Zukunftsperspektiven der Freien Schule: Dokumentation, Diskussion und praktische Folgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Finanzhilfe-Urteil [2 ed.] 9783428484256, 9783428084258

Das Finanzhilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1987 hat das Finanzhilferecht der Schulen in freier Trägerschaf

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Zukunftsperspektiven der Freien Schule: Dokumentation, Diskussion und praktische Folgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Finanzhilfe-Urteil [2 ed.]
 9783428484256, 9783428084258

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FRIEDRICH MÜLLER / BERND JEAND'HEUR (Hrsg.)

Zukunftsperspektiven der Freien Schule

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 529

Zukunftsperspektiven der Freien Schule Dokumentation, Diskussion und praktische Folgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Finanzhilfe-Urteil

Zweite, erweiterte und auf neuestem Stand bearbeitete Auflage

Herausgegeben von Friedrich Müller und Bernd Jeand'Heur mit Beiträgen von Benediktus Hardorp, Rüdiger Haug Bernd Jeand'Heur und Johann Peter Vogel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Zukunftsperspektiven der Freien Schule : Dokumentation, Diskussion und praktische Folgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts seit dem Finanzhilfe-Urteil / hrsg. von Friedrich Müller und Bernd Jeand'Heur. Mit Beitr. von Benediktus Hardorp . . . - 2., erw. und auf neuestem Stand bearb. Aufl. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 529) ISBN 3-428-08425-X NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08425-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Vorwort zur zweiten Auflage

Das Finanzhilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 40 ff.) hat das Finanzhilferecht der Schulen in freier Trägerschaft auf eine neue Grundlage gestellt. Dies sowie die Kommentierung des Urteils war Gegenstand der Untersuchungen der Erstauflage des vorliegenden Sammelbandes. Die hier vorzustellende Zweitauflage übernimmt in ihrem Ersten und Zweiten Teil die damaligen Beiträge im wesentlichen unverändert; sie wurden, um den dokumentarischen Charakter dieser Abschnitte zu erhalten, nur behutsam überarbeitet. Hieran schließt ein neuer Dritter Teil an, in welchem die seitherige Entwicklung dieses Rechtsgebiets vor dem Hintergrund der Gesetzgebung der Länder und der aktuellen Rechtsprechung einer kritischen Analyse unterzogen wird. Anlaß dafür boten nicht nur die zwischenzeitlich, in unterschiedlicher Weise und mit mehr oder weniger Fortune, erfolgten Anpassungsversuche der Ländergesetze an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Finanzhilfe-Urteils, sondern ebenso die nach der Vereinigung Deutschlands auftretenden spezifischen, insbesondere finanziellen Probleme, denen sich das Privatschulwesen in den östlichen Bundesländern ausgesetzt sieht. Des weiteren liegen nunmehr zwei jüngere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 9. März 1994 vor, in denen sich der Erste Senat mit Einzelfragen der staatlichen Subventionierung von Ersatzschulen befassen mußte. Zum einen ging es dabei um das Problem, ob mehrjährige Wartefristen vor dem Einsetzen der staatlichen Finanzhilfe zu Lasten einer im Aufbau befindlichen privaten Ersatzschule mit der staatlichen Schutz- und Förderpflicht grundsätzlich vereinbar sind. Zum anderen war die Frage zu beantworten, inwieweit Ersatzschulen Anspruch auf einen Baukostenzuschuß geltend machen können, konkret: ob die Kosten für die Beschaffung erforderlicher Schulräume im Rahmen der Gewährung von Finanzhilfe völlig unberücksichtigt bleiben dürfen. Diese und manche anderen für die Praxis äußerst wichtigen Fragestellungen waren durch das Finanzhilfe-Urteil nicht gelöst worden, drängten sich aber nach der dort anerkannten grundsätzlichen Förderungspflicht des Staates zugunsten des Privatschulwesens förmlich auf, zumal das Bundesverfassungsgericht seinerzeit hinsichtlich des Umfangs der zu leistenden Unterstützung den konturenlosen Begriff des „Existenzminimums der Institution" des Privatschulwesens, das staatlicherseits jedenfalls zu sichern sei, verwendet hatte. In den beiden neuen Beschlüssen knüpft das Bundesverfassungsgericht an seine damaligen Überlegungen an, wobei zunächst die grundrechtsdogmatische Konstruktion der Schutz- und Förderpflicht eine Bestätigung erfährt. Argumentativer Ausgangspunkt bleibt somit das Grundrecht aus Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG, das jedermann die Errichtung von Privatschulen freistellt. Infolge

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Vorwort zur zweiten Auflage

der besonderen Normstruktur dieser Freiheitsverbürgung, deren Wahrnehmung namentlich die Erfüllung der in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG auferlegten Bindungen voraussetzt, und weil andererseits private Ersatzschulen heutzutage diese Hürden in aller Regel nicht mehr aus eigener Kraft zu nehmen in der Lage sind, ergibt sich über den abwehrrechtlichen Charakter des Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG hinaus - aus dieser Freiheitsgarantie ein Anspruch auf staatliche Förderung. Der Staat ist insoweit, soll das Grundrecht nicht leerlaufen, verpflichtet, dessen Ausübung durch Gewährung von Finanzhilfe zu ermöglichen. Der - im Vergleich zur großen Mehrzahl der Grundrechte - atypische, normstrukturell ausgewiesene leistungsrechtliche Gehalt des Art. 7 Abs. 4 GG steht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts jedoch „von vornherein unter dem Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann" (BVerfGE 75,40, 68). Dieser Vorbehalt des Möglichen, der im Hinblick auf Art. 7 Abs. 4 GG im Schrifttum gelegentlich nicht ganz zutreffend als Haushaltsvorbehalt bezeichnet wird, taucht auch in den Entscheidungen zur Wartefrist bzw. zu den Baukostenzuschüssen auf, wo er, einmal mehr, der aus dem Freiheitsrecht abgeleiteten Förderpflicht eine äußerste Grenzmarke setzen soll. Der auf den ersten Blick vernünftige, pragmatisch vielleicht sogar einleuchtende Möglichkeitsvorbehalt ist grundrechtsdogmatisch fragwürdig, handelt es sich hierbei doch um einen nicht direkt normtextbezogenen Folgeneinwand (nach dem Motto: welche, vor allem finanzielle Folgen zieht die Subventionierung von Ersatzschulen nach sich?), der gegenüber den direkt normtextbezogenen grammatischen und systematischen Konkretisierungselementen, mit denen die staatliche Schutz- und Förderpflicht aus Art. 7 Abs. 4 GG begründet wurde, rechtlich zweitrangig ist. Man kann das auch deutlicher formulieren: die zunächst korrekt entwickelte, die Voraussetzung der Grundrechtsausübung überhaupt erst konstituierende leistungsrechtliche Komponente des Art. 7 Abs. 4 GG wird in einem zweiten Schritt, nämlich unter Heranziehung methodisch nachrangiger Überlegungen, gleichsam wieder (zumindest teilweise) zurückgenommen und ausgehöhlt, was insgesamt zu einem Bruch innerhalb der dogmatischen Konstruktion dieser Freiheitsgarantie führt. Es soll in diesem Zusammenhang keinesfalls bestritten oder auch nur außer acht gelassen werden, daß der öffentlichen Hand, zumal heutzutage, enge Grenzen der finanziellen Belastbarkeit gesetzt sind - ein Umstand, der natürlich die Subventionierung des Privatschulwesens genausowenig unberührt läßt wie andere gesellschaftliche Bereiche, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Gleichwohl vermag der Hinweis auf eingeschränkte finanzielle Spielräume die verfassungsrechtliche Herausforderung einer möglichst rationalen, weil methodisch schlüssigen Grundrechtskonkretisierung nicht zu unterlaufen. Diesen Anforderungen wird das Bundesverfassungsgericht, soweit es die oben skizzierten Ungereimtheiten unreflektiert läßt, nicht gerecht. Das um so mehr, als es in seinen bisherigen Entscheidungen zu Fragen der Finanzierung des Ersatzschulwesens dem Möglichkeitsvorbehalt eine Argumentationsfigur zur Seite stellt, die nicht minder dazu beiträgt, die grundsätzlich bejahte Förderpflicht in concreto allerlei Unwägbarkeiten auszusetzen. Gemeint ist der sog. Gestaltungsspielraum des Ge-

Vorwort zur zweiten Auflage

setzgebers, der die Legislative soll ermächtigen können, „in eigener Verantwortung (...) Prioritäten (zu) setzen (und) die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für andere wichtige Gemeinschaftsbelange einzusetzen" (BVerfGE 75,40, 68 f.; so zitiert auch in den Entscheidungen vom 9. 3. 1994), wovon die Länder - das zeigen die Beiträge im Dritten Teil des vorliegenden Bandes - reichlich Gebrauch gemacht haben. Auch in diesem Punkt wäre eine genauere Zuordnung der positivrechtlichen Ausübungsgarantie eines Freiheitsrechts einerseits zu weniger eindeutig normbezogenen, vielmehr nur verfassungstheoretischen Aspekten andererseits, wünschenswert gewesen. Nicht zuletzt spielt hier die Frage der von der Verfassungsrechtsprechung ausgehenden Bindungswirkung eine gewisse Rolle. Wenn nämlich das Bundesverfassungsgericht die Schutz- und Förderpflicht des Staates als wesentlichen Bestandteil des Normprogramms von Art. 7 Abs. 4 GG betrachtet - denn die Wahrnehmung der Freiheitsgarantie ist auf Grund der empirisch als gesichert geltenden, generellen Hilfsbedürftigkeit privater Ersatzschulen (BVerfGE 75, 40, 67; ebenso die beiden neuen Beschlüsse) ohne Finanzhilfe nicht mehr denkbar - , so kann eigentlich der legislative Gestaltungsspielraum der Länder erst jenseits der Existenzsicherung des Privatschulwesens beginnen. Das eben folgt aus der Bindungswirkung von Verfassungsgerichtsentscheidungen, der die Gesetzgebung gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG unterliegt; gleiches ergibt sich aber bereits vor dem Hintergrund des Art. 1 Abs. 3 GG, wonach alle staatliche Gewalt an die Grundrechte gebunden ist. Somit ist der Privatschulfreiheit angesichts ihrer atypischen, den Staat zur Leistungserbringung verpflichtenden Normprogrammatik bei der vom Gesetzgeber vorzunehmenden Koordinierung unterschiedlicher Aufgaben der Vorrang einzuräumen gegenüber solchen Belangen, die normativ nicht bzw. im Verhältnis zu Art. 7 Abs. 4 GG - nicht gleichrangig verbürgt sind. Welche Belange das im einzelnen sind, bleibt einer jeweiligen Einzelfalluntersuchung vorbehalten, die sich primär der Instrumentarien bedienen muß, die juristische Methodik und Grundrechtsdogmatik zur Verfügung stellen. (Schul-)Politische Vorlieben für oder Antipathien gegen private Ersatzschulen werden in derartige Entscheidungsprozesse - das läßt sich kaum vermeiden - stets einfließen. Ausschlaggebend ist aber, daß die im Einzelfall parteiischen Interessenstandpunkte den Blick für die bindende rechtliche Aufgabenstellung nicht vernebeln. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 7 Abs. 4 GG darf bescheinigt werden, daß sie mit dem Konzept der aus dem Freiheitsrecht entwikkelten Schutz- und Förderpflicht des Staates einen bemerkenswerten Beitrag zur modernen Grundrechtsdogmatik geleistet hat. Künftig wird es darauf ankommen, die noch offenen Fragen der methodisch korrekten Verortung des Möglichkeitsvorbehalts bzw. des legislativen Gestaltungsspielraums innerhalb der staatlichen Garantiepflicht aus Art. 7 Abs. 4 GG einer Antwort näher zu bringen, sie ihr also nicht als metapositive Schranke entgegen zu stellen; die obigen Bemerkungen enthalten dazu erste Überlegungen. Gelingt das nicht, bleibt das Dogmatikkonzept dieser Freiheitsgarantie unvollendet. Ja mehr noch: Art. 7 Abs. 4 GG könnte als Präzedenzfall dafür stehen - und auf diese Gefahr wurde zuvor schon aufmerksam

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Vorwort zur zweiten Auflage

gemacht - , wie eine auf rechtsdogmatisch einwandfreie Weise gewonnene leistungs- bzw. schutzpflichtrechtliche Dimensionserweiterung eines Abwehrrechts im Wege methodisch nicht überzeugender (Folgen-)Erwägungen konterkariert werden kann. Die Diskussion der bereichsdogmatischen Fragen der Finanzierung privater Ersatzschulen ist insofern von allgemeinem Interesse für die Weiterentwicklung der Grundrechtsdogmatik insgesamt. Heidelberg/Bochum, Frühjahr 1995

Friedrich Müller Bernd Jeand'Heur

Vorwort zur ersten Auflage Das Finanzhilfe-Urteil von 1987 zählt zu den wegweisenden Leitentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Abgesehen von den Einzelheiten des dortigen Ausgangsfalls, formuliert es eine verbindliche Dogmatik der Privatschulfreiheit; und es hat - fünfzehn Jahre nach dem ersten Numerus-clausus-Urteil und weitergehend als dieses - ein zweites Beispiel für leistungsrechtliche Grundrechtsjudikatur geboten: durch das Entwickeln normativer staatlicher Schutz-, Handlungs- und Förderpflichten aus den sachlichen Besonderheiten im Normbereich dieser Freiheitsgarantie und im Dienst ihrer verfassungstreuen Verwirklichung auf Dauer. Die außergewöhnliche Komplexität der damit bewältigten Fragen bringt die Gefahr mit sich, daß die Entscheidung nicht als Ganzes und nicht im Rahmen der allgemeinen Spruchpraxis zu den Grundrechten gewürdigt, sondern nur allzu leicht selektiv und interessengeprägt ausgelegt werden wird. Sie hat sogleich eine lebhafte Debatte eingeleitet und den Bundesländern Anlaß und Anstoß zu novellierender Gesetzgebung geliefert. Um so näher liegt die Versuchung kontroverser Zweckinterpretation und politisch auseinanderdriftender Folgerungen, die nunmehr gezogen werden sollen. Angesichts dessen hat dieses Buch die Aufgabe, das Finanzhilfe-Urteil für Praxis und Wissenschaft intensiv auszuwerten. Seine Analysen sollen dazu beitragen, bei allem zu erwartenden Streit auch in Zukunft das Niveau zu gewährleisten, das die Auseinandersetzung im Privatschulrecht vor dem Urteil hatte und das durch dieses bestätigt worden ist. Sie sollen nicht nur die juristische Diskussion versachlichen helfen, sondern auch die Suche nach Lösungswegen aus wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten aller Beteiligten. Daher ergänzen zwei Kapitel über Kostenanalysen im Schulwesen und über bildungsökonomische Perspektiven der Freien Schule die im Gefolge des Urteils erreichte Klärung der juristischen Problematik. Heidelberg, im November 1987

F. Müller

Inhaltsverzeichnis

Erster Teil

Die Ausgangslage zur Verfassungsfrage der Privatschulförderung

1 Die Gesetzgebung der Länder und der Stand der Debatte in Wissenschaft und höchstrichterlicher Rechtsprechung (Stand 1988) Johann Peter Vogel

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2 Dokumentation. Das Finanzhilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987

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Zweiter Teil

Folgen für Wissenschaft und Praxis

3 Methodische Analyse, freiheitsrechtliche und leistungsrechtliche Konsequenzen des Finanzhilfe-Urteils Bernd Jeand'Heur

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4 Folgerungen für die Praxis der Länder, der Schulträger und Schulen Johann Peter Vogel

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5 Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen? Zu den bildungsökonomischen Perspektiven des Finanzhilfe-Urteils Benediktus Hardorp

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Inhaltsverzeichnis Dritter Teil

Die Privatschulförderung vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung

6 Entwicklung des Finanzhilferechtes der Schulen in freier Trägerschaft vom Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. 4. 1987 bis zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. 3. 1994 Johann Peter Vogel

167

7 Die Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen für die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft Rüdiger Haug

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8 Ersatzschule, Schulbauförderung und Wartefrist. Bildungsökonomische Bemerkungen zu einer janusköpfigen Finanzhilferechtsprechung Benediktus Hardorp

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Erster Teil

Die Ausgangslage zur Verfassungsfrage der Privatschulförderung 1 Die Gesetzgebung der Länder und der Stand der Debatte in Wissenschaft und höchstrichterlicher Rechtsprechung (Stand 1988) Von Prof. Dr. Johann Peter Vogel, Marburg/Berlin

Übersicht I. Die Gesetzgebung der Länder II. Die höchstrichterliche Rechtsprechung 1. Bundesverfassungsgericht 2. Bundesverwaltungsgericht a) Entscheidungen von 1966 bis zur Entscheidung vom 30. 11. 1984 b) Die Entscheidungen vom 30. 11. 1984 und 21. 11. 1986 3. Bayerische Gerichte 4. Der Vertrauensschutz 5. Kritik III. Die Begründung des Finanzhilfeanspruchs in der Literatur 1. Die Literatur vor der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts 2. Die Aufnahme der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in der Literatur 3. Die Begründung einer Leistungspflicht aus einem Grundrecht (Müller/Pieroth/Fohmann) 4. Die Garantie des Privatschulwesens als Institution (Bernhard) 5. Neuere Meinungen zum Leistungsanspruch des Bundesverwaltungsgerichts

6. Kritik

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Johann Peter Vogel

I. Die Gesetzgebung der Länder Öffentliche Finanzhilfe für Privatschulen gibt es seit der Jahrhundertwende 1. Ein Beispiel ist das württembergische Gesetz betreffend die höheren Mädchenschulen vom 8. 8. 1907, in dem staatliche Zuschüsse an private höhere Mädchenschulen zur Finanzierung beamtengleicher Gehälter vorgesehen sind2. Auch in Bayern wurde bis 1933 speziell das private Mädchenschulwesen subventioniert. Aber ein auf einen „Zuschuß auf öffentlichen Mitteln" gerichteter Antrag des Zentrums in den Beratungen der Weimarer Verfassung blieb erfolglos 3, ebenso der Versuch einer Verankerung einer Finanzhilfepflicht im Grundgesetz4. Nach 1945 haben aber nach und nach alle Bundesländer - teilweise aufgrund entsprechender Bestimmungen der Landesverfassungen 5 - unterschiedliche Finanzhilfen an bestimmte Privatschulen gewährt 6 und entsprechende gesetzliche Grundlagen geschaffen. Die elf Landesregelungen zeigen derzeit höchst unterschiedliche, z. T. komplizierte Regelungen7, die hier nur stichwortartig skizziert werden können8. a) Im allgemeinen sind nur Ersatzschulen begünstigt; Ergänzungsschulen sind unter bestimmten Bedingungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einbezogen. b) Der Kreis der begünstigten Ersatzschulen umfaßt zwar in vielen Ländern alle genehmigten Ersatzschulen, doch sind weithin nur die anerkannten Ersatzschulen anspruchsberechtigt (soweit nur bestimmte genehmigte Ersatzschulen einbezogen sind, handelt es sich um Schulen besonderer pädagogischer Prägung, in der Regel um Waldorfschulen (siehe Tabelle). c) Soweit genehmigte Ersatzschulen Finanzhilfe erhalten, tritt sie nicht selten erst Jahre nach der Genehmigung ein (siehe Tabelle); wo die Anerkennung Voraussetzung der Finanzhilfe ist, wirkt dies ebenfalls als „Durststrecke", da die Anerkennung erst nach längerer Bewährungsphase verliehen wird (ausdrücklich Bayern und Berlin). 1 Grewe, Die Rechtsstellung der Privatschulen nach dem Grundgesetz, in: DÖV 1950, S. 33 ff. 2 Heckel, Deutsches Privatschulrecht, 1955, S. 232 f. 3

Landé, Die Schule in der Reichs Verfassung, 1929, S. 145. Verhandlungen des Hauptausschusses; Stenographische Berichte, S. 249, 263, 558 (s. die Darstellung in der Entscheidung des BVerfG v. 8. 4. 1987). So auch die KMK-Ländervereinbarungv. 10./11.8. 1951, § 10. 5 Art. 14 Vf BW; Art. 8 Abs. 4 Vf NRW; Art. 30 Abs. 3 Vf RP; Art. 28 Abs. 3 Vf SL. 4

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S. z. B. Statistisches Bundesamt, Bericht „Finanzen der Privatschulen im Bundesgebiet" in: Statistische Berichte Arb. Nr. VII/3/8 v. 10. 4. 1952; oder: Der Hessische Minister für Erziehung und Volksbildung (Heckel): „Übersicht über die Höhe der Privatschulfinanzierung in den Bundesländern" v. 3. 5. 1961. 7 Sammlung der Gesetze in Vogel/Knudsen: Bildung und Erziehung in freier Trägerschaft, Loseblattsammlung, Oz 40. 8 Im einzelnen dazu Vogel, Das Recht der Schulen und Heime in freier Trägerschaft, 1984, S. 125 ff.

Gesetzgebung der Länder und Stand der Debatte

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Ρ pauschal = Schülerbetrag pro Schüler Η Abrechnung nach tats. Ausgaben bis zu pauschal errechneter Höchstgrenze D Deckung des individuellen, nachgewiesenen Defizits a) Die Begrenzung auf schulpflichtige Schüler ist verfassungswidrig. b) Zusätzliche Prüfung einer bes. pd. Prägung.

d) Weitere Voraussetzung der Finanzhilfe ist die wirtschaftliche Hilfsbedürftigkeit. Dort, wo die Finanzhilfe nach Pauschalsätzen berechnet wird, ergibt sich die Bedürftigkeit entweder im Rahmen der Gemeinnützigkeit (Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen) oder im Wege der Begrenzung der Gesamteinnahmen für bestimmte nachzuweisende Kosten (Berlin, Hamburg, Schleswig- Holstein). Dort, wo die Finanzhilfe Erstattung des individuellen Defizits bestimmter nachzuweisender Ausgaben ist, ergibt sie sich aus dem Defizit (Nordrhein-Westfalen, Saarland). Mit anderen Worten: Pauschalberechnungen werden mit zusätzlichen Kontrollvoraussetzungen kombi-

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Johann Peter Vogel

niert; bei individueller Defiziterstattung erübrigen sich diese zusätzlichen Kontrollen, weil die Haushalte der Schulen in vollem Umfang überprüft werden. e) In einigen Ländern ist als Voraussetzung der Finanzhilfe auch die Entlastung des staatlichen Schulwesens vorgesehen (siehe Tabelle), die unterschiedlich konkretisiert wird (Landeskinderquote in Bremen, Hamburg, Hessen und Rheinland-Pfalz, Schulpflichtschranke in Hamburg, konkrete Einsparung einer staatlichen Schule in Niedersachsen). f)

De facto birgt auch der Berechnungsmodus der Finanzhilfe zusätzliche Bedingungen. So, wenn nur solche nachgewiesenen Kosten an der einzelnen Ersatzschule in die Finanzhilfe einbezogen werden, die auch an entsprechenden staatlichen Schulen entstehen. Wo ζ. B. die Bezahlung der Lehrer nach derselben Tarifordnung und aufgrund derselben Laufbahnvoraussetzungen bei der Berechnung zugrundegelegt wird, geht von dieser Mechanik ein erheblicher Druck auf die Ersatzschulen aus, dieselbe Zahl von Lehrern unter staatsgleichen Bedingungen und mit staatsgleicher Ausbildung zu beschäftigen wie die entsprechende staatliche Schule (Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz).

g) Die Höhe der Finanzhilfe ist nicht nur von Land zu Land unterschiedlich, sie ist auch innerhalb eines Landes nach Schularten und Schulgruppen verschieden. Hier sind zwei Differenzierungen zu unterscheiden: Zum einen die nach Schularten; sie rührt daher, daß die Finanzhilfe nach den Kosten eines staatlichen Schülers oder Lehrers der entsprechenden Schulart berechnet wird. Zum anderen die nach politischen Gesichtspunkten; Musterfall ist die - inzwischen für verfassungswidrig erklärte - Hamburger Regelung der krassen Benachteiligung von Ersatzschulen, die weder konfessionelle noch Waldorfschulen sind. Ähnliches gibt es in Bayern: Genehmigte Ersatzschulen erhalten nur die Hälfte dessen, was anerkannte Ersatzschulen erhalten. In verschiedenen Ländern werden Grund- und Hauptschulen bevorzugt als Ausgleich für die Entkonfessionalisierung der staatlichen Schule (Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz). h) Schließlich sind vielfältige Förderarten zu nennen: Öffentliche Zuwendungen an die Schulträger in Form der üblichen Finanzhilfe ζ. T. mit besonderen Zuschlägen für Versuchsschulen (Hessen), für die Altersversorgung der Lehrkräfte (Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen), für Schulbauten (BadenWürttemberg, Bayern, Rheinland-Pfalz); individuelle Zuwendungen an die Schüler in Form des Schulgeldersatzes (Bayern) oder der Fahrkostenerstattung (fast alle Länder); Beurlaubung von beamteten Staatslehrern zum Dienst an Ersatzschulen mit oder ohne Fortzahlung der Bezüge (fast alle Länder). Ein abstrakter Vergleich der Finanzhilfe der Länder untereinander ist wegen der Unterschiedlichkeit der Berechnungsweisen und -grundlagen nicht möglich. Ein Bild läßt sich konkret gewinnen, und zwar dann, wenn man die tatsächliche Finanzhilfe pro Kopf eines Schülers einer bestimmten Schulart im Jahr umrechnet. Für 1986 etwa ergibt eine Umfrage unter den Ersatzschulen pro Kopf eines Gym-

Gesetzgebung der Länder und Stand der Debatte

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nasiasten dort, wo die Regelfinanzhilfe gezahlt wird, Beträge von um und über DM 6 000,- in Bayern, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein, von um und unter DM 5 000,- in den übrigen Bundesländern. Die Sätze staatlicher Gymnasiasten liegen bei durchschnittlich ca. DM 8 000,-9. Der von der Finanzhilfe nicht gedeckte Kostenrest wird bei konfessionellen Schulen aus Mitteln der Kirchen oder kirchlichen Stiftungen und gegebenenfalls niedrigen Schulgeldern gedeckt; an Ordensschulen hält auch die Opferbereitschaft der Ordenskräfte die Personalkosten niedrig. An den übrigen Schulen muß der nicht gedeckte Kostenrest voll aus Schulgeldern und/oder Gehaltsverzichten der Lehrer gedeckt werden.

II. Die höchstrichterliche Rechtsprechung 1. Bundesverfassungsgericht Wenn sich auch das Bundesverfassungsgericht vor dem Urteil vom 8. 4. 1987 nicht zum Finanzhilfeanspruch aus Art. 7 Abs. 4 GG geäußert hat, so hat es doch wesentliche Erkenntnisse zur Privatschulgarantie geäußert. Danach geht die Gewährleistung des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG über die Rechtslage der Weimarer Zeit hinaus, indem sie „die Institution der Privatschule" ausdrücklich garantiert 10. Im „Anerkennungs-Urteil" 11 wird die Privatschulgarantie als „Absage an ein staatliches Schulmonopol" gewertet; „Das Offensein des Staates für die Vielfalt der Formen und Inhalte, in denen Schule sich darstellen kann, entspricht den Wertvorstellungen der freiheitlich demokratischen Grundordnung, die sich zur Würde des Menschen und zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität bekennt". Zwar haben Ersatzschulen „im freien Wettbewerb keinen Schutz auf Bestand", doch ist andererseits eine Benachteiligung gleichwertiger Ersatzschulen gegenüber den entsprechenden staatlichen Schulen allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und -inhalte verboten. Damit wird der Grundsatz der verfassungsrechtlichen Gleichrangigkeit von staatlichen und freien Schulen formuliert. Hinsichtlich der Herleitung eines Leistungsanspruchs oder eines Teilhaberechts aus Grundrechten bleibt die Rechtsprechung unentschieden12. So wird ein Teilhaberecht erwogen im „numerus-clausus-Urteil" und im „Hochschul- Urteil" 13 . 9 Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt: Die Schulbetriebskosten an staatlichen Gymnasien in den Bundesländern, 1987. Danach betragen Schulbetriebskosten ohne Investitionen an staatlichen Gymnasien 1984 durchschnittlich DM 7 000,und stiegen seit 1979 jährlich um durchschnittlich 8 %. 10 BVerfGE 6, 309 ff.

h BVerfGE 27, 195 ff. ι2 Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982, S. 34 ff.; 81. 13 BVerfGE 33, 303 ff.; 35, 79 ff. 2 F. Müller/B. Jeand'Heur

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Hier finden sich Sätze wie: „ . . . ließe sich fragen, ob aus den grundrechtlichen Wertentscheidungen und der Inanspruchnahme des Ausbildungsmonopols [der Hochschulen] ein objektiver sozialstaatlicher Verfassungsauftrag zur Bereitstellung ausreichender Ausbildungskapazitäten ... folgt. Ob diese Frage zu bejahen wäre und ob sich aus diesem Verfassungsauftrag unter besonderen Voraussetzungen ein einklagbarer Individualanspruch des Staatsbürgers auf Schaffung von Studienplätzen herleiten ließe, bedarf jedoch hier keiner Entscheidung ...". „Diese Wertentscheidung [des Art. 5 Abs. 3 GG] bedeutet nicht nur die Absage an staatliche Eingriffe in den zuvor gekennzeichneten Eigenbereich der Wissenschaft; sie schließt vielmehr das Einstehen des Staates, der sich als Kulturstaat versteht, für die Idee einer freien Wissenschaft und seine Mitwirkung an ihrer Verwirklichung ein und verpflichtet ihn ... schützend und fördernd einer Aushöhlung dieser Freiheitsgarantie vorzubeugen ... Dem einzelnen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG erwächst aus der Weitentscheidung ein Recht auf solche staatlichen Maßnahmen auch organisatorischer Art, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes unerläßlich sind, weil sie ihm freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglichen." „Soweit Teilhaberechte nicht von vornherein auf das jeweils Vorhandene beschränkt sind, stehen sie doch unter dem Vorbehalt des Möglichen im Sinne dessen, was der Einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann". In späteren Urteilen werden diese Ansätze jedoch nicht weiterverfolgt 14. 2. Bundesverwaltungsgericht Auf Klagen einzelner Ersatzschulen, denen nach Landesrecht kein Anspruch auf öffentliche Finanzhilfe zustand, entwickelte das Bundesverwaltungsgericht eine Leistungspflicht des Landes gegenüber Ersatzschulen aus der Privatschulgarantie des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG in Verbindung mit den verfassungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen der Sätze 3 und 4 1 5 . a) Zusammenfassend ergibt sich aus den Entscheidungen von 1966 bis zur Entscheidung vom 30. 11. 1984 16 folgendes: aa) Mit der Gewährleistung der Privatschule verneint das Grundgesetz ein staatliches Schulmonopol. Die Ersatzschulen sollen neben dem Staat und an seiner Stel14 BVerfGE 36, 321 ff.; 40, 121 ff.; 50, 290 ff. ι 5 Zur Rechtsprechung des BVerwG generell s. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 12), Privatschulfreiheit und Subventionsabbau, in: DVB1. 1983, S. 29 ff.; Kloepfer/Meßerschmidt, S. 193 ff., 196. 16 Entscheidungen v. 11. 3. 1966 (E 23, 347); v. 22. 9. 1967 (E 27, 360); v. 30. 8. 1968 (Buchholz 11 zu Art. 7 Abs. 4 Nr. 6); v. 4. 7. 1969 (Buchholz a.a.O Nr. 8); v. 30. 3. 1973 (Buchholz a. a. O. Nr. 14); v. 13. 11. 1973 (Buchholz a. a. O. Nr. 15); v. 14. 3. 1975 (Seip/ Tenhof, Die Privatschule V I C V 1); v. 11. 4. 1986 (DVB1. 1986, S. 1106). Alle Entscheidungen auch bei VogeUKnudsen (Anm. 7), Oz 63.1. Im einzelnen dazu Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 12), S. 29 ff.

Gesetzgebung der Länder und Stand der Debatte

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le öffentliche Bildungsaufgaben erfüllen (Prinzip der Gleichrangigkeit von staatlichen und freien Schulen). bb) Zwar ist eine öffentliche Finanzhilfe in Art. 7 Abs. 4 GG nicht vorgesehen und sollte auch nicht vorgesehen werden. Auch erstreckt sich die Schutzwirkung eines Freiheitsrechts grundsätzlich nicht auf positive Leistungen der sogenannten gewährenden Verwaltung. In außergewöhnlichen Fällen kann sich aber aus einer verfassungsrechtlichen Garantie ein Leistungsanspruch ergeben; im Falle der Privatschulgarantie deshalb, weil ohne öffentliche Hilfe gegen den Willen des Gesetzgebers das Ersatzschulwesen zum Erliegen käme (Prinzip der Grundrechtseffektivität). Dieses Erliegen hat zwei objektive Ursachen: Die legitime schulisch-soziale Verbesserung des staatlichen Schulwesens einerseits und die Forderung an die Ersatzschulen andererseits, ein fachliches und wirtschaftliches Leistungsniveau zu halten und zugleich die Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht zu fördern. Dieser Zwiespalt ist durch eine dem Sinn des Grundgesetzes entsprechende Ausdeutung seiner Normen aufzulösen. dd) Die Ausdeutung führt zu einem verfassungsrechtlichen Anspruch auf öffentliche Finanzhilfe; ein Rechtsgrund liegt in der verfassungsrechtlich verankerten Notwendigkeit und Verpflichtung des Staates, die Einrichtung der Ersatzschule zu erhalten. Weitere Rechtsgründe werden zunächst entwickelt, später aber wieder fallengelassen: - Der Gleichbehandlungsgrundsatz, wonach Ersatzschulen gegenüber staatlichen Schulen auch wirtschaftlich nicht benachteiligt werden dürfen (1966, aufgegeben 1967); - Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch Ersatzschulen (1966, aufgegeben 1967); - Der Sozialstaatsgesichtspunkt, wonach der Staat verpflichtet sei, für eine gerechte Sozialordnung im Schulwesen zu sorgen (Art. 20 Abs. 1 GG - 1967, nicht mehr erwähnt 198417). ee) Die Ausgestaltung der öffentlichen Hilfe ist den Ländern überlassen. Unterschiedliche Formen sind möglich. Bundesrechtlich kann nur die verfassungsrechtlich gebotene Untergrenze der verfassungsrechtlichen Finanzhilfe vorgegeben werden. - Berechtigt sind nur die Ersatzschulen, weil nur sie wie der Staat am öffentlichen Schulwesen teilnehmen. Voraussetzung der Finanzhilfe sind mithin das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen und außerdem die nachgewiesene Hilfsbedürftigkeit. Zusätzliche Voraussetzungen wie die Anerkennung oder die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit sind nicht zulässig. Zweifel bestehen hinsichtlich

17 BVerwGE 70, 290. 2*

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der Notwendigkeit einer Entlastung des staatlichen Schulwesens; sie taucht nur in einigen Entscheidungen18 auf, nicht aber im grundlegenden Urteil von 1967. - Die Hilfsbedürftigkeit muß trotz angemessener Eigenleistung vorliegen; sie darf nicht durch unsachgemäße, insbesondere unwirtschaftliche Führung der Schule eingetreten sein; ein Fehlbetrag muß unvermeidlich sein. Einen geringen Fehlbetrag muß der Träger selbst ausgleichen, sein persönliches Privatvermögen muß er aber nicht opfern (Prinzip der Subsidiarität staatlicher Leistungen). - Eine Hilfe ist nicht geboten für die Begründung einer Ersatzschule, sondern nur für deren Unterhaltung. Sie dient nicht der Vermögensbildung, sondern der Erhaltung der Schule. - Die Hilfe muß so bemessen sein, daß eine zum wirtschaftlichen Niedergang und schließlichen Zusammenbruch führende Entwicklung wirksam aufgehalten wird. Nicht sämtliche Kosten müssen öffentlich finanziert werden. Eine über die Kosten einer vergleichbaren staatlichen Schule hinausgehende Finanzhilfe für zusätzliche Kosten einer besonderen pädagogischen Prägung ist nicht geboten (Prinzip der Effektivität staatlicher Leistungen). ff) Eine unterschiedliche Förderung von Ersatzschulen im Rahmen der verfassungsrechtlichen Förderungspflicht ist nur bei Vorliegen sachlich vertretbarer Gründe gerechtfertigt (ζ. B. Privilegierung konfessioneller Schulen als Gegenleistung für Verzichte der Kirche im Rahmen von Kirchenverträgen) (E v. 11. 4. 86 Grundsatz der Gleichbehandlung). b) In zwei neuen Entscheidungen - unter dem Eindruck knapper öffentlicher Kassen und zurückgehender Schülerzahlen - relativiert das Bundesverwaltungsgericht einzelne Positionen dieser Rechtsprechung19. aa) Aus seiner Begründung des Finanzhilfeanspruchs (Verpflichtung des Staates, „die Einrichtung der Ersatzschulen zu erhalten") leitet das Bundesverwaltungsgericht ab 20 , daß hier keine Bestandsgarantie der einzelnen Ersatzschule gemeint sei, sondern lediglich eine der „Insttation des Ersatzschulwesens insgesamt". Der Anspruch sei also nur in dem Maße gegeben, in dem dies „zur Erhaltung der Institution als solcher vonnöten" sei. Der Anspruch der einzelnen Ersatzschule wird allerdings nicht infragegestellt. So wird der Anspruch einer Ersatzschule abgelehnt, die weder über Vermögen verfügte, noch Schulgeld erhob. bb) Mit Urteil vom 21. 11. 1986 (7 C 82.84) revidiert das Bundesverwaltungsgericht sein Urteil vom 30. 8. 1968 und läßt die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit als Finanzhilfevoraussetzung jedenfalls bei juristischen Personen als Träger wieder

is Entscheidungen v. 11. 3. 1966, v. 4. 7. 1969, v. 13. 11. 1983. 19 Dazu Grämlich, Privatschulförderung in der Krise, in: JuS 1985, S. 607 ff.; Vogel, Die Bestandsgarantie des Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG, in: DVB1. 1985, S. 1215 ff.; Eiselt, Zur Privatschulsubventionierung, in: DÖV 1987, S. 557 ff. 20 Entscheidung v. 30. 11. 1984 (E 70, 290).

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zu. Sie sei „ein zulässiges sachliches Kriterium zur pauschalen Bestimmung der Hilfsbedürftigkeit" von Ersatzschulen. 3. Bayerische Gerichte Parallel zu diesen Urteilen beschäftigt sich auch die bayerische Rechtsprechung 21 mit dem verfassungsrechtlichen Finanzhilfeanspruch, kommt aber teilweise zu entgegengesetzten Ergebnissen. a) Auch aus Art. 134 Abs. 2 bay. Verfassung wird eine Verneinung des staatlichen Schulmonopols interpretiert. In Übereinstimmung mit BVerwGE v. 30. 11. 1984 sehen die bayerischen Gerichte in Art. 134 Abs. 2 und auch in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG eine „Garantie der Privatschule als Institution". Die Verpflichtung des Staates gehe dahin, dafür „Sorge zu tragen, daß das Privatschulwesen nicht zum Erliegen kommt". b) Hiervon ausgehend wird ein verfassungsrechtlicher Anspruch der einzelnen Ersatzschule grundsätzlich abgelehnt. Die aus der Garantie erwachsende Verpflichtung des Staates kann im Rahmen eines weiten Gestaltungsspielraums erfüllt werden. c) Dieser Spielraum läßt zu, daß der Gesetzgeber bei Finanzhilferegelungen seine Haushaltsmöglichkeiten berücksichtigt; weiter, daß er den Träger nicht von Risiken freistellen muß, denen dieser als freier Unternehmer in der Wirtschaft ausgesetzt ist; und schließlich, daß er Träger durch Förderung nicht ermutigen muß zu Schulgründungen, die im Hinblick auf den damaligen Schülerrückgang und das voll ausgebaute staatliche Schulwesen auf Dauer nicht wirtschaftlich wären. d) Weiter darf der Gesetzgeber differenzieren zwischen genehmigten und anerkannten Ersatzschulen, weil es nicht willkürlich sei, wegen der besonderen Übereinstimmung anerkannter Ersatzschulen mit staatlichen Schulen „eine besondere Entlastung des Staates" durch diese Schulen zu erwarten und sie deshalb zu privilegieren. e) Im Ergebnis wird es als verfassungsrechtlich vertretbar angesehen, wenn genehmigte Ersatzschulen und Ersatzschulen im Aufbau trotz bestehender Genehmigung und Hilfsbedürftigkeit keine oder eine unzulängliche Finanzhilfe erhalten. Daß hierdurch Eltern einer hohen Schulgeldbelastung ausgesetzt werden, sei nicht verfassungswidrig, weil Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG kein sozial ausgewogenes Schulgeld gebietet, sondern dem Schulträger lediglich die Verpflichtung auferlegt, die an sich schon mit der Errichtung der Privatschule verbundene Sonderung nach den Besitzverhältnissen im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten abzugleichen, indem er minderbemittelten Schülern Erleichterungen gewährt. 2i Bay VfGH v. 7. 11. 1984, NVwZ 1985, S. 481 ff. Bay VGH v. 24. 4. u. 18. 11. 1985 (7 Β 83 Α. 1996 u. 7 Β 82 Α. 1679 - nicht rechtskräftig, Revision wurde v. BVerwG zugelassen). Dazu Gramlich/VogeUEiselt (Anm. 19).

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4. Der Vertrauensschutz Schließlich ist noch das Urteil des Nordrhein- Westfälischen Verfassungsgerichtshofs vom 3. 1. 198322 zu erwähnen. Was den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Finanzhilfe selbst betrifft, so mußte hier nicht auf Art. 7 Abs. 4 GG zurückgegriffen werden, weil Art. 8 Abs. 4 Verf. NRW eine ausreichende Rechtsgrundlage bietet. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang die Erwägung, daß eine „über Jahrzehnte praktizierte Zuschußregelung einen qualifizierten Vertrauenstatbestand geschaffen haben kann", und daß bei einer Neuregelung der Privatschulfinanzierung „der Grundsatz des Vertrauensschutzes gebieten kann, die ... verfassungsrechtlich zulässige Eigenleistung [des Trägers] nur schrittweise zu erhöhen". Mit anderen Worten: Senkungen einer Finanzhilfe können nur unter Berücksichtigung des Vertrauensschutzes vorgenommen werden. 5. Kritik Angesichts der unentschiedenen Haltung des Bundesverfassungsgerichts in der Frage eines Leistungsrechts aus Freiheitsrechten und einer zum Zeitpunkt der ersten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zum Leistungsanspruch aus Art. 7 Abs. 4 GG ablehnenden Haltung in der Literatur (s. u.) bewegte sich das Bundesverwaltungsgericht pragmatisch ergebnisorientiert auf die Problematik zu; Unbehagen an den tatsächlichen Verhältnissen der klagenden Schule drängte auf eine Lösung. So wurden die unbefriedigenden Verhältnisse mehr assoziativ als systematisch bestimmten Grundrechten (Art. 7 Abs. 4, Art. 3, Art. 20) zugeordnet, Gründe wie die Erfüllung öffentlicher Aufgaben, Entlastung oder übermächtige Konkurrenz des staatlichen Schulwesens „abgeschmeckt", bis sich dann die Erhaltung der Einrichtung der Ersatzschulen, die Privatschulgarantie als eigentliche Begründung herauskristallisierte. Die Genehmigungsvoraussetzungen und die Hilfsbedürftigkeit als einige zulässige Voraussetzung führten im einzelnen zu logischen Folgerungen in den Details. Die kommentierende Literatur stimmte schließlich mindestens im Ergebnis (s. u.) weithin zu 2 3 . Um so bemerkenswerter war die so ausdrücklich formulierte Abkehr von wesentlichen Elementen dieser Rechtsprechung mit den Entscheidungen vom 30. 11. 1984 und 21. 11. 1986. Die letztere verstümmelt die zutreffende Einsicht, daß die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit keine Voraussetzung des verfassungsrechtlichen Leistungsanspruchs sein kann, indem sie zwei Ebenen vermischt: Die eine ist die der Voraussetzungen des Anspruchs - hier hat die steuerliche Gemeinnützigkeit nichts zu suchen - , die andere ist die des Nachweises der Hilfsbedürftigkeit - als solche ist die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit zulässig. 22 DVB1. 1983, S. 223. Dazu Bernhard, Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Sparmaßnahmen bei der Privatschulfinanzierung, in: DVB1. 1983, S. 299 ff. 23 Kloepfer/Meßerschmidt (Anm. 15), S. 197.

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Problematischer ist die Entscheidung vom 30. 11. 198424. Im zu beurteilenden Fall sollte ein Träger, der keinerlei Eigenleistung erbringt, keinen Anspruch haben. Das wäre ohne weiteres auf der Basis der Definition der Hilfsbedürftigkeit in der Entscheidung vom 22. 9. 1967 möglich gewesen. Die Trennung von Garantie des Privatschulwesens als Institution und Garantie der Einzelschule geriet fragwürdig. „Das Privatschulwesen" ist keine Institution wie „das Staatsschulwesen", sondern die Summe der Privatschulen. Die Errichtung jeder einzelnen wird in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet; Errichtung und Bestand einer Ersatzschule sind so lange garantiert, wie sie die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt und der Träger sie betreibt. Ziel war die Abgrenzung beliebiger individueller Hilfsbedürftigkeit von derjenigen, die Voraussetzung für die Leistungspflicht ist. Von hier aus kann das merkwürdig diffuse Urteil verständlich werden. Bei der Einführung der Institution als Garantieobjekt ging es nicht um die Herausnahme einzelner Ersatzschulen oder Ersatzschulgruppen, wie die bayerische Rechtsprechung unter Berufung auf das Bundesverwaltungsgericht unterstellte, sondern um eine Typisierung der Hilfsbedürftigkeit, die den Leistungsanspruch auslöst. Das Tätigwerden des Staates im Bereich des staatlichen Schulwesens soll die Hilfsbedürftigkeit bewirken, und diese kann ihrer Natur nach nur einen generellen, gegen das Privatschulwesen allgemein oder gegen definierbare Gruppen von Privatschulen gerichteten Charakter haben. Für eine entsprechende Abgrenzung mochte die verfassungsrechtliche Grundlage des Leistungsanspruchs aber noch nicht genügend ausgearbeitet gewesen sein. Die bayerische Rechtsprechung changiert in der Ablehnung eines verfassungsrechtlichen Anspruchs und einer Bezugnahme auf die fragwürdige späte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, sie kommt auch im Detail zu Ergebnissen, die im Widerspruch zur Privatschulgarantie des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 stehen. De facto wird nämlich eine Art Bedürfnisprüfung eröffnet, deren Kriterien die Staatshaushaltslage, die Entlastung des staatlichen Schulwesens und die Einschätzung der zukünftigen wirtschaftlichen Tragfähigkeit einer Ersatzschule sind 25 .

I I I . Die Begründung des Finanzhilfeanspruchs in der Literatur 1. In der Literatur nach 1945 findet sich alsbald die Forderung nach öffentlicher Finanzhilfe für Privatschulen; die Begründung ging, ähnlich wie die der ersten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (s. o.), von der Unmöglichkeit aus, unter den tatsächlichen Verhältnissen die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG zu erfüllen. Im wesentlichen wurden drei Argumente für eine

24 Vogel (Anm. 19); Eiselt (Anm. 19), S. 560. 25 Kritisch auch Grämlich (Anm. 19), S. 611; Eiselt (Anm. 19), S. 567.

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öffentliche Finanzhilfe vorgetragen: wegen der hohen Schulkosten und des beschränkten Schulgeldes bleibt die Privatschulgarantie ohne Förderung „auf dem Papier" 26 ; die Privatschulen entlasten das staatliche Schulwesen27; die Eltern, die das staatliche Schulwesen mit ihren Steuerzahlungen mitfinanzieren, zahlen an Privatschulen „ein zweites Mal" Schulgeld28. Diese Argumente verdichteten sich jedoch nur bei einigen Autoren zu einem aus Art. 7 Abs. 4 GG abgeleiteten Anspruch auf Finanzhilfe 29 ; die Mehrzahl prinzipieller, auch kritischer Befürworter sahen allenfalls einen moralischen Anspruch, jedenfalls aber eine „freie Aufgabe" des Landesgesetzgebers, entsprechende Regelungen zu schaffen 30. Nun waren Argumente wie „Entlastung" oder „Doppelbesteuerung" ohnehin zweifelhaft 31 ; aber auch das stichhaltige Argument, daß der Staat eine Freiheitsgarantie durch verfassungsrechtliche Voraussetzungen und eigenes Verhalten aufhebt 32, konnte zwar die grundsätzliche Behauptung der Verfassungswidrigkeit einer öffentlichen Finanzhilfe 3 3 entkräften, brach sich aber am damals herrschenden Grundsatz, daß aus Freiheitsrechten keine Leistungsrechte herzuleiten seien34. 2. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts löst eine zweite Welle der Diskussion aus 35 , die alsbald die Ebene der Auseinandersetzung mit den Argumenten des Gerichts 36 verläßt und in die grundsätzliche Auseinandersetzung um

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Heckel (Anm. 2), S. 253 ff.; Geiger, Privatschulsubvention und Grundgesetz, in: RWS 1961, S. 80 ff., 113 ff.; v. Campenhausen, Erziehungsauftrag und staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 73 ff. 27

Geiger (Anm. 26), S. 115; v. Campenhausen (Anm. 26), S. 76; Link, Privatschulfinanzierung und Verfassung, in: JZ 1973, S. 1 ff., 7. 28 Süsterhenn, Zur Frage der Subventionierung von Privatschulen, in: JZ 1952, S. 474 f.; Heckel, Schulrechtsurkunde 3/1965, S. 128; Peters in: Bettermann/Nipperdey/Scheuner, Die Grundrechte, 1960IV 1, S. 440 f.; v. Campenhausen (Anm. 26), S. 76; Link (Anm. 27), S. 6. 29 Heckel (Anm. 2), S. 256 ff.; Geiger (Anm. 26), Hamann GG, 2/1961, Art. 7, Anm. Β 11. 30 Süsterhenn (Anm. 28); Peters (Anm. 28); Eiselt, Der Ersatzschulbegriff des Grundgesetzes und die Subventionierung und Privilegierung von Ersatzschulen nach Landesrecht, in: RWS 1961, S. 295; Heckel, Entwicklungslinien im Privatschulrecht, in: DÖV 1964, S. 595 ff., 596; Schulrecht und Schulpolitik, 1967, S. 120 ff.; Evers/Fuß, Verwaltung und Schule, in: VVDStRL 23 (1964), S. 192 f., 221; Maunz in: Maunz/Dürig, GG, 2/1966, Art. 7 Rnr. 86; Link (Anm. 27). 31 So schon Eiselt (Anm. 30); Vogel, Finanzielle Beteiligung des Staates an den Kosten freier Schulen, in: DÖV 1967, S. 17 ff., 19; a. A. Link (Anm. 27), S. 6 f. 32 Heckel (Anm. 2), S. 256 ff; H. Becker, Subvention und Garantie der Freien Schule, in: DÖV 1956, S. 601 ; Vogel (Anm. 31); v. Campenhausen (Anm. 26), S. 73f. 33 Thoma, Die Subventionierung der Privatschulen im Rahmen des Art. 7 des Grundgesetzes, in: JZ 1951, S. III ff.; v. Mangoldt/Klein, GG, 2/1955, Art. 7, Anm. VI, 8. 3 4 Eiselt (Anm. 30), S. 297; Jenssen, Anm. zu OVG Berlin, Not. v. 7. 4. 1965, in: DVB1. 1966, S. 47; H. Weber, Subventionierungspflicht des Staates zugunsten privater Schulen, in: NJW 1966, S. 1798 ff.; Link (Anm. 27). 35 S. die Literaturübersichten bei Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 12), S. 40 ff.; Vogel (Anm. 8), S. 38 ff; Bernhard (Anm. 22), S. 300; Eiselt (Anm. 19), S. 557 f.

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die Ableitung von Leistungsrechten oder Teilhaberechten aus Grundrechten einmündet37. Ausgangspunkt ist die Einsicht, daß eine prinzipielle Ablehnung eines solchen Leistungsrechts mindestens im Falle des Art. 7 Abs. 4 GG „in Aporien" führe 38 . Der vom Bundesverwaltungsgericht entwickelte Anspruch wird auf Seiten der Befürworter von Leistungsrechten zum „Testfair der Effektuierung einer Verfassungsnorm durch den Leistungsstaat39. Dabei wird zunächst der Problematik des Umschlagens einer aus dem Grundrecht abgeleiteten objektiv- rechtlichen Pflicht des Staates zum Tätig werden in einen subjektiv-öffentlichen Anspruch des einzelnen auf eine konkrete Leistung nur geringe Aufmerksamkeit zuteil 40 ; das Problem wird zum erstenmal von Starck 41 gründlicher behandelt. 3. Der Versuch systematischer Begründung einer Leistungspflicht aus einem Grundrecht ist von Müller/Pieroth/Fohmann im Wege einer Normbereichsanalyse 42 unternommen worden. Ergebnis der Untersuchung ist die Annahme einer „Interventionsgarantie" des Staates. Sie tritt ein, wenn die GenehmigungsVoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Satz 2 - 4 GG nicht mehr ohne öffentliche Förderung zu schaffen oder aufrechtzuerhalten sind. Grund der Interventionsgarantie ist die sich aus Art. 7 Abs. 4 ergebende Antinomie: Der Verfassungsgeber will ausweislich der expliziten Gewährleistung des Art. 7 Abs. 4 Satz 1, daß neben dem staatlichen Schulwesen auch eines in freier Trägerschaft existieren soll und Vielfalt im Schulwesen verwirklicht wird; zugleich - und insoweit ist Art. 7 Abs. 4 ein Sonderfall unter den Freiheitsrechten - sind die verfassungsrechtlich festgelegten Genehmigungsvoraussetzungen abhängig von der Art und Weise, wie der Staat sein Schulwesen ordnet. Die vom Staat selbst legitimerweise herbeigeführte „Kollision zwischen Grundrechtseinräumung und Bedingungsjustierung" muß durch eine Förderleistung des Staates ausgeglichen werden 43.

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ζ. B. Menger-Erichsen, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht, VerwArch 1966, S. 270 ff.; Barion, Gleich und ungleich in der Schulfinanzierung, in: DÖV bl967, S. 516; Vogel (Anm. 31); Weber, Noch einmal: Grundgesetzlicher Anspruch auf Privatschulsubvention?, in: JZ 1968, S. 779 ff. 37 So schon Hamann (Anm. 29) für und Weber (Anm. 34) gegen ein Leistungsrecht; in der Folge Link (Anm. 27), S. 4 ff., und dann insbes. Martens/Häberle, Grundrechte im Leistungsstaat, in: VVDStRL 30 (1972), S. 8ff., 21 ff.; 43 ff., 76 ff. Im einzelnen dazu Müller/Pieroth/ Fohmann (Anm. 12), S. 51 ff. 38 Vogel (Anm. 31); Link (Anm. 27), S. 5. 39 Häberle (Anm. 37), S. 77; Martens (Anm. 37), S. 27. 40 Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 12), S. 49 f. 41 Starck, Staatliche Organisation und staatliche Finanzierung als Hilfen zu Grundrechtsverwirklichungen?, in: Festgabe für das Bundesverfassungsgericht, 1976, Bd. 2, S. 526. 42 (Anm. 12), S. 132 ff.; auch: F. Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 383ff. 43 (Anm. 15), S. 199, halten den kom(Anm. 12), S. 142 ff.; auch Kloepfer/Meßerschmidt pensatorischen Ausgleich für den Konkurrenzeingriff des Staates für die überzeugendste Begründung.

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Aus diesem Begründungszusammenhang werden verschiedene Konsequenzen im einzelnen abgeleitet: a) Voraussetzungen der Interventionsgarantie sind die Genehmigungsvoraussetzungen (und zwar vom Genehmigungszeitpunkt an) und der Eintritt des Interventionsfalls, die Hilfsbedürftigkeit. b) Die Hilfsbedürftigkeit darf nicht selbst verschuldet sein; sie muß typischerweise entstanden sein durch ein bestimmtes Handeln des Staates, das die Interventionsgarantie auslöst. c) Der Gesetzgeber ist materiell gebunden, Förderpflichten aus der Interventionsgarantie bei der Gestaltung des Staatshaushaltes zu berücksichtigen. d) Die Förderung darf nicht zu inhaltlicher oder organisatorischer Anpassung der Ersatzschulen an das staatliche Schulwesen mißbraucht werden. e) Die Förderung muß geeignet und notwendig sein, die Genehmigungsvoraussetzungen auf Dauer zu erfüllen. f)

Unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität der öffentlichen Förderung ist es zulässig, vom Träger eine Eigenleistung zu verlangen.

g) Ein subjektiv-rechtlicher Leistungsanspruch auf öffentliche Förderung ist nicht gegeben; für die Überprüfung öffentlicher Förderung auf ihre Verfassungsmäßigkeit steht der Weg der Verfassungsbeschwerde offen. 4. Einen anderen Weg schlägt BernhardI 44 ein; auch er nimmt eine Einstandspflicht des Staates an, jedoch aus anderem Grund und mit anderen Konsequenzen. Anknüpfungspunkt ist die herrschende Auffassung, daß die Privatschulgarantie des Art. 7 Abs. 4 Satz 1 zugleich eine institutionelle Garantie, eine Garantie des Privatschulwesens, enthalte. Diese Garantie möchte Bernhard - weil sie im Unterschied zu den institutionellen Garantien von Gemeinden und öffentlichen Rundfunkanstalten eine Garantie von privaten Einrichtungen ist - „zwischen Instituts- und institutionellen Garantien" einordnen. Eine Leistungspflicht des Staates ergibt sich aus der „VerfassungsWirklichkeit": der Bedrohtheit des Kernbestandes der Privatschulen durch legitimen Ausbau des staatlichen Schulwesens und Explosion der Personalkosten; und sie wird begründet aus der Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch die Ersatzschulen und die dadurch eintretende Entlastung des Staates. Eine volle Alimentation wie bei Gemeinden und öffentlichen Rundfunkanstalten kann allerdings wegen des privaten Charakters der Einrichtungen nicht abgeleitet werden; der private Charakter erfordert ein „nicht unerhebliches nicht-staatliches Engagement". 5. Die Kritik an dem vom BVerwG geschaffenen Leistungsanspruch aus Art. 7 Abs. 4 GG wie überhaupt gegenüber Leistungsansprüchen aus Grundrechten ist im Literaturbericht von Müller/Pieroth/Fohmann dargestellt und aufgenommen wor-

44 (Anm. 22), S. 301 ff.

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den 45 . Die erschienenen Arbeiten von Kloepfer/Meßerschmidt 46, Grämlich 41 und Coons4S verhalten sich gegenüber der laufenden Rechtsprechung kritisch referierend, aber nicht substantiell ablehnend. Der Versuch Coons', das amerikanische Prinzip der „fiskalischen Neutralität" in die Diskussion einzubringen, führt einerseits nicht zur Begründung oder Ablehnung eines Leistungsanspruchs aus Art. 7 Abs. 4 GG; andererseits verhilft der Gleichbehandlungsgrundsatz ohne verfassungsrechtliche Leistungspflicht nur dazu, daß dort, wo Ersatzschulen Finanzhilfe erhalten, keine Diskriminierung einzelner Ersatzschulen erfolgen darf. 6. Vergleicht man die Argumentation von Müller/Pieroth/Fohmann und Bernhard, so überzeugt die erstere von der Schlüssigkeit der Ausgangsposition wie von den Konsequenzen her mehr. Der Normzweck der Privatschulgarantie ist die Öffnung des Schulwesens im Sinne einer Aufhebung des Staatsschulmonopols; dies ist ein Element des vom Grundgesetz entworfenen Modells gesellschaftlicher Pluralität 49 . Die Tatsache, daß Schulen in freier Trägerschaft (neben den staatlichen) mit ihren Unterrichtsangeboten eine öffentliche Aufgabe erfüllen - wenn denn Bildung eine öffentliche Aufgabe ist - , ist erst eine Folge der mit der Privatschulgarantie hergestellten verfassungsrechtlichen Ranggleichheit von staatlicher und freier Schule. Ob die Erfüllung öffentlicher Aufgaben überhaupt im Normbereich des Art. 7 Abs. 4 GG liegt, kann bezweifelt werden; jedenfalls lehnt das BVerwG 50 ein wie immer leistungsbegründendes öffentliches Auftragsverhältnis ab, nachdem es zunächst51 dazu geneigt haben mag. Nicht von ungefähr koppelt Bernhard die öffentliche Aufgabe mit dem Gesichtspunkt der Entlastung des staatlichen Schulwesens52 und weist damit auf die begriffliche Verknüpfung hin, die hier mindestens naheliegt; die Privatschulen werden aber nicht garantiert, um eine bestimmte, staatlich definierte Aufgabe zu erfüllen, nach deren Wegfall auch die Garantie erlöschen würde. Die Garantie besteht als Freiheitsrecht unabhängig davon, ob freie Träger von ihr Gebrauch machen oder ob ihre Angebote bzw. Schülerplätze benötigt werden. Ob das Instrument der Instituts- und institutionellen Garantien für die Interpretation von Grundrechten geeignet ist, ist umstritten 53. Es führt auch in der Argumentation Bernhards nur zu vager Einordnung der Privatschulgarantie „zwischen Insti45 Müller/Pieroth/Fohmann 46 Kloepfer/Meßerschmidt 47 Grämlich (Anm. 19).

(Anm. 12), S. 40 ff. (Anm. 15).

48 Coons, Freie Wahl der Schulerziehung in den USA und in Deutschland - zum Prinzip „fiskalische Neutralität" in der Privatschulsubventionierung, in: DVB1. 1986, S. 386 ff. 49 BVerfGE 27, 195 ff. 50 BVerwGE 27, 360 ff. 51 BVerwGE 23, 347 ff. 52 (Anm. 22), S. 302. 53 S. ζ. Β. v. Mangoldt/Klein, GG, S. 83 ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 III, Anm. 13 ff.; Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 12), S. 126; Grämlich (Anm. 19), S. 609.

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tuts- und institutioneller Garantie". Die Privatschulgarantie unterscheidet sich von der Garantie von Gemeinden oder öffentlichen Rundfunkanstalten nicht nur dadurch, daß hier eine nicht-staatliche Institution garantiert wird, sondern auch dadurch, daß eine genehmigte Ersatzschule solange garantiert ist, wie die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen und der freie Träger die Schule betreiben will, während Gemeinden oder öffentliche Rundfunkanstalten nach Opportunitätsgesichtspunkten aufgehoben werden können54 . Trotz dieser Argumentationsschwächen ist die Auffassung Bernhards von der Rechtsprechung55 aufgegriffen worden, hat zur Denkfigur einer Unterscheidung des Bestandsschutzes der Institution Privatschulwesen von dem der einzelnen Privatschule geführt und damit den verfassungsrechtlichen Finanzhilfeanspruch infragegestellt. Insofern fällt das Urteil des BVerfG vom 8.4. 1987 in einen Zeitpunkt nicht unerheblicher Irritation.

54 Herrschende Meinung, z. B. Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Anm. 135 (Hochschule); Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 28 Anm. 45 (Gemeinde); Stern/Bethge, Funktionsgerechte Finanzierung der Rundfunkanstalten durch den Staat, 1966, S. 30. 55 Bay VfGH (Anm. 21) und BVerwG (Anm. 20).

2 Dokumentation Das Finanzhilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987* Leitsätze zum Urteil des Ersten Senats vom 8. April 1987 - 1 BvL - 8/84 - 1 BvL-16/841. Art. 7 4 Satz 1 GG legt dem Staat die Pflicht auf, das private Ersatzschulwesen zu schützen. 2. Eine aus der Schutzpflicht folgende Handlungspflicht wird erst ausgelöst, wenn das Ersatzschulwesen in seinem Bestand bedroht ist. 3. In welcher Weise diese Schutzpflicht erfüllt wird,'obliegt der Entscheidung des Gesetzgebers. Entschließt er sich, im Rahmen seiner Schutzpflicht Ersatzschulen finanziell zu fördern, so unterliegt er hierbei den Beschränkungen aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Bundesverfassungsgericht

Verkündet a m

- 1 BvL 8/84 - 1 BvL 16/84-

8. April 1987 Kehrwecker Regierungshauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

I M NAMEN DES VOLKES In den Verfahren zur verfassungsrechtlichen Prüfung der §§ 18, 20 Abs. 3 Satz 1 des Privatschulgesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg vom 12. Dezember 1977 (GVB1.1 S. 389, berichtigt GVB1. I, 1978, S. 62)

ι BVerfGE 75, 40; s. a. DVB1. 1987, S. 621 ff.; DÖV 1987, S. 592 ff.; NJW 1987, 2359 ff.; EuGRZ 1987, S. 242 ff. In den Beiträgen dieses Bandes ist das Urteil nach EuGRZ 1987, S. 242 ff. dokumentiert. Darauf beziehen sich die Randnummern zum hier folgenden Abdruck der Entscheidung (1. = linke Spalte, r. = rechte Spalte im EuGRZ 1987, S. 242 ff.).

Dokumentation

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1. Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 31. Oktober 1983-4 VG 2611/78- 1 BvL 8/84 - , 2. Aussetzungs- und Vorlagebeschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 31. Oktober 1983-4 VG 2434/79- 1 BvL 16/84 hat das Bundesverfassungsgericht - Erster Senat - unter Mitwirkung des Vizepräsidenten Herzog und der Richter Simon, Hesse, Katzenstein, Niemeyer, Heußner, Henschel, Seidl aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 1986 durch Urteil für Recht erkannt: 1. § 18 des Privatschulgesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg vom 12. Dezember 1977 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt I Seite 389), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. September 1985 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt I Seite 262), ist mit Artikel 7 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar und nichtig, soweit danach Finanzhilfe nur für schulpflichtige oder als schulpflichtig geltende Schüler gewährt wird. 2. § 20 Absatz 3 des Privatschulgesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg ist mit Artikel 7 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe der Gründe unvereinbar. Gründe A . (entfällt hier) Der Abschnitt A, von Seite 2 - Mitte - bis Seite 21 - Mitte - , enthält die Kurzwiedergabe der Vorlagebeschlüsse und der Stellungnahmen der Verbände einschließlich des Vorbringens der Klägerin des Ausgangsverfahrens (Brecht- Schulen). B. Die Vorlagen sind zulässig. I. Die als verfassungswidrig beanstandeten Bestimmungen sind - entgegen der von der Freien und Hansestadt Hamburg vertretenen Auffassung - für die Ausgangsverfahren entscheidungserheblich. Das Verwaltungsgericht hat dies damit be-

Das Finanzhilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

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gründet, daß den Klagen i m Falle der Ungültigkeit der zur Prüfung gestellten Bestimmungen auf der Grundlage eines unmittelbar aus Art. 7 Abs. 4 GG folgenden Subventionsanspruchs stattzugeben wäre. Da es sich hierbei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gestützt hat (BVerwGE, 23, 347; 27, 360; vgl. zuletzt auch BVerwGE 70, 290), ist seine Rechtsauffassung nicht offensichtlich unhaltbar (vgl. BVerfGE 7, 171 ((175); 67, 26 (35); 70, 173 (179)). I m übrigen sind die zur Prüfung gestellten Regelungen jedenfalls deshalb entscheidungserheblich, weil das vorlegende Gericht i m Falle ihrer Verfassungswidrigkeit die Ausgangsverfahren aussetzen, also anders entscheiden müßte als i m Falle ihrer Verfassungsmäßigkeit.

II. 1. Soweit das Verwaltungsgericht § 18 HmbPrivSchulG zur Überprüfung stellt, ist die Vorlagefrage darauf zu begrenzen, ob der Ausschluß der von der Klägerin betriebenen Abendschulen (Abendrealschule und Abendgymnasium) von der staatlichen Finanzhilfe durch die in dieser Vorschrift enthaltene Beschränkung auf schulpflichtige (Satz 1) und als schulpflichtig geltende (Satz 2) Schüler mit dem Grundgesetz vereinbar ist. 2. Soweit es um die Höhe des Förderungssatzes geht, muß neben § 20 Abs. 3 Satz 1 HmbPrivSchulG, der den unmittelbaren Gegenstand der Vorlagefrage bildet, § 20 Abs. 3 Satz 2 HmbPrivSchulG in die Prüfung einbezogen werden. Auch diese Norm ist entscheidungserheblich, denn § 20 Abs. 3 Satz 1 HmbPrivSchulG mit seinem niedrigen Förderungssatz von 25 vom Hundert erschließt sich sowohl nach seinem Inhalt als auch seinem rechtlichen Gehalt vollständig erst in Verbindung mit Satz 2 des § 20 Abs. 3 HmbPrivSchulG (vgl. dazu auch BVerfGE, 27, 1 (5); 27, 195 (200); 51, 193 (204).

C. Die zur Prüfung gestellten Regelungen des Privatschulgesetzes der Freien und Hansestadt Hamburg sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar.

I. Prüfungsmaßstab für die verfassungsrechtliche Beurteilung gesetzlicher Regelungen über die staatliche Finanzhilfe für Ersatzschulen ist in erster Linie das in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete Recht zur Errichtung privater Schulen. 1. Umfang und Bedeutung dieses Grundrechts lassen sich zutreffend nur beurteilen, wenn auch sein geschichtlicher Hintergrund beleuchtet wird. Die Trennung des Schulwesens in staatliche und private Schulen und der Primat staatlicher Schulen mit umfassendem Aufsichtsrecht auch über alle genehmigungspflichtigen privaten Schulen, findet sich bereits i m Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794 (vgl. dazu Landé in: Handbuch des Deutschen

246 r.

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Staatsrechts, 2. Bd., 1932, S. 690 (701 f.». Die Übernahme des Schulwesens als staatliche Aufgabe - mit dem Ziel, unter anderem durch die Einführung einer allgemeinen Schulpflicht möglichst allen Bürgern ein Mindestmaß an Bildung und Ausbildung zu vermitteln - beendete eine jahrhundertelange Vormachtstellung der Kirchen, die sich bis dahin auch in Form der geistlichen Schulaufsicht über die zunächst von den Städten zugelassenen ständischen Schulen und gegen die weitgehend verbotenen sogenannten Klipp- oder Winkelschulen nicht ständisch organisierter Privatlehrer behauptetet hatte (vgl. dazu Heckel, Deutsches Privatschulrecht, 1955, S. 13 ff., m. w. N.). Erstmals die Weimarer Reichsverfassung bestimmte für das gesamte Reichsgebiet den Vorrang der öffentlichen Schule und begründete neben materiellen Regelungen in den Schulartikeln (Art. 143 bis 149, 174 WRV) Reichskompetenzen für das Unterrichtswesen (Art. 10 Nr. 2 WRV). Neben der umfassenden Staatsaufsicht über das gesamte Schulwesen (Art. 144 Satz 1 WRV) wurde die allgemeine Schulpflicht und ihre Erfüllung durch den Besuch der Volksschule mit mindestens acht Schuljahren (Art. 145 WRV) vorgeschrieben; relativ umfassend wurden die Bildungsziele (Art. 148 WRV) und auch der Religionsunterricht (Art. 149 WRV) behandelt. Für Privatschulen enthielt die Weimarer Reichsverfassung folgende, später teils wörtlich in das Grundgesetz übernommene Regelung:

Art. 147 Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die Privatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist. Private Volksschulen sind nur zuzulassen, wenn für eine Minderheit von Erziehungsberechtigten, deren Wille nach Art. 146 Abs. 2 zu berücksichtigen ist, eine öffentliche Volksschule ihres Bekenntnisses oder ihrer Weltanschauung in der Gemeinde nicht besteht oder die Unterrichtsverwaltung ein besonderes pädagogisches Interesse anerkennt. Private Volksschulen sind aufzuheben. Für private Schulen, die nicht als Ersatz für öffentliche Schulen dienen, verbleibt es bei dem geltenden Recht.

Die Weimarer Verfassung entschied sich damit sowohl gegen ein uneinge2471. schränktes staatliches Schulmonopol als auch gegen eine unbeschränkte Unterrichtsfreiheit; sie unterschied vielmehr nach Schularten und führte weitgehend das System der begrenzten Unterrichtsfreiheit ein, bei dem der Staat private Schulen zwar von einer Konzession abhängig machte, auf deren Erteilung jedoch bei Erfül-

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lung der in der Verfassung selbst geregelten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch bestand (vgl. Landé, a. a. O., S. 704 ff.; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, 14. Aufl., 1933, Art. 147 Anm. 2). Mit der wirtschaftlichen Lage der Privatschulen hat sich der Verfassunggeber zwar befaßt; Regelungen über eine staatliche Finanzhilfe für diese Schulen haben jedoch keinen Eingang in die Verfassung gefunden. Ein Antrag des Zentrums im Verfassungsausschuß der Nationalversammlung, bestimmte - mit den späteren Ersatzschulen vergleichbare - Privatschulen zu bezuschussen, war erfolglos geblieben. Der Verfassunggeber von Weimar hatte indessen die Existenzgefährdung des Ersatzschulwesens erkannt und einfachrechtliche Regelungen für erforderlich gehalten. Die mühsam auf der Grundlage des ersten Weimarer Schulkompromisses und späterer Änderungsanträge zwischen Zentrum, Sozialdemokraten und Demokraten erreichte Endfassung des Art. 147 WRV wurde nur zusammen mit einer Entschließung angenommen, wonach ein Reichsgesetz für die Gewährung einer angemessenen Entschädigung in den Fällen sorgen sollte, in denen private Schulen aufgrund des verfassungsmäßigen Auf- und Ausbaues der staatlichen Schulen der Auflösung verfallen oder schwere wirtschaftliche Schädigungen erleiden würden (vgl. Landé, Die Schule in der Reichsverfassung, 1929, S. 149). Freilich ist ein solches Gesetz nie zustande gekommen. 2. In ähnlicher Weise bietet die Entstehungsgeschichte des Art. 7 Abs. 4 GG keinen Anhaltspunkt für die Annahme, das Grundgesetz habe mit der Gewährleistung der Privatschulfreiheit eine staatliche Finanzierungsverpflichtung begründen wollen. Sah der Entwurf des Verfassungskonvents auf Herrenchiemsee noch nicht einmal eine dem heutigen Art. 7 GG entsprechende Vorschrift vor, so wurde im Parlamentarischen Rat zuerst von der Deutschen Partei (DP) förmlich beantragt, den Abschnitt über die Grundrechte in bezug auf das Schulwesen zu ergänzen. Darunter befand sich der Vorschlag, private Schulen einschließlich privater Hoch- und Fachschulen zuzulassen und den Privatschulen die durch ihre Tätigkeit den öffentlichen Erziehungsanstalten ersparten Kosten zu erstatten (vgl. PRDrucks. 11.48298). Dieser Antrag wurde von dem Abgeordneten Dr. Seebohm (DP) damit begründet, „daß die Voraussetzungen für die außerordentlich wesentlichen Aufgaben und Leistungen der Privatschulen ... als Anreger und ständiger Förderer der pädagogischen Entwicklung hier im Grundgesetz niedergelegt und daß darin auch die Lebensmöglichkeit der Privatschulen gesichert werden" müsse, zumal sie dem Staat in den letzten Jahren in erheblichem Umfang Kosten abgenommen hätten (vgl. HASten.Ber. S. 239 (249)). Der gesamte Antrag, also auch soweit er nicht die staatliche Kostenerstattung betraf, wurde jedoch abgelehnt, nachdem in der Debatte der Abgeordnete Dr. Bergstraeßer (SPD) die ganze Angelegenheit für eine Sache der Länder und nicht der Bundesverfassung angesehen, der Abgeordnete Dr. Heuss (FDP) eine Bestimmung, daß den Privatschulen sozusagen ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf eine ihrer Wirkung entsprechende geldliche Unterstützung gegeben werden sollte, für eine vollkommene Unmöglichkeit erklärt und der 3 F. Müller/B. Jeand'Heur

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Abgeordnete Renner (KPD) aus „prinzipiellen" Gründen widersprochen hatte (vgl. HAStenBer. S. 255 (262 f.)). Im weiteren Verlauf der parlamentarischen Beratungen kam es jedoch zu einem neuen Antrag, nunmehr der FDP-Fraktion, und einer modifizierten Erneuerung des Antrags der Deutschen Partei ohne den Zusatz zur Ersatzschulsubventionierung. 247 r. Nach dem Antrag der FDP-Fraktion sollte eine Bestimmung in die Verfassung aufgenommen werden, wonach das Recht zur Errichtung von privaten Schulen gewährleistet und das Nähere durch Landesgesetz bestimmt werden sollte. Diesen Teil des Antrages begründete der Abgeordnete Dr. Heuss wie folgt (HAStenBer. S. 558): ... Um der Sorge vorzubeugen, daß in irgendeinem Land das Staatsmonopol ausgesprochen werden soll, habe ich die Hinzufügung des Satzes beantragt: Das Recht zur Errichtung der Privatschulen werde gewährleistet. Dabei möchte ich um Gottes willen nicht in Verlegenheit kommen, irgendwie mit dem Vorschlag, den der Kollege Dr. Seebohm seinerzeit gemacht hat, in Berührung gebracht zu werden, daß der Staat für diese Privatschule so viel Kosten bezahlen muß, als ihm auf die einzelnen Schüler berechnet abgenommen wird. Denn das wäre geradezu eine Prämiierung für solche Schulen, würde ihnen ihren Leistungscharakter der Freiwilligkeit nehmen und den Staat gleichzeitig von seiner verdammten Pflicht, für das Bildungswesen der Deutschen nach bestem Gewissen zu sorgen, allzusehr entlasten ...

Die weitere Diskussion über die Privatschulfreiheit bewegte sich stets zugleich um das Elternrecht, den Religionsunterricht und die Entscheidung für eine Konfessions- oder Simultanschule, erbrachte teils ablehnende, teils befürwortende, jedoch keine Beiträge, welche einer staatlichen Subventionierung der Privatschulen das Wort redeten, geschweige denn eine verfassungsrechtliche Festschreibung für geboten hielten (vgl. HAStenBer. S. 545 (555 bis 567)). Endgültig erhielt das Grundrecht auf Vorschlag des Fünfer-Ausschusses folgende Fassung, als deren erster Satz der FDP-Antrag und als deren Sätze 2 bis 4 der Wortlaut des Art. 147 Abs. 1 Sätze 1 bis 3 WRV übernommen wurden: Das Recht zur Errichtung von privaten Schulen wird gewährleistet. Private Schulen als Ersatz für öffentliche Schulen bedürfen der Genehmigung des Staates und unterstehen den Landesgesetzen. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn die privaten Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen und eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der Lehrkräfte nicht genügend gesichert ist.

In den Lesungen des Parlamentarischen Rates gab es außer dem Hinweis auf die Ablehnung eines Schulmonopols in der dritten Lesung keine Äußerungen zu dieser Verfassungsnorm (vgl. StenBer. S. 178 - zweite Lesung - und S. 222, 238 - dritte Lesung). Die Entstehungsgeschichte spricht danach eindeutig dafür, daß der Grundgesetzgeber Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG zwar durchaus im Zusammenhang mit dem Eltern-

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recht (Art. 6 Abs. 2 GG) und dem Recht auf eine bestimmte religiöse Erziehung (Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 7 Abs. 2 GG) gesehen, ihn letztlich aber unabhängig hiervon als besonderes Freiheitsrecht unter Absage an ein staatliches Schulmonopol verstanden und verabschiedet hat. Einen Subventionsanspruch, dessen Aufnahme in die Verfassung ausdrücklich abgelehnt worden war, sollte die verfassungsrechtliche Garantie der Privatschulfreiheit nicht einschließen. Entsprechend dieser Entstehungsgeschichte und dem Vorbild der Ländervereinbarung von 1928 hat die Kultusministerkonferenz in der am 10./11. August 1951 beschlossenen „Vereinbarung über das Privatschulwesen" (Sammlung der Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Kultusminister in der Bundesrepublik Deutschland, Leitzahl 484) bestimmt:

§ 10 Aus Art. 7 GG und aus dieser Vereinbarung können Ansprüche auf Unterstützung privater Schulen aus öffentlichen Mitteln nicht hergeleitet werden. Es bleibt den Ländern unbenommen, im Rahmen ihrer rechtlichen und finanziellen Möglichkeiten die Privatschulen unmittelbar oder mittelbar zu fördern und ihnen die gleichen Vergünstigungen zu gewähren wie den öffentlichen Schulen.

II. 1. Ob der Staat verpflichtet ist, private Ersatzschulen finanziell zu fördern, hat 2481. das Bundesverfassungsgericht bislang nicht entschieden. Anerkannt ist, daß Art. 7 GG Freiheitsrechte, Einrichtungsgarantien, Grundrechtsnormen und Auslegungsregeln für den Bereich des Schulrechts enthält und daß er über die Rechtslage der Weimarer Zeit hinausgeht, indem er die Institution der Privatschule ausdrücklich garantiert (vgl. BVerfGE 6, 309 (355)). Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet jedermann das Freiheitsrecht, Privatschulen - allerdings vorbehaltlich staatlicher Genehmigung - zu errichten (vgl. BVerfGE 27, 195 (200 f.)). Die Garantie der Privatschule als Institution sichert dieser verfassungsmäßig ihren Bestand und eine ihrer Eigenart entsprechende Verwirklichung. Kennzeichnend für die Privatschule ist, daß in ihr ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird, insbesondere im Hinblick auf die Erziehungsziele, die weltanschauliche Basis, die Lehrmethode und die Lehrinhalte. Die darin zum Ausdruck kommende Absage an ein staatliches Schulmonopol enthält zugleich eine der freiheitlich demokratischen Grundordnung entsprechende Entscheidung gegen eine Benachteiligung gleichwertiger Ersatzschulen im Verhältnis zu staatlichen Schulen allein wegen ihrer andersartigen Erziehungsformen und -inhalte (vgl. BVerfGE 34, 165 (197 f.)). 2. Mit der Anerkennung der Gründungsfreiheit und der institutionellen Garantie der Privatschule ist der Inhalt des Art. 7 Abs. 4 GG jedoch nicht vollständig erfaßt. 3*

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Dieses Grundrecht legt den für die Schulgesetzgebung ausschließlich zuständigen Ländern darüber hinaus die Pflicht auf, das private Ersatzschulwesen neben dem öffentlichen Schulwesen zu fördern und in seinem Bestand zu schützen. Dies ergibt sich aus der Bedeutung der Gewährleistung sowie aus ihrer besonderen Ausgestaltung in den Sätzen 2 bis 4, mit der das Grundgesetz selbst Voraussetzungen normiert, ohne deren Erfüllung von dem Grundrecht kein Gebrauch gemacht werden kann. Eine vergleichbare sozialstaatliche Einstandspflicht gibt es für die übrigen Privatschulen (Ergänzungsschulen) nicht, weil für sie die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG nicht gelten. a) Die Privatschulfreiheit ist im Blick auf das Bekenntnis des Grundgesetzes zur Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG), zur Entfaltung der Persönlichkeit in Freiheit und Selbstverantwortlichkeit (Art. 2 GG), zur Religions- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG), zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates und zum natürlichen Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) zu würdigen. Diesen Prinzipien entspricht der Staat des Grundgesetzes, der für die Vielfalt der Erziehungsziele und Bildungsinhalte und für das Bedürfnis seiner Bürger offen sein soll, in der ihnen gemäßen Form die eigene Persönlichkeit und die ihrer Kinder im Erziehungsbereich der Schule zu entfalten. Dem trägt er auch mit der verfassungsverbürgten Institution Privatschule durch Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG Rechnung. Der Staat darf sich aber nicht darauf zurückziehen, die Tätigkeit der privaten Ersatzschulen lediglich zuzulassen. Vielmehr muß er ihnen die Möglichkeit geben, sich ihrer Eigenart entsprechend zu verwirklichen. Ohne Selbstbestimmung im schulischen Wirkungsbereich bleibt das Recht zur Errichtung von privaten Ersatzschulen inhaltslos. Unter den von der Verfassung vorgegebenen Bedingungen ist eine solche Selbstbestimmung ohne staatlichen Beistand nicht möglich. b) Private Schulträger sind bei dem bestehenden hohen Kostenniveau heute nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft sämtliche in Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG aufgeführten Genehmigungsvoraussetzungen gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen. Die Möglichkeit einer Selbstfinanzierung durch die Erhebung annähernd kosten248 r. deckender Schulgelder ist den privaten Ersatzschulen durch Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GG praktisch genommen, weil durch sie - auch angesichts der Schulgeldfreiheit in öffentlichen Schulen - eine „Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern" zumindest „gefördert" würde. Das Grundgesetz wollte eine Entwicklung der privaten Ersatzschulen in Richtung auf eine Art von „Standes- oder Plutokratenschulen" vermeiden (vgl. die Diskussion im Hauptausschuß, HAStenBer. S. 558 ff.). Daher reicht es nicht aus, wenn die Schulträger nur in Ausnahmefällen für besonders begabte oder besonders arme Kinder Schulgeldstipendien gewähren, zumal sie diese wiederum nur zu Lasten der anderen Schüler finanzieren könnten. Eine restriktive Auslegung, wie sie von der Freien und Hansestadt Hamburg vertreten wird, wonach Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 GG dann verletzt ist, wenn die

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Ersatzschule darauf abzielt, nur Schüler aus bestimmten Gesellschaftsschichten aufzunehmen, nicht dagegen, wenn sie die zur Deckung angemessener Personalund Sachausgaben notwendigen Schulgelder erhebt und für minderbemittelte Schüler Erleichterungen vorsieht, ist weder mit dem Wortlaut der Vorschrift noch mit ihrem Sinn zu vereinbaren. Vielmehr kommt es entscheidend auf einen Vergleich mit dem öffentlichen Schulwesen an. Die Privatschule muß allgemein zugänglich sein, zwar nicht in dem Sinne, daß sie wie die öffentliche Schule jeden Schüler bei Erfüllung allgemeiner Voraussetzungen aufnehmen muß, wohl aber in dem Sinne, daß sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf deren Wirtschaftslage besucht werden kann. So wurde bereits der insoweit mit dieser Vorschrift wörtlich übereinstimmende Art. 147 WRV verstanden (vgl. dazu Landé, a. a. O., S. 156). Dementsprechend wird zur Auslegung des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG die Auffassung vertreten, es komme darauf an, „daß der Besuch der Privatschule nicht einem wirtschaftlich bevorzugten Kreise vorbehalten bleibt" (Heckel, a. a. O., S. 284). Auch höhere Schulgelder sind nicht zulässig, solange die Privatschulen „vom Staat nicht eine materielle Förderung in solchem Umfang erfahren, daß sie nach den Besitz- und Einkommensverhältnissen der Eltern ihrer Schüler nicht mehr zu fragen brauchen" (Heckel, a. a. O.). Das hätte sich allenfalls unter der Geltung des Art. 147 Abs. 1 Satz 2 WRV vertreten lassen, wenn man diese Vorschrift nach dem damals herrschenden Verfassungsverständnis lediglich als sozialpolitische Forderung ohne verbindlichen Charakter hätte abtun wollen (vgl. Müller, Das Recht der Freien Schulen nach dem Grundgesetz, 2. Aufl., 1982, S. 284 f., m. w. N.). Keineswegs trifft das aber für Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG zu, der als verbindliche Verfassungsnorm dazu zwingt, die Ersatzschulgenehmigung zu versagen oder aufzuheben, wenn überhöhte Schulgelder eine Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern auch nur fördern würden. Bis zu welcher Höhe Schulgelder verfassungsrechtlich unbedenklich erhoben werden dürfen, braucht hier nicht entschieden zu werden. Würden sie kostendekkend erhoben werden - das haben die Stellungnahmen der Beteiligten und die mündliche Verhandlung zweifelsfrei ergeben - müßten sie sich in der Größenordnung von mehreren Hundert Mark monatlich pro Kind bewegen, und zwar ungeachtet jeglicher Investitionsausgaben. Dieses Ergebnis wird bestätigt durch einen Vergleich mit der Finanzausstattung der öffentlichen Realschulen und Gymnasien. Dort waren die Kosten je Schüler bis zum Jahre 1984 auf 4700,- DM und 6700,DM gestiegen, wiederum ohne die Investitionsausgaben (vgl. dazu Grund- und Strukturdaten 1986/87, herausgegeben vom Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, S. 83; dabei sind nicht die Aufwendungen berücksichtigt, die dem Staat für die allgemeine Schulverwaltung entstehen). Erhärtet wird dieser Befund durch die Tatsache, daß die Bundesländer den privaten Ersatzschulen in der Regel Zuschüsse gewähren, welche deren Finanzbedarf zu weit über die Hälfte decken. Auch die zur Prüfung gestellte Regelung des § 20 Abs. 3 Satz 2 HmbPrivSchulG 2491. belegt das. Müßten diese vom Staat übernommenen Kosten über Schulgelder finanziert werden, so wären nur noch finanziell besser ausgestattete Bevölke-

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rungskreise in der Lage oder auch nur bereit, derartige Summen aufzubringen. Das würde die Gefahr einer Entwicklung der Ersatzschulen zu „Standesschulen" erhöhen, ungeachtet der Frage, ob unter diesen Umständen ein privates Ersatzschulwesen überhaupt noch aufrechterhalten werden könnte. Nur wenn dieses grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre persönlichen finanziellen Verhältnisse offensteht, kann die in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit im Schulwesen (BVerfGE 27, 195 (200)) tatsächlich verwirklicht und von allen Eltern und Schülern gleichberechtigt in Anspruch genommen werden. Soll Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG nicht zu einem wertlosen Individualgrundrecht auf Gründung existenzunfähiger Ersatzschulen und zu einer nutzlosen institutionellen Garantie verkümmern, so muß diese Verfassungsnorm zugleich als eine Verpflichtung des Gesetzgebers verstanden werden, die privaten Ersatzschulen zu schützen und zu fördern. c) Diese Förderungspflicht erschließt und rechtfertigt sich auch aus dem sozialstaatlichen Gehalt des Art. 7 Abs. 4 GG. Dieser gewährleistet den in den Ersatzschulen tätigen Lehrkräften eine rechtlich und wirtschaftlich gesicherte Lebensgrundlage, wenn auch vorrangig im Interesse gleichwertiger Ausbildung der Schüler. Sind diese Ziele im Privatschulwesen aufgrund des - freilich auch mit der allgemeinen Verbesserung der Lebensverhältnisse einhergehenden - hohen Kostenniveaus nicht mehr zu erfüllen, so entsteht eine sozialstaatliche Einstandspflicht. Ob hierbei der Umstand zu berücksichtigen ist, daß die privaten Ersatzschulen, wie das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zur Privatschulfinanzierung mehrfach herausgestellt hat, schon durch ihre in Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG vorausgesetzte „Ersatz"-Funktion dem Staat eigene (finanzielle) Aufwendungen ersparen und so die öffentlichen Haushalte entlasten, bedarf keiner abschließenden Beantwortung. Die staatliche Schutzpflicht privater Ersatzschulen findet ihre Rechtfertigung jedenfalls nicht vorrangig in einer Art Aufwendungsersatz für die Wahrnehmung staatlicher (hoheitlicher) Aufgaben durch Private, sondern in der Förderung eigenverantwortlicher Miterfüllung der durch Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gerade auch der Privatinitiative überlassenen allgemeinen (öffentlichen) Bildungsaufgaben. Der Staat muß den schulischen Pluralismus auch gegen sich selbst in der Weise garantieren, daß er auf eigenen Akten beruhende Beeinträchtigungen dieses Pluralismus durch staatliche Förderung in ihrer Wirkung neutralisiert (vgl. Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982, S. 143). Eine derartige besondere (Kompensations-) Pflicht gilt nicht nur für den Ausgleich der durch Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 vom Grundgesetz selbst geschaffenen Forderungen, sondern auch für eine fortlaufende Verschärfung der Gleichwertigkeitsanforderungen (etwa durch die Hebung des Standards schulischer Einrichtungen oder durch die stetige Verbesserung der Lehrerbesoldung), denen sich die privaten Ersatzschulen anpassen müssen (vgl. Art. 7 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 1 und Satz 4 GG). Sollten solche Maßnahme nicht indirekt zu einer durch Art. 7 Abs. 4 GG verbotenen Benachteiligung der Ersatzschulen (vgl. BVerfGE 27, 195 (201)) führen, so muß der Staat sicherstellen, daß die Ver-

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wirklichung seiner bildungs- und sozialpolitischen Ziele nicht auf Kosten der Lebensfähigkeit des privaten Ersatzschulwesens geht.

III. 1. In welcher Weise der Gesetzgeber seiner Förderungspflicht nachkommt, schreibt ihm das Grundgesetz nicht vor. Es hat das Schulwesen - vorbehaltlich eines Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Bildungsplanung gemäß Art. 91 b GG - der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder zugewiesen. Der 249 r. Bund hat auf diesem Gebiet weder eine Gesetzgebungs- noch eine Verwaltungsbefugnis. Daraus ergibt sich nicht nur eine weitgehende eigenständige Gestaltungsfreiheit der Länder bei der Festlegung der Schulorganisation sowie der Erziehungsprinzipien und Unterrichtsgegenstände (vgl. BVerfGE 53, 185 (196); 59, 360 (377)); gleiches gilt für die Entscheidung des Landesgesetzgebers, in welcher Weise er seiner Schutzpflicht für das Ersatzschulwesen nachkommen will. Seine Gestaltungsfreiheit gestattet es ihm beispielsweise, ganz oder teilweise von einer direkten finanziellen Förderung abzusehen und sie durch ein System von Personalund/oder Sachleistungen (etwa durch Abstellen von Lehrern - unter Rücksichtnahme auf die Eigenarten des jeweiligen Trägers - oder durch Überlassung von Schulgebäuden und anderen Einrichtungen) zu ersetzen. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung solcher Einzelheiten der Ersatzschulförderung muß sich das Bundesverfassungsgericht wie bei allen schulrechtlichen Regelungen große Zurückhaltung auferlegen (BVerfG, a. a. O.). 2. Die den Staat treffende Schutzpflicht löst erst dann eine Handlungspflicht aus, wenn andernfalls der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre (vgl. auch BVerfGE 56, 54 (81) ; m. w. N.). Beruht die staatliche Schutzpflicht vornehmlich auf der mangelnden tatsächlichen Wahrnehmungsmöglichkeit des Freiheitsrechts unter gleichzeitiger Erfüllung aller Genehmigungsbedingungen, also im wesentlichen auf der Unmöglichkeit einer Selbstfinanzierung privater Ersatzschulen, so ist deren Bedürftigkeit unabdingbare Voraussetzung einer Förderungspflicht. Die generelle Hilfsbedürftigkeit privater Ersatzschulen ist heute ein empirisch gesicherter Befund; tatsächlich haben dem sämtliche Länder, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung, Rechnung getragen. Den Landesgesetzgebern bleibt es im Rahmen ihrer Gestaltungsfreiheit unbenommen, ihre Förderung zusätzlich von der konkreten Hilfsbedürftigkeit jedes einzelnen privaten Schulträgers abhängig zu machen und beispielsweise privatschulrechtliche Gemeinnützigkeit (also Sicherstellung, daß öffentliche Gelder nicht zur Erwirtschaftung privaten Gewinns verwendet werden) zu fordern sowie im einzelnen eine Überprüfung der Finanzierungspläne und Bilanzen anzuordnen. 3. Auch hinsichtlich des Umfangs der Förderung ergeben sich Beschränkungen; da diese sicherstellen soll, daß die Genehmigungsanforderungen des Art. 7 Abs. 4

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Satz 3 und 4 GG auf Dauer erfüllt werden, kann der Staat nur verpflichtet sein, einen Beitrag bis zur Höhe dieses Existenzminimums der Institution.zu leisten. Dabei ist es zunächst Aufgabe des Gesetzgebers, selbst eine Bewertung der Kostensituation vorzunehmen und seine Hilfe danach auszurichten. Orientiert er sich an den Kosten des öffentlichen Schulwesens, so ist das nicht zu beanstanden, da die Ersatzschulen nicht beanspruchen können, eine bessere Ausstattung als vergleichbare öffentliche Schulen zu erhalten. Da die Schutzpflicht ihren Grund in der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Privatschulwesens findet, also in der Förderung individueller Freiheit, ist es auch selbstverständlich, daß jeder Ersatzschulträger eine angemessene Eigenleistung erbringen muß und nicht etwa vom allgemeinen unternehmerischen Risiko, insbesondere im Wettbewerb mit anderen privaten Schulen und auch mit vergleichbar ausgestatteten öffentlichen Schulen, freizustellen ist. Zu den angemessenen Eigenleistungen gehören nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 27, 360 (365); 70, 290 (295)) auch die Anfangsfinanzierung und die Investitionskosten. 4. Über diese Beschränkungen hinaus steht die Förderungspflicht von vornherein unter dem Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwar2501. tet werden kann; darüber hat in erster Linie der Gesetzgeber in eigener Verantwortung unter Berücksichtigung auch anderer Gemeinschaftsbelange und der Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts zu befinden (vgl. BVerfGE 33, 303 (333)). Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umfaßt mithin im Interesse des Gemeinwohls auch die Befugnis, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für andere wichtige Gemeinschaftsbelange einzusetzen (vgl. BVerfG, a. a. O., S. 335). So darf er etwa bei notwendigen allgemeinen Kürzungen den Gesamtetat für das öffentliche und private Schulwesen herabsetzen und damit auch die Basis für den Einsatz öffentlicher Finanzmittel im staatlichen und privaten Bildungsbereich verändern. Der Gesetzgeber kann auch dem Umstand sinkender Schülerzahlen im öffentlichen Schulwesen als Folge des Geburtenrückganges Rechnung tragen und ist nicht etwa verpflichtet, ohne Rücksicht hierauf das private Ersatzschulwesen zu unterstützen. Zwar macht er sich mit einer Förderung des Ersatzschulwesens gewissermaßen selbst Konkurrenz, denn jeder Schüler, der eine private Ersatzschule besucht, schlägt das Angebot aus, eine öffentliche vom Staat getragene Schule zu besuchen. Das kann aber nicht bedeuten, daß der Staat das Ersatzschulwesen zu Lasten seiner Schulen auch noch bevorzugen müßte. Umgekehrt bleibt die Pflicht des Gesetzgebers bestehen, die Existenzgrundlage privater Ersatzschulen nicht zugunsten weniger wichtiger Belange des öffentlichen Schulwesens zu vernachlässigen.

IV. Entschließt sich der Gesetzgeber, im Rahmen seiner Schutzpflicht das private Ersatzschulwesen zu unterstützen, so unterliegt er hierbei jedoch den Beschrän-

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kungen aus Art. 3 GG. Das gilt auch für finanzielle Zuwendungen, wie sie von allen Bundesländern geleistet werden. 1. Soweit der hamburgische Gesetzgeber in § 20 Abs. 3 HmbPrivSchulG wirtschaftlich bedürftigen Trägern von Ersatzschulen grundsätzlich eine Finanzhilfe von 25 vom Hundert des Schülerkopfsatzes gewährt, Trägern von Bekenntnis- oder Weltanschauungsschulen demgegenüber eine solche in Höhe von 77 vom Hundert oder gar 82 vom Hundert, verstößt er nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG. Der besondere Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG enthält Konkretisierungen des allgemeinen Gleichheitssatzes. Er verbietet es, die in ihm genannten Merkmale und Eigenschaften als Anknüpfungspunkt für eine Diskriminierung oder Privilegierung zu wählen. Die Differenzierungsverbote dieses Grundrechts haben allerdings nur die Bedeutung, daß die aufgeführten faktischen Verschiedenheiten keine rechtlichen Wirkungen haben dürfen; sie sind ferner beschränkt auf die in den Vergleichstatbeständen benannten unterschiedlichen Eigenschaften, hingegen bleiben Differenzierungen, die auf anderen Unterschiedlichkeiten der Personen oder der Lebensumstände beruhen, unberührt (BVerfGE 3, 225 (241)). Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG liegt mithin nur dann vor, wenn eine Sonderbehandlung ihre Ursache in den durch dieses besondere Grundrecht bezeichneten Gründen hat, wenn also ein kausaler Zusammenhang zwischen einem der aufgeführten Gründe und der Benachteiligung oder Bevorzugung besteht (vgl. BVerfGE 2, 266 (286); 59, 128 (157); 63, 266 (303) abweichende Meinung). Das Verbot des Art. 3 Abs. 3 GG gilt mithin nicht absolut; es verbietet, wie sich schon aus seinem Wortlaut ergibt („wegen"), nur die bezweckte Benachteiligung oder Bevorzugung, nicht aber einen Nachteil oder einen Vorteil, der die Folge einer ganz anders intendierten Regelung ist. Mit der Bestimmung des § 20 Abs. 3 HmbPrivSchulG hat der hamburgische Gesetzgeber zwar an das „Haben" eines Glaubens oder religiöser Anschauungen angeknüpft, denn in der Höhe der staatlichen Finanzhilfe unterscheidet er nach dem 250 r. Vergleichspaar „Bekenntnis- und Weltanschauungsschule" (77 oder 82 vom Hundert) einerseits und „sonstige Ersatzschulen" (25 vom Hundert) andererseits. Indessen gibt es keine Anhaltspunkte für die Annahme, daß die Regelung des § 20 Abs. 3 HmbPrivSchulG gerade wegen der weltanschaulichen und religiösen Überzeugungen geschaffen worden ist. Die Entstehungsgeschichte (vgl. BürgerschaftDrucks. 8/2534, S. 8 und 8/3103, S. 4 f., sowie Plenarprotokoll 8/94, S. 5822) läßt folgende Motive für die Schaffung dieser gesetzlichen Bestimmung erkennen: - Vertrauens- oder Bestandsschutz für die bisherige hohe Förderung der Bekenntnisschulen als Wiedergutmachung für die 1939 verfügte Schließung der konfessionellen Schulen; - Berücksichtigung der besonderen Funktion von Bekenntnisschulen im Hinblick auf Art. 7 Abs. 5 GG und die Wahlrechte von Eltern und Schülern;

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- Berücksichtigung der besonderen historischen Rolle und - Begrenzung der Haushaltsausgaben (fiskalische Gründe). Dem Gesetzgeber ging es also insgesamt nicht um eine Bevorzugung der Bekenntnis· und Weltanschauungsschulen gerade wegen ihrer inhaltlichen Ausrichtung (an Glaube, Religion, Weltanschauung). Im Vordergrund standen vielmehr die fiskalischen Erwägungen und der Gedanke, das Vertrauen der konfessionellen und weltanschaulichen Träger in die bisherige Förderungspraxis nicht zu enttäuschen. 2. Die unterschiedliche Höhe der Finanzhilfe verstößt hingegen in ihrem Ausmaß gegen Art. 7 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Entschließt sich der Gesetzgeber in Erfüllung seiner Schutzpflicht dazu, die Ersatzschulen durch finanzielle Zuwendungen zu fördern, so müssen alle Ersatzschulen nach Maßgabe des Gleichheitssatzes berücksichtigt werden. Dieser läßt dem Gesetzgeber jenseits der Gewährleistung des Existenzminimums der Ersatzschulen eine weite Gestaltungsfreiheit, die sich vornehmlich darauf bezieht, wie und in welchem Umfang eine Leistung gewährt werden soll. Mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist es, wenn der Gesetzgeber eine höhere Unterstützung etwa danach ausrichtet, ob einzelnen Ersatzschulträgern höhere Aufwendungen für besonders förderungswürdige Zwecke entstehen (beispielsweise Mehraufwand infolge besonderer pädagogischer Konzepte). Nicht zu beanstanden ist es ferner, daß der hamburgische Gesetzgeber in § 20 Abs. 3 Satz 2 HmbPrivSchulG eine um 5 vom Hundert erhöhte Förderung für diejenigen Ersatzschulen vorgesehen hat, welche überwiegend beamtete Lehrkräfte beschäftigen, zumal deren rechtliche und wirtschaftliche Sicherung im besonderen Maße den Vorgaben des Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG entspricht. Für die erhebliche Schlechterstellung aller nicht bekenntnismäßig oder weltanschaulich gebundenen Träger durch die Regelung des § 20 Abs. 3 Satz 1 HmbPrivSchulG sind ähnliche, sachlich zureichende Gründe nicht erkennbar. Keiner der von der Freien und Hansestadt Hamburg für die unterschiedliche Behandlung geltend gemachten Gründe vermag diese ihrem Umfang nach krasse Sonderbehandlung zu rechtfertigen. a) Besitzstandswahrung und Vertrauensschutz für bereits früher geförderte Privatschulen sind kein hinreichender Grund, bisher nicht geförderte oder neu gegründete Ersatzschulen auch künftig erheblich geringer zu fördern, zumal die allgemein angespannte wirtschaftliche Situation im Ersatzschulwesen in besonderer Weise eine einseitige Einflußnahme auf die Gleichheit der Chancen aller Ersatzschulen verbietet. Es ist zwar richtig, daß der Hamburger Gesetzgeber wohl nicht ohne Verletzung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes die frühere Förderung speziell der evangelischen und katholischen Ersatzschulen abrupt hätte 2511. beenden oder auf den Regelsatz von 25 vom Hundert des § 20 Abs. 3 Satz 1 HmbPrivSchulG hätte vermindern dürfen. Dies hätte im Sinne verhältnismäßiger Berücksichtigung einer geschützten Vertrauensposition den Gesetzgeber aber nur dazu berechtigt, für eine Übergangszeit eine erheblich höhere Finanzhilfe zu ge-

Das Finanzhilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

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währen, damit sich die Schulträger auf die neue Situation einstellen können (vgl. BVerfGE 43, 242 (288) m. w. N.). Im übrigen begünstigt die Regelung unterschiedslos alle Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen, also auch Neugründungen, die sich auf Vertrauensschutz nicht berufen könnten. b) Die in zweiter Linie für die beanstandete Regelung maßgeblichen fiskalischen Erwägungen enthalten ebenfalls keine hinreichenden Sachgründe für die unterschiedliche Förderungshöhe. Zwar können auch solche finanziellen Erwägungen, insbesondere bei Leistungsgesetzen, zulässig sein (vgl. BVerfGE 3, 4 (11); 27, 253 (288); 46, 299 (311)). Bei Subventionen kann es deshalb durchaus mit dem Gleichheitssatz vereinbar sein, begrenzte öffentliche Mittel nicht nach dem „Gießkannenprinzip" zu verteilen, sondern gezielt - unter Bevorzugung einzelner und Benachteiligung anderer Personengruppen - einzusetzen. Das fiskalische Bemühen, Ausgaben zu sparen, reicht aber für sich genommen in aller Regel nicht aus, um eine differenzierende Behandlung verschiedener Personengruppen zu rechtfertigen (vgl. BVerfGE 19, 76 (84)). Auch hier lassen sich einzelne Ersatzschulen nicht nur deshalb von der höheren Förderung ausschließen, weil im Falle ihrer Einbeziehung - gemessen am Etat für alle öffentlichen Schulen und Ersatzschulen - vergleichsweise geringfügige Mehrbelastungen entstehen, zumal auch im Gesetzgebungsverfahren nicht behauptet wurde, dies führe zu untragbaren finanziellen Folgen. Im übrigen kann der Gesetzgeber, soweit er Zuwendungen über das verfassungsrechtlich gebotene Mindestmaß hinaus vorsieht, die Höhe seiner Ausgaben auch dadurch begrenzen, daß er die insgesamt zur Verfügung stehenden Mittel nach einem anderen Verteilungsschlüssel gleichmäßig aufteilt, soweit nicht besondere Gründe eine differenzierte Verteilung legitimieren. c) Als hinreichender Grund einer Differenzierung ungeeignet ist ferner das Argument, die bekenntnismäßig und weltanschaulich ungebundenen Ersatzschulträger müßten sich mit erheblich niedrigeren Zuwendungen zufrieden geben, weil sie „neu" in die Förderung aufgenommen würden und wie bisher einen wesentlichen Teil ihrer Einnahmen aus Schulgeldern erzielen könnten. Genauso wenig wie der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für die bereits früher geförderten Schulen ausschlaggebend ist, gibt umgekehrt die erstmalige Einbeziehung in die Förderung ein sachliches Differenzierungsmerkmal ab. Es leuchtet nicht ein, weshalb eine Gruppe von Ersatzschulen deshalb besonders begünstigt werden soll, weil sie früher - aufgrund bereits damals gewährter staatlicher Unterstützung - keine oder nur geringe Schulgelder zu erheben brauchte (ganz abgesehen davon, daß Neugründungen von Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen gleichfalls bevorzugt werden). Diese Erwägung des Gesetzgebers entspricht auch nicht dem Anliegen des Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG, möglichst allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre finanziellen Verhältnisse den Zugang zu Ersatzschulen zu öffnen; die Absicht, bei einzelnen Ersatzschulen höhere finanzielle Zugangshürden durch erheblich geringere staatliche Förderung aufrechtzuerhalten, läuft dem vielmehr zuwider und bedeutet zugleich eine verfassungsrechtlich bedenkliche Einflußnahme auf den freien Wettbewerb unter den einzelnen Ersatzschulen.

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d) Mit dem Gleichheitsgebot nicht vereinbar ist es schließlich, wenn die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel für das Schulwesen im Ergebnis so verteilt 251 r. werden, daß an den allgemeinbildenden öffentlichen Schulen in Hamburg 93 vom Hundert aller Schüler ihre Ausbildung kostenlos erhalten, weitere rund 6,4 vom Hundert die relativ hoch subventionierten sogenannten Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen weitgehend kostenfrei besuchen können, während die restlichen 0,6 vom Hundert aller Schüler, die sich für eine der übrigen Ersatzschulen entschieden haben, durch Zahlung von Schulgeldern einen Großteil ihrer Ausbildungskosten selbst finanzieren sollen, um die Staatskasse zu schonen. Das wird belegt durch das Zahlenmaterial: Im Jahre 1985 besuchten in Hamburg von den insgesamt 11 903 Privatschülern an allgemeinbildenden Schulen rund 8 500 Schüler konfessionelle Ersatzschulen, 2 400 Schüler Rudolf-Steiner-Schulen und nur 1 000 Schüler sonstige Ersatzschulen. Angesichts aller rund 170 000 vergleichbaren Schüler in Hamburg begnügt sich die Freie und Hansestadt Hamburg für die zuletzt genannten 1 000 Privatschüler an nicht konfessionell oder weltanschaulich gebundenen Ersatzschulen, also 0,59 vom Hundert, mit einer Beteiligung an deren Ausbildungskosten in Höhe von nur 25 vom Hundert. Diese unterschiedliche Förderungshöhe zwingt die niedrig geförderten Ersatzschulen im praktischen Ergebnis zur Erhebung (Beibehaltung) verfassungswidrig hoher - die Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern fördernder - Schulgelder und zur Unterbesoldung der Lehrkräfte. Die vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Defizite, welche die Klägerin des Ausgangsverfahrens auch bei sparsamster Wirtschaftsführung zu verzeichnen hat, belegen das deutlich. e) Für eine differenzierende Förderung läßt sich danach nur noch anführen, die Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen seien deshalb besonders zu fördern, weil sie das auf religiöse und weltanschauliche Neutralität verpflichtete öffentliche Schulwesen in besonderer Weise ergänzen, wie sich aus § 3 Satz 1 und 2 SchulG ergibt, wonach die staatlichen Schulen Gemeinschaftsschulen sind, in denen alle Schulpflichtigen ohne Unterschied des Bekenntnisses und der Weltanschauung und der sozialen Herkunft gemeinsam erzogen und unterrichtet werden. Als Anknüpfungspunkt für eine differenzierende Behandlung ist diese besondere Ergänzungsfunktion aber nur geeignet, soweit sie über die religiösen und weltanschaulichen Positionen hinaus tatsächliche Verschiedenheiten aufweist, die im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 GG eine Bevorzugung zulassen. Insoweit sind eine Differenzierung zulassende Merkmale zwar sowohl hinsichtlich der sogenannten Bekenntnisschulen (im Hinblick auf die besondere Stellung und Bedeutung der Religionsgesellschaften) als auch für die sogenannten Weltanschauungsschulen (einschränkend gleichgesetzt mit Waldorfschulen wegen deren besonderen pädagogischen Konzepten) denkbar; jedoch können diese Merkmale nicht den außerordentlichen Unterschied der Förderungssätze rechtfertigen. 3. Nach alledem ist es mit Art. 7 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, daß § 20 Abs. 3 HmbPrivSchulG in Satz 2 für Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen eine Finanzhilfe in Höhe von 77 und 82 vom Hundert des

Das Finanzhilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

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Schülerkopfsatzes vorsieht, während gemäß Satz 1 für andere private Ersatzschulen nur 25 vom Hundert gewährt werden. V. Auch § 18 HmbPrivSchulG ist mit Art. 7 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit danach der Träger einer wirtschaftlich bedürftigen Ersatzschule staatliche Finanzhilfe zu den Betriebskosten nur für schulpflichtige oder als schulpflichtig geltende Schüler erhält. 1. Die Vorschrift des § 18 Satz 1 HmbPrivSchulG hat einen doppelten Regelungsgehalt. Sie gewährt jedem Träger einer Ersatzschule, die wirtschaftlich bedürftig ist, einen Anspruch auf Finanzhilfe zu den Betriebskosten nach näherer Maßgabe der §§ 19 bis 22 HmbPrivSchulG. Diesen Finanzhilfeanspruch hat der hamburgische Gesetzgeber allerdings in § 18 HmbPrivSchulG zugleich auf einen 2521. Zuschuß zu denjenigen Betriebskosten beschränkt, die einer Ersatzschule für schulpflichtige (Satz 1) oder ausnahmsweise als schulpflichtig geltende (Satz 2) Schüler entstehen. Die Beschränkung auf schulpflichtige Schüler hat zur Folge, daß die von der Klägerin des Ausgangs Verfahrens in den Jahren 1978 und 1979 betriebenen allgemeinbildenden Schulen in der Form der Abendrealschule und des Abendgymnasiums trotz ihrer Genehmigung als Ersatzschulen im Sinne des § 5 HmbPrivatSchulG von der staatlichen Finanzhilfe ausgeschlossen waren. Die von der Freien und Hansestadt Hamburg für den Förderungsausschluß angeführten Gründe, insbesondere die mangelnde Verpflichtung zur Vorhaltung von Schulen der Erwachsenenbildung, halten jedoch einer verfassungsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Für die im Ausgangsverfahren allein entscheidungserheblichen Abendschulen (Abendrealschule und Abendgymnasium) ist eindeutig, daß sie sowohl Schulen sind als auch entsprechende öffentliche Schulen im Land Hamburg tatsächlich ersetzen. Wie sich aus den §§ 10, 11 b SchulG ergibt, hat der hamburgische Gesetzgeber sowohl die Abendrealschule als auch das Abendgymnasium als öffentliche Schulen vorgesehen. Die entsprechenden Schulen der Klägerin der Ausgangsverfahren sind mithin Ersatzschulen, also Privatschulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen (BVerfGE 27, 195 (201 f.)). Die Qualifizierung einer Schule als Ersatzschule hängt auch nicht davon ab, ob sie schulpflichtige Schüler aufnimmt. Schon nach Art. 147 WRV kam es für den Ersatzschulcharakter ausschließlich darauf an, ob die öffentlichen Körperschaften für die Errichtung entsprechender Schulen „nach jeweils geltendem Recht oder jeweils geltender tatsächlicher Übung ... grundsätzlich und planmäßig sorgen oder sorgen sollen" (Landé, Die Schule in der Reichsverfassung, S. 152, 153). Danach galten bereits damals alle privaten, „mittleren und höheren, Berufs- und Fachschu-

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len" als Ersatzschulen (Landé in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 2. Bd., S. 690 (706)). Dabei war klar, daß es für den Ersatzschulcharakter nicht etwa auf die Erfüllung der in Art. 145 WRV geregelten „allgemeinen Schulpflicht" ankam, die nach Art. 145 Satz 2 WRV in der Volksschule mit mindestens acht Schuljahren und der anschließenden „Fortbildungsschule" (Berufsschule) bis zum vollendeten 18. Lebensjahr zu erfüllen war. Abgegrenzt wurden die Ersatzschulen von den „Er252 r. gänzungsschulen" als Privatschulen, welche neben einem bestehenden oder im Rahmen des Bildungsauftrags nach Art. 143 Abs. 1 Satz 1 WRV vorausgesetzten staatlichen Schulangebot (vgl. Landé, Die Schule in der Reichsverfassung, S. 153) betrieben wurden. Nicht zu den Privatschulen gezählt wurden ferner die in Art. 148 Abs. 4 WRV besonders erwähnten „Volksbildungseinrichtungen", weil sie - wie etwa die Volkshochschulen - schon keinen schulischen Charakter hatten (vgl. Landé, a. a. Ο., sowie in: Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 2. Bd., S. 707). An dieser Begriffsbestimmung hat sich mit Art. 7 Abs. 4 Satz 2 GG nichts Entscheidendes geändert. Soweit sich überhaupt Ausführungen zum Begriff der Ersatzschule finden, wird übereinstimmend die Erfüllung folgender Kriterien gefordert: Erstens muß es sich in Abgrenzung zu Kursen, Lehrgängen und ähnlichen Unterrichtsveranstaltungen um eine echte „Schule" handeln (vgl. die Definition bei Heckel, Deutsches Privatschulrecht, S. 218). Zweitens muß eine solche Schule nach dem jeweiligen Landesrecht als öffentliche Schule bestehen oder mindestens als solche grundsätzlich vorgesehen sein (vgl. etwa Heckel, a. a. O., S. 225; von Mangoldt/Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 1, 1957, Art. 7 GG Anm. V I 4; Maunz in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 7 Rdnr. 73). Zur Erfüllung des ersten Kriteriums „Schule" kommt weder dem Bestehen oder Nichtbestehen einer Schulpflicht noch ganz allgemein dem Lebensalter der Schüler irgendeine Bedeutung zu (vgl. Heckel, a. a. O., S. 219). Da die Abendschulen der Klägerin der Ausgangsverfahren auch das weitere Kriterium „Ersatzfunktion für existente öffentliche Schulen" erfüllen, bedarf es keines Eingehens auf den nicht unproblematischen Fall, daß in einem Bundesland entsprechende öffentliche Schulen nicht tatsächlich existieren oder gesetzlich vorgesehen sind (vgl. dazu etwa die Definition der Ersatzschule in BVerwGE 27, 360 (365) und Heckel, a. a. O., S. 268 ff.). 2. Haben danach private Abendrealschulen und Abendgymnasien in Hamburg den Charakter von Ersatzschulen und sind sie als solche genehmigt, so konnten sie nicht von vornherein von der staatlichen Ersatzschulförderung ausgenommen werden. Die Regelung des § 18 HmbPrivSchulG verletzt deshalb die aus Art. 7 Abs. 4 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG folgende Verpflichtung der Länder zur existenzerhaltenden Förderung der Ersatzschulen, soweit danach als Ersatzschulen genehmigte Abendrealschulen und Abendgymnasien von einer Förderung ausgeschlossen sind. Dr. Herzog Dr. Simon Dr. Hesse Dr. Katzenstein Dr. Niemeyer Dr. Heußner Dr. Henschel Dr. Seidl

Zweiter Teil

Folgen für Wissenschaft und Praxis 3 Methodische Analyse, freiheitsrechtliche und leistungsrechtliche Konsequenzen des Finanzhilfe-Urteils Von Prof. Dr. Bernd Jeand'Heur, Ruhr-Universität Bochum

Übersicht I. Vorbemerkung II. Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts - Bereichsdogmatische Ergebnisse der Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG III. Grundrechte als Leistungsrechte - Das Finanzhilfe-Urteil im Lichte grundrechtstheoretischer Kontroversen IV. Rechtsmethodische Problempunkte des Finanzhilfe-Urteils V. Freiheitsrechtliche sowie leistungsrechtliche Konsequenzen des Finanzhilfe-Urteils für Art. 7 Abs. 4 GG und die Grundrechtsdogmatik insgesamt VI. Zusammenfassung

I . Vorbemerkung Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 8. 4. 1987 1 wurde mit Spannung und in der Hoffnung auf ein klärendes Wort innerhalb der kontrovers geführten Diskussion zur Förderpflicht des Staates für private Ersatzschulen nach Art. 7 Abs. 4 GG erwartet. Abgesehen von dem in der rechtswissenschaftlichen Literatur zu diesem Themenbereich bislang vorliegenden breitgefächerten Angebot vielfältigster Meinungen 2 , sorgte insbesondere die schwankende Rechtsprechung des 1

BVerfGE 75, 40 ff., im folgenden Finanzhilfe-Urteil genannt; inzwischen abgedruckt ζ. B. in: EuGRZ 1987, S. 242 ff.; DVB1. 1987, S. 621 ff.; NJW 1987, S. 2359 ff.; DÖV 1987, S. 592 ff. Soweit ich im folgenden auf Urteilspassagen Bezug nehme, beziehe ich mich auf die Veröffentlichung in: EuGRZ 1987, S. 242 f. 2 Vgl. hierzu die Darstellungen bei Halber Stadt, Staatliche Subventionierung kirchlicher Privatschulen, 1977, S. 230 ff.; Bernhard, Zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Sparmaßnahmen bei der Privatschulfinanzierung, in: DVB1. 1983, S. 299 ff., 300; F. Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 392 ff.

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Bundesverwaltungsgerichts für eine gewisse Verunsicherung bei dem davon betroffenen Adressatenkreis. Das Bundesverwaltungsgericht tendierte zunächst zur Bejahung eines verfassungsrechtlichen Finanzhilfeanspruchs privater Ersatzschulträger 3, lehnt jedoch in neuerer Zeit eine Bestandsgarantie für die einzelne Ersatzschule ab, da Art. 7 Abs. 4 GG „einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf staatliche Finanzhilfe nur nach Maßgabe dessen" enthalte, „was zur Erhaltung des privaten Ersatzschulwesens als Institution vonnöten" sei4. Bestätigt wurde dieser Rechtsprechungswandel jüngst im Urteil vom 21. 11. 19865. Dort schränkt das Bundesverwaltungsgericht einen möglichen Anspruch auf Privatschulsubventionierung noch weitergehend ein, indem es - in Abkehr zu seinem Urteil vom 30. 8. 19686 nunmehr jedenfalls im Falle körperschaftlich organisierter gemeinnütziger Schulträger - die Koppelung staatlicher Finanzhilfe an die Anerkennung der Gemeinnützigkeit der Ersatzschule im Sinne des Steuerrechts prinzipiell mit Art. 7 Abs. 4 GG für vereinbar erklärt. Vor dieser recht unübersichtlichen Ausgangssituation befand sich das Bundesverfassungsgericht, das mithin erstmals zu einigen grundsätzlichen Fragen der finanziellen Förderung von privaten Ersatzschulen im Rahmen von Art. 7 Abs. 4 GG Stellung beziehen sollte, was die über die konkrete Fallentscheidung hinausragende Bedeutung des Urteilsspruches verdeutlicht 7. Erste Stellungnahmen nach Veröffentlichung der Urteilsgründe sprechen demnach auch von einer Entscheidung, die „ein Stück Rechtsgeschichte geschrieben" habe, welche „Maßstäbe für die künftige Gesetzgebung der Länder in den Angelegenheiten Freier Schulen (setzt)" und „darüber hinaus die wissenschaftliche Dis3 BVerwGE 23, 347 ff.; 27, 360 ff.; DÖV 1969, S. 395. 4 BVerwG NVwZ 1985, S. 111 ff., dort Leitsatz 1, die Unterstreichung findet sich nicht im Original. 5 Abgedruckt in: DÖV 1987, S. 397. 6

Abgedruckt in: DÖV 1969, S. 395; der damalige Fall betraf allerdings eine natürliche Person, die als Privatschulträger Subventionen beanspruchte. 7 Der vor dem Bundesverfassungsgericht behandelte Streitgegenstand bezog sich auf eine Klägerin, welche in Form einer als gemeinnützig anerkannten GmbH in Hamburg private, staatlich genehmigte Ersatzschulen betreibt. Sie beantragte in zwei Ausgangsverfahren aus den Jahren 1978 und 1979 vor dem dortigen Verwaltungsgericht eine Erhöhung ihrer bislang gewährten staatlichen Finanzhilfe von 25 vom Hundert des Schülerkopfsatzes auf 77 vom Hundert. Nach § 20 Abs. 3 S. 1 des HmbPrivSchulG stand der zuletzt genannte höhere Schülerkopfsatz gleichwohl nur Bekenntnis- und Weltanschauungsschulen zu, wozu die Klägerin unstreitig nicht zählt. Obgleich § 18 HmbPrivSchulG Finanzhilfe nur für schulpflichtige Schüler in Aussicht stellte, beantragte die Klägerin darüber hinaus den höheren Schülerkopfsatz für alle in ihren Einrichtungen unterrichteten Schüler, also auch für Abendgymnasiasten und -realschüler. Die Klagen hätten demnach vor dem VG abgewiesen werden müssen, wenn §§ 18, 20 Abs. 3 HmbPrivSchulG mit den Regelungen des Grundgesetzes, insbesondere Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar gewesen wären. Das VG war jedenfalls der Auffassung, die genannten Vorschriften stünden in Widerspruch zu Art. 7 Abs. 4 GG, so daß die Verfahren ausgesetzt wurden und Vorlagebeschluß nach Art. 100 Abs. 1 GG erging.

Methodenanalyse, freiheits- und leistungsrechtliche Konsequenzen

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kussion über das Recht der Freien Schulen nach dem Grundgesetz erneut anstoßen und beleben (wird), so daß weitere Beiträge zur Entwicklung des Rechtes der Freien Schule aus dem Bereich von Wissenschaft und Forschung erwartet werden können"8. Das Urteil wird - davon darf man jetzt schon ausgehen - eine Vielzahl kritischer bzw. zustimmender Stellungnahmen provozieren. Die Bandbreite der voraussehbaren Reaktionen dürfte von völliger Ablehnung (da die Grundrechte als Abwehrrechte keinerlei leistungsrechtliche Implikation zulassen sollen) bis hin zu einigen Versuchen reichen, den leistungsrechtlichen Begründungsansatz pauschal auch auf andere Grundrechte zu übertragen. Inwieweit derartige Überlegungen berechtigt sind, mag gleichwohl erst beurteilt werden, nachdem die Finanzhilfe-Entscheidung in ausreichendem Maße einer rechtsmethodischen, grundrechtstheoretischen sowie dogmatischen Analyse unterzogen worden ist. Die vorliegende Untersuchung soll in diesem Sinne ein erster Schritt dazu sein, das Urteil vom 8. 4. 1987 nach seiner Bedeutung für die bereichsdogmatische Diskussion von Art. 8 Abs. 4 GG, aber auch hinsichtlich seiner allgemeinen Tragweite für eine leistungsrechtliche Grundrechtsinterpretation zu befragen.

II. Die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts Bereichsdogmatische Ergebnisse der Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG Das Bundesverfassungsgericht anerkennt die Verpflichtung der Länder, das private Ersatzschulwesen in seinem Bestand zu schützen und neben dem öffentlichen Schulwesen zu fördern 9. Dies ist, liest man die ersten Seiten der Entscheidungsgründe, um so erstaunlicher, als man aufgrund des dort angesprochenen historischen Rückblicks auf die Entwicklung des Privatschulwesens vom Allgemeinen Preußischen Landrecht bis zu den entsprechenden Vorschriften der Weimarer Reichsverfassung eher ein gegenläufiges Ergebnis erwarten durfte. Ebensowenig wie aus dieser historischen Auslegung10 ergeben sich nämlich aus genetischen Gesichtspunkten zur Entste8 So der Bund der Freien Waldorfschulen in seiner Broschüre zum Finanzhilfe-Urteil „Die Schutzpflicht des Staates für Freie Schulen nach Art. 7 Abs. 4 GG", 1987, S. 3 sowie S. 14. S. auch die in etwa gleichlautenden Berichte und Kommentare in der Tagespresse; so nennt beispielsweise der „Wiesbadener Kurier" vom 9. 4. 1987 die Entscheidung ein „Grundsatzurteil", das „geeignet (ist), einen kulturpolitischen Schlußstrich unter einen schwelenden Konflikt zu ziehen, der die Anhänger öffentlicher und privater Schulen immer wieder in Rage gebracht hat". 9 Da die strittigen Regelungen des HmbPrivSchulG diesem Verfassungsgebot nicht gerecht werden, erklärt es sie mit Art. 7 Abs. 4 GG bzw. - im vorliegenden Fall noch relevant Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar. 10 EuGRZ 1987, S. 246, r. Sp.: „Umfang und Bedeutung dieses Grundrechts lassen sich zutreffend nur beurteilen, wenn auch sein geschichtlicher Hintergrund beleuchtet wird".

4 F. Müller/B. Jeand'Heur

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hungsgeschichte von Art. 7 Abs. 4 GG Anhaltspunkte „für die Annahme, das Grundgesetz habe mit der Gewährleistung der Privatschulfreiheit eine staatliche Finanzierungsverpflichtung begründen wollen" 11 . Im Gegenteil, die Untersuchung u. a. der Protokolle des Parlamentarischen Rates rechtfertige den Schluß: „Einen Subventionsanspruch, dessen Aufnahme in die Verfassung ausdrücklich abgelehnt worden war, sollte die verfassungsrechtliche Garantie der Privatschulfreiheit nicht einschließen"12. Bleibt zu fragen, wie sich dieses Ergebnis mit der in Leitsatz 1 aufgenommenen Finanzhilfe- Verpflichtung vereinbaren läßt (vgl. dazu unten IV.). Entscheidungstragende Relevanz erhält die historisch- genetische Rückschau für das Bundesverfassungsgericht jedoch insofern, als sie den Blickwinkel dafür schärfen soll, „daß Art. 7 Abs. 4 GG Freiheitsrechte, Einrichtungsgarantien, Grundrechtsnormen und Auslegungsregeln für den Bereich des Schulrechts enthält und daß er über die Rechtslage der Weimarer Zeit hinausgeht, indem er die Institution der Privatschule ausdrücklich garantiert" 13. Wie sieht nun der Argumentations weg des Senats im einzelnen aus? 1. Das Gericht leitet aus seiner Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG drei inhaltliche Komponenten ab, wonach diese Vorschrift zum einen die Gründungsfreiheit, andererseits die institutionelle Garantie der Privatschule gewähre und schließlich den „für die Schulgesetzgebung ausschließlich zuständigen Ländern darüber hinaus die Pflicht auf(gebe), das private Ersatzschulwesen neben dem öffentlichen Schulwesen zu fördern und in seinem Bestand zu schützen"14. Eine derartige - wie der Senat formuliert - „sozialstaatliche Einstandspflicht" ergibt sich aus der besonderen normativen und faktischen Situation des Privatschulwesens, wobei das Grundgesetz in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG selbst die Voraussetzungen normiert habe, die ein Privatschulträger erfüllen müsse, um von dem Grundrecht überhaupt Ge11

EuGRZ 1987, S. 247. Ausgesprochen hervorgehoben werden muß, weil methodisch einwandfrei, die vom Bundesverfassungsgericht vorgenommene klare Differenzierung zwischen historischen bzw. genetischen Auslegungsgesichtspunkten. Normalerweise bezeichnet das Bundesverfassungsgericht die Auslegung aus „Gesetzesmaterialien und Entstehungsgeschichte" als „historisch" (vgl. etwa BVerfGE, 11, 130 und st. Rspr.), obgleich es sich hierbei um genetische Aspekte des Zustandekommens der in Frage stehenden Vorschrift handelt. Dagegen beschäftigt sich die historische Interpretation mit Texten früherer Regelungen, sogenannten Normvorläufern bzw. - Vorbildern. Im Gegensatz zu der vom Gericht oftmals nicht beachteten Unterscheidung dieser verschiedenen Fragerichtungen (vgl. etwa BVerfGE 12, 347, 374) arbeitet der Senat im vorliegenden Urteil schulmäßig: die historische Untersuchung behandelt die rechtsgeschichtliche Situation des Privatschulwesens bis zum Ende der Weimarer Republik, während sich die genetische Analyse vor allem mit den Parlamentsdiskussionen und Gesetzesentwürfen auseinandersetzt, die zur Verkündung von Art. 7 Abs. 4 GG führten. Vgl. grundlegend zur Abgrenzung der historischen von der genetischen Interpretation: F. Müller, Juristische Methodik, 2. Aufl. 1976, S. 268 f. sowie zu deren beider methodologischem Stellenwert, S. 160 ff. 12 EuGRZ 1987, S. 247 r. Sp. 13 EuGRZ 1987, S. 248 1. Sp. mit Verweis auf BVerfGE 6, 309, 355. 14 EuGRZ 1987, S. 248 1. Sp.; letzteres ist auch die inhaltliche Zusammenfassung von Leitsatz 1 der Entscheidung.

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brauch machen zu können 15 . Aufgrund einer Analyse des angesprochenen faktischen Zustandes des Privatschulwesens gelangt das Gericht zu der Auffassung, „private Schulträger (seien; B. J.) bei dem bestehenden hohen Kostenniveau heute nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft sämtliche in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG aufgeführten Genehmigungsvoraussetzungen gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen" 1 6 . Die Möglichkeit der Selbstfinanzierung durch Erhebung auch nur annähernd kostendeckender Schulgelder sei den Privatschulen schon deshalb verwehrt, weil Art. 7 Abs. 4 S. 3 Halbsatz 2 GG eine dadurch eventuell eintretende Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern ausschließe17. Zudem finde die „sozialstaatliche Einstandspflicht" ihren tieferen Grund insbesondere in dem Umstand, daß der Staat den schulischen Pluralismus auch gegen sich selbst und gerade dann in der Weise garantieren muß, indem er „auf eigene Akten beruhende Beeinträchtigungen dieses Pluralismus durch staatliche Förderung in ihrer Wirkung neutralisiert" 18. Eine derartige Kompensationspflicht entstehe in verstärktem Maße, wenn - wie es tatsächlich zu beobachten sei - die staatlichen Kultusund Schulverwaltungen „etwa durch die Hebung des Standards schulischer Einrichtungen oder durch die stetige Verbesserung der Lehrerbesoldung" die privaten Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 S. 3 Halbsatz 1 und S. 4 GG einem immer kostenintensiveren Anpassungsdruck unterzögen. Sollen daher, und hier liegt die Quintessenz der Überlegung, „solche Maßnahmen nicht indirekt zu einer durch Art. 7 Abs. 4 GG verbotenen Benachteiligung der Ersatzschulen führen, so muß der Staat sicherstellen, daß die Verwirklichung seiner bildungs- und sozialpolitischen Ziele nicht auf Kosten der Lebensfähigkeit des privaten Ersatzschulwesens geht" 19 . 2. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß der Senat die genannte Kompensationspflicht im Ergebnis aus der freiheitsrechtlichen Grundrechtsgarantie von Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG (unter Berücksichtigung grammatisch-systematischer Aspekte im Rahmen der Sätze 3 - 4 ) entwickelt und hierbei ausdrücklich die im Schrifttum vertretene Überlegung zurückweist, die staatliche Förderpflicht finde ihre Rechtfertigung vorrangig in einer Art Aufwendungsersatz für die stellvertre15 EuGRZ 1987, S. 248 1. Sp. 16 EuGRZ 1987, S. 248 1. Sp. Neben dem in Art. 7 Abs. 4 S. 3 enthaltenen Gebot, nicht hinter dem Bildungsstandard bzw. der Ausbildungsqualität der öffentlichen Schulen zurückzustehen, erwähnt das Gericht vor allem die in S. 4 aufgestellte Verpflichtung der Ersatzschulen, die wirtschaftliche wie rechtliche Stellung der in ihnen tätigen Lehrkräfte zu sichern, als einen der Faktoren, welche zu einer Kostenexplosion im Privatschulwesen geführt haben (vgl. EuGRZ 1987, S. 248 1. Sp.). 17 EuGRZ 1987, S. 249 1. Sp.: Anderenfalls „wären nur noch finanziell besser ausgestattete Bevölkerungskreise in der Lage oder auch nur bereit, derartige Summen aufzubringen. Das würde die Gefahr einer Entwicklung der Ersatzschulen zu ,Standesschulen' erhöhen (...)". is EuGRZ 1987, S. 249 1. Sp. 19 EuGRZ 1987, S. 249 1. Sp. m. Verweis auf F. Müller/Pieroth/Fohmann, im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1984, S. 143. 4*

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tende Wahrnehmung staatlicher, hoheitlicher Aufgaben durch Private 20. Gegen die verfehlte Annahme, private Ersatzschulen würden staatlich abgeleitete Aufgaben wahrnehmen, hebt das Finanzhilfe-Urteil den ursprünglichen Charakter der Privatschulfreiheit als Freiheitsrecht hervor, das sich im Rahmen eines verfassungsrechtlich zu schützenden und zu fördernden Pluralismus des Bildungsangebots verwirklichen können muß. Der Staat muß demnach private Ersatzschulen nicht deshalb fördern, weil diese durch ihr Ausbildungsangebot das öffentliche Schulwesen eventuell entlasten könnten21. Die Subventionierungspflicht ergibt sich vielmehr ausschließlich aus dem Gedanken, daß heutzutage das individuelle Grundrecht aus Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG zumeist nur infolge staatlicher Unterstützungsleistungen wahrgenommen werden kann. Zu Recht hebt der Senat in diesem Zusammenhang die grundrechtssichernde Funktion der staatlichen Subventionsleistungen hervor, welche im wesentlichen darin zu sehen ist, das Selbstbestimmungsrecht der Freien Schulen durch Behebung finanzieller Engpässe und Schaffung einer materiell gesicherten Grundlage überhaupt erst zur Entfaltung bringen zu können. Die Tätigkeit des Staates soll demnach darauf gerichtet sein, „ihnen (den privaten Ersatzschulen; B. J.) die Möglichkeit (zu) geben, sich ihrer Eigenart entsprechend zu verwirklichen", da die „Schutzpflicht ihren Grund in der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Privatschulwesens findet, also in der Förderung individueller Freiheit (.. .)" 2 2 . Diese Definition knüpft an den Begriff der Ersatzschule an, wie er in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw. im überwiegenden Schrifttum vertreten wird 2 3 . Danach muß es sich 1. um eine „echte" Schule handeln, d. h. die 20 EuGRZ 1987, S. 249 1. Sp.; vgl. beispielsweise v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, 3. Aufl. 1985, Art. 7 Rnr. 41, wo es heißt, Art. 7 Abs. 4 GG gewähre einen Anspruch auf staatliche Finanzhilfe, „weil zumindest die privaten Ersatzschulen den Staat von seiner Bildungsaufgabe entlasten und ihm dadurch besondere Kosten ersparen". Dagegen kritisch: J. P. Vogel, Ersatzschulen im Aufbau - Genehmigung und Finanzhilfeanspruch, in: DÖV 1984, S. 541 ff., 546; sowie Kloepfer/Meßerschmidt, Privatschulfreiheit und Subventionsabbau, in: DVB1. 1983, S. 193 ff., 198, die auf die Zweischneidigkeit einer derartigen Argumentation hinweisen: „Was wäre etwa, wenn sich eine konkrete Kostenersparnis durch eine Privatschule nicht mehr feststellen ließe, insbesondere weil die vorhandenen Kapazitäten öffentlicher Schulen bei stark sinkenden Schülerzahlen bereits voll ausreichen würden". Auch Eiselt, Zur Privatschulsubventionierung, in: DÖV 1987, S. 557ff., 567, gelangt zu dem Schluß, die Forderung nach Entlastung sei „verfassungsrechtlich unzulässig", weil damit „die Einführung der nach Art. 7 Abs. 4 GG verbotenen Bedürfnisprüfung auf dem Umweg über die Subventionsregelung" ermöglicht würde. 21 Die Urteilsgründe (s. EuGRZ 1987, S. 249 1. Sp.) messen der Beantwortung der Frage, ob im Einzelfall dem Staat eigene finanzielle Aufwendungen erspart bleiben, keine weitere Bedeutung bei. Vgl. zum ,Entlastungskriterium, ferner F. Müller (Anm. 2), S. 466 f. und F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 254 f., die aus der Kritik an derartigen Überlegungen das Verbot der staatlichen Einflußnahme auf Lehrinhalte bzw. eine einseitige Förderung oder Behinderung bestimmter Schulen ableiten: „Genau dies wird jedoch bewirkt durch eine Differenzierung zwischen Schulen, die dem Staat faktisch Geld sparen und solchen, die nur das Bildungsangebot erweitern". 22 EuGRZ 1987, S. 248 1. Sp. bzw. S. 249 r. Sp. 23 Vgl. dazu EGRZ 1987, S. 252 r. Sp. m. w. N.

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entsprechende Einrichtung darf sich nicht nur auf die Durchführung gelegentlicher Kurse, Lehrgänge u. ä. beschränken; 2. muß eine solche Schule innerhalb des allgemeinen Schulaufbaus stehen, anders ausgedrückt, eine „solche Schule (muß) nach dem jeweiligen Landesrecht als öffentliche Schule bestehen oder mindestens als solche vorgesehen sein" 24 . Weitergehende Anforderungen, insbesondere soweit sie die organisatorische oder inhaltliche Ausrichtung des Bildungsangebots betreffen, würden nicht nur gegen den Normtext von Art. 7 Abs. 4 GG, sondern auch gegen das darin zum Ausdruck kommende Selbstbestimmungsrecht der Privatschulträger verstoßen. Von daher wären auch Überlegungen, welche die jetzt durch das Finanzhilfe-Urteil statuierte staatliche Subventionierungs/?/Z/c/tf - im Vergleich etwa zu bislang „freiwillig" geleisteten Finanzhilfen - zum Anlaß nähmen, auf stärkere staatliche Einflußnahme auf das Privatschulwesen zu pochen, ohne Erfolgsaussichten. Derartige Bestrebungen verstoßen gegen das vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Selbstbestimmungsrecht privater Ersatzschulen, das gerade durch die staatliche Förderpflicht geschützt werden soll. Sie entbehren damit einer jeglichen, aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Grundlage. 3. Gemäß Leitsatz 2 der Entscheidung wird eine staatliche Handlungspflicht zur Erteilung von Finanzhilfe jedoch erst dann ausgelöst, wenn das Ersatzschulwesen „in seinem Bestand bedroht ist". Hierbei stellt das Gericht darauf ab, ob der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre, ohne dabei den jüngst vom Bundesverwaltungsgericht gezogenen Schluß mitzutragen, wonach diese institutionelle Gewährleistung keine Bestandsgarantie für die einzelne Ersatzschule beinhalte (vgl. dazu unten III.). Der Senat erläutert insofern, ein derartiges Eingreifen des Staates beruhe zwar im wesentlichen auf der Unmöglichkeit der Selbstfinanzierung privater Ersatzschulen. Nichtsdestotrotz stelle deren Bedürftigkeit die „unabdingbare Voraussetzung einer Förderungspflicht" 25 dar. Gleichwohl sei „die generelle Hilfsbedürftigkeit privater Ersatzschulen (...) heute ein empirisch gesichelter Befund" 26 . Hinsichtlich des Umfangs der Förderung orientiert sich der Senat an einem Beitrag bis zur Höhe des Existenzminimums, wobei es selbstverständlich sei, daß „jeder Ersatzschulträger eine angemessene Eigenleistung erbringen muß und nicht etwa vom allgemeinen unternehmerischen Risiko, insbesondere im Wettbewerb mit anderen privaten Schulen und auch mit vergleichbar ausgestatteten öffentlichen Schulen, freizustellen ist" 2 7 .

24 BVerfGE, ebd. 25 EuGRZ 1987, S. 249 r. Sp. 26 ebd. 27 EuGRZ 1987, S. 249 r. Sp.; zu den Eigenleistungen zählt das Gericht insbesondere die Anfangsfinanzierung sowie Investitionskosten. Die Nichtförderung von Investitionskosten erscheint in diesem Zusammenhang zweifelhaft, da solche Kosten regelmäßig deshalb anfallen, weil die Ersatzschulen mit den qualitativen Verbesserungen des öffentlichen Schulbetriebs Schritt halten müssen. Um nicht hinter dem öffentlichen Schulwesen zurückzustehen, müssen private Ersatzschulen ζ. B. vermehrt Kosten zur Schaffung gleichwertiger Einrichtungen aufbringen. Dies gilt nicht nur für solche Kosten, die während des Betriebs durch Schule anfal-

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Die vom Gericht benutzte Formulierung „Existenzminimum" kann - darauf sollte hingewiesen werden - gleichwohl nicht so verstanden werden, als ob die Länder ihrer Förderverpflichtung lediglich auf einem möglichst niedrigen Level nachzukommen haben. Vielmehr geht es darum, genau diejenigen Kosten staatlicherseits zu gewähren, die für die Aufrechterhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen (in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG) vonnöten sind, damit die einzelne Ersatzschule infolge einer von ihr nicht verantworteten Notlage nicht hinter vergleichbaren öffentlichen Schulen zurückstehen muß. Der insofern unglücklich gewählte Ausdruck „Existenzminimum" kann deshalb nur im Sinne eines verfassungsrechtlichen Maßstabs (hinsichtlich der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen), nicht jedoch als rein ökonomischer Indikator interpretiert werden. 4. Leitsatz 3 stellt und beantwortet die Frage, in welcher Weise diese Schutzund Förderpflicht erfüllt werden kann. Dies obliege - so das Bundesverfassungsgericht - letztendlich der Entscheidung des Gesetzgebers, der jedoch, sollte er sich zu einer finanziellen Förderung entschließen, den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG beachten müsse. In fast schon bewährter Tradition spricht das Gericht von einem Gestaltungsspielraum, den das Grundgesetz dem Gesetzgeber einräume, wonach es diesem selbst überlassen bleibe, ob er seiner Verpflichtung „ganz oder nur teilweise finanziell" nachzukommen gedenke28. Hierbei ist anzumerken, daß der staatliche Gestaltungsspielraum seine Grenzen im Grundsatz der Gleichbehandlung sowie, und vor allem, in der Respektierung des Selbstbestimmungsrechts der Freien Schule findet. So dürfte ζ. B. die Möglichkeit der Umstellung von finanziellen Hilfeleistungen auf ein System von Personal- und Sachleistungen „politisch kaum durchzusetzen sein, aber auch in den Einzelheiten auf verfassungsrechtliche Grenzen stoßen, da ζ. B. das Recht der privaten Ersatzschulen len (Renovierung/Neubau), sondern gleichfalls für Ausgaben bei der Errichtung der Schule. Andernfalls könnte leicht eine Situation eintreten, daß faktisch niemand mehr sein Grundrecht auf Errichtung einer Privatschule ausüben kann, weil die in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG genannten Bedingungen ihn daran hindern. Dies läßt das Finanzhilfe-Urteil außer Betracht; insofern ist es nicht überzeugend. Wenig überzeugend klingt ebenfalls das Argument von Eiselt (Anm. 20), S. 567, wonach „der Charakter der Privatschule als einer privaten Einrichtung aus privater Initiative (...) einem Anspruch auf Errichtungshilfe (in Form von Beteiligung an Investitionskosten; B. J.) grundsätzlich entgegen" stehe. Konsequent zu Ende gedacht, könnte man hier gar fragen, wieso der von Eiselt apostrophierte Charakter nicht nur nicht gegen eine Anfangssubventionierung, sondern gleichfalls gegen jegliche, auch spätere Hilfeleistung sprechen sollte? Wie schon soeben dem Bundesverfassungsgericht, so sind auch Eiselt dieselben Einwände entgegenzuhalten; auch er übersieht an diesem Punkt, daß es sich um die Sicherung der Ausübungsmöglichkeiten eines Freiheitsrechts im Rahmen einer Interventionsgarantie handelt. Sobald der Interventionsfall eintritt, ob beim Aufbau der Privatschule oder in einem späteren Stadium, löst er die staatliche Förderpflicht aus, also im Einzelfall möglicherweise auch bezüglich von Investitionskosten. Vgl. zu diesem Problembereich: F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 305 ff. 28 EuGRZ 1987, S. 249 r. Sp.

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auf freie Lehrerwahl nicht beliebig eingeschränkt werden dürfte" 29 . Grundsätzlich bleibt es dem Staat jedenfalls erlaubt, sich an den Kosten des öffentlichen Schulwesens zu orientieren 30 und die „Förderungspflicht von vornherein unter den Vorbehalt dessen" zu stellen, „was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann" 31 . Das Gericht übernimmt damit die von ihm im NC- Urteil gebrauchten Formulierungen, wonach die Gewährung staatlicher Leistungen grundsätzlich nur unter Berücksichtigung des sogenannten „Haushaltsvorbehalts" akut werden könne. Im NC-Judikat gab das Bundesverfassungsgericht zu bedenken, der Gesetzgeber habe „in eigener Verantwortung zu beurteilen", welche Gemeinschaftsbelange er, angesichts der ihm zur Verfügung stehenden knappen Finanzmittel und unter Beachtung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, primär berücksichtigen bzw. verstärkt subventionieren möchte 32 . Dieser Gedanke mag eine allgemein zutreffende Richtlinie angesichts vielfältiger leistungsrechtlicher Problemlagen (bei Grundrechtsinterpretationen) zum Ausdruck bringen 33 , kann jedoch im Falle der Privatschulfreiheit eine lediglich modifizierte Anwendung finden. Wie sich nämlich aus der Normkonkretisierung von Art. 7 Abs. 4 GG ergibt 34 , folgt die staatliche Subventionierungspflicht privater Ersatzschulen - und hier könnte ein absoluter Sonderfall im Grundrechtskatalog vorliegen - aus dem normalen Gehalt des Grundrechts selbst, so daß es gerade nicht im Belieben des Landesgesetzgebers liegt, ob er, unter haushaltsplanerischen Gesichtspunkten, die Unterstützung des Privatschulwesens „einfriert" oder gar zugunsten anderer, verfassungsrechtlich nicht abgesicherter Belange zurückstellt. Gewiß hat der Gesetzgeber das Recht und die Pflicht der Prioritätensetzung bei Verabschiedung eines 29

Pieroth, in: Bund der Freien Waldorfschulen (Hrsg.) (Anm. 8), S. 6. Auch Eiselt (Anm. 20), S. 561 f., betont, der Grundsatz der Privatschulfreiheit bestimme die Grenzen des staatlichen Gestaltungsspielraums. Dies sollte stets beachtet werden, wenn sich in Zukunft hierbei „der Schwerpunkt der Debatte (...) auf Einzelfragen (...) verlagern (wird)". 30

EuGRZ 1987, S. 249 r. Sp.: „Da die Ersatzschulen nicht beanspruchen können, eine bessere Ausstattung als vergleichbare öffentliche Schulen zu erhalten". 31 EuGRZ 1987, S. 249 r. Sp. 32 BVerfGE 33, 303, 333 ff. Dort hieß es: „Ein unbegrenztes subjektives Anspruchsdenken auf Kosten der Allgemeinheit (ist) unvereinbar mit dem Sozialstaatsgedanken (. ·.); der einzelne muß sich daher diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des allgemein Zumutbaren vorsieht, vorausgesetzt, daß dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt. Diese Erwägungen beanspruchen erst recht im Bereich staatlicher Teilhabegewährung Geltung. Hier würde es dem Gebot sozialer Gerechtigkeit, das sich im Gleichheitssatz konkretisiert, geradezu zuwiderlaufen, die nur begrenzt verfügbaren öffentlichen Mittel unter Vernachlässigung anderer wichtiger Gemeinschaftsbelange bevorzugt einem privilegierten Teil der Bevölkerung zugute kommen zu lassen (...)". 33 In diesem Sinne unterwirft die h. M. im Schrifttum die „sozialen Leistungsrechte" dem Vorbehalt des politisch- parlamentarischen Entscheidungsprozesses, vgl. etwa: Böckenförde, Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge, in: Soziale Grundrechte, hrsg. von Böckenförde/Jekewitz/Ramm, 1981, S. 7 ff., 10 ff. 34 Vgl. dazu die bisherige Schilderung der Entscheidungsgründe sowie die methodische Analyse unten bei IV.

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Haushaltsentwurfes. Doch steht die staatliche Subventionspflicht, eben weil sie in Art. 7 Abs. 4 GG auf Verfassungsebene schon begründet und, mangels einer ausdrücklichen Anordnung des Gegenteils, dort keinem Haushaltsvorbehalt unterworfen ist, nicht zur Disposition der Länder. Insofern läßt sich sagen, daß die aus Art. 7 Abs. 4 GG abgeleitete Rechtspflicht gerade nicht dem Haushaltsvorbehalt bzw. einer positiven Entscheidung des Gesetzgebers untersteht. Soweit der Staat jedoch nur zu solchen Leistungen verpflichtet sein soll, die ihm aufgrund der knappen Finanzressourcen tatsächlich möglich sind - und auf diese Feststellung zielen die entsprechenden Textstellen im Finanzhilfe-Urteil ab - , handelt es sich dabei weniger um einen Haushaltsvorbehalt, vielmehr ist damit eher ein Möglichkeitsvorbehalt angesprochen35. Im Ergebnis muß das Landesparlament danach seiner rechtlichen Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 4 GG jedenfalls nachkommen; diese genießt, da verfassungsrechtlich abgesichert, im Gegensatz zu nur aufgrund einfachgesetzlicher Regelungen gewährten anderen Subventionen, sogar eine gewisse Priorität; gleichwohl darf er hierbei die einzelnen Finanzleistungen unter Berücksichtigung der ihm generell nur zur Verfügung stehenden Mittel - also im Sinne seiner prinzipiell vorhandenen Möglichkeiten - untereinander abstimmen. Mithin dürfen „Rechtspflichten beispielsweise dann durchaus gekürzt werden, wenn ihre Summe die Summe der global staatlicherseits verfügbaren Ressourcen übersteigt; das ist jedoch etwas anderes als ein Kürzen nach Belieben des Parlaments" 36. 5. Soweit sich der Gesetzgeber in Erfüllung seiner Pflichten dazu entschließt, finanzielle Zuwendungen an Freie Schulen zu leisten, darf er die verschiedenen privaten Ersatzschulen - ohne Vorliegen „sachlich zureichende(r) Gründe" 37 nicht ungleich behandeln. Zwar seien unterschiedlich hohe Förderungsmaßnahmen in gewissen Ausmaßen möglich, doch würden eklatante Ungleichbehandlungen ohne Vorliegen eines sachgerechten Grundes gegen Art. 7 Abs. 4 i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen 38. Das Gericht gibt einige Beispiele für nicht sachgerechte Gründe: bloße fiskalische Gründe, der Gründungszeitpunkt einer Privatschule oder die Besitzstandswahrung, auf die sich der Gesetzgeber dann nicht berufen könne, 35 Mit diesem Begriff arbeiten F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 160 f. 36 So F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 161; in diesem Sinne sind auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (EuGRZ 1987, S. 250 1. Sp.) zu verstehen, wonach eventuell notwendige Kürzungen von Privatschulsubventionen stets nur im Rahmen des „Gesamtetat(s) für das öffentliche und private Schulwesen" vorgenommen werden können, so daß eine allein das Privatschulwesen betreffende Kürzung ausgeschlossen sein dürfte. Es sei abschließend noch ein Hinweis auf F. Müller/Pieroth/Fohmann, S. 160 ff. erlaubt, die einen Katalog von Merkmalen angeben, anhand derer die in Art. 7 Abs. 4 GG beinhaltete Rechtspflicht im Einzelfall und unter Beachtung des Möglichkeitsvorbehalts konkretisiert werden kann. 37 EuGRZ 1987, S. 250 r. Sp. 38 EuGRZ 1987, S. 250 r. Sp.; aus diesen Gründen war die in § 20 Abs. 3 S. 1 HmbPrivSchulG vorgenommene Schlechterstellung nicht bekenntnismäßig oder weltanschaulich gebundener Privatschulträger unzulässig; s. dazu im einzelnen EuGRZ 1987, S. 250 r. Sp. S. 251 r. Sp.

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wenn er bislang nicht geförderte oder neu gegründete Ersatzschulen künftig, im Vergleich zu früher geförderten Einrichtungen, erheblich geringer zu unterstützen gedenkt39. 6. Schließlich führt das Bundesverfassungsgericht aus, bei der Erteilung von Finanzhilfe dürfe nicht danach unterschieden werden, ob durch den Besuch der Schule der Schulpflicht genügt wird oder nicht 40 . Entscheidungserheblich sei in diesem Zusammenhang lediglich, daß es sich bei den für eine Finanzhilfe in Frage kommenden Schulen jeweils um Einrichtungen handeln müsse, die öffentliche Schulen tatsächlich ersetzen. Der Senat bestätigt mithin seine bisherige Rechtsprechung zur Interpretation des in Art. 7 Abs. 4 GG verwendeten Begriffs ,Ersatzschule'. Danach sind Ersatzschulen solche „Privatschulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen" 41 . Nur wenn - was im Einzelfall stets zu prüfen ist - eine im jeweiligen Land nach ihrem Gesamtzweck funktional vergleichbare Schule weder vorhanden noch prinzipiell vorgesehen sein sollte, wäre demnach eine Privatschule nicht Ersatz-, sondern lediglich Ergänzungsschule. Da die Genehmigungsvoraussetzungen von Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG nur „den äußeren Rahmen der Ersatzschule (umschreiben), innerhalb dessen sie Bildung und Erziehung weitgehend mit eigenen, vom Staat nicht geprägten Methoden, Inhalten und Zielen verwirklichen kann" 42 , fallen sämtliche Einzelheiten der organisatorischen, sachlich-inhaltlichen Ausgestaltung des Schulbetriebs nicht unter den Maßstab ,Gesamtzweck'43. Das Bundesverfassungsgericht orientiert sich in diesem Sinne gerade nicht an Überlegungen, die das Erfordernis der Gleichartigkeit privater mit öffentlichen Schulen zum Ziel haben44. Dies ist um so mehr festzuhalten, als im 39 Vgl. die Urteilsgründe, ebd. 40 EuGRZ 1987, S. 251 r. Sp. ff.; da § 18 HmbPrivSchulG dieses Kriterium als relevant für den Erhalt staatlicher Subventionen angab, mußte das Gericht die Vorschrift verfassungswidrig erklären.

41 EuGRZ 1987, S. 252 r. Sp. mit Bezug auf BVerfGE 27, 195, 201 f.; vgl. dazu ebenso F. Müller (Anm. 2), S. 18 u. passim. 42 BVerfGE 27, 195, 204. 43 So F. Müller (Anm. 2), S. 309. Als Beispiel skizziert Müller den „Gesamtzweck im Fall des Gymnasiums" wie folgt: „Weiterführende Schule, die bis zur Hochschulreife führt, und zwar unbeschadet ihres pädagogisch begründeten und intern festgelegten Oberstufenaufbaus". 44 In Abstandnahme dazu spricht es im Finanzhilfe-Urteil verschiedentlich - vgl. etwa EuGRZ 1987, S. 249 1. Sp. - von „Gleichwertigkeitsanforderungen", welche Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG als Genehmigungsvoraussetzungen für private Ersatzschulen aufstellen. F. Müller (Anm. 2), S. 137 gibt zu bedenken, daß sich „die wissenschaftliche Diskussion seit langem auf das Begriffspaar »Gleichartigkeit - Gleichwertigkeit' fixiert hat, das weder den Problemen durchgängig gerecht werden kann, noch auch sich am Wortlaut des Verfassungstextes ausweist". Mithin sei es „nicht ganz exakt, das ,Nichtzurückstehen' (im Normtext von Art. 7 Abs. 4 S. 3 GG; B. J.) regelmäßig als ,Gleich Wertigkeit' in bezug auf die für maßgeblich erklärten Gesichtspunkte aufzufassen".

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Schrifttum gelegentlich entgegengesetzte Positionen vertreten werden, wie beispielsweise jüngst von Avenarius, der F. Müller ein „zu weit gehend(es)" Ersatzschulverständnis vorwirft 45 , da dieser übersehe, daß eine schulische Einrichtung, 45

Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde, 6. Aufl. 1986, S. 148, Anm. 14. Avenarius glaubt nachweisen zu können, Müller bejahe „das Vorhandensein einer Ersatzschule schon dann (...), wenn sie in Bezug auf die von ihr vermittelte Qualifikation als Ersatz für öffentliche Schulen arbeitet". Avenarius zieht daraus die Schlußfolgerung, nach Müller müßten „nahezu alle Privatschulen Ersatzschulen" sein, so daß es Ergänzungsschulen nur - und hier bezieht er sich auf einen angeblichen Zitatzusammenhang bei F. Müller (Anm. 2), S. 308 - im „hypothetischen Extremfall" gäbe. Avenarius ' Kritik besteht nun im wesentlichen darin, „daß damit die in Art. 7 Abs. 4 GG vorausgesetzte Unterscheidung zwischen Ersatzschulen und sonstigen Privatschulen (nämlich Ergänzungsschulen) praktisch gegenstandslos würde". Als Konsequenz davon zeichnet Avenarius das Bild einer unbegrenzten Verbreitung privater Ersatzschulen. Mehr noch: „Das öffentliche Schulwesen müßte sich gegebenenfalls darauf beschränken, verbleibende Lücken in der Schulversorgung zu füllen". Ohne auf letzteres eingehen zu müssen, zeigt schon eine nähere Betrachtung der von Avenarius zitierten Passagen die Unhaltbarkeit dieser Müller-Rezeption. Wenn in obigen Ausführungen der Eindruck entstehen kann, Müller reduziere die Kriterien, nach denen eine Ersatzschule im Sinne von Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen darf, allein auf das Vermitteln gewisser Qualifikationen, mit der Folge, daß bei deren Vorliegen immer schon die staatliche Genehmigungspflicht zum Tragen kommen müßte, so liegt dem eine mißverständliche Textinterpretation von F. Müller (Anm. 2), S. 308 f. zugrunde. Dort taucht der Ausdruck »Qualifikation, keinesfalls als ein schon für sich ausreichendes Merkmal zur Kennzeichnung einer Ersatzschule auf. Vielmehr spricht Müller von »Qualifikation, stets nur im Zusammenhang mit einem „funktional analogen Ausbildungs07?«s" (Hervorhebung im Original), dem eine Schule entsprechen müsse, um als Ersatzschule im Sinne des Grundgesetzes angesehen werden zu können. Demnach muß eine solche Ersatzschule beispielsweise „zu einem Abschluß entsprechend dem Hauptschulabschluß (...), zu einem mittleren Abschluß (...), zur allgemeinen Hochschulreife (...), usw. (...)" führen, d. h. also funktional „in bezug auf Lehrerfolg im ganzen, Abschluß, Qualifikation" als Ersatz für öffentliche Schulen arbeiten. Das Kriterium der den Schülern zu vermittelnden Qualifikation steht demnach nicht im „luftleeren" Raum, gewinnt statt dessen überhaupt erst unter dieser funktional analogen, den Ausbildungsgang typisierenden Betrachtungsweise Relevanz. Avenarius verkennt, daß diese Sichtweise in der Interpretationstradition sowohl des Bundesverwaltungs- als auch des Bundesverfassungsgerichts steht, die aus Art. 7 Abs. 4 GG einen inhaltlich bestimmten Begriff der Ersatzschule herleiten (s. dazu BVerwGE 23, 347 ff.), der nicht auf normativ nicht gestützten Gesichtspunkten (schulorganisatorischer oder pädagogischer Art) gründet, sondern unter Berücksichtigung der Lehrziele, der Einrichtungen und der wissenschaftlichen Ausbildung der Lehrkräfte definiert wird, eben genau solcher Anforderungen, in denen das Privatschulwesen insgesamt nicht hinter dem öffentlichen Schulwesen zurückstehen darf (F. Müller, ebd., S. 307). Von daher wird die Abgrenzung zu Ergänzungsschulen - entgegen Avenarius - keineswegs gegenstandslos, da sie auf dem Gesichtspunkt beruht, daß Ergänzungsschulen „außerhalb des allgemeinen Schulaufbaus stehen und zusätzliche Angebote außerhalb des öffentlichen Schulwesens erbringen" (F. Müller, ebd., S. 18). Mithin könnte man eine Schule, die ihren Ausbildungsgang funktional analog an den bislang an öffentlichen Schulen üblichen Abschlüssen orientiert, jedenfalls dann nicht mehr als Ersatzschule behandeln, „wenn es im öffentlichen Schulwesen überhaupt keine Haupt-, Berufs- oder Fachschulabschlüsse bzw. keine der mittleren Reife funktional entsprechende Qualifikation oder wenn es keine Form der Hochschulreife mehr gäbe; wenn also das gesamte staatliche Berechtigungswesen mit seinen schul-, fachschul-, hochschul-, berufsschulrechtlichen Folgerungen umstürzend verändert

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„um Ersatzschule zu sein, (...) in ihren wesentlichen Merkmalen einer vom öffentlichen Schulwesen vorgehaltenen Schulart entsprechen" müsse46. Avenarius scheint demnach, und hier liegt genau der Widerspruch zu der zitierten und durch das Finanzhilfe-Urteil erneut bestätigten Rechtsprechung, eine Position zu vertreten, welche die Genehmigungserteilung für Ersatzschulen davon abhängig machen will, daß solche privaten Schulen öffentliche Schulen bei Regelung aller grundsätzlichen Fragen nachahmen. Zumindest sind Avenarius' Ausführungen derart mißverständlich formuliert, daß sie Interpretationen zulassen, nach denen das Vorliegen des Kriteriums der Gleichartigkeit von Ersatz- und öffentlichen Schulen zur Genehmigungsvoraussetzung gemacht werden könnte. Gegen solche Bestrebungen, das Privatschulwesen rechtlich nur dann als vollwertig zu behandeln, wenn es als Kopie des öffentlichen Schulbetriebs auftritt, erheben sich, abgesehen von bildungs- und gesellschaftspolitischen Überlegungen, verfassungsrechtliche Bedenken. Art. 7 Abs. 4 S. 3 und 4 GG listen nämlich einen abschließenden, nicht ergänzbaren Katalog der Genehmigungsvoraussetzungen auf. Bei Erfüllung der dort genannten Voraussetzungen ist die Genehmigung zwingend zu erteilen. Das folgt aus dem grundrechtlichen Anspruch, auf den sich der Träger Freier Schulen berufen kann, welcher aber das Erfordernis teilweiser oder gar vollständiger Gleichartigkeit gerade ausschließt. Dies gilt, wie Müller zu Recht betont, „sowohl für entsprechende unmittelbare Normierungen als auch für Vorschriften, die in ihrer Folge tatsächlichen Druck in Richtung auf Gleichartigkeit auszuüben geeignet sind (...). In keinem Fall darf die Norm oder die Praxis der Genehmigung auf Gleichartigkeit hinwirken" 47 . In diesem Sinne ist das Bundesverfassungsgericht zu verstehen, das im Finanzhilfe-Urteil einen Gedanken wiederaufgegriffen hat, mit dem es schon früher 48 zum Ausdruck gebracht hatte, die alleinige Funktion der staatlichen Genehmigung privater Ersatzschulen bestehe darin, den Schutz der Allgewäre. Erst in diesem hypothetischen Extremfall wäre eine Ersatzschule mangels eines jeden Äquivalenzverhältnisses zum öffentlichen Schulwesen aus der grundsätzlichen Begriffsbestimmung des Art. 7 Abs. 4 S. 2 GG herausgefallen, zur Ergänzungsschule gleichsam zurückgestuft" (F. Müllen ebd., S. 309). Müller spricht in diesem Zusammenhang des eventuellen Nicht(mehr)vorliegens irgendeines Äquivalenzverhältnisses von einem „hypothetischen Extremfall" der Zurückstufung zur Ergänzungsschule, wobei er hinzufügt, daß dies gleichsam ein „Fall des Verfassungswandels (wäre), der außerhalb eines solchen im Normbereich gründenden Extremfalls nach rechtsstaatlichen Maßstäben nicht in Frage kommt". Sofern man daraus - wie Avenarius - den Vorwurf ableiten möchte, sozusagen alle Privatschulen müßten von Müller mehr oder weniger, eben bis auf besagten „hypothetischen Extremfall" wie Ersatzschulen behandelt werden, so entbehrt dies jeglicher Nachweis- bzw. herauslesbaren Textstelle. Die Differenz von Avenarius' Position zu derjenigen Müllers scheint mir in der Sache zu liegen. S. dazu sogleich oben im Text. 4 6 Heckel/Avenarius (Anm. 45), S. 148 im Text. 47 F. Müller (Anm. 2), S. 121 ff.; s. auch S. 306 ff., 351. In diesem Sinne jüngst auch Eiselt (Anm. 20), S. 565: „Eine Kopie des öffentlichen Schulwesens müssen Privatschulen nicht sein, sie dürfen nicht zum Spiegelbild des öffentlichen Schulwesens denaturiert werden 48 BVerfGE 27, 195, 203.

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meinheit vor unzureichenden Bildungseinrichtungen zu gewährleisten: „Durch die Erteilung der Genehmigung wird festgestellt, daß Bedenken gegen die Errichtung der Schule nicht bestehen (...); damit wird ihr die freie Betätigung im schulischen Bereich in den ihr wesensgemäßen Formen des Privatrechts gewährt". Der so umschriebene und begrenzte Zweck der Genehmigungsvoraussetzungen nach Art. 7 Abs. 4 GG läßt, wie es nunmehr im Finanzhilfe-Urteil 48a heißt, breiten Raum für die Entfaltung der Gestaltungsmöglichkeiten der jeweiligen Freien Schule unter besonderer Berücksichtigung ihres Selbstbestimmungsrechtes.

I I I . Grundrechte als Leistungsrechte Das Finanzhilfe-Urteil im Lichte grundrechtstheoretischer Kontroversen Bevor ein Blick auf die rechtsmethodische Argumentationsstruktur geworfen werden soll, die das Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung zugrundelegt, muß man sich die grundrechtstheoretische Brisanz vor Augen führen, welche das Judikat durchzieht. Wie das Bundesverfassungsgericht selbst und als Ergebnis seiner historisch-genetischen Auslegung feststellt, handelt es sich bei Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG um ein Grundrecht, das als Abwehrrecht - vornehmlich des Trägers von Freien Schulen - gegen staatliche Eingriffe in die Privatschulfreiheit konzipiert wurde. Diese Interpretation reiht sich ein in die Tradition der klassisch-liberalen Grundrechtstheorie, welche die Grundrechte, wie es im Lüth-Urteil heißt, „in erster Linie (verstand als; B. J.) dazu bestimmt, die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu sichern; sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Das ergibt sich aus der geistesgeschichtlichen Entwicklung der Grundrechtsidee wie aus den geschichtlichen Vorgängen, die zur Aufnahme von Grundrechten in die Verfassungen der einzelnen Staaten geführt haben. Diesen Sinn haben auch die Grundrechte des Grundgesetzes, das mit der Voranstellung des Grundrechtsabschnittes den Vorrang des Menschen und seiner Würde gegenüber der Macht des Staates betonen wollte" 49 . Diesem klassisch-liberalen Grund48a EuGRZ 1987, S. 248 r. Sp. Aus diesem nur begrenzten Zweck des GenehmigungsVorbehalts folgt die Verpflichtung des Staates, bei Vorliegen der in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG genannten Voraussetzungen die Genehmigung ohne Ausübung eines Ermessensspielraums zu erteilen. Insbesondere ist hier noch zu erwähnen, daß der Hinweis auf die ,Landesgesetze, (in Art. 7 Abs. 4 S. 2 GG) weder einen Gesetzesvorbehalt noch eine Grundrechtsschranke darstellt. Vielmehr handelt es sich lediglich um eine Kompetenzzuweisung, nach welcher die im Rahmen dieser Vorschrift zulässigen Regelungen dem LandesgtseXzgzbtv zu übertragen sind. Ähnlich ist im übrigen auch Art. 7 Abs. 1 GG als generelle Kompetenzregelung, zu der Art. 7 Abs. 4 S. 2 GG in einem bestimmten Spezialitätsverhältnis steht, zu interpretieren; keinesfalls jedoch als ein »Grundrecht der Aufsicht', aus dem über Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG hinausgehende Einschränkungen der Privatschulfreiheit abgeleitet werden könnten. 49 BVerfGE 7, 198, 204; ebenso E 30, 173 ff., 33, 303, 329. Historisch betrachtet sind die Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat entstanden. Die konstitutionelle

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rechtsverständnis korrespondiert das Fehlen jeglicher, jedenfalls gegenständlich faßbarer und einklagbarer sozialer Grundrechte bzw. Leistungsrechte i m Grundrechtskatalog 50 ; während beispielsweise die französische Verfassung von 1793 in Art. 21 zumindest den Ansatzpunkt sozialer Grundrechte enthielt 5 1 und auch die Weimarer Reichsverfassung - wenn auch nur in Form von Programmsätzen - einzelne soziale Grundrechte, wie ζ. B. Recht auf Arbeit (Art. 163 Abs. 2), der Vorsorge gegen Krankheit, Unfall und Alter (Art. 161) und der Sorge für eine gesunde Wohnung (Art. 155) statuierte, schweigt das Grundgesetz in dieser Hinsicht 5 2 . M i t h i n stellt sich vorwiegend das Problem, wie aus Art. 7 Abs. 4 GG als Abwehrrecht leistungsrechtliche Subventionsansprüche zugunsten des Grundrechtsträgers herleitbar sein könnten. Seit einigen Jahren erfuhr das Selbstverständnis der klassisch-liberalen Grundrechtstheorie, das noch von der Vorstellung einer „autonomen", staatsfreien Gesellschaft ausging, vor allem i m Hinblick auf die Problematisierung liberaler Wirtschaftstheoreme einschneidende Korrekturen. So wurde etwa vorgetragen, staatliche Aufgabenerfüllung und individueller Lebensbereich seien i m modernen „Leistungsstaat" nicht mehr prinzipiell voneinander trennbar 5 3 . Dieser zunächst gesell-

Staatsrechtslehre im ausgehenden 19. Jahrhundert verstand die Grundrechte als negatorische Unterlassungsansprüche des einzelnen gegen staatliche Eingriffe und Einwirkungen in dessen Freiheitsbereich (Geiger, Staatslexikon, hrsg. von der Görres-Gesellschaft, 6. Aufl. 1959, Sp. 1124). Dem lag eine gesellschaftspolitische Vorstellung zugrunde, wonach die bürgerliche Freiheit als vorstaatliche Existenz gedacht wurde, als gesellschaftliche Negation des Staates. In einem so verstandenen „status negativus" (vgl. dazu G. Jellinek, System der subjektiv-öffentlichen Rechte, 1905, Nachdruck 1963, S. 85 ff.) galt die Freiheit des Rechtssubjekts als grundsätzlich unbegrenzt, während die Befugnis des Staates zu Eingriffen in diese Sphäre prinzipiell als begrenzt angesehen wurde (so C. Schmitt, Verfassungslehre, 1928, unveränderter Nachdruck 1970, S. 126, 164). 50 Zwar ist daran zu erinnern, daß z. B. Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG (die Menschenwürde ist staatlicherseits „zu achten und zu schützen") in seiner 2. Alternative einen leistungsrechtlichen Regelungsgehalt beinhaltet, insofern der Normtext über eine bloß abwehrrechtliche Grundrechtsfunktion hinausdeutet, indem er Ansatzpunkte für aktives staatliches Handeln zuläßt, doch gewährt Art. 1 Abs. 1 S. 2 GG nach Auffassung des BVerfG dem Bürger keinen unmittelbaren Anspruch auf ein derartiges Tätigwerden. Ähnliches gilt für Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 6 Abs. 4 GG. 51 „Die Gesellschaft (übernimmt) den Unterhalt der ins Unglück geratenen Bürger, sei es nun, daß sie ihnen Arbeit gibt oder denjenigen, welche arbeitslos sind, die Mittel ihres Unterhalts zusichert", zitiert nach Franz (Hrsg.), Staatsverfassungen, 3. Aufl. 1975, S. 376. 52

Vgl. dazu Böckenförde (Anm. 33), S. 7 ff.; bezüglich der Aufnahme sozialer Grundrechte in die Länderverfassungen vgl. K. Lange, Soziale Grundrechte in der deutschen Verfassungsentwicklung und in den derzeitigen Länderverfassungen, in: Böckenförde/Jekewitz/ Ramm (Anm. 33), S. 49 ff. 53 So H. P. Schneider, Eigenart und Funktionen der Grundrechte im demokratischen Verfassungsstaat, in: Pereis (Hrsg.), Grundrechte als Fundament der Demokratie, 1979, S. 11 ff., 18 ff. ; s. zu einer derartigen Argumentation auch F. Müller, Thesen zur Grundrechtsdogmatik, in: ders., Rechtsstaatliche Form - Demokratische Politik. Beiträge zu Öffentlichem Recht, Methodik, Rechts- und Staatstheorie, 1977, S. 48 ff., 58.

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schaftspolitisch motivierte Prozeß fand auch innerhalb der Grundrechtsinterpretation seinen Niederschlag. Das Wort vom „Funktionswandel der Grundrechte" 54 steht für eine Entwicklung, in welcher die Beschränkung der Grundrechte auf eine rein abwehrrechtliche Funktion zunehmend in Zweifel gezogen wurde. Statt dessen gab man zu bedenken, daß, „sollen die klassischen Grundfreiheiten heute mehr sein als Freiheit ohne Verwirklichungschance, so müssen sie auch mehr enthalten als ein Verbot staatlicher Eingriffe, nämlich soziale Leistungsrechte, die sich - subjektiv gesehen - sowohl auf ein Tätigwerden des Staates überhaupt erstrecken, als auch einen Anspruch auf Teilhabe an bereits gewährten Leistungen oder auf Zugang zu bestehenden Einrichtungen umfassen (...). Nur mit einer subjektiven Leistungsdimension entsprechen die Grundrechte heute noch jenem System planender, fördernden und lenkender Maßnahmen, das dem modernen Sozialstaat eigen ist" 5 5 . In diesem Sinne wurde in der rechtswissenschaftlichen Literatur eine Zeitlang die Auseinandersetzung um die finanzielle Absicherung der in Art. 7 Abs. 4 GG garantierten Privatschulfreiheit als „wichtigste(r) Beispielsfall der Umdeutung eines Grundrechts" angesehen56. Eine derartige Umdeutung der Grundrechte von Abwehr- in Leistungsrechte kann - grundrechtstheoretisch betrachtet - auf zweierlei Weise betrieben werden. Einerseits ist es, wie gesehen, denkbar, von einem allgemeinen grundrechtstheoretischen Verständniswandel ausgehend, die Grundrechte normtextgelöst - also in Form einer bereichsdogmatisch unabhängigen Metatheorie - um eine leistungsrechtliche Komponente zu ergänzen. Andererseits ist es aber auch möglich, solche grundrechtstheoretischen Überlegungen stets nur in den Rahmen einer spezifisch normtextbezogenen Interpretation des einzelnen Grundrechts einzuordnen und eine Entscheidung darüber von den Gegebenheiten des Einzelfalles abhängig zu machen. Für beide Vorgehensweisen gibt es Beispiele im rechtswissenschaftlichen Schrifttum 57. Zu fragen ist demnach, inwiefern das Bundesverfassungsgericht in seine vorliegenden Entscheidung auf solche grundrechtstheoretischen Gedankengänge zurück54 Siehe dazu Friesenhahn, Der Wandel des Grundrechtsverständnisses, in: Verhandlungen des 50. Deutschen Juristentages, Bd. 2, 1974, Teil G; Saladin, Grundrechte im Wandel, 2. Aufl. 1975. 55

H. P. Schneider (Anm. 53), S. 11 ff.; Hervorhebung im Original vorhanden. 56 So Bernhard (Anm. 2), S. 300 m. w. N. 57 Vgl. etwa die Darstellung bei F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 51 ff. zu den Versuchen einer allgemeinen Umdeutung der Grundrechte in Leistungsrechte. Hinsichtlich der unterschiedlichen Ansätze, speziell Art. 7 Abs. 4 GG als Leistungsrecht zu interpretieren, spielten neben allgemeinen grundrechtstheoretischen besonders auch dogmatische Überlegungen eine Rolle, die aus Art. 19 Abs. 2 GG (Beachtung des Wesensgehalts) oder dem Sozialstaatsprinzip Subventionsansprüche ableiten zu können glaubten; vgl. hierzu die Zusammenfassung bei F. Müller (Anm. 2), S. 394 ff., der dort auch auf die Zweifelhaftigkeit dieser oftmals, vor allem von rechts- und gesellschaftspolitischen Erwägungen getragenen Interpretationsversuche hinweist.

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greift und in dieser Hinsicht möglicherweise einem allgemeinen leistungsrechtlichen Grundrechtsverständnis exemplarisch Vorschub leistet. Eine Begründung von Subventionsansprüchen privater Ersatzschulen aufgrund der skizzierten grundrechtstheoretischen Argumentationsschiene wäre angesichts der in den vergangenen Jahren häufig zu beobachtenden Neigung des Gerichts, konkrete dogmatische Sach- und Rechtsfragen unter primärer Zuhilfenahme bzw. Überlagerung allgemeiner grundrechtstheoretischer Denkfiguren zu entscheiden, noch nicht einmal überaus verwunderlich gewesen. Zumal wenn man daran erinnert, daß auch das Bundesverfassungsgericht einige sogenannte Leitentscheidungen getroffen hatte, die von interessierter Seite gerne als richtungsweisend für eine leistungsrechtliche Uminterpretation der Grundrechte in toto zitiert werden. Zu nennen wäre vornehmlich das Numerus- clausus-Urteil, in dem sich das Gericht einem solchen Grundrechtsverständnis öffnete. Dort heißt es: „Je stärker der moderne Staat sich der sozialen Sicherung und kulturellen Förderung der Bürger zuwendet, desto mehr tritt im Verhältnis zwischen Bürger und Staat neben das ursprüngliche Postulat grundrechtlicher Freiheitssicherung vor dem Staat die komplementäre Forderung nach grundrechtlicher Verbürgung der Teilhabe an staatlichen Leistungen (...). Würde sich die verfassungsrechtliche Betrachtung von Anfang an auf die Teilhabe am Vorhandenen verengen, ginge sie (...) am Kern der Schwierigkeiten vorbei (.. .)" 5 8 . Auch im Hochschul-Urteil 59 spricht das Bundesverfassungsgericht von Wertentscheidungen - speziell im Hinblick auf Art. 5 Abs. 3 GG - , welche „die Geltungskraft des Freiheitsrechts in Richtung auf Teilhabeberechtigungen" verstärken sollen 60 . Gleichwohl verzichtet der Senat im vorliegenden Urteil auf eine durchaus denkbare Anknüpfung an seine frühere, den leistungsrechtlichen Gehalt von Grundrechten in allgemeiner Form hervorhebende Rechtsprechung. Mehr noch: Er erwähnt mit keinem Wort die einstmals so heftig, im Rahmen einer allgemeinen Grundrechtstheorie geführte Kontroverse um Möglichkeiten und Berechtigung einer leistungs- bzw. teilhaberechtlichen Umdeutung der Grundrechte 6 1 . Zwar heißt es in den Entscheidungsgründen, die staatliche Förderungspflicht

58 BVerfGE 33, 303, 330 ff. Gleichwohl läßt das BVerfG die Frage eines objektiven sozialstaatlichen Verfassungsauftrags zur Bereitstellung ausreichender Ausbildungskapazitäten bzw. „ob sich aus diesem Verfassungsauftrag (...) ein einklagbarer Individualanspruch des Staatsbürgers (...) herleiten (läßt)", offen. Des weiteren stellt das Gericht die von ihm postulierte teilhaberechtliche Qualität der Grundrechte „unter de(n) Vorbehalt des Möglichen, im Sinne dessen, was der einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann". 59 BVerfGE 35, 79, 114 f. 60 Andererseits ist das Gericht in der Mitbestimmungs- Entscheidung gegenüber einer teilhaberechtlichen Auslegung der Grundrechte auf Distanz gegangen, um erneut deren primäre, abwehrrechtliche Funktion hervorzuheben (BVerfGE 50, 290, 337), was sich nicht zuletzt gegen Bestrebungen richtete, eine allgemeine leistungsrechtliche Theorie der Grundrechte zu entwerfen. 61 Statt dessen beläßt es das Gericht bei der knappen, aus historisch-genetischen Gesichtspunkten gewonnenen Feststellung, Art. 7 Abs. 4 GG schließe keinen Subventionsanspruch, kein originäres Leistungsrecht ein.

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rechtfertige sich auch aus dem sozialstaatlichen Gehalt des Art. 7 Abs. 4 GG 6 2 , so daß man zunächst an ein Aufgreifen der in der Literatur vertretenen Ansicht denken könnte, wonach der Sozialstaatssatz die staatliche Gewährung eines Existenzminimums zugunsten Freier Schulen garantieren können soll 63 . Doch zeigt eine nähere Betrachtung der genannten Urteilspassagen, daß der dortige Rekurs auf den Sozialstaatsgrundsatz lediglich eine Hilfserwägung darstellt, die überhaupt nur im Zusammenhang mit der dogmatischen Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG zu lesen ist. Entscheidungsrelevant ist schon die grammatische, grammatisch-systematische Auslegung des in S. 1 einerseits und S. 3 - 4 andererseits positi vierten Freiheitsrechts und seiner Genehmigungsvoraussetzung (s. dazu unten IV.). Vom Sozialstaatsprinzip angeregte Überlegungen vermögen das in diesem Sinne schon anderwärts erzielte Ergebnis nur noch ergänzend zu bestätigen64, was nicht verwunderlich erscheint angesichts der Unbestimmtheit einer sich auf sozialstaatliche Rechtsgrundsätze zurückziehenden Argumentation 65. Gleichfalls unergiebig für die vorliegende Entscheidung ist ein in der Literatur gelegentlich anzutreffendes Verständnis der Grundrechte als institutionelle Gewährleistungen 66. Obgleich das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungsgründen davon spricht, Art. 7 Abs. 4 GG beinhalte die institutionelle Garantie des Privatschulwesens, so läßt sich dies nicht als ein Votum für eine normtextgelöste allgemein-grundrechtstheoretische Herleitung von Subventionsansprüchen lesen. Schon die frühere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hatte eine derartige institutionelle Absicherung nur im Wege einer grammatischen, grammatisch-systematischen Auslegung von Art. 7 Abs. 4 GG, d. h. gerade zur Sicherung der faktischen Ausübbarkeit des individuellen Freiheitsrechts konstatieren können. Dort stand die „Figur der institutionellen Garantie (...) im Zentrum der bundesverwaltungsgerichtlichen Argumentation" 67, war aber nur in diesem, das Freiheitsrecht fördernden Sinne der eigentliche argumentative Stützpunkt, auf dem eine staatliche Förderungspflicht gründen sollte. Auch in der neueren Judikatur des 62

Vgl. EuGRZ 1987, S. 249 1. Dieser bezöge sich - wenn auch im vorrangigen Schülerinteresse auf „gleichwertige Ausbildung" - jedoch hauptsächlich auf die Sicherung der wirtschaftlichen wie rechtlichen Lebensgrundlage der an Privatschulen tätigen Lehrkräfte. 63 Vgl. dazu Kratzmann, Grundrechte - Rechte auf Leistungen, 1974, S. 67. 64 Wenn man so will, wird der Sozialstaatsgedanke nur insoweit entscheidungsrelevant, als er in Art. 7 Abs. 4 GG eine spezielle Ausformung erhalten hat, so daß das Schwergewicht wiederum auf der grammatischen, grammatisch- systematischen Interpretation dieser Vorschrift liegt. 65

Siehe F. Müller (Anm. 2), S. 402, der darauf hinweist, daß eine sich auf das Sozialstaatsprinzip stützende „Umdeutung der Privatschulfreiheit zu einem sogenannten sozialen Grundrecht, wie es das Grundgesetz seiner ganzen Systematik nach nicht kennt und angesichts des ihm zugrundeliegenden liberalen Sozialmodells auch nicht kennen kann, (...) in der Tat kein sinnvolles Ziel einer Dogmatik des Art. 7 Abs. 4 GG (ist)". 66 Vgl. z. B. Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 2. Aufl. 1972. 67 So Bernhard (Anm. 2), S. 301, mit Bezug auf BVerwGE 27, 360, 362 und weiteren Nachweisen.

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Bundesverwaltungsgerichts bildet die sogenannte institutionelle Garantie den Dreh- und Angelpunkt der Auslegung von Art. 7 Abs. 4 GG - nunmehr allerdings als entscheidungsrelevanter Gesichtspunkt gegen eine Schutzpflicht zugunsten der einzelnen Freien Schulen, der zur Verneinung von deren Bestandsgarantie führen kann. Geschützt sei - so heißt es jetzt - nämlich nur noch der „Fortbestand des als Institution garantierten privaten Ersatzschulwesens insgesamt" - nur soweit „die Bestandserhaltung der Institution" als solche in Frage steht, sei ein leistungsrechtliches Verständnis von Art. 7 Abs. 4 GG zulässig68. In diesem radikalen Wandel des Bundesverwaltungsgerichts, bei gleichbleibendem grundrechtstheoretischen Argumentationsausgangspunkt ,Institutionsgarantie 4 , spiegelt sich die ganze Brüchigkeit einer auf institutionellem Rechtsdenken aufbauenden leistungsrechtlichen Grundrechtstheorie, soweit sie jedenfalls nicht normtextbezogen argumentiert. Letztendlich geht es diesem dann nicht mehr um die Sicherung und Ausgestaltung individueller Freiheit ,an sich', vielmehr versucht es, subjektive Freiheitsrechte stets in den vermeintlich größeren Zusammenhang einer sogenannten institutionellen Freiheit einzugliedern, was nichts anderes heißt, als daß individuelle Freiheit immer nur als ein abgeleitetes Recht definiert werden kann, daß diese überhaupt nur existiert, wenn sie aus einem übergeordneten »Institut4 deduzierbar erscheint. Ein gutes Beispiel hierfür bietet Bernhard, der - noch zu Zeiten der inzwischen revidierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - „mehr Aufmerksamkeit" für dessen institutionelle Argumentationsfigur einfordert 69, da das Recht der Freien Schule überhaupt nur im Rahmen einer „gezieltein) Aufgabenverteilung im Bildungsbereich, welche die privaten neben die öffentlichen Schulen stellt" 70 konkretisierbar sei. Die institutionelle Garantie des Privatschulwesens wird somit von Bernhard in den größeren Zusammenhang der »Institution Schulwesen' (zusammengesetzt aus privaten und öffentlichen Schuleinrichtungen) gestellt, so daß Bestandsschutz und individuelle Ausübungsmöglichkeiten der Privatschulfreiheit nur aufgrund einer untergeordneten Perspektive definiert werden können. Mithin gehe es nicht um „staatliche Leistungen zur Verwirklichung privater Freiheit, sondern um die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe". Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß private Ersatzschulen ihre Entfaltungsmöglichkeiten deshalb lediglich als Teil eines gesamtgesellschaftlichen Schulsystems behaupten können sollen, ist der Schluß nicht abwegig, daß, obgleich eine „aus der institutionellen Garantie abgeleitete staatliche Leistungspflicht bejaht wird, (...) darauf hinzuweisen (ist), daß daraus kein Bestandsschutz der einzelnen Privatschule gefolgert werden kann" 71 .

68 Vgl. BVerwG NVwZ 1985, S. 111 f., 112. 69 Bernhard (Anm. 2), S. 301. 70 Bernhard (Anm. 2), S. 302. 71 Bernhard (Anm. 2), S. 303; Kloepfer/Meßerschmidt (Anm. 20), S. 197 f. erinnern deshalb zu Recht an die Problematik des institutionellen Rechtsgedankens, der sich nicht selten „gegen die verbürgten Individualfreiheiten richten kann". 5 F. Müller/B. Jeand'Heur

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Wenn es demnach ein Wesenszug institutionellen Rechtsdenkens ist, die ,Institution4 in den Mittelpunkt des juristischen Entscheidungsprozesses zu stellen, individuelle Freiheit in diesem Sinne immer nur als institutionell deduzierbare Komponente erklärbar erscheint, dann läßt sich die im Finanzhilfe-Urteil angesprochene institutionelle Garantie der Privatschulfreiheit gewiß nicht als Ausdruck eines derartigen institutionellen Rechtsdenkens interpretieren. Vielmehr könnte man das Bundesverfassungsgericht dahingehend verstehen, daß es ihm nicht um die Begründung individueller Freiheit durch „Freiheit als Institut" geht, sondern darum, originäre Freiheitsrechte, welche durch bestimmte rechtliche oder faktische Entwicklungen in Gefahr stehen, der tatsächlichen Möglichkeit ihrer Ausübung verlustig zu gehen, durch staatliches Eingreifen zu schützen. Damit ist gemeint, daß Grundrechtsgefährdungen gerade auch wegen einer die einzelne Grundrechtsausübung gewährleistenden garantienormrechtlichen Seite des jeweiligen Freiheitsrechts staatlicherseits abzuwehren sind. Hier zeigt sich recht deutlich der unterschiedliche Umgang mit der Rechtsfigur der institutionellen Garantie des Privatschulwesens, vergleicht man die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts mit der des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesverwaltungsgericht glaubt, den Bestandsschutz der einzelnen Ersatzschule hinter die Erhaltung der Institution des Privatschulwesens (in seiner Gesamtheit) zurückstellen zu können, was faktisch zu einer Negierung des individuellen Freiheitsrechts führt, da nach dieser Auffassung die Existenznöte einer konkreten Privatschule erst dann eine staatliche Handlungspflicht auslösen sollen, wenn das System der Freien Schulen als solches gefährdet erscheint. Dagegen versteht das Bundesverfassungsgericht die institutionelle Garantie nicht als Selbstzweck, sondern nur in ihrer Funktion einer Verstärkung des individuellen Freiheitsrechts, so daß der einzelne Privatschulträger Rechte und Ansprüche gegen den Staat vorbringen kann, ohne daß die genannte grundrechtstheoretische Argumentationsfigur zur Verkürzung des positiv gewährten Individualrechtes eingesetzt werden darf. Soweit sich das Bundesverfassungsgericht im Finanzhilfe- Urteil also auf leistungsrechtliche Überlegungen im Sinne einer „institutionellen Gewährleistung" oder des „Sozialstaatsgrundsatzes" einläßt, geschieht dies nicht im Zusammenhang mit Ausführungen, die in Richtung auf eine allgemein gültige leistungsrechtliche Umdeutung der Grundrechte weisen. Vielmehr handelt es sich hierbei lediglich um Konkretisierungsgesichtspunkte, welche anläßlich der grammatischen, grammatisch-systematischen Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG einen gewissen, das Ergebnis stützenden, bestätigenden Stellenwert einnehmen (vgl. dazu noch unten). Diese, grundrechtstheoretische bzw. allgemein-rechtspolitische Argumentationsgesichtspunkte beiseite lassende, Abstinenz des Bundesverfassungsgerichts muß unbedingt festgehalten werden, weil darin eine nicht zu unterschätzende, über die bereichsdogmatische Bedeutung des vorliegenden Urteils weit hinausweisende Umkehr in der Art und Weise gesehen werden könnte, wie das Gericht zukünftig leistungsrechtliche Problemlagen im Normbereich einer grundrechtlichen Freiheitsgarantie zu behandeln gedenkt. Noch im NC-Urteil hatte das Bundesverfassungs-

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gericht die Bejahung eines leistungsrechtlichen Gehalts der Grundrechte - dort in Form sogenannter „Teilhaberechte" - aus einer normtextgelösten Metatheorie der Grundrechte insbesondere unter Bezugnahme auf das „grundrechtliche Weitsystem" oder das dogmatisch kaum faßbare Sozialstaatsprinzip zu begründen versucht 72 . Im Finanzhilfe-Urteil verzichtet das Gericht nunmehr auf eine derart deduktionistische Argumentationsweise. Nicht mehr allgemeine grundrechtsdogmatische und/oder-theoretische Überlegungen, sondern eine spezifisch bereichsdogmatische Analyse der Privatschulfreiheit und der konkreten Ausübungsmöglichkeiten dieses Freiheitsrechts bilden jetzt den Ausgangspunkt, von dem aus die Frage nach dem leistungsrechtlichen Gehalt eines Grundrechts, nämlich Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG, beantwortet wird. Dies ist, abgesehen von dem darin zum Ausdruck kommenden, rechtsmethodisch einwandfreien Vorgehen, auch deshalb besonders erwähnenswert, weil gegen die vielfältigen Versuche, Grundrechte allgemein in Leistungsrechte umzudeuten, ernsthafte Einwände vorgetragen worden sind. Solche Ansätze kollidieren - pauschal betrachtet - primär mit den unter das Rechtsstaatsprinzip einzuordnenden Grundsätzen der Bindungswirkung der Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) 73 , des Vorbehalts des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) bzw. der spezifischen Vorbehaltssystematik in den jeweiligen Einzelgrundrechten 74 sowie des Gebots der Normen und Methodenklarheit 75. Böckenförde 76 spricht in diesem Sinne auch von der Unvereinbarkeit einer allgemeinen leistungsrechtlichen Umdeutung der Grundrechte mit dem „Gefüge einer demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung". Insbesondere das Gewaltenteilungsprinzip wäre schweren Erschütterungen ausgesetzt, wenn der politisch nicht verantwortliche Richter anstelle des Gesetzgebers die Ge-

72 BVerfGE 33, 303, 331. 73 Siehe hierzu Böckenförde (Anm. 33), S. 13, Fn. 19; Breuer, Grundrechte als Anspruchsnormen, in: Verwaltungsrecht zwischen Freiheitsrecht, Teilhabe und Bindung. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, 1978, S. 89 ff., 93, die aufgrund der Unbestimmtheit eines leistungsrechtlichen Grundrechtsverständnisses auf die Gefährdung des in Art. 1 Abs. 3 GG positivierten Bindungsgebots hinweisen und damit auf die Befürchtung einer allgemeine Erosion des Regelungsgehalts dieser Vorschrift. 74 Arndt/v. Ohlshausen, Nochmals: Verfassungsrechtliche Fragen zur inneren Pressefreiheit, in: JuS 1975, S. 485 ff., 485 f., sowie Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz Art. 3 Rnr. 113 f., die am generellen Verfassungsvorbehalt aller leistungsrechtlich deutbaren Grundrechte „nach Maßgabe der verteilungsfähigen Mittel" ansetzen und verdeutlichen, daß ein solcher Vorbehalt über die in Art. 1 - 1 9 GG positiv- rechtlich geregelten und nicht ergänzbaren Vorbehalte dazuerfunden werden müßte, was grundrechtssystematisch unzulässig sei und die bereits bestehenden Vorbehalte der Einzelgrundrechte generell entwerten könnte. 75 Starck, Staatliche Organisation und staatliche Finanzierung als Hilfen zu Grundrechtsverwirklichungen?, in: Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz. Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, hrsg. von Starck, Bd. 2, 1976, S. 480ff., 519, und Leisner, Der Eigentümer als Organ der Wirtschaftsverfassung, in: DÖV 1975, S. 73 ff., 74. Beide geben zu bedenken, daß es zu methodisch nicht lösbaren Kollisionsproblemen kommen könnte, wenn der Staat eventuell zu verteilende Güter zunächst beim Bürger einholen und deshalb dessen Freiheits- bzw. Abwehrrechte beschneiden müßte. 76 Böckenförde (Anm. 33), S. 9. 5*

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Währung materieller Leistungen ganz allgemein zum Prinzip seiner Grundrechtsinterpretation erklären könnte 77 . Aus all den genannten Gründen scheidet eine allgemein- verbindliche Antwort auf die Frage nach dem Vorhandensein leistungsrechtlicher Komponenten von Grundrechten aus 78 . Statt dessen empfiehlt sich eine Differenzierung zwischen solchen Grundrechten, welche für eine leistungsrechtliche Interpretation eventuell in Frage kommen und solchen, bei denen dies von vornherein nicht möglich ist 7 9 . Anstelle einer Metatheorie der Grundrechte, die meist nach dem jeweiligen (rechtspolitischen) Standpunkt der sie vertretenden Autoren ausgerichtet sein wird und wonach die Grundrechte eine allgemeine Leistungsseite besitzen oder nicht, sollten demnach bereits dogmatische Untersuchungen der einzelnen Grundrechte treten. In diesem Sinne wird besonders auch das Prioritätsverhältnis zwischen positivem Verfassungsrecht und allgemeiner Grundrechtstheorie wieder geradegerückt. Wegen der auf positivrechtlich vorhandenen Normtexten aufbauenden Aussagesystematik genießt die Grundrechtsdogmatik nämlich Priorität gegenüber einer strikt subsidiären Grundrechtstheorie, der es überlassen bleibt, grundrechtsdogmatisch (noch) nicht besetzte freie Stellen zu füllen bzw. innerhalb einer bereichsdogmatischen Interpretation einzelne Argumentationsgesichtspunkte einzubringen 80. Gemessen daran leidet die bisherige Leistungsrechte-Diskussion an dem Manko, „daß die im Grundgesetz vorhandenen (positiven) Normprogramme nicht in dem Umfang argumentativ verarbeitet werden, in welchem dies möglich und auch geboten ist" 8 1 . Dagegen hat nun das Bundesverfassungsgericht im Finanzhilfe- Urteil in beispielhafter Weise eine grundrechtsspezifische Konkretisierung der Privatschulfreiheit vorzunehmen versucht, ohne hierbei auf metatheoretische Grundrechtsfragen eingehen zu müssen. Nachdem also der vom Bundesverfassungsgericht in weiser Zurückhaltung nicht beschrittene Weg verbaut erscheint, Subventionsansprüche privater Ersatzschulträger mit Hilfe einer allgemeinen Umdeutung der Grundrechte in Leistungsrechte begründbar zu machen, stellt sich von neuem die Frage, aufgrund welcher Überlegungen eine solche Subventionierungspflicht rechtlich absicherbar ist. Das Bun77

(Anm. 19), S. 82, hin. Auf diesen Gesichtspunkt weisen F. Müller/Pieroth/Fohmann 8 Nach Bernhard (Anm. 2), S. 301 m. w. N., muß dies „als gescheitert" angesehen werden. Ähnlich kritisch äußern sich ebenfalls Kloepfer/Meßerschmidt (Anm. 20), S. 203: „Grundrechte sind gewiß nicht zuerst Subventionserschließungsnormen. Frei sein heißt immer noch vorrangig, frei vom Staat zu sein. Und es gilt nach wie vor der Satz, daß Freiheit und Risiko untrennbar sind. Subventionen bergen regelmäßig auch intensive Freiheitsgefährdungen: Die Freiheit am Tropf wird nur zu leicht zur Freiheit der Tröpfe". 7

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Eine Typologie grundrechtlicher Leistungsrechte schlagen Starck (Anm. 75), S. 481 ff., und Breuer (Anm. 73), S. 94, vor. so Böckenförde, Staat, Gesellschaft, Freiheit, 1976, S. 240 ff. si F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 122.

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desVerfassungsgericht gewährt die umstrittene finanzielle Unterstützung. Schauen wir also nochmals, welche Begründung uns das Gericht dafür anbietet bzw. auf welche(n) Normtext(e) der Senat seine Entscheidung zurückführt, kurz: Überprüfen wir die rechtsmethodische Haltbarkeit des Judikats.

IV. Rechtsmethodische Problempunkte des Finanzhilfe-Urteils Das Grundgesetz bindet Rechtsprechung (sowie Gesetzgebung und vollziehende Gewalt) an die verfassungsmäßige Ordnung, Gesetz und Recht, wie es in Art. 20 Abs. 3 GG zum Ausdruck kommt. Für die Judikative enthält Art. 97 Abs. 1 GG einen Spezialverweis, wonach die Gerichte „nur dem Gesetze unterworfen sind". Jedes Urteil muß demnach, um als rechtmäßig bezeichnet werden zu können, auf einen Normtext zurückführbar sein. Mit anderen Worten, Entscheidungsgründe können ein Judikat nur dann im rechtsstaatlichen Sinne rechtfertigen, wenn sie auf rechtsmethodisch rationale Weise aus einem Normtext entwickelt bzw. umgekehrt, auf diesen wiederum zurückgeführt werden können 82 . Auf welche(n) Normtext(e) ist demnach - an diesem verfassungsrechtlich vorgegebenen Maßstab gemessen - die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Gewährung von staatlicher Finanzhilfe zugunsten privater Ersatzschulen rückführbar? Das Gericht gibt - liest man die Entscheidungsgründe - mindestens drei Beantwortungsmöglichkeiten. In Leitsatz 1 und an mehreren anderen Textstellen heißt es, die staatliche Finanzierungspflicht folge aus Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG. Andererseits lesen wir (unter C. II. 2a), die in Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG gewährleistete Privatschulfreiheit und eine entsprechende staatliche Subventionierungsverpflichtung seien „im Blick auf das Bekenntnis des Grundgesetzes zur Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG), zur Entfaltung der Persönlichkeit in Freiheit und Selbstverantwortlichkeit (Art. 2 GG), zur Religions- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG), zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates und zum natürlichen Elternrecht (Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG) zu würdigen". Schließlich statuieren die Entscheidungsgründe83 eine „aus Art. 7 Abs. 4 GG i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG folgende Verpflichtung der Länder zur existenzerhaltenden Förderung der Ersatzschulen (...)". Prüfen wir die drei Normtextverweise der Reihe nach: Eine staatliche Förderungspflicht ergibt sich jedenfalls nicht aus Art. 7 Abs. 4 GG „in Verbindung mit" dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gleichheitsprinzip kommt als normative Grundlage für eine solche Verpflichtung 82 Vgl. etwa F. Müller (Anm. 11), S. 96. Müller kennzeichnet eine Entscheidung, welche diese Kriterien nicht erfüllt, mithin gegen die normative Lage getroffen ist, als „Dezision", vgl. dazu F. Müller, ebd., S. 44 f., sowie 21 ff. 83 EuGRZ 1987, S. 252 r. Sp.

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nicht in Betracht, da der Normtext für eine derartige Interpretation nichts hergibt. Soweit der Senat aus dem Gesichtspunkt des in Art. 3 Abs. 1 GG verordneten Willkürverbotes eine grundsätzliche Gleichbehandlung aller Ersatzschulen bei der Subventionsvergabe fordert 84 - wogegen die Vorschrift des § 18 HmbPrivSchulG vorliegend verstieß - , setzt dies gerade am Vorhandensein einfachgesetzlicher landesrechtlicher Regelungen (in unserem Fall die §§ 1 9 - 2 2 HmbPrivSchulG) an, so daß nicht mehr die Frage, ob überhaupt finanzielle Unterstützung gewährt werden soll, klärungsbedürftig erscheint, sondern nur noch, wie diese nach Maßgabe des Gleichheitssatzes verteilt werden soll. Hätte sich das Bundesverfassungsgericht an seiner ansonsten oft geübten Praxis orientiert 85 , stets nur die jeweils streitig erscheinenden und von den am Verfahren Beteiligten vorgetragenen Problemgesichtspunkte im Wege des sparsamsten Argumentationsaufwandes auf ihre Entscheidungsrelevanz zu überprüfen, so hätte es in etwa folgendermaßen formulieren können: Da sich der Hamburgische Landesgesetzgeber für eine Förderung privater Ersatzschulen nun einmal entschieden und diese positiv-rechtlich im Hamburger Privatschulgesetz geregelt habe, sei dieser von keiner Seite für verfassungsrechtlich unzulässig beurteilte Entschluß hinzunehmen und nur noch hinsichtlich seiner konkreten Ausgestaltung an den Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Gleichwohl würde eine derart eingeschränkte Prüfungsvornahme gegen den das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG beherrschenden Grundsatz verstoßen, wonach das Bundesverfassungsgericht nicht nur die vom Vorlagegericht für entscheidungserheblich gehaltenen Gesichtspunkte, sondern die Vereinbarkeit des strittigen Gesetzes mit dem Grundgesetz insgesamt nachprüfen muß 86 . Von daher war der vom Bundesverfassungsgericht gewählte 84 Vgl. dazu EuGRZ 1987, S. 2501. Sp. Die Prüfung von Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht für die Frage, ob, sondern lediglich für das Problem, wie der Staat seiner Förderpflicht nachkommen soll, erheblich. Das verkennt Berkemann, Anm. zum Finanzhilfe-Urteil, in: RdJB 1987, S. 397 ff., 401, der behauptet, das BVerfG sehe „in dem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG seine ratio decidendi". 85 Vgl. ζ. B. nur den sogenannten „Kruzifix"-Beschluß (BVerfGE 35, 366, 374 f.), wo die von den Verfassungsbeschwerdeführern gerügten Grundrechtsverletzungen bzw. Verfassungsverstöße nur zu einem geringeren Teil vom BVerfG einer Prüfung unterzogen werden, da sich die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde schon aufgrund der Verletzung eines Grundrechts - dort Art. 4 Abs. 1 GG - ergebe. Demnach, so führt das Gericht aus, „bedarf (es) im vorliegenden Fall keiner Entscheidung", ob weitere Verstöße vorliegen. „Die Verfassungsbeschwerde nötigt auch nicht zu einer Auseinandersetzung mit der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung"; (...) es folgt der Aufzählung der einzelnen Rügen. Denn: „Umfang und Tragweite einer solchen Prüfung stünden in keinem vertretbaren Verhältnis zu der Bedeutung des hier zu entscheidenden Falles, der sich unter Berücksichtigung seiner besonderen Gestaltung auch ohne eine solche Erörterung lösen läßt". 86 Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsmaer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, § 81 Rnr. 7 sowie § 80 Rnr. 114: Die Prüfung „kann nicht auf einen bestimmten Artikel des Grundgesetzes beschränkt werden. Selbst wenn das Gericht nur die Frage vorlegt, ob das Gesetz mit einem einzelnen Artikel des Grundgesetzes vereinbar ist, hat das Bundesverfassungsgericht (bei Zulässigkeit der Vorlage) zu prüfen und zu entscheiden, ob andere Vorschriften des Grundgesetzes der Gültigkeit der zu prüfenden Vorschrift entgegenstehen. Anders als bei

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Ansatz, § 18 HmbPrivSchulG nicht nur auf seine Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen, sondern hierbei auch noch auf die im Urteil weiter vorne stehenden Ausführungen zu Art. 7 Abs. 4 GG zu verweisen, durchaus zutreffend. Jedoch ist die Aussage der Entscheidungsgründe, soweit sie eine staatliche Finanzierungshilfe nur „in Verbindung mit" Art. 3 Abs. 1 GG vermuten läßt, offensichtlich unzutreffend, denn ein derartiger Finanzhilfeanspruch der privaten Ersatzschulträger gründet - wenn überhaupt, was die weitere Untersuchung ergeben muß - ausschließlich in Art. 7 Abs. 4 GG. Letzteres gilt ebenfalls für die angedeutete Herleitung der staatlichen Finanzierungspflicht aus Art. 7 Abs. 4 GG nunmehr mit oder, wie das Bundesverfassungsgericht (unter C. II. 2a) sagt, „im Blick auf 4 die dort aneinandergereihten Verfassungsprinzipien bzw. Grundrechte. Es ist zunächst nicht ersichtlich, welcher dogmatisch-argumentatorische Stellenwert diesen Vorschriften vorliegend zukommen soll, da sie im weiteren Begründungszusammenhang nicht mehr aufgegriffen und insbesondere nicht auf ihren leistungsrechtlichen Gehalt untersucht werden. So bleibt die Vermutung, das Gericht habe lediglich versucht, sein im übrigen aus der Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG gewonnenes Ergebnis um zusätzliche Gesichtspunkte zu ergänzen und gegen zu erwartende Einwände dieser Auslegung (mit dem schweren Geschütz des Persönlichkeits-, des Menschenwürderechts u. a. Prinzipien) abzustützen. Abgesehen davon, daß ein solches ,Zeigen der Instrumente4 die Kritiker eines leistungsrechtlichen Verständnisses von Art. 7 Abs. 4 GG kaum beeindrucken dürfte, weist die ganze Argumentationslinie des Gerichts diesbezüglich in eine bedenkliche Richtung. Es drängt sich nämlich die Annahme auf, das Bundesverfassungsgericht könnte die Ausübung des Grundrechts der Privatschulfreiheit nur dann als vom Schutzbereich des Art. 7 Abs. 4 GG umfaßt ansehen, wenn diese jeweils „im Blick 44 auf die „obersten Grundwerte (die in den genannten Grundrechtsartikeln angeblich, und wie das Gericht gelegentlich behauptet, nur ihren positivrechtlichen Niederschlag gefunden haben sollen; B. J.) der freiheitlich demokratischen Grundordnung als der verfassungsrechtlichen Wertordnung44 praktiziert werde 87 . Obgleich das Bundesverfassungsgericht erstmals im Lüth-Urteil von einer im Grundrechtsabschnitt zum Ausdruck kommenden „objektive(n) Wertordnung 44 sprach, worin es eine „prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte 44 sah 88 , könnte vorliegend - wie schon in mehreren Fallentscheidungen zuvor 89 Verfassungsbeschwerden ist bei der konkreten Normenkontrolle der Prüfungsmaßstab nicht auf einen bestimmten Ausschnitt des Grundgesetzes beschränkt; er kann weder von den Parteien des Ausgangsverfahrens noch vom vorlegenden Gericht beschnitten werden (...)"; s. dazu auch Fn. 8 bei Rnr. 114 sowie Rnr. 26 zu § 80 und Rnr. 11 zu § 17. 87 So BVerfGE 6, 32, 41 (Elfes-Urteil; s. zur Kritik der problematischen Rechtsfigur ,Wertordnung' Goerlich, Wertordnung und Grundgesetz, 1973. 88 BVerfGE 7, 198, 205. 89 Vgl. dazu neben Goerlich (Anm. 87): Hartmann, Meinungsfreiheit - ein Grundrecht der Affirmation?, in: J. Perels (Anm. 53), S. 96 ff.; Seifert, Haus oder Forum. Wertsystem oder

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das Ensemble der diese Wertordnung bildenden Verfassungs- und Grundrechtsprinzipien gerade den Freiheitsbereich einer einzelnen Grundrechtsgarantie einschränken. Dies wäre jedenfalls dann der Fall, wenn sich ein Privatschulträger lediglich insofern auf Art. 7 Abs. 4 GG berufen könnte, d. h. nur dann subventionsfähig wäre, soweit die von ihm betriebenen Schulen in ihrem Bildungs- bzw. Unterrichtskonzept den vom Bundesverfassungsgericht propagierten Erziehungszielen folgen, wie sie sich angeblich aus den vom Gericht erwähnten Grundrechtsvorschriften ableiten lassen sollen. Das wäre nun aber eine Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG, die bar jeglichen Normtextbezuges weit über das Ziel hinausschießen würde. Die Genehmigung privater Ersatzschulen ist nämlich laut S. 3 dieser Vorschrift u. a. zwingend zu erteilen, wenn solche Einrichtungen in den dort abschließend aufgeführten Voraussetzungen nicht hinter öffentlichen Schulen zurückstehen. Ein besonderes pädagogisches Interesse - anders etwa als bezüglich der Zulassung einer privaten Volksschule nach Art. 7 Abs. 5 GG - oder eine, bestimmten Menschheitsbzw. Erziehungsidealen sich verpflichtet glaubende, Ausrichtung des Lehrangebots ist, da nicht im Normtext von Art. 7 Abs. 4 GG nachweisbar, dagegen gerade nicht als Genehmigungsvoraussetzung zulässig und wäre deshalb wegen Unvereinbarkeit mit Art. 7 Abs. 4 verfassungswidrig, wenn sie ausschließlich nach wirtschaftlichen Maßstäben, d. h. profitorientiert zugunsten ihres Trägers arbeitet, soweit sie nur - und das ist die einzige Bedingung - in den übrigen von Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG erwähnten Kriterien nicht hinter den öffentlichen Schulen zurücksteht. Aus Art. 1 Abs. 1, den Art. 2, 4 und 6 Abs. 2 S. 1 GG lassen sich mithin keine darüber hinausreichenden Gesichtspunkte gewinnen, anhand derer das Grundrecht der Privatschulfreiheit negativ begrenzt werden könnte. Inwiefern diese Vorschriften einen positiven Beitrag zur Begründung finanzieller Unterstützungsleistungen zugunsten privater Ersatzschulen leisten können, wird vom Bundesverfassungsgericht im weiteren nicht näher erörtert. Dies einmal unterstellt - was gleichwohl aus soeben genannten Überlegungen problematisch erscheint - , wäre der normative Ausgangspunkt für eine staatliche Privatschulsubventionierung jedenfalls allein in Art. 7 Abs. 4 GG zu suchen. Davon geht im übrigen, läßt man die recht kurz gehaltenen Ausführungen in den Entscheidungsgründen zu Art. 3 Abs. 1 GG einerseits bzw. den Art. 1 Abs. 1, 2, 4 und 6 Abs. 2 S. 1 GG andererseits einmal beiseite, auch das Bundesverfassungsgericht aus. Die Frage lautet demnach, ob Art. 7 Abs. 4 GG einen derartigen Finanzhilfeanspruch beinhaltet oder ob die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht auf diese Vorschrift rückführbar ist. Wie schon zu Anfang dieser Untersuchung erwähnt, fällt sofort auf, daß das Bundesverfassungsgericht anscheinend widersprüchlich argumentiert. Zunächst verneint es (unter C. I.) als Ergebnis der historisch-genetischen Auslegung von offene Verfassung, in: Habermas (Hrsg.), Stichworte zur,Geistigen Situation der Zeit', 1. Bd., 1979, S. 321 ff. Zur rechtsmethodischen Kritik der ,Werte'- Rechtsprechung sei auf F. Müller (s. Anm. 11), S. 48 f., 53 f. u. passim verwiesen.

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Art. 7 Abs. 4 GG eindeutig einen Subventionsanspruch Freier Schulen gegen den Staat, um schließlich (unter C. II.) dennoch eine staatliche Finanzierungspflicht festzusetzen. Das Urteil scheint, zumindest bei erstem Hinsehen, an einem eklatanten Widerspruch zu leiden. Nicht minder erstaunlich ist, daß das Bundesverfassungsgericht keinerlei Versuche unternimmt, diesen Widerspruch herauszuarbeiten, zu erklären oder gar aufzulösen. Das Gericht judiziert stattdessen gerade so, als ob das Ergebnis zu C. II. (Gewährung von Finanzhilfe) zwanglos aus dem Ergebnis zu C. I. (Ablehnung finanzieller Unterstützung) folge. Wie ist dieser verwunderliche Argumentationsstil zu erklären? Es bieten sich dazu einige Begründungsvarianten an: 1. Der die Entscheidungsgründe durchziehende Widerspruch wurde vom Bundesverfassungsgericht entweder nicht erkannt oder geflissentlich übergangen. Dies scheint mir der schwächste Erklärungsversuch zu sein, da er dem Gericht eine argumentatorische Fehlleistung eklatanten Ausmaßes bzw. eine ebenso große Unredlichkeit (getragen von der Hoffnung, ,es wird schon niemand merken') unterstellen müßte. So einfach sollte man es sich jedoch nicht machen; die gleiche Ernsthaftigkeit, die man von Entscheidungsbegründungen der Rechtsprechung erwarten darf, muß man auch deren Besprechungen abverlangen. 2. Das Bundesverfassungsgericht könnte der Auffassung gewesen sein, ein Wandel der faktischen Situation, in der sich das Privatschulwesen gegenüber dem Zeitraum bei Diskussion und Beschlußfassung von Art. 7 Abs. 4 GG heutzutage befinde, müsse zu einer vom damaligen Willen des Gesetzgebers differierenden Interpretation dieser Vorschrift führen. Darauf zielen die Erwägungen des Gerichts (unter C. II. 2a) ab, soweit es dort heißt, „bei dem bestehenden hohen Kostenniveau (sind private Schulträger) heute nicht mehr in der Lage, aus eigener Kraft sämtliche in Art. 7 Abs. 4 S. 3 und 4 GG aufgeführten Genehmigungsvoraussetzungen gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen" (die Hervorhebung ist im Original nicht vorhanden). Diese Argumentation liefe letztendlich darauf hinaus, einen „Bedeutungswandel" von Art. 7 Abs. 4 GG anzunehmen, der durch grundlegende Veränderungen im Normbereich der Regelung (vgl. zu diesem Begriff sogleich weiter unten) hervorgerufen worden sein könnte und wonach ein traditionelles Abwehrrecht in eine Leistungsnorm umdeutbar wäre. Das ist gleichwohl höchst problematisch (vgl. dazu die bislang erörterten Schwierigkeiten sowie unten bei 4.), erfordert also zumindest eine zureichende dogmatisch-methodische Begründung, woran es dem Urteil aber gerade fehlt. Zudem müßte eine derartige, sich ausschließlich auf Veränderungen im Normbereich von Art. 7 Abs. 4 GG gründende Interpretation in einem zweiten Denkschritt nachweisen, daß der Verfassungsgesetzgeber die sich ökonomisch verschlechternde Lage des Privatschulwesens nicht bedacht hatte bzw. damals noch gar nicht berücksichtigen konnte, so daß das historisch-genetische Auslegungsergebnis eventuell

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aus diesem Grunde relativiert werden könnte. Diese Überlegung scheitert jedoch schon an der im Rahmen der historisch-genetischen Auslegung vom Bundesverfassungsgericht selbst getroffenen Feststellung, der Verfassungsgeber von Weimar habe - ebenso wie derjenige des Grundgesetzes, was sich aus den Debatten des Parlamentarischen Rates ergebe - sich mit der wissenschaftlichen Lage der Privatschulen befaßt, zumal er „die Existenzgefährdung des Ersatzschulwesens erkannt und einfach rechtliche Regelungen für erforderlich gehalten (hatte)" 90 . Wie man es auch drehen mag, bleibt das Problem das selbe: Das historisch-genetische Auslegungsergebnis spricht eindeutig gegen einen verfassungsrechtlichen Subventionsanspruch91; ein Ergebnis, das sich nicht einfach unter Umgehung eines Auslegungskanons mit Erwägungen kappen läßt, die schlußendlich auf die Anerkennung einer sogenannten ,normativen Kraft des Faktischen4 hinauslaufen könnten. Die Problematik läßt sich schließlich auch nicht dadurch lösen, daß man die im Finanzhilfe-Urteil widersprüchliche Argumentationsstruktur in die Kategorien von subjektiver' bzw. ,objektiver Auslegungstheorie' umdeuten könnte. Vorstellbar wäre es insofern, das Ergebnis zu C. I. der Entscheidungsgründe als mit den Mitteln der,subjektiven Theorie' gewonnen, das Resultat von C. II. als mit denen der »objektiven Theorie' erzielt, zu erklären und daraufhin den Vorrang der als herrschender Meinung apostrophierten letzteren Methode festzustellen 92. Aber auch in diesem Falle hätte das Bundesverfassungsgericht entsprechende Ausführungen machen müssen; im übrigen zeugt die Hintanstellung der historisch-genetischen Kriterien zugunsten der grammatischen, grammatisch-systematischen Auslegungsgesichtspunkte gerade davon, daß sich das Gericht eines einheitlichen - wenn auch widersprüchlichen - Argumentationsaufbaus im Sinne der sogenannten ,objektiven Theorie' bedient. In deren Rahmen allerdings wäre es angebracht gewesen, rechtsmethodisch gehbare Wege zu diskutieren, welche die Konfliktsituation zwischen historisch-genetischen Auslegungskriterien einerseits und grammatischen, grammatisch-systematischen bzw. aus Realdaten gewonnenen Konkretisierungsgesichtspunkten andererseits, auflösen können. 3. Das historisch-genetische Auslegungsergebnis könnte sich allein auf Teil C. I. der Urteilsgründe beziehen, d. h. im zweiten Abschnitt (C. II.) keine Rolle mehr spielen. Das wäre dann denkbar, wenn das Bundesverfassungsgericht die Ausführungen unter C. I. gleichsam als »Erzählung' eines bisher geltenden Rechtszustandes - vor,

90 Vgl. dazu EuGRZ 1987, S. 247,1. Sp. 91 Es bestätigt damit diejenigen Stimmen in der Literatur, die aufgrund historisch-genetischer Gesichtspunkte Art. 7 Abs. 4 GG als bloßes Abwehrrecht, mithin ohne staatliche Leistungsverpflichtungen, interpretieren; vgl. dazu die Zusammenstellung bei F. Müller/Pieroth/ Fohmann (Anm. 19), S. 40 f. 92 Siehe zur „Unbrauchbarkeit" der »subjektiven4 und der »objektiven4 Theorie: F. Müller (Anm. 11), S. 204 f.

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während und nach der Weimarer Reichsverfassung bis zu den Beratungen des Parlamentarischen Rates - verstanden wissen wollte, welcher für die heutige Rechtslage keine oder eine nur sehr bedingte Bedeutung zukommen würde. Das Urteil würde demnach in zwei inhaltlich unabhängig voneinander bestehende Begründungsteile zerfallen. Einen derart unüblichen Konstruktionsaufbau der Entscheidungsgründe einmal unterstellt, so dürfte das Gericht dennoch bei Erörterung der heutigen normativen wie faktischen Lage des Privatschulwesens die historisch-genetischen Auslegungsgesichtspunkte nicht einfach unterschlagen; die hergebrachten Kanones der Normtextinterpretation bei Prüfung von Art. 7 Abs. 4 GG also um ein für das Ergebnis wichtiges, das historisch-genetische Kriterium, reduzieren. Darin wäre ein Verstoß gegen eine rechtsstaatlich gebotene, rationale Rechtsanwendung zu sehen, die alle für die jeweilige Fallfrage tatsächlich ergiebigen und aussagekräftigen Auslegungselemente berücksichtigen muß. 4. Das Bundesverfassungsgericht könnte Art. 7 Abs. 4 GG nicht als originäres Leistungsrecht interpretiert haben, sondern der Auffassung sein, bei dieser Vorschrift handele es sich zwar, wie aus der historisch-genetischen Auslegung ersichtlich, primär um ein Abwehrrecht, aus dem sich aber gleichwohl leistungsrechtliche Ansprüche ableiten ließen. Obgleich für diese These einiges spricht (s. dazu sogleich), ändert das nichts an der rechtsmethodischen Problematik, welche die Urteilsgründe unerörtert lassen. Denn, ob nun der Staat aus abgeleiteten oder originären Ansprüchen privater Ersatzschulträger Finanzhilfe leisten soll, bleibt sich letztendlich gleich. Der Verfassungsgeber wollte so oder so eine finanzielle Unterstützung des Privatschulwesens grundsätzlich ausschließen93. Mit anderen Worten: Auch im Rahmen einer solchen Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG stellt sich die Frage, wie mit dem zum Gesamtergebnis gegenläufigen Teilresultat der historischgenetischen Argumentation rechtsmethodisch korrekt zu verfahren ist. Zunächst sollte deshalb untersucht werden, welche Gesichtspunkte den Senat zur Negierung des historisch- genetischen Auslegungsergebnisses verleiten und um welche Art von - wenn überhaupt - rechtlichen Aspekten es sich hierbei handelt. Das Bundesverfassungsgericht entwickelt seine Entscheidung aus einem Vergleich der vom Grundgesetz in Art. 7 Abs. 4 GG enthaltenen Normtextvorgabe, aus der es Gewährleistung und besondere rechtliche Ausgestaltung des Privatschulwesens herleitet, mit den tatsächlichen Möglichkeiten der Ausübung dieses Grundrechts. Im Wege einer Analyse der faktischen, insbesondere ökonomisch-finanziellen Situation, in der sich die meisten Privatschulen mittlerweile befinden 94, 93 Aus den Verhandlungen des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates, 43. Sitzung, S. 558, geht hervor, daß der die Mehrheitsmeinung vertretende Abgeordnete Heuss nicht nur keinen subjektiv-öffentlichen Anspruch, sondern auch keine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Staates zur Subventionierung in das Grundgesetz aufnehmen wollte; s. dazu auch Janitschek, Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Privatschulsubvention unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Zugleich ein Beitrag zur schulrechtlichen Begriffsbildung, Diss, jur., Frankfurt 1973, S. 127.

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gelangt das Gericht zu der Auffassung, Selbstfinanzierungspotentiale Freier Schulen seien weitgehend ausgeschöpft und auch nicht durch die Erhebung höherer Schulgelder (aus faktischen wie rechtlichen Gründen, wegen S. 3 Halbsatz 2 des Art. 7 Abs. 4 GG) wiederaufzufrischen. Ein „Vergleich mit der Finanzausstattung der öffentlichen Realschulen und Gymnasien"95 zeigt dem Senat, daß der Landesgesetzgeber finanzielle Leistungen gewähren muß, „soll Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG nicht zu einem wertlosen Individualgrundrecht auf Gründung existenzunfähiger Ersatzschulen und zu einer nutzlosen institutionellen Garantie verkümmern (.. .)" 9 6 . Damit werden vor allem Sachdaten entscheidungsrelevant, die das Gericht aus einem Bereich gewinnt, der gewöhnlich als „Wirklichkeit" der sogenannten Rechtsnorm pauschal gegenübergestellt wird und im Sinne eines strengen rechtspositivistischen Denkens stets als außerrechtliche Kategorie bezeichnet wurde 97 . Da der Rechtspositivismus den Normtext schon mit der Rechtsnorm gleichsetzt und gleichzeitig davon ausgeht, der Inhalt, also die einzelne Fallentscheidung, sei in der Vorschrift immanent stets vorhanden, erschöpft sich für eine solche Denkart richterliche Tätigkeit, juristische Auslegung in einem logisch-axiomatischen Subsumtion verfahren 98. Der EntscheidungsVorgang ist hiernach nichts anderes als reine Normtextinterpretation, und diese besteht ausschließlich im Nachvollzug des in der Vorschrift angeblich beinhalteten objektivierten Willens des Gesetzgebers99, der aufzufinden sei im Wege der grammatischen, systematischen, historischen 100 und teleologischen Interpretationen 101, also ohne auf,metajuristische' Aspekte zurückgreifen zu müssen. 94 Vgl. EuGRZ 1987, S. 248 1. Sp. f. 95 EuGRZ 1987, S. 248 r. Sp. f. mit der Angabe von genauerem Zahlenmaterial. 96 EuGRZ 1987, S. 249 1. Sp. 97 Vgl. zu den methodologischen Prämissen des Rechtspositivismus und dem darin zum Ausdruck kommenden Rechtsnormmodell die Ausführungen bei: F. Müller (Anm. 11), S. 56 ff. 98 Die Rechtsnorm erscheint als bloßer Text, der auf soziale, gleichwohl jedoch „außer"rechtliche Wirklichkeit Bezug nimmt. Das positivistische Normverständnis basiert im übrigen auf einer instrumentalistischen Sprachauffassung, wonach das einzelne Schriftzeichen im Normtext Träger von Vorstellungen bzw. Bedeutungen ist. Danach steht der sprachliche Ausdruck für einen Gegenstand der außersprachlichen Wirklichkeit, er repräsentiert diesen. Das Zeichen bildet einen gewissen Teilaspekt des Wirklichkeitsbereiches ab, wobei beide Seiten sich aus abgeschlossenen Entitäten zusammensetzen sollen. Aufgabe des Richters sei es nun, das sprachliche Zeichen auf den vermeintlich außersprachlichen Sachverhalt zu beziehen. Im Sinne des klassischen Positivismus bereitet eine solche Bedeutungs/wdwrcg schon deshalb keine Schwierigkeiten, weil das Sprachzeichen als begrifflich völlig abgesteckt gedacht wird, im Einzelfall mithin immer schon von dieser Begrifflichkeit umfaßt und gelöst sein soll. Vgl. zu dieser Sprachauffassung und deren Kritik: Jeand'Heur, Sprachliches Referenzverhalten bei der juristischen Entscheidungstätigkeit, 1989, S. 18 ff., 38 ff., 121 ff. 99 Grundlegend dazu BVerfGE 1, 299, 312 und st. Rspr. 100 Zu den methodologischen Ungenauigkeiten in der Behandlung des historisch-genetischen Arguments, s. o. Anm. 11. 101 Interessant ist die Nichterwähnung des teleologischen Auslegungskanons im Finanzhilfe-Urteil; vgl. zur Problematik des ,ratio-legis,-Arguments: F. Müller (Anm. 11), S. 163.

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Das rechtspositivistische Veto der Einbeziehung solch ,außer'rechtlicher Sachelemente in den Entscheidungsvorgang darf heute, in seiner puristischen Strenge, als gescheitelt betrachtet werden. Rechtsprechung ohne Verweis und Verarbeitung von ,Wirklichkeitselementen' ist schlechterdings kaum nachweisbar 102. So verwendet gerade die Rechtsprechungspraxis zu den Grundrechten in hohem Grade solche Auslegungselemente, die erst aus einer Analyse desjenigen Bereiches erzielt werden können, auf den der Normtext Bezug nimmt 1 0 3 . Dies ist nicht verwunderlich, weil vor allem die Grundrechte Vorschriften mit besonders stark sachbestimmtem Charakter sind, so daß die Rechtsprechung im Ergebnis eine die Grundrechtsnorm fundierende Teilwirklichkeit zumeist als Teil der Norm selbst behandelt. Dies läßt sich besonders gut am vorliegenden Finanzhilfe- Urteil nachweisen. Hier konnte die grammatische bzw. grammatisch-systematische Interpretation von Art. 7 Abs. 4 GG überhaupt nur unter Einbeziehung von entsprechenden Wirklichkeitselementen, auf die der Normtext referiert, erfolgen. Das Freiheitsrecht in Satz 1 dieser Regelung wird nämlich, wie das Gericht zu Recht feststellt, nur unter Berücksichtigung der in S. 3 - 4 aufgeführten GenehmigungsVoraussetzungen gewährt. Diese verweisen aber wiederum auf bestimmte faktische Kriterien, die eine Privatschule im Vergleich zu öffentlichen Schulen erfüllen muß. Ob Freie Schulen demnach in ihren Einrichtungen, Lehrzielen usw. nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen, kann das Gericht nur im Wege einer Untersuchung der tatsächlichen Verhältnisse vornehmen, in denen sich das Privatschulwesen heutzutage befindet. Das Bundesverfassungsgericht behandelt mithin den Wirklichkeitsausschnitt, auf den der Normtext von Art. 7 Abs. 4 GG abzielt, folgerichtig als Sachbestandteil der Vorschrift selbst. Rechtsnormtheoretisch betrachtet, verläßt das Gericht damit die überholte rechtspositivistische Gleichsetzung des Normtextes mit der Norm, indem es Art. 7 Abs. 4 GG als ein sachgeprägtes Ordnungsmodell interpretiert, als einen verbindlichen Entwurf der Teilordnung ,Privatschulwesen4 innerhalb der Rechtsgemeinschaft, auf welche der Normtext sprachlich referiert 104 und „in der das Ordnende und das zu Ordnende notwendig zusammengehören und einander in der Praxis der Rechtsverwirklichung unabdingbar gegenseitig ergänzen und abstützen"105.

102 Insofern beschäftigt sich die neuere Diskussion in Rechtstheorie und Methodik weniger mit der Verteidigung des rechtspositivistischen Ausschlußmechanismus, sondern kreist vielmehr stets um die Schwierigkeit, wie die bislang als außerrechtlich angesehenen Elemente nunmehr in den Vorgang der Rechtsfindung einzugliedern seien. Da „die Norm für sich allein (nicht) bereits die Entscheidung eines konkreten Falles (enthalte)", könne „das Gesetz nur konkretisiert werden (...) mit Rücksicht auf die zu regelnden möglichen Lebenssachverhalte" {Kaufmann, Rechtsphilosophie im Wandel, 1972, S. 287). 103 Vgl. ζ. B. die Nachweise bei F. Müller, Strukturierende Rechtslehre, 1984, S. 114 ff.

104 Eigentlich muß es heißen: Der Rechtsanwender referiert mittels des Normtextes, woraus ersichtlich wird, daß die Entscheidung nicht schon im voraus im Normtext enthalten ist und vom Richter nur noch abgelesen werden muß; vgl. dazu Jeand'Heur (Anm. 98), S. 121 ff. 105 F. Müller (Anm. 11), S. 121.

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Genausowenig wie sich deshalb eine Vorschrift, wie z. B. Art. 7 Abs. 4 GG, lediglich auf ihren Normtext reduzieren läßt, besteht die Aufgabe des Rechtsanwenders nur in der Auslegung dieser ihm positivrechtlich vorgegebenen Sprachdaten (mit Hilfe der vier Kanones der Textinterpretation). Zu berücksichtigen ist vielmehr auch die Teilmenge derjenigen empirischen Realdaten, welche der Rechtsanwender mittels des aus dem Normtext (unter Zuhilfenahme weiterer einzelner Konkretisierungselemente) gebildeten Normprogramms als entscheidungsrelevant herausfiltert und die somit den Normbereich der Vorschrift bilden 106 . Mithin ist es zutreffender, nicht mehr von Normtextauslegung, sondern statt dessen von Normkonkretisierung zu sprechen; ein Terminus, der besser zum Ausdruck bringt, daß Rechtsanwendung nicht allein mit der Bearbeitung von Texten, sondern ebenso mit der Verarbeitung empirischer Sachzusammenhänge zu tun hat. Übertragen auf das rechtsmethodologische Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts im Finanzhilfe-Urteil läßt sich der argumentatorische Widerspruch, welcher den Entscheidungsgründen, wie gesehen, anhaftet, nunmehr neu formulieren und einer Lösung zuführen. Das Gericht hatte - wenn auch methodologisch unreflektiert - das Normprogramm von Art. 7 Abs. 4 GG dahingehend entwickelt, daß Satz 1 zwar ein individuelles Freiheitsrecht garantiere, das aber unter dem Vorbehalt der Einhaltung bestimmter Genehmigungskriterien (im Falle privater Ersatzschulen) stünde, die der Gesetzgeber zum einen normativ festgesetzt, zum anderen aber auch faktisch kontinuierlich verschärft habe (ζ. B. durch die qualitative Verbesserung des öffentlichen Schulwesens). Soweit der Staat die Garantie der Privatschulfreiheit durch von ihm selbst veranlaßte eigene Akte beeinträchtige, müsse er demnach - um nicht in Widerspruch zu dem in Satz 1 gewährleisteten Freiheitsrecht zu geraten - derartige Beeinträchtigungen durch staatliche Finanzhilfe neutralisieren 1 0 7 . Diese Kompensationspflicht 108 statuiert der Senat im Wege einer grammatischen, grammatisch-systematischen Konkretisierung von Art. 7 Abs. 4 GG, die von einer Analyse des Normbereichs des derzeitigen Privatschulwesens getragen wird. Danach ist die Freiheitsgarantie gerade deshalb leistungsrechtlich relevant, weil „zur Grundrechtsgarantie für den einzelnen Träger die verfassungsrechtliche Auflage der Einhaltung des Staatsschulstandards einerseits, des sozial ausgewogenen Schulgeldes andererseits tritt und schließlich durch den Ausbau des staatlichen 106 Vgl. zur Terminologie: F. Müller (Anm. 103), S. 250, sowie ders. (Anm. 11), S. 269 ff. Im Gegensatz zum engeren Normbereich umfaßt der sogenannte Sachbereich einer Vorschrift die Menge der anfänglich in den Konkretisierungsvorgang eingeführten Tatsachenhypothesen. Aus dem im Text Ausgeführten ergibt sich ferner, daß die allgemeine Rechtsnorm nicht schon dem Rechtsanwender vorgegeben ist. Er stellt sie vielmehr erst in einem dynamischen Konkretisierungsprozeß aus Normprogramm und Normbereich her, um daraufhin in einem letzten Schritt die allgemeine Rechtsnorm fallgemäß zur Entscheidungsnorm zu konkretisieren. 107 EuGRZ 187, S. 249 1. Sp., mit Bezugnahme auf F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 143. 108 Vgl. zur Kompensationspflicht auch J. P. Vogel, Die Bestandsgarantie des Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG, in: DVB1. 1985, S. 1214 ff., 1217 oder Kloepfer/MeßerSchmidt (Anm. 20), S. 198.

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Schulwesens eine Kostensituation entstanden ist, in der das eine mit dem anderen nicht mehr verbunden werden kann (.. .)" 1 0 9 . Die Argumentation des Gerichts setzt sich demnach im wesentlichen aus methodologischen Konkretisierungselementen im engeren Sinne zusammen (also der grammatischen, grammatisch-systematischen Auslegung) sowie aus Konkretisierungselementen aus dem Normbereich von Art. 7 Abs. 3 GG 1 1 0 . Das Gericht hätte nun in diesem Zusammenhang nach dem Stellenwert des historisch-genetischen Aspekts fragen müssen. Hierbei handelt es sich gleichfalls um ein Konkretisierungselement im engeren Sinne 111 , so daß sich der Senat vor dem Problem befand, eine Konfliktslage zwischen einem Konkretisierungselement im engeren Sinne einerseits (dem historisch-genetischen Aspekt) und weiteren solchen Elementen (dem grammatischen sowie dem grammatisch- systematischen Aspekt) bzw. den Normbereichselementen andererseits zu lösen. In einer derartigen Konfliktslage zwischen direkt normbezogenen Konkretisierungselementen liegt im Zweifel das Schwergewicht bei denjenigen Interpretationselementen, die den Normtext selbst bearbeiten, also bei den grammatischen, grammatisch-systematischen Auslegungsgesichtspunkten, aus denen das Normprogramm der in Frage stehenden Vorschrift zu bilden ist. Zurücktreten müssen demnach historisch- genetische Aspekte, da diese nicht den Normtext selbst als Interpretationsgrundlage ausweiten, sondern Texte von Nicht- Normen, Sekundärtexte (ζ. B. Parlamentsdebatten u. ä.), die nur ein Element zur Normkonkretisierung beitragen können. Dieser Vorrang der den Normtext direkt interpretierenden Gesichtspunkte folgt, wie F. Müller zusammenfassend schreibt, „aus den rechtsstaatlichen Geboten der Unverbrüchlichkeit der Verfassung, der Bindung an Gesetz und Recht, der Rigidität des Verfassungsrechts im Sinne seiner Normtext-Klarheit, ferner aus den Geboten der Normklarheit und Tatbestandsbestimmtheit, der Methodenklarheit, der Rechtssicherheit und der verfassungsrechtlich normierten Funktionsabgrenzung" 112 .

109 j. R Vogel, ebd. no Grundrechtstheoretische Elemente spielen dagegen, wie bereits erwähnt, eine nur untergeordnete, die Konkretisierungselemente im engeren Sinne bestätigende Rolle. Rechtsmethodisch sinvoll ist es, zwischen Sach- und Normbereich einer Vorschrift zu unterscheiden (vgl. oben Anm. 106). Zum Sachbereich von Art. 7 Abs. 4 GG gehören mithin alle Realdaten des Privatschulwesens sowie diejenigen Daten des öffentlichen Schulwesens, die einen sachlichen Bezug zum Bereich der Freien Schule aufweisen. Die das Finanzhilfe-Urteil tragenden Entscheidungsgesichtspunkte, soweit sie vom Normprogramm des Art. 7 Abs. 4 GG aus den Sachbereichsdaten ausgewählt werden, bilden Faktoren des Normbereichs. Dazu gehört vor allem die Analyse der tatsächlichen Lage des Privatschulwesens, insbesondere derjenigen Normativbestimmungen, die Art. 7 Abs. 4 S. 2 - 4 GG nicht erst im interpretierten Normprogramm, sondern sogar schon im Normtext beinhaltet. Zu den Normbereichsdaten zählen in etwa folgende Fakten: Lehrziele, Einrichtungen, wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte, Kostenbelastung der Eltern, rechtliche und wirtschaftliche Stellung des Lehrpersonals usw. m Vgl. F. Müller (Anm. 11), S. 266.

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Da vorliegend die grammatischen, grammatisch-systematischen Gesichtspunkte i m Verbund mit den Normbereichselementen 113 mithin eindeutig auf eine aus der Kompensationspflicht des Staates folgende finanzielle Unterstützung wiesen, mußte das Bundesverfassungsgericht seine genetisch-historischen Überlegungen hintanstellen und zugunsten der Förderung privater Ersatzschulen entscheiden 1 1 4 , um auf diesem Wege die faktische Möglichkeit der Rechtsausübung überhaupt erst zu sichern. Dies um so mehr, als der sogenannte ,Wortlaut 4 von Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG in seiner ihm zukommenden negativen Grenzfunktion 1 1 5 nicht gegen eine leistungsrechtliche Deutung dieses Freiheitsrechts spricht. In Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG heißt es eben nicht etwa, das Recht zur Errichtung von privaten Ersatzschulen wird bloß „geduldet 44 , sondern „gewährleistet 44 , eine Formulierung, in deren Interpretationsspielraum sich das vom Bundesverfassungsgericht entworfene Normprogramm zweifelsohne bewegt.

V. Freiheitsrechtliche sowie leistungsrechtliche Konsequenzen des Finanzhilfe-Urteils für Art. 7 Abs. 4 G G und die Grundrechtsdogmatik insgesamt Die vorstehenden Ausführungen vermochten - obgleich das Bundesverfassungsgericht die Konfliktlage zwischen unterschiedlichen direkt normbezogenen Kon112

F. Müller, ebd., S. 203, der diese Gebote zum Umkreis des Rechtsstaatsprinzips zählt und in diesem Zusammenhang u. a. auf Art. 19 Abs. 1 S. 2, 79 Abs. 1, 80 Abs. 1 S. 2 GG verweist. 113 Diese weisen wiederum einen direkten Normtextbezug auf, da Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG auf bestimmte faktische Kriterien Bezug nimmt, in denen das Privatschulwesen „nicht hinter den öffentlichen Schulen zurückstehen" darf. 114 F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 147 f., sprechen davon, tatsächliche Veränderungen im Normbereich einer Vorschrift würden, zusammen mit dem entsprechenden Ergebnis der grammatischen, grammatisch-systematischen Normtextbearbeitung dazu führen, daß „genetische Argumente (faust-)regelmäßig obsolet werden". Gleiches gilt für historische Auslegungsgesichtspunkte. Diesen Zusammenhang übersieht Berkemann (Anm. 84), S. 398, der nicht erkennt, daß es sich im Finanzhilfe-Urteil um eine Konfliktslage zwischen direkt normbezogenen Konkretisierungselementen handelt, wobei aus methodisch-rechtsstaatlichen Gründen der genetische Interpretationsgesichtspunkt zurücktreten müßte. Berkemann errichtet statt dessen schiefe Frontstellungen, indem er dem ,wahren' historischen Willen" des Gesetzgebers die „gesellschaftlichen Veränderungen" bzw. „den sozialen Wandel" und schließlich ein „veränderte(s) verfassungsdogmatische(s) Klima" entgegenhält. 115

Darunter versteht man, der Wortlaut könne nicht positiv dahingehend aufgefaßt werden, daß er die Entscheidung schon in sich trage, so daß nur solche Annahmen als normgemäß gelten, die im Wortlaut der entsprechenden Vorschrift eine direkte Rechtfertigung finden. Statt dessen besagt die negative Grenzfunktion lediglich, daß „über den Spielraum, den der Wortlaut läßt, (...) nur insofern hinausgegangen werden (darf), als der Text nachweislich fehlerhaft oder mißverständlich ist (...)" (F. Müller (Anm. 11), S. 155); vgl. insgesamt zur problematischen Denkfigur »Wortlaut' besonders auch unter Berücksichtigung sprachwissenschaftlicher Auffassungen: Christensen, Was heißt Gesetzesbindung?, 1989.

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kretisierungselementen weder als solche bezeichnet, geschweige denn auflösen konnte - den Nachweis zu erbringen, daß das Finanzhilfe-Urteil im Ergebnis richtig, weil rechtsmethodologisch begründbar ist. Die konkrete Entscheidungsnorm (Gewährung von Finanzhilfe usw.) ist nämlich auf eine allgemeine Rechtsnorm, diese ist auf einen Normtext, Art. 7 Abs. 4 GG, rückführbar. Neben den mangelhaften bzw. völlig fehlenden rechtsmethodischen Lösungshinweisen ist dem Senat insbesondere auch vorzuhalten, daß er es unterläßt, die von ihm postulierte Subventionsverpflichtung des Staates grundrechtsdogmatisch weiter ,auszureizen\ d. h. deren Entstehungsbedingungen oder rechtliche Folgeprobleme auf einem Niveau zu diskutieren, das nicht nur hinsichtlich der Bereichsdogmatik von Art. 7 Abs. 4 GG, sondern gerade auch für zukünftige Fälle leistungsrechtlicher Problemlagen im Normbereich anderer Grundrechte Entscheidungshilfen angeben könnte. Von daher empfiehlt es sich, das Urteil noch einmal vorzunehmen und nunmehr unter der Fragestellung der aus ihm folgenden freiheitsrechtlichen bzw. leistungsrechtlichen Konsequenzen zu untersuchen. Das Hauptproblem besteht hierbei darin, die im Finanzhilfe- Urteil judizierte Förder- und Subventionierungspflicht als rechtliche Kategorie beschreibbar zu machen und in diesem Sinne eine mögliche Verallgemeinerung des Lösungsansatzes, über den Normbereich von Art. 7 Abs. 4 GG hinaus, zu erörtern. Oben, gegen Ende von Teil IV., wurde bereits erwähnt, daß die grammatische Auslegung von Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG eine über den rein abwehrrechtlichen Gehalt dieser Regelung hinausgehende Interpretation zuläßt. In der Wendung, das Privatschulwesen wird „gewährleistet", kommt - noch ohne daß man grammatisch-systematische Aspekte heranziehen müßte - zum Ausdruck, daß die Vorschrift neben der freiheitsrechtlichen Funktion im engeren Sinne, staatliche Eingriffe und damit Grundrechtsverkürzungen abzuwehren, auch die Funktion einer Garantienorm erfüllen soll 1 1 6 . In diesem Sinne spricht das Bundesverfassungsgericht zu Recht davon, „die Garantie der Privatschule als Institution sichert dieser verfassungskräftig ihren Bestand und eine ihrer Eigenart entsprechende Verwirklichung" 117 . Leider hat sich das Gericht jedoch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, welche nähere Ausgestaltung, welche Art von Garantienorm das Freiheitsrecht in Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG beinhaltet. Grundsätzlich sind im Rahmen des Verfassungsrechts drei unterschiedliche Garantienorm-Typen denkbar 118 : eine Garantienorm der (reinen) Rechtsgarantie, der 116 Vgl. zur Auseinandersetzung um die bis dato strittige Frage, ob Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG als „echtes Freiheitsrecht" den Staat überdies verpflichte, Voraussetzungen zu schaffen und zu erhalten, damit das Recht tatsächlich ausgeübt werden kann": Maunz/Dürig/Herzog (Anm. 74), Art. 7 Rnr. 86. 117 EuGRZ 1987, S. 248 1. Sp.; vgl. zur Bestandsgarantie des Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG den gleichnamigen Aufsatz von J. P. Vogel (Anm. 108) S. 1214 ff., insbesondere 1215 ff.

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Interventionsgarantie und der (totalen) Ausübbarkeitsgarantie. Eine Extremposition nimmt zunächst die reine Rechtsgarantie ein. Sie garantiert zwar die Existenz, nicht aber den konkreten Bestand eines Rechtsinstituts als einem in der Rechtsordnung enthaltenen Normenkomplex. Von daher kann die reine Rechtsgarantie keinen Ansatzpunkt für staatliche Leistungspflichten abgeben. In direktem Gegensatz dazu gewährt die totale Ausübbarkeitsgarantie die volle Grundrechtsverwirklichung in der sozialen Realität, mit der Folge, daß der Staat verpflichtet ist, sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen für die Grundrechtsverwirklichung zu schaffen und zu erhalten 119 . Aus den bisherigen Ausführungen läßt sich leicht erkennen, daß Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG in keine der beiden Extrempositionen einordenbar ist. In der Tat behandelt das Bundesverfassungsgericht die Privatschulgarantie - der Sache nach, d. h. ohne die entsprechende Terminologie zu gebrauchen - als einen Fall der Interventionsgarantie. Bei der Interventionsgarantie handelt es sich „darum, für den Notfall, d. h. für den Fall, daß die reale Ausübbarkeit eines Grundrechts in der sozialen Realität nicht mehr gewährleistet ist, eine Garantenstellung des Staates anzunehmen". Dabei gehört es zur Voraussetzung der Interventionsgarantie, daß im Normbereich des entsprechenden Grundrechts „der Garantiefall (sogenannter Interventionsfall) real eingetreten ist und noch fortbesteht (...). Ob ein Interventionsfall vorliegt, ist durch Normbereichsanalyse zu ermitteln" 120 . Die Rechtsfolge, welche der Interventionsfall nach sich zieht, geht dahin, „eine objektive Rechtspflicht zum (...) Schutz des Garantiegegenstandes bis zur Beendigung des Interventionsfalles auszulösen". Hierbei ist der Staat „nur zu solchen Schutzmaßnahmen verpflichtet, die 1. dem Staate möglich, 2. zum Schutze des Garantiegegenstandes geeignet und schließlich 3. hiefür auch notwendig sind". Übertragen auf das Finanzhilfe-Urteil läßt sich die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts wie folgt nachzeichnen: im Wege der grammatischen Interpretation von Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG kommt das Gericht zu dem Ergebnis, diese Vor118 Das folgende Dreier-Schema wurde zum ersten Mal in F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 126 ff., vorgestellt und erläutert. n9 Würde Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG eine totale Ausübbarkeitsgarantie beinhalten, so müßten staatliche Subventionen nicht nur im Sinne einer Kompensationspflicht für vom Staat geschaffene Beeinträchtigungen gezahlt werden, sondern auch dann, wenn der Bestand einer Ersatzschule durch deren eigenes Verhalten gefährdet wäre, ζ. B. durch unwirtschaftliches Arbeiten oder durch ein unattraktives Ausbildungsangebot usw.; s. dazu: J. P. Vogel (Anm. 108), S. 1217. Es scheint im übrigen zweifelhaft, ob eine so weit gehende totale Ausübbarkeitsgarantie dem positiven Verfassungsrecht überhaupt bekannt ist. 120 F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 88 sowie S. 128 und ebd. die folgenden Zitate im Text; vgl. dazu ebenfalls J. P. Vogel (Anm. 108), S. 1217 f.; auch Bernhard (Anm. 2), S. 303 spricht davon, aufgrund der Interdependenzen zwischen der normativen und faktischen Situation der Privatschulfreiheit trete - ohne Subventionen - regelmäßig der Interventionsfall ein. Bernhard greift die auf die Interventionsgarantie aufbauende dogmatische Konstruktion gleichwohl nicht auf, sondern versucht eher auf der Basis eines problematischen institutionellen Rechtsdenkens staatliche Unterstützungsleistungen zu begründen.

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schrift beinhalte eine Interventionsgarantie, die - so das Resultat der grammatischsystematischen Auslegung der S. 3 - 4 - indirekt leistungsrechtlich relevant wird, da der Staat nicht einerseits Bedingungen der Grundrechtsausübung aufstellen und erschweren, andererseits sich aber damit in Widerspruch zu dem von ihm zu gewährleistenden schulischen Pluralismus setzen darf. Aus der Erkenntnis dieses aufzulösenden Widerspruches folgt im Sinne einer staatlichen Kompensationspflicht die Rechtspflicht zur Gewähr von Subventionsleistungen. Ferner stellt der Senat mittels einer Normbereichsanalyse fest, daß der Interventionsfall eingetreten ist, und zwar durch (rechtmäßiges) Tätigwerden des Staates. Jedoch ergibt sich daraus, daß staatliche Finanzhilfen nur diejenigen Beeinträchtigungen des Privatschulwesens neutralisieren müssen, welche durch Fremdverhalten, also nicht durch ein Tun des Privatschulträgers selbst, verursacht wurden. Die Privatschulfreiheit enthält also - wie J. P. Vogel zu Recht feststellt - „keinen Bestandsschutz um jeden Preis, keine Rechtspflicht des Staates, sämtliche tatsächlichen Voraussetzungen zur Ausübung des subjektiv-öffentlichen Grundrechts zu schaffen und zu erhalten. Vielmehr bedeutet Bestandsgarantie hier: - Anspruch des Ersatzschulträgers, der die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, darauf, die Genehmigung zu erhalten; - Anspruch des Ersatzschulträgers darauf, daß staatliche Maßnahmen abgewehrt werden, die die Existenz der Schule beeinträchtigen oder eine Schließung erzwingen, solange die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen; - Anspruch des Ersatzschulträgers darauf, daß der Staat fördernd eingreift, wenn dem Träger bei zumutbarer Anspannung die Aufrechterhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen unmöglich wird, weil der Staat durch sein (legitimes) Tätigwerden die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen in Frage stellt" 121 . Der zuletzt genannte Fall ist, so die Schlußfolgerung des Gerichts, vorliegend 122

eingetreten . Unverständlicherweise bricht hier das Gericht seine grundrechtsdogmatischen Erörterungen zum Bestehen einer staatlichen Garantenpflicht ab. Genauer gesagt, geht es direkt zur Diskussion von Umfang und Inhalt der staatlichen Förderungspflichten über, ohne einen gedanklichen Zwischenschritt zu vollziehen, der in allen derartigen leistungsrechtlichen Problemlagen von erheblicher Bedeutung ist. Es handelt sich hierbei um die Frage, ob bzw. wie aus einer objektiven Rechtspflicht (staatliche Garantenpflicht) eine subjektive Berechtigung (auf Finanzhilfe) zu konstruieren ist 1 2 3 . Dies ist deshalb nicht unproblematisch, weil im Öffentlichen Recht 121 J. Ρ Vogel (Anm. 108), S. 1217. 122 Hinsichtlich der genaueren Bestimmungen zu Inhalt und Umfang der staatlichen Garantenpflicht sei auf Teil II. der Arbeit und die dortige Wiedergabe der Entscheidungsgründe verwiesen. 123 Vgl. dazu etwa Sendler, Teilhaberechte in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in: DÖV 1978, S. 581 ff., 583; Hamann, Staatszuschüsse für Privatschulen, in: RdJ

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einer objektiv-öffentlichen Pflicht des Staates nicht zwangsläufig ein subjektiv-öffentlicher Anspruch des pflichtbegünstigten Bürgers entsprechen muß 1 2 4 . Das Bundesverfassungsgericht hatte dazu schon in seinem Hochschul-Urteil eine konsequente Trennung von objektivem Inhalt des Grundrechts und subjektiver Berechtigung des Bürgers abgelehnt, um statt dessen nach Korrespondenzmöglichkeiten beider Seiten zu suchen. Die entscheidenden Urteilspassagen lauten dort folgendermaßen: „Dem einzelnen Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 3 GG erwächst aus der Wertentscheidung ein Recht auf solche staatlichen Maßnahmen auch organisatorischer Art, die zum Schutz seines grundrechtlich gesicherten Freiheitsraums unerläßlich sind, weil sie ihm freie wissenschaftliche Betätigung überhaupt erst ermöglichen. Wäre dies nicht der Fall, so würde die wertentscheidende Grundsatznorm ihrer Schutzwirkung weitgehend beraubt. Diese Befugnis des einzelnen Grundrechtsträgers, gegenüber der öffentlichen Gewalt die Beachtung der wertentscheidenden Grundsatznorm durchsetzen zu können, gehört zum Inhalt des Individualgrundrechts, dessen Wirkungskraft dadurch verstärkt wird" 1 2 5 . Das entscheidende Argument für die Bejahung einer Subjektivierbarkeit objektiver Rechtsfolgen dürfte mithin darin zu sehen sein, daß ansonsten letztere als bloße Programmsätze oder Verfassungsaufträge leerlaufen würden 126 . Strittig ist jedoch, ob sich eine derartige Subjektivierung in Form von Subventionsansprüchen, also als Leistungsansprüche konkretisieren läßt. Der Anspruchsbegriff - wie er beispielsweise in § 194 BGB eine positiv- rechtliche Formulierung gefunden hat setzt nämlich sowohl eine personelle also auch inhaltliche Bestimmtheit voraus, um als materielle Grundlage einer Zwangsvollstreckung tauglich zu sein. Zwar läßt sich nun im Falle von Finanzhilfebestrebungen privater Ersatzschulen eine derartig genaue Festlegung von Gläubigern und Schuldnern eines solchen Anspruchs durchaus vornehmen, doch gibt es gewisse Schwierigkeiten hinsichtlich der inhaltlichen Titulierbarkeit bezüglich Art, Umfang und Ausgestaltung einer solchen Forderung. Diese Probleme ergeben sich vor allem aufgrund des inhaltlichen Gestaltungsspielraums des Staates, wonach zwar nicht das ,ob', aber doch das ,wie' staatlicher Unterstützungsleistungen in gewisser Weise unter hoheitliche Entscheidungsbefugnis gestellt wird. Ein diesem Umstand Rechnung tragender Leistungsantrag müßte demnach als Klageantrag, ζ. B. vor dem Verwaltungsgericht, wegen Unbestimmtheit abgewiesen werden, so daß aus der öffentlich-rechtli-

1956, S. 9 ff., 10; Hering, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Schulrecht, in: DÖV 1968, S. 94 ff. 124 F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 167: „Im Öffentlichen Recht gibt es keine , Automatik' des Schlusses von der Staatspflicht auf das Bürgerrecht". 125 BVerfGE 35, 79, 114 f. 126 Das übersieht Richter in: Alternativkommentar zum Grundgesetz, 1984, Art. 7 Rnr. 61, der aus Art. 7 Abs. 4 GG lediglich einen „Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber (ableitet; B. J.), gleiche soziale Voraussetzungen für die Wahrnehmung des Grundrechts der Privatschulfreiheit zu schaffen".

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chen Förderungspflicht jedenfalls kein einklagbarer, vollstreckungsfähiger Rechtsanspruch privater Ersatzschulträger ableitbar erscheint. Dagegen verspricht eine andere Überlegung mehr Erfolg. Diese richtet ihr Augenmerk aus genannten Gründen nicht auf die Titulierbarkeit eines Subventionsanspruchs, sondern lediglich auf die - trotz teilweiser Unbestimmtheit - dennoch mögliche Feststellung, der Staat habe im einzelnen seiner objektiv-rechtlichen Pflicht nachzukommen, woraus dem Grundrechtsträger im Wege einer konkret-individuellen Rechtsfolge ein Leistungsrecht zustehe. Es handelt sich mithin bei der in Art. 7 Abs. 4 GG enthaltenen objektiv- rechtlichen Garantenpflicht, subjektivrechtlich gewendet, um ein dem Ersatzschulträger zustehendes Subventionsrecht, das gleichwohl keinen Anspruchscharakter im vollen subjektiv-rechtlichen, d. h. einklagbaren Sinne besitzt. Verfassungsprozeßrechtlich betrachtet stellt die Erhebung einer Verfassungsbeschwerde gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. la GG die einzige Möglichkeit dar, mit der ein solcher Feststellungsausspruch verfolgt werden kann 127 . Die Verfassungsbeschwerde ist nach § 95 Abs. 1 S. 1 BVerfGG selbst ein auf feststellende Entscheidungen ausgerichteter Rechtsbehelf, während mit ihr titulierbare Leistungsansprüche nicht durchgesetzt werden können. Durch Erhebung einer Verfassungsbeschwerde kann somit die objektive Förderpflicht zu einem subjektiv-öffentlichen Subventionsrecht (ohne den Charakter eines Leistungsanspruchs) subjektiviert werden (Feststellungssubjektivierung). Als Ergebnis bleibt festzuhalten, daß ein privater Ersatzschulträger grundsätzlich bei Vorliegen des Interventionsfalles, den das Gericht mittels einer Normbereichsanalyse jeweils ermitteln muß, aus Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG i. V. m. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG Verfassungsbeschwerde erheben kann, mit dem Ziel, das Bundesverfassungsgericht möge feststellen, daß der Staat in Erfüllung seiner objektivrechtlichen Subventionspflicht Finanzleistungen in ausreichendem Maße zu erbringen habe, da bei deren Unterlassen das in Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG enthaltene Freiheitsrecht verletzt sei. Die Länder werden nunmehr ihre Privatschulgesetzgebung den im FinanzhilfeUrteil entwickelten Grundsätzen anpassen und in entsprechendem Umfang ihrer Förderpflicht nachkommen müssen. Solange jedoch einfachgesetzliche Subventionsansprüche in nicht ausreichendem Maße nachweisbar sind, erscheint die Erhebung einer Leistungsklage vor dem 127 Der gelegentlich vorgeschlagene Rückgriff auf das Sozialstaatsprinzip scheidet dagegen deswegen aus, weil dieses als verfassungsrechtliche Subjektivierungsgrundlage selbst zu unbestimmt ist. Ebenfalls kann nicht auf das Rechtsstaatsprinzip, speziell seine Verankerung in Art. 19 Abs. 4 GG, zurückgegriffen werden, da die zuletzt genannte Regelung immer schon den Begriff des subjektiven Rechts auf seiner Tatbestandsseite voraussetzt, ohne dafür eigene Auslegungskriterien bereitzustellen; vgl. hierzu F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 170, die daran anschließend den Weg über Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG parallel zu einer vergleichenden Betrachtung des Zusammenwirkens von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG entwickeln: „Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b ,subjektiviert' kommunale Kompetenzen, die von Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG objektiv statuiert werden".

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Verwaltungsgericht wenig aussichtsreich. Da ein Leistungsantrag in diesem Falle, also bei Fehlen einer entsprechenden Anspruchsgrundlage bzw. soweit er über eine solche hinausgeht, schon aus den erwähnten Gründen abgewiesen werden müßte, käme allein noch eine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO in Betracht 128 . Ein derartiger Feststellungsantrag müßte sich zumeist gegen eine (in Höhe und Umfang) nicht ausreichende Finanzierung durch landesrechtliche Rechtsvorschriften richten und deren Unvereinbarkeit mit Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG vortragen. Gleichwohl ist eine solche Klage auf Feststellung der Nichtigkeit einer Rechtsnorm im Rahmen von § 43 Abs. 1 VwGO nicht möglich, weil das Verwaltungsgericht nicht befugt ist, eine derartige Feststellung zu treffen. Die Frage der Gültigkeit bzw. Verfassungsmäßigkeit von formellem Landesrecht entzieht sich der Entscheidungskompetenz des Verwaltungsgerichts. Nach Art. 100 Abs. 1 GG ist es nämlich verpflichtet, einen Vorlagebeschluß zum Bundesverfassungsgericht zu erlassen, wenn es die entscheidungsrelevante Norm selbst für verfassungswidrig hält. Auf diesem Wege gelangte schließlich auch der vorliegende Fall vor das Bundesverfassungsgericht. Dieser wurde, wie insbesondere die rechtsmethodologische Analyse zeigte, im Ergebnis korrekt entschieden. Zu bemängeln ist, auch das wurde erörtert, gleichwohl die mangelnde Durchdringung der methodischen wie leistungsrechtlichen Problematik in den Entscheidungsgründen. Soweit das Urteil jedoch der gerade vorgestellten rechtsdogmatischen Konstruktion von Müller/Pieroth/Fohmann folgt, enthält es Ansatzpunkte, die zu Ende gedacht, die Lösung nicht nur der vorliegenden, sondern auch zukünftiger ähnlicher Problemlage(n) von Leistungsrechten im Normbereich eines Grundrechts, erleichtern konnten bzw. können. Mithin hat das Finanzhilfe-Urteil jedenfalls den Beweis dafür erbracht, daß eine Grundrechtsnorm auf plausible und dogmatisch konsistente Weise, gerade um deren freiheitsrechtlichen Gehalt zu sichern, auch leistungsrechtlich interpretiert werden kann. Die hierbei erzielten Ergebnisse können gewiß nicht ohne weiteres auf andere Grundrechte übertragen werden. Das verbietet schon die normbereichspezifische Fragestellung, von der ausgehend das Gericht seine Entscheidung entworfen hatte. Andererseits ist es gerade der methodisch-dogmatische Ansatz - nämlich über die Herausarbeitung eines jeweiligen Normprogramms, verbunden mit einer Normbereichsanalyse, die allgemeine Rechtsnorm aufzustellen und aus ihr die konkrete Entscheidungsnorm zu entwickeln - , der Schule machen sollte. Als Einstieg und Hilfe zur Bearbeitung leistungsrechtlicher Problemstellungen bei der Konkretisierung von Grundrechten bietet sich dabei folgendes Aufbauschema an: Erstens sollte zunächst immer untersucht werden, ob sich die den Fall regierende Grundrechtsvorschrift für eine leistungsrechtliche Interpretation überhaupt anbietet. Überblickt man die im Grundgesetz vorhandenen Grundrechtsvorschriften,

128

Ein Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO scheidet von vornherein aus, da ein solcher nach Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift nur gegen „im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften (...)" gestellt werden kann, Fragen der Privatschulförderung jedoch regelmäßig durch landesrechtliche Schulgesetze geregelt werden.

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so wäre hierbei zunächst an solche Vorschriften zu denken, die schon aufgrund ihrer Normtextvorgabe als Leistungsrechtsgrundlagen in Frage kommen: Art. 1 Abs. 1 S. 2, 2. Alternative und Art. 6 Abs. 1 als Schutzpflichtsgrundlagen sowie Art. 6 Abs. 4 GG als Grundlage eines Schutz- und Fürsorgeanspruches. Geht man weiterhin davon aus, daß derartige Leistungsrechtsnormen im Grundgesetz ausdrücklich wie abschließend statuiert wurden 129 , so ist zuzugestehen, daß die übrigen Grundrechtsregelungen funktional hauptsächlich gegen staatliche Eingriffe und Grundrechtsverkürzungen ausgerichtet, deshalb nicht pauschal als Grundlage von Leistungsansprüchen umdeutbar sind. Gleichwohl kann im Einzelfall der Entwurf des Normprogramms den Nachweis erbringen, daß sich die jeweilige Grundrechtsvorschrift nicht nur auf eine negative Abwehrfunktion beschränkt, sondern darüber hinaus (und dazu ergänzend), im Wege der Statuierung einer Garantienorm, auf die Überwindung tatsächlich vorhandener Problemlagen bei Ausübung des Freiheitsrechts, in diesem Sinne auf die Gewährung staatlicher Hilfsleistungen abzielt. Da mithin die Rechtslage bei Leistungsrechtsnormen und reinen Abwehrrechtsnormen relativ klar ist, spitzt sich die leistungsrechtliche Problematik zumeist nur bei solchen Garantienormen zu. Die Frage besteht demnach jeweils darin, ob eine Garantienorm vorliegt. Zweitens, soweit dies bejaht werden konnte, muß untersucht werden, um welchen Typ von Garantienorm es sich handelt. Garantiert das Normprogramm der „einschlägigen" Grundrechtsvorschrift lediglich die Existenz eines Rechtsinstituts, so wie es in der Rechtsordnung als Normenkomplex positiviert wurde, nicht aber dessen konkreten Bestand, d. h. nicht die reale Möglichkeit seiner Verwirklichung, so kann man von einer Garantienorm im Sinne einer reinen Rechtsgarantie sprechen. Diese beinhaltet weder staatliche Leistungsverpflichtungen, noch subjektiv- öffentliche Subventionsansprüche, ist insofern also für eine weitere Prüfung uninteressant. Den umgekehrten Fall beschreibt die totale Ausübbarkeitsgarantie. Eine solche wäre nur vorhanden, wenn der Staat rechtlich verpflichtet wäre, alle tatsächlichen Voraussetzungen der Grundrechtswahrnehmung durch Leistungen zu sichern. Aus genannten Gründen dürfte es schwer möglich sein, das Vorhandensein dieses Garantienormtypus im Verfassungsrecht vorzufinden. Übrig bleibt somit die sogenannte Interventionsgarantie, deren Voraussetzungen oben ausführlich vorgestellt wurden. Soweit die Normkonkretisierung demnach den Schluß auf das Vorhandensein einer Interventionsgarantie zuläßt 130 , ist

129 Darauf weisen F. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 19), S. 124 unter Gebrauch der auch hier benutzten Typologie bzw. Terminologie hin. Dies folge aus der differenzierenden Herausarbeitung der verschiedenen Anspruchs- und Pflichtgegenstände und des dabei vom Verfassungsgeber verwendeten „sprachlich diszipliniert(en), sachlich reflektiert(en), keinesfalls aber leichtfertig(en)" Sprachgebrauchs.

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drittens im Wege einer Normbereichsanalyse das Vorliegen des Interventionsfalles zu prüfen. Hier spielt regelmäßig eine Rolle, ob das Normprogramm auf eine Selbst- oder eine Fremdgarantie deutet. Bei ersterer kann der eventuell Verpflichtete (Garant) den Interventionsfall durch eigenes Handeln auslösen, während die Fremdgarantie darauf abstellt, daß der Interventionsfall durch einen Nichtgaranten, also regelmäßig durch Personen aus der nichtstaatlichen Sphäre, ausgelöst wird. Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG ist ein solcher Fall des Vorliegens einer Selbstgarantie, Art. 5 Abs. 1 S. 2, 1. Alternative GG wäre - die übrigen Voraussetzungen einer Interventionsgarantie unterstellt - als Fremdgarantie beschreibbar (der Interventionsfall tritt nicht als Folge staatlichen Handelns, sondern beispielsweise aufgrund privatwirtschaftlicher Pressekonzentration etc. ein). Viertens ist zu erörtern, welche objektive Rechtspflicht aus der Garantienorm folgt (unter Beachtung der Auswahl- und Gestaltungsfreiheit des Staates hinsichtlich Art, Umfang und inhaltlicher Konkretisierung der Unterstützungsleistungen). Fünftens ist schließlich zu diskutieren, ob und wie die objektive Rechtspflicht subjektivierbar ist. Problematisch ist insofern stets, ob dem Grundrechtsträger daraus ein einklagbarer Leistungsanspruch, ζ. B. vor dem Verwaltungsgericht, zusteht oder ob er sich nur auf ein Subventionsrecht ohne den Charakter eines Leistungsanspruchs berufen kann (sog. Feststellungssubjektivierung). Von der Beantwortung der zuletzt genannten Frage hängt die Wahl des Rechtsweges sowie des Rechtsbehelfs ab, den der Grundrechtsträger beschreiten bzw. erheben wird. VI. Zusammenfassung 1. Das Finanzhilfe-Urteil ist - obgleich das Bundesverfassungsgericht die in den Entscheidungsgründen auftauchenden rechtsmethodischen Problempunkte zum Teil nur ungenügend diskutiert - methodisch korrekt, weil auf Art. 7 Abs. 4 GG rückführbar. Im Ergebnis enthält Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG eine objektive Subventionspflicht des Staates zugunsten privater Ersatzschulträger, soweit diese förderungsbedürftig sind. Die wichtigsten methodisch-dogmatischen Begründungselemente stellen im Finanzhilfe-Urteil das auf grammatischem, grammatisch-systematischem Wege gewonnene Normprogramm sowie die Analyse der tatsächlichen Ausübungsmöglichkeit der Privatschulfreiheit dar. Aufgrund des dabei zu beachtenden Wechselspiels zwischen S. 1 (Freiheitsrecht) bzw. S. 3 - 4 (Ausübungsbedingungen des Freiheitsrechts) kommt das Gericht zu der Auffassung, daß Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG neben einer abwehrrechtlichen gleichfalls eine leistungsrechtliche Komponente beinhalte Neben Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG wäre möglicherweise an Art. 1 Abs. 1 S. 1 (Vorhandensein des Existenzminimums) oder Art. 5 Abs. 1 S. 2, 1. Alternative GG (Vorhandensein eines Mindestmaßes an Pressefreiheit) zu denken.

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tet. Die diesem Ergebnis widersprechende historisch-genetische Auslegung muß aus rechtsmethodischen Gründen, vor allem wegen des Vorrangs der den Normtext direkt interpretierenden Konkretisierungselemente, zurücktreten. 2. Die in Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG enthaltene Förderpflicht ist als ein Fall des Vorliegens einer Interventions garantie anzusehen. Daraus folgt, daß der Staat für Beeinträchtigungen des schulischen Pluralismus bzw. des individuellen Freiheitsrechts, welche durch (rechtmäßiges) staatliches Tätigwerden auftreten, eine Garantenstellung übernimmt. Er ist mithin verpflichtet, die von ihm geschaffene Behinderung durch Erteilung von Finanzhilfe zu neutralisieren (Kompensationspflicht). 3. Der Interventionsfall - als Voraussetzung des Eintretens der Garantenpflicht liegt stets dann vor, wenn die Existenz einer Ersatzschule typischerweise ernsthaft gefährdet ist, wenn diese die vor allem in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG gesetzten Genehmigungsvoraussetzungen nicht (mehr) erfüllen kann. Das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, daß eine derartige Notlage des Privatschulwesens heutzutage als empirisch gesichert angenommen werden kann. Da somit die institutionell garantierte Privatschulfreiheit gefährdet ist, liege der Interventionsfall vor, so daß der Staat eingreifen müsse. Anders als in der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, in welcher sich die Rechtsfigur der Institutionsgarantie gerade gegen die Gewährung finanzieller Hilfen zugunsten der einzelnen Privatschule richtet, steht für das Bundesverfassungsgericht die Sicherung der konkreten Ausübbarkeit des Freiheitsrechts im Mittelpunkt der Entscheidungsgründe. Der institutionellen Garantie kommt demnach lediglich insoweit Relevanz zu, als sie die Wahrnehmung des individuellen Grundrechts zu befördern vermag. 4. Die aus der Interventionsgarantie folgende objektive Förderpflicht ist im Sinne einer Feststellungssubjektivierung, also durch Erhebung einer Verfassungsbeschwerde (ζ. B. gegen landesrechtliche Privatschulgesetze) aktualisierbar. Dagegen entfällt ein, beispielsweise vor dem Verwaltungsgericht einklagbarer, Leistungsanspruch. 5. Der Staat muß finanzielle Hilfe leisten, ohne auf die organisatorische oder sachliche Ausgestaltung des Privatschulwesens Einfluß nehmen zu können. Dies ergibt sich aus dem Zweck der Subventionsverpflichtung, der - wie das Bundesverfassungsgericht sagt - in der Förderung der individuellen Freiheit unter Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts der Freien Schulen besteht. Die in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG abschließend genannten GenehmigungsVoraussetzungen dürfen deshalb nicht durch zusätzliche Barrieren ergänzt, d. h. die Ausführung des Grundrechts darf darüber hinaus nicht noch weiter erschwert werden. Ferner, und in diesem Sinne, liegt immer schon dann eine Ersatzschule vor, wenn eine Privatschule in ihrem Gesamtzweck funktional vergleichbar ist mit einer tatsächlich vorhandenen oder grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Schule. Für eine solche Freie Schule ist bei Vorliegen der übrigen bislang erörterten Voraussetzungen Finanzhilfe zu leisten, ohne daß es darauf ankommen kann, ob sie zur Entlastung des öffent-

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liehen Schulbetriebs beiträgt oder ob durch den Besuch der Schule der Schulpflicht genügt wird oder nicht. 6. Die Gewährung von Finanzhilfe steht nicht im Belieben des Gesetzgebers, sondern folgt aus der verfassungsrechtlichen Regelung in Art. 7 Abs. 4 GG. Die Länder können sich insofern nicht auf einen sogenannten "Haushaltsvorbehalt" zurückziehen und das Bestehen der Förderpflicht von einer positiven Parlamentsentscheidung abhängig machen. Allerdings sind sie berechtigt, im Sinne eines "Möglichkeitsvorbehalts also unter Berücksichtigung eventuell knapper Finanzressourcen, Umverteilungen und generelle Kürzungen von Subventionen vorzunehmen, wovon auch die Privatschulförderung betroffen sein kann. Gleichwohl ist hierbei zu beachten, daß die Unterstützung des Privatschulwesens, da - im Unterschied zu anderen Subventionen - verfassungsrechtlich geregelt und gefordert, bei Haushaltsentscheidungen eine gewisse Priorität genießt. 7. Bezüglich der Art und des Umfangs staatlicher Finanzhilfe für Freie Schulen gewährt das Grundgesetz dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum. Da die Förderung sicherstellen soll, daß die Genehmigungsanforderungen des Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG auf Dauer erfüllt werden können, empfiehlt das Bundesverfassungsgericht einen Beitrag bis zur Höhe des Existenzminimums der Ersatzschulen. Diese sollen sich jedoch eine angemessene Eigenleistung anrechnen lassen - eine Bestätigung dafür, daß das Bundesverfassungsgericht Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG nicht als totale Ausübbarkeits-, sondern eben als Interventionsgarantie interpretiert. 8. Private Ersatzschulen dürfen bei der Förderung nicht ungleich behandelt werden. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet jede Ungleichbehandlung, soweit diese nicht aus sachgerechten Gründen gerechtfertigt werden kann. Auch diesbezüglich betont das Bundesverfassungsgericht, daß der Gesetzgeber keine über die Genehmigungsvoraussetzungen in Art. 7 Abs. 4 S. 3 - 4 GG bzw. den Begriff der Ersatzschule hinausreichende Kriterien aufstellen und diese zum Ausgangspunkt von Ungleichbehandlungen wählen darf. 9. Das Bundesverfassungsgericht erarbeitet im Finanzhilfe- Urteil nicht nur eine Vielzahl bereichsdogmatischer Ergebnisse zu Art. 7 Abs. 4 GG, sondern bedient sich zudem eines Argumentationsaufbaus, der bei der Behandlung zukünftiger leistungsrechtlicher Problemlagen im Rahmen des Grundrechtskatalogs beispielhaft ist. Es verzichtet auf eine metarechtliche Theorie der Grundrechte, insbesondere auf den Versuch einer allgemeinen Umdeutung von Abwehr- in Leistungsrechte. Statt dessen untersucht das Gericht - ausgehend vom Normprogramm bzw. Normbereich des Art 7 Abs. 4 GG - die spezifisch dogmatische Ausgestaltung der Privatschulfreiheit im Grundgesetz und deren faktische Ausübungsmöglichkeiten. Das Ergebnis, die Bejahung einer in Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG enthaltenen Garantienorm, wird nicht grundrechtstheoretisch deduziert, sondern dogmatisch erarbeitet. 10. Die Ergebnisse des Finanzhilfe-Urteils können, gerade weil aufgrund einer bereichsdogmatischen Analyse erzielt, nicht unbesehen auf weitere Grundrechte übertragen werden. Möglich und sinnvoll ist jedoch eine Übertragung sowie Wei-

Methodenanalyse, freiheits- und leistungsrechtliche Konsequenzen

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terführung der vom Bundesverfassungsgericht angewandten Bearbeitungsweise leistungsrechtlicher Problemfälle. Ausgehend vom Entwurf des Normprogramms der jeweils einen Fall regierenden Grundrechtsvorschrift ist mithin stets zu untersuchen, ob diese überhaupt eine Garantienorm beinhaltet oder sich auf rein abwehrrechtliche Funktionen beschränkt. Danach ist, falls vorliegend, der Typus der Garantienorm zu bestimmen. Sollte es sich um eine Interventionsgarantie handeln, wäre im Wege einer Normbereichsanalyse festzustellen, ob der Interventionsfall vorliegt. Bei dessen Bejahung sind ferner Art und Umfang der daraus folgenden staatlichen Rechts- bzw. Garantenpflicht zu erörtern. Schließlich muß die Frage einer möglichen Subjektivierbarkeit (kann der Grundrechtsträger die aus der Rechtspflicht möglicherweise ableitbaren Ansprüche einklagen?) beantwortet werden.

4 Folgerungen für die Praxis der Länder, der Schulträger und Schulen Von Prof. Dr. Johann Peter Vogel, Marburg/Berlin

Übersicht I. Vorbemerkungen 1. Zwei Stufen der Förderung. „Existenzminimum" 2. Förderungspflicht gegenüber Ersatzschulen 3. Gesetzliche Regelung der Förderungspflicht und gesetzlicher Anspruch der Förderungsberechtigten 4. Modalitäten der Förderungspflicht II. Der Eintritt des Interventionsfalles Generelle Hilfsbedürftigkeit durch staatliches Handeln Bestandsgarantie des Privatschulwesens als Institution III. Ausschließlichkeit der Genehmigungsvoraussetzungen 1. Anerkennung als Ersatzschule 2. Entlastung des staatlichen Schulwesens 3. Schulpflichterfüllung 4. Gemeinnützigkeit 5. Bewährung der Ersatzschule 6. Vollständiger Aufbau der Ersatzschule IV. Selbstbestimmung der Schulträger und Vielfalt im Schulwesen V. Der Grundsatz der Gleichbehandlung Differenzierungsmöglichkeiten

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VI. Der Umfang der Förderung des Grundbedarfs Grundbedarf, Eigenleistung, Generalvorbehalt VII. Arten der Förderung 1. Die Finanzhilfe an den Ersatzschulträger 2. Personal- und/oder Sachleistungen 3. Schulgelderstattung 4. Berechnung der Kosten eines staatlichen Schülers

Mit der Feststellung einer direkt aus Art. 7 (4) GG abgeleiteten Förderungspflicht, einer „sozialstaatlichen Einstandspflicht" als Ausfluß einer Interventionsgarantie, hat das Bundesverfassungsgericht die Landesgesetzgeber verpflichtet, Regelungen zu schaffen, die bei aller eingeräumten Gestaltungsfreiheit den Grundsätzen des Urteils entsprechen. „Damit verlagert sich die Diskussion auf die Grenzen der Gestaltungsfreiheit des Landesgesetzgebers"1. In diese Diskussion soll im folgenden eingetreten werden.

I. Vorbemerkungen 1. Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet zwei Stufen der Förderung. Die erste Stufe betrifft die Finanzierung des „Existenzminimums der Institution". Die zweite Stufe umfaßt jede zusätzliche, darüber hinausgehende Förderung. Beide Stufen müssen sorgfältig auseinandergehalten werden, denn während der Landesgesetzgeber im Bereich der ersten Stufe wenig Spielraum besitzt - das „Existenzminimum" ist definiert, alle Ersatzschulen müssen gleich behandelt werden - , hat er jenseits dieser Förderung eine größere Gestaltungsfreiheit, „die sich vornehmlich darauf bezieht, wie und in welchem Umfang eine Leistung gewährt werden soll". Freilich unterliegt er auch hier dem Grundsatz der Gleichbehandlung, so daß insoweit eine Differenzierung der Förderung eingeschränkt ist. Die Förderung der ersten Stufe soll „sicherstellen, daß die Genehmigungsanforderungen des Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG auf Dauer erfüllt werden". Die Förderung dient mithin der Deckung derjenigen Kosten, die entstehen, wenn eine Schule betrieben wird, die in ihren Lehrzielen, Einrichtungen und in der Lehrerqualifikation nicht hinter staatlichen Schulen zurücksteht, an der die Lehrer rechtlich und wirtschaftlich genügend gesichert sind und deren allgemeine Zugänglichkeit nicht durch ein zu hohes Schulgeld beschränkt ist. Betrachtet man die Gesamt-

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Eiselt, Zur Privatschulsubventionierung, in: DÖV 1987, S. 557.

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kosten einer Ersatzschule, nehmen die Kosten der Sicherstellung der Genehmigungsvoraussetzungen den größten Teil des Schulhaushalts ein. Insofern ist die Beschreibung dieses Anteils mit „Existenzminimum" mißverständlich und läßt den Anteil kleiner erscheinen, als er notwendigerweise sein muß. Versteht man unter „Existenzminimum" einen Notbedarf, so steht dies in Widerspruch zu den Genehmigungsvoraussetzungen, die dem Schüler nicht nur ein notdürftiges Schulprogramm sichern sollen, sondern eines, das dem staatlicher Schulen gleichwertig ist. Schon gar nicht lassen sich die Genehmigungsvoraussetzungen mit einem Notbedarf „auf Dauer" sicherstellen. Was das Bundesverfassungsgericht hier definiert hat, ist der Mindestbetrag, mit dem die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt werden können; zutreffend wäre die Bezeichnung „Grundbedarf' in Anlehnung an den Begriff „Grundfinanzierung", den die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrats für die vergleichbare Finanzierung benutzt hat2. 2. Da die Förderungspflicht der ersten Stufe abgeleitet ist aus der Spannung zwischen Privatschulgarantie und den Genehmigungsvoraussetzungen der Ersatzschule, können nur Ersatzschulen begünstigt sein, weil nur sie die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG zu erfüllen haben. Ergänzungsschulen liegen außerhalb der ersten Förderungsstufe 3. 3. Die verfassungsrechtliche Förderungspflicht des jeweiligen Landes kann, bei aller eingeräumten Gestaltungsfreiheit, nicht im Unverbindlichen bleiben. Das ergibt sich aus der Natur der Sache: Der Schulträger muß in Wahrnehmung seines Freiheitsrechts wissen, ob, wann und in welchem Umfang er mit welcher Art von Förderung rechnen kann; insoweit ist er in einem Grundrecht tangiert. Abgesehen davon muß die Förderung in ihrem nicht unerheblichen Umfang bei der Erstellung des öffentlichen Haushalts berücksichtigt werden. Beide Gesichtspunkte erfüllen die Kriterien der „Wesentlichkeit" mit der Folge, daß mindestens der Kreis der Anspruchsberechtigten und die Höhe der Förderung gesetzlich zu definieren sind4. Soll die Förderung sicherstellen, daß die Genehmigungsanforderungen auf Dauer erfüllt werden, dann wird dieses Ziel nur erreicht, wenn dem Schulträger ein Anspruch auf konkrete Förderung landesgesetzlich eingeräumt wird. Mit freiwilligen Leistungen oder Leistungen „nach Maßgabe des Haushalts" lassen sich die Förderungsziele nicht verwirklichen. Jenseits der Förderung des Grundbedarfs sind fakultative Leistungen denkbar (zur Klarstellung: Es handelt sich hier um einen landesgesetzlichen Anspruch, nicht um den verfassungsrechtlichen Anspruch, den das 2

Deutscher Bildungsrat, Empfehlungen der Bildungskommission. Zur Reform von Organisation und Verwaltung im Bildungswesen. Teil I, Bonn 1973, A 85 ff. 3 Es fragt sich allerdings, ob Länder, die bei der Gründung von Ergänzungsschulen Anzeigeverfahren durchführen, die dem einer Ersatzschulgenehmigung nahekommen, eine Selbstbindung eingehen, die ebenfalls zu einer Leistungspflicht führen kann. So etwa die bayerische Praxis gem. Art. 102 Abs. 2 EUG in der Tradition des Art. 134 VfBay, § 1 EUV 1933. 4 Deutscher Juristentag, Schule im Rechtsstaat. Entwurf für ein Landesschulgesetz, München 1981, § 108 sowie S. 397 f. m. w. N. zur „Wesentlichkeitstheorie".

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Bundesverwaltungsgericht entwickelt und das Bundesverfassungsgericht nicht aufgegriffen hat)5. 4. Modalitäten jeder gesetzlichen Regelung der Förderungspflicht der ersten Stufe sind nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: - Der Eintritt des Interventionsfalles (dazu unten II.), - das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen (dazu unten III.), - die Respektierung der in den Genehmigungsvoraussetzungen zum Ausdruck kommenden Inhalte „Selbstbestimmung der Träger" und „Vielfalt im Schulwesen" (dazu unten IV.), - der Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu unten V.) und - die Deckung des Grundbedarfs unter Einbeziehung einer zulässigen Eigenleistung (dazu unten VI.).

II. Der Eintritt des Interventionsfalls Der Interventionsfall wird in der Weise definiert, daß Ersatzschulträger nicht mehr in der Lage sind, „aus eigener Kraft sämtliche in Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG aufgeführten Genehmigungsvoraussetzungen gleichzeitig und auf Dauer zu erfüllen". Diese Unmöglichkeit muß daher rühren, daß der Staat in seinem Bereich zugleich die Anforderungen an Schule und damit die Kosten von Schule anhebt und die Schulgeldfreiheit eingefühlt hat. Es geht also um ein generelles Tätigwerden des Staates, das zu einer Unmöglichkeit und damit Bedürftigkeit bei den Ersatzschulen generell führt und so den „Bestand des Ersatzschulwesens als Instituprivater Ersatzschulen ist tion" gefährdet. Diese "generelle Hilfsbedürftigkeit heute ein empirisch gesicherter Befund". Weder löst also eine Konkurrenz zwischen bestimmten Staatsschulen und einer bestimmten Ersatzschule den Interventionsfall aus6, noch die besondere Hilfsbedürftigkeit einer konkreten Ersatzschule etwa infolge nichtakzeptierten pädagogischen Angebots oder ungenügender Anspannung der zumutbaren eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten7 oder infolge sonstigen individuellen Mißmanagements. In der Folge der neueren Rechtsprechung insbes. des BVerwG gebraucht auch das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang die Begriffe "Bestandsgarantie des Privatschulwesens als Institution" und „Unternehmerrisiko" des Ersatzschulträgers. Wie sich aus der Definition des Interventionsfalls ergibt, meint es

5 So auch Eiselt (Anm. 1), S. 564. 6 So noch BVerwG 23, 347 ff. ι Diesen Fall betraf BVerwGE 70, 290 ff.

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aber damit etwas anderes als jene 8 . Die Garantie der einzelnen Ersatzschule wird nicht in Frage gestellt (s. o. Kap. 3, II, 3 und III). Anders als das organisatorisch zusammengefaßte Staatsschulwesen ist das „Privatschulwesen" lediglich die Summe der jeweils autonomen Einzelschulen oder Schulgruppen, und so kann die Bestandsgarantie des Privatschulwesens stets nur die Summe der Bestandsgarantien der einzelnen Schulen in freier Trägerschaft sein9. Schon in Art. 7 Abs. 4 GG zerfällt das Privatschulwesen in zwei „Unterwesen": das Ersatzschulwesen und das Ergänzungsschulwesen. Unter dem Aspekt der Bestandsgefährdung zerfällt das „Wesen" noch weiter: Garantiert werden jedenfalls auch die verschiedenen Schularten-„Wesen" und dort jeweils wieder die „Wesen" der genehmigten und der anerkannten Ersatzschulen10. Die Institution Privatschulwesen zerrinnt und ergibt keine begriffliche Substanz11. Von ihr aus ist der Eintritt des Interventionsfalles nicht zu bestimmen. Dies wird nur dann möglich, wenn die Gefährdung der Institution Ersatzschulwesen so definiert wird, daß ein generelles Tätigwerden des Staates im Schulwesen generell erschwerend auf die Genehmigungsvoraussetzungen (Anhebung der Maßstäbe für Lehrziele, Einrichtungen und Lehrerqualifikation, Schulgeldfreiheit, Anhebung der Tarife bei Lehrern) einwirkt, so daß eine generelle Unmöglichkeit der Selbstfinanzierung von Ersatzschulen eintritt. Diese Unmöglichkeit kann generell festgestellt werden, wie dies das Bundesverfassungsgericht getan hat. Eine solche generelle Unmöglichkeit fällt nicht in das Unternehmerrisiko des einzelnen Ersatzschulträgers (ein Unternehmerrisiko des Ersatzschulwesens wird bezeichnenderweise nirgends angenommen). Der Unternehmer oder Träger hat aus eigener Kraft und mit vollem Risiko die Initiative zur Schulgründung zu übernehmen und dafür zu sorgen, daß die Voraussetzungen für die Genehmigung geschaffen werden; danach hat er dann voll verantwortlich dafür zu sorgen, daß sein Angebot so qualifiziert ist, daß es von einer ausreichenden Zahl von Schülern wahrgenommen wird, die zumutbare Eigenleistung und Drittmittel aufgebracht werden und daß alle Mittel so effektiv im Sinne des Schulzwecks wie möglich eingesetzt werden. Hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen ist sein Handeln durch staatliches Handeln und die Schulgesetzgebung so prädisponiert, daß von einem freien Entscheidungsspielraum und entsprechend auch von einem Risiko des Trägers nicht die Rede sein kann. Nur in diesem eingeschränkten Sinne kann bei einem Ersatzschulträger von einem Unternehmerrisiko gesprochen werden. s Α. A. offenbar Berkemann, RdJB 1987, S. 399 r. Sp. 9 Vogel, Die Bestandsgarantie des Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG, in: DVB1. 1985, S. 1214 ff., 1217. 10

So Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1982, S. 155 ff. 11 Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die bayer. Rechtsprechung, s. o.: Vogel, Teil I, Kap. 1. Die Frage stellt sich, von welcher Zahl, von welchem Prozentsatz von Zusammenbrüchen welcher Ersatzschulen an ist das Ersatzschulwesen gefährdet? 7 F. Müller/B. Jeand'Heur

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Angesichts dessen, daß es für das Eintreten des Interventionsfalles auf die Feststellung der generellen Bedürftigkeit ankommt (die das Bundesverfassungsgericht getroffen hat), ist hier das Vorliegen einer individuellen Bedürftigkeit nicht entscheidend und besagt allenfalls etwas für die Höhe der individuellen Förderung (s. u. VI. und VII.). Das ergibt sich nicht nur aus der Logik des Gedankenganges, sondern auch daraus, daß nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts der Nachweis der individuellen Bedürftigkeit auch im Wege der privatschulrechtlichen Gemeinnützigkeit geführt werden kann.

I I I . Ausschließlichkeit der Genehmigungsvoraussetzungen Aus der Ableitung der Förderungspflicht allein aus Art. 7 Abs. 4 GG folgt, daß die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen auch nur allein aus Art. 7 Abs. 4, insbesondere aus den Sätzen 3 und 4 entnommen werden können. Die hier formulierten Genehmigungsvoraussetzungen bilden einen abschließenden Katalog der Förderungsvoraussetzungen: Das Nicht-Zurückstehen in Lehrzielen, Einrichtungen und in der Lehrerqualifikation; das Verbot, die Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern zu fördern; die genügende Sicherung der Lehrer in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht. Am Beispiel der Finanzhilferegelung für die Hamburger Abendschulen in freier Trägerschaft verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht, daß einerseits jede Ersatzschule, die die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, begünstigt sein muß, und daß andererseits eine über die Genehmigungsvoraussetzungen hinausgehende Finanzhilfebedingung wie die der Schulpflichtigkeit der Schüler nicht mit der Förderungspflicht vereinbar ist. Unter diesem Gesichtspunkt sind die verschiedenen zusätzlichen Bedingungen in den Landesgesetzen durchzumustern. 1. Die Anerkennung als Ersatzschule führt zur Heraushebung einer Gruppe innerhalb der genehmigten Ersatzschulen. Diese ist zwar vom Bundesverfassungsgericht für verfassungsrechtlich zulässig erachtet worden, doch beruht sie nicht auf der Privatschulgarantie oder den GenehmigungsVoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG, sondern auf dem „natürlichen Recht" des Staates zur Ordnung des Berechtigungswesens12. So kann sie zwar Kriterium für eine differenzierte Förderung der 2. Stufe sein, als Voraussetzung für die Förderung der 1. Stufe zur Deckung des Grundbedarfs ist sie nicht zulässig13. 2. Die Entlastung des staatlichen Schulwesens hebt eine Gruppe genehmigter und anerkannten Ersatzschulen heraus, die entweder dem Staat die Errichtung oder 12 BVerfGE 27, 195 ff. ι 3 Das Bundesverwaltungsgericht hatte den verfassungsrechtlichen Finanzhilfeanspruch sowohl genehmigten als auch anerkannten Ersatzschulen zugebilligt. Gegen die Anerkennung als Voraussetzung Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 234 ff.; Eiselt (Anm. 1), S. 564.

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Erweiterung staatlicher Schulen erspart 14 oder dem Staat die Beschulung einer bestimmten Quote von Landeskindern abnimmt 15 , oder sonst allgemein das Staatsschulwesen entlastet16. Unter Entlastung wird also verstanden, daß Ersatzschulen mit denselben Bildungsangeboten wie staatliche Schulen an die Stelle an sich notwendiger staatlicher Schulen treten. Wenn das Bundesverfassungsgericht auch auf die Frage, ob Entlastung ein Förderungsgrund sei, keine abschließende Beantwortung bietet, so stellt es doch klar, daß die Förderungspflicht aus Art. 7 Abs. 4 „jedenfalls nicht vorrangig" einem Aufwendungsersatz für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben entspringt. Eine abschließende Antwort wäre nach den Feststellungen des Gerichts zur Funktion von Ersatzschulen nicht schwierig gewesen: Wenn der Verfassungsgeber mit der Errichtungsgarantie für Privatschulen eine der freiheitlich demokratischen Grundordnung entsprechende Offenheit des Staates für Vielfalt im Schulwesen sichern will 1 7 , kann sich eine Entlastung nur darauf beziehen, daß die Ersatzschulen in einem öffentlichen Schulwesen die Aufgabe (mit)übernehmen, unterschiedliche Bildungsangebote zur Wahl zu stellen. Dies ist aber das Gegenteil von dem, was die Landesgesetzgeber darunter verstehen. So mag denn auch in der Entlastung ein Kriterium für eine differenzierte Förderung der 2. Stufe gesehen werden; als Voraussetzung für die Förderung der 1. Stufe ist sie unzulässig, denn sie läuft auf eine Bedürfnisprüfung auf dem Wege über die Förderung hinaus18. 3. Die Voraussetzung der Schulpflichterfüllung schließt an allen Ersatzschulen die nicht mehr schulpflichtigen Schüler von der Förderung aus und kann dort, wo die Finanzhilfe nach Schülerzahl berechnet wird, die Förderung mindern bis zum Nullpunkt 19 . Da der Ersatzschulbegriff unabhängig von der Schulpflichterfüllung ist, hat das Bundesverfassungsgericht die entsprechende Hamburger Regelung für verfassungswidrig erklärt 20 . 4. Die Gemeinnützigkeit hebt eine bestimmte Gruppe von Ersatzschulen heraus mit dem Ziel, die Verwendung öffentlicher Mittel ausschließlich in der Ersatzschule sicherzustellen. Die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit schließt von vornherein alle natürlichen Personen als Schulträger aus, da sie nach § 51 AO nur bei juristischen Personen möglich ist. Die privatschulrechtliche Gemeinnützigkeit dagegen ist allen Trägern möglich und setzt voraus, daß „der Unternehmer mit dem Betrieb w § 28 Abs. 1 PSchG SI i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 1 DVO. is § 18 (4) PSchG Bre, § 21 (6) PSchG HH, § 1 Abs. 1 Nr. 2 ESchFG He i. V. m. innerdienstlicher Anweisung, § 28 Abs. 2 PSchG RP i. V. m. § 25 Abs. 2 DVO. 16 Z.B. § 17 PSchG BW. 17 BVerfGE 27, 195 ff. 18 So auch Vogel, Finanzielle Beteiligung des Staates an den Kosten freier Schulen, in DÖV 1967, S. 17 ff.; Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 254 f.; Eiselt (Anm. 1), S. 567. 19 Z. B. § 18 PSchG HH a. F. 20 So schon Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 253; zustimmend Eiselt (Anm. 1), S. 564, Berkemann (Anm. 6a), S. 401 r. Sp. 7*

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der Schule keinen Gewinn erzielt" 21 . Als Voraussetzung der Förderung ist die Gemeinnützigkeit unzulässig22, da sie nicht im Katalog der Genehmigungsvoraussetzungen enthalten ist. Als pauschaler Nachweis der individuellen Bedürftigkeit und einer sachgerechten Verwendung der Mittel dagegen erfüllt sie eine wichtige Funktion 23 . 5. Die Voraussetzung vorgängiger Bewährung der Schule mit der Folge, daß trotz Vorliegens der Genehmigung aufgrund Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen für einen Zeitraum von mehreren Jahren nach dem Genehmigungszeitpunkt keine oder reduzierte und/oder freiwillige Förderung gewährt wird, findet sich in verschiedenen Landesgesetzen24. Schulverwaltungen begründen dies von der Sache her damit, daß sie sich zunächst von der Bonität und der öffentlichen Akzeptanz der neuen Schule überzeugen müßten25 und daß eine zu frühzeitige Förderung unsolide Schulgründungen oder - in Zeiten knapper Schüler - überflüssige Schulgründungen ermutigen würde 26 . Rechtlich wird vorgetragen, daß die vom Bundesverwaltungsgericht als „Errichtungskosten" 27 bezeichneten Kosten in den Bereich der Eigenleistung des Trägers fallen. Diese rechtliche Auffassung hat das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme auf das Bundesverwaltungsgericht zitiert, dabei allerdings den Begriff „Errichtungskosten" abgeändert in „Anfangsfinanzierung". Sie bedarf kritischer Interpretation. Die Genehmigung setzt eine vorgängige Bewährung der Schule nicht voraus 28. Sie muß erteilt sein, bevor die Schule ihren Betrieb aufnimmt. Abgesehen von den vorgesehenen Schulräumen, die die Schulaufsicht besichtigen kann, werden alle Elemente der Genehmigungsvoraussetzungen durch Unterlagen (Konzeption, Lehrerverträge etc.) nachgewiesen; es muß „eine nach Erfahrungssätzen objektiv hinreichend begründbare Aussicht auf dauerhafte Einhaltung" bestehen29. Insofern setzt die Verfassung einen gewissen Vertrauensvorschuß von Seiten der Schulaufsicht voraus. Die Genehmigungsvoraussetzungen dienen der Mißbrauchsabwehr; ihre Formulierung „nicht zurückstehen" enthält eine „Argumentationslastverteilung", die eine Vermutung zugunsten des Freiheitsrechts enthält und der Exekutive einen Eingriff nur dort gestattet, wo sie einen Mißbrauch begründet vortragen kann 30 . Eine vorläufige Genehmigung bei Vorliegen aller Genehmigungsvorausset21 Nr. 20 VVPSchG BW; ähnlich § 25 Abs. 1 DVO PSchG RP. 22 Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 2), S. 249 und Eiselt (Anm. 1), S. 562. 23 So für die privatschulrechtliche Gemeinnützigkeit BVerfGE 75, 40 ff (C III 2); auch schon Deutscher Juristentag (Anm. 3), S. 397. 24 Siehe Tabelle in: Vogel (Anm. 9); außerdem Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. 25 Z. B. Eiselt (Anm. 1), S. 567. 26 So bay VfGH (Anm. 21 in: Vogel (Anm. 9)). 27 BVerwGE 27, 360 ff.; 70, 290 ff. 28 Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 240. 29 Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 244 f. 30 E Müller, Das Recht der Freien Schule nach dem Grundgesetz, 2. Aufl. 1982, S. 118.

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zungen zum Zwecke der Feststellung, ob die Genehmigungsvoraussetzungen auch in der Tagespraxis und auf Dauer eingelöst werden, ist der Garantie des Art. 7 Abs. 4 GG fremd. Ist ein Mißbrauch der· Genehmigung zu befürchten, stehen der Schulverwaltung andere, für den Begünstigten mildere Mittel zur Verfügung. Die Mittel der Schulaufsicht bis hin zum Widerruf der Genehmigung können jederzeit einen Mißbrauch verhindern 31. Für den Schulträger ist der Widerruf mit erheblichen finanziellen Einbußen verbunden, so daß er bemüht sein wird, auf die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen zu achten. Auf diesem Hintergrund fehlt der Forderung, vor Eintritt einer Förderung müsse sich die genehmigte Ersatzschule erst noch bewähren, die Stichhaltigkeit32. Mit der Genehmigung erhält die Schulgründung nach den Feststellungen der Schulverwaltung die Qualität einer Schule, die nicht hinter einer staatlichen Schule zurücksteht. Vom Zeitpunkt der Genehmigung an müssen die Genehmigungsvoraussetzungen verwirklicht werden. Dies ist nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts ohne Förderung nicht möglich; was für ältere Ersatzschulen gilt, trifft genauso für jüngere Schulen zu. Ausdrücklich wendet sich das Bundesverfassungsgericht dagegen, daß eine Schlechterstellung von Ersatzschulen damit begründet wird, daß diese neu in die Förderung aufgenommen sind. Wenn das Bundesverfassungsgericht trotz der Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den „Errichtungskosten" nunmehr von "Anfangsfinanzierung " spricht, dann nicht nur, um die Kritik zu unterlaufen, es sei unlogisch, die Errichtungskosten nicht zu fördern, obwohl doch gerade die Errichtung der Privatschule in Art. 7 Abs. 4 S. 1 GG gewährleistet werde 33 . „Anfangsfinanzierung*" bezeichnet eindeutiger noch als „Errichtungskosten" den Anfang der Gründungsinitiative, die „Kosten der Begründung" der Schule34. Von der Genehmigung an ist die Schule gegründet; eine weitere Steigerung ihrer Existenzqualität ist verfassungsrechtlich nicht denkbar. Die Förderung der 1. Stufe muß daher - den Eintritt des Interventionsfalls vorausgesetzt - mit dem ersten Tag der Genehmigung beginnen35. Die Feststellung greift auch nicht in den Gestaltungsfreiraum der Länder ein 3 6 ; der Zeitpunkt gehört vielmehr zum verfassungsrechtlichen Rahmen, den die Genehmigungsvoraussetzungen vorgeben.

31 F. Müller (Anm. 26a), S. 180ff. 32 F. Müller (Anm. 26a), S. 174 ff.; Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 246. 33 Wolff/Bachof Verwaltungsrecht II, 4. Aufl. 1976, § 101 VIII e; Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 139. 34 BVerwGE 27, 360 ff.; Berkemann (Anm. 6a) hält auch diese Belastung für „verfassungsillegitim" (S. 499 1. Sp.). 35 So Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 246; Kromer, Probleme der Genehmigung Freier Schulen, in: RdJB 1983, S. 184 ff.; Vogel (Anm. 15), S. 541 und unten Kap. 6; a. A. Eiselt (Anm. 1), S. 567 und BVerfG 90, 107 ff. (s. Kap. 6). 36 So aber Eiselt (Anm. 1), S. 567.

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Auch die tatsächlichen Gründe für eine Wartezeit können nicht überzeugen. Die Schulverwaltung ist jederzeit mit den hier zu Gebote stehenden Aufsichtsmitteln Herrin der Lage; sollte eine Ersatzschule bald nach Genehmigung mangels attraktiven Angebots oder mangels ausreichender Schüler wieder schließen müssen, hat die öffentliche Hand keine Mittel verloren. Denn diese hat sich in aller Regel nicht stärker engagiert, als sie nach der Zahl der Schüler oder staatlich bemessener Klassen berechtigt war: Für die beschulten Schüler sind die Zuschüsse zutreffend für die Beschulung gewährt worden. Wenn die Schulverwaltung Träger durch verzögerte Förderung davor bewahren will, unwirtschaftliche oder überflüssige Schulen zu gründen, so setzt sie sich an die Stelle des Trägers und nimmt ihm das vielberufene Unternehmerrisiko dort ab, wo er es selbst tragen muß. Angesichts des trotz der Förderung hohen finanziellen Risikos wird ein Unternehmer keine Schule gründen, ohne die nötige Elternschaft in Aussicht zu haben; die meisten Schulgründungen heute (Waldorfschulen, „Freie Schulen") werden von den Eltern selbst getragen. So bleibt der Verdacht, daß die so fürsorglich auftretende Absicht der Schulverwaltung lediglich eine Errichtungssperre 37 oder eine Bedürfnisprüfung verschleiern soll. 6. Die Voraussetzung vollständigen Aufbaus der Schulen ist ein Unterfall der Voraussetzung vorgängiger Bewährung. Wird eine Schule - wie dies in den letzten Jahrzehnten im staatlichen wie im freien Bereich zunehmend üblich geworden ist - zunächst mit einigen Klassenstufen gegründet und dann jährlich um eine Klassenstufe bis zum Vollausbau erweitert, so soll die Förderung erst eintreten, wenn der Aufbau abgeschlossen ist; Bayern verlangt zusätzlich noch zwei aufeinanderfolgende zufriedenstellende Abschlüsse, also mindestens zwei weitere Jahre, so daß Wartezeiten bis zu elf Jahren nach Genehmigung entstehen. Ein ähnliches Ergebnis erreicht Berlin dadurch, daß es der Schule im Aufbau zunächst nur eine vorläufige Genehmigung erteilt, die erst nach vollständigem Aufbau zur endgültigen Genehmigung erstarkt, die eine fünfjährige Wartefrist auslöst. Liegt die Genehmigung vom Zeitpunkt der Betriebsaufnahme mit den ersten Klassenstufen vor, gelten die Ausführungen unter 5. im besonderen Maße 38 . Wird dagegen die Genehmigung erst nach abgeschlossenem Aufbau erteilt, wird der verfassungsrechtlichen Förderungspflicht die verfassungsrechtliche Grundlage entzogen. Es stellt sich deshalb die Frage, ob der Landesgesetzgeber einer Ersatzschule im Stadium des Aufbaus die Genehmigung vorenthalten kann. Eine verfassungsrechtlich nicht vorgesehene vorläufige Genehmigung kann der Landesgesetzgeber nur dort vorsehen, wo die Genehmigungsvoraussetzungen noch 37 So Eiselt (Anm. 1), S. 567 zur bayer. Regelung und zu den Argumenten des bayer. VfGH. Da er andererseits eine Wartezeit für zulässig hält, gerät er in die Schwierigkeit, entscheiden zu müssen, wie lang ein solche Wartezeit sein dürfte; danach sind 3 Jahre hinnehmbar, 5 Jahre aber ,»rechtlich sehr bedenklich". Dagegen hält E Müller (Anm. 26a), S. 180, 3 Jahre für „doch schon problematisch". 38 Zustimmend Eiselt (Anm. 1), S. 567.

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nicht vollständig vorliegen. Sind die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, ist für eine vorläufige Genehmigung kein Raum 39 . Der Träger einer Ersatzschule im Aufbau ist in der Lage, die Lehrziele für die vollständige Schule sowie die Nachweise über die zunächst erforderlichen Einrichtungen und Lehrer, über die allgemeine Zugänglichkeit der Schule sowie über die genügende Sicherung der Lehrer zu erbringen. Darüber hinaus kann er einen Plan vorlegen, wie der weitere Aufbau erfolgen soll. Im weiteren Verlauf sind dann die hinzukommenden Lehrer und Einrichtungen jeweils zu genehmigen, wie dies bei jeder neuen Einrichtung und jedem neuen Lehrer einer bestehenden Ersatzschule der Fall ist. Ergibt sich aus diesen Unterlagen, daß die Einrichtung nicht hinter entsprechenden staatlichen Schulen zurücksteht - Maßstab wäre hier eine staatliche Schule im Aufbau - , muß die Genehmigung erteilt werden 40. Der Schulverwaltung bleibt unbenommen, diese Genehmigung mit einer Auflage zu erteilen, die sicherstellt, daß der Aufbau in der vorgesehenen Weise vor sich geht, sie kann aber nicht die Erteilung der Genehmigung dadurch unterlaufen, daß sie eine verfassungsrechtlich nicht vorgesehene „vorläufige Genehmigung" erteilt. Wenn aber die Genehmigung erteilt werden muß, kann auch die Förderung der 1. Stufe nicht vorenthalten werden.

IV. Selbstbestimmung der Schulträger und Vielfalt im Schulwesen Der Staat muß den Ersatzschulen „die Möglichkeit geben, sich ihrer Eigenart entsprechend zu verwirklichen. Ohne Selbstbestimmung im schulischen Wirkungsbereich bleibt das Recht zur Errichtung von Ersatzschulen inhaltslos". „Selbstbestimmung" bedeutet hier zweierlei: Zum einen die freie Entscheidung des Ersatzschulträgers, eine Ersatzschule zu gründen, zu betreiben oder zu schließen, zum anderen die freie Entscheidung über Organisation und Inhalt der Ersatzschule im Rahmen der Genehmigungsvoraussetzungen. Denn der Staat soll „offen" sein „für die Vielfalt der Erziehungsziele und Bildungsinhalte". Das Bundesverfassungsgericht bekennt sich nachdrücklich zur Autonomie der Ersatzschulträger und zur Vielfalt im Schulwesen. Diese Prinzipien sind bei der Ausgestaltung der Förderung der 1. Stufe zu berücksichtigen. Daraus ist zu folgern, daß die Förderungsregelungen der Länder so zu gestalten sind, daß eine unnötige Anpassung an Staatsschulverhältnisse vermieden wird. Problematisch wäre auch von diesem Zusammenhang her die Bedingung der Anerkennung der Ersatzschule für die Förderung. Denn die Anerkennung zwingt in wesentlichen Punkten zur Anpassung an staatliche Schulen, wenn auch dieses Instrument nicht zu zuweitgehender Anpassung mißbraucht werden soll 41 . Jeden39 F. Müller (Anm. 26a), S. 280 ff.; so aber § 4 (5) PSchGB. 40

So Kromer und Vogel (Anm. 31). 41 BVerfGE 27, 195 ff.

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falls würde eine Reduktion der begünstigten Ersatzschulen auf die anerkannten Ersatzschulen in der 1. Förderstufe die verfassungsrechtlich gewollte Selbstbestimmung erheblich einschränken. Ebenfalls gegen das Prinzip der Selbstbestimmung verstoßen Einschränkungen der Förderung auf Schulen, die „in Gliederung und Aufbau" staatlichen Schulen entsprechen42, oder auf Schulen, die kein Schulgeld erheben 43; letztere jedenfalls dann, wenn die Förderung die Schule nicht zugleich schulgeldfrei stellt. Eine nicht unerhebliche Problematik unter dem Gesichtspunkt zuweitgehender Anpassung bieten die Modalitäten, nach denen Finanzhilfen berechnet werden. Wenn das Bundesverfassungsgericht hier den Ländern weitestgehende Gestaltungsfreiheit läßt, dann vernachlässigt es die Möglichkeiten, die sich hier ergeben, um eine Anpassung durch Privilegierung herbeizuführen. Zu nennen sind etwa die Zuschüsse zur Altersversorgung. Sie sind entweder an Ausbildungen geknüpft, die Voraussetzungen für den Staatsdienst sind 44 , oder an Versorgungen, wie sie beim Staat gewährt werden 45 ; andere, der freien Trägerschaft unter Umständen angemessenere Versorgungsformen sowie Versorgungen für Mitarbeiter, deren Ausbildung nicht hinter der staatlicher Lehrer zurücksteht, werden in diesen Fällen nicht gefördert, so daß eine Privilegierung von Lehrern mit staatlicher Ausbildung oder von staatlichen Versorgungsformen eintritt und damit ein Druck auf die Träger ausgeübt wird, staatsgleiche Versorgungen zu gewähren oder Lehrer mit staatlichen Examina zu beschäftigen, weil dies für sie finanziell erträglicher wird. Ein Musterfall des Anpassungsdrucks ist das EFG Nordrhein- Westfalen, das die Ersatzschulträger zwingt, für den größten Teil ihrer Lehrkräfte staatlich verordnete Musterverträge zu verwenden sowie die Lehrkräfte staatsgleich zu bezahlen und zu versorgen 46. Darüber hinaus zwingt Nordrhein-Westfalen die Ersatzschulträger über einen Musterhaushalt zu einer der freien Trägerschaft ganz unangemessenen staatsähnlichen kameralistischen Buchführung 47. Es scheint, daß das Bundesverfassungsgericht - jedenfalls im Bereich der Beamtenbezüge - diese Landesgesetzgebung stützt, wenn es zur Deckung des Mehraufwandes für Beamtenverhältnisse eine höhere Förderung zuläßt, „zumal deren 42 Art. 30 SchFinG Bay für Volksschulen. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 259, treten für eine verfassungskonforme Interpretation ein. 43 Z. B. § 27 Abs. 2 PSchG RP. 44 § 19 Abs. 2 PSchG BW. 45 Art. 40 Abs. 1 SchFinG Bay; § 4 Abs. 3 3. DVO PSchG B; § 8 Abs. 3 EFG NW i. V. m. Nr. 8.32 VzEFG; § 30 PSchG RP i. V. m. § 29 DVO PSchG. 46 § 8 EFG NW i. V. m. Nr. 8 W z EFG; § 26 Abs. 3d SchoOG NW legt die Anpassung der Vergütungen an diejenige im öffentlichen Dienst bereits als Genehmigungsvoraussetzung fest; kritisch dazu F. Müller (Anm. 26a), S. 150 ff. Ähnlich die Regelung im Saarland; weniger eingreifend, aber auch privilegierend § 21 Abs. 5 PSchG HH, der Schulen, die „überwiegend beamtete Lehrkräfte beschäftigen", 5 %-Punkte zusätzlicher Finanzhilfe gewährt. 47 § 4 EFG i.V. m. Nr. 4 VVzEFG.

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rechtliche und wirtschaftliche Sicherung im besonderen Maße den Vorgaben des Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG entspricht". Hier wird eine Anpassung privilegiert, obwohl Art. 7 Abs. 4 Satz 4 nur eine genügende, nicht aber eine möglichst staatsgleiche Sicherung verlangt und damit einen weiteren Selbstbestimmungsraum läßt. Auch von der Sache her ist die Privilegierung fragwürdig, denn der Aufwand für den Schulträger ist bei Beamtenverhältnissen keineswegs höher als bei Angestelltenverhältnissen. Das Bundesverfassungsgericht widerspricht hier seinem selbst aufgestellten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Respektierung der Selbstbestimmung, ohne daß ein einleuchtender Grund ersichtlich wäre.

V. Der Grundsatz der Gleichbehandlung Im Rahmen der Förderung zur Deckung des Grundbedarfs „müssen alle Ersatzschulen nach Maßgabe des Gleichheitssatzes berücksichtigt werden". Die Garantie des „Ersatzschulwesens als Institution" bedeutet also nicht, daß der Landesgesetzgeber eine Auswahl unter den Ersatzschulen treffen kann, und damit immerhin mit einem Teil der Ersatzschulen „das Ersatzschulwesen" erhält 48 ; es müssen alle existierenden Ersatzschulen gefördert werden. Das Bundesverfassungsgericht zieht hier eine Konsequenz, die vermuten läßt, daß auch sie sich der Einsicht nicht verschließt, die Bestandsgarantie des Ersatzschulwesens sei die Summe der Bestandsgarantien der einzelnen Ersatzschulen (s. ο. II.). Auch vom Grundsatz der Gleichbehandlung her ergibt sich, daß im Bereich der Grundbedarfsdeckung keine über die Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 GG hinausgehenden Auflagen wie Anerkennung, Entlastung, Gemeinnützigkeit oder Bewährung verlangt werden dürfen; alle Ersatzschulen sind gleichermaßen dem Gleichbehandlungsgrundsatz unterworfen und im Rahmen der Dekkung ihres Grundbedarfs zu fördern. Jenseits der Förderung der 1. Stufe ist zwar ebenfalls der Gleichbehandlungsgrundsatz anzuwenden, doch läßt dieser Differenzierungen in der Förderung zu, dann nämlich, wenn „höhere Aufwendungen für besonders förderungswürdige Zwecke entstehen". Als Beispiele nennt das Bundesverfassungsgericht den „Mehraufwand infolge besonderer pädagogischer Konzepte", die Begründung von Beamtenverhältnissen durch den Träger, aber auch die Ergänzungsfunktion als Bekenntnisschule in einem Land, in dem es im Staatsschulbereich nur Gemeinschaftsschulen gibt. Ausschlaggebend für die Differenzierung sollen mithin in der einzelnen Ersatzschule liegende definierbare Gründe sein. Während das Beamtenbeispiel nicht ganz überzeugt (s. ο. IV.), lassen die anderen beiden Beispiele die Interpretation zu, daß das Bundesverfassungsgericht eine Differenzierung zugunsten der Vielfalt im Schulwesen für besonders förderungswürdig ansieht, wenn zugleich ein 48

S. die bayer. Rechtsprechung, dargestellt in: Vogel (Anm. 9).

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zusätzlicher Aufwand für die besondere Ausgestaltung erforderlich ist. So verlangt es z. B. bei konfessionellen oder weltanschaulichen Schulen, daß „über die religiösen und weltanschaulichen Positionen hinaus tatsächliche Verschiedenheiten" vorliegen müssen, die eine Differenzierung rechtfertigen. Mag diese Feststellung angesichts der Tatsache, daß der religiös und weltanschaulich neutrale Staat solche Schulen nicht betreiben darf, auch eine gewisse Härte enthalten49, so ist hier doch Konsequenz erkennbar. Die Position des Bundesverfassungsgerichts ist jedenfalls verfassungsrechtlich schlüssig50. Andererseits nennt das Bundesverfassungsgericht Differenzierungen, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen : - Besitzstandswahrung und Vertrauensschutz bestimmter Ersatzschulen sind keine Begründung für eine dauernde Schlechterstellung anderer Ersatzschulen; für eine Übergangszeit können Unterschiede hingenommen werden. - Das fiskalische Bemühen, Ausgaben zu sparen, berechtigt für sich allein eine unterschiedliche Behandlung von Ersatzschulen nicht; knappe Mittel müssen gleichmäßig aufgeteilt werden 51. - Die Neuaufnahme von Ersatzschulen in die Förderung rechtfertigt keine Benachteiligung gegenüber den übrigen Ersatzschulen. Mit anderen Worten: Wo sich Ersatzschulen nicht durch tatsächliche Verschiedenheiten unterscheiden, darf keine Ungleichbehandlung eintreten. Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichts auf die Möglichkeit der Prüfung individueller Bedürftigkeit einzelner Ersatzschulen läßt den Schluß zu, daß die Förderung der 2. Stufe, aber wohl auch der 1. Stufe differenziert werden kann nach Maßgabe der Bedürftigkeit. Die Bedürftigkeit darf dann allerdings nach der Logik der verfassungsrechtlichen Förderungspflicht ihren Grund nur im Rahmen des Interventionsfalls haben; eine „hausgemachte" Bedürftigkeit, z. B. durch mangelhafte Anspannung wirtschaftlicher Ressourcen oder mangelnde Erhebung des verfassungsrechtlich zulässigen Schulgeldes wäre nicht besonders förderungswürdig. Eine besondere, förderungsrelevante Bedürftigkeit könnte z. B. gegeben sein bei

49 Zweifelnd auch Eiselt (Anm. 1), S. 563. 50

Eiselt (Anm. 1), S. 563, verhält sich kritisch zum einen gegenüber dem erhöhten Aufwand besonderer pädagogischer Konzepte, offenbar aus der Annahme, daß jede Schule mit höherem Aufwand stets auch höhere pädagogische Qualität erzielen könne („auch der Staat würde gern mehr Geld für besondere pädagogische Leistungen aufwenden") und plädiert für mehr Förderung nur dort, wo „objektive Notwendigkeit, wie Übungen bei bestimmten Körperbehinderungen" höheren Aufwand erforderlich macht. Aber: Sonderschulen müßten nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung wegen ihres hohen Grundbedarfs ohnehin eine proportional höhere Förderung erhalten. Und die von Eiselt vermutete Koppelung von Weltanschauung und besonderem pädagogischen Konzept findet sich in der Entscheidung des BVerfG gerade nicht. 51 Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 248; Berkemann (Anm. 6a), S. 401 1. Sp.

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Ersatzschulen, die in besonderem Maße minderbemittelte oder Unterschichtenkinder unterrichten, die selbst ein sonst angemessenes Schulgeld nicht aufbringen können. Eine notwendige Differenzierung schon im Rahmen der Deckung des Grundbedarfs tritt wegen des unterschiedlichen Aufwands der einzelnen Schultypen (ζ. B. Hauptschule, Berufskolleg, Waldorfschule) ein. Länder, die die Höhe der Finanzhilfe an den Kosten des entsprechenden staatlichen Schülers orientieren, im übrigen aber jeweils denselben Prozentsatz dieser Kosten als Finanzhilfe gewähren 52, bieten das Bild ausgewogener Gleichbehandlung. Andere Länder privilegieren einige Schultypen53. Bei der Würdigung dieser Unterschiede muß berücksichtigt werden, daß die Schulkosten zwischen der am wenigsten aufwendigen Schulform (Grundschule) und der aufwendigsten Schulform (Sonderschule) enorm differieren. Aus der Sicht der Eltern machen 20 % Eigenleistung im einen Fall DM 50,-, im anderen DM 400,- aus - mit den entsprechenden Folgen für die allgemeine Zugänglichkeit der betreffenden Ersatzschule. Es kann also von der zumutbaren Eigenleistung her durchaus dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen, wenn der Prozentsatz der Förderung mit steigendem Aufwand der Schultypen zunimmt und insbesondere Sonderschulen besonders gefördert werden 54. Eine weitere zulässige Differenzierung im Rahmen der 1. Stufe tritt durch Staats Verträge, Kirchenverträge und Konkordate ein 55 . Auf dieser Basis sind in einigen Bundesländern aufgrund von Konkordaten und Kirchenverträgen bestimmte, definierte (Gesamtzahl, Standort, Anteil der Schüler anderen Bekenntnisses) Schulen im Bereich des Grund- , Haupt- und Sonderschulwesens bessergestellt56. Mitunter ist die Besserstellung auch auf alle Schulen dieses Typs erstreckt 57. Ein Parallelbeispiel ist die Privilegierung der dänischen Minderheitsschulen in SchleswigHolstein 58 .

52 Z. B. PSchG Bre; EFG He. 53 § 18 PSchG BW; § 8 Abs. 2 und Abs. 3 PSchG B. a. F; Nr. 6 und 7 der Richtlinien zu § 50 Abs. 6 SchG SH. 54 So § 18 Abs. 2a - c PSchG BW, aber auch die Sonderbehandlung der Sonderschulen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland. 55 BVerfGE 75,40 ff (C IV 1); so schon BVerwG NJW 1986, S. 3220. 56 Siehe die Regelungen in Baden-Württemberg (§ 5 Ausführungsgesetz zu Art. 15 Abs. 2 der Verfassung) und Niedersachsen (§§ 154 ff. SchG). 57 Siehe die Regelungen in Bayern, Rheinland-Pfalz und Saarland. 58 § 60 Abs. 3 SchG SH.

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VI. Der Umfang der Förderung des Grundbedarfs Zum Umfang der Förderung der 1. Stufe trifft das Bundesverfassungsgericht vier Feststellungen: - Die Förderung soll sicherstellen, „daß die Genehmigungsanforderungen des Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG auf Dauer erfüllt werden". Die Ersatzschulen können aber nicht beanspruchen, „eine bessere Ausstattung als vergleichbare öffentliche Schulen zu erhalten". Damit ist die Förderung der 1. Stufe nach oben hin limitiert. - Der Ersatzschulträger muß „eine angemessene Eigenleistung erbringen". „Zu den angemessenen Eigenleistungen gehören auch die Anfangsfinanzierung und die Investitionskosten". - Die Ersatzschule „muß allgemein zugänglich sein in dem Sinne, daß sie grundsätzlich ohne Rücksicht auf deren [der Schüler] Wirtschaftslage besucht werden kann". Es genügt nicht, wenn die Ersatzschulen „die zur Deckung angemessener Personal- und Sachausgaben notwendigen Schulgelder erhebt und für minderbemittelte Schüler Erleichterungen vorsieht" 59 . „Nur wenn dieses [das Ersatzschulwesen] allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre persönlichen finanziellen Verhältnisse offensteht, kann die in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistete Freiheit im Schulwesen tatsächlich verwirklicht und von allen Eltern und Schülern gleichberechtigt in Anspruch genommen werden". Nach dem Wortverständnis werden damit die Eltern an Ersatzschulen den Eltern an staatlichen Schulen gleich, d. h. schulgeldfrei gestellt60. - Die Förderungspflicht steht „von vornherein unter dem Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann", darf aber nicht „zugunsten weniger wichtiger Belange des öffentlichen Schulwesens vernachlässigt" werden. So klar diese Feststellungen jede für sich (mit Ausnahme der letzten 61 ) sind, so bedürfen sie doch kritischer Interpretation, um auf einen Nenner gebracht zu werden. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Gleichung lautet: Die Höhe der Förderung soll den Grundbedarf sicherstellen, soweit er nicht durch die Eigenleistung gedeckt ist, die ihrerseits wieder beschränkt wird durch die Forderung nach allgemeiner Zugänglichkeit der Schule. Der Umfang des Grundbedarfs und die Forderung nach allgemeiner Zugänglichkeit werden aus Art. 7 Abs. 4 GG entnommen: Der Grundbedarf resultiert aus dem Aufwand für die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen; die Forderung nach allgemeiner Zugänglichkeit ent59 Diese Auffassung vertrat nicht nur Hamburg im Prozeß, sondern auch die bayer. Rechtsprechung (vgl. Anm. 44) und verschiedene Landesregelungen (z. B. § 3 2. DVO PSchG B). 60 So sieht es auch Eiselt (Anm. 1), S. 562, der allerdings diese Ausführungen kritisch als „puritanisch" und „nicht praktikabel" ansieht. 61 So auch Eiselt (Anm. 1), S. 562.

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springt dem Verbot, eine Sonderung der Schüler nach ihren Besitzverhältnissen zu fördern. Auch die Förderungspflicht selbst wird direkt aus Art. 7 Abs. 4 GG abgeleitet. Um so erstaunlicher ist es, daß sie schließlich doch unter einen Generalvorbehalt gestellt wird, so, als könnten andere Gemeinschaftsbelange und Erfordernisse des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, aber auch wichtigere Belange des öffentlichen Schulwesens die verfassungsrechtliche Förderungspflicht minimieren. Weitere Formulierungen in diesem Zusammenhang können diesen Eindruck bestärken. Freilich bleiben sie hinter dem Bewußtseinsstand der grundsätzlichen Ausführungen zurück. Sq findet sich hier die Feststellung, daß der Staat sich mit der Förderung der Ersatzschulen „gewissermaßen selbst Konkurrenz" macht, weil der Schüler der Ersatzschule das Angebot der staatlichen Schule „ausschlägt". Damit wird ein Nachrang der Ersatzschulen suggeriert, den das Bundesverfassungsgericht gerade abgelehnt hatte. Tatsächlich befindet sich der Staat den Ersatzschulen gegenüber in einer Interessenkollision als Ordnungsmacht für den gesamten Schulbereich einerseits und als Träger von Schulen andererseits (BVerfGE 88, 40 ff - C III 1). Diese Interessenkollision wird von Politikern in Mangelzeiten stets zugunsten „unserer", d. h. der staatlichen Schulen aufgelöst. Ein typisches Beispiel aus jüngster Zeit ist die Landtagsrede des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Späth v. 15. 10. 1986. „Wir finanzieren die Privatschulen zu Lasten unserer öffentlichen Schulen, die wir sowieso bezahlen müssen, weil wir den Kostensektor nicht abbauen können. Wir dürfen nicht eine Förderung installieren, die am Schluß eine definitive Benachteiligung der Kinder mit sich brächte, die auf die öffentlichen Schulen angewiesen sind. Das ist der Punkt." Äußerungen dieser Art werden vom Bundesverfassungsgericht mit den genannten Formulierungen ermutigt, obwohl sie auf das Gegenteil dessen zielen, was das Bundesverfassungsgericht als Grundsätze aufstellt. - Auch die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung des Schülerschwundes sind von der Praxis her unverständlich. Bisher führt der Schülerschwund im staatlichen Schulbereich zu einer überproportionalen Steigerung der Kosten pro Schüler, weil Lehrerstellen nicht synchron mit dem Schülerschwund abgebaut werden können: Dies führt aber gleichzeitig zur Verbesserung der schulischen Angebote: Kleinere Klassen, mehr Unterrichtsangebote und mehr außerunterrichtliche Angebote. Diesen Mehraufwand müssen die Ersatzschulen mitvollziehen. Es wäre deshalb erstaunlich, wenn sie dafür, daß einige Gruppen von ihnen den Schülerschwund geringer halten können, auch noch weniger Förderung erhielten 62. Diese Äußerungen zum Generalvorbehalt können den Eindruck erwecken, als widerriefen sie die verfassungsrechtlich stringenten Grundsatzausführungen des Gerichts. Dies wäre ein Mißverständnis: Eine aus dem Grundrecht abgeleitete Förderungspflicht, die ein Element der freiheitlich demokratischen Grundordnung ver62 In Bremen wird dies allerdings genauso praktiziert mit den Reduktionen der Finanzhilfe mit Gesetzesänderungen vom 29. 3. 1982, 17. 7. 1984 und 9. 10. 1985.

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wirklichen soll, muß zum Kernbestand staatlicher Aufgaben gehören und kann nicht beliebig disponibel sein. Deshalb liegt hier richtig verstanden kein Haushaltsvorbehalt, sondern ein Möglichkeitsvorbehalt vor. Wegen der prinzipiellen Gleichrangigkeit zwischen staatlicher und freier Schule kann der Generalvorbehalt nur dahingehen, daß der Staat „etwa bei notwendigen allgemeinen Kürzungen den Gesamtetat für das öffentliche und private Schulwesen herabsetzen und damit auch die Basis für den Einsatz öffentlicher Finanzmittel im staatlichen und privaten Bildungsbereich verändern" kann. Die Disponibilität der Förderungspflicht liegt also im Rahmen des Gesamtetats für den Schulbereich (und damit zusammenhängend im Tarifbereich); das Haushaltsvolumen für die staatlichen und freien Schulen muß stets in der Balance bleiben 63 . Die Obergrenze des Grundbedarfs kann seinem Wesen nach nur zwischen der Höchstgrenze - Bedarf einer vergleichbaren staatlichen Schule - und dem tatsächlichen Bedarf der Ersatzschule (sofern er niedriger ist) liegen. Im Falle einer Ersatzschule besonderer pädagogischer Prägung, für die es eine vergleichbare staatliche Schule nicht gibt, wird man sich am tatsächlichen Bedarf orientieren oder eine angemessene fiktive Vergleichbarkeit festsetzen müssen64. Kosten einer Ersatzschule sind die des Grundbedarfs sowie zusätzliche Kosten der Trägerverwaltung und eventuelle weitere Kosten besonderer pädagogischer Angebote. Diesen Gesamtkosten steht zunächst die Eigenleistung des Trägers gegenüber. Sie kann aus dem Aufkommen aus eigenem Vermögen (in der Bundesrepublik allenfalls noch bei Orden und kirchlichen Stiftungen denkbar), Zuschüssen Dritter (von seiten der Kirchen an nichtkirchliche konfessionelle Schulen) und vor allem aus den Elternbeiträgen bestehen. Aus dieser Eigenleistung sind jedenfalls die Investitionskosten und außerdem die nicht zum Grundbedarf zählenden Kosten der Trägerverwaltung und zusätzlicher pädagogischer Angebote zu bestreiten. Die Höhe der Elternbeiträge (Schulgeld, Vereinsbeiträge, Bauzuschüsse) wird beschränkt durch die verfassungsrechtliche Forderung nach allgemeiner Zugänglichkeit. Nimmt man diese, wie dies das Bundesverfassungsgericht getan hat, ernst, so wird die üblicherweise aus den Elternbeiträgen bestehende Eigenleistung ausreichen, um die Investitionskosten und die Trägerverwaltungskosten zu tragen; vom Grundbedarf (ohne Investitionskosten) wird nur ein geringfügiger Anteil aus der Eigenleistung gedeckt werden können. Die Förderungspflicht würde sich damit dem Umfang nach auf den gesamten oder fast auf den gesamten Grundbedarf erstrecken. Letztlich kommt also der Frage, ob die Investitionskosten in die Eigenleistung fallen oder nicht, nur geringe praktische Bedeutung zu. Die Abtrennung der Inve63 Zum Haushalts- und Möglichkeitsvorbehalt s. o. Kap. 3 sowie Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 8), S. 160 f.; a. A. Eiselt (Anm. 1), S. 562, der den Ausführungen des BVerfGE 75, 40 ff (C III 4) eine Bestätigung der bayer. Rechtsprechung entnimmt. 64 So werden ζ. B. die Klassen 5 - 13 der Waldorfschulen in Baden-Württemberg und Bayern als Gymnasien behandelt.

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stitionskosten überzeugte schon in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht 65 . Sie entspringt offensichtlich der Tatsache, daß im Staatsschulwesen der Träger (im allgemeinen der kommunale Träger) die Gebäudekosten trägt. Diese Organisationsfrage kann aber für die Förderungspflicht keine Wirkung entfalten, denn auch von den „Einrichtungen" wird in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 verlangt, daß sie nicht hinter denen staatlicher Schulen zurückstehen. Mit Recht wenden Müller/Pieroth/Fohmann ein, daß die Herausnahme der Investitionskosten aus der Förderung eine erhebliche Benachteiligung neuer Ersatzschulen ist 6 6 . Eine sinnvolle Unterscheidung wäre allenfalls die nach einmaligen und laufenden Kosten für Erwerb und Instandsetzung von „Einrichtungen" im Sinne der Genehmigungsvoraussetzungen. In diesem Falle wären jedenfalls Mieten für fremde Gebäude, Zinsen für Bauschulden und laufende Kosten für Reparaturen und Ergänzungen der Einrichtungen dem Grundbedarf zuzuschlagen (s. dazu Kap. 6). Letztlich ist die Frage aber ohne Belang, weil die Forderung der allgemeinen Zugänglichkeit sich nicht nur auf Elternbeiträge bezieht, die zur Deckung des Grundbedarfs erforderlich sind, sondern auf alle Elternbeiträge, die für den Schulbesuch aufzuwenden sind 67 . Jede andere Interpretation würde zu Fällen „doppelter Moral" führen, wie sie bisher dort auftreten, wo die Erhebung eines Schulgelds verboten ist, die öffentliche Finanzhilfe aber nicht ausreicht 68 und deshalb die Erhebung etwa eines Vereinsbeitrags von den Eltern zugelassen wird 6 9 . Dies ist mit dem sehr nachdrücklichen und eindeutigen Wortlaut des Urteils zur allgemeinen Zugänglichkeit nicht zu vereinbaren. Das Bundesverfassungsgericht möchte offensichtlich nicht nur ein prinzipiell gleichrangiges Nebeneinander staatlicher und freier Schulen; es möchte auch eine prinzipielle Gleichstellung, zumindest eine starke Annäherung an die Gleichstellung der Eltern beider Schularten, was ihre finanzielle Belastung betrifft - Kompensation für die Schulgeldfreiheit an staatlichen Schulen. „Der Staat muß den schulischen Pluralismus auch gegen sich selbst in der Weise garantieren, daß er auf eigenen Akten beruhende Beeinträchtigungen dieses Pluralismus durch staatliche Förderung in ihrer Weise neutralisiert". Zur Klarstellung: Die Befürchtung, daß Ersatzschulträger durch aufwendige Sonderleistungen einerseits die zu gewährende öffentliche Finanzhilfe beliebig in die Höhe treiben, andererseits die Elternbeiträge bis zur Exklusivität erhöhen könnten, geht nach den Kriterien des Bundesverfassungsgerichts ins Leere: Die öffentliche Finanzhilfe zum Grundbedarf kann die Kosten einer entsprechenden staatlichen Schule nicht überschreiten, der Elternbeitrag darf die allgemeine Zu65

Siehe die Kritik F. Müller (Anm. 26a) an der Ausklammerung der Investitionskosten, S. 305 ff. Wie hier BVerfGE 90, 127 ff. (Anm. 8), S. 306, auch Berkemann (Anm. 6a), S. 400 1. Sp. 66 Müller/Pieroth/Fohmann 67 Die bei Ersatzschulen eingehenden Spenden werden hier ausdrücklich nicht miteinbezogen. Sie können haushaltstechnisch nicht zur Finanzierung laufender Kosten veranschlagt werden. 68 § 28 Abs. 2 PSchG RP. 69 Siehe BVerwGE v. 13. 11. 1973 (Anm. 16, in: Vogel, Anm. 9).

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gänglichkeit nicht beeinträchtigen. Der Schulträger ist mithin gehalten, seine Kosten so einzurichten, daß er mit der den Grundbedarf deckenden öffentlichen Finanzhilfe und den zulässigen Elternbeiträgen auskommt. Auf die Problematik der allgemeinen Zugänglichkeit bei einer Koppelung von Schule mit einer außerschulischen Maßnahme kann hier nur aufmerksam gemacht werden. Zum einen gilt dies für Internatsschulen. Während der Staat auch den Heimbereich staatlicher Internatsschulen so hoch dotiert, daß das Pensionsgeld neben der Schulgeldfreiheit - lediglich an der oberen Grenze dessen liegt, was eine Familie für den Bedarf eines Kindes ohnehin benötigt (ca. DM 700,- monatlich), bleibt der Heimbereich freier Internatsschulen außerhalb Art. 7 Abs. 4 GG und deshalb unbezuschußt. Schul- und Pensionsgeld erreichen infolgedessen prohibitive Höhe (z. B. an Landerziehungsheimen um DM 3 000,- monatlich) 70 , auch wenn die Kosten staatlicher Unterbringung noch erheblich höher sind 71 . - Der Schulweg ist an staatlichen Schulen kostenfrei oder erfordert nur eine geringe Elternbeteiligung. Die Regelungen sind meist so strukturiert, daß lediglich die Fahrtkosten bis zur nächsten Schule desselben Bildungsganges erstattet werden. Da die Ersatzschulen in der Regel größere Einzugsbereiche haben, müssen viele Eltern einen erheblichen Teil oder sogar die gesamten Fahrtkosten selbst aufbringen 72. An konfessionellen Schulen können auf diese Weise die Fahrtkosten höher sein als das Schulgeld.

VII. Arten der Förderung Wie die Landesgesetzgeber ihrer Förderungspflicht nachkommen, liegt im Rahmen einer „weitgehenden eigenständigen Gestaltungsfreiheit". Als Möglichkeiten nennt das Bundesverfassungsgericht direkte finanzielle Förderung der Ersatzschulträger und Personal- und/oder Sachleistungen an den Ersatzschulträger. Nicht genannt, aber natürlich möglich ist eine individuelle Finanzhilfe an die Schüler (Eltern), etwa in Form eines Schulgeldersatzes73. Zwar ist die Förderungspflicht aus der Ersatzschulgarantie abgeleitet und soll die Ersatzschulen fördern; das sagt aber nicht, daß die Förderung vom Staat nur direkt an die Ersatzschulträger fließen 70

Im Bereich der freien Internatsschulen und Schülerheime bezuschussen die Kirchen die konfessionellen Einrichtungen nicht unerheblich. 71 Der Tagessatz einer öffentlichen Fürsorgeunterbringung (ohne Schule) liegt weit über DM 100,-, monatlich also über DM 3 000,-. 7 2 Z.B. § 114 SchG Ns. 73 Art. 47 SchFinG Bay. Insofern gibt es durchaus einen Ansatz für einen „Bildungsgutschein" (s. dazu Vogel, Der Bildungsgutschein - eine Alternative der Bildungsfinanzierung, in: Neue Sammlung 1972, S. 514 ff.; van Lith, Der Markt als Ordnungsprinzip des Bildungsbereichs. Habilitationsschrift Universität Köln, 1983. a. A. Eiselt (Anm. 1), S. 561, unter Berufung auf Richter, Privatschulen - Das Thema der achtziger Jahre in den Vereinigten Staaten, in: RdJB 1983, S. 220, 222 f.).

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müßte. - Die unterschiedlichen Formen der Förderung können auch kombiniert werden. 1. Die Finanzhilfe an den Ersatzschulträger In allen Ländern ist die Finanzhilfe an den Ersatzschulträger der Hauptfall, manchmal der einzige Fall der Förderung. Der Staat überträgt damit das Finanzierungsmodell gegenüber kommunalen Trägern auf Ersatzschulträger und gewinnt damit zusätzlich zur staatlichen Schulaufsicht eine nicht unerhebliche Machtposition gegenüber den Ersatzschulen 74. Diese Abhängigkeit kann in einem gewissen Umfang durch die Berechnungsweise der Finanzhilfe gemildert werden, ζ. B. in dem Maße, in dem der Staat zwar nicht auf Kontrolle über die Verwendung, aber auf Zweckbindungen der Mittel verzichtet. Da Zweckbindungen an Vorgaben aus dem staatlichen Schulbereich orientiert sind, tendieren sie stets zur Anpassung von Ausgaben der Ersatzschulen an die staatlicher Schulen. So prämiieren die Defizitdeckungsverfahren in Nordrhein-Westfalen und Saarland die Schulen, die sich am stärksten anpassen, durch die höchste Finanzhilfe. Vorzuziehen sind Verfahren, in denen ein Schülerbetrag (abgeleitet von den Kosten eines entsprechenden öffentlichen Schülers (Bremen, Hessen) oder eines definierten Gehalts (Baden-Württemberg) mit der Zahl der Schüler multipliziert wird. Eine solche Pauschalzuweisung, die zudem verwaltungstechnisch unaufwendig und für die Schulen im voraus weitgehend kalkulierbar ist, stärkt die verfassungsrechtlich gewollte Selbstbestimmung im wirtschaftlichen, dann aber auch im pädagogischen Bereich. In der Folge der Forderung nach allgemeiner Zugänglichkeit mag sich das Bedürfnis der Schulaufsicht verstärken, die Einnahmen der Ersatzschulen aus Elternzuwendungen zu kontrollieren. Hier wäre an die Vorlage der jeweils geltenden Gebührenstaffeln zu denken, gegebenenfalls auch an Höchstsätze der laufenden Gesamteinnahmen, bei deren Überschreiten die Finanzhilfe sich verringert (Modelle Berlin oder Hamburg). Dabei wird aber der Höchstsatz über den Ausgaben einer entsprechenden staatlichen Schule liegen müssen, weil an Ersatzschulen zusätzlicher Aufwand etwa für das Management des Trägers erforderlich ist 7 5 (s. ο. VI.). Soweit Länder besondere Leistungen an die Ersatzschulen für die Aufwendungen zur Versorgung der Mitarbeiter vorsehen, sollten auch diese vermeiden, durch eine Beschränkung der Zuschüsse auf die Versorgung staatsgleicher Lehrer (Ba74

Die Bedenken, daß öffentliche Finanzhilfe eine gesteigerte Abhängigkeit der Ersatzschulen bewirke, sind prinzipiell nicht unberechtigt (Thoma, Die Subventionierung der Privatschulen im Rahmen des Art. 7 des Grundgesetzes, in: JZ 1951, S. 778; Köttgen, Subventionen als Mittel der Verwaltung, in: DVB1. 1953, S. 485; v. Campenhausen, Erziehungsauftrag und staatliche Schulträgerschaft, 1967, S. 78; Vogel, in: Goldschmidt/Roeder (Hrsg.), Alternative Schulen?, 1979, S. 131 ff.). 75 Die Höchstgrenzen in Berlin (§ 8 PSchG) sind zu niedrig, weil mit 125 % der anerkannten Personalkosten lediglich die laufenden Sachkosten, nicht aber die zusätzlichen Trägerverwaltungskosten abgedeckt sind.

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den-Württemberg) oder auf bestimmte staatsähnliche Versorgungen (Niedersachsen) auf Anpassung zu drängen, und alle Versorgungsformen an alle Mitarbeiter bezuschussen. Wird eine beamtenähnliche Versorgung besonders förderungswürdig angesehen, kann eine Höchstgrenze für den Versorgungszuschuß vorgesehen werden, die sich an beamtenähnlicher Versorgung orientiert.

2. Personal- und/oder Sachleistungen Die Förderung durch Überlassung von Gebäuden ist unproblematisch. Fast jedes für Schulzwecke geeignete Gebäude läßt sich für die besonderen pädagogischen Bedürfnisse einer Ersatzschule umbauen. Das „Abstellen von Lehrern" - gemeint ist die Beurlaubung (ohne Fortzahlung der Bezüge) oder Zuweisung (unter Fortzahlung der Bezüge) beamteter Lehrer aus dem Staatsdienst zum Dienst an Ersatzschulen - ist problematischer und mit dem Zusatz „unter Rücksichtnahme auf die Eigenarten des jeweiligen Trägers" 76 zu knapp umrissen. Angesichts des Verfassungsrechts der Ersatzschulträger, ihre Lehrer frei zu wählen, bedarf es jedenfalls des Einverständnisses des Trägers mit der Beurlaubung 77. Dies ist auch aus sachlichen Gründen wichtig: Beurlaubung kann ein Vorteil für den Ersatzschulträger sein - dann nämlich, wenn Lehrer auf dem freien Markt nicht zu finden sind, und dann, wenn kein Versorgungsbeitrag während der Beurlaubungszeit vom Ersatzschulträger erhoben wird 7 8 . Im übrigen hat sie auch erhebliche Nachteile: Der Ersatzschulträger muß bei eventuellem Ausscheiden des Beamten aus dem Beamtenverhältnis damit rechnen, für die Zeit der Beurlaubung zur Nachversicherung herangezogen zu werden 79 ; der Beamte kann mit seinem Anspruch auf beamtengleiche Bedingungen das Tarifgefüge in der Ersatzschule infrage stellen; der Beamte genießt als (beurlaubter) Beamter und zugleich Angestellter der Ersatzschule doppelte arbeitsrechtliche Sicherungen, z. B. im Falle der Kündigung. Eine schlichte Austauschbarkeit von Finanzhilfe und Beurlaubung ist deshalb nicht gegeben.

3. Schulgelderstattung Im Sinne einer Offenheit des Staates für Vielfalt im Schulwesen, der allgemeinen Zugänglichkeit auch der Ersatzschulen und der Selbstbestimmung der Ersatz7

6 So auch Art. 26 Abs. 2, 28 Abs. 2 SchFinG Bay. Auf die Gefahren für die Selbstbestimmung des freien Bürgers weist Berkemann (Anm. 6a) nachdrücklich hin (S. 4001. Sp.). 77 So verfahren in der Praxis alle Länder, die Beurlaubungen von Lehrern vorsehen. 78 Ein Versorgungsbeitrag wird erhoben in Bayern (Art. 44 SchFinG). 79 Eine Verpflichtung zur Nachversicherung tritt nicht ein, wenn entweder ein Versorgungsbeitrag an das Land zu zahlen ist oder der Beamte sozial versichert wird; letzteres bewirkt einen erhöhten Aufwand. Niedersachsen erstattet die Nachversicherung (§ 150 Abs. 11 SchG). 8 F. Müller/B. Jeand'Heur

Folgerungen für die Praxis der Länder, Schulträger und Schulen

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schulen ist die Schulgelderstattung an die Schüler/Eltern die geeignetste Form der Förderung noch vor der Finanzhilfe an die Träger. Träte sie als Finanzierungsform aller Schulen an die Stelle des derzeitigen Finanzierungssystems, stellte sie die freie Schulwahl her, die der freiheitlich demokratischen Grundordnung im besonderen Maße entspräche, und führte zu einer wirklichen Ranggleichheit zwischen staatlichen und freien Schulen. Selbst aber, wenn sie nur für den Bereich der Ersatzschulen eingeführt würde, erledigte sich das Problem einer Anpassung der Ersatzschulen über die Förderung (nicht mehr der Staat, sondern die Eltern finanzieren die Schule) und stärkte Selbstbestimmung, allgemeine Zugänglichkeit und Gleichbehandlung der Ersatzschulen. Diese verfassungsrechtlich erwünschten Folgen treten allerdings noch nicht ein, wenn die Schulgelderstattung - wie in Bayern - nur einen kleinen Teil der Gesamtförderung (etwa ein Fünftel) ausmacht; sie müßte möglichst die volle Höhe der 1. Stufe erreichen. Nicht erforderlich, wenn auch wünschenswert wäre es, daß die Verwaltung den beantragenden Eltern Geld oder Gutschrift aushändigt; auch eine Verrechnung über die jeweilige Ersatzschule als Treuhänderin ihrer Eltern wäre denkbar. Wesentlich ist, daß aufgrund Landesgesetzes originär die Schüler bzw. ihre Eltern anspruchsberechtigt sind, nicht die Ersatzschulträger. Im übrigen könnten alle Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat, auch hier gelten: Die Ersatzschule darf ein über die Erstattung hinausgehendes Schulgeld erheben, soweit dies im Rahmen der allgemeinen Zugänglichkeit bleibt. Die Schulverwaltung oder der Landesrechnungshof können Notwendigkeit und Verwendung der öffentlichen Mittel an die Ersatzschule überprüfen am Maßstab der Kosten eines staatlichen Schülers 80.

4. Berechnung der Kosten eines staatlichen Schülers Die Kosten eines staatlichen Schülers erhalten nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gesteigerte Bedeutung. Auch bisher schon arbeiteten verschiedene Finanzhilfesysteme mit dem Maßstab der Kosten eines staatlichen Schülers 81. Diese Kosten werden entweder nur ausschnittsweise oder aber aufgrund von Schätzungen und Fiktionen erhoben; ihre Berechnung kann von den Schulträgern kaum nachvollzogen werden. Hochrechnungen aus dem Bereich der Verbände freier Schulen82 sind bisher deutlich höher ausgefallen als offizielle statistische Angaben 83 . Neueste wissenschaftliche Berechnungen kommen zu sehr unterschiedlichen Zahlen in den einzelnen Bundesländern, liegen jedoch ebenfalls höher als die so S. Vogel und van Lith (Anm. 68). 81 Ζ. B. Bremen, Hamburg, Hessen. 82 Hardorp/Vogel, Schulmanagement 1984, Heft 1, S. 30 f. 83 Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Grund- und Strukturdaten, Ausgabe 1986/87, S. 83.

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Johann Peter Vogel

offiziellen Angaben84. So kommt es immer wieder zu Behauptungen einzelner Schulverwaltungen, die Finanzhilfe läge bereits höher als die Kosten einer Staatsschule. Die Förderungspflicht der Länder wird sich in Zukunft sehr viel stärker an den Kosten entsprechender staatlicher Schulen orientieren müssen, da hier die Obergrenze der Förderung des Grundbedarfs liegt. Da andererseits die Forderung nach allgemeiner Zugänglichkeit die Eigenleistung der Ersatzschulträger mindern dürfte, werden Verhandlungen um eine Erhöhung der derzeitigen Finanzhilfen stattfinden müssen. Sollen diese nicht ideologisch versanden, sind zuverlässige Angaben über die Kosten des staatlichen Schülers erforderlich. Die Schulverwaltungen sind deshalb aufgerufen, nachprüfbare Berechnungen dieser Kosten zu veröffentlichen.

84 Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung, Die Schulbetriebskosten an staatlichen Gymnasien in den Bundesländern, 1987. 8*

5 Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen? Z u den bildungsökonomischen Perspektiven des Finanzhilfe-Urteils

Von Dr. Benediktus Hardorp,

Heidelberg

Übersicht I. Die schulpolitische Lage nach dem Urteil II. Ökonomische Grundaussagen des Urteils 1. Einzelfallrecht und Rechtsfortschritt 2. Wichtige Sach- und Rechtsbegriffe III. Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsgrenzen der staatlichen Förderpflicht 1. Grundfinanzierung und Zusatzfinanzierung 2. Ermittlung und Bewertung der Schulkosten IV. Der Eigenleistungsbeitrag Freier Schulen V. Alte und neue Finanzhilfeverfahren 1. Maßstabbegriffe und Verfahrensansätze 2. Das Ausgabendeckungsverfahren 3. Pauschalierte Schülerkopfsätze 4. Schulgelderstattung als Finanzhilfeansatz 5. Die Schulbauförderung als Zusatzverfahren 6. Naturalleistungselemente in der Schulbauförderung VI. Der Bildungsgutschein - ein neuer Verfahrensansatz? VII. Wo stehen wir? - Zusammenfassung und Ergebnis

I . Die schulpolitische Lage nach dem Urteil Also - es gibt sie: die lang bezweifelte, vom Hamburger Staat wie von der bayerischen Staatsregierung bestrittene oder doch zumindest noch außer Reichweite geglaubte Finanzhilfepflicht des Staates für Freie Schulen. Es gibt sie auf jeden Fall

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Benediktas Hardorp

für diese Schulen, wenn sie sich als Ersatzschulen im Rechtssinne ausweisen können. Es gibt sie - wie das Bundesverfassungsgericht in seinem hier auszuleuchtenden Finanzhilfeurteil vom 8. April 19871 festgestellt hat - als bundesverfassungsrechtliche Verpflichtung der einzelnen Bundesländer aus Art. 7 Abs. 4 Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht hat sich - anläßlich seines ersten Urteils zu dieser Rechtsmaterie - in erfreulich eindeutiger Weise zu dieser „Schutz- und Förderpflicht des Staates" gegenüber den rechtlich mit dem Ersatzschulbegriff für die Finanzhilfepflicht abgegrenzten „Freien Schulen" (Schulen in nichtstaatlicher, d. h. freier Trägerschaft) in rechtsgeschichtlich bedeutsamer Weise bekannt. Es hat sich dabei auf die Theorie der Interventionsgarantie von Müller/Pieroth/Fohmann 2 gestützt, die in diesem Sonderfall eines Grundrechtes, aus dem sich sonst nur Abwehrrechte zur Sicherung eines Freiheitsraumes ergeben, aus dem Normprogramm der Verfassungsbestimmung auch eine Leistungspflicht des Staates zugunsten des Grundrechtsträgers ableitet3. Dies geschah angesichts des mit besonderen schulischen und sozialen Vorbedingungen beschwerten Grundrechtes und im Hinblick auf die vom Grundgesetz ins Auge gefaßte Verfassung unseres gesellschaftlichen Lebens, das insgesamt Ausdruck und Schauplatz individueller menschlicher Entwicklungen sein soll. So werden zum Verständnis und als Hintergrund des Errichtungsrechtes Freier Schulen ausdrücklich die für eine solche individuelle menschliche Entwicklung entscheidenden Individualgrundrechte der Bürger unseres Staates - zum Schutz der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG), - zur Entfaltung der Persönlichkeit in Freiheit und Selbstverantwortung (Art. 2 GG), - zur Religions- und Gewissensfreiheit (Art. 4 GG), - zum natürlichen Elternrecht (Art. 6 GG wie vorher) angezogen4. Mit diesen Grundrechten hat das Grundgesetz eine pluralistisch verfaßte Gesellschaft als Verfassungsziel, zu der es sich ausdrücklich bekennt, im Auge. Als ein Instrument, eine solche freiheitliche, individualitätsfördernde Gesellschaftsverfassung herzustellen und zu sichern, erscheint dem Bundesverfassungsgericht dabei Art. 7 Abs. 4 GG, der den Initiatoren (Trägern) solcher Schulen ihren Lebensraum durch ein eigenes Grundrecht sichert 5. Das freie Schulwesen tritt da1 BVerfGE 75, 40 ff. und BVerfGE 90, 107 und 90, 128 vom 9. 3. 1994 (AZ-BvRl 682 u. 712/88 - „Wartefrist-E" und BvRl 1369/90 - „Baukosten-Ε"), teilveröffentlicht in DÖV 1994, S. 649 ff. 2 F. Müller/Pieroth/Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie, 1984; BVerfGE 75,40 (66). 3 Jeand'Heur, Methodische Analyse, freiheitsrechtliche und leistungsrechtliche Konsequenzen des Finanzhilfe-Urteils (oben S. 47 ff.). 4 BVerfGE 75, 40 (62 f.). 5 Wie Anm. (4).

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

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mit verfassungsrechtlich gleichrangig neben das staatliche Schulwesen, welch letzteres die Pluralität gesellschaftlicher Strömungen und Entwicklungsräume in diesem Lebensbereich menschlichen und gesellschaftlichen Lebens nicht allein sichern kann oder soll, sondern das der Ergänzung durch ein nichtstaatliches Schulwesen bedarf. Das Grundgesetz respektiert damit von vornherein und bedingungslos Willen und Wahlfreiheit derjenigen Bürger, die als Eltern für Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder eine nichtstaatliche Schule mit individuellem Werthintergrund und (oder) originär geprägtem pädagogischem Konzept suchen. Das Grundrecht zur Errichtung Freier Schulen nach Art. 7 Abs. 4 GG erscheint damit verfassungspolitisch (nicht rechtstechnisch) - als eine Art Umsetzungsinstrument für das vom Urteil angezogene „Grundwerte-Ensemble" 6, dessen Einzelelemente es wie in einer Art Brennspiegel versammelt und als Recht der Freien Schulen für deren Lebensraum wirksam machen soll. Das Bundesverfassungsgericht hatte im gegebenen Verfahren allerdings nur Anlaß, die Konsequenzen dieser Auffassung für den Bereich der staatlichen Finanzhilfe der Länder für Freie Schulen zu zeigen. Man sollte jedoch nicht übersehen, daß das damit angesprochene Verfassungsziel auch in anderen Bereichen des freien Schulwesens - ζ. B. für die besonderen pädagogischen Konzepte und Methoden dieser Schulen bis hin zum Recht der Schulabschlüsse - Konsequenzen haben sollte und hoffentlich haben wird. Denn wie die staatliche Schutz- und Förderpflicht auf dem Gebiete der Finanzhilfe die Erreichbarkeit solcher Schulen für alle Bürger, die sie suchen, sichert, so bedarf deren dauerhafte Fruchtbarkeit im Sinne des Verfassungszieles eines unangetasteten Autonomieraumes für die Entwicklung solcher pädagogischen Konzepte und Methoden. Dieser darf nicht durch gedankenloses Übertragen und schematisches Für-Selbstverständlich-Halten staatlicher Lehrziele und Schulformen in und für den Bereich der Freien Schulen in seiner Innovationskraft für das gesamte Schulwesen beengt und beeinträchtigt werden 7. Wenn der Blick in den folgenden Erörterungen nur auf die Finanzhilfefolgen des genannten Urteils eingeschränkt wird, so muß dies doch auf dem Hintergrund des damit ausdrücklich angesprochenen Gesamtzusammenhanges geschehen. Denn nur so lassen sich letztlich auch die wesentlichen Perspektiven sinnvoller Finanzhilfeverfahren entwickeln, deren Sinn es ja nicht sein kann, in der verfahrensmäßigen Umsetzung des Rechtes dieses selbst, wenn auch nur teilweise, wieder in Frage zu stellen. Doch genau mit dieser Konsequenz müssen wir uns im folgenden immer wieder auseinandersetzen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts trifft auf eine gewachsene Lebenswelt und darin auf eine Verwaltung, die in weiten Teilen dazu neigt, im Hinblick auf das Urteil zu sagen: es ist gar nichts geschehen; wir machen weiter wie bisher. - Es ist nur natürlich, daß das Urteil, wenn und soweit es Neues meint, im gewachsenen Lebensfeld Abwehr gegen dieses Neue aktiviert. Die un6

Vgl. Jeand'Heur wie Anm. (3) und (4). 7 BVerfGE 75,40 (62).

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mittelbar nach dem Urteil verbreiteten Meldungen mancher Schulverwaltungen, daß das eigene Land von dem Urteil nicht betroffen sei, daß man ihm hier vielmehr schon immer entsprochen habe, können so verstanden werden 8. Die andere (gleichzeitige) Ankündigung des Kultusministeriums Baden-Württemberg ζ. B., daß das Urteil Anlaß zu einer grundsätzlichen Überprüfung des Privatschulrechtes geben wird 9 , sollte ebenso vorsichtig gewürdigt werden und nicht zu der ausschließlichen Erwartung verleiten, daß man die Lebensforderungen Freier Schulen nun vermehrt beachten und sie im höheren Maße fördern möchte. Hinter solchen Äußerungen kann (und wird) auch die Intention stecken, die Förderung des inzwischen durch die demographische Entwicklung eher lästig gewordenen freien Schulwesens - im Verhältnis zum „eigenen" staatlichen Schulwesen - im Interesse des letzteren zu vermindern und womöglich zu prüfen, ob man nicht im Bereich der Förderung Freier Schulen „schon viel zu viel" getan hat 10 . Man muß im gleichen Sinne auch mit der Tendenz rechnen, den Ersatzschulbegriff - soweit möglich - zu verengen, weil man in Zukunft Finanzhilfeansprüche, die man bisher mit dem Institut der anerkannten Ersatzschule (im Gegensatz zur „nur" genehmigten) regulieren konnte, nun auf diesem Wege (weiterhin) begrenzen kann. Der Versuch, Freie Schulen künftig wieder im „anspruchs-losen" Bereich der Ergänzungsschulen zurückzuhalten oder sie in diesen zurückzudrängen, darf daher nicht überraschen. Und naiv wäre es, wollte man mit der Intention rechnen, den Spruch des Bundesverfassungsgerichts dafür zu nutzen, als längst überholt angesehene Verwaltungs- und Auffassungshindernisse zu beseitigen und in der Entwicklung des Schulwesens damit einen Schritt in Richtung auf das angesprochene Verfassungsziel hin zu machen. Aber wenden wir uns zunächst den ökonomischen Grundaussagen des Urteils und den Einzelheiten der finanzhilferechtlichen Verfahren zu.

II. Ökonomische Grundaussagen des Urteils 1. Einzelfallrecht

und Rechtsfortschritt

Die ökonomische Grundaussage des Urteils über das Bestehen einer bundesverfassungsrechtlichen Finanzhilfepflicht ergibt sich aus den Erörterungen des Gerichts über die - unter den heutigen gesellschaftlichen Bedingungen - einander zuwiderlaufenden Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG: 8

Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 9. 4. 1987 („Keine Konsequenzen aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes"). 9 Vgl. Plenardebatte 9/73 vom 3. 6. 1987 des Landtags von Baden-Württemberg, S. 5960 bis 5970. 10 Wie Anm. (9). Der Tendenz nach ist dies auch nach den beiden Entscheidungen v. 9. 3. 1994 zu befürchten.

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

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- dem Gleichwertigkeitsgebot für Lehrziele und Einrichtungen Freier Schulen sowie für die wissenschaftliche Ausbildung ihrer Lehrkräfte (Ausgabenverpflichtung hinsichtlich der Einrichtungen), - dem Verbot, die Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern zu fördern (Einnahmebegrenzung), - der wirtschaftlichen Sicherung ihrer Lehrkräfte (Ausgabenverpflichtung). Bei den heutigen, sozialstaatlich bedingten hohen Kosten des Schulwesens allgemein11 ist es danach für das Bundesverfassungsgericht ein „empirisch gesicherter Befund" 12 , daß sich die Freien Schulen, die diese Genehmigungsvoraussetzungen - und zwar uneingeschränkt und auf Dauer - gleichzeitig erfüllen sollen, nicht mehr selbst finanzieren können 13 . Sie bedürfen insoweit der staatlichen Hilfe, wenn das Grundrecht nicht ins Leere laufen soll. Die damit grundsätzlich konstituierte Finanzhilfepflicht zu Gunsten dieser Freien Schulen wird demgemäß in ihren eigenen sachlichen Voraussetzungen und Einzelheiten, in ihrem Verhältnis zur Finanzierung der staatlichen Schulen (und deren Prägewirkung für die Freien Schulen) und im Abwägen dieser Pflicht zu anderen Verpflichtungen des Staates (aus anderen Aufgabenfeldern) und zur gesellschaftlichen Entwicklung im Ganzen (Möglichkeitsvorbehalt) 14 erörtert und zu all diesem im einzelnen ins Verhältnis gesetzt. Zur richtigen Wertung der Einzelaussagen des Urteiles ist es zweckmäßig, zwei verschiedene Aussagelinien in ihm zu unterscheiden - auch wenn sie sich an einzelnen Punkten nicht immer scharf trennen lassen. Man kann diese beiden Aussagelinien als die "Einzelfall-Linie " und die "Grundsatz- Linie " kennzeichnen. Die erstere entsteht dadurch, daß der aus dem Ausgangsverfahren am Hamburger Privatschulgesetz zu entscheidende Fall nicht isoliert für sich dasteht, sondern in einem gesellschaftlichen Beziehungsfeld steht. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist nicht nur für den Klagefall des Ausgangs Verfahrens bedeutsam; es hat darüber hinaus auch für die anderen Schulen in freier Trägerschaft im Staat Hamburg und - mittelbar - in den anderen Bundesländern Folgewirkungen erzeugt und bindet alle Landesgesetzgeber dadurch, daß es deren Gesetzgebungsspielraum aufzeigt. Aus diesem Grunde waren die Verbände der mitbetroffenen Schulen in freier Trägerschaft und die Bundesländer als Verfahrensbeteiligte zugezogen und hatten sich im Vorfeld des Verfahrens aus ihrer Sicht zur Sache geäußert. Manche Aussage des Urteils muß man im Zusammenhang mit dem Vorbringen der verfah-

11

Hardorp, Die Kostenrechnung Freier Schulen und ihre gesellschaftliche Bedeutung, RdJB 1983, S. 208 ff. - Sowie: Stellungnahme des Bundes der Freien Waldorfschulen - wie Anm. (15) S. 82 ff. - und die dort zitierten Untersuchungen des Deutschen Instituts für internationale pädagogische Forschung (DIPF). 12 BVerfGE 75, 40 (67). 13 BVerfGE 75, 40 (63, 67). 14 BVerfGE 75, 40 (68) sowie 33, 303 (333).

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rensbeteiligten Verbände und Bundesländer sehen und werten 15 . Die so zu verstehenden Urteilsaussagen beleuchten die Urteilsmaterie von allen Seiten und machen sie farbig; sie enthalten aber nicht unbedingt die tragenden Entscheidungsgründe und die neuen Töne des verfassungsrechtlichen Rechtsverständnisses, die in der anderen Linie zum Ausdruck kommen. Diese zweite Linie des Urteils, die im folgenden als „Grundsatz-Linie" bezeichnet werden soll, ist aus dem Verfassungstext selbst - bzw. dem daraus entwickelten Normprogramm - entnommen, wird als rechtlich bindender Aufhellungsquell mit den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Realitäten der Gegenwart konfrontiert, um auf diese Weise den bisher nicht zureichend ausgeleuchteten Sinn der Verfassungsbestimmungen aufzudecken. Diese grundsätzliche Aussagelinie zeigt den verfassungsrechtlich bedeutsamen Schritt auf, der mit dem Urteil getan wurde. Wenden wir uns aber zunächst der erstgenannten Einzelfall- oder Umfeldlinie zu und greifen wir deren für die ökonomische Deutung wichtigsten Punkte heraus. Der Senat der Hansestadt Hamburg und die bayerische Staatsregierung - andere Länder hatten sich in dem Verfahren trotz Aufforderung nicht geäußert - hatten das Bestehen einer Finanzhilfeverpflichtung des Staates überhaupt bezweifelt 16 ; sie trugen vor, diese ergäbe sich auch nicht aus dem verfassungsrechtlichen Sozialstaatsverständnis. Das Bundesverfassungsgericht stellt demgegenüber jedoch unmißverständlich fest, daß es unter den heutigen Bedingungen eine „sozialstaatliche Einstandspflicht" 17 gibt und daß die Verfassung den Ländern die Pflicht auferlege, das private Ersatzschulwesen neben dem öffentlichen Schulwesen zu fördern und in seinem Bestand zu schützen. Dies beinhaltet auch, daß der Staat die Verwirklichung seiner bildungs- und sozialpolitischen Ziele nicht auf Kosten der Lebensfähigkeit des privaten Ersatzschulwesens realisieren darf 18 . Denn zur Umsetzung der Verfassungsziele soll es ein lebensfähiges Privatschulwesen geben. - Damit wurde zugleich die weitere Frage der bayerischen Staatsregierung beantwortet, die eine schlüssige Beweisführung dafür suchte, warum durch erheblichen öffentlichen Mitteleinsatz das Privatschulwesen mit dem öffentlichen Schulwesen - gleichsam künstlich - konkurrenzfähig gehalten werden soll 19 . Ohne diese Frage wäre die Antwort vielleicht nicht so deutlich ausgefallen. Die grundsätzliche Möglichkeit, bei der Bemessung der staatlichen Finanzhilfe von den Schülerkopfsätzen vergleichbarer öffentlicher Schulen auszugehen (also nicht die eigenen Kosten der privaten Ersatzschule ausschließlich zugrunde zu legen - wie das Bundesverwaltungsgericht dies für möglich gehaltén hatte), hat das 15

Die vollständigen Texte, Stellungnahmen und Schriftsätze des Verfahrens wurden herausgegeben von Pieroth/Schuppert, Die staatliche Privatschulfinanzierung vor dem Bundesverfassungsgericht. Dokumentation, Baden-Baden 1988. 16 BVerfGE 75, 40 (47, 49). π BVerfGE 75, 40 (62). is BVerfGE 75, 40 (69). 19 BVerfGE 75,40 (49).

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

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Bundesverfassungsgericht bejaht 20 . Die in dieser Lösung vom Einzelfall liegende weitere Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, daß es sich bei der Privatschulförderung nur um eine nicht die Einzelschule sichernde, sondern um eine allgemeine, das Privatschulwesen im Ganzen betreffende institutionelle Gewährleistung handele, die keineswegs sicherstellen müsse, daß die Finanzhilfe auch tatsächlich für die einzelne genehmigte Ersatzschule zur Existenzsicherung ausreiche, hat das Bundesverfassungsgericht klar beantwortet: wenn die Voraussetzungen der Hilfsbedürftigkeit erfüllt sind, müssen alle Ersatzschulen bei der Förderung berücksichtigt werden 21 ; das Grundrecht der Errichtungsfreiheit soll „nicht zu einem wertlosen Individualgrundrecht auf Gründung existenzunfähiger Ersatzschulen und zu einer nutzlosen institutionellen Garantie verkümmern" 22. Die Arbeitsgemeinschaft freier Schulen hatte, was sich aus dem Ausgangs verfahren selbst nicht als Frage ergeben hatte, auch auf das Erfordernis der Berücksichtigung von Investitionskosten bei der Ermittlung der tatsächlichen Schulkosten Freier Schulen hingewiesen23. Auf diese, im Ausgangsfall nicht entscheidungserhebliche Frage geht das Gericht jedoch nicht direkt, sondern nur in referierender Wiederholung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein; letzteres hatte die „Anfangsfinanzierung und die Investitionskosten" zu den angemessenen Eigenleistungen des Trägers einer Freien Schule gerechnet 24. Die hier liegende Problematik bedarf - wie weiter unten gezeigt werden soll - sowohl unter der wiederholt betonten Prämisse der sozialen „Erreichbarkeit" der Freien Schulen als auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeitsforderung im Investitionsbereich dieser Schulen (die „Einrichtungen") der ergänzenden Prüfung 25. Dies gilt um so mehr, als das Gericht von der Höhe der monatlichen Schulbetriebskosten der Schulen je Schüler („mehrere hundert Mark ... ungeachtet jeglicher Investitionsausgaben") deutlich beeindruckt ist und auch darauf hinweist, daß die Angaben über die „Kosten je Schüler" bei staatlichen Schulen „wiederum ohne die Investitionsausgaben und die Kosten der allgemeinen Schulverwaltung erfolgt seien" 26 . Vom Bund der Freien Waldorfschulen war insbesondere auf die tatsächliche Kostenlage im Vergleich der Kosten pro Schüler an staatlichen Schulen und an den Hamburger Rudolf-Steiner-Schulen hingewiesen worden. Dies machte die im letzten Jahrzehnt enorm gestiegenen Kosten des Schulwesens deutlich und zeigte zugleich, daß es den Rudolf-Steiner-Schulen trotzdem gelungen war, mit ihren lau20 21 22 23 24

BVerfGE 75,40 (68). BVerfGE 75,40 (71). BVerfGE 75,40 (65). Vgl. Pieroth/Schuppert,

Anm. 15, S. 59 f.

BVerfGE 75, 40 (68). Das Bundesverwaltungsgericht selbst benützt den Ausdruck „Errichtungskosten". 25 Dies ist mit dem BVerfGE v. 9. 3. 1994 („Baukosten-Ε") im Sinne der hier geltend gemachten Gesichtspunkte geschehen. Vgl. auch DÖV 1994, S. 651 f. 26 BVerfGE 75,40 (64 f.).

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fenden Schulbetriebskosten noch deutlich unterhalb derer der staatlichen Schulen zu bleiben. Da die Finanzhilfeberechnung nur von pauschal ermittelten (faktisch zu niedrigen) Schülerkopfsätzen ausgegangen war, betrug der Prozentsatz der tatsächlichen Finanzhilfe für die Rudolf-Steiner-Schulen deutlich weniger als 77 % der tatsächlichen Schülerkopfsätze im staatlichen Schulwesen - gleichgültig, ob man dabei die Schulart Gymnasium oder die der Gesamtschule heranzieht. Die zwischen den tatsächlichen Schulbetriebskosten der Rudolf- Steiner-Schulen und der staatlichen Finanzhilfe immer größer werdende Lücke kann bei den RudolfSteiner-Schulen, weil andere Einnahmequellen fehlen, nur durch Elternleistungen ausgeglichen werden. Insoweit stellt sich bei den Rudolf- Steiner-Schulen die verfassungsmäßige Grundfrage der Zumutbarkeit der Elternbeiträge auf dem Hintergrund des verfassungsmäßigen Sonderungsverbotes besonders deutlich 27 . - Die Schulen hatten - neben der Erörterung solcher Zumutbarkeitsgrenzen - auch ihr Verfahren des schulinternen sozialen Ausgleiches („Heranziehung besser verdienender Eltern") geschildert. Dies hat im Urteil offensichtlich seinen Niederschlag darin gefunden, daß das Gericht es als „empirisch gesicherten Befund" angesehen hat, daß Freie Schulen kostendeckend nicht mehr durch Schulgelder (Elternleistungen) finanziert werden können, da dann „nur noch finanziell besser ausgestattete Bevölkerungskreise in der Lage oder auch nur bereit (seien), derartige Summen aufzubringen" 28. Die Freien Schulen sollen „grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre persönlichen finanziellen Verhältnisse" offenstehen und „von allen Eltern und Schülern gleichberechtigt in Anspruch genommen werden" können. Der Gefahr eines Verstoßes gegen das Sonderungsverbot - führt das Gericht weiter aus - kann auch nicht dadurch ausreichend begegnet werden, daß „die Schulträger nur in Ausnahmefällen für besonders begabte oder besonders arme Kinder Schulstipendien gewähren", weil dies eben voraussetzt, daß derartiges „wiederum nur zu Lasten anderer Schüler" finanziert werden kann 29 . Dieses Verfahren funktioniert eben nur, wenn es der Schule gelingt, ausreichend Eltern aus überdurchschnittlichen Einkommens- oder Besitzverhältnissen an sich zu ziehen: und dies wiederum verstößt bereits gegen das Sonderungsverbot, weil es die Sonderung „fördert". - Der Bund der Freien Waldorfschulen hatte darüber hinaus auf die aus seiner Pädagogik folgenden schulorganisatorischen und sozialen Besonderheiten (ζ. B. in der Lehrerbesoldung) hingewiesen und die Berücksichtigung dieser Besonderheiten bei den notwendigen Finanzhilfeverfahren gefordert. Das Gericht hat dies aufgegriffen und zum Ausdruck gebracht, daß die Freien Schulen das Recht hätten, „sich ihrer Eigenart entsprechend zu verwirklichen!" und daß die den Ländern zugestandene große Gestaltbarkeit der Finanzhilfeverfahren doch immer unter der Bedingung der „Rücksichtnahme auf die Eigenart des jeweiligen Trägers" stehe30. 27 28 29 30

Pieroth/Schuppert, Anm. 15, S. 95 ff. BVerfGE 75, 40 (67, 65). BVerfGE 75, 40 (63). Wie Anm. (28).

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

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Die Forderung des Verbandes der römisch-katholischen Kirchengemeinden der Freien und Hansestadt Hamburg auf besondere, „gesteigerte" Subventionsansprüche hat das Gericht damit beantwortet, daß insoweit dem Landesgesetzgeber „jenseits der Gewährleistung des Existenzminimums der Ersatzschulen eine weite Gestaltungsfreiheit" zustünde, „wie und in welchem Umfang eine Leistung gewährt werden soll" 31 . Die „besondere Ergänzungsfunktion" einzelner Ersatzschulen kann geeignet sein, als Anknüpfungspunkt für eine zusätzliche Finanzierung solcher Schulen zu dienen, „soweit sie über die religiösen und weltanschaulichen Positionen hinaus tatsächliche Verschiedenheiten" aufweisen, die eine Bevorzugung zulassen32. In dem über die verpflichtende Grundfinanzierung hinausgehenden Bereich der gestaltbaren Zusatzfinanzierung sind sachlich begründbare Differenzierungen wegen der „besonderen Stellung und Bedeutung der Religionsgesellschaften" als auch - beispielsweise bei den Waldorfschulen - „wegen deren besonderen pädagogischen Konzeptes denkbar" 33. Reine Fortschreibungen bestehender Handhabungen, ohne sachliche Rechtfertigungsgründe, genügen dagegen nicht.

in

Die Nordelbische evangelisch-lutherische Kirche als Trägerverband für die Wichern-Schule des Rauhen Hauses in Hamburg hatte auf die „besondere pädagogische Prägung der kirchlichen Schulen" hingewiesen, deren Ziel es sei, „dem Kind bei der Persönlichkeitsbildung im Sinne eines biblisch geprägten Menschenbildes zu helfen", und darüber hinaus betont, daß die Wichern-Schule ihre Verantwortung für solche Jugendliche unterstriche, „die einer besonderen pädagogischen Förderung bedürften" 34. Die besondere pädagogische Prägung wird hier interessanterweise einmal aus dem kirchlichen Herkommen, zum anderen aus dem sozialen Umfeld der Schule, d. h. aus der besonderen Förderung von Jugendlichen aus erzieherisch schwierigen Verhältnissen, hergeleitet. Der bereits angeführte Hinweis des Gerichtes, daß sich als Rechtfertigung einer besonderen staatlichen Finanzhilfe nur Schulleistungen eignen würden, die „über die religiösen und weltanschaulichen Positionen hinaus" Relevantes bieten, läßt sich wohl auf das letztere, aber kaum auf das erste - das kirchliche Herkommen - beziehen. Die weiter vorgebrachte Position, daß als Rechtsgrund für eine Finanzhilfe nicht die „Aufwendungsersparnisse im Bereich der öffentlichen Schulen"35 in Betracht kommen, hat das Gericht mit dem wichtigen Hinweis zustimmend beantwortet, daß sich die Verpflichtung zur staatlichen Finanzhilfe - „jedenfalls nicht vorrangig" - aus dem Gedanken des Aufwendungsersatzes für die Wahrnehmung staatlicher Aufgaben ergäbe, sondern aus der „eigenverantwortlichen Miterfüllung der durch Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG gerade auch der Privatinitiative überlassenen allgemeinen (öffentlichen) Bildungsaufgaben" 36. Auch dies stellt eine wichtige Klärung dar, weil die staatli31 32 33 34 35

BVerfGE 75, 40 (71); Pieroth/Schuppert, BVerfGE 75,40 (75). Wie Anm. (31). BVerfGE 75,40 (54). Wie Anm. 15, S. 143.

Anm. (15), S. 142.

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che Finanzhilfe immer wieder davon abhängig gemacht werden soll (oder wird), daß die Freien Schulen das staatliche Schulwesen entlasten. Schließen wir damit die Erörterung der Einzelfall-Linie des Urteils ab und wenden uns der Grundsatz-Linie zu, so liegen deren wesentlichen Positionen und Klarstellungen wohl in folgenden: - mit der Formulierung der Errichtungsfreiheit Freier Schulen in Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG ist die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland deutlich über den Stand der Weimarer Reichsverfassung hinausgegangen; - Inhalt dieses Grundrechtes ist mehr als nur die Sicherstellung der Gründungsfreiheit und die der institutionellen Garantie; aus ihr folgt unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnissen vielmehr die staatliche Schutz- und Förderpflicht der Bundesländer; die dazu erforderliche Hilfsbedürftigkeit der freien Ersatzschulen ist heute ein „empirisch gesicherter Befund"; - das aus Art. 7 Abs. 4 GG entwickelte Normprogramm erfordert staatliches Handeln, um die Zugänglichkeit der Freien Schulen für alle Bürger „ohne Rücksicht auf ihre persönlichen finanziellen Verhältnisse" sicherzustellen; - es soll ein freies eigenverantwortliches Ersatzschulwesen dieser Verfassungsziele wegen geben; die Freien Schulen erfüllen insoweit eine öffentliche, dem staatlichen Schulwesen gleichrangige Aufgabe 37. Das Gericht formuliert damit zugleich hohe Erwartungen hinsichtlich der Erfüllung dieser Aufgaben durch die Schulen in freier Trägerschaft und verpflichtet diese, sich den damit gesetzten Maßstäben zu stellen. Es setzt neue Akzente in der Auslegung der Verfassung und in der Handhabung und Gestaltung des Rechtes der Freien Schulen durch die Länder. Es macht das Recht zur Errichtung Freier Schulen nicht zu einer Provinz zugelassener Eigenbrödeleien, sondern stellt für diesen Rechtsraum den Sinnzusammenhang mit dem her, was den Geist unserer Verfassung - wie er sich in deren Freiheitsrechten ausdrückt - letztlich ausmacht. Die Zulassung eines freien Schulwesens durch die Verfassung ist unmittelbarer Ausdruck dieses Geistes und unlösbar mit ihm verbunden. Ein Grundgesetz, das diese Errichtungsfreiheit nicht mehr enthielte, wäre, nachdem es einmal in ihm ausdrücklich formuliert war, ein ganz anderes, von einem anderen Geist geprägtes, das wir uns nicht wünschen können. Unsere Aufmerksamkeit muß vielmehr die durchgreifende Befestigung des einmal erreichten Standes sichern und dessen noch nicht voll zur Erscheinung gekommenen, potentiellen Entwicklungsperspektiven ins Auge fassen, die der immer deutlicheren Wahrung der Individualgrundrechte unserer Bürger dienen wollen. Der Grundsatz der sozialen und finanziellen Zugänglichkeit Freier Schulen für alle Bürger stellt dabei den Ausgangspunkt für solche Entwicklungen dar 38 . 36 BVerfGE 75,40 (66). 7BVerfGE 75,40 ( 8 ff.).

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2. Wichtige Sach- und Rechtsbegriffe Bevor wir im nachfolgenden Kapitel versuchen wollen, die Finanzhilfekonsequenzen des Urteils in ihrem strukturellen Zusammenhang herauszuarbeiten und damit operationabel zu machen, sollen zunächst noch einige wichtige Sach- und Rechtsbegriffe des Urteils erläutert und bedacht werden, die wir im folgenden benötigen und daher in ihrem Sach- und Begriffsumfeld verstehen müssen39. Es gilt dabei, sie immer wieder von einem nicht sachgerechten Vorverständnis abzugrenzen, das sich aus einem anderweitigen Gebrauch der vom Urteil benützten Ausdrücke und durch deren Sprachklang und Wortbild leicht in den Verstehenszusammenhang hereinschwingt, aber so sachfremde Untertöne erzeugt. Wir beschränken uns dabei auf solche Begriffe, die einen unmittelbaren Bezug zu ökonomischen Wertungen und Folgen haben. Ihre Reihenfolge bestimmt sich nach dem fortlaufenden Urteilstext. Als erstes wäre der Begriff der sozialstaatlichen Einstandspflicht ins Auge zu fassen. Er wird als entscheidender Begriff in die Erörterung der Finanzhilfepflicht eingefühlt, nachdem zuvor gesagt wurde, daß man die Bedeutung des Art. 7 Abs. 4 GG noch nicht vollständig erfaßt habe, wenn man in ihm nur die Anerkennung der Gründungsfreiheit und der institutionellen Garantie der Freien Schulen erkennen würde 40 . Diese beiden Begriffe umschreiben zunächst den freiheitsrechtlichen Inhalt von Art. 7 Abs. 4 GG. Durch das Zusammensehen dieses Gewährleistungsinhaltes mit den besonderen Genehmigungsvoraussetzungen der Sätze 2 bis 4 dieser Bestimmung wird deutlich, daß das Freiheitsrecht durch die Pflicht der Länder zu Förderung und Schutz des freien Ersatzschulwesens ergänzt werden muß. Gründungsfreiheit, institutionelle Garantie und sozialstaatliche Einstandspflicht: das ist erst der vollständige Inhalt des mit Art. 7 Abs. 4 GG Gemeinten. Es ist begrifflich damit genau der Punkt bezeichnet, der von Müller/Pieroth/Fohmann 41 mit dem Begriff der „Interventionsgarantie" beschrieben wurde. Sein Bedeutungsinhalt wird in den weiteren Urteilsausführungen durch den ausdrücklich angesprochenen „sozialstaatlichen Gehalt des Art. 7 Abs. 4 GG" erläutert, wenn von der Verpflichtung der Schulen zur wirtschaftlichen Sicherung ihrer Lehrkräfte unter Einbezug der „allgemeinen Verbesserung der Lebensverhältnisse" und deren Kostenfolgen die Rede ist. Gerade aus diesem „hohen Kostenniveau" ergibt sich die fragliche Einstandspflicht 42. Diese soll und muß den für die Existenzsicherung auf Dauer erforderlichen Grundbedarf sicherstellen, der für zusätzliche Schulleistungen oder besonders begünstigte Erfüllungsformen der GenehmigungsVoraussetzungen (ζ. B. 38 In der Baukosten-Ε spricht das BVerfG von der „weitreichenden Bedeutung" solcher Entwicklungen „besonders im Hinblick auf den Beitritt der" DDR zur BRD, vgl. Anm. (25) oder Abschnitt Β der Entscheidung. 39 Vgl. zum folgenden auch die Beiträge von Jeand'Heur und Vogel in diesem Band. 40 BVerfGE 75,40 (63 ff.).

41 Wie Anm. (2). 42 BVerfGE 75,40 (65).

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Sonderzuschlag für beamtete Lehrkräfte, weil „deren rechtliche und wirtschaftliche Sicherung im besonderen Maße den Vorgaben des Art. 7 Abs. 4 GG" entsprechen soll) 43 noch ergänzt werden darf. Die sozialstaatlichen Komponenten von Art. 7 Abs. 4 GG strahlen also u. U. noch oberhalb der durch die sozialstaatliche Einstandspflicht beschriebenen Finanzierungsgrenze aus; dies gilt offenbar auch dann, wenn es - wie beim Zuschlag für die Beamtensicherung - gar nicht zu zusätzlichen Leistungen für die Schüler führt, in deren Interesse letztlich - wie das Urteil ausdrücklich vermerkt 44 - die rechtliche und wirtschaftliche Sicherung der Lehrer in Kauf genommen wird. Die Frage, ob das Gericht in seinem Urteil die Berücksichtigung der Investitionskosten Freier Schulen bei der Finanzhilfepflicht der Länder ausdrücklich angesprochen, gemeint oder gar gefordert habe, läßt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, sondern wohl nur aus dem Sinnzusammenhang des Ganzen erfassen 45. Die Problematik der Investitionskosten wird aber an (wenigstens) sieben Urteilsstellen angesprochen: - Zum erstenmal wird sie deutlich, wenn im Zusammenhang mit der Entwicklung der sozialstaatlichen Einstandspflicht von der „besonderen Ausgestaltung" der Gewährleistungsbedingungen „in den Sätzen 2 bis 4" (von Art. 7 Abs. 4 GG) gesprochen wird; zu diesen Genehmigungsvoraussetzungen gehört ja das „Nicht-Zurückstehen" der Freien Schulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen; die Schaffung solcher Einrichtungen - die Investition - ist also „normrelevant", von der Verfassungsvorschrift selbst gefordert 46; - zum zweiten werden die „Investitionsausgaben" angesprochen, wenn das Gericht darauf hinweist, daß in den Schulbetriebskosten „in der Größenordnung von mehreren hundert Mark monatlich pro Kind" diese Investitionsausgaben „noch nicht" enthalten seien 47 ; - dies wird zum dritten wiederholt beim Hinweis auf die amtlichen Veröffentlichungen der Schulkosten durch den Bundesminister für Bildung und Wissenschaft („wiederum ohne die Investitionsausgaben")48; - im Zusammenhang mit der „Verschärfung der Gleichwertigkeitsanforderungen" wird auf die „Hebung des Standards schulischer Einrichtungen" (wesentlicher Fall: Schulgebäude) - und damit auf die dafür unvermeidbaren Investitionen hingewiesen und die Verpflichtung des Staates angesprochen, diesen Umstand bei der Finanzhilfebemessung zu berücksichtigen 49; « BVerfGE 75,40 (71). 44 BVerfGE 75,40 (65 ff.). 45

Inzwischen positiv klargestellt durch Baukosten-Ε, Anm. (25). 46 BVerfGE 75, 40 (62).

47 BVerfGE 75, 40 (64). 48 BVerfGE 75,40 (65). 49 BVerfGE 75,40 (66).

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- wenn von der Gestaltungsfreiheit bei der Weise der Erfüllung der staatlichen Förderungspflicht die Rede ist, wird das Beispiel der „Überlassung von Schulgebäuden und anderen Einrichtungen" - als eine Möglichkeit der Erfüllung dieser Pflicht - gegeben50; - bei der Erörterung des „Umfangs der Förderung" wird herausgestellt, daß zum Finanzierungspflichtbereich des Staates gehöre, den Ersatzschulen die Erfüllung der Genehmigungsanforderungen „auf Dauer" (mit ausdrücklichem Hinweis auf Satz 3 der Vorschrift, d. h. auf die Einrichtungen) zu ermöglichen 51; die Mitfinanzierung der Investitionskosten schulischer Einrichtungen, ohne deren ausreichendes Vorhandensein die Genehmigung zu versagen wäre, ist aber sicherlich eine Maßnahme, die die Erfüllung und Einhaltung dieser Genehmigungsvoraussetzungen eindeutig fördert; - diese Hinweisreihe wird schließlich nur abgerundet durch den referierenden Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach dessen Auffassung die Investitionskosten zu den angemessenen Eigenleistungen des Trägers gehören (können)52. Bei der Erörterung des Einbezugs oder Nichteinbezugs der Investitionskosten in die staatliche Finanzhilfepflicht wird allerdings zumeist nur auf die zuletzt angeführte Urteilsquelle Bezug genommen53. Deutlich ist aber: die schulischen Einrichtungen und deren Finanzierung gehören zum verfassungsrelevanten Bereich der Genehmigungsvoraussetzungen, ohne deren Erfüllung es keine Errichtungsfreiheit gibt. Zur Sicherung dieser Errichtungsfreiheit ist aber gerade die staatliche Finanzhilfe aus sozialstaatlicher Einstandspflicht geboten. Insoweit sind die Finanzierungsfolgen der schulischen Investition auf jeden Fall bei den Bemessungsüberlegungen für den Finanzhilfeumfang einzubeziehen54 - auch wenn sich herausstellen sollte, daß die geforderte angemessene Eigenleistung des Trägers das Ausmaß der Investitions- und Investitionsfolgekosten ganz abdeckt. Denn es kann ja in keinem Falle richtig sein, daß die Erreichbarkeit der Freien Schulen durch den Zwang zur Erhebung unverhältnismäßig hoher Schulgelder zur Abdeckung der Investitionskosten und deren Finanzierung geschmälert wird. Dies würde am Ende ja bedeuten, daß die Erfüllung des Gleichwertigkeitsgebotes durch die Schaffung der notwendigen Schuleinrichtungen nur bei Verletzung einer anderen Genehmigungsvoraussetzung (Sonderungsverbot) erreicht werden könnte. Letzteres aber wäre widersinnig und kann daher nicht gemeint sein. 50 BVerfGE 75, 40 (67). 51 BVerfGE 75, 40 (68). 52 Wie Anm. (48). 53 Vgl. Plenardebatte des baden-württembergischen Landtags (Protokoll 9/73 vom 3. 6. 1987, S. 5963) unter Hinweis auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts anläßlich der Novellierung des Gesetzes über Schulen in freier Trägerschaft. 54 Darauf weist auch Berkemann in einer Urteilsbesprechung hin; vgl. RdJB 1987, S. 387 (399). 9 F. Müller/B. Jeand'Heur

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Als nächstes bedarf die "Gestaltungsfreiheit" der Bundesländer (Entscheidungsfreiheit für die Weise der Erfüllung) bei der Ausgestaltung der Finanzhilfe der Erörterung. Auch dies wird in der politischen Erörterung gelegentlich im Sinne eines „beliebigen Ermessens" des Landesgesetzgebers verstanden. In Wahrheit erläutert das Gericht nur die Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern. Verfassungsrechtlich muß dabei zunächst die Finanzhilfe zur Sicherung der Genehmigungsvoraussetzungen (Grundfinanzierung) von der jenseits dieser Grenze liegenden (zulässigen) Zusatzfinanzierung unterschieden werden. Bis zur Grenze der Finanzierungspflicht (Sicherung der Genehmigungsvoraussetzungen) hat der Landesgesetzgeber die Freiheit zu entscheiden, in welcher Weise er seiner Pflicht nachkommt: ob durch finanzielle (Geld-)Leistungen oder „durch ein System von Personal- und/oder Sachleistungen". Er kann also, wenn die Eigenart des jeweiligen Trägers, auf die er Rücksicht zu nehmen hat, dies gestattet, seine (unbedingte) Förderpflicht beispielsweise durch das „Abstellen von Lehrern" oder „durch Überlassung von Schulgebäuden und anderen Einrichtungen" erfüllen 55 . Auf deutsch: er kann entscheiden, ob er mit der rechten oder der linken Hand geben will; das Ob steht jedoch in diesem Bereich nicht zu seiner Disposition. Erst ab Erfüllung seiner bundesverfassungsrechtlich verbindlichen Förderpflicht - ab Sicherung der Grundfinanzierung - beginnt sein Spielraum im Bereich der Zusatzförderung Freier Schulen56. Aber auch von diesem darf er - womit sich die Abschnitte IV und V des Urteils beschäftigen - keinen falschen Gebrauch machen. Die in diesem Bereich grundsätzlich zulässige Differenzierung bei der Förderung einzelner Ersatzschulen (oder Gruppen von ihnen) bedarf nämlich der sachlichen Rechtfertigung; sie darf ζ. B. keine Bevorzugung enthalten, die gegen Art. 3 Abs. 3 GG verstößt. Eine ausschließlich durch religiöse oder weltanschauliche Gründe getragene Zusatzförderung einzelner Ersatzschulen ist also nicht zulässig. Es darf darüber hinaus keine „verfassungsrechtlich bedenkliche Einflußnahme auf den freien Wettbewerb unter den einzelnen Ersatzschulen" von staatlicher Seite geben57. In dem rechtlich höchst sensiblen Bereich grundrechtlicher Freiheitsrechte darf nicht nach Gutdünken verfahren, darf nicht manipuliert werden. Die größten Schwierigkeiten ergeben sich in der Praxis wohl bei der Auslegung der Begriffe "Hilfsbedürftigkeit" (der privaten Ersatzschulen) und "Existenzminimum" (der schulischen Institution). Allzu leicht verführt der Sprachklang hier zu naiven Assoziationen mit Begriffen und Sachverhalten aus dem Sozialhilferecht, die ein unterstes „soziales Netz" für in Not geratene Menschen beschreiben, durch das niemand mehr fallen soll. Die staatliche Schutzpflicht gegenüber den Trägern privater Ersatzschulen wird aber nicht von solchen Vorstellungen bestimmt - auch wenn der Wortgebrauch dies scheinbar nahelegt. Was unter Existenzminimum verstanden wird, wird nämlich im Urteil genau gesagt: es sind die Mittel, die der frei55 BVerfGE 75,40 (67). 56 BVerfGE 75,40 (71, 74 f.). 57 BVerfGE 75, 40 (73).

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en Ersatzschule erlauben, die Genehmigungsanforderungen des Art. 7 Abs. 4 GG in den Sätzen 3 und 4 auf Dauer zu erfüllen. Der Staat ist verpflichtet, „einen Beitrag bis zur Höhe dieses Existenzminimums der Institution zu leisten". Also nicht irgendeines „unteren" Existenzminimums am Rande des „Gerade-noch-dahin-Lebens", sondern „dieses" Existenzminimum, das sich aus den Genehmigungsanforderungen für diese konkrete Schule ergibt, ist gemeint 58 . Das bedeutet, daß insbesondere das hohe Kostenniveau für die wirtschaftliche Sicherung der Lehrkräfte, das durch die allgemeine Verbesserung der Lebensverhältnisse bedingt ist, bereits in das Existenzminimum einzubeziehen ist. Dabei kann von der generellen Hilfsbedürftigkeit privater Ersatzschulen als einem „empirisch gesicherten Befund" ausgegangen werden 59. Der Begriff des Existenzminimums im Zusammenhang mit den Genehmigungsanforderungen ist kein Maßstabsbegriff für die Höhe der zu leistenden Finanzhilfe. Mit diesem Begriffszusammenhang wird nur festgestellt, ob wir uns bereits im Bereich der aktiven staatlichen Schutzpflicht befinden, d. h. ob der Interventionsfall eingetreten ist oder ob dies noch nicht der Fall ist. Ist er eingetreten, so bemißt sich die Höhe der tatsächlichen Finanzhilfe - oder die evtl. Sachleistungen - nach der Art, wie der jeweilige Landesgesetzgeber überhaupt Freie Ersatzschulen fördert. Der Landesgesetzgeber hat zwar einen großen Gestaltungsspielraum „jenseits der Gewährleistung des Existenzminimums der Ersatzschulen"60, er muß ihn gerecht - unter Wahrung des allgemeinen Rechtsrahmens nutzen. Er kann also nicht die eine Ersatzschulart genau an der Grenze des aus den Genehmigungsanforderungen sich ergebenden Existenzminimums fördern - andere dagegen in erheblich höherem Maße. Muß er überhaupt fördern (und diese Frage ist heutzutage praktisch nicht mehr zu stellen), so muß er „alle Ersatzschulen nach Maßgabe des Gleichheitssatzes" berücksichtigen 61. Das bedeutet, daß alle Unterschiede in der Förderung von Ersatzschulen sachlich nach Maßgabe des Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG begründbar sein müssen und daß das Element der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit nicht zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Einflußnahme auf den freien Wettbewerb unter den einzelnen Ersatzschulen benutzt werden darf. Im übrigen ist beim Ins-Augefassen „dieses" Existenzminimums auch das jeweilige Schulprofil der zu fördernden Ersatzschule zu beachten, das sich aus dem Selbstbestimmungsrecht dieser Freien Schule ergibt. Deren Eigenart soll erhalten und gefördert werden, so daß sich die Genehmigungsbedingungen eben gerade darauf beziehen, daß dieses jeweilige bestimmte Schulprofil in den Genehmigungsvoraussetzungen dieser bestimmten Schulinstitution zum Ausdruck kommt. Ein Gymnasium ist als Gymnasium, eine Realschule als Realschule, eine berufliche Schule als Berufsschule, eine Waldorfschule als Waldorfschule zu

58 BVerfGE 75, 40 (68). Dieser Unterschied wird ζ. B. vom baden-württembergischen Kultusminister in der in Anm. (50) erwähnten Debatte verkannt; dort S. 5969. 59 BVerfGE 75, 40 (67). 60 BVerfGE 75,40 (71).

61 Wie Anm. (56). *

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fördern. Dies lenkt den Blick auf die konkreten Genehmigungsbedingungen der einzelnen Schule und darauf, ob diese Genehmigung jeweils den rechtsstaatlichen Anforderungen genügt62. Ist dem Vorgenannten Rechnung getragen, so muß die konkrete Finanzhilfebemessung von einer Bewertung der Kostensituation durch den Landesgesetzgeber ausgehen63. Damit ist ebenfalls keine „Bewertungsfreiheit" im Sinne beliebigen Ermessens gemeint. Der Blick ist vielmehr auf die notwendige Abgrenzung zwischen wirtschaftlicher und unwirtschaftlicher Existenzgestaltung und auf die Gestaltung des Finanzhilfeverfahrens gerichtet. Auf der einen Seite soll die Freie Schule nicht vom unternehmerischen Risiko und vom Wettbewerb mit anderen privaten oder öffentlichen Schulen freigestellt werden 64 ; auf der anderen Seite kann (muß) nicht jede Einzelschule individuell gewertet werden, weil dies schon administrativ kaum leistbar wäre. Das Bundesverfassungsgericht hält es daher - neben der direkten Bewertung der Verhältnisse einzelner Schulen - für zulässig, daß die Bewertung der Kostensituation indirekt dadurch geschieht, daß die Kosten vergleichbarer öffentlicher Schulen für diese Bewertung als Maßstab herangezogen werden. Damit wird zugleich sichergestellt, daß private Ersatzschulen nicht gegenüber staatlichen Schulen bevorzugt werden. Freie Schulen müssen vielmehr umgekehrt etwas Besonderes Eigenes leisten, das sich in ihrer Eigenleistung - qualitativ und quantitativ - ausdrückt 65. Denn Voraussetzung jeglicher staatlichen Förderung ist, daß ein „belastbarer" Selbstgestaltungs- und Selbstentfaltungswille der Freien Ersatzschule vorliegt, der das mit der Existenz der Freien Schule verbundene unternehmerische Risiko und den Wettbewerb mit anderen Freien und staatlichen Schulen in Kauf nimmt. Dieser Selbstentfaltungswille ist das entscheidende Element der vom Urteil angesprochenen Eigenleistung. Freie Schule beginnt mit dieser Eigenleistung - und sollte sie im eigenen Interesse nie aus dem Auge verlieren. Der hier zu erörternde Begriff der Eigenleistung hat vor allen Dingen und zunächst - wie der Wortlaut des Urteils zeigt, eine qualitative Dimension, die sich „auch" in der Beschaffung wirtschaftlicher Ressourcen (Einsatz eigenen Vermögens, zumutbare Elternleistungen etc.) niederschlägt, d. h. aus der qualitativen heraus auch eine quantitative Dimension gewinnt. So könnte der referierende Hinweis des Urteils auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts womöglich schlüssig eingeordnet werden, der davon spricht, daß zu den angemessenen Eigenleistungen „auch die Anfangsfinanzierung und die Investitionskosten" gehören 66. Denn die Begriffe „Eigenleistung", „Anfangsfinanzierung" und „Investitionskosten" müssen für unsere Finanzhilfe-

62

63 64 65 66

Ein interessantes Beispiel, vgl. Anm. (77). BVerfGE 75,40 (68). Wie Anm. (58). Wie Anm. (58). Wie Anm. (58).

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

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Überlegungen in einen schlüssigen Zusammenhang gebracht werden 67. Dabei müssen wir auf die Unterscheidung der qualitativen von der quantitativen Dimension des Begriffes der Eigenleistung bei der Umsetzung der Urteilsanforderungen in konkrete Finanzhilfe verfahren weiter unten noch zurückgreifen. Was sind schließlich „weniger wichtige Belange des öffentlichen Schulwesens" und wie soll dem "Umstand sinkender Schülerzahlen " im öffentlichen Schulwesen als Folge des Geburtenrückganges Rechnung „getragen werden" 68 ? Weniger wichtig kann aus der Sicht des Verfassungsrechtes nur sein, was verfassungsrechtlich weniger gesichert ist als das Grundrecht aus Art. 7 Abs. 4 GG. An die - mehr oder weniger plausiblen - Kosten der Hin- und Herreformierung im staatlichen Schulwesen einzelner Bundesländer und an deren Kostenfolgen ließe sich hier denken, an Experimente und Modelle ohne Verfassungsrelevanz. Anderes noch? - Eher werden uns wohl die „sinkenden Schülerzahlen" beschäftigen. Wir kommen damit auf die besonderen Aufgaben des staatlichen Schulwesens, die insbesondere bei der Bemessung der Finanzhilfe nach den Kosten des öffentlichen Schulwesens als Sonderkosten des staatlichen Schulwesens in Betracht gezogen und im Hinblick darauf aus der Bemessungsgrundlage für die Finanzhilfe Freier Schulen (beim Kostenvergleich) entfernt werden dürfen. Da ist nun allerdings der Umstand sinkender Schülerzahlen als Folge des Geburtenrückganges das wohl am wenigsten glückliche Beispiel. Denn es bedeutet - anders herum formuliert - Lehrerüberhang. Dieser führt aber - jedenfalls nach den plausiblen Äußerungen amtierender Kultusminister - eher dazu, die Unterrichtssituation im staatlichen Schulwesen zu verbessern und ζ. B. die Klassenfrequenzen zu verkleinern oder lange zurückgestellte pädagogische Maßnahmen nun endlich mit Hilfe der besseren personellen Kapazitäten in die Tat umzusetzen. Soweit dies geschieht, handelt es sich aber zugleich um eine Verbesserung der Vorbild- und Maßstabsfunktion der staatlichen Schule und bedingt - im Sinne des Urteils - im Hinblick auf die Freien Schulen eine „Verschärfung der Gleichwertigkeitsanforderungen" 69. Lediglich kurzfristig können hierbei - infolge der beamtenrechtlichen Sicherung der Lehrer - personelle Überhänge auftreten, die aber bei einigem administrativen Geschick (und darauf gerichtetem politischen Willen) in nicht allzu langer Zeit abgebaut sein müßten, weil die Schülerzahlen inzwischen wieder steigen. - Dagegen dürften andere staatliche Verpflichtungen eher zu Sonderkosten in diesem Bereich Anlaß geben, die u. U. auch Dauerkosten werden können. Solche - vielleicht bedeutsamere - Umstände70 sind aber in dem Urteil gar nicht angesprochen worden.

67 Vgl. Anm. (24a) und Hardorp, Schulbauförderung - auch verfassungsrechtliche Pflicht des Staates?, in: Fragen der Freiheit, Nr. 209, März 1991, S. 18 ff. 68 BVerfGE 75, 40 (69). 69 BVerfGE 75,40 (66). 70 Wie Integration gesellschaftlicher Randgruppen ζ. B. oder „Flächendeckung" staatlicher Schul Versorgung.

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I I I . Gestaltungsfreiheit und Gestaltungsgrenzen der staatlichen Förderpflicht 1. Grundfinanzierung

und Zusatzfinanzierung

Zwei grundsätzlich zu unterscheidende Bereiche der staatlichen Förderung Freier Schulen hat das Urteil deutlich gemacht71: - die Förderpflicht bis zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen auf Dauer (bis zur Sicherstellung „dieses" Existenzminimums); diesen Bereich wollen wir - mit Vogel und dem deutschen Bildungsrat - als den der Grundfinanzierung Freier Schulen bezeichnen; und - den darüber hinausgehenden Bereich der zulässigen Zusatzfinanzierung, der den zuvor genannten Pflichtbereich - das Muß - übersteigt und den Ländern im Hinblick auf Art und Umfang der Förderung einen bildungs- und schulpolitischen Gestaltungsspielraum offenläßt, der nur von den verfassungsrechtlichen Forderungen nach Begründbarkeit der jeweiligen Förderleistung, nach Gleichbehandlung der Adressaten oder nach Enthaltung vom Eingriff in den schulischen Wettbewerb beschränkt wird. Im Bereich der Grundfinanzierung kann der Landesgesetzgeber sich nur in der Weise der Erfüllung der Pflicht (Sach- oder Finanzleistungen unter Rücksichtnahme auf die Eigenart des Trägers) frei entscheiden, im Bereich der Zusatzfinanzierung unterliegt auch der Umfang der Förderung seiner Gestaltungsfreiheit; er darf hierbei allerdings nur sachlich begründbare Differenzierungen vornehmen. Was gehört nun in den Bereich der Grundfinanzierung, was in den Bereich der Zusatzfinanzierung? Diese Frage läßt sich keineswegs einfach durch die „richtige Zuordnung" schulischer Kostenarten etwa oder durch die Entscheidung für allgemeine schüler- oder lehrerbezogene Grundbeträge (Pauschalierungen pro Schüler oder Lehrer) entscheiden. Denn die einzelnen Ersatzschulen haben unterschiedliche Schulziele, unterschiedliche Schulprofile, gehören unterschiedlichen Schularten an. Unterschiedliche Schularten fordern in der Regel unterschiedliche Aufwendungen im Bereich der Sach- und Personalkosten und im Bereich ihrer Einrichtungen. Man braucht sich in dieser Beziehung nur eine berufliche Schule mit einer Anzahl von Werkstätten (und den damit verbundenen Energie- und Materialkosten) vorzustellen und diese mit einem klassischen Gymnasium zu vergleichen, um sich den Unterschied zu verdeutlichen. Nicht nur die Höhe der Kosten - pro Schüler, Lehrer oder Schule - wird voneinander abweichen, auch die Relationen zwischen Sach- und Personalkosten werden andere Gewichtungen zeigen. Eine Sonderschule mit kleinsten Lerngruppen ergibt wiederum nach Art und Umfang andere Kostenfolgen als die beiden vorgenannten Schulartbeispiele. Jede dieser Schulen - im Bereich der Ersatzschulen - muß aber einmal ihre schulische Genehmigung erhalten haben, die die Eigenart und die (eigene) Aufga71 BVerfGE 75, 40 (68 ff.).

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

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benstellung der Schule beschreibt und damit den Maßstab für die schulprofilbezogenen (schulartbezogenen) Kostenfolgen dieser Schule der Sache nach enthält. Auf rechtlich klare Beschreibung dessen, was als individuelles Schulprofil bei der Genehmigung dieser Schule in freier Trägerschaft als Ersatzschule gemeint ist, muß jetzt abgehoben werden. Hier wird es in der bisherigen Praxis mancherlei Unschärfen geben, an die sich Meinungsunterschiede anschließen können. Es könnte sich daher ergeben, daß in Zukunft auf die Präzisierung der Ersatzschulgenehmigung rechtlich mehr Wert gelegt werden muß 72 , weil sich (nur) aus diesem Maßstab die schulspezifischen Kostenfolgen ableiten und ermitteln lassen, die zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen nach Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG erforderlich sind, und auf diese kommt es ja bei der künftigen Förderung Freier Schulen an. Durch die Beschreibung des individuellen Schulprofils wird dabei deutlich, was zur Erfüllung der verfassungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sein wird und daher dem Bereich der Grundfinanzierung angehört. Man kann auch so sagen: in diesen Bereich gehört alles, was rechtlich Gegenstand der Ersatzschulgenehmigung sein kann und was daher - im Hinblick auf die Einhaltung der Genehmigung - der laufenden staatlichen Schulaufsicht unterliegen soll. Nicht zu diesem Bereich gehören - jedenfalls nicht rechtlich zwingend - etwaige zusätzliche Aufgaben, die sich eine freie Ersatzschule im schulergänzenden oder außerschulischen Bereich stellt. Dies wäre gerade der Bereich nicht genehmigungspflichtiger Aktivitäten, der durch rechtliche Formalisierungen eher leidet, als er durch sie gefestigt und gefördert wird. Man kann dabei an Schulfreizeitheime, an die Ganztagsbetreuung der Schüler, an besondere Fördermaßnahmen in sozialen Brennpunktlagen (Ausländerbetreuung, soziale Spannungsgebiete) denken. Denn für eine als Gymnasium genehmigte private Ersatzschule, die sich als akzessorische Ersatzschule ohne Profileinbuße nach den staatlichen Lehrplänen richtet, ändert sich an ihrer rechtlich formulierten schulischen Aufgabenstellung zunächst nichts durch die Erfüllung solcher umfeldbezogenen schulischen und sozialen Aktivitäten. Trotzdem wären sie - im Bereich der Zusatzfinanzierung - förderungswürdig. Diese mit dem Genehmigungsumfang der einzelnen Schule rechtlich zu beschreibenden Grenzen für die Grundfinanzierung sind natürlich in der Praxis fließend; hier wird sich manche Zweifelsfrage ergeben. So kann es sein, daß eine freie Ersatzschule ein Schullandheim für bestimmte schulische Unterrichtsmaßnahmen benötigt oder einsetzt, die sich aus sachlichen Gründen nicht im Rahmen ihrer sonstigen schulischen Einrichtungen durchführen lassen. Dafür gibt es im Bereich der Waldorfschulen Beispiele, wenn ζ. B. ein Feldmeßpraktikum, ein Forst- oder Landwirtschaftspraktikum zum festen Curriculum der Schule gehören. Denkbar ist auch, daß eine private Ersatzschule neue, zunächst umfeldbezogene soziale und pädagogische Aufgabenstellungen aufgreift, daran besondere pädagogische Kon72 Vgl. Anm. (77).

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zepte und Methoden entwickelt, die im weiteren Verlauf der Entwicklung und Durchgestaltung dann Bestandteil ihres Schulkonzeptes, d. h. rechtlich Bestandteil ihrer Ersatzschulgenehmigung werden können. Aber dieser faktisch denkbare Verlauf macht nur deutlich, daß es die angesprochene rechtliche Abgrenzung grundsätzlich gibt, die von einem bestimmten Zeitpunkt an eben - durch diesen Verlauf - anders gezogen wird. In den Bereich der Zusatzfinanzierung gehört nun definitionsgemäß alles, was nicht in den Bereich der Grundfinanzierung gehört, was - als schulische Leistung - über die Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen im konkreten Genehmigungsumfang für das entsprechende individuelle Schulmodell hinausgeht. Für solche zusätzlichen schulischen Aufgaben - denn nur wirkliche Leistungen der Schulen (keine weltanschaulichen Positionen) dürfen staatlich gefördert werden - kommen nun vielerlei Gründe in Betracht: eigene soziale und pädagogische Aufgabenstellungen, besondere personelle Situationen (Beamtenstatus der Lehrer), besondere historische oder rechtliche Gegebenheiten wie Konkordate oder der landesverfassungsrechtliche Charakter sogenannter Umwandlungsschulen (Art. 15 der Landesverfassung Baden- Württemberg). Man kann auch an Sonderförderungen des Schulbaus, an Schadenshilfen in Katastrophenfällen und an ähnliches denken. Auch hier wird es in der Praxis wieder eine Reihe von Übergangsfällen geben. Das beigefügte Schema der Finanzhilfeermittlung nach den dargelegten Urteilsgrundsätzen soll die angesprochenen Unterschiede und deren Zusammenhang beispielhaft verdeutlichen helfen. Es ist - zur besseren Veranschaulichung - mit dem veröffentlichten Zahlenmaterial der deutschen Waldorfschulen versehen 73. Ein „klassischer" Übergangsfall von erheblichem Gewicht kann in der öffentlichen Schulbauförderung gesehen werden. Sie dient der Bereitstellung von Schulraum und dieser ist, wie wir schon dargelegt haben, grundsätzlich zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich 74. Zur laufenden Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen ist aber nur erforderlich, daß ein Schulhaus zur Verfügung steht. Es kann zum Beispiel angemietet sein mit der rechtlichen und wirtschaftlichen Folge, daß der Mietvertrag bei Beendigung der schulischen Nutzung - nach den jeweiligen Vertragsregeln - gekündigt werden kann, so daß das Investitionsrisiko nicht - jedenfalls nicht grundsätzlich und von vornherein - in den Bereich der verpflichtenden Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen fällt. Denkbar wäre ja auch, daß eine freie Ersatzschule zunächst einen Schulbau (u. U. vor Aufnahme der Unterrichtstätigkeit) in eigener Verantwortung - ζ. B. in einem besonderen Förderverein - errichtet, um ihn in der Folge - wie (als) ein Mietobjekt - Jahr für Jahr für den Unterricht zur Verfügung zu stellen. Die jährli-

73 Vgl. Gesamtjahresabschluß 1993 der deutschen Waldorfschulen; hrsg. vom Arbeitsbereich „Bildungsökonomie" des Freien pädagogischen Zentrums für Waldorfpädagogik in Mannheim. Material anderer Schulen oder Schulverbände in freier Trägerschaft stand (trotz Bemühens) bedauerlicherweise nicht zur Verfügung. 74 Dies bestätigt die Baukosten-Ε des BVerfG - vgl. Anm. (1).

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chen nutzungsbedingten Kosten der Schulgebäude (schulischen Einrichtungen) sind nun zweifellos zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich und gehören insoweit in den Bereich der Grundfinanzierung hinein. Sobald sie sachgerecht (nutzungsbezogen) in diesem Bereich auftreten, gehören sie in den Bereich der Förderpflicht. Es ist dem Staat als Verpflichtungsträger der verfassungsgerichtlich festgestellten Schutz- und Förderpflicht gegenüber nichtstaatlichen Ersatzschulen aber sicherlich unbenommen, einer Ersatzschule bereits im Zeitpunkt der Schulbauerrichtung staatliche Fördermittel für die Schulbauinvestitionen zu gewähren. Tut er dies, so gehört diese Schulbauförderung im Zeitpunkt der Schulbauerrichtung verfassungsrechtlich noch in den Bereich der Zusatzfinanzierung, weil ja keineswegs zu diesem Zeitpunkt sichergestellt sein kann, daß das Schulgebäude auch auf Dauer tatsächlich für die Zwecke dieser Schule genutzt werden wird. In der Praxis wird bei dieser Förderform dieser Rechtszusammenhang häufig durch die Konstituierung eines Rückforderungsanspruches (mit grundpfandrechtlicher Absicherung) für den Fall der Zweckentfremdung gesichert. Damit ist aber ebenfalls nur zum Ausdruck gebracht, daß die Verpflichtung zur Förderung erst für den Zeitraum der Nutzung gesehen wird, so daß diese Handhabung zugleich auch einen verfassungsrelevanten Sinn ergibt 75 . Entlastet nun der Staat die einzelne Ersatzschule im Zeitpunkt der Schulbauerrichtung durch Zuteilung entsprechender Schulbaufördermittel von den Kosten der Investition, so hat er damit eine freiwillige Vorausleistung auf die verbindliche Förderpflicht im Zeitraum der Nutzung erbracht; er kann diese Vorausleistung daher zu gegebener Zeit mit seinen Förderleistungspflichten verrechnen. Das bedeutet praktisch, daß sich das Ausmaß der zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlichen Förderleistungen im Zeitpunkt der Nutzung entsprechend mindert, weil eine Förderleistung nicht doppelt zu gewähren ist. Das Urteil führt als Beispiel für solche zulässigen Zusatzförderleistungen im Bereich der laufenden Schulfinanzierung den Finanzierungszuschlag des Hamburger Privatschulgesetzes für kirchliche Gymnasien - im Hinblick auf den Beamtenstatus ihrer Lehrer - in Höhe von 5 % der Schülerkopfsätze (verglichen mit den Rudolf-Steiner-Schulen) und die - im Vergleich zu anderen Ersatzschulen in Hamburg - höhere Förderung der Hamburger Rudolf-Steiner-Schulen selbst wegen deren pädagogischen Konzeptes auf 76 . Wahrscheinlich ist auch, obwohl es vom Urteil nicht direkt erwähnt wird, daß die besondere pädagogische Förderung erziehungsschwieriger Jugendlicher durch die Wichern-Schule des Rauhen Hauses in Hamburg in den Bereich einer solchen verfassungsrechtlich zulässigen Zusatzfinanzierung gehört. Hinsichtlich der besonderen pädagogischen Prägung (oder des besonderen pädagogischen Konzeptes) der Waldorfschulen ist allerdings eine genauere Überle75 Vgl. F. Müller, Das Recht der Freien Schulen nach dem Grundgesetz, 1982 (2), S. 469 ff. - Das BVerfG hat dies akzeptiert, vgl. Anm. (24a). BVerfGE 75,40 ( ) .

440.406

Schulbetriebskosten Nutzungsbezogene Investitionskosten

47.295

424.279 376.984

«irSonderan-

„umfeldbezo-

interne soziale

Stufe II B. Zusatzfinanzierung (soweit nicht in A. enthalten) C. Gesamt Sonderfälle:

-

1.405

7.616 6.211

74 873

8.960

100

1.048

7.912

76 1.113 12

16

85 69

1 344

100

12

88

,5

47 Mio DM Finanzhilfelücke stehen ca. notwendig zum Ausgleich der Verfas- zulässig unter Beachtung des Gleichheitsgebotes, des Verbotes 200 Mio. DM Entlastung der Staatshaus- sungsauflagen der Wettbewerbsverfälschung etc. (Urteilsabschnitte C, IV + V). halte gegenüber

Finanzhilfelücke*

Förderbetrag danach ./. gezahlte Finanzhilfe

Anerkannte Schulkosten 499.152 ./. Eigenleistung des Trägers - aus Trägerressourcen 1 , 5% - aus Eiternbeitragen J

499.152 8.960

58.746

376.508 6.799 63.898

absolut

„Existenzminimum" gem. Genehmi-

Stufe I A. Grundfinanzierung

lässe wie gungsbedingungen incl. der „schulartbegene" besonde- Besonderheiten Umwandlungszogenen" bes. päd. Prägung Schulbau, repädagogiwie Beamtensschulen BW, (z. B. Waldorfschulen) Schadenshilfe sehe Prägung tatus der LehKonkordate, etc. (Schulbau- (Ganztagsbe- rer, zusätzliche bes. weltanalle Schulen Auswertung der förderung ggf. trieb, AuslänAltersversorschauliche Er(Konsolidievollausgebauten mit den Investi- derkinder, Ausgung gänzung (Einschätrungskreis) Waldorfschulen tionskosten zu gleich von Um(Bekenntnis- zung: Bei den Pro verrechnen) weltstörungen) schulen) WaldorfschuSchüler len wie a) TDM DM % TDM TDM TDM TDM TDM

Personelle Kosten sächliche Kosten

Schulgesamtkosten ./. evtl. Kappung, wenn unangemessen

+

+

Schulkosten

Jahreswerte

Waldorfschulen in der Bundesrepublik Deutschland 1993

Tabelle 1: Schema der Finanzhilfeermittlung nach den Grundsätzen des Bundesverfassungsgerichts vom 8. April 1987 am Beispiel der deutschen Waldorfschulen 138 Benediktus Hardorp

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

139

gung angebracht. Diese geht auf der einen Seite dahin, daß die „besondere" pädagogische Prägung eigentlich nur eine „andere" pädagogische Prägung ist, die mit dem Wort „besondere" lediglich einen distanzierenden elitären Anstrich erhält, der mehr schadet als nützt und zur sachlichen Abgrenzung nichts beiträgt. Auf die Frage, ob ein innovativer pädagogischer Ansatz, der - vom Grundgesetz gewollt - im Bereich des freien Schulwesens ebenso wie eine bloße Andersartigkeit Raum haben soll, förderungswürdig ist oder nicht, muß bei der Schulgenehmigung der jeweiligen Schule selbst entschieden werden. Wird das jeweilige pädagogische Konzept Inhalt der Schulgenehmigung77, so gehören auch dessen Finanzierungsfolgen zur Grundfinanzierung, weil sie der Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen dieser Schule dienen. Greift aber eine Schule, ohne daß dies einer staatlichen Genehmigung bedarf (oder ohne daß eine solche erteilt ist), in verdienstlicher Weise zusätzliche pädagogische Aufgaben ihres sozialen Umfeldes auf, so liegt darin sicherlich eine sachliche Begründung für eine Zusatzförderung. Diese ist im Hinblick auf das Ausmaß einer eventuellen Differenzierung gegenüber anderen Ersatzschulen verfassungsrechtlich der Höhe nach zu prüfen, dem Grunde nach jedoch zulässig78. Insoweit ist auf dem Gebiet der besonderen (anderen) pädagogischen Konzepte darauf zu achten, ob es sich um eine „schulartbezogene" pädagogische Prägung, die die besondere pädagogische Intention dieser Schule meint und deswegen auch Bestandteil der Ersatzschulgenehmigung geworden ist, oder um eine „umfeldbezogene" pädagogische Prägung handelt, die (noch) nicht Inhalt der Ersatzschulgenehmigung ist und daher zunächst in den Bereich der Zusatzfinanzierung gerechnet werden muß.

2. Ermittlung und Bewertung der Schulkosten Für die vorzunehmende Ermittlung und Bewertung der Kostensituation von Ersatzschulen kommen im Blick auf das bisher Ausgeführte drei grundsätzliche Kostengruppen in Betracht: - die personellen Schulbetriebskosten, - die sächlichen Schulbetriebskosten, - die nutzungsbezogenen Investirions- und Einrichtungskosten 79. 77

Dies geschieht durch die Definition der vorbildartigen staatlichen Schulart oder - wie ζ. B. bei Ersatzschulgenehmigungen nach § 3, Abs. 2 PSchG - Baden- Württemberg - durch deren individuelle Beschreibung; solche Ersatzschulgenehmigung erfordern eine Rechts Verordnung zur Konkretisierung ihrer Genehmigungsbedingungen wie sie ζ. B. für die Waldorfschulen durch die Rechtsverordnung des Ministerrates vom 13. 11. 1973 erfolgt ist (GBl. BW 1973, S. 454). Die Einzelgenehmigung der jeweiligen Waldorfschule in diesem Lande erfolgt auf dieser Rechtsgrundlage; über die Bezugnahme auf diese hinaus können besondere Gegebenheiten (Schulziele) zusätzlich (erweiternd) in die Genehmigung aufgenommen werden. 78 79

Vgl. das Beispiel der Wichern-Schule in Hamburg; BVerfGE 75, 40 (53 f.). Vgl. Haug, Die Ausgaben des staatlichen Schulwesens ... In diesem Band S. 195 ff.

140

Benediktus Hardorp

Im Bereich jeder dieser drei Kostengruppen ist zu unterscheiden, ob es sich um Kosten handelt, die zur Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind und damit in den verpflichtenden Bereich der Grundfinanzierung gehören, oder ob es sich um Kosten handelt, die durch die Erfüllung von zusätzlichen Aufgaben oder aufgrund von anderen rechtlichen oder tatsächlichen Besonderheiten der Schule entstehen und die auf ihre sachliche Begründung und das zulässige Förderausmaß nach den dargelegten Kriterien für den Bereich der Zusatzfinanzierung zu untersuchen sind. Hat man in dieser Weise die Schulgesamtkosten eines Zeitraumes (ζ. B. für das Schul- oder Haushaltsjahr) ermittelt, so wäre grundsätzlich zu prüfen, ob diese Kosten im Hinblick auf Höhe und Ausmaß im einzelnen die Angemessenheitsgrenze, die ζ. B. aus den Kosten vergleichbarer staatlicher Schulen hergeleitet werden kann, überschreiten; im Übermaßfall wäre eine Kappung der entstandenen Schulkosten vorzunehmen. Sind die Schulgesamtkosten aber angemessen (oder entsprechend gekürzt), so bleibt noch die Frage zu entscheiden, welche angemessene finanzielle Eigenleistung jetzt dem Träger zuzumuten ist. Auf die Abwägung von Art, Ausmaß und Form solcher Eigenleistungen soll im einzelnen weiter unten eingegangen werden; hier werden sie nur der Systematik halber erwähnt. Nach Abzug des angemessenen Eigenleistungsanteils würde sich danach der staatliche Förderbeitrag ergeben, der im Bereich der Grundfinanzierung verpflichtend ist und im Bereich der Zusatzfinanzierung gestaltbar bleibt. Gegebenenfalls wird - als Differenz zur tatsächlich geleisteten staatlichen Finanzhilfe - eine Finanzhilfelücke festgestellt werden müssen. Eine solche etwa festzustellende Finanzhilfelücke verpflichtet allerdings nur den Landesgesetzgeber, sie zu beseitigen, d. h. seiner verfassungsmäßigen Förderpflicht durch Gewährung einer ausreichenden gesetzlichen Anspruchsgrundlage nachzukommen. Ein unmittelbarer Leistungsanspruch der einzelnen Ersatzschule ergibt sich aus der Verfassung noch nicht. Der einzelnen Ersatzschule bliebe nur der Weg, den Landesgesetzgeber durch eine Verfassungsbeschwerde an seine verfassungsrechtliche Pflicht zum Erlaß anspruchsregelnder Gesetze zu erinnern. Die vom Urteil angesprochene „Bewertung der Kostensituation"80 der Freien Schule kann im Sinne des Vorhergehenden so verstanden werden, daß sie die Frage der Angemessenheitsprüfung der angefallenen Kosten im schulischen Einzelmodell anspricht oder den grundsätzlich anderen Weg aufzeigt, sich für diese Bewertung an den Kosten des öffentlichen Schulwesens zu orientieren. In letzterem Falle läßt sich die Bemessung der Finanzhilfe nur an Schülerkopfsätzen - wie in Hamburg - oder an anderen Haushaltsgrößen aus dem Bereich des staatlichen Schulwesens im Wege einer geeigneten Pauschalierung entwickeln. Eine Pauschalierung der Kosten pro „Durchschnittsschule" - wie von der Nordelbischen evangelischlutherischen Kirche vorgeschlagen81 - bleibt aber wohl problematisch, weil der so BVerfGE 75, 40 (68). si BVerfGE 75, 40 (54).

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

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Ausbaugrad von Schulen von Jahr zu Jahr wechseln kann und eine solche Normgröße administrativ beim derzeitigen Evidenzstand staatlicher Schulkostenabrechnung 82 wohl kaum herleitbar zu sein scheint. In dieser Beziehung ist die Rechnung auf den Kopf des einzelnen Schülers - wie die Ländergesetzgebung in BadenWürttemberg, Hamburg oder Hessen dies ζ. B. vorsehen - dann doch noch das Eindeutigere, weil es beim einzelnen Schüler nicht, wie bei der Schule, einen unterschiedlichen Ausbau- oder Aufbaugrad oder einen wechselnden Umfang in der Anzahl der Klassen etc. geben kann. Noch schwieriger wird der Vergleich mit den Kosten pro Schule, wenn man zusätzlich zu der Variabilität der Grundsachverhalte oder Bemessungsgrößen noch die verschiedenen Schularten berücksichtigen will bzw. berücksichtigen muß. Insofern wird sich in der Praxis wohl - wie in den bereits praktizierten Finanzhilfeverfahren - die Wahl zwischen der einzelschulisch berechneten Finanzhilfe (Ausgabendeckungsverfahren) oder die Orientierung an den Schülerkopfsätzen vergleichbarer staatlicher Schulen ergeben. Die einfachere administrative Handhabung spricht dabei im Zweifel für das letztere Verfahren. Die Einzelheiten der Ausgestaltung dieser Verfahren sollen weiter unten noch untersucht werden.

IV. Der Eigenleistungsbeitrag Freier Schulen Der Selbstentfaltungswille Freier Schulen ist Ausgangspunkt und Quelle jeglicher gesellschaftlichen Existenz dieser Schulen. Er drückt sich bei der Verwirklichung von Schule konkret in initiativem Engagement und spontaner Eigenleistung der Schulgründer aus. Das mit der Eigenleistung angesprochene Phänomen ist also nicht primär quantitativ - es erreicht aber die konkrete und quantifizierbare Realitätsform rasch. Das Bundesverfassungsgericht hat beides - die qualitative und quantitative Dimension dieses Begriffes - im Auge, wenn es zunächst davon spricht, daß „jeder Ersatzschulträger eine angemessene Eigenleistung erbringen muß und nicht etwa vom allgemeinen unternehmerischen Risiko insbesondere im Wettbewerb mit anderen Schulen, ... freizustellen ist" 8 3 . Die Bereitschaft zum Wagnis, der Wille zum Wettbewerb werden im Urteil an erster Stelle genannt. Erst dann folgt der referierende Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts : „Zu den angemessenen Eigenleistungen gehören ... auch die Anfangsfinanzierung und die Investitionskosten"84. Die Äußerung des Selbstentfaltungswillens individueller Freiheit im eigenen Schulkonzept, in der Übernahme von Risiko und Wettbewerb werden zunächst angesprochen; erst dann wird „auch"

82

Vgl. den Beitrag Haug, wie Anm. (79).

8

3 BVerfGE 75, 40 (68).

84 Wie Anm. (73); Hervorhebung hinzugefügt. Hinsichtlich der „Investitionskosten ist die staatliche Förderpflicht aus Art. 7, 4 GG durch die Baukosten-Ε festgestellt. DÖV 1994, S. 651 f.

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Benediktus Hardorp

der finanzielle Beitrag ins Auge gefaßt. Dieser Bedeutungszusammenhang ist insbesondere für das Verständnis des Zusammenhanges von Eigenleistung und Investitionskosten - wie sich noch zeigen soll - von Bedeutung. Zunächst einmal müssen wir uns klarmachen, daß der Begriff der „Eigenleistung" mit dem anderen der „Zugänglichkeit" oder „Erreichbarkeit" der Freien Schulen eng zusammenhängt. Auf die Erreichbarkeit kommt es nach der Verfassungsauslegung des Urteils entscheidend an. Das geforderte Ausmaß der Eigenleistung darf im Bereich der Grundfinanzierung niemals die Zugänglichkeit der freien Ersatzschule beeinträchtigen. Das private Ersatzschulwesen soll „grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre persönlichen finanziellen Verhältnisse" offenstehen 85. Im Konfliktfalle gebührt daher immer der Erreichbarkeit der Vorrang. Anderenfalls würde Art. 7 Abs. 4 Satz 1 GG „zu einem wertlosen Individualgrundrecht" und einer „nutzlosen institutionellen Garantie verkümmern" - wie das Gericht warnt 86 . Ist die Eigenleistung dann aber nur unwesentlich und von untergeordneter Bedeutung? Die richtige Perspektive ergibt sich hierzu wohl nur, wenn die qualitative und die quantitative Seite der Eigenleistung je für sich gewertet werden. Das quantitativ geringere Element kann zum qualitativ Wichtigeren werden. Denn in der Praxis stellt ja gerade der finanzielle Eigenleistungsanteil den eigentlichen Kern der Finanzierung Freier Schulen dar, weil von dieser Finanzierungsbereitschaft und von dieser Finanzierungsleistung alles schulische Leben ausgeht, das in den erforderlichen Einrichtungen und allen organisatorischen Vorkehrungen dann konkretisiert wird. Die geforderte Eigenleistung kann nicht nur in ihrer qualitativen und quantitativen Dimension gesehen werden; soweit sie quantitativ - und damit zu einer finanziellen und wirtschaftlichen Größe - wird, sind zunächst die zur Unterhaltung dieser Freien Schulen dienenden Vermögenswerte (Stiftungsvermögen) und Ertragsquellen heranzuziehen. Dabei mögen umfangreiche praktische Überlegungen hinsichtlich der Angemessenheit von deren Beanspruchung anzustellen sein. Verfassungsrechtliche Relevanz erhält dies jedoch erst, wenn die Nutzer der Schule - die Schüler und deren Eltern - zu deren Finanzierung herangezogen und an deren Aufbau und Unterhalt wirtschaftlich beteiligt werden (müssen). Die wirtschaftliche Beteiligung der Elternschaft einer Schule als Träger oder Mitträger stellt - und das ist entscheidend - ein ganz anderes Verhältnis der Beteiligten zu ihrer Schule her. Wer durch seinen finanziellen Elternbeitrag oder gar durch tätige Mithilfe im Schulgeschehen - am Schulbau, bei Schulfesten, bei Klassenfahrten und bei Schulpraktika etc. - zur faktischen Existenz von Schule beiträgt, dessen Beitrag erforderlich ist und mit Dank und Freude entgegengenommen wird, der ist existentiell anders mit Schule in der Gesellschaft verbunden, der macht sie zu einem Teil seines eigenen (elterlichen) Lebens. Sein Leben bekommt

85 BVerfGE 75, 40 (65). 86 Wie Anm. (75).

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eine neue gesellschaftliche Identifikationsdimension. Dies hat Konsequenzen bis in die allgemeine Wirtschaftsführung der Schule und das Lernverhalten der Kinder hinein, die zu einer Schule, an der ihre Eltern mitwirken, und zu ihren Lehrern von vornherein ein anderes Verhältnis als sonst haben; die emotionale Basis der Kinder für das Lerngeschehen wird durch das Mitleben der Identifikation ihrer Eltern und Lehrer gestärkt. Viele hundert Eltern, die das Schulgeschehen so existentiell begleiten, wachen, ohne daß sie bewußt als Kontrollinstanz erlebt werden (oder sich selbst so erleben), in ganz anderer Weise über die Wirtschaftsführung einer Schule als ein noch so strenger Rechnungshof es je vermöchte. Denn sie sind dem Geschehen - innerlich und äußerlich - näher. Sie regulieren damit im Ergebnis zugleich den Förderbeitrag, den der Staat im Interesse der Heranbildung der jungen Generation finanziell für die Ersatzschulen in freier Trägerschaft leisten soll, weil sie die Wirtschaftlichkeit der Schule zuvor erhöhen. So und nicht anders ist es im Zweifelsfalle zu verstehen, wenn zum Beispiel die Waldorfschulen, die ihre finanziellen Verhältnisse offenlegen, mit Kosten pro Schüler - trotz erheblicher schulischer Mehrleistungen auf vielen Unterrichtsgebieten - auskommen, die unter denen vergleichbarer staatlicher Schulen liegen. Die Einräumung von Autonomie im Schulwesen wäre für alle Finanzminister ein „heißer Tip", wenn es darum geht, ein innovatives Schulwesen einerseits und knappe Haushaltsmittel andererseits auf einen Nenner zu bringen. Die Waldorfschulen haben für diesen Zusammenhang nur ein mögliches (belegbares) Beispiel gegeben87, das sich, wenn das entsprechende Material zugänglich wäre, an anderen Schulen in freier Trägerschaft sicherlich in ähnlicher Weise belegen und womöglich vermehren ließe. Selbstverantwortung und Freiheitswille fangen in der Schule an - und unser Verfassungsrecht erwartet dies mit Recht von Schulen in freier Trägerschaft. Die Freien Schulen selber sollten den Eigenleistungsanteil daher nicht nur als lästigen Zoll an der Grenze des Landes schulischer Selbstbestimmung sehen, sondern ihn als Initialkraft verstehen lernen, dem womöglich in Zukunft ein breiterer Raum und zunehmende Motivationsfunktionen zukommen könnten. Sie müssen dabei nur sozial erreichbar bleiben ! Die damit angesprochene Funktion der angemessenen Eigenleistung freier Träger verstärkt sich womöglich noch auf dem Gebiete der Zusatzfinanzierung, weil sie dort Aufgaben jenseits der staatlich geforderten wie garantierten Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen hilft und die öffentliche Hand im Hinblick auf sinnvolle soziale Umfeldaufgaben der Schule entlastet. Letztere setzt ihr Können für solche weiteren öffentlichen Aufgaben ein und ihre Initialkraft wird durch zusätzliche, dem staatlichen Ermessen anheimgegebene Finanzierungsbeiträge ihrerseits unterstützt und ermutigt. Auf dem Gebiete der Zusatzaufgaben und der Zusatzfinanzierung können rechtlich weder die Eigenleistung des Trägers noch die Zusatzfinanzierung des Staates gefordert werden. Um so erfreulicher sind für beide solche Zusatzleistungen; das Freiheitsverhältnis der Beteiligten kann dabei 87 Vgl. Anm. (11).

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nur die soziale Lebensqualität unserer Gesellschaft erhöhen. Auf diesem Gebiet treten rechtliche Überlegungen und alles Anspruchsdenken hinsichtlich eines zu fordernden und zu gewährenden Muß - wie im Bereich der Grundfinanzierung hinter das eigene Engagement der Schule und hinter Ermessensüberlegungen für sinnvolle Gestaltungen und sinnvolle Ergebnisse zurück. Die rechtliche Betrachtung reduziert sich damit auf die Verhinderung von Diskriminierung und Mißbrauch. Das im Hinblick auf die Angemessenheit des Eigenleistungsbeitrages zu lösende Hauptproblem liegt daher erkennbar auf dem Gebiete der Grundfinanzierung privater Ersatzschulen. Stellt man hier die Frage nach dem angemessenen Eigenleistungsanteil, so muß man zunächst weiterfragen: welche Einnahmen hat denn die Schule? Verfügt sie über eigenes Vermögen, das ihr für die unmittelbare Nutzung zu Schulzwecken oder für die mittelbare Nutzung - durch Ertragswidmung für die schulischen Aufgaben - zugewendet wurde? Verfügt sie über geregelte Drittmittelzuflüsse - wie etwa Kirchensteuermittel oder Stiftungserträge bei kirchlichen Schulen? Oder verengt sich die Betrachtung auf Elternbeiträge und Spenden aus dem schulischen Umkreis oder aus der Schulgemeinschaft selbst? Unter der Fragestellung einer angemessenen Eigenleistung ist es wohl rechtlich zumutbar, das eigene Vermögen, die verfügbaren Regeleinnahmen für den selbst initiierten schulischen Zweck einzusetzen, soweit diese nicht für bestimmte Ergänzungszwecke mit entsprechenden Zweckbindungsauflagen gegeben wurden. Verengt sich die Fragestellung aber auf Elternbeiträge und Spenden aus der Schulgemeinschaft selbst, so stellt sich die Frage der Zumutbarkeit solcher Beiträge und die der Erreichbarkeit der Schule verfassungsrechtlich scharf. Wir stoßen an die unbedingte Norm des Sonderungsverbotes. Nun gibt es auf diesem Gebiet eine verbreitete Zurückhaltung auf allen Seiten, solche Zumutbarkeitsgrenzen zu bestimmen. Auch das Urteil hatte hierzu nur vermerkt: „Bis zu welcher Höhe Schulgelder verfassungsrechtlich unbedenklich erhoben werden dürfen, braucht hier nicht entschieden zu werden" 88 . An der Urteilsstelle kam es nur darauf an zu zeigen, daß jedenfalls kostendeckende Schulgelder „in der Größenordnung von mehreren hundert Mark monatlich pro Kind" auf jeden Fall ausgeschlossen seien. Vom Hamburger Verwaltungsgericht und mit der Eingabe eines Verfahrensbeteiligten für das zum Urteil führende Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht ist der Versuch unternommen worden, die zumutbare Eigenleistung anhand der durchschnittlichen Einkommensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmen. In diesen amtlichen, statistisch festgestellten Ausgaben für „Bildung und Unterhaltung" bei Haushalten mit mittleren und höheren Einkommen, die 7 % des Familiennettoeinkommens betragen, ergaben sich sinnvolle Anknüpfungspunkte 89. Die dabei angestellten Überlegungen führten ss BVerfGE 75, 40 (64); vgl. nunmehr oben Anm. (90). 89 Vgl. Stellungnahme des Bundes der Freien Waldorfschulen - wie Anm. (15). - Sowie: Statistisches Jahrbuch 1985, S. 458 f., Tab. 20.1.

Neue Maßstäbe in der staatlichen Finanzhilfe für Freie Schulen?

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zum Ergebnis, daß die Höchstgrenze für schulische Elternbeiträge (Schulgeld) bei DM 1 400,- pro Schüler und Jahr, eher aber bei DM 1 000,- p. a. liegen dürfte 90 . Einige Bundesländer haben die Grenze der zu fordernden angemessenen Eigenleistung in der Form eines Prozentsatzes der anerkennungsfähigen Schulkosten zu bestimmen versucht - zum Beispiel mit 15 % im Land Nordrhein-Westfalen. Das Land Baden-Württemberg geht von 80 % der Schulbetriebskosten einer vergleichbaren staatlichen Schule aus 91 . Dem Versuch, den angemessenen Eigenleistungsanteil in Form eines Prozentsatzes der anerkennungsfähigen Schulkosten auszudrükken, sind natürlich Grenzen gesetzt, wenn es sich um sehr hohe Kosten pro Schüler handelt, wie dies zum Beispiel bei den Sonderschulen - wegen der kleinen Lerngruppen - der Fall ist. In solchen Fällen muß ein solcher Relationsanteil sicherlich zusätzlich durch eine feste Höchstbetragsregel begrenzt werden oder in einen Festbetrag pro Schüler zum Ausdruck kommen. Bei all diesen Regelungen bliebe dabei noch immer unberücksichtigt, daß es bei manchen Freien Schulen verdeckte Eigenleistungsbeiträge der Lehrerschaft durch Einkommensbegrenzungen gibt (Ordensschulen, Waldorfschulen ζ. B.), die zur Folge haben, daß die Schulbetriebskosten insgesamt zu gering erscheinen. An dieser Stelle begegnen wir erneut einer verfassungsrelevanten Kategorie: dem (anderen) Verfassungsmaßstab der ausreichenden wirtschaftlichen Sicherung der Lehrer. Aus den vorgebrachten Erörterungen und Abwägungen wird aber eine Grundfigur deutlich: bei allen Überlegungen zur Feststellung und Bemessung eines angemessenen Eigenleistungsanteils der Freien Schulen muß man zunächst alle Kosten der Schule - wie wir das getan haben - ins Auge fassen und kann erst anhand dieser Gesamtgröße (personelle und sächliche laufende Schulbetriebskosten sowie nutzungsbezogene Investitionskosten) die Frage nach dem angemessenen Eigenleistungsanteil) stellen, wenn man dem Verfassungsmaßstab der „Erreichbarkeit der Schule" gerecht werden will. Es ergibt also keinen Sinn, die Frage der angemessenen Eigenleistung nur im Hinblick auf einen Teil dieser gesamten schulischen Kostenarten - etwa den Schulbetriebskosten als Summe der personellen und sächlichen laufenden Schulbetriebskosten - zu stellen. Denn man setzt sich auf diesem Wege der Gefahr aus, daß alle Angemessenheitsabwägungen, die sich ζ. B. nur auf die laufenden Schulbetriebskosten beziehen, durch das Ausmaß der nutzungsbezogenen Investitionskosten wieder obsolet werden können, weil letztlich aus dieser Einwirkungsquelle der verfassungsrechtlich verbindliche Maßstab der Erreichbarkeit der Freien Schule wieder verletzt wird. Alle Angemessenheitsabwägungen müssen daher von den anerkennungsfähigen Schulgesamtkosten ausgehen - auch wenn dies hinsichtlich der Investitionskosten verfahrensmäßig größere Mühe macht. Ein solches Vorgehen ist aus Gründen der Verfahrensschlüssigkeit auch dann erforderlich, wenn das Ausmaß der nutzungsbezogenen Investitionskosten, 90 In der Wartefrist-E wird festgestellt, daß monatliche Elternbeiträge über DM 170,(DM 190,-) nicht mehr „von allen Eltern gezahlt werden können". BVerfGE 90, 107 (119), DÖV 1994, S. 650. 91 So Landtagsdrucksache BW 10/2378 (vom 16. 10. 1989), S. 1.

10 F. Müller/B. Jeand'Heur

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die oft aus dieser Betrachtung herausgelassen werden, das Ausmaß der angemessenen Eigenleistungen im Einzel- oder Regelfall unterschreitet, so daß die Investitionskostenanteile faktisch ganz als Eigenleistungen gewertet werden könnten. Dieses seltenste Ergebnis darf nicht von vornherein unterstellt werden. Das Ausmaß der angemessenen Eigenleistung läßt sich eben nur schlüssig abwägen und feststellen, wenn die Betrachtung zuvor von den Schulgesamtkosten ausgegangen ist. In der Praxis liegt die Schwierigkeit, die nutzungsbezogenen Investitionskosten im Bereich der staatlichen Schulen festzustellen, ja auch vor allem darin, daß die in diesem Bereich - noch? - übliche kameralistische Buchführung den (zeitlichen) Nutzungsbezug nicht offenlegen kann - wie das bei den Schulen in freier Trägerschaft mit Hilfe der doppelten Buchführung möglich ist. Dieser Abrechnungsmangel darf aber nicht zum Finanzierungsgrundsatz werden 92. Mit der in die Erörterung der Eigenleistungsproblematik nun einzubeziehenden neuen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes hat die Diskussion um deren Bemessung neue Dimensionen erreicht 93. Auf der einen Seite ist die staatliche Förderpflicht für die Kostenfolgen der „Einrichtungsauflage" aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG voll bejaht und deren Periodisierung (Verrechnung auf das Schuljahr der Nutzung), wenn die Förderung nicht im Zeitpunkt der Schulbauerrichtung erfolgt, im Sinne der hier entwickelten nutzungsbezogenen Investitionskosten wie Mieten, Abschreibungen etc. 94 als verfassungsgerecht bezeichnet worden. Daraus folgt für die Bemessung der Eigenleistung, daß diese bei den Einrichtungskosten grundsätzlich nicht höher oder niedriger als bei anderen Schulkostenarten sein kann. Denn es sind jetzt alle für die Ermittlung des „Existenzminimums" relevanten Kosten einer Abrechnungsperiode zusammenzurechnen; ihre Summe wird Bemessungsbasis für die Angemessenheitsabwägung des Eigenleistungsanteils des (jeweiligen) Schulträgers an den Kostenfolgen der Verfassungsauflagen. Dessen Höhe entscheidet letztlich über die Zugänglichkeit der Schule; es gibt aber nur eine meßbare Zugänglichkeit. Es bleibt folglich für isolierte Eigenleistungsbemessungen bei einzelnen Kostenarten - den personellen, sächlichen oder nutzungsbezogenen Investitionskosten - kein Raum mehr. Die eine Eigenleistungsquote aller Schulbetriebskosten wird entscheidender Maßstab für die geforderte Zugänglichkeit der Freien Schule, wenn und soweit die Nutzer (Eltern) zu deren Finanzierung herangezogen werden (müssen); d. h. soweit das Sonderungsverbot Schulgeldbegrenzung fordert. Demgegenüber haben die neuen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes eine ganze neue Sinnfigur der Eigenleistungsbemessung gebracht 95. Nach dieser soll es richtig sein können, daß die gesamte „Anfangsfinanzierung" einer Freien Schule, die auf die Wartefrist entfällt, dem Schulträger vorerst als „höhere Ei92 93 94 95

Vgl. Haug, Anm. (79). Vgl. Anm. (1). BVerfGE 90, 128 ff. DÖV 1994, S. 652. BVerfGE 90, 107 ff. DÖV 1994, S. 649 ff.

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genleistung" vollständig zugeordnet wird. Dies wird mit dem „Erprobungsgesichtspunkt" (= Effektivität der Haushaltsmittel) begründet; die Freie Schule soll sich erst „bewähren", bevor sie Existenzmittel erhält. Vom Landesgesetzgeber wird für diese Bewährung keine Prognose verlangt; er darf eine Weile abwarten, ob eine neue Ersatzschule das Erwartete auch leistet und von einer ausreichenden Klientel angenommen wird. Sie muß eine Schule „hinstellen", die ihre Solidität via Erreichen des Schulzieles (durch ihre Schüler) erweist. Bei Freien Schulen mit gymnasialem Leistungscharakter darf die zweimalige erfolgreiche Ablegung des Abiturs (in anderen Schulformen entsprechende andere Abschlußprüfungen?) gefordert werden. Das Land muß sich also nicht, wie das in der rechtswissenschaftlichen Literatur bisher gesehen wurde, schon im Genehmigungsverfahren der Schule die erforderlichen Überzeugungen von der ausreichenden Leistungsfähigkeit dieser Schule verschaffen; es soll dafür die vorgesehenen Abschlußprüfungen abwarten dürfen 96. Die einzige, aber entscheidende Bedingung, die an eine solche, womöglich sehr lange Wartefrist gestellt wird, ist die, daß ihre Dauer und ihr Charakter nicht zu einer „faktischen Errichtungssperre" werden. Sowie eine solche Errichtungssperrewirkung eintritt, ist eine Wartefrist nicht mehr mit Art. 7 Abs. 4 GG vereinbar 97. Für die Dauer der zulässigen Wartefrist werden Sonderungsverbot und Sicherungsgebot aus Art. 7 Abs. 4 Sätze 3 und 4 GG vorerst suspendiert 98. Nur die Gleichwertigkeit der Lehrziele, der Einrichtungen und der wissenschaftlichen Qualifikation der Lehrkräfte werden weiterhin gefordert. Es gibt damit zwei grundsätzlich verschiedene Eigenleistungsstufen. Die erste Stufe ist bekannt: der in Schulgeld umgesetzte Eigenleistungsanteil darf nicht zum Zugangshindernis werden: die Schule soll für jedermann ohne Rücksicht auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse zugänglich sein 99 . Die insoweit zumutbare Belastungsgrenze ist nach der neuen Wartefrist-Entscheidung bei Elternbeiträgen über DM 170,- pro Monat sogar offensichtlich überschritten. Ganz anders dagegen die zweite Stufe - während einer Wartefrist: In dieser haben wir es - so sieht es das Gericht - mit Eltern zu tun, die über den Schulbesuch ihrer eigenen Kinder hinaus mit der Schulgründung, an der sie sich beteiligen, „bildungspolitische Zwecke" verfolgen. Sie werden selbstlos für Aufbau und Entwicklung neuer Schulen tätig und das erfordert, daß sie sich finanziell in höherem Maße engagieren. Für die Eltern der zweiten Stufe gilt das Sonderungsverbot, das sonst eine einseitige Sozialauslese „nach den Besitzverhältnissen der Eltern" - die „Plutokratenschule" nämlich 1 0 0 - verhindern soll, zunächst offensichtlich (noch) nicht. Sie dürfen finanziell durch eine „höhere Eigenleistung" 101 weit stärker gefordert werden als gewöhnli96 Vgl. F. Müller, 1994, S. 649 f.

Anm. 66, S. 54, 128, 192 ff. und BVerfGE 90, 107 (109) oder DÖV

97 BVerfG (wie Anm. 96), DÖV 1994, S. 650. 98 Vgl. Vogel, Die Entwicklung des Finanzhilferechtes ...". In diesem Band, S. 167 ff. 99 BVerfGE 75, 40 (65). 100 BVerfGE 75,40 (63). ιοί BVerfGE 90, 107(120, 126). 1*

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che Nutzer-Eltern. Solche Gründereltern müssen eben leistungsfähiger als andere Eltern sein und eine Schule in der Wartefrist wirtschaftlich durchtragen können. Ähnliches soll auch für die Lehrer der Gründungszeit gelten; sie müssen in dieser mit ihren Einkommensansprüchen zurückstehen, weil sie sich Sorgen um das Schulwesen machen, weil sie bildungspolitisch tätig werden. Die „angemessene wirtschaftliche und rechtliche Sicherung der Lehrkräfte" (Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG) wird vorübergehend außer Kraft gesetzt. Einziger verbleibender Maßstab für die Belastbarkeit der Gründereltern und Gründerlehrer ist, daß auch ihnen finanziell die Puste ausgeht, d. h., daß die Belastungen der Wartefrist so hoch werden, daß sie auch eine solche Gründergruppe entmutigt und damit für diese zur Errichtungssperre führt. Die Wartefrist hat offenbar Restriktionscharakter; sie dient einerseits dazu, daß Gründer nicht, wie der damalige bayerische Kultusminister Dr. Maier befürchtete, „zu Schulgründungen ermutigt werden, die auf Dauer nicht wirtschaftlich sein könnten"; andererseits darf die Wartefrist nicht so bemessen sein, daß sie potentielle Schulerrichter „von vornherein entmutigt" 102 . Ein schmaler, schwer begehbarer Grat zwischen „Nicht-Ermutigung" und „Entmutigung" tut sich da auf! Wer wird das quantifizieren und nachweisen können? Welche lebende Schule kann den eigenen nahen Tod im voraus belegen? Ist die Wartefrist aber einmal überstanden, so gelten auch für Gründereltern wieder Anforderungen und Grundsätze nach Art. 7 Abs. 4 GG - wie für alle gewöhnlichen Nutzer-Eltern Freier Schulen. Die Welt wird jetzt wieder „normal". Damit die Wartefrist aber trotz allem lange genug andauern kann, das Kriterium „Erprobung durch Abschlußprüfungen" erhalten bleibt, erhält die Schulverwaltung des Landes die Möglichkeit, die Wartefristphase, die womöglich doch zur Errichtungssperre zu werden droht, durch Entlastungsmaßnahmen verschiedener Art - freiwillige Zuschüsse zu den Betriebskosten, Normalfmanzierung des Grundschulteils einer „einheitlichen Volks- und höheren Schule", Ausgleichszahlungen nach Ablauf der Wartefrist - soweit zu entlasten, daß dieser „die Schärfe genommen", daß ein (von den Rücksichten auf soziale Zugänglichkeit zwar freies) Überleben denkbar bleibt 103 . Erst nach Ablauf der Wartefrist soll das Existenzminimum, das sich wirtschaftlich aus dem Ausgleich der Finanzierungsfolgen der Genehmigungsbedingungen gem. Art. 7 Abs. 4 GG ergibt, unter Abzug des dann angemessenen „normalen" Eigenleistungsanteils vom Staat (erstmals) mitfinanziert werden. Diese neue Begriffsbildung ist in ihrem Charakter und in ihren gesellschaftlichen Folgen zwiespältig. Positiv an ihr ist, daß sie den selbstlosen Gründereinsatz von Eltern und Lehrern sieht, der, wie das in der Tat oft festzustellen ist, nicht nur an sich selbst (die Finanzierung der Schule für die eigenen Kinder) denkt, sondern mit der Schulgründung zugleich einen pädagogischen Fortschritt erreichen, d. h. bildungspolitisch tätig werden will. Im Bereich des Steuerrechtes müßte dies eigentlich zur gegenwärtig verschlossenen Spendenfähigkeit von Elternbeiträgen 102 BVerfGE 90, 107 (120, 123). loa BVerfGE 90, 107(124).

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(wegen der selbstlosen Mitfinanzierung des höheren Eigenleistungsanteils eines gemeinnützigen Schulträgers) führen. Dies wäre wenigstens eine neue Sicht für die Finanzrechtsprechung! In negativer Hinsicht muß man sich dagegen fragen, wie eine unter solch extremen Eigenleistungsbedingungen zu gründende Schule die soziale Auslese nach den Besitzverhältnissen der Eltern vermeiden soll, wenn das Sonderungsverbot nach Ablauf der Wartefrist plötzlich und ungeschmälert in Kraft tritt. Sie steht dann vor einer gewachsenen „Auslese-Lage", einer nach Besitzverhältnissen verlesenen Elternschaft. Wir werden den hier bemerkbar gewordenen Zwiespältigkeiten und einer möglichen Problemlösung, die an dieser Stelle nicht ausreichend auszuleuchten sind, in einem gesonderten Beitrag im dritten Teil dieses Bandes nach nachgehen104. Vorerst erinnert der Grundtenor dieser neuen Eigenleistungsanforderung doch recht deutlich an den Esel jenes schwäbischen Bauern, der ersterem das (kostenträchtige) Fressen abgewöhnen wollte und, wie dieser die „eselige" Lektion „fast gelernt" hatte, kurz vor dem Ziel doch dahinschied! Jedenfalls führt die Erprobung solcher Wartefristen im Zweifel zu kryptischen Schulgründungen, die mit einer handverlesenen kleinen Elternschaft und geringer Schülerzahl versuchen müssen, die Wartefristzeit ohne soziale Verfassungsorientierung „irgendwie" zu überstehen - und in ihr das zu leisten, was ihnen, um sie zu „erproben", schwer gemacht wird. Soll die „Plutokratenschule" wiederkommen? Letzteres ließe sich - wenigstens der Tendenz nach - wohl nur vermeiden, wenn diejenige Freie Schule, die das ihr entsprechende gemehmigungsrechtliche Qualifikationsziel tatsächlich erreicht, nach Beendigung der Wartefrist einen Anspruch auf (nachträglichen) Ausgleich der erhöhten Eigenleistung (während der Wartefrist) erhält. Es läge dann das Risiko, die Qualifikation zu erreichen (oder nicht), bei ihr selbst, es wäre für sie aber wenigstens abschätzbar. Ist sie ihrer pädagogischen Kraft gewiß und weiß sie Hilfen zu organisieren, so kann sie versuchen, die in der Wartefrist vorübergehend geforderte höhere Eigenleistung auch kreditweise vorzufinanzieren, um die während dieser Zeit aufgelaufenen Schulden später aufgrund solcher Ausgleichsleistungen (nach Ablauf der Wartefrist) wieder zu tilgen, ohne in der Wartefrist gegen das Sonderungsverbot - und das Sicherungsgebot für die Lehrereinkommen (Art. 7 Abs. 4 Satz 4 GG) übermäßig verstoßen zu müssen.

V. Alte und neue Finanzhilfeverfahren 1. Maßstabbegriffe

und Verfahrensansätze

Wir haben bisher versucht, uns Inhalt und Bedeutung der neuen Maßstabbegriffe der Verfassungsrechtsprechung für die Förderung Freier Schulen in ihren Grundelementen zu vergegenwärtigen. Sie wird im allgemeinen kurz als „Finanzhilfe" wenn dies auch wegen der Möglichkeit der Naturalförderung begrifflich nicht ganz 104 Vgl. unten S. 253 ff. („Ersatzschule, Schulbauförderung und Wartefrist").

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scharf ist - bezeichnet. Wir stehen nun vor der Aufgabe, anhand dieser neuen Maßstabbegriffe die alten, eingeübten und allen Beteiligten im wesentlichen vertrauten Finanzhilfeverfahren durchzuprüfen und aufzuhellen, um zu sehen, wieweit diese Verfahren auch in Zukunft - unverändert oder modifiziert - für die Praxis der Finanzhilfe verwendet werden können. Die neuen Maßstabbegriffe waren vor allem: - die Konstituierung der Finanzhilfepflicht im Bereich der verfassungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen als Grundfinanzierung; - die davon zu unterscheidende Zusatzfinanzierung, lich geregelter Gestaltungsfreiheit bewegen muß;

die sich in einem Raum recht-

- der Grundsatz der Erreichbarkeit (Zugänglichkeit) der Freien Schulen im Hinblick auf die Bestimmung des angemessenen Eigenleistungsanteils für die schulischen Aktivitäten des Schulträgers; - die konkretisierten Anforderungen an die Gestaltung einer Zusatzfinanzierung und deren Grenzen, insofern in diesem Bereich das ausübbare Ermessen des Landesgesetzgebers der Rechtfertigung an konkreten Schulleistungen, an statusbedingten Zusatzelementen (Beamtensicherung) oder an historischen oder internationalen Rechtspositionen (Konkordate) bedarf - ohne bei dieser Begründung gegen die anderen Gestaltungs- und Differenzierungsgrenzen aus Art. 3 GG, dem Gleichheitsgebot, zu verstoßen oder einen Eingriff in den schulischen Wettbewerb vorzunehmen. Wir hatten uns weiter vergegenwärtigt, daß sich diese Maßstabbegriffe im Bereich der periodisch anfallenden personellen und sächlichen Schulbetriebskosten leicht - oder wenigstens nicht schwerer als bisher - anwenden lassen, daß dies jedoch insbesondere für die richtige Einbeziehung der Investitionskosten einiger Zusatzüberlegungen bedarf, um auf diesem Felde zu einem schlüssigen Konzept zu kommen. - Für die Bestimmung des Umfanges der angemessenen Eigenleistung darf der Gesetzgeber sicherlich das den Schulzwecken ausdrücklich gewidmete Vermögen des Schulträgers und dessen für Schulzwecke bestimmte Regeleinnahmen in seine Abwägung und Bemessung dieses Eigenleistungsanteils einbeziehen; das Problem einer solchen Bemessung des Eigenleistungsanteils an der Grundfinanzierung stellt sich jedoch erst bei denjenigen Trägern von Ersatzschulen scharf, die nur auf den Elternumkreis dieser Schulen zurückgreifen können und insoweit bei entsprechender Einbeziehung der Eltern in die Schulverwaltung - als „Schulen in Elternträgerschaft" bezeichnet werden dürfen. - Von hier aus wären nunmehr die einzelnen, bisher gebräuchlichen Finanzhilfeverfahren durchzugehen.

2. Das Ausgabendeckungsverfahren Die Grundsatzüberlegungen des Urteils schließen, wenn wir damit diesen Durchgang beginnen, dem ersten Anschein nach wie von selbst an das Ausgabendeckungsverfahren - auch Defizitdeckungsverfahren genannt - an, wie es in einer

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Reihe von Bundesländern der praktizierten Finanzhilfe zugrunde liegt. Denn in diesem geht es ja offensichtlich und unmittelbar um die Frage, wie für die einzelne bestimmte Schule die Genehmigungsvoraussetzungen und Genehmigungsbedingungen - und zu welchen angemessenen Kosten - gefunden werden können. Die einzelne Freie Schule wird dabei in ihrem Kostenbild durchleuchtet. Dieses Bild fügt sich in der Regel in den Typus einer staatlichen Schulart (Gymnasium, Gesamtschule, Berufsschule, Realschule, Grund- und Hauptschule, Sonderschule) ein - oder es wird (nach bestem Verwaltungsverständnis) in dieses gefügt. Auf diesem Gebiete wird in Zukunft bei der Maßstabsuche hinsichtlich der schlichten Verwendung staatlicher Schularttypen als Kostenbemessungsvorbild Vorsicht am Platze sein, wenn man bedenkt, daß im staatlichen Schulwesen einzelner Bundesländer Gymnasien teilweise gesamtschulartige Züge annehmen, Gesamtschulen teilweise berufsschulartige Züge aufweisen können usw. Auch staatliche Schulformen unterliegen dem Wandel. Berechtigung oder Nichtberechtigung solcher Typusveränderungen stehen hier nicht zur Diskussion - es müssen aber die ökonomischen Folgen bedacht werden, die sich ergeben, wenn Schulartbegriffe aus dem staatlichen Schulwesen Maßstabfunktionen in der Finanzhilfebemessung für freie Träger erhalten; letzteres geschieht, wenn sie zugleich als Angemessenheitsgrenzen gelten oder im Wege der Vergleichsrechnung - als Schülerkopfsätze unmittelbar für die Finanzhilfeberechnung herangezogen werden. Denn es muß ja - neben der (möglichen) Vorbildfunktion staatlicher Schulen in gleicher Weise der eigene Charakter der Freien Schule bedacht werden. Von diesem Charakter der Einzelschule und ihrem pädagogischen Profil ist ja das Bundesverfassungsgericht ausgegangen, deren „Existenzminimum" innerhalb ihrer Genehmigungsvoraussetzungen und besonderen Genehmigungsbedingungen soll gefunden werden. Ist aber eine (nicht akzessorische) Ersatzschule eigener (anderer) pädagogischer Prägung genehmigt worden, so muß dies auch bei der Bewertung der Kostenfolgen beachtet werden - sonst würde die Ersatzschulgenehmigung bei der Finanzhilfebemessung konterkariert. Wenn ein Land wie Baden-Württemberg etwa die Waldorfschulen aufgrund von § 3 Abs. 2 PSchG BW mit einer Verordnung der Landesregierung (oder künftig durch Gesetz) zu einer eigenen - als Ersatzschulen anerkennungsfähigen - Schulform erklärt, indem es die Einhaltung der Pädagogik Rudolf Steiners zur Genehmigungsvoraussetzung macht, so ist damit außerhalb der staatlichen Vorbilder - eine nichtstaatliche Schulform (Schulart) rechtlich geschaffen und grundsätzlich anerkannt worden 105 . Ähnliches haben an105 Die konkrete Genehmigung und die nachfolgende Anerkennung der einzelnen Waldorfschule kann über die „Waldorfverordnung" vom 13. 11. 1973 (vgl. Anm. (77)) hinaus ergänzende (erweiternde) Genehmigungsbedingungen als rechtliche Basis für besondere pädagogische (Zusatz-)Ziele enthalten. Dies ist u. U. sogar rechtlich erforderlich, weil die einzelne Schule Grundrechtsträger ist und vom Rechtsansatz her sie - und nur sie - bestimmt, was ihre schulischen Ziele sind; dem muß die Genehmigungspraxis folgen, solange der Grundrechtsrahmen nicht überschritten wird; letzteres - falls überhaupt denkbar - müßte aber wohl von der staatlichen Schulaufsicht dargelegt (nachgewiesen) werden.

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dere Bundesländer getan, indem sie in ihren Schulgesetzen nichtstaatliche Schulen „besonderer pädagogischer Prägung" (§ 5 PSchG Hamburg, § 5 PSchG Hessen, § 122 PSchG Niedersachsen, § 5 PSchG Rheinland-Pfalz) vorgesehen und auch genehmigt haben. Derartige, positive rechtliche Anerkennungsschritte in der Ausgestaltung des - bundesverfassungsrechtlich auf schulische Vielfalt zielenden und dem Landesgesetzgeber so vorgegebenen - Ersatzschulbegriffes zu einzelnen Ersatzschulformen mit anderer als staatlicher Vorbildprägung dürfen nicht im Wege einengender Finanzhilfeverfahren, im Wege des verwaltungsmäßigen Einzelkampfes um Haushalttitel, Kostenformen und Kostenausmaß anderer pädagogischer Prägungen wieder in Frage gestellt werden. Denn gerade die nicht akzessorischen Ersatzschulen entsprechen ja durch die von ihnen geleistete „Ergänzung und Bereicherung" des öffentlichen Schulwesens dem Verfassungsziel der Pluralität des Schulangebots in besonderem Maße. Sie tun dies jedenfalls deutlicher als die nur nichtstaatlich organisierten Ersatzschulen mit staatlichem Lehrangebot, wenn deren Beitrag dadurch auch in seiner Eigenbedeutung nicht unwichtiger wird; denn: jede Ersatzschule soll ja selbst bestimmen, wie und wodurch sie das staatliche Schulangebot ergänzen will - Freie Schulen sind selbstbestimmt und sollen es sein 106 . Im Hinblick auf die im Urteil ausdrücklich angesprochene, sensible Materie des Selbstentfaltungsrechtes freier Träger ist das Ausgabendeckungsverfahren qualitativ das denkbar schlechteste und aufwendigste. Denn es macht die Angemessenheitsprüfung jeder einzelnen Kostenart, jeder einzelnen Schulausgabe notwendig und die Maßstäbe dafür kann die Verwaltung, weil sie anderes kaum kennt oder handhaben kann, praktisch nur aus den Organisationsvorgaben des staatlichen Schulwesens nehmen. Charakteristisch für die ökonomische Wirkung des Ausgabendeckungsverfahrens ist, daß die Finanzhilfe um so größer wird, je mehr die tatsächlichen Schulausgaben den staatlichen Organisationsvorgaben entsprechen. Je angepaßter eine Freie Ersatzschule an die staatlichen Schulartvorbilder ist, desto leichter hat sie es bei der Finanzhilfeabrechnung, desto besser „milkt" sie die staatlichen Vorschriften aus, desto ergiebiger sprudelt diese Quelle. Damit verkehrt sich aber der Sinn der Ersatzschulfreiheit unter der Hand in sein Gegenteil: die Ergänzungsfunktion und das Innovationspotential Freier Schulen werden im Grunde geschwächt. Auch die Identifikation der Beteiligten mit dem ökonomischen Schulgeschehen nimmt ab oder schwindet dahin, weil die Beteiligten kaum noch Raum für eigene Schwerpunktsetzungen haben. Deren individuelle Würdigung überfordert erfahrungsgemäß die administrative Flexibilität und Kraft der Schulverwaltung und läßt - womöglich - die eigene Schulgeschäftsführung resignieren. Der verwaltungsmäßige Vorteil dieses Finanzhilfeverfahrens liegt daher eigentlich nur in dessen automatischer Anpassung an die Geldwert- und Kostenentwicklung, die - als externes Datum - für die Verwaltung faktisch vorgegeben ist. Dage106 Zur Auslegung des Ersatzschulbegriffes nimmt die Baukosten-Ε in erwünschter Deutlichkeit Stellung, vgl. BVerfGE 90, 128 (139).

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gen steht: Einsparungsmöglichkeiten, die im Rahmen staatlicher Vorgabe Vorstellungen möglich gewesen wären, werden praktisch von den Beteiligten nicht genutzt, weil dies nur zu einer Verringerung der Finanzhilfe führt und keinerlei eigenen Bewegungsspielraum - etwa für eigene pädagogische oder soziale Schwerpunktsetzungen - ergibt. Zudem ist das Ausgabendeckungsverfahren für Schulverwaltung und Schule umständlich und administrativ schwer handhabbar; es wird nur von solchen Verwaltungen geliebt, die sich nicht vorstellen können, daß ohne ihr überwachendes Auge etwas Fruchtbares in Staat oder Schule geschieht. Der von der Verfassung gewollte, sensible Boden schulischer Selbstentfaltung als Freiheitsraum grundrechtlicher Selbstbestimmung der Bürger wird eng, das Eigenprofil der einzelnen Schule geschwächt.

3. Pauschalierte Schülerkopfsätze Wesentlich glücklicher sind in dieser Hinsicht Länder und Schulen daran, die sich für eine Pauschalierung der Finanzhilfe - bei unterschiedlichen Berechnungsmodalitäten - auf den Kopf des Schülers entschlossen haben und so verfahren 107. Die Bindung der bewilligten Finanzhilfe an die in den Genehmigungsbedingungen der Schulen konkretisierten schulischen Zwecke bleibt dabei voll erhalten. Innerhalb dieses Rahmens aber kann die einzelne Schule durch die Aufhebung der beim Ausgabendeckungsverfahren noch erforderlichen Zweckbindung jeder einzelnen Ausgabe an die behördliche Bewilligungsvorgabe wirtschaftlich und pädagogisch eigene Schwerpunkte setzen und damit ihr individuelles Profil gewinnen. Zudem reduziert sich das Abrechnungsverfahren administrativ auf die richtige Zählung der Schüler und die Multiplikation der festgestellten Schüleranzahl mit den zuvor festgesetzten Schülerkopfsätzen. Die Verwaltung wird einfach. Insoweit stellt das Pauschalierungsverfahren - nicht zuletzt im Hinblick auf die freiheitsrechtliche Zielsetzung unserer Verfassung - einen wesentlichen Fortschritt und eine erhebliche administrative Erleichterung dar. Der Nachteil dieses Verfahrens liegt u. U. in dessen mangelhafter Anpassung an die Geldwert- und Kostenentwicklung; dies ist jedoch keineswegs „verfahrensgeboren" - wie entsprechende Anpassungsregeln an die Lehrer-/Schüler-Relation und an die Kostenentwicklung im staatlichen Schulwesen in einer Reihe von Fällen zeigen. Das Pauschalierungsverfahren macht eben nötig, die Indizierungsregeln - in der Anbindung an die Lehrer-Schüler-Relation, an die Einkommensentwicklung etc. - genauer zu bedenken. Das aber dürfte leistbar sein. Dabei sind zum Beispiel Strukturverschiebungen durch beamtenrechtliche oder durch allgemein-arbeitsrechtliche Vergütungsregeln der Lehrerbesoldung für die nächsten Jahre besonders genau ins Auge zu fassen. Die Beamtenschaft ist nämlich im Rahmen der demographischen Gesamtentwicklung eine personelle Teilgruppe, 107

So ζ. B. die Länder Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen und Niedersachsen.

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die zumindest nicht im gleichen Maße wie die Gesamtbevölkerung eine Verschiebung ihres Altersaufbaues erfahren wird. Der wirtschaftliche Solidaritätseffekt, der im Umlagecharakter des Beitragverfahrens der Angestelltenversicherung liegt, und dadurch in der Zukunft zu erheblichen Beitragssteigerungen für die Altersversorgung führen muß, ist nicht in gleicher Weise in der Beamtenbesoldung veranlagt, weil die Beamtenschaft sich aufgabenbezogen rekrutiert und daher in ihr selbst mit einer stetigeren Altersstruktur als in der Gesamtgesellschaft gerechnet werden kann. Das Auffinden geeigneter Anpassungsregeln im Pauschalierungsverfahren stellt aber kein unlösbares Problem dar, weil die wesentlichen Veränderungen und die daraus folgenden Rechenelemente - schon heute in ihren Entwicklungstendenzen mit relativer Genauigkeit abschätzbar sind. Das Pauschalierungsverfahren der Finanzhilfebemessung ist daher freiheitsrechtlich höher einzuschätzen als das Ausgabendeckungsverfahren; es vereinfacht die Administration und ermöglicht ein höheres Innovationspotential im freien Schulwesen. Nur bei ganz ungewöhnlichen schulischen Sachverhalten besonderer Art, die sich der Typisierung entziehen, wäre es u. U. durch Zusatzfinanzierungen für solche Sonderanlässe zu ergänzen.

4. Schulgelderstattung

als Finanzhilfeansatz ?

Ein drittes, indirektes Finanzhilfeverfahren, das die erstgenannten Verfahren aber (zunächst) nur ergänzt, ist das Verfahren der Schulgelderstattung. Es wird derzeit in der Bundesrepublik nur im Lande Bayern praktiziert. Neben der unmittelbar der Schule zufließenden Finanzhilfe erhalten dort die Eltern (Erziehungsberechtigten) für ihre Kinder, die Freie Ersatzschulen besuchen, noch ein zusätzliches, an die Bürger selbst adressiertes Finanzhilfeelement: die Schulgelderstattung (Art. 40 BaySchFG). Dieses Element der indirekten Schulfmanzierung wird als Schulgelderstattungsverfahren im Land Bayern noch nach der Genehmigungshöhe (nicht der Art) der besuchten Schule differenziert: es ist geringer bei nur genehmigten Ersatzschulen und höher bei anerkannten Ersatzschulen. Ob diese Unterscheidung in dieser Form verfassungsrechtlich haltbar ist oder nicht, soll hier nicht gefragt werden; wir sollten uns nur merken, daß verfahrensmäßig auch dieser Förderansatz mit ggf. erforderlichen Differenzierungen möglich ist - und bereits praktiziert wird. Die letzterwähnte Form der Finanzhilfe hat für den unmittelbar vom Landesgesetzgeber zu regelnden Finanzhilfeanspruch der Freien Ersatzschule die überraschende Folge, daß die finanzielle Leistungsfähigkeit der Schulnutzer gesteigert wird, so daß Zumutbarkeitsspanne der Elternbelastung (verfassungsrechtlich: Sonderungsverbot), die von der bisherigen Entwicklung der allgemeinen Verhältnisse immer mehr eingeengt worden ist, sich wieder ausweitet. Wer also für das Land Bayern die verfassungsrechtliche Lage der Förderung Freier Schulen ins Auge fassen will, muß auch dieses indirekte, gar nicht den Schulen zustehende, ihnen aber

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im Ergebnis doch zugute kommende Förderelement bei der verfassungsrechtlichen und bildungsökonomischen Würdigung mitberücksichtigen. Zudem hat es bürgerrechtlich die erfreuliche Folge, daß das Selbstbewußtsein der beteiligten Eltern, deren Finanzkraft im Hinblick auf die Eigenbeteiligung an der Schulfinanzierung auf diese Weise zunimmt, ebenfalls wachsen kann. Das freiheitsrechtliche Klima, daß sich beim Pauschalierungsverfahren in einem ersten Schritt schon im Bereich der Schule verbessert hatte, dehnt sich nun auch auf den Bereich der Eltern und Schüler aus und kann insoweit nur begrüßt werden. An dieses Element lassen sich daher im folgenden noch Entwicklungsüberlegungen anschließen.

5. Die Schulbauförderung

als Zusatzverfahren

Neben die damit geschilderten Verfahren zur Finanzierung der laufenden Schulbetriebskosten tritt in der Regel noch ein anlaßbedingtes, zusätzliches Finanzhilfeverfahren in der Praxis: die Schulbauförderung. Auf diesem Feld läßt sich sicher zu Recht an das Ausgabendeckungsverfahren anschließen. Denn die Schulbauerrichtung bietet sich als Anknüpfungspunkt für die finanzielle Förderung des Schulhausbaues geradezu an; im behördlichen Βaugenehmigungsverfahren müssen die schulischen Anforderungen des Schulbauvorhabens sowieso in allen Einzelheiten geprüft und genehmigt werden. Insoweit ergibt es sich fast wie von selbst, an dieses Prüfungs- und Genehmigungsverfahren auch im Bezuschussungsverfahren anzuknüpfen. Gerade, weil die Investitionskosten anlaßbedingt nur zu einem bestimmten Zeitpunkt - oder nur in größeren zeitlichen Abständen - auftreten, eignet sich für sie ein solches Ausgabendeckungsverfahren in der Form der „Objektfinanzhilfe" mehr als für die Finanzierung der regelmäßigeren, laufenden Schulbetriebskosten. Die Einmaligkeit des Vorganges der Schulbauerrichtung und die Objektivität der diesbezüglichen Fakten setzen auch dem staatlichen Anpassungsdruck in diesem Verfahren deutlichere Grenzen, so daß dieser Bereich der Schulfinanzierung für die Einzelfinanzierung nach Ausgabendeckungsgesichtspunkten im Zeitpunkt der Schulbauerrichtung - auch unter freiheitsrechtlichen Perspektiven durchaus zugänglich erscheint. Nach unseren verfassungsrechtlichen Maßstabbegriffen stellt dieses Finanzierungsverfahren - zumindest soweit es Vorausleistungen ermöglicht - ein Zusatzfinanzierungsverfahren dar, das im Wege der Minderung der in der laufenden Schultätigkeit anfallenden Kosten im Grundfinanzierungsbereich durch sich selbst zu einem Verrechnungseffekt führt. Doppelbezuschussungen sind insoweit also ausgeschlossen. Der angesprochene Verrechnungsmodus kommt in mancherlei Schulbaufinanzierungsverfahren auch in Rückforderungsrechten aus solchen Baufördermaßnahmen mit grundpfandrechtlichen Sicherungen zum Ausdruck. Die Praxis handelt also bereits in diesem Sinne.

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6. Naturalleistungselemente

in der Schulbauförderung

Ein letztes Wort ist in diesem Zusammenhang noch der Frage der - unentgeltlichen? - Lehrerabordnung und Sachkostenförderung (Naturalleistungen) zu widmen. Das Bundesverfassungsgericht hatte diesen Weg den Landesgesetzgebern offengelassen und durch - in qualitativer Hinsicht weit auseinanderliegende - Beispiele wie „Abstellung von Lehrkräften" oder „Überlassung von Schulgebäuden" verdeutlicht. Auf den ersten Blick können sich - insbesondere in der Überlassung von Schulgebäuden - solche Verfahren als im Einzelfall naheliegend und insoweit auch als zweckmäßig erweisen. Zu bedenken ist jedoch unter freiheitsrechtlichen Perspektiven, daß mit allen Naturalleistungselementen sehr schnell ein Anpassungsdruck verbunden werden oder bereits gegeben sein kann und daß solche Elemente damit grundsätzlich Fremdkörper im Bereich der schulorganisatorischen Selbstverantwortung sind. Die Anpassungsfähigkeit von Lehrern einerseits und Schulgebäuden andererseits und damit die Dienlichkeit von „Lehrerabstellungen" und „Schulgebäudeüberlassungen" muß wohl in ganz unterschiedlicher Weise beurteilt werden. Bei der Abordnung von Lehrern wäre die subjektive Eignung und das Prinzip der freien Lehrerwahl zu beachten; bei Schulgebäuden wäre die „Eignung" der Gebäude für die Zwecke einer anderen Schule (mit einer anderen Pädagogik) sicherlich leichter zu klären. Das Verfassungsgericht hatte deswegen im Hinblick auf diese Finanzierungsform auf die hier sich deutlich ergebende Grenze selbst aufmerksam gemacht: „die Eigenarten des Trägers", die zu berücksichtigen sind 108 . Gerade bei starker verfahrensmäßiger Identifikation der Beteiligten mit den Schulentscheidungen selbst, d. h. bei deren unmittelbarer Einbindung in die wirtschaftlichen und finanziellen Entscheidungen des Schullebens ergibt und erschließt sich die Bedenklichkeit dieses Verfahrens rasch. Wenn etwa in einer Freien Schule mit eigener Auffassung über ihr angemessen erscheinende Verfahren der Einkommensbildung der Beteiligten und mit schulintern verbindlichen Entscheidungsprozessen, die zum Beispiel vorübergehend die Einkommensbildung der Mitarbeiter zugunsten schulischer Investitionsvorhaben - wie oft geschehen - zurückstellen können, ist das Abstellen von beamteten staatlichen Lehrern an solche Schulen im Hinblick auf deren „Eigenart" - von höchst zweifelhaftem Wert. Denn die Einkommensregelung dieser abgestellten Lehrer findet ja außerhalb der schulinternen Entscheidungsprozesse statt und ist für die Beteiligten in der Schule insoweit vorgegeben, nicht regel- oder beeinflußbar. Derartiges schließt die so abgestellten Lehrer aus den Entscheidungsverfahren und damit aus der Solidarität des übrigen Kollegiums - zunächst bereichsweise - aus und macht dieses selbst im Hinblick auf solche Entscheidungen entscheidungsunfähiger. Grundsätzlich muß man daher sehen, daß alle Sachförderleistungen vom Ansatz her autonomiefeindlich sind und am Ausmaß dieser Autonomiefeindlichkeit BVerfGE 75, 40 ( 6 ) .

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(„Rücksicht auf die Eigenart der Träger") verfassungsrechtlich gemessen werden müssen. Sie sind zudem in ihrem wirtschaftlichen Gewicht schwerer meßbar und entziehen sich dadurch der ökonomischen Bewußtseinsbildung - und damit der Nachprüfbarkeit im Hinblick auf Zielgenauigkeit und Vergleichbarkeit - in höherem Maße. Sie liegen nicht auf der Linie der modernen Gesellschaftsentwicklung, die Leistungen in geldlicher Form abzurechnen - und sich dadurch bewußtzumachen - gewohnt ist. Anders gewendet gilt nicht nur in Schwaben: einem geschenkten Gaul schaut niemand ins Maul; der Grad der Verantwortlichkeit gegenüber solchen Maßnahmen nimmt naturgemäß ab, wenn man deren Zustandekommen nicht beeinflussen kann.

VI. Der Bildungsgutschein - ein neuer Verfahrensansatz? Greifen wir noch einmal das als bayerisches Ergänzungsverfahren bereits angesprochene Finanzhilfeverfahren der „Schulgelderstattung" auf und versuchen wir, daran mit der Quintessenz des bisher Dargestellten ein Stück weiterzudenken. Die Frage soll dabei sein, ob sich vielleicht auf diesem Wege ein neuer Schritt in der Gestaltung des Finanzhilfeverfahrens, eine neue Perspektive für das freiheitsrechtlich so sensible Gebiet der Finanzierung Freier Schulen ergibt? Wie ist ein Finanzhilfekonzept mit diesem Denk- und Frageansatz auf dem Hintergrund des Finanzhilfeurteils des Bundesverfassungsgerichts zu sehen? So einfach wie Eiselt, der bei Abwägung der den Landesgesetzgebern zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Förderverfahren lapidar vermerkt: „Das in den USA erprobte System der Bildungsgutscheine hat sich dort nicht durchgesetzt und dürfte ausscheiden"109 kann man es sich vielleicht doch nicht machen. Hat Eiselt den Gedanken überhaupt ernstlich geprüft, was hat er einzuwenden? Die Diskussion um den Bildungsgutschein kommt in Europa erst jetzt auf - und ist in den USA wohl keineswegs abgeschlossen. Was beinhaltet denn die Idee der Schulgelderstattung, des Bildungsgutscheines - und wo könnte sie helfen? 110 Alle Überlegungen im Zusammenhang mit dem Bildungsgutschein versuchen letztlich, das Beziehungsdreieck „Staat - Bürger (Schüler) - Freie Schule" rechtlich und wirtschaftlich neu zu strukturieren. Obwohl unsere Verfassung, wie das Finanzhilfeurteil des Bundesverfassungsgerichts unzweideutig zeigt, die Individualgrundrechte unserer Bürger, deren Förderung und Wahrung, in erster Linie im Auge hat 1 1 1 , so sehr haben sich - bisher - doch alle mit der Finanzhilfe zusammen109 Eiselt, DÖV 1987, S. 561. no Vgl. Vogel, Der Bildungsgutschein - eine Alternative der Bildungsfinanzierung. Neue Sammlung, November/Dezember 1972, S. 514ff. - Vgl. auch die Rede des Abgeordneten Rack (CDU) in der verfassunggebenden Landes Versammlung für das Land Baden-Württemberg am 24. Juni 1953. Landtagsdrucksache 1953, 43. Sitzung, Seite 1940. - Ebenso Abgeordneten Dr. Huber (CDU), S. 1945. - Vgl. auch M. Maurer, Der Bildungsgutschein. Stuttgart 1993.

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hängenden Folgeüberlegungen und -gestaltungen selbst nur auf das Verhältnis des Staates zur Freien Schule (als Ersatzschule) beschränkt. Die Rechtsregeln zwischen dem Staat und der Freien Schule haben zwar immer die Bürger unseres Staates als Eltern und Schüler, deren Selbstentfaltung, deren Elternrecht, deren Wahlfreiheit im Auge - jedoch in der Weise einer rechtlichen Gestaltung „zugunsten eines Dritten". Eltern und Schüler selbst waren nicht unmittelbar gefragt, kamen nicht als Subjekt, sondern nur als Objekt (als Fördervoraussetzungssachverhalt) der Finanzhilfe in Betracht; sie sind selber nicht Anknüpfungspunkt von Rechten und Pflichten im Finanzhilfe verfahren; sie sollen vielmehr eine von Staat, von Schulen und Schulverbänden rechtlich vorgeordnete Welt vorfinden, in der sich ihre Menschen- und Bürgerrechte ohne eigene aktive Mitwirkung (scheinbar) problemlos verwirklichen lassen. Sie sollen selbst wenig oder nichts zu ihrem Entstehen und zu ihrer Ausübung beitragen müssen; die gesellschaftlichen Mächte, die Schule als gesellschaftlichen Einflußort verstehen, denken und handeln für sie. Ersatzschulträger und Staat handeln die Rechte der Freien Schulen miteinander aus und agieren danach im so gestalteten Rechtsrahmen, indem sie das Modell der staatlichen Mittelbereitstellung aus dem eigenen (staatlichen) Bereich in den gerade von staatlichen Vorgaben frei sein sollenden Bereich der Freien Schulen - mit dem Anschein des „langen Zügels" - übertragen. Eltern und Schüler müssen die Schule im wesentlichen so nehmen, wie sie diese - vorgestaltet - vorfinden. Dennoch bewegt sich alles im Lauf der allgemeinen Gesellschafts- und Rechtsentwicklung auf die Individualrechte zu 1 1 2 , auch - und hier liegt die Bedeutung unseres Urteils - im Finanzhilferecht der Freien Schulen. Setzt sich mit dem alten Ausgabendeckungsverfahren der Finanzhilfe gewissermaßen ein feudalistischtheokratischer Ausgangszustand in der Finanzierung freier Schulen bis in unsere Gegenwart fort, so führen alle Finanzhilfeverfahren, die die Schulfinanzierung mit pauschalierten Schülerkopfsätzen regeln und sie auch so abwickeln, schon einen erheblichen Schritt weiter. Sie geben dem Identifikationswillen und der Identifikationskraft der Beteiligten in den internen und externen Entscheidungsvorgängen der Schule zusätzlich Raum. Lehrer und Eltern in der Schule können mit solchen Verfahren die Schwerpunkte ihrer pädagogischen Auffassungen und Interessen in höherem Maße auch in die Schulwirklichkeit umsetzen, weil diesem keine hinderlichen Verwaltungsverfahren in Form von maßnahmebezogenen Zuschußanträgen, nachfolgenden Einzelkostennachweisen etc. direkt entgegenstehen. Der Nachweis der Verwendung der öffentlichen Mittel für den Schulzweck genügt bei diesem Verfahren, um die Fördervoraussetzungen im Rahmen der Gemeinnützigkeit zu erfüllen. Die Eltern allerdings sind bei diesem Verfahren immer noch aus den finanziellen und wirtschaftlichen Überlegungen der Schulgemeinschaft deutlich ausgegrenzt, 111

In den neuen Entscheidungen des BVerfG v. 9. 3. 1994 bestätigt, vgl. Anm. (1). Steiner nennt diese Entwicklung ein „soziologisches Grundgesetz". Vgl. Gesamtausgabe (GA) Bd. 24, S. 180 ff. 112

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weil sie ihr wirtschaftlich wie Abnehmer von Schulleistungen gegenüberstehen und erst lernen müssen, die wirtschaftlichen Gesamtvorgänge der Schule, soweit sie in angemessener Form für sie zugänglich - oder gar veröffentlicht - werden, unternehmerisch, mit existentieller Identifikation, zu verstehen und sie initiativ mitzuvollziehen. Denn sie selbst leisten für ihr Bewußtsein ja nur den geringen Kostenbeitrag - zu den viel höheren tatsächlichen Kosten eines Schülers - -, der ihnen als Schulgeld, als Vereins- oder Elternbeitrag - oder in welcher Form immer - abverlangt wird. Wer sich auf der Elternseite allerdings genügend in die Zusammenhänge vertieft, der kann auch bei diesen Verfahren erkennen, daß einzig die Elternentscheidung für die Freie Schule dieser den Rechtsanspruch auf die staatliche Finanzhilfe verschafft - weniger deutlich beim Ausgabendeckungsverfahren, deutlicher beim Finanzhilfezuschuß pro Schüler. Stellung und Einbindung der Eltern einer Freien Schule in diese selbst würden nun offensichtlich noch einen wesentlichen qualitativen Schritt vorankommen, wenn bei diesem Stand des Finanzhilfeverfahrens - der Pauschalierung auf den Schüler - eine formal einfache rechtliche Änderung vorgenommen würde: die Änderung des Adressaten der Finanzhilfe. Anstelle der Freien Schule müßte der Rechtsanspruch auf Finanzhilfe den Betroffenen selbst - den Schülern und ihren Eltern als Schulnutzern - zugestanden werden. Die erforderliche Finanzhilfe würde dann mit dem Bildungsgutschein an den adressiert werden, dem sie zugute kommen soll: den Schülern bzw. die für ihn handelnden Eltern (Erziehungsberechtigten). In der Höhe der aufzuwendenden öffentlichen Mittel muß sich dabei gar nichts ändern; verändern wird sich aber wohl viel im Bewußtsein und im Verhalten der Beteiligten. Der Schule gegenüber würden Eltern und Schüler deutlicher erleben, daß ihre Entscheidung für die Schule für letztere konkrete Folgen hat. Durch diese fließen der Schule die Mittel zu, die sie benötigt. Sie können in die Verantwortung für die wirtschaftliche Existenz der Schule voll einsteigen und erleben sich nicht mehr als von gesellschaftlichen Institutionen bevormundet. Sie müßten allerdings zugleich auch lernen (was im Grunde genommen heute genauso der Fall ist), was der pädagogische Autonomieraum des Kollegiums - respektive des Schulträgers - für die Leistungsfähigkeit der Schule bedeutet, wodurch dieser im Interesse der Kinder lebensvoll angeregt, wodurch er gelähmt und beeinträchtigt werden kann. Schule wird dann ein Ort des Lernens für alle: Sozialität fängt in der Schule an. Der Bildungsgutschein ist, wie wir jetzt sehen, bereits im pauschalierten Schülerkopfverfahren der Finanzhilfe der Anlage nach vorgebildet; es fehlt nur noch ein Schritt in der Bewußtseinsbildung und im rechtlich-bewußten Einbezug des gemeinten (begünstigten) Dritten, des Schülers und seiner Eltern, in das rechtliche Beziehungsfeld Staat und Schule. Kommt diese Einbeziehung der Schüler und Eltern über ein Bildungsgutscheinverfahren der Finanzhilfe zustande, so wird damit auch in den Rechtsbeziehungen deutlich, was wirtschaftlich schon der Fall ist: die öffentlichen Mittel des Staates stammen von den Bürgern und werden ihnen als eine Art Erziehungseinkommen („Erziehungskindergeld") von der öffentlichen

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Hand zukunfts- und aufgabenbezogen für die Erziehung wieder zugewiesen, damit sie die eigene Entscheidung in der Wahl der Schule für ihre Kinder treffen können, die sie treffen wollen. Schulfinanzierung wird wieder zur Bürgersache; der mündige Bürger regelt sein Verhältnis mit der öffentlichen Hand und entscheidet sich für die Schule, die ihm richtig erscheint. Schulfinanzierung wird Elternsache. War dieser Stil, dieser gesellschaftliche Freiraum nicht im Grunde mit Art. 7 Abs. 4 GG unserer Verfassung gemeint? Könnten diesem Ansatz nicht auch jene unserer Verfassungsväter zustimmen, die - unter ganz anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedingungen als den heutigen - in der staatlichen Finanzierung der Freien Schule eine Gefahr für deren Freiheit sahen113? Die hier anzustellenden Überlegungen können uns bewußtmachen, daß viele Mängel und Mißstände unserer gegenwärtigen Gesellschaft dann entstehen, wenn ihre Probleme und Aufgaben - und mit ihnen die Finanzierung ihrer öffentlichen Angelegenheiten - aus dem Bewußtsein der Bürger verschwinden, weil sie sich an ihnen verfahrensmäßig nicht beteiligen können. Unsere Bürger werden staatsverdrossen, weil sie den Sinn öffentlicher Verwaltungen und Einrichtungen nicht mitvollziehen und mitgestalten können. Sie werden in solcher Lage das Ausmaß ihrer Steuerleistungen für solche Aufgaben nicht mehr billigen, weil dieses für sie nicht durchschaubar und miterlebbar ist. Der Bildungsgutschein dagegen würde diese Entwicklung auf dem Erziehungsfelde umkehren. Er würde ein Stück weit die von der Gesellschaft aufgebrachten Steuermittel an den Bürger zur Sicherung der gesellschaftlichen Zukunft in der Ausbildung der nachfolgenden Generation zurückgeben und den Prozeß der Schulfinanzierung für die unmittelbar Beteiligten miterlebbar werden lassen. Die Schulfinanzierung würde ein menschliches Gesicht erhalten. Verfassungsrechtlich würde dies bedeuten, daß der Interventionsfall, der nach Friedrich Müller und dem Bundesverfassungsgericht Auslöser der konkreten staatlichen Finanzhilfeverpflichtung ist 1 1 4 , im Verhältnis zwischen Staat und Freier Schule wieder beseitigt wird. Die Schule erhält durch die ihr zugeleiteten „Bildungsschecks" - ohne Verfassungsverstoß gegen Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG (Sonderungsverbot) - soviel Mittel, daß sie im Sinne der Theorie der Interventionsgarantie den Garantiepunkt nicht mehr erreicht, also im Sinne des Urteils nicht mehr „hilfsbedürftig" ist. Zugleich können die Eltern mit Hilfe des Bildungsgutscheins - wieder ohne Rücksicht auf ihre wirtschaftlichen Verhältnisse - die Wahl für die Schule ihrer Kinder treffen und dabei sehen, daß dies eine Entscheidung von nicht unbeträchtlichem ökonomischen Ausmaß ist. Der Freien Schule gegenüber würde die staatliche Finanzhilfepflicht aber wieder in den Zustand der Latenz zurückkehren, weil die Freie Schule durch die Beiträge der mit Bildungsgutscheinen ausgerüsteten Bürger wieder unmittelbar leben könnte - so wie die Verfassung dies ermögli113 Vgl. die Diskussionsbeiträge der Abgeordneten Bergsträßer 75, 40 (64). 114 F. Müller, Anm. (2), S. 155 ff.; BVerfGE 75, 40 (59).

und Dr. Heuss. BVerfGE

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chen will. Ein Widerspruch zu den geltenden Verfassungsbestimmungen in ihrer maßgebenden Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht würde sich nicht ergeben. Art. 7 Abs. 4 GG bliebe in seinem Gehalt unangetastet - gewissermaßen „in Reserve" - und rechtlich als Freiheitsrecht in vollem Umfange erhalten. Die finanzhilferechtliche Entwicklungslinie vom Ausgabendeckungsverfahren über das Verfahren pauschalierter Schülerkopfsätze zum Schulgelderstattungs- und Bildungsgutscheinverfahren würde sich als voll in der Ziellinie von Verfassung und Urteilsspruch liegend ergeben; jeder Schritt zum jeweils „höheren" Finanzhilfeverfahren stellt zugleich einen Schritt in der Stärkung freiheitsrechtlicher Verfahren und freiheitsrechtlichen Bewußtseins unserer Bürger dar. Über die technische Ausgestaltung dieses dritten Verfahrens ist im Grunde nur wenig zu sagen. Deutlich ist, daß der Bildungsgutschein schulformbezogen differenziert ausgestaltet werden müßte. Hierin läge aber nichts grundsätzlich Neues, weil dies beim schülerkopfbezogenen Pauschalverfahren auch schon der Fall ist. Und beim Ausgabendeckungsverfahren ist der Schulformbezug nur in die Angemessenheitsprüfung jeder Einzelausgabe zurückverlegt. Beim Bildungsgutscheinverfahren würde sich - im Hinblick auf dessen Handhabbarkeit - die Frage der Standardisierbarkeit schulartbezogener Schülergrundbeträge deutlicher stellen, für die das Verfassungsgericht den Weg des Vergleiches mit den Kosten der staatlichen Schule ausdrücklich zugelassen hat 1 1 5 . Eine Standardisierung der zur Grundfinanzierung Freier Schulen erforderlichen Schülerkopfbeträge müßte sich ja letztlich daran messen lassen, ob sie in ausreichender Weise zur Finanzierung des aus den Genehmigungsbedingungen ableitbaren Existenzminimums der Freien Schule auf Dauer beitragen, d. h. dessen Erfüllung gewährleisten können. Dies erscheint schon deshalb möglich, weil der Bildungsgutschein, der ja nur eine Art Verrechnungsscheck für die Bildungsleistung der Schule darstellt, im Einzelfall nicht genau beziffert werden muß. Er könnte vielmehr von der öffentlichen Hand in der Höhe eingelöst werden, die für die entsprechende einzelne Schule oder für eine Schulart rechtlich wirksam festgestellt worden ist. Der Freien Schule bliebe so die Verantwortung und Sorge dafür, daß sie genügend Schüler hat, weil jede Veränderung in der Anzahl ihrer Schüler unmittelbare Finanzhilfefolgen hat, mit denen sie fertig werden muß. Hier liegt ihr Unternehmerrisiko, das sie tragen soll. Der Bildungsgutschein wäre danach für das Verfahren der Grundfinanzierung der Schulen gestaltbar und verwendbar. Die Finanzierungspflicht des Staates wird bei diesem Verfahren durch die unmittelbare Berechtigung und Befähigung der mit der Schulfinanzierung Gemeinten und Begünstigten eingelöst: der Schüler und ihrer Eltern. Die Sorge der staatlichen Behörde wäre und bliebe dabei, die angemessenen Schülerkopfbeträge zu ermitteln und - über den Bildungsgutschein - den ausbildungswilligen und schulpflichtigen Schülern, die entsprechende Ersatzschulen besuchen wollen, zu Händen ihrer Eltern zur Verfügung zu stellen 116 . 115 116

Vgl. hierzu die Beitrag von Haug in diesem Band, S. 195 ff. Vgl. Maurer wie Anm. (110).

11 F. Müller/B. Jeand'Heur

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Der Bereich der Schulfinanzierung, der nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem Verfahren der Zusatzfinanzierung abgedeckt werden soll, könnte dagegen auch im Bereich direkter staatlicher Zuschüsse verbleiben - jedenfalls soweit solche Zusatzfinanzierungen nicht allen Schulen in freier Trägerschaft in gleicher Weise zukommen können oder sollen. Die Schulbauförderung, die ja zumeist Vorausfinanzierungscharakter im Hinblick auf die spätere dauerhafte Nutzung der Schulgebäude für die schulischen Zwecke hat, könnte in die Form eines staatlichen Finanzierungsinstitutes (Schulbaufinanzierungsbank) für die Finanzierung solcher Vorausleistungen umgewandelt werden. Andere Zuschüsse - etwa im Hinblick auf pädagogische Innovationen oder rechtliche Traditionen - werden ebenfalls besser überschaubar und nachvollziehbarer, wenn sie in Form direkter Zuschüsse an bestimmte Schulen in freier Trägerschaft gezahlt und öffentlich ausgewiesen würden. Auf diese Weise wäre besser als heute nachzuvollziehen, wieweit solche Zusatzfinanzierungen sachlich begründet sind und darin auch den Verfassungsgeboten der Gleichbehandlung, der Enthaltung vom Eingriff in den freien Wettbewerb etc. entsprechen. Mancherlei Einwände, mit denen zu rechnen ist und die gegen das Bildungsgutscheinverfahren in der Regel geltend gemacht werden, sind - bei genauerer Prüfung -jedoch letztlich nicht durchschlagend. So wird bei solchen Erörterungen immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, daß sich die Freien Schulen mit Hilfe des Bildungsgutscheines in die Gefahr einer elitären Absonderung begeben könnten und damit womöglich die Problemgruppen der Schülerschaft dem staatlichen Bildungswesen überlassen. Es wird bei solchen Einwendungen zumeist nicht bedacht, daß diese in gleicher Weise auch schon gegenüber den bisherigen Finanzierungsverfahren der Ausgabendeckung oder dem der Schülerkopfbeträge gelten. Denn das Bildungsgutscheinverfahren unterscheidet sich in diesem Punkte gar nicht von den anderen Finanzhilfeverfahren. Solche elitären Sonderungen wären, wenn es sie denn - außer in den Köpfen der Kritiker - wirklich gibt, auch heute nicht verboten, wenn sie die Schüler nicht nach den Besitzverhältnissen der Eltern, sondern oder diese Sonderung fördern. Wenn mit dieser Kritik - bei Licht besehen - nicht gemeint ist, daß mit Hilfe der alten Verfahren viel leichter im Aufgabenbereich freier Träger (in unzulässiger Weise) gesteuert und in deren Bereich eingegriffen werden kann, dann treffen diese Einwände die anderen Finanzhilfeverfahren in gleicher Weise. Sie stellen im Grunde genommen die Errichtungsfreiheit in ihrem Wesen in Frage, indem sie Aufgabenbeschränkungen oder eine Bedürfnisprüfung im Sinn haben. Als Verfahrenskritik der Finanzhilfe sprechen sie weder gegen noch für das Bildungsgutscheinverfahren in der Schulfinanzierung. Versuchen wir aber besser, das hier angesprochene Problem positiv zu wenden. Gerade die größere und bewußte Einbeziehung des gesellschaftlichen Schulumfeldes durch das Bildungsgutscheinverfahren dürfte dazu führen, daß das Wissen von den erzieherischen und sozialen Nöten dieses Umfeldes sich deutlicher in das Bewußtsein der Beteiligten eingräbt und sie zu initiativem Ergreifen der so sichtbar gewordenen Aufgaben aufruft. Die Mitbeteiligung der Eltern an den schulischen

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Verfahren insgesamt im Bereich der Schulen in freier Trägerschaft, die durch das Bildungsgutscheinverfahren deutlich gefördert würde, könnte zu dieser größeren Bewußtheit führen. Der gesellschaftlich insgesamt überschaubare Bereich der Freien Schulen - mit einem Schüleranteil von etwa 6 % der Schüler allgemeinbildender Schulen in der Bundesrepublik - böte einen sehr geeigneten Rahmen zur Erprobung solcher Ansätze. Von diesem Felde darf man dann freilich noch nicht erwarten, daß es zur Bewältigung oder Absorbierung sozialer Problemfelder alles Erforderliche schon leisten kann. Hier wird - einfach aus quantitativen Gründen ein Hauptaufgabenfeld des staatlichen Schulwesens vorerst verbleiben. Wenn das freie Schulwesen unseres Landes zukünftig allerdings einen höheren Anteil am Schulwesen überhaupt erhalten sollte 117 , wie das in anderen Ländern Europas der Fall ist, so könnten womöglich auch solche Problemlagen besser von den Freien Schulen mitergriffen werden, weil sie dann auch als Aufgabe deutlicher erkennbar sind. Derzeit kann man dieser kleinen Gruppe kaum vorwerfen, daß sie ζ. B. die Frage der Integration von Ausländerkindern oder von Randgruppen nicht löst; in diesem Bereich scheitern die Bemühungen Freier Schulen zumeist am nicht aufzubringenden, aber erforderlichen Schulgeld. Gerade aus dem Innovationspotential Freier Schulen heraus wäre hier aber in Zukunft manches an zusätzlicher Aufgabenzuwendung zu erwarten. Es ließe sich auch denken, daß in einem von Freien Schulen deutlicher geprägten Schulwesen (oder für dieses) verbindliche Grundregeln festgelegt würden, die sicherstellen, daß die unterrichtlichen Aufgabenstellungen gegenüber der jungen Generation von den Schulen in freier Trägerschaft ergriffen und verantwortlich mitgetragen würden. Für Verpflichtungen und Regelungen solcher Art bietet unsere Gesellschaft zweifellos bereits heute Anknüpfungspunkte oder Vorbilder. Man denke nur an die gesetzliche Verpflichtung der Industrie, das Unfallrisiko ihres Bereiches branchenbezogen in selbstverwalteter Form (Berufsgenossenschaften) zu tragen. Auch für Aufsichtsverfahren gibt es durchaus Vorbilder, wenn man zum Beispiel an die Form der rechtlichen Berufsaufsicht verschiedener freier Berufe denkt, die in Berufskammern mit dem Rechtsstatus von Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert sind und die Aufgabenerfüllung dieser Berufe aufsichtsmäßig zufriedenstellend handhaben. Dabei ließen sich durchaus auch unter den Schulen in freier Trägerschaft Abstimmungen darüber denken, wie die gesellschaftlich erkennbaren Erziehungsprobleme von ihnen in Kooperation oder Arbeitsteilung aufgegriffen werden können. Sie wären u. U. sogar rechtlich förderund regelbar 118 . 117

Solche Überlegungen sind bereits in der verfassunggebenden Versammlung des Landes Baden-Württemberg diskutiert worden (vgl. Anm. 110, S. 1942). Der Abgeordnete Dr. Huber berichtet von der Diskussion im Verfassungsausschuß: „Dort haben verschiedene Abgeordnete zum Ausdruck gebracht, daß es eigentlich richtig wäre, wenn das Privatschulwesen den Hauptanteil am Erziehungswesen haben würde." 118 Hardorp, Ein initiatives Schul- und Erziehungswesen: wäre es möglich - ist es bezahlbar?, in: Engholm, Demokratie fängt in der Schule an, Frankfurt 1985, S. 169 ff. 11*

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Gerade solchen erkennbaren Problemgebieten und Problemlagen gegenüber wäre es ja auch immer gerechtfertigt, durch den Einsatz öffentlicher Mittel i m Wege zulässiger Zusatzfinanzierungen Anreize und Anregungen sowie konkrete Hilfen für das Aufgreifen solche Aufgaben zur Verfügung zu stellen. Unsere Finanzminister würden voraussichtlich nach einiger Zeit der Erprobung eines solchen Schulwesens entdecken, daß sich ihr Ausgabenbudget für den Bereich dieses Schulwesens besser überblicken läßt und (für sie) von Risiken freier wird, daß die schulischen Leistungen insgesamt zunehmen, weil mehr Identifikation und Zuwendung i m Bereich des Erziehungswesens - bei geringeren öffentlichen Kosten insgesamt - entstehen. Der Staat hätte bürgerschaftliches Engagement geweckt und fruchtbar gemacht und an die Stelle ständig steigender Ansprüche der Bürger deren Freude und Befriedigung in der verantwortlichen Mitlösung dieser Aufgaben gesetzt. Das Interesse der Eltern an der Entwicklung und am Gedeihen ihrer Kinder ist eine große, noch wenig ergriffene gesellschaftliche Gestaltungskraft und -macht. Wer diese anzusprechen und zu wecken vermag, dem ist der Erfolg nahezu sicher.

VII. Wo stehen wir? - Zusammenfassung und Ergebnis Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Schutz- und Förderpflicht der Länder für Freie Schulen in der rechtlichen Form der Ersatzschule sich niederschlagend zunächst für das Gebiet der Finanzhilfe - hat uns Gelegenheit gegeben, einmal den Blick von den Geschehnissen des schulischen Alltages und den dort oft festgezurrten bildungs- und schulpolitischen Positionen auf das Grundsätzliche, auf das mit der staatlichen Schutz- und Förderpflicht überhaupt Gemeinte zu richten und von dort her mit Perspektiven des Neubedenkens in die sich dadurch ordnende Tatsachenwelt zurückzukehren. Wir haben versucht, dies als inneren und äußeren Gedanken- und Entwicklungsgang in einem Zusammenhang zu schildern, der nicht nur gegebene Urteilsaussagen in ihrem sachlichen Bedeutungszusammenhang erläutert, sondern der i m Bedenken alles Notwendigen zugleich eine evolutionäre Linie aufzeigt: die Entwicklung unserer Gesellschaft und ihres Schulwesens unter freiheitsrechtlichen Perspektiven. I m einzelnen gab dies Anlaß zu folgenden Überlegungen und Feststellungen: 1. Anlaß und Grundbedeutung des Urteils bestehen darin, eine verfassungsrechtlich unzureichende Praxis der Landesgesetzgebung - nicht nur in Hamburg - zu korrigieren und mit der aus der Verfassung selbst entwickelten Finanzhilfepflicht der Länder eine Basis für künftige freiheitsrechtlich fruchtbare Entwicklungen abzusichern. I m Hinblick auf solche Entwicklungen kann nun nichts mehr „nach hinten" einbrechen; wir können nicht mehr zur Frage, ob es eine Finanzhilfepflicht überhaupt gibt und ob bei ihrer Ausgestaltung beliebig durch die Landesgesetzgeber verfahren werden kann, zurückkehren. Darin liegt der wichtige rechtsfortbildende Basisschritt des Urteils.

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2. Im Urteil selbst haben wir dann die Grundsatzlinie von einer Nebenlinie des Urteils unterschieden, die ebenfalls wichtige, aber nicht entscheidende Fragen von Verfahrensbeteiligten klärt. Die Grundsatzlinie zeigt dabei das Verfassungsziel einer für individuelle menschliche Entwicklungen offenen Gesellschaft auf, die Vielfalt im Bildungswesen fordert und zuläßt. Die Errichtungsfreiheit Freier Schulen ist dazu bestimmt, dieses Ziel umzusetzen, ihm als Instrument zu dienen. Von dieser bedeutsamen Verfassungsperspektive her ist Art. 7 Abs. 4 GG auszulegen. 3. Aus diesem ergeben sich die beiden rechtlich zu unterscheidenden Bereiche der Finanzhilfeverfahren: die Grundfinanzierung und die Zusatzfinanzierung. Die vom Urteil in 1987 noch nicht eindeutig beantwortete Frage der staatlichen Verpflichtung im Bereich der Investitionsfinanzierung erwies sich dabei als klärungsfähig: nutzungsbezogen gehört die Investitionsfinanzierung zur verpflichtenden Grundfinanzierung, weil anders die Erreichbarkeit der Freien Schulen nicht sinnvoll abgewogen und gesichert werden kann. Die Baukostenentscheidung vom März 1994 hat hier positiv Klarheit geschaffen. (Zeitliche) Vorausleistungen auf diese Verpflichtung sind jedoch als Zusatzfinanzierung weithin gestaltbar. 4. Insbesondere letzteres wird erkennbar, wenn die vom freien Träger einer Ersatzschule zu fordernde angemessene Eigenleistung in ihrer qualitativen und quantitativen Dimension ausgeleuchtet und verstanden wird. Qualitativ ist die Eigenleistung Ausdruck des schulischen Selbstentfaltungswillens und des Selbstentfaltungsrechtes freier Träger. Bei der Ausgestaltung der Finanzhilfeverfahren kommt es daher darauf an, die freiheitsrechtliche Qualität dieser Verfahren anzuheben. Unter diesem Gesichtspunkt ergab sich eine Entwicklungslinie vom Ausgabendeckungsverfahren über das pauschalierende Schülerkopfsatzverfahren bis zu ersten, jedoch erst rudimentär ausgebildeten Elementen eines Schulgelderstattungsverfahrens, das zum Bildungsgutscheinverfahren fortgebildet werden kann. 5. Mit der so vornehmbaren Rückführung der verfassungsrechtlichen Finanzhilfeverpflichtung des Staates aus dem Bereich der Schulen in den Bereich der Bürger wird deren gesellschaftliche Beteiligungsfähigkeit an selbstverwalteten, sich selbstbestimmenden bürgerschaftlichen Einrichtungen - wie Freien Schulen - gestärkt. Die ökonomische Existenz der Freien Schule wird wieder aus dem finanzhilferechtlichen Verwaltungszugriff des Staates entlassen. Wir erreichen damit für unseren Themenkreis das Zielgebiet der Verfassung: die größtmögliche Förderung individueller menschlicher Entwicklungen über ein pluralistisch gestaltetes freies Schulwesen (bei einfachster Administration des Vorganges gegenüber Bürgern und Schule). Dessen gesellschaftliche Qualität wird dadurch erreicht, daß es sich reichhaltig und vielfältig - und auf Dauer gesichert - neben dem staatlichen Schulwesen entwickeln kann.

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Ist die aufgezeigte Linie Utopie, erwarten wir zuviel auf einmal? So mag sich der eine oder andere Leser, den Atem anhaltend, hier fragen. Aber: diese dargelegte Entwicklungslinie ist nicht utopischer als der Geist, der unsere Verfassungsväter bestimmte, die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland über den Bereich des Schulwesens so und nicht anders zu fassen. Unsere Verfassung ist entwicklungsoffen, sie verlangt keine Freien Schulen, aber sie rechnet mit ihnen und ermöglicht sie. Sie erwartet im Grunde genommen viel von ihnen - viel mehr als bisher von ihnen geleistet werden konnte. Insoweit liegt es sicherlich an ihnen, die Entwicklung des ganzen Schulwesens durch sie im Sinne unserer Verfassung voranzubringen. Aber ihr innovativer Wille, solche Entwicklungswege zu beschreiten, kann ihre Existenz nicht allein garantieren: das Verständnis des Staates und seiner Verwaltungsbehörden für die Verfassungsziele und für den Beitrag, den Freie Schulen zu ihrer Verwirklichung in einer Weise leisten sollen, wie es die staatlichen Schulen allein nicht könnten, muß diesen Bürgerwillen ergänzen. Erwartungen sind insoweit insbesondere an die Landesgesetzgeber gerichtet, die die konkreten Verfahren zur Umsetzung der Verfassungsziele auf dem Gebiet, das ihrer Kulturhoheit unterliegt, durch ihre gesetzgeberischen Entscheidungen bereitstellen müssen. Ihnen insbesondere sind unsere Entwicklungsüberlegungen zugedacht, ihnen sollen sie in der Gestaltung des staatlichen Rechts für Freie Schulen das Rechte finden helfen.

Dritter Teil

Die Privatschulforderung vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung 6 E n t w i c k l u n g des Finanzhilferechtes der Schulen i n freier Trägerschaft v o m U r t e i l des Bundesverfassungsgerichtes v o m 8 . 4 . 1 9 8 7 bis z u den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes v o m 9 . 3 . 1 9 9 4

Von Prof. Dr. Johann Peter Vogel, Marburg/Berlin

Übersicht I. Die Gesetzgebung der Länder II. Die Entwicklung der Rechtsprechung III. Übersicht über die Rechtsliteratur seit 1988 IV. Kritische Würdigung der Rechtsprechung und der Literatur V. Schulpolitische Perspektiven

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. 4. 1987 („Finanzhilfen-Urteil E 75, 40 ff., s. o. Kap. 3) hatte die Frage eines verfassungsrechtlichen Anspruches des Ersatzschulträgers auf staatliche Finanzhilfe, wie er bereits seit 1966 vom Bundesverwaltungsgericht in ständiger Rechtsprechung entwickelt worden war, grundsätzlich geklärt. Im folgenden soll, in Anknüpfung an Kap. 1 und 4 die weitere Entwicklung des Finanzhilferechtes dargestellt werden.

I. Die Gesetzgebung der Länder Obwohl seit dem „Finanzhilfe"-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. 4. 1987 alle Privatschulgesetze und entsprechenden Abschnitte in Schulgesetzen novelliert und in den neuen Bundesländern neue Gesetze verabschiedet worden

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sind, sind die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Landesgesetzgeber gestellt hat, keineswegs überall erfüllt. 1. Nicht alle Träger von Ersatzschulen eines Landes erhalten einen gleichen, ausreichenden Anspruch auf Finanzhilfe. a) In Hessen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt wird nur anerkannten Ersatzschulen und genehmigten Ersatzschulen besonderer pädagogischer Prägung (Waldorfschulen) ein Anspruch zugestanden, den übrigen Ersatzschulen nicht 1 . b) In Bayern, Berlin und Rheinland-Pfalz haben nur anerkannte Ersatzschulen einen Anspruch; genehmigte Ersatzschulen erhalten lediglich eine obligatorische oder fakultative verminderte Finanzhilfe (Bayern obligatorisch 50 %, Berlin fakultativ 75 %, Rheinland-Pfalz nach Haushaltslage)2. c) Baden-Württemberg sieht lediglich einen Katalog von Ersatzschulen vor 3 . d) In Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt stehen die genannten Einschränkungen im Gegensatz zu den jeweiligen Landesverfassungen, die einen Finanzhilfeanspruch für alle genehmigten Ersatzschulen vorsehen4. Die Landesverfassungen von Baden-Württemberg, Nordrhein- Westfalen und Sachsen fordern sogar einen Ausgleich der Schulgeldfreiheit 5. e) Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen sehen aber auch eine fakultative Finanzhilfe für Ergänzungsschulen vor 6 . 2. Bayern, Hessen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (unklar Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen) schließen natürliche Personen als Träger von Ersatzschulen von der Finanzhilfe aus, indem sie ausschließlich die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit des Trägers zur Voraussetzung der Finanzhilfe machen7. 3. Alle Länder außer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Saarland hatten bereits Wartefristen zwischen Genehmigung und Finanzhilfeanspruch oder haben sie nach 1987 eingeführt (da Hessen und Rheinland-Pfalz nur bestimmten Ersatzschulen einen Anspruch zugestehen, liegt auch hier eine Wartefrist bis zur Anerkennung bzw. Verwaltungsentscheidung vor). Wartefristen betragen im allgemeinen zwei 8 oder drei 9 Jahre. Berlin sieht für ι 2 3 4 5

§ 1 ESchFinG He, § 149 SchG Ns, § 18 SchG SA. Art. 38,41,45 SchFinG By, § 8 PSchG B, § 28 PSchG RP. § 17 PSchG BW. Art. 4 Vf Ns, Art. 30 Vf RP, Art. 28 Vf SA. Art. 14 Vf BW, Art. 9 Vf NW, Art. 102 Vf Sa.

6 § 17 PSchG BW, § 28 PSchG RP, § 32 PSchG Sl, § 21 FSchG Th. 7 Art. 29 SchFinG By, § 1 ESchFinG He, § 18 SchG Sa. § 15 (3) FSchG Th. s § 14 FSchG Sa, § 15 FSchG Th. 9 § 17 PSchG BW, § 17 PSchG HB, § 19 PSchG HH, § 149 SchG Ns, § 18 SchG SA, § 60 SchG SH.

Entwicklung des Finanzhilferechtes der Schulen in freier Trägerschaft

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Schulen im Aufbau lediglich eine vorläufige Genehmigung vor, selbst wenn alle GenehmigungsVoraussetzungen gegeben sind; besitzt die Schule schließlich die Genehmigung, ist noch einmal eine Wartefrist von fünf Jahren vorgesehen. Gemildert wird diese Regelung nur dadurch, daß Ersatzschulen im Aufbau, deren Träger bereits eine anerkannte Ersatzschule dieses Typs führt, eine um 15 % geminderte Finanzhilfe erhalten können 10 . Die Wartefrist in Bayern reicht über den vollen Aufbau der Schule hinweg, bis an der Schule in zwei hintereinander folgenden Jahren zwei befriedigende Abschlußprüfungen gemacht worden sind; immerhin zahlt Bayern nach sechs Jahren Aufbauzeit eine Finanzhilfe von 50 % n . In beiden Ländern kann es also zu Wartefristen bis zu elf Jahren kommen. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist die Wartefrist umschrieben: Die Finanzhilfe setzt ein, wenn die Gewähr dafür gegeben ist, daß die Schule auf Dauer bestehen kann bzw. die Genehmigungsvoraussetzungen auf Dauer erfüllt; davon wird nach zwei bzw. drei Jahren ausgegangen12. In einigen Ländern erhalten genehmigte Ersatzschulen keine oder nur eine geminderte fakultative Finanzhilfe 13 ; hier dauert die Wartefrist bis zum Zeitpunkt der Anerkennung bzw. der Feststellung der besonderen pädagogischen Prägung. Von der Wartefrist kann abgesehen werden, - wenn ein öffentliches Interesse vorliegt, die Errichtung einer staatlichen Schule erspart wird oder die Schule mit dem Schulentwicklungsplan übereinstimmt 14 - Gesichtspunkte einer Bedürfnisprüfung; oder - wenn der Träger sich bewährt hat dadurch, daß er bereits eine entsprechende Schule betreibt 15 ; oder - wenn die öffentliche Hand durch Sicherheitsleistung des Trägers finanziell sichergestellt ist 16 . 4. Die Finanzhilfen sind in der Regel Zuschüsse zu den Personal- und laufenden Sachkosten (alle Länder außer Berlin, Brandenburg, Hamburg und NordrheinWestfalen). Berlin, Brandenburg und Hamburg bezuschussen nur Personalkosten (Ausnahme bei Sonderschulen)17.

io § 8 PSchG B. Peschke, RdJB 94, 129 ff. (133) bestreitet diese Darstellung (Vogel RdJB 93, 443 ff. (450)); maßgeblich ist aber der Gesetzestext, nicht die Berliner Verwaltungspraxis. h Art. 45 SchFinG By. 12 § 14 FSchG Sa, § 18 SchG SA, § 15 FSchG Th. 13 Vogel (Anm. 11), S. 443 ff., 450. 14 § 17 PSchG BW, § 17 PSchG HB, § 149 SchG Ns, § 14 FSchG Sa, § 18 SchG SA, § 15 FSchG Th. 15 § 8 PSchG B, § 19 PSchG HH, § 14 FSchG Sa, § 15 FSchG Th. 16 § 14 FSchG Sa. π § 8 PSchG B, § 62 SchRG Bra, § 21 PSchG HH.

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Einen Zuschuß zu den Baukosten gibt es nur in einigen Ländern, und dann fakultativ und nach Haushaltslage (Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen 18). Obligatorisch werden Baukosten bezuschußt nur in Rheinland-Pfalz und Saarland 19. In Nordrhein-Westfalen werden die Baukosten über die Einbeziehung der Schulhausmieten in die Finanzhilfe einbezogen20. Baden- Württemberg strich 1990 seine Baukostenregelung21. Zusammenfassend: Abgesehen davon, daß die Höhe der Finanzhilfe im allgemeinen nicht ausreicht, um ein zu hohes Schulgeld zu vermeiden, haben die meisten Länder auch die formalen Bedingungen der Leistungspflicht bisher nicht erfüllt. II. Die Entwicklung der Rechtsprechung Das Urteil vom 8. 4. 1987 hatte im Einklang mit der dogmatischen Entwicklung der Interventionsgarantie aus dem Grundrecht auf Errichtung privater Schulen (Art. 7 (4) Satz 1 GG) eine verfassungsrechtliche Leistungspflicht des Staates entnommen. Die weitere höchstrichterliche Rechtsprechung formt Einzelpunkte dieser Leistungspflicht aus: - Zur Garantie des Privatschulwesens als Institution (dazu 1.), - zu den Anfangs- und Investitionskosten als Bestandteile der Finanzhilfeberechnungen (dazu 2.), - zum Ersatzschulstatus als Voraussetzung der Leistungspflicht (dazu 3.). 1. Zur Garantie des Privatschulwesens

als Institution

1.1 „Die den Staat betreffende Schutzpflicht löst erst dann eine Handlungspflicht aus, wenn andernfalls der Bestand des Ersatzschulwesens als Institution evident gefährdet wäre (vgl. auch BVerfGE 56, 54 (81) m. w. N.)" (BVerfGE 75, 40 ff. - C. III. 2.). Das Bundesverfassungsgericht sieht in den folgenden Sätzen diese evidente Gefährdung als „generell", also für jeden Ersatzschulträger gegeben an, weil das Unvermögen der Träger, die Genehmigungsvoraussetzungen aus eigener Kraft gleichzeitig auf Dauer zu erfüllen, ein empirisch gesicherter Befund sei (a. a. O., C. II. 2b). Zum gleichen Thema hatte sich das Bundesverwaltungsgericht zuvor (E 70, 290 ff. vom 30. 11. 1984) geäußert: „Der Grund der finanziellen Leistungspflicht »8 Art. 43 SchFinG By, Nr. 15.2 FSchO MV, § 16 FSchG Sa, § 60 SchG SH, § 17 FSchG Th. 19 § 31 PSchG RP, § 32a PSchG Sl. 20 § 13 EFG NW. 21 § 17 (5) PSchG a. F. BW, die Streichung wurde als verfassungswidrig aufgehoben durch BVerfGE vom 9. 3. 94 („Baukosten"-E)-E 90, 128 ff.

Entwicklung des Finanzhilferechtes der Schulen in freier Trägerschaft

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des Staates liegt ... in der ... Gefährdung für den Fortbestand des als Institution garantierten privaten Ersatzschulwesens insgesamt; demgemäß läßt sich aus Art. 7 (4) GG keine Bestandsgarantie für die einzelne private Ersatzschule herleiten. Sie hat vielmehr in dem Maße Anspruch auf staatliche Hilfe, wie dies zur Erhaltung der Institution als solcher von Nöten ist" (a. a. Ο., II. 1.). 1.2 Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 8. 4. 1987 vertieft das Bundesverwaltungsgericht mit E 79, 154 ff. vom 17. 3. 1988 seine Begründung, indem es den oben zitierten Satz des Bundesverfassungsgerichtes als Bestätigung seiner Rechtsprechung aufgreift. Zunächst hält es noch daran fest, daß dem einzelnen Träger ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Finanzhilfe zusteht, deutet ihn aber mit den folgenden Ausführungen um von einem Leistungsanspruch zu einem verfassungsrechtlichen Feststellungsanspruch (a.a.O, II. 1.). Sodann führt es noch einmal ausführlich aus, daß „die Grundrechtsverbürgung der Privatschulfreiheit in Art. 7 (4) GG ... den Landesgesetzgeber (verpflichtet), das Ersatzschulwesen als Institution im Räume der Gesellschaft tatsächlich lebensfähig zu erhalten. Ein komplementärer Anspruch des einzelnen darauf, ihm die Voraussetzungen zur Rechtsausübung zu verschaffen, steht der ... Freiheit zur Errichtung von privaten Schulen nicht zur Seite" (a. a. O., II. 2.). Das Bundesverwaltungsgericht leitet also aus dem Vordersatz des Bundesverfassungsgerichtes das Gegenteil der bei jedem einzelnen Träger liegenden generellen Hilfsbedürftigkeit ab, nämlich eine Hilfsbedürftigkeit erst, wenn das Ersatzschulwesen als Institution konkret gefährdet ist. 1.3 Das Bundesverfassungsgericht äußert sich dazu (E 90, 107 ff, „Wartefrist"E), indem es die Frage „unerörtert" läßt, ob und welche Rechte sich aus der Garantie der Privatschule als Institution für den einzelnen Träger der Grundrechte aus Art. 7 (4) Satz 1 GG ergeben (a. a. Ο., Β. I. 2a). Es hebt statt dessen noch einmal hervor, daß „die generelle Hilfsbedürftigkeit privater Ersatzschulen ... heute ein empirisch gesicherter Befund" ist. „Soll die Privatschulfreiheit nicht leerlaufen, schuldet der Staat deshalb einen Ausgleich für die vom GG errichteten Hürden" (a. a. O.). Mit anderen Worten: Das Bundesverfassungsgericht übernimmt nicht die Ausgangsposition des Bundesverwaltungsgerichtes. In einem anderen Punkt stimmt es zu: nämlich daß „aus Art. 7 (4) Satz 1 GG kein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Gewährung staatlicher Finanzhilfe, gar noch in bestimmter Höhe" folge, sondern nur einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch auf Prüfung einer Untätigkeit, einer groben Vernachlässigung und ersatzlosen Abbaues getroffener Maßnahmen. Dies kann allenfalls zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit führen. In diesem Fall hätte dann der Gesetzgeber die Pflicht zu entscheiden, wie er die Verfassungswidrigkeit beseitigt (a. a. O., 2d). Aus der Tatsache, daß das Bundesverfassungsgericht an dieser Stelle Hund 22 zitiert, ist zu entnehmen, daß es sich 22 M Hund, Staatliche Schutzpflichten statt Teilhaberechten?, in: W. Fürst/R. Herzog/D. C. Umbach (Hrsg.), Festschrift für Wolfgang Zeidler. Berlin 1987, Bd. II, S. 1445 ff. Auch K. Hesse, in: E. Benda/W. Maihofer/H. J. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechtes der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2/1994, S. 127 ff. (140 ff.), sieht angesichts des systematischen Widerspruchs zwischen Grundrechten als originären Teilhaberechten und de-

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von einem Teilhaberecht, wie dies in den Entscheidungen E 33, 303 ff. und 35, 79 ff. angedacht wurde, verabschiedet (die beiden Entscheidungen wurden schon im „Finanzhilfe"-Urteil nicht zitiert) zugunsten eines Systems von Schutzpflichten, die gerichtlich zwar vom Begünstigten angemahnt, aber nicht konkret durchgesetzt werden können. 1.4 Die Leistungspflicht kann nur im Wege obligatorischer Leistungen, auf die der Ersatzschulträger einen Anspruch hat, erfüllt werden; lediglich freiwillige, von der Haushaltslage abhängige Zuschüsse sind verfassungsrechtlich „nicht unbedenklich", weil der Schulträger „mit derartigen Zuschüssen nicht kalkulieren kann" (a. a. O., B. II. 3.). 2. Zu den Anfangs- und Investitionskosten der Finanzhilfeberechnung

als Bestandteile

2.1 Im „Finanzhilfe"-Urteil zitiert das Bundesverfassungsgericht das Bundesverwaltungsgericht (E 27, 360 ff.; 70, 290 ff.) mit der Auffassung, „die Anfangsfinanzierung und die Investitionskosten" gehörten zu den Eigenleistungen des Trägers (E 75, 40 ff., C. III. 3.). Das Bundesverwaltungsgericht hatte festgestellt, daß kein Anspruch auf Finanzhilfe hinsichtlich der „Kosten für die Errichtung einer Ersatzschule" bestehe, da die staatliche Hilfe nicht für „die Begründung des Unternehmens ..., sondern für seine Erhaltung (Unterhaltung) gewährt" werde (E 27, 360 ff, 3b). Die staatliche Hilfe diene „der Erhaltung der Schule, nicht der Vermögensbildung"; deshalb müsse zunächst auf eigenes flüssiges Vermögen zurückgegriffen werden (a. a. O., 3. c). Für vom Träger zur Verfügung gestellte „Schulgrundstücke und sonstige Schulgegenstände" darf im finanzhilfefähigen Schulhaushalt ein angemessener Betrag eingesetzt werden (a. a. O., 3. d). Diese Feststellungen wurden in E 70, 290 ff. lediglich dahin abgerundet, daß die staatliche Hilfe nicht das erforderliche eigene finanzielle Engagement, die notwendige Eigenleistung des Trägers ersetzen müsse (II. 4.). 2.2 Dieser Ansatz wird in BVerwGE 79, 154 ff. vom 17. 3. 1988 und BVerfGE vom 9. 3. 1994 („Wartefrist"-E)-E 90, 107 ff. und („Baukosten"-E)-E 90, 128 ff. bedeutend ausgebaut. Das Bundesverwaltungsgericht, ausgehend von seinem eingeschränkten institutionellen Garantieverständnis (s. o. 1.2), definiert „Errichtung" oder „Begründung" (E 27, 360 ff. - 3b) nicht nur als Gründungsphase bis zur Genehmigung, sondern als die gesamte Aufbauphase nach der Genehmigung bis zur vollständigen Errichtung der Schulform, ja noch darüber hinaus bis zur zweiten aufeinander folgenden befriedigenden Abschlußprüfung (a. a. O., II. 2a und b). Ein Anspruch auf staatliche Hilfe vom Anfang des Schulbetriebes an habe sich schon aus E 27, 360 nicht ergeben (das wird aus der damaligen Feststellung geschlossen, die Finanzhilfe diene nur der Erhaltung der Schule), nach dem neuen eingemokratischer Ordnung (z. B. der Gewaltenteilung von Legislative und Jurisdiktion) den originären Teilhaberechten Grenzen gesetzt.

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schränkten institutionellen Garantieverständnis ergäbe sie sich erst recht nicht (a. a. Ο., II. 2a). Eine Gefährdung der Institution trete nur dann ein, wenn die Wartefrist zwischen Genehmigung und Finanzhilfeanspruch „zu einer faktischen Gründungssperre führe, die an die Lebensfähigkeit des Privatschulwesens als Ganzes rührt" (a. a. Ο., II. 2c). „Die aus Gründen der Anfangsfinanzierung vertretbar erscheinende Karenzzeit unterliegt nach der Natur der Sache einer äußersten Begrenzung, die ohne besondere Rechtfertigung nicht zu überschreiten ist" (a. a. Ο., II. 2b). Als Gründe für die Ablehnung der Anfangsfinanzierung wird ein erstes Stichwort genannt: das Unternehmerrisiko. Das Bundesverfassungsgericht (E 75, 40 ff. C. III. 3.) erwähnt es im Zusammenhang mit dem individuellen Freiheitsrecht, das eine angemessene Eigenleistung einschließt (so schon BVerwGE 27, 360 ff., 3b; 70, 290 ff. - II. 2.). BVerwGE 79, 154 ff. vom 17. 3. 1988 umschreibt das Unternehmerrisiko damit, ob sich das Unterrichtsangebot in der Konkurrenz mit anderen bewähre und ob es von den Eltern auf Dauer angenommen würde (a. a. Ο., II. 2a). Mit dem vollständigen Aufbau der Schule trete diese „aus dem vom Unternehmerrisiko geprägten Stadium" heraus, „sie ist ein vollständiges Glied des privaten Ersatzschulwesens geworden" (a. a. Ο., II. 2b). Wenn darüber hinaus auch noch zwei Schuljahrgänge erfolgreich geprüft worden sein müssen, so sei auch dies verfassungsrechtlich „eben noch hinnehmbar", weil als besondere Rechtfertigung dient, auch die „Leistungsfähigkeit und damit der Erfolg des Schulbesuches" müsse geprüft werden (a. a. O.). An dieser Stelle kommt ein weiteres Stichwort ins Spiel: der „möglichst sinn- und wirkungsvolle Einsatz staatlicher Förderungsmittel" aus Gründen „sparsamer und effizienter Verwendung von Haushaltsmitteln"; diese rechtfertigten auch diese weitere Verzögerung (a. a. O.). Letztendlich schlägt aber die Begründung durch, daß die äußerste Grenze der Wartefrist erst dort läge, wo sie zur Gefährdung der Institution wird, wenn nämlich die Lebensfähigkeit des Privatschulwesens als Ganzes gefährdet wird (a. a. Ο., II. 2c). 2.3.1 Das Bundesverfassungsgericht bejaht in der „Wartefrist"-Entscheidung das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes mindestens im Ergebnis. Es geht allerdings davon aus, daß Schutz und Förderung nicht auf bereits bestehende Schulen beschränkt seien; „sie müssen vielmehr so ausgestattet werden, daß auch Neugründungen praktisch möglich bleiben" (a. a. Ο., Β. I. 2b). „Werden bereits für die Errichtung der Schule Genehmigungsvoraussetzungen aufgestellt, die der Schulträger normalerweise nicht sämtlich und auf Dauer aus eigener Kraft erfüllen kann, muß sich die Förderung grundsätzlich auch auf diese Phase beziehen" („Baukosten"-E, C. II. 2.). Mit anderen Worten: die Leistungspflicht beginnt grundsätzlich mit dem Tag, an dem die Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen sind - dem Tag der Genehmigung. Um so schwieriger ist die Aufgabe, nun doch zu einer Karenzzeit ohne Finanzhilfeanspruch zu kommen. Das Gericht versucht es, indem es die Erkenntnisse, daß die staatliche Leistungspflicht keine volle Übernahme der Kosten gebiete (BVerfG 75, 40 - C. II. 3.) und der Landesgesetzgeber frei in der Gestal-

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tung der Leistungspflicht sei (a. a. O., C. III. 1.), zum Ausgangspunkt nimmt („Wartefrist"-E, Β. I. 2c). Im Rahmen seines freien Gestaltungsrechtes dürfe der Gesetzgeber Wartefristen vorsehen, um „den Einsatz öffentlicher Mittel an einen Erfolgsnachweis zu binden". Die Grenze liege da, wo „die Wartefrist sich als Sperre für die Errichtung neuer Schulen auswirkt" (a. a. Ο., Β. I. 3.). Hauptstichwort ist die effektive Verwendung öffentlicher Mittel. „Der Staat will mit seiner Privatschulförderung in ein funktionierendes privates Ersatzschulwesen investieren" (a. a. Ο., Β. I. 3c). Deshalb - und nun schwenkt das Bundesverfassungsgericht voll auf die Gründe des Bundesverwaltungsgerichtes ein - dürfe geprüft werden, ob die Schule dauerhaften Bestand hat, ob sie sich gegen Konkurrenz durchsetzt, ob sie sich pädagogisch bewährt (a. a. Ο., Β. I. 3a und b). Die Begründung dafür durchläuft mehrere Schritte. a) Ein finanzielles Engagement des Trägers ist erforderlich. „Nicht gefordert werden kann aber die Bereitschaft, in dem heute erforderlichen Umfang eigenes Vermögen für Gründung und Betrieb einer privaten Ersatzschule auf Dauer einzusetzen". Dies könnte einem Träger angesichts der Kosten einer privaten Ersatzschule, wie sie namentlich durch den Staat vorgegeben sind, nicht zugemutet werden (a. a. Ο., Β. I. 3d) aa). b) Für eine „absehbare und vorübergehende Zeit" ist es dem Träger aber zumutbar (a. a. O.). Freilich muß die Schule grundsätzlich allen Bürgern ohne Rücksicht auf ihre finanziellen Verhältnisse offenstehen. „Es liegt auf der Hand, daß Beträge in der Größenordnung von monatlich DM 170,- bis DM 190,- nicht von allen Eltern bezahlt werden können" (a. a. Ο., Β. I. 3d) bb). Das Dilemma der Finanzierung wird in der Form gelöst, daß - orientiert am „herkömmlichen Bild der Privatschule" - zwischen Schulgeld und Eigenleistung unterschieden und der Beitrag der Gründungseltern aufgeteilt wird in ein vertretbares mäßiges Schulgeld und in die Eigenleistung des Gründers, ein finanzielles Opfer für „eigene bildungspolitische Zwecke". Durch eine solche „Vorleistung" oder „Anschubfinanzierung" werde „das Sonderungsgebot nicht unmittelbar berührt" (a.a.O). Hinsichtlich der Gehaltsverzichte der Gründungslehrer gelte dasselbe: der Verzicht ist das erforderliche Gründungsengagement (a. a. O.). c) Die dem Träger/den Gründungseltern auferlegte Finanzierung „darf aber nicht so bemessen sein, daß sie von vornherein entmutigt und deshalb als faktische Errichtungssperre wirkt" (a. a. O.). Eine dreijährige Wartefrist sei in diesem Sinne unbedenklich („Baukosten"-E, C. I. 2.). „Legt der Gesetzgeber, um Gewißheit über den Erfolg der Schule zu erlangen, eine lange Wartefrist fest und besteht die Schule später den Erfolgstest, muß er allerdings einen wie immer gearteten Ausgleich vorsehen" („Wartefrist"-E, Β. I. 3d) dd). Ob ein solcher gegeben ist, beurteilt sich nach der Finanzhilfe als ganzer, also Dauer der Wartefrist, freiwillige Zahlungen während dessen, Schulgelderstattungen, Höhe der endgültigen Finanzhilfe und etwaige Ausgleichs-

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Zahlungen (a. a. Ο.)· Was unter Ausgleich zu verstehen ist, wird anhand von Baukostenzuschüssen nach der Wartezeit beschrieben: erwirbt oder baut der Schulträger während der Wartezeit ein Schulgebäude, „ist ihm eine Vorfinanzierung zuzumuten, wenn ihm später die finanzielle Last erleichtert wird". Die Begründung bringt einen Kernsatz: „Müßte (der Träger) auf Dauer seine Bauaufwendungen in vollem Umfang aus Schulgeldern finanzieren, träfe die Tilgung bei Gründung aufgenommener Kredite nicht nur die Gründer" („Baukosten"-E, C. II. 3b). Mit anderen Worten: nur in der Gründungsphase ist dem Träger/den Eltern vorübergehend ein besonderes finanzielles Opfer zuzumuten. „Ausgleich" wäre also die Entlastung der späteren Eltern von Schulden, die während der Wartezeit trotz zumutbarer Eigenleistung für den Betrieb der Schule entstanden sind. 2.3.2 In der Konkretion der Grundsätze am bayerischen Beispiel (Klassen 5 bis 13 der Waldorfschule) stellt das Bundesverfassungsgericht der „außergewöhnlich" („Wartefrist"-E, Β. II. 2.) langen Wartefrist von 11 Jahren als ausreichenden Ausgleich gegenüber: freiwillige „erhebliche" Leistungen während der Wartefrist (obwohl sie für den Gründer keine Kalkulationsbasis sind), volle Finanzhilfe für die Klassenstufen 1 bis 4 ab Genehmigung sowie eine endgültige Finanzhilfe mit Baukostenzuschuß (a. a. Ο., Β. II. 3.). Auch die offiziellen Gründe der Wartefrist werden gewürdigt: eine Begründung damit, daß die „unüberlegte Errichtung von Schulen gerade in einer Zeit zurückgehender Schülerzahlen zum Schutz bestehender Schulen" verhindert werden soll, sei verfassungsrechtlich nicht zu mißbilligen (a. a. Ο., Β. II. 2.). Dagegen sei die dreijährige Wartefrist in Baden-Württemberg „nicht übermäßig lang". In der Aufbauphase seien die Kosten noch gering, jedenfalls bei Grundschulen („ein besonders personalaufwendiger Fachunterricht wird dort noch nicht geboten"), auch hätten der Schulverwaltung bereits beruhigende Erfahrungen aus den zurückliegenden Jahren vorgelegen. Schließlich lasse sich der Gesetzgeber einmal pro Wahlperiode einen Bericht über die Kosten des Schulwesens vorlegen. Es besteht für die Gründer eine „überschaubare und kalkulierbare Perspektive" („Baukosten"- E, C. I. 2.). Auch die Tatsache, daß eine Gründungsinitiative angesichts der Wartefrist die Eröffnung der Schule unterläßt, wird beiseite geschoben: „Für das Scheitern einer Schule kann es viele Gründe geben". Es sei nicht substantiell geltend gemacht worden, daß die Finanzberechnungen der Initiative „repräsentativ für Ersatzschulen" seien (a. a. O.) 2.4 Das Bundesverfassungsgericht unterscheidet in seiner Randbemerkung (E 75, 40 ff., C. III. 3.) die „Anfangskosten" von den „Investitionskosten". Zu den Investitionskosten hatte sich die zitierte BVerwGE 70, 290 ff. überhaupt nicht und die zitierte BVerwGE 27, 360 ff. durchaus positiv geäußert insofern, als für Schulgrundstücke ein angemessener Betrag in den finanzhilfefähigen Schulhaushalt eingesetzt werden darf (E 27, 360 ff., 3d). Lediglich der Verfassungsgerichtshof NW (vom 3. 1. 1983, SPE VIII Β IX 1) mißversteht Errichtungskosten als Baukosten (Β. I. 2.).

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In seiner „Baukosten"-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtslage klargestellt: Die Kosten des Ersatzschulträgers für die Beschaffung der erforderlichen Schulräume dürften bei der verfassungsrechtlich begründeten Finanzhilfe „nicht völlig unberücksichtigt" gelassen werden. Zu den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 (4) Sätze 3 und 4 GG, die die Ersatzschulträger nicht aus eigener Kraft gleichzeitig und auf Dauer erfüllen können, gehöre auch das Nichtzurückstehen in den „Einrichtungen". Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes seien damit „nicht in erster Linie" Schulgebäude, sondern die „innere Ausstattung der Schule" gemeint (a. a. O., C. II. 1.). Doch erfordere der erhöhte Raumbedarf an staatlichen Schulen das Mithalten der Ersatzschulträger auch im Gebäudebereich (a. a. O.). Zwar falle die Erfüllung dieser Genehmigungsvoraussetzung auch in die Zeit der Errichtungsphase (gemeint ist die Zeit vor Genehmigung), doch wäre es nur eine „formale Begründung", wolle man deswegen dem Ersatzschulträger den „geschuldeten Ausgleich" versagen (a. a. O., C. II. 2a). Müssen in der Errichtungsphase die GenehmigungsVoraussetzungen des Art. 7 (4) Sätze 3 und 4 GG verwirklicht werden, die der Träger nicht aus eigener Kraft gleichzeitig und auf Dauer erfüllen kann, müsse „sich die Förderung grundsätzlich auch auf diese Phase beziehen" (a. a. O.). Die Unterscheidung in Kosten der Vermögensbildung und Kosten der Erhaltung erscheint dem Bundesverfassungsgericht „problematisch" (a. a. O.) und spreche „nicht gegen eine Berücksichtigung des Schulraumbedarfs bei der staatlichen Förderung" (a. a. O., C. II. 2b). Denn das Land könne sich bei Zuschüssen zu den Baukosten einen Anspruch auf Wertausgleich einräumen lassen und den Nachweis konkreter Hilfsbedürftigkeit verlangen (a. a. O.). Grundstückserwerb und Erschließungskosten dürften außer acht gelassen werden, weil diese Aufwendungen „nicht in vollem Umfang durch die Anforderungen des GG an die Genehmigung der Schule geprägt" seien (a. a. O., C. II. 3a). Schließlich könne auch für diesen Teil der Finanzhilfe eine Wartefrist vorgesehen werden (a. a. O., C. II. 3b). (s. o. 2.3.1). Wie die Investitionskosten berücksichtigt werden, bleibt dem Gesetzgeber überlassen (a. a. O., C. II. 3.). Das Bundesverfassungsgericht nennt einige Modelle (a. a. O., C. II. 3a): - Zuschüsse unmittelbar zu konkreten geprüften Baukosten, - pauschale Förderung, orientiert an den Kosten der Anmietung geeigneter Räume, - Zuschlag auf einen Schülerkopfsatz orientiert an den Investitionskosten vergleichbarer staatlicher Schulen, - Erhöhung eines an Personalkosten orientierten Zuschußsatzes deutlich über das hinaus, was der Staat „verengt auf die Personalkosten mindestens zur Existenzsicherung beisteuern müßte".

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3. Zum Ersatzschulstatus

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als Voraussetzung der Leistungspflicht

3.1 Im „Finanzhilfe"-Urteil wurde festgestellt, daß die verfassungsrechtliche Leistungspflicht als Kompensation des Unvermögens der Träger, die Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen, entwickelt wurde. Deshalb gibt es keine Leistungspflicht für Ergänzungsschulen (a. a. O., C. II. 2.). Eine solche Leistungspflicht muß den Gleichheitssatz des Art. 3 (3) GG beachten (a. a. O., C. IV.). Mit anderen Worten: alle Ersatzschulen, aber nur sie, haben Anspruch auf Finanzhilfe (so auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes sowie die „Wartefrist"-E (Β. I. 2a) und die „Baukosten"-E (C. I. 1.)). „Ersatzschulen sind Privatschulen, die nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck für eine in dem Land vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen sollen" („Baukosten"-E, C. I. 1. unter Bezugnahme auf E 27, 195 ff.). „Unerheblich ist, daß dabei von einer eigenen weltanschaulichen Basis aus ein eigenverantwortlich geprägter und gestalteter Unterricht erteilt wird mit entsprechender Lehrmethode und Lehrinhalten. Solche Besonderheiten sind den Ersatzschulen eigen" (a. a. O.). Es müssen „im Kern" gleiche Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden (a. a. O.). Waldorfschulen seien Ersatzschulen (a. a. O.). „In welcher Weise der Landesgesetzgeber die Ersatzschule im Sinne der Definition rechtstechnisch behandelt, bleibt ihm überlassen, solange er inhaltlich den Vorgaben des Grundgesetzes genügt. Es ist insoweit unerheblich, ob er bestimmten Schulen, die aus der Sicht des Bundesverfassungsrechtes Ersatzschulen sind, entsprechende Rechte im Wege einer Fiktion zukommen läßt" (a. a. Ο.). Damit bezieht sich das Bundesverfassungsgericht auf die baden-württembergische Regelung, Schulen, die nach Auffassung der Schulverwaltung Ergänzungsschulen sind (ζ. B. Waldorfschulen), den Ersatzschulstatus im Wege einer Verordnung zu erteilen (§ 3 (2) PSchG). 3.2 Der VGH Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 15. 2. 1991 (SPE 236, Seite 93 ff.) zur Qualität dieser fiktiven, „nichtregelschulakzessorischen" Ersatzschulen festgestellt, daß der Landesgesetzgeber mit dieser Gruppe „den Kreis der Ersatzschulen über den der Verfassungsnorm des Art. 7 (4) Satz 2 GG zugrundeliegenden Ersatzschulbegriff hinaus ausgedehnt" habe (a. a. Ο., II. la). Bei diesen Schulen könne der Landesgesetzgeber über den Genehmigungskatalog des Art. 7 (4) Sätze 3 und 4 GG hinausgehen und ζ. B. das Vorliegen eines öffentlichen Interesses fordern (a. a. O.). Schulen dieser Art sind „kein Ersatz für öffentliche Schule im Sinne des Art. 7 (4) Satz 2 GG und (können) sich nicht auf die bundesverfassungsrechtliche Schutz- und Förderungspflicht berufen" (a. a. O.). Der verfassungsrechtliche Ersatzschulbegriff wird also landesrechtlich auf „regelschulakzessorische" Ersatzschulen verengt; die übrigen grundgesetzlichen Ersatzschulen erhalten einen Minderstatus.

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I I I . Übersicht über die Rechtsliteratur seit 1988 In der Folge des „Finanzhilfe"-Urteils blieb verbreitete Kritik, wie sie nach den ersten Urteilen des Bundesverwaltungsgerichtes zum Finanzhilfeanspruch geäußert wurde, aus 23 . Vielmehr wandten sich Untersuchungen unter prinzipieller Akzeptanz der Grundsätze des Urteils teils der laufenden Gesetzgebung, teils Einzelproblemen, z. B. der Finanzhilfe zu den Anfangs- und Investitionskosten zu.

1. Äußerungen zur Gesetzgebung Es besteht weithin der Eindruck, daß die Landesgesetzgeber die im „Finanzhilfe-Urteil aufgestellten Grundsätze vielfach nicht oder nur teilweise umgesetzt haben 24 . So hat Baden-Württemberg mit seiner Novelle 1989 zum Privatschulgesetz die Deckung der laufenden Schulkosten von 92 auf 75 - 80 % gesenkt, eine Wartefrist von drei Jahren eingeführt und den Baukostenzuschuß für weiterführende Schulen gestrichen 25. Berlin hält seine „feine Differenzierung" 26 aufrecht, eine Ersatzschule erst dann als „Schule" zu bewerten, wenn sie voll ausgebaut ist, weil sie zwar die „wichtigsten", aber nicht alle Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt, und hält sich deshalb für berechtigt, einen Finanzhilfeanspruch erst mit Anerkennung der Ersatzschule zu gewähren 27. Sachsen-Anhalt schränkt den Kreis finanzhilfeberechtigter Ersatzschulen auf anerkannte Ersatzschulen und Ersatzschulen mit besonderer pädagogischer Prägung ein; Sachsen verspricht in seiner Verfassung Ausgleich der Schulgeldfreiheit, im Gesetz für Schulen in freier Trägerschaft eine 90 %ige Deckung der laufenden Kosten, zahlt aber nur 65 - 7 3 %; MecklenburgVorpommern führt über das Einvernehmen der Sitzgemeinde im Genehmigungsverfahren die Möglichkeit einer Bedürfnisprüfung ein 28 . Brandenburg erscheint wegen seiner günstigen Regelungen als „Lichtblick" 29 , doch böten die Aufhebung der Wartefrist und die „berechtigterweise großzügige" Zuschußregelung für Sonderschulen für den Fall der Fusion von Berlin und Brandenburg keine Hürde, die Regelung „auf das Berliner Niveau zurückfahren zu können" 30 . Außerdem habe 23

Die unmittelbar auf BVerfGE 75, 40 ff. folgende Literatur ist bereits in Kap. 5 eingear-

beitet. 24 Fr. Müller, Die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Schulgesetzgebung zur Regelung des Privatschulbereichs. Heidelberg 1991, S. 3 f.; B. Pieroth, DÖV 1992, S. 593 ff. (593); F. R. Jach, DÖV 1990, S. 506 ff. (507); J. P. Vogel (Anm. 11), S. 443; B. Hardorp, Fragen der Freiheit, Heft 209, 1991, S. 18 ff. (18 f.). 2 5 H. /. v. Pollern, DÖV 1992, S. 593 ff. 2 6 Peschke (Anm. 11), S. 133. 27 Peschke (Anm. 11), a. a. O., kritisch dazu Vogel (Anm. 10), S. 450 und schon DÖV 1984, S. 541 ff. (543 f.). 2 « Vogel (Anm. 10), S. 443 ff. 2 9 Vogel (Anm. 10), S. 450.

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Brandenburg Genehmigungen für Schulen übernommen, die vom letzten DDRBildungsministerium „vorschnell und wenig professionell genehmigt wurden" 31 .

2. Zur Bindung der Gesetzgebung an Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes Die Landesgesetzgeber seien bei der Reform des Privatschulrechtes an das vom Bundesverfassungsgericht, insbesondere im „Finanzhilfe"-Urteil zu Art. 7 (4) Satz 1 GG entwickelte Normprogramm dieser Vorschrift gebunden. Die Gesetzgebungsvorhaben dürften das Normprogramm nicht unterlaufen, ihm nicht widersprechen, vielmehr müßten sie zu seiner einfachrechtlichen Konkretisierung beitragen 32 . Demgegenüber bestehen die Befürchtungen, daß die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung gerade auch zur Finanzierung der Ersatzschulen zu weit in das Budgetrecht der Länder eingreife, weshalb diese Finanzierung im Interesse einer Stärkung des Föderalismus weitergehender als bisher den Landesverfassungen und Landesschulgesetzen überlassen bleiben sollte 33 .

3. Zum Ersatzschulbegriff Die verfassungsrechtliche Leistungspflicht setze die Genehmigung als Ersatzschule, aber auch nur diese voraus 34. Der Auffassung des VGH Baden-Württemberg, nach der Schulen, die in Baden-Württemberg kraft Landesverordnung den Ersatzschulstatus verliehen bekommen, nicht unter Art. 7 (4) GG fallen und deshalb keinen verfassungsrechtlichen Finanzhilfeanspruch haben, wird widersprochen mit dem Argument, daß der Ersatzschulbegriff bundesrechtlich vorgegeben und landesrechtlich nicht disponibel sei; eine Ergänzungsschule könne nur dann Ersatzschule bzw. eine Ersatzschule nur dann eine Ergänzungsschule werden, wenn im staatlichen Schulwesen des Landes die entsprechende Schulart entweder vorhanden oder grundsätzlich vorgesehen sei bzw. aufgehoben werde. Wenn eine Schule aber Ersatzschule sei, sei sie auch Adressatin der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht 35.

30 Peschke (Anm. 10), S. 133. 31 Peschke (Anm. 10), S. 134. Es handelt sich um die Internationale Schule Berlin Potsdam. Schulen dieser Art sind ζ. B. in Bayern und Sachsen als Ersatzschulen genehmigt. 32 Fr. Müller (Anm. 23), S. 11 ff. 33 p. Theuersbacher, ThürVwbl 1992, S. 169 ff. (177) und RdJB 1994, S. 497 ff., S. 503 ff. Ähnliche Bedenken hat wohl auch Hund (Anm. 23a), S. 1452. 34 Fr. Müller (Anm. 23), S. 63 ff. mit weiteren Hinweisen. 35 Vogel, VB1BW 1992, S. 230 f.; zustimmend P. Theuersbacher, (636). 12*

NVwZ 1993, S. 631

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Schulen, auch Schulen im Aufbau, die die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllen, müssen die Genehmigung erhalten; sie können nicht, wie ζ. B. in Berlin, mit einer vorläufigen Genehmigung, die mindere Rechte vorsieht, abgespeist werden 36

4. Zur Wartefrist Ausgehend davon, daß die verfassungsrechtliche Leistungspflicht ihren Grund darin hat, daß die Ersatzschulträger nicht in der Lage sind, alle Genehmigungsvoraussetzungen aus eigener Kraft auf Dauer zu erfüllen, und das Ziel hat, die Erfüllung zu ermöglichen, kommt auch nur die Genehmigung als Voraussetzung der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht infrage 37. So seien nicht nur Voraussetzungen wie die Anerkennung als Ersatzschule, die Entlastung des staatlichen Schulwesens, die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit verfassungswidrig, sondern auch der volle Ausbau der Schule oder eine vorgängige Bewährung. Mit der Verleihung der Ersatzschulqualität entstehe der Finanzhilfeanspruch 38. Denn die Genehmigungsvoraussetzungen müßten am ersten Tag der Genehmigung genauso erfüllt werden, wie in der Folgezeit; die Hilfsbedürftigkeit gelte für existierende wie neu errichtete Schulen; eine unterschiedliche Behandlung bestehender und neu genehmigter Schulen sei nicht zu rechtfertigen 39. BVerwGE 79, 154 ff. enthalte, soweit während der Wartefrist eine höhere Belastung der Eltern zugelassen werde, als das Sonderungsverbot erlaubt, einen „expliziten Verstoß gegen die Wortlautgrenze (des Art. 7 (4) Satz 3 GG), da sie genau auf das Gegenteil der vom Normprogramm dieser Vorschrift bezweckten Regelungsabsicht hinausläuft" 40. Der Schulträger würde zur Verletzung der GenehmigungsVoraussetzung gezwungen41. Zudem sei ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gegeben42. Dagegen werden folgende Gegenargumente vorgetragen. Die Leistungspflicht trete erst bei Gefährdung des Ersatzschulwesens als Institut ein 43 . Die Genehmigung sei noch keine Prognose für eine dauerhafte Schule „wie auch Fälle aus der Praxis zeigen" 44 . Öffentliche Mittel müßten „effektiv und nicht nutzlos" eingesetzt 36 Vogel (Anm. 26), S. 543 f.; Fr. Müller (Anm. 23), S. 36 ff. m. w. N. 37 Fr. Müller (Anm. 23), S. 63 ff.; Pieroth (Anm. 23), S. 594 f.; Vogel (Anm. 26), S. 543 ff. 38 Fr. Müller (Anm. 23), S. 69ff. 39 Fr. Müller (Anm. 23), S. 69ff.; Pieroth (Anm. 23), S. 594 f.; Jach (Anm. 23), S. 507. 40 Fr. Müller (Anm. 23), S. 73; ebenso Pieroth (Anm. 23), S. 598 m. w. N.; so auch J. Berkemann, RdJB 1987, S. 397 ff. (399 r. Sp.), der die Eigenleistung während der Anfangsphase für problematisch hält. Er nennt es „verfassungsillegitim", wenn die Besitzverhältnisse der Eltern über die Errichtung einer freien Schule entscheiden (S. 400 1. Sp.). Jach (Anm. 23), S. 507. 42 Fr. Müller (Anm. 23), S. 73 f.; Berkemann (Anm. 38), S. 4001. Sp. 43 Theuersbacher, NVwZ 1991, S. 125 ff. (132); RdJB (Anm. 31a), S. 498. 44 Theuersbacher (Anm. 33), S. 636; RdJB (Anm. 31a), S. 499.

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werden 45. Aus dem Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft zu erwarten ist, wird die Schranke der Haushaltsgrundsätze sparsamer und wirtschaftlicher Verwendung öffentlicher Mittel abgeleitet; es dürfe abgewartet werden, ob sich die Schule fachlich-qualitativ bewährt und ihre Leistungsfähigkeit beweisen kann 46 . Gegen das Argument, der Staat müsse nicht am „Unternehmerwagnis" zu Beginn einer Schulgründung teilnehmen, wird darauf hingewiesen, daß mit der Leistungspflicht nicht eine Freiheit finanziert werden soll, sondern die verfassungsrechtlichen GenehmigungsVoraussetzungen ausgeglichen werden sollen 47 . Der gemeinnützige Schulträger nähme nicht als „Unternehmer" gewinnstrebend am Konkurrenzkampf im Wirtschaftsleben teil 4 8 . Als „Anfangsfinanzierung" im Sinne des „Finanzhilfe"-Urteils wird lediglich die Gründungszeit bis zur Genehmigung verstanden 49. Soweit die Anfangsfinanzierung der Eigenleistung des Trägers zugewiesen wird, wird darauf hingewiesen, daß die Eigenleistung dogmatisch mit der Mißbrauchsabwehr begründet werde. Unter diesen Umständen dürfe die Eigenleistung das Schulgeld nicht in eine verfassungsrechtlich unzulässige Höhe treiben. Eine Eigenleistung von 10 - 20 % der Kosten sei deshalb zumutbar 50. Demgegenüber werden Zweifel gegen die Interpretation des Sonderungsgebotes durch das Bundesverfassungsgericht erhoben 51. Die Schüler würden schon allein dadurch „gesondert", daß sie eine Schule in freier Trägerschaft besuchen. Zudem würde eine Befolgung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zu einer Verdoppelung der öffentlichen Finanzhilfemittel führen und das Budgetrecht der Länder verletzen.

5. Zur Berücksichtigung der Baukosten Der Hinweis des Bundesverfassungsgerichtes auf die Investitionskosten (E 75, 40 ff.) als Eigenleistung in der entsprechenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes ging ins Leere. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß das Bundesverwaltungsgericht die Baukosten im Rahmen eines verfassungsrechtlichen An45 46 47 48 49 so

Theuersbacher (Anm. 33), S. 636; RdJB (Anm. 32a), S. 499. v. Pollern (Anm. 24), S. 65 f.; Theuersbacher, RdJB (Anm. 31a), S. 499. Fr. Müller (Anm. 23), S. 72; Pieroth (Anm. 24), S. 599 m. w. N. Fr. Müller (Anm. 23), S. 72; Pieroth (Anm. 24), S. 599; s. o. Kap. 5 II. Fr. Müller (Anm. 23), S. 74; Pieroth (Anm. 24), S. 600; Vogel (Anm. 26), S. 545. Pieroth (Anm. 23), S. 599.

5i Peschke (Anm. 11), S. 130; Theuersbacher (Anm. 33), S. 636; ausführlicher ThürVwbl (Anm. 31a), S. 173 f.; RdJB (Anm. 31a), S. 505: „Wer sich den „Luxus" leistet, die öffentliche Schule ... zu verschmähen, muß m. E. auch bereit sein, dafür eine angemessene Gegenleistung zu erbringen, ohne daß die Allgemeinheit der Steuerzahler dabei über Gebühr belastet wird".

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spruches mitberücksichtigt hatte, und daß BVerwGE 79, 154 ff. lediglich auf die falsche Verweisung des Bundesverfassungsgerichtes rekurriere 52. Selbst die „Finanzhilfe"-E spreche an mehreren Stellen davon, daß die Baukosten zum Normbereich des Art. 7 (4) GG gehören 53. Der Schulhausbau gehöre zu den Einrichtungen im Sinne des Art. 7 (4) Satz 3 GG 5 4 . Die Ausweitung der Errichtungsgarantie auf die Garantie auch des Betriebes und Bestandes schließe die Garantie der Errichtung nicht aus 55 . Ein vielbeachteter Vorschlag 56 geht dahin, die Schulbaukosten in Form der nutzungsbezogenen Investitionskosten im Rahmen der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht zu berücksichtigen 57. Aber auch andere Berechnungsmodelle - direkter Zuschuß zu den Baukosten oder Pauschalierung - werden für zulässig gehalten58. Investitionskosten vor Genehmigung seien jedoch nach der Logik der verfassungsrechtlichen Leistungspflicht nicht erstattungsfähig 59.

IV. Kritische Würdigung der Rechtsprechung und der Literatur Nach weitgehender Einigkeit zwischen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes und der Rechtswissenschaft in der Frage der verfassungsrechtlichen staatlichen Leistungspflicht gegenüber Ersatzschulen60 hat sich der Trend des Bundesverwaltungsgerichtes, seine Finanzhilferechtsprechung in wesentlichen Punkten zurückzunehmen 61, nun auch auf das Bundesverfassungsgericht erstreckt. Insbesondere die „Wartefrist"-Entscheidung macht auf dem Hintergrund der Erkenntnisse des „Finanzhilfe"- Urteils und der herrschenden Meinung 62 erhebliche Verständnisschwierigkeiten. 1. Hinsichtlich der Begründung einer verfassungsrechtlichen Leistungspflicht des Staates gegenüber allen Ersatzschulträgern aus evidenter Gefährdung des Bestandes des Ersatzschulwesens besteht Einigkeit 63 . Während aber das Bundesverfassungsgericht 64 diese evidente Gefährdung einer empirisch gesicherten „generel52 53 54 55 56 57

Pieroth (Anm. 23), S. 597. Hardorp (Anm. 23), S. 27. Fr. Müller (Anm. 23), S. 75 ff.; Pieroth (Anm. 23), S. 597. Pieroth (Anm. 23), S. 597; Hardorp (Anm. 23), S. 27 f. S. o. Kap. 5 ΙΠ. 2., Hardorp (Anm. 23), S. 28f. Pieroth (Anm. 23), S. 598; zustimmend Theuersbacher (Anm. 33), S. 636.

58 Fr. Müller (Anm. 23), S. 80 f.; Pieroth (Anm. 23), S. 600; Hardorp (Anm. 23), S. 30 ff. 59 Fr. Müller (Anm. 23), S. 79. 60 S. o. Kap. 4. 61 S. o. Kap. 1 II 2 b und BVerwGE 79, 154 ff. 62 S. ο. ΙΠ 4. 63 BVerfGE 75,40 ff. C I I I 2; BVerwGE 79, 154 ff.; BVerfGE DÖV 94, 649 ff. 64 BVerfGE 75,40 ff. C III 2; „Wartefrist"-E Β I 2 c.

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len Hilfsbedürftigkeit" der Ersatzschulen wegen des generellen Unvermögens, die verfassungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen aus eigener Kraft auf Dauer zu erfüllen, entnimmt, stellt das Bundesverwaltungsgericht 65 den einzelnen Ersatzschulträger vor die kaum lösbare Aufgabe, seine konkrete Hilfsbedürftigkeit als repräsentativ für eine Gefährdung des Bestandes des Ersatzschulwesens - wann immer die anzunehmen ist - darzustellen. Den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichtes muß entnommen werden, daß es die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes nicht teilt 66 . Schon die Abwandlung der Leitsätze des „Finanzhilfe"-Urteils und der „Wartefrist"-E weisen darauf hin. Gegenüber dem allgemeinen Grundsatz, die Handlungspflicht werde erst ausgelöst, „wenn das Ersatzschulwesen in seinem Bestand bedroht ist" (E 75, 40 ff., Leitsatz 2) heißt es in Leitsatz 1 der „Wartefrist"-E, daß Vorsorge dagegen getroffen werden müsse, „daß das Grundrecht des Art. 7 (4) GG wegen der darin enthaltenen Anforderungen praktisch kaum noch wahrgenommen werden kann". Die Evidenz der Gefährdung des Privatschulwesens muß also nicht mehr erneut und im Einzelfall nachgewiesen werden. Mit Recht hält das Bundesverfassungsgericht eine Erörterung der Frage, ob die aus Art. 7 (4) GG abgeleitete Bestandsgarantie nur eine solche der Institution des Ersatzschulwesens als ganzes oder auch eine der konkreten genehmigten Ersatzschule ist, für nicht erörterungsbedürftig, denn nach seiner zutreffenden Auffassung ist das Ersatzschulwesen gefährdet, wenn und weil ein generelles, d. h. institutionelles, nicht selbstverschuldetes Unvermögen der Ersatzschulträger gegeben ist. Weiter stellt das Bundesverfassungsgericht klar, daß es die verfassungsrechtliche Leistungspflicht nicht als Ausfluß eines („originären") Teilhaberechts versteht, sondern als Ausfluß einer über den bloßen Abwehrcharakter eines Grundrechtes hinausgehenden verfassungsrechtlichen Schutzpflicht. An dieser Schutzpflicht ist soviel klar, daß sie mehr ist als bloße Abwehr; wieweit sie sich in staatlicher Leistung konkretisiert, hängt vom zu schützenden Grundrecht ab 67 . Im Falle des Art. 7 (4) GG verdichtet sich die Schutzpflicht wegen der verfassungsrechtlichen Anforderungen zu einer obligatorischen und nicht nur einer freiwilligen Förderpflicht. Die Formulierung im ersten Leitsatz der „Wartefrist"-E, aus Art. 7 (4) GG „ k a n n " sich ein Anspruch auf Förderung ergeben, könnte als Rückzug verstanden werden. Der Rückzug aus den Teilhaberechten auf den Bereich der verfassungsrechtlichen Schutzpflicht kann im Falle des Grundrechtes aus Art. 7 (4) aber nicht den Rückzug in freibleibende Förderung zur Folge haben. Es kann den Landesgesetzgebern weder unter dem Gesichtspunkt föderalistischer Selbstbestimmung noch unter dem Gesichtspunkt eigenständigen Budgetrechtes freigestellt werden, ob sie ein Grundrecht, dessen verfassungsrechtliche Auflagen ohne staatliche Hilfe nicht mehr erfüllbar sind, untergehen lassen oder nicht. 65 BVerwGE 79, 154 ff. I I 2. 66 Diesen Unterschied übersieht Theuersbacher, RdJB (Anm. 31a), S. 500. 67 S. ζ. B. BVerfGE v. 6. 6. 1989, JZ 89, S. 840 ff. (,,Postzeitungs"-E) Β II 2.

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Ohnehin bleiben die Länder in der Förderung der Ersatzschulen gerichtlich nahezu unkontrolliert. Das Bundesverfassungsgericht hat den Geschützten keinen gerichtlich durchsetzbaren grundrechtlichen Anspruch auf Finanzhilfe zugebilligt 68 . Dadurch sind die Möglichkeiten der Ersatzschulträger sehr begrenzt. Bis zur möglichen Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Finanzregelung bedarf es in aller Regel zehnjährigen Prozessierens mit hohen Kosten, und nach Feststellung der Verfassungswidrigkeit lassen sich die Landesgesetzgeber Zeit mit der Neuregelung, die unter Umständen erneut verfassungsrechtlich bedenklich ist. Die ausdrückliche Aufzählung der verfahrensmäßigen Beschränkungen der Geschützten in der „Wartefrist"-E (Β. I. 2d), gepaart mit der ständigen Betonung des weiten Gestaltungsfreiraumes der Landesgesetzgeber, dürfte die Landespolitiker eher beruhigen. 2. Der Umfang der Leistungspflicht läßt sich aus der Begründung der Leistungspflicht ableiten : Einerseits kann er nicht höher sein als die Kosten einer vergleichbaren staatlichen Schule69 - das ist er nirgends in Deutschland und wird auch in der Literatur nirgends gefordert, so daß die Dauerbetonung dieser Obergrenze 70 wunderliche Züge trägt - , andererseits soll er die dauerhafte Erfüllung der Genehmigungsvoraussetzungen sichern 71. Es ist bedauerlich, daß das Bundesverfassungsgericht die Gelegenheit nicht benutzt hat, von dem völlig mißverständlichen Begriff „Existenzminimum" abzurücken, wo es um den Grundbedarf für die dauerhafte Gewährleistung der Genehmigungsvoraussetzungen geht 72 . Wenn ausdrücklich nur von „Minimum 7 3 gesprochen wird, wird der negative Klang des schlechten Begriffes sogar noch gesteigert. Gleichwohl bestätigen die Ausführungen auch der neuen Bundesverfassungsgerichts-Entscheidungen die Richtigkeit der hier geäußerten Auffassung. Voraussetzung der konkreten Leistungspflicht ist eine „angemessene, zumutbare" Eigenleistung des Trägers 74. Die Eigenleistung ist Ausdruck der freien Initiative 7 5 ; die individuelle Hilfsbedürftigkeit setzt erst jenseits der eigenen Leistungskraft ein; die staatliche Leistungspflicht ist subsidiär 76. Dogmatisch ist die Eigenleistung mit der Mißbrauchsabwehr begründet 77. Von einem Träger, der keine Ei68 So auch Fr. Müller/B. Pieroth/L. Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie. Berlin 1982, S. 169 ff. im Rahmen der von ihnen entwickelten Interventionspflicht; kritisch dazu, aber mit gleichem Ergebnis Hund (Anm. 21a), S. 1456. 69 S. o. Kap. 4 VI. 70 „Wartefrist"-E Β 12 c; „Baukosten"-E B.

71 BVerfGE 75, 40ff. C III 3; „Wartefrist"-E Β 12 c. 72 S. o. Kap. 3 II 3, 5 11, 7 II 4; Fr. Müller (Anm. 23), S. 54. 73 74 75 76 77

„Baukosten"-E B. BVerfGE 75,40 ff. C III 3. BVerfGE 75,40 ff. C III 3. Müller/Pieroth/Fohmann (Anm. 63a), S. 166. Pieroth (Anm. 23), S. 599; Müller/Pieroth/Fohmann

(Anm. 63a), S. 164 ff.

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genleistung erbringt, darf vermutet werden, daß sein Engagement für die Trägerschaft einer Schule nicht ausreicht 78. Andererseits muß die Anforderung an die Eigenleistung sowohl unter dem Aspekt der freien Zugänglichkeit sozial vertretbar als auch unter dem Aspekt der Mißbrauchsabwehr verhältnismäßig bleiben 79 . Nach dem „herkömmlichen Bild der Privatschule" 80 brachte der Träger die Eigenleistung aus seinem Vermögen auf; für den laufenden Schulbetrieb konnte er Schulgeld erheben. Dieses Bild hatte Theodor Heuss vor Augen, als er im Parlamentarischen Rat eine Unterstützung der Privatschulen aus öffentlichen Mitteln für eine vollkommene Unmöglichkeit hielt 81 . Dieses Bild hat sich allerdings aufgrund der Kriegsfolgen und der gesellschaftlichen Veränderungen gewandelt - dies ist der Grund, warum das Bundesverfassungsgericht die verfassungsrechtliche Leistungspflicht entwickelt hat 82 . Tatsächlich bringt heute kein Schulträger mehr die Eigenleistung aus seinem „Vermögen" - das in dieser Form nicht vorhanden ist auf, sondern aus den laufenden Beiträgen der Eltern und aus Spenden. Mit Ausnahme der Fälle, in denen Kirchen oder kirchliche Werke aus ihren Mitteln das Schulgeld ersetzen oder mindern, ist „Eigenleistung" gleichbedeutend mit „Schulgeldaufkommen" geworden. Dies trifft insbesondere dort zu, wo die Eltern selbst (Mit)Träger der Schule sind. Dies entspricht sicher nicht mehr dem „herkömmlichen Bild der Privatschule". Wird die Eigenleistung aus dem Schulgeldaufkommen aufgebracht, so ergibt sich ihre Angemessenheit notwendigerweise im Rahmen dessen, wie hoch das Schulgeld unter dem Gesichtspunkt der freien Zugänglichkeit, also des verfassungsrechtlichen Sonderungsverbots sein kann. Als konkrete Monatsbeiträge nennt das Bundesverfassungsgericht DM 170,- und DM 190,- als die freie Zugänglichkeit einschränkend 83; über ein geringeres Schulgeld hatte das Gericht nicht zu entscheiden. Die Ausführungen zur freien Zugänglichkeit im „Finanzhilfe"- Urteil sind kritisiert worden 84 , doch erscheint diese Kritik nicht stichhaltig. Das Budgetrecht der Länder kann keinen Vorrang vor einer verfassungskonformen Ordnung des Schulwesens haben; in der Ausgestaltung im einzelnen ist der Gesetzgeber weitgehend frei. Bei einem Schulgeld von ca. DM 100,- monatlich für die sich aus den Genehmigungsvoraussetzungen ergebenden Kosten ist auch keineswegs eine Verdoppelung der staatlichen Mittel erforderlich.

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Mit diesem Argument hätte BVerfGE 70, 290 ff. ohne Abweichung vom Begründungszusammenhang mit den vorangehenden BVerfGEn begründet werden können. 7 9 Pieroth (Anm. 23), S. 600, nennt 10 bis allenfalls 20 % der Betriebskosten. Das müßte nach Schularten differenziert werden. Das amtlich anerkannte Schulgeld einer Sonderschule G beträgt bei 20 % Eigenleistung mtl. DM 318,- (1992 Berlin). so „Wartefrist"-E, Β 13 a. si Zitiert in BVerfGE 75, 40 ff. - C I. 82 BVerfGE 75, 40 ff. - C II 2 b und c. 83 „Wartefrist"-E Β I 3 d 63. Dazu Kap. 4 VI. 84 S. Anm. 49.

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3. Da die staatliche Leistungspflicht aus dem Unvermögen, die Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen, entwickelt ist, tritt sie ein, sobald und solange die Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen sind, also vom ersten Tag der Genehmigung an. „Schutz und Förderung sind nicht auf bereits bestehende Ersatzschulen beschränkt. Sie müssen vielmehr so ausgestaltet werden, daß auch Neugründungen praktisch möglich bleiben" („Wartefrist"-E, Β. I. 2b). Mit dieser Formulierung stellt das Bundesverfassungsgericht den Schutz des Bestandes vor den der Errichtung, obwohl Art. 7 (4) Satz 1 GG zunächst die Errichtung und dann, im Wege der Auslegung, den Bestand gewährleistet. Nach Wortlaut und Sinn müßte zuerst die Errichtung, dann der Bestand geschützt werden; keinesfalls kann die Errichtung hinsichtlich des Schutzes einen Nachrang nach dem Betrieb haben85. Dies könnte auch das Bundesverfassungsgericht meinen, wenn es die Leistungspflicht auch für die Errichtungsphase als geltend ansieht, wenn und soweit dort Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen sind („Baukosten"-E, C. II. 2.). Wenn das Bundesverfassungsgericht hier nicht sogar die Zeit vor Genehmigung meint, dann jedenfalls die Zeit von der Genehmigung an, weil von dann an die Genehmigungsvoraussetzungen zu erfüllen sind. Die für die Erteilung der Genehmigung, also bis zur Genehmigung erforderlichen Aufwendungen fallen voll in die Eigenleistung des Trägers. Umstritten ist die Leistungspflicht während der ersten Jahre nach Genehmigung. BVerwGE 79, 154 ff. und die beiden neuen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes suspendieren de facto mit der Zulassung selbst langer Wartefristen für einen Zeitraum bis zu 11 Jahren mindestens die verfassungsrechtliche Genehmigungsvoraussetzung der freien Zugänglichkeit. Das Unvermögen des Trägers, das die verfassungsrechtliche Leistungspflicht auslöst, soll die Leistungspflicht in den ersten Jahren nach Genehmigung nun doch nicht auslösen. Bezieht dieser Widerspruch in der vom Bundesverfassungsgericht nicht bestätigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes noch aus dem unzutreffenden Verständnis der Gefährdung der Institution Privatschulwesen eine gewisse Logik: Wartefristen sind eben keine Gefährdung der Institution, da der Bestand der Schulen nicht angetastet wird - so bleibt er in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes unaufgelöst. Seine Ausgangspunkte: Die verfassungsrechtliche Leistungspflicht gebiete keine volle Übernahme der Kosten, und der Landesgesetzgeber sei frei in der Gestaltung der Leistungspflicht („Wartefrist"-E, Β 12 c), können nicht überzeugen. Die erforderliche Eigenleistung des Trägers kann, wenn sie „angemessen" sein soll, nicht so hoch sein, daß sie zur völligen Aufhebung der Leistungspflicht führen könnte; die Disposition des Landesgesetzgebers beginnt erst beim „wie" der Leistungspflicht, nicht schon beim „ob". Im Rahmen der Dogmatik des „Finanzhilfe"-Urteils hätte geprüft werden müssen, ob ein Verfassungsgrundsatz auf der Ebene der Genehmigungsvoraussetzungen existiert, der bewirkt, daß zeitweilig Genehmigungsvoraus-

85 S. o. Kap. 3 III 5 u. 6 und oben III 4 mit Literaturhinweisen, Pieroth (Anm. 23), S. 597; Müller (Anm. 23), S. 71 ; Jach, DÖV 1988, S. 1059.

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Setzungen aufgehoben werden können. Sind nämlich die Genehmigungsvoraussetzungen nicht erfüllt, muß die Genehmigung wieder entzogen werden. Die Vorenthaltung der staatlichen Leistungspflicht würde also de jure als Errichtungssperre wirken. Dies ergibt eine Prüfung der Begründungen: a) Man kann den Verstoß gegen die Genehmigungsvoraussetzung der freien Zugänglichkeit eliminieren, indem man im Sinne des „herkömmlichen Bildes der Privatschule" Eigenleistung und Schulgeld unterscheidet und im Falle der Wartefrist den Beitrag der Eltern aufteilt in ein mit der Genehmigungsvoraussetzung zu vereinbarendes mäßiges Schulgeld und ein zusätzliches „Gründungsengagement". Es gibt dann gar kein das Sonderungsverbot übersteigendes Schulgeld. Die Argumentation gleicht einem Taschenspielertrick, denn es wird etwas weggezaubert, was tatsächlich noch vorhanden ist. Das Gründungsengagement der Eltern zeigt sich bereits darin, daß für den Schulbesuch ihrer Kinder eine angemessene Eigenleistung erbracht wird, obwohl eine staatliche schulgeldfreie Schule zur Verfügung stünde. Wird von ihnen darüber hinaus ein weiterer Beitrag verlangt, bedeutet dies de facto, daß in den ersten Jahren nach Genehmigung die Schule zur nicht gewünschten „Plutokratenschule" 86 wird. Und dies selbst dann, wenn das Bundesverfassungsgericht Eltern bereits in die Pflicht nimmt 87 , deren Kinder erst zukünftig die Schule besuchen werden, denn, um etwa das kostendeckende Schulgeld von „mehreren hundert Mark" 8 8 nur um die Hälfte zu reduzieren, müßten mindestens so viele Eltern außerhalb der Schule Beiträge leisten, wie Eltern vorhanden sind, die ihre Kinder bereits auf der Schule haben (bei zehn oder elf Jahrgängen der Wartefrist noch einmal dreihundert bis vierhundert Eltern!). Indem das Gericht das im „Finanzhilfe"-Urteil überwundene Bild der „herkömmlichen Privatschule" wieder aufgreift und es ohne weiteres auf die von Eltern (mit)getragenen Schule in freier Trägerschaft überträgt, stellt es seine eigene Ausgangsposition infrage. Daß das „Gründungsengagement" mehr sein könnte als die zumutbare Eigenleistung, ist argumentativ mit dem „Unternehmerwagnis" und ,,-risiko" verbunden. Lassen wir einmal die Fragwürdigkeit des Vergleichs eines Wirtschaftsunternehmens mit einer gemeinnützigen Einrichtung beiseite89: es geht bei der Leistungspflicht nicht um die Finanzierung der Freiheit, als Initiative im Schulwesen tätig zu werden, sondern um die Kompensation der Voraussetzung, in dieser Form überhaupt erst tätig werden zu können 90 . Die Leistungspflicht stellt die Chancengleichheit zwischen staatlichen und freien Schulen wieder her, die dadurch aus der Balance geraten war, daß der Staat durch legitimen Ausbau seines 86 8v 88 89 90

BVerfGE 75,40 ff. C II 2 b; s. auch Berkemann (Anm. 38). „Wartefrist"-E, Β I 3 d bb. S. Anm. 79. S. Anm. 46. S. Anm. 45.

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Schulwesens die Genehmigungsvoraussetzungen unerfüllbar gemacht hat 91 . Wenn schon von „Unternehmenswagnis" eines Ersatzschulträgers gesprochen werden soll, liegt es in der Tat darin, daß der Träger bemüht sein muß, auf der Basis der Genehmigungsvoraussetzungen ausreichend attraktiv zu sein; es kann aber nicht darin liegen, ob er in Konkurrenz vor allem zur flächendeckenden Staatsschule die GenehmigungsVoraussetzungen erfüllen und erhalten kann. Auf den Punkt gebracht: Das Argument „Unternehmerwagnis" liegt im Zusammenhang mit der Leistungspflicht neben der Sache. Vollends irritierend ist der Hinweis, daß die Eltern sich besonders engagieren müßten, weil sie „eigene politische Zwecke" verfolgen 92. Insoweit, als sie eine bestimmte Schule für ihre Kinder haben wollen, sind Gründungseltern späteren Eltern gleich; warum dann nur Gründungseltern belastet werden sollen, ist nicht einsichtig. Die Eltern, überhaupt Ersatzschulträger verfolgen eigene, aber öffentliche Bildungszwecke; sie verwirklichen mit ihren Bildungsangeboten das Prinzip der Vielfalt im Schulwesen, das dem Bekenntnis zur Würde des Menschen, zur Entfaltung der Persönlichkeit, zur Religions- und Gewissensfreiheit und vor allem zum natürlichen Elternrecht entspringt 93. Das Bundesverfassungsgericht fällt hier auf einen längst überwundenen Bewußtseinsstand zurück, wonach Privatschulen partikulären Zwecken dienen, b) Die zeitweilige Aufhebung der Genehmigungsvoraussetzungen wird damit gerechtfertigt, daß die effektive Verwendung öffentlicher Mittel eine Teststrecke der neuen Schule erforderlich mache. Der Grundsatz effektiver Verwendung öffentlicher Mittel hat zweifellos gewichtigen Rang, aber er gilt gerade der Verwirklichung, nicht der Verhinderung der Grundrechtsausübung oder der (zeitweiligen) Aufhebung einer verfassungsrechtlich begründeten Leistungspflicht. Er kann diese Aufhebung auch nicht über den „Vorbehalt dessen, was vernünftigerweise von der Gesellschaft erwartet werden kann" 94 , bewirken 95 . Denn mit diesem Vorbehalt kann kein Haushaltsvorbehalt gemeint sein, weil die in Art. 7 (4) GG gegründete Leistungspflicht nicht zur Disposition des Landesgesetzgebers steht96. Aus dem Kontext des Zitats sowohl im „Finanzhilfe"-Urteil wie in der „Wartefrist"-E ergibt sich, daß ein Möglichkeitsvorbehalt gemeint ist: Wenn bei notwendigen allgemeinen Kürzungen des Gesamtetats der Schuletat gekürzt wird, darf mit den Kürzungen an den staatlichen Schulen auch die Leistungspflicht an Ersatzschulen gekürzt werden. Im übrigen kann der Vorbehalt zwar die Höhe der Förderung beeinflussen, nicht aber die Förderung insgesamt verhindern. 91 Peschke (Anm. 11), S. 131, der den Nachrang der Schulen in freier Trägerschaft hinter staatlichen Schulen in diesem Zusammenhang behauptet, übersieht dies. 92 „Wartefrist"-E, Β I 3 d 66. 93 BVerfGE 27, 195 ff. - D 1 1, 75, 40 ff. - C II 2 a. 94 BVerfGE 75, 40 ff. C III 3.

95 So aber v. Pollern (Anm. 24), S. 65 f. und Peschke (Anm. 11), S. 131 f. 96 S. o. Kap. 3 II 4.

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Die Bewährung des Ersatzschulträgers ist keine Voraussetzung der Leistungspflicht, denn sie ist auch keine Genehmigungs Voraussetzung97. Ebenso wenig ist es der vollständige Aufbau der Schule98, denn eine genehmigte Ersatzschule im Aufbau ist zum einen eine Schule im Rechtssinne99, und muß zum anderen die Genehmigungsvoraussetzungen analog einer staatlichen Schule im Aufbau erfüllen 1 0 0 Bemerkungen wie die, Schulen im Aufbau seien keine „vollständigen Glieder" (BVerwGE 79, 154 ff. II. 2b) eines „funktionierenden" („Wartefrist"-E, Β. I 3c) Ersatzschulwesens, sind weder tatsächlich noch rechtlich stichhaltig zu begründen. Bei staatlichen Schulen im Aufbau käme man gar nicht auf die Idee, derartiges zu behaupten. Die Bewährung des Ersatzschulträgers ist m. E. nur ein vorgeschobener Grund für einen fiskalischen. Wenn von einer Erfahrung die Rede ist, daß Schulen nach ihrer Gründung alsbald wieder geschlossen werden müssen, weil sie nicht attraktiv sind 101 , dann kann man dem nur die Erfahrung entgegenhalten, daß es seit 1946 bei konfessionellen und Waldorfschulen, also bei rd. 4/5 aller Ersatzschulen, keinen einzigen Fall einer Schließung in den ersten zehn Jahren gab 1 0 2 . Schließungen in nennenswerter Zahl gab und gibt es bei Ergänzungsschulen oder ungenehmigt tätigen Alternativschulen, nicht aber bei allgemeinbildenden Ersatzschulen. Der Aufwand für die Bereitstellung der Genehmigungsvoraussetzungen gerade im weiterbildenden Schulwesen ist so hoch 103 , daß „leichtfertige" oder „aussichtslose" Genehmigungen nur Zustandekommen, wenn die Schulbehörde aus politischen Rücksichten nicht sorgfältig prüft (das hat es auch schon gegeben). Und selbst, wenn eine solche Schule einmal geschlossen wird: öffentliche Mittel hat sie nur für die Schüler erhalten, die sie tatsächlich gleichwertig unterrichtet hat. Wäre im übrigen nur die Bewährung Garantie effektiver Mittelverwendung, stellt sich die Frage, was mit den Mitteln geschieht, die während der Wartefrist und zu ihrer Rechtfertigung freiwillig und gemindert gezahlt werden. Gerade an 97 Fr. Müller (Anm. 23), S. 69 ff. m. w. N. 98 S. Anm. 36 - 40. 99 Α. M. Peschke (Anm. 11), S. 132; die von ihm so bezeichnete „Philosophie" des Berliner Gesetzgebers ist in der Tat eine solche; sie hat mit schulrechtlicher Argumentation wenig zu tun. 100 Α. M. Peschke (Anm. 11), S. 132. Die vorläufige Genehmigung gem. § 4 (5) PSchG Β erfordert alle Genehmigungsvoraussetzungen. ιοί Andeutung bei Theuersbacher (Anm. 33), S. 636. ι 0 2 Das räumt auch Theuersbacher, RdJB (Anm. 31a), S. 499, ein, sieht aber gleichwohl die Gefahr einer Zweckverfehlung der Zuschüsse. ι 0 3 Die Ausführungen dazu in „Wartefrist"-E (Β II 3) und „Baukosten"-E (s. C I 2) sind falsch. Schulen im Aufbau sind in der Regel relativ teurer als ausgebaute Schulen, weil während der Aufbauzeit mit Personalüberhängen und ökonomisch nicht voll ausgenutzten Einrichtungen gearbeitet werden muß. Wie hier Theuersbacher, RdJB (Anm. 31a), S. 499.

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diesen Stellen der Argumentation („Wartefrist"-E, B. II. 3.) wird ihr fiskalischer Hintergrund durchsichtig. c) Ungeklärt bleibt, wann die Wartefrist zur Sperre für die Errichtung neuer Schulen wird. Für das Bundesverwaltungsgericht lag die Grenze zunächst da, wo der Aufbau der Schule abgeschlossen ist (E 79, 154 ff. - II. 2.b). Wenn es dann aber aus besonderen Gründen noch eine weitere Überschreitung zuließ, brachte es selbst sein Gedankengebäude von der Anbindung der Leistungspflicht an den Status als „vollständiges Glied des Ersatzschulwesens" und vom Austritt aus dem „vom Unternehmerrisiko geprägten Stadium" (a. a. O.) wieder zum Einsturz. Letzten Endes bleibt als Argument nur das fiskalische: der „möglichst sinn- und wirkungsvolle Einsatz staatlicher Förderungsmittel" (a. a. O.). Wann dieser gegeben ist, soll der Landesgesetzgeber im weiten Rahmen der Erhaltung der Institution des Ersatzschulwesens bestimmen. Die der Leistungspflicht zugrundeliegende Dogmatik ist damit aufgehoben. Das Bundesverfassungsgericht läßt ebenfalls offen, wann die Wartefrist zur Errichtungssperre wird. Jedenfalls dürfen die Gründer nicht entmutigt werden. Daß selbst eine Wartefrist von elf Jahren nicht als entmutigend angesehen wird, liegt daran, daß hier die Idee des finanziellen „Ausgleichs" eingeführt wird („Wartefrist"-E, Β. I. 3d) dd). Da eine Wartefrist von drei Jahren hinnehmbar erscheint („Baukosten"-E, C. I. 2.), wird man davon ausgehen können, daß eine längere Wartefrist eines „Ausgleichs" bedarf. Mit der Forderung nach einem Ausgleich trifft das Bundesverfassungsgericht auf einen Weg, auf dem eine dogmatisch befriedigende Lösung des Problems möglich wäre: Zwar wird eine zur Prüfung von Akzeptanz und Bewährung der Schule dienende Wartefrist zugelassen, doch hätte diese lediglich zur Folge, daß der Träger die Schulkosten zunächst vorfinanzieren muß, nach Ablauf der Wartefrist aber ein Ausgleich eintritt. Der Grundsatz der Leistungspflicht ab Genehmigung bliebe aufrechterhalten ; die Leistungspflicht würde aber erst nach Ablauf einer Bewährungszeit fällig. Besteht die Ersatzschule den „Test", wären die nun nachzuzahlenden Zuschüsse „effektiv" verwendet 104 . Bereits während der Wartezeit geleistete Finanzhilfen könnten angerechnet werden. Zugleich wäre die Ausgleichspflicht ein Korrektiv für die Länge der Wartefrist: unverhältnismäßig lange Wartefristen würden wegen der Höhe der Ausgleichszahlung vermutlich vermieden. Im konkreten Fall - und das zeigt erneut den fiskalischen Hintergrund der Entscheidung - wird dieser Ansatz vom Bundesverfassungsgericht nur ungenügend entwickelt. Das Gericht wendet sich dem Bayerischen Finanzhilfesystem als

104 So muß „Baukosten"-E C II 3 b verstanden werden, denn wenn die späteren Eltern nicht mehr mit der Tilgung während der Wartefrist aufgenommenen Kredite belastet werden sollen, müßte diese Belastung durch eine entsprechend erhöhte Leistungspflicht kompensiert werden.

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Ganzes zu, würdigt allerdings die Bedingungen der Finanzhilfeelemente unzutreffend (C. II. 3.): - die Finanzhilfe für die ersten vier Klassenstufen darf zur Finanzierung der Klassen 5 bis 13 nicht verwendet werden; - die „erheblichen" freiwilligen Zuschüsse während der elfjährigen Wartefrist sind, da freiwillig, nicht kalkulierbar und können deshalb die Leistungspflicht nicht ersetzen (sie betrugen im übrigen insgesamt 50 % dessen, was hätte gezahlt werden müssen); - der nach Ablauf der Wartefrist zur Regelfinanzhilfe hinzutretende freiwillige Baukostenzuschuß ist nur für zukünftige Bauten bestimmt. Der hier konkret gefundene „Ausgleich" besteht also tatsächlich nur aus für besondere Zwecke bestimmten oder freiwilligen Finanzhilfen und aus der nach der Wartefrist einsetzenden Regelfinanzhilfe. Jedenfalls werden bei dieser Art des „Ausgleichs" noch auf Jahre die Eltern - und dies sind längst keine Gründungseltern mehr - mit Tilgung und Zinsen der während der Wartezeit aufgelaufenen Kredite für Schulbau und sonstige Schulden übermäßig belastet sein, die freie Zugänglichkeit der Schule bleibt weit über die Aufbauphase hinaus beschränkt 105. Ein Ergebnis, das das Bundesverfassungsgericht gerade vermeiden wollte („Baukosten"E, C. II. 3b). 4. Die Baukosten müssen innerhalb der Leistungspflicht berücksichtigt werden 1 0 6 . Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß die Gleichwertigkeit der „Einrichtungen" zu den Genehmigungsvoraussetzungen des Art. 7 (4) GG gehört. Die Ausführungen in der „Baukosten"-Entscheidung, wonach Schulgebäude nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über den erforderlichen Raumbedarf zu den Einrichtungen gehören (C. II. 1.), sind nicht ganz verständlich. Vielleicht spielte hier noch die Denkmöglichkeit mit, das Schulgebäude als Vermögensanlage von der „inneren" Einrichtung als Faktor laufender Sachkosten zu unterscheiden. Die Unterscheidung in Investitionskosten und Erhaltungskosten wird dann aber als „problematisch" bezeichnet (C. II. 2a) und die Tatsache, daß Vermögensbildung nicht Zweck der Leistungspflicht sei, nicht gegen eine Berücksichtigung der Baukosten ausgespielt (C. II. 2b). Das Gericht hätte sich leichter getan, wenn es von den nutzungsbezogenen Investitionskosten107 ausgegangen wäre; es wäre dann deutlicher geworden, daß keine Vermögensanlage, sondern laufende Sachkosten Gegenstand der Leistungspflicht sind. Das Bundesverfassungsgericht kommt zum gleichen Ergebnis wie die herrschende Lehre. Das bedeutet, daß die Berücksichtigung der Baukosten im Pflichtbereich der Leistungspflicht liegt und Ermessenslösungen nicht ausreichen. 105 Dazu Hardorp, Kap. 7. 106

S. Anm. 50 bis 56. Neuerdings in fragwürdiger Interpretation OVG Bautzen v. 21. 6. 1995-Az. 2 S 183/94. 107 S. Anm. 54.

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Wenn aber die Baukosten im Rahmen der Leistungspflicht zu berücksichtigen sind, sind Wartefristen hier wie schon allgemein grundsätzlich verfassungswidrig. Die hier vorgesehene Wartefrist (C. II. 3b) - s. o. 3c) sieht allerdings eine Begrenzung der Vorfinanzierungsleistungen und Tilgungsbelastungen auf die Gründer (C. II. 3b) vor. Da im allgemeinen ein Schulträger nicht gleich in den ersten zwei bis drei Jahren mit einem Neubau beginnen dürfte, mag dies in den alten Bundesländern hinzunehmen sein; für Träger in den neuen Bundesländern ist es angesichts des allgemein schlechten Bauzustandes aller infrage kommenden Gebäude so gut wie unmöglich, ohne sofortige Sanierungslasten ein Gebäude zu finden 108. 5. Bringt man die verfassungsrechtlichen Irritationen der neuen Entscheidungen auf einen Nenner, dann ist es die Mischung von grundrechtlich-demokratischen, also heutigen und zukunftsweisenden Ansätzen mit traditionell- obrigkeitsstaatlichen, also gestrig-reaktionären Resten. Diese Mischung ist in Art. 7 (4) GG insofern vorgegeben, als die moderne Errichtungsgarantie des Art. 7 (4) Satz 1 umstandslos den weiteren Sätzen vorangestellt worden ist, die fast wörtlich aus Art. 147 (1) WV übernommen worden sind und auch dort nicht demokratisch-republikanische Neuschöpfungen waren, sondern ihre Wurzeln im 19. Jahrhundert (Preussische Ministerialinstruktion 1839, Preussische Verfassung 1850) haben 109 . So trifft die Errichtungsgarantie, die Gleichrangigkeit von staatlicher und freier Schule in der Erfüllung eines öffentlichen Bildungsauftrages in einem vielfältigen Schulwesen zur Konsequenz hat, auf Begriffe wie „Privatschule" und „Ersatzschule", die aus einer Zeit stammen, in der öffentliche Aufgaben Sache des Wohlfahrtsstaates waren, Privates als exclusiv angesehen wurde und die Privatschule nur dort zugelassen war, wo die staatliche Schule eine Lücke ließ, diese Lücke dann staatskonform, eben als Ersatz für fehlende staatliche Schule auszufüllen war, und Ersatz als nachrangig gegenüber staatlichen Schulen verstanden wurde 110 . Nach 1948 hielt sich lange die Auffassung, daß die Errichtungsgarantie am traditionellen Verständnis des Art. 7 (4) GG nichts geändert habe 111 . Mit seiner Entscheidung vom 8. 4. 1987 steht das Bundesverfassungsgericht auf dem Boden der Errichtungsgarantie, des Gleichrangs von staatlichen und freien Schulen, der individuellen Grundrechte. Mit den Entscheidungen vom 9. 3. 1994 drängen sich traditionelle Gesichtspunkte in den Vordergrund: Das „herkömmliche Bild der Privatschule", das offensichtlich dem 19. Jahrhundert entnommen ist; die „eigenen bildungspolitischen", also nicht-öffentlichen Zwecke der Gründungseltern; die zeitweilige Aufhebung der Genehmigungsvoraussetzungen so, als handele es sich bei Art. 7 (4) GG um einen Programmsatz und nicht um ein Grundrecht; 108 s. Hardorp (Anm. 23), S. 23 f. 109 Landé, in: Nipperdey, Kommentar zur WV 3. Band 1930, S. 24 f. no Dazu Jach, Schulvielfalt als Verfassungsgebot 1991; Vogel, RdJB 1983, S. 170 ff.; Heckel, Privatschulrecht 1955, S. 33 f. m Siehe aber Heckel (Anm. 100), S. 41; Friedrich nach dem Grundgesetz, 2/1982, S. 318 ff.

Müller, Das Recht der Freien Schule

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kurz: der Schutz des Bestandes eines Ghettos freier Schulen als Erhaltung der Institution zu Ungunsten von Neugründungen, also zu Ungunsten des Individualgrundrechtes. Ist der Besuch einer Schule in freier Trägerschaft die Ausübung eines Grundrechtes auf freie Schulwahl im Rahmen der verfassungsrechtlich gewollten Schulvielfalt oder ist er ein „Luxus", eine „Verschmähung" 112 des staatlichen Schulangebotes? Wielange wird es noch dauern, bis der demokratische Gehalt der Privatschulgarantie auch den übrigen Gehalt des Art. 7 transformiert und die Gleichrangigkeit der Schulen freier und staatlicher Trägerschaft das öffentliche Bewußtsein erreicht hat?

V. Schulpolitische Perspektiven Die beiden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes, durch die im Ergebnis die restriktive Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt wird, hinterlassen in rechtsdogmatischer Hinsicht erhebliche Irritationen und Rechtsunsicherheit. Die 1987 in der Frage der Finanzhilfe gefundene Einheit von Rechtsprechung und herrschender Lehre ist schon wieder zerbrochen. Das geht zu Lasten der Träger, denn Prozesse dieser Art dauern ein Dutzend Jahre. Politiker wissen jetzt, welche Wortwahl sie zu benutzen haben, wenn sie Wartefristen begründen („Wartefrist"-E, Β. II. 2.). Schon in nächster Zeit ist mit dem Ausbau der so sparwirksamen Wartefristen zu rechnen, ohne daß feststünde, wann sie eine unzulässige Sperrwirkung für die Errichtung von Ersatzschulen entfalten. Offen geblieben ist, welcher Ausgleich bei Einführung oder Verlängerung von Wartefristen vorzusehen sei. Ob, wann und wie die „Baukosten"-E von den Landesgesetzgebern berücksichtigt wird, ist völlig offen. Das Beunruhigendste ist die zunehmende Freigabe bundesverfassungsrechtlicher Vorgaben des Art. 7 (4) GG zur Disposition durch Landesgesetzgeber und -schulverwaltungen. Das betrifft zum einen die Disposition über die Ersatzschulqualität durch Verordnung - „es ist unerheblich, ob (der Landesgesetzgeber) bestimmten Privatschulen, die aus der Sicht des Bundesverfassungsrechtes Ersatzschulen sind, entsprechende Rechte im Wege einer Fiktion zukommen läßt" („Baukosten"-E, C. I. 1.); wozu bedarf es der Fiktion, wenn der Ersatzschulstatus bundesverfassungsrechtlich vorgegeben ist? Zudem ist die Fiktion Ausgangspunkt für weitere einschränkende Interpretationen (s. o. III. 3.) zum anderen betrifft es die Disposition über die zeitweilige, zum Teil langfristige Aufhebung von Genehmigungsvoraussetzungen aus fiskalischen Gründen (s. ο. IV. 3.)· Neue Perspektiven für Freie Schulen? Schulpolitisch ist die neue Rechtsprechung ein zweifelhaftes Signal. Zwar werden bestehende Ersatzschulen kaum betroffen, weil sie bereits jenseits der Wartefristen stehen und die Hoffnung haben können, daß die Landesgesetzgeber hinsichtlich der Baukostenberücksichtigung vielleicht Konsequenzen ziehen. Schlimmer ist die Situation für die in Gründung 112 Siehe Anm. 49. 13 F. Müller/B. Jeand'Heur

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Johann Peter Vogel

oder im Aufbau befindlichen Ersatzschulen, besonders in den neuen Bundesländern. Das Bundesverfassungsgericht hatte diese Situation im Blick 1 1 3 . Wenn hier festgestellt wird, daß es „angesichts knapper Mittel" naheläge, „in der Privatschulgesetzgebung Wartefristen vorzusehen und auf Zuschüsse zu Baukosten zu verzichten", weil noch erhebliche Mittel in das öffentliche (staatliche) Schulwesen zu investieren seien, und die Gefahr angedeutet wird, daß der Staat „Privatschulen trotz knapper Mittel über das geschuldete Minimum hinaus zu Lasten seines öffentlichen Schulwesens" fördern könnte, dann gerät aus dem Blick, daß auf dem Boden der neuen Bundesländer über 50 Jahre lang das staatliche Schulwesen monopolistisch gefördert worden ist, und es wäre zu wünschen gewesen, daß nunmehr die Errichtung von Schulen in freier Trägerschaft mindestens nachdrücklich ermutigt worden wäre. Noch längst nicht haben die Bürger in den neuen Bundesländern eine mit den alten Ländern vergleichbare Wahl an Angeboten von Schulen in freier Trägerschaft. Da soll dann der Ruf nach verfassungskonformer Förderung „nicht in das gesellschaftliche Umfeld" passen?114 Nirgends in der Bundesrepublik wurden und werden Schulen in freier Trägerschaft „zu Lasten des öffentlichen Schulwesens gefördert", vielmehr sind noch längst nicht in allen Ländern die Konsequenzen aus dem „Finanzhilfe"-Urteil von vor sieben Jahren gezogen worden, im Gegenteil. Auch das Bundesverfassungsgericht arbeitet mit der abschreckenden Wirkung von globalen Finanzhilfebeträgen 115 , ohne daß diese Beträge in Relation gesetzt würden zu den Kosten staatlicher Schulen, wo sie sich dann so relativ ausnehmen würden, wie sie tatsächlich sind. Freilich hat der in der „Wartefrist"-Entscheidung Platz greifende Mangel verfassungsrechtlicher Dogmatik auch positive Perspektiven. Die Entscheidung trifft pragmatisch den Fall von Waldorfschulen in Bayern. Schon für eine als Gymnasium genehmigte Ersatzschule in Bayern sieht die Wartefrist ganz anders aus: bei gleicher Länge (6 Jahre) gibt es weder eine Grundschulfinanzierung noch freiwillige Leistungen, und die endgültige Finanzhilfe ist nur halb so hoch wie die für die anerkannten Gymnasien. Von einem „Ausgleich" kann hier also erst recht nicht die Rede sein. Das gleiche gilt für Berlin, wo die Wartefrist je sechs Jahre im Grundschulbereich und Gymnasialbereich (für genehmigte Gymnasien sogar 11 Jahre) dauert, und weder freiwillige Leistungen noch Baukostenfinanzierung gewährt werden. Auch wird der zunächst eingetretene Widerspruch von Eigenleistung samt Schulgeld einerseits und Sonderungsverbot andererseits aufgelöst werden müssen. Hier liegen Möglichkeiten einer Differenzierung durch weitere Rechtsprechung, die dann vielleicht nicht in eine Zeit der knappen öffentlichen Haushalte fällt. us „Baukosten"-E, B. Dazu auch Hardorp (Anm. 23), S. 23 f. 114

Peschke (Anm. 11), S. 132, als Exponent westlich- restriktiver Schulverwaltung. h 5 „Wartefrist"-E, B. II. 3. Isolierte Zahlenangaben gehören zum politischen Arsenal von Schulverwaltungen; s. auch Peschke (Anm. 11), S. 132, Anm. 16; v. Pollern (Anm. 24), S. 62, 65.

7 Die Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen für die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft Von Rüdiger Haug, Diplomkaufmann, Mitarbeiter des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung, Frankfurt am Main

Übersicht I. Unterschiedliche Ansätze zu Ausgabenuntersuchungen im Schulwesen in Wissenschaft und Verwaltung II. Die staatliche Schule und ihre Ausgaben III. Die Ausgangsdaten für die Berechnung der unitcosts staatlicher Schulen IV. Die modellgestützte Unitcostberechnung V. Die Ermittlung und Berechnung von Schülerzahlen, Lehrervolldeputaten, SchülerLehrer-Relationen und Ausgabenkennwerten pro Schüler und Lehrervolldeputat (unitcosts) staatlicher Schulen (mit Kontrollgruppe Freie Waldorfschulen) in den Ländern der alten Bundesrepublik Deutschland jeweils in den Jahren 1986 bis 1991 bzw. 1993 sowie deren Veränderungen im Zeitablauf 1. Schülerzahlen, Lehrervolldeputate und Schüler-Lehrer- Relationen 2. Betriebsausgaben pro Schüler (Schülerunitcosts) 3. Investitionsausgaben 4. Personalausgaben pro Lehrervolldeputat (Lehrerunitcosts) 5. Veränderungen von Schülerzahlen, Lehrervolldeputaten Betriebsausgaben, Lehrpersonalausgaben sowie Schüler- und Lehrerunitcosts von 1986 bis 1991 bzw. 1993 VI. Unitcosts als Orientierungshilfe für die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft 1. Der Zusammenhang der praktizierten Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft mit der Ausgabensituation (unitcosts) des staatlichen Schulwesens in den Ländern 2. Probleme bei der Heranziehung von Istunitcosts der Vergangenheit als Orientierungshilfe für die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft VII. Zusammenfassung 13=

Rüdiger Haug

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I. Unterschiedliche Ansätze zu Ausgabenuntersuchungen im Schulwesen in Wissenschaft und Verwaltung Es gibt Hinweise, daß das Interesse an Aufwand, Ausgaben und Kosten von Schulen schon im letzten Jahrhundert vorhanden war 1 . Hier soll ein Blick auf die Bemühungen um die Ermittlung bzw. Berechnung von Einheitskosten - engl, unitcosts - nach dem I I Weltkrieg geworfen werden. Einerseits, weil dabei bereits wesentliche Probleme von Ausgabenuntersuchungen im Schulwesen angedeutet werden, zum anderen, weil deutlich wird, welche zentrale Rolle das 1951 gegründete Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt 2 bei den Bemühungen um die Berechnung von Schulausgaben gespielt hat. Hinzuweisen ist zunächst auf die ebenso bedeutenden wie unbekannten Arbeiten über die Schulfinanzierung von Strevell 3, der im Auftrag der amerikanischen Hochkommission bereits 1948/49 die laufenden Ausgaben für die Schulunterhaltung in 175 Schulgemeinden der amerikanischen Besatzungszone untersuchte. Dabei hat er schon wesentliche Aspekte von Kosten- bzw. Ausgabenuntersuchungen im Schulwesen angesprochen : - Es geht um die Ermittlung der durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler, also um Einheitskosten (unitcosts), um die Schulausgaben verschiedener Schularten, Gemeinden oder Länder miteinander vergleichen zu können. - Die Frage, ob Voll- oder Teilkostenberechnungen angestrebt werden sollen, wird zugunsten der Erfassung möglichst aller von „Schule' 4 verursachten Ausgaben (Vollkostenrechnung) beantwortet; es wird nicht nur gesehen, daß sowohl auf staatlicher als auch kommunaler Ebene Schulausgaben anfallen, sondern innerhalb dieser Schulkostenträger keineswegs nur in den für „Schule" zuständigen Ressorts, sondern ζ. B. auch etwa im Finanz-, Innen-, Wirtschafts-, Bau- oder anderen Ressorts. - Das Problem der hinreichend exakten Zurechnung von Ausgaben und Schülerzahlen zu entsprechend definierten Schulartkategorien, um echte Kennwerte pro Schüler (unitcosts) errechnen zu können. - Die Schwierigkeit, aber nach dem angestrebten verursachungsgerechten Vollkostenprinzip gleichzeitige Notwendigkeit, der Einbeziehung der anteiligen Beamtenpensionen in die Personalausgaben im Schulbereich. 1

Vgl. Kahlert/Döring,

Schulausgaben und Bildungskosten, 1973, Anmerkung 4 auf Seite

25. 2 Im Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung Frankfurt (von 1951 bis 1964 Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung) wurden Schulkosten- bzw. -ausgabenuntersuchungen sowohl in der Abteilung „Recht und Verwaltung" unter Leitung von Prof. Heckel, als auch in der Abteilung „Ökonomie" zunächst unter Leitung von Prof. Eding, dann von Prof. von Recum durchgeführt. 3 Strevell, Schulfinanzierung in Deutschland, o.O., 1950.

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Nach Strevell kommen somit für Vergleichsuntersuchungen allein die Einheitskosten in Frage, ferner können sinnvolle Parameter auf den verschiedenen Aggregationsebenen nur Durchschnittskosten sein, Ausgaben und Schülerzahlen als Basis für unitcosts müssen auf dieselbe Kategorie ζ. B. Schulart bezogen sein, es sollten tatsächliche Istausgaben der Vergangenheit untersucht werden und schließlich sollte die Einbeziehung möglichst aller Ausgaben nach dem Verursachungsprinzip angestrebt werden. Dennoch ging es in dieser Untersuchung weniger um die Entwicklung eines methodischen Konzepts zur Ausgabenuntersuchung im Schulwesen, sondern um den empirisch abgesicherten Hinweis auf große Varianzen bei den laufenden Schulausgaben von Gemeinde zu Gemeinde schon 1948/49, um damit das Bewußtsein für die Bedeutung der materiellen Grundlagen von „Schule" zu schärfen und einen Anstoß für die Verbesserung der Finanzausstattung der Schulen im Rahmen einer Schulfinanzreform zu geben. Strevell errechnete für 1948/49 Einheitskosten für Volks-, Berufs- und höhere Schulen. Von bis heute grundlegender Bedeutung für die Entwicklung einer Methodik für Ausgabenuntersuchungen im Schulwesen sind die Bemühungen von Heckel 4 Anfang der 50er Jahre. Er war, neben seinem bekannten Engagement im Bereich der Schulrechtskunde, stets interessiert an Fragen der Schulkostenuntersuchung. Seine Arbeit auf diesem Gebiet war gleichzeitig der Beginn bis heute andauernder Bemühungen um Entwicklung und Verbesserung der Methodik der Untersuchung von Einheitsschulausgaben oder unitcosts am Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung in Frankfurt. Von Heckel wurden bereits viele heute noch vorhandenen Schwierigkeiten und Fehlerquellen bei Ausgabenuntersuchungen im Schulwesen erkannt und angesprochen. Die für öffentliche Schulen maßgebliche Ausgabendokumentation liegt sowohl in prospektiven Haushaltsansätzen (Soll-Ausgaben) als auch in retrospektiven Rechnungsergebnissen (Ist-Ausgaben) vor. Die Soll-Ausgaben in allerdings nur in getrennten und nur bedingt kompatiblen Haushaltsplänen von Bund, Ländern und zahlreichen Landkreisen und Kommunen, die Ist-Ausgaben in zusammengefaßter Form der Finanzstatistik auf Länder- und Bundesebene für alle Rechnungsergebnisse von Bund, allen Ländern und sämtlichen Landkreisen, Kommunen und Zweckverbänden. Diese Rechnungsergebnisse der Finanzstatistik stehen allerdings erst mit einem zeitlichen Verzug von 2 bis 3 Jahren nach Abschluß des betreffenden Rechnungsjahres vollständig zur Verfügung. Da es bisher noch keine für alle Länder der Bundesrepublik einheitliche besondere Schulfinanzstatistik gibt, liegen in der allgemeinen Finanzstatistik erhebliche nach dem Verursachungsprinzip relevante Abweichungen bei den Schulausgaben von Land zu Land vor. Erwähnt werden u. a. die unterschiedliche Behandlung der 4 Heckel, Die Berechnung der Schulkosten, in: Die Sammlung 8 (1953), Seite 197 - 216.

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Versorgungsbezüge für Beamte, aber auch zahlreiche schulrelevante Ausgaben, die gar nicht im Schul- oder Kultusetat nachgewiesen werden. Heckel erkannte schon frühzeitig die Mängel in der unvollständigen Rechnungslegung der öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft einerseits und der unpräzisen Dokumentation schulrelevanter Fakten wie etwa exakt nach Schulartkategorien abgegrenzte Schülerzahlen in der Schulstatistik andererseits, die bis heute die Hauptprobleme für die Berechnung von Einheitskosten im Schulwesen darstellen. Er versuchte dennoch vor dem Hintergrund dieser Schwierigkeiten methodische Berechnungsgrundsätze für Schulkostenuntersuchungen zu formulieren, die bis heute richtungsweisend geblieben sind: Konzentration auf Durchschnittskosten als vergleichbare Normalwerte, konsequente Anwendung des Bruttoprinzips durch Erfassung aller schulrelevanten Kosten, insbesondere ζ. B. Versorgungsbezüge für Beamte, aber auch zahlreiche schulrelevanten Kosten, die weder im Schul- noch im Kultusetat nachgewiesen werden, Bezug der Kosten auf die Einheit „Schüler " als Grundlage für die Berechnung von vergleichbaren unitcosts (DM/Schüler) und methodisch fundierte Abgrenzung des Untersuchungsobjekts „ Schule Heckel untersuchte Anfang der 50er Jahre die Einheitsausgaben für Volks-, Sonder-, Mittel- und höhere Schulen sowie 1958 für Berufs- und Berufsfachschulen jeweils im Bundesdurchschnitt5. Man erkennt unschwer, daß sich in diesem Programm wesentliche methodische Eckpfeiler von Strevell wiederfinden. Angeregt von dieser grundlegenden methodischen Arbeit erschien 1963 eine umfangreiche Berechnung der Durchschnittsausgaben für Schulen und Hochschulen im Längsschnitt von 1950 bis 1960 auf Basis der amtlichen Finanzstatistik6. Methodisch ist dabei eine erstmals stark ausdifferenzierte kategoriale Analyse nach Ausgabenarten (fortdauernde, Investitions- und Transferausgaben), Bildungseinrichtungen (allgemeinbildende Volks-, Mittel- und höhere Schulen, berufsbildende Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen, Schulverwaltung und sonstiges Schulwesen) in Bund und Ländern, soweit sie die Gliederung von Finanz- und Schulstatistik zuläßt, bemerkenswert. Es wird streng nach dem Bruttoprinzip verfahren. Bewußt werden Versorgungsausgaben für Beamte und Ausgaben für Beihilfen u. ä. in die Personalausgaben eingerechnet: „Betrachtet man aber die Versorgungsbezüge, die eine zusätzliche laufende Belastung der Gebietskörperschaften bedeuten, als fiktive Pensionsrückstellungen für die aktiven Beamten, so folgt daraus die Rechtfertigung ihrer Zurechnung zu den fortdauernden Ausgaben"7. Wie die Versorgungsanteile konkret berechnet werden, bleibt allerdings unklar. Auch die bei der Berechnung der Einheitskosten zugrundegelegten Schülerzahlen sind offenbar ohne Anpassung an die unterschiedlichen Schulartkategorien und den Zeitraum 5 Heckel, Zahlen des Schulwesens und seiner Kosten in der Bundesrepublik, in: Die Deutsche Schule 50 (1958). 6 Palm, Die Ausgaben für Schulen und Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland 1950 - 1960, Hochschule für Internationale Pädagogische Forschung Frankfurt, 1963.

7 Palm, a. a. O., S. 21.

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der Finanzstatistik (Kalenderjahr) einfach der Schulstatistik (Schuljahr) entnommen. Wenn man weiß, daß sich die Struktur von Finanz- und Schulstatistik seither wenig verändert hat, so ist das Resümee von Palm ernüchternd: „Ihre (gemeint sind die Ausgaben je Schüler, d. Verf.) Erforschung ist eine äußerst komplexe Aufgabe, und einem tieferen Eindringen in dieses Problem sind beim gegenwärtigen Stande der Finanz- und Kulturstatistik enge Grenzen gesetzt"8. Im Grund auf derselben methodischen Grundlage berechnet Weiss für 1958 die Einheitskosten für Volks- und Sonderschulen in den Ländern der Bundesrepublik 9. Neben den Ausgaben pro Staatsschüler errechnet er zum ersten Mal auch die Zuweisungen je Schüler an private Schulen. 1969 entwickelt Siewert im Rahmen eines Gutachtens zur Ausgabenberechnung für Ganztagsschulen für den Deutschen Bildungsrat ein Plan- und Standardkostenmodell, mit dessen Hilfe er u. a. auch zu Standardeinheitskosten je Schüler gelangt 10 1973 greifen wiederum zwei Mitarbeiter des Deutschen Instituts in einer Fallstudie das zweite, ursprünglich von Heckel angesprochene Erkenntnisziel von Schulkostenanalysen, nämlich die Ermittlung der „wirklichen Kosten einer bestimmten Lebenseinheit (gemeint ist eine konkrete Einzelschule, d. Verf.) in einem bestimmten Raum zu einer bestimmten Zeit" 1 1 auf 12 . Obgleich auch sie von dem bis dahin im Zentrum des Analyseinteresses stehenden Parameter der Einheitskosten ausgehen13, liegt ihr Erkenntnisinteresse, dem ein neuer methodischer Ansatz entspringt, in einer übrigens schon bei Strevell 14 anklingenden ökonomischen Rationalisierung des Bildungswesens15. Sie gehen von der „Diskrepanz zwischen vorhandenem - nämlich kameralistisch-finanzwirtschaftlich organisiertem - Datenmaterial (Finanzstatistik, Haushaltspläne, d. Verf.) s Palm, a. a. O., S. 105. 9

Weiss, Die Ausgaben für Schüler von Volks- und Sonderschulen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung Frankfurt, Frankfurt 1964. 10 Siewert, Ausgabenrechnung für Ganztagsschulen, 2. Aufl. 1972. u Heckel, Fußnote 4, S. 197. ι 2 Kahlert/Döring, Schulausgaben und Bildungskosten, Weinheim 1970. 13 Kahlert/Döring, a. a. O., S. 3, Tab. 1-a: Einheitsausgaben und Art der Bildungseinrichtungen und Ausgabenart im Jahre 1967 in DM. Quelle: Bericht zur Bildungspolitik, Bundestagsdrucksache VI/925 vom 8. 6. 1970, Tab. 17 und 26, S. 27 und 56. 14 Strevell, a. a. O. 15 Vgl. hierzu auch Edding, Ökonomie des Bildungswesens, 1963; Krommweh, Die Schule - ein Stiefkind der Rationalisierung, in: Fortschrittliche Betriebsführung 15 (1966) 3, S. 61 73; Ottwaska, Die Schule als Bildungsbetrieb, in: Wirtschaft und Erziehung 19 (1967) 4, S. 145 - 153; von Recum, Die Schule in betriebswirtschaftlicher Sicht, in: Freie Bildung und Erziehung 44 (1968) 12, S. 346 - 359; von Recum, Aspekte der Bildungsökonomie, 1969.

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und bildungsökonomischem - nämlich betriebswirtschaftlichem Erkenntnisinteresse" 16 aus, und versuchen diese im Rahmen einer Fallstudie durch Umrechnung der kameralistisch gegebenen Ausgabendaten in betriebswirtschaftlich analysierbare Kostenparameter zu verringern und dabei für vergleichende „Untersuchungen über Kostenniveau und -struktur einzelner Bildungseinrichtungen sowie über Bestimmungsfaktoren zu Kostenunterschieden zwischen vergleichbaren Institutionen wichtige Hinweise für eine betriebswirtschaftliche Rationalisierung des Bildungswesens (zu) geben" 17 . So methodisch interessant dieser Ansatz ist, er kann wegen nach wie vor fehlender einzelschulbezogener Kosten- bzw. Ausgabendokumentation nicht fruchtbar gemacht werden. Nicht umsonst wählten die Autoren zur Entwicklung und Darstellung ihres Ansatzes ein Fallbeispiel aus dem Hochschulbereich. Ein stärker betriebswirtschaftliches Analyseinteresse im Rahmen von Schulkostenuntersuchungen stellt auch der Versuch von Siewert dar, eine Kostenrechnung für Schulen in öffentlicher Trägerschaft zu entwickeln 18 . Dieser Ansatz versucht das bislang unbefriedigend gelöste Problem der exakten Abgrenzung und Definition des Untersuchungsobjekts „öffentliche Schule" als Voraussetzung für eine verursachungsgerechte Vollkostenuntersuchüng durch Anwendung der betriebswirtschaftlichen Kostentheorie und -rechnung auf die Realität öffentlich verwalteter Schule methodisch aufwendig zu lösen. Der Ansatz bleibt jedoch theoretisch. 1978 veröffentlichte Haug eine vergleichende Längsschnittuntersuchung der Einheitsbetriebskosten pro Schüler von 9 Ganztagsmodell- und 22 Halbtagsregelschulen in Baden-Württemberg von 1970 bis 197719. Methodisch orientierte sich diese Arbeit an den Ansätzen von Heckel, Palm und Kahlert/Döring 20. Im Grunde sind es 31 Fallstudien, deren zusammenfassender Vergleich zu Durchschnittskennwerten pro Schüler führten. Methodisch bemerkenswert ist allerdings, daß sowohl Ausgabenwerte der Finanzstatistik und des Landeshaushaltsplanes als auch einzelschulische Ausgaben aus kommunalen Haushaltsrechnungen für die Datengewinnung herangezogen wurden. Die errechneten Ausgaben setzten sich demnach aus einzelschulischen Ist-, kommunal- und landesdurchschnittlichen Ist- und landesdurchschnittlichen Soll-Ausgaben zusammen. Versorgungsausgaben für Beamte und Beihilfen sowie allgemeine Verwaltungsausgaben blieben unberücksichtigt, da das Interesse der Untersuchung auf die Ermittlung der relativen Ausgabenunterschiede zwischen Modell- und Regelschulen gerichtet war. Es handelte sich also um eine Teilkosten- bzw. -ausgabenuntersuchung.

16 Kahlert/Döring, 17 Kahlert/Döring, 18

a. a. O., S. 1. a. a. O., S. 1.

Siewert, Kostenrechnung für Schulen in öffentlicher Trägerschaft, 1976. ι9 Haug, Die Ausgaben von Modell- und Regelschulen im Vergleich. Landesstelle für Erziehung und Unterricht, Stuttgart 1978. 20 Siehe jeweils a. a. O.

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1983 entwickelte Haug an Hand einer vergleichenden Querschnittanalyse der Einheitsausgaben pro Schüler von staatlichen Schulen und Freien Waldorfschulen in 4 Ländern und 6 Kommunen im Jahre 197821 eine weitere Modellvariante für Ausgabenanalysen im Schulwesen. Akribische Analysen von Haushaltsplänen, Finanzstatistik und Schulstatistik auf Landes- und kommunaler Ebene erbrachten erstmals den Nachweis, daß die Zuordnung der Ausgabenart „Personalausgaben" zu einzelnen Schulartkategorien in der Finanzstatistik keineswegs verursachungsgerecht, sondern bisweilen höchst ungenau ist. Dies zwang zur Entwicklung einer methodisch aufwendigen Umwegberechnung der so wichtigen Lehrpersonalausgaben mit Hilfe des Parameters der in der Schulstatistik nachgewiesenen durchschnittlichen „Unterrichtswochenstunden" pro Schulart und deren Umrechnung in Volldeputate mit Hilfe einer empirisch ermittelten schulartspezifischen Gewichtung der durchschnittlichen Besoldung pro Lehrervolldeputat. In dieser Untersuchung wurden auch in einer konsequenten Vollkostenrechnung die Ausgaben für Beamtenversorgung, Beihilfen und Unterstützungen, für Schul- und Unterrichtsverwaltung und für sonstige bzw. übrige schulische Aufgaben als Gemeinkosten mit Hilfe einer Zuschlagskalkulation anteilig in die Einheitsausgaben eingerechnet. Ferner wurden erstmals Ausgabendaten und Schülerzahlen auf denselben Zeitraum, nämlich das Kalenderjahr bezogen, indem die für Schuljahre dokumentierten Schülerzahlen anteilig auf Kalenderjahre umgerechnet wurden. Die Studie versuchte einen Vergleich der Einheitsausgaben auf kommunaler und auf Landesebene. Errechnet und verglichen wurden jeweils die Kennwerte von staatlichen Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien, deren Durchschnittswerte als gegliedertes Schulsystem, von Gesamtschulen und die Durchschnittswerte aller staatlichen allgemeinbildenden Schularten sowie die Kennwerte von 6 Freien Waldorfschulen an insgesamt 6 kommunalen Standorten in jeweils 4 Ländern. Etwa zur selben Zeit versuchten Hardorp und Vogel auf umgekehrtem Weg zum Ziel zu gelangen22. Sie gingen vom Mengengerüst angeblich hinlänglich bekannter allgemeiner Schulkosten für ein Gymnasium aus und versuchen mit Hilfe durchschnittlicher Bewertungsrichtwerte aus unterschiedlichen Ländern im Rahmen einer generellen zuschlagskalkulatorischen Hoch- und Umrechnung derartiger Standardschulkosten zu standardisierten, typischen Einheitskosten pro Gymnasiast zu kommen. Die Methodik einer Standardkostenberechnung erfordert umfangreiche, zuverlässige und hinreichend differenzierte Informationen über das jeweils schularttypische Mengengerüst, um das mit Hochrechnungen verbundene Fehlerrisiko der Berechnung zu minimieren. Diese Voraussetzungen sind im Schulbereich nicht gegeben. Den Autoren ist auch selbst bewußt, daß ihre Hochrechnungen sehr fehlerrisikobehaftet sind und sie gestehen selbst ein, daß ihre Untersuchung keinen 21 Haug, Die Ausgaben von staatlichen Schulen und Freien Waldorfschulen im Vergleich, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung Frankfurt, Frankfurt 1983. 22 Hardorp/Vogel, Wieviel kostet ein Schüler?, in: schulmanagement 5 (1983).

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Anspruch auf wissenschaftliche Qualität erhebt. Ohne auf Vor- und Nachteile von Standard- oder Plankostenrechnungen im Schulwesen näher eingehen zu wollen, soll festgehalten werden, daß die Verfolgung dieses methodischen Ansatzes eine wichtige Ergänzung von Ist-Ausgabenuntersuchungen verspricht. Im Verfolg der systematischen methodischen Weiterentwicklung und Verfeinerung des Berechnungsmodells für Einheitsausgaben (unitcosts), das im wesentlichen auf Arbeiten von Mitarbeitern im Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung zurückgeht, wurden von Haug ab 1975 fortlaufend Schülerunitcosts staatlicher Schularten in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland berechnet. Hierbei wurde immer deutlicher, daß die kategoriale Abgrenzung der Schulausgaben und ihre Zuordnung zu definierten Schulartkategorien in der Finanzstatistik auf Bundesebenen einerseits, und die Zuordnung von Schülerzahlen zu davon abweichend definierten Schulartkategorien in der Schulstatistik auf Landes- und Bundesebene andererseits äußerst ungenau, von Land zu Land sehr unterschiedlich und zwischen Finanz- und Schulstatistik keineswegs kompatibel ist. Aufgrund der problematischen Ergebnisse, insbesondere für die Schulartkategorie „Gesamtschule", wurden in einem Arbeitspapier lediglich die Kennwerte für Grund- und Hauptschulen und Gymnasien in zunächst 4 Ländern von 1978 bis 1982 veröffentlicht 23. Eine weitere differenzierte Bearbeitung der Schülerzahlen und ihrer Zuordnung zu den in der Finanzstatistik vorgegebenen Schulartkategorien, insbesondere bei der Gesamtschule, erbrachte für die Freie und Hansestadt Hamburg zum ersten Mal auch für die Schulart „Gesamtschule" realitätsnähere unitcosts24. Auf der Basis des bis hierhin entwickelten Berechnungsmodells wurde nun eine umfangreiche empirische Quer- und Längsschnittuntersuchung von Struktur und Niveau der absoluten und der durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler (Schülerunitcosts) - später ergänzt um den weiteren Parameter Lehrpersonalausgaben pro Lehrervolldeputat (Lehrerunitcosts) - von sämtlichen allgemeinbildenden und beruflichen staatlichen Schularten in allen Ländern der Bundesrepublik Deutschland ab 1986 in Angriff genommen. Entsprechende Forschungsberichte liegen für die Jahre 1986 bis 1990 vor 25 . Für 1991 liegen Ergebnisse vor. 23

Haug, Ausgaben staatlicher Schulen im Vergleich. DIPF, Frankfurt 1984. Haug, Schulausgaben im Vergleich, Zwischenbericht 2, DIPF, Frankfurt 1987. 25 Haug, Schulausgaben im Vergleich. Struktur und Niveau der durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler (unitcosts) von allgemeinen und beruflichen öffentlichen Schulen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1986, DIPF: Forschungsberichte, Frankfurt 1989. Haug, Schulausgaben im Vergleich. Struktur und Niveau der absoluten und der durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler (unitcosts) von allgemeinen und beruflichen öffentlichen Schulen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1987 sowie deren Veränderungen von 1986 nach 1987, DIPF: Forschungsberichte, Frankfurt 1990. Haug, Schulausgaben im Vergleich III. Struktur und Niveau der absoluten und der durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler (unitcosts) von allgemeinen und beruflichen öffentlichen 24

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All diesen angefühlten Bemühungen um die Ermittlung von unitcosts im Schulwesen ist eine methodische Strenge, d. h. vor allem Transparenz in Bezug auf Quellen, Raum, Zeit, Weg und Ziel der Untersuchung gemein. Dem standen und stehen in unregelmäßigen Abständen, meist ausgelöst durch aktuelle politische Erfordernisse, von amtlicher Seite veröffentlichte Berechnungsergebnisse von Schulkosten (unitcosts) gegenüber, die Heckel treffend als „reine Zweckberechnungen, die etwas beweisen wollen und von vornherein fehlerhaft kalkulieren, um zu ihrem Ziel zu gelangen", nennt. Und er gibt auch noch den entscheidenden Hinweis, wenn er erläutert, daß „wer in der Schulverwaltung mit Kostenberechnungen zu tun hat, weiß, welche Möglichkeiten in dieser Richtung das Fehlen verbindlicher Berechnungsgrundsätze bietet" 26 . Derartige amtliche Berechnungen lassen meist unter Verletzung des Bruttoprinzips wesentliche Ausgabenbestandteile außer acht, etwa die Altersversorgung der Lehrer, Verwaltungsausgaben oder den Gesamtkomplex kommunaler Ausgaben (so meist die Kultusministerien aus der Sicht allein der Landesebene)27. Andere amtliche Verlautbarungen zu Schulkosten nennen lapidar unitcosts ohne Angaben von Quellen und Berechnungsmethode28. Wieder andere veröffentlichen gar keine Ausgaben- oder Kostenkenn werte (unitcosts), sondern Parameter der Finanzausstattung29. Das bayerische K M veröffentlichte Einheitskosten pro Schüler und Schultag, die „in der Hauptsache" von den angegebenen Datenquellen ausgehen, zu denen die vielsagende Bemerkung gemacht wird, daß sie „wie jedes große Zahlenwerk (sind) leider auch die Schulfinanzen ein Buch mit sieben Siegeln" sind 30 .

Schulen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1988 sowie deren Veränderung von 1987 nach 1988, DIPF: Forschungsberichte, Frankfurt 1991. Haug, Schulausgaben im Vergleich IV. Struktur und Niveau der absoluten und der durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler und der absoluten und der durchschnittlichen Personalausgaben pro Lehrer (unitcosts) von allgemeinen und beruflichen öffentlichen Schulen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1989 sowie deren Veränderungen von 1988 nach 1989, DIPF: Forschungsberichte, Frankfurt 1993. Haug, Schulausgaben im Vergleich V. Struktur und Niveau der absoluten und der durchschnittlichen Ausgaben pro Schüler und der absoluten und durchschnittlichen Personalausgaben pro Lehrer (unitcosts) von allgemeinen und beruflichen öffentlichen Schulen in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1990 sowie deren Veränderungen von 1989 nach 1990, DIPF: Forschungsberichte, Frankfurt 1993. 26 Heckel, in Fußnote 4, Seite 200. 27 So etwa ο. V.: Kaum Unterschiede beim Schulkostenvergleich, in: Staatsanzeiger für Baden- Württemberg 34 v. 29. 4. 87, Seite 1. 28 So etwa o.V: 4,05 Milliarden Mark für die Bildung, in: Rheinland-Pfalz Pressedienst der Landesregierung, Wochenübersicht 29 (1983), Seite 6. 29 ο. V.: Finanzausstattung der öffentlichen Schulen (ohne Investitionsausgaben) je Schüler nach Schularten in DM, in: Grund- und Strukturdaten 1986/87, hrsg. v. Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, Bonn 1986, Seite 83. 30 ο. V.: Lieb und teuer, Bildung ist nicht billig. Unsere Schulen kosten Milliarden Jahr für Jahr, in: Schule und wir, hrsg. v. bayer. Staatsministerium für Unterricht und Kultus, 2 (1979), Seite 2 - 6.

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Auch die in jüngster Zeit vom Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg vorgenommenen Berechnungen der Schulkosten31 sind, obgleich sichtbar um mehr methodische Strenge und Transparenz bemüht, in ihrem Quellenbezug vielfach noch unklar und nicht nachprüfbar, vernachlässigen wiederum wesentliche Ausgabenbestandteile und verletzen damit das Bruttoprinzip und sind insgesamt mehr von vorab festgelegten Erkenntnisinteressen denn von methodischer Konsequenz bestimmt. Auch jüngste Ausgabenberechnungen des Rechnungshofs Baden-Württemberg 32 konzentrieren sich wiederum nur auf Personalausgaben des Landes für Schulen und bleiben damit partial. Wie sagte Heckel in den 50er Jahren: „Man sollte meinen, daß die Frage nach den Kosten des Schulwesens ... jederzeit schlüssig und zuverlässig beantwortet werden kann, ... aber das Gegenteil ist der Fall. Die Frage begegnet entweder der Auskunft, zuverlässige Zahlen liegen nicht vor, oder es werden voneinander so stark abweichende Zahlen genannt, daß man mit ihnen nicht arbeiten kann" 33 . Vor dem Hintergrund des mittlerweile erreichten definitorisch-begrifflichen, datentechnischen und methodischen Stands der systematischen Ausgabenuntersuchung im Schulwesen muß man heute nicht mehr ganz so pessimistisch sein. Zwar gibt es immer noch offene Fragen und Probleme, insbesondere was die Datengenauigkeit in den Feinstrukturen des Schulwesens anlangt. Aber man kann doch feststellen, daß mittlerweile hinreichend zuverlässige Zahlen über Ausgaben und unitcosts von staatlichen Schulen vorliegen, die auf theoretisch abgesicherter und methodisch fundierter Grundlage aus amtlich dokumentierten Quellen errechnet wurden.

II. Die staatliche Schule und ihre Ausgaben Geht man von der nach wie vor gültigen Feststellung aus, „daß es an einer gemeinsamen „Sprachregelung" für schulfinanzstatistische Untersuchungen fehlt 34 , so ist die präzise definitorische Abgrenzung des Untersuchungsobjekts „staatliche Schule" unabdingbare Voraussetzung für die eigentliche Ausgabenuntersuchung durch Ermittlung und Berechnung der verursachungsgerechten Gesamtausgaben von „Schule" nach dem Bruttoprinzip. Heckel schlug seinerzeit ein pragmatisches ökonomisches Kriterium für die Definition von Schulkosten vor: „Sicherlich ge31 ο. V.: Aufstellung der Ausgaben im öffentlichen Schulwesen, die für die Privatschulförderung maßgeblich sind. Hrsg. v. Ministerium für Kultus und Sport als Beilage zu einer Vorlage an den Landtag von Baden-Württemberg (Az III/2- 6400.5/24, 12) vom 9 10. 1989. 32

Landtag von Baden-Württemberg (Hrsg.): Mitteilung des Rechnungshofs. Statistische Erhebungen über Grund- und Hauptschulen, Drucksache 10/2195 v. 9. 10. 1989, insbesondere Seite 21-25. 33 Heckel Fußnote 4, Seite 198. 34 Heckel Fußnote 4, Seite 200.

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hört alles das, was eine Privatschule einkalkulieren muß, zu den Schulkosten, während andererseits eine Vermutung dafür spricht, daß Posten, die bei der Privatschule nicht zum Ansatz kommen, auch nicht Schulkosten im eigentlichen Sinne sind" 35 . Interessant ist in diesem Zusammenhang der Hinweis Heckeis, daß eine Privatschule nicht wie die öffentliche Verwaltung genuine Schulkosten an anderer Stelle als dem Schulhaushalt (Hervorh. d. Verf.) ansetzen, dokumentieren und damit letztlich verschleiern kann. Der hier vorzustellenden Untersuchung der Schulausgaben liegt zunächst einmal eine organisationstheoretisch begründete Abgrenzung und Definition von „staatlicher Schule" zugrunde, die auf der Basis zahlreicher Vorarbeiten besonders in den USA 3 6 , England 37 , Schweden38 und der Bundesrepublik 39 entwickelt wurde. Dabei ist das zentrale Kriterium für die Definition und Abgrenzung von „Schule als Organisation" deren Autonomie im organisationstheoretischen Sinne, das heißt Planungs-, Realisations- und Kontrollkompetenz bei Zielsetzung, Mitteleinsatz und struktureller Ausgestaltung müssen innerhalb der Organisation liegen. Betrachtet man das üblicherweise als „Einzelschule" angesprochene Gebilde, so fällt bei staatlichen Schulen sofort auf, daß wesentliche Planungs-, Realisationsund Kontrollbefugnisse für die sogenannten „inneren" und „äußeren" Schulangelegenheiten40 nicht bei der Einzelschule liegen. Staatliche Einzelschulen haben offenbar einen sehr beschränkten Autonomiegrad, was sich auch in deren rechtlichem Status als „nichtrechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts" ausdrückt. Die organisatorische Grenzziehung zwischen „staatlicher Schule" als Organisation und ihrer Umwelt 41 muß daher dort gesucht und gefunden werden, wo mit der Einbeziehung wesentlicher disposiver Funktionen in Zielsetzung, Mittelwahl und 35 Heckel, Fußnote 4, Seite 202. 36 Vgl. etwa Bidwell, The school as a formal organization. In: March, J. G. (Ed.): Handbook of Organizations. Chicago, 1965, S. 972 - 1022; Katz, The school as a complex social organization. New York 1966; Weick, Educational organization as loosely coupled systems. In: Administrative Science Quarterly 3 (1976); Pajak, Schools as Loosely Coupled Organizations. In: The Educational Forum 11 (1979). 37 Vgl. etwa Hoyle, The study of schools as organizations. In: H. J. Butcher; H. B. Pont (Ed.): Educational Research in Britain, London 1973; Handy, Taken for granted? Understanding schools as organizations. York 1984. 38 Vgl. etwa Berg, Skolan som organisation. Uppsala, Stockholm 1981; Berg/Wallin, The school in an organizational perspective. Uppsala 1981. 39 Vgl. etwa Becker, Die verwaltete Schule. Kulturpolitik und Schule. Stuttgart 1956; Fürstenau, P, Neuere Entwicklungen der Bürokratieforschung und das Schulwesen. Ein organisationssoziologischer Beitrag. In: Zur Theorie der Schule, Weinheim/Basel 1972, Seite 47 - 66; Fend, Theorie der Schule. München/Wien/Baltimore 1980. 40

Vgl. zum Begriff der „inneren" und „äußeren" Schulangelegenheiten und die damit zusammenhängende „Schulträgerschaft" bei Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde, 6. Aufl. 1986, S. 101 ff. 41 Vgl. zum Problem der definitorischen Abgrenzung von Organisationen aus ihrer Umwelt bei Gebert, Organisation, in: Mayer (Hrsg.), Organisationspsychologie, 1978, S. 16 - 42.

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Kontrolle ein solcher Autonomiegrad erreicht wird, daß ohne Zweifel von einer selbständigen Institution und damit Organisation „staatliche Schule" gesprochen werden kann. Gemessen an dem konstitutiven Kriterium der organisatorischen Autonomie ist „staatliche Schule" in der Bundesrepublik allein auf der jeweiligen Landesebene eine selbständige organisatorische Einheit. Alle organisatorischen Erscheinungsformen von „staatlicher Schule", etwa auf der Ebene einer Kommune oder als sog. Einzelschule, haben nur einen beschränkten Autonomiegrad und sind somit organisationstheoretisch lediglich als Gliedgebilde des Systems „Staatliche Schule auf Landesebene" anzusprechen. Das macht durchaus einen Sinn, denn zahlreiche Funktionen der staatlichen Schule wie etwa Zielsetzung, Kontrolle, Finanzierung, Personalplanung und -einsatz, Bauplanung usw. finden sich nicht auf der Ebene der Einzelschule, sondern auf übergeordneten Ebenen, meist sogar nur auf der Landesebene. Allein bei einer Betrachtung der staatlichen Schule auf der Landes- und kommunalen Ebene der jeweiligen Länder kann man hinreichend sicher sein, möglichst alle Handlungsfelder und deren Investitionen, die konstitutiv für die staatliche Schule sind, in den Blick zu bekommen und damit bei der Suche nach deren jeweiligen Ausgaben dem so wichtigen Bruttoprinzip Genüge zu tun. Die Grenzziehung zwischen den eine hinreichende organisatorische Autonomie der Institution „staatliche Schule" sicherstellenden zentralen schulischen Aufgabenfeldern wie etwa die Setzung, Realisation und Kontrolle von Lehr- und Lernzielen in Leistungsprogrammen (Lehrpläne, Fächerkanon, Stundentafel und Stundenpläne), die Einstellung und Entlassung von Personal, die Beschaffung und Verwendung wesentlicher sachlicher Ressourcen oder die Vorgabe und Kontrolle von Verhaltensnormen im Rahmen struktureller Regelungen einerseits und eher peripheren, flankierenden schulischen Funktionen wie Finanzmittelbeschaffung (im Rahmen der öffentlichen Finanz Wirtschaft), die Mithilfe bei der Beschaffung von Betriebsmitteln (im Rahmen der Amtshilfe durch Beschaffungsämter oder Bauverwaltung), die Mithilfe bei der pädagogischen Leistungserstellung (durch Eltern oder Nachhilfedienste) oder die soziale Betreuung von Schülern und Lehrern (Schülertransport, Schularzt, Bildungsberatung, Lehrerfortbildung) kann im Einzelfall unterschiedlich sein. Sie darf sich allerdings immer nur im Bereich solch peripherer schulischer Aufgabenfelder durch Einbeziehung oder Ausklammerung einzelner Funktionen vollziehen. Je nachdem, ob man „Schule" als umfassendes gesellschaftliches Aufgabenfeld oder eher als eine eng begrenzte, auf schulische Betreuung, Erziehung und Bildung konzentrierte Dienstleistungsorganisation ansieht, werden Aufgaben wie Lehreraus- und -fortbildung, Schülertransport oder Bildungsberatung einbezogen oder ausgeklammert sein. Keine Frage ist es dagegen, daß mindestens die zentrale Unterrichts- und Schulverwaltung auf staatlicher und kommunaler Ebene konstitutiver Bestandteil der autonomen Organisation „staatliche Schule" ist. In der vorliegenden Untersuchung der Schulausgaben wurde diese Abgrenzung des Untersuchungsobjekts „staatliche Schule" derart pragmatisch vorgenommen,

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daß die Ausgaben von solchen flankierenden Funktionen wie soziale Beihilfen für Schulpersonal oder Ausgaben für allgemeine Beratung, für Schülerunfall- und -haftpflichtversicherung, für Lehrgärten, Verkehrsübungsanlagen, Hausaufgabenhilfe, Schulbildstellen oder Elternbeiräte und anderes mehr, die in amtlichen Dokumenten hinreichend gut nachgewiesen sind, einbezogen wurden. Andere Funktionen wie etwa die Lehreraus- und -fortbildung oder der Schülertransport blieben dagegen ausgeklammert. Fassen wir zusammen: Staatliche Schule läßt sich als Organisation auf der Basis der konkreten Einzelschule als ökonomisches Untersuchungsobjekt nicht hinreichend fassen. Will man Erkenntnisse über die Ausgabensituation staatlicher Schule gewinnen, so muß der Blick auf das Gesamtgebilde des staatlichen Schulsystems auf der jeweiligen Landesebene gerichtet werden. Die ergibt für die Bundesrepublik Deutschland bis 1990 immerhin das Bild von 11 relativ unabhängigen, organisatorisch autonomen, staatlichen Landesschulsystemen, die sich in einer Vergleichsbetrachtung gegenüberstellen lassen. Will man darüber hinaus Erkenntnisse über die Ausgabensituation einzelner staatlicher Schularten gewinnen, so ergibt sich die Notwendigkeit, kategoriale schulische Gliedgebilde gewissermaßen als Abteilungen der Organisation „Staatsschule" in den einzelnen Ländern zu betrachten . An dieser definitorischen Abgrenzung von „staatlicher Schule" setzen nun die Überlegungen zur Bestimmung schulspezifischer Investitionen im weitesten Sinne und deren Kosten- bzw. Ausgabenwirkungen an. Kosten sind als bewertete Investitionen zunächst reine Rechengrößen; führen sie zu Geldzahlungen, so spricht man von Ausgaben43. Ausgaben sind Geldströme und damit quantitativ meßbare Eigenschaften investiver Prozesse. Schulausgaben quantifizieren demnach investive Prozesse in Schulen. Schulen unterliegen bei ihrer Leistungserstellung wie alle produktiven Prozesse der Notwendigkeit, immaterielle Dienstleistungen von Personen und Institutionen

42 Die Institution „staatliche Schule", auch „staatliches Schulwesen" genannt, wird traditionell nach dem Kriterium des Bildungsganges (Lehrplan, Fächerkanon, Stundentafel, Abschlüsse) gegliedert. Neben der grundsätzlichen Unterscheidung von „allgemeinbildenden" und „beruflichen" Schulen findet sich eine weitergehende mehrstufige kategoriale Unterteilung in Schularten (Grund-, Haupt-, Real- , Sonder- und Gesamtschule, Gymnasium und berufliche Schulen mit weiteren Ausdifferenzierungen). Daneben gibt es in Anlehnung an internationale Standards eine kategoriale Gliederung nach dem Kriterium der Jahrgangsstufen der Schüler in Elementar-, Primär- und Sekundarstufe I und II. Beide Gliederungssysteme sind nur bedingt kompatibel, da es zahlreiche Überschneidungen der Kategorien gibt. Die entsprechenden Ausgabendaten für staatliche Schularten liegen in der amtlichen Dokumentation lediglich in der Differenzierung nach den Schulartkategorien Grund- und Hauptschule, Realschule, Gymnasium, Gesamtschule, berufliche Schulen und Sonderschule vor. 43 Vgl. zur definitorischen Abgrenzung von Kosten und Ausgaben etwa Menrad, Kosten und Leistung, in: Kosiol (Hrsg.), Handwörterbuch des Rechnungswesens, 1970, Spalte 870 879; ferner Heinen, Betriebswirtschaftliche Kostenlehre, 3. Aufl. 1970, insbesondere S. 55 ff.

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und materielle Betriebsmittel und Werkstoffe einsetzen zu müssen. Die Qualität und Quantität dieser Einsatzfaktoren bilden das Mengengerüst 44 der Schulkosten. Die Beschaffung dieser Einsatzfaktoren (Güter und Dienstleistungen) vollzieht sich normalerweise durch Tausch, in den meisten Fällen gegen Geld (geldwirtschaftlicher Tausch), seltener gegen andere Güter oder Dienstleistungen (Naturaltausch), in Ausnahmefällen aber auch durch Schenkung (z. B\ ehrenamtliche Dienstleistungen, Stiftung oder Spenden). Im Normalfall der Beschaffung durch geldwirtschaftlichen Tausch werden in den Ausgaben die Einsatzfaktoren unmittelbar ökonomisch meß-, rechen- und damit vergleichbar. Damit steht der quantitativen Untersuchung mindestens der geldwirtschaftlichen Beschaffungs- und Investitionsprozesse von Schulen, eben der Schulausgaben, ein empirisch faßbarer und vergleichbarer Parameter zur Verfügung. Daraus folgt aber andererseits - und das sollte besonders beachtet werden - daß bei einer Untersuchung allein der Schulausgaben alle durch naturalwirtschaftlichen Tausch oder durch Schenkung wirksam werdenden Einsatzfaktoren ausgeklammert bleiben und damit möglicherweise ein erheblich verzerrtes Bild der tatsächlichen Faktoreinsätze, des wirklichen Ressourcenverbrauchs in Schulen, entstehen kann. Die Untersuchung sämtlicher tatsächlich eingesetzter schulischer Leistungsfaktoren kann nur über eine konsequente Kostenanalyse, für die derzeit wegen des Fehlens einer Kostenrechnung für staatliche Schulen keine ausreichende Datenbasis vorhanden ist, erfolgen. So gesehen deckt die Untersuchung der Schulausgaben lediglich einen wenn auch wesentlichen Teilaspekt einer umfassenderen Untersuchung der Schulkosten ab. Welches sind nun die spezifisch schulischen Investitionsgüter und -dienstleistungen (Einsatzfaktoren) im einzelnen und welche davon lassen sich mit Hilfe der bei ihrer Beschaffung entstehenden und dokumentierten Geldzahlungen (Ausgaben) quantitativ erfassen? Zunächst alle Dienstleistungen von Menschen, die als Mitglieder 45 jeder konkreten Einzelschule angesehen werden können, also Lehrer, Schüler, sonstiges pädagogisches, technisches und Verwaltungspersonal, ja eventuell sogar Eltern. Davon werden aber nun lediglich Lehrer und sonstiges schulisches Personal besoldet, d. h. bei deren dienstleistendem Einsatz entstehen Personalausgaben. Ferner liegen eine Reihe materieller Einsatzfaktoren (Güter) auf der Hand: Geeignete Schulgrundstücke müssen erworben, Schulgebäude gebaut, beides muß mit schulspezifischen Geräten ausgestattet und mit unterschiedlichsten, für Schulen typischen Gegenständen eingerichtet werden. Hinzu kommen vielfältigste Arten von schultypischen Werkstoffen.

44

Meffert, Betriebswirtschaftliche Kosteninformationen, 1968, S. 115ff. Zum Phänomen der „Mitgliedschaft in Organisationen" und deren funktionale Fassung vgl. Kieser/Kubicek, Organisation, 1977, S. 1 ff. 45

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Und schließlich werden auch Schulen eine Vielzahl von Dienstleistungen wie Energiever- und -entsorgung, Bank- und Postdienste, Wartungs-, Reparatur-, Versicherungs- und Transportleistungen oder miet- bzw. leihweise Überlassung von Gebäuden, Einrichtungen und Gerätschaften als externe Dienstleistungen beziehen. Auch bei der Beschaffung der für die technologischen Handlungsvoraussetzungen notwendigen Betriebsmittel, Werkstoffe und externen Dienstleistungen zur Sicherstellung der schulischen Nutzungsbereitschaft muß angenommen werden, daß nur teilweise Geldzahlungen entstehen. Ein Teil der schulischen Gesamtinvestitionen wird sich nicht über Geldzahlungen in dokumentierten Schulausgaben niederschlagen und somit bei einer Ausgabenuntersuchung unberücksichtigt bleiben müssen. Eine besondere Qualität stellt die Beschaffung von Geldkapital zur Finanzierung der Investitionen (zur Bezahlung der im geldwirtschaftlichen Tausch erworbener Einsatzfaktoren) dar. Hierbei fallen in aller Regel Finanzierungsausgaben (Zinsen, Gebühren) an, die als indirekte Schulausgaben mit in die Untersuchung einbezogen werden müssen. Nun erfolgt aber bei staatlichen Schulen die Beschaffung der für die schulischen Investitionen notwendigen Finanzmittel in weit überwiegendem Maße innerhalb der gesamtstaatlichen bzw. -kommunalen Finanzwirtschaft losgelöst von ihrer investiven Verwendung in den einzelnen staatlichen Aufgabenfeldern wie etwa dem Schulwesen. Die für Kreditaufnahmen von Staat und Kommune anfallenden Zinszahlungen lassen sich einzelnen Handlungsbereichen wie etwa dem Schulwesen nicht mehr sinnvoll zurechnen. Zudem kann von der Annahme ausgegangen werden, daß der üblicherweise zum „konsumptiven Sektor" der öffentlichen Hand zählende Bereich des Schulwesens allein über Steuern als Zwangsabgaben selbstfinanziert wird, da verfassungsrechtlich geboten kreditfinanzierte Geldmittel nur im „investiven Sektor" der öffentlichen Hand investiert werden dürfen. Eine Berücksichtigung von Zinsausgaben ist daher bei der Untersuchung von Ausgaben staatlicher Schulen obsolet. Bei der Beurteilung unterschiedlicher Ansätze zur Entwicklung von Ausgabenstrukturen oder -schemata für Schulen46 ergibt sich, daß die Ausgabenarten selten ausschließlich am Mengengerüst der Einsatzfaktoren definiert werden. Meistens stehen funktions-, d. h. auf einen bestimmten schulischen Aktionsbereich bezogene Definitionen im Vordergrund. Eine gewisse Ausnahme bilden allenfalls die Personalausgaben. Dennoch soll versucht werden, bei der Definition der schulischen Ausgabenarte« methodisch streng an den jeweiligen Einsatzfaktoren anzusetzen 46

Vgl. etwa Riesen, Kostenstruktur und Rechnungswesen der Schulen und Internate, 1954; Kahlert, Grundlagen für die Entwicklung eines Betriebsabrechnungsbogens (BAB) für Schulen, in: Mitteilungen und Nachrichten des DIPF, 53/54, 1969; Kahlert, Kostenrechnung im Bildungswesen. Ein Beitrag zur betriebswirtschaftlichen Sicht der Schule, in: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 3, 1970, S. 187 - 196; Steuer, Die Kostenrechnung, in: schulmanagement 3, 1973, S. 49 - 52; Ortner, Schulbetriebliche Kostenrechnung, in: Schul- und Unterrichtsorganisation 3, 1978, S. 19 - 26; Siewert, Kostenrechnung für Schulen in öffentlicher Trägerschaft, 1976. 14 F. Müller/B. Jeand'Heur

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und die Zuordnung von Ausgabenarten zu Ausgabenstellen (Funktionsbereichen) davon zu trennen. Grundsätzlich lassen sich auch für Schulen vier Qualitäten von Einsatzfaktoren und damit Ausgabenarten erkennen: - Personalausgaben (Beamtenbezüge und -Versorgungen, Angestelltengehälter und Arbeiterlöhne, sämtliche Personalnebenausgaben wie etwa alle Arten von Beihilfen u. ä. für sporadische oder längerfristige interne Dienstleistungen von Menschen, die der Schule als Mitglieder angehören); - Materialausgaben (Lehr- und Lernmittel, Büromaterial, Lebensmittel, Putz- und Reinigungsmittel usw.), die als kurzfristige Werkstoffverbrauche anfallen; - Investitionsausgaben (für Grundstücke, Gebäude, Ausstattungen, Einrichtungen wie etwa Lehr- und Lernmittel usw. zum längerfristigen Gebrauch); - Ausgaben für organisationsexterne Dienstleistungen (Energiever- und -entsorgung, Bank- und Postdienste, Wartung und Reparatur, Überlassung von Gelände, Räumen oder Gerät, Versicherungen, Transportleistungen usw. zum sporadischen oder dauernden Gebrauch). Grundsätzlich werden alle diese Faktoreinsätze in einer zeitlosen Betrachtung als Verbrauche gesehen werden müssen. Erst bei einer zeitlich begrenzten, periodisierten Betrachtung treten Unterschiede auf: Personal- und Materialausgaben sowie Ausgaben für externe Dienste einer bestimmten Periode (etwa dem Kalenderjahr) entsprechen exakt den Faktorverbrauchen dieser Periode. Bei den Investitionsausgaben ist dies anders. Hier fallen Ausgaben in einer Periode an, der Faktoreinsatz und damit -verbrauch erstreckt sich aber in der Regel über mehrere Perioden, so daß eine rechnerische Verteilung der Ausgaben auf mehrere Perioden (Abschreibung) vorgenommen werden müßte. Im Bereich der öffentlichen Finanzwirtschaft, die das Rechnungssystem und damit die Datenbasis für die Ausgabenstruktur staatlicher Schulen darstellt, wird diese rechnerische Verteilung nur mehrperiodisch verbrauchbarer Betriebsmitteleinsätze mit Hilfe von Abschreibungen nicht vorgenommen. Personal-, Materialausgaben und Ausgaben für externe Dienstleistungen werden meist auch als Betriebsausgaben zusammengefaßt, denen die langfristig orientierten Investitionsausgaben gegenüberstehen. Beide zusammen bilden die Gesamtausgaben. Personal-, Sach- und externe Dienstleistungsausgaben, d. h. die Betriebsausgaben, sind hinreichend exakt und verursachungsgerecht auf das Kalenderjahr abgegrenzt. Die Investitionsausgaben werden im Rahmen der kameralistischen öffentlichen Finanzwirtschaft nicht periodengerecht abgegrenzt verbucht und dokumentiert, so daß ihre Berechnung und damit auch den Gesamtausgaben pro Kalenderjahr nur wenig Aussagekraft zu entnehmen ist. Dies dient allein der rechnerisch vollständigen Erfassung und Berechnung aller unmittelbaren Ausgaben nach dem Bruttoprinzip. Allenfalls in einer Längsschnittbetrachtung über meh-

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rere aufeinanderfolgende Jahre kann die Beobachtung der Investitionsausgaben zumindest Hinweise auf bestimmte Trends geben. Auf eine Besonderheit sei abschließend noch hingewiesen: Miet- und Pachtausgaben müssen im Zusammenhang mit Investitionsausgaben gesehen werden, weil es sich in beiden Fällen um Ausgaben für den längerfristigen Gütergebrauch handelt: Bei Investitionsausgaben um den Eigentumserwerb (Kauf), bei Miet- und Pachtausgaben um den Besitzerwerb (Nutzung) längerfristig nutzbarer Gebrauchsgüter. Deshalb sollten Miet- und Pachtausgaben wie Investitionsausgaben behandelt und nicht bei den Ausgaben für externe Dienstleistungen mitberücksichtigt werden. Dies sind die Ausgabenarten oder -kategorien, nach denen bei einer Untersuchung der Ausgaben staatlicher Schulen in den entsprechenden Dokumenten gesucht werden muß. Es zeigt sich sehr schnell, daß die strukturelle Aufbereitung der Istausgaben in den Rechnungsergebnissen der öffentlichen Haushaltsrechnungen, die auch die Ausgaben für die staatlichen Schulen enthalten und die in der sog. Finanzstatistik für alle Länder und gebietskörperschaftlichen Ebenen nach verschiedenen Ressorts, eben auch dem Schulwesen, zusammengefaßt sind, den strengen methodischen Anforderungen nur sehr bedingt standhalten. Dennoch bietet dieses allgemein zugängliche Datenmaterial über die Ausgaben u. a. auch der staatlichen Schulen einen, wie sich zeigen wird, ausreichend differenzierten Quellbereich für hinreichend genaue Ausgabenanalysen. Will man diese Schulausgaben, wie beabsichtigt, auf Schüler oder Lehrer als Einheiten im Schulwesen beziehen und damit Ausgabenkennwerte (unitcosts) für Vergleiche zwischen Schularten, Ländern und Jahren berechnen, so müssen neben den Ausgaben auch die Schülerzahlen bzw. Lehrervolldeputate staatlicher Schulen ermittelt werden.

I I I . Die Ausgangsdaten für die Berechnung der unitcosts staatlicher Schulen Die Strukturierung der Ausgaben in den Haushalten von Ländern, Kommunen und der bundeseinheitlichen Finanzstatistik sowie der Schüler- und Lehrerzahlen in den Landesschulstatistiken und der bundeseinheitlichen Schulstatistik

In der öffentlichen Haushaltsrechnung werden die tatsächlich in einer Rechnungsperiode (Kalenderjahr) angefallenen Ist-Ausgaben, auch unmittelbare Ausgaben 47 genannt, in den sog. Rechnungsergebnissen am Jahresende für jede Gebiets47 Darunter werden die „unmittelbaren Ausgaben (ohne Zahlungen an andere Bereiche)" verstanden, also „die im Zuge der Aufgabenerfüllung (des jeweiligen staatlichen oder kommunalen Ressorts, d. Verf.) getätigten Ausgaben", ohne Zahlungen an andere öffentliche Ressorts und ohne Zahlungen an den Privatsektor. Vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern, Fachserie 14 unter „allgemeine und methodische Erläuterungen". 14*

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körperschaft dokumentiert. Diese Rechnungsergebnisse werden bundeseinheitlich konsolidiert für alle Länder, vor allem aber für die Bundes-, die jeweilige Landesund kommunale Ebene sowie für die Zweckverbände in der Finanzstatistik dargestellt. Diese bundeseinheitliche, amtliche Finanzstatistik 48 , jährlich vom statistischen Bundesamt etwa drei Jahre nach Ablauf des betreffenden Geschäftsjahres veröffentlicht, stellt gewissermaßen als offizielle Rechnungslegung des Staates die hinreichend verläßlichste Datengrundlage für die Untersuchung der Ausgaben staatlicher Schulen dar. Diese Finanzstatistik ist einmal in die gebietskörperschaftlichen Ebenen von Bund, Staat (Land), Gemeinden und Gemeindeverbände (Kommunen) und Zweckverbände, zum anderen in die unterschiedlich differenzierten Ressorts oder Funktionen nach sog. Funktionskennziffern und schließlich innerhalb dieser nach unterschiedlichen Ausgabenarten gegliedert. Für die Untersuchung der Schulausgaben sind die Landes- und die kommunale Ebene jedes Bundeslandes relevant, weil staatliche Schule sowohl vom jeweiligen Land als auch von den vielfältigen kommunalen Gebietskörperschaften (Kommunen, Kreise, Gemeindeverbände) getragen und finanziert werden und somit sowohl auf Landes- wie kommunaler Ebene Schulausgaben anfallen und dokumentiert sind. Hierzu sind die folgenden schulrelevanten Aufgabengebiete (Ressorts), so wie sie nach Funktionskennziffern in der Finanzstatistik dargestellt werden, heranzuziehen: 111 Unterrichtsverwaltung 121 Grund- und Hauptschulen 122 Sonderschulen 123 Realschulen 124 Gymnasien 125 Gesamtschulen 127 Berufliche Schulen 129 Sonstiges 93 Versorgung 94 Beihilfen, Unterstützungen u. ä.

48 Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Finanzen und Steuern, Fachserie 14, Reihe 3.1 Rechnungsergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts, Reihe 3.2 Rechnungsergebnisse der staatlichen Haushalte, Reihe 3.3 Rechnungsergebnisse der kommunalen Haushalte und insbesondere Reihe 3.4 Rechnungsergebnisse der öffentlichen Haushalte für Bildung, Wissenschaft und Kultur, jeweils pro Kalenderjahr. Für die neuesten und umfangreichsten Berechnungen der unitcosts von staatlichen Schulen stellt das Statistische Bundesamt seit 1986 jährlich einen gesonderten Ausdruck der Ausgabendaten der amtlichen Finanzstatistik in der für die unitcost- Berechnung benötigten Differenzierung zur Verfügung.

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Dabei umfaßt die Funktion 111 Unterrichtsverwaltung etwa die Schulaufsicht der Länder sowie die Schulverwaltung der Stadtstaaten und der Gemeinden und Gemeindeverbände. Die Funktion 121 Grund- und Hauptschulen subsumiert Grundschulen (Einrichtungen im Primarbereich), Schulkindergärten und Vorschulklassen, soweit sie an Grundschulen eingerichtet oder diesen zugeordnet sind, Hauptschulen einschließlich eingegliederter Orientierungsstufen, Volksschulen einschließlich Aufbauzügen und Elternbeiräte. Die Funktion 122 Sonderschulen umfaßt Schulen für Blinde, Gehörlose, Körperbehinderte, Sehbehinderte, Hörbehinderte, Sprachbehinderte, Lernbehinderte, geistig Behinderte, Verhaltensgestörte, praktisch Bildbare, Erziehungsschwierige, Sonderschulkindergärten und sonstige schulvorbereitende Einrichtungen, Beobachtungsschulen, Krankenschulen, Sonderrealschulen, Sondergymnasien, Sonderberufsschulen oder Berufssonderschulen, Berufsschulen für Behinderte und sonstige Einrichtungen der Sonderpädagogik. Die Funktion 123 Realschulen umfaßt Realschulen, Realschulen in Aufbauform und Abendrealschulen. Die Funktion 124 Gymnasien umfaßt Gymnasien, Gymnasien in Aufbauform, Abendgymnasien, Institute zur Erlangung der Hochschulreife (Kollegs), sonstige Einrichtungen des 2. Bildungsganges und Einrichtungen der Orientierungsstufe, soweit diese in Gymnasien eingegliedert sind. Die Funktion 125 Gesamtschulen subsumiert organisatorische oder pädagogische Zusammenfassung verschiedener Schularten (über das 5. und 6. Schuljahr hinaus), Schulen im Sekundarbereich I und II, soweit sie nicht nach einzelnen Schularten aufteilbar sind, Gesamtschulen in Aufbauform, integrierte Gesamtschulen, kooperative Gesamtschulen, Einrichtungen der Orientierungsstufe, soweit diese schulformunabhängig sind und Schulzentren, soweit sie nicht nach einzelnen Schularten aufteilbar sind. Zu den sogenannten allgemeinbildenden Schulartkategorien (Grund- und Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule) ist insofern eine wichtige Anmerkung zu machen, als die kategoriale Definition der jeweiligen Schulart in zahlreichen Ländern auf der Landesebene eine andere als auf kommunaler Ebene ist: In diesen Ländern werden Gesamtschulen auf der Landesebene nur als integrierte Form, auf der kommunalen Ebene dagegen in allen Erscheinungsformen, also integriert und kooperativ definiert. Das hat zur Folge, daß auch bei den sog. gegliederten Schularten Grund- und Hauptschule, Realschule und Gymnasium in diesen Ländern entsprechend auf Landesebene Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialzüge kooperativer Gesamtschulen als Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien, auf der kommunalen Ebene dagegen als Gesamtschulen definiert sind. Dieser Tatbestand hat für die betreffenden Länder erhebliche Mehrberechnungen zur Folge.

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Die Funktion 127 Berufliche Schulen umfaßt Berufsschulen einschließlich Berufsgrundbildungsjahr/Berufsgrundschuljahr, Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, berufliche Gymnasien/Fachgymnasien, sonstige Einrichtungen im Sekundarbereich II, die die Fachhochschulreife oder eine berufliche Qualifikation vermitteln, Fachakademien und staatliche Wirtschaftsschulen in Bayern. Die Funktion 129 Sonstiges umfaßt Maßnahmen wie etwa Beratung im Schulwesen, Mittel für Modellversuche, Zuschüsse für Elternbeiräte, an Landschulheime, Internate, Schulbildstellen, die Schülerunfall- und - haftpflichtversicherung, Schülerlehrgärten, Lehr- und Versuchsgüter bei Schulen, Schülerverkehrsgärten, Schülerlotsen, Hausaufgabenhilfe u. ä. Die Funktion 93 Versorgung umfaßt die zentral nachgewiesenen Ausgaben für die Versorgung der Beamten, Richter und Soldaten, die Beihilfen für die Versorgungsempfänger und sonstige Versorgungsausgaben. Die Funktion 94 Beihilfen, Unterstützungen u. ä. umfaßt die zentral nachgewiesenen Ausgaben für Beihilfen (soweit nicht für Versorgungsempfänger), Unterstützungen und Fürsorgeleistungen, Abfindungen, Übergangsgelder und Nachversicherungen 49. Im einzelnen müssen nun innerhalb dieser schulrelevanten Ressorts (Ausgabenbereiche oder -stellen) folgende drei, in der Finanzstatistik nachgewiesenen Hauptausgabenarten näher betrachtet werden: Personalausgaben, Laufender Sachaufwand und Sachinvestitionen. Diese Hauptausgabenarten werden in einer weitergehenden Differenzierung in der Finanzstatistik nachgewiesen50. Für die Berechnung von unitcosts hat sich die Erfassung von folgenden, ζ. T. zusammengefaßten Ausgabenartenkategorien der Finanzstatistik als brauchbar erwiesen: Beamtenbezüge Versorgungsbezüge Angestelltenvergütungen und Arbeiterlöhne Beihilfen, Unterstützungen u. ä. Sonstige Personalausgaben Laufender Sachaufwand (ohne Zins- sowie Miet- und Pachtausgaben) Miet- und Pachtausgaben Sachinvestitionen. 49

Vgl. hierzu Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Finanzen und Steuern Fachserie 14, Reihe 3 Rechnungsergebnisse, unter „Zuordnungsschlüssel für den Tabellenteil" am Ende der Einzelbände. 50 Zur detailliert ausdifferenzierten Beschreibung der Ausgabenarten in der amtlichen Finanzstatistik vgl. Fußnote 49.

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Dabei ist zu beachten, daß die Personalausgabenarten für Versorgungsbezüge und Beihilfen nicht bei einzelnen Ressorts, sondern nur zusammengefaßt für alle Ressorts der jeweiligen öffentlichen Gebietskörperschaft in eigenen Quasiressorts (Ausgabenstellen) nachgewiesen werden. Hierbei verschmilzt Ausgabenart und Ausgabenstelle in eins. Die „sonstigen Personalausgaben" umfassen etwa Beschäftigungsentgelte, Aufwendungen für nebenamtlich oder nebenberuflich Tätige, Zuschüsse zur Gemeinschaftsverpflegung, Trennungsgelder und Umzugskostenvergütungen, Fahrtkostenzuschüsse u. ä. Im „laufenden Sachaufwand" sind etwa die Unterhaltung von unbeweglichem Vermögen, die Bewirtschaftung der Grundstükke, Geschäftsbedarf, alle Arten von Verbrauchsmitteln (bei Schulen etwa Lehrund Lernmittel), Gebühren, Beiträge, Versicherungen usw., nicht jedoch Zinsausgaben, enthalten. Und in den „Sachinvestitionen" sind vor allem Ausgaben für Grundstückskäufe, Baumaßnahmen und den Erwerb von unbeweglichem und beweglichem Sachvermögen enthalten. Aus weiter oben dargelegten Gründen werden die Ausgaben für Mieten und Pachten unter die Sachinvestitionen subsumiert. Immerhin lassen sich doch in der Differenzierung der Ausgabenarten der Finanzstatistik in etwa jene vier Ausgabenarten wiedererkennen, die wir weiter oben als auch für „schulische Investitionsprozesse" typisch erkannt haben: „Beamtenbezüge", „Versorgungsausgaben", „Angestelltenvergütungen", „Arbeiterlöhne", „Beihilfen" und „Sonstige Personalausgaben" sind alles Personalausgaben. „Baumaßnahmen", „Erwerb von unbeweglichem und beweglichem Sach vermögen" und die Hinzunahme der Ausgaben für „Mieten und Pachten" decken sich etwa mit den Investitionsausgaben. „Bewirtschaftung der Grundstücke", „Unterhaltung von unbeweglichem Vermögen" und „übriger laufender Sachaufwand" besitzen, je nach Art ihrer Beschaffung, entweder den Charakter von Materialausgaben oder von Ausgaben fur externe Dienste. Da allein die Ausgaben staatlicher Schularten analysiert werden sollen 51 , werden grundsätzlich nur die sog. „unmittelbaren Ausgaben" für die Berechnung der unitcosts herangezogen. Da die Schulartkategorien in der Finanzstatistik starr vorgegeben sind und keine weitere Differenzierung zulassen, müssen Schüler- und Lehrerzahlen, die ja zur Berechnung der unitcosts nur mit den Ausgabengrößen in Beziehung gesetzt wer51

Bei der Berechnung der unitcosts wird allein auf die Ausgaben abgestellt. Eine Saldierung der Ausgaben mit eventuell vorhandenen Einnahmen bei der entsprechenden Schulart, wie sie bei den zwischenzeitlich gemachten Angaben in den Grund- und Strukturdaten des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft vorgenommen wurde, ergibt nicht die unitcosts, sondern die Finanzausstattung pro Schüler; vgl. hierzu ο. V., Finanzausstattung der öffentlichen Schulen (ohne Investitionsausgaben) je Schüler nach Schularten in DM, in: Grund- und Strukturdaten ζ. B. 1986/87, hrsg. v. Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, 1986, S. 83.

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den müssen, in ihrer Zuordnung zu diesen vorgegebenen Schulartkategorien möglichst exakt ermittelt werden. Hierzu ist es nun besonders wichtig zu wissen, was sich qualitativ hinter den Schulartkategorien der Finanzstatistik verbirgt. Die Schüler- und Lehrerzahlen müssen nämlich aus einer gänzlich andersartig strukturierten Datenquelle gewonnen werden. Es ist methodisch aber unabdingbar, daß die Kategorien, auf die sich Ausgaben, Schülerzahlen und Lehrervolldeputate beziehen, dieselben sind. Die statistischen Rohdaten für Schüler- und Lehrerzahlen finden sich in der amtlichen Schulstatistik, zum einen in den jeweiligen Veröffentlichungen der statistischen Landesämter52 sowie in zusammengefaßter Form in den Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zur Schulstatistik53. Dabei weichen die einzelnen Schulartkategorien in den Landesstatistiken von Land zu Land, aber auch gegenüber dem einheitlichen Kategorienschema der Bundesstatistik ζ. T. erheblich ab. Ja sogar innerhalb einundderselben Statistik weichen die Schulartkategorien von Tabelle zu Tabelle voneinander ab: Schülerzahlen werden in anderen Schulartkategorien angegeben wie ζ. B. Unterrichtswochenstunden oder Lehrerzahlen. In der bundeseinheitlichen Schulstatistik werden die Schularten etwa wie folgt gegliedert 54: Allgemeinbildende Schulen: Vorklassen Schulkindergärten Grundschulen Schulartunabhängige Orientierungsstufe Hauptschulen Realschulen Gymnasien Integrierte Gesamtschulen Freie Waldorfschulen Sonderschulen 52

In allen Bundesländern geben die statistischen Landesämter jedes Jahr unterschiedlich strukturierte und detaillierte Berichte zur Schulstatistik heraus, in denen vor allem Bestandsund Verlaufsdaten zu Schulen, Klassen, Schülern und Lehrern zu finden sind. Diese Angaben beziehen sich in der Regel auf die Erhebungsstichtage im Spätsommer oder Herbst des jeweils neuangelaufenen Schuljahres und sind deshalb nicht repräsentativ für Kalenderjahre. 53 Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Bildung und Kultur, Fachserie 11, Reihe 1 Allgemeinbildende Schulen und Reihe 2 Berufliche Schulen, jeweiliges Jahr. Ferner amtsinterne Arbeitsunterlagen mit ergänzenden Tabellen zu allgemeinen und beruflichen Schulen. 54 Auch in der bundeseinheitlichen Schulstatistik ändern sich die Schulartkategorien von Land zu Land und von Jahr zu Jahr; hier wurde als Beispiel die Aufzählung aller in sämtlichen 11 Ländern genannten Schularten für das Schuljahr 1990/91 gewählt.

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Abendhauptschulen Abendrealschulen Abendgymnasien Kollegs Berufliche Schulen: Berufsschulen Berufs vorbereitungsjahr Berufsgrundbildungsjahr Berufsaufbauschulen Berufsfachschulen Fachoberschulen Fachgymnasien Kollegschulen Fachschulen Fachakademien/Berufsakademien In diesen Gliederungen liegen dann u. a. Angaben zu Schülerzahl, Lehrerzahl und durchschnittlichen wöchentlichen Unterrichtsstunden der Lehrer vor. Für die Zuordnung der sehr unterschiedlichen länderspezifischen Schulartstrukturen zur einheitlichen Struktur der Bundesschulstatistik wird ein stark ausdifferenzierter Zuordnungsschlüssel herangezogen55. Die Schülerzahlen und die Lehrervolldeputate können nur aus der Schulstatistik entnommen bzw. berechnet werden. In der Schulstatistik werden die Angaben zu allgemeinbildenden und beruflichen Schulen erheblich differenzierter als in der Finanzstatistik vorgenommen. Da einerseits die in der Finanzstatistik vorgegebenen Schulartkategorien für die Ausgabendaten nicht weiter ausdifferenziert werden können, man andererseits aus methodischen Gründen aber eine konsequente IstAusgabenanalyse anstrebt, müssen die Schülerzahlen der vielfältigen Schulartkategorien in der Schulstatistik so zusammengefaßt werden, daß Schülerzahlen und Ausgaben sich auf kompatible Schulartkategorien beziehen. Da die Schulartkategorien sich in der Schulstatistik sowohl von Land zu Land, als auch in einzelnen Ländern ζ. T. auf der Landes- und kommunalen Ebene erheblich voneinander unterscheiden, sind umfangreiche Erhebungen und Umrechnungen notwendig, um dieses Ziel zu erreichen. Die in der Finanzstatistik vorgegebenen Schulartkategorien, für die sich bei gegebener Datenlage allein eine methodisch korrekte Berechnung der unitcosts auf Ist-Ausgaben-Basis vornehmen läßt, sind 55 Vgl. hierzu Fußnote 53, jeweils unter „Übersicht der Schulartengliederung und institutionellen Zuordnungen in den Statistiken der allgemeinen bzw. beruflichen Schulen".

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- Grund- und Hauptschulen (Vorschulen, Schulkindergärten, Grundschulen, Volksschulen, Hauptschulen, Abendhauptschulen, Orientierungsstufen an Hauptschulen). Bedauerlicherweise lassen sich Grundschulen nicht getrennt von Hauptschulen untersuchen; dies ist ein gravierender Mangel in der Datenlage. - Realschulen (Realschulen und Abendrealschulen) - Gymnasien (Gymnasien, Abendgymnasien, Kollegs und ähnliche Einrichtungen des 2. Bildungsweges, Orientierungsstufen an Gymnasien) - Gesamtschulen (Integrierte und kooperative bzw. additive Gesamtschulen, schulartübergreifende Orientierungsstufen, Schul- und Bildungszentren u. ä.) - Sonderschulen (Sonderschulkindergärten, alle Arten von Sonderschulen, Berufssonderschulen) - Berufliche Schulen (Berufsschulen, Berufsgrundbildungs- oder Berufsgrundschuljahr, alle Arten von Berufsfachschulen, Fach- und Berufsoberschulen, Berufliche und Fachgymnasien, Fachakademien, nicht jedoch Fachschulen, die nicht untersucht wurden). Besondere Probleme bereitet dabei die Abgrenzung der Gesamtschule, die in vielen Ländern auf Landesebene nur aus integrierten, auf kommunaler Ebene aus integrierten und kooperativen bzw. additiven Formen besteht. Das erzwingt für einige Länder das Rechnen mit unterschiedlichen Schülerzahlen auf Landes- und kommunaler Ebene für alle allgemeinbildenden Schularten. Ein anderes Problem ist die Abgrenzung bestimmter beruflicher Schularten (Kollegschulen, Wirtschaftsschulen) in einzelnen Ländern, die in der Finanzstatistik unter beruflichen Schulen, in der Schulstatistik aber unter allgemeinbildenden Schulen geführt werden. Ein weiteres Problem ist die jeweils richtige Zuordnung der vielfältigen Formen von Orientierungs- und Förderstufen zu Gesamtschulen oder einzelnen gegliederten Schularten. Schließlich bereitet die Aussonderung der Sonderschulkindergärten und der Berufssonderschulen aus den Grund- und Hauptschulen bzw. den beruflichen Schulen und ihre Zuordnung zu den Sonderschulen im Einzelfall Schwierigkeiten. Ungenauigkeiten in der kategorialen Zuordnung, die vielfältige korrigierende Umrechnungen innerhalb der Istwerte notwendig machen, gibt es nicht nur für die Schülerzahlen in der Schulstatistik, sondern ebenso für die Ausgaben in der Finanzstatistik. So zeigte sich schon bald, daß die so eminent bedeutenden Lehrpersonalausgaben auf Landesebene in zahlreichen Flächenstaaten aus unterschiedlichsten Motiven völlig unkorrekt bei den einzelnen Schulartkategorien verbucht und dokumentiert sind. In einzelnen Ländern sind für einzelne Schularten und Ausgabenarten überhaupt keine Angaben gemacht, weil diese bei anderen Schularten in zusammengefaßter Form pauschal verbucht sind. Wenngleich die entsprechenden Korrekturen streng methodisch auf Basis der Ist-Ausgaben vorgenommen wurden, so müssen gewisse Fehlerraten in Kauf genommen und mitberücksichtigt werden.

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In der Regel gleichen sich derartige Fehler über die Berechnung von Durchschnittswerten wieder aus. Es muß allerdings an die Adresse der amtlichen Datenerfassung, -Verarbeitung und -dokumentation kritisch vermerkt werden, daß die notwendige und durchaus mögliche Klarheit und Genauigkeit bei den Rohdaten oft vermißt wird.

IV. Die modellgestützte Unitcostberechnung Die eigentliche modellgestützte Unitcostberechnung benötigt eine Reihe von vorausgehenden Hilfsberechnungen : 1. Die Ermittlung und Berechnung der Schülerzahlen, die für einzelne Länder auch die gesonderte Ermittlung von Schülerzahlen für additive bzw. kooperative Gesamtschulen notwendig macht. Die Schülerzahlen pro Schulart (der Finanzstatistik) werden aus der Bundes- bzw. den Landesschulstatistiken in mühevoller Puzzlearbeit, die im Einzelfall auch noch Rückfragen bei Statistischen Landesämtern oder Schulverwaltungen erfordert, ermittelt. Schüler in beruflichen Teilzeiteinrichtungen werden im Verhältnis 2,5 zu 1 in Vollzeitschüler umgerechnet. In einigen Ländern ergeben sich bei gleichen Schularten für die Landes- und die kommunale Ebene unterschiedliche Schülerzahlen, weil auf beiden Ebenen in der Finanzstatistik unterschiedliche Kategorien von Gesamtschule verwendet werden: Einmal nur integrierte, zum anderen integrierte und kooperative bzw. additive Gesamtschulen. Dies wirkt sich auf die Schülerzahlen aller anderen allgemeinbildenden Schularten derart aus, daß alle Schularten unterschiedliche Schülerzahlen auf Landes- und kommunaler Ebene haben. Alle Schülerzahlangaben von Schulstatistiken beziehen sich immer auf Schuljahre. Diese müssen derart auf Kalenderjahre, für die allein die Ausgabendaten in der Finanzstatistik vorliegen, umgerechnet werden, daß sie jeweils für zwei Schuljahre ermittelt und über den arithmetischen Mittelwert hinreichend genau für das Kalenderjahr berechnet werden. 2. Die Ermittlung und Berechnung der Lehrervolldeputate. Da ihre Berechnung für die korrigierende Umrechnung der für einige Flächenstaaten (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Schleswig-Holstein) bei den allgemeinbildenden Schularten in der Finanzstatistik falsch nachgewiesenen Lehrpersonalausgaben des Landes ohnehin notwendig ist, wurden sie für alle Länder und Schularten berechnet, um zusätzlich einen besonderen unitcost-Indikator Personalausgaben je Lehrervolldeputat berechnen zu können. Die Berechnung der Volldeputate erfolgt methodisch auf der Basis der aus der Schulstatistik zu berechnenden Lehrervolldeputate pro Schulart. Diese Volldeputate lassen sich hinreichend exakt nach Schularten abgegrenzt auf Basis der angegebenen Unterrichtswochenstunden berechnen. 3. Die Berechnung der Schüler-Lehrer-Relation. Diese ist eine wichtige Kontrollgröße und stellt gleichzeitig eine interessante Zusatzinformation dar.

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4. Die Berechnung der absoluten Schulausgaben. Hierzu gehören vor allem die korrigierenden Umrechnungen der Lehrpersonalausgaben der allgemeinbildenden Schularten für einige Flächenländer mit Hilfe der zuvor berechneten Volldeputate. Diese Volldeputate werden mit Hilfe einer Gewichtung in einen Verteilungsschlüssel für die vier allgemeinbildenden Schularten (Grund- und Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen) umgerechnet. Sodann wird die als exakt angenommene Summe der Lehrpersonalausgaben des Landes für alle vier Schularten mit Hilfe des zuvor berechneten Schlüssels auf die einzelnen Schularten verteilt. Entsprechende Plausibilitätsprüfungen mit Hilfe der Schüler-Lehrer-Relation bestätigen den Erfolg der Umrechnung. Im übrigen verbleibt man bei dieser Umrechnung in der reinen Ist-Ausgabenrechnung. Eine methodisch ähnliche Umrechnung ist in Niedersachsen für die Sachausgaben, in Bremen für Personal-, Sach- und Investitionsausgaben notwendig. 5. Ausgaben für Beamten Versorgung, Beihilfen, Unterrichtsverwaltung und sonstige schulische Belange werden in der Finanzstatistik nur pauschal für das gesamte Land bzw. alle Kommunen eines Landes (Versorgung, Beihilfen) oder das gesamte Schulwesen auf Landes- und kommunaler Ebene nachgewiesen. Hier wird eine Umlage dieser Gemeinausgaben mit Hilfe von Zuschlagsätzen vorgenommen. Die Versorgungsausgaben werden jeweils auf die Summe der Beamtenbesoldung als Basis bezogen und daraus die Zuschlagsätze errechnet, mit deren Hilfe auf die jeweiligen Beamtenbezüge pro Schulart die anteiligen Versorgungsausgaben berechnet werden. Die Zuschläge für Beihilfen werden nach demselben Verfahren berechnet; Basis ist hier die Gesamtbesoldung von Beamten, Angestellten und Arbeitern. Für die Landes- wie die kommunale Ebene werden für jedes Land Zuschlagsätze für Versorgung und Beihilfen berechnet. Für die Berechnung der Zuschlagsätze für Verwaltung und Sonstiges werden die jeweils gesamten unmittelbaren Ausgaben (Personal-, Sach- und Investitionsausgaben) einmal aller Schularten plus Sonstiges (Verwaltungszuschlag) bzw. nur aller Schularten (Zuschlag für Sonstiges) verwendet. Auch hier werden für die Landesund kommunale Ebene für jedes Land Zuschlagsätze für Verwaltung und Sonstiges berechnet. 6. Auf der Basis der in der Finanzstatistik gegebenen unmittelbaren Personal-, Sach- und Investitionsausgaben, der aus der Finanzstatistik berechneten Zuschlagsätze für Beamten Versorgung, Beihilfen, Verwaltung und Sonstiges sowie mit Hilfe der Unterrichtswochenstunden bzw. der Volldeputate der Schulstatistik umgerechneten Lehrpersonalausgaben des jeweiligen Landes lassen sich schließlich durchschnittliche unitcosts in DM pro Schüler bzw. DM pro Lehrervolldeputat für einzelne Schularten, Länder und Kalenderjahre, sowohl getrennt nach Landes- und kommunaler Ebene sowie insgesamt, nach folgendem Modell berechnen (vgl. Abb. 1).

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

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S c h u l s t a t i s t i k Volldeputate

Ausgaben**

Einheit*

*) Die Volldeputate werden auf Basis der Unterrichtswochenstunden und des Deputatmaßes pro Schulart errechnet. * *) Ausgaben in D M pro Schulart, Land, Kalenderjahr, jeweils für die staatliche und kommunale Ebene zu berechnen. * * " ) Schülerzahl in Vollzeitschülern nach Köpfen bzw. Lehrerzahl nach Volldeputaten pro Schulart, Land, Kalenderjahr (arithmetisches Mittel der das Kalenderjahr überlappenden Schuljahre), für Schüler gegebenenfalls jeweils für die staatliche und die kommunale Ebene, für Lehrervolldeputate nur für die staatliche Ebene zu berechnen. · · · · ) Unitcosts in D M pro Schüler bzw. D M pro Lehrervolldeputat pro Schulart, Land, Kalenderjahr, für Schüler jeweils für staatliche und kommunale Ebene, für Lehrervolldeputate nur für die staatliche Ebene zu berechnen. A V = Angestelltenvergütung; BA/ba = Betriebsausgaben; BB = Beamtenbesoldung; GA/ga = Gesamtausgaben; IA/ia = Investitionsausgaben; PA/pa = tatsächliche Personalausgaben; PAF/paf = Personalausgaben aus der Finanzstatistik; PNK = Personalnebenkosten; SA/sa = tatsächliche Sachausgaben; SAF/saf = Sachausgaben aus der Finanzstatistik; unm.Ausg. = Unmittelbare Ausgaben in der Finanzstatistik; Z B / z b = Zuschlag für Beihilfen; Z U / z u = Verwaltungszuschlag; ZS/zs = Zuschlag für Sonstiges; Z V / z v = Zuschlag für die Beamtenversorgung; Z'Satz = der jeweils aus der Finanzstatistik errechnete Zuschlagsatz.

Abbildung 1 : Modell zur Berechnung der unitcosts staatlicher Schulen

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Das besondere Erkenntnisinteresse gilt neben den Personal- (ΡΑ/pa) und Sachausgaben (SA/sa) im einzelnen vor allem den Betriebsausgaben (BA/ba); die Investitionsausgaben (IA/ia) und damit auch die Gesamtausgaben (GA/ga) werden lediglich zur Information mitdokumentiert. Ihr Aussagewert ist wegen fehlender Periodenabgrenzung der Investitionsausgaben in der kameralistischen öffentlichen Finanzwirtschaft auf das einzelne Rechnungsjahr bezogen von nur eingeschränkter Bedeutung. Allenfalls in einer Längsschnittbetrachtung kommt den Veränderungen dieser Einzelindikatoren eine gewisse Bedeutung zu. Schon die vielfältigen Vergleichsmöglichkeiten der unitcosts zwischen verschiedenen Ausgabenarten, Schularten, Ebenen und Ländern innerhalb eines Kalenderjahres eröffnen interessante Einblicke. Vermehrt gilt dies für Längsschnittbetrachtungen, wenn die Ergebnisse mehrerer aufeinanderfolgender Jahre vorliegen. Hier werden dann vor allem die relativen Veränderungen von absoluten Ausgaben, Schülerzahlen und unitcosts im Vergleich interessant.

V. Die Ermittlung und Berechnung von Schülerzahlen, Lehrervolldeputaten, Schüler-Lehrer-Relationen und Ausgabenkennwerten pro Schüler und Lehrervolldeputat (unitcosts) staatlicher Schulen (mit Kontrollgruppe Freie Waldorfschulen) in den Ländern der alten Bundesrepublik Deutschland jeweils in den Jahren 1986 bis 1991 bzw. 1993 sowie deren Veränderungen im Zeitablauf Im folgenden sollen aus dem inzwischen umfangreichen Zahlenmaterial der Unitcostberechnungen für alle staatlichen Schularten in den alten elf Ländern der Bundesrepublik Deutschland in den Jahren 1986 bis 1993 56 punktuell nur die wichtigsten Ergebnisse dargestellt werden. Im einzelnen sind dies zunächst die Schüler- und Lehrer(volldeputat)zahlen und die daraus folgenden Schüler-LehrerRelationen, dann die Betriebsausgaben pro Schüler als wichtigster Kennwert der Schülerunitcosts und die Personalausgaben pro Lehrervolldeputat als Lehrerunitcosts und schließlich in einer grafischen Darstellung die prozentualen Veränderungsraten von Schülerzahlen, absoluten Betriebsausgaben und Betriebsausgaben pro Schüler (unitcosts) im Vergleich.

56 Vgl. zu den unitcost-Berechnungen für staatliche Schularten die in Fußnote 25 erwähnten Forschungsberichte zu den einzelnen Jahren. Die unitcosts für die als Vergleichsgruppe herangezogenen Freien Waldorfschulen wurden auf Basis folgender Quelle berechnet: Freie Hochschule für anthroposophische Pädagogik (früher Freies Pädagogisches Zentrum) Mannheim, Arbeitsbereich Bildungsökonomie (Hrsg.), Gesamtjahresabschluß (Konsolidierter Jahresabschluß) der Freien Waldorf- und Rudolf Steiner Schulen in der Bundesrepublik Deutschland, jeweils 1986 bis 1993, unveröffentlicht.

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

1. Schülerzahlen, Lehrervolldeputate

223

und Schüler-Lehrer-Relationen

Die Schüler-Lehrer-Relation, also das durchschnittliche Pro-Kopf-Verhältnis zwischen Schülerzahl und Lehrervolldeputaten, ist nach wie vor ein zentraler Parameter im Schulwesen, der nicht nur Aussagen über das pädagogisch relevante Betreuungsverhältnis in Schulen, sondern wegen der Dominanz der Lehrpersonalausgaben an den Betriebsausgaben der überaus personalintensiven Dienstleistungsinstitution Schule eben auch erste große Hinweise über unitcosts im Schulwesen ermöglicht. Es gilt der einfache Zusammenhang: Je niedriger die Schüler-LehrerRelation, um so tendentiell höher die Schülerunitcosts. Bevor jedoch die Schüler-Lehrer-Relationen selbst im einzelnen dargestellt werden, soll kurz Umfang und Entwicklung der Schülerzahlen als quantitativer Output und der Lehrervolldeputate als wesentlicher quantitativer Input der verschiedenen schulartspezifischen Leistungssysteme betrachtet werden. Die Tabellen 1 und 2 zeigen im Vergleich der sechs staatlichen Schularten und der Kontrollschulart Waldorfschule den jeweiligen Umfang der Schülerzahlen bzw. Lehrervolldeputate jeweils in den Jahren 1986 bis 1993 und damit deren Veränderung im Zeitablauf für alle Länder insgesamt und in der Differenzierung nach Flächen- und Stadtstaaten. Deutlich erkennt man in den Abbildungen der Tabellen, daß Grund- und Hauptschulen nach wie vor am meisten Schüler und Lehrer haben. Auffallend ist allerdings, daß die Schülerzahlen in den Flächenstaaten von 86 bis 89 deutlich abnahmen, während sie in den Stadtstaaten eher leicht anstiegen und damit im Durchschnitt allen Ländern von 86 bis 88 abnahmen und von 88 bis 91 wieder deutlich anstiegen. Die entsprechenden Lehrervolldeputate an Grund- und Hauptschulen sind dagegen bis 90 zurückgegangen, ab 91 wieder angestiegen. Bedeutende Schüler- und Lehrerzahlen weisen auch Gymnasien, Berufliche Schulen und Realschulen, durchweg mit rückläufiger Tendenz auf. Bei Realschulen und Gymnasien ist bei den Schülerzahlen ab 1989 ein Stillstand mit sich andeutender Zunahmetendenz zu erkennen bei wohlgemerkt gleichzeitigem weiteren Rückgang der Lehrervolldeputate. Gesamtschulen und Sonderschulen haben deutlich weniger Schüler mit bei Gesamtschulen kontinuierlich steigender Tendenz, bei Sonderschulen mit nur geringfügig abnehmender Tendenz. Allein bei den Gesamtschulen nahmen im Betrachtungszeitraum entsprechend zur Schülerzunahme auch die Lehrervolldeputate zu. Die Kontrollgruppe der Waldorfschulen weist demgegenüber insgesamt bescheidene Schüler- und Lehrerzahlen, allerdings beide mit steigender Tendenz auf. Für die sich aus Schüler- und Lehrer(volldeputat)zahlen ergebenden SchülerLehrer-Relationen (SLR) zeigt sich in Tabelle 3 (länderweise Darstellung mit Angabe der gewogenen arithmetischen Mittelwerte) ein differenziertes Bild: Die SLR unterscheidet sich sowohl von Schulart zu Schulart, als auch innerhalb der jeweiligen Schulart zwischen den Ländern.

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Rüdiger Haug Tabelle 1 Schülerzahlen der alten Bundesrepublik von 1986 bis 1993 Summe aller elf Linder

Grund- und Hauptschulen (HS)* Realschulen (RS)** Gymnasien (GY) Gesamtschulen (GS) Allgemeinbildende Schulen Berufliche Schulen (BS) Sonderschulen (SO) Freie Waldorfschulen (WS)

Grund- und Hauptschulen Realschulen Gymnasien Gesamtschulen Allgemeinbildende Schulen Berufliche Schulen Sonderschulen Freie Waldorfschulen

1986

1987

1988

1989

Land Kommune Land Kommune Land Kommune Land Kommune Land Land Land Land

3736739 3434316 883304 848712 1525773 1376404 325470 408571 6471286 1332478 238687 40188

3663188 3366762 830947 799218 1457595 1313247 320876 403094 6272606 1278489 230226 43280

3632119 3336390 786561 756992 1412745 1274057 320661 400022 6152086 1225624 223730 45144

3654494 3355052 759106 730467 1387326 1250498 329075 407583 6130001 1151935 219856 46983

Land Kommune Land Kommune Land Kommune Land Kommune Land Land Land Land

1986 3517057 3434316 858207 848712 1416498 1376404 276241 408571 6068003 1242515 221745 36288

1987 3445974 3366762 808231 799218 1354883 1313247 273233 .403094 5882321 1190890 214207 39184

1988 3413565 3336390 765537 756992 1314546 1274057 273813 400022 5767461 1141396 208470 40646

1986 219682 25097 109276 49229 183602 89963 16942 3900

1987 217214 22717 102712 47643 173072 87599 16019 4096

1988 218555 21024 98199 46848 166071 84228 15260 4498

1990 1991**· 3730093 3422872 752713 724089 1380268 1242021 347541 427320 6210615 1086257 221563 49140

3848512 3484731 767656 735013 1404746 1249417 387165 436454 6408079 1052339 227393 51026

Siunme von acht FUchenstaaten 1991 1989 1990 3431116 3499431 3561685 3355052 3422872 3484731 732607 743819 738911 730467 735013 724089 1295707 1291553 1285393 1249417 1250498 1242021 282019 298870 322237 436454 407583 427320 5905615 5743600 5816302 1071777 972234 1009740 205044 206824 208524 42278 44252 46031

1992

1993

3951818 3872563 790072 780889 1358760 1395748 429170 567388 6529820 1038503 233180 53518

4018582 3937474 814887 807002 1388880 1428362 457000 595618 6679349 1007153 238752 55464

1992 3611533 3532278 761821 752638 1232644 1269632 347419 485637 6040185 954086 210402 48151

1993 3675211 3594103 784179 776294 1257548 1297030 371925 510543 6177970 926686 215769 49969

1992 340285 28251 126116 81751 236118 84417 22778 5367

1993 343371 30708 131332 85075 247115 80467 22983 5495

Summe von drei Stadtstaaten Grund- und Hauptschulen * Realschulen** Gymnasien Gesamtschulen Allgemeinbildende Schulen Berufliche Schulen Sonderschulen Freie Waldorfschulen

Land Land Land Land Land Land Land Land

1989 223379 20195 95773 47056 163024 80158 14812 4705

1990 1991*** 286827 230663 23837 20106 94876 109039 48671 64928 197804 163653 76517 80105 18869 14739 4995 4888

*) In Hamburg Grund-, Haupt-und Realschulen; **) ohne Hamburg; ***)Ab 1991 mit Ostberlin.

Entwicklung der Schulcrzahlcn in allen Ländern

11986 • 1987 D1988 D1989 · 1 9 9 0 Q1991 B1992 Π 19931

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

225

Tabelle 2 Lehrervolldeputate der alten Bundesrepublik von 1986 bis 1993 Simune aller elf Lfinder

Gnind- und Hauptschulen (HS)*

1986

1987

1988

1989

1990

1991***

1992

1993

191993

188976

186294

184316

184024

187931

190465

191614

Realschulen (RS)·*

45815

44256

42793

41894

41087

41044

41532

41701

Gymnasien (GY)

99468

98491

96311

94576

91328

94154

95125

93951

Gesamtschulen (GS)

20028

20486

20881

21386

22142

23935

26293

27491

357304

352209

346279

342172

338581

347064

353415

354757

Berufliche Schulen (BS)

71074

70271

69731

67242

64723

65693

66790

65393

Sonderschulen (SO)

29804

29032

28484

28169

28167

28668

29309

29992

3202

3448

3593

3855

3990

3789

4367

4169

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

Allgemeinbildende Schulen

Freie Waldorfschulen (WS)

Summe von acht FUchenstaaten

180326

177308

174832

172665

172079

173255

174522

175612

Realschulen

44370

42889

41556

40704

39914

39679

39943

39988

Gymnasien

91637

90842

89182

87705

84540

86474

86526

85062

Gesamtschulen

16945

17448

17997

18510

19210

20002

21080

22091

333278

328487

323567

319584

315743

319410

322071

322753

Berufliche Schulen

65782

65073

64671

62592

60509

60751

61081

59689

Sonderschulen

27606

26919

26441

26188

26212

26238

26378

27020

2883

3126

3253

3478

3603

3427

3977

3762

1986

1987

1988

Sumime von drei SStadtstaaten 1991*·* 1989 1990

1992

1993 16002

Gnind- und Hauptschulen

Allgemeinbildende Schulen

Freie Waldorfschulen

11667

11667

11462

11651

11945

14676

15943

Realschulen**

1445

1367

1237

1190

1173

1365

1589

1713

Gymnasien

7831

7650

7129

6871

6789

7679

8599

8889

Grund- und Hauptschulen*

Gesamtschulen AHgemeinbildende Schulen

3084

3039

2885

2876

2932

3933

5213

5400

24027

23723

22713

22588

22839

27653

31344

32004

Berufliche Schulen

5293

5198

5060

4650

4214

4943

5709

5704

Sonderschulen

2198

2113

2043

1982

1956

2430

2931

2972

319

322

340

377

387

362

390

407

Freie Waldorfschulen

*)In Hamburg Gnind-, Haupt- und Realschule; **) Ohne Hamburg; ***) Ab 1991 mit Ostberlin.

Entwicklung der Lehrervolldeputate in allen Ländern 200000 180000 160000 140000 120000 100000 80000 60000 40000 20000 0 HS Schularten

Β 1986 • 1987 • 1988 • 1989 • 1990 Η 1991 • 1992 • 1993]

15 F. Müller/B. Jeand'Heur

226

Rüdiger Haug Tabelle 3 Schüler-Lehrer-Relationen der alten Bundesrepublik von 1986 bis 1993 BW

BY

HE

NS

NW

RP

SL

SH

BE**

HB

1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993

18,31 18,38 18,56 18,88 19,41 19,84 20,13 20,41

19,04 18,92 18,86 19,11 19,58 19,91 20,15 20,37

22,60 22,29 21,67 21,32 21,68 22,19 22,44 22,46

20,11 19,57 19,27 19,33 19,63 19,40 19,35 19,81

19,77 19,86 20,30 21,09 21,76 22,04 22,03 22,10

18,29 18,54 18,94 19,36 19,59 19,52 19,78 20,23

17,47 17,47 17,72 17,84 18,19 18,84 19,71 20,42

20,80 20,63 20,70 21,12 21,69 21,49 21,16 21,33

17,87 17,79 18,60 18,74 19,12 19,58 22,38 22,71

17,44 17,46 17,68 17,97 18,08 17,85 17,78 17,56

RS

1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993

17,56 17,08 16,66 16,52 16,76 17,15 17,58 18,05

20,34 20,55 19,66 18,17 17,10 17,10 17,49 17,97

21,42 20,62 20,39 20,75 21,21 22,02 23,06 24,05

18,80 17,86 17,22 17,00 17,17 16,92 16,78 17,31

20,82 20,36 20,35 20,45 20,73 21,49 22,16 22,52

20,07 19,20 18,75 18,61 18,79 19,10 20,04 21,25

15,81 15,91 15,80 16,06 16,90 18,15 19,11 19,72

17,85 17,08 16,27 15,83 17,86 18,54 17,05 17,70

16,94 16,05 16,87 16,99 17,19 17,52 17,93 18,29

18,11 17,62 17,23 16,94 17,07 17,33 17,36 16,78

GY

1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993

14,49 13,93 13,62 13,47 13,53 13,78 14,12 14,45

15,94 15,49 15,12 15,15 15,33 15,60 15,99 16,34

14,84 14,32 14,51 14,92 15,16 15,66 16,37 16,92

14,74 14,23 13,88 13,66 13,55 13,20 13,04 13,31

16,21 15,51 15,48 15,47 16,86 15,73 15,83 16,96

15,77 15,36 15,31 15,32 15,21 15,07 15,26 15,54

13,54 13,22 13,51 14,16 15,01 15,55 16,07 16,21

15,14 14,86 14,43 14,22 14,42 14,71 14,93 15,18

12,99 12,39 13,43 13,61 13,67 14,24 14.91 15,15

12,78 12,56 12,47 12,39 12,43 12,42 12,55 12,19

1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993

12,70 12,68 12,56 12,22 12,12 12,25 12,40 12,36

13,27 11,52 10,92 11,53 12,74 13,03 13,28 13,70

17,64 16,85 16,36 16,38 16,63 17,46 18,54 19,00

14,48 13,99 13,65 13,62 13,81 14,07 14,23 14,39

15,41 15,02 14,64 14.76 15,27 15,72 15,55 15,98

15,52 15,14 14,91 14,74 14,65 14,52 14,73 15,25

14,92 14,39 13,65 13,54 13,73 14,25 14,84 15,12

14,59 14,36 14,30 14,46 15,11 14,43 15,69 15,71

13,11 12,71 13,68 13,81 13,92 14,45 14,61 14,65

1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993

16,74 16,50 16,32 15,82 15,22 15,31 15,63 15,80

19,88 18,48 17,77 16,92 15,98 15,33 15,18 15,45

17,28 16,54 15,90 15,21 15,01 14,92 14,44 14,73

19,56 18,56 17,56 17,12 16,69 15,73 15,08 15,23

19,63 19,64 18,88 18,31 18,42 17,24 16,22 15,27

19,37 18,83 18,31 18,07 17,73 16,97 16,45 16,47

18,85 18,54 17,06 15,97 15,92 15,46 15,05 15,40

22,52 21,77 21,03 20,34 19,53 18,71 18,03 17,47

1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993

6,76 6,63 6,51 6,51 6,62 6,83 7.09 7,08

8,06 7,99 8,00 8,00 8,24 8,60 9,13 9,42

8,37 8.17 7,88 7,69 7,61 7,53 7,27 7,M

8,32 7,93 7,69 7,64 7,63 7,60 7,71 7,91

8,77 8,66 8,51 8,43 8,54 8,44 8,22 8,11

7,24 8,65 10,41 10,05 10,24 9,83 9,10 9,24

6,86 6,32 5,67 5,34 5,19 5,29 6,29 6,00

1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993

13,33 13,28 13,21 13,15 13,16 13,02 13,16 13,36

13,97 13,48 14,50 14,03 13,90 14,21 12,64 12,36

13,62 12,77 12,93 12,91 13,51 13,01 12,76 12,48

13,12 13,27 13,99 12,63 12,60 12,30 12,64 12,62

14,99 15,75 15,43 14,49 14,40 14,52 14,37 14,40

13,67 14,16 12,83 12,77 13,62 13,27 12,33 12,63

11,62 11,62 11,32 11,10 12,00 13,34 12,81 11,33

* ) InHamburg Grund-, Haupt- und Realschule **)Ab 1991 mit Ostberlin Legende: BW=Baden-Württemberg SL=Saarland BY=Bayern SH=Schleswig-Holstein HE=Hcssen BE=Berlin NS=Niedereachsen HB=Bremen NW=Nordrhein-Westfalen HH=Hamburg RP=Rheinland-Pfalz

HH GAML GAMF GAMS 19,46 19,38 19,50 19,83 20,25 20,48 20,75 20,97

19,50 19,43 19,52 19,87 20,34 20,56 20,69 20,93

18,83 18,62 19,07 19,17 19,05 19,54 21,34 21,46

19,28 18,78 18,38 18,12 18,32 18,70 19,02 19,54

19,34 18,84 18,42 18,15 18,35 18,75 19,07 19,61

17,37 16,62 17,00 16,97 17,15 17,46 17,78 17,93

15,42 14,83 14,63 14,89 14,89 14,81 15,07 15,15

15,34 14,80 14,67 14,67 14,47 14,92 14.28 14,78

15,46 14,91 14,74 14,73 14,83 14,98 14,25 14,78

13,95 13,43 13,78 13,94 13,67 14,20 14,67 14,77

12,45 12,21 12,32 11,84 11,16 11,06 11,35 10,97

21,02 20,86 20,35 20,44 20,89 21,32 18,55 18,67

16,25 15,66 15,36 15,39 15,61 16,18 16,32 16,62

16,30 15,66 15,21 15,24 15,56 16,11 16,48 16,84

15,96 15,68 16,24 16,36 15,96 16,51 15,68 15,75

14,39 14,51 15,36 15,35 15,48 15,40 14.% 14,21

19,59 19,17 17,93 16,45 15,35 14,42 13,84 12,91

18,01 17,73 17,03 19,34 23,02 18,11 15,03 14,58

18,75 18,19 17,58 17,13 16,74 16,02 15,55 15,40

18,89 18,30 17,65 17,12 16,64 16,00 15,62 15,53

17,00 16,85 16,64 17,24 18,16 16,21 14,79 14,11

8,55 8,34 8,22 8,03 8,30 8,48 8,61 8,75

7,63 7,55 7,91 7,82 7,82 8,07 8,15 8,09

7,08 6,59 6,20 5,98 5,97 5,93 6,03 5,98

8,02 8,17 7,48 7,68 8,23 8,21 7,98 7,98

8,01 7,93 7,85 7,80 7,87 7,93 7,96 7,96

8,03 7,96 7,88 7,83 7,89 7,95 7,98 7,99

7,71 7,58 7,47 7,47 7,59 7,77 7,77 7,73

13,71 13,50 12,25 12,79 13,60 13,38 12,76 13,14

12,62 12,80 12,44

15,74 15,15 14,78 14,74 14,61 14,60 14,91 15,06

13,48 14,36 13,92 14,12 14,16 14,10 13,89 13,27

13,72 13,82 13,72 13,40 13,55 13,47 12,26 13,30

13,75 13,79 13,75 13,37 13,51 13,43 13,76 13,28

13,45 14,10 13,51 13,72 13,89 13,80 13,76 13.50

12,66 13,16 13,00 13,21 13,33

21,09 20,63 20,60 20,57 20,38 20,02 20,56 20,35

HS=Grund- und Hauptschule RS=Realschule GY=Gymnasium GS=GesamtschuIe BS=Berofliche Schulen SOSondercchule WS=Waldorfschule

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

227

Bei den Grund- und Hauptschulen streuen die Werte zwischen 17,4 (HB86) und 22,7 (BE93) erheblich. In den meisten Ländern fand von 86 bis 93 insgesamt ein Anstieg statt. Lediglich in HE, NS und HH gingen die Werte von 86 bis 93 zurück. Bei den Realschulen liegt ein anderes Bild vor. Die Werte streuen zwischen 15,8 (SL86) und 24 (HE93) und nehmen in den meisten Ländern, mit Ausnahme von SL, SH und BE, von 86 bis 90 tendentiell ab, um bis 93 wieder anzusteigen. Bei den Gymnasien liegen die Werte insgesamt niederer, streuen aber auch stark von 12,4 (HB89 und 90) bis 16,9 (NW93). Mit Ausnahme von HB gehen in allen Ländern die Werte bis etwa 90 zurück und steigen dann wieder an. Die Gesamtschulwerte liegen, mit auffälliger Ausnahme von HH, etwa auf dem Niveau der Gymnasiumswerte. Läßt man die enorm hohen Werte von HH beiseite, so streuen die Werte immer noch erheblich von 10,9 (BY88) bis 19 (HE93). In allen Ländern außer HB und HH sind die Werte von 86 bis 93 relativ stabil. Die SLR der beruflichen Schulen weist mit Werten zwischen 14,4 (BE86) und 23,0 (HH90) die größte Streuung auf. Mit Ausnahme von BE und HH gehen die Werte in allen anderen Ländern zwischen 86 und 93 ζ. T. erheblich zurück. Bei den Sonderschulen ist bemerkenswert, daß trotz der enormen Differenziertheit in sehr unterschiedliche Schultypen im Durchschnitt sich ein relativ geschlossenes Bild ergibt. Bei den als Kontrollgruppe mituntersuchten Waldorfschulen ergaben sich ähnliche Verhältnisse wie bei Gymnasien und Gesamtschulen: Eine etwas geringere Streuung der Werte von 11,1 (SL89) bis 15,8 (NW87) als bei Gymnasien und Gesamtschulen. Mit Ausnahme von BW mit geringfügiger Steigerung gehen die Werte von 86 bis 93 in allen anderen Ländern leicht zurück. Wirft man abschließend noch einen Blick auf die arithmetischen Mittelwerte der SLR, so scheinen die Unterschiede zwischen Schularten einerseits sowie die Veränderungen von 86 nach 93 andererseits nicht allzu dramatisch zu sein. Bedenkt man gleichzeitig, daß etwa 70 % der Betriebsausgaben auf die Lehrpersonalausgaben entfallen, so wirken sich eben schon geringe Schwankungen der SLR entsprechend stark auf Veränderungen der Schülerunitcosts aus.

2. Betriebsausgaben pro Schüler (Schülerunitcosts) Nur der wichtigste Unitcost-Kennwert, die Betriebsausgaben pro Schüler, werden einer analytischen Betrachtung unterzogen. Dieser Kennwert setzt sich aus mehreren Einzelkennwerten zusammen: Aus den Personalausgaben, anteiligen Versorgungs- und Beihilfeausgaben, Sachausgaben, anteiligen Verwaltungsausgaben und anteiligen sonstigen Schulausgaben, jeweils für die Landes- und die kommunale Ebene als eigenständige Kennwerte pro Schüler berechnet. Daneben wur15'

228

Rüdiger Haug Tabelle 4 Betriebsausgaben in D M pro Schüler und Schulart (unitcosts) von 1986 bis 1991 BW

HS·

1986 1987 1988 1989 1990 1991

BY

HE

NS

NW

RP

SL

SH BE··

HB

HH GAML GAMF GAMS

5431 5641 5764 5843 5966 6224

5413 5609 5734 5861 5997 6292

5094 5340 5560 5763 5837 6151

5684 6035 6197 6429 6717 6890

5692 5640 5741 5795 5892 6115

5672 5680 5728 5813 5984 6321

6505 6582 6717 6930 7136 7396

5351 5601 5780 5871 6165 6583

6724 6869 7181 7296 7473 5667

6851 7111 7315 7456 7864 8462

6712 6934 7103 7326 7659 8481

RS

1986 1987 1988 1989 1990 1991

5813 6279 6685 6988 7222 7518

6688 6801 7266 8007 8783 9366

5113 5535 5691 5709 5812 6082

6592 7214 7521 7970 8297 8540

5432 5804 6040 6260 6474 6603

5337 5850 6173 6459 6665 6920

7200 7346 7666 7875 7808 7744

6437 7095 7709 8224 8053 8207

7695 8419 8793 8965 9229 15756

7391 8030 8543 8998 9464 9896

GY

1986 1987 1988 1989 1990 1991

7572 8189 8695 9058 9439 9846

8187 8692 9055 9347 9730 10140

8150 8862 8926 8837 8984 9407

8520 9281 9656 10129 10825 11150

7322 7753 8083 8411 8811 9278

7179 7724 8005 8292 8725 9241

8310 8921 9113 9035 8923 9141

7778 8367 8945 9399 10061 10447

10664 11541 11678 11838 12322 9778

11218 12076 12651 13185 13931 14793

GS

1986 1987 1988 1989 1990 1991

8590 9118 9901 10844 11522 12120

10050 11544 12460 12529 12499 12982

6524 7158 7457 7578 7727 7942

7843 8504 8805 9166 9568 9538

7548 8028 8492 9235 9303 9781

9423 9784 10110 10411 10869 11383

8223 8370 9197 9113 9338 .9765

9765 10645 11183 11252 11364 10826

10409 11101 11225 11204 11672 9192

BS

1986 1987 1988 1989 1990 1991

6626 7129 7520 7943 8616 8929

6136 6656 7038 7930 9099 9853

6219 6754 7241 7888 8442 9486

5614 6117 6466 7094 7976 8592

5761 6144 6508 7068 7850 8657

5870 5962 6440 6902 7639 8482

6488 7029 7642 8445 9282 10439

5064 5545 5803 6394 7274 8040

SO

1986 1987 1988 1989 1990 1991

15347 16495 17427 18064 18778 19564

19447 20003 20067 20411 20700 23518

16198 17600 18824 20061 21192 23354

15739 17427 18482 19074 20333 21318

13297 14107 15050 15729 16759 17647

14032 14994 15821 16916 17775 20323

18564 20021 22263 24374 26330 27778

WS

1986 1987 1988 1989 1990 1991

5845 6026 6141 6289 6550 6884

5517 5835 5769 6217 6952 7145

6018 6166 6534 6624 6427 7315

5922 6319 6360 6815 7111 7550

5781 6032 6284 6330 6817 7298

5144 5104 4941 5169 5696 6414

5431 5411 5597 5656 6042 6833

5692 5935 6075 6196 6360 6546

5548 5787 5918 6033 6185 6421

6741 7011 7256 7412 7680 8081

6009 6431 6733 7081 7394 7736

5929 6346 6645 6993 7304 7535

7577 8270 8700 8978 9313 14014

9085 9797 10067 10423 10930 11125

7993 8556 8873 9177 9633 9829

7740 8285 8608 8910 9357 9727

10038 10832 11102 11408 11941 11041

10410 11200 11531 12403 13907 14862

9504 9999 10315 10788 11077 11327

7865 8467 8828 9204 9432 10028

7223 7825 8215 8599 8804 9798

9973 10566 10788 11044 11458 11171

9961 10380 10953 11514 12107 10721

6098 6591 7331 8275 9397 10617

8718 9364 9922 10798 11781 12479

6262 6733 7143 7784 8591 9211

6001 6455 6847 7460 8239 8985

8520 9063 9673 10482 11403 11953

12876 14011 14946 15809 17318 18842

20067 22771 24715 26307 27736 17957

15788 20234 17390 21879 19077 22543 21327 21881 22549 23772 24477 23880

15548 16681 17599 18332 19373 20379

15055 16131 17017 17749 18716 20041

19177 21087 22478 23251 25247 24108

6188 6995 7156 7505 7695 7920

7553 8128 8690 8745 9120 8795

6597 7082 8090 8324 8789 9236

5913 6186 6405 6600 6937 7338

5823 6077 6228 6420 6751 7178

6751 7227 7998 8216 8628 8818

5582 5949 5902 6408 6648 7001

*) In Hamburg Grund-, Haupt· und Realschule; ***) 1991 mit Ostberlin; Legende wie in Tabelle 3.

Entwicklung der Betriebsausgaben in D M pro Schüler im gewogenen arithmetischen Mittel aller Länder

zsooo 20000 fe α 15000

I

10000

Ω

5000 Λ HS

RS

GY

GS

BS

Schularten Β 1986 • 1987 D1988 Q1989 • 1990 01991

SO

WS

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

229

den auch unitcosts für Investitionsausgaben berechnet. Diese bleiben aber wegen fehlender Periodenabgrenzung in der öffentlichen Finanzwirtschaft nur in ihrem Trendverlauf von Interesse. In Tabelle 4 sind die nominalen Betriebsausgaben pro Schüler in DM für die Jahre 86 bis 91 für die staatlichen Schularten sowie die Waldorfschulen als Kontrollgruppe jeweils für alle Länder einzeln und als gewogene arithmetische Mittelwerte für alle Länder, alle Flächen- und alle Stadtstaaten getrennt dargestellt. In der dazugehörigen Abbildung werden die jeweiligen gewogenen arithmetischen Mittelwerte aller Länder in ihrem Verlauf graphisch wiedergegeben. Dieser Unitcost-Kennwert, die Betriebsausgaben pro Schüler, steht im Zentrum des Interesses der ganzen Schulausgabenuntersuchungen, weil er allein hinreichend genaue Auskunft über die tatsächlichen Ausgabenniveaus in ihrer schulartund länderspezifischen Differenzierung in den Jahren 1986 bis 1991 gibt. Dies ist deshalb so wichtig, weil man mit diesem Parameter genaue Hinweise auf Schulkosten in der Vergangenheit bekommt, die als Grundlage für die Finanzplanung im staatlichen Bereich selbst aber auch als Orientierungsrahmen für die Bemessung der Finanzhilfe an Ersatzschulen herangezogen werden können. Da es sich um nicht preisbereinigte nominelle unitcosts handelt57, sind die meisten Werte für die einzelnen Schularten und Länder im Zeitraum von 86 bis 91 gestiegen. Allerdings gibt es Ausnahmen: In einigen Ländern sind bei einzelnen Schularten die, wohlgemerkt nominellen unitcosts ab 1989 gesunken. So etwa bei Realschulen im Saarland und Schleswig-Holstein, bei Gymnasien im Saarland, bei Gesamtschulen in Bayern, Schleswig-Holstein und Berlin. Man erkennt ferner zwischen den Schularten einerseits und zwischen verschiedenen Ländern andererseits ζ. T. erhebliche Varianzen bei den unitcosts. Dabei fallen insbesondere die ζ. T. erheblichen Unterschiede zwischen den Ländern innerhalb derselben Schulart auf. Mit anderen Worten, für ein und dieselbe Schülerart werden in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedliche Betriebsausgaben pro Schüler getätigt. Die auffälligen Werte für Berlin im Jahr 1991 hängen mit der Erweiterung um Ostberlin zusammen. Bei nur oberflächlicher Betrachtung der unitcosts in Tabelle 4 fällt ebenfalls auf, daß die Werte in den acht Flächenstaaten überwiegend und signifikant niederer liegen als in den drei Stadtstaaten. Das mag seine Ursache zum einen in der höheren Finanzkraft, aber auch in einer tendentiell quantitativ besseren und damit dichteren Schulversorgung in den Stadtstaaten haben. Ein wichtiger Grund könnte auch der stärker nach oben verschobene Stellenkegel bei der Einstufung der Lehrkräfte in den Stadtstaaten sein. Eine derartige Analyse der Ursachen unterschiedlicher unitcosts war jedoch nicht Gegenstand der Untersuchung. Hier soll nur die Ist-Situa-

57 Auf das Problem der durch Preisänderungen der Einsatzfaktoren bedingten Veränderungen im Zeitablauf wird bei der Betrachtung der Veränderungsraten unter Punkt (4) eingegangen.

230

Rüdiger Haug

tion der unitcosts, wie sie sich aus den amtlichen Dokumenten ermitteln läßt, Gegenstand der Darstellung sein. Betrachtet man zunächst die unterschiedlichen Niveaus der unitcosts, so fällt auf, daß unter den vier allgemeinbildenden Schularten die Grund- und Hauptschulen das niederste (das für alle Länder gewogenes arithmetisches Mittel für 1991 gleich DM 6 546,-/Schüler), Gymnasien (DM 9 829,-/Schüler) und Gesamtschulen (DM 10 028-/Schüler) das höchste Niveau haben und Realschulen (DM 7 736,/Schüler) eher Richtung HS-Niveau dazwischen liegen. Der Durchschnittswert der vielfältigen beruflichen Schularten (DM 9 211,-/Schüler) liegt etwas über dem Realschulniveau. Bedingt durch die auch im Durchschnitt der vielfältigen Sonderschularten außergewöhnlich niedere Betreuungsrelation liegen die unitcosts bei Sonderschulen (1991 DM 20 379,-/Schüler) durchweg außergewöhnlich hoch. Ein Blick auf die Vergleichsgruppe der Waldorfschulen, als Einheitsschulen formal am ehesten den staatlichen Gesamtschulen vergleichbar, zeigt, daß deren unitcost-Niveau (für 1991 DM 7 338,-/Schüler) deutlich unterhalb des Niveaus staatlicher Gesamtschulen oder Gymnasien im Bereich zwischen Grund- und Hauptschulen und Realschulen liegt. Das hat seine Ursache nicht, wie oft geglaubt wird, in einer deutlich schlechteren Schüler-Lehrer-Relation. Diese ist im Gegenteil, wie aus Tab. 1 zu entnehmen, im Durchschnitt sogar besser als bei allen staatlichen Schularten, einschließlich Gymnasien und Gesamtschulen. Der eigentliche Grund ist zum einen die erheblich schlechtere Finanzausstattung dieser Schulen, die sich ja als Schulen in freier Trägerschaft im wesentlichen aus zwei Quellen finanzieren müssen: Aus von Land zu Land unterschiedlich hohen Finanzhilfesätzen, die verfassungsrechtlich begründet und in länderspezifischen Finanzhilferegelungen (Gesetzen) festgelegt sind, und in keinem Land annähernd die Unitcostniveaus der entsprechenden staatlichen Schularten erreichen und aus Elternbeiträgen (Schulgeld), die verfassungsrechtlich beschränkt sind, und in keinem Fall die Lükke zwischen dem jeweiligen Niveau der staatlichen Finanzhilfe und den Unitcostniveaus etwa der Gesamtschulen oder einer Mischung aus Grund- und Hauptschulen und Gymnasien58 decken. Zum anderen sind Waldorfschulen als autonome, d. h. nicht nur pädagogisch, sondern auch wirtschaftlich selbstverwaltete Schulen offenbar in der Lage, mit den im Vergleich zu staatlichen Schulen knapperen Finanzmitteln erheblich effizienter zu wirtschaften. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, daß ein erheblicher Anteil der im Vergleich zu staatlichen Schularten deutlich niederen unitcosts auf das Konto immer noch deutlich niederer Besoldungsniveaus geht 59 . 58

In verschiedenen Ländern werden für die Berechnung der Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft die Ausgaben vergleichbarer staatlicher Schulen herangezogen. Da es im staatlichen Schulwesen kein Pendant zur Waldorfschule gibt, weil diese als Einheitsschule einerseits für alle Schüler die Grundstufe, andererseits überwiegend Schüler mit gymnasialer Abschlußorientierung, aber auch einzelne Schüler mit Haupt- oder Realschulabschlußorientierung hat, wird als Grundlage für die Berechnung der Finanzhilfe an Waldorfschulen eine fiktive Kombination aus staatlicher Grund- und Hauptschule und staatlichem Gymnasium herangezogen. Vgl. hierzu Kapitel IV.

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

231

Betrachtet man nun die unitcosts der einzelnen Schularten im Ländervergleich, so zeigt sich bei den Grund- und Hauptschulen 1986 Hessen (5094) am niedersten und Bremen (6851) am höchsten bei einer Standardabweichung von 644. 1991 ist mit Ausnahme von Berlin, NW am niedersten und HH am höchsten bei einer deutlich gestiegenen Standardabweichung von 948. Die Varianz zwischen den Ländern hat von 1986 bis 1991 kontinuierlich zugenommen. Betrachtet man nur die Flächenstaaten, so fällt auf, daß das Saarland (1986 DM 6 505,-; 1991 DM 7 396,-) deutlich über dem relativ einheitlichen Niveau aller anderen Flächenstaaten eher in der Nähe der Werte der Stadtstaaten liegt. Die Varianz innerhalb der Flächenstaaten verläuft von 1986 bis 1991 uneinheitlich (Standardabweichungen: 418, 380, 375, 419, 465, 445), so daß man im Zeitablauf keinen Trend erkennen kann. Bei den Stadtstaaten verlief die Varianz wegen der Steigerung bei Bremen und Hamburg und der Abnahme bei Berlin 1991 uneinheitlich (Standardabweichungen: 77, 125, 107, 85, 196). Bei den Realschulen zeigt sich ein gegenüber den Grund- und Hauptschulen zwischen zumindest den Flächenstaaten erheblich varianteres Bild. Schon 1986 war die Spannweite zwischen dem niedersten Wert wiederum in Hessen (5114) und dem höchsten in Berlin (7695), aber auch die Standardabweichung aller Länder (865) deutlich höher als bei Grund- und Hauptschulen. Dies verstärkte sich bis zum Jahr 1990, in dem der niederste Wert weiterhin in Hessen (6082), der höchste aber, außer in Berlin, in Bremen (9896) lag und die Standardabweichung aller Länder (2620) sich deutlich erhöhte. Wie schon bei den Grund- und Hauptschulen ragen die Werte des Saarlandes, von 1988 bis 1991 aber zusätzlich die Werte von Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, die für beide Flächenstaaten eher in der Nähe der Stadtstaaten liegen, besonders heraus. Dadurch ergibt sich auch allein für die Flächenstaaten ein deutlich varianteres Bild, was sich in unterschiedlich hohen Standardabweichungen für die sechs betrachteten Jahre ergibt (706, 667, 751, 898, 953, 1009). Das Bild in den beiden Stadtstaaten Berlin (bis 90) und Bremen, in denen es allein eigenständige Realschulen gibt, ist dagegen relativ homogen. Bei den Gymnasien ist das Bild bei den Flächenstaaten, mit Ausnahme von Niedersachsen, relativ homogen. Die Standardabweichungen schwanken von 1986 bis 1991 (456, 527, 511, 548, 686, 664) eher gering. Zwischen den Stadtstaaten dagegen bestehen große Varianzen (von 1986 bis 1991: 904, 973, 1066, 1128, 1126, 2119). Bei der Betrachtung aller Länder kommen durch den deutlichen Niveauunterschied zwischen Flächenstaaten und Stadtstaaten ebenfalls große Varianzen zum Tragen, was sich in hohen und steigenden Standardabweichungen von 1986 bis 1991 (1249, 1367, 1378, 1438, 1577, 1547) niederschlägt. Ein zu den Gymnasien kontroverses Bild zeigt sich bei den Gesamtschulen. Obgleich das Niveau der unitcosts dem der Gymnasien in etwa entspricht, liegen zwischen den Stadtstaaten insgesamt geringere Varianzen vor als zwischen den Flächenstaaten. Das mag daran liegen, daß in den drei Stadtstaaten Gesamtschulen als 59 Vgl. unter Punkt (4).

232

Rüdiger Haug

integrierte Gesamtschulen relativ ähnlich sind, während in den Flächenstaaten unter Gesamtschulen sowohl integrierte wie kooperative und additive Gesamtschulen subsumiert sind. Jedenfalls ergeben sich zwischen den Stadtstaaten von 1986 bis 1991 deutlich geringere Standardabweichungen (427, 544, 516, 685, 1218, 2338) als zwischen den Flächenstaaten (1128, 1352, 1482, 1448, 1452, 1508). Die Varianzen zwischen allen Ländern liegen von 1986 bis 1991 noch höher (Standardabweichungen: 1221, 1390, 1420, 1439, 1639, 1859). Also ein insgesamt sehr uneinheitliches Bild. Bei den beruflichen Schulen ist das Bild ähnlich wie bei den Gymnasien: Zwischen den Flächenstaaten relativ geringe Varianzen (Standardabweichungen von 1986 bis 1991: 473, 523, 591, 646, 663, 749), zwischen den Stadtstaaten dagegen deutlich größere Varianz (Standardabweichungen von 1986 bis 1991: 1610, 1601, 1524, 1389, 1208, 854). Wegen der auch hier deutlichen Niveauunterschiede zwischen Flächen- und Stadtstaaten ergeben sich auch für die Varianz zwischen allen Ländern hohe Standardabweichungen von 1986 bis 1991 (1381, 1416, 1482, 1522, 1516, 1256). Obgleich das Niveau der unitcosts bei den Sonderschulen erheblich über dem aller anderen Schularten liegt, ist die Grundstruktur der Varianzen zwischen den Ländern ähnlich der anderer Schularten. Auch hier liegen die Werte der Stadtstaaten deutlich über denen der Flächenstaaten. Dadurch ergeben sich zwischen allen Ländern auch hier erhebliche, von 1986 bis 1991 zunehmende Standardabweichungen (2551, 2844, 3044, 3224, 3449, 3025). Die Varianzen innerhalb der Flächen- bzw. der Stadtstaaten sind allerdings ähnlicher als bei anderen Schularten. Bei der Vergleichsgruppe Waldorfschulen liegt bei deren unitcosts60 interessanterweise von der Struktur her gesehen ein ähnliches Bild wie bei den staatlichen Schulen vor: Deutlich höhere unitcosts in den Stadtstaaten Berlin und Hamburg. Lediglich der Stadtstaat Bremen liegt hier auf dem niederen Niveau der Flächenstaaten. Unter diesen fällt wiederum Schleswig-Holstein mit signifikant über dem Durchschnitt liegenden Werten auf. Man kann vermuten, daß die tendentielle Strukturgleichheit, bei allerdings erheblich unterschiedlichen Niveaus zwischen ζ. B. staatlichen Gesamtschulen und Waldorfschulen, auf eine gewisse Orientierung der jeweiligen Finanzhilfe für die Waldorfschulen an den unitcosts staatlicher Schularten zurückzuführen ist. Bei genauerer Betrachtung der Finanzhilferegelungen in den einzelnen Ländern zeigt sich jedoch, daß dieser Zusammenhang nicht systematisch nachzuweisen ist. Das Beispiel Bremen gibt hierfür beredt Zeugnis. Die Varianzen liegen bei den Waldorfschulen zwischen den Ländern insgesamt relativ hoch (Standardabweichungen von 1986 bis 1991: 627, 807, 1048, 1024, 1020, 816), zwischen den Stadtstaaten kaum höher (Standardabweichungen von 1986 bis 1991: 805, 890, 1198, 1017, 1096, 967), zwischen allein den Flächenstaaten zwar 60

In den Betriebsausgaben der Waldorfschulen sind Personalausgaben (inkl. Sozialversicherung und sonstige Personalnebenausgaben) und Sachausgaben (inkl. anteilige Verwaltungsausgaben des Bundes der Freien Waldorfschulen sowie anteilige Verwaltungsausgaben von Land und Kommune für die Verwaltung der Finanzhilfe) enthalten.

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

233

deutlich niedriger, aber mit von 1986 bis 1991 an- und abschwellender Tendenz (Standardabweichungen: 320, 536, 624, 663, 588, 435). Die in der Tabelle 4 und ihrer Abbildung vergleichend dargestellten Betriebsausgabenunitcosts für alle staatlichen Schularten und die Vergleichsgruppe der Waldorfschulen setzen sich aus mehreren Ausgabenarten zusammen: Den überwiegenden Anteil stellen die Personalausgaben, ihrerseits zusammengesetzt aus Beamtenbesoldungen, anteiliger Beamtenversorgung, Angestellten- und Arbeitervergütung und Beihilfen. Zu den Sachausgaben im engeren Sinne kommen anteilige Verwaltungsausgaben und anteilige Ausgaben für sog. sonstige schulische Angelegenheiten. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, daß bei allen Schularten dieser Personalausgabenanteil an den Betriebsausgaben von 1986 bis 1991 gestiegen ist. Das heißt, alle Schularten wurden offenbar im Betrachtungszeitraum tendentiell personalausgabenintensiver. Am niedersten liegt er 1990 bei den Gesamtschulen (81 82 %), bei der Vergleichsgruppe der Waldorfschulen (82 - 83 %) und den Grundund Hauptschulen (82 - 84 %). Im mittleren Bereich (84 - 85 %) liegt er bei den beruflichen Schulen und am höchsten liegen die Anteilswerte bei den Sonderschulen (85 - 87 %), den Realschulen (86 - 88 %) und den Gymnasien (87 - 88 %). Bei den Gesamtschulen spielt der umfangreichere Sachaufwand (oft sind es Modelloder Versuchsschulen), bei den Waldorfschulen zum einen ebenfalls der umfangreichere Sachaufwand (mehr „praktische" Fächer, keine Kostenübernahme durch „Amtshilfe"), zum anderen aber vor allem das niedrigere Niveau bei der Personalbesoldung eine Rolle. Die meisten dieser einzelnen Ausgabenarten lassen sich auch noch danach differenzieren, ob sie auf der Landes- oder der kommunalen Ebene anfallen. Betrachtet man die beiden wesentlichen Ausgabenarten, aus denen sich etwa 90 % aller Betriebsausgaben zusammensetzten, nämlich die Lehrpersonalausgaben nebst anteiliger Beamtenversorgung und Beihilfe der Lehrer auf der Landesebene einerseits und die Sachausgaben nebst anteiliger Ausgaben für die Schulverwaltung und sonstige schulische Angelegenheiten auf kommunaler Ebene, so zeigen sich erstaunliche Disparitäten nicht nur zwischen Schularten und Ländern, sondern auch im Zeitverlauf der untersuchten fünf Jahre. Während bei allen Schularten und in allen Ländern bei den Lehrpersonalausgaben/Schüler mehr oder weniger deutliche Steigerungen vorliegen, zeigen die Sachausgaben der Kommune überwiegend eine stagnierende, d. h. real sinkende Tendenz. 3. Investitionsausgaben Obgleich die Investitionsausgaben staatlicher Schularten wegen ihrer fehlenden periodengerechten Abgrenzung in der kameralistischen Buchhaltung der öffentlichen Finanzwirtschaft nur von punktueller Aussagekraft sind, soll dennoch kurz ein Blick auf Niveaus und Verläufe bei den einzelnen Schularten und in den einzel-

234

Rüdiger Haug

nen Ländern geworfen werden. Diese Investitionsausgaben staatlicher Schularten setzten sich im wesentlichen aus Bau-, Ausstattungs- und Einrichtungsausgaben sowie Miet- und Pachtzahlungen für die Anmietung fremder Gebäude nebst Ausstattung zusammen. Es handelt sich also sowohl um Neu- und Erweiterungs- als auch um Ersatzinvestitionen bestehender Anlagen. Ganz anders bei der Kontrollgruppe der Waldorfschulen. Hier liegen periodisierte Abschreibungen im Rahmen einer kaufmännischen Aufwandsrechnung vor. Inhaltlich handelt es sich ebenfalls um Neu- und Erweiterungs- sowie Ersatzinvestitionen in Grundstücke, Gebäude, Ausstattung und Einrichtung. Betrachtet man sich die entsprechenden Investitionsunitcosts (Investitionsausgaben pro Schüler) staatlicher Schulen in Tabelle 5, so fällt sofort die enorme Differenzierung in den Niveaus von Schulart zu Schulart einerseits, aber auch von Land zu Land andererseits auf. Immerhin lassen sich bei den arithmetischen Mittelwerten in der Differenzierung nach Flächen- und Stadtstaaten schon gewisse Trends erkennen: Für Grund- und Hauptschulen, Realschulen aber auch Gymnasien wurde in diesem Zeitraum durchweg weniger pro Schüler investiert als für berufliche Schulen, Sonderschulen und vor allem Gesamtschulen. Auffallend ist auch, daß in den Flächenstaaten, mit Ausnahme der Gesamtschulen, für alle anderen Schularten mehr als in den Stadtstaaten investiert wurde. Betrachtet man einzelne Schularten in einzelnen Ländern im Längsschnitt der fünf Jahre von 1986 bis 1991, so lassen sich deutliche Trends erkennen: In Berlin wurde in alle allgemeinbildenden Schularten mit wachsender Tendenz investiert, besonders spektakulär bei den Gesamtschulen. Aber auch Schleswig-Holstein und das Saarland zeigen, wenn auch abgeschwächt, für Grund- und Hauptschulen, Realschulen und Gesamtschulen ähnliche Entwicklungen. Auffallend ist das Zurückbleiben der Gymnasien als eingeführter Schulart (überwiegend Ersatzinvestitionen) gegenüber den „neuen" Gesamtschulen, die in einzelnen Ländern (Bayern, Nordrhein- Westfalen, Rheinland-Pfalz und vor allem Berlin) außergewöhnlich hohe und ζ. T. noch stark steigende Investitionsausgaben pro Schüler aufweisen, hinter denen sich auch Neu- und Erweiterungsinvestitionen verbergen dürften. Nicht nur die mangelnde Periodenabgrenzung der Investitionsausgaben pro Schüler bei staatlichen Schulen, auch und vor allem die Zusammenfassung von Neu- und Ersatzinvestitionen in einer Größe lassen die laufend nachgewiesenen Investitionsausgaben bei staatlichen Schularten untauglich erscheinen für die Orientierung einer Investitionsfinanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft. Für Bau-, Ausstattungs- und Einrichtungsinvestitionen neuer Schulen bedarf es des Rückgriffs auf standardisierte Flächen-, Ausstattungs-, Einrichtungs- und entsprechende Kostenrichtwerte des allgemeinen Schulbaus. Lediglich für die Ersatzinvestitionen in bestehende Schulanlagen könnte man bei Vorliegen getrennter Ersatzinvestitionsunitcosts staatlicher Schularten auf diese als Orientierungsgrößen für eine entsprechende Ersatzinvestitionsfinanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft zurückgreifen.

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

235

Tabelle 5 Investitionsausgaben in D M pro Schüler und Schulart (unitcosts) von 1986 bis 1991 BW

BY

HE

NS

NW

RP

SL

SH BE··

HB

HH

AML

AMF

AMS

HS*

1986 1987 1988 1989 1990 1991

445 471 471 491 560 597

599 681 715 756 800 837

468 511 542 573 611 665

367 359 363 400 431 477

232 241 249 247 267 296

566 644 585 652 651 645

324 190 270 377 556 456

321 403 399 425 402 419

456 533 637 820 910 309

218 245 176 224 237 344

414 402 298 330 409 410

401 425 428 481 530 496

415 438 449 490 535 549

363 393 370 458 519 354

RS

1986 1987 1988 1989 1990 1991

217 184 229 234 256 345

459 458 563 549 594 650

187 205 181 231 255 241

376 359 355 410 421 472

232 176 150 154 273 301

342 527 559 573 421 520

141 162 135 191 349 154

382 367 438 525 521 412

223 482 755 504 576 1285

235 272 202 266 281 397

279 319 357 364 395 478

292 305 326 358 386 387

229 377 479 385 429 841

GY

1986 1987 1988 1989 1990 1991

298 323 367 295 315 319

510 421 428 408 490 567

593 718 783 759 576 643

369 367 374 412 454 467

216 190 173 180 193 251

398 430 399 355 349 555

586 779 471 564 584 322

362 397 430 319 399 306

172 100 213 420 689 119

357 408 299 390 414 594

354 243 141 251 249 182

383 398 371 396 428 393

417 453 428 412 420 429

294 250 218 354 451 298

1986

1991

239 334 510 878 562 667

1243 1150 1023 1204 1098 1223

571 516 529 591 536 751

374 365 366 403 430 473

874 949 916 1204 1364 1814

3281 2777 1660 1669 2205 1725

552 242 513 602 932 • 900

125 167 685 641 1248 1301

923 1127 2578 3966 8199 2873

332 379 273 367 413 596

889 531 449 329 253 234

855 776 864 1078 1567 1142

907 813 775 899 1047 1107

715 679 1100 1554 2955 1234

1986 1987 1988 1989 1990 1991

846 717 679 714 794 898

1084 1124 1045 1074 1374 1025

838 967 1180 1158 885 864

443 462 486 508 548 597

453 433 375 450 609 539

528 661 733 563 622 728

264 245 357 272 278 307

606 512 505 595 1157 1122

1786 1305 978 1126 1039 533

194 223 173 245 279 426

461 385 270 130 113 226

682 639 616 621 700 660

633 640 670 667 783 760

814 638 474 500 477 395

1986

1280 1212 1004 1263 1260 1338

1101 1178 1474 1076 1065 1471

1804 2039 1568 1637 1856 1742

606 901 3824 1021 140 1090

922 734 968 1121 971 1086

1207 804 955 960 807 882

1284 631 455 936 1383 834

785 1201 920 533 457 425

1389 772 1622 1390 864 432

254 164 214 409 227 626

737 341 196 132 192 205

1034 907 1200 953 838 921

1124 1088 1396 1068 992 1109

793 426 677 644 428 421

462 485 503 524 516

454 457 409 389 490

265 252 265 285 321

358 309 341 386 381

230 331 358 356 334

282 600 558 549 573

515

433

235

537

378

527

443 484 403 367 361 559

585 542 570 607 647 714

522 567 570 490 571 500

357 383 366 315 287 252

517 426 482 619 515 538

407 440 439 444 454 472

385 433 426 433 453 487

465 459 473 475 458 430

GS

1987

1988 1989 1990

BS

SO

1987 1988

1989 1990 1991 WS

1986 1987 1988 1989 1990 1991

*) In Hamburg Grund-, Haupt- und Realschule; * * ) 1991 mit Ostb sind einfache arithmetische Mittelwerte.

i; Legende wie in Tabelle 3; A M L , A M F und AMS

4. Personalausgaben pro Lehrervolldeputat

(Lehrerunitcosts)

Die Lehrpersonalausgaben pro Volldeputat, wie sie in Tabelle 6 dargestellt sind, setzen sich bei staatlichen Schulen aus den Beamtenbezügen, Angestelltenvergütungen und sämtlichen Personalnebenausgaben sowie anteiligen Versorgungsausgaben für Beamte und Beihilfen und Unterstützungen, wie sie aus den Rechnungsergebnissen der Landesebene, die allein für die Lehrpersonalausgaben zuständig ist, ergeben, zusammen. Dabei entsteht folgendes Problem: Die tatsächlich pro Jahr an im Ruhestand befindliche ehemalige Lehrer ausbezahlten Ruhestandsbezüge (Beamten-, Witwen- und Waisenpensionen), die unzweifelhaft Bestandteil der

236

Rüdiger Haug Tabelle 6 Lehrpersonalausgaben in D M (unitcosts) pro Volldeputat und Schulart von 1986 bis 1991 BW

BY

HE

NS

RP

SL

SH

BE"

1986

74581

81109

80667

85407

81687

80923

87021

83855

107094

106054

112145

82655

80984

108488

1987

78861

84051

84889

89634

86213

85593

91666

88424

109984

113379

115490

86766

85085

112303

1988

82372

86290

87232

92646

90057

88899

95655

91551

119748

118964

116818

90101

88227

118686

1989

85092

89178

89170

96447

94377

92133

99465

95273

123897

123604

121206

93569

91583

123010

1990

89178

93632

92354

98903

96196

103799

103336

130124

130686

125265

98109

96170

127579

1991

94492

99541

99925

102189 102367

100478

98193

108414

109401

102144

137179

134840

103159

101308

125009

1986

83531

90347

95656

90634

97463

93917

119945

89115

119513

100390

95865

102666

99034

123183

118780 126984

90074

95076

87413 92184

93740

97700

103763

96614

99567

107133

102537

134118

133240

98477

97426

124551 133794

101034

138646 145963 140609

1987

88324

90842 94137

1988

92257

96645

NW

HB

HH»

GAML

94692

GAMF

1989

95303

99879

99870

108020

100754

103189

111401

106706

138765

138437

102103

1990 1991

99879 105834

104868 111898

103437 111916

114452 114668

104847 110694

107740 113276

116255 124258

115737 122512

145739 114456

146368 155383

107106

105964

112650

111688

GAMS

1986

89498

97331

96801

102489

96460

97108

104425

100626

128512

127265

119401

98653

96441

124539

1987

94633

100861

101867

107561

98631

102712

109999

106108

131981

136054

124123

102601

100341

129440

1988

98847

103548

104679

111175

103391

106679

114785

109861

143698

142757

126489

106623

104258

136210

1989

102110

107013

107004

115736

107713

110559

119358

114328

148677

148325

131073

110489

108081

141232

1990

107013

112359

110825

122627

113148

115435

124559

124003

156149

156823

137452

118832

116490

147586 145932

1991

113392

119891

119910

122853

120315

121357

133104

131284

122585

166695

142734

122347

120253

1986 1987

80578

86446

87111

91070

89562

86529

93226

91334

115118

115080

168601

95283

88113

134680

85184

89609

91517

95485

94272

91556

98191

96314

118129

122760

176900

99697

92686

139952

1988

88925

91999

93955

98593

97891

95785

148312

1989

91788

95068

96007

102553

103047

1990

96132

99821

99350

108583

108341

1991

101718

106518

107424

108692

114355

108232

118725

95085

102419

99744

128196

128545

179144

103041

98531

106447

103812

132373

133314

184322

106624

99374

153291

102848 .111049

112462

138857

140596

193741

111161

104050

118921

107623

149155

209041

117476

110756

157750 150604

1986

87987

62618

85688

89839

95469

105481

95707

123310

106054

134802

87541

84520

125084

1987

92970

63068

88164

88708

96679

94535

113159

100982

133124

113379

143217

91676

88315

133750

1988

97683 100264

64145

91471

90940

99329

99688

113581

103228

148739

118964

146475

94799

91138

141591

69059 74747

95731 102023

97693 107377

106476

105940 114484

117483 128948

109579 118394

157837

123604

168823

130686

178769 231955

100713 108595

96409 103421

158651

115376

166405

1989 1990

104213

83983

178806

1991

108251

77884

114038

108359

119082

121226

140852

125845

140385

138924

198017

112323

107923

1986

81544

131100

103552

104414

86681

74438

108994

87299

139987

101292

138049

96852

94127

131069 142243

1987

86704

133740

110287

110256

92183

96135

109400

92976

156247

105038

149049

103641

100610

1988

90142

135480

115916

113922

96882

123605

108803

97704

177350

109198

145447

109002

105863

149637

1989

93447

139961

120909

119762

100537

127589

113585

103664

187926

117691

141750

113319

110220

154259

1990

98880

145208

126584

128631

106247

137636

118613

116101

124229

164300

120393

116876

167531

1991

105325

172206

138367

132991

111322

151651

128631

129585

199445 123028

134335

170125

128966

126067

160269

1986

59743

59440

61191

58220

62445

55319

45738

64466

74730

63647

64162

60902

60180

67420

1987

60619

61326

58694

62111

68678

54791

45934

69778

82093

68297

72335

63670

64847

61674

66691

70325

49076

48544

65686

107567

65805

82589

66029

1989

61863 63397

62522 64144

74811

1988

67517

63681

64385

68033

51765

48080

72686

85582

69814

87108

66888

64964

84642

1990

66228

73464

65721

67667

71856

60402

55247

79282

90656

74956

91092

70821

68861

89075

1991

68208

77784

71414

69746

77646

66755

68769

80168

83534

77002

95657

70500

68498

89456

*) In Hamburg Grund-, Haupt- und Realschule; **) 1991 mit Ostberlin; Legende wie in Tabelle 3.

83258

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

237

Lehrpersonalausgaben sind, werden im öffentlichen Rechnungswesen nicht gesondert nachgewiesen. Dokumentiert werden nur pauschal die gesamten Versorgungsbezüge für alle Beamten und deren Hinterbliebenen pro Jahr. Es mußte eine Berechnung der jeweils anteiligen Versorgungsausgaben pro Jahr und Schulart auf Basis der jeweiligen Beamtenbesoldungssummen vorgenommen werden. Hierbei ist mit aller Deutlichkeit der weit verbreiteten Auffassung entgegenzutreten, daß Versorgungsausgaben keine Personalausgaben seien und somit bei der Berechnung von Schulausgaben nicht berücksichtigt werden dürfen. In gleicher Weise wie bei Angestellten selbstverständlich Beiträge zu Rentenversicherungen Personalausgabenbestandteile zur Alterssicherung nach dem Versicherungsprinzip (Aufbau einer Anwartschaft auf eine entsprechende Rentenzahlung von einem eigenständigen Versicherungsträger im Alter) sind, haben direkte Pensionszahlungen aus den öffentlichen Kassen den Charakter von Personalausgaben zur Alterssicherung nach dem Kassenprinzip (Gesetzlicher Anspruch auf direkte Pensionszahlung aus öffentlichen Kassen im Alter). In welchem Maße die Verdrängung der Tatsache, daß die Beamtenversorgung ein genuiner Personalausgabenbestandteil ist, zu verhängnisvollen Fehleinschätzungen führen kann, hat die in jüngster Zeit aufgeflammte Diskussion um die Dynamik der rapide zunehmenden Ausgaben - Personalausgaben - für die Beamtenversorgung insbesondere im Bereich der in nächster Zukunft enorm ansteigenden Zahl von pensionierten Lehrern gezeigt. Von Kennern der Materie wird in diesem Zusammenhang von einem Sprengsatz für das Gleichgewicht der öffentlichen Finanzen gesprochen61. Vor diesem Hintergrund kann allein die Einbeziehung der anteiligen Versorgungsausgaben in die gesamten Personalausgaben zu einem wahren Bild der Lehrpersonalausgaben pro Volldeputat führen. Alle Versuche, bei der Berechnung von Lehrpersonalausgaben nur die Beamtenbesoldung heranzuziehen, müssen als Partialbetrachtung angesehen werden und halten einer Bruttobetrachtung der Ausgaben methodisch nicht stand. Bei der Kontrollgruppe der Waldorfschulen wurden die Lehrpersonalausgaben auf Basis der realistischen Annahme, daß bei Waldorfschulen ca. 10 % der Personalausgaben auf nichtlehrendes Personal entfällt, aus den in den Gesamtjahresabschlüssen nur insgesamt angegebenen Personalausgaben berechnet. Sie enthalten neben den Angestelltenvergütungen inklusive der Sozialversicherungsbeiträge auch noch sämtliche anderen Personalnebenausgaben. Während die Schülerunitcosts nur indirekt als vom Schüler verursacht angesehen werden können, gibt es bei den Lehrerunitcosts einen unmittelbaren Zusammenhang ihrer Niveaus mit den strukturellen Bedingungen der Lehrerbesoldung 61 Vgl. etwa Meng, Was Beamte wirklich kosten, in Frankfurter Rundschau vom 8.4. 1994, Seite 23, und dazugehöriger Leserbrief von Mass, Beamte waren in der „Verwaltungspraxis" immer recht billige Arbeitskräfte, in Frankfurter Rundschau vom 28. 4. 1994, Seite 2.

238

Rüdiger Haug

und -Versorgung. Wesentlicher Einflußfaktor auf das Niveau der Schülerunitcosts ist die jeweilige Schüler-Lehrer-Relation, die ihrerseits auf die Lehrerunitcosts keinen Einfluß hat. Hier spielen das Verhältnis von beamteten zu angestellten, vollzu teilzeitbeschäftigten Lehrern oder Faktoren, die unmittelbar auf die Besoldungshöhe Einfluß haben wie Dienstalter, Familienstand, Kinderzahl, aber auch der sog. Stellenkegel, d. h. die relative Eingruppierung in die Besoldungstabellen eine bedeutendere Rolle. Nicht zu vergessen ist aber auch der Einfluß des jeweiligen Anteils der sich im Ruhestand befindlichen Pensionsempfänger bzw. der Pensionszahlungen zu den aktiven Lehrerbeamten bzw. deren Besoldung über die Personalausgabenart „anteilige Beamtenversorgung" auf die Höhe der Lehrerunitcosts. Angesichts des enormen Übergewichts des Lehrpersonalausgabenanteils an den Betriebsausgaben der Schule kommt diesem Parameter bei der Kostenplanung für Schulen eine entscheidende Bedeutung zu. Hierbei ist zu bedenken, daß der nach wie vor überwiegende Teil der Lehrerschaft an staatlichen Schulen über seinen Beamtenstatus zu einer außerordentlich langfristigen Investition wird. Deshalb spielt in der staatlichen Schulplanung die Lehrerbedarfsplanung eine so zentrale Rolle. Bei genauerer Betrachtung der in Tabelle 5 zusammengefaßten Lehrerunitcosts fallen zunächst die ungewöhnlich hohen Niveaus auf, die in einem Fall sogar die Grenze von DM 200 000 pro Volldeputat und Jahr überschreiten. Nicht minder erstaunlich sind die enormen Niveauunterschiede weniger zwischen den einzelnen Schularten, sondern vor allem im Ländervergleich. Hinzuweisen ist auf das deutliche Zurückbleiben des Besoldungsniveaus an Waldorfschulen gegenüber staatlichen Schularten. Dies hat seinen Grund zum einen darin, daß Waldorfschulen als Schulen in freier Trägerschaft nicht nur fast keine beamteten Lehrer beschäftigen, sondern vor allem keine beamteten Lehrer im Ruhestand zu versorgen haben. Immerhin etwa 22 % der Lehrerunitcosts sind anteilige Versorgungsausgaben. Zum anderen fließen den Waldorfschulen über die in den einzelnen Ländern rechtlich sehr unterschiedlich geregelte Finanzhilfe im Vergleich zur staatlichen Lehrerbesoldung unzureichende Mittel für deren Lehrerbesoldung zu, so daß sie gezwungen sind, in ihrem Besoldungsniveau hinter dem staatlicher Schularten zurückzubleiben. Für das Jahr 1990 waren dies gegenüber dem gewogenen arithmetischen Mittel der Lehrerunitcosts (ohne anteilige Beamtenversorgung und Beihilfen) der Gesamtschulen aller Länder eine Differenz von etwa 15 % gegenüber den tatsächlichen Lehrerunitcosts von immerhin etwa 37%. Die durchweg in allen Schularten deutlich höheren Lehrerunitcosts in den Stadtstaaten gegenüber den Flächenstaaten, übrigens, wenn auch gemildert, auch bei Waldorfschulen, sind natürlich die Ursache für die entsprechende Differenzierung bei den Schülerunitcosts zwischen Flächen- und Stadtstaaten.

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5. Veränderungen von Schülerzahlen, Lehrervolldeputaten, Betriebsausgaben, Lehrpersonalausgaben sowie Schüler- und Lehrerunitcosts von 1986 bis 1991 bzw. 1993 Die unitcosts werden als Quotient zwischen absoluten Ausgabenarten (Dividenden sind ζ. B. Personal-, Sach- oder Betriebsausgaben in DM) und der Anzahl der Bezugseinheiten (Divisoren sind die tatsächlichen Schüler- oder fiktive vollbeschäftigte Lehrerzahlen als sog. Volldeputate) errechnet und unterliegen damit im Zeitverlauf den Veränderungen dieser beiden Einflußfaktoren. Es gilt der Zusammenhang: Wenn Schülerzahlen/Lehrervolldeputate und die Betriebsausgaben/Lehrpersonalausgaben konstant bleiben oder sich mit gleichen Raten verändern, so bleibt die Veränderungsrate der jeweiligen unitcosts konstant. Verändern sich die Schülerzahlen/Lehrervolldeputate stärker/weniger stark als die Betriebsausgaben/Lehrpersonalausgaben, so fällt/steigt die Veränderungsrate der unitcosts. In Abbildung 2 sind die jeweiligen jährlichen·Veränderungsraten bezogen auf die Vorjahre für Schülerzahlen und Betriebsausgaben in allen Ländern und die Betriebsausgaben/Schüler (Schülerunitcosts) im arithmetischen Mittel aller Länder für alle Schularten dargestellt. Man erkennt daran, wie die Veränderungen der unitcosts von dem Verhältnis der Veränderungen von Schülerzahl und Betriebsausgaben abhängt. In allen Schularten sind die Schülerunitcosts im Zeitraum von 1986 bis 1991 gestiegen, allerdings mit unterschiedlicher Tendenz: Durchgehend fallende Veränderungsraten zeigen nur Gesamtschulen, während bei Grund- und Hauptschulen, Realschulen und auch bei der Waldorfschule jeweils bis 1989 fallende, von 1989 nach 1991 dagegen steigende Veränderungsraten zu sehen sind. Bei Realschulen, Gymnasien, beruflichen Schulen und Sonderschulen zeigt sich eine erst fallende, dann steigende und wieder fallende (außer RS) Tendenz. Auch bei den Lehrpersonalausgaben sind in allen Schularten positive Veränderungsraten für die unitcosts, d. h. durchweg Zunahmen der unitcosts zu verzeichnen. Auffallend ist, daß das Bild der Veränderungsraten für die unitcosts allgemeinbildender staatlicher Schularten, Grund- und Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule, identisch ist, obgleich die zugrundelegenden Bedingungen bei den Veränderungen von Volldeputaten und Personalausgaben sehr unterschiedlich sind. Die beruflichen Schulen zeigen ab 1988 wegen der stark fallenden Volldeputate (negative Veränderungsraten) einen deutlichen Anstieg der Veränderungsraten der unitcosts. Tendentiell umgekehrt, mindestens bis 1989, verhält es sich bei den Sonderschulen. Die Waldorfschulen, die ähnlich wie die staatlichen Gesamtschulen im gesamten Zeitraum Zuwächse bei Volldeputaten und Personalausgaben verzeichnen, hatten von 1986 bis 1988 konstante unitcosts, von 1988 auf 1989 eine geringe Steigerung und erst von 1989 nach 1991 eine deutlich höhere Zunahme.

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Grund- und Hauptschulen 20 r

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15 -

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l 86 87

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87 88

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Gesamtschulen

89 90

90 91

Abbildung 2: Prozentuale jährliche Veränderung von Schülerzahl, Betriebsausgaben und Betriebsausgaben pro Schüler von 1986 bis 1991 im arithmetischen Mittel aller Länder der alten Bundesrepublik

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VI. Unitcosts als Orientierungshilfe für die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft 1. Der Zusammenhang der praktizierten Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft mit der Ausgabensituation (unitcosts) des staatlichen Schulwesens in den Ländern In allen Bundesländern sind die Berechnungsmodalitäten der öffentlichen Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft, wie sie in den jeweiligen gesetzlichen Regelungen niedergelegt sind 62 , bislang in unterschiedlichem Maß an den Ausgabenarten und -niveaus (unitcosts) staatlicher Schularten orientiert. Dies gilt für beide Arten der Finanzhilfe, das sog. Bedarfsdeckungs- und das sog. Pauschalierungsverfahren 63 gleichermaßen. Beim Bedarfsdeckungsverfahren werden die Qualitäten (bezuschussungsfähige Ausgabenarten) und die Quantitäten (Niveaus als maximale Zuschußhöhen) staatlicher Schulausgaben als Maßstab für die meist prozentuale Finanzhilfe zu entsprechenden Ausgabenarten der Schulen in freier Trägerschaft herangezogen. Beim Pauschalierungsverfahren wird die Finanzhilfe in Form einer Pauschalsumme (meist pro Jahr), die sich aus Zuschußrichtsätzen (meist pro Schüler) multipliziert mit der Schülerzahl (meist des Voijahres) der Schule in freier Trägerschaft errechnen, an die Schule in freier Trägerschaft gegeben. Die Berechnung dieser Zuschußrichtsätze (auch Schülerkopfsätze genannt) basiert auf der Berechnung entweder fiktiver unitcosts bestimmter Ausgabenarten staatlicher Schularten (meist Lehrpersonalausgaben) oder tatsächlicher unitcosts staatlicher Schularten aus der Vergangenheit, wobei meist Ausgabenarten (wie Beamtenversorgung, Verwaltung oder die gesamten Schulausgaben der kommunalen Ebene), die nach dem Bruttoprinzip zu berücksichtigen sind, nicht mit einbezogen werden. In drei Ländern (Bremen, Hamburg und Hessen) wird allein das Pauschalierungsverfahren, in vier anderen Ländern (Berlin, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein) allein das Deckungsverfahren zur Berechnung der Finanzhilfe herangezogen. In Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen wird eine Kombination beider Verfahren angewandt: Der Kern der Finanzhilfe, als Lehrpersonalausgabenbezuschussung gedacht, wird pauschal, zusätzliche weitere Ausgabenarten wie etwa Altersversorgungs- oder Bauausgaben werden mit Hilfe des Deckungsverfahrens bezuschußt. In den Ländern, die gänzlich oder im Kern das Pauschalverfahren praktizieren, orientiert sich die Berechnung an entsprechenden Richtwerten für Lehrpersonal62 Baden-Württemberg: Privatschulgesetz, Bayern: Schulfinanzierungsgesetz, Berlin: Privatschulgesetz, Bremen: Privatschulgesetz, Hamburg: Privatschulgesetz, Hessen: Ersatzschulfinanzierungsgesetz, Niedersachsen: Schulgesetz, Nordrhein-Westfalen: Ersatzschulfinanzgesetz, Rheinland- Pfalz: Privatschulgesetz, Saarland: Privatschulgesetz, SchleswigHolstein: Schulgesetz. 63 Vgl. hierzu Vogel/Knudsen, Bildung und Erziehung in freier Trägerschaft, o. J., Kap. 28.

16 F. Müller/B. Jeand'Heur

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ausgaben im staatlichen Schulwesen: Entweder an tatsächlichen Ist-Lehrpersonalausgaben der Vergangenheit (Bremen, Hessen), an im Haushaltsplan veranschlagten Plan-Lehrpersonalausgaben der Zukunft (Hamburg) oder an standardisierten Besoldungsrichtwerten für Lehrer (Baden- Württemberg, Bayern, Niedersachsen). In diesen eingeschlossen sind nur in zwei Fällen Versorgungsanteile für Beamte, in Hessen anteilige Ist-Versorgungsausgaben der Vergangenheit und in Hamburg fiktive Versorgungsanteile für Beamte. Beihilfen, Unterstützungen und sonstige Personalnebenausgaben bleiben durchweg unberücksichtigt. Vgl. Abb. 3. Zahlreiche andere Ausgabenarten des staatlichen Schulwesens (Lehr- und Lernmittel, Unterrichts- und Schulverwaltung, Gebäude- und Inventarunterhaltung, für nichtlehrendes Personal, Grundstücks- und Gebäudeinvestitionen u. ä.) bleiben bei der Berechnung der Finanzhilfe nach dem Pauschalverfahren außer Betracht. In Hessen werden für die Berechnung des Schülerkopfsatzes für die pauschale Finanzhilfe allein die Besoldungs-, Vergütungs- und Versorgungsausgaben der staatlichen Schularten in der Vergangenheit herangezogen. Daneben werden die im staatlichen Schulwesen von kommunalen Schulträgern zu finanzierenden laufenden Ausgaben für die sog. äußeren Schulangelegenheiten (Ausgaben für nichtlehrendes Personal, Bewirtschaftung, Unterhaltung, Lehrmittel und Geschäftsbedarf) bei Schulen in freier Trägerschaft von den Wohnsitzgemeinden der Schüler von Schulen in freier Trägerschaft mit 50 % des sog. Gastschulbeitrags64 pauschal bezuschußt. Eine Orientierung an kommunalen Ausgabenniveaus besteht allenfalls partiell. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (z. B. Waldorfschule) bei DM 5 433,-/Waldorfschüler 65, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 6 151,-/Grund- und Hauptschüler, DM 9 407,-/Gymnasiast und DM 7 942,- /Gesamtschüler. In Bremen orientiert sich die Berechnung des „Grundsumme" genannten Parameters für die Finanzhilfe an der Gesamtheit aller im Haushalt der Stadtgemeinde Bremen veranschlagten Ausgaben staatlicher Schulen. Da Bremen Stadtstaat ist, schließt dies, wenigstens für die Stadt Bremen, die Ausgaben für innere und äußere Schulangelegenheiten ein. Man könnte hier von einer weitgehenden Vollkostenorientierung im Sinne des von Heckel geforderten Bruttoprinzips sprechen, wären nicht wesentliche Ausgabenarten staatlicher Schulen wie Versorgung, Beihilfen, anteilige Unterrichtsverwaltung und anteilige Ausgaben für einzelschulübergreifende „sonstige Schulausgaben" des Haushalts deshalb unberücksichtigt, weil sie aus haushaltstechnischen Gründen nicht in den Haushalten für einzelne Schularten veranschlagt werden. Daß in Bremen Ausgabenarten wie Investitionsausgaben und durch zweckgebundene Einnahmen gedeckte Ausgaben bei der Berechnung der „Grundsumme" wieder eliminiert werden, tangiert die prinzipielle methodische Orientierung an den Vollkosten staatlicher Schulen in diesem Bundesland nicht. 64

Vgl. zu Gastschulbeiträgen im Rahmen des Schullastenausgleichs Heckel/Avenarius, Schulrechtskunde 6. Aufl. 1986, S. 113. 65 Quelle siehe Fußnote 56.

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

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Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 4 425 -/Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 8 462,-/Grund- und Hauptschüler, DM 14 793,-/ Gymasiast und DM 14 862,-/Gesamtschüler. In Hamburg orientiert sich die Berechnung der dort „Schülerkopfsätze" genannten Finanzhilfeparameter an den Haushaltssätzen im „Kontenrahmen Dienstbezüge" und dem Ansatz für Lehr- und Lernmittel der staatlichen Schulen. Sämtliche anderen Ausgaben staatlicher Schulen bleiben außer acht. Ein auf dieses Teil-Ausgabenniveau staatlicher Schulen vorgesehener Aufschlag im Verhältnis 70 % zu 15 % für „Versorgung" und „Betriebskosten" hat keinen direkten Bezug zu tatsächlichen Ausgaben staatlicher Schulen und bleibt willkürlich. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 6 070,-/Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 8 481,-/Grund-, Real- und Hauptschüler, DM 11 125-/Gymnasiast und DM 11 327,-/Gesamtschüler. In Baden-Württemberg wird der dort „Grundbetrag" genannte Parameter der im Kern pauschalen „obligatorischen Regelfinanzhilfe" in Orientierung an standardisierten Besoldungsrichtwerden für Beamte im staatlichen Schuldienst errechnet. Diese enthalten allein Grundbezüge, Ortszuschläge und Sonderzuweisungen. Der Bezug zur tatsächlichen Lehrerbesoldung im staatlichen Schulwesen ist deshalb sehr schwach, weil noch nicht einmal gesichert ist, ob dieser standardisierte Besoldungsrichtwert im Bereich der durchschnittlichen tatsächlichen Lehrerbesoldung im staatlichen Schulwesen liegt. Darüber hinausgehende Zuschüsse zur Altersversorgung sind auf die konkreten Bedarfe der Schulen in freier Trägerschaft ausgerichtet, orientieren sich allerdings am Standard im staatlichen Bereich. Baukostenzuschüsse orientieren sich insofern vollständig am staatlichen Schulwesen, als für staatliche wie private Schulbauprojekte dieselben Vergaberichtlinien bestehen. Allein in diesem Bereich besteht eine Gleichbehandlung staatlicher Schulen mit Schulen in freier Trägerschaft. Eine indirekte Orientierung an staatlichen Niveaus, wenn auch nicht an Ausgaben, sondern Finanzierungsbeiträgen, liegt bei der Berechnung freiwilliger kommunaler Zuschüsse vor: Diese kommunalen Sachkostenzuschüsse pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft haben den Erstattungssätzen pro Staatsschüler im Rahmen des sog. Schullastenausgleichs (kommunaler Finanzausgleich zwischen Land und Kommunen) zu entsprechen. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 5 445-/Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 6 224,-/Grund- und Hauptschüler, DM 9 846-/Gymnasiast und DM 12 120,-/Gesamtschüler. Der in Bayern „Betriebszuschuß" genannte Parameter für die im Kern pauschal gewährte Finanzhilfe wird, ähnlich wie in Baden-Württemberg, auf Basis eines standardisierten Besoldungsrichtwerts für Beamte im staatlichen Schulwesen, in den Grundbezüge, Ortszuschlag und Sonderzahlung eingehen, errechnet. Auch hier 16*

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liegt nur ein schwacher Bezug zu tatsächlichen Personalausgaben im staatlichen Schulwesen vor. Ein auf freiwilliger Basis hinzukommender sog. „Ausgleichsbetrag" in den Fällen, in denen der Betriebszuschuß offensichtlich nicht ausreicht, orientiert sich ex post am Betriebsergebnis der Schule in freier Trägerschaft und ist nur zur Bezuschussung solcher Ausgaben gedacht, die auch im staatlichen Schulwesen entstehen. Versorgungsausgaben werden ohne jeden Bezug zu tatsächlichen Ausgaben im staatlichen Schulwesen in Höhe von 60 % der Eigenleistungen der Schule in freier Trägerschaft bezuschußt. Dies entspricht eher einem Deckungsverfahren. In Bayern besteht bei der Berechnung der Finanzhilfe so gut wie kein Bezug zu den Ausgaben und ihren Niveaus im staatlichen Schulwesen. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 5 189,-/Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 6 292,-/Grund- und Hauptschüler, DM 10 140,-/Gymnasiast und DM 12 982,- /Gesamtschüler. In Niedersachsen wird bei der Berechnung des dort „Schülerbetrag" genannten Parameters der im Kern pauschal gewährten Finanzhilfe zwar auch wie in BadenWürttemberg und Bayern von einem „Mittelgehalt" genannten standardisierten Besoldungsrichtwert (Grundgehalt, Ortszuschlag, Sonderzahlung, Urlaubsgeld) ausgegangen, dieser aber durch Bezug auf die tatsächliche Schüler-Lehrer-Relation im staatlichen Schulwesen in einen realitätsnäheren Kennwert „Lehrpersonalausgaben pro Schüler" pro staatliche Schulart umgerechnet. Hier liegt im Gegensatz zu Baden-Württemberg, wenn auch in bescheidenem Maße und nur indirekt, eine gewisse Orientierung an durchschnittlichen Lehrpersonalausgaben des staatlichen Schulwesens vor. Allerdings bleiben auch hier wesentliche andere Ausgabenarten des staatlichen Schulwesens unberücksichtigt. Ein darüber hinaus gewährter Zuschuß zur Altersversorgung der Lehrer orientiert sich völlig unabhängig von tatsächlichen Ausgaben im staatlichen Schulwesen allein an den tatsächlichen Ausgaben der Schule in freier Trägerschaft. Auch hier ein Fall von Deckungsverfahren. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 6 169,-/Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 6 890,-/Grund- und Hauptschüler, DM 11 150,-/ Gymnasiast und DM 9 538,-/Gesamtschüler. In Rheinland-Pfalz schließlich orientiert sich die zwar auf Einzellehrpersonen der Schule in freier Trägerschaft bezogene, jedoch pauschal gewährte Kernfinanzhilfe am Durchschnittsgehalt (ohne Versorgung und Beihilfen) eines vergleichbaren Lehrers an einer staatlichen Schule. Darüber hinausgehende Zuschläge für Alters· und Hinterbliebenenversorgung orientieren sich allein an den tatsächlichen Aufwendungen der Schule in freier Trägerschaft und folgt damit dem Deckungsprinzip. Immerhin besteht bei der Berechnung von weiteren anteiligen Zuschüssen zu Sachausgaben und genehmigten Bauaufwendungen der Schule in freier Trägerschaft eine indirekte Orientierung an entsprechenden Richtwerten im staatlichen Schulwesen. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 4 922,-/Waldorfschüler, die Be-

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triebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 6 321 -/Grund- und Hauptschüler, DM 9 241 -/Gymnasiast und DM 11 383-/Gesamtschüler. In den Ländern, die zur Berechnung und Gewährung der Finanzhilfe das Dekkungsverfahren praktizieren, orientiert sich die Berechnung deshalb mindestens methodisch durchgängiger und konsequenter an tatsächlichen oder geplanten Ausgaben im staatlichen Schulwesen, weil Ausgabenarten und -niveaus staatlicher Schularten zur Richtschnur für die Bezuschussung gemacht werden. Allerdings bleiben auch hier zahlreiche Ausgabenarten unberücksichtigt und die Höhe staatlicher unitcosts stellt lediglich einen bei der Bezuschussung nicht zu überschreitenden Maximalwert dar. Während allerdings in Berlin allein sämtliche Personalausgaben bis zur Obergrenze von 100 % der durchschnittlichen Personalausgaben einer vergleichbaren staatlichen Schule durch die Finanzhilfe gedeckt sind, werden in Schleswig-Holstein, dem Saarland und Nordrhein- Westfalen darüber hinausgehende Ausgaben bezuschußt. Im Jahr 1990 lag die laufende Finanzhilfe in Berlin pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 6 883,-/Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 7 598,-/Grund- und Hauptschüler, DM 12 323,-/Gymnasiast und DM 11 674,-/Gesamtschüler. In Schleswig-Holstein orientieren sich die berücksichtigungsfähigen Personalausgaben der Schulen in freier Trägerschaft an den Bezügen der entsprechenden Lehrer in einer entsprechenden staatlichen Schule. Darüber hinaus orientiert sich die Sachausgabenfinanzhilfe exakt an jenen Sachausgaben, die kommunale Schulträger für staatliche Schulen zu erbringen haben. Abschreibungen auf Gebäude und bewegliches Vermögen werden dagegen ohne Bezug auf tatsächliche Ausgaben im staatlichen Schulwesen in der tatsächlichen Höhe bei der Schule in freier Trägerschaft bezuschußt. Ferner können besondere Ausgaben der Schulen in freier Trägerschaft, für die es definitionsgemäß kein Pendant im staatlichen Schulwesen gibt, bezuschußt werden. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 6 608,-/Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 6 583,-/Grund- und Hauptschüler, DM 10 447-/Gymnasiast und DM 11 826,-/Gesamtschüler. Im Saarland wird der pauschale Haushaltsfehlbetrag der Schule in freier Trägerschaft „bis zur Höhe der Aufwendungen vergleichbarer öffentlicher Schulen" im Rahmen der Finanzhilfe abgedeckt. Das Ausgabenniveau staatlicher Schulen dient hier als pauschale Obergrenze der Finanzhilfe. Allerdings sind keineswegs sämtliche tatsächlichen Ausgaben staatlicher Schulen darin enthalten. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 5 688,- /Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 7 396,-/Grund- und Hauptschüler, DM 9 141-/Gymnasiast und DM 9 765-/Gesamtschüler. In Nordrhein-Westfalen schließlich, das die komplizierteste und umfangreichste Finanzhilfeberechnung aller Länder praktiziert, werden sämtliche Ausgabenarten

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der Schule in freier Trägerschaft, die auch im staatlichen Schulwesen vorhanden sind, bis zu den staatlichen Ist-Ausgabenobergrenzen bezuschußt. Hier liegt die weitestgehende Orientierung der Finanzhilfe an Art und Höhe der Ausgaben im staatlichen Schulwesen vor, da hier eine weitgehende Annäherung an die von Hekkel geforderte Bruttoausgabenrechnung möglich wird. Im Jahr 1991 lag die laufende Finanzhilfe pro Schüler einer Schule in freier Trägerschaft (ζ. B. Waldorfschule) bei DM 5 367,- /Waldorfschüler, die Betriebsausgaben pro Staatsschüler bei DM 6 115,-/Grund- und Hauptschüler, DM 9 278,-/Gymnasiast und DM 9 781,-/ Gesamtschüler. Eine tendentielle Bruttoausgabenrechnung bei weitgehender Orientierung an den Ausgabenniveaus staatlicher Schulen liegt auch in Bremen und, mit Abstrichen, in Hessen vor. Allerdings werden auch in diesen Ländern wesentliche Ausgaben staatlicher Schulen (ζ. B. Investitions- oder Verwaltungsausgaben) ausgeklammert.

Unitcosts und Finanzhilfe im Vergleich

16000 14000 12000 b loooo £

8000

Û 6000 4000 2000 0

• BAUS O B A G Y DBAGS •

B P H WS

Liegende: BAHS/GY GS=Betriebsausgaben pro Grund- und Hauptschüler Gymnasiast/Gesamtschüler 1991 (Berlinwcrte für Westberlin 90) FHWS=Öffentliche Finanzhilfe pro Schüler an Waldorfschulen 1991 (Berlinwerl für Westberlin 1990)

Abbildung 3: Betriebsausgaben pro Schüler staatlicher Schularten im Vergleich mit der Finanzhilfe pro Waldorfschüler 1991 (Berlinwerte für 1990)

Eine wirkliche Orientierung der Finanzhilfe an den tatsächlichen Istausgaben im staatlichen Schulwesen setzt durchgängig die Einbeziehung nicht nur der Versorgungs- und Beihilfeausgaben, sondern auch einzelschulübergreifender Verwaltungs- und sonstiger Schulausgaben voraus. Zusammenfassend muß man feststellen, daß sich alle Länder bei der Berechnung der Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft, ob nun mit Hilfe des Deckungs- oder des Pauschalverfahrens, nur

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partiell an den tatsächlichen Ausgaben im staatlichen Schulwesen orientieren. Die von Land zu Land unterschiedliche Bezugnahme auf die tatsächlichen Ausgabenarten und -niveaus staatlicher Schularten im Rahmen von Deckungs- oder Pauschalverfahren läßt aber keinen Schluß auf die Angemessenheit des einen oder anderen Verfahrens zu, wenn es gilt, die Finanzhilfe konsequent an den Bruttoausgaben staatlicher Schulen zu orientieren.

2. Probleme bei der Heranziehung von lstunitcosts der Vergangenheit als Orientierungshilfe für die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft Ganz grundsätzlich stellt der enorme „timelag" zwischen dem Zeitpunkt der Entstehung der Ist-Unitcosts staatlicher Schularten, dem Zeitpunkt ihrer Erfassung, Berechnung und Darstellung (bis zu 4 Jahre) und dem Zeitpunkt der notwendigen Berechnung und Bereitstellung der Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft ein Problem dar. Methodisch läßt sich der timelag durch Hochrechnung der letzten verfügbaren Istdaten auf das Planungsjahr, eine auf dieser Basis berechnete nur vorläufige Abschlag-Finanzhilfe und eine später folgende Endabrechnung bewältigen. In diesem Zusammenhang spielt die Verbesserung, d. h. auch Beschleunigung der buchhalterischen Ausgabenerfassung, -Verarbeitung und -dokumentation durch Schulen, Schulträger, Schulämter, statistische Landesämter und schließlich das statistische Bundesamt im Rahmen der kameralistischen öffentlichen Haushalts- und Finanzwirtschaft eine entscheidende Rolle. Eine Reform des schwerfälligen, vielstufigen und unübersichtlichen Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der öffentlichen Finanzwirtschaft hin zu einem zeitgemäßen, an den Bedürfnissen der Bildungsplanung orientierten Bildungsrechnungswesen ist überfällig. Ein besonderes Problem stellt die mangelhafte Differenzierung der Ausgabendaten in der Finanzstatistik nach Schulstufen dar. Die Ausgaben für Grundschulen (Primarstufe) liegen nur zusammen mit denen der Hauptschulen, die für die gymnasialen Oberstufen (Sekundarstufe II) nur zusammen mit denen der Gymnasien bzw. Gesamtschulen vor. Daher lassen sich keine unitcosts für die einerseits besonders niederen Ausgabenniveaus der Primarstufe und die andererseits besonders hohen Ausgabenniveaus der Sekundarstufe II errechnen. Im Zusammenhang mit den Verwaltungsausgaben der Landesebene, die in der mehrstufigen sog. Unterrichtsverwaltung (in Flächenstaaten Ministerien, Regierungspräsidien oder Oberschulämter und staatliche Schulämter), die bei der Berechnung der unitcosts den einzelnen Schularten anteilig als Gemeinausgaben zugerechnet werden, besteht folgendes Problem: Unter die in Artikel 7 Absatz 1 des Grundgesetzes festgelegte Aufsicht des Staates über das gesamte Schulwesen, eine typische Funktion der Hoheitsverwaltung des Staates, wurde durch höchstrichterliche Rechtsprechung auch die Gestaltung nur des staatlichen Schulwesens, eine ty-

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pische Funktion der Leistungsverwaltung des Staates, subsumiert. Beide, im Grunde wesensfremde staatliche Funktionen, wurden in einer Verwaltungshierarchie auf Landesebene, eben der Kultus- oder Schulverwaltung institutionalisiert mit dem Effekt, daß sowohl staatlich-hoheitliche Aufsichtsfunktionen für das gesamte Schulwesen, wie der staatlichen Leistungsverwaltung zugehörende Gestaltungsfunktionen für das öffentliche Schulwesen, in Behörden-, Ämter- und Personalunion wahrgenommen werden. Dadurch enthalten die für diese Hoheits- und Leistungsverwaltung (Unterrichtsverwaltung) im Bildungswesen nachgewiesenen Ausgaben nicht nur die genuinen Verwaltungsausgaben für das staatliche Schulwesen, sondern auch Ausgabenbestandteile für die alle Schulen betreffende Aufsichtsfunktion des Staates. Eine verursachungsgerechte Isolierung allein der Verwaltungsausgaben für das staatliche Schulwesen ist im Rahmen des derzeitigen Rechnungswesens nicht möglich. Eine gewisse, wenngleich methodisch fragwürdige Korrektur bei den Berechnungen der unitcosts mag darin gesehen werden, daß die Ausgaben der ministeriellen Ebene, auf der überwiegend Aufsichtsfunktionen angenommen werden, nicht in die Berechnungen einbezogen wurden. Ein weiteres Problem stellt die auch vom Volumen her bedeutende Ausgabenart der Beamtenversorgung dar. Im Gegensatz zu aktiven Angestellten, bei denen anteilige Ausgaben für die Altersversorgung nach dem Versicherungsprinzip (versicherungsmathematische Diskontierung der Ausgaben für die Altersversorgung) mittelbar als Beiträge zur Rentenversicherung in die Personalausgaben eingeschlossen sind, fallen für aktive Beamte in den Ausgaben für Besoldung keine anteiligen Ausgaben für die Altersvorsorge an. Dagegen fallen, unabhängig von den aktiven Beamten und ihrer Besoldung, für im Ruhestand befindliche Beamte nach dem Kassenprinzip (zeitpunktgenaue, direkte Auszahlung der Ausgaben für die Altersversorgung) Versorgungsausgaben an. Es besteht also kein direkter Verursachungszusammenhang zwischen den Ausgaben für die Besoldung der aktiven Beamten und den Versorgungsausgaben. Die Versorgungslast hängt von Beamten ab, deren aktive Bezüge in weit zurückliegenden Rechnungsperioden anfielen 66. Methodisch wurde dieses Problem dadurch angegangen, daß die jeweils tatsächlichen Versorgungsausgaben anteilig auf die tatsächlichen Ausgaben für die Beamtenbesoldung als fiktiver Zuschlag für die Altersversorgung zugerechnet wurden. Eine andere Möglichkeit, die allerdings das methodische Prinzip des konsequenten Istausgabenbezugs aufgibt, wäre die Zurechnung fiktiver Rentenversicherungsbeiträge auf die Beamtenbesoldung. In einem Punkt unterscheidet sich das staatliche Schulwesen von Schulen in freier Trägerschaft: Das staatliche Schulwesen hat einen Strukturauftrag, d. h. es hat prinzipiell ein flächendeckendes und hinreichend differenziertes Angebot an Schularten bereitzustellen. Dies trifft für Schulen in freier Trägerschaft nicht zu. Mit diesem Strukturauftrag könnten spezifische Mehrausgaben, vor allem in dünn 66

Vgl. hierzu auch Fußnote 61.

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besiedelten Gebieten eines Landes, verbunden sein, wenn die Aufrechterhaltung eines differenzierten Angebots mangels Gesamtschüleraufkommen zwangsläufig zu nicht optimaler Auslastung notwendiger Schulkapazitäten führt. Merkwürdigerweise liegen jedoch die unitcosts in den verdichteten Ballungsräumen der Stadtstaaten ohne Strukturauftrag tendentiell deutlich höher als in den Flächenstaaten mit Strukturauftrag. Es sind also Zweifel angebracht. Nicht zu verwechseln hiermit ist das Problem schwankender Schüler-Lehrer-Relationen, in dem sich das allgemeinere Beschäftigungsproblem widerspiegelt und das prinzipiell alle Schulen, staatliche wie solche in freier Trägerschaft, tangiert. Die Schüler-Lehrer-Relation ist nach wie vor der zentrale Steuerungs- und Kontrollparameter von Schulplanung und -politik. Aus pädagogischer Perspektive glaubt man in dieser einfachen schulischen Betreuungsrelation (Schülerzahl pro Lehrervolldeputat) ein grobes Maß für die pädagogische Qualität von Schule zu haben. Bemerkenswert ist hierbei, daß die pädagogische Theorie nicht in der Lage ist, für schulische Unterrichtsprozesse eine optimale Betreuungsrelation anzugeben, sondern im Prinzip eine kontinuierliche Qualitätssteigerung bzw. -abnahme innerhalb einer relativ großen Bandbreite der Gruppengröße (Klasse) zwischen einigen wenigen Schülern (Einzelunterricht) und einer jede räumliche und soziale Beherrschbarkeit übersteigenden unrealistischen Klassengröße behauptet. Vor diesem Hintergrund, der keine eindeutig definierte schulische Normalauslastung der Kapazitäten kennt, wird es schwierig, Unter- und Überbeschäftigung zu definieren und damit eindeutig Nutz- von Leerkosten zu trennen. Da ungefähr 80 % aller Schulausgaben Lehrpersonalausgaben sind, kann man von der Veränderung der Schüler-Lehrer-Relation auf die reziproke Veränderung der jeweiligen Schülerunitcosts schließen. Deshalb ist zu fragen, ob jeweils gegebene Schüler-Lehrer-Relationen der Vergangenheit im staatlichen Schulwesen, die zu stark davon abhängigen Schülerunitcosts führten, unproblematisch für die Verwendung dieser Schülerunitcosts als Orientierungsmaßstab für die Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft herangezogen werden können. Veränderungen der Schüler-Lehrer-Relation haben ihre Ursachen entweder in Änderungen der Schülerzahlen auf der Nachfrageseite oder Änderungen der Lehrervolldeputate auf der Angebotsseite und natürlich ungleichgewichtige Änderungen von Schülerzahl und Lehrervolldeputaten. Nun wurden in den 60er und 70er Jahren im Rahmen der sog. Bildungsexpansion bei zunehmenden Schülerzahlen die Lehrervolldeputate überproportional gesteigert, was zu einem beabsichtigten Absinken der Schüler-Lehrer-Relation (qualitative Verbesserung von Schule) führte. Gegen Ende der 70er und verstärkt in den 80er Jahren gingen dann die Schülerzahlen (Nachfrage) aufgrund der demographischen Entwicklung bei zuerst noch konstanten und dann auch rückläufigen Lehrervolldeputaten stark zurück, was zu einer immer stärkeren Absenkung der Schüler-Lehrer-Relation führte. Mit dem Übergang in die 90er Jahre begannen einerseits die Schülerzahlen wieder zu steigen, andererseits nahm der Rückgang der Lehrervolldeputate wegen Überpro-

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portional rückläufigen Neueinstellungen von Lehrern weiter zu. Die Folge war eine Umkehr bei den Schüler-Lehrer- Relationen: Sie steigen wieder. Aus ökonomischer Perspektive betrachtet heißt dies, daß die Schülerunitcosts, grob korrespondierend mit dem Rückgang der Schüler-Lehrer-Relationen, in den 80er Jahren real auch deshalb stetig anstiegen, weil die beamtenrechtliche Langzeitbindung von Lehrervolldeputaten entsprechende Anpassungsprozesse der Lehrervolldeputate an andauernd stark rückläufige Schülerzahlen nicht ermöglichte und so eine starke Remanenz67 im Bereich der Lehrpersonalausgaben entstand. Die durch den Beamtenstatus verursachte Langzeitbindung von Lehrpersonal ist Ursache dafür, daß die Lehrpersonalausgaben in Expansionsphasen zwar variablen, in Kontraktionsphasen jedoch fixen bis allenfalls sprungfixen Charakter 68 besitzen. Hier liegt eine der Ursachen bildungspolitischer Inflexibilität. Die staatliche Schulpolitik mußte angesichts der demographischen Nachfrageentwicklung unter dem Handicap der Beamtenbindung der Lehrer hinnehmen, daß entweder unitcost-senkende Angebotsengpässe oder unitcost-steigernde personelle Überkapazitäten in Kauf genommen werden mußten. Immerhin zeigt der seit Jahren kontinuierliche Anstieg des Anteils von Lehrern im Angestelltenverhältnis in staatlichen Schulen, daß am ursprünglich obligatorischen Beamtenprinzip für Lehrer gerüttelt wird, um mehr Anpassungsflexibilität zu gewinnen. Längerfristig dürfte der Trend bei staatlichen Schulen dahin gehen, daß nur noch jener Teil der Lehrerschaft, der zur Abdeckung eine langfristig demographisch gesicherten Mindestschülerzahl notwendig ist, als Kernpersonal im Beamten Verhältnis verbleibt, während die nachfrageschwankungsabhängigen Zusatzbedarfe von Lehrern im Angestelltenverhältnis gedeckt werden. Erst dann werden außergewöhnliche Schwankungen der unitcosts aufgrund schwankender Schülerzahlen angesichts starrer Lehrpersonalbestände und damit -ausgaben mit Hilfe einer flexibleren Lehrpersonalpolitik zu dämpfen sein. Solange diese Möglichkeiten besserer personalpolitischer Angebotsanpassung an Schülernachfrageschwankungen im Bereich staatlicher Schularten nicht gegeben sind, muß mit zyklenbedingten Ungleichgewichten zwischen Lehrerangebot und Schülernachfrage und damit auch schwankenden Schüler-Lehrer-Relationen gerechnet werden. Dies hat zur Folge, daß die im großen und ganzen mit der Schüler-Lehrer-Relation korrespondierenden unitcosts nur in seltenen Phasen der erwünschten Übereinstimmung von Lehrerangebot und Schülernachfrage als normal oder typisch angesehen werden können. In Zeiten unnormal hoher/niedriger Schüler-Lehrer-Relationen sind die unitcosts tendentiell zu niedrig/hoch. Ist nun die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft, wie in einigen Ländern gesetzlich verankert, mindestens zum Teil an unitcosts im staatlichen 67 Vgl. hierzu etwa Schweitzer, Kostenremanenz, in: Kosiol (Hrsg.), Handwörterbuch des Rechnungswesens (Anm. 35), Spalte 967 - 974, Stuttgart 1970. 68 Vgl. zum Problem variabler und fixer, insbesondere sprungfixer Kosten Gutenberg, Die Produktion, 8./9. Aufl. 1963, S. 228 ff.

Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen

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Schulwesen orientiert, so bedeutet dies, daß die Berechnung der Finanzhilfe auf „untypischen" unitcosts im staatlichen Schulwesen fußen kann. Um diesen Einflüssen schwankender Schüler-Lehrer-Relationen auf die Lehrpersonalausgaben pro Schüler in staatlichen Schulen zu entgehen, müßte sich die Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft für den wesentlichen Teil der Lehrpersonalausgaben an bildungspolitisch vorgegebenen Plan-Schüler-Lehrer-Relationen pro Schulart orientieren. In diese Richtung gehende Hinweise finden sich in den einschlägigen gesetzlichen Regelungen für die Finanzhilfe in Baden- Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz.

VII. Zusammenfassung Kosten-, besser Ausgabenberechnungen im Schulwesen haben eine lange Tradition. Insbesondere seit Ende des II. Weltkriegs, in der Bundesrepublik vor allem initiiert durch einen grundlegenden Artikel von Heckel, wurden vor allem im Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung zahlreiche methodische Entwicklungen und umfangreiche Ausgabenanalysen durchgeführt. Von Anfang an galt das Hauptinteresse der Berechnung von unitcosts, d. h. den Ausgabenkennwerten, die allein Schulart- und länderübergreifende Vergleiche ermöglichen. Entscheidend hierfür ist die methodische Grundlage, eben eine stringente Berechnungsmethode, die einerseits von vorgegebenen Fakten - der organisatorischen Gestalt von Schule, den amtlich dokumentierten Ausgaben, Schüler- und Lehrervolldeputatzahlen - ausgeht, zum anderen an theoretisch begründeten Prinzipien wie Istdatenbezug, Vollkosten- oder Bruttoprinzip und Normal- oder Durchschnittswerten orientiert ist. Zwei Fragen waren vorab zu klären: Wie läßt sich „Schule" abgrenzen und definieren und welche Ausgaben werden von „Schule" verursacht? Obgleich dies gerade für die staatliche Schule nicht einfach zu beantworten ist, ließ sich mit Hilfe organisationstheoretischer Ansätze eine hinreichende Klärung herbeiführen. Daran Schloß sich die Frage nach den Datenquellen für die für unitcost-Berechnungen unabdingbaren Ausgaben- und Schüler- bzw. Lehrervolldeputatzahlen der unterschiedlichen Schularten an. Die Analyse der entsprechenden amtlichen bildungsund finanzstatistischen Dokumente förderte zahlreiche Ungereimtheiten zutage, die einen erheblichen methodischen Korrekturaufwand zur Folge hatten. Die konsequente Orientierung am Bruttoprinzip machte die Einbeziehung nur scheinbar „schulferner" Ausgaben für „Beamtenversorgung", „Beihilfen", „Unterrichtsverwaltung" und „übrige schulische Angelegenheiten" notwendig. Die allein an den amtlichen Daten orientierte Berechnung der unitcosts machte deutlich, daß die kategoriale Abgrenzung von Schularten in Finanz- und Schulstatistik nicht kompatibel ist. Dies machte umfangreiche methodisch abgesicherte Umrechnungen notwendig. Auf der Basis eines theoretischen Grundkonzepts und mit Hilfe darauf gründender methodischer Βerechnungsverfahren wurde für alle elf Länder,

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für sechs staatliche Schularten und eine Kontrollgruppe einer Schulart in freier Trägerschaft (Waldorfschule), für Personal-, Sach-, Betriebs-, Investitions- und Gesamtausgaben Schülerunitcosts und gesondert für die Lehrpersonalausgaben Lehrerunitcosts für die Jahre 1986 bis 1991 berechnet. Bei der Frage nach der Tauglichkeit von unitcosts staatlicher Schulen als Orientierungshilfe für die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft ergaben sich einige Probleme, insbesondere das Problem der Neutralisierung von Schwankungen der Schüler-Lehrer-Relation und der damit entstehenden „untypischen" Schülerunitcosts. Ganz prinzipiell lassen sich diese Probleme der Istunitcosts staatlicher Schularten als Orientierungsmaßstab für die Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft nur lösen, wenn auf der Basis dieser Istunitcosts ein Standardkostenmodell für alle vorhandenen Schularten, staatliche wie nichtstaatliche, entwickelt wird, aus dem sich direkt die Finanzbedarfe zur Deckung der verschiedenen Kostenarten pro Schüler, oder besser noch pro Klasse, aller öffentlicher Schularten, staatlicher wie solcher in freier Trägerschaft, ablesen lassen. Erst dann könnte man einer haushaltstechnischen Gleichbehandlung und damit gerechteren Finanzierung aller öffentlichen Schulen, staatlichen wie solchen in freier Trägerschaft, näherkommen. Solange allerdings derartige Standardkostenmodelle für einzelne Schularten nicht entwickelt sind, kann, wenn man den Hinweis des Bundesverfassungsgerichts zur Orientierung der Finanzhilfe an den Ausgabenniveaus staatlicher Schulen ernst nimmt 69 , vorläufig nur ein Rückgriff auf die vorliegenden unitcosts in Frage kommen. Der Hinweis, gerade stark schwankende Schüler-Lehrer-Relationen aufgrund schwankender Schülerzahlen im staatlichen Schulwesen verböten eine Orientierung der Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft, muß sich den Einwand gefallen lassen, daß dieser störende Remanzeneffekt mit Hilfe einer Norm-Schüler-Lehrer-Relation korrigiert werden kann. Das methodische Instrumentarium zur hinreichend genauen Berechnung von unitcosts für staatliche Schularten ist vorhanden und evaluiert, entsprechende Berechnungen werden seit 1986 jährlich durchgeführt, und deren Ergebnisse liegen für alle Länder bis einschließlich 1991 vor. Ab dem Jahr 1992 wird das Untersuchungsfeld um die 5 neuen Bundesländer erweitert, so daß in den Folgejahren insgesamt 16 Länder untersucht werden.

69 Vgl. Urteil des BVerfG vom 8. 4. 87 AZ.: 1 BvL 16/84, Seite 38.

8 Ersatzschule, Schulbauförderung und Wartefrist Bildungsökonomische Bemerkungen zu einer janusköpfigen Finanzhilferechtsprechung Von Dr. Benediktus Hardorp, Heidelberg

Übersicht

I. Individualgrundrechte oder Staatsraison - wo liegt der Leitgedanke der Finanzhilferechtsprechung für Schulen in freier Trägerschaft? II. Die Klarstellung des Ersatzschulbegriffes und seine bildungsökonomische Bedeutung III. Schulbauförderung ja - aber wie? IV. Die Wartefrist steht - nimmt die Verfassung Schaden?

I. Individualgrundrechte oder Staatsräson - wo liegt der Leitgedanke der Finanzhilferechtsprechung für Schulen in freier Trägerschaft? Unsere Gesellschaft hat in diesen Tagen die „Schulautonomie" als neues Thema der Schulentwicklungspolitik entdeckt. Das Beispiel des niederländischen Schulwesens1 oder das autonomiefreundliche Verhalten der nordischen Länder Europas haben angesichts evidenter Schwierigkeiten des staatlichen Schulwesens in Deutschland zu solchem Nachdenken Anlaß gegeben. Die Bundesländer Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen - andere werden früher oder später folgen — setzen neuerdings in ihrer Schulpolitik ebenfalls auf die Förderung von Autonomieansätzen in der einzelnen Schule. Dies soll nicht nur die pädagogische Qualität dieser Schulen verbessern, sondern auch ihre Finanzierbarkeit erleichtern und den Wirkungsgrad ihrer Ressourceninanspruchnahme vergrößern. Muß man, um solches zu lernen, aber nur über die Grenzen Deutschlands ins Ausland schauen? Keineswegs: es gibt auch im Inland, wenn auch im bescheideneren Umfange, Beispiele für konkrete innovative Schulentwicklungen in pädagogischer wie wirtschaftlicher Autonomie: die Freien Schulen - von den kirchlichen Schulen über 1

Theo Liket: Freiheit und Verantwortung, Gütersloh 1994.

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die Reformschulen bis zu den Waldorfschulen. Ihrer aller Freiheitsrecht ist verfassungsverbürgt durch Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes. Während sich aber in den Niederlanden bereits drei Viertel des Schulwesens in freier Trägerschaft organisiert haben, will Deutschland über magere 5 bis 6 % (am Schüleranteil gemessen) nicht hinauskommen. Die Gründe dafür kann man in den Vorwärts- wie Zögerschritten der verfassungsrechtlichen Finanzhilferechtsprechung ablesen, die vom Finanzhilfeleiturteil 1987 bis zu den jüngsten Entscheidungen vom März 1994 (zu Schulbauförderung und Wartefrist) sichtbar werden 2; diese Rechtsprechung erhebt ihr Haupt zunächst wie ein Löwe, hält aber - wie dieser - am Ende nicht, was sie am Anfang zu versprechen schien. Während das 87-er Leiturteil aus der Antinomie von Freiheitsrecht und belastenden Genehmigungsbedingungen (in Art. 7 Abs. 4 GG) die Schutz- und Förderpflicht des Staates für Schulen in freier Trägerschaft - in Anlehnung an die „Interventionstheorie 4' von Friedrich Müller - entwickelte und aus der ökonomischen Gegenläufigkeit der Genehmigungsbedingungen von Art. 7 Abs. 4 GG eine verbindliche Finanzhilfepflicht des Staates zur Grundfinanzierung dieser Schulen ableitete, leuchtet die Baukostenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Schulbauförderung zwar den rechtsdogmatischen Ansatz der Leitentscheidung von 1987 folgerichtig weiter aus3, nimmt aber in der gleichzeitig veröffentlichten Wartefristentscheidung durch die vorübergehende Suspension von Sonderungsverbot (Satz 3) und Sicherungsgebot (Satz 4 vor Art. 7 Abs. 4 GG) soviel von der gefundenen rechtlichen Substanz wieder weg, daß die Neugründung von Schulen in bestimmten Bundesländern von jetzt an zu einem riskanten Abenteuer wird, wenn nicht im Einzelfall besondere (finanzielle) Hilfsquellen für dieses Ziel erschlossen werden können. Machen wir uns den angesprochenen Widerspruch der Finanzhilfejudikatur ganz deutlich: auf der einen Seite zeichnen alle Entscheidungen des Gerichtes das Grundrecht zur Errichtung Freier Schulen aus Art. 7 Abs. 4 GG für Ersatzschulen mit bemerkenswerter Deutlichkeit nach, leiten die Bedeutung dieses Errichtungsgrundrechtes unmittelbar aus den Individualgrundrechten der Verfassung (Art. 1 bis Art. 6 GG) als dem „Grundwerte-Ensemble 4'4 her und sehen in Art. 7 Abs. 4 GG 2 BVerfGE 75, 40ff. (1987) und BVerfGE 90, 107 und 90, 128 vom 09. 03. 1994, auszugsweise auch in DÖV 1994, S. 649 ff. veröffentlicht. 3 Müller / Pieroth / Fohmann, Leistungsrechte im Normbereich einer Freiheitsgarantie. Berlin 1982, S. 143 und Anm. (2) - Es gibt im übrigen nicht den geringsten Anlaß, von einer Meinungsänderung des Bundesverfassungsgerichtes (ζ. B. in Fragen der Schulbauförderung zu sprechen, wie dies der parlamentarische Staatssekretär im Kultusministerium BW, Köberle, am 16. 02. 1995 im Landtag von BW (Plenarprotokoll 11/62, S. 5.063) mit erstaunlicher Dreistigkeit getan hat. Die Folgerichtigkeit der Schulbauförderpflicht aus Art. 7 Abs. 4 GG ist vielmehr schon in der Erstauflage dieses Buches 1988 und danach in der wissenschaftlichen Fachliteratur mehrfach dargelegt worden - vgl. Anm. (22) und (28) m.w.N.. Nicht immer dreht sich auch die Welt, wenn einen ihrer Betrachter der Schwindel erfaßt!. 4 Jeand'Heur: Methodische Analyse, freiheitsrechtliche und leistungsrechtliche Konsequenzen des Finanzhilfe-Urteils, in diesem Bande S. 47 ff.

Ersatzschule, Schulbauförderung und Wartefrist

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eine Art Umsetzungsinstrument („Brennspiegel") der vorangehenden Individualgrundrechte. Das auf diesem Hintergrund verstandene Instrument des Verfassungsgebers soll bewirken, daß die angesprochenen Grundrechte auch in die Gesellschaftswirklichkeit Eingang finden (- in der Sprache des Gerichts: nicht „wertlos" werden „und zu einer nutzlosen ... Garantie verkümmern") 5. Der in Art. 7 Abs. 4 GG geregelte Kernpunkt ist daher die (unbeschränkbare) Zulassung von Schulen in freier Trägerschaft (Errichtungsgarantie), die von solchen Freiheitsoder Autonomierechten Gebrauch machen wollen, sie sollen neben dem staatlichen Schulwesen - und verfassungsrechtlich gleichrangig mit ihm - existieren können. Es soll kein staatliches Schulmonopol geben. Keine Landesregierung und kein Landesgesetzgeber sollen dieses Freiheitsrecht beschränken können, wenn es von Eltern und Schulgründern in Anspruch genommen wird. Eine Gesellschaft mündiger Bürger, die ihre Angelegenheiten selbst in die Hand nehmen, kann, so gewollt, im Schulwesen beginnen. Die Freien Schulen als dafür geeigneter Autonomiekern des Schulwesens sollen sich nicht sozial separieren (müssen); Freie Schulen sollen vielmehr für jedermann, ohne Rücksicht auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse zugänglich sein.6 Individuelle, einzelmenschliche Entwicklung wird möglich, wenn das Schulwesen Vielfalt zuläßt und bietet, weil so Entscheidungsfreiheit von Eltern für individuelle Bildungswege ihrer Kinder entsteht.7 Das ist der Kern der Errichtungsfreiheit. Ein Schulwesen, das sich in damit gemeinten, autonomen, grundrechtverbürgten einzelnen Schulgebilden innovativ entwickeln kann, wird - so die berechtigte Erwartung - auch pädagogisch fortschrittlich sein. Die Reformschulbewegung dieses Jahrhunderts belegt diese Perspektive. Ein gesellschaftliches Lernfeld für Schulautonomie, so möchte man meinen, kann dieses grundrechtgeschützte freie Schulwesen sein: ein unendlich wichtiger Ansatz - ein Vortrupp gleichsam - für alle Autonomiebestrebungen im Schulwesen, die sich gegenwärtig zu Wort melden. Und vor allem: ein Beispiel, das da ist, das man nicht erst zu ersinnen braucht. Etwas Neues, Zukünftiges hat mit ihm schon begonnen. Aber der Schatten des Alten ist ebenfalls da - und er wird durch das neue Licht des Autonomieanganges noch deutlicher erkennbar. Schule ist - als kirchliche oder staatliche Anstalt - bisher immer als unselbständiger, abhängiger Teil eines größeren Ganzen, dem sie als Einzelgebilde nicht nur dient, sondern „folgsam" folgt, verstanden worden. In ihr soll der von den herrschenden gesellschaftlichen Mächten für ihre Ziele für nötig gehaltene Nachwuchs institutionsgemäß herangebildet werden. Das Vorbild der Kadettenanstalt mit strenger Notendisziplin geistert nach wie vor durch die Köpfe. Kann, wer so denkt, von Autonomie etwas Gutes erwarten? Kann er zustimmen, daß neben dem ersten, alten staatlichen Schulwesen ein zweites neues und freiheitliches entwickelt wird? Können wir uns ein solches „zweites Schulwesen"8 neben dem „eigentlichen" ersten überhaupt leisten? 5 BVerfGE 75, 40, (65). 6 Wie Anm. (5). 7

Vgl. F.-R. Jach: Schulvielfalt als Verfassungsgebot, Berlin 1991.

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Das sind Fragen und Stimmungen von Schulpolitikern in unseren Landtagen, die sich zu einem nicht geringen Teil aus Lehrern staatlicher Schulen zusammensetzen. Sie sehen „ihr" staatliches Schulwesen an erster Stelle und möchten keine bemerkbare Konkurrenz von Schulen in freier Trägerschaft erfahren. Verfassung hin, Verfassung her: alles, was diese Schulen an Förderung erhalten, geht für ihr Bewußtsein dem staatlichen Schulwesen verloren. Diese Volksvertreter können, wenn sie ihre politischen Ziele bedenken, gleichsam nur zusammenaddieren, was sie vorher woanders „subtrahiert" haben; die höheren Vorgehens weisen des (sozialen) Multiplizierens und (anschließenden) Teilens scheinen ihnen verschlossen. Auf solchem Bewußtseinsgrund können - wen wundert's? - nur restriktive Vorschriften für Schulen in freier Trägerschaft ersonnen und erlassen werden. Die Schulen in freier Trägerschaft sollen sich an das staatliche Vorbild halten und keine Extravaganzen machen. Wer letztere will, soll sie auch selbst bezahlen! Die Machtmittel des staatlichen Schulwesens sind schließlich erdrückend: führt es doch zugleich die Aufsicht über die Schulen in freier Trägerschaft. Goliath beaufsichtigt David - so können sie schwerlich Freunde werden ! Teilt nun auch das Bundesverfassungsgericht solche Ansichten? Zunächst, wie die beachtliche Auffassung und Interpretation von Art. 7 GG - als Instrumente eines „Grundwerte-Ensembles" - durch das Gericht aufzeigt, keineswegs. Im Gegenteil: es hebt die „Abkehr von jedem staatlichen Schulmonopol" in seiner Rechtsprechung regelmäßig als grundsätzliche Wertentscheidung der Verfassung hervor. Freie Schule soll für jedermann, der sie sucht, zugänglich sein - ohne Rücksicht auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse. Sobald das Gericht aber festlegen soll, wie das im einzelnen geschehen kann und was der Landesgesetzgeber dabei zu beachten hat, werden die Auffassungen unbestimmt: es gäbe, so wird betont, eine große „Gestaltungsfreiheit" für den Landesgesetzgeber, es brauche für Freie Schulen (als Ersatzschulen) nur ein „Existenzminimum" gesichert zu werden. Der freie Träger muß nicht „vom Unternehmerwagnis freigestellt" werden, er darf kein „privates" Vermögen bilden, bei der Schulbauförderung dürfen wesentliche Kostenbestandteile (wie die Finanzierung von Grund und Boden) unberücksichtigt bleiben; der Staat darf diese Schulen bis zu 10 Jahre (zweimalige Abschlußprüfung inklusive) in eine Erprobungsphase schicken, in der der Schulträger für die volle wirtschaftliche Existenz grundsätzlich allein verantwortlich ist, obgleich das Gericht es doch selbst als erwiesen ansieht, daß die Hilfsbedürftigkeit Freier Schulen ein „empirisch gesicherter Befund" ist. 9 Kann eine neue, hilfsbedürftige Schule im Rahmen der Verfassungsbedingungen wirklich 10 Jahre lang ohne Hilfe auskommen? Sind diese Unsicherheiten insgesamt Zufall oder nagt am kühnen Eingangsverständnis der Finanzhilferechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts selbst ein stiller Zweifel, ob das nicht alles auch ganz anders gesehen werden könne?

8

Ein Ausdruck, der als Angstformel zum politischen Wortschatz der Landesparlamentarier gehört. 9 Wie Anm. (2) und (5).

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Auf die Spur solcher Besorgnisse führt uns Berkemann in der Besprechung des Finanzhilfeleiturteils aus dem Jahre 1987 10 . Er betont zunächst, daß das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gefällt habe, „das in seiner verfassungsdogmatischen Kühnheit und verfassungspolitischen Entschiedenheit fast beängstigend wirkt". Und er fügt im Hinblick auf die Problematik des Ausgangsfalles bedauernd hinzu: „Ein Stück hamburgischer Schulpolitik ist" - mit dem Urteil von 1987 - „endgültig gescheitelt." Er bedauert dies, weil schon die „geringe Anzahl der Schüler in allen Bundesländern, die eine Ersatzschule besuchen, eindrucksvoll belegt, daß die Gesellschaft selbst die Privatschulfreiheit keineswegs als ein geborenes Korrelat staatlichen Schulanspruchs versteht". Die Frage, was in dieser Lage Ursache, was Folge ist, stellt er leider nicht. Für ihn gilt: auf die wenigen autonomiebewußten Grundrechtsnutzer (von Art. 7 Abs. 4 GG) kann es insgesamt eigentlich nicht ankommen; lohnt es sich etwa, für diese ein solches Grundrecht zu schaffen? Wenn nein: für wen dann? Berkemann glaubt, diesen anderen Adressaten des Grundrechts von Art. 7 Abs. 4 GG zu kennen: die Kirchen und ihr Schulwesen. „Die in Art. 7 Abs. 4 GG normierte Freiheit wirkt sich faktisch und in erster Linie zugunsten der Kirchen aus." Sie können - auf ihrer Vermögensbasis (Kirchensteuer, Säkularisierungsabfindungszahlungen bis heute etc.) - mit einem ökonomische Ressourcen erfordernden Grundrecht noch am ehesten zurechtkommen. Man mußte also - nach Berkemann - aus Art. 7 GG eigentlich nicht unbedingt, wie das Bundesverfassungsgericht dies etwas unvorsichtig getan hat, eine „Förderpflicht des Staates" herauslesen, schon gar nicht eine wirtschaftliche; denn: „Der Verfassungsgeber nahm für die privaten Ersatzschulträger als selbstverständlich an, daß diese über ausreichende Quellen ihrer Finanzierung verfügten. Die Abgeordneten Dr. Seebohm, Dr. Heuss und Dr. Bergsträsser wußten recht genau, daß die Ablehnung eines Schulmonopols zugunsten solcher gesellschaftlichen Kräfte und Interessen erfolgte, die zur Finanzierung ,ihrer' Schule auch in der Lage sein würden." Da ist denn eine andere Auslegungsfigur von Art. 7 Abs. 4 GG angesprochen: ein in die Form eines Grundrechts gekleideter „Reservat"-Bereich für das kirchliche Schulwesen.11 Aus ihm ist das staatliche ja einmal hervorgegangen; so durfte man ihm im Grundgesetz der neuen Bundesrepublik Deutschland auch eine verfassungsrechtlich verbürgte Nische zudenken und offenhalten. An die Freie Schule mündiger Bürger (ohne hierarchiemächtigen Hintergrund) muß ja nicht unbedingt gedacht worden sein. Das Schulwesen ist eben staatlich und damit letztlich auch monopolistisch (wie „faktisch atheistisch")12. Auf diesem Verständnishintergrund machte Berkemann auf den „Wermutstropfen" für die Vertreter der Privatschulfreiheit aufmerksam, der darin besteht, daß nur die „Institution" der Privatschule, nicht die einzelne Schule von Art. 7 Abs. 4 GG geschützt werde. Außerdem mache das

10 Berkemann: Urteilsanmerkungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 08. 04. 1987 in: RdJB 1987, S. 397ff. - zugleich Quelle der Folgezitate. 11 Standes- und Plutokratenschulen" sollten es ja nicht sein, vgl. BVerfGE 75,40 (63). 12 Berkemann, wie Anm.(10), S. 400. 17 F. Müller/B. Jeand'Heur

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Gericht nicht deutlich, wie der Nachweis für das Ausmaß der Förderpflicht geführt werden soll, weil es keine Stellung zur zulässigen Höhe der Schulgelder und „zum Niveau der wirtschaftlichen Sicherung der Lehrkräfte" bezieht.13 Auch das Ausmaß der zulässigen Eigenleistung bleibe im dunkeln und dies sei „nicht ohne inneren Widerspruch"! Denn: „der Bestand des Ersatzschulwesens kann auch dadurch ernstlich gefährdet sein, daß derartige Eigenleistungen wegen des inzwischen hohen Kostenniveaus nicht mehr aufgebracht werden können". So bleibt für Berkemann die Frage, „wie sich ohne hierauf gerichteten Kapitaleinsatz Neugründungen eigentlich vollziehen sollen". Und er fügt - die Summe ziehend - erhellend hinzu: „die Besitzverhältnisse der Eltern entscheiden zwar nicht über die Aufnahme der Schüler, aber über die Errichtung der privaten Ersatzschule. Das dürfte ein verfassungsillegitimes Ergebnis sein." 14 Ein neuerer Kommentator ergänzt: Der Träger einer Schulgründung muß „nicht unerhebliche finanzielle Lasten" (in der Regel „in Millionenhöhe") auf sich nehmen: „ohne einen kapitalkräftigen Gründer geht es nicht". 15 Wer wollte das bestreiten? Berkemann hat damit wohl die stimmungsmäßig weitverbreitete Kontraposition zum individualrechtlichen, privatschulfreundlichen Interpretationsansatz des Bundesverfassungsgerichts für Art. 7 Abs. 4 GG bezeichnet, die sich nach dem lichtvollen Begründungsansatz aus den Grundwerten der Verfassung unversehens wie ein grauer Nebel bei der Umsetzung dieses Ansatzes in die konkreten schulrechtlichen Förderbedingungen Freier Schulen in den Bundesländern einmengt und den ursprünglichen Ansatz bereichsweise zu konterkarieren droht. Denn mit der Anforderung einer „höheren Eigenleistung" (während der zur Erprobung dienenden Wartefrist) ist offenbar die Übernahme aller Kosten dieser Gründungszeit gemeint, solange diese ungewöhnlich hohe Belastung nicht, was schwer zu erweisen ist, zu einer „faktischen Errichtungssperre" wird 1 6 . Die faktische Errichtungssperrewirkung kann eine einmal gegründete Schule praktisch wohl nur durch die Übersendung einer Schließungsanzeige ihres Institutes an die Schulaufsichtsbehörde führen, wobei sie auch dann noch damit rechnen muß, daß man ihr diese Schließung einer zu Lebzeiten selbstaufgegebenenTodesanzeige vergleichbar — als „mutwillig" anlasten und sie nur als ein vielleicht unwichtiges, unsignifikantes Indiz für die Lage der „Institution Privatschule" ansehen wird. Sie ist eben - wie Gretchen im Faust - „die erste nicht". Wir haben damit den Spannungsbogen für die folgenden bildungsökonomischen Bemerkungen zu den Entscheidungsfragen des Bundesverfassungsgerichts aufgezeigt: Wenn wir in der verfassungsrechtlichen Klarstellung des Ersatzschulbegriffes auch noch einmal den vollen freiheitlichen Ton des Grundwerte-Ensembles an13 Berkemann, wie Anm. (10), S. 399. 14 Wie Anm. (10), S. 400. ι5 P. Theuersbacher: Die neueste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Privatschulfinanzierung, RdlB 1994, S. 504. 16 BVerfGE 90, 128 ff., auch DÖV 1994, S. 650.

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geschlagen finden, so wird die Überzeugungskraft der Entscheidungen von 1994 bei den Grundsätzen für die Schulbauförderung schon schwächer und schlägt bei den verfassungsrechtlichen Bedingungen und Grenzen der Wartefrist in ein Programm zur Be- und Verhinderung von Schulgründungen in freier Trägerschaft um. Die Staatsräson hat uns wieder.

II. Die Klarstellung des Ersatzschulbegriffes und seine bildungsökonomische Bedeutung In der baden-württembergischen Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 1369/90), der sogenannten „Schulbaukostenentscheidung" vom 09. 03. 1994, mußte das Gericht sich mit dem Einwand der Landesregierung auseinandersetzen, die Waldorfschulen in Baden-Württemberg, die von dieser Landesregierung selbst als Ersatzschulen (scheinbar) anerkannt worden waren, seien in Wirklichkeit doch Ergänzungsschulen geblieben und hätten daher keinen Anspruch auf staatliche Förderung nach den verfassungsrechtlichen Rahmenregeln für Ersatzschulen gemäß Art. 7 Abs. 4 GG erlangt. Auf diese Verfassungsnorm könnten sich die Waldorfschulen daher - nach Meinung der Landesregierung - nicht berufen. Diese Schulen seien gewissermaßen rechtlich „vogelfrei"; alles, was das Land tue, geschehe ohne bundesrechtliche Verpflichtung. Denn, so lautete die Begründung des zuständigen Kultusministeriums, eine Anerkennung oder Genehmigung von Waldorfschulen als Ersatzschulen sei in diesem Lande nicht möglich, weil „in Baden-Württemberg eine den Freien Waldorfschulen entsprechende öffentliche Schule nicht besteht". Mit anderen Worten: Ersatzschule kann nur sein, wofür es im staatlichen Schulwesen ein konkretes, institutionelles - „eng am Zügel geführtes" - Vorbild gibt. Das sei für die Waldorfschulen aber (im staatlichen Schulwesen) nicht der Fall. Deswegen könnten diese Schulen aus Art. 7 Abs. 4 GG keine Rechte auf eine staatliche Finanzhilfe herleiten. Alle Leistungen des Landes an diese Schulen seien vielmehr freiwilliger Art. 1 7 Das Land legte also (seinerzeit) für die Art seiner Schulaufsicht, für Art und Umfang seiner Förderung etc. gegenüber den Waldorfschulen den sogenannten „institutionellen Ersatzschulbegriff 4 zugrunde,18 der als Ersatzschulen nur „Nachahmungsschulen" in freier Trägerschaft zulassen möchte. Das Bundesverfassungsgericht hatte dagegen schon seit dem Jahre 196919 (immer wieder) festgestellt, daß eine Freie Schule dann Ersatzschule sei, wenn sie „nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck als Ersatz für eine im Lande vorhandene oder grundsätzlich vorgesehene öffentliche Schule dienen 17

Vgl. Stellungnahme des Ministeriums für Kultus und Sport an das Bundesverfassungsgericht vom 29. 04. 1991 im Verfahren 1 BvR 1369/88. 18 Schreiben der CDU-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg an den Beschwerdeführer vom März 1992 und Hardorp: Das Schulprofil der Waldorfschulen und das Grundgesetz - sind Waldorfschulen echte Ersatzschulen, Mannheim 1992. 19 BVerfGE 27, 195, (201 f.). 17*

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kann". Danach kam es noch nie darauf an, ob im Lande „eine entsprechende öffentliche Schule zugelassen" (im Sinne von: vorgesehen oder vorhanden) sei - wie das die Kultusminister der Länder 1928 und 1951 festgelegt zu haben glaubten.20 Die im Grunde klare und verständliche Formulierung des Bundesverfassungsgerichts war aber ständig mißdeutet oder überhört worden. So mußte es sowohl in der aus Baden-Württemberg als auch in den aus Bayern stammenden Verfassungsbeschwerden (1 BvR 682/88 und 712/88) klarstellen, daß Waldorfschulen sowohl nach den eigenen Entscheidungen der jeweiligen Landesregierung und nach Bundesverfassungsrecht - nach dem mit ihrer Errichtung verfolgten Gesamtzweck unzweifelhaft Ersatzschulen seien, weil sie „im Kern die gleichen Fertigkeiten und Kenntnisse" wie staatliche Grundschulen (in der Grundschulstufe) und staatliche Gymnasien (in der Sekundarstufe) vermittelten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Landesregierungen von Baden-Württemberg und Bayern diesmal in unmißverständlicher Weise darauf hingewiesen, wie sie - und alle anderen Länder - über den Ersatzschulbegriff „verfügen" (können): nicht dadurch, wie sie sich Schulen in freier Trägerschaft - ζ. B. als „nachgemachte" Staatsschulen vorstellen (wollen), sondern dadurch, wie sie ihr eigenes Schulwesen im Lande tatsächlich einrichten. Auf diese Weise entsteht nämlich das staatliche Schulwesen, das man dann ersetzen kann. Ersatzschulen sollen das staatliche Schulwesen aber gerade nicht - als „Blaupausen" gleichsam - nachmachen, sondern vielmehr auf eine eigene, möglichst andere Art - das führt zur erwünschten Vielfalt - für ihre Schüler die Bildungsleistungen erbringen, die diese sonst im staatlichen Schulwesen suchen und erwerben müßten. Sie sollen und dürfen dabei das staatliche Schulwesen in selbstbestimmter Weise ersetzen; ein staatliches Vorbild institutioneller Art ist dafür gerade nicht erforderlich: „Der Einordnung der Waldorfschulen als Ersatzschulen stünde nicht entgegen, wenn es in Baden-Württemberg keine Schulen gäbe, die von der Klasse 1 bis Klasse 12 als Einheit geführt werden und verschiedene weiterführende Abschlüsse ermöglichen." Unerheblich sei weiter, daß diese Schulen von einer eigenen weltanschaulichen Basis ausgehend „einen eigenverantwortlich geprägten und gestalteten Unterricht erteilen mit eigenen Lehrmethoden und Lehrinhalten. Solche Besonderheiten sind den Ersatzschulen eigen. Die besondere pädagogische Prägung entspricht gerade der Eigenart von Privatschulen. Sie führt zu jener Vielfalt im Bildungswesen, die das Grundgesetz ermöglichen will". 2 1 Solche Schulen ersetzen das staatliche Vorbild durch etwas Neues. Mit anderen Worten: gerade die methodisch vom staatlichen Vorbild abweichenden Schulen in freier Trägerschaft wie die Waldorfschulen und andere (selbstbestimmte) Reformschulen etc. sind der typische, vom Verfassungsgeber gewollte 20 Vgl. „Vereinbarung über das Privatschulwesen". In: Sammlung der Beschlüsse der ständigen Konferenz der Kultusminister in der BRD, Leitzahl 484. 21 BVerfGE 90, 128, (139 f.) und Rechtsverordnung des Ministerrats Baden-Württemberg über Waldorfschulen vom 13. 11. 1973 (GbL BW 1973, S. 454). Dieser angesprochene Hinblick auf den eigenen innovativen Beitrag freier Ersatzschulen steht auch hinter dem sog. „Kreuzberg"-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 88,40ff.).

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Fall einer Ersatzschule. Die dem staatlichen Vorbild als „gleichartig" entsprechenden Schulen in freier Trägerschaft (wie Grundschulen, Realschulen, Gymnasien etc.) werden rechtstypisch damit zum Grenzfall der Ersatzschule, deren intendierter Hauptfall die methodisch vom staatlichen Schulmodell abweichende selbstbestimmte Schule besonderer pädagogischer Prägung ist. Pointierend formuliert: gerade diejenigen Schulen, für die es im staatlichen Schulwesen keinen Ersatz gibt, sind die typischen und von der Verfassung gewollten Ersatzschulen nach Art. 7 GG. Diese verfassungsrechtlich maßgebende Auffassung von Ersatzschule, die die staatliche Schulverwaltung nach wiederholten Lektionen des Bundesverfassungsgerichts nun endgültig lernen muß, hat - neben pädagogischen und abschlußrechtlichen - auch erhebliche bildungsökonomische Konsequenzen. Die Besonderheiten der jeweiligen Ersatzschule in Lehrinhalten und Lehrmethoden, im schulorganisatorischen, sozialen wie baulichen Stil der Schule, sind - bei der Feststellung der Kostenfolgen dieser Schulen - am individuellen Schulprofil der jeweils genehmigten Ersatzschule zu bestimmen. Deren, aus dem selbstbestimmten Schulprofil folgenden tatsächlichen Istkosten sind zunächst maßgebend. Sie dürfen - für Zwecke der Finanzhilfebemessung - nur nicht höher sein, als die Kosten einer vergleichbaren staatlichen Schule - und von solchen maßstabgerechten (bzw. notfalls auf Angemessenheitshöhe reduzierten) Kosten hat der Träger der Freien Schule zuerst und zunächst seine Eigenleistung zu erbringen. Das alles ist im Grunde nicht neu; es wird nur nicht in seiner Eigenart und Bedeutung von den Schulverwaltungen der Länder genügend verstanden und bei der Schulfinanzierung, bei der Gestaltung der Abschlußprüfungen, bei der Schulaufsicht etc. in entsprechender Weise ausreichend berücksichtigt. Insoweit ist es ein notwendiger und wichtiger Schritt der Verfassungsrechtsprechung, mit dem Ersatzschulbegriff zugleich dessen grundrechtliche Quelle im „Ensemble" der Individualgrundrechte unserer Verfassung aufzuzeigen. Diese Klarstellung ist deswegen bedeutsam, weil sie von den grauen Schatten eines Schulverständnisses aus veralteter und verengter Staatsräson ständig überlagert zu werden droht. Und: sie ist diesmal eindeutig ausgefallen!

I I I . Schulbauförderung ja - aber wie? Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der baden-württembergischen Verfassungsbeschwerde („Baukosten-Entscheidung") hat den rechtsdogmatischen Grundgedanken der Finanzhilfe aus Art. 7 Abs. 4 GG auch hinsichtlich der Einrichtungsauflage (Satz 3 der Bestimmung) erstmals schlüssig ausgeleuchtet. Deren Kostenfolgen sind - wie die der anderen Genehmigungsauflagen - in die Finanzhilfe einzubeziehen und entsprechend auszugleichen; unterbleibt dies, wie dies im Land Baden-Württemberg seit 1990 gezielt geschehen ist, so ist das entsprechende Landesgesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar. 22 Gerade auf dem Gebiete der Investitionskosten - als wichtigstem Teil der Einrichtungskosten - ist die

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Verschärfung der Gleichwertigkeitsstandards aus dem staatlichen Schulwesen besonders gut nachzuzeichnen: die Ansprüche aus dem Bereich des Fachunterrichtes, der Bildung kleinerer Klassen und des ganzen Einrichtungswesens, bei den Fachräumen für den naturwissenschaftlichen Unterricht - das hebt das Gericht hervor, sind in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gestiegen. Der Maßstab hängt deutlich höher. Über die Berücksichtigungspflicht dieser Kostenfolgen bei der Finanzhilfebemessung gibt es jetzt keinen Zweifel mehr. Sie sind nicht, wie manche Landesregierungen bisher angenommen oder (einfach) behauptet haben, „geborene" Eigenleistungen der nichtstaatlichen Schulträger. Was aber gehört alles zu den damit gemeinten Einrichtungskosten? Wie lassen sich Umfang und Höhe dieser Kosten objektivieren? Auch das ist in der Praxis eigentlich nicht so schwer zu erkennen. Wie Schulen (heute) zu errichten sind, darüber gibt es in allgemeinen und speziellen Bauvorschriften rechtlich konkretisierte Vorstellungen, die zwingend einzuhalten sind. Pro Schüler oder pro Klasse wird je nach Schulprofil bzw. Schulart - ein entsprechender Schulraumbedarf (Nutzfläche pro Schüler ζ. B.) nach dem jeweils gültigen Standard geltend gemacht. Natürlich können die Baukosten der so geforderten Räume und deren Einrichtung je nach der örtlichen Lage (Innenstadtlage, Stadtrandlage, ländliche Lage etc.) unterschiedlich hoch ausfallen. Die Praxis hat jedoch mit schulartbezogenen Kostenrichtwerten (pro qm Programmfläche ζ. B.) relativ praktikable Objektivierungselemente für solche Kostenerfassungen geschaffen. Sie werden der erforderlichen Kostenermittlung für den Schulbau zugrunde gelegt. Die nötige Fläche für eine Schulart und der aus konkreten Schulbauerfahrungen entspringende Kostenrichtwert ergeben als Sollvorgabe den Betrag der „anerkannten Baukosten", mit dem zugleich der finanzielle Rahmen für die Schulbauerrichtung abgesteckt wird. Da das Land selbst in der Regel nicht Schulbauträger ist, sondern im staatlichen Schulwesen die Schulbauten zumeist von den Kommunen errichtet werden, haben sich hier unter den befaßten Behörden von Ländern und Kommunen relativ objektivierte Verfahren der Kostenberechnung eingespielt, die auch für vergleichbare Bauten freier Träger verwendet werden (können). Nicht ganz nachvollziehbar ist die Aussage des Gerichtes, daß Aufwendungen für Schulgebäude „nicht in vollem Umfang" durch die Genehmigungsauflagen „geprägt" seien. Dies berechtige u.U. - so das Bundesverfassungsgericht - den Gesetzgeber dazu, den Erwerb von Grundstücken und die Erschließungskosten der Schulgrundstücke aus der Förderung auszunehmen. Diese Aufwendungen seien nämlich „nicht in vollem Umfang durch die Anforderung des Grundgesetzes an die Genehmigung der Schule geprägt." 23 Tatsache ist jedoch, daß auch ein freier Schulträger erst ein Grundstück (Grund und Boden) benötigt, bevor er bauen kann; 22 Grundsätzliches dazu: B. Pieroth: Die staatliche Ersatzschulfinanzierung und der Schulhausbau, DÖV 1992, S. 593ff. m.w.N. oder: Hardorp: Schulbauförderung für Schulen in freier Trägerschaft - eine verfassungsmäßige Pflicht des Staates? In: Fragen der Freiheit 1991, S. 28ff. 2 3 BVerfGE 90, 128, (143 f.), auch DÖV 1994, S. 651 f.

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das Grundstück muß auch erschlossen sein. Die Aufwendungen für beides hat er mit dem Schulbau - ja vorher - zu finanzieren; seine Finanzierungskosten müssen folglich, wenn er nicht in der Lotterie gewonnen hat, durch die staatliche Finanzhilfe und ergänzende Elternbeiträge wieder „hereinkommen". Sind die Aufwendungen für Grundstück und dessen Erschließung im Einzelfall unvermeidlich, so gehören sie de facto ebenfalls zu den Kostenfolgen der Genehmigungsauflagen in Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG. Haben wir es hier erneut mit „geborenen" Eigenleistungen, die gerade überwunden schienen, zu tun? Freilich ist zuzugestehen, daß unsere gegenwärtige Rechtsordnung mit ihren Vorstellungen über die freie Handelbarkeit des Eigentums an Grund und Boden zur Folge haben kann, daß der private Eigentümer an Wertsteigerungen teilnimmt, die nicht Folge seiner Bauerrichtungsoder Erschließungsleistungen (und deren Finanzierung) sind. Solche Wertsteigerungen können allerdings erst bei einer späteren Entwidmung des Objektes realisiert werden - und es wäre ein leichtes, sie dann und dort rechtlich - mit grundpfandrechtlicher Sicherung - durch entsprechende Wertausgleichsauflagen, an die das Bundesverfassungsgericht selbst denkt, wieder zu binden, d. h. den bei Schulgrundstücken eher seltenen, aber möglichen Wertsteigerungsgewinn durch Rückzahlungspflichten wieder zu neutralisieren. 24 Eine private Bereicherung (Vermögensbildung außerhalb des Förderzweckes) ist bei sachgerechter rechtlicher Vorsorge leicht auszuschließen. Am besten sind hier Schulträger daran, die, wie es die Kommunen im Ergebnis ja für ihre eigenen Schulen tun, das erforderliche Schulgrundstück im Wege des kostenfreien oder kostengünstigen Erbbaurechtes zur Verfügung gestellt erhalten. Durch solche Handhabungen ist letztlich auch die Wertsteigerungsfrage „uno actu" mitgeregelt. Hat man so die Grenzen der Einrichtungskosten, insbesondere für den Schulbau, bestimmt, so wäre nach der allgemeinen Systematik grundsätzlich noch eine Angemessenheitsprüfung vorzunehmen, weil Schulen in freier Trägerschaft ja nicht bessergestellt werden sollen als staatliche Schulen. Soweit die Baukosten bereits aufgrund solcher Angemessenheitswerte ermittelt wurden, erledigt sich die Frage von selbst. Soweit bei der Bemessung der Schulbaukosten die tatsächlichen Kosten zugrunde gelegt werden, bleibt die Angemessenheitsprüfung der geltend gemachten Schulbaukosten möglich. Für diese Angemessenheitsprüfung können Schulbauprojekte gleicher Lage, gleichen Schulbautyps und gleichen Umfangs ohne Schwierigkeiten herangezogen werden. Da die Träger Freier Schulen im allgemeinen kostengünstiger bauen, als dies staatlichen Schulbaubehörden in der Regel möglich ist, haben freie Träger hier wenig zu fürchten. 25 Sind die angemessenen Einrichtungskosten auf dem vorgenannten Wege einmal bestimmt, so ist die Frage ihrer Finanzierung zu klären. Da dem Staat grundsätzlich nicht zugemutet werden soll, eine Vorfinanzierung von Schulbauten zu über24 BVerfGE 90, 128, (143). 25 Vgl.: Umgestalten statt neu bauen. Was Waldorfschulen aus alten Gebäuden machen. Arbeitsbereich Bildungsökonomie, FPZ Mannheim 1986, und Hardorp: Gesellschaftliche Perspektiven von Waldorfschulbauten. In: Erziehungskunst 1983, S. 228 ff.

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nehmen, bleibt als Lösung: die Verrechnung angemessener Raten dieser Einrichtungskosten auf die jährliche Nutzung für schulische Zwecke. Wir haben dies die „nutzungsbezogenen Investitionskosten" genannt. Das kaufmännische Rechnungswesen und die Betriebswirtschaftslehre haben für die Verrechnung von Investitionskosten auf die Perioden ihrer Nutzung (Abschreibungen) eindeutige und leicht handhabbare Grundsätze entwickelt. Am einfachsten sind Verrechnung und Finanzierung solcher Schuleinrichtungskosten, wenn diese Einrichtungen gemietet oder neuerdings „geleast" - werden. Das ist auch gängige Schulfinanzierungspraxis in Ländern mit finanzhilferechtlichen Ausgabendeckungsverfahren (wie Nordrhein-Westfalen - auch Baden-Württemberg in § 18, Abs. 4, lit. d) PSchG für Abendschulen). Dort werden Mietkosten für Schuleinrichtungen zu den laufenden Kosten des Schulhaushaltes gerechnet und nach den gleichen Grundsätzen wie andere Schulbetriebskosten - zum Beispiel mit 85 % der anerkannten Kosten - bezuschußt. Natürlich enthalten Mietkosten in der Regel auch einen angemessenen Gewinn des Vermieters; dies kann dazu führen, daß es bei einem Dauernutzobjekt wie einer Schule sinnvoller ist, die Bauerrichtung selbst in die Hand zu nehmen und anstelle einer Mietkostenerstattung, die Verrechnung der angefallenen Investitionskosten - Abschreibungen plus Finanzierungskosten - in die Schulbetriebskosten periodengerecht vorzusehen. So kommt es zum Zusammenlaufen der personellen und sächlichen Schulkosten mit den nutzungsbezogenen Investitionskosten in die Gesamtsumme der Schulbetriebskosten einer Periode (Schul- oder Haushaltsjahr). Das Wahlrecht für beide alternative Möglichkeiten der Schulbaufinanzierung - entweder selbst zu investieren oder ein Objekt anzumieten (zu leasen) sind für den Träger einer Freien Schulen sehr sinnvoll, weil eine solche Wahlmöglichkeit als Element ökonomischer Selbstregulierung dazu führt, daß auf Dauer nicht benötigter Schulraum gar nicht erst gebaut oder nicht erworben wird. Diese Überlegung hat ja auch im Bereich des staatlichen Schulwesens - für die Kommunen gilt insoweit das gleiche - zunehmend dazu geführt, nicht alle Schulgebäude in öffentlicher Trägerschaft selbst zu errichten, sondern im Wege des Leasings oder der Miete geeignete Gebäude vorübergehend zu nutzen und für die Zeit der Nutzung auch (nur) zu finanzieren. In Zeiten deutlich schwankender Schülerpopulationen im Schulwesen allgemein hält sich die öffentliche Hand so von möglichen Überkapazitäten (und deren Finanzierung) frei. Kennt sie dagegen nur die Gebäudeobjektfinanzierung des Schulbaues als einziges Verfahren, so zwingt sie Kommunen wie freie Träger u.U. zur Schaffung überhöhter Schulraumkapazitäten, weil es nur in diesem Falle die erforderliche Finanzhilfe für den Schulraum gibt. Die vom Verfassungsgericht bei der Bezuschussung ebenfalls für möglich gehaltene Berücksichtigung der Einrichtungskosten durch einen pauschalen Zuschlag zu den Schülerkopfsätzen (für personelle und sächliche Schulbetriebskosten) erscheint dagegen wenig zweckmäßig, weil die dafür vorgesehene Orientierung an den „Investitionskosten der öffentlichen Schulträger" 26 kaum möglich erscheint. 26 Wie Anm. (23).

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Dazu fehlt es nämlich schon an der entscheidenden Voraussetzung: einer schlüssigen Rechnungslegung der öffentlichen Hand für ihre Investitionsprojekte. Deren Ausmaß verschwindet nämlich bei der (noch) gebräuchlichen kameralistischen Buchführung in den Einzelhaushalten mehrerer Jahre und womöglich in denen mehrerer Körperschaften (Kommune, Land, Vermögenshaushalt, laufender Haushalt). Die Un Vollständigkeit der öffentlichen Rechnungslegung auf diesem Gebiete bedeutet, daß es in ihrem Bereich keine öffentlich kontrollierten, objektbezogenen Investitionsabrechnungen für öffentliche Bauten - insbesondere Schulbauten gibt. Weil eine brauchbare Maßstabgröße fehlt, gibt es auch keine verfassungsrechtlich sinnvollen Möglichkeiten, solche Größen für eine pauschale Bezuschussung des Schulbauaufwandes freier Träger zugrunde zu legen. Die in den jeweiligen Jahreshaushalten erscheinenden Kosten sind als Maßstab periodenweise zu hoch, wenn die Bautätigkeit stark ist und periodenweise deutlich zu niedrig, wenn infolge sinkender Schülerzahlen (oder infolge von Haushaltsengpässen) die Bautätigkeit zum Erliegen kommt. 27 Zudem hat der - so praktikabel erscheinende - Gedanke des einfachen pauschalen Zuschlags auf Schülerkopfsätze oder laufende Ausgaben das Handikap, daß er sich vom verfassungsmäßigen Sinn der Finanzierung - dem Ausgleich der Kostenfolgen der Einrichtungsauflage - weit bis zu weit entfernt. Denn ein solcher pauschaler Zuschlag kann durch sich selbst keine Rücksicht darauf nehmen, ob es sich um eine junge Schule handelt, die ihren Schulbau erst noch errichten und finanzieren muß, oder ob wir es mit einer alten Schule zu tun haben, die seit langer Zeit über alle erforderlichen Schulgebäude und Einrichtungen verfügt. Der Tendenz nach würde ein solcher pauschaler Zuschlag auf Schülerkopfsätze oder andere laufende Kostenarten (personelle, sächliche) diejenigen Schulen begünstigen, die die entsprechenden Aufwendungen nicht haben und diejenigen unzureichend fördern, die ein neues Schulgebäude tatsächlich noch finanzieren müssen. Der so einfach erscheinende pauschalierte Erstattungsweg führt damit zur möglichen Verkehrung des Förderzieles in sein Gegenteil: die Benachteiligung der hilfsbedürftigen Träger. Es wundert den Kenner aber nicht, daß er dennoch von Schulverbänden, die er begünstigt, vorgebracht und gefordert wird. Nach alledem kommen damit für die Schulbauförderung als brauchbare Verfahren in Betracht: - das Objektförderverfahren chen Kosten),

für das konkrete Einzelobjekt (und dessen tatsächli-

- das Periodenkostenverfahren der Finanzierung von Mietkosten oder anderen nutzungsbezogenen Periodenaufwendungen (im Leasingverfahren ζ. B. oder in Form der Abschreibungs- plus Zinserstattung).

27 Vgl. Haug: Die Ausgaben des staatlichen Schulwesens als Orientierungsrahmen für die öffentliche Finanzhilfe an Schulen in freier Trägerschaft, in diesem Band S. 195 ff.

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- Das Pauschalerstattungsverfahren auf den Kopf der Schiller o.ä. scheidet mangels ausreichender Verfassungsnähe (Gerechtigkeitsgehalt) der Berechnungsgrundlagen dagegen aus. Wie steht es nun mit der immer wieder geäußerten Befürchtung, eine Förderung des Schulhausbaues freier Träger könne womöglich zu einer zu mißbilligenden „privaten Vermögensbildung" führen? Hier geistert ein Gespenst durch die Lande. Was wird denn, wenn der Schulbau freier Träger gefördert wird, für eine Vermögensbildung finanziert? Doch nur eine streng aufgabengebundene ! Das Schulbauprojekt ist - seinem Kostenumfang nach - vorzurechnen, wird geprüft, erforderlichenfalls auf Angemessenheit zurückgeführt; von den angemessenen Kosten hat der freie Träger noch einen Eigenleistungsanteil zu tragen (zum Beispiel 15 oder 20 %). Das Schulgebäude ist ausschließlich für den Schulzweck zu verwenden. Wo soll eine private Vermögensbildung, die über die notwendige, aufgabenbezogene Vermögensbildung hinausreicht, Raum haben oder herkommen? Es gibt sie nicht; denn: das Schulgebäude wird ja niemals zu 100 %, sondern immer erst mit dem Rest (60 % - 80 % z. B.) - nach Abzug der Eigenleistung - von der öffentlichen Hand finanziert. Der freie Träger muß ja seinerseits einen Eigenleistungsbeitrag zu der zweckgebundenen, aufgabenbezogenen Vermögensbildung im Schulgebäude beibringen. Er erhält niemals die vollen Kosten - oder gar mehr - vergütet. Würde das Gebäude je zweckentfremdet werden, so sind - nach Länderrecht unterschiedlich geregelt - nicht zur Schulnutzung „verbrauchte" Zuschüsse wieder - bei grundpfandrechtlicher Sicherung - zurückzuzahlen oder es ist ein entsprechender Wertausgleich zu leisten (ζ. B. Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz). Bei sachgerecht überwachtem Verlauf von Schulbauerrichtung und Schulbaunutzung kann es während der Dauer der Nutzung eine private Vermögensbildung nur im Bereich stiller Reserven im Grund- und Bodenanteil des Grundstückes geben. Solche Reservenbildungen werden aber nur bei Aufgabe der schulischen Nutzung (Veräußerung des Gebäudes und/oder Grundstückes) realisiert und können, wenn sie nicht auf ein Ersatzobjekt übertragen werden (vgl. die hierzu entwickelten Grundsätze des Steuerrechts in § 6 b EStG), durch entsprechende Bindungen „eingefangen" und zugunsten der öffentlichen Hand neutralisiert werden. Im übrigen sind private Vermögensbildungen, sollten sie dennoch auftreten, immer noch unter der Generalklausel der verfassungsrechtlich vorauszusetzenden „Hilfsbedürftigkeit" des Schulträgers ausgleichbar. Bei ausreichendem Sachverstand der befaßten Behörden kann auf diesem Felde eigentlich nichts schiefgehen. Damit ist auch das „Unternehmerrisiko" entmythologisiert. Das Unternehmerrisiko oder „Unternehmerwagnis" eines freien Trägers, das ihm nach der Rechtsprechung nicht abgenommen werden soll, besteht in dem pädagogisch-sozialem Gelingenswagnis des Schulvorhabens, das dieser Träger eingeht. Autonomie ist immer zugleich Wagnis - sonst wäre sie keine. Alle Finanzhilferegelungen sind aber so gestaltet, daß sie auf dem Gebiete dieses Unternehmerwagnisses bei Schulträgern, die nach den Grundsätzen des Gemeinnützigkeitsrechtes arbeiten (müssen), niemals zu einer Gewinn- oder Vermögensbildungschance nicht aufgabenbezoge-

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ner Art führen können. Wie soll aus einer Teilbezuschussung von Schulaufwendungen ein Überschuß entstehen? Bestenfalls kann die Frage der angemessenen Eigenleistungshöhe hier diskutiert werden. Das „Unternehmerwagnis", das immer wieder wie eine Sphinx auftaucht (oder „beschworen" wird), ist nur eine Umkehrformulierung für das Selbstbestimmungsrecht des freien Trägers und letzteres ist grundrechtlich geschützt. Es enthält nur die „Chance" des Scheiterns, nicht die des geldlichen, vermögensmäßigen Gewinns. Die Projektion gewinnorientierter Unternehmertätigkeit mit „privater Vermögensbildung" in den hier erörterten Bereich gemeinnützig gebundener Schulfinanzierung hat in der Realität keinen Platz: bei 80 % Zuschuß - und 100 % Kosten - errechnet sich eben kein „Gewinn", akkumuliert man kein Vermögen. Das sich hier ausdrückende Mißtrauen schwindet, wenn die Dinge ökonomisch konkret und zu Ende gedacht werden.

IV. Die Wartefrist steht - nimmt die Verfassung Schaden? Das Bundesverfassungsgericht hat in den beiden, hier erörterten neuen Entscheidungen vom März 1994 die Wartefristregelungen in Bayern und Baden-Württemberg nach den jeweiligen Modalitäten dieser Länder für verfassungsvereinbar erklärt. Möglicherweise war das rechtliche Ergebnis zugleich ein politisches Ziel: fast alle Bundesländer haben ja - zumindest kürzere - Wartefristen „im Programm". In Zeiten schlechter Haushaltslagen kann man eine so weit verbreitete Praxis nicht so leicht für verfassungswidrig erklären, ohne die föderale Solidarität der Länder untereinander und zum Gesamtstaat zu tangieren. Die beiden Entscheidungen werfen damit aber auch die Frage nach der Stringenz des Schutzgedankens von Art. 7 Abs. 4 GG auf, der bisher ja - mit der Berufung auf das Ensemble der Individualgrundrechte des Grundgesetzes - sehr tiefgründig zu sein schien. Erinnern wir uns: aus den ökonomisch gegenläufigen Folgen der Genehmigungsbedingungen oder Genehmigungsauflagen von Art. 7 Abs. 4 GG war die Finanzhilfepflicht als Interventionspflicht des Staates zum Schutz dieses Grundrechtes entwikkelt worden. Besteht dieser Schutz nach wie vor - und von Anfang an - fort? Oder treten die Verfassungsauflagen erst nach und nach - nach einer langen Wartefrist und deren Folgen z. B. - entsprechend verzögert, mit gewollter „Verspätung", in Kraft? Sollten die Verfassungsauflagen nicht gerade einen bürgernahen, sozialen Kurs des Ersatzschulwesens sichern? Ist das jetzt fraglich geworden? Oder gibt es doch einen Weg, zu einer mit dem bisherigen Verständnis von Art. 7 GG vereinbarlichen Finanzierungsregelung für die vorgesehenen (zulässigen) Wartefristen zu kommen? Dem wollen wir uns - möglichst nahe an der ökonomischen Realität Freier Schulen in Elternträgerschaft - jetzt zuwenden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt dabei von uns, daß wir uns mit einigen neuen Personen und Begriffen - den „Schulgründern", der „Errichtungssperrewirkung", der „Bewährung" neuer Schulen (durch Schulabschlüsse oder anderes) auseinandersetzen, was an anderer Stelle dieses Bandes auch geschehen ist oder

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geschieht. Insbesondere in der Wartefristproblematik paust sich aber ständig das allgemeine Gesellschaftsverständnis des Gerichtes und dessen Entwicklungsbild für diese in die zu erörternden Einzelprobleme unseres Stoffes herein: was ist eine „herkömmliche Schule", wenn sie keine Standesschule, keine Plutokratenschule etc. sein soll? Zur herkömmlichen Schule gehört - komplementär - auch die herkömmliche, traditionelle Gesellschaftsordnung. Ist Art. 7 Abs. 4 GG dieser wirklich und auf Dauer verpflichtet? Haben Berkemann (oder ähnlich Theuersbacher) Recht, wenn ersterer - das Problem pointierend - sagt: „Die Besitz Verhältnisse der Eltern entscheiden zwar nicht über die Aufnahme der Schüler, aber über die Errichtung der Privatschule" 28. Werden in Zukunft nur noch vermögende Mächte für die Gründung Freier Schulen zugelassen? Wie geht es denn konkret bei einer solchen Gründung zu? Nehmen wir das bayerische Wartefristbeispiel, weil es schwerer wiegt als die baden-württembergische „Einlauffrist" (von drei Jahren), so daß in ihm die Fragestellungen deutlicher herauskommen. Bayern unterscheidet in seinem Schulwesen streng zwischen Grundschule (Volksschule) und weiterführender Schule, was dieses Land gegenüber den Waldorfschulen (mit ihrem eigenständigen Bildungsgang von Klasse 1 bis Klasse 13) dazu führt, in einer solchen Schule ein Doppelgebilde aus zwei Schulen (Waldorfgrundschule und Waldorfgymnasium) zu sehen: Folge einer Blickweise. In der Grundstufe (Klasse 1 bis 4) wird von vornherein (aufgrund der bayerischen Verfassung) solide finanziert; danach setzt, mit Beginn der Sekundarstufe, die Durststrekke der Wartefrist ein. In ihr soll die seit Jahren bereits bestehende, aber mit Klasse 5 als zum zweiten Mal gegründet angesehene Schule jetzt erneut erprobt werden. Sie soll sich am Ende dann bewährt haben, wenn es ihr gelingt (was allen Reformund Kirchenschulen der Nachkriegszeit bisher immer gelungen ist), zweimal hintereinander die Schüler der obersten Klasse zu zwei Dritteln über die Hürde des Abiturs zu bringen. Womöglich ist der pädagogisch eigenständige Charakter der Waldorfschulen bei dieser Gymnasialgenehmigung verfassungsrechtlich nicht ganz sachgerecht gewürdigt worden, aber in Bayern ist eben außerhalb des Gymnasiums keine rechte „höhere" Schule denkbar. Eine solche Schule darf durch zwei Abiturjahrgänge erprobt werden. Nun ist das natürlich eine sehr lange Zeit: neun Jahrgänge Sekundarstufe, zweimal Abitur: das gibt wenigstens zehn Schuljahre Wartefristdauer. Es ist auch klar und das läßt sich ja wissenschaftlichen Arbeiten über die Kosten der öffentlichen Schule entnehmen - , Schule kostet pro Schüler viel Geld. Um die DM 1.000,— pro Schüler und Monat muß man in der Gymnasialstufe heute veranschlagen.29 Weil dies so viel Geld ist, hatte das Bundesverfassungsgericht ja 1987festgestellt, daß die daraus folgende Hilfsbedürtigkeit der Ersatzschulen in freier Trägerschaft ein „empirisch gesicherter Befund" sei. 30 28 Berkemann: wie Anm. (10) oder Theuersbacher wie Anm. (15): „Ohne einen kapitalkräftigen Gründer geht es nicht". 29 Vgl. Haug: Schulausgaben im Vergleich IV. und V. Forschungsbericht des Deutschen Instituts für internationale pädagogische Forschung. Frankfurt 1993, 1994.

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In der Wartefrist wird nun von den „Gründereltern" - sie wollen ja mehr als nur eine Schule für ihre eigenen Kinder: sie wollen das Schulwesen insgesamt weiterbringen, es entwickeln helfen - erwartet, daß sie sämtliche Schulkosten in dieser Wartezeit grundsätzlich als „erhöhte Eigenleistung" des Schulträgers über Elternbeiträge - oder über andere (beliebige?) Quellen - allein aufbringen. Nur wenn innerhalb der Wartefrist die aus ihr folgende Belastung so groß wird, daß sie zu einer faktischen Errichtungssperre führt, muß nicht etwa die Wartefrist enden, nein: es muß nur soviel „dazugefüttert" werden als „ Z w i s c h e n f i n a n z h i l f e " , daß die Schule das Ende der Wartefrist noch erlebt und ihre Bewährungsprobe (zweimaliges Abitur) auch tatsächlich ablegen kann. Das ist - unter diesem Kriterium als Maßstab methodisch zunächst schlüssig. Erst mit erfolgreicher Beendigung der Wartefrist wird die Freie Schule ja zu einem „vollwertigem" Mitglied des institutionell geschützten „Privatschulwesens". Jetzt gelten die bisher suspendierten Genehmigungsbedingungen des Sonderungsverbots und der Lehrersicherung auf einmal in vollem Umfang. Jetzt gibt es auch die volle „normale" Finanzhilfe. Ist nun alles in Ordnung? Nein, keineswegs: denn die Schule hat jetzt noch für lange Zeit an den Wartefristfolgen zu tragen. Sie hat, um über die Runden zu kommen, im Zweifelsfalle zunächst einmal eine nach den Besitzverhältnissen der Eltern ausgesuchte Schülerschaft herangezogen, weil dies in einer so langen Wartefrist kaum anders möglich sein wird. Sie hat darüber hinaus womöglich manchen fachkundigen Lehrer, der die erwarteten zusätzlichen Gründerbelastungen (seiner Familie wegen zum Beispiel) nicht tragen konnte, nicht für sich gewinnen können; vor allen Dingen: sie hat mit den ökonomischen Restlasten der Wartefristzeit zu tun. Denn, wie die praktischen Beispiele zeigen: die vollen Kosten einer nach wie vor unter dem (nicht suspendierten) Gleichwertigkeitsgebot (ihres Unterrichts und ihrer Einrichtungen) stehenden Ersatzschule in freier Trägerschaft haben die Eltern, wovon ja auch das Bundesverfassungsgericht 1987 mit dem Hinweis auf die diesbezügliche „empirische" Befundlage 31 ausging, niemals als höhere Eigenleistung selbst aufbringen können. Das ist weder aufgrund der schulischen Sachverhalte noch aufgrund der Kenntnisse des Bundesverfassungsgerichts von dieser Schule zu erwarten. Es entspricht keiner gesellschaftlichen Realität, daß die Gründer, wie Theuersbacher meint, „also zunächst die vollen Gründungskosten, insbesondere die Investitionsund Personalkosten, selbst tragen müssen".32 Die Schule hat nämlich im Hinblick auf das von ihr angestrebte und - in allen bekannten Fällen auch tatsächlich erreichte - Bewährungsziel noch eine zusätzliche Finanzierungsmöglichkeit der vollen Ersatzschulkosten während der Sekundarstufe gefunden: die (vorübergehende) Hilfe von außen, die Verschuldung. Es gibt eben neben dem Schulwesen in der modernen Gesellschaft noch ein Kreditwesen, das Überbrückungshilfen, wenn 30 BVerfGE 75,40 (67). 31 BVerfGE 75,40 (67). 32 Wie Anm. (15).

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auch keine endgültigen Zuwendungen, geben kann und - zu seinen Bedingungen auch gewährt. Wenn es unseren Schulen im Aufbau in gewissem Umfang auch möglich sein mag, in der Wartefristzeit zum Teil höhere Elternbeiträge als die normal zulässigen Nutzer-Elternbeiträge (bis zu DM 150/DM 170 pro Schüler und Monat) zu erhalten, so wird es ihnen unter den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Gegenwart doch niemals möglich sein, schon in der Wartefrist die vollen Schulbetriebskosten aus Elternbeiträgen zu finanzieren. Weil das so ist, und das Ziel der Wartefrist dennoch erreicht werden soll, haben die höchsten Gerichte ja auch das Land für verpflichtet gehalten, zumindest Zwischenhilfen (halbe Zuschüsse, einmalige Leistungen etc.) zu gewähren, damit das Bewährungsziel überhaupt lebend erreicht werden kann, damit der Wartefrist „ihre Schärfe genommen" wird. 33 Im Hinblick auf die danach einsetzende tatsächliche Finanzhilfe werden Kreditgeber sich in der Regel bereitfinden, die Wartefristkosten vorübergehend zwischenzufinanzieren. In der beigefügten grafischen Skizze sind die ökonomischen Zusammenhänge dargestellt. Wozu führt das alles nach Ende der Wartefrist? Aus den tatsächlichen Abläufen ist erkennbar, daß die Schulen in freier Trägerschaft mit einem mehrere Millionen hohen Wartefristkredit in die Nachwartefristzeit gehen. In dieser - also nach erreichter Bewährung - müssen sie die aufgenommenen Schulden tilgen. Aus welchen Mitteln? Von ihren Eltern dürfen sie jetzt nur noch Elternbeiträge nehmen, die nicht zu einer Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern führen bzw. eine solche Entwicklung „fördern". Vom Land erhalten diese Schulen eine Finanzhilfe, die sich ausschließlich an den konkreten Kosten der Nachwartefristzeit ausrichtet und zweckgebunden für diese nun entstehenden Kosten gewährt wird. Muß es jetzt immer noch eine höhere Eigenleistung als die verfassungsrechtlich zulässige, die nicht gegen Sonderungsverbot und Sicherungsgebot verstößt, geben? Die Kreditgeber werden für die weitere Hinauszögerung der vorgesehenen Tilgung ihrer Kredite kaum Verständnis haben - und wenn: dann fräße dies auf Dauer einen weiteren Teil der zweckgebundenen Finanzhilfe (für die aus dieser Verzögerung folgenden Zinsen) auf - oder es müßte zu höheren Elternbeiträgen im Hinblick auf die weiterhin zu finanzierende höhere Eigenleistung führen. Es legt sich also auf die Nachwartefristzeit eine Art finanzieller „Wartefristschatten", der sich mit der Wartefrist selbst zu einer Art übergeordnet-überwölbenden und belastenden „Wartefristglocke" für lange Zeit zusammenschließt: zehn Jahre Wartezeit, zehn bis fünfzehn Jahre Tilgungsphase für die zuvor aufgenommenen Mittel. Bei 5 Mio.DM Wartefristschulden - etwa die bayerische Realität, bei den dortigen Waldorfschulen - und 10 %-iger Annuität ergäbe sich ein Wartefristschatten von rd. 15 Jahren. Ist das alles wirklich so gemeint? Wenn es so gemeint wäre: dann läge hier der Gedanke der „Staatsräson" alter Art, der Schulen in freier Trägerschaft nicht schätzt, weil sie „aus der Reihe tanzen", offen zutage. Dann würde verfassungsrechtlich zementiert, was als Vorurteil gegenüber Freien Schulen schon 33 BVerfGE 90, 107, (124).

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sowieso - meist fälschlicherweise - existiert: Freie Schulen sind die Schulen für die Kinder reicher Leute. Dann würde durch die Wartefristfinanzierung erzwungen, was man sonst mit dem Sonderungsverbot zu verhindern vorgibt: die gesellschaftliche Isolation Freier Schulen. Die Scheinheiligkeit solch staatlichen Handelns wäre evident. Gäbe es eine wirtschaftliche und verfassungsrechtliche Alternative in dieser Lage? In der Tat, es gibt sie wohl. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der bayerischen Wartefristsache gibt einen Hinweis: „Ausgleichszahlungen" nach Ende der Wartefrist. Wenn sie dem Schulträger zustehen würden, so daß er mit ihnen zuverlässig rechnen kann, so erweitert dies, wie das Bundesverfassungsgericht selbst aufzeigt, die Zulässigkeit von Wartefristen. Ihre zulässige Dauer wird also von solchen Ausgleichszahlungen beeinflußt. Das bedeutet aber doch nichts anderes als: die Schule kann und darf sich im Hinblick auf derartige Ausgleichsleistungen verschulden, sie darf ihre „höhere" Eigenleistung auf diesem Wege erbringen. Anderenfalls wäre ja die vom Verfassungsgericht gesehene Rückwirkung solcher Ausgleichsleistungen auf die Wartefristdauer selbst nicht erklärbar. Liegt hier ein vielleicht übersehener Lösungsansatz? So scheint es zu sein. Geht man für unsere Problematik von der durchgängigen Geltung von Art. 7 Abs. 4 GG mit seinen Genehmigungsauflagen aus und akzeptiert man, daß zwei davon - das Sonderungsverbot und das Sicherungsgebot - vorübergehend zurücktreten, ohne aus dem Verfassungsziel von Art. 7 GG endgültig herauszufallen. Man kann die Sache eigentlich nur so verstehen und sehen, daß der Schulträger zwar das Bewährungsziel auf eigenes Risiko ansteuern und erreichen muß (- dies ist sein „Unternehmerwagnis"), daß er aber, wenn ihm nachträgliche Ausgleichszahlungen für die erhöhte Eigenleistung - zumindest soweit er sie kreditweise vorfinanzieren mußte - winken, die Verfassungsbedingungen wenigstens „im Auge behalten" kann und keine zu hohen sonderungsbetonenden Schulgelder nehmen muß. Er weicht an der Grenze der Leistbarkeit in der Wartefrist auf die teilweise Kreditfinanzierung der Wartefristkosten aus und gleicht die aufgelaufenen Schulden nach Ende der Wartefrist, nach bestandener Prüfung und Bewährung, mit Hilfe solcher Ausgleichszahlungen aus. Diese verhindern dann, daß er die für den normalen Schulbetrieb ihm jetzt zweckgebunden zufließenden Zuschüsse für „Wartefristaltlasten" zweckentfremden muß, so daß er die Genehmigungsbedingungen nach Ende der Wartefrist tatsächlich einhalten kann. Die Anrechnung einer sachgerecht proportionierten Grundschulfinanzierung für die Grundstufe einer einheitlichen Volks- und höheren Schule (wie bei den Waldorfschulen in Bayern) kann im Grunde nicht ernstlich als Ausgleichselement für die „geerbten" Wartefristschulden gewertet werden, weil dies zu der Beurteilung führen müßte, daß die Zuschüsse zweckentfremdet werden (sollen). Das kann eigentlich, weil (als Subventionsbetrug ζ. B.) strafbewehrt, nicht gemeint sein. Aber: es läge schließlich auch eine Zweckentfremdung darin, daß Mittel, die für ein Nachwartefristjahr gewährt werden, für die Finanzierung der vorangehenden Wartefristzeit, d. h. für die Schuldtilgung, verwandt werden. Der tragende Gedanke von Art. 7 Abs. 4 GG mit

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seinen Genehmigungsauflagen und seinem grundrechtlichen Kern verlangt, daß die Wartefristbelastungen nicht unter der Hand - über die für zulässig gehaltene Frist, die sich aus dem Bewährungsziel ergibt, hinaus - erheblich ausgedehnt werden, indem die Verschuldungsproblematik als „Wartefristschatten" für eine zeitliche Verdoppelung (oder mehr) der Wartefristproblematik sorgt. Mit letzterem wäre der Bewährungsgedanke weit überspannt. Er ist es wohl auch für die scheinbar harmlose, „kurze" baden-württembergische Einlauf-Wartefrist von drei Jahren. Sie zwingt die neu begründeten Schulen dieses Landes, die Schule in der Gründungs- oder Wartefristphase klein zu halten: mit einer Klasse im ersten Schuljahr zu beginnen, im zweiten Schuljahr zwei, im dritten nur drei aufsteigende Klassen zu führen. Bisher fingen Waldorfschulen oft mit wenigstens drei oder fünf aufsteigenden Klassen an, weil dies auch für die Schüler, für ihr „Schulgefühl", günstiger ist und eine kollegiale Lehrerarbeit ermöglicht. Aber auch die kleinste mögliche Lösung führt in der dreijährigen Wartefrist zu Wartefristkosten von rd. 1 Mio. DM, die das „Eintrittsgeld" der Gründungselternschaft solcher Schulen darstellen - pro Schüler und Monat DM 450, wenn man von DM 5.400 Jahreskosten pro Schüler ausgeht (der Durchschnittskostensatz pro Schüler in den Grundschulen der BRD liegt eher darüber). 34 Für die Schulen der obersten Klasse ergäbe dies DM 16.200 als „Eintrittsgeld" pro Schüler, für die der zweiten Klasse DM 10.800 bei der untersten DM 5.400 pro Schüler. An größere Schuleinheiten - mit drei oder vier Klassen - kann keine Schule in Elternträgerschaft mehr denken. War das gemeint? Soll es nur noch kryptische Schulgründungen geben, sollen solche Schulen „sich ducken"? Im übrigen: die Einlaufwartefrist in Baden-Württemberg wird jedenfalls nicht an eine „Bewährung" in Form einer Abiturprüfung gebunden - in einer Sonderschule ζ. B. ein absurder Gedanke. Aber auch hier muß gelten: hat die Schule ihre - dreijährige - Existenzbewährung bestanden, dürfen ihr die Wartefristlasten nicht über Jahre hinaus folgen und den weiteren Schulaufbau, die investive Phase der Schule, beeinträchtigen. Schule mündiger Bürger unter dem Schutze der Individualgrundrechte der Verfassung - oder regressive Schulpolitik unter dem Gesichtspunkt der Staatsräson: auf diese Frage und auf diese Entscheidung läuft die Wartefristproblematik letztlich zu. Nimmt man den Kommentatoren dieser Problematik probeweise argumentativ ab, 35 daß die effektive Verwendung und Verwaltung von Haushaltsmitteln zu dieser Bewährungsprobe und zu dieser Wartefristregelung zwingt, so wäre es heute aber doch eher an der Zeit, die darin liegende - und hier erkennbar gewordene Spannung gesellschafts- und bildungspolitisch nach „vorne" aufzulösen: durch Entwicklung von Schulautonomie und der daraus folgenden Schonung öffentlicher Mittel. Diese wird durch die größere Effektivität der Mittelverwendung in mitdenkender Selbstverwaltung erreicht. Wenn dies einmal verstanden sein wird, dann hätte das Lehrbeispiel der Schulen in freier Trägerschaft seinen Sinn für das Schul34 Vgl. Haug, Anm. (29). 35 Theuersbacher, a. a. O. 18 F. Müller/B. Jeand'Heur

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wesen im Ganzen erfüllt. Sie ersparen seit langem dem Staat erhebliche Mittel (gerade im laufenden Betrieb), weil sie die geforderte Eigenleistung erbringen (bei den Waldorfschulen sind es an die 200 Mio.DM jährlich in der Bundesrepublik Deutschland).36 Man kann auf diesem Wege die Effektivität der Mittelverwendung mit bürgerschaftlicher Verantwortung für wichtige Bereiche des Schulwesens sinnvoll miteinander verbinden. Es ist richtig, daß uns gegenwärtig zunehmend das Problem der Ökonomie im Staatshaushalt (Steuerwiderstand, Staatsverdrossenheit) drückt. Es läßt sich für den Bereich des Schulwesens aber wohl nur auflösen, wenn man einen Ausgang aus der Problematik findet, der die Kräfte der Beteiligten und ihren Einsatzwillen anspricht und aktiviert und nicht mit Regressionstechniken demotiviert. Das wird in Zukunft der Gedanke der Autonomie im Schulwesen sein: Freiheit und Verantwortung sind auch für das Gemeinwesen ökonomisch. Das bildungsökonomische Durchdenken der verfassungsrechtlichen Probleme der Wartefrist könnte hier - weit über das Schulwesen hinaus - lehrreich werden.

36 Vgl. Presse-Dokumentationen des Bundes der Freien Waldorfschulen zum Gesamtjahresabschluß 1992 oder 1993 (zu erhalten: Heidehofstr. 32, 70184 Stuttgart).