte Soldaten : die Leute liefen bei geringem Alarm davon und ver langten nach kurzer Zeit, da die einen ihre Hauswirthschaft zu besorgen, die andern die Frankfurter Messe zu beziehen hatten, so stürmisch ihren Abschied, daß man ihnen denselben gewährte, (535)
26
damit sie
ihn nicht nahmen " .21
Man sieht, es fehlte diesen
Leuten bei allem Geschick und bei aller Uebung die Hauptsache : Es waren abgerichtete Bauern, Gevatter
der kriegerische Geist.
Schneider und Handschuhmacher, keine Soldaten. Wenn wir beobachten, wie die Versuche der Fürſten, aus der Landfolge ein für alle Fälle brauchbares Heer zu schaffen, troß aller Anstrengungen mißlingen, so fragen wir billig : Wird durch diesen Mißerfolg nicht die Werthlosigkeit von Freybergers Theorie erwiesen ? Oder enthält sie Gesichtspunkte, die bei jenen Reformversuchen der Landesherren gar nicht,
oder doch nur
mangelhaft berücksichtigt wurden ? - Die erste Frage ist meines Erachtens ebenso entschieden zu verneinen, wie die leßtere bejaht werden muß.
Die Schrift enthält in der That eine ganze An-
zahl von Grundsäßen,
deren Befolgung gesündere militairische
Zustände hätte anbahnen können, und die - freilich mehr als ein Jahrhundert später - als richtig erkannt und angewendet worden sind. Der Werth der Ausführungen Freybergers beruht zunächst auf der Forderung, allemal zu brechen.
mit dem Söldnerwesen
ein für
Die mannigfachen Mängel und Gebrechen
der Soldheere wurden freilich schon längst bitter empfunden. Die Reichstagsbeſchlüſſe
und
die Bestimmungen
der
Land-
ordnungen gegen die Landverderber und Leuteschinder, die „ gar. denden Knechte" 22 beweisen das zur Genüge .
Landgraf Philipp
der Großmüthige von Hessen, der das Söldnerweſen gründlich kennen gelernt hatte, kam im Alter zu der Ueberzeugung, „ daß es mit dem seitherigen System nicht weiter ginge, und empfahl ſeinen Söhnen im Testament, nur Defenſionskriege zu führen, da man die Ansprüche der Söldner überhaupt nicht mehr befriedigen könnte" 23
Von der Unzuverlässigkeit und Anmaaßung
dieser
Berufsfoldaten war man nicht minder überzeugt, wie von ihrer Kostspieligkeit. (536)
Wie mancher Fürst und Herr wußte davon ein
27
Liedchen zu singen ! Dennoch ertrug man sie, begehrte man sie, weil man sie als ein nothwendiges Uebel betrachtete.
Während
nun die Landesherren bei der Ausbildung ihrer Volkswehr zunächst nur an eine Ergänzung und Verſtärkung ihres im Einzelfalle zu
werbenden Soldheeres
denken, zieht Freyberger
aus
der Gemeingefährlichkeit und Nichtswürdigkeit der landfahrenden Kriegsknechte den Schluß, vor dem die zeitgenössischen Fürsten zurückscheuen, Söldnern !
er
ruft mit
Entschiedenheit :
Fort
mit
den
Für diese seine kühne Forderung giebt den Aus .
schlag die feste Ueberzeugung, „ daß die anneigung zur Erbarkeit und Dapferkeit einen geschickten soldaten und guten kriegsmann “ machen,
daß also für die Kriegstüchtigkeit am leßten Ende die
moralische Würdigkeit Betonung des
entscheidend ist.
Die
ungemein starke
moralischen Elements im Kriegswesen
zeigt,
wie weit Freyberger vielen seiner Zeitgenossen voraus
war.
Der unserm heutigen Wehrſyſtem eigene Grundſaß, daß
die Waffenpflicht zugleich eine Ehre ist, auf die der Verbrecher keinen Anspruch hat, kommt schon in Freybergers Schrift un. zweideutig zum Ausdruck.
Dieser hohen Werthschäßung
der
moralischen Tüchtigkeit entspricht seine Forderung der Erziehung der Mannschaften zu kriegerischem Sinn und Geiste. mit
klarem
junge,
Blicke
die Nothwendigkeit ,
unverheirathete
heranzuziehen,
Leute
weil nur solche
zum
Er erkennt
vorzugsweise Waffendienste
"/ mit der Disciplin
auf-
wachsen“ können, weil nur sie die Bildſamkeit des Körpers, des Geistes
und des Willens
fordert. überlegen.
besigen ,
welche
die Kriegszucht er.
Auch in diesem Punkte zeigt er sich den Zeitgenossen Wurden doch in manchen Gebieten zuweilen Greise
von 68 und 69 Jahren als wehrpflichtig in den Musterrollen des Landesausschusses geführt ! 24 die Forderung
Freybergers
Wie berechtigt und sachgemäß
war,
vor
Allem
unverheirathete
Männer einzustellen, beweist das Verhalten jener kurpfälzischen (537)
28
Wehrmänner, die die Sorge um ihre Hauswirthschaft und ihre Geschäfte auf der Frankfurter Messe reißen.
vorschüßen,
um auszu-
Mit der Erziehung zu kriegerischem Geiste muß eine
allseitige, tüchtige Ausbildung der jungen Mannschaft Hand in Hand gehen.
Sie muß in kriegsmäßigen Uebungen gipfeln, die
den Soldaten für den Ernstfall
geschickt machen .
Um diesen
Zweck zu erreichen, bedarf die Mannschaft „ täglicher “ Uebung, wie sich denn auch die Janitscharen, deren Tüchtigkeit die Türken so sieghaft
macht,
in stettiger
kriegsrüstung üben ".
Diese
Forderung in Verbindung mit dem Hinweis auf die türkiſche Kerntruppe beweist, daß Freyberger
das
erſte
Aufgebot (den dreißigsten Mann) ein bloß wöchentliches
oder
ſonntägliches Exercieren,
wie
es
wenigstens für
bei
den Landesausschüſſen
bräuchlich war, für unzureichend und eine „ stetige " Waffenübung für nothwendig hielt.
Er scheint eine Dienstzeit von drei bis
vier Jahren zu fordern .
Ob
er sich diese durch längere Be-
urlaubungen unterbrochen denkt, ist nicht zu ersehen.
Daß er
für die beiden anderen Aufgebote (den zwanzigsten und den zehnten Mann) eine mehrjährige unausgeseßte Uebung nicht verlangen konnte, liegt auf der Hand.
Auch der Grundsay, wonach nur
junge, unverheirathete Leute eingestellt werden sollen, ließ sich bei der zweiten und dritten
Wahl “
nicht durchführen .
Für
diese beiden nur für den Nothfall zur Ergänzung und Verſtärkung der Linie in Betracht kommenden Aufgebote scheint er eine periodische Ausbildung und Uebung, wie sie beispielsweise dem kurpfälzischen Landesausschusse zu Theil wurden, für aus. reichend zu erachten .
Ueber das Verhältniß der drei Aufgebote
zu einander spricht er sich nicht näher aus .
Ob die Soldaten
der Linie nach Ablauf ihrer Dienstzeit etwa dem zweiten Aufgebot einverleibt
werden sollten,
um
nach Verlauf
einer be
stimmten Frist in das dritte überzugehen, wird nicht erörtert. Für des Verfassers überlegene Einsicht spricht ferner die
(538)
29
Forderung einer theoretisch-praktischen Vorbildung der Officiere. Was er in dieser Beziehung
vorschlägt,
folgenden Jahrhunderte durch die häusern, Kriegsschulen wirklicht worden.
ist erst im Laufe der
Errichtung
und Kriegsacademien
von Kadettenallmählich
ver-
Der von ihm für die militairischen Zöglinge
vorgeschlagene Lehrplan trifft
in allen Punkten die wirklichen
Bedürfnisse und giebt von seinem gefunden Sinne und von seiner Sachkenntniß beredtes
Zeugniß.
Anzuerkennen ist namentlich,
daß er eine fachmännische Ausbildung fest ins Auge faßt, ohne dabei die allgemeine Bildung aus dem Auge zu verlieren . Enthält demnach Freybergers Schrift eine Reihe von frucht. baren Gedanken, die späterhin bei der Schöpfung eines Volks. heeres in die Praxis übertragen worden sind, so erhebt sich die Frage :
Sind seine Vorschläge zu seiner Zeit durch.
führbar gewesen? sich gegen die
Zweierlei gewichtige Bedenken laſſen
Möglichkeit der
Wehrpflicht erheben.
Einführung
Das erste betrifft die Geldfrage .
es bei den damaligen financiellen Kosten für
den
der allgemeinen
Verhältnissen möglich,
"7 miles perpetuus "
Reich ist die Frage zu verneinen .
aufzubringen ?
War die
Für das
Dafür spricht die Geschichte
der vergeblichen Versuche, das Reichskriegswesen auf eine allgemeine regelmäßige Reichssteuerverwaltung zu gründen, nur allzu deutlich.
Daher nimmt denn auch der Verfasser von dem Vor.
schlage, das Heerwesen von Reichswegen zu ordnen, von vornherein Abstand .
In richtiger Erwägung der Machtverhältnisse
denkt er sich als Träger der Reform nicht den Kaiser, sondern die Landesherren.
Was deren financielle Verhältnisse
so waren sie natürlich sehr Herren,
es den Kurfürsten
entfaltung gleichzuthun,
verschieden. oder
Die Sucht mancher
gar dem Kaiser an Pracht.
brachte die Finanzen
staates in arge Verwirrung .
betrifft,
manches Klein-
Daß sich ein so gescheidter und
Gelehrtenschrullen abholder Reichsfürst wie Herzog Friedrich I. (539)
30
von Württemberg, der auf dem Reichstage zu Regensburg im Jahre 1594 den Kaiser Rudolf II . durch seine „stattliche Haltung“ in Schatten stellte, sich troß häufiger bitterer Erfahrungen immer wieder der Hoffnung hingab,
durch die Goldmacherkunſt eines
Alchimisten zu großen Reichthümern zu gelangen,25 erklärt sich nur aus dem Mißverhältniſſe, in dem seine Bedürfniſſe zu ſeinen Mitteln und
Einnahmen standen.
seiner Reformpläne
nur
auf der
Daß die Verwirklichung gediegenen Grundlage
einer
geordneten Finanzverwaltung sich vollziehen könnte, darüber war sich Freyberger völlig klar.
Diese Einsicht ist ein Hauptgrund,
um deſſentwillen er den Luxus der Fürstenhöfe, des Adels und des Bürgerthums, die Ausſaugung des Bauernstandes durch die Grundherren auf das Schärfste verurtheilt.
Er verlangt Spar-
ſamkeit in Staat und Gesellschaft und ist nicht abgeneigt, eine Luxussteuer einzuführen .
An
der Hand
eines freilich unzu-
reichenden ſtatiſtiſchen Materials bemüht er sich, nachzuweisen, wie die mangelhafte Landespolizei, die das fahrende Gesindel der Bettler, der Tagediebe und namentlich der herrenlosen Söldner („ Gartenknechte “) gewähren läßt, Deutſchland jährlich um Unsummen Geldes bringt, die, wenn sie nur theilweise der Gründung eines brauchbaren Volksheeres zugewandt würden, lande zum größten Segen gereichen würden.
dem Vater-
Die Ausgabe für
die Löhnung, die er den Soldaten " der ersten Wahl " auswirft, ist ,
mit diesen Summen verglichen ,
gering.
nach seiner Meinung sehr
Er hofft offenbar, daß in Folge der allgemeinen Ein.
führung einer Volkswehr die Landplage des herumschwärmenden Söldnergesindels aus der Welt geschafft werde, eine Hoffnung, die freilich sehr kühn erscheint, wenn man bedenkt, daß er die Zahl der
in Bestallung" befindlichen Knechte
menter, also auf 224000 Mann, veranschlagt.
auf 56 Regi Immerhin wird
man die Möglichkeit, für ein aus Unterthanen gebildetes stehendes Heer die nothwendigen Mittel (540)
zu schaffen,
für die Zeit vor
31
Ausbruch des
dreißigjährigen Krieges
nicht völlig
in Abrede
ſtellen können, wenn man sich vergegenwärtigt, daß der Große Kurfürst unter viel schwierigeren Verhältnissen und troß der ent seglichen Verwüstungen des großen Krieges die Erhaltung des „miles perpetuus “ möglich gemacht hat,
der
dazu
noch aus
kostspieligen Söldnern sich zusammenseßte . Wenn in den größeren Territorien die rechte Einsicht siegte,
wenn allerwärts der red-
liche Wille vorhanden war, die Finanzverhältnisse wenn sich Fürsten fanden,
zu
ordnen,
die thatkräftig und selbstlos genug
waren, diese Ordnung durchzuführen,
dann
war die Verwirk-
lichung von Freybergers Reformplänen kein Ding der Unmög. lichkeit.
Das freilich war
der Fluch unserer Geschichte, daß
alle derartigen kühnen Reformgedanken keine Heimath fanden in einem starken deutschen Einheitsstaate, sondern mit einer Vielheit von Kleinstaaten zu rechnen hatten. Das zweite Bedenken, das man gegen Freybergers Plan geltend machen könnte, ist im Vorhergehenden bereits angedeutet : Wie war ein plößlicher Bruch mit der Ueberlieferung , etwas Unentbehrliches Hier ist zuzugeben, daß erklärte , überhaupt denkbar? ―
die das Söldnerwesen für
die Menge der Söldner, die es damals in Deutschland gab, nicht mit einem Schlage aus der Welt geschafft werden konnte, auch wenn alle Reichsfürsten zugleich sich zur Durchführung der allgemeinen Wehrpflicht entschlossen hätten . dem einen zum andern System ziehen.
Der Uebergang von
konnte sich nicht plößlich voll.
Auch diese Schwierigkeit ist
unserem Verfasser
nicht
entgangen. „Vnd ist ein weit anders ," sagt er, „ ein kriegsvolck allererst anstellen, ein anders aber, das vnterwiesene werben. " Daß der Anfang recht schwer ist, erkennt er mithin an, aber er tröstet sich offenbar mit dem Gedanken, daß man ja die guten und brauchbaren Elemente des verwenden könne,
vorhandenen Kriegsvolks
dazu
die newe krigspräparation vnverhinderlichen (541)
32
ins werd zu sehen “ , daß sie also als Ausbildungspersonal bei der Einübung der jungen Mannschaft gute Dienſte leiſten können . Durch diese leise Andeutung läßt er erkennen,
wie er sich den
Uebergang der alten zur neuen Wehrordnung denkt .
Nur mit
der seiner Meinung nach des Waffendienſtes unwürdigen Maſſe des kriegerischen Gesindels will er aufgeräumt wissen ; die tüchtigen Bestandtheile der Volksheere aufgehen .
Söldnerschaft
sollen
in
dem
neuen
Daß er gleichwohl die Schwierigkeit eines
solchen Uebergangs nicht nach Gebühr würdigt, scheint ein Blick auf die spätere Entwickelung lehren.
des
preußischen Heerweſens zu
Wie lange war der Grundſaß der allgemeinen Wehr.
pflicht in Preußen schon angenommen und ausgesprochen, man ihn ganz durchführen konnte !
ehe
Bis in das 19. Jahrhundert
hinein hat ja das preußische Heer nur zum Theil aus einge. ſtellten Landeskindern
bestanden,
geworbene Söldner darstellten.
während
den
anderen Theil
Sieht man indessen
näher zu,
so ist dieser Hinblick auf die Entwickelung in Preußen für die Beurtheilung der Verhältnisse, wie sie vor dem Ausbruche des dreißigjährigen Krieges lagen, nicht schlechthin maaßgebend .
Die
entsegliche Entvölkerung und die auf Jahrhunderte hinaus fühl. bare tödtliche Entkräftung Deutschlands durch den großen Krieg hat der Verwirklichung des Gedankens pflicht Hindernisse
entgegengesegt,
Kampfes nicht bestanden.
der
allgemeinen Wehr-
wie sie vor Ausbruch des
Noch unter Friedrich Wilhelm I. und
Friedrich dem Großen lagen doch die Verhältniſſe ſo , daß jede gewerbfleißige Hand , die den Kuhfuß führen mußte, im gewerb lichen Leben schmerzlich vermißt wurde. Mangel zwang die dem Mercantilismus
huldigenden
Fürsten,
Arbeitskräften ängstlich hauszuhalten .
mit
den
vorhandenen
Die Wehrordnung mußte
auch in Preußen auf die gesellschaftlichen und wirthschaftlichen Verhältnisse noch lange alle möglichen Rückſichten nehmen.
Das
Bürgerthum blieb aus diesem Grunde mit dem Wehrdienst noch (542)
33
geraume Zeit fast
gänzlich verschont,
und die Cantonspflicht
wurde in der Hauptsache auf das flache Land beschränkt. ſelbſt hier mußte man mit der Einstellung ziemlich glimpflich verfahren.
Ja,
der Mannschaften
Friedrich der Große hat gewiß
nicht ohne triftige Gründe das
neuerworbene Ostfriesland von
der Kriegsdienstpflicht ausgenommen .
Eine so behutsame und
langsame Durchführung eines richtigen und segensreichen Grundsages wäre ganz offenbar zur Zeit Freybergers nicht nothwendig gewesen.
Bei der reichen Fülle überschüssiger Arbeitskräfte, die
Deutschland damals besaß, hätte sich der Uebergang viel rascher und leichter vollziehen können, wären Einsicht und guter Wille überall vorhanden gewesen.
Und
wie sie Freyberger ausspricht, hätte nicht der große Krieg
vielleicht wären
Gedanken,
auf fruchtbaren Boden gefallen,
eine für
unser Vaterland so ver.
hängnißvolle Nachblüthe des Söldnerwesens erzeugt, hätten nicht Männer wie Wallenstein die Frage nach der Ernährung des ſtehenden Heeres durch den für Land und Leute so verderblichen Grundſaß gelöst, wonach der Krieg den Krieg ernährt. deutet denn der
So be-
dreißigjährige Krieg, wie für manche andere
Ansäße einer gesunden Entwickelung, auch für die sich anbahnende Heeresreform im Sinne der allgemeinen Wehrpflicht eine jähe Unterbrechung,
welche die vorhandenen hoffnungsvollen Keime
theils vernichtet, theils für lange Zeit an ihrer Entfaltung verhindert hat.
Dem Verfasser des „ Discursus " aber wird kein
billig denkender Mensch das Zeugniß versagen können, daß er sich redlich bemüht, Hand anzulegen, wir heute als
an die Wunden seiner Zeit die heilende
daß er in der Hauptsache einen Segen für
das erstrebt,
was
unser Staatsleben und für
unsere nationale Entwickelung, als eine kostbare Errungenschaft unſerer neuesten Geschichte betrachten. Von welcher patriotischen Begeisterung der wackere Hauptmann von Brandeis getragen iſt, dafür mögen zum Schluſſe einige Kernsäße sprechen, womit 3 (543) Sammlung. N. F. XV. 850.
34
er seinen Reformplan der Erwägung aller Gutgesinnten anheim giebt: „Waß hette vnser geliebtes vatterland in dieſen gefehrlichen zeiten vnd schwürigen leufften für trost, sicherung, schuß vnd schirm zu hoffen vnd bey ihm im nothfall im werd vnd in der that zu befinden ; daß kan ein jeder verständiger vnschwer er. meßen .
Vnd würde also in 3 oder 4 jahren ein dapffer, wohl
disciplinirt volck je mehr vnd mehr nothvest befunden, hingegen ein gesamletes vold von allerlei laster, bubenstück besorglich bald vergehen mögte ; vnd solches alles gereicht zum friedensſtand, authoritet vud ansehen, vnd bitt hierumb vmb Gottes willen, guten rath nit zu verachten, sondern die sachen alsobald vnverzüglich in die Hand zu nemen, auff welchen nach Gott dem Almechtigen ſonſten alle vnsere wohlfahrt vnd heil stehet, vnd haben ja im Ungewitter vnd sturm keinen weitern überigen troſt als disen neben dem gebet.
Darvmb munder menniglich sein herß vnd
als dapfers teutsches gemüth auß dem tieffen schlaff auff, faße einen rechten eyffer vnd lieb zum vatterland !
Will die tugent
euch daß herz nit stercken, so laß man die noth vermehren vnd sich darein stecken !
Last vns weib vnd kind, haab vnd gut nit
also in stich sezen, sondern
neben abschaffung der laſter vnd
eingerißenen bösen stück zu den waffen vnd wehr greiffen vnd mit Göttlicher hülffhand vnsere jezige stolze feind im glück bald ins vnglück ſehen vnd verzagt machen ! “
Anmerkungen.
1 Fr. von Krones, Handbuch der Geſchichte Oesterreichs , Bd . 3, S. 316 f . Jaufert ist so viel wie Landstreicher. 3 Hierzu bemerkt der Abschreiber : „ Haec sequentia deprehendi partim esse desumpta ex Consiliis Wilh . Brusii de bello contra Turcos gerendo. Lipsiae . ao. 1595." An einer anderen Stelle giebt er der Ueberzeugung Ausdruck, daß ein schlagfertiges stehendes Heer die einzige Bürgschaft des Friedens ist. (544)
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5 „Den Soldaten mus ein bawer in die wigen legen, vnd wann der bösewicht seinen Sewsack gefüllet, der bawer mus den schelmen in der wigen ligend wigen, damit er desto sanfter ruhen möge. Sed tardus deus. ad poenam, tandem miles propter alia scelera suspenditur vnd würd also von 36 winten gewiegt. Haec est poena divina. " (Randbemerkung. wahrscheinlich Zusaz des Abschreibers .) 6 • Vergl. Paetel, Die Organiſation des hessischen Heeres unter Philipp dem Großmüthigen. Berlin 1897. G. 89. 7 Anstatt des zwanzigsten hat die Handschrift den „zehnten “, anstatt des zehnten den " fünften Mann " ; daß jedoch diese Bezeichnungen falsch find, beweist die gleich nachfolgende Rechnung, welcher der Ansaß des dreißigsten, zwanzigsten und zehnten Mannes zu Grunde liegt. 8 Ungemein bezeichnend für des Verfaſſers fast einseitige Werth. schäzung des moraliſchen Elements ist es, daß er die physische Tauglichkeit wenigstens dem Wortlaute nach ·-- nicht um ihrer selbst willen, sondern ale Symbol der moraliſchen Tauglichkeit fordert. ⁹ Kaiser Wilhelm's d . Gr. Militärische Schriften. Berlin 1897. Bd. 1, S. 173. 10 Wie aus der folgenden Ausführung über die Löhnung hervorgeht, wobei zwiſchen einfachen und Doppelföldnern nicht unterſchieden wird , gebraucht Freyberger das Wort " Doppelföldner" gleichbedeutend mit „ Spießer" im Gegenſaß zu „ Musketier “, Helbardier “ u . s . w. 11 Wahrscheinlich verschrieben für 1000. 12 Als stehendes Heer betrachtet Freyberger, wie aus diesem Zuſammen. hang am deutlichsten erhellt, das erste Aufgebot, das er bei der Aufstellung der Kosten deshalb allein berücksichtigt. 13 Vergl. für das Folgende meinen Aufſaß über die Wehrverfaſſung der Obergrafschaft Kazenelnbogen in den Quartalblättern des historischen Vereins f. das Großh. Heſſen. Neue Folge, Bd . 1 , S. 701 ff. 14 Vergl. Paetel, Die Organiſation des hessischen Heeres c. 1897 , G. 9 ff. 15 Aus dem „Thesaurus Picturarum " der Darmstädter Hofbibliothek. Band „Palatina" II , S. 81 ff. 16 Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation. Bd. II. 1895. G. 482. 17 Ritter, a. a. D. S. 103. 18 Ebendas. S. 217. 19 Rommel, Geschichte von Hessen . Bd . 7, S. 3 ff. 20 Vergl. den Aufſaß von E. Wörner in den Quartalblättern des historischen Vereins für das Großh. Hessen, Jahrg. 1890, S. 139 ff. 21 Ritter, a. a. D. S. 482. 3* (545)
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22 Das Wort „garden", eigentlich sich vergattern " (vergl. englisch gather), bedeutet „ſich ſammeln “, „sich zuſammenrotten ". 93 Paetel, Die Organiſation des hessischen Heeres unter Philipp dem Großmüthigen. Berlin 1897. S. 231 . 24 S. Wörner in den Quartalblättern des historischen Vereins für das Großh. Heſſen, Jahrg. 1890, S. 141 . 25 Vergl. meinen Aufsaß in der Zeitschrift für Culturgeschichte . Neue Folge, Bd. 6, S. 48 ff.
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