Zivilprozessordnung: Nachtrag und Deckblätter [6. Aufl., Reprint 2021] 9783112599143, 9783112599136

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Zivilprozessordnung: Nachtrag und Deckblätter [6. Aufl., Reprint 2021]
 9783112599143, 9783112599136

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Nachtrag und Deckblätter zu

Reincke, ZivilproieKordnung 6. Auflage. I. Gesetz bete, die Zustäudigkrit des Reichsgerichts vom 22. Mai 1910.

(RGBl. 767.)

Art. I. Das Gerichtsverfassungsgesetz wird dahin geändert: 1. Der § 130 Abs. 1 erhält folgenden Satz 2: „Dienstunfähigkeit ist nicht Vorbedingung des Anspruchs auf Ruhegehalt, wenn das aus dem Dienste scheidende Mitglied das 65. Lebensjahr vollendet hat.“ 2. Der § 135 erhält folgende Fassung: „In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist das Reichsgericht zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Revision gegen die Endurteile der OLGerichte.“ Art. II. Im § 8 Abs. 1 EG. zum GVG. werden die Worte „und Be­ schwerden“ gestrichen. Art. in. Die Zivilprozeßordnung wird dahin geändert: 1. Im § 97 Abs. 3 wird das Wort „dreihundert“ durch das Wort „sechs­ hundert“ ersetzt. 2. Im § 233 Abs. 1 werden hinter dem Worte „Notfrist“ die Worte „oder die Revisionsbegründungsfrist“ eingefügt. 3. Der § 545 erhält folgenden Abs, 2: „Gegen Urteile, durch 'welche über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einst­ weiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.“ 4. Im § 546 Abs. 1 wird das Wort „2500“ durch das Wort „4000“ ersetzt. 5. In § 547 Ziffer 1 werden die Worte „die sachliche Unzuständigkeit des Gerichts oder“ gestrichen. 6. Im § 548 werden die Worte „oder mit der Beschwerde anfechtbar“ ge­ strichen. 7. Im § 554 erhält a) der Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 folgende Fassung: „sie beginnt mit dem Ablauf der Revisionsfrist und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden; eine Verlängerung der Frist durch Vereinbarung der Parteien ist nicht zulässig.“ b) der Abs. 3 folgende Fassung: „Die Revisionsbegründung muß enthalten; 1. die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge); 2. die Angabe der Revisionsgründe, und zwar: a) die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm; b) insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, welche den Mangel ergeben.“ Ferner wird c) folgender Schlußabsatz angefügt: „Sofern nicht dem Re­ visionskläger das Armenrecht bewilligt ist oder Gebührenfreiheit zusteht, hat der Vorsitzende eine Frist zu bestimmen, innerhalb deren der Re-

2

Gesetz betr. die Zuständigkeit deS Reichsgerichts.

visionskläger den Nachweis zu erbringen hat, daß er den für die Revisions­ instanz von ihm erforderten Gebührenvorschuß (§81 GKG.) gezahlt hat. Wird der Nachweis nicht vor dem Ablauf der Frist erbracht, so gilt die Revision als nicht in gesetzlicher Form begründet. Hat der Revisions­ kläger die Bewilligung des Armenrechts vor Ablauf der Frist beantragt, so wird der Lauf der Frist bis zur Zustellung des auf dieses Gesuch er­ gehenden Beschlusses gehemmt.“ 8. Der § 561 erhält folgende Fassung: „Der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegt nur dasjenige mündliche Parteivorbringen, welches aus dem Tatbestände des Berufungsurteils oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Außerdem können nur die im § 554 Abs. 3 Nr. 2 b erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden. Hat das Berufungsgericht festgestellt, daß eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr sei, so ist diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend, es sei denn, daß in bezug auf die Feststellung ein zulässiger und begründeter Revisionsangriff erhoben ist.“ 9. Im § 567 Abs. 2 werden die Worte „in betreff der Prozeßkosten er­ lassenen“ gestrichen. 10. Im § 568 wird der Abs; 4 gestrichen. 11. Im § 569 werden a) im Abs. 1 die Worte „Beschwerden gegen Entscheidungen der Amts­ und Landgerichte können“ durch die Worte „sie kann“ ersetzt. Ferner wird b) im Abs. 2 Satz 2 der Halbsatz 2 gestrichen. 12. Im § 574 wird der Abs. 2 gestrichen. 13. Der § 576 Abs. 3 erhält folgende Fassung: „Die Bestimmung des ersten Absatzes gilt auch für das Reichsgericht und die OLGerichte.“ 14. Im § 577 Abs. 2 erhält der Satz 2 folgende Fassung: „Die Einlegung bei dem Beschwerdegerichte genügt zur Wahrung der Notfrist, auch wenn der Fall für dringlich nicht erachtet wird.“ 15. Der § 708 erhält folgenden Zusatz: „7. Urteile der OLGerichte in vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit Aus­ nahme der Versäumnisurteile.“ 16. Der § 711 wird gestrichen. 17. Der § 712 erhält folgenden Abs. 2: „Die Vorschrift des Abs. 1 Halbsatz 1 findet auf die im § 708 Nr. 7 be­ zeichneten Urteile keine Anwendung, wenn die Voraussetzungen der §§ 546, 547 für die Zulässigkeit der Revision nach dem Ermessen des Gerichts unzweifelhaft nicht vorliegen.“ 18. Der § 713 Abs. 1 erhält folgenden Zusatz: „Diese Vorschrift findet auf die im § 708 Nr. 7 bezeichneten Urteile keine Anwendung.“ 19. Der § 717 erhält folgenden Abs. 3: „Die Vorschriften des Abs. 2 finden auf die im § 708 Nr. 7 bezeichneten Urteile der OLGerichte keine Anwendung. Soweit ein solches Urteil aufge­ hoben oder abgeändert wird, ist der Kläger auf Antrag des Beklagten zur ErErstattung des von diesem auf Grund des Urteils Gezahlten oder Geleisteten zu verurteilen. Die Vorschriften des § 541 Abs. 2 Satz 2, 3 finden An­ wendung.“ 20. Im § 719 werden a) die Worte „ein Rechtsmittel“ durch die Worte „die Berufung“ ersetzt; b) wird folgender Abs. 2 neu eingestellt: „Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so hat das Revisionsgericht auf Antrag anzuordnen, daß die

Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt werde, wenn glaubhaft ge­ macht wird, daß die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde. Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen.“ Art. IV. Im § 7 des Ges. betr. die Einführung der ZPO. wird der Abs. 5 gestrichen. Art. V. In einem Bundesstaat, in welchem mehrere OLGerichte errichtet sind, ein oberstes Landesgericht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aber nicht besteht, können die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 ZPO., die Entscheidung nach § 650 Abs. 3 ZPO. und die Bestellung zum Vollstreckungs­ gerichte nach § 2 ZVG. für alle Gerichte des Bundesstaats an Stelle des Reichs­ gerichts einem der OLGerichte übertragen werden. Die Übertragung erfolgt durch die Landesjustizverwaltung. Art. VI. Das FrGG. wird dahin geändert: 1. Der § 5 Abs. 1 Satz 1 erhält folgende Fassung: „Besteht Streit oder Ungewißheit darüber, welches von mehreren Gerichten örtlich zuständig ist, so wird das zuständige Gericht durch das gemeinschaftliche obere Gericht und, falls dieses das Reichsgericht ist, durch dasjenige OLGericht bestimmt, zu dessen Be­ zirke das zuerst mit der Sache befaßte Gericht gehört. “ 2. Der § 46 Abs. 2 Satz 1 erhält folgende Fassung: „Einigen sich die Gerichte nicht oder verweigert der Vormund oder, wenn mehrere Vormünder die Vormundschaft gemeinschaftlich führen, einer von ihnen seine Zustimmung, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht und, falls dieses das Reichs­ gericht ist, dasjenige OLGericht, zu dessen Bezirke das Gericht gehört, an welches die Vormundschaft abgegeben werden soll.“ Art. VII. Ist in den Fällen des § 5 und des § 46 Abs. 2 des FrGG. ein Konsul, dem solche Angelegenheiten übertragen sind, oder ein Gericht in den Schutzgebieten beteiligt, so finden die Vorschriften des Art. VI mit der Maßgabe Anwendung, daß, wenn ein Konsul oder ein Gericht in den Schutz­ gebieten zuerst mit der Sache befaßt ist oder wenn die Vormundschaft an eine solche Behörde abgegeben werden soll, das dieser Behörde im Instanzenzuge vor­ geordnete oberste Gericht die Entscheidung zu treffen hat. Art. VH!. Der § 49 Abs. 1 des GKG. erhält folgende Fassung: „In der Berufungsinstanz erhöhen sich die Gebührensätze um ein Vierteil, in der Revisions­ instanz auf das Doppelte.“ Art. IX. Der § 52 der GebO. für RA. erhält folgende Fassung: „Die Gebührensätze erhöhen sich in der Berufungsinstanz um 8/10 und in der Revi­ sionsinstanz um 6/10.“ Art. X. Soweit in Reichsgesetzen auf Vorschriften verwiesen ist, welche durch dieses Gesetz geändert werden, treten die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes an ihre Stelle. Art. XI Dieses Gesetz tritt am 1. Juni 1910 in Kraft. In Ansehung der Rechtsmittel gegen die Entscheidungen der OLGerichte, die bereits verkündet oder von Amts wegen zugestellt sind, bevor dieses Gesetz in Kraft getreten ist, finden die bisherigen Vorschriften Anwendung. Art. XII. Der Reichskanzler wird ermächtigt, für die Zeit bis längstens zum 31. Dez. 1913 Hilfsrichter aus der Zahl der Mitglieder der OLGerichte und Landgerichte sowie der Amtsrichter zum Zwecke der Erledigung der Ge­ schäfte der Zivilsenate einzuberufen. Die Abordnung eines jeden Hilfsrichters ist bis zu dem Zeitpunkt unwiderruflich, in welchem die Wahrnehmung seiner Tätigkeit nicht mehr erforderlich ist.

II. Einleitung. Literatur: Landsberg, PosMSchr. 10 S. 25, Heinze, DIZ. 10 S. 615. Zum RrgierungSentwurs: Wach, Rheinische Zeitschrift 10 S. 287.

Bereits zwei Monate nachdem das G. vom 1. Juni 09 in Kraft getreten ist, stehen wir wiederum einer Novelle gegenüber. Veranlaßt wurde diese durch die all­ seitig anerkannte Notwendigkeit, eine Entlastung des Reichsgerichts zu bewirken. Nach einer auf Anfrage des Berichterstatters der RTK. abgegebenen Erklärung des Staatssekretärs des RJAmts soll übrigens, wenn sich die durch das jetzige G. geschaffenen Hilfsmittel (vgl. auch Art. XII.) nicht für die Dauer als ausreichend erweisen, um einen geordneten Geschäftsgang zu erreichen, die Besserung nicht wiederum durch eine Gesetzesnovelle, sondern — bis zur organischen Reform des Zivilprozeffes — durch Vermehrung des Richterpersonals bewirkt werden. Die Arbeitskraft des RG. war zurzeit dem stets zunehmenden Umfange der Geschäfte nicht mehr gewachsen, und eine Vermehrung der Stellen sollte für jetzt, im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, unter allen Umständen vermieden werden. So entstand das neue G., welches nicht allein das Gebiet des ZP. betrifft, sondern auch einzelne neue Zuständigkeitsbestimmungen im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthält (Art. VII.) und das Betreiben der Revision durch Erhöhung der Gerichtskosten und der Anwaltsgebühren erschwert (Art. VIII., IX.). Der Inhalt des G. wird indeffen nicht erschöpft durch den Hinweis auf den angegebenen Zweck; das G. enthält vielmehr außerdem Bestimmungen, welche auf eine Verbesserung der bisherigen Fassung der ZPO., und endlich solche, welche auf eine bloße Verdeutlichung der letzteren abzielen. — Mag im übrigen, wie dieser Grundsatz schon bei der'Be­ arbeitung der 6. Aust, des Kommentars befolgt worden ist, der Text der Nov. soweit für sich selbst sprechen, als nicht eine Umschreibung seiner Worte zur Förderung des Verständnisses notwendig erscheint. — Zur Herbeiführung einer erheblichen Geschäftsverminderung hatte der Entwurf die Revisionsbegründung mit Verstößen gegen §§ 139, 286 Abs. 1, 475, 476 ZPO. ausschließen und in Rechtsstreitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche, falls die der Rechtskraft fähige Entscheidung nicht abgeändert und die Berufung nicht als unzu­ lässig verworfen wäre, die Revision nur dann zulaffen wollen, wenn das G. durch eine Auslegung verletzt wäre, welche mit einer Entscheidung des RG. oder eines obersten Landesgerichts in Widerspruch stände (§ 549 Abs. 2, 3 des Entwurfs). Beide Vorschläge fanden nicht die Billigung des RT., welcher gerade die Wirksamkeit des RG. auf dem Gebiete, wo es der Abs. 2 beseitigen wollte, als besonders segmsreich erachtete (63. Sitzung S. 2343, 2353, 2356, 2360, 2364), und gegen den vorge­ schlagenen Abs. 3, welcher das sog. Difformitätsprinzip enthielt, zahlreiche Gegen­ gründe ins Feld führte, besonders den, daß die Übereinstimmung der Urteile keine Gewähr für die Richtigkeit biete. ■>— Keinen Anklang fand ferner der Gedanke des

II. Einleitung.

5

Entwurfs, daß im Falle der Einstimmigkeit die Verwerfung der Revision durch Be­ schluß auszusprechen sei. — Der Inhalt des zustande gekommenen Gesetzes soll nach den bereits erwähnten Gesichtspunkten gruppiert werden. —

III. a) Entlastung des Reichsgerichts. 1. Ausschließung der Revision gegen Urteile, durch die über Anordnung, Abänderung g ms. oder Aushebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung entschieden ist. 2. Erhöhung der Revisionssumme auf 4000 Mark, vom RT. gemäß dem Bor- § sEUe im Deutschen Reiche zusammen. " Es bestanden bis dahin in Deutschland hauptsächlich drei Prozeßsysteme: das Gemeine Deutsche, das Preußische und das Französische System. Infolge der Ereignisse des Jahres 1848 machte sich auch das Bedürfnis nach einem einheitlichen und zeit­ gemäßen Zivilprozeßverfahren geltend. Mangels eigenen Vorgehens des Deutschen Bundes erließen zunächst einzelne Bundesstaaten, darunter vornehmlich Hannover,

besondere Prozeßgesetze.

Aber allmählich wurde das nationale Verlangen so lebhaft,

daß in den Jahren 1861—1866 der Bundestag durch eine nach Hannover beruftne Kommission den Entwurf zu einer ZPO. ausstellen ließ (Hannoverscher Entw., 1866), während gleichzeitig durch die Preußische Regierung die Ausarbeitung einer, mittelbar auch für das ganze Deutschland berechneten Prozeßordnung veranlaßt wurde

(Preußischer Entw., 1864).

Der aus den großen Umwälzungen der Jahre 1866 und 1870 hervorgegangene nationale Staat sah sogleich in seiner Verfassung (Art. 4 Nr. 13) die Herstellung eines gemeinsamen gerichtlichen Verfahrens vor, und nahm diese Ausgabe alsbald in die Hand (1867).

Auf Betrieb des Norddeutschen Bundes wurde in den Jahren

1867—1870 der Entwurf einer Norddeutschen ZPO. aufgestellt (Norddeutscher Entw., 1870).

Auf Ersuchen des Reichskanzlers ließ im Jahre 1871 das Preußische

Justizministerium eine Deutsche ZPO., zum Teil auf der Grundlage des Norddeutschen Entwurfs, ausarbeiten (Entw. I nebst Begründung, 1871).

Diese beiden Entwürfe

erfuhren eine Umarbeitung zunächst durch eine vom Bundesrat eingesetzte Kommission

(Entw. II, 1872), und weiterhin durch den Bundesrat selbst (Entw. III, 1874).

Den so erzielten Entwurf nebst einer Begründung legte der Bundesrat im Herbst 1874 dem Reichstage vor,

zugleich mit den Entwürfen eines GBG. und einer StPO.

Im Reichstage wurden diese Vorlagen einer zweimaligen Lesung seitens der dazu Reincke, ZPO. 6. Ausl.

1

Einleitung.

2

besonders eingesetzten Kommission (Reichs-Justiz-Kommission) unterzogen und, nachdem

inzwischen noch der Entwurf einer Konk.O. hinzugetreten war, im Dezember 1876 in einer auf Kompromiß der Bundesregierungen und des Reichstages beruhenden Gestalt endgültig angenommen.

Die danach zum Gesetz gewordene ZPO. erhielt das

Datum des 30. Januar 1877 (RGBl. S. 83).

Die übrigen Reichsjustizgesetze bildeten

das GVG. vom 27. Januar 1877 (RGBl. S. 41), die StPO, vom 1. Februar

1877 (RGBl. S. 253) und die Konk.O. vom 10. Februar 1877 (RGBl. S. 351). Zur Ausführung der Reichsjustizgesetze wurde von Reichs wegen noch eine größere Reihe von Gesetzen erlassen, von denen hier besonders die RAnw.O. vom 1. Juli

1878 (RGBl. S. 177), das Gesetz über den Sitz des Reichsgerichts vom 11. April

1877 (RGBl. S. 415) und die zu § 2 des EG. zur ZPO. angeführten Kostengesetze zu erwähnen sind. Um dieser Gesetzgebung die praktische Zusammengehörigkeit zu sichern, wurde sie insgesamt zu demselben Zeitpunkte, dem 1. Oktober 1879, in Kraft gesetzt (§ 1 EG.

zum GVG.). Novelle von

b) In dem Zeitraume von 1879—1897 erfuhren die RJGesetze nicht erhebliche Änderungen. Von den darin ergangenen Gesetzen kommen in Betracht: für die ZPO.

selbst die Gesetze vom 30. April 1886 (zu dem alten § 809) und 29. März 1897 (wegen Änderung des Lohnbeschlagnahmegesetzes vom 21. Juni 1869 und des alten § 749 Nr. 1), für das GVG. die Gesetze vom 17. März 1886 (zu § 137) und 5. April 1888 (zu §§ 173—176, 195) für das GKG. und die Geb.O. f. Gerichts­ vollzieher das Gesetz vom 29. Juni 1881, für die Geb.O. f. Zeugen und Sachver­

ständige (§ 14) das Gesetz vom 11. Juni 1890. Anders

wurde

die Rechtslage

mit der Erlassung des Deutschen BGB. vom

18. August 1896. Dieses Gesetzbuch sollte nach Art. 1 des EG. dazu am 1. Januar 1900 gleichzeitig mit einem Gesetze betreffend Änderungen des GVG., der ZPO. und

der KO., sowie mit einem Gesetz über Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung in Kraft treten.

In Erledigung dieser Absicht wurde zunächst unterm 24. März 1897

ein Gesetz über

die Zwangsversteigerung

und Zwangsverwaltung

erlassen (RGBl.

S. 97), und damit die von der ZPO. (§§ 755 ff.) offen gelassene einheitliche Regelung der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen angebahnt.

Sodann wurden

im Winter von 1897/98 dem Reichstage mehrere Gesetzentwürfe nebst Einführungs­ gesetzen zur Änderung des GVG., der StPO., der ZPO. und der KO. vorgelegt.

Was insbesondere die Novelle zur ZPO. anlangt, so waren, wie die beigegebene Begründung erläuterte, Änderungen des zivilprozessualen Verfahrens unter 251 Nummern in zwiefacher Art vorgeschlagen:

einerseits

nämlich

solche,

die

vermöge

des Zu­

sammenhanges mit dem neuen bürgerlichen Rechte für geboten, andrerseits solche, die

nach den Erfahrungen der Rechtsprechung für dringlich erachtet wurden, sofern es sich um Vereinfachung, Beschleunigung, Verbilligung und Minderung der Prozesse, wie um erhöhten Schutz der Personen in rechtlicher und wirtschaftlicher Beziehung handelte.

Alle diese Entwürfe erfuhren in der vorberatenden Kommission und im

Plenum des Reichstages keine wesentliche Umgestaltung.

So wurden sie, nach erfolgter

Zustimmung des Bundesrats, insgesamt unterm 17. Mai 1898 als Reichsgesetze ver­

kündet (RGBl. S. 252, 256, 332, 230).

Zu gleicher Zeit erhielt durch besonderes

Gesetz vom 17. Mai 1898 (RGBl. S. 342) der Reichskanzler die Ermächtigung, das GBG., die ZPO., die KO., das Anfechtungsgesetz, die vier Kostengesetze, das Gesetz

über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung und das Gesetz über die frei­

willige Gerichtsbarkeit in der künftig maßgebenden Fassung und unter neuer Bezifferung

der §§ der ZPO. und der KO. im Reichsgesetzblatt bekannt zu machen.

Diese Be­

kanntmachung ist unterm 20. Mai 1898 ergangen (RGBl. S. 369 ff.). c) Im Jahre 1904 wurde dem Reichstage im Interesse der Entlastung des Reichs­ gerichts ein Gesetzentwurf vorgelegt, welcher wiederum eine Reihe von Änderungen

der ZPO. vorschlug (vgl. Drucks. I Seff. 1903/04 Nr. 415).

Novelle von 1905.

Der Entwurf wurde vom

Reichstage nach kommissionsweiser Vorberatung (vgl. Komm.Ber. in den Drucks. I Seff. 1903/05), nicht ohne erhebliche Änderungen, angenommen. Die dann vom Bundesrat genehmigte Vorlage ist als Gesetz betr. Änderungen der ZPO. v. 5. Juni 1905 in der am 9. desselben Monats zu Berlin ausgegebenen Nr. 24 des RGBl. 1905 S. 536

verkündigt worden. Die Novelle enthält in Art. I Änderungen bezüglich der Revision (§§ 546, 547,

549, 552, 553—556, 559, 561, 566), bezüglich der Beschwerde (§§ 567, 568, 569, 574,

577) und bezüglich der Zwangsvollstreckung (§ 708). d) Weitere erhebliche Änderungen bewirkte das G. betreffend Änderungen des Ge-

richtsverfaffungsgesetzes, der Zivilprozeßordnung, des Gerichtskostengesetzes und der Gebührenordnung für Rechtsanwälte v. l.Juni 1909 (RGBl. S. 475), mit Gesetzeskraft v. 1. April 1910, dessen den Zivilprozeß betreffender Inhalt, an welchem die Kommis­

sionsbeschlüsse wesentlichen Anteil haben, hier nur angedeutet werden kann. Im Interesse der Entlastung der Land- und Oberlandesgerichte erhöht dieses Gesetz die Zuständigkeit der Amtsgerichte bis auf den Wert von 600 Mark (§ 23 Nr. 1).

Seine zivilprozessualischen Bestimmungen erstrecken sich

auf

das Kosten-

Festsetzungsverfahren (§§ 104, 105), die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Parteien (§§ 141 Abs. 2, 218, 296 Abs. 2), die abgekürzte Form von Versäumnisund Anerkenntnisurteilen und deren Ausfertigungen (§§ 297 Abs. 2, 313 Abs. 3,

697 Abs. 3, 317 Abs. 3), auf die Beeidigung der Zeugen (§§ 392, 393 Nr. 4) und der Sachverständigen (§ 410) und die Weise der Eivesabnahme (§ 481), die Ein­

legung der Rechtsmittel (§§ 340, 340», 518, 520) und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 236, 238). Das amtsgerichtliche Verfahren ist vielfach umgestaltet worden, wesentlich im

Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung.

Die Zustellungen erfolgen hier der

Regel nach von Amts wegen (§§ 496, 508 Abs. 1), und Termine werden von Amts

wegen anberaumt (§ 497).

Die Beweiserhebung kann zur mündlichen Verhandlung

vorbereitet (§ 501; vgl. § 509), Augenschein und Begutachtung durch einen Sach­ verständigen sogar schon vor dieser vorgenommen werden (§ 501 Abs. 1 Nr. 6).

Das Verfahren des § 506 (Verweisung durch Beschluß vor das zuständige Gericht) ist durch die neue Fassung des § 505 auf den Fall der örtlichen Unzuständigkeit des

Gerichts ausgedehnt worden (vgl. § 508 Abs. 3).

Die Einspruchsfrist gegen Ber-

säumnisurteile ist auf eine Woche abgekürzt (§ 508 Abs. 2).

Zu erwähnen ist noch

die abgekürzte Form der Ausfertigung der Urteile (§ 496 Abs. 6), die Wahrung von Fristen durch Einreichung der Klageschrift (§ 496 Abs. 4), die auf Antrag auszu1*

Novelle von 1909.

Einleitung.

4

sprechende Verurteilung zur Entschädigung, falls der Beklagte dem auf Vornahme einer Handlung lautenden Urteil nicht binnen bestimmter Frist entspricht (§ 510 b).

denselben Gesichtspunkten, welche

Nach

„das Verfahren vor den Amtsgerichten" beeinflußt

haben, ist auch das Mahnverfahren gestaltet worden (§§ 693, 699, 689 Abs. 2, 696, 697, 700).

Die Eintragung einer Sicherungshypothek ist jetzt auch auf Grund eines Voll­

streckungsbefehls zugelassen (§ 866 Abs. 3). Im Zwangsvollstreckungsverfahren weisen weiter die Bestimmungen über die voll­

streckbare Ausfertigung gerichtlicher Urkunden (§ 797), über den Antrag auf Leistung des Offenbarungseides (§ 915) und über das Offenbarungseidsregister (§ 915) Änderungen auf, abgesehen von neuen redaktionellen Fassungen, welche mit den vor­

erwähnten Bestimmungen Zusammenhängen (§§ 706, 788, 794 Nr. 2 a, 795, 795 a, 796, 798, 888 a).

Im Arrestverfahren ist die Form des Widerspruchs neu bestimmt (§ 924) und die Vollziehungsfrist für den Arrest auf einen Monat erweitert (§ 929). .Zur II. Der Aufbau des Gesetzbuchs beruht auf einer Mischung von syste®er s$D8 matischen und praktischen Gesichtspunkten.

Das Buch I stellt die allgemeinen Grundlagen des Zivilprozesses auf, und zwar in Abschn. 1, 2 die subjektiven (Gerichte und Parteien), in Abschn. 3 die objektiven

(Grundlinien des Verfahrens). — In Buch II wird das Regelverfahren in Gestalt des Landgerichts-Prozesses erster Instanz normiert (Abschn. 1) und dessen modifizierte Übertragung auf den Amtsgerichts-Prozeß angeschlossen (Abschn. 2). Buch III be­

handelt das Verfahren in den Rechtsmittelinstanzen (Berufung, Revision, Beschwerde, Abschn. 1—3).

Damit ist der regelmäßig denkbare Verlauf des Prozesses bis zur

rechtskräftigen Entscheidung geordnet. — In den Büchern IV—VII folgen gewisse Sonderverfahren, die teils auf Durchbrechung des Grundsatzes der Rechtskraft (Buch IV),

teils auf der Sonderart der Streitsachen (Bücher V—VII) beruhen. — In Buch VIII wird das Verfahren behufs zwangsweiser Realisierung

von Ansprüchen

aus Ent­

scheidungen und anderweiten Rechtsurkunden (Zwangsvollstreckung) geregelt. — In den

Büchern IX und X ist schließlich das Aufgebots- und das schiedsrichterliche Verfahren

angereiht. Zur AusIII. Für die Auslegung des Gesetzbuchs ist besonders auf folgende Gek88$fleler sichtspunkte hinzuweisen.

dige?Ee"etz.

1- Die ZPO. kennzeichnet sich formell als ein für das ganze Deutsche Reich geltendes und die früheren partikularen Prozeßgesetze beseitigendes Gesetz (EG. §§ 1,

13), materiell als ein durchaus eigenartiges Gesetz.

Letzteres tritt nicht nur in der

ihr und den übrigen Reichsjustizgesetzen gemeinsamen Basis der Gerichtsverfassung, sondern auch darin hervor, daß sie keines der bisherigen Prozeßsysteme adoptiert hat,

sondern in freier Anlehnung an das eine und andere derselben errichtet ist (vgl. Be­

gründung zum Entw. III S. 19, 31).

Daraus ergibt sich, daß sie grundsätzlich aus

sich selbst heraus zu deuten ist und dabei den bisherigen Prozeßordnungen nur noch der Wert wissenschaftlicher Hilfsmittel bleibt. Sprachweise.

2. Die Sprachweise der ZPO. stellt sich im ganzen als eine systematische dar (vgl. RG. 6 S. 433, 9 S. 326), was sich namentlich an gewissen durch-

Einleitung.

gehenden Wortfassungen zeigt.

5

So ist der wichtige Unterschied zwischen zwingen­

den und nicht zwingenden Vorschriften durch die Ausdrücke „muß" und „soll" kenntlich

gemacht (vgl. Begründung S. 22, RG. 5 S. 366, Wach I § 23 zu V, Heilbut im

ziv. Arch. 69 S

331).

Sonstige Beispiele ergeben RG. 3 S. 370 (über „Ent­

scheidung"), 4 S. 406 (über „Gericht der Hauptsache"), 5 S. 419 (über „Geltungs­ bereich"), 6 S. 389 (über „darf"), 10 S. 386 (über „Verhandeln"), sowie Wach I

§ 23 zu VII und Leonhard 1880 (über „Fiktionen"). 3

Als hochbedeutsame Auslegungsquelle der ZPO. müssen die MaterialienMatert-n-n.

der Reichsjustizgesetze, herausgegeben auf Veranlassung des Reichsjustizamts von

C. Hahn (Berlin 1878), gelten.

In Ansehung der ZPO. (Bd. II dort) kommen

neben den früheren gesetzlichen Vorarbeiten besonders die dem Entwürfe III zur ZPO. und dem Entwürfe zum GVG beigegebene Begründung und die Protokolle der Reichs-Justiz-Kommission in Betracht. Die Begründung (abgekürzt Begr.)

ist allerdings gemäß Erklärung der Bundesregierungen im Reichstage (Sten.Ber. 1874/75 S. 275) und in der Reichs-Justiz-Kommission (Prot. S. 138) nicht vom Bundesrat beschlosten, so daß sie nicht offizielle Natur hat; immerhin ist sie von

Männern, die den Vorarbeiten sehr nahe gestanden haben, und im Sinne der vom Bundesrat gefaßten Beschlüsse ausgcarbeitet.

Die Protokolle der Reichs-Justiz-Kom-

mission erhalten ihre Bedeutung durch die darin konstatierten Erklärungen der Bundes­ regierungen und der Kommissionsmitglieder, zumal die Kommission eine von ihren

Protokollführern bearbeitete Zusammenstellung von Beschlüssen ausdrücklich als authentisch

(d. h. ihrer Absicht entsprechend) anerkannt hat (vgl. Anlagen zum Prot. der 164. Sitzung vom 20. Okt. 1876). Von besonderem Gewicht sind die Fälle, wo die Materialien eine Willensübereinstimmung der gesetzgebenden Faktoren ergeben, der nicht etwa die Wortfassung des Gesetzes entgegensteht (vgl. RG. 1 S. 441.

2 S. 415,

4 S. 405, 408, 412, 6 S. 409, 432, 7 S. 384, 8 S. 100, 9 S. 325, 404, 10 S. 309, US. 434). — Selbstverständlich müssen auch für die Novellen die gesetz­ geberischen Vorarbeiten als wesentliches Auslegungsmittel gelten.

IV. Aus der Theorie und Praxis zur ZPO. ist folgendes hervorzuheben:Th«orie und An systematischen Bearbeitungen des Ziv.Proz.Rechts sind erschienen: $taEW’

Fitting, Lehrbuch des RZiv.Prozesses (12. und 13. A. 1907); Bolgiano, Hand­ buch des RZiv.Proz.Rechts (1879), Rintelen, systematische Darstellung des gesamten

neuen Proz.Rechts (1881 —1883, 3 Bde); Mandry, zivilrechtlicher Inhalt der

RGesetze (4. A. von Geib, 1898); Adolf Wach, Handbuch des D. Ziv.Proz.Rechts

(leider bis jetzt nur Bd. I, 1885) und Vorträge über die ZPO. (2. A., 1896); Fr. Hellmann, Lehrbuch des D. Ziv.Proz.Rechts (1886); I. W. Planck, Lehr­ buch

des D. Ziv.Proz.Rechts (2 Bde., 1887 —1896); R. Schmidt, Lehrbuch

des D. Ziv.Proz.Rechts (2. A., 1906); Bunsen, Lehrbuch des D. Ziv.Prozestes (1900); Engelmann, der D. Ziv.Prozeß (1901);

K. Hellwig, Lehrbuch des

D. Ziv Proz Rechts (Bd. I 1903, Bd. II 1907); L. Loewenwald, Lehrbuch der

ZPO. (1903); I. Weismann, Lehrbuch des D. Ziv.Proz.Rechts (2 Bde. 1903, 1905); E. Heilfron und G. Pick, Lehrbuch des Ziv.Proz.Rechts, Berlin 1904,

1905; Kohler, Grundriß des ZP. mit Einschluß des KR. (1907); Dettmann,

das Ziv.Proz.Recht (1902); Kisch, D. Ziv.Proz.Recht, 1908 (Sammlung Göschen);

6

Einleitung.

RohS, System des D. Ziv.Prozesses (1907); Kleinfeller, Lehrbuch des D. Ziv.-

Proz.Rechts (1905); Willenbücher, d. Zivilprozeß- und

Zwangsvollstreckungs­

verfahren (3. Aust, von Nöldeke 1909).

An Kommentaren zur ZPO. sind veröffentlicht, und zwar nicht über den 1. Januar 1900 fortgeführt, solche von v. Bülow (2. A), Endemann, Hart­ mann, Hellmann, Kleiner, Puchelt, v. Sarwey, Siebenhaar, Übel und v. Wilmowski-Levy (7. A), über den 1. Januar 1900 fortgeführt solche von Förster-Engelmann (2. A.), Gaupp-Stein (8./9. A.), Neukamp (1899),

Neumiller (1903), Peters-Elsner v. Gronow (4. A, 1907),

Petersen

(Remels und Anger, 5. A.), Struckmann-Koch (Rasch und Koll, 8. A.),

Lothar Seuffert (10. A), Sydow-Busch (11. A.), Skvnietzki-Gelpcke (bis­

her drei Hefte), Warn eher (2. A., 1909). Hierzu tritt eine Fülle von Abhandlungen aus allen Gebieten des Ziv.Proz.-

Rechts, die teils in den juristischen Zeitschriften, teils besonders erschienen sind. Zusammenstellungen über die Literatur zur ZPO. finden sich: bis 1881 bzw. 1884 von Birkmeyer in Meckl.Zeitschr. 1 S. 176 bzw. bei Gruchot 28 S. 179,

bis 1886 von Fischer im ziv. Arch. 70 S. 321 und von Seligsohn bei Busch 8 S. 383, 10 S. 532, bis 1901 einschließlich von Kleinfeller bei Busch Bd. 15 bis 19, 21—24, 26, 27, 29, 30 am Schluffe der Bände. Einen Überblick über die Änderungen der ZPO. durch die Novelle von 1898

haben gegeben Loth. Seuffert in D. Jur.Z. 1899 Nr. 1—3 und W. Schmidt-

Bardeleben im „Recht" 1899 Nr. 10, 11. Regelmäßige Jahresberichte erscheinen seit 1888 bei Busch. Eine Übersicht über den gesamten Stand der Literatur und Rechtsprechung bringt Neumanns Jahrbuch. Naturgemäß hat auch die Rechtsprechung der deutschen Gerichte, insbesondere die des Reichsgerichts reiche Beiträge zur Erläuterung und Fortentwicklung des Ziv.ProzRechts geliefert. Hierfür ist aus die Entscheidungen des Reichsgerichts in Ziv.Sachen und auf die juristischen Zeitschriften zu verweisen.

Zivilproretzordnung. (Nach der Texlbekanntmachung vom 20. Mai 1898. RGBl. 410, unter Berücksichtigung der Gesetze vetr. Änderungen des Gerichl'sverfassungsgesetzcs und der Zivilprozeßordnung vom 5 Juni 1905, RGBl. 536, und vom 1. Juni 1909, RGBl. 475).

Erstes Buch.

Allgemeine Bestimmungen. Erster Abschnitt.

Gerichte. Erster Titel.

Sachliche Anständigkeit der Gerichte. *) Die durch die Novelle vom 1. Juni 1909 bewirkten Änderungen und Zusätze sind durch lateinischen Druck hervorgehobcn.

I. Luch. Allgemeine Lestimmunge«. I. Die Vorschriften dieses Buches erweisen sich als allgemeine, insofern sie sotiwte. die wesentlichsten Elemente des Zivilprozesses betreffen, nämlich die zuständigen Staats­ gerichte (Abschn. 1), die Prozeßparteien (Abfchn. 2) und die Grundzüge des Ver­ fahrens (Abschn. 3). II. Den Gegenstand des Zivilprozesses bildet gemäß § 13 GBG. die Gerichtsbarkeit in bürgerl. Rechtsstreitigkeiten vor den ordentlichen Staatsgerichten. Diese Gerichtsbarkeit wird nach der ZPO. grundsätzlich durch die Klage angerufen (§ 253), zu dem Zwecke, den staatlichen Schutz mit Bezug auf Rechtsinteressen des Klägers zu erlangen. Diese Rechtsinteressen bezeichnet die ZPO. (§§ 145, 253 Nr. 2) als Ansprüche. Da es sich hier um Streitigkeiten über bürgerliche Rechte handelt, müssen die Ansprüche int letzten Grunde allemal mit dem materiellen Rechte zusammenhängen. Das BGB. stellt denn auch in § 194 den Anspruch als das Recht hin, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen zu verlangen. Die ZPO. ihrerseits stuft solche Ansprüche in doppelter Art ab: einmal, insofern das Rechtsschutzintereffe des Klägers direkt auf ein Tun oder Unterlassen gemäß § 194 BGB. geht (Leistungs­ klage, § 253), sodann, insofern das Rechtsschutzinteresse des Klägers zunächst nur auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses geht (Feststellungsklage.tz 256). Allein damit erschöpft sich der Begriff des Anspruchs im Sinne der ZPO. wohl nicht. Mit der Erhebung der Klage wird der materiellrechtliche Anspruck dem staatlichen Rechts­ schutze nach Maßgabe eines im öffentlichen Interesse geordnetm Verfahrens übergeben. Er tritt damit in ein besonderes, öffentlichrechtliches Verhältnis, das

des Prozesses. Hierin besteht die wesentliche Bedeutung des Rechtsschutzanspruchs, so daß nicht etwa die Berechtigung des vom Kläger eingenommenen Standpunktes eine Voraussetzung des Rechtsschutzanspruchs bildet, von welcher Auffassung aus Kohler (Busch 33 S. 211) gegen die Berechtigung des Begriffes polemisiert. Wer die Vor­ aussetzungen gültiger Klageerhebung erfüllt, hat den auf dem öffentlichen Rechte be­ ruhenden Rechtsschutzanspruch. Daß der Rechtsschutz zunächst auch demjenigen gewährt wird, welcher tatsächlich kein Recht hat, ist unvermeidliche Folge davon, daß das Gericht außerstande ist, von vornherein Recht und Unrecht zu erkennen. — Durch diese Auffassung erübrigt sich die Anerkennung eines Rechtsschutzanspruchs des Beklagten (Grosse Busch 36 S. 113). — Das Prozeßverfahren gibt aber in seinen ver­ schiedenen Stadien selbst wieder Anlaß zu Klageansprüchen, also zu Ansprüchen, die, weil der Erledigung des Rechtsschutzverfahrens dienend, als prozeßrechtliche Klagen bezeichnet werden könnten, aber doch mittelbar der Durchsetzung des materiellrechtlichen Anspruchs dienstbar sind (vgl. Geib, Rechtsschutzbegehren und Anspruchsbetätigung, 09). Es ist m. E. ein Verdienst Wachs, hierauf hingewiesen zu haben (Lehrb. I S. 19 ff., Feststellungsanspruch S. 15), wenn auch seine Theorie im ganzen wie im einzelnen vielfach bestritten ist (vgl. die Literatur bei Langheineken, Urteilsanspruch [99] S. 12, Hellwig, Anspruch und Klagerecht S. 116 ff., 346 ff., Klagerccht und Klagemöglichkeit (05), O. Bülow, Klage und Urteil, Busch 31 S. 191, GauppStein, Vordem. II, III zu § 253, Degenkolb, Beiträge zum Zivilprozeß (05), S. 1 — 108. Dergleichen prozeßrcchtliche Ansprüche sind in der ZPO. besonders im Interesse der Beseitigung rechtskräftiger inländischer Urteile (Wiederaufnahme, §§ 578 ff.), der Anerkennung ausländischer Urteile (§ 328), der Beseitigung oder Aufrecht­ haltung der Bollstreckbarkeit von Schuldtiteln (§§ 767 ff), der Anfechtung der Ent­ mündigung (§§ 664 ff.), des AuSschlußurteils (§§ 957 ff.) oder des Schiedsspruchs (88 1041 ff.) vorgesehen.

!♦ Abschnitt. Gerichte. Bornote.

I. Als Gerichte kommen hier die ordentlichen Staatsgerichte im Sinne des § 13 GBG. in Betracht. Dieselben bilden teils Organe der Bundes­ staaten (Amts-, Land-, Oberlandesgerichte, Oberstes Landesgcricht), teils solche des Reiches (Reichsgericht), und sie sind in Stufen neben- oder übereinander, je mit besonderem Bezirke formiert. II. Diese Gestaltung hängt mit der.Frage der Zuständigkeit der ver­ schiedenen Gerichtsstufen und Gerichtssprengel zusammen. Denn in der Zuständigkeit liegt Befugnis wie Verpflichtung eines Gerichts, gewisse bürgerliche Rechts­ streitigkeiten zu erledigen. Es ist naturgemäß, daß das Vorhandensein der Zuständig­ keit eine der wesentlichsten Voraussetzungen des Zivilprozeffes bildet, was von der ZPO. auch durch deren Vorrang unter den prozeßhindernden Einreden (8 274 Nr. 1) anerkannt ist. HI. Die Zuständigkeit selbst ist nun in Abschn. 1 unter mehrfachen Gesichts­ punkten geregelt: a) In Tit. 1 und 2 nach gesetzlichen Voraussetzungen (gesetzlicheZ). Nach Tit. 1 ist dabei einerseits das Verhältnis der verschiedenen Gerichts stufen zu­ einander (Amts- und Landgerichte, Oberlandesgerichte, Reichsgericht und Oberstes Landesgericht), und hierfür die Beschaffenheit der Streitsachen maßgebend; deshalb heißt diese Zuständigkeit die sachliche (objektive). Nach Tit. 2 ist andrer­ seits das Verhältnis der gleichen Gerichts stufen, und hierfür die Lage der Ge­ richtsbezirke mit Bezug auf Parteien oder Streitgegenstände maßgebend; und deshalb heißt diese Zuständigkeit die örtliche (subjektive, Gerichtsstand). b) Der Tit. 3 läßt gegenüber der gesetzlichen Zuständigkeit dem Partei willen

Erster Titel.

Sachliche Zuständigkeit der Gerichte §J 1, 2.

9

§ 1. Die sachliche Zuständigkeit -er Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt. § 2. Insoweit nach dem Gesetze über die Gerichtsverfassung die Zuständig­ keit der Gerichte von dem Werte des Zreitgegenstandes abhängt, kommen die nachfolgenden Vorschriften zur Anwendung. eine gewisse Freiheit, erstere zu verschieben. Daher wird die so herbeigeführte Zuständigkeit die vereinbarte (Prorogation) genannt. c, In Tit. 4 ist bestimmt, aus welchen Gründen ein Richter, der für einen gewissen Rechtsstreit an sich zuständig ist, von der Ausübung der Gerichtsbarkeit gesetzlich ausgeschlossen ist oder von den Parteien abgelehnt werden darf.

I. Titel.

LachlicheZuständigkeit.

8 1

1. a) Die sachliche Z. der Gerichte ist im GVG. (Tit. 2, 3, 5, 7—9) gemeinsam Grundsatz, für die Zivil-, Konkurs- und Strafgerichtsbarkeit geregelt. Deshalb nimmt der vor­ liegende § 1 grundsätzlich auf das GBG. Bezug. b) Die dort gegebene Abgrenzung der Gerichtsbarkeit für die verschiedenen Gerichtsstufen beruht auf Gründen der öffentlichen Ordnung. Deshalb ist sie der Änderung durch Parteiverfügung (Parteiverzicht) grundsätzlich entzogen (§ 274 Abs. 3). Dies gilt ausnahmslos für die Rechtsmittelinstanzen (vgl. GVG. §§ 123, 135, ZPO. § 38). Nur für die erste Instanz ist dem Parteiwillen in ge­ wissem Maße Naum gelassen (Tit. 3, Prorogation). Wegen dieses zwingenden Charakters ist die sachliche Zuständigkeit anch zu den von Amts wegen zu berück­ sichtigenden Punkten genommen (§§ 11, 139 Abs. 2, 274 Abs. 3). 2 Neben dem GVG. trifft aber die ZPO. selbst zahlreiche Bestimmungen über die Zuständigkeit; so z. B. für die Landgerichte in §§ 606, 665, 679, 857, für die Amtsgerichte in §§ 486, 609, 645, 678, 689, 764, 919, 942. Auch außerhalb der ZPO. finden sich entsprechende Vorschriften u. a. in der KO. 88 71, 146, 164, 214, 238; im HGB. §§ 272, 309; im GenG. 88 51, 112—114, 129; im GmbHG. 88 61, 62, 75; im RStempG. v. 15. 7. 09 (RGBl. 833) 8 94; im BörsenG. v. 27. 5. 08 8 49 .(RGBl. 215); im G. v. 20. 5. 98 üb. Entschäd. unschuldig Verurteilter 8 5 (RGBl. 346); im G. betr. die Entschäd. für unschuldig erlittene Untersuchungshaft v. 14. 7. 04 8 6 (RGBl. 321); im G. üb. die Pensionierung der Offiziere usw. v. 31. 5. 06 8 39 Abs. 2 (RGBl. 565); im G. üb. die Versorgung der Personen der Unterklassen des Reichsheeres v. 31. 5. 06 8 42 Abs. 2 (RGBl. 593); im G. üb. Sicherung der Bauforderungen v. 1. 6. 09 8 67 (RGBl. 449). 8

2.

F. Schmidt, Wert bfd Streitgegenstandes (1884), Rittmann ebenso (1891).

1. Es handelt sich hier um die Abgrenzung der sachl. Zuständigkeit zwischen Amts- und Landgerichten. Die Abgrenzung ist im GBG. (§§ 23, 70, vgl. dazu § 39 des PrAGzGBG.) für vermögensrechtliche Streitigkeiten gnmdsätzlich von dem Werte des Streitgegenstandes abhängig gemacht. Soweit dieser Maßstab reicht, sind nun für die Ermittlung des Streitwerts besondere Vorschriften in den §§ 3—9 gegeben, Vorschriften, die die Wertsermittlung regel­ gemäß in das freie Ermessen des Richters legen (§ 3) und dieses nur ausnahmsweise an bestimmte Regeln binden (§§ 4—9).

Maßstab des Streitwerts.

Der Maßstab des § 2 gilt nicht nur für die 1. Instanz; er ist auch auf eine Reihe anderer Fälle für anwendbar erklärt, so auf die Ermittlung des Beschwerde­ werts in der Revisionsinstanz nach § 546 ZPO., des Gegenstandes der Verurteilung bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 709 Nr. 4 ZPO-, der Kostenlast des FiskuS nach § 97 Abs. 3 ZPO., der Gerichts- und Anwaltsgebühren nach GKG. § 9 und nach RAGebO. § 10. rennö-rns2. In Note 1 erheischen folgende Punkte noch nähere Betrachtung. Anbrüche. a) Der Begriff der vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Dieser Be­ griff kehrt in der ZPO. mehrfach wieder, so in §§ 20, 23, 40, 253 Abs 3, 546, 709 Abs. 4, EG. dazu § 5. Er bestimmt sich materiell aus dem bürgerlichen Rechte, prozeffual aus dem im Klageantrage (vgl. zu b) zur Schutzgewährung gestellten Rechte des Klägers. Soweit danach unmittelbar ein Vermögenswert in Klage steht, liegt allemal eine vermögensrechtl. Streitigkeit vor. Bei dinglichen und Forderungs­ rechten trifft dies naturgemäß stets zu. Anders bei Klagen, welche Rechte an der eigenen Person des Klägers oder an einer anderen Person betreffen, wie Status-, Ehe- und Kindesrechte. Hier kommt es eben darauf an, ob die Rechte nach dem konkreten Klageantrage ohne unmittelbare Beziehung zum Vermögensrecht oder zugleich mit dieser Beziehung geklagt sind. Danach stellen sich naturgemäß als nicht vermögensrechtlich z. B. die Klagen im Sinne der §§ 606, 638, 639, 640, 664 ff. und des § 12 BGB. (nicht die aus § 37 Abs. 2 HGB.) dar. Enthält der Klageantrag zugleich einen vermögensrechtlichen Anspruch, so ist bei jedem Anspruch die sachl. Zu­ ständigkeit gesondert zu prüfen, es sei denn, daß nach freiem Ermessen des Gerichts der nicht vermögensrechtliche Anspruch wesentlich nur eine präjudizielle Unterlage für den vermögensrechtlichen bildet, wie z. B. bei Klagen aus ehelicher oder außerehelicher Vaterschaft vorkommen kann (vgl. Prot. 507, RG. IW. 91 S. 335). Streit. b) Für den Begriff des Streitgegenstandes ergibt sich aus Note a (vgl. gejenftan». GAG. §§ 23, 70, ZPO. §§ 4, 5, 20, 145—147, 253, 256, 263), daß darunter das im Klageantrage als schutzbedürftig bezeichnete Recht des Klägers zu verstehen ist. Soweit es sich dabei um Bestandteile und Mehrheiten von Klageansprüchen handelt, treffen die §§ 4, 5 Bestimmung. Der Rechtsschutz kann nach dem naturgemäß dem System der ZPO. zugrunde liegenden materiellen Rechte auf Feststellung eines Rechtsverhältnisses oder auf Verurteilung zu einer Leistung gehen. Im ersteren Falle kann es sich um Feststellung mannigfacher Art handeln; so um Fest­ stellung von Rechtsverhältnissen schlechthin, d. h. ohne Rücksicht darauf, ob aus ihnen Leistungsansprüche erwachsen sind, ober, sofern solche erwachsen sind, um deren Fest­ stellung in allen denkbaren Rechtsbeziehungen, wie namentlich Vorbereitung (Rechnungs­ legung), Bestand, Modalitäten der Erfüllung (nach Zeit, Ort und Gegenleistung), Er­ mittlung von Teilungsfaktoren. Auch die Leistungsansprüche können inhaltlich sehr verschieden sein, wie die Vorschriften des 8. Buches über deren zwangsweise Realisierung erkennen laffen. Wegen Berücksichtigung des beklagtischen Jntereffes vgl. Note 1 zu § 3. Ani-» und c) Bei vermögensrechtl. Ansprüchen ergibt sich Anlaß und Form der laufest1. Wertsfestsetzung aus folgendem:

l-tzung.

Der Streitwert ist in der Klage, falls er nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht, anzugeben (§ 253 Abs. 3). Seine Festsetzung liegt dem Prozeßgericht grundsätzlich ob, sofern von diesem die Entscheidung über die sachl. Zuständigkeit abhäugt. Das Verfahren hierbei gestaltet sich aber verschieden. Im kontradik­ torischen Verfahren beschränkt sich die Verpflichtung des Gerichts zur Wertsfest­ setzung naturgemäß auf den Fall, daß der Beklagte den vom Kläger angegebenen Wert im Wege der prozeßhindernden Einrede aus § 274 Nr. 1 (vgl. dazu § 39) bestreitet. Im Versäumnisverfahren kommt es darauf an, welche Partei säumig ist. Ist es der Kläger (§ 330), so erübrigt sich ebenfalls die Wertsfestsetzung, falls der

§ 3. Der Wert des Streitgegenstandes wird von dem Gerichte nach freiem Ermesten festgesetzt; dasselbe Kann eine beantragte Deweisavfnahme sowie von Amtswegen die Einnahme des Augenscheine und die Legutachtung durch Sach­ verständige anordnen. Beklagte das Versäumisurteil beantragt, denn die Klage ist dann nach § 330 einfach abzuweisen (abgesehen von Fällen ausschließlicher Zuständigkeit §§ 39, 40). Ist der Beklagte säumig (§ 331), so hat das Gericht, falls der Kläger das Versäumnisurteil beantragt, den Streitwert im Sinne des § 2 festzusetzen; aber dabei gelten die klägerischen Angaben über den Streitwert mit als klagebegründende, und deshalb als zugestanden (§§ 331, 335 Nr. 3). Etwas Abweichendes hat auch wohl die Begr. 49 nicht sagen wollen. d) Eine Wertsfestsetzung gemäß Note c ist zugleich für die Berechnung der Gerichts- und Anwaltsgebühren maßgebend (GKG. §§ 15, 9a, RAGebO. §11). Wo es an einer solchen Festsetzung fehlt, kann sie im Kosteninteresse von Amts wegen oder auf Parteiantrag durch Beschluß herbeigeführt werden. Die Entscheidung steht dem jeweiligen Prozcßgericht zu; sie kann aber von diesem selbst oder von der höheren Instanz jederzeit von Amts wegen, wie auch auf Erinnerung oder Beschwerde der Beteiligten, welche dem Anwaltszwange nicht unterliegt und naturgemäß den Beteiligten selbst nur zwecks Herabsetzung, deren Sachverwaltern aber auch zwecks Erhöhung des Wertes znsteht, abgeändert werden, mit der Wirkung, daß die schließliche Entscheidung für die Berechnung aller Gebühren im Prozesse maßgebend wird (vgl. GKG. §§ 4, 16, RAGebO. § 12, ZPO. §§ 567, 568, RG. 14 S. 352, 22 S. 426, 31 S. 393, IW. u. a. 94 S. 514, 98 S. 279).

§3. Bei Anwendung des § 3 kommen prozessuale und materielle Gesichtspunkte in Betracht, ^-ie^ 1. Nach der Note zu § 2 bildet den Gegenstand der Wertsfestsetzung der im cbjett »ti Klageantrage verfolgte Anspruch (§ 4). Daraus ergibt sich, daß es dabei nur Grme"enS' auf das so abgegrenzte Interesse des Klägers (vgl. RG. IW. 01 S. 395) ankommt, dagegen das Interesse und Verhalten des Beklagten außer Berücksichtigung bleibt. Dies macht sich nach zwei Seiten geltend. Auf feiten des Klägers ist es unerheblich, ob sein mittelbares Interesse höher oder niedriger ist (vgl. RG. 3 S. 393, 5 S. 410, 12 S. 155, IW. 00 S. 520), ob er bei Klagen aus zweiseitigen Verträgen oder Schadensforderungen gewissen quantitativen oder qualitativen Einschränkungen ausgesetzt ist (vgl. RG. 3 S. 393, 5 S. 410, 7 S. 395, 20 S. 200, 24 S. 427). Die Mög­ lichkeit, die beschränkte Erbenhastung geltend zu machen, kommt für den Wert nicht in Betracht; sie wird erst bei der Zwangsvollstreckung wirksam (RG. 54 S. 411). Im Falle der Erhebung noch eines eventuellen Anspruches entscheidet der höhere Wert (RG. 58 S. 423). Auf feiten des Beklagten ist dessen Verteidigung belanglos, nament­ lich, ob er den Klageanspruch schon vor der Klageerhebung anerkannt oder nach der­ selben ganz oder teilweise bestritten oder einen Gegenanspruch zur Aufrechnung gestellt hat (vgl. die obige Rechtsprechung des RG. sowie Gruchot 30 S. 1105, Eccius ebenda 30 S. 467). — Die erstinstanzliche Wertsfestsetzung unterliegt der Remedur der Be­ rufungsinstanz. Die endgültige Festsetzung bleibt im Punkte der sachl. Zuständigkeit für die Dauer des Prozesses maßgebend, also unberührt durch etwaige Minderung des Wertes oder des Streitgegenstandes, abgesehen von den Maßgaben der §§ 263, 507.

2. Prozessualisch ist das' freie Ermessen als Ausfluß der freien Beweis- Ders-h«». Würdigung gemäß § 287 gedacht (vgl. Begr. 49). Als Unterlage hierfür dient zunächst das Beweisvorbringen des Klägers. Reicht dieses an sich oder nach seinem Ergebnis nicht aus, so ist das Gericht laut besonderer Anwendung des ß 144 in

1. Buch.

12

§ 4.

Allgemeine Bestimmungen.

1. Abschn. Gerichte § 4.

Für die Wertsberechnung ist der Zeitpunkt der Erhebung der Llage

§ 3 ermächtigt, von Amts wegen eine Augenscheinseinnahme oder eine sachverständige Begutachtung anzuordnen. Das Beweisverfahren ist das regelrechte (Buch 2 Abschn. 1 Tit. 5—12). Bloße Glaubhaftmachung, wie im Falle der Revision (§ 546) genügt hier nicht. Die Feststellung selbst braucht nur dahin zu ergehen, daß ein Streitwert über oder bis 600 Mk. (GVG. § 23) vorlicge. — Nach § 286 und nach der Natur des Vermögensrechts läßt sich eine Unmöglichkeit der Wertsfestsetzung (wie nach PrALR. I, 2 § 110) nicht anerkennen; und dem steht der lediglich dem Kosteninteresie dienende § 10 des GKG. nicht entgegen (vgl. RG. 10 S. 321). WertSbe^riff.

3. Materiell ist ein W e r t s m a ß st a b von der ZPO. nicht vorgesehen. Natur­ gemäß kommt es auf den in der Klage verfolgten Wert im bürgerlichrechtlichen Sinne an. Abweichend vom PrALR. (I, 2 § 111) und vom sächs. BGB. (§ 78), stellt das Deutsche BGB. keinen allgemeinen Wertmaßstab mit Abstufungen zwischen ordentlichem, außerordentlichem und Affektionswcrt auf, will somit den Wert in jedem Falle konkret geschätzt wissen. Immerhin wird dabei in der Regel aus den s. g. Berkehrswert zurückzugehen und nur ausnahmslveise ein besonderer Wert maßgebend sein (vgl. Begr. 49, BGB. U 237, 501, 738, RG. 30 S. 374). Es ist erklärlich, daß dieser Punkt der Rechtsprechung, namentlich im Ver­ hältnis zwischen Leistungs- und Feststcllungsklagen, wie zwischen Prinzip, Vorbereitung und Realisierung von Ansprüchen, einen reichen Stoff geliefert hat. Ans der höchst­ richterlichen Praxis mögen folgende Rechtsfälle hervorgehobcn werden: a) im Bereiche der Leistungs klagen: über Ansprüche auf Leistung gegen Gegen­ leistung RG. 12 S. 155, 45 S. 404, über Befreiung des Grundstückskäufers von der persönlichen Haftung für Lasten und Hypotheken Gruchot 34 S. 1136, IW. 95 S. 181, über Entgegennahme einer Auflassung Gruchot 34 S. 1138, über Rechnungs­ legung Gruchot 33 S. 1129, IW. 90 S. 409, 94 S. 542, über betagten Anspruch RG. 22 S. 411, über Fälligkeit einer Forderung IW. 85 S. 121, 86 S. 313, 87 S. 415, Bolze 7 Nr. 844, über Herausgabe von Urkunden (Anspruchswert oder Auf­ gebotskosten oder freier Wert) RG. 37 S. 415 (Policen), Gruchot 26 S. 1170, 29 S. 418, 30 S. 1105, 41 S. 1151, Seuffert 29 Nr. 63, 44 S. 218, Bolze 5 Nr. 954, 7 Nr. 319 und 346, 9 Nr. 298, 13 Nr. 345, RG. 46 S. 401, über Einwerfung von Nachlaßobjekten zur Teilung RG. 33 S. 427, 38 S. 421, über Anfechtung inner­ halb oder außerhalb des Konkurses RG. 7 S. 393, 34 S. 404, 47 S. 375; b) im Bereiche der Feststellungsklagen: über Festsetzung der Enteignungs­ entschädigung RG. 4 S. 386, über Feststellung des Erbrechts RG. 12 S. 161, über Schadensklagen im Prinzip Gruchot 29 S. 1047, über Auflösung einer Gesellschaft IW. 94 S. 170 (Einlage), über alternative Ansprüche IW. 97 S. 145, über mög­ liche Klagemodalitäten beim Kaufe IW. 97 S. 2, über Klagen auf Vorbereitung eines schiedsrichterlichen Verfahrens RG. 41 S. 362 (der Wert bei Feststellungsklagen ist grundsätzlich nach 8 3 zu schätzen sRG. 66 S. 424). Von der Feststellungsklage ist der häufige Fall zu unterscheiden, daß zur besieren Bezeichnung des Klageanspruchs in dem Antrag ein scheinbares Feststellungsbegehren ausgenommen wird); c) bei Arresten und einstweiligen Verfügungen RG. 7 S. 395, 24 S. 373, 34 S. 405 und IW. 97 S. 105, 131.

§ 4 Der 84 bindet das freie Ermessen des Gerichts bei der Wertsberechnung (8 3) in zweifacher Richtung, indem dafür einerseits der Zeitpunkt derKlageerhebung entscheidend sein, andrerseits Früchte, Nutzungen, Zinsen, Schäden und Kosten, sofern solche als Nebenforderungen geltend gemacht sind, außer Berücksichtigung bleiben sollen.

Erster Titel. Sachliche Zuständigkeit der Gerichte § 4.

13

entscheidend; Früchte, Nutzungen, Linsen, Schäden und Losten bleiben unberück­ sichtigt, wenn sie als Nebenforderungen geltend gemacht werden. Lei Ansprüchen aus Wechseln im Linne der Wechselordnung sind Zinsen, Losten und Provision, welche außer der Wechselsumme gefordert werden, als Nebenforderungen an;usehen. 1 . Naturgemäß ist der ZeitPunkt der Klageerhebung, wie für die Rechtshängigkeit (§ 263), so auch für die Wertsbercchnung, soweit es sich um die Zuständigleit zwischen Amts- und Landgericht handelt, als maßgebend hingestellt. Die Klageerhebung erfolgt systemgemäß durch Zustellung der Klageschrift an den Beklagten (§§ 253, 499) oder durch mündlichen Vortrag des Klageantrages im AmtsgerichtsProzesse (§§ 500, 510 c). Der § 4 hat die Wirkung, daß für die Zuständigkeit der aus zeitlicher Grundlage der Klageerhebung festgestellte Wert für die Dauer des Pro­ zesses maßgebend bleibt (§ 263 Nr. 2), daß somit Erweiterungen und Einschränkungen des Klageantrages nach der Klageerhebung (§ 268), das Verhalten des Beklagten gegenüber der Klage und die vom Gericht angeordnete Trennung oder Verbindung von Prozessen (§§ 146, 148, 301) ohne Einfluß bleiben (vgl. RG. 5 S. 355). Wegen Berechnung des Beschwerdewerts in den Rechtsmittelinstanzen vgl. die §§ 519, 546. 2 a) Die Vorschrift des § 4, daß bei der Wertsberechnung gewisse Nebenforderungen unberücksichtigt bleiben sollen, ist eine rein positive, dazu be« fcrbtrunatnstimmt, das Verfahren mit Rücksicht auf die oft schwierige und zeitraubende Berech­ nung von Nebenforderungen zu vereinfachen (vgl. Begr. 50, für den Kostenpunkt den abweichenden § 13 GVG.). Demzufolge darf der § 4 nicht auf andere zivilrechtlich mögliche Nebenforderungen ausgedehnt werden, läßt andrerseits aber auch einen Unter­ schied zwischen den verschiedenen Arten von Klageansprüchen, mögen diese auf Leistung (persönliche, dingliche), Feststellung (positive, negative), Erfüllung, Sicherung oder Bevor­ rechtung gehen, nicht zu (vql. RG. 4 S. 367, 7 S. 326, 10 S. 394, 18 S. 372, 26 S. 412, 29 S. 395, Gruchot 29 S. 1047, IW. 92 S. 158). b) Der Begriff der Früchte, Nutzungen, Zinsen, Schäden und Kosten bestimmt sich nach dem bürgerlichen Rechte. Bei Erlassung der ZPO. hat man in dem Verhältnis zwischen Früchten und Nutzungen die Vorschriften des PrALR. in I, 2 § 110, 7 § 195, 9 § 357 im Auge gehabt. Jetzt kommt naturgemäß das BGB. zur Anwendung. Nach diesem gelten als Früchte gemäß § 99: bei Sachen die organischen Erzeugnisse und die Ausbeute, welche die bestimmungsmäßige Nutzung der Sache mittels Abtrennung von Bestandteilen derselben gewinnen läßt; bei Rechten die bestimmungsmäßigen Erträge, insbesondere bei Rechten auf Gewinnung von Bodenbestandteilen die gewonnenen Be­ standteile; bei Sachen und Rechten die Erträge aus einem Rechtsverhältnis (juristische Früchte). — Nutzungen sind nach § 100 nicht nur die Früchte von Sachen und Rechten, sondern auch • die Vorteile aus deren Gebrauch. Letztere Erweiterung ent­ spricht den §§: I, 2 § 110, 7 § 195, 9 § 357 des PrALR. Die Zinsen fallen nach § 99 BGB. unter die juristischen Früchte (vgl. den § 803,1, 11 des PrALR.). Ihr Rechtsgrund, Rechtsgeschäft oder Gesetz, bleibt außer Betracht. Der Begriff des Schadens ist ein allgemeiner und umfaßt daher alle Arten desselben, vertragsmäßigen sKonventionalstrafej, gesetzlichen, wirklichen Schaden und entgangenen Gewinn. Unter den Kosten sind alle Kosten zu verstehen, die mit der Geltendmachung des Klageanspruchs verknüpft sind, mögen sie schon erwachsen sein oder noch erwachsen, gerichtliche (aus früherem oder jetzigem Rechtsstreit) oder außergerichtliche, z. B. durch Korrespondenz, Porto, Protestkosten usw. (vgl. RG. 1 S. 229, 13 S. 397,

§ 5. Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden xnsammengerechnet; eine Zusammenrechnung des Gegenstandes der Klage und der Wider­ klage findet nicht statt. 56 S. 257 [Sofien des Prozesses gegen den Schuldner, wenn ihr Betrag gegen den Bürgen miteingeklagt totri)], IW. 87 S. 111).

Mit Rücksicht auf entstandene Zweifel (vgl. RG. 29 S. 332, 32 S. 75, KGM. 97 S. 111) hat die Novelle v. 98 in Abs. 2 (vgl. Kommiss.Ber. des Reichst, in Drucks, v. 98 Nr. 240) eine Ausnahme von Abs. 1 bestimmt.

c) Die Voraussetzung, daß obige Ansprüche als Nebenforderungen geltend gemacht werden, entscheidet sich nach dem Inhalt der Klage und nach dem Berhältnisie der bezüglichen Forderungen zueinander Es müssen nämlich die Früchte usw. als ihrer Entstehung nach von einer mitgeklagten Hauptforderung ab­ hängig, d. h. begriffsnotwendig durch die Existenz der Hauptforderung bedingt (RG. 66 S. 310 [Vertragsstrafe)) gegen denselben Beklagten (vgl. Wach § 31 VIII ’) gefordert sein, gleichviel, ob ihr Entstehungsgrund mit der Hauptforderung zusammenfällt, und ob sie auch unabhängig von dieser hätten geklagt werden dürfen (vgl. Planck 810-). Dabei ist natur­ gemäß jede Nebensorderung für sich zu beurteilen (vgl. RG. 9 S. 415, 42 S. 388, IW. 94 S. 504, Gruchot 38 S. 1193). Die Voraussetzung wird danach nicht vorliegen, wo eine an sich aus Kapital, Zinsen, Kosten usw. hervorgegangene Forderung als solche nicht mehr den unmittelbaren Klagegegenstand, sondern nur noch die Berechnungsgrund­ lage sür einen nunmehr einheitlich verfolgten Anspruch bildet, wie dies z. B. bei Regreßklagen, bei Ausübung des jus offerendi, bei Anfechtungsklagen ober bei Zer­ schlagung von Zinsen zum Kapitale der Fall ist. Aus der Rechtsprechung vgl. RG. 8 S. 365, 10 S. 345 u. 394 (Fall des § 771 ZPO.; Bolze 9 Nr. 632, 11 Nr. 643, IW. 93 S. 382), 28 S. 429 (Fall des § 767 ZPO-, GKG. § 13 Abs. 2), 12 S. 259, 29 S. 334, 32 S. 75 u. 377, 33 S. 408, IW. 87 S. 311, 92 S. 125, 460, 94 S. 7, Gruchot 41 S. 704. Abweichend von der eben gegebenen Begriffs­ bestimmung der Nebensorderung werden vom RG. dazu gerechnet die Kosten des Entwehrungsprozeffes (RG. 55 S. 80) und die neben dem Wandlungsanspruche ge­ forderten Futterkosten (RG. 52 S. 166). Dagegen Wurzer Gruchot 53 S. 48 ff. Ob die Nebensorderung nur bedingt oder eventuell geklagt ist (vgl. RG. Gruchot 33 S. 125), oder wie das Wertsverhältnis zwischen Haupt- und Nebensorderung sich stellt, ist ohne Belang (vgl. Begr. der ZPO. 49). Auf mitgesorderte Rückstände des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen im Sinne des § 9 bezieht sich der § 4 nicht (vgl. RGPl. 19 S. 416).

§ 5. Zusammen.

Der § 5 gibt dem Gericht für die Wertsberechnung, soweit von dieser die Zu(§ 2), Vorschriften, welche die

Anwrua-en" ständigkeit zwischen Amts- und Landgericht abhängt n tu en. Zusaminenrechnung von Ansprüchen betreffen.

I»Klage.

1. Sind in der Klage mehrere Ansprüche geltend gemacht, so werden sie zu­ sammengerechnet. Dies betrifft die Fälle der subjektiven und objektiven Klagenhäufung, §§ 59, 60, 260, und setzt daher voraus, daß diese im gegebenen Rechtsstreit zulässig ist (vgl. Begr. 50, Prot. 4 u. S. 1, 9 des Sitz.Prot. v. 20. 10. 76) Ob die An­ sprüche auf demselben oder auf verschiedenen Rechtsgründen beruhen, ist belanglos. Danach erfolgt die Zusammenrechnung nicht, sofern das Gericht nach § 147 mehrere bei ihm anhängige Prozeffe verbindet, da ein solcher Beschluß erst nach der Klage­ erhebung zulässig ist; und dasselbe gilt von dem Falle einer nachträglichen Inzident­ feststellungsklage des Klägers (vgl § 506). Andrerseits folgt aus § 4, daß die An­ sprüche gleichwertig sein muffen, so daß es sich nicht handeln dars um Haupt- und

Erster Titel. Sachliche Zuständigkeit der Gerichte § 6.

15

§ 6. Der Wert des Streitgegenstandes wird bestimmt: durch den Wert einer Sache, wenn deren Desttz, und durch den Detrag einer Forderung, wenn deren Sicherstellung oder ein Pfandrecht Gegenstand des Streits ist. Hat der Gegenstand des Pfandrechts einen geringeren Wert, so ist dieser maßgebend. Nebenforderungen (vgl. RG. 19 S. 419, IW. 93 S. 535) oder um Ansprüche, die einander ausschließen, wie dies bei alternativen, bei Prinzipalen und eventuellen An­ sprüchen vorkommen kann. In solchen Fällen gelangt naturgemäß nur Ein Anspruch zum Ansatz, und zwar der höherwertige. Übrigens entfällt die Zusammenrechnung, sofern es an der Voraussetzung des § 2 fehlt, nämlich sofern es sich um mehrere An­ sprüche gemäß § 23 Nr. 2 GVG. handelt, mögen solche allein oder zugleich mit An­ sprüchen gemäß § 23 Nr. 1, die nicht 600 Mk. übersteigen, geklagt sein (vgl. Wach § 31 V, v. Wilm.-Levy Note 1). Obige Vorschrift läßt sich auf die Widerklage entsprechend, d. h. im Rahmen der §§ 33, 506 anwenden, wobei, falls mehrere Widerklagen nacheinander erhoben werden (§§ 280, 529 Abs. 2), jede für sich betreffs der Zusammenrechnung in Be­ tracht kommt (vgl. Bolze 6 Nr. 842).

2 Klage und Widerklage sollen nicht zusammengerechnet werden. Dies »tage un» folgt schon aus § 4, indem danach das Verhalten des Beklagten für die Wertsberech- roi,>et,la9f' nung außer Betracht bleiben soll (vgl. § 506, RG. 31 S. 387). Anders liegt die Sache für die Revisionsinstanz, für die der § 5 überhaupt nicht gilt (vgl. RG. 46 S. 398), und für die Kostenberechnung, für die der entgegengesetzte Grundsatz nach GKG. § 11 und RAGebO. § 10 adoptiert ist.

§ 6. Der § 6 soll dem freien Ermessen aus § 3 für mehrere Fälle, die erfahrungs­ mäßig zu Schwierigkeiten Anlaß geben, Schranken setzen (vgl. Begr. 50). Er bildet somit eine Rechtsnorm im Sinne des § 550.

1. Ist der Besitz einer Sache Wert der Sache maßgebend sein.

Streitgegenstand, so soll für diesen

der

a) Die Voraussetzung, daß der Besitz einer Sache den Streitgegenstand bildet, ist nach dem bürgerlichen Recht, somit jetzt nach dem BGB. zu beurteilen. Das BGB. bezeichnet in § 90 als Sachen körperliche Gegenstände. Es umschreibt in 8 854 den Begriff des Sachbesitzes durch die Vorschrift, daß solcher durch Er­ langung der tatsächlichen Gewalt über die Sache erworben wird. Es läßt aber auch den Besitz von Rechten in gewissem Umfange zu, nämlich nach Maßgabe der §§ 1029, 1090, EG. Art. 128, 191 (vgl. dazu PrAG. Art. 28). Der § 6 ZPO. gibt nun nach seinem allgemeinen Wortlaut und nach seiner obigen Tendenz zu eingeschränkter Auslegung keinen Anlaß. Er dürste daher zunächst nicht bloß auf den Sachbesitz, sondern auch auf den Rechtsbesitz, soweit dieser zulässig, Anwendung finden. Andrer­ seits wird ihm unterschiedslos der unmittelbare wie der mittelbare (§ 868), der Eigenwie der Fremdbesitz (§ 872), ferner der Besitzschutz gegen Entziehung (§ 861) oder zwecks Erlangung oder Wiedererlangung desselben (§§ 985, 1007, 1032, 1205) unter­ fallen. Deshalb läßt er sich auch auf persönliche Klagen betreffs der Herausgabe von Sachen beziehen, wie z. B. auf Grund von Kauf-, Vorkauf-, Wiederkauf-, Leih-, Verwahrungs-, Miets- und Pachtverträgen (so RG. IW. 81 S. 4 u. 86 S. 21, SeuffA. 42 S. 461; a. M. Wach § 31 VIII, Seuffert, Förster-Engelmann). Dagegen wird der § 6 regelmäßig nicht anwendbar sein auf Klagen, die sich nur gegen einzelne Störungen im Besitz (BGB. § 862) richten (vgl. RG. 3 S. 394), die auf Vorlegung von Sachen oder Urkunden lediglich zur Einsicht gehen (vgl. 8 809 BGB., RG. Gruchot 33 S. 1130,

Besitz.

Sicker-

Pscmdrecht,

Masstab.

Arreste und

''"lttoeinge fügungtn.

Bolze 4 Nr. 1079 u. 5 Nr. 958), nicht auf Anfechtungsklagen des Konkurs­ verwalters (vgl. RG. IW. 01 S. 79), nicht schon auf Klagen auf Abnahme der Kaufsache (RG. 57 S. 400; vgl. 11 S. 384). Um den Besitz wird auch nicht ge­ stritten, wenn der Kläger verlangt, einen Kaufvertrag für nichtig zu erklären (RG. 66 S. 330) oder wenn der Käufer auf Aufhebung des noch unerfüllten Vertrages klagt (RG. 52 S. 429). b) Naturgemäß entscheidet hier der Wert der Sache, um deren Besitz ge­ stritten wird, nicht das sonstige Interesse des Klägers. Handelt es sich nur um einen Teil der Sache oder um den Mitbesitz, so ist dessen Wert zu ermitteln (vgl. RG. Bolze 6 Nr. 867 fSuperfizies an ideellem Teile), 6 Nr. 854, 7 Nr. 832, IW. 94 S. 180, 97 S. 106). Die Abschätzung der Sache erfolgt wieder nach dem Grund­ sätze des § 3. Dabei treten gewisse Gesichtspunkte von selbst hervor; so z. B. die Unerheblichkeit der Zeitdauer des begehrten Besitzes (vgl. RG. IW. 81 S. 4), und der Einfluß der Frage, ob herauszugebende Urkunden bloße Beweisurkunden oder Wertpapiere sind (vgl. für Beweisurkunden RG. Bolze 7 Nr. 839, für Wechsel, Grundschuldbriefe RG. Gruchot 29 S. 418 und 30 S. 1105, Bolze 6 Nr. 861 und 7 Nr. 848, IW. 94 S. 239). Bei Klagen auf Auflassung eines Grundstücks ist, wie bei Besitzklagen, der Wert des Grundstücks maßgebend (vgl. RG. Bolze 3 Str. 1025, 7 Nr. 837, Gruchot 44 S. 1146, IW. 96 S. 355 sSubhast.Erlös)). 2. Ist die Sicherstellung einer Forderung oder ein Pfandrecht Streitgegenstand, so soll für dessen Wert der Forderungsbetrag maßgebend sein. a) Bei der allgemeinen Fassung der Vorschrift ist es ohne Belang, um welche Art der Sicherstellung (Bürgen, Pfand, Kaution, Vormerkung) oder des Pfandrechts (an Mobilien oder Immobilien, aus Vertrag, Gesetz oder Pfändung) es sich handelt, ferner, ob die Erlangung, Ausübung oder Aushebung eines Pfandrechts (vgl. RG. Gruchot 35 S. 1177, 36 S. 1195), eine darauf bezügliche Feststellung oder eine Leistung (vgl. RG. 25 S. 366), speziell im Falle der Auihebung zugleich die Heraus­ gabe der Pfandsache oder die Löschung einer Hypothek, Grundschulv oder Rentenschuld (vgl. IW. 98 S. 348) in Streit steht. Danach erscheint der § 6 auch anwendbar auf die Intervention gemäß § 77J (vgl. RG. 10 S. 393, Bolze 9 Nr. 632, 11 Nr. 643), auf Anfechtungsklagen (RG. 7 S 393 und Bolze 6 Nr. 860) und auf den Prioritätsstreit (RG. 4 S. 365, 7 S. 326). Dagegen ist er bei der Geltend­ machung eines Retentionsrechts ausgeschlossen (RG. 12 S. 154; a. M. Wach § 31 vni). b) Für den Streitwert soll in der Regel der Betrag der gesicherten oder zu sichernden Forderung maßgebend sein (vgl. RG. 46 S. 401). Dieser ist nach den Regeln der §§ 3, 4, also nach dem Zeitpunkte der Klageerhebung unter Weglassung von Nebenforderungen, beim Prioritälsstreit unter Zugrundelegung der geringeren Forderung (vgl. RG. 4 S. 365, 7 S. 327, 10 S. 346, 26 S. 412) festzusetzen. — Ausnahmsweise soll jedoch bei bestehendem Pfandrecht der Wert der Psandsache entscheiden, sofern derselbe geringer ist als der Betrag der gesicherten Forderung. Dabei gilt als Wert der Pfandsache nicht der Wert, den die Sache als Besriedigungsobjekt für den Gläubiger, d. h. unter Berücksichtigung vorgehender Be­ lastungen hat, sondern der Wert, der gemäß § 3 sich ergibt (vgl. RG. 22 S. 388, IW. 95 S. 291 (Vormerkung); a. M. Wach § 31 VIII). Für vorstehende Aus­ nahme ist aber kein Raum bei Verbindung der persönlichen Schuldklage mit der Pfandklage, und hier entscheidet regelmäßig der Forderungsbetrag (vgl. RG. IW. 86 S. 313). 3. Auf einstweilige Verfügungen und Arreste paßt der § 6 an sich nicht, da sie zwar auf Sicherstellung gehen, aber nur in präparatorischem Verfahren erwirkt werden. Es wird daher bei ihnen regelmäßig der Grundsatz des § 3 Platz greifen. Immerhin kann § 6 anwendbar werden in Fällen, wo es sich um Erlangung

Erster Titel.

§ 7.

Sachliche Zuständigkeit der Gerichte §§ 7, 8.

17

Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert, welchen

dieselbe für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Detrag, um welchen sich -er Wert des dienenden Grundstücks dvrch die Dienstbarkeit mindert, größer ist, durch diesen Detrag bestimmt. § 8. M das Gestehen oder die Dauer eines pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Getrag des auf die gesamte streitige Zeit fallenden Zinses und, wenn der fünfund;wan;igfache Getrag des einjährigen Zinses geringer ist, dieser Getrag für die Wertsberechnung entscheidend. grundbuchmäßiger Sicherheit oder voller Befriedigung (§§ 940, 944 ZPO.) handelt (Vgl. RG. 15 S. 435, 16 S. 333, 22 S. 428, 24 S. 376, 31 S. 396, 35 S. 395, Gruchot 38 S. 1167, Wach § 31 IX, v. Wilm.-Levy, Gaupp-Stein).

8 7. Der § 7 sieht eine Bindung des freien Ermessens (§ 3) für den Fall vor, daß srunddi-nst. «ine Grunddienstbarkeit in Streit steht. batlt,teiL Der Begriff der Grunddienstbarkeit bestimmt sich nach bürgerl. Recht. Nach dem PrALR. umfaßte er neben den eigentlichen Grundgcrechtigkeiten auch die gesetz­ lichen Eigentumsbeschränkungen zum nachbarlichen Besten (vgl. ALR. I, 8 §§ 102 ff., 191; I, 22 § 1, vgl. RG. 8 S. 307, 67 S. 79). Im BGB. (§§ 1018, 1019) ist er gekennzeichnet als Belastung eines Grundstücks zugunsten des jeweiligen Eigen­ tümers eines anderen Grundstücks in der Art, daß der Berechtigte das dienende Grund­ stück in einzelnen Beziehungen benutzen darf, oder daß auf letzterem gewisse Handlungen unterlassen werden müssen oder die Ausübung eines aus dem Eigentum an sich fließen­ den Rechts ausgeschlossen bleibt, und zwar dies alles zum Vorteil des herrschenden Grundstücks. Der ältere weitere Begriff kann für § 7 nach Art. 184 EGzBGB. auch jetzt noch wirksam bleiben. Der engere Begriff des BGB. schließt die direkte Anwendung des § 7 auf beschränkte persönliche Dienstbarkeiten (§ 1090), auf Real­ lasten (§ 1105) und auf sonstige servitutähnliche Rechte aus; wohl aber erscheint eine entsprechende Anwendung zulässig (vgl. RG. 29 S. 406, IW. 94 S. 180 und 421, Wach § 31 VIII). — In allen Füllen muß die Grunddienstbarkeit den Klage­ gegenstand (§ 4) bilden. Ob dinglich oder persönlich (z. B. auf Einräumung), konsessorisch oder negatorisch geklagt ist, macht keinen Unterschied; nur muß letzterensalls die Anmaßung einer Grunddienstbarkeit gerade als Eingriff in das klägerische Eigentum erhellen (vgl. RG. 3 S. 390). Der Wert der Grunddienstbarkeit soll dann in der Art zur Feststellung gelangen, daß die Wertserhöhung bezw. Minderung, welche die Grunddienstbarkeit für das herrschende bzw. dienende Grundstück bewirkt, auf Grundlage der Klage nach freiem Ermessen (§§ 3, 4) ermittelt und jedesmal der höhere Wertsbetrag zugrunde gelegt wird (Vgl. RG. Bolze 2 Nr. 1407, 6 Nr. 857, RG. 63 S. 99).

§ 8. Eine weitere Bindung des freien Ermessens (§ 3) verordnet der § 8 für den Pacht- und Fall, daß das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietsverhält- tanninT nisses streitig ist. 1. Ein solches Verhältnis begreift in sich die Sachmiete und Pacht, jetzt gemäß HZ 535, 581 BGB. Auf den Dienst- und Werkvertrag des BGB. (§§ 611, 631) läßt sich der § 8, im Hinblick auf verwandte Bestimmungen der RJGesetze (z. B. des GVG. § 23, der KO. §§ 41a, 541) und auf den Sprachgebrauch der älteren Deutschen Privatrechte nicht wohl ausdehnen (vgl. RG. 4 S. 399). Reincke, ZPO. 6. Ausl.

2

18

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

1. Abschn. Gerichte § 9.

§ 9. Der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen wird nach dem Werte des einjährigen 6e;ugs berechnet und ;war: auf den Wölfundeinhalbfachen Dctrag, wenn der künftige Wegfall des Dezugsrechts gewiß, die Zeit des Wegfalls aber ungewiß ist; auf den fünfund;wan;igfachen Detrag, bei unbeschränkter oder bestimmter Dauer des De;ugsrechts. Dei bestimmter Dauer des Dezugsrechts ist der Gesamtbetrag der künftigen Dezüge maßgebend, wenn er der geringere ist. Das Streitigsein versteht sich im Sinne des § 4, also nach Maßgabe des Klageantrages, nicht einer bestreitenden Einlassung des Beklagten (vgl. RG. Gruchot 35 S. 11.76 sKündigungj). Anlangend das Erfordernis, daß der Bestand oder die Däner eines Pacht­ oder Mietsverhältnisses streitig sein soll, war es früher fraglich, ob der § 8 sich nicht bloß auf Feststellungsklagen (§ 256), fondern auch aus Leistungsklagen, also auf Klagen wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung der Micts- oder Pachtsache beziehe. Jetzt hat die Frage wohl durch den Beschluß der VerZS v. 4. 6. 94 (RG. 33 S. 1) der den § 8 auch auf Räumungsklagen ausdehnt, falls ein dem Pacht- oder Mietsbesitz zugrunde liegender Vertrag von einer über den Räumungszeitpunkt hinaus­ gehenden Dauer nicht oder nicht mehr rechtsverbindlich sein soll, ihre Lösung zu­ gunsten der weiteren Auffassung gefunden. Dagegen wird der § 8 auf Streitigkeiten der unmittelbaren VcrtragSbeteiligten zn beschränken sein (vgl. Rassow Gruchot 33 S. 889). Aus Klagen wegen Zahlung von Miels- oder Pachtzinsen, wegen Instand­ setzung oder Instandhaltung der Micts- oder Pachtobjekte läßt sich der § 8 sassungsgemäß nicht beziehen.

2. Als Streitwert soll der Gesamtzins für die streitige Vertragsdaner, jedoch, sofern dieser den 25 fachen Betrag des Jahreszinses übersteigt, nur der letztere gelten. Der Begriff des Zinses bestimmt sich nach bürgert Recht, kann daher nach älterem wie nach BGB. auch andere Leistungen als Geldsummen (z. B. Nutzungsanteil oder Früchte, umfassen (öql ALN. I, 21 §§ 259, 264; BGB. §§ 535 581). Die streitige Gesamtzeit ist angesichts der subsidiären gesetzlichen Vorschriften nach den Angaben der Klage zu ermitteln (vgl. NG. 17 S. 379 und IW. 86 S. 293, 95 S. 537). Handelt es sich um einen Naturalzins, so wird zunächst dessen Abwertung (§ 3) in Geld erforderlich.

§ 9. Recht auf wiederkehrendc Nutzungen i Leistungen.

Der § 9 bindet das freie Ermessen des Gerichts aus § 3 für den Fall, daß. ein Recht auf wiederkehrende Nutzungen (§ 100 BGB.) oder Leistungen -streitig ist.

1. Für den Begriff solcher Rechte ist das bürgerl. Recht maßgebend. Die Voraussetzung des wiederkehrenden Bezuges weist auf eine gewisse Dauer (RGPl. 24 S. 373) und Periodizität hin, ohne daß gerade ein einjähriger Bezugs­ maßstab oder auch nur eine bestimmte Regelmäßigkeit in Zeit und Art Erfordernis ist (vgl. RG. 26 S. 409). Eventuell ist zunächst eine Nmschätzung nach dem Jahres­ geldwerte gemäß § 3 vorzunehmen, wobei für eine Unmöglichkeit der Schätzung kein Raum ist. Die gewöhnlichsten Bezugsrechte im Sinne des § 9 werden Renten, Alimente, Gehälter, Pensionen und Reallasten sein. Streitig muß das Bezugsrecht selbst sein. Dasselbe verkörpert sich in der Gesamtheit der künftigen d. h. nach der Klageerhebung verfallenden Bezüge. Daher sind mitgeklagte Rückstände nicht Nebenforderungen laut § 4, und ihr Wert ist

§ 1V. Das Urteil eines Landgerichts Kann nicht aus dem Grunde ange­ fochten werden, weil die Zuständigkeit des Amtsgerichts begründet gewesen sei. nach § 5 hinzuzurechnen (vgl. RGPl. 19 S. 416). Ein Unterschied zwischen Feststellungs- und Leistungsklagen ist nicht gemacht (vgl. RG. IW. 84 S. 169). 2. Die Wertsberechnung des ganzen Bezugsrechts erfolgt dann auf Grundlage des Jahresbezugsrechts; und zwar: a) zum 12^ fachen Betrage desselben, sofern der künftige Wegfall des Rechts gewiß, aber auf einen ungewissen Zeitpunkt, z. B. auf Lebenszeit, gestellt ist (vgl. RG. Bolze 7 Nr. 852, IW. 94 S. 117, 96 S. 300 sUnanwendbarkeit dieses Maß­ stabes bei zeitlich unbestimmter Trennung von Tisch und Sett]), b) zum 25fachen Betrage, sofern die Dauer des Rechts unbeschränkt, wie z. B. bei Reallasten, oder in sich bestimmt ist, letzterenfalls derart, daß, falls der Gesamt­ betrag sich niedriger stellt, nur dieser (vgl. § 8) zum Ansatz kommt. 3. In dem Verfahren, betreffend einstweilige Verfügungen über Ver­ pflegung der Ehefrau während des Scheidungsprozesses, hat nicht dertz 9, sondern der § 3 Platz zu greifen, weil der Wegfall dieser Pflicht erfahrungsmäßig nach nicht langer Dauer gewiß ist (vgl. RGPl. v. 8. 7. 89, RG. 24 S. 373, Gruchot 38 S. 1194). Dasselbe wird grundsätzlich auch von Alimenten gelten können, die unter den auf unbestimmte Zeit von Tisch und Bett geschiedenen Eheleuten für die Dauer der Trennung gefordert werden (vgl. RG. 37 S. 386). 4. Für die Berechnung der Gerichts kosten ist in dem neuen § 9 a des GKG. eine gewisse Abweichung von § 9 der ZPO. vorgesehen. Über das Verhältnis beider Vorschriften zueinander vgl. RG. IW. 01 S. 833, RG. 58 S. 294.

8 10. Der § 10 will von dem Gesichtspunkt aus, daß Urteile von Kollegialgerichten Wirkun« von im allgemeinen besser seien als solche von Einzelrichtern ^Begr. 51), kollegial- reitsnrteue'n. gerichtliche Urteile, die die Sachzuständigkeit eines Landgerichts annehmen, der Anfechtung in der Richtung entziehen, daß eigentlich ein Amtsgericht sachzu­ ständig gewesen wäre (vgl. StPO. § 269). Die Fassung des § 10 wird seiner Absicht kaum gerecht. 1. Daß das Landgericht selbst seine Sachzuständigkeit angenommen hat, erscheint systemgemäß nickt erforderlich. Der § 10 ist seiner Tendenz nach auch auf den Fall zu erstrecken, daß diese Zuständigkeit vom Landgericht verneint, aber von der höheren Instanz angenommen ist (vgl. RG. 23 S. 430, IW. 93 S. 73, 95 S. 597, 96 S. 686). — Auf die Annahmeform kommt es nicht an, so daß es belanglos ist, ob die Annahme ausdrücklich (gegenüber der Einrede aus § 274 Nr. 1 oder bei der Amtsprüfung aus § 139) oder stillschweigend (durch Eingehen auf die Hauptsache) er­ folgt ist (vgl. RG. 11 S. 432, 13 S. 367, Gruchot 33 S. 1132, Wach § 36 III). 2. Als Zuständigkeit ist bei der allgemeinen Fassung des § 10 nicht bloß diejenige aus GVG. § 23\ sondern auch diejenige aus GVG. § 232 zu verstehen (vgl. RG. 9 S. 350, 11 S. 432, 13 S. 368 und Gruchot 33 S. 1132), in jedem Falle aber nur die sachliche Zuständigkeit. Daher wird die Anwendung des § 10 zweifelhaft, wo der Gerichtsstand des Zusammenhanges, der sich zugleich auf die ört­ liche Zuständigkeit bezieht, kraft besonderer Vorschrift, wie z. B. in den Fällen der §§ 767, 893, 924, Platz greift. Indes läßt sich wohl annehmen, daß der Gesichts­ punkt des präsumtiven Vorzuges der Kollegialurteile mit dem des Zusammenhanges der Streitsachen vereinbar ist und als der allgemeinere dem letzteren vorgeht (vgl. RG. 13 S. 367 Hall des § 893], 18 S. 361, 377 sArrestwiderspruch]). 3. Urteile in obigem Sinne sollen der Anfechtung aus dem Grunde, daß eigentlich ein Amtsgericht zuständig gewesen wäre, entzogen sein. Dabei ist 2*

20

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

1. Abschn. Gerichte § 11.

§ 11. Ist die Unzuständigkeit eines Gerichts auf Grund der Bestimmungen über die sachliche Zuständigkeit der Gerichte rechtskräftig ausgesprochen, so ist diese Entscheidung für das Gericht bindend, bei welchem die Zache später an­ hängig wird. zunächst systemgemäß an Rechtsmittel (Berufung, Revision.) in demselben Prozesse zu denken. Allein nach der Tendenz des § 10 muß man annehmen, daß derselbe auch die Erneuerung bereits beendeter Prozesse verhindern soll (so die Praxis des RG., zuletzt IW. 02 S. 17).

§ 11. HustLndig, 1. Voraussetzung des §11 ist, daß ein ordentliches Gericht (vgl. RG. IW. leitMonfiitte. 95 n günstiges Urteil im Jnterventionsprozesse dem Erstprozesse gemäß § 148 präjudiziert. Das Verfahren bei der Aussetzung ergeben die §§ 249—252. Nach dem sachlichen Zusammenhänge beider Prozesse bestimmt sich auch die Rechts­ wirkung des auf die Hauptintervention rechtskräftig ergehenden Urteils. Dieses wirkt zunächst für die Parteien des letzteren Prozesses, ist daher auch, soweit es zu

§ 66. (63.) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, daß in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreite die eine Partei obstege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten. Die Rebenintervention kann in jeder Lage des Rechtsstreits bis zur rechts­ kräftigen Entscheidung desselben, auch in Verbindung mit -er Ginlegung eines Rechtsmittels erfolgen. einer Leistung verurteilt, vollstreckbar. Zugleich kann es aber auf das Schicksal des Erstprozesses zurückwirken, indem dieser (abgesehen von der Einrede der Rechtskraft), insoweit im Jnterventionsprozesse noch vor dem Urteil im Hauptprozesie zugunsten des Intervenienten erkannt ist, gegenstandslos wird. Wird im Jnterventionsprozesse erst nach diesem Urteil erkannt, so muß der Dritte eine ihm nachteilige Vollstreckung daraus vorerst durch Sicherungsmaßregeln abzuwenden suchen. SS

66—71.

Nebenintervention.

Wetzell § 7; Planck, Mehrheit der Rechtsstreiligfeilen § 21; Francke, Nebenparteien (1882); Schultze Busch 2 S. 20; v. Canstein, dort 8 S. 217.

Im Gegensatze zur Hauptintervention, die einem Dritten die Beteiligung an einem zwischen anderen anhängigen Rechtsstreit behufs eines diese ausschließenden eignen Rechts durch Klageerhebung gegen beide Hauptparteien gewährt, bietet die von der ZPO. aus den Deutschen Partikularrechten übernommene Nebenintervention (früher accessorische genannt) dem Tritten regelmäßig nur die Möglichkeit, einem unter anderen anhängigen Rechtsstreit auf Grund eines eigenen rechtlichen Inter­ esses am Obsiegen einer Hauptpartei zu deren Unterstützung bei­ zutreten. Wer zuerst der einen Partei als Nebenintervenient beigetreten war, ist nicht ge­ hindert, diese Stellung aufzugeben und demnächst der anderen Partei in gleicher Eigenschaft beizutreten (vgl. RG. 61 S. 289). Eine besondere Vorschrift über entsprechende Anwendung der §§ 66 ff. ist im G. v. 12. 5. 94 zum Schutze von Warenbezeichnungen § 9 vorgesehen.

§ 66.

A. 1.

Die Nebenintervention ist nach Abs. 1 statthaft:

In einem zwischen anderen anhängigen Rechtsstreite. In dieser Boraussetzung stimmt sie mit der Hauptintervention wesentlich überein, so daß auf die Note zu § 64 verwiesen werden darf. 2. Für einen Dritten, der ein rechtliches Interesse am Obsiegen einer Hauptpartei hat und diese unterstützen will. a) Hierzu ist ein rechtliches Sonderinteresse des Dritten an dem Rechts­ streit zugunsten der zu unterstützenden Hauptpartei erforderlich. Ein bloß tatsächliches Interesse (wirtschaftlich, sittlich) reicht nicht aus (vgl. RG. 23 S. 343, 28 S. 422, IW. 93 S. 343). Ein rechtliches Interesse (vgl. § 256) ist gegeben, wenn die Be­ sorgnis besteht, daß die Entscheidung im anhängigen Rechtsstreit an sich oder bei ihrer Vollstreckung ein Rechtsverhältnis des Dritten zu den Parteien oder dem Gegen­ stände des Rechtsstreits nachteilig beeinstussen möchte (vgl. Begr. 86, RG. 5 S. 69, 14 S. 436, 23 S. 343, 28 S. 422, 36 S. 368 (Interesse von Mitgliedern des KonkGläubAusschusseq, Gruchot 40 S. 657, IW. 92 S. 309, 93 S. 343) Dieses Rechtsverhältnis kann dem Privat- oder dem öffentlichen Rechte (z. B. dem Strafrecht RG. 16 S. 390) angehören, Vermögens- oder Statusrechte betreffen (vgl. RG. 10 S. 114, Intervention des Kindes bei elterlichem Erziehungsstreit).

Vornote,

Zulässigkeit der Neven-Intervention.

«vs. i.

80

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 67.

8 67. (64.) Der Nebenintervenient muß Len Rechtsstreit in Ler Lage cmnehmen, in weicher sich dieser zur Zeit seines Leitritts befindet; er ist berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittei gelten- zu machen und alle prozefchandlungen wirksam vorzunehmen, insoweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen.

Abs. 2.

Rechtsstellg. des Nebenintervem-

b) Ob ein solches Interesse vorliegt, ist nach materiellem Recht zu beurteilen (vgl. RG. 44 S. 348). Die Entscheidung im anhängigen Rechtsstreite kann die Rechtssphäre des Dritten unmittelbar berühren, wie beim Eintritt einer Rechtsnach­ folge (§§ 72, 265), oder in solchen Fällen, wo von mehreren Rechtssubjekten des streitigen Rechtsverhältnisses nur einzelne klagen oder beklagt sind, wie z. B. nach § 147 KO. (vgl. RG. Bolze 7 Nr. 879, Wach § 55 III) oder nach §§ 62, 76, 771, 805, 856 ZPO. (vgl. Busch 22 S. 412). Die Berührung kann aber auch nur eine mittelbare sein, wie z. B. bei Ansprüchen aus Bürgschaften, Eviktionen, Regressen und an den Erben (vgl. RG. 12 S. 330, 14 S. 343 und Gruchot 29 S. 1053, Wach § 55 in). Bon diesen Gesichtspunkten aus macht sich die weiteste Zulassung der Nebenintervention als Bedürfnis des Rechtslebens geltend (Begr. 86) Da der Dritte nur zur Unterstützung einer Partei bcitreten darf, kann er ein eigenes Recht nicht geltend machen, es sei denn, daß es sich mit demjenigen dieser Partei deckt (§ 69, vgl. RG. 15 S. 413, 44 S. 346 und Gruchot 30 S. 941). Falls sein Interesse zugleich eine Hauptintervention zuläßt, hat er die Wahl hinsichts beider Jnterventionsarten (vgl. RG. 10 S. 398). B. Nach Abs. 2 darf die Nebenintervention in jeder Lage des Rechtsstreits erfolgen, also systemgemäß bis zum Schlüsse derjenigen Verhandlung, auf welche das rechtskräftige unbedingte Endurteil ergeht, im Fall einer Wiederaufnahme (§ 578) auch noch während dieser. Der Abs. 2 gestattet sie aber auch noch besonders in Ver­ bindung mit einer Rechtsmitteleinlegung (§ 67), sowie zur Einleitung einer neuen Instanz. Nach rechtskräsliger Zurückweisung (§ 71) einer Intervention bleibt die Erneuerung auf Grund eines anderweiten Jnterventionsgrundes offen (vgl. RG. 23 S. 341).

§ 67. Die Rechtsstellung des Nebenintervenienten in dem anhängigen Prozeffe wird grundsätzlich (Ausnahme nach § 69) durch die Natur der Nebenintervention be­ dingt, insofern diese nur auf Unterstützung einer Prozeßpartei, wenn schon aus eigenem Interesse des Dritten, erfolgt. I. Demgemäß wird der Nebenintervenient nicht Partei, sondern nur Bei­ stand der unterstützten Partei. So geht der Prozeß auf den Namen der unter­ stützten Partei fort (vgl. RG. 42 S. 380, IW. 84 S. 136), und nur ein etwaiger Zwischenstreit über die Zulaffung des Nebenintervenienten (§ 71) erfolgt auf dessen Namen. Dieser verliert nicht die Fähigkeit, als Zeuge vernommen zu werden (§ 373, RG. 20 S. 393); die Eideszu- oder Zurückschiebung an ihn oder die Auferlegung eines Eides für ihn ist unstatthaft (§§ 449, 450, 475), der Anspruch auf Urkundenvorlegung gegen ihn nur im Sinne des § 428 zulässig. Eine Verfügung über den Prozeß steht ihm nicht zu. Insbesondere kann er ohne Zustimmung des unterstützten Klägers nicht die Klage ändern, erweitern oder der kontradiktorischen Verhandlung und Entscheidung durch Zurücknahme, Verzicht oder Vergleich entziehen, auch nicht die Zwangsvollstreckung oder Kostenerstattung betreiben. Ebensowenig ist er ohne Zu­ stimmung des unterstützten Beklagten befugt, eine Widerklage, Jnzident-Feststellungsklage oder Aufrechnungseinrede aus eignem Recht oder aus dem Rechte des Beklagtm zu erheben (vgl. RG. 17 S. 34, 18 S. 417 und Gruchot 30 S. 943, Wach § 57 H, Schollmeyer, Kompensationseinrede 90, Schultze Busch 2 S. 44, 88, die Kommentare),

Dritter Titel.

Beteiligung Dritter am Rechtsstreite § 68.

81

§ 68. (65.) Der Nebenintervenient wird im Verhältnisse ;n der Hauptpartei mit der Behauptung nicht gehört, daß der Rechtsstreit, wie derselbe dem Richter vorgelegen habe, unrichtig entschieden sei; er wird mit der Behauptung, daß die Hanptpartei den Rechtsstreit mangelhaft geführt habe, nur insoweit gehört, als er durch die Lage des Rechtsstreits ;ur Veit seines Beitritts oder durch Er­ klärungen und Handlungen der Hauptpartei verhindert worden ist, Angriffs­ oder Verteidigungsmittel geltend ;u machen, oder als Angriffs- oder Verteidignngsmittel, welche ihm unbekannt waren, von der Hanptpartei absichtlich oder durch grobes Verschulden nicht geltend gemacht sind. ein vom Beklagten erhobenes Verteidigungsmittel zu beseitigen oder die Klage durch dispositive Handlungen zugunsten derselben zu erledigen. n. Seine Beteiligung am Rechtsstreite begrenzt sich dahin: a) Die Unterstützung der Hauptpartei wird sich wesentlich auf Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln, die dem Intervenienten allein bekannt sind, und auf Abwendung von Frist- oder Terminssäumnis erstrecken (vgl. RG. 10 S. 398, 17 S. 34, 410, 18 S. 417, 23 S. 342, Gruchot 26 S. 1144, 29 S. 1056, Bolze 6 Nr. 889, IW. 88 S. 195 u. 95 S. 5, Wach § 57, Hellmann § 49, Schultze a. a. O. § 11, Francke a. a. O. S. 116 ff., die Kommentare). b) Soweit nach obigem das Beteiligungsrecht des Nebenintervenienten geht, ist er formell selbständig. Er kann daher solche Handlungen ohne Zuziehung der unterstützten Partei vornehmen (vgl. RG. IW. 96 S. 333, Petersen SächsArch. 6 S. 657, Busch 24 S. 305), und muß nach § 71 Abs. 3 vom Gegner und vom Gericht zu allen Handlungen im Prozesse zugezogen werden (vgl. RG. 15 S. 430, 34 S. 389, 391, Gruchot 29 S. 1056).

§ 68.

Rückwirkung auf Haupt-

I. Die Entscheidung im Hauptprozesse würde an sich (§§ 67, 322) ’’a|?'(*ie“nb nur unter den Parteien wirken. In § 68 ist ihr aber eine gewisse Rückwirkung veni"n"n.

aus das zwischen der unterstützten Partei und dem Nebenintervenienten bestehende Rechtsverhältnis (§ 66) eingeräumt. Damit hat, wie die Begr. (S. 88) bezeugt, im An­ schluß an die PrAGO. I, 17 § 19 und im Interesse der Rechtseinheit, eine materiell­ rechtliche Norm geschaffen werden sollen. Dieselbe erfährt im Falle der Streitver­ kündung durch § 74 Abs. 3 noch eine Verschärfung hinsichts des Zeitpunkts des Beitritts. n. Die Rückwirkung soll nun darin bestehen, daß dem Nebenintervenienten, falls später sein Rechtsverhältnis zur unterstützten Hauptpartei zum Austrage gelangt, zwei Einreden bezüglich des Hauptprozesses abgeschnitten werden. a) Zunächst die Einrede, daß der Hauptprozeß, wie solcher dem Richter vorge­ legen, unrichtig entschieden sei. Das will sagen, daß der Nebenintervenient die in dem rechtskräftigen Endurteile des Hauptprozesses auf Grund des darin ge­ gebenen Tatbestandes erfolgte Rechtsanwendung als richtig anerkennen muß (vgl. RG. 54 S. 355 und Gruchot 37 S. 1222), gleichviel, ob er freiwillig oder zufolge Streit­ verkündung (8 72), früher oder später (§ 66) beigetreten ist. Die Einrede, daß der Tatbestand von der Hauptpartei dem Richter fehlerhaft vorgebracht sei, ist ihm nicht unbedingt entzogen (s. Note b). b) Sodann die Einrede, daß die Hauptpartei die Entscheidung durch mangel­ hafte Prozeßsührung (exe. mali processus) verschuldet habe. — Natur­ gemäß erstreckt sich dieser Verlust aber nicht auf die dem Beitritt vorangegangene (88 70, 74") und für den Intervenienten nicht heilbare Prozeßführung, andrerseits nicht auf Angriffs- und Verteidigungsmittel, welche im Sinne des § 67 dem Intervenienten Reincke, ZPO. 6. Aup. 6

82

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien §§ 69, 70.

§ 69. (66.) Insofern nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der in dem Hauptproresse erlassenen Entscheidung auf das Rechts­ verhältnis des Rebenintervenienten pi dem Gegner von Wirksamkeit ist, gilt der Rebenintervenient im Zinne -es § 61 als Ltreitgenosse der Hauptpartei. § 70. (67.) Der Beitritt des Rebeninteroenienten erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten: zu Gebote standen, ihm aber durch widerstreitendes Prozeßverhalten der Hauptpartei vereitelt sind, oder welche der Hauptpartei zu Gebote standen, von dieser aber nach seinem Beitritt aus Borsatz oder grobem Verschulden nicht geltend gemacht sind.

Intervenient als Streitgenosie.

§ 69. Walsmann, die streitgenössische Nebentnterveniion; Schultze a. a. O. S. 95; Francke

1. c. S. 99; v. Canstein a. a. O. S. 229.

Für die Frage, in welchen Fällen die vom § 69 vorausgesetzte Wirksamkeit vor­ handen sei, ist auf das maßgebende bürgerl. Recht, auch soweit es sich außerhalb des BGB. (88 1011, 1407, 2039, 2112 in Verbindung mit 8 326 ZPO.) und des HGB. findet, zurückzugehen. Insbesondere können in Betracht kommen: Nach der ZPO. der Fall des 8 856, sofern der Klage gegen den Drittschuldner Pfändungsgläudiger, welche die Überweisung erlangt hoben, sich anschließen (vgl. RG. Gruchot 29 S- 1053), während im Falle des 8 265 (Nebenintervention des Erwerbers einer res litigiosa) die Anwendung des 8 09 besonders ausgeschlossen ist. — Nach der KO. der Fall der 88 146, 147, sofern Konkursgläubiger einem Prozesse des Konkursver­ walters über Feststellung streitig gebliebener Konkursfordcrungen beitreten (bedenklicher wohl der Fall, wo Konkursgläubiger dem vom Verwalter (nach 8 36] erhobenen An­ fechtungsprozesse beitreten, vgl. RG. 36 S. 367, IW- 89 S. 203). Nach dem Handelsrecht die Fälle, wo ein Gesellschafter in den von eintnt Gläubiger wider die Handelsgesellschaft geführten Prozeß eintritt (vgl. RG. IW. 94 S. 542), ebenso der Fall, wo Aktionäre oder Gesellschafter Prozessen aus 88 273, 309 des HGB. oder aus 88 51, 96 GenG, beitreten. Endlich der Beitrittssall aus 8 9 des G. v. 12. 5. 94 über den Schutz von Warenbezeichnungen. Der Nebenintervenient gilt kraft seines Beitritts (besser Eintritts) nach gesetz­ licher Vorschrift als Streitgenosse der von ihm unterstützten Partei (RG. 34 S. 363, 42 S. 392, 64 S. 68). Wenn das Gesetz ihn als solchen im Sinne des 8 01 hinstellt, so denkt es dabei wohl nur an den Regelfall und will die Anwendung des 8 62, dessen Voraussetzungen gerade hier häufig zutreffen werden, nicht ausschließen. Der Intervenient ist sonach zu freier Prozeßführung befugt, solange die Streitgenossen­ schaft dauert. Alle Prozeßhandlungen (Zustellungen, Ladungen, Entscheidungen, Urteile) haben mit auf seinen Namen zu ergehen; Eide können ihm nach 88 449, 475 zuoder zurückgeschoben oder auferlegt werden; seine Vernehmung als Zeuge ist unstatthaft. Die Schrankm der 88 07, 68 fallen für ihn weg, nur daß er den Prozeß annehmen muß, wie solcher bei seinem Eintritt liegt. Er kann Anerkenntnisse, Geständnisse, Verzichte erklären, Widerklage erheben und Vergleiche schließen. Seine Prozeßhand­ lungen gereichen der streitgenössischen Hauptpartei weder zum Vorteile, noch zum Nachteile, es sei denn, daß der Fall des 8 62 vorliegt. Auch im Kostenpunkt ist er nach 8 101 Abs. 2 als Partei anzusehen (vgl. RG. 13 S. 434, 18 S. 416, Gruchot 27 S. 1068, 30 S. 443, Seuffert 39 S. 468, IW. 94 S. 542, 96 S. 333). Wird ein vom Nebenintervenienten eingelegtes Rechtsmittel zurückgewiesen, so treffen ihn deffen Kosten (8 97), es sei denn, daß die unterstützte Hauptpartei daran teilgenommen hat: RG. 59 S. 173 (IW. 96 S. 333, 00 S. 438).

Dritter Titel.

Beteiligung Dritter am Rechtsstreite §§ 70, 71.

1. die Bezeichnung der Parteien und des Rechtsstreits; 2. die bestimmte Angabe des Interesses, welches der Nebenintervenient hat; 3. die Erklärung des Beitritts. Außerdem finden die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze Anwendung. § 71. (68.) Über den Antrag auf Zurückweisung einer Nebenintervention

wird nach vorgängiger mündlicher Verhandlung unter den Parteien und dem Nebenintervenienten entschieden. Der Nebenintervenient ist zuzulassen, wenn er sein Interesse glaubhaft machtGegen das Zwischenurteil findet sofortige Beschwerde statt. Solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention rechtskräftig ausge­ sprochen ist, wird der Intervenient im Hauptverfahren zugezogen.

§ 70. Die Nebenintervention erfolgt (Abs. 1) durch Zustellung eines Schriftsatzes. Nach der imperativen Fassung des Gesetzes muß man annehmen, daß jede andere Form, namentlich ein Beitritt in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen ist (vgl. Prot. 512). Nur in gleicher Form kann auch die Nebenintervention zurückgenommen werden (RG. 56 S. 29). Anlangend den Schriftsatz, regelt sich der Anwaltszwang nach §§ 78, 501. Inhaltlich sind die Punkte unter 1—3 zwingend (a. M Heilbut ziv. Arch. 69 S. 371). Zu 2 erfordert die Individualisierung des Interesses des Nebeninter­ venienten (§ 66, vgl. RG. IW. 02 S. 213), während die Glaubhaftmachung erst in dem etwaigen Zwischenstreit in Frage kommt (§ 71, vgl. RG. 10 S. 114). Zu 3 erheischt die Angabe der zu unterstützenden Partei und den Beitritt zum Prozesse (§ 66). — Daneben soll der Schriftsatz (Abs. 2) noch den allgemeinen Erfordernissen vorbereitender Schriftsätze (§§ 131—133) genügen, da derselbe im etwaigen Zwischen­ streite (§71) zugleich als Verhandlungsgrundlage zu dienen hat. Die Zustellung des Schriftsatzes muß an beide Hauptparteien erfolgen (§71, vgl. RG. 15 S. 397, 428, 42 S. 403, 405). Erst mit ihr wird die Intervention wirksam. Einer Ladung bedarf es, abgesehen von den Fällen der §§ 340, 518, 553 (§ 66 Abs. 2), nicht. Der Intervenient wird alsdann int Hauptverfahren ohne weiteres und so lange zugezogen, bis auf Widerspruch einer Partei die Unzulässigkeit der Intervention gemäß § 71 rechtskräftig erkannt oder die Nebenintervention ge­ mäß § 271 zurückgenommen ist, was (entgegen der Klage) mit Zustimmung der Hauptparteien ohne Zeitbeschränkung erfolgen kann (RG. 56 S. 29). Ist der Beitritt nach Form oder bestimmendem Inhalt fehlerhaft, so kann jede Partei den Antrag auf Zurückweisung der Intervention stellen. Dieses Recht unterliegt jedoch dem Parteiverzicht (§ 295), so daß im Falle eines solchen die Intervention nicht von Amts wegen verworfen werden darf (§ 71, vgl. RG. 15 S. 397, IW. 01 S. 799).

§ 71.

Beitritt«, form.

«wiichtn. streit über I a) Nach Abs- 1 kann jede Hauptpartei auf Zurückweisung der Neben- Suufiung Intervention antragen und damit einen Zwischen st reit zwischen den Parteien Avi. t,a. und dem Intervenienten herbeiführrn. Der Antrag ist in der mündlichen Verhandlung (§ 295) zu stellen, mag der Widersprechende dazu besonders geladen haben oder die Verhandlung int Hauptprozesse stattfinden (a. M. Gaupp, Struckmann-Koch, SkonietzkiGelpcke). Der Antrag ist zeitlich unbeschränkt; doch wird ihm, falls er bei der ersten Verhandlung unterbleibt, später die Einrede des Verzichts entgegengesetzt werden

84

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 72.

§ 72. (69.) Eine Partei, welche für Len Fall des ihr ungünstigen Ausganges des Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadlos­ haltung gegen einen Dritten erheben ju Können glaubt oder den Anspruch eines Dritten besorgt, Kann bis ;ur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden. Der Dritte ist pt einer weiteren Streitverkündung berechtigt.

können (vgl. RG. IW. 93 S. 196). Zum Widersprüche wird es sachlich genügen, wenn das rechtliche Interesse des Intervenienten auch nur zum Teile geleugnet wird (Vgl. RG. IW. 96 S. 147, 187). b) Das weitere Verfahren ist als Zwischen streit gestaltet, mit dem Ziele, die Hauptsache dadurch möglichst wenig aufzuhallen (vgl. Begr. 88). — Parteien sind der Intervenient und die widersprechende Hauptpartei. Widersprechen beide Hauptparteien, so werden sie als notwendige Streitgenossen zu gelten haben, da über die Zulassung der Nebenintervention gegen sie naturgemäß nur einheitlich entschieden werden kann. — Mündliche Verhandlung ist systemgemäß (vgl. § 128) obli­ gatorisch. Dieselbe wird, wenn sie nicht überhaupt nur wegen des Widerspruches be­ stimmt ist, unter Umständen zunächst auf diesen Punkt zu beschränken sein (§ 146, vgl. RG 10 S. 339). Der Intervenient hat sein rechtliches Interesse, soweit es bestritten wird, glaubhaft zu machen (§ 294). — Die Entscheidung erfolgt durch Zwischenurteil (Abs. 2). Ein Versäumnisurteil ist ausgeschlossen, weil es sich (§ 347) nicht bloß um die Houptparteien handelt. Die Entscheidung ergeht auf summarische Prüfung der Sachlage, im Zweifel eher für die Zulassung (Begr. 117). Sie muß einheitlich für beide Hauptparteien auf Zulassung oder Zurückweisung der Intervention lauten. Die letztere Alternative kann auf materiellem (§ 66 Abs. 1) oder prozessualem Grunde (fehlender Glaubhaftmachung, Verspätung, § 71) beruhen Der Kostenpunkt bestimmt sich nach §§ 91, 101 «vgl. RG. 10 S. 339, 13 S. 433). — Gegen da» Zwischenurteil findet nur sofortige Beschwerde statt (Abs. 2, § 577; RG. 38 S- 402, 42 S. 402 (weitere Beschwerde)). Dabei ist es belanglos, von welcher Haupt­ partei der Widerspruch ausgegangen, und daß das Zwischenurteil mit dem Endurteil der Hauptsache formell zusammengefaßt ist (vgl. RG. 15 S. 413, 18 S. 140). Nur freilich, soweit nicht Kosten des Zulassungsstreits, sondern solche (aus der Unterstützung) im Hauptprozeß streitig sind, muß die sofortige Beschwerde versagen (vgl. RG. 19 S. 413 und IW. 94 S. 239). Abs. 3.

Streitver­ kündung.

II. Mit der rechtskräftigen Zurückweisung der Nebenintervention nimmt (Abs. 3) die Zulaffung des Intervenienten im Hauptprozeß ihr Ende. Von da ab müssen die inzwischen vorgenommencn Prozeßhandlungen des Intervenienten, soweit die unterstützte Hauptpartei solche nicht ausdrücklich oder stillschweigend zu den ihrigen gemacht hat, als von Hause aus wirkungslos gelten (vgl. § 271 Abs. 3).

§§ 72

75

Wetzel! § 72; Fuchs, Lehre von der Litisdenunziation (1855); Francke, Nebenparteien S. 74; Kroll, Klage und Einrede §§ 41—43.

Im Gegensatze zu der Nebenintervention als der freiwilligen Beteiligung eines an dem Ausgange des Hauptprozesies interessierten Dritten, steht die Streitver­ kündung als die Aufforderung einer Hauptpartei an einen interessierten Dritten, sich an dem Hauptprozeffe zu beteiligen (vgl. Begr. 89). Bon einer Bestimmung der Fälle, wo eine Hauptpartei zur Streitverkündung verpflichtet ist, und der Folgen, welche deren Unterlasiung oder Verspätung nach sich zieht, hat die ZPO. (außer in § 841) abgesehen, da hierfür das Zivilrecht maß«

Dritter Titel.

Beteiligung Dritter am Rechtsstreite § 73.

SS

§ 73. (70.) Die Streitverkündung erfolgt durch Zustellung eines Schrift­ satzes, in welchem der Grund der Streitverkündung und die Lage des Rechts­ streits anpigeben ist. Abschrift des Schriftsatzes ist dem Gegner mitMeilen. gebend ist (vgl. BGB. §§ 209 Nr. 4, 215, 485). Ebenso ist eine Vorschrift, daß dem fteiwillig Intervenierenden der Hauptpartei gegenüber eine Einrede wegen ver­ säumter Streitverkündung in allen Fällen zu versagen sei, unterlassen, weil diese Folge meist sich von selbst verstehe, während es mitunter, namentlich wenn vielleicht der Beitritt des Dritten verspätet sei oder wieder aufhöre, fraglich bleibe, inwieweit der Beitritt die Streitverkündung decke (Begr. 89). Demzufolge regeln die §§ 73—75 nur die Fälle, in denen die Streitver­ kündung zulässig ist (§ 72), die Form, in der sie zu erfolgen hat (§ 73), die Folgen, welche sich an sie knüpfen (§ 74), und einen Sonderfall (§ 75). In allen Fällen handelt es sich nur um gerichtliche Streitverkündung.

1. Zur Streitverkündung ist jede Hauptpartei befugt, bei Streitgenosienschast

der Streit»«rküntung.

jeder Streitgenoffe (§§ 61, 63), übrigens (Abs. 2) der aufgeforderte Dritte selbst wieder, auch wenn er nicht bcigetreten ist (Begr. 90).

2. Die streitverkündende Partei muß für den Fall eines ungünstigen Ausganges des Hauptprozesscs einen Anspruch an den Dritten zu haben vermeinen oder einen solchen seitens des Dritten besorgen. Erstere Eventualität bezieht sich naturgemäß auf Gewährleistungs- und Schadloshaltungs- (Regreß-) Ansprüche, letztere namentlich auf Fälle des Handelsrechts, wie bei Kommifsions-, Speditions-, Frachtund Versicherungsgeschäften, in denen der Hauptprozcß auf Gefahr und Rechnung des Dritten geführt wird. Demgemäß zielt die Streitverkündung darauf ab, entweder im Hauptprozeffe mit Hilfe des Dritten obznsiegen oder später diesem die Einrede des mangelhaft geführten oder unrichtig entschiedenen Prozesses abzuschneiden (Begr. 89). 3. Zeitlich ist die Streitverkündung, entsprechend der Nebenintervention (8 66), für die Dauer der Rechtshängigkeit des Hauptprozesses, also von der Klageerhebung bis zum Schluffe derjenigen Verhandlung, auf welche das in Rechtskraft erwachsende Urteil erfolgt, zulässig (vgl. die Note zu § 66).

§ 73. Wesentliches Formerfordernis der Streitverkündung ist, daß die Hauptpartei dem Dritten einen Schriftsatz zu stellen läßt, der die Streitverkündung enthält. Die in Abs. 2 vorgesehene abschristliche Mitteilung des Schriftsatzes an den Gegner des Streitverkündenden hat nur einen informatorischen Zweck (Begr. 91). Ob der zuzustellende Schriftsatz dem Anwaltszwange unterliegt, bestimmt sich nach Lage des Hauptprozeffes (§§ 78, 501). Inhaltlich ist, um den Dritten für seine Entschließung (§ 74) zu informieren, der Grund und das rechtliche Interesse des Streitverkündenden darzulegen (§ 72). Die außerdem noch vorgeschriebene An­ gabe der Prozeßlage erfordert z. B. die Mitteilung eines anstehenden Termins, er­ gangenen Beweisbeschluffes oder Urteils und wann letzteres zugestellt ist. Eine ab­ schristliche Mitteilung der bisherigen Prozeßverhandlungen erübrigt sich, weil der Dritte durch Einsicht der Prozeßakten sich unterrichten kann (§ 299, Begr. 90). Für eine Ladung zur Verhandlung ist nach dem Zwecke des Schriftsatzes kein Raum (vgl. RG. 4 S. 363, 6 S. 392, 10 S. 292).

Form der Streitverlündung.

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I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 74.

§ 74. (71.) Wenn der Dritte dem Ztreitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Vebenintervention. Lehnt der Dritte den Leitritt ab, oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht ans ihn fortgesetzt. Zn allen Fällen dieses Paragraphen kommen gegen den Dritten die Vor­ schriften des § 68 mit der Abweichung zur Anwendung, daß statt der Zeit des Leitritts diejenige Zeit entscheidet, zu welcher der Leitritt infolge der Streit­ verkündung möglich war. Wirfung der Streit-

8 y

74.

wttüniung.

Die Streitverkündung übt, da sie zunächst nur eine Aufforderung an den Dritten zum Beitritt enthält, an sich eine prozessuale Wirkung nicht aus. Sie kann jedoch eine solche erlangen, und zwar 1. auf den Hauptprozeß, 2. auf das Rechtsverhältnis zwischen Streitverkünder und Drittem,

«uf

1. Für den Hauptprozeß kommt es nach Abs. 1, 2 daraus an, ob der Dritte bcm Streitverkünder beitritt.

prozrp.

a) Falls er Beitritt (Abs. 1), wird sein Verhältnis zu den Hauptparteien nach den Regeln der Nebenintervention beurteilt. Form und Wirkung des Beitritts richtet sich daher nach den Vorschriften der §§ 66—71. Mit dem Beitritt wird die Zu­ ziehung des Dritten zum Hauptprozeß gemäß § 71 Abs. 3 erforderlich. Ein Wider­ spruch (§ 71 Abs. 1) ist nur auf feiten des Gegners denkbar, so daß ein Zwischen­ streit zwischen ihm und dem Dritten (§ 71) möglich erscheint. Die Rechtsstellung des zugelassenen Dritten im Hauptprozesse richtet sich nach § 67 oder § 69 (vgl. RG. Bolze 6 Nr. 895). b) Falls der Dritte nicht beitritt (Abs. 2), was sich aus ausdrücklicher Erklämng oder konkludenter Handlung ergeben kann, wird der Hauptprozeß ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt, wie wenn die Streitverkündung nicht erfolgt wäre. Es darf also auch deshalb keine Aussetzung des Hauptprozesses angeordnet werden.

2. Betreffs der Rückwirkung der Streitverkündung auf das Rechtsverhältnis zwischen Streitverkünder und Drittem (Abs. 3) sollen in allen Fällen (aber nicht im schiedsrichterl. Verfahren fRG 55 S. 15]) die Normen des § 68 gelten. a) Danach ist, ohne Unterschied, ob der Dritte beigetreten oder nicht, betreffs der verschiedenen Folgen, die für das künftige Rechtsverhältnis entstehen können, je nachdem der Dritte auf die Streitverkündung ohne Bestreiten des Regresses beigetreten oder überhaupt nicht oder verspätet beigetreten ist, auf das bürgerl. Recht zurück­ zugehen, und das Verhalten des Dritten kann nur für die Beweiswürdigung ver­ wertet werden (Begr. 89, 92, Prot. 27). Somit besteht die in § 74 festgesetzte Rück­ wirkung darin, daß der Dritte in allen Fällen der Rechtslage aus § 68 verfällt, also im künftigen Regreßprozeß die Einrede des unrichtig entschiedenen oder mangelhast geführten Hauptprozesses nicht mehr erheben kann. Hierbei sieht aber der Abs. 3 noch eine zeitliche Verschärfung obiger Rückwirkung vor (vgl. RG. 45 S. 355. Gruchot 32 S. 728). Auf den Hauptprozeß bleiben diese Folgen naturgemäß ohne Einfluß. b) Entsprechend gestaltet sich auch der Kostenpunkt. Die Kosten der Streit­ verkündung trägt zunächst als Extrahent der Streitverkünder. Über deren Erstattung seitens des Gegners wird im Hauptprozesse nicht besonders erkannt; hier hängt die Erstattungspflicht gemäß § 91 davon ab, ob die Streitverkündung zur zweckent­ sprechenden Rechtsverfolgung oder Verteidigung notwendig war. Ist dies nicht der

Dritter Titel.

Beteiligung Dritter am Rechtsstreite § 75.

87

§ 75. (72.) Wird von dem verklagten Schuldner einem Dritten, welcher die geltend gemachte Forderung für sich in Anspruch nimmt, der Streit ver­ kündet, und tritt der Dritte in den Streit ein, so ist der Deklagte, wenn er den Detrag der Forderung )u Gunsten der streitenden Gläubiger unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt, auf seinen Antrag aus dem Rechtsstreit unter Verurteilung in die durch seinen unbegründeten Widerspruch veranlaßten Losten zu entlassen und der Rechtsstreit über die Berechtigung an der Forderung zwischen den streitenden Gläubigern allein fortzusetzen. Dem obsiegenden ist der hinterlegte Retrag zuznsprechen und der unterliegende auch zur Erstattung der dem Beklagten entstandenen, nicht durch -essen unbegründeten Widerspruch ver­ anlaßten Losten, einschließlich der Losten der Hinterlegung, zu verurteilen. Fall, so bleibt es dem Streitverkünder überlassen, die Kosten im künftigen Regreß­ prozesse von dem Dritten zu beanspruchen. Dem Dritten erwachsen aus der Streit­ verkündung an sich keine Kosten; und deshalb ist auch insoweit für eine Kosten­ entscheidung im Hauptprozesse regelmäßig kein Raum (vgl. RG. 4 S. 364, 6 S. 391). Tritt er jedoch dem Streitverkünder bei, so wird betreffs der dadurch veranlaßten Kosten der § 101 Abs. 2 anwendbar.

§ 75. StreunetWach, Vorträge (2. A.) S. 109; Petersen Gruchot 25 S. 541; Kroll, Klage und Ein- scnhirren'' rede S. 190; Schmidt Busch 1 S. 109; Kühne Jahrb. s. Dogm. 17 S. 1, 174; Sef> tunfl»praten. ebendort 17 S. 158; Kohler Gruchot 30 S. 489; Schlodtmann Busch 13 S. 293; Mendels- deuten. sohn-Bartholdy, Beiträge zur Auslegung des § 75 (72) ZPO. (1898).

Der § 75 ist aus dem Schoße der RIK. hervorgegangen. Der Antragsteller Allgemeines. (Dr. Bähr) begründete denselben damit, daß ein Schuldner, der das Bestehen der Schuld gar nicht bestreite, aber von mehreren Gläubigern in Anspruch genommen werde, das Recht haben müsse, sich durch Hinterlegung des Schuldbetrages und durch Streitverkündung an den dritten Gläubiger von dem Prozeffe loszumachen und diesen auf die wahren Beteiligten abzuleiten (Prot. 27). Auf den Einwurf der Preußischen Regierung, daß die Bestimmung in betreff der Streitverkündung überflüssig sei, in betreff der Depositionsbefugnis in das bürgerliche Recht gehöre, auch in der Fassung unklar sei (Prot. 513, 658), fügte der Antragsteller noch hinzu (Prot. 658), daß die Vorschrift jedenfalls eher in die ZPO., als in das Zivilrecht gehöre, weil es sich um untrennbare Dinge handle, nämlich teils einem Zweifel, ob ein Fall der Streit­ verkündung vorliege, vorzubeugen, teils einen Schuldner, der von zwei Seiten in An­ spruch genommen werde, also nicht zahlen könne, zu entlasten. Trotz Widerspruchs der Regierungsvertreter wurde der Antrag angenommen. Nach Entstehungsgeschichte und Inhalt des § 75 wird anzunehmen sein, wenn­ gleich die Ansichten sehr auseinandergehen, daß derselbe einen besonderen Fall der Streitverkündung aufstellen, zugleich aber auch dem Schuldner einen vom bürgerl. Recht unabhängigen Weg, durch Hinterlegung und Beiladung sich von dem Schuldprozesse und von der Schuld zu befreien, hat eröffnen wollen, mit der Wirkung, daß der Prozeß alsdann lediglich zum Streite der kon­ kurrierenden Gläubiger um das bessere Recht würde. I. Zur Entlassung des Schuldners aus dem Rechtsstreite ist erforderlich: Entlassung

1. Der Schuldner muß von einem Gläubiger auf Leistung der Schuld schuidntrs. verklagt sein. Nach Grund und Zweck der Vorschrift darf man annehmen, daß dabei alle Schulden, bereit Gegenstand gesetzlich hinterlegungsfähig ist, in Betracht kommen (so

die überwiegende Auffassung), wenn auch § 75 nur von dem „Betrage" spricht. Der Fall einer Widerklage wird hier kaum praktisch werden. 2. Der Schuldner muß einem Dritten, der die geklagte Forderung ganz oder teilweise für sich beanspmcht, Streit verkünden, und der Dritte in den Prozeß eintreten. a) Die Streitverkündung, die sich naturgemäß gegen mehrere Gläubiger richten kann, erfolgt nach Vorschrift des § 73. Sie kann sich übrigens durch frei­ willigen Eintritt des Dritten mit Einwilligung des Schuldners erledigen (vgl. RG. 22 S. 393). b) Die Beteiligung des Dritten ist im Gesetz als Eintritt bezeichnet. Irr der Tat soll ja auch der Dritte nicht den Beklagten unterstützen, sondern für sich um die Schuld weiter prozessieren. Insofern steht der Dritte sachlich eigentlich dem Haupt­ intervenienten (ß 64) gleich (vgl. RG. 34 S. 403). Prozessual muß jedoch der Ein­ tritt in der Form des Beitritts gemäß §§ 70, 74 erfolgen, und der Schriftsatz statt der Erklärungen zu § 70 Nr. 2, 3 die Angabe, daß der Dritte die geltend gemachte Forderung für sich beanspruche und in den Streit eintrete, enthalten (vgl. RG. Bolze 6 Nr. 892 und IW. 85 S. 182; a. M. Wach § 59, Gaupp-Stein, Petersen a. a. O. S. 558, RG. 63 S. 320). Auch wird, wenn schon nicht dem Beklagten, so doch dem Kläger ein Widerspruch gegen den Eintritt zustehen, und somit ein Zwischenstreit zwischen Kläger und Dritten möglich sein (8 71, vgl. aber die Aus­ nahmevorschrift des 8 265 Abs. 2). 3. Endlich muß der Schuldner den Schuldbetrag (wegen Nebenforderungen vgl. RG. IW 89 S. 430) für die streitenden Gläubiger, unter Verzicht auf das Recht zur Rücknahme, hinterlegen und seine Entlassung aus dem Rechtsstreit beantragen. Obiger Verzicht ist mit Rücksicht auf die 88 376, 378 BGB. zur Erwirkung der Entlassung erforderlich. Übrigens wird er der Natur der Sache nach im Zweifel nur als für den Fall gewollt gelten, daß der hinterlegte Betrag einem der streitenden Gläubiger zugesprochen werde, und andernfalls dem Schuldner das Recht gewahrt bleiben, von den Gläubigern, entsprechend dem Falle des 8 1171 Abs. 3 BGB., die Einwilligung zur Rücknahme des Hinterlegten zu beanspruchen (vgl. Mot. z. Nov. v. 98). Die prozessuale Behandlung des Entlassungsantrages ist im Gesetze nicht be­ sonders bestimmt, dürfte aber natur- und systemgemäß dahin sich ergeben. Der An­ trag ist vom Schuldner dem Kläger gegenüber (nach vorgängiger Ankündigung durch Schriftsatz, 8 129) in der mündlichen Verhandlung zu stellen und durch den Nach­ weis obiger Erfordernisie zu begründen. Ist der Nachweis geführt, so hat der Schuldner ein Recht auf die Entlassung. Über diese ist durch Urteil zu ent­ scheiden, das sich im Falle der Ablehnung als Zwischenurteil, im Falle der Bewilligung als Teilurteil (8 301) darstellt (vgl. Planck 8 76 Note 43 und die Kommentare; a. M. Schollmeyer, Zwischenstreit S. 102). Über die Kosten ergeht zunächst nur insofern Entscheidung, als sie dem Kläger vom Beklagten durch unbegründeten Wider­ spruch, d. h. durch etwaige vor der Streitverkündung erhobene, aber hinfällige Ein­ wendungen, verursacht sind. 4. Die rechtskräftig erkannte (oder durch Vereinbarung herbeigeführte) Ent­ lassung des Schuldners hat die Wirkung, daß der Schuldner formell von dem Rechtsstreit, materiell von der Schuld befreit wird. Die Schuldbefreiung tritt naturgemäß nur im Verhältnis des Schuldners zu den streitenden Gläubigern, insoweit aber allemal ein. Für diese freilich bestrittene Annahme spricht neben der Entstehungsgeschichte (s. Bornote) die Natur der Sache. Denn nach dem in § 75 vorausgesetzten Tatbestände erkennt der Beklagte die geklagte Forderung als bestehend und die streitenden Gläubiger als berechtigte an, ist auch zu erfüllen bereit, kann aber bei der Konkurrenz der Gläubiger keinem mit Sicherheit

Dritter Titel.

Beteiligung Dritter am Rechtsstreite § 76.

89

§ 76. (73.) Wer als bescher einer Sache verklagt ist, die er auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art zu besitzen behauptet, kann, wenn er dem mittelbaren Besitzer vor der Ver­ handlung zur Hauptsache den Streit verkündet und ihn unter Benennung an den Kläger zur Erklärimg ladet, bis zu dieser Erklärung oder bis zum Schlüsse zahlen. Diese Sachlage dürste auch zivilrechtlich (vgl. BGB. §§ 372, 378) zur Deposition berechtigen; aber erst recht hat § 75 diese Rechtswirkung im Sinne. Andernfalls bedürfte es nicht der Entlassung des Schuldners aus dem doch auf Schulderfüllung abzielenden Prozesse; man könnte diesem den Lauf lassen und den Dritten auf die Hauptintervention verweisen. So aber legt § 75 die Annahme nahe, daß nur deshalb, weil das Klagerecht der Gläubiger als konsumiert und die Schuld des Beklagten als erfüllt gilt, dieser aus dem Prozeß entlassen und letzterer den Gläubigern zur Austragung des besseren Rechts an dem Erfüllungsobjekt überlassen werden soll.

II. Nach Entlassung des Schuldners setzt sich der Prozeß unter den konkurrierenden Gläubigern fort, zur Entscheidung der Frage, wem von ihnen der

Weiteres ^"s-hren.

Hinterlrgungsbetrag zuzusprechen ist. Der Fall, daß die Zusprechung an keinen von ihnen erfolgt, wird nach Lage der Sache kaum praktisch werden, erscheint aber immer­ hin möglich. Ein bis dahin unbeteiligter Gläubiger, der noch Ansprüche geltend machen wollte, wäre auf eine Hanptintervention angewiesen. Die beteiligten Gläubiger stehen sich als gewöhnliche Parteien gegenüber. Eine durch die veränderte Sachlage etwa gebotene Antragstellung ist eventuell durch die Prozeßleitung herbeizuführcn, wie etwa eine Modifizierung des Klageantrages oder ein Gegenantrag auf Zusprechung des Hinterlegungsbetrages an den Kläger oder den Eingetretenen (vgl. RG. Bolze 7 Nr. 880), wobei für Ncbenansprüche nach § 2682 (z. B. Zinsen oder Schäden) aus dem Rechtsverhältnis der Gläubiger untereinander Raum bleibt (vgl. RG. IW. 85 S. 182). Durch rechtskräftige oder vergleichsweise Zusprechung er­ langt der obsiegende Gläubiger das Recht auf Empfang des hinterlegten Betrages nach Maßgabe der hierüber bestehenden Gesetze (vgl. EGzBGB. Art. 145, PrAG. Art. 84, PrHinterlO. v. 14. 3. 79 § 40). Daneben bedarf es der Entscheidung über sämtliche Prozeßkosten, so­ weit diese nicht schon dem Schuldner auferlegt sind (vgl. Note I), mithin auch über die dem Schuldner selbst erwachsenen Kosten. Insoweit gilt der Schuldner als am Rechtsstreite fortbeteiligt; die ergehende Entscheidung gibt ihm ohne weiteres einen Erstattungstitel, selbst wenn darin seine Kosten nicht besonders bezeichnet sind; eventuell darf er auf bezügliche Ergänzung des Urteils dringen (§ 321).

83 76, 77. Wetzell § 7; Kroll, Klage und Einrede S. 194; Schmidt Busch 1 S. 108; Bolgiano dort 2 S. 521; Osterloh dort 3 S. 88; Petersen dort 3 S. 206; Krug dort 20 S. 299.

1. Dem § 76 liegt die Erwägung zugrunde, daß, wer als Besitzer einer Sache, die er im Namen eines Dritten besitze, von dem Eigentümer oder einem dinglich Berechtigten wegen Borenthaltung oder Entziehung der Sache auf deren Herausgabe verllogt werde, durch bloße Streitverkündigung an den Dritten (Auktor) regelmäßig eine seinem Interesse genügende Wirkung nicht erziele, da es ihm natur­ gemäß um völlige Abwälzung der Verteidigung auf den Auktor zu tun sein müsse. In Anerkennung dieses Bedürfnisses hat § 76 den schon im gern. Recht ausgebildeten (vgl. RG. 30 S. 137, Spolienklage) und auch in anderen deutschen Prozeßrechten (vgl. PrALR. I, 7 §§ 165, 166, I, 15 §§ 11 ff., Code civil Art. 1727) zur Geltung gelangten Rechtsbehelf der nominatio (laudatio) auctoris

Benennung deA AuktorÄ.

Bornote.

90

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 76.

des Termins, in welchem sich -er Genannte pt erklären hat, die Verhandlung

pir Hauptsache verweigern. Geltreitet der Genannte die Gehauptung des Geklagten oder erklärt er sich nicht, so ist der Geklagte berechtigt, dem Llagantrage px genügen. Wird die Gehauptung des Geklagten von dem Genannten als richtig an­ erkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Geklagten an dessen Stelle den Protest ;u übernehmen. Die Zustimmung des ülägers ist nur insoweit er­ forderlich, als derselbe Ansprüche geltend macht, welche unabhängig davon sind. übernommen; und zwar in der Gestalt, daß der Beklagte mittels einer durch Auktorbenennung erweiterten Streitverkündung in die Lage gesetzt wird, die Verteidigung entweder gegen den Willen des Klägers an den Auktor zu überlassen oder, falls dieser die Übernahme ablehnt, zu unterlassen (vgl. Begr. 92). — Der § 76 ist in der jetzigen Fassung der Abs. 1, 3 dem § 868 des BGB. über den mittelbaren Besitz angepaßt. Sonach gibt er dem Beklagten eine an sich Prozessuale Berechtigung, an deren Ausübung sich aber auch materielle Folgen knüpfen können. Die Fälle, in denen der Beklagte zur Auktorbenennung verpflichtet ist, nebst den Folgen, welche die Unterlassung der Verpflichtung nach sich zieht, bestimmen sich nach bürgerlichem Recht (Begr. 93).

2. Eine entsprechende Anwendung des § 76 ist in den Fällen des § 77, und außerhalb der ZPO. durch § 9 Abs. 4 des G. v. 12. 5. 94 zum Schutz von Waren­ bezeichnungen (RGBl. S. 441) angeordnet. Anitor­ benennung. Voraus­ setzungen.

§ 76.

I. 1.

Der § 76 setzt folgendes voraus (Abs. 1):

a) Die Klage muß gegen den Beklagten als Besitzer einer (bewegl. oder unbewegl.) Sache gerichtet fein. Das will sagen, daß die Klage lediglich durch den Besitz des Beklagteü, nicht durch rechtserzeugende Handlungen desselben, wie Ver­ trag oder unerlaubte Handlung, begründet wird. Sonst macht es keinen Unterschied, ob die Klage petitorischer, konfessorischer oder negatorischer Natur ist. In diesem Sinne dürften nach BGB. hierher gehören Klagen aus §§ 809, 810, 867, 985, 1007 Abs. 2, 1012 (1017), 1029, 1227 und aus Art. 59, 63, 65—69, 124 EG.; nicht aber Klagen aus §§ 836, 837, 908, aus §§ 861, 862, aus § 1007 Abs. 1, 2018, bei denen zum Tatbestände neben dem Besitze noch andere Momente gehören (vgl. RG 30 S. 137, 32 S. 26 wegen früheren Rechts [actio spolii, Verwahrer)). b) Der Beklagte muß seinerseits behaupten, daß er im Sinne des § 868 BGB-, d h. unmittelbarer Besitzer für einen dritten mittelbaren Besitzer sei. Ein bloßes Gewaltverhältnis gemäß § 855 BGB. kommt also nicht in Betracht.

2.

Der Beklagte muß vor Verhandlung der Hauptsache a) dem Dritten (Auktor) den Streit verkünden (§ 73) und b) denselben zur Erklärung laden, ob er anerkenne, daß der Beklagte nur für ihn besitze (§ 214), c) dem Kläger den Auktor benennen. Zu a, b können, wie im Falle des § 75, durch freiwilligen Eintritt des Dritten mit Zustimmung des Beklagten ersetzt werden (vgl. RG. 22 S. 393). Zu c erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes, dem Abschrift der Streitverkündung und Ladung beizufügen ist, darf aber auch in der mündlichen Verhandlung geschehen. Werden diese Akte nicht vor Einlassung auf die Hauptsache vorgenommen, so geht dem Be­ klagten der Rechtsbehelf verloren. Eine nachträgliche Vornahme hat nur die Wirkung der gewöhnlichen Streitverkündung. Der Auktor ist zweckmäßig gleich mit zur Er-

Dritter Titel.

Beteiligung Dritter am Rechtsstreite § 76.

91

daß der Beklagte auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im Abs. 1 bezeich­ neten Art besitzt. Hat der Benannte den Prozeß übernommen, so iss der Beklagte auf feinen Antrag von der Klage zu entbinden. Die Entscheidung ist in Ansehung der Zache selbst auch gegen den Beklagten wirksam und vollstreckbar. Körung zu laden; doch kann die Ladung auch zu einem besonderen Termine geschehen. Fällt dieser später, so muß der Beklagte den Verhandlungstermin verlegen, eventuell das Versäumnisurteil wider sich ergehen lassen und dann den Einspruch erheben.

II. Mittels obiger Akte gewinnt der Prozeß folgende Gestaltung: 1. Der Beklagte darf vorerst dem Kläger gegenüber die Verhandlung zur Hauptsache bis zur Erklärung des Dritten, spätestens bis zum Schlüsse des Er­ klärungstermines verweigern.

2. Die Erklärung des Dritten ist, als zur Verhandlung des Rechtsstreits gehörig, in dieser abzugeben. Dabei sind folgende Fälle denkbar: a) Der Dritte kann die Behauptung des Beklagten ablehnen, sei es durch Bestreiten, Nichterscheinen oder Nichterklären. Dann geht der Prozeß ohne ihn weiter, und der Beklagte hat die Wahl, ob er der Klage ohne Urteil genügen (vgl. RG. IW. 84 S. 8) oder es auf solches ankommen lassen will. Den letzteren Weg wird er naturgemäß nur aus besonderem Interesse (z. B. bei eigenem dinglichen Recht an der Sache) einschlagen, wobei dem Dritten immer noch die Möglichkeit einer Hauptoder Nebenintervention bleibt. Sonst wird er den ersteren Weg um so mehr wählen, als in dem späteren sein Rechtsverhältnis zum Dritten zum Austrage bringenden Prozesse dieser die Einreden ans § 68 mit Erfolg nicht entgegenzuhalten vermag. b) Der Dritte kann die Behauptung des Beklagten als richtig anerkennen. Dann kommt in Frage, ob er anstatt des Beklagten den Prozeß übernehmen tvill oder nicht. Will er dies nicht, so geht der Prozeß ohne ihn weiter, und der Beklagte hat sich schlüssig zu machen, ob er nun der Klage genügen oder widersprechen soll. Ein unbedingtes Recht des Beklagten zu ersterem ist hier nicht vorgesehen, obschon er später gegen die Einrede aus § 68 ebenfalls geschützt ist. Will der Dritte den Prozeß übernehmen, so bedarf er der Zustimmung des Be­ klagten, da dieser (z. B. als Pfandgläubiger oder Nutzungsberechtigter) ein Interesse daran haben kann, Partei zu bleiben. Ebenso ist die Zustimmung des Klägers er­ forderlich, wenn auch wesentlich nur insoweit (vgl. RG. 32 S. 31), als er Ansprüche, die unabhängig vom Stellvertretungsbesitz sind, also aus eigenen Handlungen des Beklagten (z. B. Schadensansprüche) geltend macht, indem insoweit die ergehende Ent­ scheidung nicht ohne weiteres gegen den Beklagten wirksam sein würde (Abs. 4). Stimmt der Beklagte zu und muß der Kläger dasselbe tun, so darf ersterer dem letzteren gegenüber seine Entbindung von der Klage beantragen. Für die Behandlung dieses Antrages gilt dasselbe, was für den Entlassungsantrag im Falle des § 75 (s. Note dazu) gilt. 3. Nach rechtskräftiger Entbindung des Beklagten tritt der Dritte statt seiner als Partei in den Prozeß ein. Dieser ist daher fortan auf den Namen des Dritten zu verhandeln und zu entscheiden, mögen auch persönliche Ansprüche an den ursprüng­ lichen Beklagten mit unterlaufen. Doch wird auch letzterem gegenüber die spätere Entscheidung in betreff der Streitsache selbst ohne weiteres vollstreckbar.

4. In Ansehung des Kostenpunktes fehlt es an einer besonderen Vorschrift; doch wird sich aus der Natur des Rechtsverhältnisses in Verbindung mit den allge­ meinen Kostenregeln (§§ 91 ff.) folgendes ergeben: Genügt Beklagter der Klage, so ist er grundsätzlich (Ausnahme nach § 93) auch dem Kläger gegenüber kostenpflichtig;

Weitere Prozeßgestaitung.

92

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien §§ 77, 78.

§ 77. Ist von dem Eigentümer einer Sache oder von demsenigen, dem ein Recht an einer Sache pifteljt, wegen einer Leeinträchtigung des Eigentums oder seines Rechts Ätage auf Beseitigung der Beeinträchtigung oder auf Unter­ lassung weiterer Beeinträchtigungen erhoben, so finden die Vorschriften des § 76 entsprechende Anwendung, sofern der Geklagte die Geeinträchtigung in Aus­ übung des Rechts eines Dritten vorgenommen pt haben behauptet.

Vierter Titel.

Wrozeßvevollmächtigle und Beistände.

§ 78. (74.) Vor Len Landgerichten und vor allen Gerichten höherer Änstan; müssen die Parteien sich durch einen bei dem pro;eßgerichte ^gelassenen Rechtsanwalt als Geoollmächtigten vertreten lassen (Anwaltsprozeß). Diese Vorschrift findet auf das Verfahren vor einem beauftragten oder erob er sich deshalb später an den Aultor halten kann, hängt von seinem Rechtsver­ hältnisse zu diesem ab. — Führt er den Prozeß weiter, so entscheidet sich die Kosten­ pflicht zwischen ihm und dem Kläger in gewöhnlicher Weise, so daß er im Falle seines Obsiegens gemäß § 91 auch Erstattung der Kosten der Streitverkündung und Auktorbenennung verlangen kann. Als obsiegend muß er auch dann gelten, wenn er auf seinen Antrag vermöge des Nechtsbehelfs aus § 76 von der Klage entbunden wird. — Für den weiteren Prozeß zwischen Kläger und Drittem kommen die ge­ wöhnlichen Kostenregeln ebenfalls zur Anwendung, derart, daß ersterer unter Um­ ständen auch den Ersatz der ihm gegen den ursprünglichen Beklagten erwachsenen Kosten fordern kann.

§ 77.

Entsprechende

'

Der § 76 hat zunächst nur Fälle im Auge, wo der Besitzer einer Sache wegen ' solcher Beeinträchtigung des Eigentums oder eines sonstigen dinglichen Rechts, welche

durch Borenthaltung oder Entziehung des Besitzes erfolgt, verklagt wird. Es sind aber Fälle denkbar, in denen die Beeinträchtigung auf Störungen anderer Art beruht. Hierher gehören nach BGB. die Fälle aus §§ 1004, 1017, 1027, 1029, 1227 und aus den in Art. 59, 63, 65—69, 124 EG. vorbehaltenen Landes­ gesetzen, sofern die Klage auf Beseitigung oder fernerweite Unterlassung der Störungen gerichtet wird. Behauptet in solchen Fällen der Beklagte nun, daß er nur in Ausübung der Rechte eines Dritten gehandelt habe, wie z. B. auf Grund von Pacht, Miete, Dienst- oder Werkvertrag, Auftrag oder als bloßer Gewalthaber gemäß § 855 BGB., so ist eine dem § 76 verwandte Rechtslage gegeben, und deshalb hat die Nov. v. 98 für diese Prozesse die entsprechende Anwendung des § 76 vorgeschrieben.

4. Titel,

prozrßbevollmlichtkyte und Beistände.

Rosenberg, Stellvertretung im Prozeß, 1908. Bornote.

I. In Titel 4 wird die auf dem Parteiwillen beruhende Vertretung prozeßfähiger Parteien geregelt (gewillkürte Vertretung). Dabei ist der Parteibegriff im weiteren Sinne zu nehmen, so daß er die eigentlichen Parteien, dritte Beteiligte und die gesetzlichen Vertreter beider umfaßt (vgl. Vornote I zu Abschn. 2).

Vierter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände § 78.

93

suchten Richter sowie auf pro;eßhandlungen, welche vor lern Gerichtsschreiber vorgenommen werden können, keine Anwendung. Gin bei dem prozeßgerichte ;ugelaffener Rechtsanwalt kann sich selbst ver­ treten. n. Die gewillkürte Vertretung ist in Tit. 4, entsprechend dem Zwecke des Prozeßverfahrens, grundsätzlich nur für deren äußere Seite, d. h. für ihre recht­ liche Wirksamkeit dem Gegner des Vertretenen, Dritten und dem Gericht gegenüber geregelt, während die innere Seite, d. h. das vertragliche Verhältnis zwischen Ver­ treter und Vertretenem dem bürgerlichen Recht überlassen ist. Immerhin hat die ZPO. auch auf letzterer Seite einzelne Punkte geordnet; so namentlich betreffs der Gebühren der Rechtsanwälte (vgl. ZPO. §§ 34, 87, 102, 1153, 125 in Verbindung mit RAO. 88 26 ff. u. RAGebO.).

III. Die gewillkürten Vertreter werden in Prozeßbevollmächtigte und Beistände eingeteilt. An ihrem Wesen ändert es nichts, daß ihre Bestellung auf gesetzlicher Nötigung beruht, wie bei Bevollmächtigung im Anwaltsprozeß und bei Zustellungsbevollmächtigten (§§ 78, 174). In betreff der Prozeßbevollmäch­ tigten behandelt Tit. 4 (§§ 78—89) deren Auswahl (§§ 78, 79), die Form und Wirksamkeit der Vollmacht (§§ 80—85), die Beendigung der Vertretung (§§ 86, 87) und den Mangel des Auftrages oder der Vollmacht (§§ 88, 89)! In betreff der Beistände (§ 90) ist deren Zulässigkeit und Wirksamkeit geregelt. Dabei ist vorweg zu bemerken, daß für die Statthaftigkeit der gewillkürten Vertretung im Zivilprozeffe keine Beschränkungen vorgesehen sind, ausgenommen für gewisse ganz persönliche Handlungen, wie für Eidesleistungen (§ 478; vgl. jedoch § 5 EG.), für Sühnetermine in Ehesachen (§ 610) und für Fälle der Anordnung des per­ sönlichen Erscheinens von Parteien (§§ 141, 296).

§ 78.

Anwalts­ zwang. I. Abs. 1 legt den Parteien in Prozeffen vor Kollegialgerichten die Verpflichtung Anwaltsauf, sich durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Rechtsanwalt als Prozeß. Abs. 1.

Bevollmächtigten vertreten zu lassen. Diese Beschränkung der Parteien in der Auswahl ihrer Vertreter beruht auf der Erwägung, daß die Prozeffe vor kollegialisch formierten Gerichten der Regel nach komplizierter seien, und deshalb die verordnete Bertretungsart im Interesse einer ersprießlichen Rechtspflege liege (vgl. Begr. 96).

1. Das Verfahren vor Kollegialgerichten begreift nach Abs. 1 in Ver­ bindung mit dem GVG.: a) die Verfahren, für welche das Landgericht zuständig ist, d. h. den Land­ gerichtsprozeß 1. Instanz und die 2. Instanz im Amtsgerichtsprozesse (GVG. §§ 70, 71, 100 ff, Prot. 739, ZPO. §§ 253—494, 511—544). b) die Verfahren, für welche ein Oberlandesgericht, ein Oberstes Landesgericht oder das Reichsgericht zuständig ist, d. h. die Berufung, Revision und Beschwerde im Landgerichtsprozeffe (GVG. §§ 123, 135, EG. dazu § 8, ZPO. § 569 Abs. 2). Auf die Konsulatsbezirke und Schutzgebiete findet Abs. 1 nur be­ schränkte Anwendung. Vgl. KonsGerG. v. 7. 4. 00 (RGBl. S. 213) §§ 19 ff, 41; SchutzgebietsG. v. 10. 9. 00 (RGBl. S. 812) § 3. Das Verfahren vor zugelaffenen besonderen Gerichten (GVG. §§ 13, 14) unterliegt nach § 3 EGzZPO. dem Anwaltszwange nur, sofern solcher reichsoder landesgesetzlich eingesührt ist. Für das Verfahren vor den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten ist eine Vertretung durch Rechtsanwälte ausdrücklich ausgeschloffen (GewGG. v. 29. 9. 01 § 31, KfmGG. v. 6. 7. 04 § 16).

umfang.

2. a) Der Anwaltszwang trifft subjektiv die Parteien im weiteren Sinne und deren gesetzliche Vertreter. Dies gilt auch, wenn sie zum Richteramt oder zur Rechtsanwaltschaft befähigt sind, mithin für Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte und öffentliche Behörden in eigenen Sachen (vgl. RG. 14 S. 29), ausgenommen die beim Ms. 3. Prozeßgericht selbst zugelassenen Anwälte (Abs. 3), und zwar ohne Unterschied, ob sie Partei oder nur gesetzlicher Vertreter sind (vgl. RG. Gruchot 32 S. 1167). b) Objektiv gilt der Zwang für das ganze Verfahren vor dem Prozeßgericht; somit nicht nur für die mündliche Verhandlung (§ 128), sondern auch außerhalb der­ selben für den Schristenwechskl und für schriftliche Anträge, soweit diese die Einleitung oder Fortführung des Rechtsstreits oder einer Instanz (vgl. RG 40 S. 370 [§ 250]), und nicht bloß Akte der Justizverwaltung (z. B. Bestimmung des zuständigen Gerichts, Gestattung der Einsicht von Prozeßakten, §§ 37, 299) oder das Zustellungswesen (vgl. RGPl. 17 S. 392, 24 S. 418, 30 S. 389, 33 S. 399) betreffen. w. 2. 3. Hiervon sieht Abs. 2 jedoch zwei Ausnahmen vor, nämlich einesteils für das Ausnahmkn.Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter (vgl. §§ 296, 348, 361, 362, 372, 375, 402, 434, 479, 619, RG. 12 S. 356), andernteils für Prozeß­ handlungen, die nach besonderer Bestimmung vor dem Gerichtsschreiber (oder schriftlich) vorgenommen werden können (vgl. §§ 37, 44, 104, 118, 127, 248, 386, 406, 486, 569 Abs. 2, 920, 936, 947), gleichviel, in welcher Form dieselben tat­ sächlich vorgenommen werden. Äugrlasienk 4. Die Vertretung muß durch einen beim Prozeßgericht zugelassenen Anwälte. Anwalt als Bevollmächtigten erfolgen. Die Vertretung selbst ist grundsätzlich dahin normiert, daß der Vertreter durch seine Prozeßführung die Partei ebenso verpflichtet, als wenn sie selbst handelte (§§ 81, 85), und daß für die eigene Tätigkeit der Partei nur ausnahmsweise Raum bleibt (vgl. §§ 85, 137, 139, 141, 296, 478, 610, 619, 654). Als Pro zeßgericht gilt dasjenige, bei welchem durch die gerade in Frage stehende Prozeßhandlung der Rechtsstreit anhängig gemacht oder fortgeführt werden soll (vgl. RG. 1 S. 431, 5 S. 374, 7 S. 403). Die Zulassung der Rechtsanwälte erfolgt nach Maßgabe der RAO. §§ 1—25 für Amts-, Land- und Oberlandesgerichte, der §§ 98—100 für das Reichs­ gericht. Dort findet sich aber in den §§ 25, 27 der Grundsatz des § 78 teilweise durchbrochen. Nach § 25 kann nämlich für einen zeitweise behinderten Anwalt eine Stellvertretung erfolgen, und zwar durch einen anderen zugelasienen Anwalt, einen Gerichtsaffeffor oder einen mindestens seit zwei Jahren im Vorbereitungsdienste stehenden Referendar. Die Vertretung durch einen anderen Anwalt kann der be­ hinderte Anwalt nach § 81 ZPO. sich selbst bestellen; die sonstige muß durch die Landesjustizverwaltung angeordnet werben. Nach § 27 Abs. 2 RAO. kann in der mündlichen Verhandlung, einschließlich der Beweisaufnahme, vor dem Prozeßgericht der Prozeßbevollmächtigte (§ 81 ZPO.) jedem, also auch einem nicht zugelasienen Anwälte, seine Vertretung ober doch die Ausführung der Parteirechte (Plaidoyer) übertragen; und hierzu bedarf es zwecks der Vertretung schriftlicher Substituierung (RG. 3 S. 404), sonst persönlicher Vorstellung und Ausweisung des Vertreters vor dem Prozeßgericht. Auch der so herbeigeführten Vertretung kommt im Rahmen ihrer Zulässigkeit die in den §§ 81, 85 vorgesehene Wirkung zu (vgl. RG. 10 S. 380, 14 S. 394, IW. 84 S 296). Diese Bestimmungen finden mit den Modifikationen nach §§ 98 bis 101 RAO. auch aus die Anwaltschaft am Reichsgericht Anwendung (vgl. RGPl. Gruchot 28 S. 265). II. Die Vorschrift des § 78 ist, da sie eine im öffentlichen Interesse erlassene Grundform des Prozesies enthält, zwingender Natur, daher ihre Befolgung von Amts wegen zu berücksichtigen und dem Parteiverzicht entzogen (vgl. §§ 139 295, 335, 341, 535, 566, 574).

Vierter Titel.

Prozeßbevollmächtigte und Beistände §§ 79, 80.

95

§ 79. (75.) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, können die Parteien den Rechtsstreit selbst oder durch jede projeßfähige Person als bevollmächtigten führen. § 80. (76.) Der Bevollmächtigte hat die Bevollmächtigung durch eine schriftliche Vollmacht nachzuweisen und diese ;u den Gerichtsakten abjugeben. Eine Privaturkunde muß auf Verlangen des Gegners gerichtlich oder notariell beglaubigt werden. Bei der Beglanbignng bedarf es weder der Zu­ ziehung von Zeugen noch der Aufnahme eines Protokolls. § 79.

1. Zufolge § 78 Abs. 1, 2 findet der Anwaltszwang nicht statt teils für die 1. Instanz des Amtsgerichtsprozesses (§§ 495—510 c, von der Begr. 99 auch Parteiprozeß genannt), teils für die in § 78 Abs. 2 bezeichneten Handlungen im Landgerichtsprozeß und in der Nechtsmittelinstanz des Amtsgerichtsprozeffes. Dasselbe gilt außerhalb des Zivilprozefies u. a. für Anmeldungen im Konkurse (KO § 139), wie für Anträge und Erklärungen in Angelegenheiten der freiwill. Gerichtsbarkeit (G. v. 20. 5. 98 § 11).

Freie Wahl des VerVer­ treten,

2. In obigen Fällen läßt tz 79 den Parteien die Wahl, den Prozeß selbst oder durch einen prozeßfähigen Bevollmächtigten zu führen. Ersterenfalls können sie nach § 90 mit einem Beistände erscheinen, letzterenfalls nach § 83 Abs. 2 für einzelne Prozeßhandlungen Vollmacht erteilen. Allemal muß aber der Bevoll­ mächtigte selbst auch gemäß § 52 prozeßsähig sein (vgl. Begr. 101; Note zu § 78). Auch Anwälte können so bevollmächtigt werden. Ihnen gegenüber fällt die Schranke aus § 78 fort, während die Vorschriften der §§ 87 Abs. 1, 88 Abs. 2 An­ wendung finden. Eine Befugnis, bei zeitweiliger Behinderung sich einen Nichtrechts­ kundigen (§§ 25, 26 RAO.) zu substituieren, kommt ihnen nicht zu (vgl. RG. 10 S. 381, 21 S. 355; vgl. übrigens den § 157). Ob und inwieweit Nichtanwälten ein klagbarer Honoraranspruch an den Machtgeber zusteht, ist aus dem bürgerlichen Rechte zu entscheiden (Begr. 101); nach der RAGebO. haben sie keinen Anspruch (vgl. RG. 14 S. 394, 21 S. 355).

8 80. I. a) Die in Abs. 1 dem Bevollmächtigten auserlegte Verpflichtung, sich als solchen auszuweisen, ist nur nach außen hin, also dem Gegner und dem Gericht gegenüber gemeint, ohne daß es auf das die Vollmacht begründende Rechts­ verhältnis (BGB. § 167) dabei ankommt (vgl. RG. 49 S. 346). Sie ist als all­ gemeine bezeichnet, erhält aber ihre praktische Bedeutung erst durch die Bestimmungen der §§ 88, 89 über die Folgen, welche ihre Nichtersüllung dem Gegner oder dem Gericht gegenüber nach sich zieht. b) Als nachweispflichtig ist allgemein der Bevollmächtigte hingestellt. Danach trifft die Verpflichtung jeden Bevollmächtigten, sei er Rechtsanwalt oder Privatperson (88 78, 79), auch dann, wenn er der Partei gemäß §§ 115, 668 ZPO. oder § 33 RAO. btigeordnet ist, da der Beiordnpngsbeschluß die Vollmacht nicht zu ersetzen vermag (Begr. 102, RG. IW. 83 S. 154, RG 47 S. 413). c) Der Nachweis geht auf Beibringung einer schriftlichen Vollmacht. Nur im Mahnverfahren wird davon abgesehen (§ 703). Für die freiwill. Gerichts­ barkeit vgl. 88 13, 167, 182, 183 des G. v. 20. 5. 98. Der Schriftform wird genügt durch eine Privaturkunde, die unterschrieben oder mit gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichen unterkreuzt ist. Dies entspricht dem § 416 ZPO. und dem § 126 BGB. (auch dem Art. 94 WO).

Nachweis der Bevollmüchltgung.

atf. i.

96

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 81.

§ 81. (77.) Die proseßvollmacht ermächtigt pi allen den Rechtsstreit be­ treffenden pro;esthandlungen, einschliesttich derjenigen, welche durch eine Wider­ klage, eine Wideraufnahme des Verfahrens und die Zwangsvollstreckung veranDie Beibringung kann erfolgen durch Vorlegung einer dem Bevollmächtigten übergebenen Urkunde oder durch Aufnahme einer solchen zum Sitzungs- oder Gerichts­ schreiberprotokoll (vgl. Begr. 101, BGB. § 167). Für den Inhalt ist eine besondere Vorschrift als entbehrlich erachtet (Begr. 102). Nach der Natur der Sache muß die Urkunde mindestens die Personen des Macht­ gebers und des Bevollmächtigten bezeichnen und eine auf die Vertretung in dem kon­ kreten Prozesse sich erstreckende Ermächtigung aussprechen. Letzteres erfordert nicht, daß die Vollmacht für jenen Prozeß besonders erteilt wird; dieselbe kann auch für die Gesamtheit oder gewisse Klassen von Prozessen des Machtgebers ergehen (General­ vollmacht, § 173) oder auch aus einer anderweitigen, gesetzlich zugleich die Prozeß­ führung umfassenden Ermächtigung erhellen (vgl. u. a. HGB. § 49, WO. Art. 17). d) Die beigebrachte Vollmacht ist zu den Gerichtsakten abzugeben. Diese Pflicht soll den Gegner gegen die Einrede sichern, daß er mit einem falschen Bevoll­ mächtigten sich eingelassen habe, und zugleich den Machtgeber in die Lage setzen, sich auch im Zwangsvollstreckungsversahren auf die bei den Prozeßakten befindliche Vollmacht zu berufen (vgl. Prot. 515, 516). Bei öffentlichen Urkunden oder beglaubigten Privat­ urkunden genügt die Abgabe einer beglaubigten Abschrift derselben (§ 435, Prot. 515). Die Erfüllung dieser Verpflichtung kann der Gegner oder das Gericht nach Maßgabe der §§ 88, 89 fordern. Abs. 2.

II. Eine Privatvollmacht muß der Bevollmächtigte auf Verlangen des Gegners beglaubigen lassen (Abs. 2). 1. Somit unterliegen Vollmachten in öffentlicher Urkunde der Vorschrift nicht. Die Erfordernisse einer solchen Urkunde ergeben sich aus § 415 in Verbindung mit den §§ 167 ff. G. über die freiwill. Gerichtsbarkeit v. 20. 5. 98. Demzufolge be­ dürfen die von inländischen Staats- oder Kommunalbehörden oder Kirchenverwal­ tungen ordnungsmäßig ausgestellten Prozeßvollmachten nicht der Beglaubigung (vgl. Prot. 659). Für Vollmachten, die vor ausländischen Behörden oder Urkundspersonen ausgestellt sind, genügt in jedem Falle Beglaubigung durch einen Gesandten oder Konsul des Deutschen Reiches (§ 438, G. v. 2. 5. 78 § 2 ; vgl. G. v. 8. 11. 67 § 16). 2. Das Verlangen steht nur dem Gegner zu, nicht auch dem Gericht, selbst nicht auf Grund des § 88 Abs. 2. Der Gegner darf dasselbe in jeder Prozeßlage, auch außerhalb der mündlichen Verhandlung und ohne Begründung stellen. Es kann fich daraus ein Anlaß zu Vertagung bzw. Fristbestimmung ergeben (vgl. § 89). 3. Die Beglaubigung der Unterschrift muß gerichtlich oder notariell geschehen, ohne daß es der Zuziehung von Zeugen und der Aufnahme eines Protokolls bedarf. Die Beglaubigung durch eine andere Behörde genügt also nicht. Inwieweit Gerichte oder Notare zur Beglaubigung befugt sind, und in welcher Form diese zu geschehen hat, bestimmen jetzt die §§ 167 ff. G. über die freiwill. Gerichtsbarkeit. Zur Beglaubigung im Auslande sind die Reichskonsuln zuständig (G. v. 8 11. 67 §§ 16 ff.). 4. Die Kosten der Beglaubigung muß der Machtgeber vorschießen, vorbehaltlich des Anspruchs auf Erstattung gegen den unterliegenden Gegner (§ 91, vgl. Begr. 102).

u&X'r

88 81-83.

tiguug.

Für die Festsetzung des Umfangs der Prozeßvollmacht ist die ZPO. von zwei Gesichtspunkten ausgegangen. Einesteils hat sie im wesentlichen nur das Verhältnis deS Machtgebers zur Gegenpartei, also nur die äußere Seite der Sache, in Berück­ sichtigung gezogen. Andernteils hat sie hier ebensowohl den Schutz des Gegners

Bornote.

Vierter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände § 81.

97

laßt werden; zur Gestellung eines Vertreters sowie eines Gevollmächtigten für die höheren Instanzen; zur Geseitigung des Rechtsstreits Lurch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend gemachten Ansprache; zur Cmpfangnahme der von dem Gegner zu er­ stattenden Losten. gegen Schikanen des Machtgebers als die Wahrung eines freien Gerichtsverfahrengegenüber zu enger Bemessung der Befugnisse des Bevollmächtigten im Auge gehabt. Demzufolge hat sie, von dem das bürgerl. Berkehrsleben beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben aus (BGB. § 157}, den Bevollmächtigten in den §§ 81—83 zu len weitestgehenden Befugnissen ermächtigt.

§ 81.

In, tzLIlpt. proze-.

I. Nach § 81 ermächtigt die Prozeßvollmacht grundsätzlich zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen. Damit bat das Gesetz (vgl. Begr. 103) alle Handlungen im Sinne, welche der regelmäßige Verlauf des Prozesses mit sich bringt, so daß namentlich auch das Geständnis von Tatsachen, die Aner­ kennung von Urkunden, die Zu- und Zurückschiebung und Erlassung von Eiden, die Änderung, Erweiterung und Zurücknahme von Klagen, die Einlegung und Zurück­ nahme von Rechtsmitteln hierher gehören (vgl. § 85). II. Aber die Ermächtigung erstreckt sich auch auf gewiffe besondere Hand­ lungen, die an sich nicht oder nicht zweifelsfrei in obigen Rahmen fallen. Dabei ist erwogen, daß eine Partei ihre Rechtssache dem Bevollmächtigten doch übertrage, um sie nach seinem besten Ermessen, nicht, nm sie gegen seine im Laufe des Verfahrens gewonnene Überzeugung, unter Schädigung seiner Anwaltsehre und unter Verursachung nutzloser Kosten weiter zu führen. Zugleich hat das partikularrechtlich bestehende Er­ fordernis einer Spezialvollmacht beseitigt werden sollen (vgl. Begr. 103). Die besonderen Handlungen sind: a) Die Widerklage (§§ 33, 280), die Wiederaufnahme (§§ 578ff.), die Zwangsvollstreckung (Buch VIII). Unter Zwangsvollstreckung sind nach Wortlaut und Tendenz des Gesetzes zu ver­ stehen alle Arten derselben, also auch die in das unbewegliche Vermögen, wie solche Verfahren, die aus der Vollstreckung unmittelbar hervorgehen, wenn sie auch formell selbständig und von Dritten veranlaßt sind, namentlich gemäß §§ 731, 767, 771, 805 (vgl. Begr. 103, 104, Wach a a. O-, Kommentare; a. M. Petersen-Hamburg Busch 9 S. 362). Anders liegt es wohl beim Konkurse, da dieser über die Realisierung des dem einzelnen Gläubiger im Rechtsstreite Zugesprochenen hinausgeht (vgl. Wach a. a. O., Struckmann-Koch, v. Wilmowski-Levy, Gaupp-Stein; a. M. Seuffert). b) Die Substitution. Diese begreift nach § 81 die Bestellung eines Ver­ treters und die Bestellung eines Bevollmächtigten für eine höhere Instanz. Ersterer kann für den ganzen Prozeß oder für einzelne Prozeßhandlungen nach Maßgabe der §§ 78, 79 ZPO. und §§ 25, 27 RAO. bestellt werden, und fungiert neben dem Prozeßbevollmächtigten als dem eigentlichen Bevollmächtigten, ein Moment, dem die §§ 176, 246 für die Zustellung und die Unterbrechung des Verfahrens Rechnung tragen. Der Bevollmächtigte für eine höhere Instanz gilt für diese als alleiniger Vertreter gemäß § 78 Abs. 1. c) Die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich (BGB. § 779), Verzicht auf den Streitgegenstand und Anerkennung des gegnerischen Anspruchs (§§ 306, 307), ohne Unterschied, ob sie gerichtlich oder außergerichtlich erfolgt. Es handelt sich hiernach um rechtsgeschäftliche Handlungen im Sinne des § 107 BGB. Bei dieser Ausdehnung der Ermächtigung ist solche unbedenklich auch auf Abgabe und Rktncke, ZPO. 6. Ausl.

7

98

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien §§ 82, 83.

§ 82. (78.) Die Vollmacht für den Hauptpro;eß umfaßt die Vollmacht für das eine Hauptinteroention, einen Arrest oder eine einstweilige Verfügung betreffende Verfahren. § 83. (79.) Eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht tzat dem Gegner gegenüber nur insoweit rechtliche Wirkung, als diese Be­ schränkung die Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich, Verzichtleistung auf den Streitgegenstand oder Anerkennung des von dem Gegner geltend ge­ machten Anspruchs betrifft. Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Voll­ macht für einzelne Proreßhandlungen erteilt werden. Empfangnahme einer Aufrechnung (BGB. § 388, RG. 50 S. 426), einer Anfechtung (§ 143 BGB-, RG. 48 S. 221, 49 S. 392, 53 S. 148), eines Rücktritts vom Vertrage (BGB. § 349, RG. 50 S. 143), einer Anfechtung nach dem G. v. 20. 5. 98 (RG. 52 S. 343), einer Kündigung (RG. 53 S. 212) zu beziehen (so auch Wach Busch 27 S. 1, obwohl streitig). Dagegen ermächtigt die Prozeßvollmacht nicht zur Aufforderung gemäß § 1571 Abs. 2 S. 2 BGB , weil diese Aufforderung ein rein persönliches Recht geltend macht (RG. 58 S. 228, § 613 ZPO.). d) Die Empfangnahme der vom Gegner zu erstattenden Kosten (§§ 104 ff.). Aus dieser Vorschrift ist zu schließen, daß zum Empfange der Haupte leistung der Prozeßbevollmächtigte allemal, auch in der Zwangsvollstreckung, einer Spezialvollmacht bedarf. Für Dielen» verfahren.

§ 82. In Konsequenz des § 81 läßt § 82 die Vollmacht für den Hauptstrert zugleich diejenige für gewisse Nebenverfahren, die formell selbständig sind, aber mit dem. Hauptstreite sachlich Zusammenhängen, umfassen. Es sind dies die Hauptinter­ vention (§ 64), der Arrest und die einstw. Verfügung (§§ 916, 935, vgl. RG. 15 S. 428, 37 S. 378 sZustellung^). Naturgemäß gilt umgekehrt eine für diese Nebenverfahren erteilte Vollmacht nicht auch für den Hauptstreit (vgl. Begr. 104).

Beschrän* tung des

§ 83.

Iwans™

8 83 läßt eine Beschränkung des gesetzlichen Umfangs der Vollmacht dem Gegner gegenüber nur in zwei Punkten wirksam sein, nämlich: a) nach Abs. 1 insofern, als sie die Beseitigung des Rechtsstreits durch. Dispositionsakte (§ 81) betrifft, eine für den Anwalts- wie für den Partei­ prozeß geltende Vorschrift. Diese Beschränkung erlangt Wirksamkeit durch die bloße Aufnahme in die Voll­ macht. Der Anzeige an den Gegner (§ 87 Abs. 1) bedarf es auch im Anwalts­ prozesse nicht, da es dessen Sache ist, die Vollmacht sich vorlegen zu laffen und ein­ zusehen (§§ 80, 88); und eine Ausnahme wird nur für den Fall geboten sein, daß die Beschränkung erst nachträglich erklärt wird (vgl. Wach a. a. O. und die Kom­ mentare). In Preußen ist beiläufig den Verwaltungsbehörden die Aufnahme obiger Beschränkung in die von ihnen auszustellenden Prozeßoollmachten allgemein zur Pflicht gemacht (Erl. v. 17. 8. 81, MBl. f. d. i. B. 177). Jede andere Beschränkung ist dem Gegner gegenüber rechtlich unwirksam, auch wenn sie ihm bekannt war. b) Nach Abs. 2 ist für den Parteiprozeß und für die zwanzfreien Teile des Anwaltsprozeffes (§§ 78 Abs. 2, 79) die Erteilung einer Vollmacht für einzelne Prozeßhandlungen gestattet. Danach kann im Anwaltsprozeß ein gemäß Abs. L

Vierter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände §§ 84, 85.

99

K 84. (80.) Mehrere Bevollmächtigte sind berechtigt, sowohl gemeinschaft­ lich als einzeln die Partei zu vertreten. Eine abweichende Bestimmung der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber keine rechtliche Wirkung.

§ 85. (81.) Die von dem Bevollmächtigten vorgenommenen Prozeßhand­ lungen sind für die Partei in gleicher Art verpflichtend, als wenn sic von der Partei selbst vorgenommen wären. Dies gilt von Geständnissen und anderen tatsächlichen Erklärungen, insoweit nicht dieselben von der miterschienenen Partei sofort widerrufen oder berichtigt werden. Bevollmächtigter mit einem eigentlichen Prozeßbevollmächtigten und einem Vertreter desselben (§ 81) konkurrieren.

8° 84.

Niedrere ««»oll.

1.

Der § 84 setzt voraus, daß eine Partei (bei Streitgenossenschast derselbe Streit- "WW«. genösse) mehrere Bevollmächtigte bestellt. Dies kann in einer oder in mehreren gleich- oder nachzeitigen Vollmachten geschehen, wobei letzterenfalls erhellen muß, daß die spätere Vollmacht neben, nicht an Stelle der früheren gelten soll. Die Vorschrift wird besonders für die Assoziation von Rechtsanwälten von Bedeutung. 2. Die mehreren Bevollmächtigten können nach Belieben gemeinschaftlich oder einzeln die Vertretung ausüben. Eine abweichende Bestimmung (z. B. durch die Klausel samt und sonders) ist dem Gegner gegenüber ohne Wirkung. Ein ge­ meinschaftliches Handeln setzt naturgemäß eine zeitlich und sachlich einheitliche Tätig­ keit der Mehreren voraus (vgl Mach a. a. O.). Bei nicht einheitlichem Handeln der Mehreren kann die rechtliche Wirksamkeit unter Umständen Zweifel erregen. Dabei wird die erkennbare Absicht der Handelnden entscheiden müssen, von dem Gesichtspunkt aus, daß eine von einem Bevollmächtigten vorgenommene Handlung durch eine spätere Handlung eines anderen an sich nicht entkräftet, sondern nur, soweit zulässig, z. B. durch Widerruf gemäß § 290, durch Verzicht oder Zurücknahme gemäß §§ 271, 515 wieder beseitigt werden kann. 3. Neben § 84 bleibt gemäß § 13 EGzZPO. die Vorschrift des § 48 Abs. 2 HGB. über Gesamtprokura ausrecht erhalten (vgl. Begr. 105), so daß Kollektiv­ prokuristen auch im Prozesse nur gemeinschaftlich handeln können (vgl. §§ 173, 189).

f § 85.

1. Der Grundsatz, daß der Machtgeber durch die Prozeßhandlungen des Bevoll­ mächtigten ebenso, wie durch seine eigenen, verpflichtet wird (volle Repräsen­ tation), ist, während er den Vorschriften über die gesetzliche Vertretung (§ 52) nur stillschweigend zugrunde gelegt worden, für die gewillkürte Vertretung in § 85 be­ sonders ausgesprochen, was mit § 164 BGB. übereinstimmt. Dabei wird naturgemäß vorausgesetzt, daß der Bevollmächtigte innerhalb seiner gesetzlichen Befugnisse (ZF 81—84) gehandelt hat. Der Grundsatz äußert seine praktische Bedeutung insbesondere mit Bezug auf schuldhafte Versäumungen des Vertreters, indem dem Machtgeber gegen solche die Wiedereinsetzung ohne erhebliches Korrektiv versagt wird (§ 232, 102, 235). Daß die Handlungen des Bevollmächtigten auch für den Machtgeber wirken, ist vom Gesetz als selbstverständlich angesehen (BGB § 164). 2. Eine Einschränkung der Repräsentation läßt § 85 nur im Bereich der mündl. Verhandlung für Geständnisse und andere nachteilige tatsächliche Erklärungen des Bevollmächtigten insoweit zu, als diese durch sofortige Widerrufung oder Berichti­ gung seitens des miterschienenen Machtgebers entkräftet werden. Eine Ausdehnung dieser Beschränkung auf die Anerkennung von Ansprüchen und auf Eideserklärungen 7*

Wirkung der Vertretung.

100

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 86.

§ 86. (82.) Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmacht­ gebers, noch Lurch eine Veränderung in Letreff seiner pro;eßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Geoollmächtigte hat jedoch, wenn er nach Aussetzung des Rechtsstreits für den Nachfolger im Rechtsstreit austritt, eine Vollmacht desselben behubringen. erscheint nach Fassung und Entstehungsgeschichte ausgeschlossen (a. M. Seuffert; über­ einstimmend Gaupp, Petersen). Die Frage der sofortigen Widerrufung oder Be­ richtigung ist nach den Umständen, besonders der nächstmöglichen Gelegenheit zum Worte, zu entscheiden. Ter gleiche Gesichtspunkt dürfte auch für die Frage gelten, ob und inwieweit der Bevollmächtigte an vorgängige Taterklärungrn des Machtgebers gebunden ist; eine Ausfassung, der die §§ 85, 90, 141, 286 nicht entgegentreten (vgl. RG. 10 S. 425, Wach a. a. £)., Planck a a. O., die Kommentare).

erlisten bet Vollmacht.

§§ 86,’ 87« Die Aufhebung der Prozeßvollmacht ist in 88 86, 87 nur von dem Gesichts­ punkt aus geregelt, den Fortgang des Prozesies möglichst zu sichern. Im übrigen sind von der ZPO. naturgemäß die Vorschriften des bürgert Rechts stillschweigend zugrunde gelegt. Solche finden sich im BGB. §§ 168, 671 ff., 715 ff. Die 88 86, 87 sind anwendbar ohne Unterschied, ob die Vollmacht für den ganzen Prozeß (8 78) oder nur für einzelne Prozeßhandlungen (8 83 Abs. 2) er­ teilt ist.

Berlnbe» rangen auf

gebe?«*

8 86.

I- Von dem obigen Gesichtspunkt aus bestimmt § 86, daß die Vollmacht nicht erlöschen soll durch gewisse Veränderungen auf feiten des Machtgebers, nämlich durch seinen Tod, wie durch eine Beländerung seiner Prozrßfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung. Diese Vorschrift weicht bezüglich der beiden ersteren Punkte von 8 672 BGB. („int Zweifel") vermöge ihrer Unbedingtheit ab. Eine Veränderung der Prozeßfähigkeit kann durch Entmündigung, Geisteskrankheit oder durch Eintritt eines Pflegers (8 52, 53), eine Veränderung der gesetzlichen Ver­ tretung durch Tod, Prozeßunfähigkeit oder anderweiten Wechsel des gesetzlichen Ver­ treters (88 51, 52, 246) herbeigeführt werden.

n. a) Obige Vorschrift hat die Wirkung, daß die Vollmacht im Falle des Todes des Machtgebers auch deffen Erben, im Falle der Veränderung der Prozeßfähigkeit oder des gesetzlichen Vertreters auch den prozeßsähig oder unfähig gewordenen Machtgeber oder den neuen gesetzlichen Vertreter bindet.

b) Andrerseits darf der Bevollmächtigte auf Grund der Vollmacht noch weiter handeln, ohne dem Gegner von der Veränderung Anzeige (8 87) machen zu müssen (vgl. Prot. 32). Nun aber wird nach 88 239, 241, 246 im Falle des Todes einer Partei, des Verlustes ihrer Prozeßfähigkeit oder des Wegfalls ihres gesetzlichm Vertreters das Ver­ fahre» unterbrochen, mit Ausnahme des Falles, daß die Partei einen Prozeßvertreter hat. In letzterem Falle kann jedoch der Bevollmächtigte, beim Tode des Machtgebers auch der Gegner, die Aussetzung erwirken. Diese Bestimmungen berühren an sich die Wirkung des 8 86 nicht. Allein, sofern der Bevollmächtigte nach erfolgter Ausnahme des Verfahrens (8 250) weiter handeln will, trifft ihn eine in 8 86 zum Schutze der Rechtsnachfolger im Prozeße (s. oben) vorgesehene Verpflichtung. Danach in Verbindung mit 88 88, 89 muß er nämlich, im Anwaltsprozeß auf Verlangen des

Vierter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände § 87.

101

§ 87. (83.) Dem Gegner gegenüber erlangt die Äündigvng des Vollmachtvertrags erst durch die Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, in Anwaltsprozefsen erst durch die Anzeige der Gestellung eines anderen Anwalts rechtliche Wirksamkeit. Der Gevollnlächtigte wird durch die von seiner Seite erfolgte Lnndigung nicht gehindert, für den Vollmachtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahrnehmung seiner Rechte in anderer Weise gesorgt hat. Gegners, im Parteiprozeß auch auf Verlangen des Gerichts, eine neue Vollmacht seitens des Nachfolgers im Prozesse zur Vermeidung der Nichtzulassung beibringen. Es folgt hieraus, daß die Wirksamkeit der alten Vollmacht in Fällen, wo die Aussetzung oder das Begehren der Beibringung neuer Vollmacht unterbleibt, überhaupt nicht in Frage gestellt wird, während dies sonst mittelbar allerdings geschieht (vgl. RG. 50 S. 339, Wach a. a. O., Planck a. a. O., die Kommentare).

§ 87-

T.Ä

Der § 87 regelt nur die Frage, welche Bedeutung eine Kündigung der Vollmacht im Prozesse für den Gegner hat, und geht dabei von der Absicht aus, etwaigen Schwierigkeltcn, die sich für den Gegner aus der Kündigung der Vollmacht hinsichts der Fortführung des Prozesses ergeben könnten, vorzubeugen (vgl. Begr. 106). Offensichtlich legt er dabei die Vorschriften des bürg. Rechts zugrunde, wonach das Vollmachtsverhältnis unter den Beteiligten durch Kündigung bzw. Widerruf jederzeit (vorbehaltlich Schadensanspruches) aufgehoben werden kann (BGB. §§ 1G8 ff., 671).

mo4t

I. Bon diesem Standpunkt aus bestimmt nun Abs. 1, daß die Kündigung der Vollmacht dem Gegner gegenüber erst mit der Anzeige des Erlöschens der Vollmacht, im Anwaltsprozeß (§ 78) erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Anwalts wirksam werden soll. Die Verschiedenheit der Anzeige hängt damit zusammen, daß im Parteiprozesse mit der Partei selbst weiter verhandelt werden kann, während es im Anwaltsprozesse zur Weiterverhandlung der Neubestellung eines Anwalts bedarf. Zu der Verschiedenheit der Anzeige kommt noch die Verschieden­ heit ihrer Form; denn sie ist im Anwaltsprozeß allemal durch den neuen Anwalt, wenn auch ohne Zustellung eines Schriftsatzes (vgl. RG. 38 S. 416), zu machen, wo­ gegen sie im Parteiprozeß durch die Partei selbst und formlos (in der mündlichen Verhandlung, durch Zustellung einer schriftlichen oder zum Gerichtsschreiber-Protokoll abgegebenen Erklärung) geschehen kann. Eine sonstige Kenntnis des Gegners von der Kündigung ersetzt die Anzeige nicht.

«s. i.

II. Der Abs. 1 hat die Wirkung, daß bis zu der erforderlichen Anzeige hin der Gegner und das, Gericht berechtigt wie verpflichtet sind, den Bevollmächtigten als noch vorhanden anzusehen und ihm gegenüber noch weiter zuzustellen und zu verhandeln. Andrerseits ist nach Abs. 2 er selbst aber im Falle seiner Kündigung nicht ge­ hindert, für den Machtgeber so lange zu handeln, bis dieser für Wahr­ nehmung seiner Rechte anderweit (gemäß Abs. 1) gesorgt hat. Nach der Begr. (S. 106) soll Abs. 2 zur Durchführung des Abs. 1 dienen, indem der Bevollmächtigte nach der Regel (BGB §§ 671 ff.), daß nicht zu unrechter Zeit gekündigt werden dürfe, die Verpflichtung überkomme, bis zu dem in Abs. 2 bestimmten Zeitpunkte weiter zu handeln. Eine solche Verpflichtung bringt aber das Gesetz selbst nicht zum Aus­ druck, zumal in der RIK. ein auf dieselbe abzielender Zusatz als in die zivilrechtlrche Seite des Vollmachtsverhältniffes übergreifend abgelehnt ist (Prot. 517). Es genügt auch für den Zweck des Abs. 1 die Ermächtigung des Bevollmächtigten, einstweilen noch weiter zu handeln, indem dadurch Gegner und Gericht, soweit sie sich mit ihm einlaffen, sichergestellt werden.

Abs. r.

102

L Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 88.

§ 88. (84.) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des Rechtsstreits gerügt werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen ;u berückstchtigen, insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist. Mangel der Vollmacht.

§§ 88, 89.

Teilung.

Neubauer Busch 21 S. 57.



Eine gehörige Bevollmächtigung ist zwar in § 274 nicht als Prozeßhindernde Voraussetzung hingestellt, bildet aber nach § 551 Nr. 5 immerhin ein für die rechtliche Wirksamkeit der Handlungen des Prozeßvertreters wesentliches Erfordernis. Bon diesem Gesichtspunkt aus behandeln die §§ 88, 89 einen Mangel der Vollmacht. Dieser kann in mehrfacher Gestalt sich zeigen, indem jemand für eine Partei als Bevollmächtigter, aber ohne Beibringung einer Vollmacht oder unter Bei­ bringung einer formell oder materiell unzureichenden Vollmacht, oder aber als Ge­ schäftsführer ohne Auftrag handelt. Es trifft nun Bestimmung

I. der § 88 darüber, inwieweit ein solcher Mangel der Parteirüge und der Amtsberücksichtigung unterliegt,

II. der § 89 darüber, inwieweit der Handelnde trotz des Mangels einstweilen zugelassen, bzw. der Mangel geheilt werden kann. § 88. PariUrage.

I Nach Abs. 1 kann der Gegner den Mangel der Vollmacht in jeder Prozeß­ lage rügen. Das will sagen, im Anwalts- und im Parteiprozeß, in jeder Instanz, in mündlicher Verhandlung und bei schriftlichen Anträgen, selbst in der Zwangs­ vollstreckung. Die Rüge wird durch Erhebung einer Einrede ausgeübt, die, weil nicht prozeßhindernd (§ 274), auch nicht der Replik der Verspätung unterliegt, daher in höherer Instanz nachgeholt oder erneuert, äußerstenfalls durch Nichtigkeitsklage geltend gemacht werden kann (§§ 539, 551 Nr. 5, 579 Nr. 4), aber in ihrer Wirksamkeit möglicherweise durch ausdrücklichen oder stillschweigenden Rügeverzicht (§ 295) beein­ trächtigt wird (vgl. RG. Gruchot 27 S. 1075).

Hmt«. »tufung.

n. Nach Abs. 2 hat das Gericht den Mangel der Vollmacht von Amts wegen gU berücksichtigen, aber nur im Parteiprozeß. Insoweit danach Parteirüge und Amtsprüsung konkurrieren, hat erstere nur den Wert einer Anregung oder Unterstützung der letzteren, und ein Verzicht der Partei auf die Rüge bleibt wirkungslos. Auf den Anwaltsprozeß ist die Vorschrift nicht ausgedehnt, weil das Gesetz in der Berussstellung und gegenseitigen Kontrolle der Anwälte eine hinreichende Sicher­ heit für die Legiiimationsprüsung erblickt (vgl. Begr. 107, Drucks, zur Nov. v. 98 3lt. 240 für 97/8 S. 33). Somit hat das Gericht im Anwaltsprozeß sich um die Prozeßlegitimation überhaupt nicht zu kümmern. Doch sind die Ansichten hierüber sehr geteilt, und nach einer der vertretenen Meinungen müßte der beaustragte Richter, welcher soeben noch den Anwalt in der mündlichen Verhandlung gesehen hat, im Be­ weisaufnahmetermin nach der Vollmacht fragen (vgl. Seuffert). Die Amtsprüfung liegt dem Gericht unbeschränkt, also in jeder Lage und In­ stanz des Prozesses, ob; doch empfiehlt sich naturgemäß eine möglichst zeitige Aus­ übung (vgl. Begr. 107). Das Mittel hierzu bietet das Frageamt im Sinne der §§ 139 Abs. 2, 335 Nr. 1 (vgl. RG. Gruchot 35 S. 1178 und daselbst 44 S. 1185). Gegenüber der auf dem öffentlichen Jntereffe beruhenden Amtsprüfung ist das Gericht an Rügeverzicht, Anerkenntnis der Legitimation oder Beweisvorbringen auf gegnerischer Seite nicht gebunden.

Vinter Titel. Prozeßbevollmächtigte und Beistände § 89.

103

§ 89. (85.) Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann tr gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden ;ur Proreß­ führung einstweilen rugelassen werden. Das Endurtell darf erst erlassen werden, Nachdem die für die Beibringung der Genehmigung ;u bestimmende Frist abgelaufen ist. Ist fit der Leit, fu welcher das Cndnrteil erlassen wird, die GeNehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen pur propßführung Lugelassene fiim Ersätze der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten fii ver­ urteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden fu ersetzen. Die Partei muß die Profeßführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Profeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

§ 89. I. Abs. 1.

Zulassung de» Ver­ treter-. Heilung deMangels.

Für den Fall, daß ein Mangel der Vollmacht im Sinne der Vornote zu §§ 88, 89 -vorliegt, gibt Abs. 1, im Anschluß an § 56, dem Gericht immerhin die Befugnis, den Prozeßvcrtreter einstweilen zuzulassen. a) Zur Ausübung dieser Befugnis ist allemal selbstverständliche Voraussetzung, "daß der Mangel, mag er schon feslstehen oder noch zweifelhaft sein, überhaupt heilbar ist. Im übrigen werden für das Ermessen solche Umstände maßgebend sein, welche die Erledigung des Mangels oder Bedenkens wahrscheinlich machen, wie die Berufs­ stellung des Vertreters, dessen persönliche Beziehung zum Vertretenen, der Besitz der Iprozeßpapiere, vielleicht in Verbindung mit Gefahr int Verzüge. Hinzutritt, daß unter Umständen noch Sicherheitsleistung für Schäden und Kosten erfordert werden darf nach Maßgabe der §§ 108 ff. Über die Zulassung ist bei Widerspruch des Gegners durch Zwischen- oder im End­ irrteil zu erkennen (vgl. §§ 512, 567) Sie bewirkt, daß der Zugelassene einst­ weilen alle Prozeßhandlungen gültig vornehmen kann und als solcher vom Gegner und vom Gericht zu behandeln ist, und daß damit der Fortgang des Prozesses er­ möglicht wird (vgl. Begr. 110). b) Ihre Beschränkung findet aber die Zulassung darin, daß dem Vertreter gleich­ zeitig oder nach der Zulassung durch Beschluß eine Frist zur Beibringung der Ge­ nehmigung (Abs. 2) oder zur sonstigen Heilung des Mangels zu bestimmen ist, (vgl. RG. 51 S. 98), und daß das Endurteil zur Hauptsache nach fruchtlosem Ablauf der Frist erlassen werden darf. Ob ein solcher Fristablauf vorliegt, ist Tat­ bestandsmoment der Hauptentscheidung. Dabei kommt aber in Betracht, daß es nach § 231 Abs. 2 genügt, wenn die Heilung auch nur bis zum Schlüsse der letzten Ver­ handlung erfolgt (vgl. RG. 14 S. 433, 30 S. 400). c) Wird der Mangel nicht erledigt, so gestaltet sich das Verfahren dahin: Bei der weiteren Verhandlung der Hauptsache ist der einstweilen zugelassene Vertreter zurückzuweifen. Der bezügliche Beschluß unterliegt der Beschwerde -emäß § 567 (vgl. RG. 3 S. 404, 5 S. 431, 51 S. 98). Für die E n t s ch e id u n g in den verschiedenen Instanzen ergeben sich nachstehende Folgen. — Bestand der Mangel auf klägerischer Seite schon von Hause aus, so ist der Antrag des Beklagten auf Erlaß des Versäumnisurtcils gegen Kläger gemäß •§ 3351 zurückzuweisen, während, wenn der Mangel auf feiten des Beklagten ist, die Klage diesem gegenüber gemäß § 331 Abs. 2 abzuweisen ist. — Hat die Einlegung «ines Rechtsmittels durch oder gegen einen nicht legitimierten Vertreter stattgefunden,

104

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 90.

§ 90. (86.) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist, kann eine Partei mit jeder projeßfähigen Person als Beistand erscheinen. Das von dem Beistände Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, insoweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

so ist, falls in der unteren Instanz die Vertretung in Ordnung war, das Rechts­ mittel als unzulässig zu verwerfen (§§ 535, 566), andernfalls unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen (§§ 539, 564, 565 Abs. 3, 331 Abs. 2, vgl. Wach a. a. O.). — Tritt bei Verhandlung über eine Klage oder ein Rechtsmittels die an sich zu Legitimationsbedenken keinen Anlaß geben, für eine Partei eine nicht legitimierte Person auf, so kann gegen diese Partei vom Gegner nach §§ 330, 331r 542, 566 das Bersäumnisurteil erwirkt werden (vgl. RG. 30 S. 401).

In allen Fällen kann, wie im Falle des § 56 (vgl. Note dazu), die Entscheidung nur auf den Namen der fälschlich vertretenen Partei ergehen, abgesehen von der Verurteilung des falschen Vertreters zu Kosten- und Schadensersatz (s. zu d). Dafür erscheint aber auch jene Partei berechtigt, sich jederzeit am Rechtsstreit zu beteiligen^ namentlich eine ihr nachteilige Entscheidung durch das gerade zulässige Rechtsmittels ev. durch die Nichtigkeitsklage anzufechten, wobei in Betracht kommt, daß die vorschrifts­ widrige Vertretung einer Partei ohne weiteres Nichtigkeit zur Folge hat und zuo formalen Aushebung des ganzen Verfahrens führen kann (§§ 551 Nr. 5, 539, 564). Allerdings kann auch eine an sich nichtige Entscheidung, sofern sie der nicht gültig vertretenen Partei zugestellt, von dieser aber die Notfrist aus § 586 Abs. 3 ver­ säumt wird, unanfechtbare Wirksamkeit erlangen. Die Ansichten über diese Materiegehen auseinander (vgl. die Kommentare, Just ziv. Arch. 68 S. 323, Friedländer dort 84 S. 332). d) Eine Modifikation ist, wie schon angedeutet, durch die Nov. v. 98 insofern vorgesehen, als der falsche Vertreter in der Entscheidung zur Hauptsache ver­ urteilt werden soll, dem Gegner die diesem durch seine Zulassung erwachsenen. Kosten und Schäden zu ersetzen. Die Motive rechtfertigen diese Bestimmung damit, daß nach dem BGB. der falsche Vertreter nur im Fall einer Verschuldung hasten würde (BGB §§ 823 ff.), dieser Schutz aber für die Prozeßgegner nicht genüge, viel­ mehr, ähnlich wie in den Fällen der §§ 302, 600 und 7J7, die Billigkeit erfordere, den falschen Vertreter allemal die Gefahr tragen zu lassen. Hiernach dürste der Zusatz, der Novelle materiell eine, von dem Nachweis der Verschuldung unabhängige Ersatzpflicht des falschen Vertreters begründen. Prozessual bringt er zum Aus­ druck, daß die Kostenverurteilung in demselben Prozesse beantragt und ausgesprochen werden darf (vgl. RG. IW. 02 S. 214). Hinsichts der Schadenshaftung fehlt ein entsprechender Passus, wie er doch in §§ 302, 600 u. 717 sich findet; und dies macht? die an sich wohl mögliche Zulassung des Schadensanspruchs in dem gleichen Prozesse bedenklich.

n. Abs. 2. Teilung der f?hrung.

“ Tu '

Nach Abs. 2 wird die durch einen legitimationslosen Vertreter erfolgte Prozeßsührung für die Partei gültig, wenn sie zuvor auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder doch die Prozeßführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

Mit dieser Vorschrift steht die ZPO. auf dem Boden des BGB. (§§ 167, 182). Ob stillschweigende Genehmigung vorliegt, ist nach den Umständen zu beurteilen, wofür die Kenntnis von der Prozeßführung ohne Widerspruch, die Aneignung von Vorteilen oder die Zahlung von Kosten aus derselben, die Nacherteilung der Vollmacht in Be­ tracht kommen kann (vgl. RG. 47 S. 415 und IW. 06 S. 758, Wallmann 8 S. 526, Wach § 52 Note 11).

Fünfter Titel.

ArozeßKoften. § 01. (87.) Die unterliegende Partei hat die Gasten des Rechtsstreits ;n tragen, insbesondere die dem (Degner erwachsenen Gasten ;u erstatten, soweit dieselben |ur zweckentsprechenden Rechtsverfotgung oder Rechtsverteidigung not­ wendig waren. Die Kostenerstattung umfaßt auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von § 90. Nach Absatz 1 darf eine Partei, soweit kein Anwaltszwang stattfindet, also in Prozessen und Prozeßteilen gemäß §§ 78 Abs. 2, 79, vor Gericht mit jeder prozeßsähigen Person als Beistand erscheinen. Im Bereiche des Anwaltsprozesses bieten die Vorschriften der §§ 25, 27 NAO. eine gewisse Analogie. Der Begriff der Partei dürste auch hier im weiteren Sinne (vgl. Vornote zu § 50) zu verstehen sein. Neben der Prozeßsähigkeit bedarf der Beistand nach Maßgabe des § 157 der Befähigung, vor Gericht vorzutragen. Legitimiert wird er durch Vorstellung bei Gericht. Das Gericht kann, wie aus §§ 57, 115s erhellt, einen Beistand nicht be­ stellen. Nach Abs. 2 hat der Beistand die Stellung eines Gehilfen der.Partei im Tatvortrage. In diesem Rahmen gilt er auch hier als Repräsentant gemäß § 85 (Begr. 111), soweit das von ihm Vorgetragene von der Partei nicht sofort wider­ rufen oder berichtigt wird.

BetstLnde.

5. Eitel, prozrßkostrn. Francke Buscb 6 S. 64; Meyer dort 7 S. 281; Pfizer Grucbot 30 S. 98, 31 S. 591; Waldner Grünhut 13 S. 203; Görres Busch 35 S. 338 ff., 352 ff.; Willcnbüchcr, Kostenscstietzungsverfahren (7. A. 1910).

I. In betreff der durch den Prozeß entstehenden Kosten können mehrfache Sornotc. Rechtsdeziehungen in Betracht kommen, nämlich zwischen Parteien und Staatskasse (Justizfiskus), zwischen Parteien und beauftragten Gerichts­ vollziehern, zwischen Parteien und bevollmächtigten oder beistandlichen An­ wälten, endlich zwischen den Parteien selbst. a) Die drei ersteren Rechtsverhältnisse sind grundsätzlich nicht von der ZPO-, sondern durch besondere RGesetze geregelt. Dahin gehören das GKG. v. 18. 6. 78,29. 6. 81 und die GO. für Zeugen und Sachverständige v. 30. 6. 78/ 11. 6. 90, die GO. für Gerichtsvollzieher v. 24. 6. 78/29. 6. 81, die GO. für RA. v. 7. 7. 79 (in Verbindung mit §§ 32, 38 der RAO ), sämtlich jetzt in der Fasiung laut Bckanntm. v. 20. 5. 98. GKG. und RAGebO. ferner geändert durch G. v. 1. 6. 09. Nur vereinzelte Bestimmungen hat die ZPO. insoweit selbst ersoffen, so in §§ 379, 402, 911, 934, betreffend Vorschüsse zu Beweisaufnahmen und Haftkosten. b) Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen den Parteien trifft dagegen Tit. V für alle zivilprozessualen Verfahren grundsätzlich Bestimmung über die Verpflichtung, die Prozeßkosten zu tragen und zu erstatten. Daneben finden sich in ihr zahl­ reiche Einzelvorschriften, tote namentlich in §§ 75 (Entlassung des Schuldners bei Gläubigerstreits, 89 (Zulaffung eines nicht legitimierten Vertreters), l lOff.(Kostenkaution), 237 (Wiedereinsetzung), 278, 279, 344 (Versäumnis), 145, 302, 600 (Rachversahren), 271, 515, 566 (Zurücknahme von Klagen und Rechtsmitteln), 379, 380, 402 (Ladung von Zeugen und Sachverständigen), 506, 510 (Amtsgerichtsprozeß), 637, 658, 673,

106

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

2. Abschn. Parteien § 91.

Terminen entstandene Leitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften finden entsprechende Anwendung.

Die Gebühren und Auslage» des Rechtsanwalts der obstegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines auswärtigen Rechtsanwalts jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung 677, 682, 684, 686 (Ehe- und Entmündigungssachen), 692, 698 (Mahnverfahren), 766, 788, 803, 818, 874, 885, 887, 911 (Zwangsvollstreckung). Über die Frage, ob im Prozeß der Eheleute der Mann der Frau Kostenvorschuß zu leisten hat, vgl. § 627 zu II. Evltcm-i». 11. Die §§ 91—93 regeln das Kostenverhältnis zwischen den Parteien grund­ sätzlich unter dem Gesichtpunkt der Einheit aller Prozeßkosten. In den §§ 95—98 ist nur für gewisse Kosten eine Trennung vorgesehen. In §§ 100 bis 102 sind Sondervorschristen für gewisse Rechtsverhältnisse gegeben. Die §§ 99, 104—107 behandeln die Anfechtung von Kostenentscheidungen und die Kosten­ erstattung. Regeln über Gesamt« testen.

§§ 91-94. Für die Regelung des Kostenvcrhältnisses unter den Parteien faßt die ZPO. die Prozeßkosten grundsätzlich als Gesamtheit auf, §§ 91—94, vorbehaltlich der Ab­ trennung gewisser Einzelkosten, §§ 95—98. Die Regelung selbst ist in Ansehung der Gesamtkosten dergestalt erfolgt, daß der 8 61 die allgemeinen Grundsätze gibt, der § 92 den Fall des teilweisen Unterliegens jeder Partei, die §§ 93, 94 gewisse vom Unterliegen unabhängige Fälle behandeln.

§ 91. Die Nov. v. 09 hat mit Rücksicht darauf, daß hier die Kostenfestsetzung dem Gerichtsschreiber übertragen worden ist (§ 104), die in der früheren Fasiung des § 91 enthaltene Verweisung auf das „Ermessen des Gerichts" in Wegfall gebracht.

Allaemrme

Kosten.

I. Der Abs. 1 stellt die allgemeine Regel auf, daß die unterliegende Partei gesamten Kosten des Rechtsstr>its zu tragen, insbesondere dem Gegner die zweck­ entsprechend verwendeten Kosten zu erstatten hat. 1. Als Kosten sind alle Aufwendungen anzusehen, die den Parteien in un­ mittelbarer Beziehung zum Rechtsstreit erwachsen. a) Die Aufwendungen können (vgl. PrAGO. I, 23) gerichtliche oder außer­ gerichtliche (vgl. RG. IW. 95 S. 163), andrerseits Gebühren oder Auslagen der Gerichte, Prozeßvertreter, Gerichtsvollzieher, Zeugen oder Sachverständigen sein. Schadensansprüche gehören, da sie grundsätzlich noch den Tatbestand der Verschuldung erfordern, nicht hierher, und bedürfen daher besonderer Einklagung (vgl. Begr. 112, RG. 10 S. 410). b) Die unmittelbare Beziehung zum Rechtsstreite setzt zunächst voraus, daß ein solcher überhaupt anhängig geworden ist (§ 263), so daß die Koste» für eine vor der Anhängigmachung erledigte Klage hier außer Betracht bleiben (vgl. RG. 10 S. 310, 15 S. 426). Für das Erfordernis des unmittelbaren Zusammenhanges mit dem Rechtsstreite erscheint eine billige Abwägung angezeigt. Danach wird ein solcher Zusammenhang auch für gewisse Akte vor oder neben der Klage sich bejahen lassen; so beim amts­ gerichtlichen Sühneversuche (§§ 570, 608), für eine im Prozesse benutzte Sicherung des Beweises (vgl. RG. Gruchot 35 S. 1180, RG. 45 S. 368), für das Mahn­ verfahren (8 698, OLG. Karlsruhe Busch 12 S. 153), unter Umständen für Mahn-

Fünfter Titel. Prozeßkosten § 91.

107

oder Nechtsverteidigung notwendig war. Die Losten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit ;u erstatten, als sie die Losten eines Rechtsanwalts nicht über­ steigen, oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten mußte. schreiben (vgl. v. Buchka Meckl. Zeitschr. 14 S. 344), für JnformationSeinziehung (vgl. RG. 13 S. 314, Gruchot 35 S. 1180, IW 83 S. 155, 97 S. 303 u. 542, 02 S. 529 sPrivatgutachtens), für Nachsuchung des Armenrechts (RG. IW. 86 S. 145, abweichend 96 S. 410), für Streitverkündung (RG. IW. 82 S. 157), für Gesuche um Bestimmung des zuständigen Gerichts (§ 37); nicht aber für die Erfüllung der streitigen Verpflichtung, mag sie fteiwillig oder im Vollstreckungswege erfolgen (Begr. 104, RG. IW. 84 S. 170), für ein vorgängiges Schiedsverfahren (vgl. RG. IW. 94 S. 543) und für die Kosten einer bloß angekündigtrn Widerklage (vgl. RGPl. 51 S. 7). Kosten der Kündigung und Mahnung können unter Umständm als Nebenforderungen geltend gemacht werden. War der Kläger vor der Klagezustellung befriedigt, so würde der demnächst auf die Kosten beschränkte Antrag eine Klageänderung enthalten. (So auch Gaupp-Seuffert, Skonietzki-Gelpcke.) c) Die Kosteneinheit ist dahin zu verstehen daß jede Instanz über die bis dahin entstandenen Prozeßkosten, somit die letzte Instanz über alle Prozeßkosten als Ganzes entscheidet. n. Grundsätzlich ist diejenige Partei, die in der Hauptsache unterliegt,Ko>ienpsliefuflnt§.

§ 143. Nach § 143 kann die Vorlegung der Handakten der Parteien und ihrer Vertreter (vgl. RAO. § 32) angeordnet werden, soweit es sich um Schriftstücke handelt, die die Verhandlung und Entscheidung der Sache berühren. Die Bezeichnung solcher Schriftstücke kann von der Partei ausgehen, steht aber in jedem Falle zur Ent­ scheidung des Gerichts. Den sonstigen Inhalt der Akten werden die Parteien der Vorlegung entziehen dürfen Auf Akten von Behörden oder Beamten, soweit sie nicht zugleich Handakten für den Rechtsstreit bilden, zielt die Vorschrift nicht ab (vgl. Prot. 54).

§ 144. Wach, Vorlr. S. 77 und KrüVJSchr. 14 S. 335; Heusler ziv. Arch. 62 S. 266; Wendt ebendort 63 S. 266; Langenbeck Busch 4 S. 485; Ude ebendort 5 S. 325; Birkmeyer, Grundriß S- 263; Schneider, richterl. Ermittlung und Feststellung des Sach­ verhalts S. 140.

I. Abs. 1. Der Abs. 1 ermächtigt das Gericht, die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anznordnen. 1. Es handelt sich hier um eine sehr bedeutungsvolle Amtsbefugnis des Prozeß­ gerichts zum Zwecke der Aufklärung. Allerdings hat sich dieselbe mit Rücksicht auf die Verhandlungsmaxime im Rahmen des Parteivorbringens zu halten. Im übrigen aber ist sie unabhängig von Beweisanträgen der Parteien. Sie kann sich, zum Unter­ schiede von der eigentlichen Beweisaufnahme, auch auf unstreitige Punkte beziehen (§ 359). Maßgebend für sie ist lediglich das Amtsermessen, ob eine Aufklärung ge­ wisser Punkte durch Augenscheineinnahme oder Begutachtung behufs Vorbereitung der Sachentscheidung nötig oder zweckmäßig ist. In dieser Richtung wird es sich haupt­ sächlich um Gewinnung lokaler Anschauung oder um Belehrung in technischen Fragen handeln (vgl. Begr. 134). Speziell wird der Augenschein für Eigentums-, Besitz-, Bau- und Grenzprozesse, die Begutachtung für rechnerische Fragen (vgl. § 407) sich häufig als unentbehrlich ergeben.

§ 145. (136.) Das Gericht kann anordnen, daß mehrere in einer Mage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden. Dasselbe gilt, wenn der Geklagte eine Widerklage erhoben hat und der 2. Das Anwendungsgebiet des § 144 ist nach Abs. 1 ganz allgemein hingestellt, und wird deshalb auch auf Fälle, wo die Entscheidung ohne mündliche Ver­ handlung ergeht, zu erstrecken sein, sodaß die Vorschrift dem Richter ein in jeder Prozeßlage verwertbares Ausklärungsmittel bietet. Daß hierauf auch die Gesetzes­ absicht geht, findet in der Übertragung des auf dem Grundsätze der Mündlichkeit be­ ruhenden § 3 (vgl. § 546 Abs. 2) ZPO. auf die §§ 15, 16 GKG., betreffend die Festsetzung des Streitwerts für die Gerichtskostenberechnung, einen Anhalt. Die An­ wendung der Vorschrift wird sich besonders für Rechnungsprozesse, für die Zwangs­ vollstreckungsinstanz (Verteilungsversahren), und in allen Fällen zur kalkulatorischen Vorbereitung der Entscheidung nützlich machen (vgl. § 105 Abs. 2, RG. Gruchot 29 S. 1066).

II. Abs. 2 a) Für die Anordnung und deren Erledigung soll das bei entsprechenden BeWeiserhebungen auf Parteiantrag vorgeschriebene Verfahren, mithin nach §§ 371, 402 maßgebend sein. Dieses erfordert ja regelmäßig mündliche Verhandlung. Bei der erweiterten Anwendung der Vorschrift (Note I, 2) wird, in Anlehnung an § 411 Abs. 1, ein freieres Verfahren Platz greifen dürfen. Die Erlassung der Anordnung aus § 144 steht im Amtsermessen des Ge­ richts. Ist von diesem nicht oder nicht genügend Gebrauch gemacht, so kann ein revisibler Verstoß vorliegen. Gegen die erlassene Anordnung für sich findet kein Rechtsmittel statt. Eine Parteiweigerung, bei ihrer Erledigung mitzuwirken, zieht keine Zwangsmaßregeln nach sich, kann aber auf die Beweiswürdigung (§ 286) nach­ teilig einwirken.

Bersahre».

§§ 145, 146.

Richterliches Trennung»recht.

Petersen Busch 1 S. 93, 4 S. 293, 19 S. 104, 247 u. Gruchot 30 S. 1, 31 S. 535; Kohler Busch 20 S. 1; Schepers Gruchot 24 S. 749, 859; Wex Gruchot 31 S. 248; Birkmeyer, Grundriß S. 260; Fischer, Recht u. Rechtsschutz S. 64; Hellwig, Anspruch u. Klagerecht (1900), und dazu Holder Busch 29 S. 50.

I. Das Verfahren nach der ZPO. beruht wesentlich auf mündlicher ParteiverHandlung und auf sich anschließender Gerichtsentscheidung (§§ 128, 310). Diese Grundlage in Verbindung mit der mutmaßlichen Durchschnittsbefähigung des Justiz­ personals macht es angezeigt, nicht übertriebene Ansprüche an Gedächtnis und Urteils­ kraft desselben zu stellen. Will dem das Verfahren Rechnung tragen, so muß es eine Erörterung des Streitstoffes in übersichtlicher Gliederung zulaffen. Einer derartigen Erledigung können aber sachliche wie rechtliche Umstände entgegentreten; so namentlich die innere Beschaffenheit des Streitstoffs selbst, andrerseits gewisse Grundsätze des Verfahrens, wie die Zulässigkeit der Häufung von Klagen, Angriffs­ und Verteidigungsmitteln, die Nichtscheidung zwischen Verhandlung und Beweis­ aufnahme. Um diesen Hinderniffen begegnen zu können, ist in §§ 145,146, bzw. §§ 301—303 dem Gericht die Amtsbefugnis eingeräumt, nötigenfalls, unabhängig vom Partei­ willen, eine Trennung der Verhandlung und damit auch der Entscheidung (§§ 145—146), oder doch eine Trennung der Entscheidung (§§ 301—303) anzuordnen. Mit Hilfe dieses Rechts ist das Gericht in der Lage, den wie auch gearteten Streitstoff in jedem Stadium der Instanz nach dem Bedürfnis der Über­ sichtlichkeit zu sondern und gesondert zu erledigen.

Bornoie.

154

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 145.

Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht in rechtlichem Zusammenhänge steht. Macht der Geklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, welche

n. Die Trennung der Verhandlung kann angeordnet werden mit Bezug auf eine Mehrheit: a) von Ansprüchen, derart, daß deren Verhandlung in getrennten Prozessen erfolgt, § 145, b) oder von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln, was deren sukzessive Verhandlung in einem Prozeffe herbeiführt, § 146.

DI. Bemerkt wird, daß die Anwendung des § 145 für Rückgriffsklagen gegen die an dem Abkommen über den internationalen Frachtverkehr v. 14. 10. 90 (RGBl. 92 S. 793) beteiligten Eisenbahnen laut Art. 51 des Abkommens aus­ geschlossen ist. 8 Trennung

anu>räd)en‘

Widerklage.

145.

I Abs. 1. a) Für eine Trennung im Sinne des Abs. 1 ist Voraussetzung, daß mehrere Ansprüche in einer Klage erhoben sind. Dieser Fall wird durch subjektive oder objektive Klagenhäufung (§§ 59, 60, 260), sei es in der Klage oder in einer Erweiterung derselben (§§ 268, 529), herbeigeführt. Die Trennung steht im Amtsermessen, kann aber durch Parteiantrag an­ geregt werden, wobei es sich wesentlich um die Zulässigkeit und Zweckmäßigkeit der Trennung handeln wird. Es bedarf allemal vorgängiger mündlicherVerhandlung, daher mindestens des Vortrags der Klage. Dann bleibt die Trennung bis zum Schluffe der Berufungsinstanz zulässig (vgl. RG. 28 S. 414 und IW. 93 S. 500). Sie ergeht in Form eines zu verkündenden Beschlusies, der, wenn auch nicht für sich, doch in Verbindung mit einem gegen das künftige Endurteil ergriffenen Rechtsmittel als unzulässig angefochten werden kann (vgl. RG. Gruchot 29 S. 1067 und 33 S. 1142, RG. 24 S. 423, Schepers Gruchot 24 S. 876, Schollmeyer, KompensEinrede S. 170). b) Die angeordnete Trennung wirkt nur für die Zukunft. Sie läßt die bis dahin bestehende Rechtshängigkeit (§ 263) und das bis dahin Verhandelte zu­ gunsten der mehreren Ansprüche unberührt. Aber letztere werden fortan in ge­ trennten Prozessen verhandelt und entschieden. Die Vorteile der Klagenhäufung, namentlich die Zusammenrechnung der mehreren Streitwerte (§ 5), fallen hinweg, was die Unzulässigkeit der Revision zur Folge haben kann (§ 546, vgl. RG. 6 S. 418, 30 S. 330). Auch die Gerichtskosten werden weiterhin für jeden Prozeß besonders liquidiert (GKG. § 11). Die getrennte Verhandlung selbst kann sich unmittelbar an die Anordnung schließen, hat sonst aber in einem sofort vom Vorsitzenden (§ 136 Abs. 3) oder auf Partcibetrieb zu bestimmenden Termine zu erfolgen. Zwecks derselben müssen für jeden abgetrennten Prozeß besondere Gerichtsakten gebildet werden, etwa mittels be­ glaubigter Abschrift der wesentlichen Schriftstücke des früher einheitlichen Prozesses (vgl. GeschAnw. für die Gerichtsschreibereien der Preuß. Land- und Amtsgerichte §§ 19 bzw. 23).

IL Abs. 2 Der Abs. 1 soll auch dann Anwendung finden, wenn Widerklage erhoben ist und der Gegenanspruch nicht mit dem Klageanspruche rechtlich zusammenhängt. Die Zulässigkeit der Widerklage bestimmt sich nach § 33, ihre Erhebungsform nach § 281. Ein Gegenanspruch kann zugleich Objekt der Widerklage und der Auf-

Erster Titel.

Mündliche Verhandlung § 145.

155

mit der in der Silage geltend gemachten Forderung nicht in rechtlichem Busammenhange steht, so kann das Gericht anordnen, daß über die Silage und rechnungseinrede (Abs. 3) sein, und in diesem Falle wird eine Trennung beider Geltend­ machungsformen im allgemeinen nicht angezeigt erscheinen. Aus Abs. 2 ergibt sich gegensätzlich, daß, sofern der Gegenanspruch mit dem Klageanspruch in rechtlichem Zusammenhänge steht, deren Trennung ausge­ schlossen ist. Dies entspricht auch der Natur der Sache (vgl. Begr. 135). Nur eine Trennung gemäß § 146 bleibt dann offen. Der rechtliche Zusammenhang erfordert, daß beide Ansprüche, wenn auch nicht aus dem gleichen Rechlsgrunde, so doch aus demselben Rechtsverhältnisse hervorgegangen sind, z. B. aus einem Kauf- oder Aufrechnungsvertrage (vgl. RG. 24 S. 423, IW 93 S. 14). Zeitlich ist für eine Trennung aus § 145 kein Raum mehr, sofern die Klage bereits spruchreif (§ 300) erörtert ist; dann könnte nur noch nach § 302 verfahren werden. Daß über einen der Ansprüche überhaupt schon verhandelt und Beweis erhoben ist, steht der An­ wendung des vorliegenden Abs. 2 nicht entgegen (vgl. RG. 24 S. 423).

HI

Abs. 3

«Ufr--»

Die Rechtsprechung des Reichsgerichts nach der früheren Fassung der ZPO. fand nach mehrfachem Schwanken (vgl. RG. 6 S. 422, 15 S. 376, 16 S. 373, 18 S. 408, 27 S. 299 und 28 S. 419) ihren Abschluß in der PlEntsch. v. 10. 4. 93 >‘»e8 (RG. 31 S. 1), worin angenommen wurde, daß eine Trennung gemäß §§ 136 Abs. 2 und 274 lediglich prozeßleitende Bedeutung habe, daß dadurch die erhobene Kompensationseinrede nicht aus dem Prozesse gewiesen werde, vielmehr in ihrem Bestände unberührt bleibe, und daß eine nach angeordneter Trennung ohne Berück­ sichtigung der Einrede ausgesprochene Verurteilung des Beklagten keine endgültige Entscheidung des vollen Rechtsstreits, sondern nur ein Urteil unter Vorbehalt der Kompensationseinrede enthalte, und auf dessen Erledigung das in §§ 502, 505 (562, 563) vorgesehene Nachverfahren entsprechende Anwendung finde. Nach dem neuen Abs. 3 kann nun das Gericht, sofern der Beklagte die Auf­ rechnung einer mit der Klageforderung nicht in rechtlichem Zusammenhänge stehen­ den Gegenforderung geltend macht, anordnen, daß über Klage und Aufrechnung getrennt verhandelt werde, und hierbei soll der § 302 Anwendung finden. Mit dieser Fassung will die Nov. v. 98 (ausweislich der Motive) sich auf den Boden des obigen PlBeschl. des RG. stellen und zugleich den Vorschriften des BGB. über die Aufrechnung anschließen. 1. Anlangend zunächst die Vorschriften des BGB. über Aufrechnung,«usr-nmig §§ 387 ff., stimmen dieselben mit den bisherigen Landesrechten zwar darin überein, 8818 daß, falls zwei Personen einander gleichartige Leistungen schulden, jeder Teil in der Lage ist, den anderen statt durch Leistung durch einseitige Aufrechnung zu befriedigen (§ 387); sie haben jedoch dieses Rechtsgeschäft eigenartig gestaltet. Nach § 388 erfolgt nämlich die Auftechnung durch Erklärung gegenüber dem anderen Schuldner. Sie bedarf sonach eines einseitigen empfangsbedürstigen Rechtsgeschäfts gemäß §§ 130—132. Bis zu solcher Erklärung stehen die zur Aufrechnung geeigneten Forderungen einander unberührt gegenüber. Mit der Erklärung erlöschen sie nach § 389, soweit sie sich decken, mit Rückwirkung bis zum Gegenübertreten in aufrecbnungsfähiger Be­ schaffenheit. Diese Vorschriften stehen einer Aufrechnungserklärung im Prozesse«-f--ch>mn« nicht entgegen. Der § 388 unterscheidet überhaupt nicht zwischen Erklärung inner- ,m 8c0ie6'

oder außerhalb des Rechtsstreits. Die Vorschriften der §§ 130—132 sind naturgemäß auch im Rechtsstreit zu beachten (vgl. KommissBer. zur Nov. v. 98 S. 52, 86). 2. Eine im Prozeß vorgenommene Aufrechnungserklärung, mag sie durch Schriftsatzzustellung (§ 132 BGB.) oder in der mündlichen Verhandlung abgegeben

156

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 145.

über die Aufrechnung getrennt verhandelt werde; die Vorschriften des § 302finden Anwendung. sein, ist zwar an sich eine rechtsgeschästliche, muß aber zugleich durch eine auf dieses Rechtsgeschäft gestützte Einrede geltend gemacht werden. Vermöge der letzteren kommt erst eine Prozeßhandlung im Sinne des § 146 ZPO. mit in Frage (vgl. jedoch Kohler Busch 20 S. 1, 24 S. 1). Dem entspricht der Eingang des vorliegenden Abs. 3, wenn er voraussetzt, daß der Beklagte die Aufrechnung geltend mache. Dies wird aber nicht ausschließen, daß in der mündlichen Verhandlung die Geltendmachung sich unmittelbar an die Erklärung der Aufrechnung knüpft. Dur»

45) bemerkt hierzu, daß Gerichtsvollzieher und Gerichtsschreiber dem Dritten (Requisiten, Adressaten) gegenüber keines Austragsnachweises (Vollmacht) be­ dürften, vielmehr aus ihrer publica fides sich eine Vermutung für auftrogsmäßiges Handeln ergebe Dies und die Analogie des Anwaltsverhältnisses spricht dafür, daß die Vermutung nur Dritten, nicht auch der betreibenden Partei gegenüber Platz greifen soll. Demnach wird dem Dritten der Nachioeis des fehlenden Auftrages obliegen, die betreibende Partei den Nachweis des erteilten Auftrages erwarten dürfen (a. M. Endemann I S. 524, Bolgiano S. 345, v. Sarwey I S. 249).

§ 168.

Vermittlung des Gerichtsstatthaft schreibers.

I. Nach § 168 soll der Gerichtsschreiber, falls seine Vermittlung ist (166 Abs. 2), einen Gerichtsvollzieher mit der erforderlichen Zustellung beauf­ tragen, sofern die betreibende Partei nicht erklärt, selbst den Auftrag erteilen zu wollen. Danach ist er mangels entgegenstehender Parteierklärung kraft Gesetzes befugt und verpflichtet, mit der erforderlichen Zustellung den Gerichtsvollzieher zu beauftragen. Bei dieser Handlung fungiert er nicht als Beauftragter der Partei, sondern als Organ des Gerichts (vgl. RGPl. 17 S. 391). Die Erforderlichkeit einer Zustellung hängt davon ab, ob sie behufs einer von der Partei erkennbar gewollten Prozebhandlung (Ladung, Aufforderung, Antrag usw.) gesetzlich geboten ist. Die Anwendungssälle in den früheren §§ 497, 501 sind durch die Nov. v. 09 beseitigt. Die Erklärung der Partei, selbst einen Gerichtsvollzieher beauftragen zu wollen, ist im allgemeinen an keine Form gebunden, kann daher auch stillschweigend ge­ schehen. Für den Anwaltsprozeß wird jedoch von der Nov. v. 98 die Berücksichtigung einer solchen Erklärung davon abhängig gemacht, daß sie in dem zuzustellenden Schrift­ satz enthalten ist.

II. Nach § 196 kann der Gerichtsschreiber anstatt eines Gerichtsvollziehers auch die Post mit der erforderlichen Zustellung beauftragen.

174

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 170.

zuMellenden Schriftstücks eine -er Zahl der Personen, welchen Mzustellen ist, entsprechende Lahl von Abschriften pi übergeben. Die Bett der Übergabe ist auf der Urschrift und den Abschriften ?u ver­

merken und der Partei auf Verlangen ?n bescheinigen.

§ 170. (156.) Die Zustellung besteht, wenn eine Ausfertigung ^gestellt werden soll, in deren Übergabe, in den übrigen Fällen in der Übergabe einer beglaubigten Abschrift des ;u;ustellenden Schriftstücks. Die Geglaubigung geschieht durch den Gerichtsvollzieher, bei den auf be­ treiben von Rechtsanwälten oder in Anwaltsprozessen zuzustellenden Schrift­ stücken durch den Anwalt. Borbereituiifl der Zustellung.

§ 169. I. Unter dem zuzustellenden Schriftstück (Urschrift) ist, wie die §§ 169,

170, 1916 ergeben, nicht die dem Adressaten zu übergebende (§ 170) Ausfertigung oder begl. Abschrift einer Urkunde, sondern dlese Urkunde selbst zu verstehen, und solche kann in einem Konzept (Brouillon), einer Urschrift oder einer begl. Abschrift, z. B. eines Schriftsatzes, einer Entscheidung, eines Protokolls, bestehen. Ihrer Mitübergabe aber bedarf es zwecks der etwa noch erforderlichen Beglaubigung des zu übergebenden Schriftstücks (§ 170 Abs. 2) oder zwecks der Ausstellung der Zustellungs­ urkunde (§ 190 Abs 2). Die Zahl der Personen, denen zuzustellen ist, hängt von der Lage des Falles ab. Für Strertgenossen ergibt sich aus §§ 61—63, daß eine gegenseitige Vertretung bezüglich der Zustellung nicht stattfindet, auch eine Zustellung durch Zirkular ausge­ schlossen ist (vgl. RG. Gruchot 31 S. 1158), mithin jedem Streitgenossen besonders zugestellt werden muß. Anders liegt es, wenn zwei Kollekttvbevollmächtigten desselben Adressaten zuzustellen ist (vgl. RG. 24 S. 416). 2. II Der Gerichtsvollzieher oder der vermittelnde Gerichtsschreiber hat nach Abs. 2 auf den ihm übergebenen Ur- und Abschriften die Zeit der Übergabe zu ver­ merken, auch auf Verlangen des betreibenden Teiles eine Bescheinigung über solche zu erteilen, über weiteres nicht (RG IW 04 S. 66). Die Vorschrift soll nur die Begründung eines etwa erforderlichen Wiedereinsetzungsantrages gemäß § 235 er­ leichtern ; für den Zustellungsakt selbst ist sie ohne Bedeutung (vgl. Preuß. GeschAnw für GerVollz. § 21).

w.i.

Abs.

Übergabe an Adressaten.

§§ 170-189. Die Zustellung umfaßt zwei Akte: die Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks an den Adressaten und die Beurkundung derselben. Ersterer Akt ist für die Rechtswirksamkeit der Zustellung wesentlich; letzterer kann anderweit ersetzt werden. Das Verfahren bei der Übergabe ist in den §§ 170—189 geregelt. § 170.

Objekt der Übergabe

Abs. 1.

Die Zustellung soll, wenn sie eine Ausfertigung betrifft, in deren Übergabe, wenn sie ein anderes Schriftstück betrifft, in Übergabe einer begl. Abschrift desselben bestehen. Unter Ausfertigung ist nach dem Prinzip der §§ 299, 317, 329 die zum öffentlichen Glauben bewirkte urkundliche Ausführung oder Vervielfältigung einer ge­ richtlichen Verhandlung, Anordnung oder Entscheidung, sei es im ganzen oder zum Teile (Auszug) zu verstehen.

Zweiter Titel. Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien § 171.

175

§ 171. (157.) Die Zustellungen, welche an eine Partei bewirkt werden sollen, erfolgen für die nicht pro;eßfähigen Personen an die gesetzlichen Vertreter derselben. Lei Letzörden, Gemeinden und Korporationen, sowie bei Vereinen, welche In welchen Fällen gerade eine Ausfertigung zuzustellen ist, läßt sich aus §. 170 und dessen Materialien (vgl. v. Hahn S. 23, 913, 1212) nicht entnehmen. Nach §§ 377, 402 soll die Ladung von Zeuge» und Sachverständigen durch den Ge­ richtsschreiber unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluß ausgestrtigt und zugestellt, nach § 1039 der Schiedsspruch in Ausfertigung zugestellt werden. Sonstige Vor­ schriften, wie die §§ 208, 329, 625, 659, 678, 683, 685, 929, ergeben nichts Er­ hebliches. Deshalb mag die Zustellung einer Ausfertigung in den Fällen der §§ 377, 1039 geboten erscheinen; in anderen Fällen aber ist sie es nicht, und man darf an­ nehmen, daß ein wesentlicher Unterschied zwischen Ausfertigung und begl. Abschrift nicht besteht. Dem dürsten die §§ 320, 321 nicht entgegenstehrn, da unter den dort berührten Ausfertigungen von Urteilen nur die etwa vorhandenen zu verstehen sind (vgl. RG. 3 S. 438, 376, 4 S. 426, 13 S. 431, 15 S. 411 und Gruchot 26 S. 1149; abweichend Hellmann § 37", Schall Württemb. GerBl. 18 S. 219, Planck § 78 Note 27, Fitting § 60, die Kommentare, die zum Teil im Amtsbetriebe lediglich die Zustellung von Ausfertigungen für zulässig erachten). Abs. 2. a) Die Frage, durch wen die zu übergebende Abschrift zu beglaubigen ist, regelt Abs. 2 dahin, daß es, sofern die Parteien durch Anwälte vertreten sein müssen (§ 78) oder vertreten sind (§ 79), durch den Anwalt (vgl. RG. 8 S. 346, Bolze 1 Nr. 1670), sonst durch den Gerichtsvollzieher geschehen soll. Doch ist die Vorschrift nicht zwingend. Daher wird die Zustellung nicht unwirksam, wenn die Beglaubigung in ersteren Fällen durch den Gerichtsvollzieher (vgl. RG. 8 S. 346, 33 S. 399, bei Gruchot 27 S. 1024), im Anwaltsprozesse durch einen anderen bevollmächtigten An­ walt erfolgt (vgl. RG. 17 S. 392, 24 S. 418, Gruchot 41 S. 168). Bei Ver­ mittlung der Zustellung durch den Gerichtsschreiber liegt diesem auch die Beglaubigung ob (vgl. RG. 45 S. 415, 46 S. 399). b) Eine bestimmte Form für die Abschrift und die Beglaubigung ist nicht vorgeschrieben. In Preußen haben die Gerichtsvollzieher unter die Abschrift den Vermerk „Beglaubigt", und ihre Unterschrift (Namen, Amtseigenschast und Amtssitz) zu setzen (GeschAnw. § 12'). Es wird allemal frei zu prüfen sein, ob eine Be­ glaubigung Anlaß zu Bedenken gibt (vgl. RG. 9 S 412 und IW. 86 S. 295). Die Praxis läßt eine auf mechanischem Wege hergestellte Abschrift (RG. 4 S. 357, Klatschkopie) und eine Beglaubigung mit Stempeldruck zu (RG. 6 S. 363, 7 S. 372, 14 S. 335, 33 S. 365, IW. 88 S. 67, 97 S. 561 (SlaatsanwSekretärf). o) Die Beglaubigung an sich bildet einen wesentlichen Bestandteil der Zu­ stellung (vgl. Begr. 144), und die Unterlassung derselben macht die Zustellung un­ wirksam (vgl. RG. 6 S. 362, 8 S. 347, 9 S. 413 und SeuffA. 38 Nr. 173 344). Bloße Mängel der erfolgten Beglaubigung unterliegen der freien Würdigung des Richters. Dies gilt namentlich von Abweichungen zwischen Ur- und Abschrift, bei denen es naturgemäß darauf ankommen wird, inwieweit durch die übergebene Ab­ schrift der Empfänger zu nachteiliger Säumnis veranlaßt ist (vgl. Begr. 153, RG. 4 S. 433, 9 S. 388). Der Mangel kann durch ausdrücklichen oder stillschweigenden (§ 295) Parteiverzicht geheilt werden, sofern es sich nicht um Wahrung von Not­ fristen handelt. Im Konkurse ist nach § 77 KO. von dem Erfordernis der Be­ glaubigung abgesehen.

176

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 172, 173.

als solche Klagen und verklagt werden können, genügt die Zustellung an die Vorsteher. Lei mehreren gesetzlichen Vertretern, sowie bei mehreren Vorstehern genügt die Zustellung an einen derselben. § 172. (158.) Die Zustellung für einen Unteroffizier oder einen Gemeinen des aktiven Heeres oder der aktiven Marine erfolgt an den Chef der zunächst vorgesetzten Kommandobehörde (Chef der Kompagnie, Eskadron, Latterie usw.). § 173. (159.) Die Zustellung erfolgt an den Generalbevollmächtigten, sowie in den durch den Letrieb eines Handelsgewerbes hervorgerufenen Rechtsstreitigkeiten an den Prokuristen mit gleicher Wirkung, wie an die Partei selbst. Bornole.

§§ 171—178. Bei der Zustellung an gewisse Klaffen von Parteien machen die besonderen Ver­ hältnisse, in denen dieselben stehen, auch besondere Vorschriften darüber erforderlich, an welche Personen für sie zuzustellen ist. Derartige Vorschriften sind in §§ 171 —178 für Prozeßunfähige, für Soldaten, für Parteien mit Generalbevollmächtigten, für Parteien mit auswärtigem Wohnort und für Parteien mit Prozeßbevollmächtigten getroffen.

.Zustellung für Vrozev

§ 171.

unfähige.

Fehlt ein gesetzlicher Vertreter, so" ist nach §§ 57, 241 Abhilfe zu suchen (vgl. 88 51, 52, 55).

Zustellung für Soldaten.

8 172.

°

Der § 172 bestimmt, daß Zustellungen für Unteroffiziere und Gemeine der aktiven Land- und Seemacht (vgl. Anl. zum MilStGB. v. 20. 6. 72) im Interesse des Dienstes an den Chef der zunächst vorgesetzten Kommando­ behörde erfolgen sollen. Ob der Ches das Schriftstück an den Adressaten weiter be­ fördert, kommt sonach nicht in Betracht. Für Zustellung von Zeugenladungen gilt die besondere Bestimmung des § 378. General bevoll-

§ 173.

sroturiften

Nach 8 173 erfolgen Zustellungen an Generalbevollmächtigte, sowie in handelsgewerblichen Prozessen an Prokuristen mit gleicher Wirkung wie an die Partei selbst. Die Vorschrift findet ihren Grund (vgl. Begr. 146) darin, daß General­ bevollmächtigte und Prokuristen, ähnlich den gesetzlichen Vertretern, die volle vermögens­ rechtliche oder handelsrechtliche Persönlichkeit des Machtgebers repräsentieren und zur Prozeßführung nicht besonders bevollmächtigt zu werden brauchen. Die Anwendbar­ keit des Paragraphen ist aber nicht auf diese Fälle beschränkt. Der Ausdruck „General­ bevollmächtigter" ist im Rechtsleben gemäß dem Sprachgebrauche auch dann anwend­ bar, wenn sich die Vollmacht nur auf einen bestimmten, durch objektive Merkmale be­ grenzten größeren Teil von Bermögensangelegenheiten des Vollmachtgebers bezieht, wenn sie nur den Bevollmächtigten ermächtigt, innerhalb dieses Kreises de» Macht­ geber in allen Angelegenheiten zu vertreten (RG. 67 S. 24, 69 S. 301). Eine Zustellung gemäß § 173 ist unabhängig vom Willen der Vertreter zulässig (vgl. Begr. 146). Darin liegt eine Erleichterung für die Anstellung von Prozessen gegen Parteien, die entfernt oder im Auslande wohnen, aber im Jnlande Vermögen unter Generalverwaltung Dritter haben. In solchen Fällen wird das Be­ stehen der Generalvollmacht gewöhnlich eine gewisse Publizität genießen. Im Be-

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. aus Betreiben der Parteien §§ 174, 175.

177

§ 174. (160.) Wohnt eine Partei weder am Orte des proxeßgerichts noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirks, in welchem das Prozeßgericht seinen Litz hat, so kann das Gericht, falls sie nicht einen in diesem Orte oder Bezirke wohn­ haften prozeßbevollmächtigten bestellt hat, auf Antrag anordnen, daß sie eine daselbst wohnhafte Person zum Empfange -er für sie bestimmten Schriftstücke bevollmächtige. Diese Anordnung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung

erfolgen. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt. Wohnt die Partei nicht im Deutschen Reiche, so ist sie auch ohne vorgängige Anordnung des Gerichts zvr Benennung eines Zustellungsbevollmächtiaten ver­ pflichtet, falls sie nicht einen in dem durch den ersten Absatz bezeichneten Orte oder Dezirke wohnhaften prozeßbevollmächtigten bestellt hat. § 175. (161.) Der Zustellungsbevollmächtigte ist bei der nächsten gericht­ lichen Verhandlung oder, wenn die Partei vorher dem Gegner einen Schriftsatz znstellen läßt, in diesem zu benennen. Geschieht dies nicht, so können alle späteren Zustellungen bis zur nachträglichen Denennung in der Art bewirkt werden, daß der Gerichtsvollzieher das zu übergebende Schriftstück unter der streitungsfalle braucht nur deren Existenz im Zeitpunkte der Zustellung bewiesen zu werden.

88 174, 175.

Znstellungs« devoll«

Das dem gemeinrechtlichen und dem altpreukischen Prozesse bekannte, besonders mächligte. im französischen Rechte (domicile ein) entwickelte Institut der Jnsinuaiionsm and ata re ist von der ZPO. für Fälle erschwerter Zustellungen übernommen.

§ 174.

Pflicht zur Bestellung.

,

Einer Partei (bzw. deren gesetzlichem Vertreter) erwächst die Verpflichtung, einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, in zwei Fällen: a) nach Abs. 1, wenn sie zwar im Teutschen Reich, aber weder am Orte des Prozeßgerichts, noch in dem diesen Ort umsassendcn Amtsgerichtrbezirke wohnt, auch nicht einen in diesem Ort oder Bezirk wohnenden Prozeßbevvllmächiigten bestellt, auf antragsmäßige Anordnung des Prozeßgerichts; b) nach Abs. 2, wenn sie nicht im Deutschen Reiche wohnt und auch nicht einen in dem zu a) bezeichneten Ort oder Bezirk wohnenden Prozeßbevollmächtigten bestellt, ohne weiteres kraft Gesetzes. Das „wohnen" ist im Sinne des § 180 zu verstehen. Als Prozeßgericht kommt die jeweilige Instanz in Betracht. Die Gesetzesfassung trifft auch solche Gerichte, die ausnahmsweise nicht in ihrem eigenen Sprengel ihren Sitz haben (wie z. B. das Land- und Amtsgericht II zu Berlin und das Sluttgarter Amtsgericht für den gleich­ namigen ObAmtsbezirk). Hat die Partei einen beim Prozeßgericht zugelassenen, aber auswärts wohnenden Anwalt zum Prozeßbevollmächtigten bestellt, so hat nach § 19 RAO. dieser die Verpflichtung, für sich einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Zu a) erfordert einen Antrag des Gegners, der in jeder Prozeßlage gestellt werden kann, sowie eine Anordnung des Prozeßgerichts, deren Erlaffung int sach­ dienlichen Ermessen des Prozeßgerichts steht und besonders für den Fall, daß eine Zustellung durch die Post (§ 193) nicht ausführbar oder zeitraubend sein würde, an­ gezeigt erscheint (vgl. Begr. 147), übrigens vorgängiger mündlicher Verhandlung nicht bedarf und unanfechtbar ist (vgl. RGBeschl. v. 10. 11. 88). Reinck«, ZPO.

6. Ausl.

12

178

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 176.

Adresse der Partei nach ihrem Wohnorte pir Post gibt. Die Zustellung wirb mit -er Aufgabe zur Post als bewirkt angesehen- selbst wenn die Sendung als unbestellbar zurückkommt. Die Postsendungen find mit der Bezeichnung „Einschreiben" zu versehenwenn die Partei es verlangt und zur Zahlung der Mehrkosten sich bereit erklärt. § 176. (162.) Zustellungen- welche in einem anhängigen Rechtsstreite ge­ schehen sollen- müssen an den für die Instanz bestellten prozeßbevollmächtigten erfolgen. Ausführung.

8 1*5.

Abs. i.

I In den Fällen des § 175 geht die Verpflichtung dahin, eine am Sitz oder im amtsgerichtlichen Bezirke des Prozeßgerichts wohnhafte (§ 180) Person zum Empfange der für die Partei bestimmten Schriftstücke zu bevollmächtigen. Dies muß bei nächster Verhandlung oder zuvor in einem zuzustellenden Schriftsätze geschehen; und zwar gerechnet nach § 174 Abs. 1 von der Anordnung, nach Abs. 2 für den Kläger von der Klageerhebung, für den Gegner vom ersten Verhandlungs­ termin ab. Der benannte Zustellungsbevollmächtigte wird durch die Benennung ohne weiteren Nachweis legitimiert (Begr. 148). Seine Ermächtigung beschränkt sich auf den Empfang von Zustellungen (vgl. §§ 177 Abs. 1, 210a Abs. 2, RG. 30 S. 392), gilt jedoch für den Partei- und den Anusbetricb und für den ganzen Prozeß, sofern die Bestellung nicht bloß für die Instanz erfolgt ist (vgl. Begr. 148), wobei aber doch wohl vorauszusetzen ist, daß der Amtssitz der höheren Instanz auch in dem zu § 174 bezeichneten Amtsgerichtsbezirke liegt. Für die Beendigung der Zustellungsvollmacht werden die Vorschriften der §§ 86, 87 entsprechende Anwendung finden (Begr. 148). II. Falls die Bestellung unterlassen oder, was dem gleichsteht, wider­ rufen wird oder als unausführbar sich herausstellt (vgl. Begr. 148), soll weiterhin die Post als gesetzlicher Zustellungsbevollmächtigter der säumigen Partei gelten (vgl. Begr. a. a. O). Alsdann können zuzustellende Schriftstücke vom Gerichtsvollzieher (nicht vom Gerichtsschreiber, vgl § 196) unter der Adresse der säumigen Partei und nach dem sachgemäß sich ergebenden Wohnorte derselben (§ 180, vgl. Begr. 148) zur Post gegeben werden. Hiermit gilt die Zustellung als bewirkt, gleichviel ob die Sendung wirklich an die Adrefle gelangt oder nicht. Das Verfahren bleibt zu­ lässig, sobald nur die Klage in vorgeschriebener Weise zugestellt ist (RG. 59 S. 335). Dabei ist nach Abs. 2 der betreibenden Partei die Möglichkeit größerer Sicherung der Postsendung offengehalten, indem, wenn sie es verlangt und die Mehrkosten übernimmt, die Sendung mit „Einschreiben" bezeichnet werden darf. Über die postalische Behandlung dieser Zustellungsart vgl. das Preuß. JMBl. v. 79 S. 374. Die Auf­ gabe zur Post ist im Konkurse für alle besonderen Zustellungen verordnet (KO. § 77). Sre darf nicht verwechselt werden mit der Zustellung durch die Post (§ 196), welche die normale Zustellung bildet, während die Aufgabe zur Post sich als Straf­ zustellungsart darstellt.

Abs. 2.

Zustellungen im an-

Vornote!

§§ 176-178. Die zur Anhängigmachung des Prozesses erforderlichen Zustellungen müssen grundsätzlich (Ausnahmen sind nach §§ 81. 82 möglich) an die Partei selbst oder an die ihr nach §§ 171—173 gleichgestellten Personen erfolgen. Im anhängigen Prozesse fragt es sich, ob, wenn die Partei einen Prozeßbevollmächtigten bestellt hat, weiterhin an erstere oder an letzteren zuzustellen ist.

Diese Frage ist von der ZPO. mit Rücksicht darauf, daß die Partei systemgemäß (§ 81) dem Prozeßbevollmächtigten den vollen Prozeßbetrieb überläßt und, falls an sie selbst zugestellt würde, sich doch wieder an den besser informierten Prozeßbevoll­ mächtigten wenden müßte (vgl. Begr. 149, 150), in §§ 176 — 178 (vgl. § 210a) dahin geregelt, daß die Zustellungen an den Prozeß bevollmächtigten zu er­ folgen haben. Diese Vorschriften gelten für den Anwalts- wie für den Parteiprozeß.

§ 176.

Grundsatz.

Der § 176 stellt den Grundsatz auf, daß Zustellungen im anhängigen Rechts­ streit an den für die Instanz bestellten Prozeßbevollmächtigten er­ folgen müssen.

I. a) Die Instanz umfaßt das Verfahren von ihrer Einleitung durch Klage oder Rechtsmitteleinlegung ab bis zu ihrer vollständigen und endgültigen Erledigung durch DiSpositionsakt oder unbedingtes Endurteil; und zwar mit Einschluß der Urteils­ zustellung (§ 317, vgl. RG. 8 S 424, 9 S. 367, 10 S. 345, 16 S. 354, 19 S. 397, Gruchot 31 S. 109, IW. 93 S. 133), welcher Umstand von besonderer Bedeutung für die Fälle der Unterbrechung (§ 244), der Rechtsmittel (§§ 516, 552), der anfechtbaren Zwischenurteile (§§ 275, 304) und der Arreste (§ 943, vgl. RG. IW. 97 S. 268, 466) ist. b) Mit Bezug auf gewisse Prozeßhandlungen, welche, ein erneutes Verfahren vor dem Jnstanzgericht bezwecken, nämlich den Einspruch (§ 338), die Urteilsaushebung in den Fällen der §§ 538, 539, 565, die Wiederaufnahme (§ 578, vgl. RG. Gruchot 27 S. 1074), ein Neuvorbringen in der Vollstreckungsinstanz gemäß §§ 767, 768 (nicht auch gemäß §§ 771, 805, 877, vgl. Begr. 150, und OLG. Hamburg SeuffA. 39 S. 376), konnte gegenüber §§ 81, 82 fraglich werden, ob die­ selben unter § 176 fielen. Deshalb ist in § 178 besonders bestimmt, daß dies der Fall sein soll. Rach § 178 soll das Verfahren vor dem Vollstreckung sgericht (§§ 764ff.) mit zur 1. Instanz gehören. Im Anschluß hieran muß das gleiche für das Kosten­ fe st setzungs verfahren (§ 104) gelten (vgl. § 29 RAGebO., RG. 9 S. 329, 392).

Instanz,

§ na.

II. Der § 176 bezieht sich aus Zustellungen aller Art während der Instanz; somit auch aus solche, die ein persönliches Handeln der Partei betreffen, wie Ladungen zur Ausklärung, Sühne oder Eidesleistung (vgl. Begr. 149).

111. Anlangend das Gebot, daß Zustellungen obiger Art an den für die In- Prozeß stanz bestellten Prozeßbevollmächtigten erfolgen müssen, ist folgendes zu mLchttgte. bemerken: a) Der Begriff der Prozeßbevollmächtigten überhaupt ergibt sich aus § 81. Dieselben stehen danach im Gegensatz zu den von ihnen bestellten Vertretern (Substituten) und zu den durch die Partei nach § 83 Abs. 2 für einzelne Prozeß­ handlungen bestellten Bevollmächtigten. Deshalb unterliegen Zustellungen an die beiden letzteren nicht dem § 176 (vgl. RG. 11 S. 370, Gruchot 28 S. 1127, 29 S. 1058 und 1070, 31 S. 1160). b) Ob und wer als Prozeßbevollmächtigter bestellt ist, hat die betreibende Partei nach Maßgabe der §§ 80 ff. zu ermitteln (vgl. Hellmann Busch 18 S. 74). Als bestellt wird ein solcher gelten, dessen Bestellung dem Gegner bzw. dessen Prozeßbevollmächtigten oder dem Gericht durch Vorlegung schriftlicher Vollmacht, durch Be­ nennung in Schriftsatz oder mündlicher Verhandlung, oder durch einstweilige Zu­ lassung seitens des Gerichts bekannt war oder bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt fein mußte; und zwar solange, als derselbe nicht infolge eines bei der Amtsprüfung oder auf Parteirüge festgestellten Mangels der Vollmacht zurückgewresen ist (vgl. RG.

180

I- Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 177—180.

§ 177. Äst der Aufenthalt eines pro;eßbevollmachtigten unbekannt, so hat das prozeßgericht auf Antrag die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten, in Gnnangelung eines solchen an den Gegner selbst pt bewilligen. Die Entscheidung über den Antrag kann ohne vorgängige mündliche Ver­ handlung erlassen werden. Eine Anfechtung der die Zustellung bewilligenden Entscheidung findet nicht statt. § 178. (163.) Als ju der Instanz gehörig find im Linne des § 176 auch diejenigen Prozeßhandlungen anzvsehen, welche das Verfahren vor Lem Instanzgerichte infolge eines Einspruchs, einer Aufhebung des Urteils des Instanzgerichts, einer Wiederaufnahme des Verfahrens oder eines neuen Vorbringens in der Zwangsvollstreckungsinstanz zum Gegenstände haben. Das Verfahren vor dem Vollstreckungsgerichte ist als zur ersten Instanz gehörig anzusehen. § 180. (165.) Die Zustellungen können an jedem Orte erfolgen, wo die Person, welcher zugestellt werden soll, angetroffen wird. Hat die Person an diesem Orte eine Wohnung oder ein Geschäftelokal, so 5 S. 360, 9 S. 347, 14 S. 350, 16 S. 355, 18 S. 396, 67 S. 150, Gruchot 27 S. 1075, 28 S. 1127, 31 S. 1160, 33 S. 1177, 35 S. 151, die Kommentare). c) Die Vorschrift des § 176 ist, wie die Fassung („müssen") ergibt, zwingend, und ihre Verletzung macht die Zustellung unwirksam. Diese Folge ist vom Prozeß­ gericht bei Prüfung der von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte (§ 139 Abs. 2) ohne weiteres zu ziehen, während sie in anderen Punkten der Rüge des Gegners überlassen bleibt (§ 295). Daß der Gegner zugcstellte Schriftstücke angenommen hat, steht dessen Rügerecht noch nicht entgegen (vgl. RG. 4 S. 414, 16 S. 354, 19 S. 397, IW. 91 S. 222 und 94 S. 543). Unietannlet § 177. Aufenthalt dkiProzeßFür Fälle, wo der Aufenthalt eines Prozeßbevollmächtigten unbekannt ist, e 0fehlte es in der ursprünglichen ZPO. an einer Aushilfsbestimmung. Die Nov. v. 98 hat solche, im Hinblick auf etwaige Scheinbestellung von Vertretern, in § 177 (bzw. § 210a Abs. 2) nachgeholt, und zwar dahin, daß, sofern die betreibende Partei nachweist, der bestellte Prozeßbevollmächtigte (wohl nicht auf Anwälte zu beziehen) sei nicht zu ermitteln, das Gericht auf Antrag der Partei, ohne daß cs vorgängiger mündlicher Verhandlung bedarf, durch einen der Anfechtung entzogenen Beschluß an ordnen soll, daß die Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten (§ 174), mangels eines solchen an den Gegner selbst zu erfolgen habe (vgl. Motive zu § 177).

§ 178. Der § 178 ist bereits in Note Ib zu § 176 erläutert worden. § 179 fällt fort, ersetzt durch § 210 a der Nov. v. 09. § 179 bezog sich auf die Einlegung von Rechtsmitteln durch Zustellung und mußte beseitigt werden, als diese Weise der Einlegung, wie früher schon für die Revision, so jetzt auch für die Be­ rufung geändert wurde (§ 518). vrt unb Bett der ZufteHung. sowste.

88 180—188. 1, Die §§ 180—188, von denen durch die Nov. v. 98 die 88 185, 187 eingefügt, § Igz ergänzt worden, bestimmen, wo und wann die Zustellungen erfolgen dürfen, und zwar von dem Gesichtspunkte aus, daß die Übergabe des zuzustellen-

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien § 181.

181

ist die außerhalb der Wohnung oder des Geschäftslokals an sie erfolgte Zu­ stellung nur gültig, wenn die Annahme nicht verweigert ist. § 181. (166.) Wird die Person, welcher fugeftellt werden soll, in ihrer Wohnung nicht angetroffen, so kann die Zustellung in der Wohnung an einen ;u der Familie gehörenden erwachsenen Hausgenossen oder an eine in der Familie dienende erwachsene Person erfolgen. Wird eine solche Person nicht angetroffen, so kann die Zustellung an den in demselben Hause wohnenden Hauswirt oder Vermieter erfolgen, wenn diese für Annahme des Lchriftstücks bereit sind. den Schriftstücks (§ 170) möglichst zu eigenen Händen des Adressaten, am passenden Ort und zu passender Zeit erfolgen soll (vgl. Begr. 150). Die Vorschriften gelten für Zustellungen aller Art, namentlich auch für ausländische Parteien (vgl. Begr. 151; wegen Zustellungen an Strafgefangene RG. IW. 96 S. 147 und die Motive zu dem abgelehnten § 158 a der Novelle). 2. Es handelt sich in §§ 180—188 um einen wesentlichen Bestandteil der Zustellung. Ein Verstoß gegen dieselben macht die Zustellung unwirksam, sofern nicht ein wirksamer Rügeverzicht des Gegners vorliegt (vgl. RG. 14 S. 340, 21 S. 388, 406, weniger streng 17 S. 405, IW. 88 S. 406, 95 S. 6). Daraus er­ wächst für die zustellenden Beamten die Verpflichtung, allemal vorweg sorgsame Er­ mittlungen über die hier maßgebenden Umstände anzustellen (vgl. Preuß. GeschAnw. für GerBollz. §§ 24—33).

§ 180.

Regel.

1. Der Abs. 1 geht von der Zustellung an den Adressaten selbst als Regel aus, und erklärt solche an jedem Ort (Stadt, Dorf, Gutsbezirk) im Deutschen Reiche, wo der Adresiat angetroffen wird, für zulässig (vgl. Begr. 150). Hieraus ergibt sich, daß es auf einen Wohnsitz im Sinne des § 13 nicht ankommt, was unter Umständen (z. B. für getrennt lebende Eheleute) von Erheblichkeit sein kann (vgl. RG. Gruchot 38 S. 495). 2. Immerhin kommt nach Abs. 2 dem Umstande, daß der Adressat in der Ort­ schaft, in der er angetroffen wird, eine Wohnung oder ein Geschäftslokal hat, eine Bedeutung bei. Hierunter ist jeder Raum zu verstehen, den Adressat tatsächlich gerade zum Aufenthalt oder Geschäftsbetriebe (Amts- oder Gewerbebetrieb) inne hat, wozu auch ein Zimmer im Gasthof oder Privatlogis gehören kann fvgl. Begr. 150, RG. 16 S. 349). In solchem Falle soll die Zustellung zunächst in der Wohnung oder im Geschäftslokal versucht werden (vgl. WechsO. Art. 91, Preuß. GeschAnw. für GerVollz. §§ 24, 27—29). Außerhalb derselben darf Adressat die Zustellung ab­ lehnen. Versteht er sich zur Annahme, so ist die Zustellung wirksam.

88 181-185. Birkenbihl Gruchot 33 S. 262; Hahn ebendort S. 549.

Wird Adressat selbst in seiner Wohnung oder in seinem Geschäftslokale nicht angetroffen, so kann nach 88 181—184, ohne daß weitere Ermittlungen betreffs seiner Person erforderlich sind, die Zustellung ersatzweise durch Übergabe des Schrift­

stücks an gewisse andere dort angetroffene Personen, eventuell durch Niederlegung bei gewissen Amtsstellen geschehen (sog. Ersatzzustellung). Sie ist naturgemäß nur als fakultative hingestellt („kann"), wird aber tatsächlich wohl die Regel bilden (vgl. Preuß. GeschAnw. f. GerBollz. 88 27—30).

Ersatzzustellung.

182

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 182, 183.

§ 182. (167.) M die Zustellung nach diesen Bestimmungen nicht ausführ­ bar, so kamt sie dadurch erfolgen, daß das ;u übergebende Zchriftstück ans der Gerichtsschreiberei des Amtsgerichts, in dessen Lessrke der Ort der Zustellung gelegen ist, oder an diesem Orte bei der Postanstalt oder dem Gemeindevorsteher oder dem polizeivorsteher niedergelegt und die Niederlegung sowohl durch eine an der Tür der Wohnung ;u befestigende schriftliche Anzeige, als auch, soweit tunlich, durch mündliche Mitteilung an zwei in der Nachbarschaft wohnende Personen bekannt gemacht wird. § 183. (168.) Für Gewerbetreibende, welche ein besonderes Geschäftslokal haben, kann, wenn sie in dem Gefchästslokale nicht angetroffen werden, die Zustellung an einen darin anwesenden Gewerbegehilfen erfolgen. Wird ein Rechtsanwalt, ein Notar oder ein Gerichtsvollzieher in feinem Gefchästslokale nicht angrtroffen, so kann Lie Zustellung an einen darin an­ wesenden Gehilfen oder Schreiber erfolgen.

Übergabe

§ 181.

genossen.

Findet der Gerichtsvollzieher den Adressaten in dessen Wohnung nicht vor (vgl. § 191 Nr. 4, und zum Begriff der „Wohnung" RG. 54 S. 240), so darf er darin (vgl. RG. 34 S. 392, Gruchot 41 S. 164) ersatzweise an folgende Personen zustellen:

Abi. i.

1. Nach Abs. 1 an einen zur Familie gehörigen erwachsenen Hausgenossen (vgl. §§ 759, 885, RG. 14 S. 338) oder an eine in der Familie dienende Person (Gesinde, Hausoffiziant), wenn sie auch nicht hausgenössisch ist (vgl. RG. 34 S. 392). Die in ersterem Falle mögliche Eventualität eines Interessengegensatzes (z. B. bei Streitigkeiten zwischen Eheleuten oder zwischen Eltern und Kindern) ist in dem § 185 besonders vorgesehen.

Abs. 2.

2. Nach Abs. 2, sofern eine solche Person nicht angetroffen wird, an den Haus­ wirt, mag er Eigentümer, Nutzungsberechtigter oder bloßer Verwalter (Vizewirt) sein (vgl. Nordd. Prot. 357, RG. IW 89 S- 305), oder an den Vermieter (Haupt­ oder Aftermieter), vorausgesetzt ihre Zustimmung (vgl. Preuß. GeschAnw. f. GerBollz. § 30).

Mederlegung des Schriftstücks.

§ 182.

an Haus-

Im Geschäftslofal.

Ist eine Ersatzzustellung nach § 181 nicht ohne weiteres ausführbar (vgl. RG. Gruchot 36 S. 124), so gestattet § 182 eine Niederlegung des zuzustellenden Schriftstücks bei einer der dort bezeichneten, dem Publikum am meisten zugänglichen, Amtsstellen, unter Befestigung einer schriftlichen Anzeige an der Wohnungstür und, soweit tunlich, unter mündlicher Mitteilung an zwei Ätachbaren. Wegen der dienst­ lichen Behandlung dieses Aktes vgl. die Preuß. GeschAnw. für GerVollz. § 31 und die Preuß. Allg. Sers. v. 7. 1. und 29 4. 80 (JMBl. 61 und 95).

88 183, 184. Die §§ 183, 184 lassen eine Ersatzzustellung für Gewerbetreibende, Be­ amte, Behörden und juristische Personen zu, die ein besonderes Geschästslokal (vgl. hierüber RG. 16 S. 349) halten, aber darin nicht angeiroffen werden, ohne Unterschied, ob die Zustellung in einer Geschäfts- oder einer Privatsache erfolgt (vgl. RG. 16 S. 351).

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien §§ 164, 185.

183

§ 184. (169.) Wird der gesetzliche Vertreter oder der Vorsteher einer Be­ hörde, einer Gemeinde, einer Korporation oder eines Vereins, welchem ;ugestellt werden soll, in dem Geschäftslokale während der gewöhnlichen Geschäftsstnnden nicht angetroffen, oder ist er an der Annahme verhindert, so kcmtt die Zustellung an einen anderen in dem Geschäftslokale anwesenden Geamten oder Kediensteten bewirkt werden. Wird der gesetzliche Vertreter oder der Vorsteher in seiner Wohnung nicht angetroffen, so finden die Bestimmungen der §§ 181,182 nur Anwendung, wenn ein besonderes Geschäftslokal nicht vorhanden ist. § 185. Vie Zustellung an eine der in den §§ 181, 183 und im § 184 Abs. 1 bezeichneten Personen hat zu unterbleiben, wenn die Person an dem Rechtsstreit als Gegner der Partei, an welche die Zustellung erfolgen soll, be­ teiligt ist. § 183. 1. Nach Abs. 1 kann für Gewerbetreibende, die in ihrem Geschästslokale nicht angetroffen werden, an einen darin anwesenden (vgl. RG. Gruchot 26 S. 1153) Gewerbcgchilfen zugestellt werden (vgl. ROHG. 13 S. 81, RG. 4 S 427). 2. Nach Abs. 2 kann für Rechtsanwälte, Notare und Gerichtsvollzieh er an einen im Bureau anwesenden (vgl. RG. Gruchot 26 S. 1153) Gehilfen oder Schreiber zngcstellt werden. Unter Gehilfen sind aber nur technische Stellvertreter und Gehilfen (gemäß §§ 25, 40 NAO ), Bürcauvorsteher, Expedienten usw. zu ver­ stehen (vgl. RG. 4 S. 427, IW. 99 S. 139). Liegt das Gcschästslokal in der Wohnung, so wird zugleich die Ersatzzustellung nach § 181 zulässig sein (vgl. RG. 10 S. 360, Preuß. GeschAnw. § 28).

mi. i.

Abs.s.

§ 184.

1.

Nach Abs. 1 können Zustellungen an gesetzliche Vertreter oder Vorsteher von Behörden, Korporationen oder parteisähigen Personenvereinen (§ 171), die im Geschäftslokale während der gewöhnlichen, d. h. dienstlich festgesetzten oder üblichen Gcschästsstundcn (vgl. RG. 21 S. 389) nicht angetroffen, oder die an der Empfangnahme verhindert sind, an einen dort anwesenden Beamten oder Bediensteten, d. h. an Angestellte ohne Unterschied der Stellung, erfolgen. 2. Nach Abs. 2 darf (abweichend von § 183), sofern die Behörde usw. ein besonderes Gcschästslokal hat, die Zustellung auch in der Wohnung erfolgen, aber nur an den Adressat>n selbst (§ 180), so daß eine Ersatzzustellung nach §§ 181, 182 unzulässig ist. Der Grund der Vorschrift liegt offenbar in dem dienstlichen Jntereffe, daß das zuzustellende Schriftstück ersatzweise allemal nur an Angestellte gelange (vgl. Preuß. GeschAnw. § 30).

«bs.,.

§ 185.

Interessenkollision.

Zufolge §§ 181, 183, 184 Abs. 1 können Ersatzzustellungen an solche Personen vorkommen, die am Rechtsstreit als Gegner des Adressaten beteiligt sind. Besonders ist dies in Ehescheidungsprozessen möglich. Alsdann bleibt die Voraussetzung, auf der die Ersatzzustellung beruht, nämlich, daß der Empfänger das ihm übergebene Schrift­ stück an den Adressaten abliefern werde, unsicher. Deshalb hat die Nov. v. 98 in § 185 vorgeschrieben, daß dann die Ersatzzustellung nach obigen Paragraphen zu unterbleiben hat. Die Motive (zu § 169 a) umschreiben dies dahin, daß die Ersatzzustellung un­ zulässig und rechtsungültig sein soll. Es handelt sich somit nach Absicht des Gesetzes unbedenklich um eine zwingende Vorschrift. Vgl. RPostO. v. 20. 3. 00 § 40.

Abs. 2.

184

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 186—188.

8 186. (170.) Wird die Annahme der Bixstellung ohne gesetzlichen Grund verweigert, so ist das pi übergebende Schriftstück am Orte der Zustellung Mrücksuiasten. § 187. Ergibt sich aus den Erklärungen einer Partei, datz eine ihr unter Verletzung der Vorschriften der §§ 181—186 {«gestellte Ladung in ihre Hände gelangt ist, so ist die Zustellung als mit dem Zeitpunkte bewirkt an^usehen, in welchem die Partei nach ihren Crklänrngen die Ladung erhalten hat. § 188. (171.) Zur Vachheit, sowie an Sonntagen und allgemeinen Feier­ tagen darf eine Zustellung, sofem sie nicht durch Aufgabe ;ur Post bewirkt wird, nur mit richterlicher Erlaubnis erfolgen. Die Vacht;eit umfaßt in dem Zeitraume vom 1. April bis 30. September die Stunden von neun Ahr abends Zurücklafluna des Schriftstück«.

©efllnbni« deSLadungsempfangt«.

§ 186. Der § 186 geht stillschweigend von einer Verpflichtung derjenigen Personen, an welche gemäß §§ 171—184, also für sie selbst, vertretungs- oder ersatzweise, zugestellt werden kann, aus, das übergebene Schriftstück anzunehmen. Darum knüpft er an eine Weigerung der Annahme die Folge, daß die Zustellung durch Zurück­ lassung des Schriftstücks am Zustellungsorte, ohne Rücksicht auf eine Übergabe zu erfolgen hat. Die Art und Weise der Zurücklasiung steht im verständigen Ermessen des Zustellungsbeamten (vgl. Preuß. GeschAnw. f. GBollz. § 33).

§ 187. Eine Verletzung der in den §§ 181—186 enthaltenen Vorschriften über Ersatz­ zustellungen hat, von dem Fall eines zulässigen Rügeverzichts (§ 295) abgesehen, die Ungültigkeit des Zustellungsakts zur Folge (vgl. Bornote 2 zu §§ 180 —188). Daran änderte auch nach der ursprünglichen ZPO. der Umstand nichts, daß erweislich das zuzustellende Schriftstück rechtzeitig in die Hände des Adressaten gelangt war. Gegen diesen Übelstand richtet sich der von der Nov. v. 98 eingefügte § 187. Die Vorschrift ist aber nur für solche Schriftsätze berechnet, die eine Ladung enthalten (§ 214). Sie setzt voraus, daß aus den Erklärungen des Empfängers sich ergibt, daß die vorschriftswidrig zugestrllte Ladung in dessen Hände gelangt ist. Be­ treffs der Form der Erklärungen enthält § 187 keine Einschränkung, und die Motive dazu (§ 170a) erachten die Form für unerheblich. Es wird daher auf Grund des Gesamtverhaltens der Partei innerhalb und außerhalb der mündlichen Verhandlung frei zu würdigen sein (§ 286), ob schlüssige Erklärungen irgendwelcher Art gegen die Partei vorliegen. Daß dieselbe auf die Ladung hin im Verhandlungstermin er­ scheint, dürfte für sich kaum als solche Erklärung gelten. Andrerseits werden (ent­ gegen den Motiven), selbst wenn die Partei im Termin ausbleibt, dem Gegner Be­ weisanträge über anderweite Umstände nicht abzuschneiden sein (vgl. Gaupp-Stein, Petersen-Anger). Die Zustellung soll als mit dem Zeitpunkte bewirkt gelten, in dem Adressat nach seiner Erklärung die Ladung erhalten hat. Auch über diesen Punkt wird die freie Beweiswürdigung Platz zu greifen haben.

Zeitschranlen

§ 188.

ftenung.

I, Der § 188 sieht für gewisse, außerhalb der üblichen Berkehrszeit liegende Tagesstunden und Tage eine Beschränkung der Statthaftigkeit der Zustellung vor, soweit diese nicht durch Aufgabe zur Post (§ 175) erfolgt. Aus letzterer Maß-

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien § 189.

185

bis 4 Uhr morgens und in dem Zeitraume vom 1. Oktober bis 31. Mär; die Stunden von 9 Uhr abends bis 6 Uhr morgens. Die Erlaubnis wird von dem Vorsitzenden des prozeßgerülits erteilt; sie kann auch von dem Amtsrichter, in dessen ßejtrke die Zustellung erfolgen soll, und in Angelegenheiten, welche durch einen beauftragten oder ersuchten Richter zu erledigen sind, von diesem erteilt werden. Die Verfügung, durch welche die Erlaubnis erteilt wird, ist bei der Zu­ stellung abschriftlich mitzuteilen. Eine Zustellung, bei welcher die Bestimmungen dieses Paragraphen nicht beobachtet smd, ist gültig, wenn die Annahme nicht verweigert ist. § 189. (172.) Äst bei einer Zustellung an den Vertreter mehrerer Be­ teiligter oder an einen von mehreren Vertretern die Übergabe der Ausfertigung gäbe und daraus, daß § 188 bei der Zustellung durch Postboten (§ 195) nicht mitherangezogen ist, wird zu folgern sein, daß der § 188 sich überhaupt nur auf Zu­ stellungen durch Gerichtsvollzieher, und zwar außerhalb des Bereichs des § 194, bezieht (vgl. Preuß. GeschAnw. § 7; Planck I § 33, die Kommentare).

II. Die Beschränkung trifft folgende Zeiten:

tief. i.

a) die Nachtzeit. Hierüber (im Gegensatz zur Zwangsvollstreckung § 761) gab die ursprüngliche ZPO. keine Vorschrift, indem sie solche nicht für angezeigt hielt, weil in den meisten Bundesstaaten materiellrechtliche, also durch die ZPO. (nach § 14 des EG.) nicht berührte Gesetze (vgl. f. Preußen G. v. 12. 2. 50) zum Schutze der persönlichen Freiheit bestehen (vgl. Begr. 151). Der Gerichtsvollzieher ist an solche Gesetze gebunden, und dies kann zur Folge haben, daß tatsächlich Zustellungen sich als unausführbar ergeben (vgl. RG. 30 S. 426). Hierdurch können die Parteien, nament­ lich bei Zustellungen zur Wahrung von Fristen geschädigt werden. Darum hat die Nov. v. 98 dem § 188 eine dem bisherigen § 681 gleiche Vorschrift eingefügt, die Fassung des § 681, jetzt § 761, aber abgekürzt. Wegen Berechnung der Nachtzeit vgl. noch G. v. 12. 3. 93 über die mitteleuropäische Zeit. d) Sonntage und allgemeine Feiertage. Bei letzteren ist, entsprechend dem § 193 BGB., an allg. Feiertage, die am Zustellungsorte landesgesetzlich an­ erkannt sind, zu denken (vgl. WechsO. Art. 92; für Preußen G. über den Charfreitag v. 2. 9. 99, RGSt. 2 S. 398).

III. Die Beschränkung besteht darin, daß Zustellungen zu obigen Zeiten ras.2-4. rechtswirksam nur mit besonderer richterlicher Erlaubnis vorgenommen werden können, es sei denn, daß Adressat die Annahme nicht verweigert (Abs. 1, 4). Die Erlaubnis kann von der betreibenden Partei, aber auch von dem beauftragten Gerichtsvollzieher formlos beantragt werden. Zuständig sind die in Absatz 2 be­ zeichneten Amtsstellen. Die Erlaubnis steht im Ermeßen derselben; naturgemäß ist ein Ausnahmebedürfnis vorauszufetzen (Begr. 151). Sie erfolgt schriftlich und ist vom Gerichtsvollzieher mit dem zuzustellenden Schriftstück abschriftlich dem Adressaten oder Ersatzempfänger mitzuteilen. 8

189.

Die Vorschriften der §§ 169, 170 über die Zahl der zu übergebenden Schrift­ stücke (nebst Zustellungsurkunde, § 190) sind, sofern es sich um Zustellung an den­ selben Vertreter mehrerer Beteiligten oder an einen von mehreren Vertretern eines Beteiligten handelt, in § 189 dahin vereinfacht, daß die Übergabe eines Exem­ plars genügen soll.

KollektivZustellungen.

186

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 190.

oder Abschrift eines Schriftstücks erforderlich, fo genügt die Übergabe nur einer Äusfertignng oder Abschrift. Einem öustellnngsbevollmächtigten mehrerer beteiligter sind so viele Aus­ fertigungen oder Abschriften ;u übergeben, als beteiligte vorhanden sind. § 190. (173.) Über die Zustellung ist eine Urkunde aufzunehmen.

Dieselbe ist auf die Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf einen mit derselben zu verbindenden Dogen ;u sehen. Eine durch den Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschrift der Lustellungsurkunde ist auf das bei der Zustellung zu übergebende Schriftstück oder auf einen mit demselben zu verbindenden Dogen zu sehen. Die Zustellungsurkunde ist der Partei, für welche die Zustellung erfolgt, zu übermitteln. Unter Vertretern versteht Abs. 2 jedoch nur gesetzliche und gewillkürte Ver­ treter (§§ 51, 88, 89, 171—173), nicht auch Zustellungsbevollmächtigte (§ 174; vgl. RG. IW. 88 S. 394). Zustellungsurkunde. Abs. i.

§ 190. I. Abs. 1 spricht den Grundsatz aus, daß über die Zustellung eine Urkunde aufzu nehmen ist. Betreffs der Bedeutung dieser Vorschrift gehen die Ansichten auseinander. Die strengere Auffassung erblickt in der formgerechten Ausnahme der Zustellungsurkunde einen zur Wirksamkeit der Zustellung notwendigen Bestandteil derselben, der durch anderweite Beweismittel nicht ersetzt werden könne. Man beruft sich dafür auf die Fassung des Gesetzes, namentlich auf das obligatorische „muß" in § 191, ferner darauf, daß die Begr. als Zustellung die Mitteilung eines Schriftstückes unter Be­ urkundung der erfolgten Mitteilung bezeichnet (vgl. Begr. 141, 152), endlich darauf, daß die Zustellung von Anwalt zu Anwalt nach § 198 nur durch eine Urkunde erwiesen werden kann. Gegen diese Ansicht spricht jedoch folgendes. Der Zu­ stellungsakt besteht sachlich lediglich in der Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks (§ 170). Der § 190 sieht allerdings die Aufnahme einer Urkunde über die erfolgte Zustellung vor, vermeidet dabei aber das imperative „muß", und läßt sich deshalb dahin verstehen, daß den Beteiligten mit der Zustellungsurkunde regelmäßig nur ein sicheres Beweismittel der Zustellung geboten werden soll. Dem steht auch nicht das obli­ gatorische „muß" in § 191 entgegen; denn diese Vorschrift erklärt sich dahin, daß die als regelmäßiges Beweismittel gedachte Zustellungsurkunde den für eine öffentliche Urkunde (§§ 415, 418) wesentlichen Inhalt haben soll. Entsprechend wird von der Begr. (S. 152) bemerkt, daß die Zustellungsurkunde als öffentliche Urkunde beweise, und für selbstverständlich erachtet, daß mangelhafte Zustellungsurkunden betreffs ihrer Beweiskraft vom Richter frei zu würdigen seien. Sonach erscheint im Sinne der §§ 190, 191 die Aufnahme der Zustellungsurkunde für die Wirksamkeit der Zu­ stellung nicht wesentlich, und die formgerecht erfolgte Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks kann auch durch andere Beweismittel(8 286) erwiesen werden. Etwaige Mängel der aufgenommenen Zustellungsurkunde mit Bezug auf §§ 191, 415, 418 unterliegen ebenfalls der freien Beweiswürdigung. Vgl. Hellmann § 37, Francke Busch 5 S. 402, Planck I § 33, Fitting Busch 11 S. 59, die Kommentare; aus der überwiegend freieren Praxis des RG.: 4 S. 433, 17 S. 405, Gruchot 26 S. 1155, 27 S. 1083, 28 S. 741, 36 S. 126, 1126, daneben RG. 5 S. 414, 11 S. 404, 19 S. 424, Gruchot 29 S. 1077; BayObLG. SeuffA. 42 S. 465.

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien §§ 191, 192.

187

§ 191.

(174.) Die Zustellungsurkunde muß enthalten: Ort und Zeit -er Zustellung; die Dereichnung der Person, für welche ;ugestellt werden soll; die Bezeichnung der Person, an welche zugestellt werden soll; die Bezeichnung der Person, welcher zugestellt ist; in den Fällen der 88181,183, 184 die Angabe des Grundes, durch welchen die Zustellung an die bezeichnete Person gerechtfertigt wird; wenn nach § 182 ver­ fahren ist, Lie Bemerkung, wie die darin enthaltenen Vorschriften be­ folgt sind; 5. im Falle der Verweigerung der Annahme die Erwähnung, daß die Annahme verweigert und das zu übergebende Lchriststück am Orte der Zustellung zurückgelasten ist. 6. die Bemerkung, daß eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift des zuznstellenden Schriftstücks und daß eine beglaubigte Abschrift der Zustellungsurknnde übergeben ist; 7. die Unterschrift des die Zustellung vollziehenden Beamten. § 192. (175.) Ist Lie Zustellung durch Aufgabe zur Post (8175) erfolgt, so inuß die Zustellungsurkunde den Bestimmungen des vorstehenden Paragraphen 1. 2. 3. 4.

II. Für die Beurkundnngsform enthalten die Abs. 2—4 folgende Bor- w. 2-4. schriften: Die Beurkundung erfolgt auf der Urschrift des zuznstellenden Schriftstücks (8 169) oder auf einem damit zu verbindenden Bogen, nnd die so erweiterte Urschrift ist der betreibenden Partei mitzuteilen. Eine beglaubigte Abschrift der Beurkundung ist auf das zu übergebende Schriftstück (8 170) oder einen damit zu verbindenden Bogen zu setzen, und das so erweiterte Schriftstück dem Adressaten zu übergeben (vgl. RG. 51 S. 259 (Haftung des GerBollz. ro. Nichtübertragung der TermBestimmungf). Übrigens wird dadurch, daß die Mitteilung oder Beglaubigung einer Abschrift der Zustellungsurkunde für den Adressaten unterbleibt, die Wirksamkeit der Zustellung gemäß 8 170 nicht berührt (vgl. RG. Gruchot 27 S. 1082, 1085, 36 S. 468, IW. 92 S. 331). Wen» Ur- und Abschrift der Beurkundung voneinander abweichen, so entscheidet der Inhalt der Abschrift, falls dadurch der Empfänger zu nachteiliger Säumnis veranlaßt ist (vgl. Begr. 153, RG. 4 S. 433, 9 S. 388, Note zu 8 170). 8

191.

I. Der in § 191 bezeichnete Inhalt der Beurkundung ist (vgl. Note I zu 8 190), sofern die Urkunde als öffentliche (88 415, 418) gelten soll, obligatorisch. Mängel unterliegen der freien richterlichen Würdigung und sind durch Rügeverzicht heilbar. Der urkundlich fehlende Beweis kann durch andere Beweismittel ergänzt werden. Indessen besteht hier wegen des Wortes „muß" derselbe Streit der Meinungen wie zu 8 190. II. Bon den einzelnen Jnhaltserfordernissen bezieht sich die Nr. 1 auf 88 180—188 („Zeit" nicht Stunde, vgl. RG. IW. 02 S. 215), die (gegen früher gekürzte) Nr. 2 auf 8 166, die (vgl. dazu RG. 17 S. 400 und 411) Nr. 3 auf 88 171—179, die Nr. 4 auf 88 180—184, die Nr. 5 auf 8 186, die (jetzt er­ gänzte) Nr. 6 auf 88 170, 190 Abs. 3, wobei sich die nähere Bezeichnung des Schriftstücks angesichts der Verbindung desselben mit der Zustellungsurkunde erübrigt (vgl. Preuß. GeschAnw. f. GerBollz. 8 34 Nr. 3). Die Nr. 7 erfordert neben der

Inhalt der Zustellungurkunde.

I. Buch.

188

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 193, 194.

unter Nr. 2, 3, 7 entsprechen und außerdem ergeben, pt welcher Zeit, unter welcher Adresse und bei welcher postanstalt die Aufgabe geschehen ist. § 193. (176.) Zustellungen können auch durch die Post erfolgen. § 194. (177.) Wird durch die Post ^gestellt, so hat der Gerichtsvollzieher einen durch sein Dienstsiegel verschlossenen, mit der Adresse der Person, an welche zugestellt werden soll, versehenen und mit einer Geschäftsnummer be­ zeichneten Driefumschlag, in welchem die zuzustellende Ausfertigung oder die be­ glaubigte Abschrift Les zuzustellenden Schriftstücke enthalten ist, -er Post mit dem Ersuchen zu übergeben, die Zustellung einem Postboten des Destimmungsorts aufzutragen. Der Gerichtsvollzieher hat auf dem bei -er Zustellung zu übergeben-en Schriftstücke zu vermerken, für welche Person er dasselbe der Post übergibt, und auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder auf einem mit der­ selben zu verbindenden Dogen zu bezeugen, daß die Übergabe in der im Abs. 1

bezeichneten Art und für wen sie geschehen ist. Unterschrift des Gerichtsvollziehers nicht noch die Beidrückung des Dienstsiegels (vgl. § 34 ebendort). Sei Auf,-de zur Post.

§ 192. Nach § 192 muß bei der Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175, KO. § 77) die Beurkundung inhaltlich den Nr. 2, 3, 7 des § 191 entsprechen, außerdem die Zeit, die Adresse und die Postanstalt der geschehenen Aufgabe ergeben. Für die Form ist § 190 maßgebend, sonach eine Abschrift der Zustellungs­ urkunde, verbunden mit der Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks, in den Brief­ umschlag einzuschließen, der Postschein über die etwa eingeschriebene Postsendung mit der Urschrift der Beurkundung zu verbinden, und die etwa als unbestellbar zurückkommende Postsendung dem Auftraggeber zu übermitteln (vgl. Preuß. GeschAnw. 8 36).

§ 193.

Zustellung durch die

Der § 193 bestimmt, daß Zustellungen auch durch die Post erfolgen können. Diese Fassung scheint darauf hinzudeuten, daß dem betreibenden Teil die freie Wahl zwischen Zustellung durch Gerichtsvollzieher und durch die Post zustehe. Allein in § 197 ist verordnet, daß, falls die Zustellung durch Gerichtsvollzieher erfolgt ist, obschon sie durch die Post geschehen konnte, die entstandenen Mehrkosten der Erstattung nicht unterliegen sollen. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß die Zustellung durch die Post regelmäßig die schnellere und billigere sein werde, wobei namentlich an Reisekosten des Gerichtsvollziehers gedacht ist (Begr. 142). Demnach wird es von den konkreten Umständen abhängig zu machen sein, ob eine Zustellung durch Gerichts­ vollzieher gerechtfertigt erscheint. Dies kommt sür die Ausübung des richterlichen Er­ messens nach § 91 in Betracht.

§ 194.

BordeI‘$“ft®u=er

awT

I.

Auch bei der Postzustellung ist nach 8 194 dem Gerichtsvollzieher deren

Vorbereitung auferlegt (vgl. aber § 196). Denn es handelt sich hier zunächst darum, die inhaltliche Übereinstimmung des zuzustellenden Schriftstücks mit dem Ori­ ginale zum öffentlichen Glauben zu konstatieren (Begr. 153). Auf die sonst (§ 166)

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien § 195.

189

§ 195. (178.) Die Zustellung durch den postboten erfolgt in Gemäßheit -er Bestimmungen der §§ 180—186. Äber die Zustellung ist von dem postboten eine Urkunde auftunehmen, weiche den Gestimmungen des § 191 Ur. 1, 3—5, 7 entsprechen und außerdem -ie Übergabe des seinem Verschlusse, seiner Adresse und seiner Geschäftsnummer nach bezeichneten Briefumschlags, sowie der Abschrift der Zustellungsurkunde bezeugen muß. Die Urkunde ist von dem postboten der Postanstalt und von dieser dem Gerichtsvollzieher zu überliefern, welcher mit derselben in Gemäßheit der Be­ stimmung des § 190 Abs. 4 zu verfahren hat. erforderliche Zuständigkeit des Gerichtsvollziehers kommt es nicht an, weil lediglich ein Bermittlungsakt in Frage steht; sonach kann sich die betreibende Partei an jeden im Deutschen Reiche angestellten Gerichtsvollzieher wenden (vgl. GBG. § 161, Begr. 142, 153). II a) Borbereitet (vgl. Bauer int „Recht" 00 S. 298) wird die Zustellung zunächst dadurch, daß der Gerichtsvollzieher (vgl. aber § 196) das durch die Post dem Empfänger zu übergebende Schriftstück beglaubigt und nebst den Entwürfen zur Ur- und Abschrift der Zustellungsurkunde (§ 195) in einen Briefumschlag legt, diesen mit der Adresse des Empfängers und (oben links) mit einer Geschäftsnummer (nach seinem Allg. Dienstregister, abgekürzt ADR. Nr. . . .) versieht, durch sein Dienstsiegel schließt und dann der Post übergibt. Der letztere Akt gilt stillschweigend als Ersuchen um Zustellung durch einen Postboten. b) Die so erfolgte Übergabe an die Post hat der Beamte auf der Urschrift des zuzustellenden Schriftstücks oder einem damit zu verbindenden Bogen zu bezeugen. Über den Inhalt dieses Zeugnisses fehlte in Satz 2 des alten § 177 eine nähere Vor­ schrift. Die Praxis erforderte als zweckentsprechend die Bezeichnung des betreibenden Teiles und des Adressaten (vgl. RG. 14 S. 392, 15 S. 412, IW 94 S. 278, 96 S. 597) Reglementarisch wurde mehrfach die Mitteilung einer Zeugnisabschrift an den Adressaten vorgeschrieben (vgl. für Preußen die GeschAnw. § 35 und die JMBerf. v. 16. 6. 83, JMBl. S. 191). Der jetzige Abs. 2 macht dem vermitteln­ den Beamten zur Pflicht, auf dem zu übergebenden Schriftstücke für den Adressaten durch einen Vermerk erkennbar zu machen, für welche Person er zustelle (§ 191 Nr. 2), und auf der Urschrift jenes Schriftstücks oder auf einem damit zu verbindenden Bogen zu bezeugen, für welche Person und in welcher Art (Abs. 1) die Übergabe an die Post erfolgt sei.

Abs. r.

§ 195. Lostzustellung die eigentliche Zustellung tritt nach § 195 an Stelle des Gerichtsvollf'“#zirhers der von der Postanstalt beauftragte Postbote. Dieser hat sonach die ®b|' *'21 I. Für

Sendung (§ 194) einschließlich einer begt. Abschrift der von ihm aufzunehmenden Zu­ stellungsurkunde (§ 195 Abs. 2) dem bezeichneten Adressaten in Gemäßheit der §§ 180 186 zu übergeben. Die Zustellungsurkunde ist auf dem vom Gerichtsvoll­ zieher mitübergebenen Entwürfe, und zwar stets auf besonderem Bogen, auszunehmen, und sie muß die Punkte Nr. 1, 3—5, 7 aus § 191 enthalten, statt Nr. 6 aber ein Zeugnis über die Übergabe des nach Verschluß, Adresse und Geschäftsnummer zu identifizierenden Briefumschlags (§ 194) nebst der Abschrift der Zustellungsurkunde geben. n. Betreffs der Bedeutung der Zustellungsurkunde für den Beweis der Zustellung ist auf die Bornote zu §§ 190—192 zu verweisen (vgl. RG. Gruchot 36 S. 469). Übrigens gelten nach § 47 RPostG. v. 28. 10. 71 (vgl.

190

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 196—198.

§ 196. (179.) Insoweit eine Zustellung unter Vermittlung -es Gerichts­ schreibers zulässig ist, kann derselbe unmittelbar die Post um Vewirkung der Zustellung ersuchen. In diesem Falle finden die Vorschriften der §§ 194, 195 auf den Gerichtsschreiber entsprechende Anwendung; die erforderliche Be­ glaubigung erfolgt durch den Derichtsschreiber. § 197. (180.) Ist eine Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher bewirkt, obgleich sie durch die Post hätte erfolgen können, so hat die jur Erstattung der prozehkosten verurteilte Partei die Mehrkosten nicht zu tragen. § 198. (181.) Lind die Parteien durch Anwälte vertreten, so kann die Zustellung von Anwalt zu Anwalt erfolgen. Znm Nachweise der Zustellung genügt das mit Datum und Unterschrift versehene schriftliche Cmpfangsbekenntnis des Anwalts, welchem zugestellt worden ist. Der Anwalt, welcher zustellt, hat dem anderen Anwalt auf Verlangen eine Bescheinigung über die Zustellung zu erteilen.

Abi. 3.

Vermittlung durch Ger.Schreiber.

EGzZPO.) diensteidliche Anzeigen von Postboten über die von ihnen bewirkten Be­ stellungen bis zum überzeugenden Nachweise des Gegenteils für wahr und richtig. III Die Zustellungsurkunde ist vom Postboten der P o st und von dieser dem Gerichtsvollzieher (vgl. aber § 196) zu übermitteln, der damit gemäß § 190 Abs. 4 zu verfahren hat.

§ 196. Nach § 196 hat der Gerichtsschreiber, sofern er zur Vermittlung der Post­ zustellung befugt ist (§ 166), die Wahl, ob er einen Gerichtsvollzieher (§ 194) oder direkt die Post angehen will. Letztereufalls liegt ihm die vorbereitende Tätigkeit des Gerichtsvollziehers ob (§ 194, vgl. Preuß. GeschAnw. §§ 18, 17; RG. 46 S. 323).

§ 197.

Mehrkosten der Zu-

Ger.Aollz. Zustellung von Anwalt 5u Anwalt.

Abs. i.

Abs. 2.

Der § 197 ist bereits bei § 193 erläutert. °

1

°

§ 198.



Francke Busch 5 S. 381.

I. a) Der § 198 läßt in allen Fällen, wo die Parteien durch Llnwälte vertreten sind, ohne Unterschied der Prozeßart, des Wohnsitzes und der Instanz der Anwälte, eine vereinfachte Zustellung von Anwalt zu Anwalt nach, indem er in der öffent­ lichen Berufeftellung der Anwälte eine genügende Garantie für die Ordnungsmäßigkeit solcher Zustellung findet (vgl. Begr. 154, Prot. 71, 531). Dieselbe steht aber lediglich im Belieben beider Anwälte, und erfordert daher mindestens stillschweigende übereinstimmende Betätigung des entsprechenden Willens durch Übergabe und Annahme des zuzustellenden Schriftstücks (vgl. RG. 8 S. 328, 9 S. 414, Gruchot 41 S. 162). b) Die Übergabe muß an den anderen Anwalt selbst oder mit seinem Wissen und Willen an einen Dritten geschehen, wobei nach §§ 19, 25 RAO. dem Anwalt dessen Zustellungsbevollmächtigter und Stellvertreter gleichstehen, jedoch eine Ersatz­ zustellung, auch nur nach § 183 Abs. 2, ausgeschlossen ist. Ob die Übergabe mündlich, brieflich, durch Boten oder durch einen anderen Rechtsanwalt erfolgt, bleibt außer Betracht (vgl. RG. 41 S. 360). n. a) Zum Nachw eise der Zustellung soll für den betreibenden Anwalt das datierte und unterschriebene Empfangsbekenntnis des empfangenden Anwalts genügen. Dieser ist vom Gesetz als Urkundsperson gedacht, und kann sich

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien § 199.

191

§ 199, (182.) Eine im Auslande zu bewirkende Zustellung erfolgt mittels Ersuchens der zuständigen Üehörde des fremden Staates oder -es in diesem Staate residierenden Konsuls oder Gesandten des Reichs. deshalb, wenn er die Zustellung hat geschehen lassen, der Ausstellung eines wahrheits­ getreuen Empfangsbekenntnisies nicht entziehen (vgl. RG. 8 S. 333). Jene Quittung liefert nur das Mindestmaß des zum Beweise Erforderlichen, so daß ein noch Ge­ ringeres (z. B. ohne Datierung) oder ein nichturkundlicher Beweis nicht zureicht (vgl. Begr. 154, RG. 5 S. 413, 8 S. 333, 13 S. 367, 15 S. 375, 19 S. 426, 46 S. 357 [freier 14 S. 349], Planck I § 33, die Kommentare). Die Quittung muß das zugestellte Schriftstück bezeichnen und an den betreibenden Anwalt ausgehändigt sein (vgl. RG. 17 S. 338). Sie darf, da in § 198 der § 190 Abs. 2 nicht an­ gezogen ist, auch auf einen nicht verbundenen Bogen gesetzt werden (vgl RG. IW. 86 S. 268). — Gegen den Inhalt der Quittung ist der Gegenbeweis unbeschränkt, namentlich dahin, daß das Datum unrichtig sei, daß die Beglaubigung des Schrift­ stücks gefehlt habe, oder daß die Zustellung überhaupt nicht erfolgt fei (vgl. RG. 8 S. 332, 9 S. 414, 13 S 367, 15 S. 373, IW. 88 S. 67). b) Über den Nachweis der Zustellung für den empfangenden Anwalt enthielt die alte ZPO. keine Vorschrift. Theorie und Praxis nahmen aber an, daß es zu dessen Gleichstellung mit dem betreibenden Anwalt genüge, wenn er eine Bescheinigung des letzteren über die Zustellung an ihn beibringe (vgl. RG. 14 S. 348, 17 S. 336, SeussA. 37 S. 216, Bolze 1 Nr. 1669 und 8 Nr. 789, IW. 91 S. 65). Die Nov. v. 98 hat dies stillschweigend bestätigt dadurch, daß dem betreibenden Anwalt die Verpflichtung auferlegt ist, dem anderen Anwalt auf dessen Verlangen eine Quittung zu erteilen.

88 199-202.

Zustellungen im Auslande.

Die §§ 199—202 regeln die Zustellung an Personen, die tatsächlich oder nach gesetzlicher Annahme sich im Auslande aufhalten, unter dem Gesichtspunkte, daß in solchen Fällen das Gericht meist sicherer und besser zu handeln in der Lage fein werde als die Parteien (Begr. 154). Deshalb ist, in Durchbrechung des Grund­ satzes aus § 166, das Verfahren dem Amtsbetriebe unterstellt, und zwar für die Fälle der 88 199, 200 ausschließlich, für den Fall des § 201 fakultativ neben der gewöhnlichen Form. Bemerkt mag werden, daß Zustellungen im Auslande im Mahnverfahren unzu­ lässig sind (§ 68b), in den Fällen der 88 841, 844, 875 unterbleiben dürfen, in den Fällen der 88 829 Abs. 2, 835 mittels Aufgabe zur Post (8 175) erfolgen können.

eornDte.

8 199.

Vermittlung-er-

I Der tz 199 betrifft das Verfahren bei Zustellungen, die im Aus lande, d h. an sich dort aufhaltende Personen, ohne Unterschied zwischen In- und Aus- ° a m ländern, zu bewirken sind. Als Ausland ist jedes nicht zum Deutschen Reiche gehörige Land nach näherer Maßgabe der RVers. Art. 1 und der G. v. 9. 6. 71 und 15. 12. 90 über die Einverleibung von Elsaß-Lothringen und Helgoland anzusehen, mithin auch die Deutschen Schutzgebiete (vgl. Note zu § 15). II Systemgemäß kann eine Zustellung im Auslande auf Parteigesuch.oder von Amts wegen erfolgen (S?§ 207, 208). Das Parteigesuch unterliegt nach § 78 dem Anwaltszwange und erfordert die Beifügung der in §§ 169, 170 bezeichneten Schrift­ stücke. Eine ablehnende Entscheidung ist durch Beschwerde anfechtbar (§ 567). Bei der Entscheidung kann in den Fällen der §§ 262, 339 zugleich die Bestimmung der Einlaffungs- oder Einspruchsfrist sich benötigen.

‘ '

192

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 199.

III Die Zustellung ist durch Ersuchen der zuständigen ausländischen Be­ hörde oder des dort residierenden deutschen Konsuls oder Gesandten zu vermitteln. Für den ersuchten Konsul handelt es sich dabei nicht um einen Akt der Rechtshilfe (§ 157 GVG.), sondern um eine rein konsulare Tätigkeit (vgl. § 28 KonsGerG. v. 7. 4. 00), was für die Gebührenpflichtigkeit von Einfluß ist (vgl. RGPl. V. 24. 6. 99, Bd. 44 S. 409). Die Wahl zwischen jenen Wegen steht im Ermessen des Vorsitzendm oder Amts­ richters (§ 202). Indes sind mit Rücksicht auf völkerrechtliche Vereinbarungen und Gewohnheiten, durch das RJustAmt im Einvernehmen mit dem Auswärt. Amt die nachfolgenden Grundsätze aufgestellt und den Deutschen Regierungen zur gemeinsamen Befolgung mitgeteilt (vgl. Preuß. JMBl. v. 80 S. 205 und JMBl. 05 S. 159, Verf. v. 29. 5.): a) Ausländische Behörden sind nur insoweit zu ersuchen, als nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen ein direkter Schriftwechsel mit denselben angängig ist. b) Andernfalls soll der deutsche Konsul, in dessen Bezirk der Adressat sich befindet, ersucht werden, soweit anzunehmen ist, daß die Zustellung ohne diplomatische Verwendung bei der ausländischen Regierung sich bewirken läßt, eine Voraussetzung, die ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Adressaten allgemein in den Bezirken der mit Gerichtsbarkeit versehenen Konsuln zutrifft. Bezüglich der Befugnis der deutschen Konsuln, in ihren Anitsbezirken Zustellungen an Deutsche und Ausländer zu be- oder erwirken, vgl. das G. t). 8. 11 67 § 19, die Dienst­ instruktion v. 6. 6. 71 § 19 und das G. v. 7. 4. 00 § 16. c) Sonst ist der deutsche diplomatische Vertreter bei der fremden Regierung zu ersuchen (vgl. wegen der Bertretungspraxis des bayerischen Gesandten das Versailler Schlußprotokoll v. 23. 11. 70 zu VII, RGBl. 71 S. 24). d) Alle Ersuchen sind tunlichst ohne Dazwischenkunft des Auswärtigen Amts zu erledigen. Inzwischen hat aber dieser Punkt eine völkerrechtliche Regelung gefunden in dem Abkommen zur Regelung von Fragen des internationalen Privat­ rechts v. 14. 11. 96 (nebst Zusatz- u. Anschlußprotokollen), das zwischen Belgien, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Portugal, Schweiz, SchwedenNorwegen, dem Deutschen Reich, der Österreich-Ungarischen Monarchie, Dänemark, Rumänien und Rußland auf fünf Jahre und auf gleich lange stillschweigende Er­ neuerungen geschloffen ist und für das Deutsche Reich vier Wochen nach der am 27. 4. 99 ersolgten Vollziehung, mithin am 25. 5. 99 Wirksamkeit erlangt hat (vgl. RG. IW. 99 S. 484), und zwar in Art. 1—4 (RGBl. 99 S. 285). An die Stelle des Abkommens von 96 ist demnächst dasjenige v. 17. 7. 05 (RGBl. 09 S. 410) getreten, nach welchem in der Regel (Art. 1 das.) Zustellungs­ ersuchen vom Konsul des ersuchenden Staates ausgehen. Indessen kann auch nach diesem neuen Abkommen jeder Bertragsstaat in einer an die anderen Vertragsstaaten gerichteten Mitteilung das Verlangen ausdrücken, daß Anträge auf Zustellung auf diplomatischem Wege an ihn gerichtet werden (Art. 1 Abs. 3). Der Geltungsbereich des neuen Abkommens entspricht dem des früheren. (Vgl. Bekanntmachung betr. das Außerkrafttreten des Abkommens zur Regelung von Fragen des internationalen Privat­ rechts v. 14. 11. 96 und des Zusatzprotokolls v 22. 5. 97 sowie das Inkrafttreten des Abkommens über den Zivilprozeß v. 17. 7. 05, v. 24. 4. 09, RGBl. 409, und G. zur Ausführung des Abkommens über den Zivilprozeß v. 17. 7. 09, v. 5, 4. 09, RGBl. 430, ferner die Beitrittserklärungen mit besonderen Vereinbarungen laut Bekanntmachung des Reichskanzlers v. 16. 8. 09, RGBl. 907, betr. die Nieder­ lande, Luxemburg und Norwegen) Für die Erledigung von Rechtshilfeersuchen nach dem letzten Haager Abkommen fehlt es bisher an der Bezeichnung der ausländischen Behörden, an welche die Deutschen Konsuln sich zu wenden haben, so daß aus diesem Grunde das früher gültig gewesene

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien §§ 200—-202.

193

§ 200. (183.) Zustellungen an Deutsche, welche Las Recht Ler Crterritorialltät genießen, erfolgen, wenn dieselben ?ur Mission des Reichs gehören, mittels Ersuchens des Reichskanzlers; wenn dieselben M Misston eines Rundes­ staates gehören, mittels Ersuchens des Ministers der auswärtigen Angelegen­ heiten dieses Rundesstaates. Zustellungen an die Vorsteher der Reichskonsulate erfolgen mittels Ersuchens Les Reichskanzlers. § 201. (184.) Zustellungen an Personen, welche zu einem im Auslande befindlichen oder zu einem mobilen Truppenteile oder zur Resahung eines in Dienst gestellten Lriegsfah^euges gehören, können mittels Ersuchens Ler vor­ gesetzten Lommandobehörde erfolgen. § 202. (185.) Die erforderlichen Ersuchungsschreiben werden von Lem Vorsitzenden des prozeßgerichts erlassen. Die Zustellung wird durch das schriftliche Zeugnis der ersuchten Rehörden oder Reamten, daß die Zustellung erfolgt sei, nachgewiesen. Verfahren auch ferner eingehalten werden muß. ministers V. 23. 5. 05, JMBl. 159 ff.).

(Für Preußen vgl. Berf. des Justiz­

§ 200.

Zustellung an deutsche

I Der § 200 regelt speziell Zustellungen an Deutsche, welche das Recht der Exterritorialität genießen. Solche Deutsche sind, wie zu § 15 (GVG. §§ 18—21) erörtert, die im Auslande beglaubigten Missionen des Reiches und der Bundesstaaten, ferner Missionen der deutschen Bundesstaaten beiein­ ander, sowie außerpreußische Mitglieder des Bundesrats im Verhältnis zu Preußen. II. Die Zustellung erfolgt hier durch Ersuchen des Reichskanzlers, wenn sie an Angehörige von Reichsmissionen oder an Vorsteher von Reichskonsulaten im Auslande geschehen soll, sonst durch Ersuchen des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten desjenigen Bundesstaates, an dessen Missionsangehörige zugestellt werden soll. III. Über Zustellung an Angehörige ausländischer Missionen im Deutschen Reiche schweigt das Gesetz. Da solche aber nach § 18 GVG. das Recht der Exterritorialität genießen, so dürften sie als im Auslande befindlich anzu­ sehen, und somit Zustellungen an sie gemäß § 199 zu bewirken sein. Ausländische Konsuln sind gemäß § 21 GVG. der inländischen Gerichts­ barkeit unterworfen, und deshalb wird sich auch die Zustellung an sie nach in­ ländischem Rechte bestimmen.

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Die Mobilmachung von deutschen Truppenteilen wird durch den Kaiser, nur in Bayern auf Veranlafiung des Kaisers durch den König, die Indienststellung Don Kriegssahrzeugen durch den Kaiser angeordnet (vgl. RBerf. Art. 53, 63 und Schlußbestimmung zu Abschn. XI, RGBl. v. 71 S. 20, 82). Wegen des Begriffes „mobil" ist noch auf das MilStGB. v. 20. 6. 72 §§ 91, 10*, 163, 164 zu verweisen. Die Zustellung an Angehörige mobiler Land- oder Seestreitkräfte kann nun nach § 201 durch Ersuchen der vorgesetzten Kommandobehörde «folgen. Daneben bleibt also die gewöhnliche oder die Zustellung aus § 199 zulässig.

Truppen,

Keimte, ZPO.

6. Ausl.

13

I. Buch.

194

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 203.

§ 203. (186.) Äst der Aufenthalt einer Partei unbekannt, so kann die Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. Die öffentliche Zustellung ist auch dann piläfsig, wenn bei einer im Auslande ;u bewirkenden Zustellung die Befolgung der für diese bestehenden Vor­ schriften unausführbar ist oder keinen Erfolg verspricht. Das gleiche gilt, wenn die Zustellung aus dem Grunde nicht bewirkt werden kann, weil die Wohnung einer nach den §§ 18,19 des Gerichtsverfastungsgesetzes der Gerichtsbarkeit nicht unterworfenen Person der Ort der Zu­ stellung ist. 8 y

Ersuchttngsschreiben.

"L

nat$ §§ 199—201 erforderlichen Ersuchungsschreiben sind systemgemäß vom Vorsitzenden des kollegialen Prozeßgerichts (bzw. vom Amtsrichter) zu er# lassen.

mri. 2.

202.

Auch ein telegraphisches Ersuchen wird zulässig sein (vgl. RG. 14 S. 135).

2. Der Nachweis der Zustellung wird durch das schriftliche Zeugnis der er# suchten Amtsstelle, daß solche erfolgt sei, geführt, so daß es auf weitere Ermittlungen darüber nicht ankommt. Das Zeugnis ersetzt die Zustellungsurkunde (RKonsulG. § 19), und folgt deshalb hinsichts der Beweiskraft den für die Zustellungsurkunde gegebenen Vorschriften (§ 190), jedoch vorbehaltlich der Sonderbestimmung des § 438. Vgl. Art. 3 des internst. Abkommens v. 14. 11 96, Art. 5 des Abk. v. 17. 7. 05.

öffentliche Zustellung.

ZulLssigleit.

88 303—306. Die öffentliche Zustellung findet für solche Fälle, wo eine andere Zustellung an Parteien nicht tunlich ist, als Aushilfsmittel mit der Wirkung statt, daß auf Grund derselben die wirkliche Zustellung fingiert wird. Sie ist aus der gleichen Erwägung, wie bei der Zusb-llung im Auslande, dem Amisbetriebe des Prozeßgerichts zugewiesen. Ihre Anwendung unterliegt nach § 688 im Mahnverfahren, nach §§ 763, 841, 844, 875 in der ZwVollstreckung gewissen Beschränkungen.

§ 203. I. Die öffentliche Zustellung ist zulässig: nach Abs. 1, sofern der Aufenthalt einer Partei unbekannt ist, worüber das Er­ messen des Gerichts entscheidet, so daß die Zustellung auch gültig bleibt, wenn sich nachträglich herausstellt, daß der Aufenthalt nicht unbekannt war (RG. 59 S. 263), nach Abs. 2, sofern ihr Aufenthalt im Auslande bekannt, die Zustellung dort aber gemäß §§ 199—202 unausführbar oder erfolglos erscheint, nach Abs. 3, sofern die Zustellung nicht möglich ist, weil sie in der Wohnung einer nach §§ 18, 19 GVG. der inländischen Gerichtsbarkeit entzogenen Person er­ folgen müßte. In gewissen Fällen kann die Zustellung unterbleiben, wenn sie als öffentliche erfolgen müßte (§§ 763, 829, 841, 844, 875). Der Parteibegriff ist hier im weiteren Sinne zu nehmen (vgl. Bornote zu §§ 50 ff.). Die öffentliche Zustellung wird daher zur Streitverkündung zwecks Er­ haltung oder Abwehr von Regreßansprüchen verwendbar sein (vgl. Begr. 155). Andrerseits ist Voraussetzung, daß es an einem Parteivertreter fehlt, dem nach §§ 171 bis 176 in gewöhnlicher Art zugestellt werden könnte. Deshalb läßt sich der § 203 auf nichtbeteiligte Dritte, wie Zeugen, Sachverständige, Drittschuldner nicht anwenden (vgl. § 829, RG. 22 S. 408).

Zweiter Titel.

Zustellungen, I. auf Betreiben der Parteien §§ 204, 205.

195

§ 204. (187.) Die öffentliche Zustellung wird, nachdem sie auf ein Gesuch -er Partei vom prozestgerichte bewilligt ist, durch den Gerichtsschreiber von Amts wegen besorgt. Die Entscheidung über das Gesuch kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erlassen werden. Die öffentliche Zustellung erfolgt durch Anheftung der Mustellenden Aus­ fertigung oder einer beglaubigten Abschrift des ;u;ustellenden Lchriststücks an die Gerichtstafel. Enthält das Schriftstück eine Ladung, so ist außerdem die pveimalige Einrückung eines Auszugs des Schriftstücks in dasjenige Dlatt, welches für den Sitz des Prozeßgerichts zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen bestimmt ist, sowie die einmalige Einrückung des Auszugs in den Deutschen Reichsanzeiger erforderlich. Das prozeßgericht kann anordnen, daß der Auszug noch in andere Dlätter und zu mehreren Malen eingerückt werde. § 205. (188.) In dem Auszüge des Schriftstücks müssen das Prozeßgericht, die Parteien, der Gegenstand des Prozesses, der Antrag, der Zweck der Ladung und die Zeit, zu welcher der Geladene erscheinen soll, bezeichnet werden.

II. Der Abs. 2 betrifft Fälle, wo erfahrungsmäßig seitens ausländischer Be­ hörden die Zustellung abgelehnt wird und auch nicht ein Reichskonsul oder Gesandter im Auslande zur Hand ist, sowie Kriegs- oder rechtlose Zustände. Dem von der Nov. v. 98 angefügten Abs. 3 liegt die Erwägung zugrunde, daß in dem vorausgesetzten Falle die Wohnung der betreffenden Person nach völkerrecht­ lichen Grundsätzen nicht ohne deren Zustimmung betreten, die letztere aber verweigert werden könnte (vgl. Mot. zu § 186). §§ 204, 205.

Erwirkung. Ausführung.

I. Die öffentliche Zustellung erfordert nach § 204 Abs. 1 eine Nachsuchung8 204 Abs. 1. und Bewilligung derselben. Das Gesuch unterliegt dem Anwaltszwange gemäß § 78, und muß die Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit dieser Zustellungsart darlegen und glaubhaft machen. Das Prozeßgericht entscheidet über das Gesuch (vgl. RG. 46 S. 302), ohne daß es vorgängiger mündlicher Verhandlung bedarf. Gegen den ver­ sagenden Beschluß findet Beschwerde statt (§ 567, vgl. Begr. 155). Die Bewilligung erfolgt, im Hinblick auf mögliche Veränderungen der Sachlage, jedesmal nur für eine bestimmte Zustellung. n. a) Die öffentliche Zustellung erfolgt gemäß den Bestimmungen der 83 »04 Abs. §§ 204 Abs. 2, 3 (Abs. 2 jetzt mit § 170 in Einklang gebracht) und 205, sowie **' 8*' §205 * -* * §§ gemäß etwaigen besonderen Anordnungen des Prozeßgerichts (§ 204 Abs. 3). Sie liegt dem Gerichts sch reib er ob, der sich dabei aber der Hilfe anderer Gerichts­ beamten bedienen darf (vgl. RG. 32 S. 400). b) Zur Ausführung ist nach obigen Bestimmungen erforderlich: bei Zustellungen ohne Ladung, daß die zuzustellende Ausfertigung oder eine begl. Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks nebst einer gleichen Abschrift des Bewilligungsbeschluffes an die Gerichtstafel geheftet, bei Zustellungen mit Ladung außerdem noch, daß ein Auszug des Schriftstücks zweimal in das amtliche Publikationsorgan des Prozeß­ gerichts und einmal in den Deutschen Reichsanzeiger eingerückt wird. c) Den Beweis der Ausführung liefern der bescheinigte Aushang, bzw. die Belagsblätter für die Einrückung. Diese Beweisstücke dürften mit Rücksicht auf den Amtsbetrieb allemal zu den Gerichtsakten zu bringen sein (vgl. Erklärung des Ver13*

196

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 206, 207.

§ 206. (189.) Das eine Ladung enthaltende Schriftstück gilt als an dem Tage ;ugestellt, an welchem feit der letzten Einrückung des Auszugs in die öffentlichen Glätter ein Monat verstrichen ist. Das pro^estgericht kann bei Gewilligung der öffentlichen Zustellung den Ablauf einer längeren Frist für er­ forderlich erklären. Enthält das Schriftstück keine Ladung, so ist dasselbe als xugestellt an;usehen, wenn seit der Anheftung des Schriftstücks an die Gerichtstafel ;wei Wochen verstrichen find. Auf die Gültigkeit der Zustellung hat es keinen Cinstuß, wenn das anzu­ heftende Schriftstück von dem Orte der Anheftung zu früh entfernt wird. § 207. (190.) Wird auf ein Gesuch, welches die Zustellung eines dem­ selben beigefügten Schriftstücks mittels Ersuchens anderer Gehörden oder Leamten oder mittels öffentlicher Dekanntmachung betrifft, die Zustellung demnächst bewirkt, so treten, insoweit durch die Zustellung eine Frist gewahrt und der Lauf der Verjährung oder einer Frist unterbrochen wird, die Wirkungen der Zustellung bereits mit der Überreichung des Gesuchs ein.

Wird ein Schriftsatz, Lessen Zustellung unter Verniittelung des Gerichts­ schreibers erfolgen soll, innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Ein­ reichung bei dem Gerichtsschreiber zugestellt, so tritt, sofern durch die Zustellung eine Notfrist gewahrt wird, die Wirkung der Zustellung bereits mit der Ein­ reichung ein. treters der Bundesregierungen in der RIK., Prot. 74, Preuß. GeschAnw. §§ 19, 20, Fischer Gruchot 25 S. 809, die Kommentare).

Zkitvunkt der öffentt. Zustellung.

Rückbcziehung von Zustellungen Abs. 1.

§ 206. Nach § 206 Abs. 1, 2 gilt die öffentliche Zustellung als bewirkt: a) bei Schriftstücken mit Ladung nach Ablauf eines Monats oder der etwa angeordneten längeren Frist seit der letzten Einrückung, jedoch, sofern dann die Anheftungsfrift noch nicht verstrichen ist, mit der Abheftung (vgl. Begr. 156); b) bei Schriftstücken ohne Ladung (Urteilen, Beschlüssen) nach zwei Wochen seit der Anheftung, jedoch unter Maßgabe des Abs. 3. Wegen öffentlicher Bekanntmachungen im Konkurse vgl. § 76 KO.

§ 207. I. Der Abs. 1 ist aus der Erwägung hervorgegangen (Begr. 157), daß bei nachgesuchter öffentlicher oder Zustellung im Aus lande, sofern von derselben die Wahrung einer Frist oder die Unterbrechung einer laufenden Frist oder Ver­ jährung abhängt (vgl. §§ 267, 929 Abs. 2, 3), die Partei leicht unverschuldet ge­ schädigt werden kann, indem die prompte Ausführung der Zustellung außerhalb ihrer Einwirkung liegt und mancherlei hemmenden Zufällen ausgesetzt ist. Deshalb kommt Abs. 1 mit der Vorschrift zu Hilfe, daß in solchen Fällen, vorausgesetzt, daß die Zu­ stellung hinterher als bewirkt nachgewiesen werden kann, deren Wirkungen bereits mit der Überreichung des Gesuches eintreten sollen, gleichviel, wann diesem statt­ gegeben ist. Der Vorschrift des Abs. 1 wird auch genügt sein, wenn, während das Gesuch in der Schwebe ist, die Zustellung nicht gemäß diesem, sondern in irgend-

Zweiter Titel.

Zustellungen, II. von Amts wegenen §§ 208, 209.

197

n. Zustellungen von AmtS wegen.

§ 208. Auf die von Amts wegen pi bewirkenden Zustellungen finden die Vorschriften über die Zustellungen auf Getreiden der Parteien entsprechende An­ wendung, soweit nicht aus den nachfolgenden Gestimmungen sich Abweichungen ergeben. § 209.

Für die Bewirkung Ler Zustellung hat der Gerichts schreiber Sorge

fix tragen. welcher sonstigen gesetzlich zugelasienen Form erfolgt (vgl. RG. 70 S. 291, ebenso IW. 09 S. 222). Für Gewerbestreitigkeiten vgl. den § 32 Abs. 4 des GewGG. n. In Abs. 2 hat die Nov. v. 98 weitergehend aber zugunsten aller Zustellungen, die zur Wahrung von Notfristen dienen und nach § 166 Abs. 2 unter Vermittlung des Gerichtsschreibers erfolgen können und sollen, bestimmt, daß die Wirkungen der Zustellung bereits von der Einreichung des bezüglichen Schriftsatzes bei dem Gerichtsschreiber ab gerechnet werden sollen, sofern der Schriftsatz dem­ nächst innerhalb einer zweiwöchigen Frist tatsächlich zugestellt wird (vgl. Note zu § 166 Abs. 2, Meyer DIZ. 98 S. 509). Als Einreichung beim Gerichts­ schreiber muß auch eine Einreichung zum Zwecke der Terminsbestimmung gelten (KommBer. zur Nov. v. 98 S. 75). Die Frist des Abs. 2 gilt als Erweiterung der Notfrist (RG. 63 S. 415, Gaupp-Stein). Die durch Einreichung beim Gerichtsschreiber eingeleitete Zustellung kann demnächst innerhalb der 2 Wochen anderweitig ausgefiihrt werden (RG. 46 S. 390). Praktisch bleiben diese Grundsätze auch nach der Nov. v. 09 in den Fällen der §§ 586, 684, 958, 1044.

«s.».

II. Austeilungen von Amts wegen. § 208.

Grundsatz.

Auf die von der Novelle in Mschn. II verwiesenen Zustellungen im Amts­ betriebe sollen die Vorschriften des Abschn. I (§§ 166—207) entsprechende An­ wendung finden, soweit nicht ans §§ 209—213 Abweichungen sich ergeben. 1. Zustellungen von Amts wegen sind geboten: für nicht verkündete Be­ schlüsse des Gerichts und Verfügungen des Vorsitzenden und des Richterkommiffars (§§ 329, 659, 660, 678, 683, 685, 994, 1001), für Urteile in Ehe- und Kindschastsfachen (§§ 625, 640), für die Ladung von Zeugen und Sachverständigen (§§ 377, 402). 2. Die entsprechende Anwendung des Abschn. I wird sich unter Berück­ sichtigung der Sonderbestimmungen der ߧ 209—213 dahin regeln: Die §§ 166—169, 170 Abs. 2, 190, 191, 192, 196, 197, 204 Abs. 1, 207 Abs. 2 bleiben außer An­ wendung. Die §§ 177, 188, 193—195, 199—207 Abs. 1 sind unter Maßgabe des Amtsbetriebes, die §§ 170 Abs. 1, 171—176, 180—189 voll anwendbar.

88 309-313.

«b. weichimgen.

Die abweichenden Bestimmungen finden in dem Amtsbetriebe ihren Grund und sind den 88 32, 33 GewGG. nachgebildet.

198

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 210—211.

§ 210. Die Beglaubigung der bet der Zustellung pt übergebenden Ab­ schrift geschieht durch den Gerichts schreiber. § 210 a. (164.) Ein Schriftsatz, durch welchen ein Rechtsmittel ein­ gelegt wird, ist dem Prozeßbevollmächtigten derjenigen Instanz, deren Entscheidung angefochten wird, in Ermangelung eines solchen dem Prozeß­ bevollmächtigten erster Instanz zuzustellen. Ist von der Partei bereits ein Prozeßbevollmächtigter für die höhere, zur Verhandlung und Ent­ scheidung über das Rechtsmittel zuständige Instanz bestellt, so kann die Zustellung auch an diesen Prozeßbevollmächtigten erfolgen. Ist ein Prozeßbevollmächtigter, welchem nach Maßgabe des Abs. 1 zu­ gestellt werden kann, nicht vorhanden oder ist sein Aufenthalt unbekannt, so erfolgt die Zustellung an den von der Partei, wenngleich nur für die erste Instanz bestellten Zustellungsbevollmächtigten, in Ermangelung eines solchen an die Partei selbst, und zwar an diese durch Aufgabe zur Post, wenn sie einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen hatte, die Bestellung aber unterlassen hat. § 211. Der Gerichts schreiber hat das ;u übergebende Achriststück in einem durch das Gerichtssiegel verschlossenen, mit der Adresse der Person, an welche ;ngestellt werden soll, versehenen und mit einer Geschästsnummer bezeichneten § 209. Nach § 209 ist die Sorge für die Bewirkung der Amtszustellung dem Ge­ richtsschreiber zu selbständiger Funktion als Gerichtsorgan überwiesen. Eine Mitwirkung des Gerichtsvollziehers findet daher nicht statt.

§ 210. Demzufolge legt § 210 dem Gerichtsschreiber die Beglaubigung der zu über­ gebenden Abschrift (§ 170 Abs. 2) auf.

§ 210 a. Der dem früheren § 179 entsprechende § 210 a hat seine veränderte Stellung erhalten, weil nunmehr, in Anknüpfung an die durch Nov. v. 05 veränderte Form der Revisionseinlegung, durch die Nov. v. 09 auch die Einlegung der Berufung durch Einreichung der Berufungsschrift angeordnet worden ist (§ 518). Indem durch das­ selbe Gesetz die gleiche Form auch hinsichtlich der Einlegung des Einspruchs eingeführt wurde, ergab sich die Notwendigkeit einer Reihe von weiteren Veränderungen des früheren Gesetzestextes, welche nach den Beschlüssen der Reichstagskommission Gesetz ge­ worden sind. Gleichzeitig hat das Gesetz bestimmt, daß das Gesuch um Wieder­ einsetzung in den vorigen Stand sich nach den Vorschriften zu richten habe, welche für die versäumte Prozeßhandlung gelten (vgl. KommB. 49 und §§ 340, 340 a, 520, 236, 238 Abs. 4, 235, 516, 544, 706). Übrigens wäre wohl, da jetzt kein Rechtsmittel mehr durch Zustellung eines Schriftsatzes eingelegt wird, das Gesetz richtiger dahin zu fassen gewesen: durch welchen ein Rechtsmittel eingelegt ist.

8 211. Die Zustellung selbst ist in § 211 vereinfacht. Der Gerichtsschreiber hat das zu übergebende Schrifstück in verschlossenem, mit der Adresse des Empfängers, der be-

2. Titel.

§§ 212, 213.

3. Titel.

Ladungen, Termine und Fristen § 214.

199

Briefumschlag einem Gerichtsdiener oder der Post pir Zustellung auszuhändigen. Auf den Briefumschlag ist der Vermerk zu sehen: Vereinfachte Zustellung. Die auf dem Briefumschlag angegebene Geschäftsnummer ist in den Akten zu vermerken. Die Vorschrift des § 194 Abs. 2 findet keine Anwendung. § 212. Die Beurkundung der Zustellung durch den Gerichtediener oder den Postboten erfolgt nach den Vorschriften des § 195 Abs. 2 mit der Maßgabe, daß eine Abschrift der Zustellungenrkunde nicht zu übergeben, der Tag der Zu­ stellung jedoch auf dem Briefumschläge zu vermerken ist. Die Zustellnngsurkunde ist dem Gerichtsschreiber zu überliefenk. § 213. Ist die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175) erfolgt, so hat der Gerichtsschreiber in den Akten zu vermerken, zu welcher Zeit und unter welcher Adresse die Aufgabe geschehen ist. Der Aufnahme einer Zuftellungsurknnde bedarf es nicht. Dritter Titel.

Ladungen, Kermine und Iristen.

8 214. (191.) Die Ladung zu einem Ternrin erfolgt durch die Partei, welche über die Hauptsache oder über einen Zwischenstreit mündlich verhandeln will. Ist mit der Ladung zugleich eine Klageschrift oder ein anderer Schriftsatz zuzustellen, so ist die Ladung in den Schriftsatz aufznnehmen. züglichen Geschästsnummer und dem Vermerke „Vereinfachte Zustellung" versehenen Briefumschläge einem Gerichtsdiener oder der Post zur Zustellung auszuhändigen. Naturgemäß findet dabei der § 194 Abs. 2 keine Anwendung.

8 212. Ebenso ist in § 212 die Beurkundung der Zustellung vereinfacht. Sie soll durch den Gerichtsdiener oder den Postboten (§ 211) nach den für die Zustellung durch den Postboten (§ 195 Abs. 2) gegebenen Vorschriften, jedoch mit der Maßgabe erfolgen, daß eine Abschrift der Zustellungsurkunde nicht übergeben, vielmehr nur der Zustellungstag auf dem zu übergebenden Briefumschläge (§ 211) vermerkt wird. Die Zustellungsurkunde ist naturgemäß dem Gerichtsschreiber zu übermitteln und von diesem zu den Prozeßakten zu bringen.

§ 213. Der § 213 vereinfacht die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 175) in­ sofern, als der Gerichtsschreiber nur zu den Prozeßakten vermerken soll, wann und unter welcher Adresse die Aufgabe erfolgt ist, wogegen es der Ausnahme einer Zu­ stellungsurkunde nach § 192 nicht bedarf.

3. Titel.

Ladungen, Termine und «fristen.

Für den geordneten Fortgang des Prozeßverfahrens kommen gewisse Zeit­ bestimmungen in Betracht, die den Parteien oder Dritten zur Vornahme von prozeffualischen Handlungen teils durch Gesetz, teils durch gerichtliche Anordnung gesetzt

200

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 215.

§ 215. (192.) Zn Änwaltsproressen muß die Ladung ;ur mündlichen Ver­ handlung, sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, die Auf­ forderung an den Gegner enthalten, einen bei dem pro^eßgerichte zugelassenen Anwalt ;u bestellen. werden. Es sind dies Termine und Fristen. selben die allgemeinen Grundsätze vor.

Termine, Ladungen.

Der Tit. 3 schreibt betreffs der­

§§ 214—220. Wach. KritVJSchr. 14 S. 351, 15 S. 340; Baron Busch 1 S. 401; O. Fischer Gruchot 25 S. 620, 802 (auch separat); Schwalbach ziv. Arch. 66 S. 251; Birlmeyer, Grundriß I S. 172, 178, 248.

v-rnote.

I. Termine sind Tage oder Tagesstunden, zu denen Parteien oder sonstige Be­ teiligte (Dritte, Zeugen oder Sachverständige) vor Gericht zur Verhandlung des Rechts­ streits erscheinen sollen. Das Erscheinen kann der eigentlichen Parteiverhandlung oder nur der Anwesenheit bei der richterlichen Tätigkeit (Beweisausnahme, Entscheidung und Verkündung derselben) gelten. II. Die Nötigung zum Erscheinen in Terminen wird durch die Ladung in Verbindung mit der richterlichen Terminsbestimmung herbcigesührt. Die Ladung besteht in der Aufforderung, in einem bestimmten Termine zu erscheinen (vgl. Begr. 157). Die Terminsbestimmung, welche die Ladung erst ermöglicht, gehört (ab­ gesehen von dem Sonderfalle des § 500) zum Prozeßleitungsamt des Gerichts. Die Vermittlungsform für die Ladung bildet die Zustellung.

Ladungrn.

§§ 214, 215.

spiento I. a) Die §§ 214, 215 haben im Hinblick darauf, daß systemgemäß das Vera'b* i. fahren bis zur Entscheidung wesentlich in der Hand der Parteien liegt und in münd­ licher Verhandlung besteht, nur Ladungen im Part ei betriebe und zur münd­ lichen Verhandlung im Auge. Der Betrieb der Ladung geht naturgemäß von der Partei aus, die ein Interesse an der Einleitung oder Fortführung des Rechtsstreits hat. Im Gegenstände unterscheidet § 214 Ladungen zur Verhandlung der Hauptsache und zur Verhandlung eines Zwischenstreits (Note I zu 8 128). b) Neben den Parteibetrieb tritt jedoch auf erheblichen Gebieten des Verfahrens, namentlich bei der Beweisaufnahme und bei der sog. fakultativen mündlichen Verhandlung, der gerichtliche Amtsbetrieb. — Durch die Nov. v. 09 ist für das Verfahren vor den Amtsgerichten im wesentlichen der Amtsbetrieb eingeführt worden. — Inso­ weit ist die Ladung Sache des Gerichts. Demzufolge sind Zeugen und Sachverständige von Amts wegen zu laden (§§ 377, 402). Ebenso ist, wenn ein Verhandlungstermin von Amts wegen anberaumt oder verlegt, nach erfolgter Beweisaufnahme, nach ge­ schloffener oder ausgesetzter Verhandlung neu anberaumt wird, sofern nicht eine Termins­ verkündung erfolgt (§ 218), in die von Amts wegen zuzustellende (§ 329) Termins­ anordnung die Ladung mitaufzunehmen (vgl. Begr. 159). Form und n. a) Nach § 214 Abs. 2 kann die Ladung einen besonderen Schriftsatz ^Laduna^ bilden oder mit einem anderen Schriftsätze verbunden sein. Letzteres muß bei § zu atlz-bcn sog. bestimmenden Schriftsätzen (vgl. §§ 253, 585) geschehen. Vermittelt wird die Ladung durch Zustellung. b) Über den Inhalt der Ladung ist eine besondere erachtet (Begr. 160), abgesehen von dem Erfordernis aus § die Ladung deren Zweck, d. h. den Gegenstand des Termins, das Prozeßgericht und den Termin erkennen lassen. Dabei

Vorschrift für entbehrlich 215. Naturgemäß muß die Person des Ladenden, wird es nicht auf förm-

Dritter Titel.

Ladungen, Termine und Fristen § 216.

201

§ 216. (193.) Die Ladung ist ;um Zwecke der Terminsbestimmung bei dem Gerichts schreiber einzureichen. Die Destimmung der Termine erfolgt binnen vierundzwanstg Stunden durch den Dorfchenden. Auf Sonntage und allgemeine Feiertage find Termine nur in Notfällen anfliberanmen. liche, sondern nur auf zweifelsfreie Ausdrücke ankommen (vgl. RG. 6 S. 349, 9 S. 388, 13 S. 335). c) Für den Fall, daß imAnwaltsprozeß (§ 78) eine Ladung zur mündlichen Verhandlung an die Gegenpartei selbst erfolgt, muß solche nach § 215 die Auf­ forderung enthalten, einen beim Prozeßgericht zugelassenen Anwalt zu be­ stellen. Aus der Fassung („muß") ergibt sich die zwingende Natur der Vorschrift (vgl. Begr. 160, § 335«). 8

216.

§ -rr.

Terminsbestimmung.

O. Fischer Gruchot 25 S. 620, 802; Fortenbach Busch 8 S. 153; Eceius Gruchot 29 S. 1; Wach, Vorträge S. 69; Kleinster, Funktionen des Vorsitzenden S. 104; Auerbach Busch 21 S. 288.

Abs. 1.

Bedeutung.

Durch die Ladung teilt die betreibende Partei dem Gegner mit, daß sie über den Rechtsstreit vor Gericht mündlich verhandeln wolle, und fordert ihn auf, zu gleichem Zweck vor Gericht zu erscheinen (§ 214). Die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, wird aber erst durch die richterliche Terminsbestimmung (§ 216), als die Kundgebung, daß das Gericht zur Verhandlung in einem gewissen Zeitpunkte bereit sei, herbeigesührt. Die Terminsbestinimung bildet daher ein wesentliches Element der Parteiladung, dergestalt, daß die letztere ohne die erstere wirkungslos ist und weder die Verpflichtung zum Erscheinen, noch den Eintritt der Säumnisfolgen nach sich zieht (vgl. RG. 9 S. 388).

Abs. 2, 3. a) Der Ladungsschriftsatz ist beim Gerichtsschreiber des Prozeßgerichts formlos zur Terminsbestimmung einzureichen und von diesem dem Vorsitzenden (Amtsrichter) vorzulegen. Letzterer vermerkt darauf den Termin binnen vierundzwanzig Stunden. Der Kürze dieses Zeitraums liegt die Absicht zugrunde, etwaigen Nachteilen aus einer Verzögerung (z. B. mit Bezug auf Verjährung oder Präklusion) vorzubeugen. Dem­ nächst hat der Gerichtsschreiber den Terminsvermerk auf die für das Gericht bestimmte Abschrift (§ 133) zu übertragen und den Schriftsatz der betreibenden Partei zurückzugeben, sofern er nicht gemäß §§ 166, 497 selbst die Zustellung zu vermitteln hat. b) Man hat in Frage gezogen, inwieweit dem Richter bei der Terminsbestimmung eine Vorprüfung des Schriftsatzes zusteht. Von gewisier Seite wird eine solche Befugnis überhaupt verneint (vgl. Fischer Gruchot 25 S. 811), unter Berufung darauf, daß in der Begr. (S. 158) eine sachliche Prüfung des Schriftsatzes zu dem Zwecke, unbegründete Gesuche a limine zurückzuweisen, als Verstoß des Mündlichkeits­ prinzips hingestellt ist. Dies dürfte jedoch der Vorprüfung insoweit nicht entgegen­ stehen, als es sich um den Zweck des richterlichen Prozeßleitungsamts handelt. Bon diesem Gesichtspunkt aus erscheint eine Vorprüfung mindestens in der Richtung gerechtfertigt, ob der Lodungsschriftsatz äußerlich von einer prozeßsähigen Partei oder von dem gesetzlichen Vertreter einer prozeßunfähigen Partei, im Anwaltsprozesie von einem zugelassenen Anwalt als Prozeßbevollmächtigtem ausgeht, ob er sich äußerlich als Ladungsschriftsatz darstellt, ob die Parteiladung zur mündlichen Verhandlung mit

Verfahren.

202

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 217, 218.

§ 217. (194.) Die Frist, welche in einer anhängigen Zache zwischen der Lustellung der Ladung und dem Terminstage liegen soll (Ladungsfrist), beträgt in Anwaltsprozessen mindestens eine Woche, in anderen Prozessen mindestens drei Tage, in Meß- und Marktsachen mindestens viernndzwanzig Stunden.

§ 218.

(195.)

Bit Terminen, welche in verkündeten Entscheidungen be­

stimmt sind, ist eine Ladung der Parteien unbeschadet der Vorschriften des § 141 Abs. 2 nicht erforderlich.

der jeweiligen Prozeßlage (z. B. inmitten der Beweisaufnahme, eines vorbereitenden oder eines sonstigen Osfizialverfahrens) vereinbar ist. Dagegen wird eine weiter­ gehende Prüfung, wie z. B. in bezug auf prozeßhindernde Einreden (§ 274) oder auf die von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkte (§ 139), über den Zweck des Verfahrens hinausgehen (vgl. Eccius Gruchot 29 S. 1, Planck § 72, Hellmann § 68, Fortenbach Busch 8 S. 153, Kleinfeller a. a. O. S. 104, die Kommentare; anders IW. 05 S. 535 für den Fall einer Ladung nach geschlossenem. gerichtlichen Vergleich, indem dessen Nichtigkeit behauptet wird). Übrigens siehe den § 608 (Ehesachen). c) Bei der Festsetzung der Termine hat der Richter in erster Linie die Vor­ schriften der §§ 216 Abs. 3, 217 über die Beiseitelassung der Sonn- und Feiertage und die Innehaltung der Einlassungs- und Ladungsfristen (§§ 132, 217, 262, 498, 520, 550, 604, 696) zu beachten, daneben die Geschäftsverhältnisse des Gerichts, die prozessuale Sachlage und etwaige Parteianträge (§ 226) zu berücksichtigen. d) Gegen Ablehnung der nachgesuchten Terminsbestimmung ist Beschwerde zu­ lässig (ß 567). Ladungsfristen.

§ 217. Der § 217 betrifft, ohne Unterscheidung zwischen Partei- und Amtsladungen, solche Fristen, die in anhängigen Sachen (§§ 176 ff.) zwischen der Zustellung der Ladung und dem Terminstage liegen sollen (Ladungsfristen) und int Gegensatze zu Fristen bei instanzeinleitenden Ladungen (Einlassungsfristen, vgl. §§ 262, 498, 520, 555, 604, @93®. § 102) stehen. Die Fristen sind gesetzliche Minde st fristen (§§ 234, 226), die dem Geladenen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung freibleiben sollen (vgl. ,ZH 132 Abs. 1, 696), und deren Nichtinnehaltung gegen den ausgebliebenen Geladenen nicht die Erlassung des Bersäumnisurteils, für den er­ schienenen Geladenen aber das Bertagungsrecht auf Kosten des Ladenden begründet (§§ 335 2, 95). Eine diskretionäre Ladungsfrist sieht der § 239 bei verzögerter Auf­ nahme des Verfahrens durch den Erben vor.

Entbehrlich'

§ 218

Ladung.

Pfizer Busch 23 S. 434.

I Nach § 218, dem der gleiche Rechtsgedanke wie den §§ 312, 329 zugrunde $tnn,nt' liegt, erübrigt die Verkündung eines Termins in der mündlichen Verhandlung die

«erkundete

Ladung zu demselben. Die Vorschrift gilt für Partei- und Amtsladung; aber nur für Parteien, nicht für Zeugen und Sachverständige (§ 377). Das Gesetz geht davon aus, daß es Sache der Parteien ist, sich nach dem Ergebnisse der Verhandlung zu erkundigen (vgl. § 160 Nr. 6), und legt deshalb auch kein Gewicht darauf, ob die­ selben der Verkündung beigewohnt haben (§ 312, Begr. 158). Eine Ausnahme ist jedoch in den Fällen der §§ 335 *, 337, 351 Abs. 1, 618 Abs. 2, 670 Abs. 1, ■ 679, 684, 686 gemacht. Mit § 218 wird aber tendenzgemäß dem Geladenen nicht das Recht auf die Ladungsfrist (§ 217) entzogen. Diese ist auch hier zu berücksichtigen, und für

Dritter Titel.

Ladungen, Termine und Fristen §§ 219, 220.

203

§ 219. (196.) Die Termine werden an der GerichtssteUe abgehaiten, so­ fern nicht die Einnahme eines Augenscheins an Ort und Stelle, die Verhandlung mit einer am Erscheinen vor Oencht verhinderten Person oder eine sonstige Handlung erforderlich ist, welche an der Gerichtsstelle nicht vorgenommen werden kann. Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern sind nicht verpstichtet, per­ sönlich an der Gerichtestelle ;u erscheinen. Das gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshanses, des vornialigen ßurhesstschen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses. § 220. (167.) Der Termin beginnt mit dem Aufrufe der Sache. Der Termin ist von einer Partei versäumt, wenn sie bis ;um Schlüsse des­ selben nicht verhandelt. deren Nichtinnehaltung gilt das zu § 217 Bemerkte (a. M. Seuffert, Gaupp-Stein, Fischer Gruchot 25 S. 812). II. Die ladende Partei gilt allemal als durch sich selbst mitgeladen, Dieser Grundsatz ist im Gesetze nicht besonders ausgesprochen, liegt aber dem Der-

seiest* ,abune'

säumnisverfahren (§ 335) und bei Fristen dem § 221 Abs. 2 zugrunde (vgl. Planck 8 72).

§ 219.

Terminsort.

Der § 219 betrifft nach Abs. 1 Verhandlungs- und Beweistermine, ohne Unterschied, ob solche vor dem Prozebgericht oder vor einem beauftragten oder ersuchten Richter (§ 165) anstehen. Regelmäßig sollen nun Termine an der Ge­ richtsstelle abgehalten werden, und Ausnahmen nur in den besonders bezeichneten Fällen zulässig sein (über die Bedeutung des Wortes „erforderlich" vgl. RG. 56 S. 359). II. Von der Verpflichtung, an der gesetzlichen oder besonders bestimmten Terminsstelle zu erscheinen, sind jedoch für das ganze Reichsgebiet gewisse fürstliche Personen befreit nach näherer Maßgabe des jetzigen, entsprechend den §§ 375, 482 ZPO., dem § 5 EG. dazu, dem § 5 EGzGVG., dem § 7 EGzKO., dem Art. 57 EGzBGB., dem § 90 GBO. erweiterten Abs. 2. Hinzuzufügen ist das Haus Holstein nach G. v. 25. 3. 04.

'^s. i.

I

8

220.

tof-2* *I * * * * 8

Termin»beginn und I. a) Der Termin beginnt mit dem Aufruf der Sache. Dabei ist natur-VeriLumun,. gemäß eine nach Tag und Stunde bestimmte Zeit vorausgesetzt (vgl. Prot. 532). Beginn. Die Zeit kann in sich bestimmt werden, und dies wird die Regel sein. Bei Be- ®b|- L stimmung der Stunde ist auf die Lage der Sitzungsgeschäfte im ganzen und der Prozeßsachen im einzelnen, sowie auf etwaige Anträge der Beteiligten Rücksicht zu nehmen. Bei Konkurrenz von Beweisaufnahme- und Verhandlungssachen wird sich die Vorwegnahme der ersteren empfehlen (vgl. für Preußen die Allg. Verf. v. 14. 10. 84, JMBl. 237). Ist keine Stunde bestimmt, so kommt es darauf an, ob das Gericht geschäftsordnungsmäßig seine Termine zu einer bestimmten Stunde beginnt (vgl. § 500). Wo dies der Fall ist, müssen alle Prozeßsachen eines Terminstages als auf diese Stunde angesetzt gelten, da es sonst überhaupt an einem Termine fehlen würde. Für die Berechnung der Zeit vgl. noch das RG. v. 12. 3. 93 über die Ein­ führung einheitlicher Zeitbestimmung (RGBl. 93), und dazu Schultzenstein Busch 24 S. 482.

204

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 221.

§ 221. (198.) Der Lauf einer richterlichen Frist bginnt, sofern nicht bei Festsetzung derselben ein anderes bestimmt wird, mit der Zustellung des Schrift­ stücks, in welchem die Frist festgesetzt ist, und, wenn es einer solchen Zustellung nicht bedarf, mit der Verkündung der Frist. Der Lauf einer gesetzlichen oder richterlichen Frist, deren Deginn von einer Zustellung abhängig ist, beginnt mit dieser auch gegen diejenige Partei, welche Lie Zustellung hat bewirken lassen. b) Der Beginn wird durch den Aufruf konstatiert, der durch den Vorsitzenden (Richter) oder auf dessen Anweisung durch den Gerichtsschreiber oder einen Gerichts­ boten, für eine oder mehrere Prozeßsachen zugleich erfolgen kann. Der Ausruf ist vor der Terminsstunde unwirksam, wohl aber noch nach derselben zulässig, weshalb die Beteiligten auf ihn warten müssen. Sind dies Parteien, so können sie längerem Warten durch Vereinbarung der Vertagung oder des Ruhenlassens (§§ 227, 251) aus dem Wege gehen. sBertäumung. II Der Termin gilt als von einer Partei versäumt, wenn sie bis zum Ab,. 2. Schlüsse desselben nicht verhandelt. Diese Vorschrift läßt sich nur auf eigentliche Verhandlungstermine beziehen. Der Schluß des Termins regelt sich nach § 136 Abs. 4; doch kommt, sofern es zur Verwirklichung von Säumnisfolgen eines Antrages bedarf, noch die Bestimmung des § 231 Abs. 2 in Betracht. Das Nichtverhandeln ist nach § 214 mit Bezug auf den Ladungsgegenstand zu verstehen. Der Abs. 2 kommt der Partei insofern zugute, als sie noch bis zum Berhandlungsschlusse das Wort erlangen (§ 136 Abs. 2) und so die zuvorige Verhandlung unwirksam machen kann. Ariftrn.

88 331—236. Wrkmeycr, Grundriß S. 175; Alexander-Katz Busch 7 S. 507; Wetzell § 68.

sornote.

I In bett §§ 221—226 handelt es sich um Zeitbestimmungen im Sinne der Vornote zu Tit. 3, die den Parteien oder Dritten (Auskunftspersonen) zur Vornahme gewiffer Prozeßhandlungen außerhalb der mündlichen Verhandlung gesetzt werden (s. g. eigentliche Fristen). Dagegen bleiben außer Betracht Zeitbestimmungen unter welche die richterliche Tätigkeit gesetzlich im Jntereffe prompter und sachlicher Erledigung des Rechtsstreits (z. B. nach §§ 216, 310, 315, 544, 571, bzw. nach 88 142 Abs. 2, 206, 316, 680, 816, 875, 913, 950, 1010) gestellt ist (s. g. un­ eigentliche Fristen, vgl. RG. 17 S. 330). n. Für die eigentlichen Fristen stellt der 8 221 zunächst den Unterschied zwischen gesetzlichen und richterlichen Fristen auf, eine Einteilung, die aber nur betreffs der Fristverlängerung und Abkürzung praktische Bedeutung hat (88 224—226). Die Begr. (S. 261) kennzeichnet die beiden Fristarten dahin, daß richterliche Fristen, möge ihre Dauer im Gesetz bestimmt oder dem richterlichen Ermessen innerhalb gewisser Schranken überlassen sein, vom Richter gestellt, hingegen gesetzliche Fristen in bezug auf ihren Beginn unmittelbar kraft Gesetzes von einem bestimmten prozessualen Er­ eignisse bedingt würden. Damit übereinstimmend spricht auch 8 221 Abs. 1 von der Festsetzung richterlicher Fristen. Danach dürste das unterscheidende Merkmal beider Fristarten darin liegen, ob sie kraft richterlicher Festsetzung ober ohne solche traft Gesetzes wirksam werben, namentlich ihr Beginn uttb ihre Dauer von richterlicher Fest­ setzung abhängt ober nicht. III. Ihrem Zwecke nach teilt bte ZPO. bie Fristen ein in Einlassungs­ fristen, Labungsfristen, Fristen für Zustellung oorbereitenber Schrift­ sätze unb Notfristen.

Dritter Titel.

Ladungen, Termine und Fristen §§ 222, 223.

205

§ 222. (200.) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag oder allgemeinen Feiertag, so endigt die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Bei der Berechnung einer Frist, welche nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage und allgemeine Feiertage nicht mitgerechnet. § 223. (201). Der Lauf einer Frist wird durch die Gerichtsferien gehemmt. Der noch übrige Teil -er Frist beginnt mit dem Ende der Ferien zu laufen. Betreffs dieser Einteilung sind die Noten zu §§ 217, 222 und 223 zu vergleichen.

IV. Im übrigen ist in den §§ 221—226 die Berechnung, Hemmung, Verlängerung und Abkürzung der Fristen geregelt.

§ 221. I. Der Beginn richterlicher Fristen soll nach Abs. 1 für beide Parteien, soweit eine Zustellung der fristsetzenden Entscheidung nicht erforderlich, von deren Ver­ kündung, andernfalls von der Zustellung ab laufen. Wann die eine oder die andere dieser Alternativen Platz greift, bestimmt sich nach § 329. Eine Ausnahme ist nur für den Fall, daß die fristsetzrnde Entscheidung selbst ein anderes bestimmt, also einen späteren Anfangspunkt anordnet, zugelaffen. Für den Beginn gesetzlicher Fristen be­ durfte es nicht besonderer Regelung, weil derselbe gesetzlich an gewisse Tatsachen ge­ knüpft ist (s. Vornote II). II Nach Abs. 2 ist bei gesetzlichen wie richterlichen Fristen, deren Beginn von einer Zustellung im Parteibetricbe abhängt (vgl. §§ 339, 516, 552, 577), der durch die Zustellung für den Adressaten gegebene Fristbeginn auch für den betreibenden Teil maßgebend. Dagegen laufen Fristen, die von der Zustellung im Amtsbetriebe abhängen (§ 329), für jede Partei von der Zustellung an dieselbe besonders.

8 222.

Fristbegiim.

'W. i.

«tf-

Frist. berechnunz.

I

Die Berechnung der Prozeßfristen war früher in den §§ 199, 200. unter 9lbfi L Anlehnung an die Art. 328, 329 HGB. und die Art. 32, 92 WO., besonders ge­ regelt. Inzwischen hat das BGB. in §§ 186-193 für die in Gesetzen, richterlichen Verfügungen und Rechtsgeschäften enthaltenen Fristbestimmungen Auslegungsvorschriften wesentlich übereinstimmender Art gegeben. Danach war die Nov. v. 98 zur ZPO. in der Lage, den § 199 zu streichen und in § 200, jetzt 222 Abs. 1, auf jene Vorschriften des BGB zu verweisen. II. In Abs. 2 ist bestimmt, daß eine Frist, deren Ende auf einen Sonn- oder w sallg. Feiertag fällt, erst mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages endigen soll. Diese Vorschrift mußte stehen bleiben, weil der § 193 BGB. Entsprechendes nur für Willenserklärungen und Leistungen bestimmt. Vgl. auch § 17 FreiwGG. und Preuß. G. über den Karfreitag v. 2. 9. 99 (GS. S. 161). III. Nach Abs. 3 sollen, auch wenn eine nach Stunden bestimmte Frist zu Abs.z. berechnen ist (z. B. im Falle des § 604 Abs. 2), obwohl die Berechnung nach der Uhr geschieht, die Sonn- und allg. Feiertage nicht mitgerechnet werden. IV. Vgl. noch die Übergangsbestimmung in Art. IX EG. zur Nov. v. 98.

§ 223. °

I Die Gerichtsferien bilden eine gerichtsverfassungsmäßige und deshalb zwingende (vgl. RG. 31 S. 430) Einrichtung. Nach den für sie in §§ 201—204

ßemmung durch ®erW)tefcrten.

206

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 224—226.

Fällt der Anfang der Frist in die Ferien, so beginnt der Lauf der Frist mit dem Ende derselben. Die vorstehenden Destimmungen finden auf Notfristen und Fristen in Ferien­ sachen keine Anwendung. Notfristen find nur diejenigen Fristen, welche in diesem Gesetz als solche bezeichnet werden. § 224. (202.) Durch Vereinbarung der Parteien können Fristen, mit Ausnahme der Notfristen, verlängert oder abgekürzt werden. Auf Antrag können richterliche und gesetzliche Fristen abgekürzt oder ver­ längert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht find, gesetzliche Fristen jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen. Am Falle der Verlängerung wird die neue Frist von dem Abläufe der vorigen Frist an berechnet, wenn nicht im einzelnen Falle ein anderes be­ stimmt ist. § 225. (203.) Über das Gesuch um Abkürzung oder Verlängerung einer

Frist kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Abkürzung oder wiederholte Verlängerung darf nur nach vorgängigem Gehör des Gegners bewilligt werden. Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen das Gesuch um Ver­ längerung einer Frist zurückgewiesen ist, findet nicht statt. § 226.

(204.)

Cinlassungsfristen, Ladungsfristen sowie diejenigen Fristen,

GBG. gegebenen allg. Regeln dürfen während ihres Laufes v. 15 7. bis zum 15. 9. in Zivilprozessen weder Termine abgehalten noch Entscheidungen erlassen werden, außer in Feriensachen, d. h. Sachen, die als solche nach Gesetz oder vom Richter besonders bestimmt sind; und Entscheidungen, die dem entgegen erlassen werden, sind durch Be­ schwerde anfechtbar (vgl. RG. 31 S. 430).

«bi. i, 2.

H. Weiterhin bestimmt aber § 223, daß während der Gerichtsferien Prozeßfristen außer Notfristen (s. Note III) und Fristen in Feriensachen weder beginnen noch ablaufen sollen. Demzufolge beginnen Fristen, die an sich in den Ferien anfangen würden,, erst nach denselben, und Fristen, die schon vor den Ferien begonnen, laufen erst nach denselben weiter. Dabei müssen auf Grundlage des § 222 Fristen nach Wochen oder Monaten in Tage, die Wochen zu 7, der Monat zu 30 Tagen, aufgelöst, und dann die in die Ferien fallenden Tage erst v. 16. 9. ab gerechnet werden. Auf Jahresfristen (vgl. 234, 586, 958, 1044) dürfte der § 223 sich nicht beziehen, da dieselben Präklusivfristen sür Einleitung gewisser Verfahren bilden, während die §§ 221 ff. Fristen in eingeleiteten Verfahren betreffen (vgl. Eccius Gruchot 23 S. 738, Fitting § 36 Note 13 und ziv. Arch. 61 S. 417, Planck I § 83, die Kommentare).

Ad>. s.

III. Als Notfristen gelten nach Abs. 3 nur diejenigen Fristen, die als solche im Gesetze bezeichnet sind. Dies ist nach §§ 339, 466, 516, 552, 577, 586, 958, 1044 der Fall bei den Fristen für Einlegung gewisser Rechtsbehelfe und der Rechtsmittel (vgl. § 111 GenG. v. 20. 5. 98). Notfristen charakterisieren sich im wesentlichen nach §§ 223, 224, 233, 235 da­ durch, daß sie auch in den Gerichtsferien beginnen und fortlaufen, der Verkürzung und Verlängerung entzogen sind, die Wiedereinsetzung gegen ihre Versäumung zulasfen und zu den von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkten gehören.

Dritter Titel.

Ladungen, Termine und Fristen § 227.

207

welche für die Zustellung vorbereitender Achristsätze bestimmt find, können aus Antrag abgekürzt werden. Die Abkürzung der Cinlassungs- und der Ladungsfristen wird dadurch nicht ausgeschlossen, dast infolge der Abkürzung die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze nicht vorbereitet werden kann. Der Vorsitzende kann bei Destimmvng des Termins die Abkürzung ohne vorgängiges Gehör des Gegners und des sonst Deteiligten verfügen; diese Ver­ fügung ist dem beteiligten abschriftlich mitzuteilen. § 227. (205.) Die Parteien können die Aufhebung eines Termins ver­ einbaren. Wird die Verlegung eines Termins beantragt, fo finden die Destimmnngen über Verlängerung einer Frist entsprechende Anwendung.

§8 224-226.

Sertäng«. rung und Abkürzung

Alle Prozeßfristen, mit Ausnahme der Notfristen (§ 224) und der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234) sind der Verlängerung und Abkürzung fähig, nach näherer bon 5clftcn* Bestimmung der §§ 224—226. I a) Nach tz 224 Abs. 1 ist eine solche Änderung zunächst der Vereinbarung§224Abs.i,2 der Parteien, bzw. ihrer Prozeßbevollmächtigten (§ 81) überlassen. Die Verein­ barung kann systemgemäß formlos, selbst stillschweigend erfolgen, und ihr Nachweis ist unbeschränkt. b) Nach Abs. 2 kann die Friständerung aber auch durch richterlicheAnordnung erfolgen, jedoch (im Gegensatze zu Terminen, § 228) nur auf Parteiantrag, überdies bei gesetzlichen Fristen nur in besonders bestimmten Fällen (z. B. nach § 134 Abs. 2). Der Antrag kann in der mündlichen Verhandlung oder außerhalb derselben § 225. durch Schriftsatz gestellt werden und ist durch Glaubhaftmachung erheblicher Umstände, die in der Lage des Rechtsstreits oder in den persönlichen Verhältnissen der Parteien liegen können, zu begründen. Die Entscheidung erfordert nicht mündliche Ver­ handlung, wohl aber für den Fall, daß es sich um Abkürzung oder wiederholte Ver­ längerung handelt, schriftliche Anhörung des Gegners. Sie erfolgt mittels Beschlusses (§ 329), der bei Zurückweisung einer Fristverlängerung der Anfechtung entzogen ist (§ 225 Abs. 3), sonst der Beschwerde (§ 567) unterliegt. c) Die verlängerte Frist wird vom Ablauf der ursprünglichen Frist ab be-Z 224 Abs.3. rechnet, sofern nicht ein anderer Anfangspunkt vereinbart oder richterlich festgesetzt ist (vgl. § 190 BGB ). n. Ein vereinfachtes Verfahren sieht § 226 für die Abkürzung von Ein- 3226. lassungs-, Ladungs- und Fristen für vorbereitende Schriftsätze vor. Der Glaubhaftmachung erheblicher Gründe bedarf es nicht Der Abkürzung steht nicht entgegen, daß dadurch die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung vielleicht ab­ geschnitten wird, indem das Gesetz zunächst das Interesse der Beschleunigung für vor­ wiegend erachtet. Zudem kann nach Abs. 3 der Vorsitzende bei Terminsbestimmungen die Abkürzung ohne Anhörung des Gegners verfügen, was aber dem letzteren abschriftlich mitzuteilen ist. Die Anwendung dieser Vorschrift wird auch in der mündlichen Verhandlung und bei Fristbestimmungen des Gerichtskollegiums zulässig sein, da dem § 226 laut Begr. (S. 164) die Absicht zugrunde liegt, durch Erleichterung der Fristabkürzung dem prozessualen Verfahren überhaupt eine Elastizität zu verleihen, welche die Einrichtung schleuniger Prozeßarten erübrigt. Gegen sachwidrige Ausübung des Abkürzungsrechts gewährt § 337 den Parteien Abhilfe.

208

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 228.

§ 228. (206.) Die Verlegung eines Termins, die Vertagung einer Ver­ handlung und die Anberaumung eines Termins ;ur Fortsetzung der Verhand­ lung kann auch von Amts wegen erfolgen.

8

erminiausHebung durch

botung’ «bs. i.

227.

I Auch die Aufhebung von Terminen ist zunächst der Parteivereinbarung überlasten. Diese kann formlos in oder vor dem Termin erfolgen, muß aber letzterenfalls zur Kenntnis des Gerichts gebracht, im Anwaltsprozesse durch die Anwälte dem­ selben angezeigt werden. Der aufgehobene Termin besteht rechtlich nicht mehr; die Parteien können von demselben ohne Säumnisfolgen fortbleiben, vorausgesetzt nur, daß sie die Ver­ einbarung nötigenfalls nachweisen können (vgl. RG. Gruchot 28 S. 1179, IW 88 S. 21). Das Gericht hat die ihm gehörig kundgegebene Vereinbarung zu beachten und besonders bei Beweisterminen, soweit noch möglich, geladene Auskunftspersonen abzubestellen. Was weiter aus der Sache wird, hängt von der Bestimmung der Parteien ab. Liegt eine bloße Aufhebungsvereinbarung vor, so ruht die Sache gemäß § 251. Wird zugleich die Ansetzung eines neuen Termins beantragt, so ist dieser zu ver­ künden (§ 218) Enthält die Vereinbarungsanzeige zugleich eine Ladung, so erfolgt Terminsbestimmung gemäß § 216. Keinesfalls können die Parteien durch Verein­ barung einen neuen Termin selbst bestimmen (vgl. Begr. 164, Note zu § 216).

auff&Cntra8 n Nach Abs. 2 kann auch auf Antrag einer Partei das Gericht einen ^^Abs" 2.°^ Termin verlegen. Von Vertagung und Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung

der Verhandlung ist im Gesetz nicht die Rede; aber dies beruht wohl nur auf einem Übersehen, wie die Analogie der Fälle, die Begr. (S. 131) und § 228 Abs. 1 („auch") ergibt. Für das Verfahren sollen die Vorschriften über Fristverlängerung, mithin der § 225 Abs. 1 maßgebend sein. Dies läßt zugleich erkennen, daß bei der Verlegung nur an Hinausschiebung von Terminen gedacht ist. Bei Anträgen auf Borschiebung wird der § 225 Abs. 2 Anwendung finden müssen. (Anders RG. 55 S. 100, wo dem Umstande entscheidende Bedeutung beigelegt wird, daß § 227 Abs. 2 nur die Be­ stimmungen über Verlängerung einer Frist entsprechend anwendbar erklärt.) Der er­ gehende Beschluß ist, falls er einem Anträge stattgibt, nur nach §§ 512 bzw. 548, nicht nach § 567, falls er einen Antrag zurückweist, überhaupt nicht anfechtbar (§ 225 Abs. 3, vgl. RG. 15 S. 422).

Bon Amts wegen.

§ 228. Nach § 228 kann die Verschiebung von Terminen auch von Amts wegen erfolgen (anders bei Fristen, §§ 224—226). Dies wird nach Analogie des § 227 Abs. 1 zugleich für die bloße Aufhebung gelten, die unter Umständen (z. B. bei Unterbrechung oder Aussetzung des Verfahrens, §§ 148—150, 239 ff.) sachgemäß sein kann. Bei der Befugnis aus § 228 ist, wie aus dessen Fassung und aus der Ana­ logie der §§ 224, 226, 272 sich folgern läßt, nur an das Gericht gedacht, unbe­ schadet der Befugnis des Vorsitzenden aus § 136 Abs. 3 (vgl. Planck I § 36, die Kommentare). Das Amtsermesien des Gerichts ist in dem Falle des § 337 (Ver­ säumnisverfahren) gesetzlich eingeschränkt, sonst lediglich auf fachliche Erwägungen ge­ wiesen, z. B. auf die Geschäftslage des Gerichts oder auf eine ungenügende Vor­ bereitung der mündlichen Verhandlung. Der Beschluß unterliegt nicht der Beschwerde (§ 567, vgl. RG. 15 S. 422). Beruht die Terminsverschiebung auf Verschulden eines Beteiligten, so kann die Anwendung der Kostennachteile aus §§ 95, 102 ZPO. oder § 48 GVG. mit in Frage kommen (vgl. Barkhausen Busch 12 S. 321).

Ladungen usw. § 229.

3. Titel.

4. Titel.

Folgen der Versäumung usw. § 230.

209

§ 229. (207.) Die in diesem Titel dem Gericht und dem Vorsitzenden bei­ gelegten Befugnisse stehen dem beauftragten oder ersuchten Richter in Re;ug auf Lie von diesen ja bestimmenden Termine und Fristen ;u.

Vierter Titel.

Aokge« der Wersäumung.

Wiedereinsetzung in de« »orige« Sta«d.

§ 230. (208.) Die Versäumung einer pro;eßtzandlung hat ;ur allgenneinen Folge, daß die Partei mit der vorjunehmenden pro^eßhandlung ausge­

schlossen wird. 8 229.

Richterkommissare.

Die nach Tit. 3 dem Gericht und dem Vorsitzenden beigelegten Befugnisse sind in § 229 auch dem beauftragten oder ersuchten Richter (§ 165) mit Bezug auf die von diesem zu bestimmenden Fristen und Termine übertragen. Es wird dabei besonders die Vornahme der Sühne (§§ 296, 609, 619), das vorbereitende Verfahren (88 348 ff ) und die Beweisaufnahme (8 355) in Betracht kommen.

4. Titel.

Folgen der Hccsäitmung, Wiedereinsetzung.

Birkmeyer, Grundriß S. 288; Hergenhahn Gruchot 39 S. 332.

Der Titel 4 regelt die Folgen der Versäumung von Prozeßhandlungen, aber nur auf feiten der Parteien und ihrer Vertreter, während die Säumnis Dritter, namentlich von Zeugen und Sachverständigen, außer Betracht bleibt.

I. Die Versäumung kann sich auf die mündliche Verhandlung oder auf Akte außerhalb derselben behufs Einleitung oder Fortfiihrung des Rechtsstreits oder einer Instanz, und somit auf obligatorische oder fakultative Handlungen beziehen. Sie tritt bei der mündlichen Verhandlung durch Nichterscheinen, Nicht- oder nicht vollständiges Verhandeln bis zum Schluffe des Termins (88 220, 334) ein, mag es sich um den gesamten Prozeßstoff oder um einen gesetzlich oder kraft richterlicher Anordnung ab­ gesonderten Teil desselben handeln. Bei anderen Prozeßhandlungen vollzieht sie sich durch deren Unterlassung innerhalb der gegebenen Frist. II. Die Folgen der Versäumung sind teils allgemeiner, teils besonderer Art. Allen liegt der Gedanke zugrunde, die Parteien durch Androhung von Rechtsnachteilen mittelbar zu geordnetem prozessualen Handeln zu nötigen. a) Die allgemeine Versäumnisfolge bildet den Gegenstand dieses Titels, und sie wird nach 8 230 durch Ausschließung (Präklusion) der Partei mit der ver­ säumten Prozeßhandlung verwirklicht.

b) Die besonderen Versäumnisfolgen sind bei Regelung der einzelnen Prozeß­ handlungen vorgesehen. Die wichtigste Folge berührt die totale Versäumung der mündlichen Verhandlung und wird durch das Versäumnisurteil realisiert (88 330 ff.). Daneben kommen in Betracht: das unvollständige Verhandeln, welches die Annahme des Zugestäüdnisses von Tatsachen (88 138, 239, 331, 351), der Aner­ kennung von Urkunden (88 427, 439, 441) oder des Verzichts auf Klage oder Rechts­ mittel (88 330, 542, 557) nach sich zieht; ferner die Rügesäumnis, mit dem Präjudize der Genehmigung (88 85, 89, 295); endlich die Eidesweigerung, mit dem Präjudize des erbrachten Gegenbeweises (8 464 Abs. 2). Zu diesen Säumnis­ folgen tritt in den Fällen der 8§ 95, 238, 344 noch die der Kostenlast. Reincke, ZPO.

8. Aufl.

14

scmte.

210

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 231, 232.

§ 231. (209.) Einer Androhung -er gesetzlichen Folgen -er Versäumung bedarf es nicht; dieselben treten von selbst ein, sofern nicht dieses Gesetz einerr auf Verwirklichung des Vechtsnachteils gerichteten Antrag erfordert. Am letzteren Falle kann, solange nicht -er Antrag gestellt und -ie münd­ liche Verhandlung über denselben geschlossen ist, -ie versäumte pro^eßhandlung

nachgeholt werden. § 232. (210.) Auf Grund der den Minderjährigen und den ihnen gleich­ gestellten Personen als solchen ;ustehenden Rechte findet die Auchebung der Folgen einer Versäumung nicht statt. Insofern die Aufhebung der Folgen einer unverschuldeten Versäumung ptläsfig ist, wird eine Versäumung, welche in der Verschuldung eines Vertreters ihren Grund hat, als eine unverschuldete nicht angesehen. Betreffs der Mittel zur Beseitigung obiger Säumnisfolgen zieht Titel 4 nur die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Notfristen (ZK 233—238) in Betracht. Sonst gewährt das Gesetz noch den Einspruch gegen das Versäumnisurteil (K 338), für gewisse Fälle auch die Nachholung unvollständigen Verhandelns (vgl. 88 Abs. 4, 274 Abs. 3, 354 Abs. 2, 367 Abs. 2, 433, 528, 1043). Allgemeine Säumnis­ folge.

8 230. Die allgemeine Säumnisfolge besteht darin, daß die Partei mit der ver­ säumten Prozeßhandlung ausgeschlossen wird. Dies gilt innerhalb und außerhalb der mündlichen Verhandlung. Damit ist die peremtorische Natur der Verhandlungstermine und Fristen zur Regel erhoben; und von dieser sind nur für gewisse Fälle (vgl. §§ 351, 617, 618, 670, 679, 684, 686) Abweichungen vorgesehen.

Androhung, Eintritt.

8 231.

Abs. i.

I a) Einer Androhung der Versäumnisfolgen bedarf es in der Regel nicht. Dem liegt der Gedanke zugrunde (Begr. 169), daß nicht der Richter, sondern das Gesetz, das die Parteien kennen müssen, diesen das Präjudiz sagt. Ausnahmsweise wird die Androhung für den Zahlungsbefehl im Mahnverfahren (8 692), für das Aufgebot (88 947, 1008) und für Strafbefehle zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen (8 890) erfordert; und in manchen Fällen (88 455, 504 Abs. 2, 510) hat der Richter wenigstens zu gewissen Erklärungen besonders aufzufordern. b) Demzufolge treten die Versäumnisfolgen ohne weiteres kraft Gesetzes ein,, soweit nicht das Gesetz einen Parteiantrag auf bereit Verwirklichung erfordert. Letzteres trifft zu bei Totalversäumung der mündlichen Verhandlung (88 330 ff., 113, 158) und für die Sonderfälle der 88 239 ff., 353, 465, 542, 566, 600, 618, 670, 679, 686, 699, 881. c) In den Ausnahmefällen gewährt überdies Abs. 2 der säumigen Partei die Vergünstigung, daß sie die versäumte Prozeßhandlung bis zum Schluffe der Ver­ handlung über den Parteiantrag, in gewissen Fällen (vgl. 88 H3, 694, 951) sogar bis zur Erlassung der Entscheidung nachholen kann. Bei befristeten Prozeßhand­ lungen außerhalb der Verhandlung bestimmt sich die Nachholungsgrenze mit der ersolgten Antragstellung, was im Falle des 8 926 besonders vorgesehen ist.

Abs. 2.

8 232

SHefiitution.

Abs. 1. Minder. jäyrige.

Der Abs. 1 beseitigt das den Minderjährigen und den ihnen gleichgestellten Personen (Fiskus, Kommunalverbänden, Kirchengemeinden usw.) nach.

§ 233. (211.) Einer Partei, weiche durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle verhindert worden ist, eine Notfrist einzuhaiten, ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Ztand ;u erteilen. Hat eine Partei die Einspruchsfrist versäumt, so ist ihr die Wiedereinsetzung auch dann pi erteilen, wenn sie von der Zustellung des Nersäumnlsurteils ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat. früheren deutschen Gesetzen zustehende Vorrecht auf Restitution gegen Bersäumungsfolgen. Diesen Gesetzen ist auf zivilprozessualem Gebiete durch § 14 Abs. 1 EGzZPO. die Wirksamkeit entzogen. Es findet daher die Beseitigung zivilprozessualer Bersäumungsfolgen nur nach Maßgabe der ZPO. statt, und es hätte der Bestimmung des § 232 Abs. 1 kaum bedurft. Nur um etwaigen Zweifeln über die Tragweite des § 14 Abs. 1 EG. vorzubeugen, ist dieselbe erlassen. Jetzt tritt noch hinzu, daß das BGB. die zivilrechtliche Restitution nicht übernommen hat (vgl. Motive I S. 392, Preuß. AG. Art. 89 Nr. 3).

Abs. 2. Soweit die ZPO. eine Aufhebung der Folgen unverschuldeter Säumnis zuläßt, Vertreter, wie dies nach §§ 233 ff., 274 Abs. 3, 367, 528 der Fall ist, soll nach Abs. 2 eine Säumnis, die auf Verschuldung eines Parteivertreters beruht, nicht als seitens der Partei unverschuldet gelten. Unter Vertretern sind solche im weitesten Sinne, also gesetzliche Vertreter, Prozeßbevollmächtigte und Geschäftsführer ohne Auf­ trag, nicht aber bloße Zustellungsbcvollmächtigte zu verstehen (vgl. Begr. 171, RG. 10 S. 362). Die Vorschrift bildet eine Konsequenz des den §§ 51, 85 zu­ grunde liegenden Prinzips der Identität zwischen Partei und Vertreter, und sie hat zur Wirkung, daß die schuldbare Säumnis des Vertreters als solche der vertretenen Partei angesehen wird und keinen Restitutionsgrund für die persönlich schuldlose Partei abgibt (vgl. RG. 3 S. 419, 439). — Vgl. übrigens BGB. § 278, KO. § 165, FreiwGG. §§ 92, 137.

88 23S-238.

M-r«.

ernsetzung.

Birkmeyer, Grundriß I S. 293; Ude Gruchot 29 S. 779; v. Canstein Busch 16 S. 1; Hergenkahn Gruchot 39 S. 332; Buder (1902).

Die §§ 233—238 gewähren in zwei Gruppen von Fällen (§§ 233, 234—235) Parteien, die ohne ihr Verschulden zur Versäumung von Notfristen gelangt sind, den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, für den ein besonderes Zwischenverfahren in §§ 236—238 gestaltet ist.

§ 233.

Im allge-'

Abs. 1.

mcinciu '

Die Wiedereinsetzung wird im allgemeinen gewährt, wenn eine Partei durch einen unabwendbaren Zufall an Einhaltung einer Notfrist verhindert worden ist. Das Gesetz nimmt hier (Begr. 175) den Tatbestand einer höheren Gewalt als gegeben an. Nur beispielsweise hebt es Naturereignisse hervor; es können auch menschliche Handlungen (wie Verbrechen, Aufstand, Krieg, behördliche Säumnis) in Betracht kommen. Zur Unabwendbarkeit eines Zufalles gehört, daß die Partei jede von ihr nach Lage der Sache vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt behufs Wahrung der Notfrist angewendet hat. Hinsichtlich der Anwendung dieses Grundsatzes auf den Fall des Armenrechtsgesuchs für den Fall der Einlegung eines Rechtsmittels vgl. RG. 70 14*

212

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 234, 235.

§ 234. (212.) Die Wiedereinsetzung mnß innerhalb einer ;weiwochigen Frist beantragt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis gehoben ist sie kann dnrch Vereinbarung der Parteien nicht verlängert werden. Llach Ablauf eines Lahres, von dem Ende der versäumten Notfrist an ge­ rechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

§ 235. (213.) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Ver­ säumung einer Notfrist ist der Partei auf Antrag auch dann ;u erteilen, wenn spätestens am dritten Tage vor Ablauf der Notfrist das ;ur Wahrung derselben ;u;ustellende Schriftstück dem Gerichtsvollzieher oder, sofern die Zustellung unter

S. 121, ebenso IW. 09 S. 73. Der Zufall muß den ausschließlichen Grund der Säumnis bilden, so daß ein konkurrierendes Verschulden der Partei oder ihres Ver­ treters (§ 232 Abs 2), namentlich die saumselige Betreibung der zur Einhaltung der Notfrist erforderlichen Handlungen (Bestellung eines Vertreters, Nachsuchung des Armenrechts, Zustellung von Schriftstücken), die Restitution hindert (vgl. RG. 1 S. 278, 2 S. 424, 3 S. 421, 439, 4 S. 388, 8 S. 375, 10 S. 363, 12 S. 375, 17 S. 389, 48 S. 409 M, Zustellung durch GerVollzieher), Gruchot 32 S. 407, 33 S. 1176, 36 S. 712, 37 S. 1229, 40 S. 663, 41 S. 1161, IW. 88 S. 406, 91 S. 119, 92 S. 55, 216, 369, 461, 93 S. 341, 94 S. 119, 179, 473, 95 S. 145, 199, 96 S. 596, 97 S. 51, 107, 99 S. 3). Beim lnsvruch.

Abs. 2. Gegen die Versäumung der Einspruchsnotfrist (§ 339) gibt Abs. 2 die Wiedereinsetzung schon dann, wenn die säumige Partei oder deren Vertreter von der Zustellung des Versäumnisurteils ohne Verschulden keine Kenntnis erlangt hat. Dieser Fall kann im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 174—202 bei Zustellungen an Er­ satzpersonen, an den Zustellungsbevollmächtigten, durch Ausgabe zur Post und durch öffentliche Bekanntmachung vorkommen. Hat die Partei oder deren Vertreter während der Notfrist jene Kenntnis erhalten, so fragt es sich, ob sie noch fristgemäß den Ein­ spruch einlegen konnte. Ist dies nicht der Fall, so greift der Abs. 2 ebenfalls Platz.

Antragisrift.

§ 234

W. i.

Der erforderliche Wiedereinsetzungsantrag (§ 236) ist an eine Frist von zwei Wochen geknüpft (vgl. RG. IW. 97 S. 4), die mit dem Tage der Hebung des Hindernisses beginnt. Letzterer Punkt ist nach den konkreten Umständen zu be­ urteilen, wobei namentlich im Falle des § 233 Abs. 1 der Zeitpunkt, in welchem einer Partei das Armenrecht erteilt und ein Vertreter bestellt wurde (vgl. RG. 41 S. 368, 47 S. 377), im Falle des § 233 Abs. 2 der Zeitpunkt, in welchem die Partei ausreichende Kenntnis von Zustellung des Versäumnisurteils erlangt hat (vgl. RG. 6 S. 344, IW. 93 S. 382, 95 S. 198) in Betracht zu ziehen ist.

Ws. 2.

Bestand das Hindernis in einer unverschuldeten Unkenntnis gewisser Umstände, so ist es als gehoben anzusehen mit dem Augenblick, wo die Unkenntnis aushörte unverschuldet zu sein (RG. 67 S. 188, ebenso IW. 08 S. 73; abweichend RG. 65 S. 195: Es kommt darauf an, wann das Hindernis „gehoben ist", nicht wann es gehoben werden konnte).

Ws.s.

Nach Jahresfrist seit der Beendigung der versäumten Notfrist läßt Abi. 3 die Wiedereinsetzung überhaupt nicht mehr zu.

Vierter Titel.

Folgen der Versäumung usw. § 236.

213

Vermittelung des Gerichtsschreibers erfolgen soll, dem Gerichtsschreiber ;um Zwecke der Zustellung übergeben ist.

Die Wiedereinsetzung muß innerhalb einer einmonatigen Frist nach Ablauf der versäumten Notfrist beantragt werden. § 236. (214.) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, welche für die versäumte Prozeßhandlung gelten. Der Antrag muß enthalten : 1. die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen; 2. die Angabe der Mittel für deren Glaubhaftmachung; 3. die Nachholung der versäumten Prozeßhandlung, oder wenn diese bereits nachgeholt ist, die Bezugnahme hierauf. Im Falle der Versäumung der im § 466 bezeichneten Notfrist ist der Antrag auf Wiedereinsetzung und Abnahme des Eides auch dann bei dem § 235. I.

Bei der-

Der § 235 gewährt die Wiedereinsetzung in den besonderen Fällen, daß die^st-llmig^"

Versäumung einer Notfrist in der Person des Gerichtsvollziehers oder des vermittelnden Gerichtsschreibers ihren Grund hat. Dieser Restitutionsgrund ist unabhängig von dem allgemeinen Restitutionsgrunde des § 233 (vgl. RG. 11 S. 376). a) Abs. 1 unterscheidet nicht, ob der Gerichtsbeamte die versäumte Zustellung ganz unterlassen oder rcchtsunwirksam bzw. verspätet bewirkt hat (vgl. RG. US. 375, Grnchot 33 S. 1144, IW. 01 S. 30; dagegen Cohn dort S. 103). b) Die Partei muß aber das znzustellende Schriftstück dem Gerichtsvollzieher oder, sofern die Vermittlung der Zustellung durch den Gerichtsschreiber erfolgen soll (früher hieß es „znlässig ist"), diesem spätestens am drittletzten Tage der Not­ frist, deren Endtag mitgerechnet (vgl. RG. 7 S. 316), übergeben haben. Hierbei muß sie überdies alles zur Zustellung Nötige getan, z. B. die erforderliche Anzahl von Abschriften mitübergebcn und die zur Ausführung der Zustellung erforderlichen Angaben gemacht haben (vgl. RG. 16 S. 375). I» letzterer Hinsicht muß eine Besonderheit des amtsgerichtlichcn Verfahrens gemäß § 496 Abs. 3 hervorgehoben werden, wonach die Wirkung einer Zustellung schon mit Einreichung oder Anbringung des Antrages eintreten kann. II. In den Fällen des § 235 ist nach Abs. 2 für den W i e d e r e i n s e tz u n g s antrag eine einmonatige Frist bestimmt, die mit dem Ende der versäumten Notfrist, ohne Rücksicht auf die Kenntnis der Partei von der Versäumung beginnt. Eine Fristverlängerung durch Vereinbarung ist hier, im Gegensatze zu § 234, nicht be­ sonders ausgeschlossen. Dies beniht aber wohl nur auf Übersehen; um so mehr, als nach § 238 Abs. 2 die Zulässigkeit der Wiedereinsetzung der Amtsprüfung unterliegt, und dabei die dem § 224 Abs. 1 zugrunde liegende Voraussetzung der Parteiver­ fügung entfällt.

aei.i.

8 236. Nachdem durch die gemäß den Kommissionsbeschlüffen erfolgte Änderung der Form für die Einlegung der Rechtsmittel und des Einspruchs (vgl. Bem. zu § 210 a) bewirkt ist, daß diese Prozeßhandlungen nicht mehr durch Zustellung eines Schriftsatzes erfolgen, war auch eine veränderte Fassung des § 236 notwendig.

Antrag,

Die Nr. 1 betrifft die Begründung der Restitution (§§ 233—235), was zur Folge hat, daß eine nachträgliche Änderung über die Schranke des ’§ 268 Nr. 1

ms. i.

I.

214

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 237, 238.

Prozeßgericht einzureichen, wenn die Abnahme des Eides durch einen be­ auftragten oder ersuchten Richter erfolgen sollte. Lm Falle des § 235 Abs. 1 kann die Wiedereinsetzung auch in dem für die mündliche Verhandlung bestimmten Termine ohne vorgängige Zustellung eines Schriftsatzes beantragt werden, wenn die Zustellung der Ladung ;u dem Termin innerhalb der einmonatigen Frist nach Ablauf der versäumten Notfrist erfolgt ist. § 237. (215.) Über den Antrag auf Wiedereinsetzung entscheidet das Ge­ richt, welchem die Entscheidung über die nachgeholte Prozesshandlung zusteht. § 238. (216.) Das Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist mit dem Verfalzren über die nachgeholte prozesthandlung zu verbinden. Das Gericht kann jedoch das Verfahren zunächst auf die Verhandlung und Ent­ scheidung über den Antrag beschränken. Auf die Entscheidung über die Zulässtglieit Les Antrags und auf die An­ fechtung der Entscheidung finden die Vorschriften Anwendung, welche in diesen hinaus unstatthaft ist (vgl. RG. 16 S. 369, 31 S. 400). — Die Nr. 2 setzt zu­ nächst nur die Angabe der Bcscheinigungsmittel voraus, während deren Vorlegung bis zur mündlichen Verhandlung, im Falle der sofortigen Beschwerde bis zur Anord­ nung der Vorlegung (§ 573) ausgesetzt bleiben kann. Für die Bescheinigung der Übergabezeit im Falle des § 235 bietet der § 169 Abs. 2 eine Handhabe. — In Nr. 3 wird die Nachholung der versäumten Prozeßhandlung erfordert. Als solche kommen nach der Note zu § 223 Abs. 3 der Einspruch, die Nechtsmittel, die Wieder­ aufnahmeklage, die Anfechtungsklage gegen ein Ausschluhurteil oder einen Schieds­ spruch, und (laut Nov. v. 98) die Beseitigung einer Eidessäumnis gemäß § 466 in Be­ tracht. Ist die Nachholung bereits anderweit erfolgt, so genügt die Bezugnahme darauf. Abs. 3.

II. Im Falle des § 235 Abs. 1 kann der Antrag im Verhandlungstermine sogar mündlich, ohne vorgängige Zustellung eines Schriftsatzes erfolgen. Diese Ver­ günstigung wird besonders dann bedeutsam, wenn die säumige Partei zu spät, viel­ leicht erst durch die Verhandlung selbst, von der Versäumung Kenntnis erlangt. Vor­ aussetzung ist aber, daß wenigstens die Terminsladung innerhalb der Frist des § 235 Abs. 2 dem Gegner zugestellt ist, mag der Termin selbst auch nach Ablauf der Frist stattfinden. Im letzteren Falle würde übrigens der Erlassung eines Versäumnisurteils gegen den ausgebliebenen Gegner der § 335 Nr. 2, 3 entgegenstehen.

Verfahren.

§§ 237, 238. Das Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag ist nach §§ 237, 238 als präjudizierliche Vorfrage für die Zulässigkeit der nachgeholten Prozeßhandlung selbst (§ 236 Nr. 3) gedacht. Dies tritt in folgenden Vorschriften hervor:

z 237.

I Nach § 237 kommt dem Gericht, welches für das Verfahren über die nach­ geholte Prozeßhandlung zuständig ist, auch die Zuständigkeit für das Verfahren über den Wiedereinsetzungsantrag zu.

§ 238 an. i.

II. Nach § 238 Abs. 1 soll das Verfahren über den Antrag mit dem über die nachgeholte Prozeßhandlung verbunden werden. Dies hat zur Folge, daß die mündliche Verhandlung, deren es in allen Fällen außer dem der sofortigen Beschwerde (§ 236 Abs. 2) bedarf, über beide Punkte vereinigt wird. Doch läßt das Gesetz unter Umständen, d. h. wenn der Antrag augenscheinlich unstatthaft erscheint (vgl. Begr. 173), dessen Boraberledigung zu.

Fünfter Titel.

Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens § 239.

215

Verletzungen für die nachgeholte proretztzandlung gelten. Der Partei, welche den Antrag gestellt tzat, steht jedoch der Einspruch nicht ;u.

Die Losten der Wiedereinsetzung fallen dem Antragsteller ptr Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden find.

Wird die Wiedereinsetzung gegen die im § 466 bezeichnete Notfrist beantragt, so ist der Termin zur mündlichen Verhandlung über die Zu­ lässigkeit der Wiedereinsetzung vor dem Prozeßgerichte von Amts wegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen. Sollte die Abnahme des Eides vor dem Prozeßgericht erfolgen, so ist der Termin zugleich zur nachträglichen Abnahme des Eides und weiteren mündlichen Verhandlung zu bestimmen. Fünfter Titel.

Nnterörechimg und Aussetzung des Werfahreus. § *239. (217.) Im Falle des Todes einer Partei tritt eine Unterbrechung des Verfahrens bis;n dessen Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Wird Lie Aufnahme verrögert, so können die Rechtsnachfolger ;ur Auf­ nahme und zugleich ;ur Verhandlung der Hauptsache geladen werden. III. Nach Abs. 2 sollen auch für die Entscheidung über die Zulässigkeit be§ § 23s $ibf.2. Antrags und für die Anfechtung dieser Entscheidung die gleichen Vorschriften maß­ gebend sein, die insoweit für die nachgeholte Prozcßhandlung gelten. Hieraus ergibt sich folgendes: a) Nach § 237 unterliegt die Vorfrage der Zulässigkeit des Antrages der Amtsprüfuug des Gerichts. Handelt es sich nm Beschwerde gegen ein Oberlandes­ gericht, so wird nach § 574 Abs. 2 zunächst von diesem die Zulässigkeit der Wiederrinsetznng zu prüfen sein, insofern hiervon die Zulässigkeit der Beschwerde abhängt. b) Ist das Verfahren über Antrag und nachgeholte Prozeßhandlung ver­ bunden, so kann unter Umständen ersterer dahingestellt und gleich über letztere er­ kannt werden. Findet Borabverhandlung über den Antrag statt, so ist auf Zulassung oder Verwerfung desselben zu erkennen. Im Falle der Zulassung liegt nur ein für sich unanfechtbares Zwischenurteil gemäß § 303 vor (vgl. RG. 12 S. 373 und IW. 89 S. 525). Das die Wiedereinsetzung verwerfende Urteil bildet in jedem Fall ein anfechtbares Endurteil. Versäumt bei verbundenem Verfahren der Gegner die mündliche Verhand­ lung und erscheint der Antrag zulässig und begründet, so kann gegen den Gegner gleich zur Hauptsache Versäumnisurteil ergehen, das dem Einsprüche unterliegt. Ver­ säumt der Antragsteller die Verhandlung, so ist auf Antrag des Gegners sein Antrag durch Versäumnisurteil abzuweisen, und hiergegen steht ihm nach Abs. 2 nicht "der Einspruch, mithin nur die Berufung oder Revision zu (vgl. RG. 32 S. 400). c) Die Kosten der Wiedereinsetzung unterliegen nach Abs. 3 der Sepa- Avs.r. ration gemäß §§ 95—98, 344. Im Falle des § 235 kann die Anwendung des § 102 •gegen den säumigen Zustellungsbeamten in Frage kommen. Für die Hemmung oder Beseitigung der Zwangsvollstreckung aus einer burch Versäumung einer Prozeßhandlung vollstreckbar gewordenen oder gebliebenen -Entscheidung gewährt der § 707 einen Rechtsbehelf. Abs. 4 ist durch die Rov. v. 09 hinzugefügt, um ausreichend vollständige Vor- Ab>.«. schriften für den Fall der Versäumung eines Eidesleistungstermins zu schaffen (vgl. KommiffBer. 49 und Bem. zu § 210 a).

I. Buch.

216

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 239.

Der die Ladung enthaltende Schriftsatz ist den Rechtsnachfolgern selbst ptprstellen. Die Ladungsfrist wird von dem Vorsthenden bestimmt. Erscheinen die Rechtsnachfolger in dem Termine nicht, so ist auf Antrag die behauptete Rechtsnachfolge als ;ngestanden anpmehmen und pir Hauptsache px verhandeln. Der Erbe ist vor der Annahme der Erbschaft ;ur Fortsetzung des Rechts­ streits nicht verpstichtet.

5. Titel. Bornote.

Unterbrechung und Aussetzung -es Verfahrens.

Das zivilprozessuale Verfahren zielt im ganzen darauf ab, den ununterbrochenen Fortgang des anhängigen Rechtsstreits sicher zu stellen. Der Titel V trägt indes gewissen Umständen Rechnung, die einen Stillstand des Verfahrens geboten oder sachgemäß erscheinen lassen.

1 . Zunächst ist den Parteien, in Anerkennung ihres Verfügungsrechts über den Prozeß, eine bezügliche Vereinbarung zugestanden. Das Gesetz spricht dann vom Ruhen des Verfahrens (§ 251).

2 Abgesehen vom Parteiwillen ist mit gewissenTatsachen, die naturgemäst einer oder beiden Parteien die Wahrnehmung ihrer Rechte im laufenden Ver­ fahren unmöglich machen oder erschweren, ein Stillstand desselben verknüpft. Diese Folge tritt kraft Gesetzes unter den in den §§ 239—245 bezeichneten Um­ ständen ein (Unterbrechung); sie kann vom Richter in den Fällen der §§ 246, 247 angeordnet werden (Aussetzung). In den Fällen der Unterbrechung wird eine Fortsetzung des Verfahrens zunächst unmöglich, weil ein dafür notwendiger Faktor, nämlich die Prozeßparteien oder das Prozeßgericht, nicht vorhanden ist. Die Fälle der Aussetzung können unter Um­ ständen eine Erschwerung des Verfahrens int Partei- oder Gerichtsbetriebe herbeiführen. Letztere Fälle sind übrigens in Titel V keineswegs erschöpft; sie kommen auch außerhalb desselben, teils auf Parteiantrag, teils von Amts wegen vor, so z. B. nach §§ 65 (Hauptintervention), 148, 149 (präjudizierliches Prozeß- oder Verwaltungs­ verfahren), 620 (Möglichkeit der Aussöhnung unter Eheleuten), 953 (Aufgebotsver­ fahren), dazu nach § 15 Nr. 1 EG. (Verfahren bei Kompetenzkonflikten, vgl. Preuß. V. v. 1. 8. 79 § 7).

§ 239

Unterdurchs Tod.

Frank-Busch 13 S. 184, 203; Sperl, Succession in den Prozeß (1895).

Abs. 1. Unter. brechung.

Nach Abs. 1 tritt beim Tode einer Partei eine Unterbrechung des Verfahrens bis zu besten Aufnahme durch die Rechtsnachfolger ein. Der Grund liegt in der Ungewißheit, wer an Stelle der verstorbenen Partei treten wird.

1. Zunächst muß ein Verfahren anhängig, mithin eine Klageerhebung odereine gleichstehende Prozeßhandlung (z. B. nach § 689) erfolgt (vgl. RG. Gruchot 39 S. 1138 und IW. 95 S. 324 (Tod vor dem Prozeffef), diese aber noch nicht durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossen sein (vgl. Abs. 2 und §§ 727, 779, RG. 13. S. 317).

2.

Sodann wird der Tod einer Partei erfordert. a) Unter Parteien dürsten systemgemäß nicht bloß die eigentlichen Haupt-Parteien, sondern auch dritte Beteiligte, die auf den Gang des Verfahrens einzuwirken vermögen (§§ 64—77), zu verstehen sein. Bestritten ist dies hinsichts des Neben­ intervenienten im Falle des § 67, weil dieser nicht Subjekt des ProzeffeS sei (vgl.

Fünfter Titel.

Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens § 239.

217

Gaupp-Stein, Frank a. a. O. S. 206); allein ihm kommt kraft eigenen Jnteresiesein Recht zur Unterstützung einer Hauptpartei zu. — Besteht eine Partei aus Streit­ genossen und stirbt einer von diesen, so tritt die Unterbrechung nach der Regel des § 61 lediglich in bezug auf den gestorbenen, im Falle des § 62 auch in bezug auf die übrigen Streitgenossen ein (a. M. Frank a. a. O. S. 205). Der Fall des Todes des gesetzlichen Vertreters oder des Prozeßbevollmächtigten ist in §§ 241, 244 vorgesehen. b) Von dem Tode einer Partei kann eigentlich nur bei physischen Personen die Rede sein, sei es, daß sie wirklich sterben oder für tot erklärt werden (BGB. § 18). Der Rechtsgedanke des § 239 dürfte jedoch der entsprechenden Anwendung auf Fälle fähig sein, wo eine nicht physische Person im Sinne des § 17 als solche auf­ hört, aber immerhin eine Rechtsnachfolge zuläßt. Es können hier z. B. die Fälle der 88 94, 102 GewO., der §§ 47, 68 KrankBersichG. v. 15. 6. 83, des § 101 JnvalidenversichG. v. 19. 7. 99, der §§ 189 ff. II, 6 PrALR., BGB. §§ 43—45, 74, 87, 88 in Betracht kommen. Inwieweit auch der Fall der Auflösung handels­ rechtlicher Gesellschaften heranzuziehen, hängt von der materiellrechtlichen Frage ab, ob in solchem Fall ein wirkliches Aufhören der Gesellschaft mit Rechtsnachfolge oder nur ein Wechsel in der gesetzlichen Vertretung derselben eintritt (vgl. Wach I § 46 Note 30, Kohler, Prozeß als Rechtsverhältnis S. 90, Frank a. a. O. S. 214, die Kommentare, RG. 35 S. 389, 46 S. 41, 56 S. 331, Bolze 9 Nr. 470, IW. 84 S. 171, 94 S. 544). 3. Die Unterbrechung beginnt kraft Gesetzes mit dem Tode der Partei, ohne Rücksicht darauf, wann dieser dem Gegner und dem Gericht bekannt wird, und dauert bis zur Aufnahme des Verfahrens durch die Rechtsnachfolger der gestorbenen Partei (vgl. Note II). Dabei versteht sich eine Rechtsnachfolge nach der allgemeinen Faffung des Gesetzes (vgl. §§ 265, 727, 750, 796, 929) im weitesten Sinne des bürgerlichen Rechts. Somit bezieht sie sich auf Universal- wie auf Singularsuccessionen, immer vorausgesetzt, daß sie von Todes wegen erfolgt, so daß auch Vermächtnisse, Lehns- und Fideikommißfolgen hierher gehören (vgl. RG. 26 S. 141, 31 S. 334, 34 S. 430, 45 S. 362; a. M. Schollmeyer, Zwischenstreit S. 105, Kohler Busch 12 S. 123, Frank dort 13 S. 219), nicht aber Zessionen (vgl. BayObLG. SeusfA. 44 Nr. 220) und sonstige Rechtserwerbstitel unter Lebenden. Rechtsnachfolger ist auch nicht der­ jenige, zu dessen Gunsten die Prozeßpartei eine Versichenrng genommen hatte (RG. 54 S. 94).

Abs. 2-5.

Aufnahme

Die Aufnahme des Verfahrens kann durch den, der sich für den Rechtsnach­ folger hält, freiwillig erfolgen, aber auch vom Gegner gegen den, den dieser für den Rechtsnachfolger hält, zwangsweise erwirkt werden (Abs. 2, 3).

I a) Die freiwillige Aufnahme geschieht nach § 250 durch Zustellung greiwMir. eines bezüglichen Schriftsatzes an den Gegner, wobei zugleich zur Verhandlung der Hauptsache geladen werden darf (Abs. 2). Mit dieser Zustellung endigt die Unter­ brechung, sofern die behauptete Rechtsnachfolge vom Gegner anerkannt oder im Be­ streitungsfalle durch Rechtsspruch fcstgestellt ist. b) Wird die Rechtsnachfolge bestritten, so ist über dieselbe als Element der Hauptsache unter den Beteiligten auf Grund mündlicher Verhandlung zu ent­ scheiden. Das Gericht kann dies getrennt oder in Verbindung mit der Hauptsache, sofern zu dieser mitgeladen ist, bewirken. Wird die Rechtsnachfolge und Aufnahme für begründet angenommen, so kann dies zunächst durch ein für sich unanfechtbares Zwischenurteil (vgl. RG. 11 S. 317, 34 S. 383 und IW. 91 S. 7), bei ver­ bundenem Verfahren aber sogleich in der Hauptentscheidung ausgesprochen werden.

218

* weise,

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 239.

Wird die Rechtsnachfolge und Aufnahme für unbegründet erachtet, so fragt sich, in welcher Form dies auszusprechen ist (vgl. Frank a. a. O. S. 237). Das Gesetz enthält keine besondere Vorschrift hierüber; aber nach der Natur des Streites wird die Entscheidung dahin ergehen müssen, daß das Verfahren nicht ausgenommen sei. Es handelt sich dabei um einen nicht nur für den Fortgang des Verfahrens, sondern auch für die Sachbefugnis zur Hauptsache präjudizierlichen Streitpunkt zwischen einer Partei und einem falschen Rechtsnachfolger, somit um einen Zwischenstreit materiell­ rechtlicher Natur, ähnlich wie beim Streit über die Zulassung des Nebenintervenienten (§ 71). Folglich ist die Entscheidung als ein der Anfechtung unterliegendes Zwischenurteil zu erlassen, in welchem zugleich über den Kostenpunkt gemäß 8 91 er­ kannt werden muß (vgl. NG. 34 S. 430, 45 S. 362, 406, Planck I § 84, Scholl­ meyer, Zwischenstreit S. 109, Kohler Busch 12 S. 127, Frank a. a. O. S. 243, die Kommentare). c) Entsprechend gestaltet sich das Verfahren, wenn einer der Streitenden die Verhandlung versäumt. Ist der Aufnehmende säumig, so kann der Gegner, falls er die Rechtsnachfolge anerkennt, sogleich zur Hauptsache Versäumnisurteil er­ wirken, während andernfalls die Aufnahme durch Endurteil zu verwerfen ist. Ist der Gegner säumig, so darf nach dem durch die Nov. v. 98 geänderten Abs. 4 auf An­ trag die behauptete Rechtsnachfolge für zugestanden erachtet und zur Hauptsache ver­ handelt werden. H. Für die zwangsweise Aufnahme ist ein eigenartiges Zwischenverfahren vorgesehen. a) Dasselbe setzt voraus (Abs. 2), daß die angeblichen Rechtsnachfolger die Auf­ nahme verzögern. Eine Verzögerung ist nur denkbar, wo die Rechtsnachfolger tatsächlich und rechtlich in der Lage gewesen sind, die Aufnahme zu bewirken (vgl. NG. IW. 95 S. 164, Gruchot 39 S. 1136). Für die rechtliche Lage ist das bürger­ liche Recht maßgebend; indes hat die Nov. v. 98 im Hinblick auf § 1958 BGB. in Abs. 5 besonders bestimmt, daß ein Erbe vor Annahme der Erbschaft zur Fort­ setzung des Rechtsstreits nicht verpflichtet ist. In jedem Falle muß der Verzug ein erheblicher sein. b) Alsdann hat der Gegner die angeblichen Rechtsnachfolger durch Zustellung eines Schriftsatzes zur Aufnahme und zur Verhandlung der Hauptsache zu laden. Für die Ladung zur Verhandlung der Hauptsache wird nur dann nicht Raum sein, wenn die Unterbrechung nach Verkündung oder Zustellung eines Jnstanzurteils ein­ getreten ist, da es sich dann zunächst nur um die Möglichkeit, das Urteil zuzustellen, die Fristen für Einspruch oder Rechtsmittel in Lauf zu setzen und diese Rechtsbehelfe weiter zu betreiben, handeln kann (vgl. RG. 13 S. 317 und IW. 91 S. 7). Wenn der Todesfall nach Zustellung des Urteils eintritt, so kann die durch das Urteil nicht beschwerte Partei den Rechtsnachfolger des Gegners, vertreten durch den vom Rechtsvorgänger bestellten Anwalt, vor das Gericht laden, welches das Urteil erlassen hat, und zwar lediglich zur Aufnahme (so RGPl. 68 S. 256, auch in IW. 08 S. 248, in Abweichung von RG. 58 S. 202 und übereinstimmend mit Gaupp-Stein, Planck I S. 526, 531, Seuffert, W. Müller Busch 31 S. 235. Vgl. Bem. zu § 248 und für die Revisionsinstanz zu § 553). Die Ladungsfrist ist hier (Abs. 3) regelwidrig (§ 217) nicht gesetzlich bestimmt, sondern dem sachlichen Ermessen des Vorsitzenden (Amtsrichters) überlassen. Auch soll die Zustellung der Ladung an die Rechtsnachfolger selbst (bzw. an deren gesetzliche Vertreter) erfolgen, ohne daß damit eine Ersatzzustellung ausgeschlossen würde. c) Verhandeln im Termine beide Teile, so kommt es darauf an, ob die Geladenen die Rechtsnachfolge anerkennen oder nicht. Im ersten Fall ist die Unter­ brechung beendet, und es kann sofort zur Hauptsache verhandelt werden. Im zweiten Fall ist kontradiktorische Verhandlung und Entscheidung geboten (vgl. oben), wobei

Fünfter Titel.

Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens § 240.

219

§ 240. (218.) Zrn Falle Ler Eröffnung des Konkurses über das Vermögen einer Partei wird das öirfaljren, wenn es die Konkursmasse betrifft, unter­ brochen, bis dasselbe nach den für den Konkurs geltenden Bestimmungen aus­ genommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird. nicht bloß die Rechtsnachfolge, sondern auch die Verzögerung der Aufnahme Gegen­ stand des Streites und des Beweises werden kann. Ist der Ladende säumig, so können die Geladenen, falls sie die Rechtsnach­ folge anerkennen und die Aufnahme erklären, gegen ihn sofort zur Hauptsache Ver­ säumnisurteil erwirken, immer eine bezügliche Ladung vorausgesetzt; andernfalls ist die Verwerfung der Aufnahme durch Versäumis-Endurteil auszusprechen. Sind die Geladenen säumig, so soll nach Abs. 4 auf Antrag des Ladenden die behauptete Rechtsnachfolge für zugestanden erachtet und, ohne daß durch Versäumnisurteil erst noch das Verfahren für ausgenommen zu erklären ist, sogleich zur Hauptsache ver­ handelt werden.

§ 240 Voigt, der Einfluß des Konkurses auf die schwebenden Prozesse (1903).

Unter­ brechung durch Konkurs.

I. Der § 240 läßt im Falle der Konkurseröffnung über das Vermögen einer Partei eine Unterbrechung des Prozeßverfahrens ein treten, wenn dieses die Konkursmasse betrifft. Für die Konkurseröffnung sind die §§ 102 ff., für den Sonderfall des Nachlaß­ konkurses die §§ 214 sf. KO. maßgebend (vgl. NG. 34 S. 363). Der Zeitpunkt der Konkurseröffnung bestimmt sich nach § 108 a. a. O. Mit letzterem Zeitpunkte tritt tröst Gesetzes die Unterbrechung von Prozessen ein, die für oder gegen den Gemein­ schuldner bezüglich des zur Konkursmasse gehörigen Vermögens anhängig sind (vgl. RG. 45 S. 323). Dieses Vermögen besteht nach § 1 KO. in dem gesamten zur Zeit der Konkurseröffnung vorhandenen und der Zwangsvollstreckung unterliegenden Vermögen des Gemeinschuldners. Voraussetzung ist ein inländischer Konkurs, da ein im Auslande eröffneter Konkurs nach § 237 KO. im Jnlande die Zwangsvoll­ streckung nicht hindert (vgl. RG. 6 S. 403, 14 S. 405, 412, 16 S. 338). Außer Unterbrechung bleiben Prozesse, die nicht die Konkursmasse und andere als Vermögens­ rechte, wie z. B. Status- und Ehesachen, berühren (vgl. RG. 25 S. 17). Der Grund des Gesetzes liegt darin, daß gemäß § 6 KO. der Gemeinschuldner mit der Konkurseröffnung das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über die Konkurs­ masse verliert und dieses Recht fortan auf den Konkursverwalter übergeht, damit aber eine zunächst unübersehbare Veränderung in der Rechtslage der die Konkursmasse betreffenden Prozesse herbeigeführt wird. Hierin erblickt das Gesetz einen zwingenden Anlaß zum Stillstände solcher Prozesse, selbst für den Fall, daß der Gemeinschuldner durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten war (vgl. § 246, RG. 34 S. 363, 51 S. 94).

II. Die Unterbrechung dauert bis zur Aufnahme des Verfahrens gemäß Aufnahme den Vorschriften der KO. oder bis zur Aufhebung des Konkurses. bcr $tcäcfi€ 1. Prozesse, die für den Gemeinschuldner über die Aktivmasse des Konkurses an­ hängig sind (vgl. RG. US. 398), können nach § 10 KO. vom Konkursverwalter unter entsprechender Anwendung des § 239 ZPO., eventuell vom Gemeinschuldner oder vom Gegner ausgenommen werden; und dies gilt nach § 13 G. v. 21. 7. 79 auch für Anfechtungsansprüche. Die Entscheidung darüber, ob ein Rechtsstreit für den Gemeinschuldner anhängig ist, betrifft einen Zwischenstreit der Parteien (§ 303; RG. 54 S. 120). In Prozessen, die gegen den Gemeinschuldner wegen Aussonderung, ^abgesonderter Befriedigung oder Masseschulden anhängig sind, ist die Aufnahme nach

220

I- Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 241, 242.

§ 241. (219.) Verliert eine Partei die Prozeßfähigkeit oder stirbt der ge­ setzliche Vertreter einer Partei oder hört die Vertretungsbefugnis desselben auf, ohne daß die Partei prozeßfähig geworden ist, so wird das Verfahren unter­ brochen, bis der gesetzliche Vertreter oder der neue gesetzliche Vertreter von seiner Gestellung dem Gegner Anzeige macht, oder bis der Gegner seine Absicht, das Verfahren fortzusetzen, dem Vertreter anzeigt. Diese Vorschrift findet entsprechende Anwendung, wenn eine Nachlaßver­ waltung angeordnet wird. § 242. Tritt während des Rechtsstreits zwischen einem Vorerben und einem Dritten über einen -er Nacherbfolge unterliegenden Gegenstand der Fall der Nacherbfolge rin, so finden, sofern der Vorerbe befugt war, ohne Zu­ stimmung Les Nacherben über den Gegenstand zu verfügen, hinsichtlich der Nnter§ 11 KO. jederzeit seitens des Konkursverwalters wie des Gegners statthaft. Bei Prozesten, die gegen den Gemeinschuldner wegen Befriedigung aus der Konkursmasse anhängig sind, muß nach §§ 12, 146 KO. der Gläubiger zunächst den Anspruch zum Konkurse anmelden und das Ergebnis des Prüfungstermins abwarten; erst, wenn in diesem der Anspruch bestritten ist, kann er oder können die Bestreitenden, sei es der Konkursverwalter, der Gemeinschuldner oder andere Gläubiger, den Prozeß wieder aufnehmen (vgl. RG. 11 S. 399, 16 S. 358, 34 S. 409, Gruchot 36 S. 471). 2 Über die Aufhebung (Einstellung) des Konkurses treffen die §§ 163, 190, 202ff. KO- Bestimmung. Mit der Aushebung geht naturgemäß die Unter­ brechung des Prozesses von selbst zu Ende, und jede Partei kann dann zur Fortsetzung, desselben laden (vgl. § 164 KO., RG. 27 S. 113, 28 S. 68, 31 S. 40). Dagegen führt die Aufhebung nicht etwa eine Unterbrechung der die Konkursmasse betreffenden Prozesse herbei (vgl. RG. 47 S. 372).

oet Prozeh» sähigkettoder I Der Abs. 1 sieht eine Unterbrechung des anhängigen Verfahrens (vgl, treters ufro.’ RG. IW. 95 S. 324) für solche Fälle vor, wo eine Partei (infolge Entmündigung) Ms. i.

die Prozeßfähigkeit einbüßt, oder wo eine prozeßunfähige Partei den gesetz­ lichen Vertreter (durch Tod, Entlassung oder sonstwie) verliert (vgl. RG. 33 S. 92, 413). Die Unterbrechung dauert fort, bis der für die prozeßunfähige Partei zu be­ stellende oder neu zu bestellende gesetzliche Vertreter dem Gegner seine Bestellung an­ zeigt oder der letztere seine Absicht, den Prozeß fortzusetzen, dem ersteren kundgibt (§ 250). Wird die Bestellung oder Neubestellung eines gesetzlichen Vertreters ver­ zögert, so versagt das Gesetz dem Gegner ein direktes Mittel, solche herbeizusühren, namentlich auf dem Wege des § 57 (vgl. Begr. 177).

Abi.2.

II. Nach Abs. 2 soll Entsprechendes gelten, wenn eine Nachlaßver­ waltung an geordnet ist. In diesem Falle handelt es sich nach § 1975 BGB. um Befriedigung der Nachlaßgläubiger. Der Erbe verliert die Prozeßfähigkeit an sich nicht, sondern gemäß § 53 ZPO. nur insoweit, als der Nachlaßverwalter tat­ sächlich Prozesse bezüglich des Nachlasses führt Bei solcher Rechtslage erachtet die Nov. v. 98 (vgl. Mot. zu § 219) es dem Interesse der Nachlaßgläubiger entsprechend, der etwaigen Fortführung eines beim Tode des Erblassers anhängigen Prozeffes seitens des Erben durch Eintritt einer Unterbrechung im Sinne des Abs. 1 vorzubeugeu. , Die Unterbrechung dauert hier fort, bis der Nachlaßverwalter dem Gegner oder dieser jenem die Absicht, den Prozeß fortzusetzen, anzeigt (§ 250).

Fünfter Titel.

Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens §§ 243, 244.

221

drechung und der Aufnahme des Verfahrens die Vorschriften des § 239 ent­ sprechende Anwendung. § 243. (220.) Wird im Falle der Unterbrechung des Verfahrens durch Len Tod einer Partei ein Vachlaßpfleger bestellt oder ist ein ;ur Führung -es Rechtsstreits berechtigter Testamentsvollstrecker vorhanden, so kommen die Vor­ schriften des § 241 und, wenn über den Rachlast der Konkurs eröffnet wird, Lie Vorschriften des § 240 in Betreff der Aufnahme des Verfahrens ptr An­ wendung. § 244. (221.) Stirbt in Anwaltsprozeffen der Anwalt einer Partei oder wir- derselbe unfähig, die Vertretung der Partei forftuführen, so tritt eine 8 242. Ctrohal Erbrecht § 12 zu V; Endemann BR. III §§ 38ff.

Fall der Nacberdsoize.

Der 98 neu eingefügte § 242 hat den Fall im Auge, daß bei einer vom Erblasser angeordncten Bor- und Nacherbfolge (§ 2100 BGB.) der Vorerbe mit einem Dritten über einen der Nacherbfolge unterfallenden Aktivgcgenstand des Nachlasses, über den er ohne Zustimmung des Nacherben verfügen konnte (§§ 2112 ff., 2136) einen Prozeß führt, während dieses Prozesses aber der Fall der Nacherbfolge eintritt (§ 2139). In einem solchen Prozeffe würde das Urteil, falls es vor Eintritt der Nacherbfolge rechtskräftig erginge, nach § 326 für und wider den Nacherbcn mitwirksam werden. In den« hier zugrunde liegenden Falle verliert mit Eintritt der Nacherbfolge der Vorerbe die Aktivlegitimation (§ 2139 BGB); es muß naturgemäß dem Nacherben daraus ankommen, in den noch nicht beendigten Prozeß einzutreten. Dies würde ihm im Wege des § 239 nicht ohne weiteres möglich sein, weil er im Sinne des § 2100 nicht als Erbe des Vorcrben, sondern als Erbe des Erblassers gilt. Deshalb er­ achtet die Nov. v. 98 es als im Interesse aller Beteiligten liegend, im Rahmen des § 326 Abs. 2 den Nacherbcn als Rechtsnachfolger des Borerben zu be­ handeln. Bon diesem Gesichtspunkt aus hat sie in § 242 bestimmt, daß in betreff der Unterbrechung wie der Aufnahme des Prozesses der § 239 ent­ sprechende Anwendung finden soll. Bei letzterer kommt namentlich für § 239 Abs. 2—5 in Betracht, daß an Stelle des Rechtsnachfolgers eben der Nacherbe tritt, und dieser gemäß § 2142 BGB. die Erbschaft ausschlagen darf. § 243

Aufnahme bei Nach!.-

Der § 243 regelt für den Fall, daß ein Verfahren durch den Tod einer Partei AfE unterbrochen (§§ 239, 242), dem Nachlaß aber gemäß §§ 1960ff. ein Nachlaß- v-llftre-ker.' Pfleger (früher hieß es Kurator) bestellt oder ein zur Prozeßführung berechtigter Testamentsvollstrecker (§§ 2212, 2213) gegeben ist, die Aufnahme des Ver­ fahrens abweichend von § 239, indem auf dieselbe der § 241 und, sofern Konkurs über den Nachlaß eröffnet wird, der § 240 entsprechende Anwendung finden soll (vgl. NG. 4 S. 437, 16 S. 340, Böhm Recht 00 S. 269).

§ 244. Abs. 1.

»er ein”aIti'

Wegfall

Der Wegfall des Anwalts einer Partei rechtfertigt die Unterbrechung des unter« Verfahrens zwar im Parteiprozeffe nicht, da die Partei jederzeit in der Lage ist, bce4unasich selbst zu vertreten, wohl aber im Anwaltsprozesse, weil die Partei hier zunächst unverteidigt dasteht und zu weiterem prozessualen Handeln der Bestellung

222

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren § 244.

Unterbrechung des Verfahrens ein, bis der bestellte neue Anwalt von seiner Gestellung dem Gegner Anzeige macht. Wird diese Anzeige verzögert, so kann die Partei selbst zur Verhandlung der Hauptsache geladen, oder zur Gestellung eines neuen Anwalts binnen einer von dem Vorsitzenden zu bestimmenden Frist ausgefordert werden. Wird dieser Aufforderung nicht Folge geleistet, so ist das Verfahren als aufgenommen anznsehen. Gis zur nachträglichen Anzeige der Gestellung eines neuen Anwalts können alle Zustellungen an die zur Anzeige verpflichtete Partei, sofern diese weder am Orte des prozetzgerichts noch innerhalb des Amtsgerichtsbezirks wohnt, in welchem das Prozeßgericht seinen Zitz hat, durch Aufgabe zur poft (§ 175) erfolgen. eines anderweiten Anwalts bedarf. brechung eintreten.

Deshalb läßt der § 244 dann eine Unter­

1. Als Anwalt kommt nur der Prozeßbevollmächtigte der gerade anhängigen Instanz in Betracht. Die Instanz wird nach §§ 176—178 erst durch die Zustellung des Endurteils beendet, und deshalb unterbricht der Wegfall des Anwalts zwischen Verkündung und Zustellung des Urteils noch die bezügliche Instanz, und die Parteien sind, um die Urteilszustellung wirksam herbeiführen zu können, auf den Weg des § 244 angewiesen. Ähnlich stellt sich die Sache, wenn im Laufe der Einspruchsfrist der Jnstanzanwalt einer Partei wegfällt. 2. Der Wegfall kann durch Tod oder Vertretungsunfähigkeit des Anwalts veranlaßt werden. Als Unfähigkeit kommt nicht schon körperliche oder geistige Er­ krankung oder sonstige Behinderung in Betracht, da in solchen Fällen der Anwalt noch durch Stellvertreter zu fungieren vermag (RAO. § 25); vielmehr nur der Ver­ lust der Befähigung zum Anwaltsberuf infolge Strafurteils oder ehrengerichtlicher Ausschließung, oder die Aufgabe oder Zurücknahme der Zulassung beim Prozeßgericht (§§ 21—24, 634—65 RAO., § 31 StGB.), wobei die Unfähigkeit von der Rechts­ kraft des Urteils, bzw. von der Erlassung des Zurücknahmebescheides oder von der Löschung der Zulassung ab gerechnet wird (vgl. Begr. zur ZPO. S. 178, Begr. zur MO. S. 49, RG 19 S. 399). Eine Kündigung seitens der Partei oder des An­ walts gibt keinen Unterbrechungsgrund ab, da für diesen Fall in § 87 Fürsorge ge­ troffen ist. Beim Vorhandensein mehrerer Anwälte für eine Partei (§ 84) ist der Wegfall aller erforderlich. Ob der Gegner oder das Gericht von dem Wegfalle des Anwalts Kenntnis hat, ist für die Unterbrechung ohne Belang (vgl. RG. 19 S. 401).

Abs. 2. Beendigung.

Die Unterbrechung dauert fort, bis der von der Partei anderweit bestellte Anwalt dem Gegner von seiner Bestellung mittels zuzustellenden Schriftsatzes (§ 227), der übrigens zugleich einer anderen Prozeßhandlung dienen kann (vgl. RG 13 S. 317, 14 S. 334), Anzeige macht. Für den Fall, daß diese Anzeige verzögert wird, worüber die konkrete Sach­ lage entscheidet, gewährt Abs. 2 dem Gegner zur zwangsweisen Herbeiführung der Aufnahme, abweichend von § 239, einen doppelten Weg. Er kann nämlich, wenn eine Ladung zunächst nicht erforderlich ist, die Partei, deren Anwalt weggesallen ist, vorerst nur zur Bestellung eines anderen Anwalts durch Zustellung eines Schrift­ satzes, auf dem der Vorsitzende (§ 216) eine Frist festgesetzt hat, auffordern; hingegen rann er, wenn eine Ladung erforderlich ist, die andere Partei sogleich zur Verhand­ lung der Hauptsache laden. Im ersteren Falle gilt das Verfahren mit Ablauf der Frist, im letzteren Falle mit Eröffnung des Termins als ausgenommen, wobei, sofern

Fünfter Titel.

Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens §§ 245, 246.

223

§ 245. (222.) Hört infolge eines Krieges oder eines anderen Ereignisses die Tätigkeit des Gerichts auf, so wird für die Dauer dieses Zustandes das Verfahren unterbrochen. § 246. (223.) Fand in den Fällen des Todes, des Verlustes der Proceßfähigkeit, des Wegfalls des gesetzlichen Vertreters, der Anordnung einer Vachlaßverwaltnng oder des Eintritts der Vacherbfolge (§§ 239, 241, 242) eine Ver­ tretung durch eineu proceßbeoollmachtigten statt, so tritt eine Vnterbrechung des Verfahrens nicht ein; das pro;eßgericht hat jedoch auf Antrag des Devollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Vacherbfolge auch auf Antrag des Gegners die Aussetzung des Verfahrens an;nordnen. Die Dauer der Aussetzung und die Aufnahme des Verfahrens richtet sich nach den Vorschriften der §§ 239, 241—243; in den Fällen des Todes und der Vacherbfolge ist der die Ladung enthaltende Schriftsatz auch dem Devollmächtigten cu;ustellen. die Partei sich nicht gemäß § 78 vertreten läßt, gegen sie sofort das Versäumnisurteil zur Hauptsache erwirkt werden kann. In beiden Fällen sind Zustellungen gegenüber der anderen Partei, falls diese im Anitsgerichtsbezirke des Prozeßgerichts weder ihren Wohnsitz, noch einen Zustellungsbevollmächtigten hat, vom Zeitpunkte der (fingierten) Aufnahme ab, durch Aufgabe zur Post (§ 175) statthaft. Mit nachträglicher Anzeige von der Bestellung eines neuen Antvalts nimmt dieser Zwischcnznstand sein Ende.

8 245.

Unter» brechuug

Eine weitere Unterbrechung des Verfahrens tritt nach § 245 ein, wenn und solange die Tätigkeit des Prozeßgerichts, d. h. der gerade anhängigen Instanz, infolge eines Krieges oder anderer elementaren Ereignisse (Justitium) aufhört. Der Fortgang des Verfahrens wird mit dem Wiederbeginn der Gerichts­ tätigkeit ohne weiteres zulässig. Unter Umständen kann die Feststellung des Anfangs und Endes eines Justitiums, sofern nicht amtliche Bekanntmachungen darüber ergehen, Schwierigkeiten verursachen; und deshalb wird in allen Fällen der Nachweis ge­ nügen, daß das Prozeßgericht seine Tätigkeit nach außen hin im ganzen auf so oder so lange eingestellt habe (vgl. § 247). Unter Umständen ist auch eine Abhilfe gemäß § 36 Nr. 1 denkbar.

§ 246. I. Durch Tod, eintretende Prozeßunfähigkeit des Vollmachtgebers oder durch Wegfall seines gesetzlichen Vertreters erleidet gemäß § 86 die Vollmacht des Prozeß-

bevollmächtigten keine Aufhebung; der letztere ist zur Fortführung des Prozesses be­ rechtigt und verpflichtet. Der Machtgeber oder dessen Rechtsnachfolger wird daher dem Gegner nicht unverteidigt gegenübergestellt. Aus dieser Erwägung läßt § 246 in den Fällen der §§ 239, 241 und 242, sofern die gestorbene, der Prozeßfähigkeit oder des gesetzlichen Vertreters verlustig gewordene Partei durch einen Prozeßbevoll­ mächtigten vertreten war, keine Unterbrechung des Verfahrens eintreten. Bei dem erheblichen Interesse jedoch, welches der Bevollmächtigte, im Falle des § 239 auch der Gegner (vgl. NG. 14 S. 436), an dem Einhalt des Verfahrens haben kann, namentlich um den Rechtsnachfolger oder den neuen gesetzlichen Vertreter zu ermitteln, bzw. zu erwirken und von demselben neue Instruktion oder Vollmacht (§ 86) einzu­ holen, verordnet § 246 weiter, daß auf Antrag des Bevollmächtigten, in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge auch auf Antrag des Gegners (vgl. RG. 36 S. 401)

Aussetzung wegen Todes usu-.

*L

224

I. Buch.

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 247—249.

§ 247. (224.) Befindet sich eine Partei ;u Griegszeiten im Militärdienste oder hält fich eine Partei an einem Orte auf, welcher durch obrigkeitliche An­ ordnung oder durch Grieg oder durch andere Zufälle von dem Verkehre mit dem pro^estgericht abgeschnitten ist, so kann dasselbe auch von Amts wegen die Aussetzung des Verfahrens bis ;ur Beseitigung des Hindernisses anordnen. § 248. (225.) Das Gesuch um Aussetzung des Verfahrens ist bei dem proxetzgericht an;ubringen: es kann vor dem Gerichtsschreiber pi Protokoll er­ klärt werden. Die Entscheidung kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. § 249. (226.) Die Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens hat die Wirkung, -atz der Lauf einer jeden Frist aufhort und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die volle Frist von neuem ?u laufen beginnt. Die während der Unterbrechung oder Aussetzung von einer Partei in An­ das Prozeßgericht die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen hat. Aus der Rechtsprechung vgl. RG. 45 S. 340 (offene Handelsgesellsch. in Liquid.), 46 S. 37!) (Aussetzungsantrag nach begonnener Fortführung des Prozesses), 50 S. 363 (Aus­ setzung als Vorbedingung für Einrede mangelnder Aktivlegitimation). Wegen des Ausdruckes „Prozeßgericht" vgl. Anm. zu § 248.

■ab;. 2.

Ausietzung wegen Krieges usw.

"Llussetzungsverfahren.

II. Die Aussetzung wird wirksam mit der Verkündung oder Zustellung des An­ ordnungsbeschlusses (§ 329), so daß, wenn die Zustellung erst nach Ablauf der für die Anfechtung eines Urteils laufenden Notfrist erfolgt, das Urteil rechtskräftig geworden ist (RG. 62 S. 27). Ihre Dauer und die Aufnahme des Verfahrens bestimmt sich nach §§ 239, 241—243. Dabei ist in Hinblick auf § 86 noch vorgeschrieben, daß in den Fällen des Todes und der Nacherbfolge der Ladungsschriftsatz nicht bloß den Rechtsnachfolgern, sondern auch dem bisherigen Prozeßbevollmächtigten zugestellt werden soll. § 247. In Anlehnung an § 245 (Unterbrechung wegen Justitiums) sieht § 247 eine Aussetzung des Verfahrens für den- Fall vor, daß eine Partei am Prozeßbetriebe durch Kriegsdienst (§ 14) oder durch Aufenthalt an einem Orte, der durch zu­ ständige obrigkeitliche Anordnung oder durch elementare Zufälle von dem Verkehre mit dem Prozeßgericht abgeschnitten ist, behindert wird. Die Aussetzung kann auf Antrag der behinderten Partei, aber auch von Amts wegen erfolgen. Sie dauert bis zur Beseitigung des Hindernisses, einer Tatsache, für die im Sinne der §§ 148—150 eine gerichtliche Konstatierung durch Aufhebung der Aussetzung oder sonstwie zu erfordern sein wird.

§ 248. Nach Abs. 1 ist der Antrag auf Aussetzung bei dem jeweiligen Jnstanzgericht (vgl. RG. Gruchot 34 S. 1159, Neubauer Busch 19 S. 269) ohne Formzwang zu stellen. Prozeßgericht bleibt auch nach Zustellung des Urteils und bis zur Einlegung eines Rechtsmittels dasjenige Gericht, welches das Urteil erlassen hat (RGPl. Bd. 68 S. 248. Vgl. II b zu 8 239). Die Entscheidung kann ohne mündliche Verhandlung erfolgen und ergeht durch Beschluß, der gemäß § 252 anfechtbar ist.

Fünfter Titel.

Unterbrechung und Aussetzung deS Verfahrens § 249.

225

fehung der Hauptsache vorgenommenen pro;eßhandlungen sind -er anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Durch die nach dem Schlüsse einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung wird die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung pt er­ lassenden Entscheidung nicht gehindert.

8 249.

Wirkung der Stillstandes.

Die Prozessuale Wirkung der Unterbrechuug und der Aussetzung des Ver­ fahrens ist, abgesehen von Abs. 3, die gleiche. Dies gilt auch für solche Fälle, die auf Grund von Vorschriften außerhalb dieses Titels beruhen, namentlich für die Unterbrechung gemäß § 13 AnfechtG. v. 21. 7. 79 und für die Einstellung des Ver­ fahrens zufolge § 15 Nr. 1 EGzZPO. I. Die gemeinsame Wirkung (Abs. 1—3) besteht wesentlich darin, daß alle Prozeßhandlungen zwecks Fortgangs der Hauptsache, seien es solche der Parteien untereinander oder gegenüber dem Gericht, wie Ladungen, Zustellungen, Aufforderungen, Anzeigen und Mitteilungen, seien es solche des Gerichts und seiner Organe gegenüber den Parteien, wie Verfügungen, Beschlüsse, Urteile, Ladungen und Zustellungen, ge­ hemmt und den Versäumungsfolgen entzogen werden, und, soweit sie dennoch erfolgen, rechtlich unwirksam sind. Dagegen werden Akte der Parteien, die nur zur Vor­ bereitung künftiger Prozeßhandlungen nach außen hin dienen, wie namentlich die außergerichtliche Vollmachtserteilung und die Entwerfung von Klagen und Anträgen, und ebenso die bloß interne Gerichtstätigkeit von § 249 nicht betroffen (vgl. RG. 45 S. 323 [Urteile]). a) Speziell Abs. 1 sieht die Hemmung des Fristenlaufes vor. Er bezieht sich auf Fristen oller Art, auch auf Notfristen. Daß nach Beendigung des Still­ standes die volle Frist von neuem laufen soll, hat den Zweck, unnütze Streitigkeiten über die Fristberechnung abzuschneiden und den Parteien eine in jedem Fall aus­ reichende Notfrist zu sichern (Begr. 179). b) Nach Abs. 2 sind die während des Stillstandes zur Hauptsache vorgenommenen Prozeßhandlungen einer Partei gegenüber der anderen Partei un­ wirksam. Zu einer entsprechenden Vorschrift für Gerichtshandlungen den Parteien gegenüber lag bei der Aussetzung kein Bedürfnis vor, weil das Gericht allemal Kenntnis von der Hinderungstatsache hat. Anders bei der Unterbrechung, da diese un­ abhängig von solcher Kenntnis des Gerichts eintritt. Naturgemäß steht Abs. 2 solchen Parteihandlungen nicht entgegen, welche die Anfechtung eines Aussetzungsbeschlusses (§ 252) oder die Aufnahme des Verfahrens (§ 250) bezwecken. c) Die Unwirksamkeit besteht nicht in Nichtigkeit der Prozeßhandlungen, sondern nur darin, daß sie der interessierten Partei ein Einrede- oder Rügerecht ge­ währt. Als interessiert wird gegenüber Gerichtshandlungen jede Partei, gegenüber Parteiakten die Gegenpartei, soweit sie infolge Stillstandsgrundes unvertreten dasteht, gelten. Demzufolge können Parteihandlungen durch Rügeverzicht (§ 295) wirksam werden (vgl. RG. 10 S. 69, 51 S. 94). Zur Wirksamkeit von Gerichtshandlungen wird es der Genehmigung beider Parteien bedürfen, bei Endurteilen und den diesen gleichstehenden Entscheidungen durch Nichteinlegen des Einspruchs oder des zulässigen Rechtsmittels oder der Nichtigkeitsklage, bei anderen Gerichtsakten durch Unterlassung der Rüge (vgl. RG. 10 S. 69, 401, 14 S. 331).

n. Eine besondere Wirkung sieht Abs. 3 für Unterbrechungsfälle, die nach Schluß einer mündl. Verhandlung eintreten, insofern vor, als die Verkündung "der auf Grund dieser Verhandlung zu erlaffenden Entscheidung nicht gehindert werden soll. Diese Abweichung beruht darauf, daß die Parteitätigkeit mit dem Verhandlungsheschluffe beendet und daher durch eine zwischen Verhandlungsschluß und Erlaß der Reincke, ZPO. «.Ausl.

15

W t.

Abi. r.

Ms.s.

I. Buch.

226

Allgemeine Bestimmungen.

3. Abschn. Verfahren §§ 250, 251.

§ 250. (227.) Die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Ver­ fahrens und die in diesem Titel erwähnten Anzeigen erfolgen durch Zustellung eines Schriftsatzes. § 251. (228.) Die Parteien können vereinbaren, daß das Verfahren ruhen solle. Die Vereinbarung hat auf den Lauf der Notfristen keinen Ginstutz. Erscheinen in einem Termine zur mündlichen Verhandlung beide Parteien nicht, so ruht das Verfahren, bis eine Partei eine neue Ladung zustellen lätzt. Entscheidung fallende Unterbrechung nicht mehr beeinflußt wird, die Entscheidung aber als Ergebnis der Verhandlung erfolgen soll (§§ 4, 160, 310, 312, Begr. 179). Sonach kommt dem Abs. 3 die Bedeutung zu, daß das Gericht der Unterbrechung ungeachtet die Entscheidung ^beschließen und verkünden soll. Der Inhalt der Ent­ scheidung ist dabei gleichgültig. Auch steht der Verkündung in einem gemäß § 310 anberaumten Termine nichts entgegen. Jede über diese Schranke hinausgehende Tätig­ Vgl. den § 7 der keit des Gerichts nach außen hin entbehrt der Wirksamkeit. Preußischen V. v. 1. 8. 79, betreffend das Verfahren bei Kompetenzkonflikten. Im Falle der Aussetzung des Verfahrens ist für Abs. 3 kein Raum, weil die Gerichtstätigkeit mit Erlaß des Aussetzungsbeschlusses von selbst endet (vgl. RG. 30S. 375). Form der Aufnahme und Anzeige.

Nutzen des Verfahrens.

§ 250. Nach § 250 sind die im Parteibelriebe außerhalb der mündlichen Ver­ handlung erfolgende Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens und die darauf bezüglichen Anzeigen (vgl. RG. IW. 95 S. 102) durch Zu­ stellung eines Schriftsatzes zu bewirken. Diese Form bezweckt, einen festen. Zeitpunkt für das Ende des prozessualen Stillstandes und für den damit zusammen­ hängenden Fristenlauf zu gewinnen (vgl. Begr. 179). Daher stellt sie sich als wesent­ lich dar (vgl. RG. 41 S. 405 und IW 02 S. 631). Der zuzustellende Schriftsatz hat die Natur eines bestimmenden (Vornote zu §§ 129 ff.), und muß diesen Zweck inhaltlich erkennbar machen (vgl. RG. 14 S. 334), darf aber äußerlich mit einem anderen Schriftsätze (Ladung, Rechtsmitteleinlegung) verbunden werden. — Der § 250 findet übrigens auch auf die Ausnahmefälle aus §§ 10—12 KO. und aus § 13 AnfechtG. v. 20. 5. 98 Anwendung (vgl. RG. 13 S. 315, IW. 91 S. 9). II. Der § 250 schließt innerhalb der mündlichen Verhandlung eine münd­ liche Aufnahme und Anzeige nicht aus, wie dies die Begr. (S. 179) ausdrücklich anerkennt. Dazu ist aber erforderlich, daß zur Verhandlung der Hauptsache sich über­ haupt Gelegenheit bietet; und dies trifft bei einem bereits vor der Unterbrechung oder Aussetzung oder zufolge § 239 bestimmten Verhandlungstermin oder im Amts­ gerichtsprozesse gemäß § 496 zu. III. Bei einer von Amts wegen angeordneten Aussetzung bedarf es zu deren Beendigung eines Amtsbeschlusses (vgl. Note zu § 247). I.

Ahs j

§ 251.

a) Nach Abs. 1 dürfen die Parteien das Ruhen des Verfahrens vereinbaren. Die Vereinbarung kann systemgemäß formlos, somit auch stillschweigend, und inhaltlich für bestimmte oder unbestimmte Zeit geschlossen werden. Zulässig ist sie in jedem Stadium der Hauptsache, auch während des vorbereitenden Verfahrens, einer Beweis­ aufnahme oder eines anderen Amtsverfahrens. Um sie dem Gegner und dem Gericht gegenüber wirksam geltend machen zu können, ist schriftliche Form der Vereinbarung, und Anzeige von derselben bei Gericht ratsam.

Fünfter Titel.

Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens § 252.

227

§ 252. (229.) Gegen die Entscheidung, durch welche auf Grund der Vor­ schriften dieses Titels oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen die Aussetzung des Verfahrens angeordnet oder abgelehnt wird, findet Beschwerde, im Falle der Ablehnung sofortige Beschwerde statt.

b) Die Vereinbarung hat die Wirkung, daß von dem festgesetzten Zeitpunkt ab das Verfahren, wie bei der Unterbrechung und Aussetzung, einen Stillstand im Sinne des § 249 Abs. 1, 2, insbesondere eine Hemmung des Fristenlaufs, außer bei Notfristen (Satz 2), erleidet. Dies gilt für Gericht und Parteien (vgl. Note zu § 249). So RG. 49 S. 351, Planck I S. 521 und die Mehrzahl der Kommentare; eingeschränkter Seuffert und Kohler (Prozeß als Rechtsverh. S. 88). cj Der Stillstand endet mit Ablauf des vereinbarten Zeitpunktes, eventuell durch Aufnahme des Verfahrens nach § 250. d) Darüber, ob und unter welchen Maßgaben eine Vereinbarung geschlossen ist, kann ein Zwischenstreit entstehen, über den durch einen nach § 252 anfechtbaren Beschluß zu entscheiden sein wird (vgl. RG. 49 S. 353, OLG. Karlsruhe SeuffA. 47 Nr. 295).

Abs. 2. Der Abs. 2 erblickt eine stillschweigende Vereinbarung des Prozeßstillstandes darin, daß beide Parteien in einem zur mündlichen Verhandlung bestimmten oder mitbestimmten Termine nicht erscheinen oder nicht verhandeln (§ 333, vgl. OLG. Köln IW. 88 S. 223). In diesem Falle hat das Ruhen die Einstellung weiterer Gerichtstätigkeit zur Folge. Erscheinen die Parteien nachträglich im Termin, so hängt es vom Ermessen des Gerichts ab, ob noch in die Verhandlung einzutreten ist (vgl. Gaupp-Stein, Seuffrt., Schwalbach ziv. Arch. 66 S. 263). Abgesehen hiervon können die Parteien den Prozeßbetrieb jederzeit wieder aufnehmen.

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252.

I a) Gegen Entscheidungen über die Aussetzung des Verfahrens gewährt § 252, im Hinblick aus die bedeutsamen Folgen einer solchen Maßregel (§ 249), das Rechtsmittel der Beschwerde; und zwar gegen die Anordnung der Aussetzung, sei es von Amts wegen oder auf Parteiantrag, die gewöhnliche (§ 567), gegen die Ab­ lehnung eines ?lussetzungsantrages, der die Aufhebung einer Aussetzung gleichsteht, die sofortige Beschwerde (§ 577). b) Der § 252 soll aber zugleich auf solche Entscheidungen Anwendung finden, welche die Aussetzung auf Grund anderer Reichsgesetze als der ZPO. oder auf Grund von Landesgesetzen betreffen. c) Neben obigen Fällen, die eine direkte Anordnung der Aussetzung betreffen, müssen dem § 252 noch solche Entscheidungen unterfallen, die mittelbar die Aussetzung herbeiführen, wie dies z. B. bei Feststellung einer Unterbrechung (vgl. RG. 16 S. 340, 359, 32 S. 430) oder einer Vereinbarung des Stillstandes (vgl. RG. 49 S. 353), oder mit Bezug auf Kompetenzkonflikte (vgl. RG. 25 S. 413) zutreffen kann. II. Für den Erfolg der Beschwerde ist es von entscheidender Bedeutung, ob im Streitfälle ein gesetzlicher Aussetzungsgrund vorliegt. Denn nach Tendenz und Motiven des § 252 (vgl. Begr. 175) darf die Aussetzung überall nur da ange­ ordnet werden, wo sie nach der ZPO. oder anderen Gesetzen zugelaffen ist; bloße Zweckmäßigkeitsgründe rechtfertigen sie niemals (vgl. RG. 3 S. 402, 15 S. 427, 18 S. 384).

Anfechtung der Auö

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228

II. Buch. Verfahren in erster Instanz. 1. Abschn. Landgerichte § 253.

Zweites Buch.

WevfaHven in erster Instanz. Erster Abschnitt.

Verfahren vor den Landgerichten. Erster Titel.

Aerfa-re« vis zvm Ilrteik. § 253.

(230.)

Die Erhebung der ülage erfolgt durch Zustellung eines

Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag; 3. die Ladung des Beklagten vor das Prozeßgericht zur mündlichen Ver­

handlung -es Rechtsstreits. In der Klageschrift soll ferner der Wert des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Streitgegenstandes angegeben werden, wenn die Zuständig­ keit des Gerichts von diesem Werte abhängt. Außerdem finden die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Mageschrist Anwendung.

II. Such. 1. Abschnitt. 1. Titel. Vornote.

Verfahren in 1. Instanz.

Verfahren vor Len Landgerichten.

Verfahren bis zum Urteil.

I. In Buch II ist das Verfahren in 1. Instanz geregelt (GBG. §§ 70,101, 23). Geregelt ist dasselbe in der Art, daß es für die Landgerichte im einzelnen bestimmt (Abschn. 1), für die Prozesse und Verfahren vor anderen Gerichtsstufen erster und höherer Instanz dann aber als Normalverfahren gedacht und im wesentlichen lediglich in bezug genommen ist (Abschn. 2, Buch III—VII, daneben GVG. §§ 102—108, 118). n. Der Abschn. 1 ordnet in Tit. 1, 2 das als kontradiktorisch gedachte Ver­ fahren 1. Instanz von der Einleitung bis zum Endurteile, in Tit. 3—12 einzelne besondere Teile dieses Verfahrens, nämlich das Versäumnisurteil (Tit. 3), das vor­ bereitende Verfahren (Tit. 4) und das Beweisverfahren (Tit. 5—12). III Der Tit. 1 teilt das erstinstanzliche Verfahren bis zum Urteil wesentlich in zwei Abschnitte. Der erste betrifft die Einleitung des Rechtsstreits und die weitere Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, die durch Wechsel von Schriftsätzen, nämlich Klage (Angriff), Klagebeantwortung (Verteidigung), Re- und Dupliken (§§ 253, 278) erfolgt. Der zweite Abschnitt betrifft die mündliche Verhandlung selbst. Diese um­ faßt die Partei- wie die Gerichtstätigkeit bis zum Urteil (§§ 273—299, Begr. 181), bestehend auf feiten der Parteien im Vorbringen von Angriff und Verteidigung, auf feiten des Gerichts in der Prozeßleitung und in Beweisaufnahme. In dem

Stadium der eigentlichen Verhandlung treten wiederum zwei Abschnitte hervor, nämlich die Erörterung der Prozeßvoraussetzungen als der Vorfrage, ob der Beklagte sich auf die Klage überhaupt einzulassen braucht (§§ 274—276), und die Erörterung der Hauptsache (§§ 277—283). Als Ziel des Verfahrens ans Tit. 1 ist die Reife des Rechtsstreits zur End­ entscheidung gedacht (§ 300).

§ 253.

Mage.

Mandry § 9; Weizsäcker Busch 27 S. 20.

Die Klage tritt nach §§ 253—271 in zwiefacher Bedeutung, nämlich als prozessuales Angrisfsmittel und als sachliche Grundlage des Rechts­ streits, hervor, und sie ist deshalb auch von diesen beiden Gesichtspunkten aus be­ züglich ihrer Voraussetzungen (Erhebung, Inhalt, Zulässigkeit, §§ 253—262), ihrer Wirkungen (Rechtshängigkeit, bürgerlich-rechtlichen Folgen, §§ 263—267), ihrer Ände­ rung und Zurücknahme (§§ 268—271) behandelt (vgl. RG. 45 S. 397).

I. Abs. 1. Zwingende Regelform für die Einleitung des landgerichtlichen Verfahrens ist nach Abs. 1 die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten. Einer Klage­ erhebung durch Vortrag in der mündlichen Verhandlung, wie solche für die im Laufe des Verfahrens zulässigen Klagen (Widerklage, Inzidentklage, §§ 278—280) bestimmt ist, bleibt die Wirkung gemäß §§ 263 ff. versagt (RG. 44 S. 350, Gruchot 30 S. 443 und IW. 86 S. 346, Note III). Die Zustellung der Klage ist dem Parteibetriebe überlaffen, und erfolgt in Verbindung mit der Ladung des Beklagten zur mündlichen Verhandlung (§ 261). Wegen des Begriffs des Rechtsschutzanspruchs vgl. Borbem. zu § 1.

II. Abs. 2—4. Der Inhalt der Klageschrift ist nach deren doppeltem Zwecke normiert, als be­ stimmender Schriftsatz für die Grundlegung des Rechtsstreits (Abs. 2) und als vor­ bereitender Schriftsatz für die mündliche Verhandlung (Abs. 3, 4) zu dienen. In ersterer Hinsicht bezeichnet das „muß" in Abs. 2 den Inhalt als zwingend (vgl. Begr. 22, 182). In letzterer Hinsicht bezweckt das Jnhaltserfordernis aus Abs. 3, die Unterlage für die Beurteilung der Zuständigkeit (GVG. § 23, ZPO. §§2-9, GKG. § 14) zu beschaffen, dasjenige aus Abs. 3, die Basis für das mündliche Parteivor­ bringen zu liefern (§ 130).

Inhalt der Klageschrift.

Abs. 2. Nach Abs. 2 muß die Klage folgende Punkte enthalten: 8S”tet Zu Nr. 1, die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts. Damit wird «r.i. die Identifizierung dieser Prozeßfaktoren bezweckt (vgl. Begr. 182). Was auf feiten der Parteien dazu erforderlich, bemißt sich je nach Lage des Falles gemäß §§ 133, 157, 311 und dem bürgerlichen Rechte (vgl. RG. 6 S. 349 (Erben); Busch 19 S. 230, 22 S. 456, 23 S. 376; Dittmar DIZ. 2 S. 222 (Einzelkaufmannj). Zu Nr. 2, die bestimmte Angabe des Gegenstandes und Grundes des Nr. r. Anspruchs, wie einen bestimmten Antrag. a) Der Gegenstand kann eine Leistung (§§ 254, 258, 259) oder ein Rechts­ bestand (§ 256), ersterenfalls eine individuell (Streitgegenstand, §§ 935, 883) oder generisch bestimmte Leistung (Forderung, § 916) sein. Zur bestimmten Angabe einer Jndividualleistung gehört naturgemäß die Angabe der besonderen Kennzeichen deS Streitgegenstandes. b) Anlangend den Grund (Klagegrund, § 268), fragt es sich, was zu dessen bestimmter Angabe gehört, ob Substantiierung oder nur Individualisierung.

230

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

I. Abschn. Landgerichte § 253.

Die Begr. (S. 182) bemerkt, der Klagegrund werde durch diejenigen Tatsachen gebildet, welche nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts an sich geeignet seien, den er­ hobenen Anspruch als in der Person des Klägers entstanden und zugleich als durch den Beklagten verletzt erscheinen zu lassen, also durch die rechtsbegründenden Tatsachen. Ties würde allerdings auf eine zivilrechtliche Schlüssigkeit der Klage abzielen, wie solche in dem früheren schriftlichen Prozesse des Gemeinen und Preußischen Rechts er­ fordert wurde (vgl. Wetzell § 16, PrAGO. I, 5 § 4). Daraus und aus der Ent­ wicklung des früheren Deutschen Prozeßrechts wird von manchen gefolgert, daß es im Sinne des § 253 der Substantiierung' des Klagegrundes bedürfe. Dem­ gegenüber wird von anderen im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 253 und auf den aus sonstigen Vorschriften der ZPO. erhellenden prozessualen Zweck der Klage die Ansicht vertreten, daß die Individualisierung des dem Ansprüche zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses oder des klägerischen Erwerbsgrundes genüge. Letztere Auffassung dürfte den Vorzug verdienen. Denn die Begr. steht mit ihrer obigen Be­ merkung offenbar auf dem Boden des früheren Gemeinen Prozesses. Auf diesen Zurückzugehen, ist jedoch bedenklich, weil das Gebot der Substantiierung wesentlich mit der Schriftlichkeit und der Eventualmaxime jenes Prozesses zusammenhing, die von der ZPO. nicht übernommen sind. Jedenfalls hat der aus der Begr. hergeleitete Rechtsgedanke in § 253 keinen Ausdruck gefunden. Die Nr. 1, 2 desselben weisen übereinstimmend nur auf Identifizierung und Individualisierung hin. Daß die ZPO. sich des Gegensatzes zwischen Individualisierung und Substantiierung bewußt ist, dürfte der § 130 Nr. 3 ergeben, der für Schriftsätze zwecks Vorbereitung der mündlichen Verhandlung die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden tatsächlichen Verhältnisse erfordert. Überdies fällt gegen die Substantiierung der prozessuale Zweck der Klage ins Gewicht. Nach §§ 263—268, 322, 527 soll mit der Klage eine für die Verhandlung und Entscheidung wesentlich feste Grundlage geschaffen werden, und für diesen Zweck erscheint es belanglos, ob der Klageanspruch zivilrechtlich begründet ist oder nicht. Die §§ 331 Abs. 2, 690 stehen nicht entgegen. Denn wenn der § 331 voraussetzt, daß die Klage den erhobenen Llnspruch rechtfertigt, so kommt doch in Betracht, daß nach §§ 268 Nr. 1, 2, 278 die Klage bis zum Schluffe der Ver­ handlung modifiziert werden kann. Der § 690 ist ohne Bedeutung, weil das Mahn­ verfahren ausnahmsweise eine sachliche Vorprüfung des die Stelle der Klage ver­ tretenden Gesuches, und damit dessen materiellrechtliche Schlüssigkeit erfordert. An­ langend die Entstehungsgeschichte des § 253 Nr. 2, bestimmte der Hannov. Entw., aus dem derselbe hervorgegangen ist, in § 231 (2. Lesung), daß die Klage durch Be­ händigung eines dieselbe enthaltenden Schriftsatzes, für den die allg. Bestimmungen über vorbereitende Schriftsätze maßgebend seien, erhoben werde, in § 1202, daß in den Schriftsätzen die Gesuche, welche die Parteien in der Tagfahrt zu stellen beab­ sichtigten, mit einer kurz gefaßten, aber vollständigen Angabe der dieselbe begründenden tatsächlichen Verhältnisse enthalten sein sollten, und in § 465, daß der Einleitung der Klage vor dem Handelsgerichte auch durch Behändigung einer Vorladungsurkunde erhoben werden könne und diese u. a. das Gesuch, das Kläger in der Tagfahrt zu stellen beabsichtige, nebst einer bestimmten Angabe des Gegenstandes und Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten müsse. Die letztere Bestimmung hat nun mit der Maßgabe, daß sie für alle Klagen gelten sollte, in dem Nordd. und dem Entw. zur ZPO. Aufnahme gefunden. In den vorbildlichen Vorschriften des Hannov. Entw. tritt ein bewußter Gegensatz zwischen der bestimmten Angabe des Klagegrundes und der kurzgefaßten, aber vollständigen Angabe der das Klagegesuch begründenden Tat­ umstände zutage. Die bestimmte Angabe des Rechts grün des ist naturgemäß besonders für ding­ liche Klagen von Bedeutung. Bei diesen würde die Angabe eines verschiedene Er­ werbsgründe zulassenden Rechtsverhältnisses, wie z. B. des Eigentums, für sich nicht

genügen; es ist vielmehr eine expressa causa des Erwerbes anzugeben. Im wesent­ lichen übereinstimmend Wach Vorträge S. 21, Gruchot 33 S. 1, Petersen Busch 3 S. 385, Gruchot 28 S. 657, SächsArch. II S. 65, 129, Seuffert, Fitting Lehrb. ß 47 und Busch 9 S. 69, Plosz Beitr. zur Theorie des Klagerechts S. 26, 123, Hinschius im Rechtslex. H S. 472, Birkmeyer ziv. Arch. 66 S. 38, Bolgiano Busch 12 S. 454, Alexander-Katz Schriftsätze usw. S. 17, Nessel Gruchot 28 S. 134, Fuchs ebendort 29 S. 635, Schultze PrivRecht und Prozeß I S. 9, Cosack AnfechtR. S. 223, R. Schmidt Klageänderung (88) S. 198, auch wohl Planck II § 87 Note 80, Hölder (Klage u. Rechtsverletzung, gegen Reinhold) Busch 22 S. 1. A. M. Hell­ mann § 68 u. KritVJSchr. 39 S. 430, Dernburg Pand. I § 152, Kleinschrod Klageänderung S. 24, Reinhold Klagegrund (89) S. 1, Weismann Hauptintervention S. 157, Schollmeyer KompensEinrede S. 126, Behrend Gruchot 31 S. 457, Staub ebendort 32 S. 554, Brodmann Recht im Prozeß (97) und verschiedene Kommentare. In der Rechtsprechung des RG. ist allerdings mit obiger Bemerkung der Begr. argu­ mentiert, dürfte aber doch das Hauptgewicht auf die bloße Erkennbarkeit des An­ spruchsgrundes gelegt sein (vgl. 10 S. 434, 11 S. 242 [causa expressa bei ding­ lichen Klagens, 18 S. 395, Gruchot 31 S. 719 [Patronatsbeitrags, IW. 89 S. 306 i Anfechtung eines Schiedsspruchs)).

c) Mit dem Anträge (vgl. v. Kienitz Busch 10 S. 211) ist die eigentliche Sachbitte (Petitum, Klageantrag, § 331 Abs. 2) gemeint. Zur Bestimmtheit gehört, daß der Gegner und der Richter klar ersehen können, was beansprucht wird. Ins­ besondere nniß erhellen, ob es sich um einen Leistungs- oder einen Feststellungsanspruch handelt. Bei Leistungsansprüchen muß, wenn auch nicht eine Bezifferung der Leistung, doch die Unterlage für qualitative und quantitative Feststellung derselben in Hauptnnd Nebenforderungen gegeben sein, so daß die zur Beitreibung im Wege der Zwangs­ vollstreckung erforderliche Bestimmtheit vorhanden ist. Eine Abweichung von diesem Grundsätze hat allerdings der § 254 in der Fassung der Nov. v. 98 vorgesehen. Bei Feststellnngsansprüchen ist das festzustellende Rechtsverhältnis genau erkennbar zu machen (vgl. RG. 8 S. 104, 10 ©. 353, 368, 414, 418, 12 S. 353, 388, 13 S 435, besonders die PlEntsch. 21 S. 386). Gehl der Antrag auf einen Prinzipalen und einen eventuellen Anspruch, so muß er das rechtliche Verhältnis dieser Ansprüche be­ stimmt ergeben. Die Frage, ob dieselben miteinander vereinbar sind, kann auch im Sinne des § 260 erheblich werden (vgl. Lämmert Busch 16 S. 428, Petersen dort 16 S. 499, Pfizer dort 21 S. 367, RG. IW. 94 S. 362, Buccerius Busch 37 S. 193). Zu Nr. 3 gehört Ladung des Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits, die Angabe des bestimmten Termins (vgl. RG. 9 S. 388, 13 S. 334, a. M. Neuling IW. 83 S. 57), im Anwaltsprozesse (§ 206) noch die Aufforde­ rung zur Bestellung eines Anwalts, und allemal (§ 133) die Unterschrift des kläge­ rischen Anwalts (vgl. Begr. 182). Der bestimmte Termin wird durch die Zustellung des bezüglichen Schriftsatzes verbraucht und kann nicht anderweit verwertet werden (RG. 55 S. 21). IH. Mängel der Klage.

Wenn in einen Prozeß, der vom Kläger durch eine dem § 253 entsprechende Klageerhebung eingeleitet ist, ein bei dieser nicht beteiligt gewesener Dritter ein­ treten will, mangelt es für letzteren an einer Klageerhebung; allein die ZPO. läßt, Ivie die §§ 71 ff. ergeben, einen derartigen Eintritt Dritter mehrfach zu. Deshalb wird man nicht sagen können, daß dem Eintritt ein allgemeines öffentliches Jntereffe «ntgegenstände, vielmehr es auf einen Rügeverzicht des Gegners (§ 295) ankommen lassen müssen (vgl. RG. 13 S. 337, 22 S. 420, 39 S. 292, 49 S. 378).

Nr. s.

Mängel.

232

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 254, 255.

§ 254. Wird mit der Klage auf Rechnungslegung oder auf Vorlegung: eines Vermogensver;eichnisses oder auf Leistung des Offendarungseides die Klagt auf Herausgabe desjenigen verbunden, was der Beklagte aus dem ;u Grunde liegenden Rechtsverhältnisse schuldet, so kann die bestimmte Angabe der Leistungen, welche der Klager beansprucht, vorbehalten werden, bis die Rechnung mitgeteilt^ das Vermögensver;eichnis vorgelegt oder der Offenbarungseid geleistet ist. . § 255. Hat der Kläger für den Fall, dass der Geklagte nicht vor dem Ablauf einer ihm |it bestimmenden Frist den erhobenen Anspruch befriedigt^ das Recht, Schadensersatz wegen Richterfüllung pi fordern oder die Aufhebung eines Vertrags herbehuführen, so kann er verlangen, dass die Frist im Rrteile bestimmt wird. Das gleiche gilt, wenn dem Kläger das Recht, die Anordnung einer Ver­ waltung pi verlangen, für den Fall ;usteht, -aß der Geklagte nicht vor dem Ablauf einer ihm ;u bestimmenden Frist die beanspruchte Sicherheit leistet, so­ wie im Falle des § 2193 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Gestimmung einer Frist zur Vollffehung der Auflage.

EmIchrLnhing des § 253 Nr. 2.

§ 254. Simonson Busch 34 S. 481.

Für das Erfordernis aus § 253 Nr. 2, betreffend einen bestimmten Klage­ antrag, sieht der § 254 eine Einschränkung vor. Falls der Kläger in der Klage zwei Leistungsansprüche, nämlich mit dem Anspruch auf Rechnungslegung, Vor­ legung eines Inventars oder Leistung des Offenbarungseides (vgl. BGB. 88 259, 260, 660, 681, 713, 1214, 1421, 1546 Abs. 3, 1681, 1890, 1915, 1978r 1991, 2027, 2028, 2130, 2218; HGB. 88 91, 166, 340 Abs. 3) den Anspruch auf Herausgabe deffen, was ihm der Beklagte aus dem zugrunde liegenden Rechts­ verhältnisse schuldet, verbindet, so ist er zur sofortigen bestimmten Angabe dieser Schuld naturgemäß außerstande. Hier kommt ihm 8 254 zu Hilfe: er darf in der Klage die bestimmte Schuldangabe Vorbehalten, bis die Rechnung gelegt, das Inventar vorgelegt oder der Offenbarungseid geleistet ist. Das Verfahren ist dann (vgl. Mot. zu 8 230 a) so zu denken. Zunächst must der Anspruch auf Rechnungslegung usw. durch Teilurteil (RG. 58 S. 59) gemäß. 8 301 rechtskräftig zugesprochen und, nötigenfalls mittels Zwangsvollstreckung (88 888 ff.) realisiert werden. Das Urteil ergeht auf Leistung, nicht auf Feststellung. Eine Feststellungsklage würde der Begründung nach 8 256 bedürfen. Erst toentt jenes Urteil ergangen und damit der Kläger zur Bezifferung seines Herausgabe­ anspruchs instand gesetzt worden, ist über den letzteren, Prozeffualisch nicht beschränkten: (RG. 56 S. 46 und IW. 04 S. 67) Anspruch und den Kostenpunkt zu verhandeln und durch weiteres Teilendurteil (8 301) zu entscheiden (Verfahren dabei RG. 56S. 116. Zu vergl. Reichel Busch 37 S. 49).

Fristlrtzung im Urteil.

§ 255.

Abs. 1.

I. Das BGB. gibt bei manchen Schuldverhältniffen (vgl. die 88 283, 325, 326r 354, 542, 634) dem Gläubiger die Befugnis, dem Schuldner eine angemessene Frist zu seiner Befriedigung zu bestimmen und nach Verstreichung der Frist Schadensersatz, wegen Mchterfüllung oder Vertragsaufhebung zu beanspruchen. Um dem Gläubiger eine schnellere Realisierung seines eventuellen Anspruchs zu sichern, darf er nach 8 255. Abs. 1 in dem Rechtsstreit über die Schuldklage den Antrag stellen, daß in dem er-

Erster Titel.

Verfahren bis zum Urteil § 256.

233

§ 256. (231.) Auf Feststellung des Gestehens oder Nichtbestehens eines Nechlsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung der Unechtheit derselben kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein recht­ liches Interesse daran hat, daß das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. gehenden Urteile dem Beklagten zugleich eine angemessene Leistungsfrist be­ stimmt werde. Anlangend das Verfahren, wird für den Antrag in der Klage, aber auch später gemäß §§ 268 Nr. 2, 529 Raum sein. Als sachlicher Antrag (§ 253 Nr. 2) unter­ liegt er den Vorschriften der §§ 297, 308, 321, 335 Nr. 3. Die gesetzte Frist ist als wesentlich materiellrechtliche nach §§ 186 ff. BGB. zu berechnen.

Abs. 2. Nach Abs. 2 soll das gleiche auch gelten: a) in den Fällen ber §§ 1052, 2128 BGB., wonach, falls der Nießbraucher dem Eigentümer oder der Vorerbe dem Nacherben zur Sicherheitsleistung verpflichtet ist, dem Verpflichteten eine Frist zur Erfüllung bestimmt werden kann, mit der Folge, daß bei Nichtinnehaltung der Frist der Berechtigte auf Anordnung einer gerichtlichen Verwaltung des Nießbrauchs oder des Nachlasses antragen darf; b) in dem Falle des § 2193 BGB., wonach, falls bei einer letztwilligen Auf­ lage die Bestimmung der Person, an die geleistet werden soll, dem belasteten über­ lassen ist, der klagende Beteiligte demselben eine Frist zur Vollziehung der Auslage bestimmen lassen kann, mit der Wirkung, daß bei Versäumung der Frist das Recht zur Bestimmung jener Person auf den Kläger übergeht.

Wach, der FeststcllnngSanspruch (1889); Degenkolb, Einlassungszwang und Urteilsnorm

,Iaat'

(1877) S. 129; Weismann, Feststellungsklage (1879) und Hauptintervention S. 78, 85; Plosz, Beitr. zur Theorie des KlagerechtS (1880) S. 159; Schultze, KR. (1880) S. 55; Mandry § 27 zu III; Lüning Busch 4 .

II. Das Verfahren soll sich nach dem im Amtsgerichtsprozeffe bestimmten (§§ 495 ff.) richten. Sonach ist für die Parteien der Anwaltszwang und die Ver­ pflichtung zu vorbereitenden Schriftsätzen ausgeschloffen, für den Kommiffar eine ver­ schärfte Amtspflicht, auf vollständige Erklärung und sachgemäße Antragstellung der Parteien hinzuwirken, gegeben (vgl. §§ 354, 502).

m,. s.

340

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 351—354.

8 351. (316.) Erscheint eine Partei in einem Termine vor dem beauf­ tragten Richter nicht, so hat dieser das Vorbringen der erschienenen Partei in Gemäßheit der Bestimmungen des vorstehenden Paragraphen zu Protokoll festzustelle» und eimn neuen Termin anzuberaumen. Die nicht erschienene Partei ist zu dem neuen Termine unter Mitteilung einer Abschrift des Protokolls zu laden. Erscheint die Partei auch in dem nenen Termine nicht, so gelten die in dem zugestellten Protokolle enthaltenen tatsächlichen Behauptungen des Gegners als zugeftanden und ist das vorbereitende Verfahren bezüglich derselben nicht weiter fortzusetzen. § 352. (317.) Aach dem Schlüsse des vorbereitenden Verfahrens ist der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Prozeßgerichte von Amts wegen zu bestimmen und den Parteien bekaMt zu machen.

8 353. (318.) Sei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien das Ergebnis des vorbereitenden Verfahrens auf Grund des Protokolls vorzutragen. Ist eine Partei nicht erschienen, so sind Ansprüche, welche sich in dem vor­ bereitenden Verfahren als unstreitig ergeben haben, durch TeilurteU zu er­ ledigen. Im übrigen ist ans Antrag ein Versäumnisurteil zu erlassen. 8 354. (319.) Eine vor dem beauftragten Richter unterbliebene oder ver­ weigerte Erklärung über Tatsachen, Rrkmiden oder Cideswschiebnngen kann Slumnii.

§ 351.

Richt total».

I. Mit Bezug auf unvollständige Erklärung ergibt sich für die Parteien eine Säumnisfolge insofern, als ihnen in §§ 351, 354 die Ausschließung mit der versäumten Erklärung angedroht ist. Darin liegt eine Anwendung der Eventual­ maxime. II Für den Fall der Totalsäumnis des Termins bestimmt 8 351 folgendes. Bleiben beide Parteien aus oder verhandeln nicht, so ruht das Verfahren (§ 251V da dasselbe nur eine Fortsetzung der Mollegialverhandluvg bildet (vgl. Begr. 241). Bleibt eine Partei aus, so ist das Vorbringen der erschienenen Partei zu Protokoll zu nehmen, aber ein neuer Termin mit Amtsladung der ausgebliebenen Partei zu bestimmen. Im neuen Termine darf diese Partei über das im ersten Termine proto­ kollierte Vorbringen des Gegners sich noch erklären, auch insoweit noch Sleues vor­ bringen. Ihr Ausbleiben im neuen Termine hat zur Folge, daß das gedachte Vor­ bringen des Gegners für zugestanden gilt und ihr eignes Vorbringen ausgeschloffen wird. Dieses Verfahren zweimaliger Ladung kann sich auf jeder Parteiseite wieder­ holen. Die Säumnisfolge tritt ohne Antrag kraft Gesetzes ein, gelangt aber erst im kollegialen Schlußtermine zur Realisierung (§ 354). Das Verfahren ist solange sortzusetzen, bis der rechtzeitig vorgebrachte Prozeßstoff durch rechtzeitig vollständige Einlasiung oder durch fruchtlose Doppelladung zum Ab­ schluß gebracht ist. DaS Ermeffen über die Abschließung steht in erster Linie dem Kommiffar, der im Zweifel die Ansicht des Kollegiums einholcn kann, in letzter Linie aber dem Kollegium zu, derart, daß dieses in allen Fällen, auch noch in der Schluß­ verhandlung, eine Fortsetzung des vorbereitenden Verfahrens anordnen darf.

Totale.

Ent. Scheidung.

§ 354 Auf der gewonnenen Grundlage erfolgt die Entscheidung des Prozeßgerichts. Für dieselbe stellt § 354 noch folgende rechtliche Gesichtspunkte auf:

in der mündlichen Verhandlung nicht mehr nachgeholt werden. Erklärungen einer vor dem beauftragten Richter erschienenen Partei fmd nur insoweit als unterblieben anpisehen, als die Partei von dem Richter pir Abgabe einer Er­ klärung aufgefordert worden ist. Ansprüche, Angriffs- und Verteidigungsmittel, Leweismittel und Leweieeinreden,- welche ;um Protokolle des beauftragten Richters nicht festgestellt fmd, Ilounen in der mündlichen Verhandlung mtr geltend gemacht werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dast dieselben erst später entstanden oder der Partei bekamt geworden seien. Fünfter Titel.

-Lgemeiue Bestimmungen über die Beweisaufnahme. § 355. (320.) Die Leweisaufnahme erfolgt vor dem Prorestgerichte. Zie ist nur in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen einem Mitgliede des Proreßgerichts oder einem anderen Gerichte ;n übertragen. Eine Anfechtung des Leschlnffes, durch welchen die eine oder die andere Art der Leweisanfnahme mgeordnet wird, findet nicht statt.

1. Bleiben im Schlußtermine beide Teile aus, so ruht das Verfahren (§ 251). Bleibt ein Teil aus, so werden (§ 353 Abs. 2), entsprechend dem Grund­ sätze, daß das Ergebnis des vorbereitenden Verfahrens maßgebend ist, die in diesem als unstreitig festgestellten Ansprüche auch ohne besonderen Parteiantrag mittels kontradiktorischen Teilurteils erledigt, wogegen bezüglich der streitig gebliebenen die gewöhnlichen Regeln über das Versäumnisurteil (§§ 330, 331) Platz greifen (vgl. Begr. 242). Für letztere Fälle wird erst durch den Einspruch die Rechtslage bei Beginn der Schlußverhandlung, d. h. die Wirksamkeit des Ergebniffes des vorbe­ reitenden Verfahrens, wiederhergestellt. 2. Fällt einer im Schlußtermin erschienenen Partei eine Säumnis im vorbereitenden Verfahren (Unterlassung, Unvollständigkeit oder Verspätung der Er­ klärung) zur Last, so ist (§ 354), soweit es sich um ihre Einlassung auf gegnerisches Tat- und Beweisvorbringen handelt, deren Nachholung für die Instanz (§ 531) ausgeschlossen, vorausgesetzt (vgl. § 502), daß die Partei vom Kommissar zur Erklärung aufgesordert war, während andernfalls erst noch die Ergänzung des vorbereitenden Verfahrens veranlaßt werden kann (vgl. RG. IW. 97 S. 168). Mit eigenem Vorbringen verfällt die Partei für die Instanz der Präklusion, der­ gestalt, daß sie insoweit der Vorteile aus den §§ 268, 278, 280, 283 verlustig geht (vgl. RG. IW. 93 S. 16). Nur solche Nova werden (§§ 274, 529) noch zugelassen, hinsichts deren glaubhaft gemacht wird, daß sie erst nach Schluß des vorbereitenden Bersahrens oder doch des zweiten Termines in demselben (§ 351) entstanden oder der Partei bekannt geworden sind. Die vorstehenden Rechtsnachteile sind ohne Antrag des Gegners zu realisieren. Die Frage, ob sie durch Verzicht des Gegners abgewendet werden können, ist be­ stritten. Für dieselbe ist entscheidend, ob man in den §§ 350—354 zwingende Ordnungsvorschriften zu erblicken hat. M. E. ist dies nicht der Fall; und die Amts­ natur des vorbereitenden Verfahrens vötigt noch nicht zu der entgegengesetzten An­ nahme (vgl. Wach ziv. Arch. 64 S. 212, die Kommentare). Das Gericht kann die Ergänzung des vorbereitenden Verfahrens anordnen oder auch, was keiner ausdrücklichen Anordnung bedarf, unter Abstandnahme von jenem Verfahren den Prozeß erledigen (vgl. RG. IW. 98 S. 351).

342

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 356.

§ 356. (321.) Steht der Aufnahme des Beweises ein Hindernis von unge­ wisser Dauer entgegen, so ist auf Antrag eine Frist px bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablaufe das Leweismittel nur benutzt werden Irann, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird.

5. Titel. Bornote.

Allgemeine Lrstiwmungen über Leweisanfnahme.

Die Beweisaufnahme bildet, wie zu §§ 285, 286 erörtert ist, innerhalb der Verhandlung zur Hauptsache keinen besonderen Abschnitt, sondern nur einen die­ selbe unterbrechenden Zwischenpunkt behufs Vervollständigung des Streitstoffes. Des­ halb findet sie, wenn auch im Amtsbetriebe, so doch.durch Anordnung und Aus­ führung eines bloß prozeßleitenden Beschlusses (Beweisbeschlusses) ihre Erledigung (vgl. § 75 KO., § 15 FreiwGG.). Die nähere Regelung des Beweisverfahrens war in § 285 aus Gründen der Übersichtlichkeit besonderen Titeln Vorbehalten. In dem vorliegenden Tit. 5 werden nun dafür zunächst allgemeine Regeln gegeben; und zwar in § 355 über das zuständige Gericht, in § 356 über etwaige Hindernisse der Erledigung, in § 357 über die Anwesenheit der Parteien, in §§ 358—360 über Anordnung, Inhalt und Änderung des Beweisbeschlusscs, in §§ 361—366 über Erledigung der Beweisauf­ nahme vor einem anderen als dem Prozeßgericht, in §§ 367, 368 über Parteiver­ säumnis bei der Beweisaufnahme, in § 369 über Mängel ausländischer Beweisauf­ nahme, in § 370 über die Tragweite des Beweistermins für die weitere Verhandlung. Die Regelung der einzelnen Beweismittel erfolgt dann in den Tit. 6 — 12.

Zuständig' reit.

§ 355.

sibf. i.

I Der Abs. 1 weist die Erledigung der angeordneten Beweisaufnahme gründsätzlich dem Prozeßgerichte zu. Dies ist eine Konsequenz davon, daß die Be­ weisaufnahme einen Bestandteil der Verhandlung zur Hauptsache bildet, welche auf der Unmittelbarkeit der mündlichen Parteiverhandlung und auf der freien richterlichen Beweiswürdigung beruht. Nur für die gesetzlich bestimmten Fälle — und diese sind in den §§ 372, 375, 382, 402, 405, 434, 479 enthalten — darf das Prozeßgericht die Beweisaufnahme einem Mitgliede oder einem anderen inländischen Gerichte (beauftragten oder ersuchten Richter, § 165) übertragen. Das Verfahren für diese kommissarische Beweisaufnahme ist in den §§ 360—362, 364 und in §§ 158 ff. GVG. geregelt. II. Eine Anfechtung der Anordnung schließt Abs. 2 in allen Fällen aus. Dieselbe findet daher weder mittels Beschwerde, noch mittels des Rechtsmittels zur Hauptsache statt, und selbst dann nicht, wenn die kommiffarische Beweisaufnahme in anderen als den gesetzlich bestimmten Fällen angeordnet ist (vgl. RG. US. 377, 46 S. 366, 54 S. 61, 56 S. 60, IW. 89 S. 206, 91 S. 468, 93 S. 125, 347). Danach steht im Grunde die kommiffarische Beweisaufnahme im sachdienlichen Ermessen des Prozeßgerichts, abgesehen von dem Falle des § 382, wo sie obligatorisch ist. III. Eine Beweisaufnahme durch eine nichtgerichtliche Amtsstelle im Jnlande ist unzulässig und enthält eine anfechtbare Gesetzesverletzung (vgl. RG. 9 S. 324).

Abi.r.

Hinbernisik.

§ 356. Der § 356 bestimmt, inwiefern die Beweisaufnahme durch Hindernisse von ungewisser Dauer beeinflußt wird. Für Hindernisse von bestimmter Dauer be­ durfte es keiner besonderen Vorschrift, weil in solchen Fällen die Beendigung des Hindernisses abzuwarten ist.

Fünfter Titel.

Allgemeine Bestimmungen über die Beweisaufnahme §§ 357—359.

343

§ 357. (322.) Den Parteien ist gestattet, der Beweisaufnahme beizuwohnen. § 358. (323.) Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren, so ist dasselbe durch Beweisbeschluß anpiordnen. § 359. (324.) Der Beweisbeschlnß enthält: 1. die Bezeichnung -er streitigen Tatsachen, über welche Ler Beweis px erheben ist; I Bei Hindernissen von ungewisser Dauer soll nun auf Antrag des Beweissührers das Prozeßgericht zunächst eine Frist zur Beseitigung des Hindernisses bestimmen. Dies gilt für alle Beweismittel. Ein solches Hindernis kann sich bereits vor Anordnung der Beweisaufnahme, sei es aus der Beweisantretung oder aus An­ regung des Gegners oder aus eigener Kenntnis des Gerichts, aber auch erst im Laufe der angeordneten Beweisaufnahme (z. B. durch Nichtauffindung eines Zeugen) «rgeben. Antrag und Fristbestimmung haben systemgemäß in der mündlichen Verhandlung zu erfolgen. Ein schriftliches Verfahren erscheint ausgeschlossen, und der Beweissuhrer hat zwecks der Antragstellung, falls nicht schon Verhandlungstermin ansteht, den Gegner zu solchem zu laden. Denn die Frist will den Gegner gegen Ver­ schleppungen schützen; und deshalb hat derselbe Anspruch auf Gehörgebung. Eine Verlängerung der Frist ist nach Maßgabe der §§ 224, 225 zulässig. II. Die Folge bei fr uchtlosem Fristablauf entspricht der Regel der §§ 230, 231. Die Partei wird mit dem bezüglichen Beweismittel für die Instanz (§ 529) ausgeschlossen, es sei denn, daß sie noch nachträglich ohne Verzögerung des Verfahrens, b. h. bei der fortgesetzten Verhandlung (§ 370), die Erledigung der Beweisaufnahme, z. B. durch Gestellung des fraglichen Zeugen oder durch Vorlegung der fraglichen Urkunde, ermöglicht.

§ 357.

Partei­ anwesenheit.

I. Die Befugnis der Parteien, der Beweisaufnahme beizuwohnen, ergibt sich schon daraus, daß sie bei der mündlichen Verhandlung zugegen sein dürfen, da erstere nur den Teil der letzteren ist. Jinmerhin ist die Befugnis in § 357 noch besonders ausgesprochen. Systemgemäß kommt sie nur prozeßfähigen Parteien (§ 51, vgl. RG. Gruchot 29 S. 1094), bzw. den prozeßfähigen Vertretern und Beiständen nach Maß­ gabe der §§ 78 ff., 90 und des § 27 RAO. zu. II. Der § 357 hat aber nur die passive Anwesenheit, also das Zuhören, im Auge. Die aktive Anwesenheit, also das Fragen, ist in §§ 397, 402 geregelt. Eine indirekte Nötigung, der Beweisausnahme beizuwohnen, legt § 367 den Parteien auf. 8 358. B-lgiano Busch 18 S. 335; Stölzel Busch 29 S. 339.

Nach § 358 ist ein Beweisbeschluß zu erlaffen, sofern die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren erfordert. Dies wird allemal der Fall sein, wenn die Beweisaufnahme nicht inmitten der Parteiverhandlung erledigt werden kann, sondern neben dieser eine besondere Amtstätigkeit des Prozeßgerichts nötig macht. Deshalb erübrigt sich ein Beweisbeschluß, wenn eine Beweisurkunde in der Verhand­ lung gleich vorgelegt und anerkannt wird (§ 420); dagegen nicht, wenn eine Aus­ kunftsperson gleich gestellt wird, weil hier die Parteien für ihre Einwirkung auf die Beweiserhebung (§§ 397, 360) Anspruch auf Bezeichnung der Beweistatsachen (§ 359 Nr. 1) haben.

Bew.-Be^ schluh.

344

II. Buch.

2. 3. 4. §

Partei

Bersahren in erster Instanz.

1. Abjchn. Landgerichte § 360.

die Gezeichnung der Leweismittel unter Lenennung der ;u vernehmen­ den Zeugen und Sachverständigen; die Le;eul)nung der Partei, welche sich ;um Nachweise oder ;ur Wider­ legung tatsächlicher Lehauptnngen ans das Leweismittel bernfen hat; die Gidesnorm, wenn die Abnahme eines ;ugeschobenen oder zurückgeschobenen Eides angeordnet wird. 360. (325.) Vor Erledigung des Geweisbeschlnsses kann von keiner eine Änderung desselben auf Grund der früheren Verhandlungen be­

antragt werden. Inhalt bei

8 359.

ichlugcs.

I. Als Inhalt des Beweisbeschlusses sind die in § 359 bezeichneten Punkte vor­ geschrieben. Dieselben entsprechen dem Zwecke der Beweisaufnahme, da sie konstatieren^ über welche Tatsachen, durch welche Mittel und auf wessen Antrag Beweis erhoben, werden soll. Die Nr. 1, hat eine in sich verständliche Angabe der streitigen Tatbehauptung^ wenn auch ohne Bindung an deren Wortlaut, unter Ausscheidung des Unwesentlichen im Sinne. Ein bloßer Hinweis auf einen Schriftsatz oder eine Aktenstelle genügt in der Regel nicht, zumal bei Zeugenbeweis, da hier die Vorschrift des § 377 Nr. 2 eine Ergänzung des Beschlusses nötig machen würde. Indessen wird eine Bezugnahme auf eine bestimmte, nach Anfangs- und Schlußworten zu bezeichnende Aktenstelle nicht ausgeschlossen sein, wobei dann dem § 377 Str. 2 in der Weise zu entsprechen todte, daß auch jene Aktenstelle dem Zeugen mitgeteilt würde. Bei Nr. 2, ist auch, nament­ lich mit Rücksicht auf § 377 eine genaue Angabe des Warnens, des Standes und der Wohnung der Auskunftspersonen geboten. Wo die Unterlagen hierzu fehlen, wirdAnlaß zu einer Fristbestimmung nach § 356 vorliegen. — Die Nr. 4, bezieht sich nur auf die Fälle, wo die Eidesleistung überhaupt durch Beschluß angeordnet werden darf, also auf die Fälle der §§ 461, 595. Die Anhaltspunkte Nr. 1, 2 werden auch bei Anordnung von Amtsermittlungen (8 144 Abs. 2) erforderlich sein.

Änderung des Beiv.»kichiuNes.

§ 360.

Der Beweisbeschluß als bloß prozeßleitende Anordnung bindet weder Gericht noch Parteien. Dies macht sich in folgenden Beziehungen geltend: I. Das Prozeßgericht ist unbehindert, den Beweisbeschluß aufzuheben, abzuändern oder auszusetzen. Ein Anlaß hierzu kann durch verschiedene Um­ stände herbeigeführt werden, insbesondere dadurch, daß das Prozeßgericht seine dem Beweisbeschlusse zugrunde liegende Rechtsansicht ändert, infolge des Ergebnisies den teilweisen Erledigung die weitere für überflüssig erachtet oder während der Ausführung aus Hindernisse (§ 356) stößt. Liegt ein solcher Anlaß vor, so hat das Prozeßgericht von Amts wegen zur mündlichen Verhandlung zu laden und auf Grund derselben durch zu verkündenden Beschluß die erforderliche Änderung auszusprechen. n. Den Parteien gegenüber schneidet § 360, um Störungen oder Verzögerungen bei Erledigung des Beweisbeschlusses vorzubeugen (Begr. 245), die Erhebung von Ände­ rungsanträgen vor der Erledigung ab. Naturgemäß gilt dies nur für Äuträge, dir sich an die frühere, dem Beweisbeschlusfe zugrunde liegende Verhandlung knüpfen, nicht aber für solche Anträge, die fich auf neues Tat- und Beweisvorbringen ober auf sonstige Änderung der Sachlage gründen, wie der Hinweis auf prozessuale Mängel

des Beweisbeschlusses (vgl. RG. 3 S. 369), auf das bereits erzielte Beweisergebnis, auf ein nachträgliches Zugeständnis der Beweistatsachen oder auf einen den Rechts-

Fünfter Titel.

Allgemeine Bestimmungen über die Beweisaufnahme §§ 361, 362.

345

8 861. (326.) Soll die Genmsanfnahme durch ein Mitglied des Proretz­ gerichts erfolgen, so wird bei der Verkündung des Leweisbeschluffes durch den Vorühenden der beauftragte Richter be;eichnet und der Termin ;ur Beweisauf­ nahme bestimmt. Ist die Terminsbestimmung unterblieben, so erfolgt ste durch den beauf­ tragten Richter; wird derselbe verhindert, den Äustrag pt vollziehen, so ernennt -er Vorsthende ein anderes Mitglied. § 362. (327.) Soll die Beweisaufnahme durch ein anderes Gericht er­ folgen, so ist das Ersuchungsschreiben von dem Vorsitzenden zu erlassen. Die auf die Reweisaufnahme sich beziehenden Verhandlungen werden in Urschrift von dem ersuchten Richter dem Gerichtsschreiber des prozetzgerichts

übersendet, welcher die Parteien von dem Eingänge benachrichtigt. streit erledigenden Dispositionsakt (§ 81). In solchen Fällen bietet sich für die An­ träge auch nur in der mündlichen Verhandlung Raum; und deshalb muß die Partei, die den Antrag stellen will, sofern dazu nicht bereits Termin ansteht (§ 370), den Gegner mittels Schriftsatzes laden. Bei Anträgen, die sich offensichtlich nur auf die frühere Verhandlung beziehen, wird sich die Ansetzung des Verhandlungstermins auf Grund des § 360 von vornherein ablehnen lassen (vgl. Eccius Gruchot 29 S. 17, die Kommentare) III. Der § 360 hat, wie der § 359, nur Änderungen des sachlichen Inhalts des Beweisbeschlusses im Auge. In betreff der formellen Aussührungsmaßnahmen (vgl. § 359) oder wegen offenbarer Unrichtigkeiten (§ 319) des Bewei-beschlusses ist das Prozeßgericht jederzeit auch von Amts wegen und ohne mündliche Verhandlung befugt, Abänderungen oder Berichtigungen durch zuzustellenden Beschluß eintreten zu lassen (vgl. RG. 16 S. 411, IW. 94 S. 516, 95 S. 538).

88 361—366.

Auswärtige Beweisaufnahme.

Die Erledigung der Beweisaufnahme durch ein anderes als das Prozeßgericht (§ 355) kann in zwiefacher Weise erfolgen; nämlich entweder so, daß das Prozeßgericht einem seiner Mitglieder solche überträgt oder ein anderes in­ ländisches Gericht darum ersucht, oder so, daß es die Rechtshilfe einer aus­ ländischen Behörde in Anspruch nimmt.

$ornet'g dient zur Abkürzung des Verfahrens und wird allemal da angezeigt sein, wo der Zeitpunkt des Abschlusses der Beweisaufnahme sich im voraus einigermaßen übersehen läßt.

6. Titel.

n|d'-

Lrweis dnrch Augenschein.

Wach, Vortr. S. 200; v. Weveld, zur Lehre vom gerichtlichen Augenschein im ZivProz, (1877); Stein, daS private Wissen des Richters § 6; Langenbeck Busch 2 S. 485; Held­ mann dort 26 S. 410; Heusler ziv. Arch. 62 S. 237; Kohler KritB. 22 S. 471.

Mit dem vorliegenden Titel geht das Gesetzbuch zur Regelung der einzelnen Beweismittel über. I. Dir Augenscheinseinnahme erweist sich nach §§ 271, 272 als eigen­ artige Beweisaufnahme insofern, als sie dem Gericht Gelegenheit gibt, von der

Bornote,

352

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 372.

§ 372. (337.) Das proxeßgericht kann anordnen, daß bei der Einnahme des Augenscheins ein oder mehrere Sachverständige ru;u;iehen seien. Es kann einem Mitgliede des pro;eßgerichts oder einem anderen Gerichte die Einnahme des Augenscheins übertragen, auch die Ernennung der ;usuxiehenden Sachverständigen überlasten. Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsache sich durch eigene Sinneswahrnehmung zu überzeugen, während bei den anderen Beweisen die Überzeugungsquelle dem Gericht von außen her (durch Auskunft Dritter, Urkunden, Parteieid) zugesührt wird. An­ gesichts dessen wird man der Ansicht (vgl. Heusler a. a. O), daß der Augenschein überhaupt nicht als Beweismittel gelten könne, nicht beitreten dürfen (vgl. Wach a. a. O., die Kommentare).

IL Die Vorschriften dieses Titels beschränken sich auf die Antretung (§ 371) und auf die Ausführung des Beweises durch Augenschein. Daneben treten die Be­ stimmungen der §§ 144, 160 Nr. 4, 219 über die Amtsermittlung durch Augen­ schein, über die Protokollierung des Ergebnisses und über den Terminsort der Augen­ scheinseinnahme. § 371.

Eewels«

I Angetreten wird der Beweis durch Augenschein mittels Bezeichnung des zu besichtigenden Gegenstandes und Angabe der zu beweisenden Tatsachen. 1. Als Gegenstände des Augenscheins können naturgemäß nur körperliche Sachen, auf die unmittelbar oder mittelbar der Streit sich bezieht, in Frage kommen (vgl. Begr. S. 247). Hinsichts ihrer Art ist ein Unterschied nicht gemacht, so daß lebende und leblose, bewegliche und unbewegliche Sachen in Betracht kommen können (§ 219). 2. Die Beweistatsachen (§ 359') werden der Natur der Sache nach die Existenz (z. B. einer Grenze oder einer Anlage) oder eine Eigenschaft (z. B. Lage, Größe, Brauchbarkeit, Wert, Identität) des Gegenstandes betreffen. Das Wort Augen­ schein weist zwar nur auf Besichtigung hin; aber andere Sinneswahrnehmungen sind ebenfalls zulässig.

II. Nach § 144 kann die Augenscheineinnahme auch von Amts wegen an­ geordnet werden, wobei das Verfahren sich nach §§ 371, 372 richten soll; und zwar ist eine solche Anordnung in jeder Prozeßlage und zu beliebiger Aufklärung, wenn­ schon nur auf Grundlage des Parteivorbringens, zulässig. Daraus folgt jedoch nicht, daß das Recht der Parteien aus § 371 irgenwie berührt würde. Parteirrcht und Amtsbesugnis gehen nebeneinander her. Der Bcweisantritt der Partei muß allemal gemäß § 285 berücksichtigt werden, soweit die Tatsache rechtsrrheblich, beweisbedürstig und der Augenscheinseinnahme überhaupt zugänglich ist. Daneben darf, wo es an einem wirksamen Beweisantritt fehlt, die Augenscheinseinnahme von Amts wegen an­ geordnet werden (vgl. RG. 4 S. 81, 375 und Gruchot 26 S. 1162, Wach, Vor­ träge S. 77, Planck II a. a. O., Heldmann a. a. O., die Kommentare).

§ 372

"Pcrjahrk».,

L

Für das Verfahren gelten zunächst die allgemeinen Regeln der §§ 355, 359; aber der § 372 sieht gewisse, mit der Eigenart des Beweismittels zusammenhängende Sondervorichriften vor. nbj. i,2. Nach Abs. 1 kann nämlich das Prozeßgericht von Amts wegen Sachver­ ständige zuziehen, um bei der Besichtigung technischen Beirat zu haben. Nach Abs. 2 ist er, wohl im Hinblick auf die Umständlichkeit kollegialer Augenscheinsei«-

Siebenter Titel.

Ae«ge«veweis. § 373. (338.) Die Antretung des Zeugenbeweises erfolgt durch die Deuennung der Zeugen nnd die Ge;eichnung der Tatsachen, über welche die Ver­ nehmung der Zeugen stattfinden soll. nähme, in sein Ermessen gestellt, die Beweisaufnahme kommissarisch bewirken zu lasien.

n. Mit der Augenscheinseinnahme hängt die Frage zusammen, inwieweit der Borleaung;. Besitzer des zu besichtigenden Gegenstandes, sei er Partei oder Dritter, zur Borlegung oder Duldung des Augenscheins verpflichtet ist. Eine Vorschrift hierüber gibt die ZPO. nicht. 1. Soweit aber die Parteien in Betracht kommen, spricht, obwohl die herrschende Meinung dagegen ist, manches für die Annahme, daß die ZPO. stillschweigend von einer derartigen Verpflichtung bezüglich des Streitgegenstandes ausgegangen ist. In der Begr. (S. 247) war bemerkt, daß die Frage einer besonderen Regelung nicht bedürfe, weil es nicht zweifelhaft sei, daß die Parteien den ihrer Verfügung unter­ liegenden Streitgegenstand dem Richter zwecks der Besichtigung vorzuweisen hätten, und gegenüber dieser Motivierung wurde in der RIK. ein Zusatzantrag dahin, daß die zivilrechtlichen Vorschriften über die Exhibitionspflicht nicht berührt würden, auf bie Erklärung der Bundesregierungen, daß dem Entwurf ein Eingriff in diese Vor­ schriften fern liege, zurückgezogen (Prot. 126). Eine gewisse Unterstützung findet jene Annahme doch auch in den §§ 142—144, 4223*,1 423. 2 In den ersteren ist dem Gericht die Amtsbefugnis gegeben, beliebig den Augenschein einzunehmen sowie den Parteien die Vorlegung der von ihnen angezogenen und in ihrem Besitze befindlichen Urkunden, Stammbäume, Pläne, Rifle, Zeichnungen und Handakten aufzugeben, während «s nach den letzteren den Gegner des Beweisführers anhalten darf, nicht nur Urkunden, hinsichts deren eine zivilrechtliche Vorweisungspflicht besteht, sondern auch solche, die -nur im Inhalt gemeinschaftlich für die Parteien sind, vorzulegen (vgl. RG. 12 S. 413, 32 S. 167). Auch die §§ 619, 640, 654, 671, 676 lassen sich heranziehen, wonach in Ehe-, Kindschafts- und Entmündigungssachen ein persönliches Erscheinen Dott Beteiligten vor Gericht angeordnct werden kann. Scheint diesen Vorschriften schon der Rechtsgedanke einer allgemeinen Vorlegungspflicht der Parteien betreffs des Streit­ gegenstandes und darauf bezüglicher Sachen zugrunde zu liegen, so ist in §§ 809 —811 BGB. eine derartige Verpflichtung in Ansehung der Streitsache besonders ausgesprochen. Eine andere Frage ist, wie das Verfahren sich gestaltet. Maßgebend dafür Pnd im allgemeinen die §§ 359, 367, 230, 231. In dem die Augenscheinseinnahme anordnenden Beweisbeschlufle wird aber zugleich der pflichtigen Partei die Vor­ weisung des Streitgegenstandes aufzugeben sein. Versäumt oder verweigert sie die Vorweisung, so hindert sie die Erledigung des Beweises; und dies hat gegenüber dem säumigen Beweisführer den Ausschluß des Beweismittels (§§ 230, 359), in den Fällen der §§ 371, 144 immerhin das zur Folge, daß (entsprechend § 427) freie Würdigung des Verhaltens eintritt. Eine direkte Erzwingung der Vorlegung bleibt allemal aus^eschloflen (vgl. RG. 46 S. 369, IW. 97 S. 628, Planck II a. a. O, Fitting § 57, Hellmann § 89, v. Weveld a. a. O. S. 43, 45, Kohler, prozeßrechtliche Forschungen S. 78, Heldmann a. a. O., die Kommentare). 2. Für einen dritten Besitzer des Streitgegenstandes läßt sich eine prozessuale Vorlegungspflicht aus der ZPO. nicht herleiten. Diesem gegenüber ist, wie bei der ««in6e, ZPO. 6. Aust.

23

354

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 373.

Urkundrnedition (§ 428), die interessierte Partei auf die Klage aus BGB. §§ 80S —811 und auf die ZwBollstreckung angewiesen, zu welchem Behufe sie beim Prozeß­ gericht die Bestimmung einer Frist nachsuchen kann (§ 356).

7. Titel.

Jengrnbeweis.

Heusler ziv. Arch. 62 S. 274. Bornote.

BeweiSantritt.

Der Zeugenbeweis ist ein Beweismittel, durch welches dem Gericht über­ vergangene Tatsachen (§ 414) Auskunft vermöge der Wahrnehmung Dritter gegeben werden soll. Derselbe bildet nach den Lebensverhältnissen eins der bedeutsamsten Be­ weismittel. Dem ist die ZPO. gerecht geworden, indem sie die im französischen Rechte (Code oiv. Art. 1341 ff.) bestimmten Einschränkungen desselben beseitigt hat (vgl. Begr. 200). Vgl. den 8 15 FreiwGG.

§ 373. Die Antretung des Zeugenbeweises erfolgt durch Benennung der Zeugen und" durch Bezeichnung der Auskunftstatsachen.

Zeugenfähigkeit.

I. Wer Zeuge sein kann, ist nicht besonders bestimmt. Aus §§ 373, 393, 449, 451, 472, 473 ergibt sich aber, daß es nur physische Personen, die am Rechts­ streit im Zeitpunkt ihrer Vernehmung als Partei oder als gesetzlicher Vertreter einer solchen (§§ 50—63) nicht beteiligt sind, mithin Dritte, denen gegenüber der Eides­ beweis unstatthaft wäre, sein können (vgl. RG. 2 S. 400, 8 S. 412, 13 S. 416, 17 S. 367, 20 S. 395, 29 S. 344, 45 S. 427, 46 S. 318, 49 S. 425, IW. 92 S. 180, Gruchot 39 S. 1120, RG. 60 S. 86 und IW. 08 S. 529 (Ehemann als Beistand, wenn diese Bezeichnung nur die Zustimmung zur Prozeßfühcung der Frau bedeutet)).

1. Im einzelnen werden Personen, die von Hause aus Parteien oder gesetz­ liche Parteivertreter waren, diese Eigenschaft aber zur Bernehmungszeit nicht mehr besitzen, zulässige Zeugen. Dies gilt z. B- von dem nach §§ 75—77 aus dem Prozeß entlasienen Beklagten, von der nach §§ 265, 266 ausgeschiedenen Partei, von dem durch Trennung (§ 145), rechtskräftige Entscheidung (§§ 300 ff.) oder sonstige Er­ ledigung des Prozesses (§§ 306, 307, 81) ausgeschiedenen Streitgenossen (vgl. RG. 13 S. 416, 29 S. 370, Gruchot 33 S. 1171, BayrObLG. SeuffA. 38 S. 467, Grisebach Busch 21 S. 41). 2. Personen, die nur mittelbar am Rechtsstreit beteiligt sind, wie Mitbe­ rechtigte, Mitverpflichtete, Nebenintervenienten, Litisdenunziaten oder Rechtsvorgänger (z. B. Zedenten), bleiben zulässige Zeugen, solange sie nicht nach §§ 66—77 an Stelle oder als Streitgenossen einer Partei in den Prozeß treten. Dasselbe gilt von Hauptintervenienten mit Bezug auf den Hauptprozeß (vgl. RG. 20 S. 393 und IW. 89 S. 17, Barazetti Bad. Annalen 61 S. 73).

3. Die Nichtbefähigung des gesetzlichen Vertreters dauert so lange, als diese Funktion selbst. Hierher gehören der Inhaber der elterlichen Gewalt, Vor­ münder, Litiskuratoren (§ 57), Pfleger, Borst, her von Korporationen, Gesellschaften oder Genossenschaften in Prozessen der von ihnen Vertretenen (vgl. RG. 2 S. 400, 12 S. 188, 17 S. 367, 45 S. 427 und 46 S. 318 (Mitglieder fiskalischer Kollegial­ behörden), Gruchot 29 S. 1080, SeuffA. 40 S. 364, IW. 92 S. 180, 184, 363). 4. Bei einer offenen Handelsgesellschaft bilden die Gesellschafter (auch solche, die nicht vertretungsberechtigt sind) keine von der Gesellschaft verschiedenen

Siebenter Titel.

Zeugenbeweis § 374.

355

§ 374. (339.) Die Vernehmung neuer Zeugen, welche nach Erlassung eines Deweisbeschlusses bezüglich der in demselben bezeichneten streitigen Tatsachen be­ nannt werden, ist auf Antrag zurückzuweisen, wenn durch die Vernehmung die Erledigung des Rechtsstreite verzögert werden würde und das Gericht die Über­ zeugung gewinnt, daß die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit die Zeugen nicht früher benannt hat. Rechtssubjekte, und sind deshalb zu Zeugen in Prozessen der Gesellschaft nicht befähigt (vgl. RG. 17 S. 367, 32 S. 399, 49 S. 426, IW. 87 S. 16, 39; Wach § 46 in 4, Behrend, HandR. I S. 524, 572, Eccius Goldschmidt 32 S. 1). 5. Beim Konkurse ist nach § 5 KO. in Prozessen, die für die Konkursmasse von deren Verwalter geführt werden, das Zeugnis des Gemeinschuldners nicht unzulässig, da dieser nicht Partei ist (vgl. RG. 29 S. 29, 8 S. 413, IW. 94 S. 315). 6. In Prozessen einer Ehefrau, in denen der Ehemann als Beistand mitklagt oder mitverklagt wird, ist dieser ihr Streitgenosse und kann daher nicht als Zeuge vernommen werden (vgl. RG. 34 S. 237). In Prozessen, in denen nur einer von gütergemeinschaftlichen Ehegatten Partei ist, erscheint dagegen das Zeugnis des anderen Ehegatten zulässig (vgl. RG. Bolze 10 Nr. 783, Gerlach Busch 22 S. 386). 7. Das Rechtsverhältnis als ehemaliger oder gegenwärtiger Prozeßbevoll­ mächtigter einer Partei hindert dessen Zeugnisfähigkeit nicht (vgl. Pfizer Busch 14 S. 293).

II In der Anzahl der für eine Tatsache zu benennenden Zeugen sind die Ze,i,rnz-hl. Parteien nicht beschränkt (vgl. Begr. 247). Deshalb darf das Prozeßgericht von mehreren über eine rechtserhebliche und beweisbedürftige Tatsache angebotenen Zeugen nicht von vornherein den einen oder den anderen ablehnen; erst wenn es durch teil­ weise Vernehmung oder sonstwie die Tatsache für erwiesen oder widerlegt erachtet, kann es nach Maßgabe des § 286 von weiterer Vernehmung absehen. Übrigens ist ein gewisses Korrektiv gegen Benennung überflüssiger Zeugen aus der Kostenvorschrift des § 91 Abs. 1 zu entnehmen. III. Die Bezeichnung der Auskunftstatsachen muß allemal bestimmt und Tatsachen, klar erhellen lassen, um welche Vorgänge es sich handelt. Dabei erscheint aber der Gebrauch von allgemein bekannten Rechtsbegriffen oder von sog. inneren Tatsachen (Kenntnis, Wissenschaft, Willen) nicht ausgeschlossen (vgl. die Note zu § 445, RG. 32 S. 374 und IW. 89 S. 324).

§ 374 Die Regel des § 283 Abs. 1, wonach neue Beweismittel bis zum Schlüsse der dem Urteil voraufgehenden Verhandlung vorgebracht weiden dürfen, erfährt in § 374 (vgl. § 433) mit Bezug auf neue Zeugen, deren Benennung erst nach Verkündung eines Beweisbeschlusses über eine in diesem bezeichnete Tatsache erfolgt, eine Be­ schränkung für den Fall, daß eine frühere Benennung in der Absicht der Prozeßver­ schleppung, oder aus grober Nachlässigkeit unterblieben ist, und daß durch Vernehmung der neuen Zeugen der Rechtsstreit verzögert würde (vgl. RG. Gruchot 30 S. 1128, IW. 93 S. 17). Für § 374 ist demnach kein Raum, wenn die Zeugen nur wieder­ holt oder über neue Tatsachen vorgeschlagrn oder zur Vernehmung gestellt werden (vgl. RG. IW. 93 S. 234), oder wenn aus anderen Gründen eine Hinausschiebung der Entscheidung erfolgen muß (vgl. Begr. 248). Die Folge der verspäteten Benennung besteht in der Zurückweisung der Zeugen. Dazu ist jedoch ein in der mündlichen Verhandlung zu stellender Antrag des

23*

BerspLtete Zeugen.

356

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 375, 376.

8 375. (340.) Die Ausnahme des Zevgenbeweises kann einem Mitgiiede des prozeßgerichts oder einem anderen Gericht übertragen werden: 1. wenn pir Ausmittlung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle dienlich erscheint; 2. wenn die Deweisaufnahme vor dem Pro^eßgericht erheblichen Schwierig­ keiten unterliegen würde; 3. wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem pro;eßgerichte ;u erscheinen; 4. wenn der Zeuge in großer Entfernung von dem Sitze des Proceßgerichts stch aufhält. Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern sind durch ein Mitglied des prozeßgerichts oder durch ein anderes Gericht in ihrer Wohnung )u vernehmen. Das gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Lönigshauses, des vormaligen Lurhessischen und des vormaligen Herzoglich Vastauischen Fürstenhauses. § 376. (341.) Öffentliche Beamte, auch wenn sie nicht mehr im Dienste sind, dürfen über Umstände, auf welche sich ihre Pflicht zur Amtsverschwiegenheit bezieht, als Zeugen nur mit Genehmigung ihrer vorgesetzten Dienstbehörde oder Gegners erforderlich. im Endurteile. Kommissa­ rische Er­ ledigung.

Die Zurückweisung erfolgt durch Zwischenurteil (§ 303) oder

§ 375.

Abs. 1. Eine kommissarische Aufnahme des Zeugenbeweises ist im allgemeinen aus der Erwägung, daß dieser Beweis erleichterter Protokollierung (§ 161) und freier Beweiswürdigung unterliegt, von gewissen Voraussetzungen, wenn auch nur instruktioneller Natur, abhängig gemacht, die in Nr. 1—4 näher bezeichnet sind. Die Nr. 1 beruht darauf, daß eine kollegiale Zengenabhörung an Ort und Stelle in der Regel zu umständlich sein würde. — Bei Nr. 2 ist, wie die Entstehungs­ geschichte (Begr. 249, Prot. 126) ergibt, wesentlich an Schwierigkeiten in der Sache selbst, nicht an solche aus Anlaß der Geschäftslage des Gerichts gedacht. — Bei Nr. 3 können Hindernisse jeder Art, persönliche, dienstliche (vgl. § 382), elemen­ tare usw., und dabei in Betracht kommen, ob der durch das Hindernis veranlaßte Aufschub der kollegialen Vernehmung voraussichtlich ein länger dauernder ist. — Bei Nr. 4 werden für die Frage, ob eine große Entfernung vorliegt, nicht allein der Raumabstand, sondern auch die Art und die Kosten der gegebenen Verkehrswege maß­ gebend sein, während es auf den Umstand, daß der Zeuge einem anderen Bundesstaat angehört, gemäß § 161 GVG. nicht ankommt.

Fürstlich­ keiten.

Amts-

Heimnisse.

Abs. 2. In Abweichung von Abs. 1 ist die kommissarische Vernehmung gewisser Fürst­ lichkeiten in deren Wohnung vorgeschrieben, was dem diesen Personen in § 219 Abs. 2 (vgl. EG. § 5) eingeräumten Vorrecht entspricht. G. v 25. 3. 04 dehnt diese Bestimmung auch auf die Mitglieder des Herzog!. Holsteinschen Fürstenhauses aus.

§ 376. Der § 376 ist von der RIK. ausgenommen, um die ZPO. mit § 53 StPO, in Übereinstimmung zu bringen, und er zielt darauf ab, die Wahrung des Amts-

Zeugenbeweis § 377.

Siebenter Titel.

357

der ihnen ;uletzt vorgesetzt gewesenen Dienstbehörde vernommen werden. Für den Reichskanzler bedarf es der Genehmigung -es Kaisers, für die Minister der Genehmigung des Landesherrn, für die Mitglieder der Senate -er freien Hansestädte -er Genehmigung des Senats. Die Genehmigung darf nur versagt werden, wenn die Äblegung des Veugniffes dem Wohle -es Reülzs oder eines Dundesstaates Rachteil bereiten würde. Die Genehmigung ist durch das prozetzgericht einzuholen und dem Zeugen bekannt zu machen.

§ 377. (342.)

Die Ladung der Zeugen ist von dem Gerichtsschreiber unter Dezugnahme auf den Deweisbeschlutz auszufertigen und von Amts wegen znzusteüen. Die Ladung muß enthalten:

1. die Bezeichnung der Parteien; 2. den Gegenstand der Vernehmung; 3. die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnistes bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Strafen in dem nach Zeit und Ort zu be­ zeichnenden Termine zu erscheinen. geheimnisses in noch stärkerem Maße, als es die Dienstpflicht der Beamten und die Vorschrift des § 383 6 verbürgt, zu sichern (vgl. Prot. 676).

Vorausgesetzt wird, daß öffentliche Beamte, mögen sie auch nicht mehr im Dienste sein, über Umstände, die ihrer Verschwiegenheitspflicht unterliegen, ver­ nommen werden sollen.

Abs. 1.

a) Unter dergleichen Beamten sind, wie Abs. 2 ergibt, solche des Reiches und der Bundesstaaten zu verstehen. Deshalb ist für deren Amtsstellung auf die Ver­ fassung des Reiches (vgl. RG. 35 S. 401 (Gerichtsvollzieher)) oder des bezüglichen Bundesstaates zurückzugehen. Soweit Beamte von Kommunen (Provinzen, Bezirken, Kreisen, Ämtern, Stadt- und Landgemeinden) zugleich Reichs- oder Staatsgeschäste besorgen, gilt die Vorschrift auch für sie.

b) Ob Umstände, die das Amtsgeheimnis berühren, den Vernehmungs­ gegenstand bilden, hat das Prozeßgericht pflichtmäßig zu erwägen, wozu ihm eigene Bedenken oder solche, die der Beamte (ettva auf Grund des § 3836) erhebt, den An­ stoß geben können (§§ 11, 12 RBeamtG. v. 31. 3. 73, vgl. RG. 35 S. 403 (Gerichtsvollziehers). Die Erwägung wird allemal möglichst rechtzeitig, etwa bei Er­ laß des Beweisbeschlusses oder doch vor der Ladung des Zeugen, angezeigt erscheinen. Bestehen danach Zweifel, so werden solche am sichersten durch Rückfrage bei der vor­ gesetzten Dienstbehörde erledigt (vgl. Preuß. AllgBerf. v. 24. 5. 86, JMBl. 137, RGSt. 7 S. 75).

§ 377.

I. Nach § 359 soll der Beweisbeschluß angeben, welche Zeugen und über welche Tatsachen dieselben vernommen werden, und nach §§ 361, 368, 370 soll die Be­ stimmung des Vernehmungstermines durch den Vorsitzenden des Prozeßgerichts oder durch den Kommissar erfolgen. Auf Grund dieser richterlichen Anordnungen hat der Gerichtsschreiber des vernehmenden Gerichts in selbständiger Funktion (vgl. Preuß. GeschAnw. für die Gerichtsschreibereien der Amts-, Land- und Oberlandesgerichte §§ 12 bzw. 11) die Ladung der Zeugen auszufertigen und von Amts wegen zuzu­ stellen (88 208 ff.).

Zeugen­ ladung. Abs. 1.

358

II- Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 378, 379.

§ 378. (343.) Die Ladung einer dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörenden Person des Soldatenstandes als Lenge erfolgt durch Er­ suchen der Militärbehörde. § 379. (344.) Das Gericht kann die Ladung davon abhängig machen, daß der Deweisführer einen Vorschuß ;ur Deckung der Staatskasse wegen der Lurch die Vernehmung des Zeugen erwachsenden Auslagen hinterlegt. Erfolgt die Hinterlegung nicht binnen der bestimmten Frist, so unterbleibt die Ladung, wenn die Hinterlegung nicht so zeitig nachgeholt wird, daß die Vernehmung ohm Verzögerung des Verfahrens erfolgen kann. Die Vollziehung der Ladung erfordert nur die Unterzeichnung des Namens und des Amtscharakters des Gerichtsschreibers (vgl. AllgVerf. des Preuß. IM. v. 31. 10. 81, JMBl. 257). Eine Ladung durch bloße Verkündung derselben mag nach § 218 den Parteien gegenüber genügen, ist aber den Zeugen gegenüber nicht gesetzmäßig (vgl. die Kommentare). Ms. r.

MilitärPersonen.

II. Die Ladung muß, um wirksam zu sein (vgl. § 380 i. E.), die in Abs. 2 bezeichneten Jnhaltspunkte haben. Zu Nr. 2 ist der Zeuge auf den abschriftlich mitzuteilenden Beweisbeschluß zu verweisen. Zu Nr. 3 kommt in Betracht, daß nach § 161 GVG. jedem deutschen Gericht ein unmittelbarer Gerichtszwang gegen jeden Deutschen und jeden im Deutschen Reiche wohnenden Ausländer zusteht. Für die Vernehmung deutscher und ausländischer Exterritorialen werden die §§ 363, 364 maßgebend sein. Etwaige besondere Anordnungen, wie z. B. die Aufforderung zur Besichtigung einer Sache usw-, sind beizufügen. 8

378.

Die Ladung von Militärpersonen soll durch Ersuchen der Militärbehörde erfolgen. Als Militärpersonen kommen nach reichsgesetzlicher Organisation (vgl. Note zu § 14) nur Soldaten des aktiven Heeres und der aktiven Marine, nicht auch Militärbeamte, Zivilbeamte der Militärverwaltung, Reservisten und das Gensdarmeriekorps in Betracht. Die zuständigen Militärbehörden sind im ZBlsdDR. v. 80Nr. 26 (PrJMBl. 80 S. 157) amtlich festgestellt. Das Ersuchen wird sich derart vollziehen, daß der Vorsitzende des Prozeßgerichts die ausgefertigte Ladung der Militärbehörde behufs der Übermittlung zusendet. Die Ausführung ist Sache der Militärbehörde, und deren Mitteilung, daß die Ladung erfolgt sei, muß für deren Nachweis genügen (vgl. § 380 Abs. 4).

Borlchuß.

Ms. i.

§ 379. ■ I Nach § 401 ZPO., § 166 GVG. und § 17 GebO. für Zeugen und Sach­ verständige steht den Auskunstsprrsonen ein Entschädigungsanspruch an die Staatskasse zu. Nun legen zwar die §§ 84, 85 GKG. dem Beweisführer die Verpflichtung auf, einen Auslagenvorschuß zu zahlen. Dadurch wird aber die Staatskasse bezüglich der Zeugenentschädigung nur unvollkommen gedeckt, weil die Ausführung der Beweisauf­ nahme von der Erfüllung der Borfchußpflicht nicht bedingt ist. Deshalb ist in § 379 noch bestimmt, daß das Gericht die Zeugenladuug von Hinterlegung eines Auslagenvorschusscs abhängig machen darf. Für die Anordnung ist (vgl. § 400) nur das Prozeßgrricht zuständig, da die Maßregel auf das Sachergebnis einzuwirken vermag (vgl. OLG. Hamburg und Nürn-

Siebenter Titel.

Zeugenbeweis § 380.

359

§ 380. (345.) Gin ordnungsmäßig geladener Zeuge, welcher nicht erscheint, ist, ohne -aß es eines Antrags bedarf, in die durch das Ausbleiben verursachten -Kosten sowie ;u einer Geldstrafe bis ;u dreihundert Mark und für den Fall, daß diese nidjt beigetrieben werden kann, ;ur Strafe der Hast bis ;u sechs Wochen pi verurteilen. berg SeuffA. 37 Nr. 347 und 39 Nr. 152). Dieselbe kann vom Gegner des Beweisführers, vom Gericht selbst oder von dessen Gerichtsschreiber angeregt und zugleich mit dem Beweisbeschluß oder durch besonderen Beschluß getroffen werden, welcher letztere den Parteien zuzustellen ist (§ 329 Abs. 3). Gerechtfertigt wird sie nur durch die unsichere Vermögenslage des Beweisführers, nicht durch die voraussichtliche Kost­ spieligkeit oder Ergebnislosigkeit der Beweisaufnahme (vgl. RG. 21 S. 395). Jedoch sind ihr nach § 115 Nr. 1 Parteien, denen das Armenrecht bewilligt ist, nicht unter­ worfen (vgl. RG. 42 S. 369). In dem Beschlusse ist der Borschußbetrag und eine Frist zu dessen Hinterlegung gemäß § 356 zu bestimmen. Derselbe unterliegt der Beschwerde nach § 567 nicht (vgl. RG. IW. 99 S. 829, die Kommentare). II. Das weitere Verfahren gestaltet sich, entsprechend den §§ 230, 356, dahin: Die Ladung bleibt einstweilen unausgeführt. Sie erfolgt erst, sofern der Vorschuß innerhalb der Frist oder doch für ihre Ausführung vor dem Beweistermine zeitig genug hinterlegt ist. Andernfalls erfolgt sie überhaupt nicht, und der Beweisführer verliert für die Instanz dos Beweismittel, es sei denn, daß im Termine die Beweis­ aufnahme aus einem anderen Grunde nicht beendigt oder der Zeuge vom Beweis­ führer gestellt wird (vgl. RG. 7 S. 392, IW. 95 S. 380, Gruchot 39 S. 1141).

88 380—383.

Zeugnispflicht.

Abegg, ZeugniSpfltcht und Zeugniszwang (1885).

Den Vorschriften der 88 380, 390 liegt die Annahme einer allgemeinen scrnott. Zeugnispflicht zugrunde. Diese Pflicht ist öffentlich-rechtlicher Natur, da sie zum Schutze der Rechtsordnung dient (vgl. Begr. 250). Sie trifft unterschiedslos Deutsche und die im Deutschen Reiche sich aushaltenden Ausländer. Inhaltlich richtet sie sich auf das Erscheinen zur Vernehmung, auf das Aussagen nach bestem Wissen und Gewissen und aus die Beeidigung des Ausgesagten. Die Verletzung der Pflicht und die Anordnung von Zwangsmitteln kann ein Zwischenverfahren im Gefolge haben, welches unter den Amtsbetrieb gestellt ist.

8 380.

Nichterscheinen.

L Nach Abs. 1 hat der Zeuge auf ordnungsmäßige Ladung (88 377—379) zu -erscheinen. Dies will nach 88 214ff. besagen, daß er zur Terminsstunde am Terminsorte sich einfinden und den Aufruf der Sache abwarten muß. Verletzt er diese Pflicht, ohne sich gehörig zu entschuldigen (8 381), so muß das ladende Gericht (8 400) von Amts wegen Straf- und Zwangs maßregeln gegen ihn in Anwendung bringen. Beim erstmaligen Ausbleiben ist er nach Abs. 1 zu den Terminskosten und zu Geld-, ev. Haftstrafe zu verurteilen. Beim zweitmaligen Ausbleiben ist gegen ihn, wie Abs. 2 jetzt klarstellt, eine solche Strafe nochmals zu erkennen; daneben aber kann feine zwangsweise Vorführung angeordnet werden. Die Strafen bilden nur Ordnungs­ strafen (vgl. § 138 StGB.); deshalb erfolgt die Abmeffung der eventuellen Hastftrase nicht nach §§ 28ff. StGB., sondern nach freiem Ermessen des Gerichts (vgl. Prot. 127).

Regn,

Abs. 1-3.

360

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 381.

Äm Falle wiederholten Ausbleibens ist die Strafe noch einmal ;u erkennen, auch kann die Wangsweife Vorführung des Zeugen angeordnet werden. Gegen diese Beschlüsse findet die Beschwerde statt. Die Festsetzung und die Vollstreckung der Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht, die Vorführung einer solchen Person durch Ersuchen der Militärbehörde. § 381. (346.) Die Verurteilung in Strafe und Losten sowie die An­ ordnung der pvangsweisen Vorführung unterbleiben, wenn das Ausbleiben des Zeugen genügend entschuldigt ist. Erfolgt nachträglich genügende Ent­ schuldigung, so werden die gegen den Zeugen getroffenen Anordnungen wieder aufgehoben. Die Anzeigen und Gesuche des Zeugen können schriftlich oder zum Proto­ kolle des Gerichts schreibers oder mündlich in dem zur Vernehmung bestimmten neuen Termine angebracht werden. II. Die Festsetzung obiger Maßregeln erfolgt durch Beschluß des ladenden Gerichts, gegen den, und zwar auch seitens der an der Vernehmung interessierten Partei (vgl. RG. Gruchot 35 S. 1193), die einfache Beschwerde mit aufschiebender Wirkung stattfindet (Abs. 3, § 572). III. Die Vollziehung der Straf- und Zwangsmaßregeln ist Sache des laden­ den Gerichts (vgl. GVG. § 181, StPO. § 36). bzw. des Vorsitzenden. Speziell die Vollstreckung der Geldstrafe erfolgt laut § 495 StPO, in Gemäßheit der ZPO., die der Haftstrafe nach § 18 StGB., jedoch unter Ausschluß der §§ 904—913 ZPO., die Vorführung des Zeugen durch Beauftragung eines Gerichtsvollziehers. Militär. Personen.

Ent­ schuldigung.

Abs. 4. Abweichend von Abs. 1—3 ist gegenüber Militärpersonen der aktiven Land- und Seemacht die Zuständigkeit des Zivilgerichts beschränkt, augenscheinlich mit Rücksicht auf die Disziplin und die Konkurrenz der Militärstrafgerichtsbarkeit (vgl. MilStGB. § 92). Die Abweichung greift weiter, als nach § 378 bei der Zeugenladung; sie trifft alle Militärpersonen, also auch Militärbeamte und Zivil­ beamte der Militärverwaltung, und weist die Festsetzung und Vollstreckung der Strafen dem Militärgericht, die Vorführung der Militärbehörde zu. Wegen der Reflortverhältnisse vgl. die Bek. im ZBlfdDR. v. 80 Nr. 26 (PrJMBl. 80 S. 159). Im übrigen erfolgt das Einschreiten der militärischen Amtsstelle auch hier auf Ersuchen des Zivilgerichts, welches das Ausbleiben des Zeugen zu konstatieren und die erforder­ liche Straf- oder Zwangsmaßregel zu bezeichnen hat; und ebenso bleibt hinsichts Auferlegung der Terminskosten die Zuständigkeit des Zivilgerichts unberührt (vgl. §§ 752, 790).

§ 381. Die in § 380 angedrohten Maßregeln können unterbleiben oder wieder aufge­ hoben werden, falls der Zeuge sein Ausbleiben genügend entschuldigt. Die Entschuldigung kann mündlich im Bernehmungstermine, aber auch vor- oder nachher schriftlich oder zum Gerichtsschreiberprotokoll erfolgen (Abs. 2). Ob der vorgebrachte Entschuldigungsgrund genügt, ist konkret zu prüfen; er kann aus den verschiedensten Umständen, elementarer, physischer, gewerblicher oder beruflicher Behinderung, ver­ späteter Ladung, dem Recht zur Zeugnisverweigerung (§ 386 Abs. 3), entnommen werden, bedarf aber der Glaubhaftmachung. Vom Zeugen kann nicht verlangt werden.

Siebenter Titel.

Zeugenbeweis §§ 382, 383.

361

§ 382. (347.) Der Reichskanzler, die Minister eines Lundesstaates, die Mitglieder der Senate der freien Hansestädte, die Vorstände der obersten Reichsbehörden und die Vorstände der Ministerien sind an ihrem Amtssitze oder, wenn sie sich außerhalb desselben aufhalten, an ihrem Aufenthaltsorte zu vernehmen. Die Mitglieder des Hundesrats sind während ihres Aufenthalts am Litze des Hundesrats an diesem Litze, die Mitglieder einer deutschen gesetzgebenden Versammlung während der Sitzungsperiode und ihres Aufenthalts am Orte der Versammlung an diesem Orte zu vernehmen. Bit einer Abweichung von den vorstehenden Hestimmungen bedarf es: in Hetreff des Reichskanzlers der Genehmigung des Kaisers, in Hetreff der Minister und der Mitglieder des Hundesrats der Ge­ nehmigung des Landesherrn, in Hetreff der Mitglieder der Senate der freien Hansestädte der Ge­ nehmigung des Senats, in Hetreff der übrigen vorbezeichneten Heamten der Genehmigung ihres unmittelbaren Vorgesetzten, in Hetreff der Mitglieder einer gesetzgebenden Versammlung der Ge­ nehmigung der letzteren.

§ 383.

(348.)

Bur Verweigerung des Beugniffrs sind berechtigt :

1. der Verlobte einer Partei; 2. der Ehegatte einer Partei, auch wenn die Che nicht mehr besteht; daß er zum Zweck der Glaubhaftmachung seiner Entschuldigung Kosten aufwende (RG. 56 S. 80). Dem Gericht bleibt überlassen, etwaige Beweise zu erheben (RG. 54 S. 430; a. M. Gaupp-Stein).

§ 382.

Hohe

Beamte ufn>.

Von wem die Genehmigung nachznsuchen, sagt das Gesetz nicht; doch wird es, entsprechend dem § 376 Abs. 3, durch daß Prozeßgericht zu geschehen haben, übrigens eine Naclisuchung seitens des Beweisführers oder des Zeugen selbst nicht ausge­ schlossen sein. Bei den bezüglichen Zeugenklassen kommt noch folgendes in Betracht: Dem Reichskanzler steht dessen Stellvertreter (G. v. 17. 3. 78, § 2) gleich. — Vor­ stände oberster Reichsbehörden sind die Staatssekretäre des Auswärtigen Amts, des Reichsamts des Innern, des Reichsmarineamts, des Reichsjustizamts, des Reichsschatzamts und des Reichspostamts, die Präsidenten des Reichsgerichts, des Reichsbankdirektoriums, des Rechnungshofes des Deutschen Reiches und des Reichs­ eisenbahnamts, der Statthalter und der Staatssekretär von Elsaß-Lothringen, der Vorstand der Verwaltung der Reichseisenbahnen. — Vorstände der Ministerien kommen in kleineren Bundesstaaten, die nur einen Minister haben, vor. — Für die Genehmigung einer gesetzgebenden Versammlung wird ein Beschluß derselben erforder­ lich sein.

88

I.

383—390.

Zeugnisverweigerung.

Gegenüber der allgemeinen Zeugnispflicht gewähren die 88 383—385 dem Zeugen aus gewissen Gründen, die insgesamt darauf beruhen, daß demselben aus der Erfüllung der Zeugnispflicht eine Kollision mit anderen Pflichten entstehen könnte, ein

Bonwtc.

362

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

I. Abschn. Landgerichte § 383.

3. diejenigen, weiche mit einer Partei in gerader Linie verwandt, ver­ schwägert oder durch Adoption verbunden, oder in der Seitenlinie bis pim dritten Grade verwandt oder bis pim Weiten Grade verschwägert stnd, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwägerschaft begründet ich nicht mehr besteht; 4. Geistliche in Ansehung desjenigen, was ihnen bei der Ausübung der Seelsorge anvertrant ist; 5. Personen, welchen Kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tat­ sachen anvertraut sind, deren Geheimhaltung durch die Natur derselben oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Getreff der Tatsachen, auf welche die Verpstichtung ;ur Verschwiegenheit sich begeht. Die unter Vr. 1—3 bezeichneten Personen smd vor der Vernehmung über r Recht zur Verweigerung des Zeugnisses zu belehren. Die Vernehmnug der Vr. 4, 5 bezeichneten Personen ist, auch wenn das Zeugnis nicht verweigert wird, auf Tatsachen nicht zu richten, in Ansehung welcher erhellt, dast ohne Verletzung der Verpstichtung zur Verschwiegenheit ein Zeugnis nicht abgelegt werden kann.

Recht zur Verweigerung des Zeugnisses einschließlich der Beeidigung der Aussage (§ 390). Im einzelnen betrachtet, charakterisieren sich die Weigerungsgründe nach mehrfachen Richtungen hin. In Ansehung der Tragweite berechtigen diejenigen aus § 383 zur Ablehnung der Verpflichtung überhaupt, diejenigen aus § 384 nur zur Ablehnung gewisser Fragen. In Ansehung des Grundes des Weigerungsrechts ergibt sich, daß dasselbe in den Fällen der §§ 383 Nr. 1—4 und 384 Nr. 1, 2 auf einem besonderen Verhältnisse des Zeugen zu einer Partei, in den Fällen der §§ 383 Nr. 5 und 384 Nr. 3 auf einem besonderen Verhältnisse des Zeugen zur Beweisfrage be­ ruht. In Ansehung der Weigerungsfälle aus §§ 383 Nr. 1 — 3 und 384 Nr. 1, 4, 5 ist in § 385 wieder Line gewisse Einschränkung vorgesehen. Zu bemerken ist noch, was aus dem Gesetze nicht ohne weiteres hervortritt, daß nichts entgegensteht, das Weigerungsrecht auch nach teilweiser oder völliger Ablegung des Zeugnisses noch in betreff der weiteren oder wiederholten Aussage oder der Be­ eidigung des Ausgesagten geltend zu machen (vgl. RG. IW. 89 S. 432). Vgl. StPO. §§ 51, 52, 57.

II. Die Ausübung der Zeugnisweigerung kann ein präjudizielles Zwischen­ verfahren mit sich führen. Solches ist in §§ 386—390 geregelt.

Zeugnis«aolehnung.

§ 383 Abs. 1. Zur Zeugnisverweigerung überhaupt sollen die unter Nr. 1—5 bezeichneten Fälle berechtigen.

Gründe.

In Nr. 1 ist unter Verlöbnis nicht bloß ein rechtsgültiges (BGB. § 1297), sondern jedes ernstlich bestehende und nicht rein unsittliche Eheversprechen zu verstehen (vgl. zu 8 51 Nr. 1 StPO. RGSt. 14 S. 7, 24 S. 155, 31 S. 142).

In Nr. 2, 3 entsprechen die Weigerungsfälle denjenigen aus § 41 Nr. 2, 3. Sie können auch im Verhältnis des Zeugen zu beiden Parteien vorkommen. Zu Nr. 3 vgl. Art. 33 EGzBGB. und RG. IW. 03 S. 25.

§ 384. (349.) Vas Veugnis kann verweigert werden: 1. über Fragen, deren Beantwortung dem Zeugen oder einer Person, px welcher derselbe in einem der im § 383 Ar. 1—3 bezeichneten Ver­ hältnisse steht, einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden ver­ ursachen würde; In Nr. 4 sind unter Geistlichen Personen aller Bekenntnisse, die unter Autorität des Staates die Seelsorge ausüben, zu verstehen. Die Vorschrift soll das Seelsorgergeheimnis in allen Fällen, also auch außerhalb der Beichte, schützen (vgl. PrALR. II, 11 88 80—82, RG. SeuffA. 39 Nr. 58).

Die Nr. 5 bezweckt den Schutz des Geheimnisses für dasjenige, was einem Zeugen im bürgerlichen Leben, vermöge seines Amtes, seines Standes oder seines Gewerbes anvertraut, und zu dessen Geheimhaltung er gesetzlich oder natur­ gemäß verpflichtet ist (vgl. RG. 53 S. 315). — Der Begriff des Amtes wird (enger in § 376) auf alle öffentlichen Ämter, also nicht bloß aus den Reicks- und Staats­ dienst, sondern auch auf den Kommunaldienst jeder Art sich beziehen lassen (vgl. StGB. 8 359, GVG. § 200, RG. IW. 02 167). Es gilt gleich, ob dem Zeugen von der Partei etwas anvertraut ist, oder ob das durch die Anstellung gewährte Vertrauen ihm die Möglichkeit der Kenntnisnahme eröffnet hat (RG. 54 S. 1, 361). — Für Stand oder Gewerbe kommen die in § 300 StGB, bezeichneten Personen (Rechtsanwälte, Notare, Verteidiger, Ärzte, Wundärzte, Apotheker, Hebamnien nebst deren Gehilfen) und Mäkler in Betracht, vgl. IW. 93 S. 6. Vgl. aus der Praxis mit Bezug auf Rechtsanwälte RG. 30 S. 382, 50 S. 253, IW. 93 S. 17, 347, 559, 94 S. 119, 95 S. 519, Gruchot 38 S. 497; auf Notare RG. Gruchot 38 S. 741, und RG. 53 S. 168, IW. 05 S. 28; auf das Gewerbe RG. 53 S. 40 (Prokurist), 15 (Auskunftsbureau); endlich auf naturgemäße Geheimnisse RG. 33 S. 362, 53 S. 315 (Arzt in Ehesache), IW. 95 S. 324.

Abs. 2, 3.

Kautelen.

Die Abs. 2, 3 sehen noch gewisse Kautelen zugunsten der nach Abs. 1 zu wahrenden Interessen vor. Nach Abs. 2 sollen Zeugen im Sinne der Nr. 1—3 vor der (tendenzgemäß doch wohl jedesmaligen) Vernehmung über ihr Weigerungsrecht belehrt werden (vgl. § 51 StPO.) Aus § 160 Nr. 3 ergibt sich, daß die erfolgte Belehrung zu Protokoll sestzustellen ist (vgl. RGSt. 2 S. 217, 5 S. 266). Nach Abs. 3 soll bei Zeugen aus Nr. 4, 5 in jedem Falle, mögen sie aus Un­ kenntnis oder sonstigem Grund ihr Weigerungsrecht selbst nicht ausüben, von Amts wegen die Stellung solcher Fragen unterlassen werden, deren Beantwortung ougenscheinlich nicht ohne Bruch des Geheimnisses möglich wäre (vgl. Prot. 127). Die vorstehenden Kautelen dürften nach ihrem Zwecke als zwingende Ordnungs­ bestimmungen anzusehen, ihre Verletzung daher im Rechtsmittelwege anfechtbar sein .

Ausnahmen.

Abs. 1.

Nach Abs. 1 dürfen Personen, die laut §§ 383 Nr. 1—3 und 384 Nr. 1 an sich zur Zeugnisweigerung berechtigt sind, dieses Recht gegenüber den unter N r. 1—4 bezeichneten Punkten nicht geltend machen.

Die Nr. 1 hat wohl nicht bloß beurkundete sondern auch andere Rechtsgeschäfte, sowie Zeugen, die zum Beweise solcher von einem Beteiligten zugezogen gewesen sind, im Auge (vgl. RG. IW. 93 S. 17).

In Nr. 2 ist der Begriff der Familienmitgliedschaft im weitesten Sinne zu nehmen, so daß er Blutsverwandtschaft, Schwägerschaft , und Adoption umfaßt. Die Nr. 3 setzt Vermögensangelegenheiten voraus, die ihren Rechtsbestandund Rechtsgrund in der Familiengemeinschast finden (vgl. RG. 40 S. 345 (Mit­ gistversprechen), Bolze 11 Nr. 782, IW. 94 S. 279, 313, 516, 95 S. 8, 02 S. 20). Die Ausnahme in Nr. 4 beruht auf der Erwägung, daß den Rechtsvor­ gängern und bett Vertretern einer Partei, sofern letztere im Rechtsstreite selbst nicht die Vertretung führen, nach §§ 449, 473 der Eid nicht zugeschoben werden

Siebenter Titel.

Zeugenbeweis § 386.

365

§ 386. (351.) Der Leuge, welcher das Leugnis verweigert, hat vor dem ;n seiner Vernehmung bestimmten Termine schriftlich oder ;um Protokolle des

Gerichtsschreibers oder in diesem Termine die Tatsachen, auf welche er die Weigerung gründet, anzugeben und glaubhaft ;u machen. Bur Glaubhaftmachung genügt in den Fällen des § 383 Mr. 4, 5 die mit Berufung auf einen geleisteten Diensteid abgegebene Versicherung. Hat der Beuge seine Weigerung schriftlich oder zum Protokolle des Gerichtsfchreibers erklärt, so ist er nicht verpflichtet, in dem ;u seiner Vernehmung bestimmten Termine pt erscheinen. Von dem Eingänge einer Erklärung des Beugen oder von der Aufnahme einer solchen ptm Protokolle hat der Gerichtsschreiber die Parteien ;u benach­

richtigen. barf. Dabei kommen alle zivilrechtlichen Fälle der Rechtssukzession (vgl. RG. IW. 94 S. 140, 95 S. 294) und alle materiell- und prozeßrcchtlichen, gewillkürten und gesetzlichen Fälle der Stellvertretung in Betracht, während nur solche Rechtshand­ lungen beachtlich sind, die mit Bezug auf das streitige Rechtsverhältnis vorgenommen find, nicht auch Wahrnehmungen, die sonstwie gemacht sind (vgl. RG. 47 S. 430, 53 S. 111 (Ehefrau), Richter Busch 23 S. 291).

Abs. 2 Nach Abs. 2 dürfen die in § 383 Nr. 4, 5 bezeichneten Personen das Zeugnis nicht ablehnen, sofern sie von der Geheimhaltungspflicht rechtswirksam ent­ bunden sind. Von wem und wie dies zu geschehen hat, bestimmt sich nach dem für das Prozeßgericht maßgebenden öffentlichen oder Privatrechte. Bei Notaren von den Beteiligten des Notariatakts, indem jedoch der Konkursverwalter, der zu entscheiden hat, wo sein Berfügungsrecht in Frage ist (RG. 59 S. 85). Bei Beamten ist die vorgesetzte Dienstbehörde (§ 376), bei Privatgeheimnissen diejenige Person, die an solchen interessiert ist, dazu befugt (vgl. StGB. § 300, Prot. 127). Die Einholung der Entbindung erfolgt durch das Gericht (§ 376), durch den Beweisführer oder durch den Zeugen selbst.

88

386—390.

Verfahren bei ZeugniLweigerung.

Meyer Busch 17 S. 459.

Die prozessuale Behandlung der Zeugnisweigerung ist verschieden ausge- somotc. ftaltet, je nachdem die Weigerung mit oder ohne Angabe von Gründen erfolgt. Im ersteren Falle ist zunächst über die Rechtmäßigkeit der Gründe zu entscheiden (§§ 386—389), und erst nach rechtskräftiger Verwerfung derselben werden Straf- und Zwangsmittel statthaft (8 390). Im letzteren Falle kann sogleich mit Straf- und Zwangsmaßnahmen vorgegangen werden (§ 390).

88 386

389.

Erfolgt eine Zeugnisweigerung mit Angabe eines Grundes,

Motivierte so ist zu Ebetgerunz.

unterscheiden, ob der Bernehmungstermin vor dem Prozeßgericht, §§ 386—388, oder vor einem Kommissar, § 389, ansteht.

I. Vor dem Prozeßgericht gestaltet das Verfahren sich dahin: a) Nach § 386 hat der Zeuge seine Weigemng, unter Angabe und Glaubhaftmachung der begründenden Tatsachen, vor dem Termine schriftlich oder zum Gerichts-

§ 386.

366

II. Buch.

§ 387.

Verfahren in erster Instanz.

(352.)

1. Abschn. Landgerichte §§ 387—389.

Über die Rechtmäßigkeit der Weigenmg wird von deur

pro;eßgerichte nach Anhörung der Parteien entschieden. Der Zeuge ist nicht verpflichtet, sidj durch einen Anwalt vertreten;u lassen. Gegen das Zwischennrteil findet sofortige Deschwerde flatt. § 388. (353.) Hat der Zeuge seine Weigerung schriftlich oder ;um Proto­ kolle des Gerichtsschreibers erklärt und ist er in dem Termine nicht erschienen, so hat auf Grund seiner Erklärungen ein Mitglied des pro;eßgerichts Gericht zu erstatten. § 389. (354.) Erfolgt die Weigerung vor einem beauftragten oder er­ suchten Richter, so find die Erklärungen des Zeugen, wenn sie nicht schriftlich oder ;um Protokolle des Gerichtsschreibers abgegeben sind, nebst den Erklärungen der Parteien in das Protokoll anftunehmen. Zur mündlichen Verhandlung vor dem pro;eßgerichte werden der Zeuge und die Parteien von Amts wegen geladen. Auf Grund der von dem Zeugen und den Parteien abgegebenen Er­ klärungen hat ein Mitglied des pro;eßgerichts Gericht ;n erstatten. Rach dem Vorträge des Gerichterstatters können der Zeuge und die Parteien ;ur Gegründung ihrer Anträge das Wort nehmen; neue Tatsachen oder Geweismittet dürfen nicht geltend gemacht werden. schreiberprotokoll oder auch in dem Termine mündlich anzubringen (Abs. 1). Ersternfalls ist er vom Erscheinen entbunden (Abs. 3), und der Gerichtsschreiber soll von der Anbringung der Weigerung den Parteien Mitteilung machen (Abs. 4). § 387. b) Nach § 387 entscheidet das Prozetzgericht über die Weigerung nach An­ hörung der Parteien, für die kein Anwaltszwang besteht, durch ein mittels sofortiger Beschwerde anfechtbares Zwischenurteil (Abs. 1—3). Dabei kommen folgende Fälle in Betracht: Wird im Beweistermine der Weige­ rungsgrund vom Beweisführer und vom Gegner (§ 399) anerkannt, so fällt die Zeugenvernehmung hinweg (vgl. RG. Gruchot 30 S. 1128). — Wenn eine oder beide Parteien widersprechen oder ausbleiben, so entsteht über die Recht­ mäßigkeit der Weigerung ein Zwischen st reit (§§ 214, 303) zwischen dem Zeugen und den Parteien (vgl. RG. Gruchot 39 S. 1143), worin letztere, da nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist, als notwendige Streitgenossen gelten (§ 62). Das Verfahren unterliegt dem Amtsbetriebe, was namentlich auch für die Ladung des Zeugen gilt (vgl. RG. IW. 99 S. 74). Für ein Versäumnisverfahren ist kein Raum (vgl. § 347); doch muß dem Zeugen im Termine Gelegenheit gegeben werden, die Weigerung zu begründen, zu ergänzen und glaubhaft zu machen (vgl. RG. IW. 99 S. 74). Wenn derselbe ausbleibt, aber vorher seine Weigerung motiviert hat, so § 388. erstattet ein Mitglied des Prozeßgerichts schriftlich oder mündlich Bericht (§ 388). Den Parteien muß allemal Gelegenheit gegeben werden, ihren Widerspruch geltend zu machen. Die Entscheidung ist nach Lage der Sache zu treffen (vgl. RG. IW. 96 S. 586). Es kann zunächst gemäß § 294 Beweis erhoben werden, wobei zur Glaub­ haftmachung für Beamte in den Fällen des § 383 Nr. 4, 5 die Versicherung auf § 386 den Diensteid genügt. Ein Zwischenurteil ist erforderlich, weil es präjudiziell darauf Abs. 2. ankommt, das der Beweisaufnahme entgegenstehende Hindernis aus der Welt zu schaffen (vgl. RG. 13 S. 414, Gruchot 41 S. 1180 [§ 295]). Das Urteil hat den vorgeschützten Weigerungsgrund für erheblich oder für unerheblich zu erklären (§ 390). Den Parteien steht die sofortige Beschwerde nur dann zu, wenn die Weige­ rung für erheblich erNärt ist, da ein Jntereffe an Nichtvernehmung des Zeugen (vom

Siebenter Titel.

Zeugenbeweis § 390.

367

K 390. (355.) Wird das Zeugnis oder die Eidesleistung ohne Angabe eines Grundes oder, nachdem -er vorgeschützte Grund rechtskräftig für uner­ heblich erklärt ist, verweigert, so ist der Zeuge, ohne daß es eines Antrags be­ darf, in die durch die Weigerung verursachten Losten sowie px einer Geldstrafe bis pt dreihundert Mark und für den Fall, daß diese nicht beigetrieben werden kann, zur Strafe der Haft bis pt sechs Wochen pi verurteilen. Hm Falle wiederholter Weigerung ist auf Antrag pir Erzwingung des Zeugnisses die Haft anzuordnen, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Beendigung -es Prozesses in der Instanz hinaus. Die Vorschriften über die Hast im Zwangsvollstreckungsverfahren finden entsprechende Anwendung. Gegen diese Beschlüsse findet die Deschwerde statt. Die Festsetzung und die Vollstreckung -er Strafe gegen eine -em aktiven Heere oder -er aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das MU'itärgericht. Falle des § 399 abgesehen) für sie nicht ersichtlich ist (vgl. RG. 20 S. 378, Gruchot 34 S. 750, 39 S. 1143, IW. 95 S. 165). Die Beschwerde hat für den Zeugen, wie der Eingang des § 390 („rechtskräftig") ergibt, ausschiebende Wirkung. II. Bei kommissarischer Vernehmung ist das Verfahren dahin geregelt (vgl. RG. IW. 96 S. 130). Bor dem Kommissar ist nur festzustellen, ob es zum Zwischenstreit kommt, und, falls dies geschieht, der Streitstoff für die vor dem Prozeßgericht zu bewirkende Ver­ handlung zu sammeln. Hierbei greift die Eventualmaxime Platz (Abs. 1, 3); denn im Termine muß zum gerichtlichen Protokolle vom Zeugen die Weigerung, soweit es noch nicht geschehen, motiviert, von den Parteien der Widerspruch dargelegt werden, tatsächlich und im Beweispunkte. — Falls der eine oder andere Beteiligte nicht er­ scheint oder sich nicht vollständig ausläßt, hat er die Entscheidung nach Lage der Sache zu gewärtigen (Abs. 1). Alsdann sendet der Kommissar die Akten dem Prozeßgericht ein, welches von Amts wegen die Beteiligten zur Verhandlung ladet (Abs. 2). Diese bildet im Grunde ein schriftliches Verfahren, indem richterliche Berichterstattung über das vor dem Kommissar Verhandelte stattfindet und den Beteiligten nur noch Rechtsausführungen offenstehen (Abs. 3). Im weiteren gestaltet sich das Verfahren wie zu I.

8 390. Abs. 1—3. Der § 390 sieht Zwangs- und Strafmaßregeln gegen solche Personen vor, die das Zeugnis ohne Angabe von Gründen verweigert haben, oder deren Weige­ rungsgrund rechtskräftig verworfen ist. 1. Im letzteren Falle erlangt das Prozeßgericht von der rechtskräftigen Ver­ werfung entweder durch die Prozeßakten oder durch Anzeige einer Partei Kenntnis. Damit kommt es in die Lage, behufs Durchführung der Beweisaufnahme von Amts wegen den Zeugen zu einem neuen Vernehmungstermine zu laden (vgl. Planck II § 111, 3c, die Kommentare, RG. IW. 01 S. 399). Verweigert der Zeuge in diesem neuen Termine abermals sein Zeugnis, so darf er (vgl. § 767 Abs. 2) sich auf neue Gründe nur insoweit stützen, als diese nachträglich entstanden sind (vgl. RG. IW. 89 S. 169, Planck a. a. O., die Kommentare). 2. In beiden Fällen des Abs. 1 ist er von Amts wegen zunächst (Abs. 1) zu den Kosten der Weigerung und zu Geld- eventuell Haftstrafe zu verurteilen. Hält er

§ 38».

Grundlose Weigerung.

368

IL Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 391, 392.

§ 391. (356.) Jeder Zeuge ist, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, zu beeidigen. Die Parteien können auf die Beeidigung verzichten.

§ 392. (357.) Die Beeidigung erfolgt nach der Vernehmung. Mehrere Zeugen können gleichzeitig beeidigt werden. Die Eidesnorm geht dahin, daß der Zeuge nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen habe. in einem weiteren Termine (Abs. 2) die Weigerung aufrecht, so soll die Haft gegen ihn angeordnet werden, aber nur auf Parteiantrag, während ohne solchen das Be­ weismittel in Wegfall kommt (§ 367). Die Anordnung erfolgt durch Beschluß, die Vollstreckung nach Maßgabe der §§ 904—913, so daß der Antragsteller auch zur Vorschiebung der Hastkosten verbunden ist (§ 911). Die Zwangshaft endet, sobald der Zeuge seiner Pflicht genügt oder der Beweisführer auf denselben verzichtet, sonst mit der Instanz oder nach sechsmonatiger Dauer (§ 913), selbst wenn sie in höherer Instanz erneuert ist (vgl. Prot. 129). Gegen obige Straf- und Zwangsmaßregeln gewährt Abs. 3 die einfache, übrigens nach § 572 mit ausschiebender Wirkung auSgestattete Beschwerde.

Abs. 4. Die Abweichungen in dem Verfahren gegen Militärpersonen entsprechen dem 8 380 Abs. 4.

Ecridigung. Siesel.

§ 391. Abs. 1. a) Der Gesetzgeber erblickt in der eidlichen Vernehmung eine angemessene Be­ schränkung der dem Prozeßgericht nach § 286 zustehenden freien Beweiswürdigung. Daher bildet die Beeidigung, von den Fällen der §§ 391 Abs. 2, 393 abgesehen, die zwingende Voraussetzung der gesetzmäßigen Beweisaufnahme (vgl. Begr. 256, RG. 8 S. 406, 10 S. 416, 13 S. 416, 15 S. 343, Gruchot 28 S. 1150, 29 S. 1098, 37 S. 1260; anders nach § 15 FreiwGG).

Zcrzichl.

Abs. 2. Die Beeidigung unterliegt dem Verzicht der Parteien. Dies gilt nur inso­ weit, als nicht das öffentliche Interesse konkurriert; daher nicht in Ehe-, Kindschaftsund Entmündigungssachen (§§ 617, 670 — 686). Der Prozeßbevollmächtigte ist ver­ möge der Vollmacht gesetzlich zum Verzicht befugt (8 81). Immer ist ein Verzicht seitens beider Parteien erforderlich (vgl. 8 399). Derselbe wirkt nur für die 1. Instanz (vgl. RG. IW. 93 S. 306).

«Sitesformcl.

8 392

Darf der Zeuge nach 8 384 nur die Beantwortung einzelner Fragen ab­ lehnen, so ist vor der Beeidigung protokollarisch festzustellen, daß diese auf jene Frage sich nicht beziehe, oder in die Eidesformel ein entsprechender Vorbehalt aufzunehmen (vgl. Begr. 255, RG. 23 S. 134). Betreffs der wiederholten Beeidigung s. den 8 398 Abs. 3, betreffs des Verfahrens bei der Eid es ab nähme die 88 478 ff. Wegen der Form der Eidesleistung vgl. 8 481. Durch die Streichung der Worte „nichts hinzugesetzt" sollte keine Änderung in der Bedeutung der Eidesformel bewirkt werden (RTDrucksachen, 249. Sitzung, S. 8204 ff.).

§ 393. (358.) Unbeeidigt find ;n vernehmen: 1. Personen, welche ;ur Zeit der Vernehmung das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet oder wegen mangelnder Verstandesreife oder wegen Verstandesschwäche von dem Wesen und der Vedeutung des Gides keine genügende Vorstellung haben; 2. Personen, welche nach den Lestimmungen der Strafgesetze unfähig find, als Zeugen eidlich vernommen zu werden; 3. die nach § 383 ttr. 1—3 und § 384 Vr. 1, 2 zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, sofern sie von diesem Rechte keinen Gebrauch machen, die im § 384 Vr. 1, 2 bezeichneten Personen jedoch nur dann, wenn sie lediglich über solche Tatsachen vorgeschlagen sind, auf welche sich das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses bezieht;

4. Personen, welche ein rechtliches Interesse daran haben, daß in dem Rechtsstreite die eine Partei obsiege, Personen, welche einen in dem Rechtsstreite geltend gemachten Anspruch übertragen haben, auch dann, wenn sie zur Gewährleistung nicht verpflichtet sind. Das Prozeßgericht kann die Beeidigung der unter den beiden letzten Nummern bezeichneten Personen anordnen. § 393. Abs. 1. I. Nach Abs. 1 sollen gewisse Zeugen unbeeidigt vernommen werden. Der Grund der Ausnahme liegt bei den Fällen der Nr. 1, 2 in natürlicher oder -rechtlicher Eidesunfähigkeit der Zeugen, bei den Fällen der Nr. 3, 4 in einem Ver­ hältnis derselben zu den Parteien oder zum Rechtsstreite. In Nr. 1 ist die Eidesmündigkeit auf Vollendung des 16. Lebensjahres gestellt. Ob der an sich eidesmündige Zeuge die zur Eidesleistung erforderliche Verftandesreife hat, ist auf Grund informatorischer Vernehmung festzustellen. Die Nr. 2 weist auf § 161 StGB, zurück, wonach bei jeder Verurteilung wegen Meineids außer den Fällen der §§ 157, 158 zugleich die dauernde Unfähigkeit des Verurteilten, eidlich als Zeuge oder Sachverständiger vernommen zu werden, aus­ gesprochen werden soll. Die Nr. 3 hängt mit den §§ 383 Nr. 1—3 und 384 Nr. 1, 2 eng zusammen und bestimmt, daß, sofern die danach zur vollen oder teilweisen Zeugnisweigerung Berechtigten von ihrem Rechte keinen Gebrauch machen, immerhin ihre Beeidigung ausgesetzt werden soll. Auf die Fälle des § 385 findet der § 393 keine Anwendung (vgl. RG. IW. 89 S. 402, 93 S. 17). Bezieht sich die Vernehmung nur zum Teil auf Fragen im Sinne der Nr. 3, so ist die Beeidigung insoweit zu unterlassen, im übrigen zu bewirken (vgl. RG. 23 S. 130, a. M. Herz IW. 97 S. 265). In Nr. 4 ist der Ausdruck „rechtliches Interesse" dem § 66 entsprechend ge­ wählt (KommB. S. 53). n. Die Vorschrift des Abs. 1 erscheint nach der Sprachweise des Gesetzes iptb mach der Natur der Sache nicht zwingend, so daß eine Verletzung derselben keinen Revisionsgrund abgibt. Sie ist andrerseits bedeutungslos für die Frage, ob die Zeugen überhaupt ver­ nommen werden dürfen, und welcher Beweiswert ihrer unbeeidigten Aussage beizumesien ist. Denn an sich zulässig müssen die Zeugen nach § 373 sein. Hinsichts des Beweiswerts ihrer Bekundung ist ein Ausschluß der Regel des § 286 nicht vorReincke, ZPO. 6. Ausl.

24

Unbeeidigte Zeugen.

II. Buch.

370

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 394—396.

§ 394. (359.) Leder Leuge ist einzeln und in Abwesenheit der später abzuhörenden Leuge» pt vernehmen. Leugen, deren Aussagen sich widersprechen, können einander gegenüber­ gestellt werden. § 395. (360.) Die Vernehmung beginnt damit, daß der Leuge über Vor­ namen und Lunamen, Alter, Religionsbekenntnis, Aland oder Gewerbe und Wohnort befragt wird. Erforderlichenfalls sind ihm Fragen über solche Um­ stände, welche seine Glaubwürdigkeit in der vorliegenden Sache betreffen, ins­ besondere über seine Deffehnngen ;u den Parteien vor;ulegen. § 396. (361.) Der Leuge ist ;u veranlassen, dasjenige, was ihm von dem Gegenstände seiner Vernehmung bekannt ist, im Lusammenhange anxugeben. Bar Aufklärung und pir Vervollständigung der Aussage, sowie pir Er­ forschung des Grundes, auf welchem die Wissenschaft des Zeugen beruht, sind nötigenfalls weitere Fragen xu stellen. Der Vorsitzende hat jedem Mitgliede des Gerichts auf Verlangen pt ge­ statten, Fragen;u stellen. gesehen, so daß der § 393 das Gericht nicht hindert, auch dem unbeeideten Zeugen, vollen Glauben zu schenken (vgl. Begr. 256, RG. 8 S. 406, 10 S. 416, Gruchot 28 S. 1149, 29 S. 1100, IW. 94 S. 399).

Abs. 2. Bei Zeugen im Sinne des Abs. 1 Nr. 3, 4 läßt der Abs. 2 die Beeidigung zu. Das Gesetz Hat dabei nicht ein moralisches Zwangsmittel gegenüber verdächtigen Zeugen im Auge, sondern will nur der Aussage unverdächtiger Zeugen noch größeren Beweiswert verschaffen. Vor der Now v. 09 hieß es „nachträgliche Beeidigung"; aber auch jetzt noch wird die Frage der Beeidigung in der mündlichen Verhandlung zu. erörtern sein (RG. 34 S. 358).

§ 394.

Zeugen­ vernehmung. Einzeln.

Konfron­ tation.

Nach Abs. 1 sollen die Zeugen einzeln und in Abwesenheit der später abzuhörenden Zeugen vernommen werden. Die Vorschrift dürfte, als auf dem öffentlichen Interesse beruhend, zwingender Natur sein. Nach Abs. 2 können jedoch Zeugen, deren Aussagen sich widersprechen, einandergegenüber gestellt werden. Die Anordnung steht im sachdienlichen Ermessen des Gerichts (vgl. § 398), so daß die Nichtberücksichtigung eines bezüglichen Parteiantrages keinen Revisionsgrund abgibt. Die Anwesenheit abgehörter Zeugen bei Vernehmung anderer ist im Ge­ setze nicht untersagt, kann daher vom Gerichte gestattet werden. I

§ 395.

Generalvernehmung.

Die Abhörung beginnt naturgemäß mit der Ermittlung der persönlichen Verhältnifle des Zeugen (sog. Generalvernehmung), bei der sich unter Umständen Fragen betreffs der die Glaubwürdigkeit bedingenden Verhältnisse (§§ 383—385) benötigen können. Die Vorschrift will besagen, daß die Erforschung der persönlichen Berhältniffe nur insoweit erfolgen soll, als es die Sachlage erheischt (vgl. RGSt. 3 S. 100)..

§ 396.

Sachvernehmung.

Abs. 1, 2.

Demnächst ist der Zeuge aufzufordern, seine Wiffenschaft zur Sache, d. h.. über die Beweisfrage, im Zusammenhänge anzugeben, nötigenfalls seine Angaben zm I.

Siebenter Titel.

Zeugenbpweis §§ 397—399.

371

§ 397. (362.) Die Parteien sind berechtigt, dem Leugen diejenigen Fragen voriegen ;u lassen, welche sie ;ur Aufklärung der Lache oder der Verhältnisse des Leugen für dienlich erachten. Der Vorsitzende kann den Parteien gestatten, und hat ihren Anwälten auf Verlangen ;u gestatten, an den Leugen unmittelbar Fragen ;u richten. Zweifel über die Lulässigkeit einer Frage entscheidet das Gericht. § 398. (363.) Das prozeßgericht kann nach seinem Ermessen die wieder­ holte Vernehmung eines Leugen anordnen. Hat ein beauftragter oder ersuchter Richter bei der Vernehmung die Stellung der von einer Partei angeregten Frage verweigert, so kann das prozesigericht die nachträgliche Vernehmung des Leugen über diese Frage anordnen. Gei der wiederholten oder der nachträglichen Vernehmung kann der Richter statt -er nochmaligen Deeidigung den Leugen die Richtigkeit seiner Aussage unter Derufung auf den früher geleisteten Cid versichern lassen. § 399. (364.) Die Partei kann auf einen Lengen, welchen sie vorge­ schlagen hat, verrichten, der Gegner kann aber verlangen, daß der erschienene vervollständigen oder aufzuMren, auch den Gmnd seiner Kenntnis darzulegen (Abs. 1, 2). Die Form der Aussage ist systemgemäß die mündliche, wobei aber eine Auf­ zeichnung des Zeugen verwertet werden darf (vgl. RG. 16 S. 116, Gruchot 30 S. 1131, 41 S. 850). Eine bloße Bezugnahme auf eine schriftliche Erklärung des Zeugen ist unzulässig (RG. IW. 04 S. 363).

II. Die Vernehmung ist Sache des Vorsitzenden. Aber dieser hat (Abs. 3) hinterher jedem Beisitzer die Stellung direkter Fragen an den Zeugen zu gestatten, ohne daß ihm zuvor deren Inhalt angegeben wird.

«bj. z.

§ 397.

Fragerecht der Parteien.

Für die Zulässigkeit einer Frage kommt es darauf an, ob dieselbe innerhalb des Rahmens des Tatsächlichen und des Beweisbeschlusses liegt, ob der Zeuge zur Ver­ weigerung der Aussage berechtigt ist, oder ob Rücksichten der Sittlichkeit entgegen­ stehen. Die Sachdienlichkeit der Frage bleibt außer Betracht. In jedem Falle dürfen nur mündliche Fragen Berücksichtigung finden (vgl. RG. IW. 86 S. 90).

8 398.

Wiederholte Vernehmung.

I. Mit diesen Vorschriften soll die Kasuistik früherer Prozeßrechte (vgl. PrAGO. m,.2. I, 10 88 210 ff.) beseitigt werden (Begr. 257). Anlaß zu wiederholter Vernehmung (Reexamination) können Mängel der ersten Vernehmung, das Verlangen des Zeugen selbst oder Umstände im Gericht (Richterwechsel, Vergessen der ersten, nichtprotokollierten Aussage) bieten. Immerhin wird die Nichtberücksichtigung von Parteianträgen auf wiederholte oder nachträgliche Abhörung keinen Revisionsgrund abgeben (vgl. RG. IW. 84 S. 111). n. Nach Abs. 3 nehmung statt erneuter den Zeugen die neue RG. 9 S. 377, IW. es sich nicht um ein 02 S. 216).

kann das Gericht bei wiederholter oder nachträglicher VerBeeidigung (die ja unter Umständen wirkungsvoller sein könnte), Aussage auf den früheren Eid versichern laffen (vgl. 94 S. 589). Dabei ist aber naturgemäß Voraussetzung, daß anderes Beweisthema handelt (vgl. RG. 48 S. 386, IW.

Abs. 3.

372

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 400, 401.

Zeuge vernommen und, wenn die Vernehmung bereits begonnen hat, daß die­ selbe fortgesetzt werde. § 400. (365.) Der mit der Beweisaufnahme betraute Richter ist er­ mächtigt, im Falle des Nichterscheinens oder der Zeugnisverweigerung die gesetz­ lichen Verfügungen ;u treffen, auch dieselben, soweit dieses überhaupt zulässig ist, selbst nach Erledigung des Auftrags wieder auftuheben, über die Zulässigkeit einer dem Zeugen vorgelegten Frage vorläufig zu entscheiden und die nochmalige Vernehmung eines Zeugen vorzunehmen. § 401. (366.) Zeder Zeuge hat nach Maßgabe der Gebührenordnung auf Entschädigung für Zeitversäumnis und, wenn sein Erscheinen eine Reise er­ forderlich macht, auf Erstattung der Losten Anspruch, welche durch die Reise und den Aufenthalt am Orte der Vernehmung verursacht werden. Verziclt.

§ 399. Da die ZPO. abweichend von dem gemeinrechtlichen Grundsätze der Gemein­ schaftlichkeit der produzierten Beweismittel (vgl. Wetzell § 25 Note 4) die Aufnahme der Beweise auf Anbieten einer Partei erfolgen läßt (§ 359), räumt sie dieser auch das Recht ein, auf den angebotenen Zeugen jederzeit zu verzichten (§ 399). Dabei ist jedoch eine auf Vereinfachung des Verfahrens abzielende Bestimmung vorgesehen. An sich müßte nämlich der Gegner, der die Vernehmung eines von der anderen Partei aufgegebenen Zeugen wünscht, diesen erst seinerseits Vorschlägen und das Gericht dessen Vernehmung gemäß § 358 beschließen. Dem will § 399 unter der Voraussetzung, daß im Beweistermine der Zeuge erschienen ist, vorbeugen, indem er bestimmt, daß ungeachtet des Verzichts des Beweisführers der Gegner die so­ fortige Vernehmung oder Weitervernehmung verlangen darf. Somit bedeutet § 399 nicht, daß der Beweisführer etwa nur mit Zustimmung des Gegners auf den er­ schienenen Zeugen verzichten könnte, sondern, daß der Gegner den Verzicht durch sein Verlangen unwirksam machen kann. Sonst steht dem Gegner wegen Beiseitelassung eines von der anderen Partei benannten Zeugen eine Beschwerde nicht zu (vgl. RG. JÄ. 88 .S. 383).

Rechte des Kommissars

§ 400.

I. Der mit der Zeugenvernehmung betraute Richter ist (vgl. § 366) an sich nur Beauftragter des Prozeßgerichts, und als solcher zu denjenigen Handlungen, welche die Erledigung des Auftrages ohne weiteres mit sich bringt, befugt. Im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens weist ihm indes § 400 gewisse selbständige Befugnisse zu, soweit es sich um prozeßleitende Akte und um provisorische, ohne mündliche Verhandlung zulässige Entscheidungen handelt (vgl. Begr. 332). Im einzelnen darf er a) gegen Zeugen, die ohne genügende Entschuldigung ausbleiben oder das Zeugnis ohne Angabe eines Grundes oder nach rechtskräftiger Verwerfung des ange­ gebenen Grundes abermals weigern, gemäß §§ 380 bzw. 390 Straf- und Zwangsmittel verhängen, auch die verhängten Maßregeln, selbst wenn der Auf­ trag inzwischen erledigt ist, wieder aufheben; b) über die Zulässigkeit einer Frage, die von einer Partei oder einem Sachwalter dem Zeugen vorgelegt wird, gemäß § 397 vorläufig entscheiden (vgl. RG. IW. 89 S. 20); c) einen kommissarisch vernommenen Zeugen nochmals vernehmen (vgl. § 398). II. Inwieweit kommissarische Anordnungen aus § 400 der Änderung durch das Prozeßgericht oder durch Beschwerde unterliegen, bestimmt sich nach § 576.

Achter Titel.

Beweis durch Sachverständige. § 402. (367.) Auf den Beweis durch Sachverständige finden die Vor­ schriften über den Beweis durch Zeugen entsprechende Anwendung, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen enthalten smd. § 401. Nach § 401 darf jeder Zeuge für die Zeitversäumnis und die Reise­ kosten, welche die Erfüllung der Zeugenpflicht ihm verursacht, eine Entschädigung nach Maßgabe der Gebühren-Ordnung beanspruchen. Als solche ist im wesentlichen die GebL>. für Zeugen und Sachver­ ständige v. 30. 6. 78, jetzt in der Fassung vom 20. 5. 98, maßgebend. Danach erhält der Zeuge auf sein Verlangen aus der Staatskasse eine zwischen gewissen Höchst- nnd Mindestsätzen sich bewegende Entschädigung für Zeitverlust und Reise­ kosten. Die Entschädigung wird von dem vernehmenden Gericht, sei es das Prozeß­ gericht oder ein Richterkommiflar, festgesetzt. Gegen die Festsetzung findet nach § 17 Beschwerde ans §§ 567—575 ZPO. (nicht nach § 576, vgl. RG. 17 S. 352), bzw. § 4 Abs. 3 GKG. statt. Im ordentlichen Rechtswege kann die Entschädigung nicht geltend gemacht werden (vgl. RG. 43 S. 48). Dieselbe verjährt binnen drei Monaten. Dabei kommt noch der § 166 GBG. in Betracht, nach welchem für die Höhe der Zeugengebühren die am Orte des ladenden Gerichts geltenden Bestimmungen ent­ scheiden sollen, es sei denn, daß die Sätze am Aufenthaltsorte der Zeugen fich höher stellen, andrerseits jeder Zeuge bei weiterer Entfernung seines Aufenthaltsortes vom Vernehmungsorte einen Vorschuß aus der Staatskasse fordern darf.

8. Titel.

Zeug^-Ent« schädigung.

Beweis durch Sachverständige.

Obermeyer, Lehre von den Sachverständigen (1880); Birkmeyer Holtzendorsf's Nechtslexikon III S. 512; v. Canstein Busch 2 S. 328; Langenbect dort 4 S. 489; Heusler ziv. Arck. 62 S. 243; Wendt dort 63 S. 269; Stein, das private Wissen des Richters (1893); Hegeler ziv. Arch. 104 S. 151.

I. Die Sachverständigen bilden die zweite Gruppe der Auskunstspersonen. Der Beweis durch Zeugen (vgl. Vornote zu Tit. 7) soll dem Richter Auskunft über streitige vergangene Tatsachen vermöge der Wahrnehmungen Dritter verschaffen. Aber der Richter kann in die Lage kommen, betreffs eines ihm bereits vor­ liegenden Tatmaterials von Dritten eine Auskunft zu erheischen, die eine be­ sondere Sachkunde voraussetzt. Das Tatmaterial kann ein körperlicher Gegen­ stand, aber auch eine festgestellte oder als festgestellt angenommene (vgl. RG. IW. 03 S. 66) Tatsache sein. Die Auskunft kann sich auf Besichtigung oder Erprobung des Gegenstandes, bzw. auf Beurteilung der Beweisbedeutung der Tatsache richten. Die besondere Sachkunde kann wiffenschaftliche, künstlerische, technische oder gewerbliche (im weitesten Sinne) Fragen berühren. Aus diesen Momenten tritt die Beziehung des Beweises durch Sachverständige zu dem Beweise durch Augenschein hervor (vgl. Z8 144, 372). In vorstehender Weise saßt auch die ZPO. den Sachverständigenbeweis auf. Dies ergibt der 8 414 in Verbindung mit der Begr. (S. 258). Letztere bemerkt: wo die Begutachtung feststehender oder als feststehend angenommener Tatsachen, welche eine

Bornoie. Begriff,

374

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 403, 404.

§ 403. (368.) Die Antretung -es Deweises erfolgt durch die Bezeichnung der zu begutachtenden Punkte. § 404. (369.) Die Auswahl der zuzuziehenden Aachverständigen und die Bestimmung ihrer Anzahl erfolgt durch das prozejzgericht. Dasselbe kann sich besondere Sachkunde erfordern, in Frage komme, sei der Richter, falls er sich selber die Sachkunde nicht zutraue, auf den Beirat Dritter angewiesen, und insofern seien die Sachverständigen Gehilfen des Richters, da sie ihm ein zur Vorbereitung der richterlichen Entscheidung dienendes Urteil lieferten.

Wesentlich handelt eS sich beim Sachverständigenbeweise um allgemeine Er­ fahrungssätze. Mehrfache Vorschriften der ZPO. lassen erkennen, daß der Richter solche Ersahrungssätze aus eigener Kenntnis schöpfen darf, ohne zur Heranziehung von Sachverständigen verpflichtet zu sein. Dahin gehören die §§ 3, 142, 287, 293, 372, 403, 442, denen noch die §§ 118, 187 GVG. und mannigfache Vorschriften anderer Gesetze (vgl. § 13 EGzZPO.) hinzutreten. Nur in gewissen Sonderfällen macht die ZPO. dem Richter die Einholung von sachverständigem Gutachten zur Pflicht (vgl. §§ 655, 671, 676, 679; Stein a. a. O. S. 74). Bewei«miitrl.

II. Der Sachverständigcnbeweis wird von der ZPO., entsprechend dem Beweise bürd) Augenschein (§§ 144, 371), teils als amtliches Aufklärungsmittel, teils als Parteibeweismittel verwertet. Für das gegenseitige Verhältnis dieser beiden Gruppen gilt wesentlich das zu § 371 Bemerkte. Beide sind unabhängig von­ einander. Durch die Amtsbefugnis des Gerichts, in jeder Prozeßlage zwecks beliebiger Ausklärung Sachverständige zu hören, darf das Recht der Parteien, über streitige Behauptungen Sachverständigenbeweis anzutreten, nicht unwirksam gemacht oder auf den Wert einer bloßen Anregung herabgedrückt werden; vielmehr muß der Beweis­ antritt als solcher immerhin nach Maßgabe des § 286 Berücksichtigung finden, inso­ weit die Tatbehauptung erheblich, beweisbedürftig und für den Sachverständigenbeweis geeignet ist. Nur wo es an einem wirksamen Beweisantritt der Parteien fehlt, kann noch von Amts wegen eine Begutachtung durch Sachverständige eingeholt werden (vgl. RG. 4 S. 81. 375, 7 S. 389). Die Amtsbefugnis ist übrigens dem Beweisantritt gegenüber noch insofern verstärkt, als die Auswahl der Sachverständigen regelmäßig dem Gericht überlaffen ist (§ 404).

Grundsatz.

Auf das Verfahren beim Sachverständigenbcweise sollen nach § 402 (§ 144 Abs. 2) die Vorschriften über den Zeugenbeweis (als verwandtes Beweismittel, Begr. 258) entsprechende Anwendung finden, soweit nicht die weiteren Vorschriften dieses Titels Abweichungen vorsehen. Als anwendbar dürften sich die §§ 375 Abs. 1, 376—379 (vgl. RG. 7 S. 389), 386—389, 394 Abs. 2 (nicht Abs. 1, vgl. RG. 8 S. 345), 395—398, 400 ergeben. Aus der Bezugnahme des § 402 auf den Zeugenbeweis folgt, daß unter den Voraussetzungen des § 375 die Gerichte durch Berwaltungsvorschriften nicht gehindert sind, ein anderes Gericht um Vernehmung von Sachverständigen zu ersuchen (vgl. RG. IW. 09 S. 22).

Beweis-

§ 403.

§ 402.

Der Beweisantritt beschränkt sich hier auf Bezeichnung der zu begut­ achtende« Punkte, weil für die Benennung der Sachverständigen nach § 404 kein Raum ist (vgl. RG. Gruchot 31 S. 876).

Achter Titel.

Beweis durch Sachverständige § 405.

375

auf die Ernennung eines einzigen Sachverständigen beschränken. Vs kann an Stelle der zuerst ernannten Sachverständigen andere ernennen. Sind für gewisse Arten von Gutachten Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nvr dann gewählt werden, wenn besondere Umstände ts erfordern. Das Gericht kann die Parteien auffordern, Personen zu bezeichnen, welche geeignet find, als Sachverständige vernommen zu werden. Einigen sich die Parteien über bestimmte Personen als Sachverständige, so hat das Gericht dieser Einigung Folge zu geben; das Gericht kann jedoch die Wahl der Parteien auf eine bestimmte Anzahl beschränken. § 405. (370.) Das Prozeßgericht kann den mit -er Deweisaufnahme be­ trauten Richter zur Ernennung der Sachverständigen ermächtigen. Derselbe hat § 404.

Auswahl.

I Da dem Sachverständigenbeweise wesentlich das Bedürfnis des Gerichts nach Abs. i. Beihilfe Sachkundiger zugrunde liegt, so ist in Abs. 1 die Auswahl der Sach­ verständigen nach Zahl und Personen dem Ermessen des Prozeßgerichts über­ lassen, dergestalt, daß es sich auch mit einem Gutachter begnügen und an Stelle der .zuerst ernannten beliebig andere Personen ernennen darf. Aus der Ausübung dieses Ermessens kann daher keinesfalls ein Anfcchtungsgrund hergeleitet werden (vgl. RG. Gruchot 40 S. 926, 41 S. 1006). II. Nach Abs. 2 sollen öffentlich bestellte Sachverständige (vgl. § 407) sitf.2. regelmäßig den Vorzug erhalten. Dies beruht auf der Erwägung, daß derartigen Personen präsumtiv besondere Tüchtigkeit zur Seite steht, und daß durch deren Be­ vorzugung für andere Personen der Begutachtungszwang (§§ 407, 408) erleichtert wird. Voraussetzung ist dabei, daß die öffentliche Bestellung für den Bezirk des Prozcßgerichts gilt (vgl. Prot. 140). Vgl. den § 49 G. über das Urheberrecht v. 19. 6. 01, betreffend die Bildung von Sachverständigen-Kammern (RGBl. 227), nnd dazu Bek. des RKanzlers v. 13. 9. 01 (ZBlsdDR. 337). Die Vorschrift hat ersichtlich nur instruktionelle Bedeutung. HI . Nach Abs. 3 kann das Prozeßgericht aber auch die Parteien zur Be- atf.3. zeichnung von Sachverständigen auffordern. Die Vorschrift ist für die Parteien im Hinblick auf die Beschränkung des Beweisantritts und auf Abs. 4 nicht ohne Be­ deutung. IV. Nach Abs. 4 wird das Wahlrecht des Gerichts durch eine Vereinbarung Abs. 4. bcr Parteien über bestimmte Sachverständige ausgeschloffen. Diese Vorschrift hängt mit dem Berfügungsrechte der Parteien über den Rechtsstreit zusammen. Nur bie Zahl der Sachverständigen bleibt auch hier der Bestimmung des Gerichts Vor­ behalten. V. Die vorgedachten Prozeßhandlungen des Gerichts und der Parteien sind systemgemäß in die mündliche Verhandlung und den auf dieselbe ergehenden Be­ weisbeschluß zu verweisen. Die Praxis ist freilich im Jntereffe der Vereinfachung des Verfahrens geneigt, dieselben auch außerhalb der mündlichen Verhandlung zuzulaffen. § 405 Dem Kommissar stehen obige Befugniffe des Prozeßgerichts an sich nicht zu. Nach § 405 darf dieses ihm aber das Recht zur Ernennung der Sachverständigen übertragen. Dazu dient der Beweisbeschluß, wobei es genügt, daß ganz allgemein die Vernehmung von Sachverständigm durch einen Kommiffar angeordnet wird.

Kommissar.

376

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 406.

in diesem Falle die in dem vorstehenden Paragraphen dem pro;estgerichte bei­ gelegten Befugnisse aus;uüben. § 406. (371.) Ein Sachverständiger kann aus denselben Gründen, welche ptr Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Ein Ablehnungs­ grund kann jedoch nicht daraus entnommen werden, daß der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist. Das Ablehnungsgesuch ist bei demjenigen Gericht oder Richter, von welchem die Ernennung des Sachverständigen erfolgt ist, vor der Vernehmung desselben, bei schriftlicher Begutachtung vor erfolgter Einreichung des Gutachtens anzu­ bringen. Rach diesem Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässtg, wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Ablehnungsgrund vorher nicht geltend gemacht werden konnte. Das Ablehnungsgesuch kann vor dem Gerichtsschreiber zu Protokoll erklärt werden. Der Äblehnungsgrund ist glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eider Statt darf die Partei nicht zugelassen werden. Die Entscheidung erfolgt von dem im zweiten Absätze bezeichneten Gericht oder Richter; eine vorgängige mündliche Verhandlung der beteiligten ist nicht erforderlich. Gegen den Beschluß, durch welchen die Ablehnung für begründet erklärt wird, findet kein Rechtsmittel; gegen den Beschluß, durch welchen dieselbe für unbegründet erklärt wird, findet sofortige Leschwerde statt. Mit der Übertragung gehen die Befugnisse des Prozeßgerichts aus § 404 auf den Kommissar über. Entsteht vor diesem mit Bezug auf Abs. 4 dort Streit, so hat er die Sache zur Verhandlung an das Prozeßgcricht abzugeben (§ 366). Sofern er gemäß § 365 einen anderen Richter requiriert, gehen auf diesen die fraglichen Be­ fugnisse weiter über. Ablehnung.

§ 406.

I Nach Abs. 1 darf der vom Gericht ernannte Sachverständige, da er als Ge­ hilfe des Richters gilt, wie dieser aus den Gründen der §§ 41, 42, abgesehen von Nr. 5 des § 41, abgelehnt werden. Für die Ablehnung aus § 42 (Befangenheit) sind auch hier die konkreten Umstände maßgebend (vgl. RG. IW. 86 S. 444, 94 S 574 (Parteilichkeit), 96 S. 398, 03 S. 67 (dauernde Beziehung zwischen Partei und Gut­ achter)). Mangelnde Sachkunde hat als Ablehnungsgrund keine Aufnahme gefunden (vgl. Begr. 259, RG. Grnchot 30 S. 1028). Abi. 2-5. II Nach Abs. 2—5 ist das Ablehnungsverfahren demjenigen aus §§ 43 —46 nachgebildet. Zuständig ist das Gericht oder der Richterkommissar, von dem die Ernennung des Sachverständigen ausgegangen ist. Das Gesuch unterliegt nicht dem Anwaltszwange, muß aber vor der Vernehmung des Sachverständigen und bei schrift­ licher Begutachtung (§ 411) vor Einreichung des Gutachtens angebracht werden (vgl. RG. 43 S. 400, IW. 03 S. 48), es sei denn, daß bis dahin die Geltendmachung nicht möglich war, obgleich mit der gebotenen Sorgfalt Erkundigungen über die Person deS Sachverständigen eingezogen waren (RG. 64 S. 432, auch IW. 07 S. 52). Betreffs der Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes ist der Abs. 2 des § 44, wonach das Zeugnis des Abgelehnten genügen soll, im Hinblick auf mögliche Kollusionen nicht über­ nommen ; ein solches Zeugnis fällt daher unter die Regel des § 286. Die Anordnung mündlicher Verhandlung steht im Ermessen des Gerichts. Die Entscheidung erfolgt Abi. i.

§ 407. (372.) Der pim Sachverständigen Ernannte hat -er Ernennung Folge zu leisten, wenn er;ur Erstattung von Gutachten -er erforderten Art öffentlich bestellt ist oder wenn er die Wiffenschaft, die Gunst oder das Gewerbe, deren Lenntnis Voraussetzung der Äegvtachtvng ist, öffentlich zum Erwerbe aus­ übt oder wenn er zur Ausübung derselben öffentlich bestellt oder ermächtigt ist. Zur Erstattung des Gutachtens ist auch dersenige verpflichtet, welcher stch ;u derselben vor Gericht bereit erklärt hat. § 408. (373.) Dieselben Gründe, welche einen Zeugen berechtigen, das Zeugnis |tt verweigern, berechtigen einen Sachverständigen ;ur Verweigerung dnrch Beschluß und ist, falls der Ablehnung stattgegeben wird, unanfechtbar, andernfalls durch sofortige Beschwerde, aber nur seitens des Gesuchstellers, anfechtbar (vgl. RG. 35 S. 420 [wettere SB.], Gruchot 41 S. 190). Die in erster Instanz versäumte Ablehnung kann in der Berufungsinstanz nach­ geholt werden (RG. 66 S. 277). Ist die Prozeßlage derartig, daß unmittelber nach dem Beschluß das Urteil erlassen werden müßte, so wird es eines besonderen Be­ schlusses, welcher die Ablehnung als unbegründet erklärt, nicht bedürfen, weil eine be­ sondere Anfechtung des Beschlusses nach § 548 unzulässig wäre (vgl. IW. 06 S. 572, anders RG. 60 S. 110).

III. In betreff der Ablehnung eines Dolmetschers vgl. den § 193 GVG.

8 407.

I. Eine der Zeugenpflicht entsprechende allgemeine Begutachtungspflicht ist naturgemäß nicht vorgeschrieben. Verpflichtung auf, nämlich

SBegut. achtung?»

rMt.

Nur drei Personenklassen legt § 407 eine solche

1. nach Abs. 1 solchen, die zur Erstattung von Gutachten der fraglichen Art öffentlich bestellt sind (vgl. § 404 Abs. 2). Die Bestellung muß seitens einer zuständigen Reichs- oder Landesbehörde erfolgt fein. Es kommen dabei insbesondere die sog. gerichtlichen, d. h. gerichtlich ein- für allemal vereidigten Sachverständigen (Gerichtsärzte, Taxatoren u. a.) in Betracht (vgl. Markus Busch 13 S. 338); 2. nach Abs. 1 solchen, welche die für die Begutachtung erforderliche Sachkunde öffentlich entweder zum Erwerbe ausüben oder zur Ausübung bestellt oder ermächtigt sind (vgl. Tit. 2 zu H der GewO., RG. 50 S. 391 [Privatangestellte]); 3. nach Abs. 2 solchen, die sich zur Begutachtung vor Gericht (ausdrücklich oder stillschweigend bereit erklärt haben.

II. Der § 407 bezieht sich nach seinem Wortsinn nur aus physische Personen. Die Einholung eines Gutachtens von Fachbehörden und Fachvereinen, die nach der StPO. (§§ 83, 91, 92, 255) und anderen RGesetzen (z. B. über das Urheberrecht v. 19. 6. 01 § 49, über Patente v. 7. 4. 91 § 18) zulässig ist, hat hier keine besondere Berücksichtigung gefunden, dürfte deshalb nicht ausgeschloflen fein (vgl. § 411, RG. 6 S. 337, 44 S. 151, Allg. Sers, des Preuß. JMin. v. 5. 7. 82, JMBl. S. 199). 8 408.

Ausnahmen.

I Der Abs. 1 gibt zunächst den Sachverständigen das Recht, aus denselben Gründen, wie Zeugen es dürfen, §§ 383—385, die Begutachtung zu ver­ weigern, ermächtigt aber weiter auch das Gericht, aus anderen Gründen den Sachverständigen von der Begutachtung zu entbinden, teils um etwaige Härten

Abs. i.

378

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 409.

des Gutachtens. Das Gericht kann auch aus anderen Gründen einen Sach­ verständigen von der Verpstichtnng ;ur Erstattung des Gutachtens entbinden. Die Vernehmung eines öffentlichen {Beamten als Sachverständigen findet nicht statt, wenn die vorgesetzte {Behörde -es {Beamten erklärt, Latz die Ver­ nehmung den dienstlichen Äntereffen Nachteile bereiten würde.

Wer bei einer richterlichen Entscheidung mitgewirkt hat, soll über Fragen, die den Gegenstand der Entscheidung gebildet haben, nicht als Sachverständiger vernommen werden. § 409. (374.) Im Falle des Nichterscheinens oder der Weigerung eines ;ur Erstattung des Gutachtens verpstichteten Sachverständigen wird dieser xum Ersätze -er Losten und ;u einer Geldstrafe bis ;u dreihundert Mark verurteilt. Lm Falle wiederholten Nngehorsams kann noch einmal eine! Geldstrafe bis ;u sechshundert Mark erkannt werden. Gegen den {Beschluß findet {Beschwerde statt. Die Festsetzung und die Vollstreckung der Strafe gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson erfolgt auf Ersuchen durch das Militärgericht.

Abs. 2.

Abi. s.

ausgleichen (vgl. Begr. 260), teils um Personen von ungenügender Sachkunde be­ seitigen zu können. II. Außerdem soll nach Abs. 2 die gutachtliche Vernehmung eines öffent­ lichen Beamten (§ 376) nicht stattfinden, sofern die vorgesetzte Behörde er­ klärt, daß die Vernehmung den dienstlichen Interessen nachteilig sein würde. Hierbei ist an Zeitmangel der Beamten und an mögliche Kollisionen zwischen Amtsstellung und Gutachterfunktion gedacht (vgl. Begr. 260). Einer Motivierung der Erklärung bedarf es nicht. Dieselbe kann aus eigener Initiative der Aufsichtsbehörde hervor­ gehen oder von dem Beamten bewirkt werden (vgl. § 12 RBeamtG. v. 31. 3. 73). Abs. 3 ist durch die Kommission hinzugefügt (Bericht 53), um zu vermeiden, daß die bezeichneten Personen als Gutachter zu der Entscheidung Stellung zu nehmen hätten. Gedacht wurde hierbei an Beisitzer von seeamtlichen Behörden, Sonder- und Ehrengerichten.

Ungehorsam.

§ 409.

Abs. 1,2.

I. Der Sachverständige ist, wie die §§ 409, 410 ergeben, verpflichtet, im Vernehmungstermine zu erscheinen und das erforderte Gutachten eidlich zu erstatten. Der § 409 bestimmt die Maßnahmen, welche gegen ungehorsame Sachver­ ständige gestattet sind. 1. Ein Ungehorsam im Nichterscheinen setzt voraus, daß ein ernannter Sach­ verständiger auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt. Ein Ungehorsam durch Weigerung der Begutachtung erfordert, daß ein ernannter Sachverständiger, der gemäß §§ 407, 408 überhaupt zur Begutachtung verpflichtet ist (vgl. RG. 23 S. 337), solche von vornherein ohne Angabe eines Grundes oder nach rechtskräftiger Verwerfung des angegebenen Grundes verweigert (vgl. §§ 380 ff.). 2. Gegen den Ungehorsam droht Abs. 1 nur Kostenersatz und Geldstrafen an, so daß eventuelle Haft und Vorführung ausgeschloffen bleibt. Die Festsetzung erfolgt durch Beschluß, gegen den nach Abs. 2 in Verbindung mit § 572 Beschwerde mit aufschiebender Wirkung statthaft ist. Die Sondervorschrist des Abs. 3 betreffs Militärpersonen entspricht den §§ 380, 390 Abs. 4.

Abi.3.

§ 410.

(375.)

Die Beeidigung des Sachverständigen erfolgt vor oder

nach Erstattung des

Gutachtens.

Die Eidesnorm geht dahin, daß der

■Sachverständige das von ihm erforderte Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatten werde oder erstattet habe. Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im allgemeine» beeidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Cid.

§ 411.

(376.)

Wird schriftliche Begutachtung angeordnet, so hat der Sach­

verständige das von ihm unterschriebene Gutachten auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen. Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen anordnen, damit derselbe das schriftliche Gutachten erläutere.

II a) Der Ungehorsam im Erscheinen und in der Erstattung des Gut­ achtens wird, entgegen den §§ 380, 381, nicht verschieden behandelt. Zunächst kann von Anwendung des § 409 nur soweit die Rede sein, als gemäß §§ 407, 408 für den ernannten Gutachter die Begutachtungspflicht besteht (vgl. RG. 23 S. 337). Dies voransgesetzt, erfordert der Ungehorsam im Erscheinen, daß der ernannte Gutachter auf ordnungsmäßige Ladung ohne genügende Entschuldigung ausbleibt (§ 408), der Ungehorsam in Erstattung des Gutachtens, daß er diese entweder von vornherein ohne Angabe eines Grundes oder nach rechtskräftiger Verwerfung des vorgeschützten Grundes weigert (§ 390). b) Gegen den Ungehorsam sind lediglich Strafmittel angedroht, und zwar nnch nur solche, die in Koste nauf läge und Geldstrafe bestehen. Eine Umwand­ lung der Geldstrafe in Haft und die Zwangsmittel der Vorführung und der Haft finden nicht statt. Die Straffestsetzung erfolgt durch Beschluß von Amts wegen und unterliegt der auch hier (§572) mit aufschiebender Wirkung versehenen Beschwerde. Wegen Festsetzung und Vollstreckung der Strafe gegen Militärpersonen gilt die Abweichung der §§ 380, 390 Abs. 4.

§ 410.

Beeidigung.

I Aus der wesentlichen Verschiedenheit der Eidesformel für Zeugen und Sachverständige folgt, daß die eine Formel die andere nicht deckt, und die Belegung mit dem Zeugeneide für die Nichtbeeidigung als Sachverständiger keinen Ersatz gewährt (vgl. RG. 6 S. 3, 9 S. 378).

u

Eine besondere Eidesformel ist gemäß § 191 GVG. für Dolmetscher be­ stimmt. Eine Formel für generelle Beeidigung als Sachverständiger läßt Gesetz vermiffen. Dieselbe wird im Anschluß an § 410 darauf zu richten sein, der Sachverständige die künftig von ihm zu erfordernden Gutachten unparteiisch nach bestem Wissen und Gewiffen erstatten werde. Landesgesetzliche Formeln, die nicht wesentlich entsprechen, kommen in Wegfall. Sonst stellt sich die generelle eidigung als Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit dar.

das daß und dem Be­

II. Eine Abweichung ist nach Abs. 2 für die ein- für allemal beeidigten Sachverständigen (§ 404) bestimmt. Bei diesen genügt die Berufung auf den ge­ leisteten Eid. Es handelt sich hier (anders im Falle des § 398 Abs. 3) um ein Recht des Sachverständigen (vgl. RGSt. 3 S. 321). Übrigens ist eine ausdrückliche Erklärung des Sachverständigen selbst erforderlich; die gerichtliche Hinweisung auf den geleisteten Eid genügt nicht (vgl. RG. 9 S. 377, Gruchot 30 S. 1133).

«bs.r.

380

Btgutachnmg.

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 411.

§ 411. Nach Abs. 1 kann schriftliche Begutachtung vor dem Beweistermine, nach Abs. 2 mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens in dem Termine an­ geordnet werden.

a) Aus diesen Vorschriften in Verbindung mit §§ 394, 402 darf gefolgert werden, daß auch eine lediglich mündliche Vernehmung zulässig ist. Die Auswahl unterdiesen Formen steht im sachdienlichen Ermeffen des Gerichts; doch wird bei größeren Gutachten die schriftliche, bei voraussichtlichen oder gegebenen Widersprüchen mehrererGutachter unter sich die kombinierte Form angezeigt sein. Selbstverständlich kann das Gericht von der angeordneten Form wieder abgehen. b) Bei der mündlichen Begutachtung ist der Sachverständige gemäß §§ 394 —397 zu vernehmen. Bei der schriftlichen Begutachtung muß die Beeidigung des Sachverständigen allemal vor Gericht erfolgen; im übrigen kommt es darauf an, ob die Begutachtung vor oder in dem Beweistermine erfolgen soll. Im ersten Falle ist der Sachverständige, sei es schon in der Ladung, sei es später, aufzufordern, ein von ihm unterschriebenes Gutachten auf der Gerichtsschreiberei des Beweisgerichts niederzulegen. Wohnt er entfernt vom Sitze des Prozeßgerichts, so läßt sich das Verfahren derart teilen, daß er vor einem ersuchten Richter beeidigt und zur Einsendung des schriftlichen Gut­ achtens an das Prozeßgericht veranlaßt wird (vgl. Prot. 150). Zur Einreichung des schriftlichen Gutachtens kann eine Frist bestimmt oder nachbestimmt werden. Einer Säumnis des Sachverständigen ist durch Erinnerung, Angehung der Aufsichtsbehörde, äußerstenfalls durch Verhängung der Ungehorsamsstrafen (§ 409) entgegenzutreten. Bon dem Eingänge des Gutachtens hat der Gerichtsschreiber den Sachwaltern Kennt­ nis zu geben (§ 362). — Im zweiten Falle greift ein kombiniertes Verfahren Platz, indem der Sachverständige das schriftliche Gutachten dem Richter zu Protokoll über­ geben muß. Das gemischte Verfahren kann auch zwecks Erläuterung des schriftlichen Gutachtens angeordnet werden, sofern besondere Umstände, wie z. B. innere oder äußere Mängel des Gutachtens oder Widersprüche desselben mit anderen Gutachten, Anlaß dazu geben. c) Eine Motivierung des Gutachtens ist zwar (vgl. Begr. 261) im allge­ meinen als selbstverständlich vorausgesetzt, aber nicht zur Vorschrift gemacht, da es Fälle geben kann, in denen eine besondere Motivierung kaum nötig oder möglich ist, wie z. B. bei Abschätzung beweglicher Sachen. d) Zur Information wird der Sachverständige häufig der Einsicht der Gerichtsakteu oder einzelner Teile derselben bedürfen. Das Gericht hat dann nach Lage des Falles zu ermeffen, ob dem Sachverständigen die Einsicht auf der Gerichts­ schreiberei oder in seinem Hause zu verstatten ist. e) Fraglich ist, ob die entsprechende Anwendung (§ 402) des § 394 betreffs Einzelvernehmung der Zeugen dazu führt, eine gemeinschaftliche Begutachtung von Sachverständigen auszuschließen. Gegen die Ausschließung spricht, daß nach der Begr. (S. 259) es im Ermessen des Gerichts stehen müsse, ob gemeinsame oder getrennte Begutachtung anzuordnen, daß diese Ausfassung auch dem Preuß. (§ 506), dem hannov. (§ 364) und dem nordd. Entw. (§ 554) zugrunde gelegen hat, und daß die inneren Gründe, welche die Einzelvernehmung von Zeugen gebieten, bei Sachverständigen nicht ohne weiteres zutreffen (vgl. RG. 8 S. 343, Planck II § 122 zu IV, 5, die Kom­ mentare; a. M. Hellmann § 90, Obermeyer a. a. O. S. 155). f) Wie zu § 407 erörtert, hat Tit. 8 eigentlich nur Gutachten physischer Personen im Auge, schließt aber schriftliche Gutachten von Fachbehörden und Sachverständigenvereinen nicht aus. Letztere sind, wie nach § 255 Abs. 1 StPO., vom Gesichtspunkt des Urkundenbeweises zu beurteilen, und werden deshalb,

§ 412. (377.) Das Gericht kann eine nem Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für unge­ nügend erachtet. Das Gericht kann die Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen anordnen, wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Er­ folg abgelehnt ist. § 413. (378.) Der Sachverständige hat nach Maßgabe der Gebührenordnung auf Entschädigung für Zeitversäumnis, auf Erstattung der ihm verursachten Losten und außerdem auf angemessene Vergütung seiner Mühewaltung Anspruch. da sie von Behörden oder Vereinen mit öffentlichem Glauben ausgehen, als öffent­ liche Urkunden (§ 418) anzusehen sein. Für ihre Einholung werden die §§ 411, 412 entsprechende Anwendung finden, für ihren Beweiswert der § 286 maßgebend sein. Sofern zur Vertretung solcher sachverständigen Behörden oder Vereine einzelne Mitglieder derselben deputiert werden (§ 255 Abs. 2 StPO ), wird nichts entgegen­ stehen, solche als Sachverständige zu vernehmen (vgl. RG. 6 S. 337, 9 S. 380 und IW. 89 S. 285, BayObLG. SeuffA. 43 S. 484, RGSt. 3 S. 326). H °

412.

Neue Begulad) hing.

Ein Gutachten von Sachverständigen bindet nach § 286 das Gericht nicht, selbst wenn es von mehreren Sachverständigen einhellig oder doch in überwiegender Mehr­ heit oder von Schiedssachverständigen (§ 404) erstattet ist. Folgerecht räumt § 412 dem Gericht die Befugnis ein, eine neue Begutachtung nach freiem Ermessen anzuordnen. Eine Unterlaffung derselben gibt, selbst gegenüber einem Parteiantrage, keinen Revisionsgrund ab, es sei denn von dem Gesichtspunkte des § 287 aus (vgl. RG. 6 S. 198, 357 und Gruchot 26 S. 1162, 1168). Voraussetzung der Anordnung ist nach Abs. 1, daß das Gericht die vor­ liegende Begutachtung für ungenügend erachtet, wobei Parteilichkeit, Mangel an Sach­ kunde oder Motivierung, Widersprüche zwischen mehreren Gutachten, in Betracht kommen können, nach Abs. 2, daß der Sachverständige erst nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt ist (§ 406). Die Auswahl der Sachverständigen bleibt gemäß § 404 dem Ermessen des Gerichts überlasten, so daß es im Falle des Abs. 1 die früheren oder anderen Personen und in jedem Fall eine beliebige Zahl derselben heranziehen darf. Die Anordnung wird systemgemäß auf Grund mündlicher Verhandlung zu erlassen sein; doch läßt die Praxis solche, namentlich in Fällen wiederholter Ver­ nehmung desselben Sachverständigen, auf Grund beratender Sitzung zu, was allerdings das Verfahren abkürzt.

§ 413. Gleich dem Zeugen steht dem Sachverständigen ei» Entschädigungsanspruch an die Staatskasse zu, aber in weiterem Umfange. Es sollen ihm die Zeitversäumnis entschädigt, die Kosten erstattet und die Mühewaltung angemessen vergütet werden. Die nähere Regelung ist der GebO. für Zeugen und Sachver­ ständige v. 30. 6. 78, jetzt in der Fassung v. 20. 5. 98, Vorbehalten. Nach dieser sollen den Sachverständigen auf ihr Verlangen aus der Staatskasse die nach den •§§ 2—15, 17 zu bemessenden, vom Bernehmungsrichter festzusetzenden Beträge gezahlt werden, und dabei sind in § 13 die für gewisse Arten von Sachverständigen landesgesetzlich bestehenden Spezialtaxvorschriften aufrecht erhalten. Außerdem kommt der zu § 401 erwähnte § 166 GVG. in Betracht.

Entschädizung

382

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 414, 415.

§ 414. (379.) Insoweit ;um beweise vergangener Tatsachen oder Zustände,. ;u deren Wahrnehmung eine besondere Sachkunde erforderlich war, sachkundige Personen ;u vernehmen sind, kommen die Vorschriften über den Zeugenbeweis ;ur Anwendung. Neunter Titel.

Aeweis durch Arkunden.

§ 415. (380.) Urkunden, welche von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Ämtsbefugniffe oder von einer mit öffentlichem Glauben ver­ sehenen Person innerhalb des ihr ^gewiesenen Geschäftskreises in der vor­ geschriebenen Form ausgenommen sind (öffentliche Urkunden), begründen, wenn sie über eine vor der Behörde oder der Urkundsperson abgegebene Erklärung errichtet sind, vollen Geweis des durch die Behörde oder die Urkundsperson beurkundeten Vorganges. Der beweis, -ast der Vorgang unrichtig beurkundet sei, ist zulässig. Sachverständige Zeugen.

§ 414. Der § 414 will das Wesen der sog. sachverständigen Zeugen, welches angesichts deren gemischter Auskunftsfunktion zu Zweifeln Anlaß geben kann, klar­ stellen. Er bestimmt, daß solche Personen, sofern sie zum Beweise vergangener Tatsachen oder Zu stände zu vernehmen sind, als Zeugen (Tit. 7) behandelt werden sollen (mithin nicht nach § 406 abgelehnt werden können sRG. 59 S. 169]), auch wenn zur Wahrnehmung dieser Objekte eine besondere Sachkunde erforderlich war, hingegen, sofern ein gegenwärtiger Zustand Gegenstand des Beweises ist und nur zur Begutachtung hierüber Wahrnehmungen betreffs eines solchen oder eines früheren Zustandes verwertet werden, als Sachverständige anzusehen sind (vgl. RG. 9 S. 378, 20 S. 394, Gruchot 30 S. 1135, IW. 87 S. 112, 98 S. 419, 02 S. 531). Auch bei Festhaltung dieser Charakteristik können unter Umständen Bedenken darüber entstehen, in welche Klasse eine Auskunftsperson gehört. In solchen Fällen empfiehlt es sich, den sachverständigen Zeugen als Zeugen und Sachver­ ständigen eidlich zu vernehmen. Allemal muß dies selbstverständlich geschehen, wenn die Doppelfunktion talbestandsgemäß außer Zweifel steht (vgl. RG. Gruchot 34 S. 752).

9. Titel.

Leweis durch Urkunden.

Heusler ziv. Arch. 62 S. 224; Wendt dort 63 S. 310; Bolgiano Busch 24 S. 129; Siegel, Vorlegung von Urkunden im Prozeß (1904). Vornote.

I Die Theorie unterscheidet Urkunden im weiteren und engeren Sinne. Unter ersteren versteht sie jeden körperlichen Gegenstand, welcher der Wahrnehmung irgendwelche Zeichen zur Überlieferung einer Kunde darbietet; unter letzteren Urkunden solche Gegenstände, bei denen die Schrift zur Herstellung der Zeichen dient, gleich­ viel, welcher Stoff oder welches Mittel zur Schrift verwendet wird. II. a) Die ZPO. zieht die Urkunden im weiteren Sinne, zu denen nament­ lich Denkmäler, Grenzsteine, Siegel, Wappen, Denkmünzen, Karten, Bilder, Kerbhölzer usw. gehören, überhaupt nicht besonders in Betracht. Auf dieselben werden, da sie zu den Augenscheinsobjekten gehören, die Vorschriften über Einnahme des Augenscheins An-

Wendung finden müssen (Tit. 6), während die Beweiswürdigung der Regel des § 286 unterfällt (vgl. Begr. 262). b) Der vorliegende Tit. 9 behandelt nur die Urkunden im engeren Sinne, also schriftliche Urkunden. Hier ist systemgemäß die Frage der materiellen Beweis­ kraft, d. h. die Frage, welche Bedeutung den beurkundeten Tatsachen für die Ent­ scheidung des bezüglichen Rechtsbehelfes zukommt, außer Betracht gelassen, weil solche dem bürgerlichen Recht unterfällt (vgl. Begr. 262). Die Regelung beschränkt daher sich auf die Frage der formellen Beweiskraft, d. h. auf die Frage, inwieweit die darin beurkundeten Tatsachen wahr sind (§§ 415—418); und hier ist, wie die §§ 415—419, 444 in Verbindung mit sonstigen Vorschriften (§§ 159, 164, 190, 198, 202, 314, 762 und §§ 16 Nr. 1, 17 EG.) ergeben, das Prinzip der freien Beweiswürdigung durch positive Beweisregeln in erheblichem Maße beschränkt, was sich daraus erklärt, daß die Urkunde naturgemäß das zuverlässigste Mittel zur Überlieferung von Tatsachen darstellt (vgl. Begr. 207). c) Mit Bezug auf die formelle Beweiskraft teilen die §§ 415—418 je nach der Person des Ausstellers die Urkunden in öffentliche und in Privat­ urkunden. Der Begriff der letzteren ist in § 416, derjenige der ersteren in §§ 415, 417, 418 näher bestimmt, wobei gewisse den letzteren gemeinsame Erforderniffe in § 415 vorangestellt sind. Für die öffentlichen Urkunden ergibt sich nach §§ 415, 417, 418 inhaltlich noch eine besondere Unterscheidung, je nachdem darin Erklärungen vor öffentlichen Behörden oder Urkundspersonen, amtliche Anordnungen oder Ent­ scheidungen von Behörden oder endlich amtliche Zeugniffe beurkundet werden. d) Das Verfahren bei Aufnahme des Urkundcnbeweises ist in §§ 420—443 geregelt.

§ 415. cwtiff

i 1.

öffentlichen, faufgenommeneEr-

Der § 415 betrifft solche öffentliche Urkunden, die über Erklärungen von Personen vor Behörden oder Urkundspersonen ausgenommen werden. -wei reze.

I. Hinsichts des Inhalts der aufgenommenen Erklärung ist kein Unterschied vorgesehen, so daß Willenserklärungen (Rechtsgeschäfte) und Erklärungen über Tat­ sachen (Behauptungen, Geständnisse, Bestreiten, Bekundungen usw.) in Betracht kommen. n. Aufgenommene Urkunden begreifen nicht bloß solche, welche die Er­ klärung selbst wiedergeben, sondern auch solche, durch die eine Anlageerklärung nach Unterschrift und Inhalt anerkannt wird (vgl. §§ 160 Abs. 3, 197, 198, FreiwGG. §176 Nr. 3). III. Die Ausnahme muß von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen (Urkunds-)Person erfolgt sein. Das Kenn­ zeichen öffentlicher Behörden ist, daß sie öffentliche Geschäfte des Deutschen Reiches oder eines Bundesstaates unter staatlicher Autorität führen. Die Geschäfte können sich auf die Verwaltung oder auf die Rechtspflege beziehen, andrerseits durch unmittel­ bare Staatsbehörden oder durch die Organe der dazu kraft staatlicher Delegation herangezogenen Kommunen und Korporationen aller Art geführt werden. Die Aufnahme muß aber zugleich innerhalb der örtlichen und sachlichen Grenzen. der Amtsbefugnis bewirkt sein. Für vorstehende Erforderniffe ist das zurzeit und am Orte der Aufnahme geltende Berfaffungs- oder Verwaltungsrechts des Reiches oder des bezüglichen Bundesstaates maßgebend. Hinsichts der Rechtspflege s. die §§ 167 ff. FreiwGG.

IV. a) Bei der Aufnahme muß die vorgeschriebene Form gewahrt sein, d. h. diejenige, welche für die Wirksamkeit der Urkunde als einer öffentlichen wesentlich ist. Auch hierfür ist das Reichs- oder Landesrecht zurzeit und am Orte der Aus-

384

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 416.

§ 416. (381.) privaturkunden begrün-en^ sofern sie von den Ausstellern unterschrieben oder mittels gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet sinb, vollen Leweis dafür daß die in denselben enthaltenen Er­ klärungen von den Ausstellern abgegeben sind. nähme maßgebend. — Derartige Vorschriften bestehen reichsgesetzlich z. B. für Wechsel­ proteste (WO. Art. 87—88a, 90—91a, 92 Abs. 2 in der Fassung der Bekannt­ machung v. 3. 6. 08, RGBl. 326), für Scheckproteste (ScheckG. v. 11 3. 08, RGBl. 71, §§ 16, 3, 4), für Prozeßgerichtliche Protokolle und Ausfertigungen (ZPO. §§ 159, 165, 202, 313, 315, 317 Abs. 3), für Zustellungsurkunden und Protokolle der Ge­ richtsvollzieher und Postboten (ZPO. §§ 190 ff., 198, 762, PostG. v. 28. 10. 71 § 47), für Eintragungen ins Standesregister (§§ 13—15, 22, 54, 59 G. v. 6. 2. 75), für Akte der Konsuln (G. v. 8. 11. 67 § 17); nach preußischem Landesrecht z. B. für Schiedsmänner laut SchiedsmO. v. 29. 3. 79 §§ 25 ff., für Urkunden der Kommunen laut ProvO. v. 29. 6. 75 § 91, KreisO. v. 13. 12. 72 §§ 55, 125, 137, StädteO. v. 30. 5. 53 § 568, Landgemeinde^ D. 3. 7. 91 § 111 usw. b) Für Urkunden, die von ausländischen öffentlichen Behörden oder Urkunds­ personen ausgestellt sind, wird § 415 in Verbindung mit §§ 369 und 438 an­ wendbar sein. V. Der Nachweis, daß eine Urkunde den obigen Voraussetzungen entspricht, liegt naturgemäß dem Beweisführer (§ 420) ob; dem Gegner steht der Beweis des Gegenteils offen. Das Gericht entscheidet im Wege freier Beweiswürdigung (§ 286, vgl. Begr. 207, 265, RG. 50 S. 420). VI. Für Urkunden im Sinne des § 415, deren Echtheit (§ 437) vorausgesetzt, gilt die Beweisregel (§ 286), daß sie vollen Beweis der beurkundeten Vor­ gänge begründen. Das will sagen, daß die aufgenommene Erklärung als vor der aufnehmenden Behörde oder Urkundsperson seitens des bezeichneten Dritten zur be­ zeichneten Zeit und am bezeichneten Ort abgegeben gilt. 'Gegen­ beweis^

Abs. 2. Gegen diese Beweisregel ist aber nach Abs. 2 (vgl. § 418) der Gegenbeweis zulässig, daß die Vorgänge unrichtig beurkundet seien (vgl. Schultze Busch 21 S. 170, 22 S. 106 und Kleinfeller KritVJSchr. 37 S. 379). I. Der Gegenbeweis kann sich gegen das Ergebnis der Beweisregel im ganzen oder zum Teile, d. h. dahin richten, daß der beurkundete Vorgang überhaupt nicht oder in einzelnen Momenten (Person, Zeit, Ort) nicht wahr sei. Die Mitfeststellung der Ursache der unrichtigen Beurkundung ist nicht unbedingt geboten. Wenngleich es auf dieselbe besonders ankommen kann, wie in den Fällen, daß auf feiten der Ur­ kundsstelle bei Ausforschung des Erklärenden, bei Abfassung oder Vorlegung der Er­ klärung ein so oder so beschaffenes Mißverständnis, ein Versehen oder eine Fälschung vorgekommen sei, so kann doch die Ursache sich der Aufklärung entziehen, während die unrichtige Beurkundung selbst völlig erweisbar ist (z. B. durch Alibibeweis).

II. Beiseite bleibt dabei der Nachweis, daß den beurkundeten Vorgängen die innere Bedeutung fehle, z. B. wegen Willensmängel, Handlungsunfähigkeit (vgl. RG. Gruchot 30 S. 433), Betruges, da derselbe nicht die Richtigkeit des Vorganges, sondern dessen Rechtswirksamkeit berührt.

III. Die Führung des Gegenbeweises ist nicht beschränkt (anders nach § 418), sonach durch alle Beweismittel einschließlich der Eideszuschiebung statthaft (vgl. § 446). Nur hinsichts der Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung und des Urteilstat­ bestandes sind in §§ 164, 197 Beschränkungen vorgesehen. Abweichende Landesrechte sind demgegenüber unwirksam. Das Ergebnis des Gegenbeweises unterliegt regelgemäß (§ 286) der freien Würdigung.

Neunter Titel.

Beweis durch Urkunden § 417.

385

8 417. (382.) Die von einer Dehörde ausgestellten, eine amtliche ÄnorLitnng, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden be­ gründen vollen Deweis ihres Inhalts.

§ 416.

Privat» Urkunden.

Flechtheim, Bew.-Bedcutung v. Priv.-Urk. (1897).

Der § 416 behandelt gleich dem § 415 Erklärungen von Personen, nabet ungleich demselben solche Erklärungen, die privatim ausgestellt werden.

I. Wesentliches Erfordernis der Privaturkunden ist danach deren Vollziehung Lurch den Aussteller. Schriftstücke ohne Vollziehung, wie Notizen, Entwürfe, Derinerke in Hausbüchern und Eintragungen in Handelsbüchern (vgl. HEB. §§ 38 ff., RG. 6 S. 346), fallen nicht unter § 416. Zur Vollziehung gehört entweder die Unterschreibung oder die Unterzeichnung mittels gerichtlich oder notariell beglaubigten Handzeichens. Die Unterschrift erheischt naturgemäß eine vom Aussteller ge­ schriebene, unter die Erklärung gesetzte und die Person des Ausstellers erkennbar machende Namenszeichnung. Für letztere genügt allemal der Batername, oder da, wo nach Gesetz, staats- oder kirchenrechtlicher Gewohnheit ein anderer Name zugelaffen ist, wie die Firma für Kaufleute (HGB. § 17) oder der Vorname für weltliche und geistliche Fürsten, dieser. Im übrigen ist nach den Umständen des Falles zu beur­ teilen, ob die Unterschrift dem Gesetz entspricht. — Als Ersatz derselben gilt ein beglaubigtes Handzeichen (vgl. Art. 94 der WO.). Für das Handzeichen selbst ist die Form beliebig. Die Beglaubigung durch eine andere Amtsstelle als Gericht oder Notar entbehrt der Wirksamkeit; doch ist diejenige durch einen Reichs­ konsul gleichwertig (KonsGG. v. 7. 4 00 § 7 Nr. 2). Für die Beglaubigungsform sind jetzt die §§ 126, 129 BGB. und die §§ 167, 183 Abs. 3, 184 FreiwGG. maßgebend (vgl. noch § 80 Abs. 2 ZPO.). Betreffs der Gleichstellung der unterschriebenen mit unterstempelten Urkunden und Telegrammen vgl. Stein, UrkProz. S. 116 ff.

«or-us,e6unfl-

II. a) Die Privaturkunde liefert vollen Beweis dafür, daß die darin enthaltene Erklärung vom Aussteller abgegeben ist (vgl. Schultze Grünhut 22 S. 70 und Busch 22 S. 106). Das ist eine erhebliche Minderwirkung gegenüber § 415, indem dort der ganze Vorgang, hier nur die Erklärung selbst, nicht auch die Neben­ umstände (Ort und Zeit, vgl. RG. 16 S. 438, IW. 92 S. 160), für erwiesen gelten, so daß diese unter die Regel des § 286 fallen. Der Grund für diese Ab­ schwächung liegt (vgl. Begr. 263) darin, daß Privaturkunden erfahrungsgemäß häufig nnrichtig datiert werden (vgl. RG. IW. 86 S. 296).

Beweiskraft,

b) Für einen formellen Gegenbeweis ist hier kein Raum, da jedermann das, was er unterschrieben hat, als von ihm gewollt gelten zu lassen hat, und im übrigen es nur noch auf Feststellung der Echtheit ankommt. Die innere Bedeutung der Erklärung bestimmt fich nach materiellem Rechte (vgl. Flechtheim a. a. O.). Deshalb bleiben bei Anwendung des § 416 Gesichts­ punkte , die sich auf die Rechtswirksamkeit der Erklärung für oder wider den Aus­ steller beziehen, außer Betracht; so namentlich die Frage, welchen Einfluß die Aus­ händigung oder der Besitz der Urkunde übt, und wiefern eine durch Stellvertreter abgegebene Erklärung für den Vertretenen verbindlich ist, sernrr die Einwendungen des Mißbrauchs eines Blanketts (vgl. Begr. 272, RG. Gruchot 40 S. 921) oder der mangelnden Kmntnis vom Inhalt der Erklärung (vgl. RG. Gruchot 31 S. 905, 33 S. 1167), endlich die Anfechtung der Erklärung wegen Berfügungsunfähigkeit, Irrtums, Zwanges, Betruges oder Nichternstlichkeit (vgl. RG. 5 S. 385). Retacke, ZPO.

6. Nufl.

25

386

II. Buch.

§ 418.

(383.)

Versöhnn in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 418.

Öffentliche Urkunden, welche einen anderen als den in den

88 415, 417 bezeichneten Anhalt haben, begründen vollen Geweis der darin be­ zeugten Tatsachen. Der Deweis der Anrichtigkeit der bezeugten Tatsachen ist zulässig, sofern nicht die Landesgesetze diesen Deweis aus schließen oder beschränken. Geruht das Zeugnis nicht auf eigener Wahrnehmung der Gehörde oder -er Arkundsperson, so findet die Vorschrift des ersten Absatzes nur dann An­ wendung, wenn sich aus den Landesgesetzen ergibt, daß die Geweiskrast -es. Zeugnisses von der eigenen Wahrnehmung unabhängig ist.

§ 417.

Anord­ nungen und EntIcheldungen.

Oetker Jurist. LUM. 6 S. 14.

I. Der 8 417 betrifft öffentliche Urkunden, die eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthalten. Es kommt hier also gegenüber § 415 nicht die instrumentierende, sondern die dispositive Tätigkeit der Verwaltungs- und' Gerichtsbehörden in Betracht.

II. Zugunsten solcher Urkunden, deren Echtheit vorausgesetzt, stellt der § 417 die Beweisregel auf, daß die beurkundete Anordnung als von der ausstellendem Behörde zur bezeichneten Zeit und am bezeichneten Orte erlassen gelten soll. Dem liegt der Gedanke zugrunde (vgl. Begr. 266), daß die Urkunde hier in authentischer Form die behördliche Disposition selbst darstellt. Mit Rücksicht darauf ist auch der Gegenbeweis gegen die formale Beweiskraft der Urkunde ausgeschlossen. Amtliche Zeugnisse. Bur-us.

letzungen.

8 418. 1 a) Der § 418 betrifft öffentliche Urkunden, die einen anderen als den m 415, 417 bezeichneten Inhalt haben. Wie sich aus Abs. 2, 3 ergibt, ist hierbei an Zeugnisse über amtliche Wahrnehmungen gedacht, also an die kon­ statierende Tätigkeit der gerichtlichen oder administrativen Amtsstellen, wie solche z. S; in Zustellungsurkunden und Vollstreckungsprotokollen der Gerichtsvollzieher, in Zeug­ nissen über Rechtskraft und Rechtsnachfolge, in Handels- und Wechselprotesten, in Be­ richten der Postboten, in Auszügen aus Handels-, Genossenschafts- und Standes­ registern, in Zeugnissen aus Grundbüchern, Schiffsregistern geübt wird. Urkunden dieser Art können zugleich unter § 415 fallen. b) Bei dem Zeugnis wird nach Abs. 2 grundsätzlich eigene Wahrnehmung, der Amtsstelle vorausgesetzt. Eine Ausnahme gilt nur da, wo landesgesetzlich die Beweiskraft von eigener Wahrnehmung unabhängig ist. Hierbei ist besonders an Zeugnisse der Geistlichen und Zivilstandsbeamten aus der Zeit vor Erlaß des G. v. 6. 2. 75 gedacht (vgl. Prot. 156). Für Zeugnisse, die reichsrechtlich auf Grund, anderweiter Ermittlungen ausgestellt werden dürfen, wie z. B. nach § 15 PersonenstandsG. v. 6. 2. 75, bedurfte es eines Vorbehalts nicht, weil solche Vorschriften^ neben der ZPO. fortgelten (EG. 8 13). §§

IL Die Urkunden liefern, ihre Echtheit vorausgesetzt, nach Abs. 1 vollen Be­ weis der darin bezeugten Tatsachen. Der Gegenbeweis ist nach Abs. 2 nur in­ soweit zugelassen, als er nicht landesgesetzlich ausgeschlossen oder beschränkt wird. Vgl. hierzu die frühere Nr. 1 des 8 i6 EG. und den 8 292 ZPO. Im Bereiche der ZPO. ist der Gegenbeweis gegen den Inhalt des Sitzungsprotokolls nach Maß­ gabe des § 164 beschränkt; für andere Rcichsgesetze, wie z. B. nach 8 I5 ®- v. 6. 2. 75, war ein Vorbehalt mit Rücksicht auf die Vorschrift des 8 13 EGzZPO.. erforderlich. Von der Führung des Gegenbeweises gilt das zu § 415 Bemerkte.

§ 419. (384.) Inwiefern Durchstreichungen, Radierungen, Einschaltungen oder sonstige äußere Mängel die Beweiskraft einer Urkunde gan; oder teilweise aufheben oder mindern, entscheidet das Gericht nach freier Äbei?engung.

§ 420. (385.) Die Antretung des Deweises der Urkunde. § 421. (386.) Befindet sich die Urkunde nach führers in den Uänden des Gegners, so erfolgt durch den Antrag, dem Gegner die Vorlegung der

erfolgt durch die Vorlegung

der Behauptung des Beweis­ die Antretung des Beweises Urkunde auftugeben.

§ 419.

I. Der § 419 regelt die Frage, inwieweit durch äußere Mängel Urkunden aller Art (§§ 415—418) betreffs ihrer formellen Beweiskraft (nicht bloß betreffs

Mete "°eL

ihrer Unverfälschtheit, vgl. RG. 29 S. 430) beeinflußt werden. Dergleichen Mängel können der Urkunde im ganzen oder in einzelnen Teilen (Text, Unterschrift, Formalien) anhaften. Als Beispiele sind im Gesetze Durchstreichungen, Radierungen und Ein­ schaltungen hervorgehoben, also Umstände, die naturgemäß die Unverdächtigkeit der Urkunde in Frage stellen können.

n. Wieweit derartige Mängel die Beweiskraft der Urkunde beeinfluffen, soll das Gericht nach freier Würdigung (§ 286) entscheiden. Das Ergebnis berührt allemal die Beweiskraft der Urkunde im ganzen; es kann solche unangetastet laffen, völlig beseitigen oder abschwächen. Die Prüfung wird sich naturgemäß darauf richten, wann und wie der Mangel entstanden ist, namentlich, ob mit oder ohne Willen des Ausstellers. 88 430—436.

Beweisantritt, Vorlegungsverfahren.

Die Antretung des Urkundenbeweises ist verschieden geregelt, je nachdem die Beweisurkunde in Händen des Beweissührers, des Gegners, eines Dritten oder einer öffentlichen Behörde sich befindet. Im ersten Fall erfolgt nach 8 420 die Antretung ohne besonderes Verfahren; in den übrigen Fällen wird nach 88 421, 428, 432 ein besonderes Vorlegungsverfahren (88 433—436) erforderlich.

sornotc.

8 420.

llrl.«m Besitz der Bew.Führers, beweis-

I. Falls die Urkunde in Händen oder zur Verfügung

des Beweisführers sich befindet (vgl. Begr. 267), erfolgt der Bcweisantritt durch Vorlegung derselben in der mündlichen Verhandlung. Die bloße Bezugnahme auf die Urkunde oder das

nn

bloße Erbieten zu ihrer Vorlegung genügt nicht; es könnte nur als Bezeichnung des Beweismittels (8 282 Abs. 1) gelten. Eine Ausnahme ist nur auf Grund eines Hindernisses im Sinne des § 434 zulässig. Sonst steht mangels Vorlegung der Urkunde die zu beweisende Tatbehauptung beweislos da, und eine zur Nachholung der Vorlegung erwirkte Vertagung könnte nach 8 95 dem Beweisführer immerhin die Terminskosten aufbürden. Der Vorlegung der Urkunde muß systemgemäß der Bortrag ihres Inhalts, soweit er Berücksichtigung finden soll, hinzutreten (88 283 ff.).

II. Unabhängig von der Beweisantretung ist die dem Prozeßgericht nach § 142 Amtszustehende Amtsbefugnis, einer Partei die Vorlegung einer von ihr bezogenen eetfatrei,< und in ihren Händen befindlichen Urkunde aufzugeben. Diese Befugnis soll nur dem Gericht und der Gegenpartei die zur Information oder Aufklärung erforderliche Ein­ sicht der Urkunden sichern, und die Unterlaffung der angeordneten Vorlegung kann nur für die Beweiswürdigung von Bedeutung werden (§ 286).

388

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 422, 423.

§ 422. (387.) Der Gegner ist pir Vorlegung der Urkunde verpflichtet, wenn der Geweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe oder die Vorlegung der Urkunde verlangen kann. § 423. (3§8.) Der Gegner ist auch ;ur Vorlegung derjenigen in seinen Händen befindlichen Urkunden verpflichtet, auf welche er im Prozesse pir Be­ weisführung Bezug genommen hat, selbst wenn dieses nnr in einem vorbereitenden Lchriftsatze geschehen ist. U. tn HLndrn des Gegners.

§ 421. I Die §§ 421—427 regeln den Beweisantritt mit Bezug auf solche Urkunden, die nach Behauptung des Beweisführers sich in Händen des Gegners befinden. Der Begriff des Gegners bestimmt sich nach Abschn. 2 Buch I, und danach fällt ins­ besondere der Nebenintervenient nur im Falle deS § 69 unter denselben. Da als­ dann der Beweisführer außer Lage ist, ohne Mitwirkung des Prozeßgerichts die Vor­ legung der Urkunde zu erwirken, muß nach § 421 die Beweisantretung durch den Antrag, dem Gegner die Vorlegung aufzugeben, erfolgen. n. Für die Erledigung des Beweismittels kommt die Verpflichtung des Gegners zur Vorlegung (§§ 422, 423) und das Borlegungsverfahren (§§ 424 —427) in Betracht.

§§ 422, 423.

Borle-ungiPflicht drS (Segneri.

Apt, Urk. Edition in dogmengeschichtl. Entwicklung (1892); Siegel, die Vorlegung von Urkunden im Prozeß (1904).

I. a) Die ursprüngliche ZPO. hatte die Editionspflicht des Gegners, eine ftyjcrtn Prozeßrechten verschieden behandelte und zum Teil kontroverse Materie (vgl. Wetzell § 24 S. 249, Demelius, Exhibitionspflicht [1872]), in §§ 387, 388 (jetzt 422, 423) einheitlich geregelt, und zwar beschränkt auf die prozessuale (der Auf­ klärung von Tatsachen dienende) Vorlegungspflicht, während sie die zivilrechtliche Editionspflicht unberührt ließ (vgl. RG. 12 S. 413). Eine solche prozessuale Pflicht wurde angenommen nach § 387 (jetzt § 422), sofern der Beweisführer nach bürger­ lichem Rechte die Herausgabe oder Vorlegung der Urkunde auch außerhalb des Prozesses verlangen könnte oder die Urkunde inhaltlich für beide Parteien gemeinschaftlich sei, und nach § 388 (jetzt § 423) betreffs solcher Urkunden, auf die der Gegner selbst zum Beweise sich bezogen habe. b) Diese Rechtslage ist durch das BGB. und die Novelle zur ZPO. ge­ ändert. Der § 810 BGB. bestimmt, daß, wer ein rechtliches Interesse an der Ein­ sicht einer in fremdem Besitze befindlichen Urkunde hat, von dem Besitzer die Ge­ stattung der Einsicht verlangen kann, sofern die Urkunde in seinem Interesse errichtet, darin ein zwischen ihm und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkundet ist, oder die Urkunde Verhandlungen über ein Rechtsverhältnis enthält, die zwischen ihm und einem anderen oder zwischen einem von beiden und einem gemeinschaftlichen Vermittler (z. B. Makler) gepflogen sind. Nach § 811 dort soll in vorstehenden Fällen die Vorlegung aus Gefahr und Kosten des Berechtigten, und zwar grundsätzlich an dem Orte, wo sich die Sache befindet, aus wichtigen Gründen auch an einem anderen Ort erfolgen. Daneben enthält das bürgerl. Recht mehrfache Vorschriften über Urkundenvorlegung mit Bezug auf besondere Rechtsverhältnisse; so im BGB. nach 88 444, 445, 515 (bei Kauf-, Tausch- und anderen Veräußerungsverträgen), 651 (bei Werkverträgen), 667, 681 (bei Auftrag und Geschäftsführung ohne Auftrag), 716 (bei Gesellschaft), 952 (bei Schuldscheinen), 1799 (bei Vormundschaft), im HGB. nach 88 118, 157, 166, 246, 338. Diesen Vorschriften hat sich die Nov. v. 98 zur

Enifledung». geichtchte. jn

Neunter Titel.

Beweis durch Urkunden § 424.

389

8 424. (389.) Der Antrag soll enthalten: 1. die Bezeichnung der Urkunde; 2. die Bezeichnung der Tatsachen, welche durch die Urkunde bewiesen werden sollen; 3. die möglichst vollständige Bezeichnung des Inhalts der Urkunde; 4. die Angabe der Umstände, ans welche die Behauptung stch stützt, daß die Urkunde sich in dem Besitze des Gegners befindet; 5. Lie Bezeichnung des Grundes, welcher die Verpflichtung zur Vorlegung der Urkunde ergibt. Der Grund ist glaubhaft zu machen. ZPO. in 88 422, 423 angrpaßt. Sie konnte in § 422, da § 810 BGB. wesent­ lich der Nr. 2 des alten § 387 ZPO. entspricht (vgl. Motive der Nov. zu § 387), diese Nr. 2 streichen und sich auf die Nr. 1 beschränken, die auch die übrigen Vor­ schriften des BGB. mitumfaßt, in § 423 aber den früheren § 388 unverändert wiedergeben.

n.

§ 422.

i8ür(|eHirf)e3

Für die Frage, ob nach bürgerlichem Rechte der Beweisführer zur Heraus­ gabe oder Vorlegung einer Urkunde verpflichtet ist, erscheint das am Sitze des Prozeßgerichts zur Zeit des Borlegungsgesuchs geltende Recht maßgebend (vgl. RG. 35 S. 105, Siegel, Vorlegung von Urkunden, S. 242). Das BGB. bejaht in § 810 (wie früher schon die ZPO. in § 387 Nr. 2) die Frage für die in Note Ib bezeichneten Fälle. Dabei sind unter Urkunden im Interesse des Beweisführers z. B. solche über freigebige oder letztwillige Zuwendungen zu ver­ stehen. Bei beurkundeten Rechtsgeschäften kann es sich um deren Abschließung, Änderung oder Aufhebung handeln. Bei den rechtsgeschäftlichen Verhandlungen ist an urkundliche Vor- und Nachverhandlungen (Korrespondenzen, Entwürfe usw.) zu denken (vgl. aus der früheren Praxis RG. 15 S. 380, 20 S. 45, SeuffA. 37 Nr. 348, Gruchot 30 S. 439, IW. 94 S. 54).

III.

§ 423.

Dom Gegner «»gezogene

Eine prozessuale Vorlegungspflicht sieht § 423 für solche Urkunden vor, auf die der Gegner selbst in dem bezüglichen Prozesse sich zum Beweise berufen hat, wenn auch nur in einem Schriftsatz. Die Vorschrift beruht, wie der verwandte § 134, aus dem Gedanken, daß solche Urkunden für beide Parteien gemeinschaftlich geworden sind (vgl. RG. IW. 95 S. 383). Vgl. dazu die 88 45, 47, 102 HGB. und RG. 69 S. 20, betreffend die Vorlegung von Handelsbüchern.

Url.

8 424.

Borlegungs­ antrag.

Die Anordnung (8 425), daß der Gegner eine Urkunde im Sinne der 88 422, 423 vorlege, setzt einen bezüglichen Antrag des Beweisführers beim Prozeßgericht voraus. Derselbe ist systemgemäß nach vorgängiger Ankündigung durch Schriftsatz in der mündl. Verhandlung zu stellen. Der in 8 424 bestimmte Inhalt bezieht sich auf die Begründung des Antrages und soll in Nr. 1—3 zur Individualisierung der Beweisurkunde und der Beweistatsache, in Nr. 4, 5 zur Darlegung der Vorlegungs­ pflicht dienen. Dem Erfordernisse der Nr. 3 wird durch Beibringung einer Abschrift der Urkunde am einfachsten genügt (8 427). Der Antrag auf Abnahme des Editions­ eides (8 426) ist für entbehrlich erachtet (vgl. Begr. 268).

390

II- Buch.

Verfahren in erster Instanz.

I. Abschn. Landgerichte §§ 425, 426.

§ 425. (390.) Erachtet das Gericht die Tatsache, welche durch die Urkunde bewiesen werden soll, für erheblich und den Antrag für begründet, so ordnet es, wenn der Gegner ;ugesteht, daß die Urkunde sich in seinen Händen befinde, oder wenn der Gegner sich über den Antrag nicht erklärt, die Vorlegung der Urkunde an. § 426. (391.) Bestreitet der Gegner, daß die Urkunde sich in seinem Be­ sitze befinde, so hat er einen Cid dahin ;u leisten: daß er nach sorgfältiger Nachforschung die Überzeugung erlangt habe,

daß die Urkunde in seinem Besitze sich nicht befinde, -daß er die Ur­ kunde nicht in der Absicht abhanden gebracht habe, deren Benutzung dem Beweisführer ;u entziehen, daß er auch nicht wisse, wo die Ur­ kunde sich befinde. Das Gericht kann eine der Lage der Zache entsprechende Änderung der

vorstehenden Eideonorm beschließen. Auf die Leistung des Eides durch Ztrritgenossen, gesetzliche Vertreter und die im 8 473 Abs. 2, 3 bezeichneten Personen finden die Vorschriften der 88 472—474 entsprechende Anwendung. Hat eine öffentliche Behörde Urkunden vorzulegen, so wird der Eid von dem Beamten geleistet, welchem die Verwahrung der Urkunden übertragen ist. Anordnung der Vor«

teaung.

§ 425. Für das weitere Verfahren kommt es, wie aus 8 425 hervorgeht, darauf an, ob

1. das Gericht die Beweistatsache (§ 359 Nr. 1) für erheblich und den Bor­ legungsantrag auch sonst für gerechtfertigt erachtet, 2. der Gegner den Besitz der Urkunde zugesteht oder über den Antrag sich nicht erklärt. Falls diese Punkte zutreffen, soll nach 8 425 das Prozeßgericht durch Beweis­ beschluß die Vorlegung der Urkunde anordnen. Sofern einer der Punkte zu 1 nicht zutrifft, erübrigt sich eine besondere Ent­ scheidung; die rechtlichen Folgen werden im Endurteile gezogen.

Cbitloneeib.

8 426.

I. a) Bestreitet zu Punkt 2 der vorstehenden Note der Gegner den Besitz der Urkunde, so ist ihm von Amts wegen durch Beweisbeschluß die Leistung des in Abs. 1 normierten Editionseides unter den in Abs. 2—4 vorgesehenen Maß­ gaben aufzuerlegen. Daraus wird sich folgern laffen, daß ein anderweiter Beweis des Besitzes, ein Beweis des Gegenteils oder die Zurückschiebung des Editionseides nicht statthaft ist (vgl. RG. 16 S. 395, die Kommentare). Andrerseits ergibt sich aus der Norm dieses Eides, daß derselbe in seinem ersten Teile in allen Fällen auf die positive Überzeugung des Schwurpflichtigen zu richten ist (vgl. RG. 44 S. 424). Eine zulässige Änderung gemäß Abs. 2 wird z. B. darin liegen, daß, sofern der Gegner die Verbrennung der Urkunde beschwört, damit sich der sonstige Eidesinhalt erledigt, oder daß, sofern der Gegner den Ort der Urkunde kennt, diese Wiffenschaft statt des SchlußpaffuS in die Norm ausgenommen wird. In betreff der schwur­ pflichtigen Person sollen nach Abs. 3 die §§ 472—474 entsprechende Anwendung finden, uach Abs. 4 aber für öffentliche Behörden nicht deren gesetzliche Vertreter, sondern ihre Archivbeamten oder Registratoren schwören.

§ 427. (392.) Lommt -er Gegner der Anordnung, die Urkunde vorzu­ legen oder den Cid zu leisten, nicht nach, so ist, wenn der Geweisführer eine Abschrift der tllrkunde beigebracht hat, diese Abschrift als richtig anzusehen. Ist eine Abschrift der Urkunde nicht beigrbracht, so können die Behauptungen des 48eweissührers über die Beschaffenheit und den Inhalt der Urkunde als bewiesen -angenommen werden. § 428. (393.) Befindet sich die Urkunde nach -er Behauptung -es Be­ weisführers in den Händen eines Dritten, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, zur Herbeischaffung der Urkunde eine Frist zu bestimmen. b) Mit der Leistung des^Editionseides ist erwiesen (§463), daß der Gegner "bie Urkunde nicht besitzt, und damit der Editionsantrag erledigt. Diese Folge findet ini Endurteil ihre Realisierung. II. Bestreitet der Gegner nur die EditionsPflicht, so ist über diese zu entscheiden. Wird sie verneint, so kann dies in besonderem Zwischenurteile (§ 303, vgl. Bcgr. 30, 217) oder int Endurteile Ausdruck finden; aber allemal ist diese An­ nahme nur mit dem Endurteil zugleich anfechtbar (§ 512) Wird die EditionsPflicht bejaht, so ist dies durch Zwischenurteil auszusprechen und die Vorlegung der Urkunde Lurch Beweisbeschluß anzuordnen.

§ 427

Nichtvorlegung.

Wird entgegen der Anordnung der Editionseid nicht geleistet oder die Urkunde nicht vorgelegt, so ist das Vorlegungsversahren 'als solches beendet. Als Folge dieses Verhaltens des Gegners sieht § 427 weder eine Weigerungs­ annahme aus § 465, noch eine Erzwingung der Anordnung, sondern, wie sich indirekt ergibt, die Würdigung des Ungehorsams im Hauptverfahren, sei es im Endurteil oder in besonderem Zwischennrteile vor. Er unterscheidet aber zwei Fälle. Ist eine Abschrift der Urkunde beigebracht, so soll diese als richtig gelten: eine Beweisregel in dem Sinne, daß die Beweisurkunde nach Beschaffenheit und Inhalt der Abschrift entspricht. Andernfalls können die Behauptungen des Beweisführers über Beschaffenheit und Inhalt der Beweisurkunde (ß 424 Nr. 1, 3) als erwiesen gelten; er Zurückschieb««,.

Widerruf der Annahme oder Rückschiebling.

§ 455. In Ergänzung des § 452 verordnet § 455, daß der Eid wegen Nichterklärung über die Zuschiebung nur dann als geweigert angesehen werden darf, wenn der Delat durch das Prozeßgericht zur Erklärung aufgefordert ist (vgl. RG. 34 S. 373).

8 456 Das Gesetz unterstellt (vgl. Begr. 282), daß in der Zuschiebung des Eides still­ schweigend schon dessen Annahme seitens des Zuschicbenden liege, und bestimmt des­ halb in § 456, daß es der ausdrücklichen Annahme nicht bedarf. Das berührt aber nicht das Recht des Zuschiebenden (§ 453), gegen die Statthaftigkeit der Zurück­ schiebung Einwendungen zu erheben.

88 457, 458.

I.

8 457.

Der Gesetzgeber geht davon aus (Begr. 282), daß bei Kenntnis eines der in § 457 erwähnten Umstände der Delat die Zurückschiebung unterlassen haben würde, also in einem wesentlichen Irrtume gehandelt habe. Zu Zweifeln über seine Tragweite hat der auf der Verurteilung wegen wissent­ licher Verletzung der Eidespflicht beruhende Widerrufsgrund Anlaß gegeben.

§ 458. (423.) Die Annahme ober Burndisdjiebung des Eides kann außer -den Fällen des § 454 Abs. 2 und des § 457 nicht widerrufen werden. § 459. (424.) Uber eine Tatsache, weiche in einer Handlung des Zchwurpflichtigen besteht oder Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen ist, wird der -Eid dahin geleistet: daß die Tatsache wahr oder nicht wahr sei. Äst eine solche Tatsache vom Gegner des Achwurpstichtigen behauptet und kann dem letzteren nach den Umständen des Falles nicht ;ngemutet werden, daß Laut Begr. (vgl. S. 282) ist diese Fassung, die in §§ 463, 471, 477 wiederkehrt (anders in § 580 Nr. 1, 3), in Ermangelung einer besseren und deshalb gewählt, weil der Ausdruck „Meineid" mit Rücksicht auf die §§ 153—163 StGB. Bedenken hervorrufen könne, ob darunter die Fälle des wissentlich falschen Eides und der wissent­ lich falschen Versicherung an Eidesstätt (§§ 153—158), des falschen Eides (§ 160) und des aus Fahrlässigkeit falsch geleisteten Eides (§ 163) insgesamt oder nur teil­ weise fielen. Folgt man dieser Bemerkung, so kann man zu einer engeren Auffassung gelangen. Das RG. (46 S. 396) hat sich jedoch aus inneren Gründen, d. h. nach t>er Tendenz des § 457, für die weiteste Auffassung ausgesprochen; und dies läßt sich rechtfertigen. Doch scheidet der Fall des fahrlässigen Falscheides (§ 163 StGB.) nach dem Wortlaut des § 457 jedenfalls aus. Die Ansichten der Kommentare sind ge­ teilt. — Die Erfordernisse eines rechtskräftigen Strafurteils ergeben sich aus Buch DI der StPO.

H.

8 458

Abgesehen von den Sonderfällen der g§ 454 Abs. 2 und 457 ist durch § 458 grundsätzlich die Nichtwiderruflichkeit der Annahme und Zurückschiebung des Eides verordnet. Darin liegt ein Anklang an die Vergleichsnatur des zugefchobenen Eides (§ 450), mit der Absicht, einer etwaigen Prozeßverschleppung vorzudeugen (vgl. Begr. 282). III Über die Widerruflichkeit der Eideszuschiebung bestimmt das Gesetz nichts. Nach dem Entw. (§ 406) sollte die letztere der Zurückschiebung (§ 458 jetziger Fassung) gleichgestellt werden; aber die RIK. strich dies mit Rücksicht auf die Subsidiarität des Beweismittels (vgl. Prot. 170, 689, 733). Danach muß die Zu­ schiebung, mag eine Erklärung darüber bereits erfolgt sein oder nicht, selbst außer­ halb des Tatbestandes der §§ 454 Abs. 2 und 457, ohne weiteres für widerruflich gelten (vgl. RG. IW. 02 S. 305), und es bedurfte in dieser Beziehung nur noch der erweiternden Vorschrift des § 470.

§ 459. Der § 459 macht die Frage, ob ein zugeschobener Eid als Wahrheits- oder -als Überzeugungseid zu leisten, von dem Verhältnis des Schwurpflichtigen zur -Eidestatsache abhängig. Die Beurteilung dieser Frage bildet einen Teil der Ent-scheidung (88 359 Nr. 4, 460, 461). Dabei ist hie Beweisbehauptung des Deferenten zugrunde zu legen. Die Entscheidung erfolgt durch Beweisbeschluß oder im Endurteil nach Maßgabe der 88 359 Nr. 4, 460, 461. I Über eine eigene Handlung oder Wahrnehmung des Schwurpflichtigen ist regelmäßig der Wahrheitseid zu leisten (Abs. 1). Auf die Formel, daß die Tat­ fache wahr oder nicht wahr sei, kommt es nicht gerade an; auch die direkte Be- oder Abschwörung der Tatsache ist zulässig.

(Sibefnontt.

w. i.

408

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 460.

er die Wahrheit oder Aichtwahrheit derselben beschwöre, so kann das Gericht ans Antrag die Leistung des Eides dahin anordnen: -aß der Schwnrpstichtige nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Überzeugung erlangt habe, daß die Tatsache wahr oder nicht

wahr sei. Über andere Tatsachen wird der Eid dahin geleistet:

daß der Lchwurpflichtige nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Überzeugung erlangt oder nicht erlangt habe, daß die Tatsache wahr sei. § 460. (425.) Auf die Leistung eines Eides ist durch bedingtes Endurteil Zu erkennen. Die Eidesleistung erfolgt erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils. Abi. 2.

«bi.3.

II. Ausnahmsweise läßt Abs. 2 den Überzeugungseid zu, sofern der Gegner des Schwurpflichtigen die Tatsache behauptet hat, letzterer aber die Ausnahme für sich beansprucht und ihm nach Lage der Umstände Wahrheitseid nicht zugemutct werden kann, z. B. weil (vgl. Begr. 284) ihm die Beweistatsache wegen Länge der Zeit ober wegen ihrer geringen Bedeutung nicht mehr erinnerlich ist (vgl. RG. IW. 92 S. 204,. 95 S. 184). III über andere Tatsachen, mag es sich um Handlungen oder Wahr­ nehmungen eines Rechtsvorgängers oder Vertreters der Schwurpflichtigen oder um ganz fremde Vorgänge handeln, ist der Überzeugung seid aus Abs. 3 zu leisten. Dieser geht für den Beweissührer dahin, daß er die Überzeugung von der Wahrheit seiner Behauptung erlangt, für den Gegner nur dahin, daß er diese Überzeugung nicht erlangt habe. IV. Der Überzeugungseid hängt bezüglich seiner beiden Formen mit der in § 138 Abs. 3 zugelassenen Modifikation der Einlastung zusammen. Immerhin bildet auch er einen Wahrheitseid insofern, als er den Zusatz enthält, daß die Überzeugung oder Nichtüberzeugung auf sorgfältiger Prüfung und Erkundigung beruhe (vgl. RG. IW. 93 S. 348, 95 S. 184). Durch Ausübung des Fragerechls (§ 139) ist das Gericht jederzeit in der Lage festzustellen, ob und wie der Erkundigungspflicht genügt ist. Ob bei festgestellter Unterlassung der Erkundigung die Eidesleistung zu vertagen oder der Eid als verweigert anzusehen ist, wird Sache der konkreten Beurteilung sein. V. Die in § 459 bestimmten Normen des zngeschobenen Eides kennzeichnen sich als öffentlich-rechtliche Ordnungsvorschriften, und sind daher der Partei­ verfügung entzogen (vgl. RG. Gruchot 32 S. 736). 88 460—463.

Dornoie.

Anordnung der Eidesleistung.

Die Anordnung der Leistung eines zugeschobenen Eides kann an sich durH Beweisbeschluß oder durch Urteil erfolgen. Die Anordnung durch Beweisbeschluß, welche die Eidesleistung in der Instanz zur Folge hat, ist aber mit der auch für die Berufungsinstanz wirksamen (vgl. 88 529, 533) Subsidiarität dieses Beweismittels insofern nicht verträglich, als sie Eidesleistungen veranlasten kann, die sich demnächst als nutzlos erweisen und in Widerstreit mit anderen Eidesleistungen treten. Deshalb soll (vgl. Begr. 283) sie nur die Ausnahme bilden, und die Anordnung durch Urteil, wonach die Eides­ leistung erst nach eingetretener Rechtskraft desselben erfolgt, ist als Regel Hingestellb (8§ 460, 461).

§ 461. (426.) Lind die Parteien über die Erheblichkeit und die Norm -es Eides einverstanden oder dient der Gid pir Erledigung eines Zwischenstreits, so kann die Leistung des Mdes durch Leweisbeschlust angeordnet werden. Hängt die Entscheidung über einzelne selbständige Angriffs- und Ver­ teidigungsmittel von der Leistung eines Eides ab, so kann die Leistung des Eides durch Leweisbeschluß angeordnet oder auf dieselbe durch bedingtes

8 460.

,

Zu Abs. 2 Boas Gruchot 25 S. 563; Jastrow 27 S. 769; Hergenhahn Busch 15 S. L

I Der Abs 1 bestimmt als Regelform für die Anordnung der Eidesleistung da- bedingte Endurteil. Dieses kennzeichnet sich daher als ein solches, wodurch die Entscheidung des Streitstoffs ganz oder zum Teile (vgl. RG. 7 S. 426) für die jeweilige Instanz von der Eidesleistung einer Partei abhängig gemacht wird. Es darf nach § 300 nur dann erlassen werden, wenn der bezügliche Streitstoff, bis auf die Beweisaufnahme durch den Eid zur Entscheidung reif ist.

II. a) Die Eidesleistung soll nach Abs. 2 erst nach Eintritt der Urteils­ rechtskraft erfolgen. Dieser Aufschub wird durch die in der höheren Instanz fort­ dauernde Subsidiarität des Beweismittels (§§ 529, 533) geboten. Der Eintritt der Rechtskraft wird systemgemäß nur den Parteien bekannt; und deshalb hat die an der Urteilserledigung interessierte Partei den Gegner zu einem hierfür bestimmten Termine zu laden. d) In diesem Nachverfahren ist allemal mündl. Verhandlung geboten. Zunächst muß das Vorliegen der Urteilsrechtskrast festgestellt werden. Zur Sache selbst bleibt eine nochmalige Erörterung des durch das bedingte Endurteil erledigten Streitstoffes ausgeschlossen. Neu entstandene Einwendungen sind zur Widerspruchs­ klage aus § 767 zu verweisen (vgl. RG. 17 S. 343, 42 S. 372 [neue Ehescheidungs­ gründe betreffend^), abgesehen von neuen Dispositionsakten, die noch Berücksichtigung finden. Zur Verhandlung über die in §§ 469—473 behandelten Eventualitäten des Eidesbeweises, über etwaige Hindernisse oder Modalitäten der Eidesabnahme (§§ 356 ff.) muß allemal Raum bleiben. Sonach kann erst nach solcher Verhandlung zur Eides­ abnahme geschritten werden. Kommt es zu dieser, die für sich einen besonderen Akt der Beweisaufnahme bildet (vgl. RG. 8 S. 427), so wird eine weitere Verhandlung über deren Ergebnis und Rechtsfolgen (§§ 285, 463 ff.) nötig. Auf Grund der vorgedachten Erörterungen ist die Entscheidung zu fällen (§ 462 Abs. 2). Insoweit bildet das Nachverfahren einen dem Selbstbetriebe der Parteien überlaffenen Bestand­ teil des Hauptversahrens (vgl. RG. 6 S. 380, 13 S. 427, a. M. Boas a. a. O.). — Erachtet das Gericht die Eideserhebung noch für erforderlich, so hat es solche im Amtsbetriebe gemäß §§ 355 ff. zu bewirken. Dies kann, wenn die Parteien an­ wesend sind, sofort, aber auch im Wege kommissarischer Erledigung geschehen. — Auf Grund der an das Beweisergebnis sich schließenden Schlußverhandlung ist dann das' unbedingte Endurteil (sog. Läuterungsurteil) zu erlassen. Darin hat das Gericht vorerst die Rechtskraft des bedingten Endurteils, alsdann das Beweisergebnis zu prüfen, und daraus ergibt sich, welche von den bedingten Sachfolgen zur Reali­ sierung gelangen. — Für ein Bersäumnisurteil im Sinne der §§ 330, 331 ist, da das Nachverfahren nur die Erledigung des bedingten Endurteils betrifft, kein Raum; nur die allgemeinen Bersäumnisfolgen aus §§ 230, 231 können anwendbar werden (vgl. RG. 14 S. 345, 17 S. 343, Wach Borträge S. 160, Hellmann § 100, Fitting § 66, Troll, Versäumnisurteil S. 91, Birkmeyer, Rechtsf. S. 56. Boß Gruchot 24 S. 242, Jastrow dort 27 S. 777, Barkhausen dort S. 815, Just ziv. Arch. 68 S. 109, Bolgiano Busch 19 S. 365, die Kommentare).

410

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 462.

Zwischenurteil erkannt werden. Än dem letzteren Falle erfolgt die Eidesleistung nnr dann, wenn durch bedingtes Cndvrteil rechtskräftig erkannt ist, daß es auf dieselbe für die Endentscheidung des Rechtsstreite noch ankomme. § 462. (427.) Zn dem bedingten Urteil ist die Eidesnorm und die Folge sowohl der Leistung als der Nichtleistung des Eides so genau, als die Lage der Sache dies gestattet, festjustellcn. Der Eintritt dieser Folge wird durch Cndnrteil ausgesprochen. -Anordnung

§ 461.

Beschluß. I. Nach Abs. 1 darf die Anordnung der Eidesleistung ausnahmsweise durch Abs. i. Beweisbeschluß erfolgen, sofern a) die Parteien über Erheblichkeit und Norm des Eides einverstanden sind, sei es ausdrücklich oder stillschweigend, b) oder der Eid zur Erledigung eines Zwischenstreites dient, d. h. eines im Sinne der §§ 303, 347 für den Fortgang der mündl. Verhandlung präjudizierlichen Zwischenstreits. Erachtet das Gericht zu a oder b die Anordnung durch Beweisbeschluß nicht für sachdienlich, so muß es gemäß der Regel des § 460 verfahren. Ein bedingtes Zwischenurteil ist nicht zulässig (vgl. RG. 5 S. 350, 16 S. 329). Die Einigung der Parteien über den Eid macht die Frage nach der Beweislast überflüssig (vgl. RG. 53 S. 39). ^bs. 2.

II. Der Abs. 2 behandelt den Fall, daß von dem Eide die Entscheidung nur über einzelne selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel (§ 146) abhängt. Hier ist dem Gericht die sachdienliche Wahl zwischen der Anordnung der Eidesleistung durch Beweisbeschluß ober durch bedingtes Zwischenurteil eingeräumt (vgl. RG. 29 S. 117, IW. 92 S. 271, 300, 95 S. 8). Ter letztere Weg soll nach der Begr. (S. 283) die Durchführung der nach § 146 dem Gericht zustehenden Trennungsbefugnis sichern. Er dient zur Vorbereitung des dann noch zu erlassenden bedingten Endurteils. Damit hängt es auch zusammen, daß nach Abs. 2 die Eidesleistung erst zulässig werden soll, wenn in dem bedingten Endurteile rechtskräftig der Eid noch für erheblich erklärt ist. III. Ausnahmsweise ist im Urkunden- und Wechselprozesse nach § 595 die Form des Beweisbeschlusses allein zulässig.

IV. In den Fällen des § 461 bleibt dem Beweisbeschlusse der systemgemäße (§ 359) Charakter als bloß prozeßleitende Anordnung. Er kann daher wieder aufgehoben, geändert oder suspendiert werden, und hindert nicht die Parteien an Geltendmachung anderer Beweismittel, bzw. am Widerrufe der Eideszuschiebung, Annahme oder Zurückschiebung derselben. Er wird in der Instanz abgenommen. Die Beweiswirkung der Leistung oder Verweigerung des Eides bestimmt sich nach §§ 463, 464 (vgl. RG. 9 S 343). Dem geleisteten Eide kann aber die rechtliche Erheblich­ keit hinterher noch vom Instanz- oder höheren Richter abgesprochen werden (§ 533). Inhalt und § 462. Erledigung diugl-nEndI- I" betreff des Inhalts des bedingten End- oder Zwischenurteils schreibt urteil#. Abs. 1 vor, daß darin die Eidesnorm und die Folge der Leistung oder Nichtleistung Abs. i. so genau, wie nach der Sachlage möglich, festzustellen ist. — Diese Vorschrift zielt darauf ab, den Parteien und dem Gericht in betreff der die schließliche Sachentschei­ dung bedingenden Eidesbeweishandlung wie der von der Leistung oder Verweigerung dieser Handlung abhängigen Sachfolgen eine tunlichst bestimmte Direktive zu geben. Hierzu ist vorerst allemal erforderlich, daß der Streitstoff bereits bis auf die Eides-

§ 463. (428.) Durch Leistung des Cides wird voller Deweis der be­ schworenen Tatsache begründet. Der Deweis des Gegenteils findet nur unter denselben Voraussetzungen patt, unter welchen ein rechtskräftiges Urteil wegen Verletzung der Cidespflicht angefochten werden kann. tatsache aufgeklärt und nicht noch für die eine oder andere Eideseventualität eine weitere Verhandlung oder Beweisaufnahme offen gelassen ist. Es ist auch selbst da, wo die Endentscheidung von Leistung mehrerer kumulativen, alternativen oder sukzessiven -(eventuellen) Eide abhängt, unerläßlich, sogleich auf die mehreren Eide zu erkennen und die Folgen der Leistung und der Nichtleistung eines jeden Eides festzustellen. Nur die Einschränkung ist nachgelassen, daß die Feststellung nicht genauer, als es vorauszusehen, zu erfolgen braucht. Diese Einschränkung soll den Schwierigkeiten Rechnung tragen, die in komplizierten Streitsachen der Vorausbestimmung aller Sach­ folgen für alle Eventualitäten und alle Teile des Streitstoffes entgegenstehen. In solchen Fällen darf namentlich die vom Sachergebuis abhängige Kostenentscheidung Vorbehalten werden (vgl. Begr. 283). Immerhin muß das Urteil in seiner Formel die Sachsolgen für beide Eventualitäten mindestens derart ergeben, daß mit Hilse der Entscheidungsgründe, der in den §§ 463—474 gegebenen Beweisvorschristen und der K'üstenregeln der §§ 91 ff. im Nachverfahren (§ 460) die unbedingte Schluß­ entscheidung in Hauptsache und Kostenpunkt getroffen werden kann. — Daß hierauf die Absicht des Gesetzes geht, erhellt aus dessen Materialien. Nach der Begr. (S. 283) wollte die ZPO. dem früheren Preußischen Prozeßrechte folgen, in welchem (vgl. AGO. I, 10 § 377; 22 § 4) für bedingte Urteile die Festsetzung der Sachfolgen mit Bezug auf beide Eveutualitäten vorgeschrieben war. Schon der hannov. und der preuß. Entw. hatten auf demselben Standpunkte gestanden. Das­ selbe war in der RIK. der Fall (vgl. Prot. 176). So auch die Praxis (RG Pl. 7 S. 426, 16 S. 286, 20 S. 395, Gruchot 32 S 1194, 34 S. 1164, IW. 91 S. 88, SeuffA. 39 Nr. 253) und die Kommentare.

Ein dem Abs. 1 zuwiderlaufendes Endurteil stellt in Wahrheit nur ein Zwischennrteil, möglicherweise in Verbindung mit einem Beweisbeschlusse, dar. Da es aber als Endurteil vom Prozeßgericht gewollt und für dasselbe bindend ist, erweist es sich als inkorrekt, und den Parteien muß das gegen Endurteile zulässige Rechts­ mittel eröffnet werden, um es aus der Welt zu schaffen (vgl. die obige Rechtsprechung des RG., Planck I § 80, II § 127, Hellmann § 92, Hagemann Busch 12 S. 397; a. M. Rocholl, Rechtsf. II S. 410).

II. Nach Abs. 2 soll der Eintritt der Folgen durch Endurteil ausgesprochen werden. Darauf bezieht sich das zu § 460 Abs. 2 in Note II b bereits behandelte Nach-(Läuterungs ^Verfahren.

§§ 463—468.

Abs. 2.

Leistung, Erlaß, Verweigerung des Eides.

Bei Erhebung des Eidesbeweises kann sich ergeben, daß der Eid geleistet, erlassen oder verweigert wird. In den §§ 463—468 wird die Beweisfolge in diesen Fällen geregelt, und zwar, mit Rücksicht auf die Vergleichsnatur des Eides (vgl. Begr. 285), in Gestalt von Beweisregeln (§ 286 Abs. 2). Dabei handelt es sich aber nur um Eide im anhängigen Prozesse. Die Be­ weiswirkung eines in einem Vorprozesse derselben Parteien oder einem sonstigen Pro­ zesse geleisteten oder verweigerten Eides unterfällt der freien Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1, vgl. RG. 11 S. 421, 18 S. 381, Gruchot 29 S. 1110).

Bornote,

412

IL Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 464, 465.

§ 464. (429.) Die Erlassung des Eides von feiten des Gegners hat die­ selbe Wirkung, wie die Leistung des Eides. Die Verweigerung der Eidesleistung hat pir Folge, -ast das Gegenteil -er zu beschwörenden Tatsache als voll bewiesen gilt. § 465. (430.) Erscheint der Schwurpflichtige in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine nicht, so ist auf Antrag der Eid als verweigert anzusehen und zur Hauptsache zu verhandeln. Leistung.

§ 463.

sini.

I Die Eidesleistung hat nach Abs. 1 die gesetzliche Folge, daß die Eides­ tatsache für voll erwiesen gilt (vgl. RG. Gruchot 37 S. 387); eine Folge, die sich nach § 533 in der Berufungsinstanz, nach §§ 595, 596, 599 in dem aus dem Urkundenprozesse hervorgehenden ordentlichen Verfahren fortsetzt. (Über den Begriff der Eidesweigerung vgl. RG. 69 S. 263 und über Widerruf der Eidesleistung das. S. 315, ebenso IW. 08 S. 748.) II. Der Gegenbeweis ist nach Abs. 2 an die Voraussetzung geknüpft, daß, falls ein rechtskräftiges Urteil vorläge, dessen Anfechtung wegen Verletzung der Eides­ pflicht gemäß §§ 580 Nr. 1, 581, 582 zulässig sein würde. Deshalb muß er, falls er im anhängigen Rechtsstreite überhaupt statthaft, vor Eintritt der Rechtskraft des auf die Eidesleistung gegründeten Urteils, d. h. spätestens in der Berufungsinstanz geführt werden (vgl. RG. 14 S. 322).

«»1-2.

«erveigerung.

§ 464.

Abs. 2.

Der Abs. 2 legt der Verweigerung die gesetzliche Wirkung bei, dak das Gegenteil der Eidestatsache für voll bewiesen gilt. Eine Verweigerung liegt vor, wenn in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine der Schwurpflichtige den Eid überhaupt nicht oder nur mit unzulässiger Änderung (§ 469) oder in unstatthafter Norm oder Beteuerungssormel leisten will, welche Er­ klärung auch aus den Umständen geschlossen werden kann (vgl. RG. 23 S. 388); ferner, wenn der Delat oder der Deferent vor Anordnung der Eidesleistung den zu­ geschobenen oder zurückgeschobenen Eid verweigert, oder der Delat keine Erklärung über die Zuschiebung abgibt oder eine unzulässige Zurückschiebung ohne gleichzeitige bedingte Annahme erklärt (§§ 452, 453); endlich, wenn nach Anordnung der Eides­ leistung der Schwurpflichtige im Schwurtermine ausbleibt (§§ 465 ff.). In diesen Fällen ist ein Gegenbeweis nicht zulässig, auch nicht in Analogie des§ 290 (vgl. RG. IW. 02 S. 394). Indessen erscheint die Anfechtung der Eidesweigerung möglich, wenn der Pflichtige nachweifen kann, daß feine Erklärung feinem eigentlichen Willen nicht entsprach (RG. 69 S. 261, ebenso IW. 08 S. 718).

§§ 465—468*

Ausbleiben im Schwurtermine.

Wach, Vorträge S. 159; Voß Gruchot 24 S. 228; Jastrow dort 27 S. 777; Bark­ hausen dort 27 S. 813; Breitner Busch 3 S. 341; Bolgiano dort 5 S. 200; H. Meyer Busch 28 S. 311 und Gruchot 33 S. 553; Birkmeyer, Nechtssälle S. 54; Troll, Verfäumnisurteil S. 146; Kroschel Busch 28 S. 121. Bornote.

Die §§ 465—468 behandeln denjenigen Fall der Eidesweigerung, der sich durch Nichterscheinen des Schwurpflichtigen im Schwurtermine betätigt. Die N o v. v. 98 hat in §§ 465—468 das frühere Verfahren, das geeignet war, zu Verschleppungen gemißbraucht zu werden, im Anschluß an § 46 GewGG. fallen lassen (vgl. Mot. zu §§ 430 und 430 a—c), und dafür ein abgekürztes Verfahren

8 466. Der Schwnrpflichtige kann die Folge der Versäumung des pir Eidesleistung bestimmten Termins dadurch beseitigen, daß er nachträglich bei dem Gerichte die Äbnahme des Eides beantragt. Der Antrag ist nur innerhalb -er Notfrist von einer Woche nach dem Termine zulässig; er kann pim Proto­ kolle des Gerichts schreibers erfolgen. 8 467. Gilt der Cid infolge der Versäumung des Termins als verweigert, so ist, falls anf die Verhandlung in der Hauptsache ein Urteil oder ein Deweisbeschluß ergeht, diese Entscheidung in einem besonderen, über eine Woche hinaus anprsehenden Termine px verkünden; für den Fall, daß die Abnahme des Eides rechtjeitig beantragt wird, ist der Termin pir Eidesleistung und pur weiteren mündlichen Verhandlung bestimmt. Hat die Verhandlung die Erlassung eines Urteils oder eines iSeweisbeschlustes nicht pir Folge, so ist, wenn die AbnalMe des Eides rechtpitig beantragt wird, der nächste Termin ;ur mündlichen Ver­ handlung auch ptr Eidesleistung bestimmt. Äst Lie Abnahme des Eides einem Mitgliede -es propßgerichts oder einem anderen Gericht übertragen, so ist, wenn der Schwurpstichtige in dem Termine nicht erscheint, sedoch innerhalb der Notfrist die Abnahme des Eides beantragt, pi diesem Zwecke ein neuer Termin anzuberaumen. bestimmt. Das gleiche Verfahren gilt, obwohl ausdrücklich hierauf nicht anwendbar erklärt, auch für den Editionseid (vgl. RG. 70 S. 69, ebenso IW. 09 S. 53).

§ 465.

verweise rungifolge.

Nach § 465 soll, sofern der Schwurpflichtige im Eidesleistungstermine nicht er­ scheint, auf Antrag des Gegners ohne weiteres der Eid als verweigert gelten und zur Hauptsache verhandelt werden. Diese Verhandlung kann, falls der Schwurtermin vor dem Prozeßgericht ansteht, sofort erfolgen; andernfalls wird für § 465 erst in dem später vor dem Prozeßgericht stattfindenden Verhandlungstermine Raum. Sofern in dem Termine vor dem Prozeßgericht der Gegner unvertreten bleibt, ist mangels Antragstellung § 465 überhaupt nicht anwendbar. Falls dann auch der Schwurpflichtige nicht vertreten ist, ruht das Verfahren; dagegen kann, wenn für diesen ein Vertreter erschienen ist, von demselben ein Versäumnisurteil zur Hauptsache, sei es als Zwischen- oder als Endurteil, erwirkt werden. 8

466

Antrag aus Eide».

Nach § 466 kann der Schwurpflichtige die Rechtsfolge der Eidesweigerung da- arnahmr. durch abwenden, daß er nach dem versäumten Termine bei Gericht die Abnahme des Eides beantragt. Der Antrag ist nur binnen einer einwöchigen Not­ frist zulässig, aber dem Formzwange nicht unterworfen, inhaltlich auf nachträgliche Eidesabnahme unter Darlegung der Sachlage zu richten.

§ 467

Weiter«?

Das Verfahren auf den Antrag aus § 466 ist verschieden, je nachdem ®eTfa*ttnder versäumte Schwurtermin vor dem Prozeßgericht oder vor einem Kommissar an­ gestanden hat. I. Stand der Termin vor dem Prozeßgericht an, so ist nach Abs. 1 wiederum z« unterscheiden:

W

l

414

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 468, 469.

§ 468. Erscheint der Lchwurpstichtige auch in dem zweiten ;ur Eides­ leistung bestimmten Termine nichts so ist ein nochmaliger Antrag auf Abnahme des Eides nicht pilüflig. § 469. (431.) Der Schrvurpflichtige, welcher frühere Behauptungen Mücknimmt oder früher bestrittene Tatsachen ;ngesteht^ kann stch ;ur Leistung eines beschränkteren Eides erbieten^ selbst wenn der Cid bereits durch bedingtes Urteil auferlegt ist. Auch können unerhebliche Umstände, welche in die Cidesnorm aufgenommen fmd, berichtigt werden.

Abs. 2.

a) Ist es im Termine nicht zur Erlassung eines Urteils oder eines Beweis­ beschlusses gekommen (Satz 2), so gilt, falls der Antrag aus § 466 fristgemäß gestellt ist, der nächstbestimmte oder zu bestimmende Verhandlungstermin als zur Eides­ abnahme mitbestimmt. b) Andernfalls (Satz 1) soll, um eine formelle Aufhebung der Entscheidung un­ nötig zu machen, deren Verkündung, abweichend von der Regel des § 310, in einem besonderen, über die Notfrist aus § 466 hinausgehenden Termine erfolgen. Wird dann innerhalb der Notfrist der Antrag aus § 466 gestellt, so gilt der Ver­ kündungstermin zugleich als zur Eidesleistung und weiteren Verhandlung bestimmt (§ 370). In diesem Termine kann regelgemäß (KZ 330 ff.) ein Versäumnisurteil zur Hauptsache erwirkt werden. II. Stand der Schwurterrnin vor einem Kommissar an, so ist der Antrag aus § 466 auch bei diesem zu stellen. Er muß dann die Sache zunächst der Frist wegen zurückhalten. Erfolgt der Antrag nicht fristgemäß, so ist sein Kommissorium erledigt und die Akten sind dem Prozeßgericht vorzulegen. Geht der Antrag fristgerecht ein, so hat er einen neuen Termin zur Eidesabnahme anzusetzen und dazu die Parteien von Amts wegen zu laden.

III. Liegt der Versäumung des Schwurtermins ein unabwendbarer Zufall zugrunde, so kann der Schwurpflichtige, aber nur beim Prozeßgericht, gemäß ZZ 233 ff. die Wiedereinsetzung nachsuchen. Wiederholte Säumnis.

§ 468. Wenn der Schwurpflichtige auch im zweiten Schwurtermine (§ 467) aus­ bleibt, so ist nach § 468 (entsprechend dem § 345) ein nochmaliger Antrag auf Eides­ abnahme nicht mehr statthaft, und es wird dann der § 465 anwendbar.

Änderung der Eides­ norm.

§ 469. Der § 469 will, nach dem Vorgänge des früheren Preuß. Rechts (AGO. I,. 10 §§ 309-311), dem Schwurpflichtigen einen Rechtsbehelf an die Hand geben, wo­ durch er in zwei Fällen, ohne erst zu dem sonst zulässigen Rechtsmittel greifen zu müssen, eine Änderung der Eidesnorm mittels Beschlusses erzielen kann (vgl. Begr. 284, RG. 10 S. 169 und Gruchot 33 S. 1173).

I. a) Zunächst kann er sich, unter teilweiser Zurücknahme früherer Tatbehaup­ tungen oder teilweiser Einräumung früher bestrittener Tatbehauptungen des Gegners, zur Leistung eines beschränkteren Eides erbieten. Es muß danach ein Fall teilweiser Erledigung der Eidesnorm, mithin veränderter Umstände vorliegen (anders nach § 319). Durch jenes Erbieten setzt sich der Schwurpflichtige nicht der Rechts­ folge der Eidesweigerung aus; andrerseits kann er dadurch die Einfügung einer ander­ weiten Tatbehauptung in den Eid nicht erreichen (vgl. RG. Gruchot 29 S. 1119, 31 S. 1000, IW. 86 S. 73, 93 S. 18, 94 S. 141, 01 S. 401).

§ 470. (432.) Ist der Gid durch bedingtes Urteil auferlegt, so kann, auch nach Eintritt -er Rechtskraft, die Zuschiebung sowie die Zurückschiebung der Eides widerrufen werden, wenn der Lchwurpflichtige wegen wissentlicher Ver­ letzung der Cidespflicht rechtskräftig verurteilt oder wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Gegner erst nach erfolgter Zuschiebung oder Zurückschiebung der Gides von einer solchen Verurteilung Kenntnis erlangt habe. b) Sodann kann eine Partei (vgl. Busch 24 S. 511) auf Beseitigung von sachlich unerheblichen Umständen aus der Eidesnorm antragen, wie z. B. von bloß historisch eingeflochtenen Daten (vgl. Prot. 179). Offenbare Unrichtigkeiten, die auf Versehen des Gerichts beruhen, können nach § 319 auch von Amts wegen berichtigt werden (vgl. RG. 8 S. 390). Auf die Form der Eidesanordnung und die jeweilige Jnstanzlage kommt eS dabei nicht an. Im Falle der Anordnung durch Beweisbeschluß gestattet schon § 360 eine beliebige Änderung der Eidesnorm; int Falle der Anordnung durch Urteil läßt § 469 die Änderung, sei es vor oder nach Eintritt der Urteilsrechtskrast, besonders zu. II. Das Verfahren erfordert systemgemäß mündliche Verhandlung vor dem Prozeßgericht, worin der Antrag (Erbieten) zu stellen, der Gegner hierüber zu hören und vom Gericht die Entscheidung mittels zu verkündenden, weil die Sach­ entscheidung berührenden Beschlusses zu treffen ist (vgl. RG. 10 S. 169). Im kom­ missarischen Beweisverfahreu muß der Kommissar den Antrag protokollieren, dann aber die Akten dem Prozeßgericht zur Entscheidung vorlegen. Der auf einen Ände­ rungsantrag ergehende Beschluß ist nicht für sich, sondern nur mit dem gegen das spätere Läuterungsurteil zulässigen Rechtsmittel anfechtbar (vgl. RG. 8 S. 393,. Gruchot 33 S. 1173, IW. 00 S. 874, Planck § 127 zu VII, die Kommentare).

8 470. Hönemann Gruchot 26 S. 29; Jastrow dort 27 S. 783.

Der Widerruf der Eideszuschiebung ist, wie in Note HI zu §§ 457, 458 dar­ gelegt worden, unbeschränkt, der Widerruf der Zurückschiebung nach Maßgabe der §§ 454 Abs. 2 und 457 zulässig. Der § 470 ergänzt diesen Rechtsstand dahin, daß, falls der Eid durch bedingtes Urteil (§§ 460—462) auferlegt ist, auch nach Eintritt der Rechtskraft die Zuschiebung wie die Zurückschiebung unter den Voraussetzungen des § 457 widerruflich ist. I. Die Bedeutung dieser Vorschrift ist nicht unbestritten. Manche Kommen­ tare nehmen, namentlich aus Grund des Wortlauts an, daß der Widerruf nach §§ 453, 454, 457 bis zum Erlasse des bedingten Urteils nach § 470 über dessen Rechtskraft hinaus nur noch unter den Voraussetzungen des § 457 wirksam sein solle. Demgegenüber meinen andere, daß das Widerrufsrecht ans §§ 453, 454, 457 au sich bis zum Eintritt der Rechtskraft des bedingten Urteils fortdauere, nach diesem Zeitpunkt aber nur noch int Falle des § 470 statthaft sei (vgl. Hönemann Gruchot 26 S. 29, Planck II § 126, Hellmann § 92 III, 4, andere Kommentare). Den Gründen dieser Ansicht dürfte der Vorzug zukommen. Nach der gegenteiligen An­ nahme müßte man vorausfetzen, der Gesetzgeber habe der Auferlegung des Eides durch bedingtes Urteil 1. Instanz die Wirkung eines die Eventualnatur der Eideszuschiebung. beschränkenden Einschnitts beimessen wollen. Diese Voraussetzung erscheint aber un­ haltbar. Die Entstehungsgeschichte des § 470, der seine Fassung einem unmotiviert gebliebenen Beschlusse der Redaktionskommission der RIK. verdankt, ergibt doch soviel, daß, entgegen dem auf die Bertragsnatur des zugeschobeneu Eides basierten Regierungsenttourfe, durch § 470 im Zusammenhalt mit §§ 453—457 die Berechtigung der

416

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte § 471.

8 471. (433.) Wenn der Lchwnrpflichtige stirbt, wenn er zur Leistung des Gides unfähig wird oder wenn er aufhört gesetzlicher Vertreter ;u sein, so können beide Parteien in Ansehung der betreffenden Leweisführung alle Rechte ausüben, welche ihnen vor der Zuschiebung des Eides Zuständen. Dasselbe gilt, wenn infolge der Verurteilung des Lchwurpflichtigen wegen wiffentlicher Verletzung der Eidespflicht die Zuschiebung oder Zurückschiebung -es Eides widerrufen wird. Ist der Eid durch bedingtes Arteil auferlegt, so wird unter Aufhebung -es Arteils in der Sache anderweit erkannt. Parteien, neben dem Eide andere Beweismittel geltend zu machen, bis zur Leistung des letzteren hin gewahrt bleiben soll (vgl. Prot. 690, 733); und dazu bestimmen die §§ 523, 529, 533 (vgl. RG. 25 S. 181), daß die Eventualnatur der Eides­ zuschiebung noch für die Berufungsinstanz ihre Wirkung behalten soll. Auch die Wort­ fassung des § 470 steht nicht entgegen, den Hauptton darin auf dem Passus „auch nach Eintritt der Rechtskraft" zu legen. Alles dies rechtfertigt die Auffafsung, daß das Wesentliche der Vorschrift nicht der Gegensatz zwischen vor und nach der Er­ lassung, sondern der Gegensatz zwischen vor und nach der Rechtskraft des be­ dingten Urteils ist. II. Wegen der dem ß 457 entsprechenden Voraussetzung des § 470 (wissent­ liche Verletzung der Eidespflicht) vgl. die Rote zu § 457, wegen des Verfahrens auf erfolgten Widerruf den § 471. Wegfall des Schwur» Pflichtigen.

«»>. i.

§ 471. Neubauer Busch 18 S. 80.

Der § 471 verfolgt den Zweck, den Parteien für solche Fälle, in denen der Schwurpflichtige in Wegfall kommt, einen das sonst zuständige Rechtsmittel er­ übrigenden, sofort wirksamen restitutionsähnlichenRechtsbehelfzu gewähren. I. Der Abs. 1 trifft die Fälle, wo vor der Eidesleistung der Schwurpflich­ tige aus rechtlichen oder natürlichen Ursachen wegsällt. (Das gleiche Verfahren wird auch eintreten müssen, wenn zur Zeit der Eidesauslage der Schwurpflichtige schon weggefallen, diese Tatsache aber dem Gericht noch nicht bekannt war sRG. 57 S. 238, SeuffA. 45 S. 371, 54 S. 350, IW. 99 S. 370]). a) Dahin gehört zunächst der Fall, daß der Schwurpflichtige stirbt oder für tot erklärt wird (vgl. § 239, RG. 32 S. 426), wobei es ohne Belang ist, ob dies Er­ eignis vor oder nach Eintritt der Urteilsrechtskraft erfolgt (vgl. RG. 13 S. 379, IW. 97 S. 108); sodann der Fall, daß der Schwurpflichtige zur Eidesleistung un­ fähig wird, was rechtlich infolge Verlustes der Partei- oder Prozeßfähigkeit (§§ 50, 51, 241, 473, vgl. RG. Gruchot 29 S. 1112), tatsächlich durch körperliche oder geistige Unfähigkeit zur Eidesleistung (§§ 482 ff., 393 Nr. 1) herbeigeführt werden kann, und.wobei die Verschollenheit nur insoweit Einfluß übt, als sie Prozeßunfähig­ keit bewirkt (vgl. RG. 34 S. 413, Fuchs Gruchot 40 S. 308, Petersen dort 581); endlich der Fall, daß der schwurpflichtige gesetzliche Vertreter aufhört, solcher zu sein Eid durch bedingtes Urteil auferlegt, so ist zur fortgesetzten Verhandlung, falls das Urteil noch nicht rechtskräftig geworden, vor das erkennende Gericht (aber niemals das Revisionsgericht, vgl. RG. Gruchot 29 S. 1117) oder im Wege der Berufung (vgl. RG. 55 S. 19), dagegen, falls das Urteil bereits rechtskräftig geworden, vor das erkennende Gericht zu laden. Die Verhandlung selbst hat sich nur auf den Rechtsbehelf aus § 471 zu richten. Das will sagen, daß die Parteien bezüglich der Eidestatsache alle vor der Eideszuschiebung ihnen zu Gebote stehenden Rechte ausüben, insbesondere andere Beiveismittel als den wegfallenden Eid, auch eine anderweite Eideszuschiebung, und zwecks indirekter (mittels Indizien) Beweisführung sogar neue Tatbehauptungen Vor­ bringen dürfen (Dgl. RG. 13 S. 379, 23 S. 359, 38 S. 413, IW. 97 S. 108), soweit nicht etwa die §§ 367, 374, 433 entgegenstehen. Aus Grund der fortgesetzten Verhandlung und einer etwaigen neuen Beweis­ aufnahme ist die Entscheidung über den Rechtsbehelf aus § 471 zu erlassen; und zwar, wenn der wegfallende Eid durch End- oder Zwischenurteil auferlegt war, in gleicher Form. Erweist sich der Rechtsbchelf als nicht begründet, so ist er abzuweisen; erweist er sich als begründet, so muß nach der veränderten Sachlage, aber nur im Rahmen der bezüglichen Beweisführung erkannt werden (s. Abs. 3). — Bei Ver­ säumung des Berhandlungstermines seitens einer Partei kann ein Versäumnisurteil erwirkt werden; nämlich gegen den säumigen Antragsteller auf Abweisung des An­ trages (§ 330), gegen den säumigen Gegner nach Maßgabe des § 331. Je nachdem die Entscheidung durch kontradiktorisches oder durch Versäumnisurteil ergangen, ist für ihre Anfechtung ein Rechtsmittel oder der Einspruch statthaft (vgl. RG 13 S. 379, 23 S. 359, IW 91 S. 66; a M. beim Versäumnisverfahren H. Meyer Busch 9 S. 325, Jastrow Gruchot 27 S. 788, Barkhausen dort S. 821; die Kommentare geteilter Meinung). II. Nach Abs. 2 gilt das gleiche, wie nach Abs. 1, für den Fall, daß die Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides auf Grund der §§ 457, 470 (Verurteilung des Schwurpflichtigen wegen Verletzung der Eidespflicht) widerrufen wird. in. Der Abs. 3 bestimmt, daß, falls der Eid durch bedingtes Urteil auferlegt worden, unter Aufhebung desselben in der Sache anderweit erkannt werden soll. Diese Vorschrift bezieht sich auf den Fall der Begründetheit des Antrages aus § 471. Sie hat nur den formellen Zweck, eine übersichtliche Entscheidung herbeizuführen, indem das alte Urteil, statt Vornahme von Änderungen an demselben, im ganzen aufgchoben und durch ein neues Urteil ersetzt werden soll. 8

472.

«h 2.

Ms. 3.

Eider»»schiedung bei

Die Vorschriften über Eideszuschiebung (§§ 445—471) finden im allgemeinenu?°" auch auf Streitgenossen Anwendung, da regelmäßig (8 61) jeder von diesen als ,en»iie». Einzelpartei behandelt wird. Aber sie reichen nicht aus für notwendige Streitgenossen (ß 62) mit Rückficht darauf, daß die Entscheidung diesen gegenüber nur ein­ heitlich ergehen darf, zumal ein widersprechendes Verhalten der Streitgenossen bezüg­ lich der Eideszuschiebung besondere Schwierigkeiten im Gefolge haben könnte. Deshalb -sind in 8 472 ergänzende Vorschriften für diesen Fall vorgesehen. Reincke, ZPO. 6. Ausl.

27

418

II. Buch. Verfahren in erster Instanz. 1. Abschn. Landgerichte § 472.

nähme des Eides haben sich nur diejenigen Ltreitgenossen pt erklären, welchen der Cid ;vgeschoben ist. Äst der von allen oder von einigen Ltreitgenossen pt leistende Gid von einem oder mehreren derselben, oder ist der von einem Teile der Streitgenossen pt leistende Eid von allen Schwurpstichtigen verweigert oder als von ihnen verweigert mtptsdjett, so entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung, ob die Behauptung, deren Leweis durch Eideszuschiebung angetreten ist, für wahr zu erachten sei. Erklären einzelne Ltreitgenossen, dasi sie den Eid nicht leisten werden, so ist in Ansehung der übrigen Ltreitgenossen die Leistung des Eides nicht anzuordnen oder der Gid nicht abzunehmen, sofern das Gericht denselben für unerheblich erachtet.

Abs. i.

Ab,.2.

Daß diese für beide Fälle notwendiger Streitgenoflenschaft aus § 62 gelten sollen,, ergibt sich daraus, daß die Begr. (em Gutachten regelmäßig zugleich um ein sachverständiges Zeugnis (§ 414) handeln wird. Die Glaubhaftmachung in Nr. 4 bezweckt den Schutz des Gegners und der Auskunstspersonen gegen Schikane (Begr. 290). Im Falle des § 489 wird außer­ dem die Zustimmung des Gegners spätestens bis zur Erlassung der Entscheidung bei­ zubringen sein. Aus die Erheblichkeit der Beweistatsachen kommt es angesichts des lediglich vorbereitenden Charakters des Verfahrens nicht an. 8 ö

488.

Sondersall (Zustand von

I Der von der Nov. v. 98 eingefügte § 488 läßt die Sicherung des Be- ®e*en>weises, auch wenn die Besorgnis aus § 485 nicht vorliegt, aus Rücksichten des Verkehrslebens für mehrere Fälle zu, wo es sich darum handelt, Mängel veräußerter Sachen oder bestellter Werke oder den Zustand von verwahrtem oder befördertem Gute behufs Wahrung vertragsmäßiger Rechte festzustellen. Die Vorschrift dient namentlich zum Ersätze des alten Art. 348 Abs. 2 HGB. und berücksichtigt das In­ teresse beider Bertragsteile, in Abs. 1 das des Erwerbers, in Abs. 2 das des Ber-

428

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz.

1. Abschn. Landgerichte §§ 489, 490.

Beweis ein Äommissionär, Spediteur, Lagerhalter oder Frachtführer zu sorgen verpflichtet ifl. Hat der Erwerber einer Zache dem Veräußerer einen Mangel angezcigt oder die Annahme der Zache wegen Mangelhaftigkeit abgelehnt, so kann auch der Veräußerer die Beweisaufnahme nach Maßgabe des Abs. 1 beantragen. In gleicher Weise ist der Unternehmer eines Werkes zu dem Anträge berechtigt, wenn der Besteller ihm einen Mangel angezeigt oder die Abnahme des Werkes wegen Mangelhaftigkeit verweigert hat. § 489. (450.) Mit Zustimmung des Gegners kann die beantragte Beweisaafnahme angeordnet werden, anch wenn die Voraussetzungen des § 485 nicht vorliegen. § 490. (451.) Die Entscheidung über das Gesuch kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. In dem Beschlusse, durch welchen dem Gesuche ftattgegebcn wird, sind die-

Hbf. i.

•in. 2

Zustimmung

äußerers. Angesichts dieses Gesetzeszweckes darf gefolgert werden, daß § 488 beim Vorliegen seiner Voraussetzungen den Beteiligten ein Recht auf die Sicherung des Beweises gibt (vgl RG. 49 S. 389, IW. 03 S. 49). II Zu den einzelnen Fällen ist zu bemerken: a) Der Abs. 1 gewährt dem Erwerber einer Sache und dem Besteller eines Werkes das Recht, Mängel der erworbenen Sache oder des bestellten Werkes zur Fest­ stellung zu bringen, um seine Ansprüche und Einwände aus den Mängeln vor Ver­ jährung oder sonst zu schützen. Vergleiche hierzu die §§ 477, 479, 485, 493, 524, 639 BGB. Ein gleiches Recht verleiht Abs. 1 behufs Feststellung des Zustandes eines Gutes, für besten Beweis Kommissionäre, Spediteure, Lagerhalter oder Frachtführer zu sorgen haben. Dies bezieht sich auf die §§ 388, 407, 417, 438 HGB. (vgl. § 13 Abs. 4 EGzZPO., wo noch die alten Art. 348, 365, 407 HGB. stehen geblieben sind). b) In Abs. 2 ist zum Ausgleich auch dem Veräußerer einer Sache und dem Unternehmer eines Werkes, sofern der Erwerber oder Besteller demselben einen Mangel angezeigt oder wegen Mangelhaftigkeit die Annahme verweigert hat, das Antragsrecht behufs Feststellung des wahren Zustandes gegeben. III. Außerhalb der ZPO. ist noch auf folgende Antragsrechte hinzuweisen: 1. zur Feststellung von Beschädigungen an unterseeischen Telegraphenkabeln, gemäß Art. 7 des internat. Vertrages v. 14. 3. 84 und § 1 G. v. 21. 11. 87, 2. zu gleicher Feststellung an Binnenschiffen und Flößen, gemäß 88 11—14, bzw. 8—11 G. v. 15. 6. 95 und 20. 5. 98 über die privatrechtl. Verhältniste der Binnenschiffahrt bzw. Flößerei.

8 489.

des Gegners.

Rach 8 489 macht die Zustimmung des Gegners das Erfordernis der Be­ sorgnis aus 8 485 entbehrlich. Damit wird solchen Fällen Rechnung getragen, wo die Beweissicherung im Jntereffe beider Teile liegt. Der Gegner muß natürlich aus der nach 8 487 darzulegenden Rechtslage erkennbar sein.

Entscheidung auf da-

a,|Hd>Ms. i.

8

490.

I Die Entscheidung über das Gesuch erfordert, bei der Einfachheit der Sache, eine vorgängige mündl. Verhandlung nicht. Wird diese für geboten erachtet, s»

Zwölfter Titel.

Sicherung des Beweises §§ 491/ 492.

429

Tatsachen, über welche -er Leweis ;u erheben ist, und die Leweismittel unter Lenennung der zu vernehmenden Leugen und Sachverständigen zu bezeichnen.

Tine Anfechtung dieses Leschlusses findet nicht statt. § 491. (452.) Der Leweisführer ist oerpfiichtet, sofern es nach den Um­ ständen des Falles geschehen kann, unter Zustellung des Leschlu sses und einer Abschrift des Gesuchs zu dem für die Leweisaufnahme bestimmten Termine den Gegner so zeitig zn laden, daß derselbe in diesem Termine seine Rechte wahr­ zunehmen vermag. Die Richtbefolgnng dieser Vorschrift steht der Leweisaufnahme nicht ent­

gegen. § 492. (453.) Die Leweisaufnahme erfolgt nach den für die Aufnahme des betreffenden Leweismittels überhaupt geltenden Vorschriften. Das Protokoll über die Leweisaufnahme ist bei dem Gerichte, welches die­ selbe angeordnet hat, anfznbewahren. sind die Beteiligten von Amts wegen zu laden. Die Verhandlung hat sich auf Be­ gründung, bzw. Bemängelung des Gesuchs zu richten. Bei Versäumnis einer oder beider Parteien ist nach Lage der Sache zu entscheiden.

II. Die Entscheidung erfolgt durch Beschluß, der im Falle vorgängiger BerHandlung zu verkünden, andernfalls dem Antragsteller zuzustellen ist (§ 491, vgl. RG. 11 S. 404). — Der ablehnende Beschluß unterliegt der Beschwerde (Begr. 290, § 567). Der stattgebende Beschluß ist der Anfechtung entzogen. Er hat die Natur des Beweisbeschlusses, und muß daher dem § 359 Nr. 1, 2 entsprechen. Für eine Befugnis des Gerichts, Sachverständige auch von Amts wegen zu ernennen (§ 144), gibt § 487 Nr. 3 und die Natur des Verfahrens Wohl keinen Anhalt (vgl. Prot. 193, RG. 49 S. 392). — Bei Anordnung des Verfahrens ist der Termin zur Be­ weisaufnahme zu bestimmen oder deren kommissarische Erledigung zu beschließen. Das Verfahren bedarf naturgeniäß größter Beschleunigung. 8

491.

ms. e.

Ladung t»r Beweisauf-

Nach § 491 hat der Beweisführer selbst, also im Parteibetriebe, den Gegner zum Beweistermine zu laden und demselben den Beschluß aus § 490 Abs. 2 und eine Abschrift des Gesuchs (§ 487) zuzustellen. Die Ladung soll so zeitig erfolgen, daß der Gegner im Termine seine Rechte wahrzunehmen vermag (Abs. 1). Die Nicht­ befolgung steht der Beweisaufnahme nicht entgegen (Abs. 2), kann aber im Prozeffe den Beweisführer um den Erfolg des Sicherungsverfahrens bringen.

8 492. I. Die Beweisaufnahme selbst ist nach den allgemeinen Vorschriften für

Beweis­ aufnahme. Abf. 1.

diesen Prozeßteil (vgl. §§ 355-357, 361—363, 364 Abs. 1, 365, 366, 367 Abs. 2, 368, 369) und nach den besonderen Vorschriften für das zu sichernde Beweismittel (§ 485) zu bewirken.

IL Die Aufbewahrung der Beweisprotokolle beim Gericht der Beweisan­ ordnung soll behufs ihrer Benutzung im Hauptprozesse (§ 493) erfolgen. Vgl. die prcuß. JMB. v. 22. 9. 79 (JMBl. S- 326), wonach Akten über die Sicherung des Beweises erst nach 10 Jahren kassationsfähig werden. Für die Erteilung von Abschriften an die Parteien gilt die allgemeine Regel des § 299.

3b f. 2.

430

II. Buch.

§ 493.

Verfahren in erster Instanz.

(454.)

1. Abschn. Landgerichte §§ 493, 494.

Jede Partei hat das Rechts die Keweisverhandtungen irr

dem Prozesse benutzen. War -er Gegner in dem Termine nicht erschienen- in welchem die iöeweisaufnahme erfolgte- so ist der iöeweisführer ;ur Genutzung der Leweisverhandlungen nur dann berechtigt- wenn der Gegner ;u dem Termine rechtzeitig ge­ laden war oder wenn der Geweisführer glaubhaft macht- daß ohne sein Ver­ schulden die Ladung unterblieben oder nicht rechtzeitig erfolgt sei.

§ 494. (455.) Wird von dem Leweisführer ein Gegner nicht be;eichnetso ist das Gesuch nur dann rulässtg, wenn der Geweisführer glaubhaft machter ohne sein Verschulden außer Stande sei- den Gegner zu bezeichnen. Wird dem Gesuche stattgegeben- so kann das Gericht dem unbekannten Gegner zur Wahrnehmung seiner Rechte bei der Beweisaufnahme einen Ver­ treter bestellen. Benutzung im Prozeße.

§ 493. I. In § 493 handelt es sich um den eigentlichen Zweck des Verfahrens, nämlich um die Frage, inwieweit die Parteien die Beweissicherungsverhandlungen (§ 492 Abs. 2) in dem schwebenden oder künftigen Prozesse benutzen dürfen (vgl. Begr. 290).

Abs. 1, 2.

a) Nach Abs. 1 hat jede Partei hierzu das Recht. Aber nach Abs. 2 erleidet dies Recht auf feiten des Beweisführers eine Beschränkung für den Fall, daß im Beweisaufnahmetermine der Gegner ausgeblieben war. In diesem Falle darf sich der Beweisführer auf die Beweisverhandlungen nur berufen, wenn er nachweist, daß er den Gegner rechtzeitig geladen (§ 491), oder glaubhaft macht, daß die Unterlassung oder die Nichtrechtzertigkeit der Ladung außer seinem Verschulden liege. Über diese Voraussetzungen entscheidet freies Ermessen des Prozeßgerichts. Mangels derselben bleibt dem Antragsteller die Benutzung der Beweisverhandlungen als solcher (vgl. RG. 28 S. 43 3) versagt. Wenn der ausgebliebene Gegner einen Einwand hieraus nicht herleitet oder selbst sich auf die Beweisverhandlungen beruft, so bleibt Abs. 2 außer Anwendung. Von Amts wegen darf derselbe nicht berücksichtigt werden (vgl. RG. Gruchot 40 S. 915). b) Der Beweiswert der aufgenommenen Beweise für den Prozeß bestimmt sich, da das Sicherungsverfahren als Teil desselben gilt, nach dem Grundsätze des § 286. Dem Gegner bleibt auch die Befugnis zur Vorbringung von Beweiseinreden und Gegenbeweismitteln (§ 283) unangetastet.

II. Wegen der Kosten des Verfahrens fehlt eine besondere Bestimmung. Aber nach §§ 81, 84 GKG. sind sie als Kosten eines einseitig veranlaßten Verfahrens allemal vom Antragsteller vorzuschießen (vgl. Prot. 194). Für ihre Erstattung wird nach tz 91 das Ergebnis des Prozesses maßgebend. Kommt es nicht zum Prozesse, so kann die Erstattung nur auf Grund eines besonderen Rechtstitels (z. B. Vergleichs) beansprucht werden (vgl. RG. 13 S. 325, Gruchot 32 S. 1168). Ohne Be­ zeichnung eines Gegners. Abs. 1.

§ 494.

I. a) Nach Abs. 1 ist die Beweissicherung auch ohne Bezeichnung eines Gegners zulässig, wenn der Antragsteller neben dem Besorgnisgrunde (§ 485) glaub­ haft macht, daß er ohne sein Verschulden zu solcher Bezeichnung außerstande sei. Hierbei ist nach der Begr. (S. 290) an solche Fälle gedacht, wo es auf schleunige Fest­ stellung des objektiven Tatbestandes eines Schadens ankommt, dessen Urheber noch unbekannt ist, wie z. B. nach § 227 StGB, oder nach §§ 4, 5 Preuß. G.

Zweiter Abschnitt.

Verfahren vor den Amtsgerichten. § 495. (456.) Äuf das Verfahren vor den Amtsgerichten finden die Vor­ schriften über das Verfahren vor den Landgerichten Anwendung, soweit nicht aus den allgemeinen Bestimmungen des ersten Luches, aus den nachfolgenden besonderen Leftimmungen und aus der Verfassung der Amtsgerichte sich Ab­ weichungen ergeben. v. 11. 3. 50. Einem etwaigen Mißbrauche soll das Erfordernis der Glaubhaft­ machung entgegenwirken. b) Nach Abs. 2 kann dann aber das Gericht dem unbekannten Gegner zur «bi- *Wahrnehmung seiner Rechte einen Vertreter bestellen. Es handelt sich hierbei um eine von Amts wegen zu treffende Fürsorge, die sich regelmäßig empfehlen wird. Der bestellte Vertreter ist, da das Verfahren als Teil des künftigen Prozesses gilt, als Litiskurator im Sinne des § 57 anzusehen, dessen Geschäftskreis sich auf Wahr­ nehmung der Rechte des unbekannten Gegners beschränkt. Solange ein Vertreter nicht bestellt ist, kann naturgemäß die Anwendung der §§ 491, 493 Abs. 2 nicht in Frage kommen. c) Übrigens wird nichts entgegcnstehen, daß der Bcweisführer nachträglich, so­ weit es noch möglich, durch Bezeichnung des inzwischen ermittelten Gegners das Ver­ fahren in das gewöhnliche überleitet. II. Im Falle des § 494 wird sich die Zuständigkeit nach § 486 Abs. 3 richten, Besonderund bei der Vernehmung von Zeugen kann sich die Besonderheit ergeben, daß in l,cltcn' betreff der Person des Gegners für das Recht der Zeugnisverweigerung (§§ 383 Nr. 1—3, 384 Nr. 1, 2, 385 Abs. 1) und für die Nichtbeeidigung (§ 393 Nr. 3) kein Raum bleibt.

2. Abschnitt.

Verfahren vor de» Amtsgerichten.

H. Meyer Gruchot 22 S. 489; Goldenring, der AmtsgerProzeß (1879); Gründler, Lebensfähigkeit des dlmtsgerProzesses (1879, dagegen Vierhaus Busch 2 S. 132); Fiedler, der Amtsrichter in Preußen (2. Ausl. 1888).

I Unter dem vorbezeichneten Verfahren ist die 1. Instanz der gerichtsverfassungs­ mäßig zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörigen ordentlichen Zivilprozesse (vgl. GBG. §§ 23, 24; KO. § 146) zu verstehen. Dasselbe ist dem landgerichtlichen angepaßt, aber durch Beseitigung des Anwaltszwanges (daher auch Partei Prozeß genannt), durch grundsätzliche Anordnung der Zustellungen von Amts wegen (abge­ sehen von den Urteilen) und durch erhebliche Erweiterung der richterlichen Prozeß­ leitung vereinfacht. In der letzteren Richtung besonders ist das Verfahren durch die Nov. v. 09 wesentlich umgestaltet worden. II. Das Amtsgerichtsverfahren ist außerhalb der ZPO. mehrfach zur ent­ sprechenden Anwendung gestellt; so u. a.

a) reichsgesetzlich für die der Zuständigkeit der Reichskonsuln und der Konsulargerichte überwiesenen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten (G. v. 7. 4. 00 §§ 41 ff.), für das Verfahren in den deutschen Schutzgebieten (G. v. 19. 3. 88 § 2, nebst zusätzlichen Verordnungen zusammengestellt im Preuß. JMBl. v. 91 S. 129), «nd für das Verfahren in der Gewerbegerichtsbarkeit (G. v. 29. 9. 01), und

432

II. Buch.

Verfahren in erster Instanz § 496.

§ 496. (457.) Die Zustellungen erfolgen unbeschadet der Vorschrift des § 317 Abs. 1 von Amts wegen. Die Klage sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gerichte schriftlich einzureichen oder mündlich zum Protokolle des Gerichtsschreibers anzubringen. Die Partei soll den Schriftsätzen, welche sie bei dem Gericht einreicht, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften beifügen. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden, so tritt die Wirkung, sofern die Zustellung demnächst erfolgt, bereits mit der Einreichung oder Anbringung des Antrags oder der Erklärung ein. Wird eine Partei durch einen Anwalt vertreten, so genügt zum Nach­ weise der Zustellung das mit Datum und Unterschrift versehene schrift­ liche Empfangsbekenntnis des Anwalts. Auf Bestimmung des Gerichts kann die Mitteilung von Anträgen und Erklärungen ohne besondere Form erfolgen. Die Ausfertigung der Urteile erfolgt, sofern nicht von der Partei ein auf das Verfahren vor den Kaufmannsgerichten nach dem G. v. 6. 7. 04 (RGBl. 266) § 16; b) in Preußen für die Zivilprozesse vor den Gewerbegerichten im Bezirk des AppGerHofes zu Köln (PrAGzZPO. § 10) und vor den Rheinschiffahrts- und Elbzollgerichten (Preuß. G. v. 8. u. 9. 3. 79 § 7, bzw. § 5), sowie für das kommissarische Verfahren in Auseinandersetzungssachen (§§ 36—58 G. v. 18. 2. 80, und zu §§ 54, 56 desselben Art. 4 VII, VIII AGzZPNov. v. 22. 9. 99). «Srundzüge Les Ver­ ehrens.

§ 49t>. Nach § 495 sollen auf das amtsgerichtliche Verfahren die Vorschriften über den Landgerichtsprozeß (Abschn. 1) Anwendung finden, jedoch mit solchen Ab­ weichungen, die sich ergeben: 1. aus den allgemeinen Bestimmungen im I. Buche. Dahin gehören: a) die §§ 79, 83, 88, 92, 115», 244 über den Ausschluß des Anwalts­ zwanges. Die Parteien können nach Belieben den Prozeß selbst führen oder fich durch eine prozeßfähige Person ganz oder teilweise vertreten lassen. Der Wegfall des Anwalts führt keine Unterbrechung des Verfahrens herbei. Der Richter hat den Mangel der Vollmacht des auftretenden Prozeßbevollmächtigten von Amts wegen zu berücksichtigen, b) ber'§ 129, wonach es der Vorbereitung der mündl. Verhandlung durch Schriftsätze nicht bedarf, c) die §§ 166, 168 über die Vermittlung der Zustellung durch den Ge­ richtsschreiber (vgl. §§ 317, 496 Abs. 1), d) die §§ 217, 219, wonach die Ladungen nach Inhalt und Frist abge­ kürzt sind. 2. aus der Einzelrichterverfassung der Amtsgerichte (GVG. § 22). Hierher gehören die §§ 45 (Entscheidung über Ablehnung eines Amtsrichters), 163 ^Vollziehung der Protokolle), 139 Abs. 3, 140 (Beisitzerrechte, Wegfall der Funktionen des kollegialen Vorsitzenden). 3. aus den zur Vereinfachung des Verfahrens vorgesehenen §8 496—510 c.

anderes beantragt wird, unter Weglassung des Tatbestandes und der Ent­ scheidungsgründe. Die Zustellung einer solchen Ausfertigung steht in den Wirkungen der Zustellung des vollständigen Urteils gleich. § 497. Ladungen durch die Parteien finden nicht statt. Die Termine werden von Amts wegen bestimmt. Nach Bestimmung des Termins ist die Ladung der Parteien durch den Gerichtsschreiber zu veranlassen. Die Ladung einer Partei ist nicht erforderlich, wenn der Termin der Partei bei Einreichung oder Anbringung der Klage oder des Antrags, auf Grund dessen die Terminsbestimmung stattfindet, mitgeteilt worden ist. Die erfolgte Mitteilung ist zu den Akten zu vermerken. § 498. (458.) Dem Beklagten ist mit der Ladung die Klageschrift oder das die Klage enthaltende Protokoll zuzustellen. Die Klage gilt unbeschadet der Bestimmung im § 496 Abs. 3 erst mit der Zustellung an den Beklagten als erhoben. § 499. (459.) Die Cinlassungsfrist beträgt mindestens drei Tage, wenn die Zustellung an einem Orte erfolgt, der Sitz des Prozeßgerichts ist oder im Bezirke des Prozeßgerichts liegt oder von dem ein Teil zu diesem Be­ zirke gehört; mindestens eine Woche, wenn die Zustellung sonst im Inland erfolgt; in Metz- und Marktsachen mindestens 24 Stunden. Lst die Zustellung im Auslande vorznnehmen, so hat das Gericht bei Fest­ setzung des Termins die Giniassnngsfrist ju bestimmen. 8 500. (461.) Alt ordentlichen Gerichtstagen können die Parteien zur Verhandlung des Rechtsstreits ohne Terminsbestimmung vor Gericht erscheinen. Die Erhebung der Äage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag. Die Klage ist zu Protokoll zu nehmen, falls die Sache streitig bleibt. 8 501. Das Gericht kann Anordnungen, die nach der Klageschrift oder den vorbereitenden Schriftsätzen zur Aufklärung des Sachverhältnisses

§§ 496—499.

TSrisNiche Klage-

n*rt“n’-

§ 496. Der neue § 496 ist zum Teil an die Stelle der früheren §§ 496, 497, 501, 502 getreten. Abs. 3 schließt sich an § 207 Abs. 1 an (vgl. § 32 Abs. 4 GewGG.). Er bewirkt, daß im amtsgerichtlichen Prozeß, falls die Zustellung erfolgt, die Unter­ brechung der Verjährung schon mit der Einreichung der Klage eintritt, was im land­ gerichtlichen Prozeß erst durch die Zustellung erreicht wird. Abs. 3 entspricht dem § 207 und dem § 32 Abs. 4 GewGG. Abs. 5 gibt im wesentlichen den bisherigen § 502 Abs. 2 wieder (vgl. Begr. 29).

8 497. Die neuen §§ 497, 498 entsprechen in der Hauptsache den §§ 35, 36 GewGG. Durch den neuen § 497 ist auch Hinsicht!, der Ladungen der Amtsbetrieb statt des bisherigen Parteibetriebes eingeführt worden (vgl. § 35 GewGG ). Reincke, ZPO. 6. Ausl.

28

dienlich erscheinen, schon vor der mündlichen Verhandlung treffen. Das Gericht kann insbesondere : 1. den Parteien die Vorlegung der in ihren Händen befindlichen Ur­ kunden, auf welche sie sich bezogen haben, sowie die Vorlegungvon Stammbäumen, Plänen, Rissen und sonstigen Zeichnungen auf­ geben; 2. öffentliche Behörden oder öffentliche Beamte um Mitteilung von Urkunden, auf welche eine Partei sich bezogen hat, ersuchen; 3. amtliche Auskünfte von öffentlichen Behörden oder öffentlichen Beamten einziehen; 4. Zeugen, auf welche eine Partei sich bezogen hat, sowie Sachver­ ständige zur mündlichen Verhandlung laden; 5. das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen; 6. die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Bevor eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der von beiden Parteien einander widersprechende Anträge gestellt worden sind,, soll eine Anordnung der unter Nr. 4 bis 6 bezeichneten Art nur ergehen, wenn der Beklagte in einem vorbereitenden Schriftsätze dem Klageantragfr widersprochen hat. Die Parteien sind von der Anordnung zu benachrichtigen. Wird das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet, so finden die Vorschriften des § 141 Abs. 2 Anwendung. § 502. (464.) In der mündlichen Verhandlung hat das Gericht das Sach- und Streitverhältnis mit den Parteien zu erörtern und dahin ;u wirken, -aß die Parteien über alle erheblichen Tatsachen sich vollständig erklären und die sachdienlichen Anträge stellen. Eine Bezugnahme auf Schriftstücke ist zulässig, soweit keine der Parteien widerspricht und das Gericht sie für angemessen hält. § 503. Erscheinen in einem Termine zur mündlichen Verhandlung beide Parteien nicht, so ruht das Verfahren, bis die Ansetzung eines neuen Verhandlungstermins beantragt wird. § 504. (465.) Die Vorschrift, daß pro^eßhindernde Einreden gleichzeitig und vor der Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen sind, findet nur insoweit Anwendung, als die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts und die Ein­ rede, daß die Entscheidung des Rechtsstreits durch Schiedsrichter zu er­ folgen habe, vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend zu machen sind. Anordmuijtn xut Huf« nÄrung.

§ 501. Die Beweiserhebung kann erst erfolgen, wenn sie sich auf Grund der Verhand­ lung als notwendig ergibt; § 367 Abs. 1 ist offenbar hier nicht anwendbar. Anders steht es dem Wortlaute nach mit der Augenscheinseinnahme und der Be­ gutachtung; es ist nicht vorgeschrieben, wie dies in Nr. 4 durch die Worte „zur mündlichen Verhandlung" geschehen ist, daß die Beweisaufnahmen zu Nr. 6 dem zur mündlichen Verhandlung bestimmten Termin vorbehalten bleiben müssen.

Zweiter Abschnitt.

Verfahren vor den Amtsgerichten §§ 505, 506.

435

Ist Las Amtsgericht sachlich unprständig, so hat es vor der Verhandlung des Geklagten M Hauptsache denselben auf die Unzuständigkeit aufmerksam zu machen. Auf Grund prozeßhindernder Einreden darf die Verhandlung zur Haupt­ sache nicht verweigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Ver­ handlung über diese Einreden anordnen. § 505. (466.) Ist auf Grund der Bestimmungen über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluß sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht. Eine Anfechtung des Beschlusses findet nicht statt; mit der Ver­ kündung des Beschlusses gilt der Rechtsstreit als bei dem im Beschlusse bezeichneten Gericht anhängig. Der Beschluß ist für dieses Gericht bindend. Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, welche bei dem im Beschlusse be­ zeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehr­ kosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt. § 506. (467.) Wird durch Widerklage oder durch Erweiterung des Llagantrags (§ 268 Ur. 2, 3) ein Anspruch erhoben, der zur Zuständigkeit der Landgerichte gehört, oder wird in Gemäßheit des § 280 die Feststellung eines Rechtsverhältnisses beantragt, für welches die Landgerichte zuständig find, so hat das Amtsgericht, sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache darauf anträgt, durch Beschluß sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht zu verweisen. Die Vorschriften des § 505 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 finden entsprechende Anwendung. 8 505. Verweisung Der neue § 505 (vgl. Begr. 33) dehnt den Grundsatz des alten § 506 im ""»egen.8* '*’ * * *

Interesse der Vereinfachung des Verfahrens, wenn das zuständige Gericht ohne weiteres bestimmt werden kann, auf den Fall aus, daß das Amtsgericht örtlich oder sachlich unzuständig ist.

8 506. Der auch hier erforderliche Berweisungsantrag kann von jeder Partei vor Verweisung weiterer Verhandlung zur Hauptsache, d. h. vor der Verhandlung über den aus- Mnung’be» gedehnten Rechtsstreit, gestellt werden. Diese Voraussetzung beruht offenbar darauf, Prozesse,, daß andernfalls stillschweigende Prorogation zugunsten des Amtsgerichts anzunehmen wäre (ß 39). Deshalb wird in Fällen, wo diese Prorogation unstatthaft ist (8 40), der Verweisungsantrag auch noch nach Eintritt in die Verhandlung des ausgedehnten Rechtsstreits zulässig sein. Der Antrag soll sich auf Aussprechung der Unzuständigkeit und der Verweisung richten. Geht er nur auf erstere, so ist, falls die Verweisung nicht vom Gegner begehrt wird, für Anwendung des 8 506 kein Raum.

§ 507. (469.) Die Vorschriften des § 297 und der 88 348—354 finden keine Anwendung. § 508. Der Gerichtsschreiber hat die Zustellung des Versäumnisurteils zu vermitteln, sofern nicht die Partei, welche das Urteil erwirkt hat, er­ klärt hat, selbst einen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragen zu wollen. Die im § 339 Abs. 1 bezeichnete Frist beträgt eine Woche. Eine Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht nach 88 505, 506 findet nur statt, wenn das Amtsgericht den Einspruch für zulässig erachtet. Das Gericht, an welches der Rechtsstreit verwiesen wird, ist an die Entscheidung des Amtsgerichts, durch welche der Ein­ spruch zugelassen wird, gebunden. § 509. Beschließt das Gericht eine Beweiserhebung, so soll die Auf­ nahme des Beweises, soweit dies tunlich ist, sofort erfolgen, insbesondere sollen Zeugen und Sachverständige, falls sie zur Stelle sind oder ihre unverzügliche Gestellung möglich ist, sofort vernommen werden. 8 510. (468.) Wegen unterbliebener Erklärung ist eine Urkunde nur dann als anerkannt anptsehen, wenn die Partei durch das Gericht jur Er­ klärung über die Echtheit der Urkunde aufgefordert ist. 8 510 a. (470.) Anträge sowie die Erklärungen über Annahme oder Zurückschiebung ;ugeschobener Gide sind durch das Litzungsprotokoll festzustellen; anstatt der Feststellung genügt die Depignahme auf den Inhalt eines vorbe­ reitenden Achristsahes. Sonstige Erklärungen einer Partei, insbesondere Geständnisse, sind durch das Protokoll insoweit fest^ustellen, als das Gericht bei dem Schluffe der münd­ lichen Verhandlung die Feststellung für angemessen erachtet. 8 510 b. Erfolgt die Verurteilung zur Vornahme einer Handlung, so kann der Beklagte zugleich auf Antrag des Klägers für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer zu bestimmenden Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt werden; das Gericht hat die Ent­ schädigung nach freiem Ermessen festzusetzen. AnzlLIuß gewisser todtsten'

8 507 Durch die Nov. v. 09 sind die Worte „des 8 262 Abs. 2", welche durch ein Redaktionsversehen bei der Nov. v. 98 Aufnahme in den früheren 8 508 gefunden hatten, in Wegfall gebracht worden.

8 508. 8 508 ist durch die Nov. v. 09 eingefügt. Die frühere Frist von zwei Wochen gilt weiter, wenn das Versäumnisurteil oder der ihm gleichstehende Vollstreckungsbefehl vor dem 1. 4. 10 erlassen ist (vgl. Begr. 58). GtltSrnng über Privat« urkunden.

8 510. 9^ § 439 Abs. 3 gilt eine Privaturkunde als anerkannt, wenn der Gegner sich über deren Echtheit nicht erklärt. Der 8 510 läßt zum Schutze rechtsunkundiger

2. A bschn. Verfahren vor den Amtsgerichten § 510c.

III. Buch. Rechtsmittel § 511.

437

§ 510 c. (471.) Wer eine Klage ;u erheben beabsichtigt, kann unter An­ gabe des Gegenstandes seines Anspruchs bei dem Amtsgerichte, vor welchem der Gegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, beantragen, daß zum Zwecke eines Sühneversuchs Termin bestimmt werde. Erscheinen beide Parteien und wird ein Vergleich geschlossen, so ist der Vergleich ju Protokoll festzustellen. Kommt ein Vergleich nicht zustande, so wird auf Antrag beider Parteien der Rechtsstreit sofort verhandelt; die Er­ hebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag. Die Klage ist zu Protokoll zu nehmen, falls die Sache streitig bleibt. Ist der Gegner nicht erschienen, oder der Sühneversnch erfolglos geblieben, so werden die erwachsenen Kosten als Teil der Kosten des Rechtsstreits be­ handelt.

Drittes Buch.

Wechtsrnittet. Erster Abschnitt.

Berufung. § 511. (472.) Cndnrteile statt.

Die Berufung findet gegen die in erster Instanz erlassenen

Parteien diese Rechtsfolge nur eintreten, sofern die Partei durch das Gericht zur Erklärung aufgefordert ist. Darin liegt eine Verschärfung der richterlichen Fragepflicht mit zwingendem Charakter. Die protokollarische Feststellung, daß der Amtspflicht genügt sei, ist in § 510 a nicht vorgeschrieben, so daß die Feststellung im Urteilstatbestande ausreichen wird (vgl. Begr. 294, die Kommentare).

III. Such.

Rechtsmittel.

Wach, Vorträge S. 243; v. Harrasowski, Rechtsmittel im Zivilprozeß (1879); v. Kries, Rechtsmittel des Zivil- und Strafprozesses (1880); Barazettl, Rechtsmittel der Berufung und Beschwerde (1882).

I Die zivilprozessualen Rechtsmittel, die in den früheren deutschen Prozeßrechten eine feste Entwicklung vermissen ließen, sind in der ZPO. auf die drei in diesem Buche behandelten Rechtsmittel der Berufung, Revision und Beschwerde beschränkt. Denselben ist gemeinsam, daß durch sie Entscheidungen, die der Rechtskraft fähig, aber noch nicht teilhaftig sind, vor einem höheren Richter angefochten werden (Begr. 38 ff.), unter einer zwiefachen prozessualen Wirkung. Ihre Einlegung bringt nämlich den Rechtsstreit zur Entscheidung einer höheren Instanz (sog. Devolutiveffekt), was bei anderen verwandten Rechtsbehelfen, der Wiedereinsetzung, dem Einsprüche, der Richtigkeits- und Restitutionsklage, den Anfechtungsklagen im Entmündigungs-, Aufgebots- und schiedsrichterlichen Verfahren nicht der Fall ist, und hemmt zugleich grundsätzlich die formelle Rechtskraft der Entscheidung (sog.

Vornote,

2. A bschn. Verfahren vor den Amtsgerichten § 510c.

III. Buch. Rechtsmittel § 511.

437

§ 510 c. (471.) Wer eine Klage ;u erheben beabsichtigt, kann unter An­ gabe des Gegenstandes seines Anspruchs bei dem Amtsgerichte, vor welchem der Gegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, beantragen, daß zum Zwecke eines Sühneversuchs Termin bestimmt werde. Erscheinen beide Parteien und wird ein Vergleich geschlossen, so ist der Vergleich ju Protokoll festzustellen. Kommt ein Vergleich nicht zustande, so wird auf Antrag beider Parteien der Rechtsstreit sofort verhandelt; die Er­ hebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag. Die Klage ist zu Protokoll zu nehmen, falls die Sache streitig bleibt. Ist der Gegner nicht erschienen, oder der Sühneversnch erfolglos geblieben, so werden die erwachsenen Kosten als Teil der Kosten des Rechtsstreits be­ handelt.

Drittes Buch.

Wechtsrnittet. Erster Abschnitt.

Berufung. § 511. (472.) Cndnrteile statt.

Die Berufung findet gegen die in erster Instanz erlassenen

Parteien diese Rechtsfolge nur eintreten, sofern die Partei durch das Gericht zur Erklärung aufgefordert ist. Darin liegt eine Verschärfung der richterlichen Fragepflicht mit zwingendem Charakter. Die protokollarische Feststellung, daß der Amtspflicht genügt sei, ist in § 510 a nicht vorgeschrieben, so daß die Feststellung im Urteilstatbestande ausreichen wird (vgl. Begr. 294, die Kommentare).

III. Such.

Rechtsmittel.

Wach, Vorträge S. 243; v. Harrasowski, Rechtsmittel im Zivilprozeß (1879); v. Kries, Rechtsmittel des Zivil- und Strafprozesses (1880); Barazettl, Rechtsmittel der Berufung und Beschwerde (1882).

I Die zivilprozessualen Rechtsmittel, die in den früheren deutschen Prozeßrechten eine feste Entwicklung vermissen ließen, sind in der ZPO. auf die drei in diesem Buche behandelten Rechtsmittel der Berufung, Revision und Beschwerde beschränkt. Denselben ist gemeinsam, daß durch sie Entscheidungen, die der Rechtskraft fähig, aber noch nicht teilhaftig sind, vor einem höheren Richter angefochten werden (Begr. 38 ff.), unter einer zwiefachen prozessualen Wirkung. Ihre Einlegung bringt nämlich den Rechtsstreit zur Entscheidung einer höheren Instanz (sog. Devolutiveffekt), was bei anderen verwandten Rechtsbehelfen, der Wiedereinsetzung, dem Einsprüche, der Richtigkeits- und Restitutionsklage, den Anfechtungsklagen im Entmündigungs-, Aufgebots- und schiedsrichterlichen Verfahren nicht der Fall ist, und hemmt zugleich grundsätzlich die formelle Rechtskraft der Entscheidung (sog.

Vornote,

438

III. Buch.

Rechtsmittel § 511.

Suspensiveffekt), eine Wirkung, die sich allerdings bei der Beschwerde nicht auf die Zwangsvollstreckung bezieht (§ 572). II. Das Verfahren in der Berufung ist nach Abschn. 1 auf Grundlage des landgerichtlichen Verfahrens besonders geregelt, in der Revision nach Abschn. 2 dem Berufungsverfahren nachgebildet (Abschn. 2), in der Beschwerde nach Abschn. 3 eigenartig gestaltet.

1. Abschnitt.

Berufung.

Wach, Vorträge S. 247. Vornote.

Die Berufung bildet ein Rechtsmittel, durch das erstinstanzliche Endurteile und die diesen gleichgestellten Zwischenurteile zur Entscheidung der nächst höheren Instanz gebracht werden. Sie gewährt aus Grundlage der Verhandlung und Entscheidung 1. Instanz eine Erneuerung und Wiederholung des Rechtsstreits vor dem höheren Richter, dergestalt, daß die Parteien befugt sind, ihr erstinstanzliches Vor­ bringen zu ergänzen (jus novorum) und zu modifizieren, und dementsprechend der höhere Richter den so gewonnenen Streitstoff in Tatfrage und Rechtspunkt nach­ zuprüfen hat. Durch die Nov. v. 09 ist die bereits 05 für die Revision eingeführte Form der Einlegung auch für die Berufung verwertet worden.

§ 511. Nach § 511 findet die Berufung gegen erstinstanzliche Endurteile statt. I In § 511 ist stillschweigend ausgesprochen, daß die Berufung nur zwischen Parteien. den Urteilsparteien Platz greift. 1. Aktiv kommen dabei zunächst die Hauptparteien in Betracht, sei es, daß sie den Prozeß anhängig gemacht haben oder in 1. Instanz oder in der Rechts­ mittelfrist als Rechtsnachfolger aus allgemeinem (§ 239) oder besonderem Rechtstitel (§§ 265, 266) in den Prozeß getreten sind. Von Streitgenossen ist jeder zum Rechtsmittel berechtigt. Bei gewöhnlicher Streitgenossenschaft wirkt die Einlegung nur für die Prozeßbeteiligung des Einlegenden. Bei notwendiger Streitgenossenschaft wirkt sie seitens eines Streitgenossen auch zugunsten der übrigen; dagegen „vertritt" nicht der notwendige Streitgenosse, welchem allein zugestellt wird, die anderen hinsichtlich des Zustellungsaktes (vgl. RG. 61 S. 398). — Den Parteien stehen Dritte als Neben­ intervenienten im Falle des § 69, Litisdenunziaten und Auktoren in den Fällen der §§ 75, 77 gleich, während gewöhnliche Nebenintervenienten zur Be­ rufung nur zugunsten und ohne Widerspruch der unterstützten Hauptpartei berechtigt sind (§ 67, vgl. RG. Gruchot 26 S. 1144). 2. Passiv besteht das gleiche Rechtsverhältnis für Parteien und Dritte, sofern gegen diese die Berufung gerichtet ist (vgl. für Streitgenoffen RG. 13 S. 408). Endurteile. II. a) Unter Endurteilen sind solche Urteile zu verstehen, die im Sinne des § 300 einen bestimmten Streitstoff für die Instanz, sei es aus formellen oder aus materiellen Gründen, und zwar kontradiktorisch (§ 513), erledigen. Demgemäß fallen unter § 511 Vollendurteile (§ 300), Teilurteile (§§ 145 Abs 2, 301, 302, 321), bedingte und Läuterungsendurteile (§§ 460—462, 477), auf Verzicht oder Anerkenntnis ergehende Endurteile (§§ 306, 307), von Zwischenurteilen nur die den Endurteilen verwandten Verweisungsurteile aus §§ 276, 505 und die präjudiziellen Urteile aus §§ 275, 304, 599 Abs. 3 (vgl. RG. 13 S. 401). b) Ob das Urteil gesetzlich korrekt ist, bleibt außer Betracht; es kommt nur darauf an, ob der Richter ein Endurteil oder ein dem gleichgestelltes Zwischen­ urteil hat erlassen wollen. Den Parteien muß die Möglichkeit gewährt werden,

Berufung scSrtciienl>=

§ 512. (473.) Der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegen auch -iejenigen Entscheidungen, welche dem Endurteile vorausgegangen sind, sofern nicht dieselben nach den Vorschriften dieses Gesetzes unanfechtbar oder mit der Beschwerde anfechtbar find. Urteile, die als instanzerledigende gemeint, wenn auch inkorrekt sind, formell aus der Welt zu schaffen (vgl. RG. 6 S. 421, 7 S. 426 (PI.), 8 S. 363, 13 S. 401, 16 S. 286, 336, 20 S. 395 und Gruchot 35 S. 1195). Anders liegt der Fall, daß irrtümlich in erster Instanz das Zwischenurteil über den Streit wegen rechts­ kräftig entschiedener Sache als Urteil über eine prozeßhindernde Einrede angesehen worden ist, vgl. IW. 03 S. 178. c) Die Erlassung von Endurteilen 1. Instanz steht nach dem Gesetz den Amtsgerichten und den Zivil- und Handelssachenkammern der Landgerichte zu (vgl. GVG. §§ 23, 70, 101). Die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung er­ folgt bei Urteilen der Amtsgerichte vor dem übergeordneten Landgericht, bei landgerichtlichen Urteilen vor dem übergeordneten Oberlandesgericht (vgl. GVG. §§ 71, 123 Nr. 1). Die Landgerichte sind auch zuständig für Berufungen gegen die Urteile der Gewerbe- nnd der Kaufmannsgerichte (GGG. v. 21. 9. 01 § 55 Abs. 2 und KaufmGG. v. 6. 7. 04 § 16 Abs. 1).

in. Die Berufung soll gegen ein Endurteil stattfinden. Darin liegt, daß der Rechtsmittelkläger durch das Urteil irgendwie beschwert sein muß (vgl. RG. 13 S. 391, 29 S. 377, 41 S. 381, 45 S. 412). Die Beschwerung kann in Zu- oder Ab­ erkennung von Ansprüchen überhaupt oder mit qualitativen und quantitativen Maß­ gaben, oder auch darin bestehen, daß Ansprüche für erledigt oder nicht erledigt erklärt sind (vgl. RG. IW. 92 S. 333). Ist voll nach den» Anträge einer Partei erkannt, so steht ihr selbst die Berufnng nicht zu; für Erweiterungen desselben (§ 268) bleibt ihr der Anschluß an die gegnerische Berufung offen (vgl. Note zu § 527). Hier­ von wird in Ehesachen allerdings mit Rücksicht auf das konkurrierende öffentliche Interesse eine gewisse Abweichung zulässig fein, nämlich insoweit es sich um Zurück­ nahme einer der erkannten Scheidung zugrunde gelegten Willenserklärung handelt (vgl. RG. 27 S. 371, 36 S. 353, 45 S. 323, Wach, Bortr. S. 262). IV. a) Das früher meist vorgeschriebene Erfordernis eines gewissen Beschwerde­ wertes (summa appellabilis) ist nicht übernommen. Anders nach § 55 GewGG., § 16 KaufmGG., § 43 KonsGG. v. 7. 4. 00 und nach § 3 SchutzGebG. b) Der Kostenpunkt für sich ist nach § 99 grundsätzlich der Berufung entzogen.

§ 512.

Boran» gegangene

I. Gegen die dem Endurteile vorangegangenen Entscheidungen, also Zwischenurteile gewöhnlicher Art (§ 303), Kollegialbeschlüsse und Verfügungen des m Vorsitzenden oder eines Richterkommissars (§ 329), findet an sich die Berufung nicht statt (§ 511). Da jedoch letztere, sofern sie eine Erneuerung des Rechtsstreits zur Folge haben soll (vgl. Bornote zu Abschn. 1), jene Entscheidungen nicht außer Be­ fracht lassen kann, bestimmt § 512, daß dieselben der Beurteilung des Berufungs­ gerichts von selbst (§ 526) mitunterliegen sollen (Prinzip der Konzentration der Berufung). n. Hiervon sind jedoch ausgenommen Vorentscheidungen, die gesetzlich über­ haupt nicht oder mit der Beschwerde anfechtbar sind. Erstere Fälle find in zahlreichen Vorschriften, so z. B. in §§ 37, 46, 127, 157, 174, 225, 270, 319, 320 Abs 4, 355, 406, 490, 534, 685, 691, 707, 718, 770, 771, 957 und in § 107 GVG., letztere Fälle, bei denen das Bedürfnis nach rascher endgültiger Erledigung

III. Buch.

440

Rechtsmittel §§ 513, 514.

§ 513. (474.) Gin Versäumnisurteii kann von -er Partei, gegen welche es erlassen ist, mit der Berufung nidjt angefochten werden. Gin persäumnisurteU, gegen welches -er Einspruch an sich nicht statthaft ist, unterliegt Ler Lerufung insoweit, als dieselbe darauf gestützt wird, daß der Fall der Versäumung nicht Vorgelegen habe. § 514. (475.) Die Wirksamkeit eines nach Erlassung des Urteils erklärtem Verzichts auf das Recht -er Gerufung ist nicht -avon abhängig, -aß -er Gegner die Verzichtleistung angenommen hat. und einfachem Verfahren vorliegt (Begr. 299, 328), in § 567 vorgesehen. In all diesen Fällen ist das Berufungsgericht an die betreffenden Entscheidungen unbedingt gebunden. Versäumnis» urteile.

JZHs J

§ 513.

Nach Abs. 1 kann ein Versäumnisurteil von der Partei, gegen welche es erlassen ist, nicht durch Berufung angefochten werden, da ihr ja grundsätzlich der Ein­ spruch zusteht (§ 338). Daraus ergibt sich, daß der § 511 nur kontradiktorische End­ urteile im Sinne hat. Ob ein Versäumnis- oder ein kontradiktorisches Urteil vorliegt, ist nach der erkennbaren Absicht des Prozeßgerichts zu beurteilen (vgl. RG. IW. 87 S. 38), Zwischenversäumnisurteile gemäß § 347 Abs. 2 (239 Abs. 4) müssen, als Gegensatz zu Endurteilen, zufolge § 511 außer Betracht bleiben; sie fallen, sofern sie nicht ausnahmsweise den Endurteilen gleichgestellt sind, unter § 512 (vgl. RG. 13S. 398, IW. 91 S. 89, Wach, Vorträge S. 245, Troll, Versäumnisurtcil S. 248r v. Kries S. 167, Barazetti S. 26, Müller Busch 4 S. 324; a. M. Hellmann § 106, Fitting § 82; die Kommentare geteilt). Als Partei, gegen welche das Lersäumnis­ urteil erlaffen ist, stellt sich die säumige unterliegende Partei dar, mithin im Falle des § 330 der Kläger, im Falle des § 331 der Beklagte, soweit nach dem Klage­ anträge erkannt ist.

Abs. 2. Nach Abs. 2 findet die Berufung jedoch ausnahmsweise insoweit statt, als ber Einspruch an sich unzulässig ist, das will sagen nach dem Gesetze, nicht wegen Fristablaufs, also im Falle des § 345, während sie in Konkurrenz mit dem Einspruch unbedingt ausgeschloffen bleibt (vgl. RG. Gruchot 25 S. 1111), weil sonst entgegen § 538 der im öffentlichen Interesse geordnete Jnstanzenzug durchbrochen und das Ge­ richt 1. Instanz übergangen werden könnte (Begr. 299). Aber die Berufung darf nur darauf gestützt werden, daß ein Versäumisfall nicht vorgelegen habe. Dies würde zutreffen, wenn die angeblich säumige Partei nicht oder nicht ordnungsmäßig geladen wäre (§ 335 Nr. 2), oder wenn das Gericht trotz Unterbrechung, Aussetzung oder Ruhens des Verfahrens, bzw. zu termins­ widriger Zeit oder an terminswidrigem Orte verhandelt oder ohne Antrag das Ver­ säumnisurteil erlassen hätte (§§ 249, 251, 219, 220, 330, 331; vgl. Schwalbach Gruchot 26 S. 2). Liegt ein solcher Berusungsgrund vor, so ist die Sache ohne sonstige Nachprüfung zur weiteren Verhandlung in die 1. Instanz zurückzuverweisen (§ 538 Nr. 5). Bei Geltendmachung anderer Gründe muß das Rechtsmittel nach § 535 verworfen werden (vgl. RG. 51 S. 195 fUrteilsformelj). Berticht auf BerufungS»

§ 514.

re$t

I Der § 514 bestimmt die prozessuale Wirkung eines nach Erlassung des 1. Urteils, aber vor Einlegung der Berufung erklärten Verzichts auf das Be­ rufungsrecht.

§ 515.

(476.)

Die Zurücknahme der Berufung ist ohne Einwilligung des

iöerufnngsbekiagten nnr bis pim Beginne der mündlichen Verhandlung des

Berufungsbeklagten zulässig. Die Zurücknahme erfolgt, wenn fie nicht bei der mündlichen Verhandlung

erklärt wird, durch Zustellung eines Lchriftfahes.

Abschrift desselben ist sofort

nach erfolgter Zustellung auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen.

Die Zurücknahme hat den Verlust -es Rechtsmittels und die Verpflichtung ;ur Folge, die durch das Rechtsmittel entstandenen Rosten ;u tragen.

Auf

Antrag -es Gegners fm- diese Wirkungen durch Urteil auszusprechen.

1. Ein Verzicht vor der Urteilserlassung ist (vgl. Begr. 300) beiseite gelassen, weil die Frage, inwiefern ein solcher mit Zustimmung des Gegners erklärter Verzicht als Kompromiß wirksam sei, materiell-rechtlicher Beurteilung unterliege. Somit macht ein solcher Verzicht die Berufung nicht formell unzulässig, sondern gibt höchstens dem Gegner einen Einwand, daß die Beendigung des Prozesses vereinbart sei (vgl. RG. Gruchot 32 S. 1199). 2. Zum Verzicht vor Einlegung des Rechtsmittels genügt nicht eine außer­ gerichtliche Erklärung, da solche nach Absicht des Gesetzes dem Gegner nur einen materiellen Einwand gewähren würde (vgl. Begr. 299); vielmehr ist ein ausdrück­ licher, in der mündl. Verhandlung, vor einem Richterkommissar oder durch zugestellten Schriftsatz erklärter Verzicht erforderlich. Dies ergibt die Ent­ stehungsgeschichte, indem der auf Berücksichtigung stillschweigender Erklärung gerichtete Entw. in der RIK. widerspruchslos gestrichen ist (vgl. Prot. 232, RG. 5 S. 385, 16 S. 346, IW. 86 S. 73, 88 S. 28, die Kommentare; a. M. Planck I § 60», Fitting § 82, Hellmann § 106, Kohler Gruchot 31 S. 285). In Übereinstimmung hiermit wird anzunehmen sein, daß ein Verzicht auf die Berufung niemals darin zu finden ist, daß die unterliegende Partei den Gegner befriedigt (IW. 06 S. 24). Im Ehescheidungsprozeß ist ein im voraus ausgesprochener Verzicht auf Be­ rufung für den Fall der Erlassung des Scheidungsurteils nach §§ 134, 138 BGB. nichtig (RG. 70 S. 59, ebenso IW. 09 S. 54). — 3. Der so erklärte Verzicht soll als Dispositionsakt ohne Annahme des Gegners wirksam sein. II. Die Wirkung besteht naturgemäß, wie im Falle des § 515, in dem Ver­ lust des Rechtsmittels, so daß das 1. Urteil in Rechtskraft übergeht. Das Gericht darf diese Rechtsfolge, sofern der Verzicht aktenmäßig ist oder durch Vorlegung der Zustellungsurkunde nachgewiesen wird, zur Bezeugung der Rechtskraft oder Erteilung der Vollstreckungsklausel verwerten (§§ 706, 724). Andrerseits kann der Gegner gegen die Berufung die Einrede des Verzichts erheben, und damit die Verwerfung des Rechts­ mittels als unstatthaft (§ 535) erzielen. Übrigens hindert der Verzicht die An­ schließung des Verzichtenden an die Berufung des Gegners nicht. Der Schlußabsatz des § 515 findet sich in § 514 nicht; es wäre auch im Falle des letzteren für eine Kostencntscheidung kein Raum. § 515.

Zurück' nähme.

Müller Gruchot 26 S. 182; Schultzenstein dort 27 S. 229; Haas dort 30 S. 844; Wach dort 36 S. 14, 18; Birkmeyer, Nechlsfälle S. 1.

Der § 515 regelt die prozessuale Wirkung der Zurücknahme der Berufung nach dem Borbilde der Klagezurücknahme (§ 270), jedoch mit gewissen durch die ver­ schiedene Sachlage gebotenen Abweichungen. I Die Erklärung der Zurücknahme muß ausdrücklich, in der mündlichen Ber- «»1.1,2.

442

III. Buch.

Rechtsmittel § 516.

§ 516. (477.) Die Berufungsfrist beträgt einen Monat; ste ist eine Not­ frist und beginnt mit der Zustellung des Urteils. Die Ginlegung vor Zustellung des Urteils ist wirkungslos.

Ads. 3.

Handlung, vor einem Richterkommissar oder durch einen dem Gegner zuzustellenden Schriftsatz erfolgen (vgl. § 514). Sie ist ohne Einwilligung des Gegners nur bis zum Beginn der mündl. Verhandlung desselben zulässig; eine Abweichung von § 271 (dort Verhandlung zur Hauptsache), die sich aus der verschiedenen Be­ handlung der prozeßhindernden Einreden in 1. und 2. Instanz (§§ 274, 528) erklärt, übrigens für das Anschlußrecht des Berufungsbeklagten von wesentlicher Bedeutung ist (§ 522 Abs. 1). II Die Wirkung der Zurücknahme besteht in dem Verlust des Rechtsmittels unter Kostenlast. Demzufolge geht das 1. Urteil in Rechtskraft über. Wenn die Zurücknahme der Berufung „infolge Vergleichs" erklärt wird, wird es von der Lage des Falles abhängen, ob anzunehmen ist, daß endgültig auf das Rechtsmittel hat ver­ zichtet werden sollen. (Anders RG. 68 S. 166.) Der Gegner kann einer etwaigen Erneuerung des Rechtsmittels durch die Einrede des Verzichts begegnen (vgl. RG. 9 S. 424). Er darf die Aussprechung dieser Folgen durch Urteil verlangen und muß dies zur Erlangung des Kostenerstattungstitels tun. Der Antrag kann bei der Ver­ handlung über die Berufung oder hinterher in besonderem Termine, wozu der Ver­ zichtende vom Gegner zu laden ist, gestellt, auch im Wege des Versäumnisverfahrens erledigt werden (vgl. RG. 24 Q. 433, 31 S. 404). Sonst ist an sich der Eintritt obiger Folgen von deren urteilsmäßiger Feststellung unabhängig, wie derselbe andrer­ seits der Anschließung des Verzichtenden an die Berufung des Gegners nicht ent­ gegensteht.

§§ 516, 51V. Vornote.

Berufungsfrist.

Die Einlegung der Berufung (8 518) ist an eine Notfrist geknüpft, welche in § 516 näher bestimmt ist, jedoch mit einer Maßgabe in § 517. Die Vorschriften sind im Interesse der öffentlichen Ordnung erlassen, und daher gehört ihre Beobach­ tung zu den von Amts wegen zu berücksichtigenden Punkten (§ 139).

Äregelfrist.

§ 516.

Abs. 1.

I a) Die Berufungsfrist beträgt ohne Unterschied der Prozeßart, also auch für amtsgerichtliche, Meß-, Markt-, Wechsel- und Arrestsachen, einen Monat als Not­ frist. Als solche ist sie der Verlängerung durch Parteivereinbarung oder von Amts wegen entzogen (§ 224), und wird nicht durch die Gerichtsferien (§ 223) oder durch Vereinbarung des Ruhens des Verfahrens (§ 251), sondern nur durch Unterbrechung oder Aussetzung desselben (§ 249) gehemmt. Gegen ihre Versäumnis findet Wider­ einsetzung statt (§ 233). b) Sie beginnt mit der Zustellung des 1. Urteils, d. h. gemäß §§ 312, 317 mit dessen Zustellung im Parteibetriebe, vorausgesetzt, daß die Urteilsverkündung im Sitzungsprotokolle festgestellt ist (vgl. RG. 10 S. 366, 16 S. 331). Die Amtszu­ stellung ist nur in Ehesachen und Streitigkeiten über Eltern- und Kinderrechte (§§ 625, 640, 641; vgl. §32 GewGG.) vorgesehen. Sonst kann auch eine Parteivereinbarung die Notfrist nicht in Lauf setzen (vgl. RG. 3 S. 375 und IW. 85 S. 138, BayObLG. SeuffA. 38 S. 464). Welche Partei zustellt, ist ohne Belang. Stellen beide wechsel­ seitig zu, so beginnt die Frist mit der ersten Zustellung, und der Fristlauf erfolgt für beide Teile gemeinsam (§ 221 Abs. 2). c) Bei Streitgenossenschaft auf einer Parteiseite, mag sie eine gewöhn­ liche oder notwendige sein, beginnt die Frist für jeden Genossen mit der Zustellung

§ 517. (478.) Wird innerhalb Ler Berufungsfrist ein UrteU in Gemäßheit Les § 321 Lurch eine nachträgliche Entscheidung ergänzt, so beginnt mit der Zu­ stellung Ler nachträglichen GntscheiLung der Lauf Ler Berufungsfrist auch für die Lerufung gegen das zuerst ergangene Urteil von nenem. Wird gegen beide Urtelle von derselben Partei Berufung eingelegt, so sind beide Berufungen mit­ einander zu verbinden. . § 518. (479.) Die Einlegung der Berufung erfolgt durch Einreichung ■der Berufungsschrift bei dem Berufungsgerichte. Die Berufungsschrift muß enthalten: an ihn, da insoweit eine wechselseitige Vertretung unter ihnen nicht Platz greift (§ 63, vgl. RG. Gruchot 30 S. 727 und IW. 87 S. 12). — Bei Nebenintervention im Falle des § 67 kommt nur die Zustellung an die unterstützte Hauptpartei in Betracht, während int Falle des § 69 das für Streitgenossen Bemerkte gilt (vgl. RG. 18 S. 427, 34 S. 364). II. Mit der Schlußvorschrift, daß die Berufungseinlegung v o r der Urteilszustellung wirkungslos sein soll, ist eigentlich nur die selbstverständliche Konsequenz des Abs. 1 gezogen (vgl. Begr. 301). Ist die Einlegung trotzdem vorher erfolgt, so bleibt der Partei nichts übrig, als unter nachträglicher Zustellung des Urteils die Berufungs­ einlegung zu erneuern.

§ 517. ^ Der § 517 läßt, wenn auch nicht infolge von Anträgen auf Berichtigung des Urteils ober des Tatbestandes (§§ 319, 320), so doch für den Fall, daß ein Urteil gemäß § 321 ergänzt wird, eine Modifikation der Berufungsfrist zur Vereinfachung des Verfahrens eintreten (vgl. Begr. 302, Prot. 235, RG. IW. 90 S. 151). I Falls innerhalb der Berufungsfrist das Ergänzungsurteil (durch Verkündigung) ergeht, soll eine Unterbrechung derselben dahin erfolgen, daß mit der Zustellung dieses Urteils neben der Berufungsfrist für dasselbe zugleich eine neue Frist für das er­ gänzte Urteil beginnt. Diese Vergünstigung kommt beiden Parteien zu, mag inner­ halb der ursprünglichen Frist bereits Berufung eingelegt sein oder nicht, und erst recht für den letzteren Fall. Die vorsichtige Partei wird freilich, da sie die rechtzeitige Er­ lassung des Ergänzungsurteils nicht in der Hand hat, die Einlegung der Berufung schon innerhalb der ursprünglichen Frist bewirken, wenn es sich um Ergänzung im Kostenpunkte handelt (vgl. § 99; RG. 23 S. 422). n. Falls erst nach Ablauf der Berufungsfrist das Ergänzungsurteil ergeht, tritt keine Änderttng dieser Frist ein. War innerhalb derselben die Berufung nicht ■eingelegt, so erlangt das ursprüngliche Urteil Rechtskraft. Wird fristgerecht gegen das ursprüngliche und sodann auch gegen das Ergänzungsurteil Berufung eingelegt, so sollen nach dem Schlußsatz des § 517 beide an sich voneinander unabhängige Be­ rufungen verbunden werden (vgl. § 147). Die Vorschrift hat nur instruktionelle Bedeutung. Selbstverständlich müssen, wenn beide Parteien gegen dasselbe Urteil Be­ rufung einlegen, beide Rechtsmittel einheitliche Erledigung finden. Beruft eine Partei gegen das ursprüngliche, die andere gegen das Ergänzungsurteil, so ist die Verbindung beider Verfahren ebenfalls statthaft.

§ 518.

Abs. 1. a) Die Einlegung der Berufung ist durch die Rov. v. 09 mit dem Revisions­ verfahren in Übereinstimmung gebracht worden.

r.

Frist im Fall bei

§ ’?>■

Einlegung der Be­ rufung.

III. Buch. Rechtsmittel § 519.

444

1. die Bezeichnung des Urteils, gegen welches die Berufung gerichtet wird; 2. die Erklärung, daß gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Ab­ schrift des Urteils, gegen welches die Berufung sich richtet, dem Berufungs­ gerichte vorgelegt werden. § 519. (480.) Die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze finden auch auf die Berufungsschrift Anwendung. Als vorbereitender Lchristsatz soll die Berufungsschrist insbesondere enttzalten: die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten werde und welche Ab­ änderungen desselben beantragt werden (Berufungsanträge), sowie Lie Angabe derjenigen neuen Tatsachen und Beweismittel, welche die Partei geltend zu machen beabsichtigt. b) Besteht die Gegenpartei aus Streitgenosien, so wird die Einreichung der Be­ rufungsschrift, wenn keine Einschränkung erklärt ist, als gegen alle Streitgenossen ge­ richtet gelten. Ist solche Einschränkung erklärt, so wird das Urteil den nicht beteiligten Streitgenossen gegenüber rechtskräftig (vgl. RG. 61 S. 398). Dies gilt nicht nur für die gewöhnliche, sondern auch für die notwendige Streitgenossenschaft; denn eine gegenseitige Vertretung der Streitgenossen in dieser Richtung findet nach § 62 nicht statt. Ist im Falle notwendiger Streitgenosienschaft die Berufungseinlegung gegen einzelne Genofien prozessualisch zulässig, so fragt sich doch, inwieweit ihr materielle Wirksamkeit zukommt. Diese Frage ist nach zivilrechtlichen Regeln zu beurteilen (vgl. RG. 13 S. 409 und Gruchot 30 S. 725, BayObLG. SeuffA. 39 Nr. 136, Hellmann § 107, Hachenburg, besondere Streitgenossenschaft S. 68, die Kommentare). Auch nach § 45 KonsGG. v. 7. 4. 00 und § 2 @. über die Rechtsverh. in den Schutzgebieten v. 15. 3. 88 besteht die Berufung in Einreichung eines Schrift­ satzes beim Konsul bzw. Gerichtsbeamten, nach § 33 PatentG. v. 7. 4. 91 in schrift­ licher Anmeldung beim Patentamt. Bestimmen-

ter Inhalt.

Abs. 2. Inhaltlich

muß

der

Einlegungsschriftsatz

den

in

Abs.

2

bezeichneten

Punkten genügen; sonst ist die Berufung von Amts wegen als unzulässig zu verwerfen (vgl. § 535). Zu Nr. 1 erfordert die Individualisierung des anzu fechtenden Endurteils durch Angabe des Rechtsstreits, des erkennenden Gerichts und des Datums der Urteilserlasiung (§ 315 Abs. 3, vgl. RG. IW. 83 S. 37, 85 S. 184). Zu Nr. 2 genügt, daß die Absicht der Berufungseinlegung erkennbar ist, während es auf den Wortlaut nicht ankommt (Begr. 303). Eines Berufungsantrages bedarf es zur Einlegung nicht, da derselbe erst für die Verhandlung des Rechtsmittels in Frage kommt (§ 519; vgl. RG. 6 S. 435, 8 S. 163, 16 S. 345, 24 S. 396).

Sorte. reitender

§ 519.

Llhristi-tz.

I Neben der Jnstanzeinleitung soll der Berufungsschriftsatz nach Abs. 1 zugleich den allgemeinen Erfordernissen über vorbereitende Schriftsätze entsprechen (vgl. 88 130-133, RG. IW. 95 S. 381), nach Abs. 2 insbesondere die Be­ rufungsanträge, d. h. die Erklärung über den Umfang der Anfechtung und über die begehrten Abänderungen (88 525, 536) und die Angabe des neubeabsichtigten Tat- und Beweisvorbringens (8 529) enthalten. Die Vorschrift hat system­ gemäß nur instruktionelle Bedeutung, und ihre Nichtbeachtung zieht neben der Ver­ tagung der Verhandlung höchstens Kostennachteile (8 48 GKG.) nach sich.

Erster Abschnitt.

Berufung §§ 520, 521.

445

§ 520. (481.) Der Termin zur mündlichen Verhandlung über die Be­ rufung ist von Amts wegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen. Mit der Bekanntmachung ist die Berufungsschrift dem Berufungs­ beklagten von Amts wegen zuzustellen. Die erforderliche Zahl von beglaubigten Abschriften soll der Beschwerdeführer mit der Berufungs­ schrift einreichen. In der Bekanntmachung soll der Berufungsbeklagte, Sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, darauf hinge­ wiesen werden, daß er sich vor dem Berufungsgerichte durch einen bei diesem Gerichte zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen muß. Zn betreff der Frist, welche Wischen dem Zeitpunkte der Bekanntmachung des Termins und der mündlichen Verhandlung liegen mnß, finden die Vor­ schriften des § 262 entsprechende Anwendung. § 521. (482.) Der Gerufnngsbeklagte kann sich der Dernfnng anschliesten, selbst wenn er ans die Gernfung vernichtet hat oder wenn die Berufungsfrist verstrichen ist. Die Vorschriften über die Anfechtung des Versänmnisnrteils durch Berufung finden auch auf die Anfechtung desselben Lurch Anschließung Anwendung. II. Die Berusungsanträge werden nach § 519 in der Berufungsschrift erst angekündigt, und können deshalb bis zum Schlüsse der dem Urteile voraufgehenden mündlichen Verhandlung beliebig geändert werden, so daß sie erst dann ihre feste Umgrenzung erhalten (§§ 525, 536). Es liegt hierin ein durchgreifender Gegen­ satz zum Klageantrage, der, als wesentlich dispositive Erklärung, soweit er nicht hinterher geändert wird, für die Grenzen des Rechtsstreits maßgebend bleibt (vgl. RG. 8 S. 163). Für die Gerichtskosten und die Prozeßgebühr der Anwälte liegt es freilich anders, indem für diese vorerst der Antrag der Berufungsschrift und, falls solcher fehlt, der volle Wertsbetrag, hinsichts deffen der Berufungskläger beschwert er­ scheint, maßgebend ist (vgl. RG. 17 S. 374, 25 S. 380, IW. 83 S. 113, 94 S. 98, Gruchot 38 S 168).

§§ 521, 522,

Anschließung an die Berufung.

v. Kries, Nechtsmittel S. 150; Kleinschmidt Busch 5 S. 457; Fenner dort 7 S. 67.

Der Berufungsbeklagte würde gegenüber der Berufung an sich nur in der sorncte. Lage sein, das 1. Urteil zu verteidigen. Der § 521 eröffnet ihm jedoch mit Rücksicht darauf, daß durch die Berufung bereits der volle Rechtsstreit in die 2. Instanz ge­ bracht ist (vgl. Note zu § 519), die Möglichkeit, auch seinerseits das Urteil, soweit es ihm nachteilig ist, anzufechten; und zwar im Wege der Anschließung an die Berufung (vgl. Begr. 303). Die Anschließung stellt sich danach als ein formell von letzterer abhängiger, sachlich aber selbständiger Rechtsbehelf dar (vgl. RG. 7 S. 345).

8 521. A. Zulässigkeit. Die Zulässigkeit der Anschließung bestimmt sich durch folgende Punkte: I. a) Das vom Berufungsbeklagten anzufechtende Urteil muß sub- und objektiv Identisch mit dem durch den Berufungskläger angefochtenen sein (vgl. RG. 7 S. 345,

An. schließung.

Abs. 1.

446

Ab,. 2.

Ab,, l.

«6,. 2.

III. Buch. Rechtsmittel § 521.

8 S. 383). Betreffs der subjektiven (Partei-Mentität vgl. RG. IW. 00 S. 349, 01 S. 306. An objektiver Identität kann es besonders bei mehreren Teilurteilen fehlen, wohin aber nicht ein ergänztes und ein ergänzendes Urteil (§ 321) gehören (vgl. RG. 23 S. 422, 25 S. 309). Im übrigen kann sich Berufung und An­ schließung auf denselben oder auf verschiedene Ansprüche des Urteils, in Klage oder Widerklage (vgl. RG. 46 S. 374), in Haupt- oder Kostenpunkt beziehen (vgl. BayObLG. SeuffA. 41 S. 378). Nur darf sie nicht einen Teil des Urteils betreffen, welcher der Berufung durch Verzicht entzogen ist (RG. 55 S. 278). Für den Kosten­ punkt bildet die Anschließung im Hinblick aus § 99 das allein statthafte Anfechtungs­ mittel. . b) Die Berufung muß an sich zulässig sein. Darauf beruht es, daß in Abs. 2 gegenüber Versäumungsurteilen die Anschließung nur in der Beschränkung, wie nach § 513 die Berufung, zugelaffen ist. Der Fall wird nur nach Maßgabe des § 331 Abs. 2 vorkommen. II. Nicht hinderlich sind der Anschließung folgende Umstände: 1. Das Ausbleiben des Berufungsklägers in der mündlichen Verhand­ lung, weil die Anschließung schon mit Einlegung der Berufung zulässig wird. Der zur Informierung des Prozeßgerichts erforderliche Sachvortrag erfolgt durch den An­ schließenden. Die Sache liegt hier ähnlich wie im Falle des § 331 (vgl. RG. 8 S. 380, 12 S. 434, IW. 92 S. 479; Note zu § 542). 2 Ein früherer Verzicht des Anschließenden auf die Berufung (Abs. 1). Die Begr. (S. 304) rechtfertigt dies damit, daß als Motiv für den Verzicht einer Partei in der Regel der Verzicht auch der anderen Partei vorauszusetzen sei. Diese Er­ wägung trifft gleichmäßig zu, wenn auf die noch nicht oder auf die bereits eingelegte Hauptberufung verzichtet ist. Danach dürfte der Abs. 1 für die Fälle des § 514 wie des § 515 wirksam sein (vgl. RG. 38 S. 426, 430). Anders würde ein Vorverzicht ans die Anschlußberufung selbst zu beurteilen sein. 3. Der Ablauf der Berufungsfrist (Abs. 1). Dies wird durch den akzessorischen Charakter der Anschlußberufung bedingt. Denn der Berufungsbeklagte wird gewöhnlich erst durch die vollständigere Aufklärung der Sachlage in 2. Instanz zur Anfechtung des Urteils veranlaßt, wie z. B. für den Fall, daß auf einen Eid für ihn erkannt war, die Beweisaufnahme 2. Instanz aber vollen Beweis für die Eides­ tatsache ergibt. Danach kann die Anschließung beliebig, auch nach erhobenem Beweise bis zum Schluffe der dem Urteile vorangehenden Verhandlung erklärt werden; und dies muß sogar für den Fall gelten, daß nach Aufhebung des Berufungsurteils durch das Revisionsgericht die Sache in die Berufungsinstanz zurückverwiesen ist (vgl. RG. 12 S. 410, 25 S. 309, IW. 93 S. 157 und Busch 6 S. 249, Struckmann Busch 6 S. 404, Hellmann § 114; a. M. Seuffert Busch 7 S. 54, Vierhaus dort 6 S. 229,. 249, v. Teuffel Bad. Ann. 61 S. 366; die Kommentare geteilt). 4. Eine nur als eventuelle, d. h. für den Fall, daß die Berufung erfolg­ reich sein sollte, erklärte Anschließung (vgl. RG. 13 S. 358, 17 S. 47, SeuffA. 45 Nr. 47, IW. 88 S. 88, 92 S. 204). Hl. Eine Anschließung an die Anschließung ist im Gesetze nicht vor­ gesehen, da dem Berufungskläger die beliebige Änderung der Berufungsanträge bis zum Schluffe der mündlichen Verhandlung offen steht (vgl. Note zu § 519). Der Fall des § 522 Abs. 2 enthält keine Abweichung; denn dort liegt im Grunde eine selbständige Berufung des Anschließenden vor (vgl. RG. 17 S. 47, Verwerfung der Hauptberufung wegen Verzichts oder nach § 99). B. Form. Die Anschließung gewährt als bloßes Akzessorium der Hauptberufung dem Be­ rufungsbeklagten nur das Recht, durch Abänderungsanträge die Grenzen der Berhand-

Erster Abschnitt.

Berufung §§ 522, 523.

447

8 522. (483.) Die Änschließung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung rurnckgenommen oder als nnzulässig verworfen wird. Hat der Lerufungsbeklagte innerhalb der Berufungsfrist stch der erhobenen Berufung angeschlossen, so wird es so angesehen, als habe er die Berufung selbständig eingelegt. 8 523. (485.) Auf das weitere Verfahren finden die in erster Lnstan; für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit nicht Abweichungen aus den Bestimmungen dieses Abschnitts sich ergeben. lung für die Berufungsinstanz mitzubestimmen. Darum ist für sie eine besondere Form, namentlich die Zustellung eines bestimmenden Schriftsatzes (§ 518) nicht vorgeschrieben; sie erfolgt stillschweigend durch Stellung von bezüglichen Anträgen in der mündlichen Verhandlung, die allerdings durch Schriftsatz vorzubereiten sind (vgl. Begr. 304, § 272, RG. 7 S. 345, 8 S. 380, 12 S. 435, 13 S. 358, 61 S. 257 und Gruchot 33 S. 451).

§ 522

Abs. 1.

gntkäftung Schließung.

Als Akzesforium der Berufung hängt die Anschließung von deren formellem Bestehen ab. Deshalb läßt Abs. 1 sie unwirksam werden, wenn die Berufung gültig zurückgenommen (§ 515, vgl. RG. Gruchot 41 S. 705; anders beim Verzicht auf den Anspruch, RG. 45 S. 411) oder als unzulässig verworfen ist (§ 535). Ist die Zurücknahme vor der Verhandlung durch Schriftsatz erfolgt, so bleibt für eine Anschließung überhaupt kein Raum. Ist die Berufung als unzulässig verworfen, so müssen die zur Vorbereitung der Anschließung etwa entstandenen Kosten nach § 515 Abs. 3 mit zu den Berusungskosten zählen (vgl. RG. 7 S. 343 und IW. 90 S. 27). Die Entkräftung ist bei Zurücknahme der Berufung vom Gegner geltend zu machen, im Falle des § 535 von Amts wegen zu berücksichtigen. Eine besondere Entscheidung über die Kosten der Anschließung erübrigt sich, sofern dem Berufungs­ kläger die Kosten der Berufungsinstanz auferlegt werden, da in letzteren erstere mit­ enthalten sind.

Abs. 2. Bei einer innerhalb der Berufungsfrist erfolgten Änschließung läßt Abs. 2 die Wirkung aus Abs. 1 nicht eintreten; vielmehr gilt dann die Anschließung als selbständige Berufung. Rach der Begr. (S. 304) gewinnt in diesem Falle die sonst nur vorbereitende Erklärung der Anschließung die Bedeutung eines bestimmenden Schriftsatzes (§ 518); dafür ist aber auch die Zulässigkeit, wie bei der Berufung überhaupt (§ 535), zu prüfen. Die Einlegung der Anschlußberufung wird aber auch hier durch Antragstellung in der mündlichen Verhandlung stattfinden müssen (RG. 41 S. 368, 46 S. 387).

8 523. Weiterer In §§ 511—522 ist die Anhängigmachung der Berufung und die Vorbereitung 5yer,al,ten' der Verhandlung über dieselbe geregelt. In den folgenden §§ wird das weitere Verfahren, also die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel, geordnet. Und zwar sollen, im Hinblick darauf, daß es als erneute Verhandlung des Rechts­ streits gedacht ist, die Vorschriften für das landgerichtliche Verfahren 1. In­ stanz im allgemeinen entsprechende Anwendung finden. Von diesem Gesichtspunkt aus erscheinen namentlich die §§ 348—354 über Anordnung eines vorbereitenden

448

III. Buch.

Rechtsmittel §§ 524, 525

8 524. (486.) Die mündliche Verhandlung ist, wenn an dem für dieselbe bestimmten Tage die Derufungsfrist noch nicht verstrichen ist, auf Antrag -es Gemfungsbeklagten bis ;um Ablaufe der Frist, und wenn der Derufungsbeklagte gegen das Arteil den Einspruch erhoben hat, auch von Amts wegen bis pir Erledigung des Einspruchs pi vertagen. 8 525. (487.) Vor dem Berufungsgerichte wird der Rechtsstreit in den durch die Anträge bestimmten Grenzen von neuem verhandelt. Verfahrens, der § 270 betreffs Entscheidung über das Nichtvorliegen einer Klage­ änderung (RG. 3 S. 371, 4 S. 251, 391), sowie der § 304 bezüglich der Vorab­ entscheidung über den Anspruchsgrund (vgl. RG. 10 S. 433, 14 S. 357) anwendbar. Abweichungen von dieser Regel sollen nur insoweit Platz greifen, als sie aus den §§ 524—544 sich ergeben. Vertagung der Ver­ handlung.

8 524. I Der § 524 schreibt eine Vertagung der Verhandlung (§ 518 Nr. 3) für zwei Fälle vor: a) für den Fall, daß am Verhandlungstage die Berufungsfrist (§ 516) noch nicht verstrichen ist, was bei Abkürzung der Einlaffungsfrist (§ 226) vor­ kommen kann. Dann soll auf Antrag des Berufungsbeklagten der Termin bis zum Fristablaufe vertagt werden, eine Vergünstigung, die darauf beruht, daß die Frist auch zugunsten des Berufungsbeklagten zwecks Verteidigung gegen die Berufung oder Anschlusses an diese läuft. b) für den Fall, daß der Berufungsbeklagte Einspruch gegen das an­ gefochtene Urteil erhoben hat. Dieser Fall kann eintreten, wenn gemäß § 331 der Kläger durch kontradiktorisches Urteil teilweise abgewiesen, der Beklagte durch Versäumnisurteil teilweise verurteilt ist. Dann soll die Verhandlung, auch vou Amts wegen, bis zur Erledigung des Einspruchs vertagt werden, damit die Anhängigkeit der Sache in zwei Instanzen vermieden wird. Die Kenntnis von der vorausgesetzten Sachlage kann das Gericht aus den Akten erlangen. II . Der § 524 bezweckt den Schutz wesentlicher Parteiinteressen; und deshalb darf im Falle zu a der Berufungsbeklagte, im Falle zu b jede Partei die Verhand­ lung über die Berufung ablehnen, ohne sich einem Versäumnisiirteil auszusetzen. II I. Ausnahmsweise soll § 524 in dem Falle des § 718 Abs. 2, d. h. sofern über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf Antrag vorab verhandelt wird, keine Anwendung finden, da dann naturgemäß die Verhandlung und Entscheidung nicht aufgehalten werden darf.

§§ 535—533. :scnwu.

Neuverhandlung.

Die Verhandlung vor dem Berufungsgericht ist (vgl. Vornote zu Abschn. 1) als ein novum Judicium in dem Sinne gedacht, daß der Rechtsstreit auf Grundlage der Verhandlung 1. Instanz im Rahmen der Bernfungsanträge neu verhandelt wird. Dieser Gedanke ist in den §§ 525—533 betreffs der Abgrenzung und der Ver­ handlung des Rechtsmittels näher dahin ausgestaltet, daß die Verhandlung mit dem Bortrage des 1. Urteils nebst vorangegangenen Beweisverhandlungen und Ent­ scheidungen beginnen (§ 526), eine Änderung der Klage und neue prozeßhindernde Einreden nur bedingt (§§ 527, 528), zur Hauptsache neue Angriffs- und Berteidigungsmittel unbeschränkt, neue Ansprüche nur beschränkt zulässig (§§ 529—531), übrigens gewisse präjudizierliche Ergebnisse 1. Instanz wirksam bleiben sollen (§§ 532, 533). Man kann dies dahin zusammenfassen, daß das Berufungsverfahren eine Fortsetzung

Erster Abschnitt.

Berufung § 526.

449

8 526. (488.) Gei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien das durch die Gerufung angefochtene Urteil sowie die dem Urteile vorausgegangenen Entscheidungen nebst den Cntscheidungsgründen und den Geweisverhandlungen insoweit vorMragen, als dies pim Verständnisse -er Gerufungsanträge und ptr Prüfung der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung erforderlich ist. Lm Falle der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Vortrags hat -er Vorfchende dessen Gerichtigung oder Vervollständigung, nötigenfalls unter Wieder­ eröffnung dy: Verhandlung ;n veranlassen. 4>es erstinstanzlichen, aber beschränkt durch den Zweck der Anfechtung des 1. Urteils, und insofern von dessen Grundlage abhängig, bildet (vgl. RG. 13 S. 492). 8

525.

Abgrenzung der Neu-

Nach § 625 bestimmt sich der Umfang der Neuverhandlung des Rechtsstreits »-rh-ndiunz. durch die Anträge 2. Instanz. Diese können sich, abgesehen von zulässigen Er­ weiterungen (§ 2Gb), mit den Anträgen 1. Instanz ganz oder teilweise decken, in diesem Rahmen aber bis zum Schlüsse der dem Berufungsurteile vorangehenden Ver­ handlung von beiden Parteien beliebig geändert werden (§§ 519, 526). § 525 gilt auch für das Ehescheidungsverfahren (RG. 64 S. 315).

§ 526.

Dortrag der 1. Urteils.

Die Verhandlung über die Berufung ist durch Stellung der Berufungs­ anträge (§§ 523, 137 Abs. 1) und durch Erörterung der Formalien (§ 535) einzuleiten. Daran hat sich der Bortrag des 1. Urteils durch die Parteien zu schließen. Der Vortrag durch einen Richter (Vorsitzenden, Berichterstatter ist wirkungs­ los ; und noch weniger darf das Urteil als aktenmäßig (§ 544) dem Berufungsgericht offenkundig gelten (vgl. Begr. 305, RG. 4 S. 369, 5 S. 404, 8 S. 327, Planck I § 40 b, Fitting § 82, sämtliche Kommentare, Erythropel Busch 3 S. 132, Bünger dort 4 S. 352, Bierhaus dort 5 S. 99, Barazetti, Berufung S. 106, Troll, Ver­ säumnisurteil S. 172; a. M. Wach, Vorträge S. 249, Hellmann § 111, 5, Rocholl, Rechtsfälle I S. 497, v. Kries, Rechtsmittel S. 155, 18b, Koffka Gruchot 31 S. 169, Lippmann ziv. Arch. 70 S. 90). Neben dem Urteile mit Gründen sind die voran­ gegangenen Entscheidungen und die Beweisverhandlungen vorzutragen, soweit es zur Prüfung der Anfechtung erforderlich ist. Der Vortrag fällt naturgemäß der berufen­ den Partei zu; durch Parteivereinbarung oder im Wege der Prozeßleitung kann aber eine andere Regelung erfolgen (vgl. § 285 Abs. 2). Das gleiche gilt von der Art und Weise des Vortrages, der die sorgsamste Vorbereitung, namentlich hinsichts der Ausschaltung des entbehrlichen und der übersichtlichen Gruppierung des notwendigen Streitstoffs, erheischt. Mangels eines solchen Vortrages bleibt die wortgetreue Wieder­ gabe des Urteils noch die relativ beste Aushilfe. Nur der vorgetragene Prozeßstoff, mag er Parteivorbringm oder Beweisergebniffe betreffen, darf nach § 128 vom Be­ rufungsgericht berücksichtigt werden.

Partei' tati gtcit

Abs. 1.

Abs. 2. Zu wirksamer Durchführung des Parteivortrages ist entsprechend § 139, dem Vorsitzenden (wie den Beisitzern) zur Amtspflicht gemacht, gegenüber Mängeln des Vortrages dessen Berichtigung oder Vervollständigung zu veranlassen. Die Handhabe hierzu bietet das Frageamt mit Hilfe der dem Vorsitzenden vorliegenden Prozeßakten (§ 544). In allen Fällen handelt es sich nur um eine prozeßleitende Tätigkeit Reincke, ZPO.

6. Ausl.

29

Prozebleitung.

III. Buch. Rechtsmittel §§ 527, 428.

450 § 527. (489.) Gegners statthaft.

Eine Änderung der Klage ist nur mit Einwilligung des

§ 528. (490.) prozeßhindernde Einreden, auf welche die Partei wirksam verzichten kann, dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die Partei glaubhaft macht, daß ste ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, dieselben in erster Instanz vorzubringen. Das gleiche gilt, wenn bei vermögensrechtlichen Ansprüchen für die Mage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist, von der Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts, sofern der Geklagte in erster Instanz zur Hauptsache mündlich verhandelt hat; eine Prüfung der Zuständigkeit von Amts wegen findet nicht statt. Die Verhandlung zur Hauptsache darf auf Grund prozeßhindernder Ein­ reden nicht verweigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Ver­ handlung über solche Einreden auch von Amts wegen anordnen. des Gerichts; und die Eventualität einer Weigerung der Parteien, den Vortrag zu er­ gänzen, ist in Rücksicht auf den Anwaltsprozeß und eine loyale Handhabung des Fragerechts nicht in Betracht gezogen, zumal der Anwalt eventuell sich der dis­ ziplinarischen Ahndung und der Regreßklage der geschädigten Partei aussetzen würde. Klageänderung.

§ 527 I Der § 527 setzt voraus, daß die Klage, wie sie bei Erlaß des 1. Urteils Vorgelegen hat, in 2. Instanz in einer dem § 268 zuwiderlaufenden Richtung ge­ ändert wird, während er sich auf sonstige Änderungen und Neuanführungen nicht be­ zieht (vgl. RG. Gruchot 35 S. 1196). II. Der alte § 489 sprach ein absolutes Verbot einer solchen Klageänderung aus, um zu verhindern, daß der geordnete Jnstanzenzug verletzt würde; ein natur­ gemäß von Amts wegen zu berücksichtigendes Verbot (vgl. RG. IW. 93 S. 540). Die Nov. v. 98 hat dagegen bei Einwilligung des Gegners in die Klage­ änderung von dem Verbot abgesehen in der Erwägung, daß gegenüber der Partei­ vereinbarung die Wahrung des Jnstanzenzuges zurücktreten dürfe (vgl. Mot. zu § 527). Die Einwilligung ist in der mündl. Verhandlung zu erklären; doch ist sie nach § 523 unter der Voraussetzung des § 269 als erklärt anzunehmen. Soweit auf diese Weise die Klageänderung nicht statthaft wird, unterfällt lediglich die dem 1. Urteil zugrunde liegende Klage der Entscheidung des Berufungsgerichts. HI. Aus dem allgemeinen Grundsätze des § 523 folgt, daß in Anwendung des § 270 der Ausspruch des Berufungsgerichts, es liege eine Klageänderung nicht vor, der Revision entzogen ist (vgl. RG. 3 S. 371, 4 S. 251, 391). IV. Daß dem Kläger, der durch das 1. Urteil nicht beschwert ist, zwecks einer nach § 268 statthaften Klageänderung der Weg der Berufung offen steht, wird nach § 511 und nach der Natur der Rechtsmittel nicht anzunehmen, vielmehr der Kläger immer auf den Weg der Anschließung zu verweisen sein (vgl. RG. 13 S. 390 IW. 92 S. 205, 02 S. 19, H. Gruchot 26 S. 144; a. M. v. Kries S. 51, Barazetti S. 121; die Kommentare geteilt). Anders liegt die Sache für den Beklagten, der seinem Anerkenntnisse gemäß (§ 307) verurteilt ist (vgl. RG. Gruchot 37 S. 1231).

Prozeßhind. Einreden.

§ 528. Der § 528 enthält betreffs der Zulässigkeit und Wirkung prozeßhindernder Ein­ reden für die Berufungsinstanz gewisse Einschränkungen gegenüber § 274, hängt aber im übrigen mit diesem eng zusammen (vgl. auch § 523).

§ 529. (491.) Die Parteien können Angriffs- nnd Verteidigungsmittel, welche in erster Lnstan; nicht gelten- gemacht find, insbesondere neue Tatsachen und Leweismittel vorbringen. Vene Ansprüche dürfen, abgesehen von den Fällen des § 268 Ihr. 2, 3,

nur mit Einwilligung des Degners erhoben werden. Macht der Geklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, so ist die hierauf gegründete Einwendung zurückkuweisen, wenn nicht der Kläger in die Geltendmachung einwilligt oder der Geklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden außer Stande gewesen ist, die Aufrechnung in erster Instanz geltend zu machen. Im Falle der Zurückweisung finden die Vorschriften der

88 540, 541 Anwendung.

I a) Die dem Parteiverzicht unterliegenden Einreden dürfen nur dann neu vorgebracht werden, wenn glaubhaft gemacht wird, daß sie in 1. Instanz ohne Parteiverschulden nicht geltend gemacht werden konnten. Solche Einreden sind die in § 274 unter Nr. 1 (int Falle statthafter Prorogation), 3—6 ausgeführten. b) Die gleiche Einschränkung soll betreffs der Einrede aus § 2 74 Nr. 1 (Un­ zuständigkeit des Gerichts) für den Fall gelten, daß sie gegen eine vormögensrechtliche Klage, für die gesetzlich ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht (§ 24), gerichtet wird, und der Beklagte in 1. Instanz zur Hauptsache verhandelt hat. Eine solche Einrede ist gemäß §§ 40 Abs. 2, 274 Abs. 3 an sich nicht verzichtbar, weil die Prorogation über die Zuständigkeit unstatthaft und die letztere von Amts wegen zu prüfen ist; die Nov. v. 98 bestimmt aber, daß in diesem Falle die Amtsprüfung nicht stattfinden soll, und damit ist die fragliche Einrede denen zu a gleichgestellt. Eine weitergehende Beschränkung hat man nicht für angemessen erachtet (KommisiBer. 31).

«b|. i.

II. Sodann darf der Beklagte auf Grund prozcßhindernder Einreden die DerHandlung zur Hauptsache nicht verweigern. Sonach muß er sich, wenn er nicht die Folgen unvollständigen Verhandelns (§ 334) erleiden will, allemal zugleich zur Hauptsache einlassen. Auch dann aber kann das Berufungsgericht nach § 146 von Amts wegen gesonderte Verhandlung über die Einrede anordnen. Wird demnächst die Einrede verworfen, so liegt nur ein für sich nicht anfechtbares Zwischenurteil vor; denn der Anwendung des § 275 Abs. 2 steht entgegen, daß der Beklagte zur Verhandlung über die Hauptsache nach Abs. 1 gesetzlich verflichtet ist. Sonach sind die Prozeßhindernden Einreden betreffs der prozessualen Wirkung in 2. Instanz den sonstigen Berteidigungsmitteln gleichstehend.

Abs. r.

§ 529. Abs. 1. 1. Im Vorbringen neuer Angriffs- und Verteidigungsmittel sind

Neuer

®or6tlnatn-

die Angriff«, u. Parteien, entsprechend dem Grundsätze, daß die Berufung eine erneute Verhandlung ‘mutet' des erstinstanzlichen Rechtsstreits im Rahmen der Berufungsanträge gewähren soll, nicht beschränkt. Der Begriff dieser Rechtsbehelfe ist zu § 146 erörtert. Unter dem erstinstanzlichen Rechtsstreite müssen die in der Borinstanz anhängig gemachten An­ sprüche der Parteien, unter Berücksichtigung der nach §§ 268, 527 zulässigen Ände­ rungen verstanden werden. Gewiffe Maßgaben für die Befugnis zu neuem Borbrigen ergeben sich noch aus §§ 531—533. Neue Tatsachen dürfen auch in der Berufungs­ instanz des Arrestverfahrens vorgebracht werden (RG. 57 S. 223).

2. Die Zeitgrenze für das Neuvorbringen bestimmt sich im allgemeinen nach 8§ 278—283. Für verspätetes Vorbringen ist jedoch die Zurückweisung. (8 279) in 29*

III. Buch.

452

Rechtsmittel § 530.

K 530. (492.) Die Verletzung einer das Verfahren erster Instanz detreffenden Vorschrift kann in der Berufungsinstanz nicht mehr gerügt werden,

wenn in Gemäßheit der Lestimmnng des § 295 die Partei das Ungerecht bereits in erster Instanz verloren hat. die Berweisung zum Nachverfahren gemildert (§ 540), während für das Kostenpräjudiz die §§ 278, 283 Abs. 2 in Verbindung mit § 48 GKG. und überdies der § 97 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 2. GKG. Anwendung finden.

Abs. 2, 3. I. Als neue

Ansprüche im Sinne des § 145 sind systemgemäß solche anzu­ sehen, die in 1. Instanz nach dem Tatbestände des Endurteils und nach dem SitzungsProtokolle (§§ 313, 314) nicht erhoben oder wieder zurückgenommen sind, gleichviel ob sie vom 1. Richter beurteilt sind oder nicht (vgl. RG. 13 S. 376, 20 S. 411, 31 S. 363, 47 S. 390, 48 S. 372, BayObLG. SeuffA. 40 Nr. 73); dagegen nicht solche, bezüglich deren in 1. Instanz schon anspruchbegründende Tatsachen vorgebracht sind und die Zuerkennung des Anspruches beantragt ist, mag auch die Subsumierung der Tatsachen unter rechtliche Gesichtspunkte unterblieben sein (vgl. RG. IW. 90 S. 80). n. Die Erhebung neuer Ansprüche war nach dem alten § 491 Abs. 2, ab­ gesehen von den Fällen des § 240 (jetzt § 268) Nr. 2, 3, nur insoweit zulässig, als mit denselben kompensiert werden sollte und zugleich das Nichtverschulden der unterlasienen Vorbringung in 1. Instanz glaubhaft gemacht wurde. Die Nov. v. 98 hat neue Ansprüche und Aufrechnungsansprüche in Abs. 2 und 3 getrennt be­ handelt.

1. Die Erhebung neuer Ansprüche ist nach Abs. 2 entsprechend dem ver­ wandten Falle der Klageänderung (ß 527), nur mit Einwilligung des Gegners zulässig. § 269 ist nicht anwendbar. Ausgenommen sind nur Ansprüche im Sinne des § 268 Nr. 2, 3 (vgl. RG. 47 S. 342, 48 S. 372, Gruchot 41 S. 1124). In 1. Instanz übergangene Ansprüche (§ 321) können in 2. Instanz nach Maßgabe der §§ 268, 529, 537 geltend gemacht werden (RG. 59 S. 128). Danach werden von Abs. 2 insbesondere folgende Ansprüche betroffen: auf feiten des Klägers eine un­ statthafte Änderung der Klage (vgl. RG. 4 S. 251, 13 S. 393, Gruchot 28 S. 1156), auf feiten des Beklagten eine Widerklage (vgl. Begr. S. 306), auf jeder Parteiseite eine Präjudizial-Inzidentklage (vgl. Eccius Gruchot 25 S. 159). Ein in erster Instanz nicht verlesener Antrag enthält für die Berufungsinstanz einen neuen Anspruch (RG. 59 S. 398). Im übrigen ist die Note zu ■§ 527 zu vergleichen.

2. Die Erhebung von neuen Aufrechnungsansprüchen wird von der Nov. v. 98 als Einwand angesehen, wie sie ja auch auf feiten des Berufungsbeklagten Vorkommen kann (vgl. RG. 29 S. 375, 63 S. 403). Sie soll jetzt nach dem Vor­ bilde der §§ 527, 540 nur unter Einwilligung des Gegners oder bei Glaub­ haftmachung, daß die Ausrechnung in 1. Instanz ohne Verschulden des Beklagten unterblieben sei, zugelaffen werden. Wird sie als verspätet zurückgewiesen, so finden die Vorschriften der §§ 540, 541 Anwendung (vgl. RG. IW. 02 S. 76). Neue Retentionseinreden fallen nicht unter Abs. 3, da sie im Grunde nur auf Abwehr von Ansprüchen kraft Einrede der Arglist abzielen. Dasselbe gilt von unselbständigenRechnungsposten,diebei Auseinandersetzungsprozeffen zwischen Gesellschaftern oder Parteien in Kontokorrent oder lausender Rechnung neu geltend gemacht werden (vgl. RG. 8 S. 364, 15 S. 421, Gruchot 29 S. 969, 37 S. 1109 39 S. 910, IW. 87 S. 494, 93 S. 540, 96 S. 371).

Erster Abschnitt.

Berufung §§ 531—533.

453

§ 531. (493.) Die in erster Änstan; unterbliebenen oder verweigerten Erklärungen über Tatsachen, Urkunden und Gides;uschiebungen können in der Gerufungsinstan; nachgeholt werden. § 532. (494.) Das in erster Instan; abgelegte gerichtliche Geständnis behält seine Wirksamkeit auch für die Derufungsinstan;. § 533. (495.) Die in erster Instanz erfolgte Annahme oder Zurückschiebung eines Eides behält ihre Wirksamkeit auch für die Gerufungsinstanz. Dasselbe gilt von der Leistung, von der Verweigerung der Leistung und von der Erlassung eines Eides, wenn die Entscheidung, durch welche die Leistung des Eides angeordnet ist, von dem Derufungsgerichte für gerechtfertigt erachtet wird. verstoße 1. u.

Die Vorschrift des § 295, betreffend den Berlust des Rüge rechts gegen erst- 2 3ntlanlinstanzliche Prozeßverstöße, findet nach dem allgemeinen Grundsätze des § 523 ohne weiteres auch gegenüber zweitinstanzlichen Prozeßfehlern Anwendung. In § 530 ist aber noch bestimmt, daß ein nach § 295 verlorenes Rügerecht in der Be­ rufungsinstanz nicht wieder aufleben soll (vgl. Begr. 306).

8 531. In Konsequenz des § 525 gestattet der § 531 den Parteien, ein u n v o l l ständiges Verhandeln 1. Instanz (§ 334) in der Berufungsinstanz nachzuh olen. Hierbei kann es sich um unterlassene oder verweigerte Erklärung über Tat­ sachen, Urkunden oder Eideszuschiebung (vgl. RG. 35 S. 371), auch um unzulässige Zurückschiebung, nicht aber um Verweigerung der Eidesleistung gemäß §§ 464, 465 handeln (vgl. RG. 17 S. 422). Wird die versäumte Erklärung bis zum Schluffe der Berufungsverhandlung nachgeholt, so fällt die Versäumnisfolge 1. Instanz, d. h. die Fiktion des Geständnisses, weg, vorbehaltlich der Verwertung der geheilten Säum­ nis bei der Beweiswürdigung (vgl. Begr. 307).

§§ 532. 533. Tie §§ 532, 533 durchbrechen den Grundsatz des § 525, indem sie für die Berufungsinstanz, obgleich diese eine Neuverhandlung des Rechtsstreits gewähren soll, die Wirkung gewisser Erklärungen 1. Instanz aufrecht erhalten. Der Grund liegt in der dispositiven Natur der Erklärungen (vgl. Begr. 307).

§ 532.

Heilung UNvollstänv. (LrHärungen.

Fortwirkung von Erklärungen.

GestLndnisi«.

Die Fortwirkung trifft zunächst ein gerichtliches Geständnis l. Instanz (§ 288). Will die Partei diese Folge beseitigen, so muß sie das Geständnis wider­ rufen (88 289, 290). Ein früheres außergerichtliches Geständnis kommt für die Berufungsinstanz nur als Beweismoment in Betracht.

8 533. Die Fortwirkung gilt sodann für folgende Eideshandlungen 1. Instanz: I. Nach Abs. 1 für Annahme und Zurückschiebung des Eides. Die Aus­ dehnung auf die Zuschiebung des Eides ist in der RIK. verworfrn (vgl. Prot. 239, 733). Danach wirkt die Zuschiebung, auch im Falle der Annahme oder Zurück-

Eide.

454

III. Buch.

Rechtsmittel § 534.

§ 534. (496.) Ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar er­ klärtes Urteil erster Instanz ist^ insoweit dasselbe durch die Lerufungsanträge nicht angefochten wird, auf den im Laufe der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag von dem Berufungsgerichte für vorläufig vollstreckbar ;u erklären. Eine Anfechtung dieser Entscheidung findet nicht statt. schiebung, nicht über die 1. Instanz hinaus, hindert in dieser die Parteien nicht an Vorbringung anderer Beweismittel, und bedarf zu ihrer Berücksichtigung der Wieder­ holung. Bei der Annahme und Zurückschiebung äußert sich die Fortwirkung darin, daß dieselben, wenn die Zuschiebung in 2. Instanz wiederholt wird, ohne weiteres wieder in Kraft treten, und zwar nach Maßgabe der 1. Instanz, also unbeschadet des Wider­ rufes nach §§ 454, 457, 458, 470, 471 (vgl. RG. 25 S. 180). Bei der Zurück­ schiebung ist dabei noch Voraussetzung, daß sie an sich statthaft ist (§ 452 Abs. 2); sonst wird der § 531 anwendbar (vgl. RG. 17 S. 424).

II. Nach Abs. 2 für die Leistung, die Leistungs Weigerung (nicht Annahme, vgl. RG. 35 S. 371) und die Erlassung des Eides. Dies bezieht sich auf alle Beweiseide, also auch auf den richterlichen, den Schätzungs- und den Editionseid. Dabei wird vorausgesetzt, daß eine Beweisaufnahme durch Beweisbeschluß oder be­ dingtes Urteil angeordnet war. Die Fortwirkung trifft die prozessualen Folgen, welche obigen Akten in 1. Instanz zukam. Sie ist aber bedingt dadurch, daß das Berufungsgericht die Vorentscheidung, wodurch die Eidesleistung angeordnet ist, für prozessual und materiell gerechtfertigt erachtet, mithin nicht nur die Erheblichkeit der Eidestatsache, sondern auch die Zu­ lässigkeit und die Norm des Eides, wie die Anordnungssorm, namentlich im Falle eines Beweisbeschlusses, billigt. Wenn die Eidesnorm mehrere Tatsachen enthält, so kann nicht der in 1. Instanz uneingeschränkt erklärten Eidesweigerung in der Be­ rufungsinstanz eine begrenzte Bedeutung beigelegt werden (RG. 61 S. 211). Vollstreckung § 534. v. nichtange­ fochtenen Die Vollstreckbarkeit der Urteile tritt nach § 705 regelmäßig erst mit ihrer r^ibf.CiCn Rechtskraft, nach §§ 708 ff. vorher nur als vorläufige ein. Ist im 1. Urteile die vorläufige Vollstreckbarkeit gar nicht oder nur bedingt zugelaffen, so würde die ob­ siegende Partei, da die Anträge in der Berufungsinstanz bis zum Schluffe der Ver­ handlung geändert werden können, erst durch das dann ergehende Urteil Vollstreckbar­ keit erzielen. Diesen Übelstand will § 534 dadurch ausgleichen, daß er der in 1. Instanz obsieglichen Partei das Recht gibt, für den in der Berufungsverhandlung nicht ange­ fochtenen Teil des 1. Urteils mittels einer Vorentscheidung die vorläufige Voll­ streckbarkeit zu beantragen. Als unangefochten gilt, was von den in der Verhandlung zunächst gestellten Anträgen der Parteien nicht getroffen wird. Ist dieser Teil dann für vorläufig voll­ streckbar erklärt, so ändert es nichts, daß hinterher die Parteien noch die Berufungs­ anträge erweitern oder Anschlußberufung einlegen. Das Gesetz will mit § 534 den Parteien zugleich einen Antrieb geben, gleich von Hause aus mit ihren Berufungs­ anträgen sich gehörig einzurichten (Begr. 308). Wenn hinterher die Berufungs­ anträge noch ermäßigt werden, so kann die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den damit anfechtungsfrei gewordenen Urteilsteil ausgedehnt werden. Der erforderliche Antrag ist systemgemäß in der Verhandlung zu stellen und zu erörtern, nötigenfalls unter Trennung der Verhandlung. Die Entscheidung erfolgt durch zu verkündenden Beschluß, der, mag er stattgebend oder ablehnend aus-

Erster Abschnitt.

Berufung §§ 535, 536.

455

§ 535. (497.) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen pt prüfen, ob Lie Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt sei. Mangelt es an einem dieser Vrfordemisse, so ist die Berufung ols nnxulässig pt verwerfen.

§ 536. (498.) Das Urteil erster Instan; darf nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt ist. lallen, entsprechend den §§ 320 Abs. 4, 707, 718, 719, der Anfechtung entzogen ist (vgl. Kammergericht Busch 19 S. 294).

Abi. 1.

§ 535.

Formalien der Be­ rufung.

Mugdan Gruchot 27 S. 790; Haas dort 30 S. 834.

I. Im öffentlich-rechtlichen Interesse der Wahrung des geordneten Jnstanzenzuges Pellt § 535 die Prüfung der formalen Zulässigkeit der Berufung unter die Amtspflicht des Gerichts, so dab sie der Disposition der Parteien entzogen ist. 1. Bei der Hauptberufung ist zu prüfen, ob sie an sich statthaft und nach Frist und Form gewahrt ist. Für die Statthaftigkeit an sich sind die §§ 511, 513, 99, 145, 275, 302, 529, 599, wie der Zeitpunkt der Berufungseinlegung maßgebend. Der Ansicht mancher Kommentare, daß es auf den Zeitpunkt der Erlasiung des 1. Urteils ankomme, steht entgegen, daß jede Prozeßhandlung nach der Rechtslage zur Zeit ihrer Vornahme zu prüfen ist, zumal zwischen der Erlassung des 1. Urteils und der Berufungseinlegung die Rechtslage sich durch dispositive Akte der Parteien ändern kann (so RG. 5 S. 387, 15 S. 405, 18 S. 420, 20 S. 430, Gruchot 33 S. 1139, IW. 86 S. 115, 346, 88 S. 421, 91 S. 87). — Die Wahrung von Frist und Form tritt wesentlich bei der Zustellung des 1. Urteils und bei der Be­ rufungseinlegung (§§ 516, 518, 210 a) in Frage (vgl. RG. 2 S. 397, 5 S. 413, 9 S. 366, 389, 412). 2. Bei der Anschließung muß, sofern sie selbständig (§ 522 Abs. 2) ein­ gelegt ist, die formale Zulässigkeit beider Berufungen, andernfalls (§ 521) die formale Zuläjsigkcit der Hauptberufung und die Statthaftigkeit der Anschließung geprüft werden.

II. Die Amtsprüfung gehört in die mündl. Verhandlung und eignet sich zur Borverhandlung und Trennung (§ 146). Dabei ist im Wege des Frageamts von der Bcrusungspartei der Nachweis der Formalien zu fordern. Ein Geständnis des Gegners erübrigt solchen nicht, sondern fällt nur der freien Beweiswürdigung (§ 286) anheim (vgl. RG. IW. 93 S. 94, 307, Gruchot 38 S. 168, 742). Werden Ur­ kunden zum Beweise vorgelegt, so hat sich das Gericht mit deren formeller Prüfung zu begnügen, sofern nicht der Gegner innere Mängel einwendet (vgl. RG. 9 S. 366, 389, 412 und IW. 92 S. 94, Mugdan Gruchot 27 S. 790). Werden die Formalien nachgewiesen, so kann das Gericht ohne weiteres in die Verhandlung zur Hauptsache eintreten, aber auch durch Zwischenurteil die Zulässigkeit des Rechtsmittels aussprechen (§ 303). Andernfalls ist, falls nicht Vertagung erfolgt, durch kontradiktorisches Endurteil die Berufung als unzulässig zu verwerfen (vgl. RG. 12 S. 364, 21 S. 375); eine Folge, welche das Rechtsmittel erledigt, aber allemal die Revision zuläßt (§ 547 Nr. 1). Erweist sich die Berufung nur als verfrüht, indem das 1. Urteil noch nicht oder nur mangelhaft zugestellt und die Not­ frist noch nicht in Lauf gesetzt ist, so ist das Rechtsmittel als wirkungslos zu verwerfen, was eine spätere Erneuerung desselben zuläßt (vgl. RG. 4 S. 415, 10 S. 401, 12 S. 365, 19 S. 406).

456

III. Buch.

Rechtsmittel § 537.

§ 537. (499.) Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung des Be­ rufungsgerichts stnd alle einen ^erkannten oder aberkannten Anspruch be­ treffenden Streitpunkte, über welche in Gemäßheit der Anträge eine Verhandlung und Entscheidung erforderlich ist, selbst wenn über diese Streitpunkte in erster Instanz nicht verhandelt oder nicht entschieden ist. Das Berufungsgericht hat ein von ihm erlassenes bedingtes Urteil zu erledigen. Dasselbe kann ein in erster Instanz erlassenes bedingtes Urteil erledigen, wenn die Berufung zurückgewiesen ist. Änderung nicht über Antrag.

8 536. Wach Gruchot 37 S. 465; Planck II § 142.

Der § 536 stellt den Grundsatz auf, daß das 1. Urteil zur Hauptsache nur in­ soweit, als eine Änderung beantragt ist, abgeändert werden darf. Wenn also im Falle einer teilweisen Anfechtung das Berufungsgericht nach § 304 erkennt, wird das 1. Urteil, soweit es nicht angefochten ist, rechtskräftig (RG. 56 S. 35). 1. Danach ist einerseits eine Änderung zugunsten der Berufungspartei über Antrag hinaus unzulässig, was dem Grundsätze ne ultra petitum (vgl. § 308) ent­ spricht. Den Umfang der beantragten Abänderung ergibt erst der Schluß der Be­ rufungsverhandlung, da bis dahin die Anträge beliebig geändert werden können. Innerhalb der Anträge steht dem 2. Richter, was aus dem Charakter des novum judicium folgt, eine freie Prüfung des gesamten vorgetragenen Prozeßstoffes zu, ohne daß es der Aufstellung spezieller Beschwerdepunkte bedarf. Reformatio H Andrerseits ist eine Änderung zuungunsten der Berufungspartei von in pejus. Amts wegen unstatthaft. Dieses Verbot der sog. reformatio in pejus fließt aus der Natur des Rechtsmittels, die einer Verschlechterung der Lage des Berufungs­ klägers widerstreitet; und deshalb dürfte der neuerdings hervorgetretenen Änsicht (Schultzenstein Busch 31 S. 1), daß es sich dabei wesentlich um eine bloße Zweck­ mäßigkeitsfrage handle, nicht beizutreten sein (vgl. RG. 54 S. 11). Die Frage, ob in einer Entscheidung eine solche Reformation liegt, wird wesent­ lich davon abhängen, ob die Entscheidung gegenüber dem 1. Urteile die Rechtslage des Berufenden im ganzen verschlechtert. Dies ist konkret, d. h. unter Berücksichti­ gung aller rechtlichen Beziehungen des 1. Urteils, namentlich der Zu- und Äbsprechung in quantitativer und qualitativer Hinsicht, in bedingter und unbedingter Weise, zu prüfen. Dabei kann in Frage kommen, ob sich die neue Entscheidung, wennschon sie in formeller Beziehung (z. B. wegen einer Eidesauflage) den Berufungskläger un­ günstiger zu stellen scheint, nicht insofern ausgleicht, als der Berufungskläger dadurch in materieller Beziehung es in seiner Hand hat, eine günstigere Entscheidung für sich herbeizuführen (vgl. RG. 4 S. 421, 6 S. 426, 12 S. 408, 22 S. 7, 25 S. 433, 29 S. 423, 44 S. 366, 49 S. 381). Ob eine Änderung in pejus nach der neuen Rechtslage an sich geboten sein würde, z. B. eine Abweisung mit Maßgabe in eine völlige, eine durch Eid bedingte in eine unbedingte, kommt nicht in Betracht (vgl. RG. 29 S. 423). Im letzten Ergebnis kann eine unbegründete Berufung nicht über deren Zurückweisung hinausführen. Etwas Weiteres läßt sich nur durch Anschließung des Gegners erzielen, wohei insbesondere die Verwertung neuer Beweisergebnisse mit in Frage kommen kann.

§§ 537—539. Bornote.

Devolutiveffekt der Berufung.

In der Einl. zu Abschn. 1 ist es als eine grundsätzliche Wirkung der Berufung bezeichnet, daß dieselbe den Rechtsstreit vor ein höheres Gericht zur Entscheidung

bringt (sog. Devolutiveffekt). Dieser Grundsatz ist in § 537 ausgesprochen. Die §§ 538, 539 sehen jedoch Einschränkungen desselben vor, vermöge deren die Berufungs­ sache unter gewissen Voraussetzungen zu anderweiter Entscheidung in die 1. Instanz zurückverwiesen werden muß oder kann.

§ 537

Solle Devolution. I Ausgehend von dem auch dem § 529 zugrunde liegenden Gesichtspunkte, daß Ansprüche, der geordnete Jnstanzenzug nicht verletzt werden soll (vgl. RG. IW. 97 S. 567), überweist § 537 zunächst die in 1. Instanz erhobenen Ansprüche nur insoweit, als sie dort zu- oder aberkannt sind, der Erörterung der 2. Instanz. Mit nicht abgeurteilten Ansprüchen hat dieselbe sich nicht zu befassen. Solches kann bei An­ sprüchen, die bei Erlassung von Teilurteilen oder sonst (z. B. in dem Falle, daß bei Häufung eines Prinzipalen und eines eventuellen Anspruches nur über den ersteren erkannt ist) nicht erledigt oder übergegangen sind, vorkommen. Alsdann hat der Kläger zunächst eine nachträgliche Entscheidung des 1. Richters zu erwirken (vgl. Begr. 309, RG. 18 S. 385, Gruchot 29 S. 421, 33 S. 727, IW. 91 S. 67, 01 S. 752). Ein in der ersten Instanz nicht verlesener Antrag muß für die Berufungsinstanz als neuer Antrag gelten (§§ 137, 297, RG. 59 S. 398). II. Anders steht es mit den die erstinstanzlich zu- oder aberkannten Ansprüche atnirbetrefsenden Streitpunkten, d. h. mit den auf diese Ansprüche bezüglichen Angriffs- und Verteidigungsmitteln der Parteien (§ 146). Bei diesen kommt die Wahrung des Jnstanzenzuges nicht in Betracht, da überhaupt nur über Ansprüche entschieden wird, und deshalb unterwirft sie § 537 (entsprechend dem Grundsätze des § 529) der Erörterung des Berufungsgerichts ohne Unterschied, ob sie in 1. Instanz beurteilt (oder vorgebracht) sind oder nicht. Eine dem zuwiderlaufende Zurück^ Weisung der Sache an die Vorinstanz würde, abgesehen von den Ausnahmefällen der §§ 538, 539 das Gesetz verletzen (vgl. RG. 5 S. 376, 411, 45 S. 319, Gruchot 30 S. 146). Dabei ist naturgemäße Voraussetzung, daß über die Streitpunkte zufolge der Be­ rufungsanträge eine Neuverhandlung und Entscheidung noch erforderlich ist. Sonst ist die Sache spruchreif und gemäß § 300 das Endurteil zu sprechen. Demzufolge hat auch das Berufungsgericht auf dem kürzesten Wege, unter Beiseitelassung rechtlich unerheblicher Punkte, zu entscheiden (vgl. RG. Gruchot 33 S. 727). III. Den erstinstanzlichen Beweisverhandlungen bleibt die formelle Wirk- Beweissamkeit gewahrt; aber der 2. Richter hat sie erneut zu würdigen, eventuell zu wieder- Aufnahme, holen (§§ 523, 526) oder auch durch neue Beweisaufnahme zu vervollständigen. Letzteres sieht das Gesetz als selbstverständlich an (vgl. Begr. 307), und nur aus Vorsicht ist in § 537 noch bestimmt, daß das Berufungsgericht ein von ihm selbst erlassenes bedingtes Endurteil erledigen soll. Hierher gehören alle Fälle, in denen vom Berufungsgericht ein Eid neu auferlegt oder gegenüber dem 1. Urteile subjektiv oder objektiv geändert ist (vgl. RG. IW. 91 S. 147, Jastrow Busch 9 S. 386). Bei bedingten Endurteilen 1. Instanz, die vom Berufungsgericht bestätigt sind, läßt Bedingte § 537 diesem die Wahl, ob es solche erledigen will oder nicht. Die Selbsterledigung Gnburtcilekann das Verfahren vereinfachen und Kosten ersparen, indem ein nochmaliger Über­ gang der Sache an ein anderes Gericht und an andere Prozeßvertreter, wie eine er­ neute Berufung gegen das künftige Läuterungsurteil ausgeschloffen wird. Aber unter Umständen kann die Erledigung durch den 1. Richter zweckmäßiger oder geradezu nötig sein, z. B. wenn Streitigkeiten über die Person des Schwurpflichtigen, über Bedeutung und Folgen des Eides zu besorgen sind, oder wenn die Entscheidung über gewisse Punkte, sei es zur Hauptsache oder wegen der Kosten, Vorbehalten ist (vgl. Begr. 309, 310). Die Selbsterledigung ist von Amts wegen oder auf Parteiantrag

458

III. Buch. Rechtsmittel § 538.

§ 538. (500.) Das Berufungsgericht hat die Sache, insofern eine weitere Verhandlung derselben erforderlich ist, an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen: 1. wenn durch das angefochtene Urteil ein Einspruch als unzulässig ver­ worfen ist; 2. wenn durch das angefochtene Urteil nur über prozeßhindernde Einreden entschieden ist; 3. wenn im Falle eines nach Grund und Betrag streitigen Anspruchs durch das angefochtene Urteil über den Grund des Anspruchs vorab entschieden oder die Blage abgewiesen ist; 4. wenn das angefochtene Urteil im Urkunden- oder Wechselprozesse unter Vorbehalt der Rechte erlassen ist; 5. wenn das angefochtene Urteil ein Versäumnisurteil ist. Im Falle der Ur. 2 hat das Berufungsgericht die sämtlichen prozeß­ hindernden Einreden zu erledigen. in Verbindung mit dem Berufungsurteile zu beschließen. Ergeht ein solcher Beschluß nicht, so fällt die Erledigung von selbst dem an sich zuständigen Vorderrichter zu. Für die Parteien ist dies von Wichtigkeit wegen der Frage, bei welchem Gericht sic die Erledigung betreiben sollen (vgl. Jastrow Gruchot 27 S. 782, Hergenhahn Busch 15 S. 58). Diese Vorschriften finden übrigens auf die Revisionsinstanz keine Anwendung, so daß ein etwa vom Revisionsgericht erlassenes bedingtes Endurteil in jedem Falle vom 1. Richter zu erledigen ist (vgl. RG. Gruchot 29 S. 1117). Ein in der Berufungsinstanz erlassenes bedingtes Endurteil hat die Folgen der Eidesleistung oder -Weigerung selbständig auszusprechen, ist nicht etwa dahin zu fassen, daß im einen Falle das erste Urteil abgeändert, im anderen die Berufung ziirückgewiesen werde (RG. 4 S. 418 ff.).

Obligat. Zuruckverwkisung. Allgemeiner.

§ 538. _ Abs. 1. I Nach § 538 hat das Berufungsgericht in fünf Fällen die Sache, sofern eine weitere Verhandlung derselben erforderlich, an die 1. Instanz zurückzuverweisen,

a) Diese Abweichung von § 537 beruht darauf, daß in obigen Fällen im 1. Urteil die sachliche Endentscheidung noch fehlt, daß aber der Gegenstand der Be­ rufung kein anderer sein darf, als der der 1. Instanz (§ 537), und daß zur Herbei­ führung der fehlenden Endentscheidung die Sache nochmals an die Vorinstanz ge­ langen muß (vgl. Begr. 310). Danach ist auch für die Voraussetzung, daß noch eine weitere Verhandlung der Sache erforderlich ist, lediglich der Gesichtspunkt maß­ gebend, daß der bezügliche Streitstoff in dem angefochtenen Urteil überhaupt keine Entscheidung gefunden hat, während es nicht darauf ankommt, ob derselbe für die Berusungsentscheidung schon spruchreif ist oder noch erst weiterer Erörterung bedarf (vgl. Begr. 310, RG. 12 S. 378, 27 S. 348). b) Der § 538 ist, da er auf Wahrung des Jnstanzenzuges abzielt, zwingen­ der Natur, übrigens als Ausnahmevorschrift der analogen Anwendung nicht fähig (vgl. RG. 5 S. 376, 27 S. 348). SLlle. Nr. i.

II. Zu den Einzelfällen ist folgendes zu bemerken: Die Nr. 1 betrifft den Fall, daß der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil vom 1. Richter als unzulässig verworfen ist (§ 341), vom Berufungsgericht aber für

zulässig erachtet wird. Die Zurückverweisung gebietet sich hier mit Rücksicht auf § 342. Das gleiche gilt für den Fall, daß ein Wiedereinsetzungsantrag gemäß § 238 Abs. 2 vom 1. Richter durch Endurteil verworfen ist, vom 2. Richter aber zugelassen wird (vgl. RG. 12 S. 373). Die Nr. 2 hat zur Voraussetzung, daß der 1. Richter nach § 275 lediglich -über prozeßhindernde Einreden des Beklagten, gleichviel mit welchem Er­ gebnis, erkannt hat, die 2. Instanz aber dieselben als unbegründet verwirft (vgl. RG. 10 S. 318, 12 S. 378, 27 S. 347, 29 S. 416, Gruchot 30 S 161, 31 S. 731, 41 S. 707). — Die Zurückverweisung muß aber auch erfolgen, wenn das Berufungs­ gericht im Gegensatz zum 1. Urteil den Tatbestand einer „Prozeßhindernden Einrede" nicht für gegeben erachtet, welche in erster Instanz gar nicht vorgeschützt war, auf -welche jedoch die Partei nicht wirksam verzichten konnte. Dies rechtfertigt sich aus der überall gleichen Beachtlichkeit jenes Einrede-Tatbestandes (so unter Verwerfung ter früheren Ansicht RGPl. 70 S. 179). — Bor der Zurückverweisung soll nach Äbs. 2 das Berufungsgericht die sämtlichen prozeßhindernden Einreden erledigen, der­ gestalt, daß es diese Einreden, gleichviel ob sie schon in 1. Instanz erhoben und be­ urteilt oder neu sind, als einen für die Einlassungspflicht zur Hauptsache maßgebenden Streitpunkt würdigen und erst nach Verwerfung aller die Verhandlung zur Haupt­ sache dem 1. Richter zuweisen soll (vgl. Bcgr. 310). Danach greift dieser Fall nicht Platz, wenn das angefochtene Urteil neben prozeß­ hindernden zugleich über sachliche Einreden entschieden hat, da dann der volle Rechtsstreit devolviert ist (vgl. RG. 5 S. 376. 10 S. 318, 11 S. 390, 13 S. 331 und Gruchot 26 S. 1157, 31 S. 734), ebenso nicht, wenn das Berufungsgericht eine prozeßhindernde Einrede für begründet hält, weil dann sofort die Klage ab­ zuweisen ist (Begr. 310). Die Nr. 3 (vgl. Simonson Gruch. 46 S. 99, besonders Schmidt-Bardeleben dort 47 S. 588) betraf nach dem alten § 500 nur den Fall, daß vom 1. Richter gemäß § 304 vorab über den Anspruchsgrund erkannt war. Die Rechtsprechung setzte dabei voraus, daß die angefochtene Entscheidung den Anspruchsgrund für gegeben er­ achtet habe und vom 2. Richter gebilligt würde, und nahm an, daß, falls sie den An­ spruchsgrund verworfen und deshalb die Klage abgewiesen, eine Vorabentscheidung nicht vorliege und das Berufungsgericht, sofern es den Anspruchsgrund als gerechtfertigt ansehe, auch über den Betrag erkennen müsse. Die Nov. v. 98 hat auf letzteren Fall die Nr. 3 ausgedehnt. Die Anwendung der Bestimmung setzt voraus, daß in 1. Instanz Grund und Betrag streitig waren, und daß entweder durch Zwischenurteil über den Grund vorab entschieden oder in ausgesprochener Weise die Verhandlung auf den Grund des Anspruchs beschränkt und alsdann die Klage abgewiesen ist. Weil der „Grund" hier lediglich im Gegensatz zum Betrage steht, muß der Berufungs­ richter auch zufolge begründeter Ausrechnungseinrede die Klage abweisen, und zwar je nach dem Betrage der zur Aufrechnung gestellten Forderung ganz oder teilweise . i. Visionsbegründung zur Zwangspflicht des Rechtsmittelklägers erhoben, und in den Abs. 2, 3, 6 diese Pflicht dahin ausgestaltet: I. Der Abs. 2 setzt die Form und Frist für die Revisionsbegründung fest; «di.», und zwar dergestalt, daß binnen einer der Revisionsfrist entsprechenden, nicht als Notfrist bezeichneten, aber doch der Parteiverfügung entzogenen Frist ein Schriftsatz beim Revisionsgericht ringereicht werden muß, sofern die Begründung nicht etwa schon (wobei an § 7 EGzZPO. zu denken ist) vorher stattgehabt hat. n. Der Abs. 3 regelt de« zwingenden Inhalt („muß") der BegründungS- e»f.s. schrift, wobei er eine Änderung der im alten § 554 Nr. 1—3 bezeichneten InhaltsPunkte wesentlich bloß redaktionell vorgenommen hat. Er stellt nämlich als solche JnhaltSPunkte hin unter Rr. 1 die Revisionsanträge, d. h. die Angabe der Punkte, bei denen die Aushebung des angefochtenen Urteils verlangt wird, unter Nr. 2a—c die Angabe der Revisionsgründe. Die Punkte zu Nr. 2 betreffen ein Gebiet, auf welchem schon ftüher mancherlei Zweifel hervorgetreten sind und auch jetzt noch, namentlich in Verbindung mit § 559, hervortreten. Die Aufhebungsgründe können sich nach §§ 549, 550 allemal nur darauf richten, daß das Urteil auf einer Gesetzesverletzung beruhe. Die GesetzesVerletzung selbst kann laut § 554 Nr. 2 entweder das materielle Recht oder daS Reincke, ZPO. 6. Aufl.

31

482

III. Buch.

Rechtsmittel §§ 553—556.

Verfahren betreffen. Danach formuliert die Nr. 2 das Erfordernis der Revisions­ gründe dahin, daß bezeichnet werden müssen, a) insoweit die Revision die Nicht- oder unrichtige Anwendung von Rechtsnormen rügt, diese Rechtsnormen, b) insoweit eine Gesetzesverletzung in bezug auf das Verfahren vorliegen soll, die den Mangel ergebenden Tatsachen, c) insoweit gerügt wird, daß unter Gesetzesverletzung Tatsachen fest­ gestellt, übergangen oder als vorgebracht angenommen seien, diese Tat­ sachen. Die Zweifel, zu denen diese Formulierung Anlaß gegeben hat und gibt, beziehen sich auf die Abgrenzung der Punkte 2a—c untereinander, d. h. mit Bezug auf die Art der Gesetzesverletzungen. Der Wortlaut der Nr. 2 zu a—c gibt hierüber, auch bei Heranziehung des § 559, keine ganz klare Auskunft. Ist danach auf die gesetzlichen Auslegungsmittel, d. h. auf Grund, Zweck und Zusammenhang der Nr. 2 zurückzngehen, so weist zunächst die Natur der Sache, der auch gewisse andere Vor­ schriften der ZPO. (vgl. §§ 286, 321, 539, 561) Rechnung tragen, auf den Unter­ schied zwischen Gesetzesverletzungen in der Entscheidung zur Sache selbst (über An­ sprüche) und dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Verfahren, mag solches den Abschnitt bis zum Urteil oder eben dieses betreffen, hin. Auf diesem Unterschiede beruht auch die verwandte Bestimmung des § 384 StPO, ausweislich ihrer Motive. Die Entstehungsgeschichte des § 554 bietet keinen sicheren Anhalt. Nach dem KommissBer. (S. 60, 67) ist die vorberatende Kommission des Reichstages sich der Schwierigkeit der Frage bewußt gewesen und hat die Würdigung, ob es im Einzelfalle sich um einen materiell- oder prozeßrechtlichen Verstoß handle, dem Revisionsgericht überlassen. Zu bemerken ist dabei noch, daß der § 559 nur allgemein auf den § 554 zurückverweist, und in der Reichstagskommission ein Antrag, die Verweisung auf § 554 Nr. 2b zu spezialisieren, nicht durchgegangen ist (KommissBer. S. 58 ff.). So ist es denn auch erklärlich, daß bisher Theorie und Praxis nicht zu einem festen gemeinsamen Standpunkt gelangt waren (vgl. u. a. Fitting Busch II S. 1, Stahl ziv. Arch. 67 S. 130, Wach, Vorträge [2. Aufl.^ S. 259; aus den RG. Entsch. in ZivS. 2 S. 407, 4 S. 198, 432, 9 S. 325, 10 S. 93, 12 S. 121, 17 S. 364, 25 S. 361), und daß auch über den jetzigen § 554 Nr. 2 alsbald ver­ schiedene Auffassungen hervorgetreten sind. Bei Erwägung aller Auslegungsmomente möchte ich zu folgendem Ergebnisse kommen. Die Gegenüberstellung und der Inhalt der Nr. 2a und der Nr. 2b, c, insbesondere der Umstand, daß zu 2 a von der Rechtsanwendung, in den Nr. 2 b, c von dem Verfahren, bzw. vom Tatstoffe gesprochen wird, weisen zunächst wohl un­ zweideutig darauf hin, daß mit der Nr. 2 a Gesetzesverletzungen bei der Subsumierung des gesammelten Sach- und Streitstandes unter das (materielle) Recht, mit den Nr. 2 b, c Gesetzesverletzungen bei der Sammlung des Sach- und Streitstandes (vgl. § 313 Nr. 3, 4) gemeint sein sollen. Demgemäß sind, wenn im Falle der Nr. 2 a zur Begründung die Bezeichnung der falsch angewendeten Rechtsnorm erfordert wird, nur materielle Rechtsnormen zu verstehen. Soll eine verschiedene Ansprüche um­ fassende Entscheidung angegriffen werden, so ist die Begründung bez. jedes einzelnen Anspruchs zu geben (RG. 66 S. 178, 62 S. 17). Dieser Grundsatz ist auch für die Berechnung der Nevisionssumme entscheidend (RG. 66 S. 324). — Der Schwer­ punkt der bei Nr. 2 b, c hervorgetretenen Bedenken bewegt sich um das Verhältnis der Jnhaltspunkte zueinander. Gemeinsam ist beiden, daß zur Begründung die Be­ zeichnung der von der Gesetzesverletzung berührten Tatsachen erheischt wird. Die Gesetzesverletzung soll aber nach Nr. 2 b das Verfahren, nach Nr. 2 c die Feststellung, Übergehung oder Vorbringung von Tatsachen betreffen. Der Umstand, daß vom Ver­ fahren nur zu b die Rede und darunter nicht auch zu c begriffen ist, könnte der

Annahme Vorschub leisten, daß es sich dabei um verschiedenartige Punkte handle. Dies dürfte jedoch keineswegs der Fall sein. Unter Verfahren läßt sich naturgemäß die gesamte Prozedur, d. h. solche vor, in und nach dem Urteil (vgl. für das land­ gerichtliche Normalverfahren Buch II Abschn. 1), verstehen; und darunter würde an sich (vgl. Buch II Abschn. 1 Tit. 4—12) auch die Sammlung des Tatstoffes fallen. Wenn gleichwohl der letztere Prozedurabschnitt zu der besonderen Nr. 2c abgetrennt ist, so beruht dies wohl auf § 561, welcher das Gebiet der Tatsachenfeststellung regel­ mäßig der Revision entzieht und eine Ausnahme zugunsten der in § 554 Nr. 2 b, c (neue Fassung) erwähnten Tatsachen macht. Im einzelnen können zu Nr. 2b alle Voraussetzungen eines gehörigen Zivilprozeßversahrens, seien es die in § 274 be­ zeichneten sog. prozeßhindernden Einreden, seien es nichtprivilegierte Voraussetzungen, wie die Besetzung des Gerichts, die Zulassung der Parteien und Parteivertreter, die Zustellungen und Ladungen, die mündliche Verhandlung und die Urteilsfällung selbst, in Frage kommen. Zu 2c kann es sich handeln um Verstöße bei der Feststellung von Tatsachen (Fragepflicht, Beweiswürdigung; vgl. ZPO. §§ 139, 286, 287; EG. G 16 Nr. 1, 17; RG. 4 S. 198, 10 S. 93, 12 S. 121), um Verstöße bei der Übergehung (Nichtbcrücksichtigung) von Tatsachen, wie um Verstöße bei der Berück­ sichtigung von (als vorgebracht angenommenen) Tatsachen (§§ 298, 314; vgl. RG. 9 S. 367). Ine übrigen wird cs, soweit die Nr. 2 b, c in Betracht kommen, gemäß § 561 kaum erheblich fein, ob ein Fall der Nr. 2b oder der Nr. 2c vorliegt. Dagegen können, soweit die Abgrenzung der Nr. 2b,c gegenüber der Nr. 2a zur Prüfung steht, immerhin Zweifel bleiben, wie aus diesem Anlaß ja die §§ 16, 17 EGzZPO. eben in dieses Nebcngcsetz gestellt sind. Nach dem oben erwähnten KommissBer. des Reichstags zur Nov. v. 05 soll für solche Fälle das freie Ermessen des Revisionsgerichts die Lösung finden; ein wohl naturgemäßer Gesichtspunkt. III. Durch Abs. G erfährt der Begründungszwang noch eine Verstärkung in der Richtung, daß nach Ablauf der Begründungs fr ist neue Revisionsgründe nicht mehr zulässig sein sollen. Das Verbot einer Erweiterung der Revisionsanträge ist vom Reichstag, entgegen dem Beschlusse seiner Kommission (vgl. deren Bericht S. 83), nicht angenommen worden. Sonach wird anzunehmen fein, daß die Geltend­ machung neuer Revisionsgründe nach Ablauf jener Frist unbedingt ausgeschlossen, die Erweiterung der fristgemäß gestellten Revisionsanträge zwar noch auf Grund der frist­ gerecht geltend gemachten Revisionsgründe, aber nicht mehr auf Grund von neuen Revisionsgründen statthaft ist. Wegen des mit § 554 zusammenhängenden § 559 vgl. die Note hierzu. IV. Uber die Behandlung der Revisionsbegründung, soweit sie nicht den zwingenden Inhalt betreffen, sollen nach Abs. 4, 5 die bezüglichen Vorschriften über die Revisionsschrist, also die §§ 553, 553 a, maßgebend fein. Aus der Verweisung auf § 553 Abs. 2 ist zu entnehmen, daß ein Zusatz zur Unterschrift, welcher eine Ablehnung des Inhalts enthält, die Unterschrift wirkungslos macht (vgl. RG. 65 S. 85). Speziell soll nach Abs. 4 die Begründungsschrist im Falle des § 546 den Wert des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdeobjekts angeben, und nach Abs. 5 den allgemeinen Jnhaltsersordernissen vorbereitender Schriftsätze, wie der Amtszustellung an den Gegner unterliegen.

8 554 a. Auch der § 554 a ist als Entlastungsmittel für das Reichsgericht gedacht, unter folgendem Gesichtspunkte: Zufolge der jetzigen §§ 553, 553 a, 554 ist das Reichsgericht nach Ablauf der Revifionsbegründungsfrist in der Lage zu prüfen, ob die Revision an sich statt­ haft und in gesetzlicher Form und Frist eingelegt und begründet ist. 31*

Ads. 6.

Abi. 4, 5.

Der § 554a legt nun in Abs. 1 zunächst überhaupt dem Revifionsgericht die Amtspflicht auf, jene Prüfung vorzunehmen und mangels der obigen Erfordernisie das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. In Abs. 2 gibt er dem Revisions­ gericht die besondere Ermächtigung, diese Entscheidung ohne mündliche Verhand­ lung im Beschlußwege vorzunehmen. Demgemäß wird daS Revisionsgericht je nach Lage deS Falles zu ermeffen haben, ob es von dieser Ermächtigung Gebrauch machen soll oder nicht. Ergibt sich die Unzulässigkeit des Rechtsmittels nicht sofort klar, so wird es die Sache im Regelverfahren der mündlichen Verhandlung über­ weisen und gemäß § 555 prozedieren.

§ 555 Der § 555 bestimmt in dem neuen, rungen eingefügten Abs. 1, daß,sofern es (§ 554a), der Termin dazu von Amts zu machen ist. Der Abs. 2 entspricht dem alten §

als Konsequenz der vorhergegangenen Ände­ zur mündlichen Verhandlung kommt wegen anzusetzen und den Parteien bekannt

555.

§ 556. «»lchneDer Revisionsbeklagte kann sich darauf beschränken, für die Aufrechterhaltung 8une" des angefochtenen Urteils dadurch, daß er die vom Revisionskläger behauptete Ge­ setzesverletzung oder ihre Kausalität leugnet, ev. die Richtigkeit des Urteils aus anderen Gründen behauptet, einzutreten; aber er darf sich auch der Revision an­ schließen, und zwar (im Gegensatz zu § 99) wegen des bloßen Kostenpunktes und ohne die Wertsschranke aus § 546 (vgl. RG. 13 S. 432, 17 S. 47, BayObLG. SeuffA. 41 S. 378). Das Verfahren bei der Anschließung war nach dem alten § 556 demjenigen bei der Berufungsanschließung angepaßt. Infolge der in der Nov. v. 05 für die Revision bestimmten Änderungen ist dasselbe entsprechend geändert. Die Änderungen richten sich darauf, daß der Revisionsbeklagte selbst bei Verzicht auf die Revision sich der gegnerischen Revision, jedoch nur bis zum Ablauf der Begründungsfrist anschließen dcwf, und daß er die Anschließung in einer Anschlußschrift nach Maßgabe der §§ 553, 553 a Abs. 2, 554 Abs. 3, 6 und 554 a begründen muß. Die Vorschrift, daß die Anschlußrevision in der Anschlußschrift zu begründen sei, gilt nicht für die in der Revisionsfrist eingelegte Anschlußrevision, welche als selbst­ ständige Revision zu behandeln ist (RG. 65 S. 78). In Bezug auf die Nachprüfung deS Berufungsurteils durch das Revisionsgericht bestimmte der alte § 559 bloß, daß dieselbe sich auf die gestellten Parteianträge beschränken sollte. Da diese Anträge bis zum Schlüsse der Revisions­ verhandlung geändert werden konnten, ergab sich der Umfang der Nachprüfung erst mit dem Berhandlungsschlusie. Im jetzigen § 559 find in Konsequenz der §§ 554, 554 a auch erhebliche Änderungen betreffs der Tragweite der Nachprüfung vorgesehen. Hierüber ist, unter Verweisung auf die Noten zu §§ 554 und 554 a noch folgendes hervorzuheben: Zunächst vereinigt die Nachprüfung in sich Amtspflicht und Amtsrecht, und der Grundsatz, daß ihr nur die Part ei an träge unterliegen, ist beibehalten. Anlangend sodann die Frage, inwieweit bei dieser Prüfung die RevisionSgründe mit in Be­ tracht kommen, unterscheidet § 559 einfach zwischen Gesetzesverletzungen in bezug auf daS Verfahren nach Maßgabe der §§ 554, 556 und zwischen sonstigen GesetzesVerletzungen. Ergibt sich hieraus für § 554 Nr. 2, daß dieser lediglich die Abgren­ zung von materiell- und prozeßrechtlichen Verstößen (2 a—2 b, c) im Auge hat, ohne daß bei den prozeffualen Berstößm die Scheidung in Nr. 2 b und 2 c von ent-

8 557. (519.) Auf Las weitere Verfahren finden Lie in erster Instanz für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit nicht Abweichungen aus Len Bestimmungen dieses Abschnitts sich ergeben. 8 558. (520.) Die Verletzung einer das Verfahren der Lerufungsinstan; betreffenden Vorschrift kann in der Vevisionsinstanr nicht mehr gerügt werden, wenn in Gemäßheit der Lestimmung des § 295 die Partei das Mgerecht bereits in der Vernfungsinstan; verloren hat. scheidender Bedeutung ist, so folgt auch für § 559, daß bei der Frage, welche Prozeßrechtlichen Revisionsgründe berücksichtigt werden dürfen oder nicht, die Fälle Nr. 2b und Nr. 2 c gleichmäßig zu behandeln sind. Einer Rüge bedarf es nur dann nicht, wenn eine das Verfahren betr. Vorschrift von Amts wegen zu berücksichtigen ist (RG. 64 S. 361). — Anders liegt die Sache für die materiellrechtlichen Verstöße. Bei diesen soll nach § 559 das Revisionsgericht an die von den Parteien geltend ge­ machten Revisionsgründe nicht gebunden sein. Dasselbe darf und soll daher auch von Amts wegen derartige Revisionsgründe berücksichtigen. Danach fragt sich nur noch, inwieweit gegenüber dem § 559 die Erweiterung der Revisionsanträge zulässig ist. Nach dem naturgemäßen Verhältnis zwischen Anträgen und Gründen (§ 253 Nr. 2) muß man m. E. folgern, daß die Anträge an sich auch nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist erweitert werden dürfen, jedoch nur auf der Basis der vor dem Fristablauf geltend gemachte» Revisionsgründe. Der Versuch, diese Erweiterungs­ befugnis noch mehr auszudehnen (vgl. IW. 05 S. 353), dürfte in Wortlaut, Grund und Zweck der §§ 554, 556, 559 keine Stütze finden (vgl. Recht 05 S. 453, DIZ. 05 S. 719).

8 557. I. Auf das weitere Verfahren, also die Verhandlung und Entscheidung über die Revision, soll das landgerichtliche Verfahren entsprechende Anwendung finden. Diese Maßgabe macht sich bei der Revision mehr geltend als bei der Berufung (§ 523), weil bei ersterer die erneute Verhandlung und Entscheidung des Prozesses sich aus die Rechtsfrage beschränkt; und darauf beruhen auch die in §§ 558—566 vorgesehenen Abweichungen des Verfahrens. n. Der Regel des § 557 unterliegt insbesondere das Versäumnisverfahren (§ 566, vgl. Planck II § 152"). Demgemäß ist beim Ausbleiben des Revisions­ klägers nach § 330 auf Verwerfung des Rechtsmittels oder, falls dasselbe zuvor zurückgenommen ist, auf desien Verlust zu erkennen. Bei Säumigkeit des Revisionsbeklagten findet der § 331 Anwendung; jedoch ist regelmäßig nur zu prüfen, ob das im Berufungsurteile festgestellte Sachverhältnis den Revisionsangriff rechtfertigt oder nicht, und eine Modifikation wird sich wohl nur ergeben, wenn eine Tatsache im Sinne des § 554 Nr. 2, 3 in Betracht kommt, wobei dann auch das Präjudiz des Geständniffes wirksam werden kann (vgl. RG. 3 S. 196, 6 S. 366 und IW. 88 S. 270; Wach Gruchot 36 S. 1, 25). III. Bei der Revisionsentscheidung ist für den Fall einer Meinungs­ differenz zwischen verschiedenen Senaten des Reichsgerichts ein eigenartiges Verfahren durch § 137 GBG. bestimmt.

§ 558. Der § 558 wendet das in den §§ 295, 530 bestimmte Präjudiz des Rüge­ verlustes auch auf Prozednrverstöße in der Berufungsinstanz an. Daß solche Verstöße aus 1. Instanz, wenn sie bereits in dieser oder in

WeitereVerfahren.

Frühere Prozedurverstöße.

III. Buch.

486

Rechtsmittel §§ 559—561.

8 559. (522.) Der Prüfung -es Nevisionsgerichts unterliegen nur die von den Parteien gestellten Anträge und, soweit die Neoiston darauf gestützt wird, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt sei, nur die nach Maßgabe der 88 554, 556 geltend gemachten Neviswnsgründe. Set der Prüfung, ob sonst das Gesetz verletzt sei, ist das Neoistonsgericht an die von den Parteien geltend gemachten Neoistonsgründe nicht gebunden. 8 560. (523.) Ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil des Berufungsgerichts ist, insoweit dasselbe durch die Nevisionsanträge nicht angefochten wird, auf den im Laufe der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag von dem Neoifionsgerichte für vorläufig vollstreckbar zu er­ klären. 8 561. (524.) Für die Entscheidung des Revisionsgerichts sind die in dem angefochtenen Urteile gerichtlich festgestellten Tatsachen maßgebend. Außer den2. Instanz geheilt worden, in der Revisionsinstanz nicht mehr gerügt werden können, folgt aus dem allgemeinen Grundsätze des 8 557.

Abgrenzung der Nach­ prüfung.

8 559.

Aus den Bestimmungen des § 559 ist das für die Revisionsinstanz nicht ausdrücklich ausgesprochene Verbot der reformatio in pejus zu entnehmen. — Eine solche liegt nicht darin, daß die erste Instanz aus Grund einer Aufrechnungseinrede, die zweite wegen Nichtbestehens des Klageanspruchs die Klage abweist (RG. 70 S. 158, IW. 50 S. 26). — Hierdurch sind nicht ausgeschlossen bloße Prozeduranordnungen, die dem Partei­ verzicht nicht unterliegen, wie z. B. betreffs der Frage, in welche Vorinstanz die Sache zurückzuverweisen ist (vgl. RG. 12 S. 410, 14 S. 357, 22 S. 392). 8 560.

Bvllftreikung unangetjiMener

Der 8 560 gewährt der in der Berufungsinstanz obffeglich gebliebenen Partei tei ele' einen Rechtsbehelf zu dem Zwecke, für denjenigen Teil des 2. Urteils, der sich nach

den in der Verhandlung zunächst gestellten Anträgen als unangefochten herausstellt, durch Vorabentscheidung die vorläufige Vollstreckbarkeit zu erwirken. Die Vorschrift ist dem 8 534 nachgebildet, dessen Erläuterung zu vergleichen ist. Es kann trotz des durch 8 554 eingeführten Begründungszwanges wo 8 560 anwendbar ist kein Rechtskraftattest erteilt werden, soweit hinsichtlich der Entscheidung über bestimmte Ansprüche keine vorschriftsmäßige Revisionsbegründung eingegangen ist (RG. 66 S. 205).

88

561, 562.

Bindung des Revis.-Gerichts durch 2. Urteil.

Schultzenstein Busch 37 S. 244. Botnote.

In 8 549 ist grundsätzlich bestimmt, daß die Revision nur auf eine für das Berufungsurteil ursächliche Gesetzesverletzung gestützt werden kann. Die 88 561, 562 ziehen die Konsequenz daraus, indem sie verordnen, daß die im 2. Urteile ge­ troffene Tatfeststellung und die darin enthaltene Entscheidung über Bestehen und Inhalt nichtrevisibler Gesetze für die Revisionsentscheidung maßgebend sein soll.

Zweiter Abschnitt.

Revision § 562.

487

selben können nnr die im § 554 tlr. 2b, c erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden. 8 562. (525.) Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Destchen und den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Reviswn nach § 549 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend.

8 561. I Der § 561 gibt in bezug auf die Bindung des Revisionsgerichts durch die im Berufungsurteil enthaltene Feststellung und Würdigung der Tatsachen eine zwiefache Vorschrift. a) Die im 2. Urteile festgestellten Tatsachen sollen für die Revisionsentschei­ dung maßgebend sein. Zwischen Tatumständen und Rechtsbegriffen ist sorgfältig zu unterscheiden (Note Hl zu § 550), RG. 58 S. 220 erklärt Nachprüfung der Feststellung, daß gegen gute Sitte gehandelt sei, für zulässig. Zulässig wird auch sein die Nachprüfung der als fest­ gestellt angenommenen Tatsachen, aus welchen das Bestehen eines Gewohnheitsrechts gefolgert worden ist, insofern überhaupt nach § 549 Abs. 1 die Revision auf Gewohn­ heitsrecht gestützt werden kann (Schultzenstein Busch 37 S. 261. Ebenso Gaupp-Stein, Bem. III 2a zu 8 549. Anders Petersen-Remels-Anger, Anm. 1 zu § 561). Vgl. aus der Praxis RG. 2 S. 398 (ausreichende Ladung), 3 S. 206 (Verzicht auf Bermögensvorbehalt), 5 S. 361 (Übung einer Observanz), 6 S. 150, 8 S. 159, 11 S. 413, SeufsA. 41 Nr. 151, (ausreichender Scheidungs- und Schuldgrund), RG. 67 S. 380 (Auslegung eines Zuschlagsbeschlusses), SeufsA. 43 Nr. 243, BayObLG. eben­ dort 40 Nr. 258, 323, 47 Nr. 246 (Verzicht, Fahrlässigkeit). b) Außer den vorstehenden sollen nur noch die in § 554 Nr. 2, 3 erwähnten Tatsachen berücksichtigt werden. Dies betrifft Tatsachen, die einen Verstoß im Verfahren ergeben, oder die unter Gesetzesverletzung als vorgebracht angenommen, übergangen oder als wahr festgestellt sind. Die Berücksichtigung solcher Tatsachen muß naturgemäß dem Revisionsgericht znstehen, da es sonst die Begründung des Rechtsmittels nicht prüfen könrite (Begr. 325). Dabei kommt in Betracht, daß für das Parteivorbringen der durch den Tat­ bestand des Urteils gelieferte Beweis nur durch das Sitzungsprotokoll oder durch Berichtigung des Tatbestandes entkräftet werden kann (§§ 313, 314, 320). Vgl. aus der Rechtsprechung RG. 9 S. 366, 11 S. 401, 44 S. 354, SeuffA. 47 Nr. 245. II. Nicht unter § 561 fallen Tatsachen, welche die Zulässigkeit der Revision, also deren frist- und formgerechte Einlegung, den Wert des Beschwerde­ gegenstandes oder einen Verzicht auf das Rechtsmittel betreffen, und ebenso Tatsachen, die zur Begründung eines in der Revisionsinstanz statthaftenProzedurbehelfs (z. B. nach §§ 111, 239) dienen sollen, da ohne ihre Berücksichtigung die Formalien des Rechtsmittels und die gedachten Rechtsbehelfe nicht geprüft werden könnten (vgl. Begr. 325, RG. 9 S. 366, 11 S. 401, 15 S. 410, SeuffA. 47 Nr. 245). § 562. Fels, Revlsions- und Sonderrecht S. 84; Stein, privates Wissen des Richters S. 174.

Nach § 562 soll die zweitinstanzliche Entscheidung über Bestehen und In­ halt nicht revisibler Gesetze für die Rcvisionsentscheidung maßgebend sein. I. Welche Gesetze nichtrevisibel sind, bestimmt sich aus § 549, der B. v. 28. 9. 79 und den G. v. 15. 3. 81, 24. 6. 86 und 30. 3. 93. Dabei ist aber Vor­ aussetzung, daß die Anwendung nichtrevisiblen Gesetzes nicht durch Verletzung revi-

Bindend Tatfeststellung.

Bindende Entscheidung über nicht revisibles Gesetz.

488

III. Buch.

Rechtsmittel §§ 563, 564.

8 563. (526.) Ergeben die Entscheidungsgrunde War eine Gesetzesver­ letzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision Wruckgiweisen. 8 564. (527.) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil anftuheben. Erfolgt die Aufhebung -es Arteils wegen eines Mangels des Verfahrens, so ist zugleich das Verfahren insoweit auftnheben, als es durch den Mangel betroffen wird. siblen Gesetzes beeinflußt ist. Eine derartige Konkurrenz kann namentlich durch daS Verhältnis zwischen Reichs- und Landesrecht, durch die örtliche und zeitliche Kollision von Gesetzen, durch die Auslegung des revisiblen Rechts hervorgerusen werden. Eine Nachprüfung in dieser Richtung darf dem Revisionsgericht nicht ver­ schränkt werden (vgl. Begr. 320). Hat z. B. das Berufungsgericht nichtrevisibles Recht zur Anwendung gebracht, so darf das Revisionsgericht nachprüfen, ob nicht ein revisibles Gesetz hätte angewendet werden müssen. Ist bom Berufungsgericht revisibles Recht angewendet, so kann das Revisionsgericht nachprüfen, ob diese Anwendung vom Gesichtspunkte des revisiblen Rechts aus begründet ist. Dagegen dürfte in keinem Falle dem Revisionsgericht die Prüfung zufallen, ob und mit welchem Inhalt ein die Anwendung revisiblen Rechts ausschließendes nichtrevisibles Gesetz besteht (streitig; vgl. Fels a. a. O. S. 101, Vierhaus Busch 5 S. 105, die Kommentare, RG. 2 S. 69, 94, 184, 3 S. 29, 135, 150, 205, 4 S. 202, 5 S. 134, 212, 361, 371, 6 S. 135, 393, 7 S. 347, 11 S. 209, 20 S. 410, 24 S. 383, SeuffA. 41 Nr. 248, IW. 91 S. 8, BayObLG. SeuffA. 38 Nr. 47). n. Das Bestehen und der Inhalt von Gesetzen begreift alle Fragen, die sich an deren Existenz, Tragweite, Voraussetzung und Wirkung knüpfen könnenUnbe­ gründete Revision.

8 563. Der § 563 bestimmt, daß die Revision zurückzuweisen ist, sofern die Vor­ entscheidung sich als richtig ergibt. Als Entscheidung versteht er aber nur den aus der Urteilsformel erhellenden und allein der Rechtskraft fähigen Ausspruch. Deshalb verordnet er folgerecht, daß, wenn die beigegebenen Entscheidungsgründe eine Gesetzesverletzung ergeben, die Entscheidung selbst jedoch bei der dem Revisionsgericht obliegenden freien Würdigung aus anderen Gründen sich als richtig darstellt, jener Verstoß der Zurückweisung der Revision nicht entgegenstehen soll. Mit anderen Worten, die bloß unrichtige Begründung des Berufungsurteils soll keinen Revisionsgrund ab­ geben, sofern das Urteil selbst sich anderweit rechtfertigt. Für diese Folge ist natur­ gemäß in den Fällen absoluter Nichtigkeit (§ 551) kein Raum (vgl. RG. 1 S. 437, 2 S. 429, 3 S. 92, 108, 384, 427, 429, 4 S. 404, 5 S. 175, 415 (Verwerfung der Berufung aus § 536 statt aus § 535], 6 S. 206, 9 S. 216, 388, 18 S. 27, 182, 380, 400, 20 S. 354, 22 S. 119, 24 S. 118, Gruchot 33 S. 1133).

§§ 564, 565. Vornote.

Begründete Revision.

Bei begründeter Revision macht sich eine zwiefache Entscheidung erforderlich: die Aufhebung des 2. Urteils und ein anderweites Urteil. Der erstere Teil der revisionsrichterlichen Tätigkeit ist in § 564, der letztere in § 565 geregelt. Die Trennung war geboten, weil bei der auf Nachprüfung im Rechtspunkt beschränkten Natur der Revision die negative Seite in allen Fällen, die positive Seite nur unter Umständen vom Revisionsgericht erledigt werden kann. Grundsätzlich freilich ist beides nur als Ein Verfahren gedacht (vgl. Begr. 325).

Zweiter Abschnitt. Revision § 565.

489

8 565. (528.) Lm Falle Ler Aufhebung des Urteils ist die Lache ptr anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht ;uröckpwerweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderm Senat des Be­ rufungsgerichts erfolgen. Das Gernfungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, welche der Aufhebung pt Grunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung px Grunde jn legen. Das Uevistonsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden: 1. wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei An­ wendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist; 2. wenn die Aufhebung des Urteils wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs erfolgt. Gommt in den Fällen der Ur. 1 und 2 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 549 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Lache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Lerufungsgericht znrückverwiesen werden. § 564. I. Ein gesetzwidriges Berusungsurteil ist formell aufzuheben. Der Umfang der Aushebung hängt von dem Umfange der Revisionsanträge und der Gesetzesver­ letzung ab. Dieselbe kann, sofern es nach Lage der Sache tunlich ist (vgl. RG. 13 S. 406), auf einen Teil des Berufungsurteils, in Hauptsache oder Kostenpunkt, be­ schränkt werden. Die dem 2. Urteile voraufgegangenen und die darin enthaltenen Entscheidungen über selbständige Angriffs- oder Berteidigungsmittel (§ 512) unter­ liegen der Aufhebung nur insoweit, als sie selbst auf Gesetzesverletzung beruhen und in ursächlichem Zusammenhänge mit der eigentlichen Entscheidung stehen. Betrifft die Gesetzesverletzung einen Mangel des Berufungsverfahrens (§ 554 Nr. 2), so ist dasselbe, soweit mangelhaft, mitaufzuheben (vgl. § 539). n. Das Urteil und Verfahren 1. Instanz ist nach § 564 an sich nicht Gegen­ stand der Aufhebung. Wenn aber demselben eine Gesetzesverletzung anhaftet und es gleichwohl von der 2. Instanz nicht aufgehoben ist, so macht diese sich die Gesetzesver­ letzung zu eigen, und das Revisionsgericht kommt in die Lage, neben dem Urteil bzw. Verfahren 2. Instanz (§ 564) zugleich gemäß §§ 564, 538, 539 ein solches 1. Instanz aufzuheben, die Sache selbst anderweit zu entscheiden oder an Stelle des Berufungs­ gerichts in die 1. Instanz zurückzuverweisen.

§ 565. Behufs anderweiter Entscheidung an Stelle der aufgehobenen kann das Revisions« geeicht I. entweder die Sache an das Berufungsgericht zurückverweisen (Abs. 1, 2), II. oder darin selbst entscheiden (Abs. 3, 4). Der Weg zu II ist als der regelgemäße, der zu I nur als unvermeidliche Kon­ sequenz solcher Fälle gedacht, wo das Revisionsgericht in der Tatfeststellung des Border­ richters keine genügende Grundlage für eine anderweite Entscheidung findet und zu deren Ergänzung sich selbst wegen Beschränkung der Revision auf den Rechtspunkt außerstande sieht (vgl. Begr. 325).

Aufhebung des «.Urteil«. Bceo.urin

«bs. i.

r.

Anderweire EntWeitung.

Zurück.

Verweisung.

Neuver-

2.'Instanz,

Abs.

2.

Abs. 1, 2. j Die Zurückverweisung hat, wie sich aus Abs. 3 ergibt, zu erfolgen, wenn das Revisionsgericht nicht selbst in der Sache zu entscheiden, d. h. auf Grund der von der 2. Instanz fehlerfrei festgestellten Tatsachen und unter Anwendung etwaiger irre­ visibler Rechtsnormen eine richtige Entscheidung noch nicht abzugeben vermag. Die Zurückverweisung hat allemal an dasselbe Berufungsgericht zu ge­ schehen; wohl aber ist von der Nov. v. 98, mit Rücksicht auf die mehrfach hervorgetretene Neigung der 2. Instanz, reprobierte Beurteilungen ihrerseits doch wieder zur Geltung zu bringen, die Zurückweisung an einen anderen Senat zugelassen (vgl. KommissBer. S. 147). Ein einzelner Richter dieses anderen Senats kann nicht wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Grunde abgelehnt werden, weil er bei der aufgehobenen Entscheidung als Mitglied des früher zuständig gewesenen Senates mitgewirkt hat (vgl. RG. 53 S. 4). II. Durch die Aufhebung des 2. Urteils wird die Sache in die Rechtslage vor Erlasiung desselben und durch die Zurückverweisung zu anderweiterBerhandlung und Entscheidung vor dem Berufungsgericht gebracht. Dieses Neuverfahren unter­ liegt denselben Vorschriften, wie das frühere. 1 . Die Neuverhandlung bleibt dem Betriebe der am Fortgang der Sache interessierten Partei mittels Ladung des Gegners überlassen. In der Verhandlung ist, da der Tatbestand des früheren Berusungsurteils als solcher beseitigt ist, der Sachund Streitstand neu vorzutragen, und dabei können die Parteien innerhalb der sonst zulässigen Schranken jieue Anträge stellen, neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen, eine neue Anschlußberufung erklären, auch ein neues Versäumnisurteil be­ antragen, ohne Rücksicht darauf, ob dadurch der frühere Revisionskläger gegen das frühere Berufungsurteil ungünstiger gestellt wird (vgl. RG. 12 S. 408, 26 S. 411, Gruchot 29 S. 1122, 34 S. 755, IW. 89 S. 514, 90 S. 372, 91 S- 8). 2 a) Für die Neuentscheidung kommt die frühere tatsächliche und rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts nicht mehr in Betracht, selbst insoweit nicht, als dessen Ausführungen vom Revisionsgericht nicht beanstandet sind. Eine relative Rechtskraft des aufgehobenen Urteils greift also nicht Platz. Dagegen ist nach Abs. 2 das Berufungsgericht an die der Aufhebung zugrunde liegende rechtliche Be­ urteilung des Revisionsgerichts gebunden. Damit ist dem Revisionsurteile in ge­ wissem Maße die Bedeutung einer Selbstentscheidung beigelegt. Das Berufungsgericht hat die volle Konsequenz der rechtlichen Würdigung, mittels deren der Revisionsrichter zur Aufhebung des früheren Urteils gelangt ist, zu ziehen. Beachtet es dies nicht, so ist seine neue Entscheidung abermaliger Aufhebung wegen Verletzung des § 565 ausgesetzt (vgl. RG. Gruchot 28 S. 1121, IW. 95 S. 327, 96 S. 433, 03 S. 123 [§§ 270, 523?]). Der Ausdruck rechtliche Beurteilung soll vermöge seiner allgemeinen Fassung einer einschränkenden Auslegung der Bindung vorbeugen (Begr. 326). Er umfaßt daher die Entscheidung nicht nur über Bestehen und Inhalt abstrakter Rechtsnormen, sondern auch über konkrete Angriffs- und Verteidigungsmittel, mag es sich um Anwendung materieller oder prozessualer Rechtsnormen handeln. Doch kommen allemal nur für die Aufhebung des Berufungsurteils kausale, nicht bloß nebenhergehende Rechtsausführungen, und erst recht nicht tatsächliche Erwägungen in Betracht (vgl. RG. 4 S. 375, 6 S. 371, 7 S. 389, IW. 87 S. 228, 97 S. 81). Daß das Revisionsgericht seinen rechtlichen Standpunkt inzwischen in anderen Prozessen geändert hat, ändert an der Bindung des Berufungsrichters nichts, wie denn der Revisionsrichter bei erneuter Revision auch selbst gebunden bleibt (vgl. RG. Gruchot 34 S. 1166, RG. 58 S. 289). — Daneben kann sich eine Bindung für die 2. Instanz nur noch aus früheren Zwischennrteilen derselben, die von der Aufhebung nicht mitbetroffen worden, gemäß §§ 318, 523 ergeben. Auch muß das Berufungs­ gericht bei seiner früheren Entscheidung, daß eine Klageänderung nicht stattgefunden

habe, verbleiben, weil die Zurückverweisung zur Entscheidung auf die angeblich geänderte Klage erfolgt ist (RG. 53 S. 362). Im übrigen hat das Berufungsgericht freie Hand. Namentlich steht es in seinem Ermessen, eine frühere Beweisaufnahme, die nicht mitaufgehoben ist, bestehen zu lassen oder zu wiederholen. Die Vorschriften der §§ 525 ff. gelangen zu abermaliger Anwendung (vgl. RG. 6 S. 348, 374).

b) Der Kostenpunkt fällt in Ansehung der Borinstanzen mit der Aufhebung des Berufungsurteils zur Hauptsache von selbst der anderweiten Entscheidung des Be­ rufungsgerichts zu. In Ansehung der Revisionsinstanz enthält das Gesetz keine besondere Bestimmung. In der RIK. war man einig, daß die Entscheidung darüber von dem endlichen Ansgange des Prozeffes abhängig zu machen, also vorzubehalten sei; und wenn eine entsprechende Bestimmung abgelehnt wurde, so geschah es nur auf die Bemerkung der Regierungsvertreter hin, daß der Zweck des Antrages schon durch § 97 erreicht werde (Prot. 270). Diese Bemerkung dürfte allerdings bedenklich sein; denn eine Separation der Revisionskosten im Sinne des § 97 würde nur bei Erfolg­ losigkeit des Rechtsmittels sich rechtfertigen Sonach bleibt in der Tat nur übrig, die Entscheidung über die Revisionskosten durch Neuentscheidung des Berufungsgerichts über die Gesamtkosten des Prozesses gemäß §§ 91 ff. vorzubehalten. Dem steht der § 308 nicht entgegen. Wird zum Teile die Revision zurückgcwiesen, zum Teile die Sache an die Borinstanz zurückverwiesen, so können die Revisionskosten auch zu ent­ sprechenden Teilen dem Revisionskläger auferlegt, bzw. der Endentscheidung Vorbehalten werden. Dies steht mit der Praxis des RG. in Einklang. Im Kosteninteresse bildet übrigens das Neuvcrfahren mit dem früheren mir Eine Instanz (GKG. § 31, RAGebO. § 26).

Abs. 3, 4. Selbst. I. Eine Verpflichtung des Revisionsrichters, selbst in der Sache zu tnhc”*,d,elbu,iescheiden, ist für die Fälle des Abs. 3 vorgeschrieben, aber mit einer Abschwächung in Abs. 4. Soweit demzufolge neben der Aufhebung des Berufungsurteils die Selbst­ entscheidung des Revisionsgerichts erfolgt, bildet das Verfahren in beiderlei Beziehung eine Einheit, so daß über beides in Einem Urteile zu entscheiden ist. Für die Selbstentscheidung ist leitender Grundsatz, daß der Revisionsrichter an Stelle des Berusungsrichters so erkennt, wie letzterer von Rechts wegen zu ent­ scheiden gehabt hätte (vgl. RG. 5 S. 94). Es kann eine teilweise Zurückverweisung und eine teilweise Selbstentschcidung in Frage konimen; doch ist hierbei allemal Vor­ aussetzung, daß die Teile nicht in unzertrennlichem Zusammenhänge stehen.

II.

Die Selbstentscheidnng ist in zwei Fällen obligatorisch:

a) nach Nr. 1, wenn die Aushebung nur wegen eines Verstoßes bei Anwendung des Gesetzes auf das sestgestellte Sachverhältnis geschehen und nach diesem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Es muß also eine Verletzung materieller Rechts­ normen im Sinne des § 554 Nr. 1 vorliegen. Ist die Aufhebung durch eine Ge­ setzesverletzung im Verfahren oder bei der Tatfeststellung (§ 554 Nr. 2, 3) mitver­ anlaßt, so hat die Zurückverweisung stattzufinden. Für die Frage, ob die Sache entscheidungsreif, bleibt der unangetastete Tatbestand des Berufungsurteils maßgebend. Dabei hat das Gesetz ein unbedingtes Endurteil im Auge; denn andernfalls würde der Revisionsrichter mit Beweisaufnahme und Beweiswürdigung befaßt, die ihm grundsätzlich verschlossen sind. Hieraus folgt, daß der Revisionsrichter, außer behufs Feststellung der Zulässigkeit der Revision (§ 566) ober von Tatsachen im Sinne des § 544 Nr. 2, 3, nicht befugt ist, eine Tatfeststellung zu treffen, eine Beweisaufnahme oder Beweiswürdigung vorzunehmen, eine vom Bcrufungsrichter erkannte Eidesauslage (abgesehen von der Überzeugungs­ formel, vgl. RG. IW. 96 S. 248) abzuändern oder solche selbst zu erkennen (vgl. RG. 3 S. 432 und Gmchot 29 S. 1117).

Abi.s.

492

Rechtsmittel § 566.

III. Buch.

K 566. (529.) Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnisurteile, über die Verrichtleistung auf das Rechts­ mittel und die Zurücknahme desselben, über die Vertagung der mündlichen Ver­ handlung, über die Verhandlung proreßhindernder Einreden, über Len Vortrag der Parteien bei der mündlichen Verhandlung und über die Einfordemng und Zurücksendung der Proreßakten finden auf die Revifion entsprechende Anwendung.

a»f.4.

Anwendung gcrotfltt

*nonnen’’

Die Endentscheidung zur Sache betrifft den in die Revision gebrachten Be­ rufungsgegenstand ; also nicht notwendig den materiellen Klageanspruch, vielmehr unter Umständen nur einen Präjudizialpunkt, z. B. eine Prozeßvoraussetzung. Deshalb hat das Revisionsgericht, falls es die Berufung für unzulässig hält, sich auf Verwerfung derselben (§ 535) zu beschränken, in den Fällen der §§ 538, 539 unter Entscheidung des bezüglichen Präjudizialpunktes die Sache zu weiterer Verhandlung und Ent­ scheidung in die 1. Instanz zurückzuverweisen (RG. 2 S. 399, 5 S. 94, 23 S. 429). Entscheidungsreif ist die Sache, soweit nicht (Abs. 1) eine anderweite Ver­ handlung erforderlich, d. h. Tatsachen, welche der Berufungsrichter als unerheblich bei­ seite gelaffen hat, das Revisionsgericht aber für erheblich erachtet, noch zu erörtern, insbesondere zur Beweisaufnahme zu stellen sind. Die Konsequenz hiervon ist, daß, wo erhebliche Tatsachen noch festzustellen bleiben, die Zuriickweisung in die 2. Instanz allemal ausgesprochen werden muß. b) nach Nr. 2, wenn das 2. Urteil wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges aufzuheben ist, gleichviel, ob diese Einreden vom Berufungsgericht verworfen oder nicht erörtert sind. Die Sache ist dann naturgemäß zur Klageabweisung reif, und für die Zurückverweisung bleibt kein Raum. m. In den Fällen des Abs. 3 sieht Abs. 4 eine fakultative Zurückver­ weisung vor, wenn für die Sachentscheidung nichtrevisibles Gesetz in Frage kommt, insbesondere, wenn das Berufungsgericht Reichsrecht angewendet hat, das Revisionsgericht diese Anwendung verwirst, aber noch eine weitere Prüfung nach nicht­ revisiblem Recht offen läßt. In solchen Fällen müßte eigentlich die Zurückverweisung allemal erfolgen. Dies wollte auch der Entwurf; indes der aus der RIK. hervor­ gegangene Abs. 4 bestimmt nur eine fakultative Zurückverweisung in der Erwägung, daß häufig auch der Revisionsrichter nichtrevisibles Recht unschwer anzuwenden in der Lage sein werde, wodurch den Parteien unnütze Kosten erspart würden (Prot. 271). Danach wird eine Zurückverweisung wesentlich Wohl nur da angezeigt sein, wo be­ strittene oder zweifelhafte Normen des nichtrevisiblen Rechts in Frage stehen (vgl. RG. 12 S. 239, 25 S. 26).

8 566.

°

ouf Verhandlung und Entscheidung gerichtete Verfahren in der Revisions­ instanz ist nach § 557 grundsätzlich dem Verfahren der 1. Instanz angepaßt. Indes sollen nach § 566 auf verschiedene Akte die entsprechenden Vorschriften der 2. Instanz Anwendung finden. Hier macht sich die Eigennatur der Rechts­ mittel geltend. n. Die einzelnen Vorschriften sind folgende: a) über Anfechtbarkeit der Bersäumnisurteile 2. Instanz (§§ 513, 521 Abs. 2; vgl. dazu RG. 10 ,S. 403 und IW. 86 S. 115). Wegen des Bersäumnisverfahrens in der Revisionsinstanz vgl. die Note zu § 557. b) über Verzicht und Zurücknahme der Berufung (§§ 514, 515, 522 Abs. 1; vgl. RG. 5 S. 384, 6 S,, 364 und IW. 88 S. 97). Doch sind hierbei die durch Nov. v. 05 eingeführten Änderungen der Revision zu berücksichtigen, welche

Dritter Abschnitt.

Beschwerde. § 567. (530.) Das Rechtsmittel der Deschwerde findet in den in diesem Gesetze besonders hervorgehobenen Fällen und gegen solche eine vorgängige mündliche Verhandlung nicht erfordernde Entscheidungen statt, Lurch welche ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen ist. Gegen die in betreff Ler proseßkosten erlassenen Entscheidungen der Ober­ landesgerichte ist eine Leschwerde nicht zulässig. dahin führen, daß, wenn ein einzelner Revisionsantrag nach erfolgter TerminSbestimmung zurückgenommen ist, auf Antrag des Gegners gemäß §§ 515, 566 auf Berlustigerklärung zu erkennen ist (vgl. IW. 09 S. 319, RG. 71 S. 16). c) über Vertagung der mündl. Verhandlung (§ 524), d) über Verhandlung prozeßhindernder Einreden und Prüfung der Zuständigkeit des Gerichts (§ 528), e) über Parteivortrag in der Verhandlung (§ 526), f) über Einforderung und Rücksendung der Prozeßakten (§ 544, vgl. RG. IW. 89 S. 245). UI. Die Vorschrift (§ 543) über Bezugnahme auf den vorinstanzlichen Tat­ bestand ist nicht erwähnt. Dies beruht wohl darauf, daß das RevifionSgericht kraft Gesetzes grundsätzlich an den Tatbestand des Berufungsurteils gebunden ist (§ 561).

3. Abschnitt. Beschwerde. Barazetti, Berufung und Beschwerde S. 192; v. Kries, Rechtsmittel S. 376.

I. Die Rechtsmittel der Berufung und Revision finden zur Korrektur von Sachentscheidungen statt, die unter den Prozeßparteien auf Grund mündlicher Verhandlung und in Form des Endurteils ergangen find. Außer ihnen wird in Abschn. 3 noch die Beschwerde gewährt, als Rechtsmittel gegen solche Entscheidungen, die teils unter den Parteien, teils zwischen Parteien und Dritten (Nebenintervenienten, gegnerischem Anwalt, Auskunftspersonen), über Zwischen- und Neben streit­ punkte im Verfahren bis zur Erlassung und behufs Vollstreckung des Urteils er­ gangen sind (vgl. Begr. 39, 328). II. Dementsprechend ist das Verfahren in der Beschwerdeinstanz ein ver­ einfachtes, indem einerseits die Erhebung erleichtert (§. 569) und regelmäßig nur mit Devolutivwirkung, nicht auch mit Suspensivwirkung ausgestattet ist (§§ 568, 572), andrerseits die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgen kann (§ 573). ID. Geformt ist die Beschwerde als einfache und als sofortige (§ 577). Die letztere betrifft solche Zwischenpunkte, die eine alsbaldige endgültige Entscheidung behufs Fortganges der Sache erheischen, und ist deshalb zur formellen Rechtskraft der Entscheidung befähigt.

IV. Für das Verhältnis der Beschwerde zu den anderen Rechts­ mitteln kommt noch folgendes in Betracht. Erstere ist von den letzteren unabhängig. Schon ihre bloße Zulässigkeit sührt den Ausschluß der Berufung oder Revision herbei, gleichviel, ob sie tatsächlich erhoben wird oder nicht (§§ 512, 548). Sie wird auch nicht dadurch bedingt, daß die Anfechtung des ergehenden Endurteils mittels Berufung oder Revision zulässig ist (§ 568 Abs. 2). Danach findet sie im Amtsgerichtsprojeß

Bornote.

494

III. Buch.

Rechtsmittel § 567.

auch gegen Entscheidungen der Landgerichte, im Landgerichtsprozeß auch gegen Ent­ scheidungen der Oberlandesgerichte in nichtrevisiblen Sachen (§ 546) statt.

Zulälsiakeit der Be­ schwerde.

Gruppen.

Erste Gruppe.

§ 567. A. Abs 1 I. Der § 567 sieht zwei Gruppen der Beschwerde vor. Die erste enthält die im Gesetze besonders bestimmten Fälle; die zweite betrifft Entscheidungen, wodurch ein der mündl. Verhandlung nicht unterliegendes Prozedurgesuch zurückgewiesen ist. Es ergibt sich hieraus, daß die bezüglichen Entscheidungen grundsätzlich in Gegen­ satz zu Endurteilen stehen, und daß es sich dabei hauptsächlich um Beschlüsse des Prozeßgerichts und Verfügungen eines Vorsitzenden oder Richterkommissars, vereinzelt auch um Zwischenurteile unter Parteien und Dritten handelt. II. Laut besonderer Vorschrift der ZPO. findet die Beschwerde statt: §§ 46, 49, 406 gegen Zurückweisung der Ablehnung eines Richters, Gerichtsschreibers oder Sachverständigen, nach § 71 gegen die Entscheidung eines Zwischenstreits zwischen Parteien und Nebenintervenienten, nach § 99 Abs. 2, 3 gegen gewisse Entscheidungen im Kostenpunkt, nach § 102 gegen Verurteilung gewisser Beamten und Vertreter zur Kosten­ tragung (nicht gegen Freisprechung derselben, vgl. RG. IW. 95 S. 184), nach § 104 Abs. 3 gegen die Entscheidung über Erinnerungen gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluß, nach § 107 Abs. 3 gegen die Entscheidung über Erinnerungen gegen die an­ läßlich einer Wertsentscheidung ergangene anderweite Kostenfestsetzung, nach § 109 gegen Entscheidungen über Rückgabe einer Sicherheitsleistung, nach § 127 gegen Versagung oder Entziehung des Armeurechts, nach § 135 gegen Verurteilung des gegnerischen Anwalts zur UrkundenRückgabe, nach § 252 gegen die Entscheidung über Aussetzung des Verfahrens, nach § 319 gegen Urteils-Berichtigung, nach § 336 gegen Zurückweisung des Antrags auf Erlaß des Versäumnis­ urteils, nach §§ 387, 380, 390, 402, 409 gegen Verurteilung von Zeugen oder Sachverständigen zur Leistung des Zeugnisses oder Gutachtens oder zu Strafe und Kosten, sowie gegen Zwangsanordnungen, nach § 619 gegen Straf- und Zwangsmaßregeln wider den Beklagten in Ehesachen, nach §§ 663, 680, 678 gegen gewisse Entscheidungen im EntmündigungsVerfahren, nach § 699 Abs. 2 gegen Zurückweisung des Antrags auf Erlaß des Voll­ streckungsbefehls in Mahnsachen, nach tz 656 gegen den Beschluß auf Unterbringung des zu Entmündigenden in einer Heilanstalt, nach § 793 gegen die vorgängiger mündlicher Verhandlung nicht bedürfen­ den Entscheidungen im Zwangsvollstreckungsverfahren, nach §§ 934, 936 gegen gewisse Aufhebungen von Arresten und einstweiligen Verfügungen, nach § 952 gegen Versagung des Ausschlußurteils in Aufgebotssachen. Diese Fälle betreffen meistens die sofortige Beschwerde. Sie richten sich zum Teil gegen zurückweisende Entscheidungen, zum Teil gegen stattgebende Entscheidungen

oder positive Anordnungen, zum Teil gegen Entscheidungen der einen oder anderen Art. Danach bestimmt sich das subjektive Beschwerderecht. in. Die zweite Gruppe hat folgende Voraussetzungen: a) Zunächst, daß durch die angefochtene Entscheidung ein Gesuch betreffend das Verfahren zurückgewiesen ist. Es handelt sich um prozessuale Parteianträge, die nicht unmittelbar die Sachentscheidung zur Hauptsache berühren (Begr. 329, vgl. RG. IW. 95 S. 166, Gruchot 41 S. 711 ^unzulässige Beschwerde gegen Bestimmung des Schwurpflichtigen durch Beschluß^); so namentlich Gesuche betreffs der Prozedur bis zum Urteil, wie nach §§ 37 (Bestimmung des zuständigen Gerichts), 204 (Be­ willigung der öffentlichen Zustellung), 216, 261 (Bestimmung eines Verhandlungs­ termin es), 225, 226 (Abkürzung oder Verlängerung von Fristen, vgl. RG. 15 S. 422, Gruchot 30 S. 1149), 335 (Vertagung der Verhandlung, vgl. RG. 23 S. 369, auch Zurückverlegung des Verhandlungstermins, RG. 55 S. 100), 299 Abs. 1 (Erteilung von Ausfertigungen aus Prozeßakten, vgl. RG Gruchot 34 S. 763, IW. 91 S. 297), 490 (Aufnahme des Beweises zum ewigen Gedächtnis), und ebenso Gesuche zur Vor­ bereitung der Zwangsvollstreckung, wie nach § 104 Abs. 3 (Kostenfestsetzung, vgl. RG. 6 S. 390), nach § 773 (vgl. RG. 31 S. 412) oder nach §§ 922, 936 (Arrest oder einstweilige Verfügung, vgl. RG. IW. 93 S. 348). Ist gesetzlich die Anordnung eines Verfahrens dem Ermessen des Gerichts überlassen, so gibt die Zurückweisung des Antrages, ein anderes Verfahren anzuwenden, kein Beschwerderecht (RG. 54 S. 348). b) Sodann, daß das Gesuch eine mündl. Verhandlung nicht erfordert. Gesuche, bei denen eine Verhandlung obligatorisch ist, sind ausgeschlossen; so z. B. Gesuche um Verbindung von Prozessen (§ 147, vgl. RG. 24 S. 367, 62 S. 209), um Fortsetzung der Verhandlung (im Gegensatz zur Vertagung, vgl. RG. 23 S. 369), um Erlassung eines End- oder Teilurtcils (vgl. RG. Gruchot 30 S. 1150), um Edition von Urkunden. Daß in Fällen fakultativer Verhandlung tatsächlich solche stattgefunden hat, ist ohne Belang (vgl. RG. 23 S. 369). c) Endlich, daß die Entscheidung nicht kraft besonderer Vorschrift un­ anfechtbar ist, wie in den Fällen der §§ 99 Abs. 1 (Kostenpunkt, vgl. RGPl. 10 S. 309), 157, 174, 225, 227 (Fristverlängerung), 270, 319, 355 Abs. 2 bzw. 479 (Bew.-Aufnahme im Ausland, vgl. RG. 46 S. 367), 707, 718, 719.

Zweite Gruppe.

B. Abs. 2. Durch die Nov. v. 05 ist die Beschwerde gegen Prozeßkosten-Entscheidungen der Oberlandesgerichte ausgeschlossen worden. Voraussetzung ist allemal, daß es sich sachlich um Prozeßkosten handelt; Fälle dieser Art können auch außerhalb der in den Mot. zur Nov. v. 98 bezeichneten §§ 99 Abs. 2, 3,105 Abs. 4 (jetzt 104 Abs. 3), 107 Abs. 3 vorkommen (vgl. RG. 47 S. 361, 49 S. 386, 64 S. 18 ^Unzulässigkeit der Be­ schwerde eines Armenanwalts, welcher verlangt, seiner Partei die Nachzahlung seiner Gebühren aufzuerlegen)). Die Voraussetzung trifft nicht zu bei den nach § 102 er­ gangenen Entscheidungen (RGPl. 64 S. 377). Ob die Entscheidungen in 1. oder 2. Instanz ergehen, ist im Gesetz nicht unterschieden (vgl. Mot.). Wenn beide Teile gegen eine Entscheidung Beschwerde einlegen, findet eine Zusammenrechnung der Be­ schwerdesummen nicht statt (vgl. RG. 51 S. 173). Nach § 16 Abs. 2 GKG. gilt die Bestimmung des Abs. 2 auch für die Fest­ setzung des Wertes des Streitgegenstandes (RG. 61 S. 417, IW. 05 S. 730). C. Beschwerde nach anderen Reichsgesetzen.

Die Beschwerde gemäß ZPO. ist reichsgesetzlich auf verschiedene anderweite Ver­ fahren übertragen. Dies gilt insbesondere nach §§ 60, 73 BGB. für das Verfahren bei Eintragung von Vereinen und bei Entziehung der Rechtsfähigkeit derselben,

Außerhalb der ZPO.

III. Buch.

496

8 568.

(531.)

Rechtsmittel § 568.

Über die Beschwerde entscheidet das im Änstaryenzuge zu­

nächst höhere Gericht. Gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist, soweit nicht in derselben ein neuer selbständiger Beschwerdegrund enthalten ist, eine weitere Beschwerde nicht zulässig.

Entscheidungen der Landgerichte in betreff der prozeßkosten unterliegen einer weiteren Beschwerde nur, wenn die Beschwerdesumme den Betrag von fünfzig Mark übersteigt. Gegen die Entscheidungen -er Oberlandesgerichte findet eine weitere Be­ schwerde nicht statt. nach §§ 73 Abs. 3, 189 KO. für das Konkursverfahren, für das Kostenverfahren nach §§ 4, 16, 17, 47, 48 GKG., nach § 22 GerVollzGebO., nach § 17 GO. für Zeugen, nach §§ 35, 36 RAO., nach 8 12 RAGebO, nach § 175 GVG. für die Öffentlichkeit des Verfahrens, nach 88 80, 112, 114 GenG, für das Verfahren bei Auflösung und im Konkurse von Genoffenschaften, nach 8 55 G. v. 29. 9. 01 für das Verfahren in Gewerbestreitigkeiten, nach 88 71—81, 100—102 GrVO. für das Verfahren in Grundbuchsachen, nach 88 18—30, 57—64, 68, 70, 76, 77, 80-82, 84, 96, 99, 122-124, 126, 132, 139, 141—143, 146, 148, 160, 195, 199 G. v. 20. 5. 98 für das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, nach 88 95 ff., 146, 162, 172 Zwangsversteig.- und -Verwalt.-G. für das be­ zügliche Verfahren. In den zur Zuständigkeit der K.onsuln und der für die Schutzgebiete be­ stellten Gerichte gehörigen Sachen findet die Beschwerde nur statt, wenn der Beschwerdegegenstand mehr als 300 Mk. beträgt (G. v. 7. 4. 00 8 43, G. v. 17. 4. 86 8 2).

§ 568.

Beschwerde-

Abs. 1. Die Beschwerde geht gleich den übrigen Rechtsmitteln an das nächst höhere ,erH-

stand,

558

VI. Buch.

Ehesachen § 644.

Entmündigung-fachen § 645.

§ 644. Die Vorschriften der 88 640 bis 643 gelten nicht für einen Rechts­ streit, der die Feststellung -es Gestehens oder Nil!)tbestehens der unehelichen Vaterschaft ptm Gegenstände hat.

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen. § 645. (593.) Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche erfolgt durch Geschluß des Amtsgerichts. Der Geschlust wird nur auf Antrag erlassen.

§ 643.

Wirllamkeit der Urteile.

Nach § 325 sind rechtskräftige Urteile gegenüber Dritten, die nicht Rechtsnach­ folger einer Partei sind, ohne Wirkung. Von dieser Regel sieht § 643 Satz 1 für Urteile, die gemäß §§ 640, 641 bei Lebzeiten der Parteien rechtskräftig ergangen sind, eine Ausnahme vor, die dem für Ehesachen geltenden § 629 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 entspricht, indem mit Rücksicht darauf, daß das öffentliche In­ teresse auf einheitliche Feststellung des bezüglichen Rechtsverhältnisses geht, grundsätzlich obige Urteile für und gegen alle wirken sollen. Nach Satz 1 ist jedoch (wie nach § 629 Abs. 1 Satz 2) eine Einschränkung sür den Fall gemacht, daß im Urteile das Bestehen des Kindschafts- oder Gewoltsverhältnisics bejaht wird: alsdann soll das Urteil gegen einen Dritten, der für sich selbst das Eltern- oder Gewaltverhältnis beansprucht, nur unter der Voraussetzung wirken, daß er an dem abgeurteilten Pro­ zesse teilgenommen hat.

§ 644

Uneheliche Bateelch-st.

Nach § 644 sollen die §§ 640—643 keine Anwendung auf Prozesse finden, in denen cs sich um Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der unehelichen Vaterschaft handelt. Diese Vorschrift beruht darauf, daß, wenn auch das BGB. an die uneheliche Vaterschaft gewisse Wirkungen, wie das Eheverbot (§ 1310 Abs. 3), die Unterhaltspflicht (§ 1708), die Legitimation durch nachfolgende Ehe oder Ehe­ lichkeitserklärung (§§ 1719,1723), knüpft, doch nach der Novelle zur ZPO. darin kein ge­ nügender Anlaß liegt, eine Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer solchen Vaterschaft mit Wirkung für und gegen alle zu ermöglichen (vgl. Mot. zu § 592 e).

3. Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen.

Birkmeyer Busch 7 S. 198; Daube, das Entmündigungsverfahren (2. Aufl. 1899); Kohler, Prozeßrecht!. Forschungen S. 108; Utting Blatt, f. NAnwendung 52 S. 17 ff., 53 S. 49ff., 54 S. 161 ff.; Friedländer Busch 22 S. 79; Levis, Entmündigung (1901). Kornett.

I. Bisheriges Recht. Schon nach bisherigem bürgerlichen Rechte wurden gewiffePersonen, deren geistiger oder sittlicher Zustand ihnen die selbständige, ordnungsmäßige Besorgung ihrer Lebensverhältnisse unmöglich machte, in ihrem eigenen wie im öffentlichen Interesse den für solchen Fall angemessenen Rechtsfolgen, namentlich der vollen oder teilweisen Handlungsunfähigkeit und der Bevormundung in Gestalt der Ent­ mündigung (Jnterdiktion) unterworfen. Vgl. für das gemeine Recht die Aus­ führung RG. 14 S. 248, für das PrALR. die §§ 27—31, I, 1, §§ 23—27, I, 4

und §§ 14—17, I, 5 (dazu RG. Gruchot 33 S. 918 und IW. 92 S. 239, 96 S. 273). Für das Verfahren zwecks der Entmündigung schlugen die Landesgesetze verschiedene Wege ein. Das gemeine und zahlreiche andere Rechte gestalteten das Verfahren als Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit, der meist der Amtsfürsorge des Bormundschaftsrichters übertragen war; das preußische (AGO. I, 38), das rheinisch­ französische und das Württembergische Recht erforderten ein prozeffuales Verfahren. Die Entwürfe zur ZPO. hatten sich dem letzteren Verfahren angeschloffen. Im Schoße der RIK. wurde jedoch eine Mischung beider Systeme beliebt (vgl. Prot. 300 ff., 451 ff., 560), in der Erwägung, daß für die Mehrzahl der Entmündignngsfälle ein auf Einfachheit, Schonung der persönlichen und Familienverhältniffe und Kostenersparnis beruhendes Verfahren genüge, und nur für die selteneren Fälle, in denen das Ergebnis dieses Verfahrens von dem Entmündigten oder von sonstigen Beteiligten angefochten werde, der Schutz eines geordneten Prozeßverfahrens offen zu halten sei. Dieses gemischte System ist, wie der Abschnitt 3 ergibt, zum Gesetz geworden. Es erfolgt danach die Entmündigung, wie ihre Wiederaufhebung auf Grund eines Amtsverfahrens durch amtsgerichtlichen Beschluß. Der die erstere aus­ sprechende und der die letztere versagende Beschluß können aber mittels Klage vor dem Landgericht angefochten werden. Die materiellrechtlichen Vorschriften der Landes­ gesetze über Geisteskranke und Verschwender blieben (vgl. Begr. 370) unberührt; und dies galt insbesondere für die Vorschriften, wonach Geisteskranke provisorisch zur Heilung oder Unschädlichmachung in einer Irrenanstalt unterzubringen, stumpfsinnige Personen, geistesschwache, abnorm entwickelte «sw., unter Vormundschaft oder Pfleg­ schaft zu stellen, unter Umständen im Jnterdiktionsprozeß auf bloße Beschränkung der Handlungsfähigkeit mittels Zuziehung eines Beistandes zu erkennen (vgl. Code civ. Art. 499 ff., EGzZPO. § 10), endlich Geisteskranke auch ohne förmliche Entmündigung als handlungsunfähig oder trotz der Entmündigung als teilweise handlungsfähig an­ zusehen (vgl. 1, 6 Cod. de cur. für. (5, 70); PrALR. I, 1 §§ 29 ff., I, 4 §§20ff., I, 12 §§ 20ff., 27ff.; Cod. civ. Art. 503—509; BayLR. I, 7 § 37-; SächsBGB. §§ 1984, 2069, 2210). II. Recht der Nov. v. 98. Die Novelle zur ZPO. hat erhebliche Änderungen an dem bisherigen Ent­ mündigungsverfahren vorgenommen. Dieselben hängen (vgl. Mot. zu §§ 593—627) zum großen Teile mit dem BGB. zusammen. Hier galt es zunächst, die neuen Ent­ mündigungsgründe, die § 6 BGB. den bisherigen Gründen der Geisteskrank­ heit und der Verschwendung hinzugesügt hat, nämlich die Geistesschwäche und die Trunksucht, in das Verfahren einzusügen; sodann war dieses den neuen familienrechtlichen Vorschriften des BGB. anzupaffen. Daneben hat eine Reihe von Mißständen, die sich bisher bei Anwendung von Einzelnbestimmungen herausgestellt haben, beseitigt, insbesondere dem Verfahren zwecks Entmündigung wegen Geistes­ krankheit ein größerer Schutz gegen fehlerhafte Ermittlung gegeben werden sollen. 88

645—679.

Entmündigung wegen Geisteskrankheit und Geistesschwäche.

Die erste Gruppe der Entmündigungsgründe bilden nach der Faffung, die § 645 Vornole. auf Grundlage des § 6 Nr. 1 BGB. erhalten hat, Geisteskrankheit und Geistes­ schwäche einer Person, welche diese unfähig machen, ihre Angelegenheiten zu besorgen. Das Verfahren wegen dieser Gründe ist im allgemeinen gleich gestaltet und weist nur in den 88 660, 661, 664 einzelne Verschiedenheiten auf. Voraussetzung ist allemal, daß es sich um eine förmliche Entmündigung, also um eine gerichtliche Konstatierung der Geisteskrankheit oder Geistesschwäche behufs

VI. Buch.

560

Ehesachen.

Entmündigungssachen § 646.

§ 646. (595.) Der Antrag kann von dem Ehegatten, einem Verwandten oder demjenigen gesetzlichen Vertreter des ;n Entmündigenden gestellt werden, welchem die Zorge für die Person ;usteht. Gegen eine Person, die unter elter­ licher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, kann der Antrag von einem Verwandten nicht gestellt werden. Gegen eine Ehefrau kann -er Antrag von einem Verwandten nur gestellt werden, wenn auf Aufhebung -er ehelichen Gemeinschaft erkannt ist oder wenn der Ehemann die Ehefrau verlassen hat, oder wenn der Ehemann ?nr Stellung des Antrags dauernd außer Stande oder sein Aufenthalt danernd unbekannt ist. In allen Fällen ist auch der Staatsanwalt bei dem vorgesetzten Landgerichte ;ur Stellung des Antrags befugt. Herbeiführung der an diese Zustände geknüpften Beschränkungen der Rechtspersönlich­ keit handelt. Die innerhalb eines sonstigen Zivilprozesses für dessen Entscheidung etwa erhebliche Feststellung des Geisteszustandes einer Person, so namentlich zur Er­ mittlung der Prozeßfähigkeit oder Handlungsfähigkeit, bleibt davon unberührt (vgl. RG. 16 S. 234, 30 S. 187 und IW. 95 S. 378). Entsprechend seinem wesentlich öffentlichrechtlichen Zwecke ist das Verfahren in erster Stufe als Amtsverfahren geregelt, wenn es auch nur auf Antrag ein­ geleitet wird.

§ 645.

Antrag.

Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistesschwäche erfolgt nur auf Antrag und durch amtsgerichtlichen Beschluß. Eine Entmündigung von Amts wegen, vor einer anderen Behörde oder in kontradiktorischer Gestalt ist danach rechtsunwirksam. Die Zuläisigkeit der Zurücknahme des Antrages wird in §§ 115, 1908 BGB. vorausgesetzt. Antrags­ befugter.

§ 646. Abs. 1. Die antragsberechtigten Privatpersonen gehören den Kreisen der Ehe, der Verwandten und der gesetzlichen Vertreter an. 1. Der Satz 1 stellt als berechtigt nebeneinander den Ehegatten, die Ver­ wandten (BGB. § 1589) ohne Unterschied des Grades, den gesetzlichen Ver­ treter (früher hieß es Vormund) des zu Entmündigenden, letzteren insoweit, als ihm die Sorge für dessen Person zusteht. Gesetzliche Vertreter können nach dem BGB. die Eltern als Inhaber der elterlichen Gewalt (§§ 1626—1698), der Vormund und der Pfleger (§§ 1773—1921) sein. Daß dem gesetzlichen Vertreter die Sorge für die Person zustehen soll (vgl. BGB. §§ 1627, 1686, 1793, 1915 ff.), erklärt sich daraus, daß die Entmündigung vornehmlich die Person des zu Entmündigenden trifft (vgl. Mot. § 595). 2. Durch Satz 2 ist gegenüber früheren Zweifeln klargestellt (vgl. Mot. zu § 595), daß in bezug auf die unter elterlicher Gewalt oder unter Vormund­ schaft stehenden Personen ein Antragsrecht der Verwandten nicht stattfindet. Demnach kommt dasselbe gegenüber einer unter elterlicher Gewalt oder unter Vor­ mundschaft stehenden Ehefrau nur dem Ehemann und dem gesetzlichen Vertreter zu; und dasselbe gilt betreffs eines in gleicher Rechtslage befindlichen Ehemanns von der Ehefrau und dem gesetzlichen Vertreter. Damit hat die Novelle sich den Vorschriften des BGB. in §§ 1627, 1631 — 1633, 1800, 1897, bzw. §§ 1418 Nr. 3, 4, 1542 Abs. 1) angeschlossen (vgl. Mot. zu § 594).

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen §§ 647, 648.

561

§ 647. (596.) Drr Antrag kann bei dem Gerichte schriftlich eingereicht oder pim Protokolle des Gerichtsschreibers angebracht werden. Cr soll eine Angabe der ihn begründenden Tatsachen und die Le^eichnung der Leweismittel enthalten. § 648. (594.) Für die Einleitung des Verfahrens ist das Amtsgericht, bei welchem der pi Entmündigende seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, ansschließlich zuständig. Gegen einen Deutschen, welcher im Znlande keinen allgemeinen Gerichts­ stand hat, kann der Airtrag bei dem Amtsgerichte gestellt werden, in dessen Leprke der ;u Entmündigende den letzten Wohnsitz im Lnlande hatte; in Er­ mangelung eines solchen Wohnsitzes finden die Vorschriften des § 15 Abs. 1 Sah 2, 3 entsprechende Anwendung. 3. Der Satz 3 legt in bezug auf Ehefrauen, die nicht unter elterlicher Ge­ walt oder unter Vormund stehen, die Antragsbefugnis auS praktischen Gründen den Verwandten insoweit bei, als die von ihm bezeichneten Fälle, wo die Frau der Sorge des Ehemannes ermangelt, vorliegen (vgl. Mot. a. a. £).). Infolge dieser Vorschrift ist der alte Satz 3, der noch einen Vorbehalt zugunsten landesgesetzlicher Antragsberechtigungen enthielt, durch die Nov. v. 98 gestrichen. Abs. 2. Zur Wahrung des öffentlichen Jntereffes soll nach Abs. 2 in allen Fällen des Abs. 1, also ganz selbständig, auch der Staatsanwalt beim Vorgesetzten Land­ gericht zur Antrogstellung befugt fein. Vgl. Preuß, allg. Verf. v. 10. 2. 80 (JMBl. 28) und § 42 Sons®, v. 7. 4. 01.

ß y

647.

Antraglform u. Inhalt.

Der Entmündigungsantrag kann beim Amtsgericht formfrei, also schriftlich oder zum Gerichtsschreiberprotokoll, gestellt werden. Er soll die begründenden Tatsachen angeben und die Beweismittel bezeichnen, was aber nur instruktionelle Bedeutung hat.

§ 648.

I Der jetzige § 648 (in Verbindung mit § 649) behandelt die Zuständigkeit für die Einleitung des Verfahrens, während in den §§ 650, 651 für den Lauf des­ selben ein Wechsel des Gerichts zugelaffen ist. Der alte § 594 hatte die Zuständigkeit für das ganze Verfahren nur Einem Gericht zugewiesen. Die Nov. v. 98 hat diese Änderung mit Rücksicht auf einen Wechsel der Verhältnisse sür angezeigt erachtet. II. a) Dies vorausgeschickt, bestimmt nun Abs. 1, daß für die Einleitung das Amtsgericht, bei dem der zu Entmündigende zur Zeit der Antragstellung seinen allgemeinen Gerichtsstand hat(§§ 13ff.), ausschließlich zuständig sein soll (vgl. RG. IW. 95 S. 166).

Zuständig. leit für Einleitung,

Ei.

b) Der Abs. 2 erweitert den inländischen Gerichtsstand gegen Reichsange­ hörige, wenn ihnen der allgemeine Gerichtsstand aus Abs. 1 fehlt, nach Maßgabe der 88 606 Abs. 2 Satz 1 und 642 Satz 1.

c) Ausländer können laut Art. 8 EGzBGB. im Jnlande nach deutschem Gesetz nur dann entmündigt werden, wenn sie ihren Wohnsitz oder doch ihren Aufent­ halt im Jnlande haben. Es findet dann aber der § 648 auf sie Anwendung. Reinste, ZPO. 6. Aufl. 36

Ms. r.

562

VI. Buch.

Ehesachen. Feststell, d. Rechtsverhältnisses zwisch. Eltern usw. §§ 649—651.

§ 649. (597.) Das Gericht kann vor der Einleitung des Verfahrens die Geibringung eines ärmlichen Zeugnisses anordnen. § 650. Das Gericht kann nach -er Einleitung des Verfahrens, wenn es mit Rücksicht auf die Verhältnisse des ;u Entmündigenden erforderlich erscheint, die Verhandlung und Entscheidung dem Amtsgericht überweisen, in dessen ße;irke der ;u Entmündigende sich aufhält. Die Äberweisung ist nicht mehr zulässig, wenn das Gericht den ;u Ent­

mündigenden vernommen hat (§ 654 Abs. 1). Wird die Übernahme abgelehnt, so entscheidet das im Znstan;en;uge zu­ nächst höhere Gericht. § 651. Wenn nach der Übernahme des Verfahrens durch das Gericht, an welches die Überweisung erfolgt ist, ein Wechsel im Aufenthaltsorte des zu Entmündigenden eintritt, so ist dieses Gericht zn einer weiteren Überweisung befugt. Die Vorschriften des § 650 finden entsprechende Anwendung. 8

Ärztliches Zeugnis.

649.

I Zur Prüfung der Frage, ob das Verfahren einzuleiten, darf das Amtsgericht noch vor der Einleitung dem Antragsteller die Beibringung eines ärztlichen Zeugnisses über den Geisteszustand des zu Entmündigenden aufgeben. Die Maß­ regel steht im freien Ermessen des Gerichts nach Lage der Umstände. Ein gelegentlich der Nov. v. 98 noch gemachter Vorschlag, dem zu Entmündigenden gleich von Hause aus zu größerem Schutze gegen übereiltes und ungerechtfertigtes Ver­ fahren einen Beistand zu bestellen, ist von der Reichstagskommission unter Hinweis auf allgemeine Schutzbestimmungen der §§ 1906, 1909 BGB. abgelehnt worden (vgl. KommissBer. 164, 165). II. Betreffs der Einleitung selbst bestimmt das Gesetz nichts. Naturgemäß muß eine Vorprüfung des Antrages auf die Befugnis des Antragstellers und die Begründung des Antrages hin erfolgen. Erscheint der Antrag nicht gerechtfertigt, so ist er durch Beschluß abzulehnen, gegen den die Beschwerde aus § 567 statt­ findet. Andernfalls erfolgt die Einleitung, die auch ohne förmlichen Beschluß ge­ schehen kann. Eine Zurücknahme des Antrages vor oder nach der Einleitung entzieht dem Verfahren die formale Grundlage, so daß dieses einzustellen ist (vgl. Birkmeyer Busch 7 S. 194, Kohler, prozeßrechtliche Forschungen S. 111, Daude S. 21, Prot. 454). §§ 650) 651.

Spätere Abgabe an ein anderes Gericht.

Die §§ 650, 651 verfolgen (vgl. Note I zu § 648) den Zweck, nach Ein­ leitung des Verfahrens einen durch die jeweiligen persönlichen Verhältnisse des zu Entmündigenden gebotenen Wechsel des Gerichts behufs Durchführung des Ver­ fahrens zu ermöglichen. Als maßgebend tritt dabei das Moment hervor, die Ent­ scheidung über die Entmündigung möglichst demjenigen Gericht zu belassen, vor dem die persönliche Vernehmung des zu Entmündigenden stattgefunden hat.

§ 650. Die Überweisung erscheint nur erforderlich, wenn der Vernehmung durch den ent­ scheidenden Richter Bedenken entgegenstehen, solche Vernehmung aber nach Lage des

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen §§ 652, 653.

563

§ 652. (597.) Der Staatsanwalt kann in allen Fällen Las Verfahren Lurch Stellung von Anträgen betreiben und den Terminen beiwohnen. Cr ist von -er Ginleitnng des Verfahrens, sowie von einer nach den §§ 650, 651 er­ folgten Überweisung und von allen Terminen in Kenntnis pt setzen. § 653. (597.) Vas Gericht hat unter Venutzvng der in dem Antrag angegebenen Tatsachen und Beweismittel von Amts wegen die ;ur Feststellung des Geistesrustandes erforderlichen Ermittelungen ;u veranstalten und die er­ heblich erscheinenden Geweise auftunrhmen. Zuvor ist dem ;u Entmündigenden Gelegenheit pur Dexeichnung von Beweismitteln ;u geben, desgleichen demjenigen gesetzlichen Vertreter des pt Entmündigenden, welchem die Sorge für die Person ;usteht, sofern er nicht die Entmündigung beantragt hat. Für die Vernehmung und Beeidigung der Zengen und Sachverständigen kommen die Bestimmungen im siebenten und achten Titel des ersten Abschnitts -es Weiten Vuchs pur Anwendung. Die Anordnung der Haft im Falle des § 390 kann von Amts wegen erfolgen. Falles als ausschlaggebend angesehen werden muß (OLG. 1 S. 84, 418, 2 S. 555, 5 S. 448).

§ 652.

Staats­ anwalt.

Mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse räumt § 652 bei dem Verfahren dem Staatsanwalt eine gewiffe Mitwirkung ein. Zunächst darf er in allen Fällen das Verfahren durch Stellung von Anträgen betreiben (vgl. § 607) und den Terminen beiwohnen. Dazu ist den Gerichten die Amtspflicht auferlegt, ihn von der Ein­ leitung des Verfahrens, von etwaigen Überweisungen der Sache (§§650, 651) und von allen Terminen zu benachrichtigen, damit er rechtzeitig das öffent­ liche Jntereffe wahrnehmen kann (vgl. Mot. a. a. O.).

88

653—656.

Ermittlung des Geisteszustandes.

Das weitere Verfahren zielt darauf ab, eine sichere Grundlage für die Ent­ scheidung hinsichts der Feststellung des Geisteszustandes des zu Entmündigenden zu gewinnen. Zu diesem Behuf ist das Verfahren unter den Amts betrieb des Ge­ richts und unter mehrfache Kautelen für eine zuverlässige Ausführung jener Ermitt­ lung gestellt.

§ 653. I. Nach Abs. 1 hat das Gericht bei Feststellung deS Geisteszustandes des zu Ent­ mündigenden die im Anträge (8 647) bezeichneten Tatsachen und Beweismittel zu verwerten, außerdem aber von Amts wegen erforderliche Ermittlungen und erhebliche Beweisaufnahmen zu veranstalten, soweit solche ihm zugänglich sind. Zuvor soll dem zu Entmündigenden und, falls er einen gesetzlichen Vertreter hat, dem die Sorge für seine Person zusteht (vgl. 8 646), auch diesem Gelegenheit gegeben werden, ihrerseits Beweismittel zu bezeichnen, eS sei denn, daß der gesetzliche Vertreter zugleich Antrag­ steller ist (§ 646). Die Gelegenheit kann durch Aufforderung zu schriftlicher Erllärung oder durch Vorladung gewährt werden. II. Bei Abhörung und Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen sollen die Vorschriften der Tit. 7, 8 Buch II Abschn. 1, jedoch mit einer Maßgabe für die Haft im Falle des § 390, Anwendung finden. Da eS eigentliche Parteien im 36*

Bornote.

Srmttt. langen.

Ads. 1.

Abs. 2.

564 VI. Buch. Ehesachen. Feststell, d. Rechtsverhältnisses zwlsch. Eltern usw. §§ 654—656. 8 654. (598.) Der pt Entmündigende ist persönlich unter Zupehung eines oder mehrerer Sachverständigen pi vernehmen. Zu diesem Zwecke kann die Vorführung des ;u Entmündigenden angeordnet werden. Vie Vernehmung kann auch durch einen ersuchten Richter erfolgen. Die Vernehmung darf nur unterbleiben, wenn sie mit besonderen Schwierig­ keiten verbunden oder nicht ohne Nachteil für den Gesundheitepistand des pt Entmündigenden ausführbar ist.

8 655. (599.) Die Entmündigung darf nicht ausgesprochen werden, bevor das Gericht einen oder mehrere Sachverständige über den Geisteszustand des pi Entmündigenden gehört hat. 8 656. Mit Zustimmung des Antragstellers kann das Gericht anordnen, -aß der pr Entmündigende auf die Dauer von höchstens sechs Wochen in eine Heilanstalt gebracht werde, wenn dies nach ärmlichem Gutachten pir Feststellung des Geisteszustandes geboten erscheint und ohne Nachteil für den GesundheitsEntmündigungsverfahren nicht gibt, wird auch der Staatsanwalt ein zulässiger Zeuge sein. Der Antragsteller hat kein Recht auf Zuziehung; doch erscheint seine Zuziehung nicht unzulässig (vgl. RG. Gruchot 29 S. 1092). Die Öffentlichkeit ist nach § 172

GVG. ausgeschlossen. Bernedmung de- Provo» taten.

§ 654. Wie die jetzige Fassung des § 654 ergibt, legt das Gesetz der persönlichen Vernehmung des zu Entmündigenden besonderes Gewicht bei. Denn nach Abs. 3 darf die Vernehmung nur unterbleiben, sofern sie mit besonderen Schwierigkeiten ver­ knüpft oder nicht ohne gesundheitliche Nachteile für den Provokaten ausführbar ist, während ihre anscheinende Unerheblichkeit (vgl. RG. Gruchot 30 S. 1162) als Aus­ nahmegrund gestrichen ist. Ferner darf die Vorführung des Provokaten nach Abs. 1 angeordnet werden, wogegen nach Abs. 2 die Vernehmung auch durch einen ersuchten Richter zugelaffen ist. In allen Fällen sind (Abs. 1) Sachverständige zuzuziehen, ersichtlich, um auf Stellung geeigneter Fragen hinzuwirken und eine eigene Anschauung für das demnächstige Gutachten aus § 655 zu gewinnen.

Segut« adjtung de-

§ 655

juftlnSes

Bor AuSsprechung der Entmündigung ist nach § 655 eine endgültige Be­ gutachtung deS Geisteszustandes des Provokaten durch ärztliche Sachverständige allemal unerläßlich (vgl. Begr. 373). Die Zahl und die Personen der letzteren sind regelgemäß (§ 404) dem Ermessen des Gerichts überlaffen (vgl. hierzu die preuß. allg. Bers. v. 10. 5. 87 und 8. 8. 94 (JMBl. 87 S. 129 und 94 S. 241). Tunlichst werden dieselben Sachverständigen wie in den Fällen der §§ 654, 656 aus­ zuwählen sein.

Zeitweise Unter-

§ 656

Leu-M-It" Der Anordnungsbeschluß ist durch sofortige Beschwerde, die ausnahms' weise aufschiebende Wirkung hat (§ 572), anfechtbar. Dieselbe steht dem Staatsanwalt im Jntereffe des Provokaten wie der StaatSkaffe (vgl. § 658 Abs. 1), dem Provo­ kanten und den sonstigen Antragsberechtigten (§ 646), und zwar letzteren binnen gleicher Frist wie nach § 577 Abs. 2 dem Provokaten, zu.

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen §§ 657—660.

565

Zustand des ;u Entmündigenden ausführbar ist. Vor der Entscheidung sind die im § 646 bezeichneten Personen soweit tunlich zu hören. Gegen den Beschluß, durch welchen die Unterbringung angeordnet wird, steht dem zu Entmündigenden, dem Staatsanwalt und binnen der für den zu Entmündigenden laufenden Frist den sonstigen im § 646 bezeichneten Personen die sofortige Leschwerde zu. § 657. (600.) Sobald das Gericht die Anordnung einer Fürsorge für die Person oder das Vermögen des zu Entmündigenden für erforderlich hält, ist der Vormnndschastsbehörde zum Zwecke dieser Anordnung Mitteilung zu

machen. § 658. (601.) Die Losten des Verfahrens sind, wenn die Entmündigung erfolgt, von dem Entmündigten, andernfalls von der Staatskasse zu tragen. Insoweit einen der im § 646 Abs. 1 bezeichneten Antragsteller bei Stellung des Antrags nach dem Ermessen des Gerichts ein Verschulden trifft, können demselben die Losten ganz oder teilweise zur Last gelegt werden.

§ 659. (602.) Der über die Entmündigung zu erlaffende Deschlusi ist dem Antragsteller und dem Staatsanwalte von Amts wegen zuzustellen. § 660. (603.) Der die Entmündigung aussprechende Deschluß ist von Amts wegen der Vormnndschastsbehörde mitzuteilen und, wenn der Entmündigte unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, auch demjenigen gesetz­ lichen Vertreter zuzustellen, welche»! die Sorge für die Person -es Entmündigten znsteht. Im Falle der Entmündigung wegen Geistesschwäche ist -er iöeschluß außerdem dem Entmündigten selbst zuzustellen.

§ 657

Fürsorge für Provokaten.

Im Laufe des Verfahrens kann es kommen, daß das Gericht eine Fürsorge für Person oder Vermögen des zu Entmündigenden für erforderlich hält, sei es aus eigener Kenntnis der Verhältnisse, sei es auf Anregung von außen her. Alsdann ist es nach § 657 verpflichtet, der Vormundschaftsbehörde Mitteilung behufs etwaiger Anordnung der Fürsorge zu machen. Eine bezügliche Verpflichtung letzterer Behörde ist nicht vorgesehen. In dieser Beziehung konnte deshalb früher die Landesgesetzgebung, selbständige Vorschriften über vorläufige Anordnung oder Ausschließung einer Kuratel treffen (vgl. RG. 9 S. 180, 38 S. 153 [§ 81 SächsBGB.)); jetzt lassen die §§ 1906, 1909 BGB. die Anordnung einer vorläufigen Vormundschaft oder Pflegschaft zu (vgl. Art. 23 EGzBGB. betreffs der Ausländer). § 658. a

I. Die Entscheidung ergeht in Form eines Beschlusses, ohne Verkündung (§ 659). Derselbe kann in der Hauptsache nur auf Ablehnung des Entmündi­ gungsantrages oder auf Aussprechung der Entmündigung lauten, und im letzteren Falle ist der Grund festzustellen (vgl. §§ 660, 661). n. Die Kosten des Verfahrens sollen nach § 658 Abs. 1 bei Aussprechung der Entmündigung dem Entmündigten, bei Ablehnung derselben der Staatskasse zur Last gelegt werden. Nur ausnahmsweise können sie (Abs. 2), wenn eine der in § 646 Abs. 1 bezeichneten Privatpersonen den Antrag gestellt und dabei arglistig oder fahrläsfig gehandelt hat, was Tatfrage ist, dem Antragsteller auferlegt werden.

ent« schetdung.

566

VI. Buch.

Ehesachen.

Feststellung d. Rechtsverhältnisses zwisch. Eltern usw. § 661.

§ 661. Die Entmündigung wegen Geisteskrankheit tritt, wenn der Ent­ mündigte unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, mit der Zustellung des Beschlusses an denjenigen gesetzlichen Vertreter, welchem die Sorge für die Person rusteht, andernfalls mit der Gestellung des Vormundes in Wirk­ samkeit. Die Entmündigung wegen Geistesschwäche tritt mit der Zustellung des Be­ schlusses an den Entmündigten in Wirksamkeit. § 660. Der die Entmündigung aussprechende Beschluß ist von Amts wegen 1. der Vormundschaftsbehörde (§ 657) mitzuteilen. Wie zu § 661 ausgeführt wird, hat die Mitteilung seit der Nov. v. 98 nur noch die Bedeutung einer Fürsorgevorschrift, wobei namentlich an den Fall gedacht ist, daß die Entmündigungen und die Vormundschaften von verschiedenen Gerichten oder verschiedenen Abteilungen eines Gerichts bearbeitet werden (vgl. Mot. zu §§ 603—603 b, auch § 36 FreiwGG.) 2. überdies, sofern der Entmündigte unter elterlicher Gewalt oder unter Vor­ mundschaft steht, dem mit der Sorge für dessen Person befaßten gesetzlichen Ver­ treter und, falls die Entmündigung wegen Geistesschwäche erfolgt, noch dem Ent­ mündigten selbst zuzu st eilen (vgl. § 661). Die letztere Zustellung ist deshalb vorgeschrieben, weil ein solcher Entmündigter im Sinne des § 114 BGB. nicht ge­ schäftsunfähig, sondern nur in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist (vgl. Mot. zu §§ 603—603 b). Im Verwaltungswege ist für Preußen durch allg. Verf. v. 27. 11. 82 (JMBl. 372) noch die Mitteilung des Entmündigungsbeschlusses an den Vorstand der Irrenanstalt, in welcher der Provokat etwa untergebracht ist, angeordnet. III. Wegen Zustellung des die Entmündigung ablehnenden Beschlusses an den Provokaten vgl. den § 662

§ 661.

Wirksamkeit münMgiing.

I Eintritt der Wirksamkeit.

Nach dem alten § 603 Abs. 2 sollte die Entmündigung mit der Mitteilung des bezüglichen Beschlusses an die Vormundschaftsbehörde Wirksamkeit erlangen. Die Nov. v. 98 vermißte hierbei für den doch regelmäßigen Fall, daß Entmündigung und Vor­ mundschaft bei dem gleichen Gericht stattfinde (vgl. § 36 FreiwGG.), ein sicher er­ kennbares Merkmal des Eintritts der Wirksamkeit, und hat deshalb bestimmt, daß die Entmündigung wirksam werden soll Abs. i, 8. 1. nach Abs. 1, wenn sie wegen Geisteskrankheit erfolgt ist, mit Bestellung eines Vormundes für den Entmündigten, jedoch, sofern dieser unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft steht, mit Zustellung des Entmündigungsbeschlusses an den zur Fürsorge für dessen Person berechtigten gesetzlichen Vertreter, 2. nach Abs. 2, wenn sie wegen Geistesschwäche erfolgt ist, mit der Zu­ stellung jenes Beschlusses an den Entmündigten. Mit diesen Bestimmungen wird erzielt, daß die Entmündigung in keinem Falle früher rechtliche Wirksamkeit erlangt, als bis dem Entmündigten ein gesetzlicher Ver­ treter zur Seite steht.

II.

Inhalt der Wirksamkeit. Über den Inhalt der Rechtswirkung verordnet die ZPO. nichts. Derselbe ist materieller Natur, und bestimmt sich daher nach dem bürgerl. Rechte. Bei Beratung der ZPO. waren auch die gesetzgeberischen Faktoren darüber einig, daß die Landes­ gesetze hierfür selbst insoweit maßgebend sein müßten, als sie Geisteskranken trotz der Entmündigung die Handlungsfähigkeit noch bis zum Eintritt anderweiter Voraus-

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen §§ 662—664.

567

§ 662. Der die Entmündigung ablehnende Oeschlnß ist von Ämts wegen auch demjenigen Mustellen, dessen Entmündigung beantragt war. § 663. (604.) Gegen den Beschluß, durch welchen die Entmündigung abgelehnt wird, steht dem Antragsteller und dem Ltaatsanwalte die sofortige Beschwerde;u. In dem Verfahren vor dem Beschwerdegerichte finden die Vorschriften der §§ 652, 653 entsprechende Anwendung. § 664. (605.) Der die Entmündigung anssprechende Beschluß kann im Wege der Blage binnen der Frist eines Monats angefochten werden. Zur Erhebung der Blage find dec Entmündigte selbst, derjenige gesetzliche Vertreter -es Entmündigten, welchem die Sorge für die Person rusteht, und die übrigen im § 646 bezeichneten Personen befugt. Die Frist beginnt im Falle der Entmündigung wegen Geisteskrankheit für sehungen beließen (vgl. PrALR. I, 4 §§ 24—26, I, 12 §§ 20—22; Begr. 370, 374, Prot. 721; RG. IW. 99 S. 180). Jetzt ist das BGB. maßgebend. In Be­ rührung tritt dabei wesentlich die Geschäftsunfähigkeit und die Beschränkung der Ge­ schäftsfähigkeit des Entmündigten, und infolge derselben die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für denselben (vgl. BGB. §§ 104, 105, 107—114, 131, nebst §§ 8, 1304, 1325, 1418 Nr. 3, 1676, 1780, 1865, 1885, 2201, 2229, 2230, 2253). Hierbei ist noch darauf hinzuweisen, daß nach Art. 155 EG. Personen, die bis zum Inkrafttreten des BGB. wegen Geisteskrankheit entmündigt sind, den nach diesem Zeitpunkt aus gleichem Grunde Entmündigten gleichstehen sollen.

§ 662.

Ablehnender B-iqluß.

Ter § 662 bestimmt in Ergänzung der §§ 659, 660, daß der die Entmündi­ gung ablehnende Beschluß von Amts wegen auch noch dem Provokaten selbst zugestellt werden soll. Das Gesetz geht davon aus (vgl. Mot. zu §§ 603 — 603 b), daß der Provokat ein Interesse daran habe, auch von einer derartigen Entscheidung baldige zuverlässige Kenntnis zu erlangen.

§ 663. Gegen einen die Entmündigung ablehnenden Beschluß steht dem Antragstellcr und dem Staatsanwalt die sofortige Beschwerde zu (Abs. 1), auf welche das in §§ 652, 653 für die 1. Instanz bestimmte Amtsverfahren entsprechende An­ wendung finden soll (Abs. 2). Bezüglich der Kosten der Beschwerde wird, soweit solche von einem anderen als dem Staatsanwalt erhoben und erfolglos geblieben ist, § 97 Abs. 1, sonst § 658 maßgebend sein (vgl. Prot. der RIK. 458).

664

Anfechtung bet «b. lehnung.

88 —674. Anfechtung. der EntDer die Entmündigung aussprechende Beschluß tritt nach Maßgabe des mündtgua,. 8 661 in Wirksamkeit. Eine bloße Beschwerde gegen denselben hat der Gesetzgeber ®oototenicht geben mögen; er hat einen förmlichen Anfechtungsprozeß für notwendig erachtet, der im Wege kontradiktorischer Erörterung den Schutz sowohl des Ent­ mündigten als des öffentlichen Jntereffes ermöglichte. Diesem Zwecke sollen die 68 664—674 dienen, in denen einerseits die weite Bemessung des Kreises der Klage­ berechtigten und die unbedingte Gewährung eines Prozeßvertreters für den Ent­ mündigten, andrerseits die Bestimmung einer Klagefrist und die Beschränkung der Parteiverfügung als wesentlich hervortreten.

568

VI. Buch.

Ehesachen. Feststell, d. Rechtsverhältnisses zwisch. Eltern usw. §§ 665, 666.

den Entmündigten mit dem Veitpunkt, in welchem er von der Entmündigung Kenntnis erlangt, für die übrigen Personen mit dem Zeitpunkt, in welchem die

Entmündigung in Wirksamkeit tritt. Im Falle der Entmündigung wegen Geistesschwäche beginnt die Frist für den gesetzlichen Vertreter des unter elter­ licher Gewalt oder unter Vormundschaft stehenden Entmündigten mit dem Zeit­ punkt, in welchem ihm der Geschlust ;ugestellt wird, für den Entmündigten selbst und die übrigen Personen mit der Zustellung des Beschlusses an den Entmündigten. § 665. (606.) Für die Klage ist das Landgericht ausschließlich zuständig, in dessen Vesirke das Amtsgericht, welches über die Entmündigung entschieden hat, seinen Sitz hat. § 666. (607.) Die Klage ist gegen den Staatsanwalt ;u richten. Wird die Klage von dem Staatsanwalt erhoben, so ist sie gegen denjenigen gesetzlichen Vertreter des Entmündigten ;u richten, welchem die Sorge für die Person rusteht.

§ 664.

KlagebeAbs. i.

Der Abs. 1 spricht zunächst den Grundsatz aus, daß der Entmündigungsbeschluß nur im Klagewege angefochten werden kann.

Abs. 2. Als klageberechtigt stellte der alte Abs. 2 den Entmündigten wie dessen Vor­ mund und die im alten § 595 bezeichneten Personen hin. Die Nov. v. 98 hat die letzteren Klassen mit dem neuen § 646 in Einklang gebracht, und daher statt ihrer den mit der Sorge für die Person des Entmündigten betrauten gesetzlichen Ver­ treter und den sonstigen Antragsberechtigten aus § 646 bestimmt. Diese Berechtigten sind unabhängig voneinander. Im Falle gemeinschaftlicher Klage oder des Beitritts anderer zur Klage einzelner entsteht unter ihnen notwendige Streitgenossenschaft (§§ 62, 666 Abs. 2). Aus der Klageberechtigung des Entmündigten folgt, daß derselbe insoweit prozeßfähig bleibt und somit einen Prozeßvertreter bestellen kann (vgl. übrigens § 668, RG. 34 S. 386, 35 S. 351).

Abs. 3. Die Klage frist beträgt einen Monat. Sie ist nicht als Notfrist bezeichnet, wohl aber mit Rücksicht darauf, daß ein baldiger Abschluß des Verfahrens im öffent­ lichen Interesse liegt, der Parteiverfügung entzogen und von Amts wegen zu berück­ sichtigen (vgl. RG. 40 S. 397, aber streitig). Der Fristbeginn ist von der Nov. v. 98 verschieden bestimmt, je nachdem die Ent­ mündigung wegen Geisteskrankheit oder wegen Geistesschwäche ausgesprochen ist. Im Falle der Geisteskrankheit tritt er nach Satz 1 für den Entmündigten mit dem Zeitpunkte, wo dieser zuverlässige Kenntnis (z. B. durch Mitteilung des ge­ setzlichen Vertreters; vgl. § 659) von seiner Entmündigung erlangt hat, wozu auch die Kenntnis gerade von jenem Grunde der Entmündigung gehört (RG. 68 S. 402), für die übrigen Berechtigten mit dem Zeitpunkte, wo die Entmündigung wirksam wird (§ 661 Abs. 1), ein. Im Falle der Geistesschwäche ist nach Satz 2 (vgl. §§ 660, 661) für den gesetzlichen Vertreter des unter elterlicher Gewalt oder unter Vormundschaft stehenden Entmündigten die Zeit der Zustellung des Entmündigungs­ beschlusses an den Vertreter, für den Entmündigten und die sonstigen Klageberechtigten die Zeit der Zustellung an den Entmündigten maßgebend.

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen §§ 667, 668.

569

Hat eine der im § 646 Abs. 1 bezeichneten Personen Lie Entmündigung beantragt, so ist dieselbe unter Mitteilung der Klage zum Termine zur münd­ lichen Verhandlung zu laden. Dieselbe gilt im Falle des Beitritts im Zinne des 8 62 als Atreitgenoffe der Hauptpartei. § 667. (608.) Mit der die Entmündigung anfechtenden Klage kann eine andere Klage nicht verbunden werden. Eine Widerklage ist unzulässig. § 668. (609.) Will der Entmündigte die Klage erheben, so ist ihm auf seinen Antrag von dem Vorsitzenden -es prozeßgerichts ein Rechtsanwalt als Vertreter beizuordnen. § 666.

Bcllagte.

I. Die Anfechtungsklage ist nach Abs. 1 gegen den Staatsanwalt, als Ver­ treter des öffentlichen Jntereffes (vgl. RG. 13 S. 432), zu richten. Für den Fall, daß der Staatsanwalt selbst klagt, sollte nach dem alten Abs. 2 gegen den Vormund des Entmündigten geklagt werden; die Nov. v. 98 hat jedoch statt desselben, im Hinblick auf den neuen § 646, den mit der Sorge für die Person des Entmündigten betrauten gesetzlichen Vertreter bestimmt. II. Nach Abs. 3 sollen die antragsberechtigtcn Privatpersonen aus § 646 Abs. 1, falls der Entmündigungsantrag von ihnen gestellt ist, vom Kläger unter Klagemitteilung zum ersten Verhandlungstermin geladen werden und können dann dem Verfahren beitreten. Tun sie dies, so gelten sie gemäß § 62 als notwendige Streitgenoflen. Die Unterlassung ihrer Beiladung fällt, da es sich nur um ein Privat­ interesse handelt, nicht der Amtsberücksichtigung anheim, sondern gibt nur dem Gegner einen Rügegrund unter Vertagungs- und Kostensolgen.

§ 667 I. Da die Anfechtungsklage den das öffentliche Intereffe berührenden Personenstand des Entmündigten betrifft, ist (vgl. §§ 615, 633 für Ehesachen) deren Ver­ bindung mit einer anderen Klage und die Erhebung einer Widerklage verboten. Diese Vorschrift unterliegt der Amtsberücksichtigung dergestalt, daß ihre Übertretung einen Rechtsverstoß darstellt.

verbot ter Klagen» verbint-n,.

II. Angesichts dessen wird übrigens, obwohl es an einer dem § 628 entsprechenden Bestimmung fehlt, gefolgert werden dürfen, daß der Tod des Entmündigten im Lause des Verfahrens die Hauptsache erledigt und es sich dem Erben gegenüber nur noch um die Prozeßkosten handelt (vgl. Note zu § 628), woneben vermögensrechtliche Streitigkeiten aus Anlaß der Entmündigung in besonderen Prozessen auszutragen sind.

§ 668. Nach § 664 ist der Entmündigte mit Bezug auf den Anfechtungsprozeß Prozeßfähig. Um aber jede Schwierigkeit für ihn zur Erlangung eines Anwalts zu be­ seitigen, muß ihm nach § 668 auf seinen Antrag, auch ohne die Erfordernisse des § 114, bzw. der §§ 33, 38 RAO., vom Vorsitzenden des Landgerichts ein Rechts­ anwalt beigeordnet werden. Dieser ist nicht etwa als gesetzlicher Vertreter des Entmündigten, sondern als dessen Prozeß Vertreter gedacht, und deshalb von Bei­ bringung einer Vollmacht nicht befreit, dafür aber auch zur Liquidierung seiner Ge­ bühren und Auslagen gegen denselben befugt. Die Beiordnung ermächtigt nach § 81 zur Durchführung des Prozesses, also auch zur Ernennung eines Bevollmächtigten für

Beiordnung eine» Bttttttetr.

570

VI. Buch.

Ehesachen. Feststell, d. Rechtsverhältnisses zwisch. Eltern usw. ZZ 669—672.

§ 669. (610.) Gei -er mündlichen Verhandlung haben die Parteien die Ergebnisse -er bei -em Ä,mtsgerichte stattgehabten Sachuntersuchung, soweit es zur Prüfung -er Richtigkeit des angefochtenen Geschtusses erforderlich ist, voll­

ständig vor;utragen. Lm Falle der Unrichtigkeit o-er Unvollständigkeit -es Vortrags hat der Vorsitzende dessen Gerichtigung oder Vervollständigung, nötigenfalls unter Wieder­ eröffnung der Verhandlung, ;u veranlaffen. § 670. (611.) Die Vorschriften des § 617 Abs. 1, 3 und der §§ 618, 622 finden entsprechende Anwendung. Der Parteieid ist ausgeschlossen.

§ 671. (612.) Die Bestimmungen der §§ 654, 655 finden in dem Ver­ fahren über die Anfechtungsklage entsprechende Anwendung. Von der Vernehmung Sachverständiger darf das Gericht Abstand nehmen, wenn es das vor dem Amtsgericht abgegebene Gutachten für genügend erachtet. § 672. (613.) Wird die Anfechtungsklage für begründet erachtet, so ist der die Entmündigung aussprechende Beschlust auf;uheben. Die Aufhebung tritt erst mit der Rechtskraft des Urteils in Wirksamkeit. Auf Antrag können sedoch ;um Schutze der Person oder des Vermögens des Entmündigten einst­ weilige Verfügungen nach Mastgabe -er §§ 936—944 getroffen werden.

die höheren Instanzen, so daß für diese ein Bedürfnis zu erneuter Beiordnung nicht erwächst (vgl. RG. 21 S. 371, 35 S. 351). Gegen die Versagung der Beiordnung steht dem Entmündigten die Beschwerde aus § 567 zu. Berhandhing.

§§ 669—671. Für die Verhandlung der Anfechtungsklage sind rn den §§ 669—671 folgende auf dem öffentlichen Interesse beruhende Besonderheiten vorgesehen.

§ 669.

I Bei der Verhandlung soll nach § 669, da es sich um Nachprüfung der Richtig­ keit des Entmündigungsbeschlusses handelt, von den Parteien das Ergebnis der amtsgerichtlichen Sachuntersuchung (vgl. §§ 653—655), soweit erforderlich, vorgetragen (Abs. 1), und einer mangelhaften Erledigung dieser Vorschrift vom Vor­ sitzenden im Wege des Frageamts, bzw. der Wiedereröffnung der Verhandlung tunlichst abgeholfen werden (Abs. 2, vgl. §§ 136, 526, 544).

§ 670.

H. Für die weitere Verhandlung sind in § 670 ähnliche Beschränkungen des Verfügungsrechts der Parteien, wie bei der Klage auf Nichtigkeit, bzw. auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der Ehe bestimmt (vgl. Mot. zu § 611), indem die Vorschriften der §§ 617 Abs. 1, 3, 618, 622 (früher der §§ 577, 578) analoge Anwendung finden sollen. '

§ 671.

III Schließlich sollen die Vorschriften der §§ 654, 655, wonach im amtsgericht­ lichen Entmündigungsverfahren der zu Entmündigende, soweit tunlich, persönlich unter Zuziehung von Sachverständigen zu vernehmen ist und die Entmündigung keinesfalls vor Anhörung von Sachverständigen über den Geisteszustand des Provokaten ausgesprochen werden darf, entsprechende Anwendung finden; nur mit der Maßgabe, daß von Abhörung weiterer Sachverständigen abgesehen werden darf, sofern das vor dem Amtsgericht abgegebene Gutachten zur Feststellung des Geisteszustandes ausreichend erscheint.

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen §§ 673—675.

571

§ 673. (614.) Unterliegt -er Staatsanwalt, so ist die Staatskasse zur Erstattung der dem obsiegenden Gegner erwachsenen Losten in Gemäßheit der Bestimmungen des fünften Titels des Weiten Abschnitts des ersten Luchs pi

verurteilen. Ist die Llage von dem Staatsanwalt erhoben, so hat die Staatskasse in allen Fällen die Losten des Rechtsstreits ?u tragen. § 674. (615.) Das Prozeßgericht hat der Vormundschastsbehörde und dem Amtsgerichte von jedem in der Sache erlassenen Cndurtelle Mitteilung zu machen. § 675. (616.) Die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt anf An­ trag des Entmündigten oder desjenigen gesetzlichen Vertreters des Entmündigten, welchem die Sorge für die Person zusteht, oder des Staatsanwalts durch ßeschluß des Amtsgerichte. Die Vorschrift, daß der zu Entmündigende unter Zuziehung von Sachverständigen zu vernehmen sei, gilt auch für die Berufungsinstanz (RG. 57 S. 330 und Gruchot 45 S. 116).

§ 672.

Lntscheidunz zur Hau-t-

I. Die Entscheidung in der Sache selbst kann nur auf Aufhebung des Entmündigungsbeschlusses oder auf Abweisung der Anfechtungsklage ergehen. Letzterer Fall ist gegeben, wenn der Entmündigungsbeschluß zur Zeit seiner Erlassung ungerecht­ fertigt war; die Anfechtungsklage kann nicht auf später eingetretene Umstände gegründet werden (vgl. RG. Gruchot 39 S. 1149 u. IW. 96 S. 372).. n. Die Aufhebung der Entmündigung wird regelmäßig erst mit der Rechts­ kraft des Endurteils (§ 705) wirksam. Bis dahin bleibt der Entmündigungsbeschluß in Kraft; was aber nicht ausschließt, daß auf Antrag von Anfechtungsberechtigten (§ 664) zum Schuhe der Person oder des Vermögens des Entmündigten einstweilige Verfügungen nach Maßgabe der §§ 936—944 erlassen werden (vgl. § 627). Die Wirkung selbst war in dem Abs. 2 des alten § 613 mit Bezug auf die Handlungen, die der Entmündigte oder dessen gesetzlicher Vertreter in der Zwischenzeit zwischen Eintritt der Entmündigung und Rechtskraft des Aufhebungsurteils vorge­ nommen, dahin geregelt, daß die Handlungen des ersteren nunmehr ex tune konvaleszieren, die des letzteren überhaupt unberührt bleiben sollten. Jetzt ist dieser Punkt, als das materielle Recht betreffend, in § 115 Abs. 1 BGB. im Sinne des alten § 613 geordnet. Deshalb ist dieser durch die Nov. v. 98 gestrichen (vgl. .Mot. zu § 613).

§ 673.

Kostenpunkt.

Der Kostenpunkt wird auch hier mit Rücksicht auf das öffentliche Interesse ge­ regelt (Vgl. §§ 637, 658).

§ 674.

Mitteilung an Borm.«

Um die beteiligten Amtsstellen von dem Verlaufe des Anfechtungsprozeffes jederzeit behufs Fürsorge für den Entmündigten in Kenntnis zu halten, macht der § 674 es dem Prozeßgericht, ohne Unterschied der Instanz, zur Pflicht, von jedem in der Sache erlassenen Endurteil, wie es auch laute (anders nach § 660), der Vor­ mundschaftsbehörde und dem Amtsgericht, von dem die Entmündigung aus­ gesprochen worden (§ 665), Mitteilung zu machen. Dies kann durch Übermittlung des Urteils oder seines wesentlichen Inhalts geschehen.

Bepsrde.

572

VI. Buch. Ehesachen. Feststellung d. Rechtsverhältnisses zwisch. Eltern usw. § 676.

§ 676. (617.) Für die Wiederaufhebung der Entmündigung ist das Amts­ gericht ausschließlich zuständig, bei welchem der Entmündigte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Ist der Entmündigte ein Deutscher und hat er im Lnlande keinen all­ gemeinen Gerichtsstand, so kann der Antrag bei dem Amtsgerichte gestellt werden, welches über die Entmündigung entschieden hat. Das gleiche gilt, wenn ein Ausländer, welcher im Inland entmündigt worden ist, im Inlande keinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Die Destimmungen des § 647 und der §§ 649—655 finden entsprechende Anwendung. 88

675—679.

Wiederaufhebung der Entmündigung.

Pornoie.

I. Die Wiederaufhebung der Entmündigung wegen Geisteskrankheit oder Geistes­ schwäche setzt zweierlei voraus. Erstens muß die Entmündigung durch Beschluß ausgesprochen und dieser Beschluß im Klagewege nicht oder erfolglos angefochten sein. Sodann muß der Entmündigte behaupten, daß seit Aussprechung der Entmündigung jener Geisteszustand weggefallen, er also geistesgesund oder geisteskräftig ge­ worden sei (vgl. RG. Gruchot 39 S. 1151, jetzt BGB. § 6 Abs. 2). II. Das Verfahren ist wesentlich dem auf Entmündigung gerichteten nach» gebildet, gibt sonach einem amtsgerichtlichen Beschlußverfahren und einer landgericht­ lichen Klage zwecks Wiederaufhebung der Entmündigung Raum.

Amtsgerichtliches

8 675.

«ersa,ren.

Die Wiederaushebung erfolgt nach 8 675 nur auf Antrag. Voraussetzung ist, daß der Grund der Entmündigung wegsällt (BGB. 8 6 Abs. 2). Die WiederausHebung muß auch erfolgen, wenn sich zeigt, daß die Entmündigung mit Unrecht aus­ gesprochen war. — Zu dem Anträge sind berechtigt: der Entmündigte, der mit der Sorge für dessen Person betraute gesetzliche Vertreter (vgl. § 646) und der Staatsanwalt. b) Eine Antrags fr ist ist nicht bestimmt. Daher können Wiederaufhebungsund Anfechtungsverfahren nebeneinander hergehen; rechtlich berühren sie sich nicht. Mit dem Tode des Entmündigten bleibt für eine Wiederaufhebung kein Raum; das etwa bereits anhängige Verfahren wird erledigt (vgl. § 628). Wegen Form und Inhalts des Antrages vgl. § 676 Abs. 3. 8 676.

I Die Zuständigkeit für die Wiederaushebung ist (vgl. 8 648 Abs. 1) dem Amtsgericht, bei welchem der Entmündigte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (88 13 ff.), ausschließlich beigelegt (Abs. 1). n. Nach Abs. 2 ist aber der inländische Gerichtsstand noch ausgedehnt (vgl. 8 648). Schon nach dem Abs. 2 des alten 8 617 konnte für den Fall, daß der Ent­ mündigte ein Deutscher war, aber seinen Wohnsitz im Auslande hatte, der Antrag beim Amtsgericht seines letzten inländischen Wohnsitzes gestellt werden. Die Nov. v. 98 läßt auch, sofern der entmündigte Deutsche keinen inländischen allgemeinen Gerichtsstand hat (vgl. § 648 Abs. 2), die Antragstellung bei dem Amtsgericht zu, das über die Entmündigung entschieden hat (vgl. 8 665). Nach Satz 2 soll dieser Gerichtsstand aber auch dann für den Fall zulässig

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen §§ 677—679.

573

§ 677. (618.) Die Losten Les Verfahrens find von Lem GntmünLigten, wenn das Verfahren von Lem Staatsanwalt ohne Erfolg beantragt ist, von Ler Staatskasse jn tragen. § 678. (619.) Der über die Wiederaushebung der Entmündigung ;u er­ lassende Lefchlust ist dem Antragsteller vnd im Falle der Wiederaufhebung dem Entmündigten sowie dem Staatsanwalte von Amts wegen Mustellen. Gegen den Leschlnß, durch welchen die Entmündigung aufgehoben wird, steht dem Staatsanwalte die sofortige Deschwerde ;u. Die rechtskräftig erfolgte Wiederaushebung ist der Vormundschastsbehörde mitzuteilen. § 679. (620.) Wird der Antrag auf Wiederaufhebung von dem Amts­ gericht abgelehnt, so kann dieselbe im Wege der Llage beantragt werden. Bur Erhebung der Llage ist derjenige gesetzliche Vertreter des Ent­ mündigten, welchem die Sorge für die Person ;ufteht, und der Staatsanwalt befugt. Will der' gesetzliche Vertreter die Klage nicht erheben, so kann der Vor­ sitzende des pro;eßgerichts dem Entmündigten einen Rechtsanwalt als Vertreter beiordnen. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 665—667, 669—674 entsprechende Anwendung. fein, daß die Entmündigung int Jnlande gemäß Art. 8 EGzBGB. gegen einen Ausländer ausgesprochen und dieser ohne inländischen allgemeinen Gerichtsstand ist. III. Der Abs. 3 sieht zugleich die entsprechende Anwendung der Borschriften des § 647 über Form und Inhalt des Antrages, sowie der §§ 649—655, betreffend die Einleitung des Verfahrens, die Abgabe desselben an ein andere- Gericht, die Er­ mittlung des Geisteszustandes des Entmündigten, vor.

§ 677.

sm-

scheidung.

Die Entscheidung über den Wtederaufhebungsantrag erfolgt durch amtsgerichtlichen Beschluß (§ 675) und kann in der Hauptsache die Ablehnung des Antrages (§ 679) oder die Aufhebung der Entmündigung (§ 678 Abs. 2) aus­ sprechen.

§ 678.

Zustellung usw. der

I. Die erlassene Entscheidung ist nach Abs. 1 in allen Fällen dem Antragsteller, Bei»l«ne». int Falle der Aufhebung der Entmündigung auch dem Entmündigten und dem Staats­ anwalt von Amts wegen zuzustellen (vgl. §§ 660, 662). II Gegen den aufhebenden Beschluß steht nach Abs. 2 dem Staatsanwalt, als Vertreter des beteiligten öffentlichen Jntereffes, die sofortige Beschwerde zu, die ausnahmsweise aufschiebende Wirkung hat (§ 572). Gegen den Beschluß, welcher die Einleitung des Wiederaufhebungsverfahrens ablehnt, wird die einfache Beschwerde nach § 567 gegeben fein. in. Ist der Wiederaushebungsbeschluß rechtskräftig geworden (durch Unter# laffung oder Verwerfung der Beschwerde), so hat das Amtsgericht, von dem derselbe ausgesprochen, der Vormundschaftsbehörde Mitteilung zu machen (vgl. §§ 657, 674), naturgemäß, damit diese der veränderten Sachlage entsprechende An­ ordnungen über Person oder Vermögen des Entmündigten treffen kann (Abs. 3).

574

VI. Büch. Ehesachen. Feststellung d. Rechtsverhältnisses zwisch. Eltern usw. § 680.

8 680. (621.) Die Entmündigung wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht erfolgt durch Beschluß des Amtsgerichts. Der Deschtuß wird nur auf Antrag erlassen. Auf das Verfahren finden die Vorschriften des § 646 Abs. 1 und der 88 647, 648, 653, 657, 663 entsprechende Anwendung. Eine Mitwirkung der Staatsanwaltschaft findet nicht statt. Die landesgesehlichen Vorschriften, nach welchen eine Gemeinde oder ein der Gemeinde gleichstehendcr Verband oder ein Armenoerband berechtigt ist, die Entmündigung wegm Verschwendung oder wegen Trunksucht px beantragen, bleiben unberührt. § 679.

Wieder. aufhebungsNage.

I. Wird der Antrag auf Wiederaufhebung vom Amtsgericht abgelehnt, so kann dieselbe durch Klage geltend gemacht werden (8 679 Abs. 1), für welche die be­ sonderen Vorschriften der Abs. 2—4 bestimmt sind. an. z, a. II. Klageberechtigt sind der mit der Sorge für die Person des Entmündigten betraute gesetzliche Vertreter (§ 646) und der Staatsanwalt, gleichviel, ob dieser im öffentlichen oder im Interesse des Entmündigten klagen will. Will der gesetzliche Vertreter nicht klagen, so kann der Vorsitzende des Prozeß­ gerichts dem Entmündigten auf dessen Antrag einen Anwalt als Vertreter bei­ ordnen. Diese Vorschrift weicht von § 668 insofern ab, als die Beiordnung nur in das sachliche Ermessen des Vorsitzenden gestellt ist, aber auch insofern, als der beigeordnete Anwalt nicht als Prozeßvertreter, sondern als gesetzlicher Spezialvertreter des prozeßunfähigen Entmündigten (8 57) dienen soll, und deshalb, ohne selbst einer Vollmacht zu bedürfen, sich einen Prozeßvertreter bestellen kann (vgl. RG. 21 S. 370). «61.4. III Sonst sollen auf das Verfahren die 88 665—667, 669—674, d. h. die Regeln des Anfechtungsprozefles, entsprechende Anwendung finden. Zu dieser ist folgendes von Belang. Klagegegner können der Staatsanwalt, der allgemeine oder der nach Abs. 3 beigeordnete gesetzliche Vertreter sein (§ 666). Im Falle des § 669 wird der Parteivortrag auf das Ergebnis der in dem etwaigen Anfechtungsprozeß und in dem amtsgerichtlichen Wiederaufhebungsverfahren stattgehabten Sachunter­ suchung auszudehnen sein. Für die Anwendung des an Stelle des alten 8 613 ZPO. getretenen 8 115 BGB. (vgl. Note II zu § 672) ist hier angesichts des verschiedenen Tatbestandes der Anfechtungs- und der Wiederaushebungsklage kein Raum. «bi.i.

88 Vornote.

680—687.

Entmündigung wegen Verschwendung und Trunksucht.

I. Die zweite Gruppe der Entmündigungsgründe bildet nach der Fassung, welche die Nov. v. 98 dem alten 8 621 infolge des § 6 Nr. 2, 3 BGB. gegeben hat, Verschwendung und Trunksucht. Bisher war die Frage, unter welchen Voraussetzungen jemand wegen Verschwen­ dung entmündigt werden kann, nach dem im gegebenen Falle maßgebenden Zivilrechte zu beurteilen (vgl. RG. 7 S. 346, 21 S. 167, IW. 96 S. 273). Nach 8 6 Nr. 2 BGB. ist erforderlich, daß derselbe durch Verschwendung sich oder seine Familie der Gefahr des Notstandes aussetzt oder die Sicherheit anderer gefährdet. Nach 8 $ Nr 3 BGB. kann entmündigt werden, wer infolge von Trunksucht seine Angelegen­ heiten nicht zu besorgen vermag oder sich oder seine Familie der Gefahr des Not­ standes aussetzt oder die Sicherheit anderer gefährdet.

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen, §§ 681—683.

575

§ 681. 3|t die Entmündigung wegen Trunksucht beantragt, so kann das Gericht die Beschlußfassung über die Entmündigung aussehen, wenn Aussicht besteht, daß der;u Entmündigende sich bessern werde. § 682. (622.) Die Losten des amtsgerichtlichen Verfahrens sind, wenn die Entmündigung erfolgt, von dem Entmündigten, anderenfalls von dem Antrag­ steller ?u tragen. 8 683. (623.) Der über Lie Entmündignng ;u erlassende Beschluß ist dem Antragsteller und dem ;u Entmündigenden von Amts wegen ;n;ustellen. Der die Entmündignng aussprechende Deschlvß tritt mit der Zustellung an II. Das Verfahren zwecks Herbeiführung und Wiederaufhebung dieser Ent­ mündigungen ist in den §§ 680—687, naturgemäß in wesentlicher Anlehnung an das für die erste Gruppe bestimmte Verfahren, jedoch mit gewissen Abweichungen, geregelt.

88 680—683.

ent. mündigung.

8 680. I Die Entmündigung wegen Verschwendung oder Trunksucht erfolgt nach Abs. I, 2 auf Antrag durch amtsgerichtlichen Beschluß. II. Nach Abs. 3 ist eine Reihe von Normen, die für die Entmündigung wegen Geisteskrankheit crlaffen sind, zur entsprechenden Anwendung gestellt. Es sind dies die 88 846 Abs. 1 über Antragsberechtigung, 647 über Form und Inhalt des An­ trages, 648 über Zuständigkeit, 653 über Ermittlung der Verschwendung oder Trunk­ sucht, 657 über fürsorgliche Mitteilung an die Vormundschaftsbehörde (vgl. zu dem alten 8 600 RG. 38 S. 153), 663 über die Beschwerde gegen Ablehnung der Ent­ mündigung. III . Abweichend von 8 652 schließt der Abs. 4 die Mitwirkung des Staats­ anwalts aus. IV . Der Abs. 5 läßt Landesgesetze, wonach das Antragsrecht (vgl. 8 646) Gemeinden, gemeindeähulichen oder Armenverbänden zusteht, unberührt. Solche Landesgesetze fanden sich bisher schon in verschiedenen Bundesstaaten, so z. B. in Art. 36 Abs. 4 des Bayr. G. v. 29. 4. 69 über die öfsentliche Armen- und Krankenpflege, in Nr. I des Sächs. G. v. 20. 2. 82 über Entmündigung und Bevor­ mundung von Geisteskranken, Gebrechlichen und Verschwendern, in 8 6 des SachsenWeimarischen AGzZPO. v. 21. 5. 79; und ihre Zulässigkeit nach bisherigem Rechte beruhte auf dem in 8 621 Abs. 3 zur entsprechenden Anwendung gestellten 8 595 Abs. 1 Satz 3. Die Nov. v. 98 hat diesen Satz im Interesse der Armenpflege in 8 680 übernommen (vgl. Motive zu 8 621). Bon diesem Vorbehalt hat das PrAGzZPO. Nov. v. 22. 9. 99 in Art. 1 Nr. III zugunsten der Armenverbände, im Hinblick darauf, daß Verschwender und Trunksüchtige oftmals schließlich der Armenpflege zur Last fallen, Gebrauch gemacht.

§ 681. Wird die Entmündigung wegen Trunksucht beantragt, so ermächtigt 8 681 das Amtsgericht, die Entscheidung hierüber auszusetzen, sofern Aussicht auf Besse­ rung des Provokaten besteht. Dem liegt die Erwägung zugrunde (vgl. Mot. zu 8 621 a), daß vielleicht schon die Angehung des Gerichts dem Provokaten Anlaß zur Besserung geben werde. Eine Aussetzungsfrist ist nicht bestimmt; solche wird nach den Umständen zu bemessen sein.

576 VI. Buch. Ehesachen. Feststell, d. Rechtsverhältnisses zwisch. Eltern usw. §§ 684, 685. den Entmündigten in Wirksamkeit.

Der Vormundschastsdehörde ist ein solcher

Leschtnß von Amts wegen mitzuteilen. § 684. (624.) Der die Entmündigung aussprechende Beschluß kann binnen -er Frist eines Monats von dem Entmündigten im Wege der Klage angefochten werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Deschlusses an den Entmündigten. Die Klage ist gegen denjenigen, welcher die Entmündigung beantragt hatte, falls aber dieser verstorben, oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande ist, gegen den Staatsanwalt ;u richten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der §§ 665, 667, 669, 670, 672—674 entsprechende Anwendung. § 685. (625.) Die Wiederaufhebung der Entmündigung erfolgt auf An­

trag des Entmündigten oder desjenigen gesetzlichen Vertreters des Entmündigten, welchem die Sorge für die Person ;usteht, durch Deschlust des Amtsgerichts

§ 682. Die Kosten des Verfahrens sollen, sofern die Entmündigung erfolgt, dem Ent­ mündigten, anderenfalls dem Antragsteller auferlegt werden. Wegen der Kostenerstattung Vgl. Busch 20 S. 121.

8 683 I. Nach Abs. 1 ist der ergehende Beschluß, mag er die Entmündigung ab­ lehnen oder aussprechen, von Amts wegen dem Antragsteller und dem Provokaten zuzu st eilen.

II. Nach Abs. 2 tritt der die Entmündigung aussprechende Beschluß mit der Amtszustellung an den Entmündigten in Wirtsamkeit und ist von Amts wegen der Vormundschaftsbehörde behufs Anregung der Fürsorge mitzuteilen (vgl. §§ 657, 660, 674, 678 Abs. 3). Anfechtung der Ent­ mündigung.

§ 684. Der die Entmündigung aussprechende Beschluß kann durch Klage angefochten werden.

I. Nach Abs. 1, 2 ist nur der Entmündigte klageberechtigt, und zwar innerhalb einer Präklusivfrist von einem Monat seit Zustellung des Entmündi­ gungsbeschlusses an den Entmündigten.

II. Nach Abs. 3 ist Gegner der Antragsteller und, falls dieser inzwischen ver­ storben oder sein Aufenthalt im Ausland oder unbekannt ist, beim Mangel eines anderen Ersatzmannes der Staatsanwalt, dem deshalb auch für den Fall, daß der ursprünglich beklagte Antragsteller im Laufe des Verfahrens stirbt, der Einlrrtt in den Prozeß zusteht (vgl. OLG. Dresden ziv. Arch. 68 S. 406). Ein nach Erlassung des Entmündigungsbeschlusses eintretender Wegfall der Legitimation des Antragsberechtigten bleibt wirkungslos (IW. 07 S. 748).

HL Im übrigen sollen nach Abs. 4 auf das Verfahren die dort bezeichneten Vorschriften, welche die Zuständigkeit, das Verbot der Klagenhäufung, die mündliche Verhandlung, wie Inhalt, Wirksamkeit, Mitteilung und Kosten der Entscheidung be­ treffen, entsprechende Anwendung finden. Danach sind insbesonders die §§ 668, 671 nicht mitanwendbar.

Dritter Abschnitt.

Verfahren in Entmündigungssachen §§ 686, 687.

577

unter entsprechender Anwendung der 88 647, 653, des § 676 Abs. 1, 2, des 8 677 und -es 8 678 Abs. 1, 3. § 686. (626.) Wird der Antrag auf Wiederaufhebung von dem Amts­ gericht abgelehnt, so kann dieselbe im Wege der Glage beantragt werden. Zur Erhebung der Glage ist derjenige gesetzliche Vertreter des Entmündigten befugt, welchem die Sorge für die Person Msteht. Will dieser die Glage nicht erheben, so kann der Vorschende Les Proreßgerichts dem Entmündigten einen Vechtsanwalt als Vertreter beiordnen. Die Glage ist gegen denjenigen, welcher die Entmündigung beantragt hatte, falls aber dieser verstorben, oder sein Aufenthalt unbekannt oder im Auslande ist, gegen den Staatsanwalt pr richten. Auf das Verfahren finden die Vorschriften der 88 665, 667, 669, 670,

672—674 entsprechende Anwendung. § 687. (627.) Die Entmündigung einer Person wegen Verschwendung oder wegen Trunksucht, sowie die Wiederanfhebung einer solchen Entmündigung ist von dem Amtsgericht öffentlich bekannt pi machen.

88 685, 686.

Wieder­ aufhebung

Die 88 685, 686 regeln das Verfahren, welches zwecks Wiederaufhebung der Entmündigung auf Grund verändert.r Sachlage, also wegen angeblicher Besserung m“",8Un.), und deshalb die Frage, ob und welche Frist zu gewähren, davon abhängen zu kaffen, ob voraussichtlich ein größerer wirtschaftlicher Notstand bei sofortiger Vollstreckung für den Mieter, als bei Aufschub der Vollstreckung für den Vermieter zu besorgen ist. II. Für das Verfahren ist, entsprechend den §§ 714ff., der Gesichtspunkt maßgebend, daß der Antrag auf Fristgewährung einen Teil der Hauptsache bildet. Darum muß der Antrag bei Verhandlung der Hauptsache gestellt und die Entscheidung über denselben in dem Urteile zur Hauptsache erlassen werden, im Falle der Über­ gehung dieser Entscheidung der § 321 anwendbar sein, die ergangene Entscheidung aber je nach Lage der Sache dem Einspruch oder dem ordentlichen Rechtsmittel unterliegen.

§§ 732, 723

AuilLndilchk Urteile.

Franke Busch 8 S. 1; Kohler dort 10 S. 449; v. Dar, internal. PrivN. II S. 411; Heidecker Busch 18 S. 453; Klein, Erfordernis der verbürgten Gegen seiligkeit (1899).

Die §§ 722, 723 regeln die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Voll­ streckung aus Urteilen ausländischer Gerichte im Inland« stattfindet. Der § 722 Abs. 1 macht diese Vollstreckung davon abhängig, daß deren Zulässigkeit durch ein inländisches Bollstreckungsurteil ausgesprochen ist, und die §§ 722 Abs. 2, 723 bestimmen die formellen und materiellen Voraussetzungen der auf ein solches Urteil abzielenden Klage. Bon ftretfunjsurteil.

...

.

i?Wj. 1. I Ausländische

§ 722.

Urteile setzen Rechtssprüche voraus, die im Sinne de4 ausländischen Rechts zum Zivilprozeß geeignete Ansprüche in rechtskraftfähiger Ge­ stalt entscheiden, von einem nichtdeutschen staatlichen oder staatlich autorisierten Ge­ richt ausgehen und auch nach inländischem Recht eine Vollstreckung zulaffen (vgl. RG. 9 S. 372, 16 S. 428, BayObLG. SeuffA. 46 S. 116). Danach fallen nicht unter §§ 722, 723 ausländische Schiedssprüche (vgl. RG. 5 S. 377, 9 S. 374, 30 S. 369, Gruchot 39 S. 1154, früher ROHG. 10 S. 394, 17 S. 427), sowie Urteile deutscher Beamten im Konsulardienst oder in Schutzgebieten. Daß die ausländischen Urteile unter der Herrschaft der ZPO. erfassen sind, wird nicht vorausgesetzt, wenn nur die inländische Vollstreckung unter dieser Herr­ schaft erfolgen soll. Landesgesetze, welche früher die Vollstreckbarkeit an Voraus­ setzungen abweichend von der ZPO. knüpften, sind außer Wirksamkeit gesetzt (vgl. RG. 9 S. 371, IW. 91 S. 223) und können auch künftig nicht mit Wirksamkeit erlaffen werden. Der Standpunkt der ZPO. in dieser Materie entspricht dem internationalen Recht, und deshalb ist es belanglos, ob die Parteien des vom ausländischen Gericht entschiedenen Prozeffes In- oder Ausländer sind und die Geltendmachung dieser Entscheidung im Interesse eines In- oder Ausländers erfolgt (vgl. RG. 8 S. 388).

§ 723.

(661.)

Vas VollstreckungsurteU ist ohne Prüfung Ler Gesetzmäßig­

keit der Entscheidung ;u erlassen. Das VoUstreckungsurteil ist erst ;u erlassen, wenn das Urteil des aus­ ländischen Gerichts nach dem für dieses Gericht geltenden Vechte die Rechts­ kraft erlangt hat. Cs ist nicht ju erlassen, wenn die Anerkennung des Urteils uach § 328 ausgeschlossen ist. n. Die Vorschrift des Abs. 1, daß die Vollstreckung aus einem ausländischen Urteil nur erst auf Grund eines inländischen Bollstreckungsurteils statthaft wird, hat zwingende Bedeutung. Dies ergibt sich daraus, daß sie (nebst § 328) eben einen Bestandteil der öffentlichen Rechtsordnung im internationalen Verkehre bildet.

Abs. 2.

Klaae-

Nach Abs. 2 ist das Vollstreckungsurteil durch Klage auf Erlaflung desselben zu erwirken. Diese Bestimmung kann gemäß Note II oben durch Vereinbarung der Beteiligten nicht wirksam umgangen werden (vgl. RG. 36 S. 381). Sacklich zuständig sollen für die Klage die Amts- oder die Landgerichte nach Maßgabe des § 23 Nr. 1 GBG. sein, wobei jedoch die landgerichtlichen Kammern für Handelssachen mit Rücksicht darauf, daß (vgl. Begr. 403) Klagegegenstand nicht mehr der in dem ausländischen Urteil entschiedene Anspruch selbst, sondern nur die Vollstreckbarkeit dieses Urteils ist, ausgeschlossen sind. Örtlich soll der inländische Wohnsitz des Schuldners (§§ 13—19), eventuell das Arrestforum aus § 23 maß­ gebend sein. Übrigens ist die Klage nur im ordentlichen Verfahren statthaft; und das Urteil kann nur auf Abweisung der Klage oder auf Zulassung der Vollstreckung gehen, unter­ liegt der Anfechtung durch die ordentlichen Rechtsmittel und ist nach den Vorschriften dieses Buches zu vollstrecken.

8 723. Abs. 1.

1. Das Vollstreckungsurteil ist grundsätzlich ohne Prüfung der Gesetz­ mäßigkeit der ausländischen Entscheidung zu erlassen. Das bedeutet, daß letztere Entscheidung als materielle Grundlage des Vollstreckungsurteils, also als gesetzmäßig erlassen gilt, nach ihrem vollen Inhalt, in Tat- und Rechtsfrage, mag es sich um inoder ausländisches, prozessuales oder materielles, öffentliches oder Privatrecht handeln, abgesehen von Abs. 2 (Begr. 401, RG. 9 S. 374, 13 S. 347, 16 S. 431, Wach I H 19 IV, Planck I § 71, Rintelen Busch 9 S. 194). Es fragt sich aber, ob Veränderungen, die seit Erlassung des ausländischen Urteils in dessen Rechtslage eingetreten sind, im inländischen Verfahren noch geltend gemacht werden können. Es kann sich dabei um die Existenz des Urteils selbst, z. B. dessen gänzliche oder teilweise Aufhebung infolge einer Wiederaufnahme oder eines außerordentlichen Rechtsmittels, oder um den urteilsmäßigen Anspruch, z. B. infolge einer Rechtsnachfolge, Tilgung oder Stundung, handeln (§§ 727, 767, 768). Der § 723 dürfte einer Bejahung obiger Frage nicht entgegenstehen, da er nur die Gesetzmäßigkeit des ausländischen Urteils bei dessen Erlassung betrifft, und nach dem System der ZPO. die Rechtslage am Schluffe der letzten diesem Urteile vorausgehen­ den Verhandlung maßgebend ist (vgl. RG. 1 S. 425, 4 S. 415, 9 S. 368, 13 S. 348, 48 S. 831, Gruchot 30 S. 1164, Wach I § 19 IV, Planck § 27 in, Franke Busch 8 S. 82, Rintelen dort 9 S. 191).

Abs. 2. Nach dem alten Abs. 2 sollte das Bollstreckungsurteil jedoch in fünf Fällen nicht erlassen werden, nämlich zu 1, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts nach

Erfordernisse des Bollstr.« Urteils.

606

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung § 724.

§ 724. (662.) Die Zwangsvollstreckung erfolgt auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (vollstreckbare Aus­ fertigung). Die vollstreckbare Ausfertigung wir- von dem Gerichtefchreiber -es Gerichts erster Instan; und, wenn der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, von dem Gerichtsschreiber dieses Gerichts erteilt. deffen Recht noch nicht in Rechtskraft übergegangen wäre, zu 2—5, sofern dasselbe gewissen inländischen Rechtssätzen zuwiderliefe. Die Rov. v. 98 hat obige Fälle sach­ lich im wesentlichen unverändert gelassen, auch die Nr. 1 in den neuen Abs. 2 als zeitliche Voraussetzung des Vollstreckungsurteils übernommen, dagegen die Nr. 2—5 als Verbotsgründe für dieses Urteil in den neuen § 328 gebracht und in § 723 nur auf diesen verwiesen. Die Änderung hängt damit zusammen, daß die Novelle in § 328 die Wirksamkeit ausländischer Urteile im Jnlande nicht, wie der alte § 661, bloß für die Zwangsvollstreckung, sondern in allen Rechtsbeziehungen (vgl. §§ 312, 322) hat bestimmen wollen (vgl. Mot. zu § 293 k.). Übrigens wurde auch der alte §§ 661 schon int weiteren Sinne ausgelegt (vgl. RG. 8 S. 389, 16 S. 372, IW. 86 S. 273, 92 S. 124, 93 S. 350, Wach I § 19 Note 19, Lammasch Holtzendorffs Völkerrecht 3 S. 401, Franke Busch 8 S. 114, v. Bar, Internat. PrivR. II S. 420; a. M. Planck II, § 168 II). Wenn nach Abs. 2 das Vollstreckungsurteil nicht vor Eintritt der Rechts­ kraft des ausländischen Urteils (nach ausländischem Recht beurteilt) erlassen werden soll, so ist dessen bloße Vollstreckbarkeit ohne Belang. Für die Rechtskraft wird ent­ scheidend sein, ob nach ausländischem Prozeßrecht kein ordentliches Rechtsmittel mehr zulässig ist (vgl. RG. 16 S. 428, IW. 91 S. 335). Meint der Schuldner, daß ihm noch ein außerordentliches Rechtsmittel zur Seite stehe, so mag er dieses zunächst bei dem ausländischen Gericht geltend machen (vgl. BayObLG. SeuffA. 46 S. 118). Im übrigen vgl. die Note zu § 328.

88

734—749.

Vollstreckbare Ausfertigung.

David Busch 20 S. 415. Vornote.

I Die Zwangsvollstreckung erfolgt der Regel nach (8 753) durch selbständige Boll st reckungsbeamte (Gerichtsvollzieher), ohne Mitwirkung der Gerichte. Da diesen Beamten aber eine größere Rechtskenntnis nicht zuzumuten ist, ergibt sich die Notwendigkeit, die Prüfung, ob die Zwangsvollstreckung zulässig ist, anderen Beamten zu übertragen und dem Gerichtsvollzieher eine öffentliche Urkunde vorlegen zu lassen (8 754), aus der er ohne weiteres die Beteiligten, den Gegenstand und die Modalitäten der Vollstreckung genau ersehen kann. Diese Urkunde heißt in der ZPO. die volstreckbare Ausfertigung. Nach der allgemeinen Fassung des 8 724 ist dieselbe auch da erforderlich, wo die Vollstreckung ausnahmsweise (vgl. 88 828, 887) durch die Gerichte oder doch unter deren Mitwirkung erfolgt. Sie wird zunächst von Urteilen als Hauptvollstreckungstiteln gebildet. Und zwar bedürfen Urteile der Bollstreckungsklausel ohne Unterschied, ob sie rechtskräftig (8 705) sind oder selbst die vorläufige Vollstreckbarkeit aussprechen, wie in den Fällen der 88 708, 722, 1042. Was von Urteilen gilt, gilt auch von den anderen Schuldtiteln (8 794), ausgenommen Bollstreckungs- und Arrestbefehle und einstweilige Verfügungen, welche der Vollstreckungsklausel nur dann bedürfen, wenn nach ihrer Erlassung eine Rechts­ nachfolge eingetreten ist (88 796, 929, 936). — Außerhalb der ZPO. vgl. den 8 164 KO., den 8 495 StPO. (vgl. RG. 1 S. 233), den 8 106 GenG. v. 20. 5. 98, den 8 57 GewGG. v. 29. 9. 01, die 88 31 ff. PatentG. v. 7. 4. 91.

§ 725. (663.) Die Vollstreckungsklausel: „Vorstehende Ausfertigung wird dem usw. (Ge;eichnuug -er Partei) ;um Zwecke der ZwaugsvoUstreckuug erteilt." ist der Ausfertigung des Arteils am Schlüsse beiptfugen, von dem Gerichts­ schreiber pt unterschreiben und mit dem Gerichtsstegel ;u versehen. § 726. (664.) Von Arteilen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalte von dem durch den Gläubiger pt beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt, darf eine voll­ streckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn der ßeroeis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Arkunden geführt wird. Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Bug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so ist der ßeroeis, daß der Schuldner be­ ll. Die rechtliche Bedeutung der vollstreckbaren Ausfertigung äußert sich darin, daß ihre Erwirkung unter Umständen einem erschwerten Verfahren, selbst dem Klagewege unterliegt (§§ 726 ft.), daß der Beginn der Vollstreckung von ihrer vor­ gängigen oder gleichzeitigen Zustellung an den Schuldner abhängt (§ 750), daß ihr Besitz den Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Vollstreckung ermächtigt (§ 755), und daß sie nach Erfüllung der Schuldleistung an den Schuldner auszuliefern ist (§ 757).

§ 724.

Zustrnditz. leit.

Die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung von Urteilen ist (entsprechend § 706) dem Gerichtsschreiber 1. Instanz, jedoch, solange die Sache in höherer Instanz anhängig ist, deren Gerichtsschreiber übertragen. Vgl. hierzu die Noten zu § 704, RG. 18 S. 424, Gruchot 27 S. 1118 (Fälle der Restitutionsklage bzw. eines Teilurteils), Bolze I Nr. 2115 (Vergleich in Berufungsinstanz). Die Erteilung erfolgt auf formloses Gesuch des Gläubigers. Der Gerichtsschreiber hat die Vollstreckbarkeit auf Grund der Gerichtsakten und, soweit diese nicht ausreichen, auf Grund des vom Gläubiger ihm vorzulegenden Urkundenmaterials (Zustellungs­ urkunden, Zeugnis des Gerichtsschreibcrs höherer Instanz, § 704) festzustellen. Ver­ sagt er dann die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung, so steht dem Gläubiger nach § 576 die Einholung der Entscheidung des Gerichts, ev. die Erhebung der Be­ schwerde offen.

8 725.

IBoaftre». bare Aus»

I. Die vollstreckbare Ausfertigung besteht (§ 724, 725) aus der Urteilsaus- lerUgung. fertigung und der beigefügten Bollstreckungsklausel. Es ist dazu naturgemäß eigentlich nur ein s olches Urteil geeignet, welches die Verurteilung selbst ausspricht, nicht ein solches, welches bloß ein voraufgegangenes kondemnatorisches Urteil (ganz oder teilweise oder bedingt) bestätigt. Soll ein Urteil letzterer Art dennoch verwendet werden, so sind entweder die Urteile beider Instanzen auszufertigen oder der Ausfertigung des Rechts­ mittelurteils die Verurteilungsformel des Vorurteils anzufügen (vgl. BayrGeschAnw. § 18). n. Der in § 725 erforderte Inhalt der Vollstreckungsklausel stellt nur das schlechthin Notwendige dar. Etwaige durch den konkreten Fall gebotene Zusätze können beliebig an- und eingefügt werden, namentlich Maßgaben oder Bedingungen der Leistung (§ 726), eingetretene Rechtsnachfolgen (§ 727) oder Beschränkungen der Vollstreckung auf einen Teil der Leistung oder auf eine von mehreren Leistungen. Sonst darf die Klausel von dem Urteile weder subjektiv noch objektiv abweichen, besonders nicht die Leistung durch Hinzufügung von Judikatzinsen und dergleichen erweitern.

friedigt oder im Verzüge der Annahme ist, nur dann erforderlich, wenn die dem Schuldner obliegende Leistung in der Abgabe einer Willenserklärung besteht. Bedingte usw. Leistungen.

§ 726. Abs. 1. 1. Da der Gerichtsvollzieher (vgl. Note zu § 724) nur zu unbedingter Voll­ streckung eines ihm in öffentlicher Beurkundung vorgelegten, inhaltlich unbedingt voll­ streckbaren Urteils befugt ist, bedürfen Urteile, die auf eine bedingte Leistung gehen, erst noch einer Ergänzung betreffs der Feststellung des Eintritts der Bedingung. Demgemäß bestimmt Abs. 1, daß in solchen Fällen eine vollstreckbare Ausfertigung erst dann erteilt werden darf, wenn der urteilsgemäß vom Gläubiger zu beweisende Eintritt der bedingenden Tatsache, soweit sie nicht gerichtskundig (§ 727), durch öffentliche (§§ 415, 418) oder (nach Nov. v. 98, vgl. RG. 13 S. 331) öffentlich beglaubigte (FreiwGG. § 183) Urkunden geführt wird. Enthält ein Vollstreckungstitel, welcher auf Ratenzahlungen lautet, die kassatorische Klausel, so liegt der Beweis der erfolgten Zahlung einer Rate dem Schuldner ob (so die Kommentare; vgl. BGB. §§ 345, 358). 2. a) Besteht die Bedingung in einer eigenen Leistung des Gläubigers, d. h. in einer Vorleistung desselben, so kann dieser nach § 322 Abs. 2 BGB. gegen den im Annahmeverzuge befindlichen Schuldner auf Leistung nach Empfang der Gegen­ leistung klagen, muß dann aber auch zur Erlangung der vollstreckbaren Ausfertigung den Empfang der Gegenleistung schuldnerischerseits beweisen. Auch ohne Vorleistung kann er aber nach §§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2 BGB. die Vollstreckungsklausel er­ wirken, sofern er nachweist, daß der Schuldner sich im Annahmeverzuge befindet, eine Tatsache, die nach Annahme der Motive zum alten § 664 regelmäßig schon aus den Feststellungen im Urteile sich ergeben wird. Als Vorleistung gilt aber nicht, was der Gläubiger nur in Bestätigung oder Folge der urteilsmäßigen Leistung dem Schuldner zu leisten hat, z. B. die Quittung. b) Nur wenn die Bedingung in einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheits­ leistung besteht, wozu nach § 751 noch die Bedingung des Eintritts eines be­ stimmten Kalendertages tritt, sieht Abs. 1 mit Rücksicht auf die Einfachheit der Fälle von obigen Erschwerungen ab und vertraut dem Gerichtsvollzieher allein die Feststellung des Eintritts der Bedingungen an. c) übrigens darf im Falle des Abs. 1 der Gerichtsschreiber die vollstreckbare Aus­ fertigung nur auf Anordnung des Vorsitzenden erteilen (§ 730, vgl. Rieß Gruchot 51 S. 581 ff.).

Abs. 2. Unter dem alten § 664 bestand Streit, ob Leistungen Zug um Zug unter Abs. 1 fielen. Die RIK. versuchte die Regelung der Frage, scheiterte aber an deren Schwierigkeit (vgl. Prot 351). Theorie und Praxis gelangten überwiegend zur Verneinung der Frage (vgl. RG. Gruchot 32 S. 429 und IW. 89 S. 479, Planck § 171 zu II, Eccius Gruchot 23 S. 739, Brettner Busch 3 S. 330, Falkmann, ZwVollstr. S. 36; a. M. Wach, Vorträge (1. Aufl.) S. 236, Fitting ziv. Arch. 61 S. 436, Kohler dort 72 S. 29, Hellmann § 127, I 1, Weismann, Feststellungsklage S. 127). Die Nov. v. 98 ist in Abs. 2 der herrschenden Meinung auf Grundlage des BGB. -gefolgt. Nach diesem kann der Schuldner zur Leistung Zug um Zug in den Fällen der §§ 274 (Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts), 322 (Einrede der Nicht­ erfüllung bei gegenseitigen Verträgen) und 548 (Ausübung des vertragsmäßigen Rück­ trittsrechts) verurteilt werden, und der Gläubiger kann dann seine Forderung, auch ohne daß er seine Leistung erfüllt, für den Fall zur Vollstreckung bringen, daß der Schuldner im Annahmeverzuge ist. Die Nov v. 98 erwägt daraufhin, daß der

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen § 727.

609

§ 727. (665.) Cine vollstreckbare Ausfertigung kann für Len Rechts­ nachfolger des in dem Urteile bezeichneten Gläubigers fowie gegen denjenigen Rechtsnachfolger des in dem Urteile bezeichneten Schuldners und denjenigen -Lefcher der in Streit befangenen Sache, gegen welche das Urteil nach § 325 wirksam ist, erteilt werden, sofern die Rechtsnachfolge oder das Lesttzverhältnis bei dem Gericht offenkundig ist oder durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiefen wird. Äst die Rechtsnachfolge oder das Refchverhältnis bei dem Gericht offen­ kundig, so ist Lies in der Vollstreckungsklausel zu erwähnen. Gläubiger zur vollständigen Wahrung seines Interesses befugt sein müsse, seine Leistung in der Hand zu behalten, um beim Beginn der Vollstreckung den Schuldner noch durch Anbieten der Leistung in Annahmeverzug setzen zu können. Deshalb läßt Abs. 2 ite Erwirkung der vollstreckbaren Ausfertigung nicht von dem Beweise abhängen, daß der Schuldner befriedigt oder im Annahmeverzuge ist. Die Prüfung, ob diesen Ersordernisten genügt ist, fällt dann nach Maßgabe der §§ 756, 765 erst bei Beginn der Vollstreckung dem Gerichtsvollzieher, bzw. Vollstreckungsgericht zu. Nur für den Fall, daß die bedingte Leistung des Schuldners in Abgabe einer Willenserklärung gemäß § 895 besteht, ist eine besondere Vorschrift in § 895 Abs. 1 getroffen. Wegen disjunktiv vollstreckbarer Schuldtitel vgl. Levy Gruchot 36 S. 31.

8 727.

Nachfolger.

Schultze, Vollstreckbarkeit der Schuldtitel für und gegen den Rechtsnachfolger (1891).

I. Der § 727 bestimmt, inwieweit eine vollstreckbare Ausfertigung für oder gegen andere als die Urteilsparteien erteilt werden darf, und legt hierbei den Gesichtspunkt zugrunde, daß die Erteilung insoweit zulässig ist, als das Urteil für oder gegen Dritte wirkt. a) Für den Rechtsnachfolger des im Urteil bezeichneten Gläubigers ist die Erteilung unbeschränkt. Dabei will das Gesetz, wenn auch Rechtsnachfolgen, die erst nach Erlassung des Urteils eintreten, die Regel bilden werden, solche, die bereits im Lauf einer Instanz vorgekommen und nur aus irgendeinem Grunde im Urteile nicht berücksichtigt sind, keineswegs ausschließen (vgl. § 768, RG. 7 S. 332, 35 S. 386). Ein Unterschied zwischen allgemeiner und Sonderrechtsnachfolge ist, entsprechend dem § 325, nicht gemacht. b) Gegen den Rechtsnachfolger des im Urteil bezeichneten Schuldners ließ der ■dtte § 665 die Erteilung der Bollstreckungsklausel zu, sofern es sich um eine allgemeine Rechtsnachfolge oder um eine Sondernachfolge nach Maßgabe der alten §§ 236, 238 handelte (vgl. RG. 27 S. 237, 29 S. 399). Der § 727 (Rov. v. 98) hat, nachdem in § 325 die Voraussetzungen, unter denen das Urteil gegen den allgemeinen oder Sondernachfolger des Schuldners, sowie gegen den Besitzer der Streitsache wirksam ist, int Zusammenhänge geregelt sind, diesen sich angeschloffen. Vgl. die Erläuterung zu § 325.

i.

IL Prozessualisch setzt die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung, wenn sie «bs. i, r. ohne Klage erfolgen soll (§ 731), voraus, daß die Rechtsnachfolge gerichtskundig ist oder durch Vorlegung öffentlicher oder öffentlich beglaubigter (vgl. Kommiff.53er. des Reichst. S. 177, § 183 FreiwGG.) Urkunden nachgewiesen wird. Die Feststellung dieser Voraussetzung ist Sache des Vorsitzenden (§ 730). Für den Fall Ler Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge ist Abs. 2 zu beachten. Reincke, ZP0. 6. Aiifl.

39

610

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung §§ 728, 729.

§ 728. M gegenüber dem Vorerben ein nach § 326 dem Vacherben gegen­ über wirksames Ärteii ergangen, so finden auf die Erteilung einer vollstreck­

baren Ausfertigung für und gegen den Nacherben die Vorschriften des § 727 entsprechende Anwendung. Das gleiche gilt, wenn gegenüber einem Testamentsvollstrecker ein nach 8 327 Lem Crben gegenüber wirksames Urteil ergangen ist, für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für und gegen den Erben. Eine vollstreck­ bare Ausfertigung kann gegen den Erben erteilt werden, auch wenn die Ver­ waltung des Testamentsvollstreckers noch besteht. § 729. Hat jemand das Vermögen eines anderen durch Vertrag mit diesem: nach der rechtskräftigen Feststellung einer Schuld -es anderen übernommen, so finden auf die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen den Übernehmer die Vorschriften Les § 727 entsprechende Anwendung.

Das gleiche gilt für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung gegen Dem Anträge des Pfändungspfandgläubigers auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung kann nicht entgegengehalten werden, daß andere Pfändungen voraus­ gegangen seien (RG. 57 S. 326, IW. 04 S. 262).

SukzelponSähnliche

88 728, 729.

»säe.

In 88 728, 729 ist die Vorschrift des 8 727, betreffend die Voraussetzungen der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung für oder gegen Rechtsnachfolger der UrteilsParteien, auf gewisse der Rechtsnachfolge ähnliche Fälle in ZPO., BGB. und HGB. für entsprechend anwendbar erklärt.

FLlle der 326, 327

§ 728.

«Po.

grlle von z 419 B»B. « rerHGB.

I. Der Abs. 1 betrifft den Fall, daß gegenüber dem Vorerben ein nach § 326 auch gegenüber dem Nacherben wirksames Urteil erlassen ist. In diesem Falle wäre, da (vgl. Note zu § 326) das Gesetz den Nacherben nicht als Rechtsnachfolger des Vorerben ansieht, 8 727 an sich nicht anwendbar. Deshalb ist in Abs. 1 besonders vorgesehen, daß eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils für und gegen den N a ch erben gemäß § 727 erteilt werden kann. n. In Abs. 2 handelt es sich um Fälle, in denen ein gegenüber dem Testa­ mentsvollstrecker erlassenes Urteil nach 8 327 für oder gegen den Erben wirksam ist. Hier ist aus gleicher Erwägung, wie in Abs. 1, die Erteilung der vollstreckbaren Aus­ fertigung gegenüber dem Erben nach Maßgabe des § 727 zugelassen, jedoch mit einer zeitlichen Modifikation. Soweit nämlich das Urteil zugunsten des Testaments­ vollstreckers lautet, darf gemäß §§ 2211, 2212 BGB. erst nach Beendigung seiner Vermögensverwaltung die Erteilung der Vollstreckungsklausel für den Erben erfolgen. Soweit das Urteil zuungunsten des Testamentsvollstreckers lautet, erachtet die Nov. v. 98(vgl. Mot. zu 8 665 a) die Rücksicht auf die Haftung des Erben für die Nachlaß­ verbindlichkeiten (§8 1967 ff. BGB.) für überwiegend, und bestimmt deshalb, daß die Vollstreckungsklausel gegen den Erben schon während des Bestehens der Verwaltung, des Testamentsvollstreckers erteilt werden darf. 8 729. Der 8 729 betrifft zwei Fälle, in denen der vertragliche Erwerber eines Bermögensinbegriffs für die Schulden des Veräußerers haftet.

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen § 730.

611

denjenigen, welcher ein unter Lebenden erworbenes Handelsgeschäft unter der bisherigen Firma fortführt, in Ansehung der Verbindlichkeiten, für welche er nach § 25 Abs. 1 Latz 1, Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs haftet, sofern sie vor dem Erwerbe des Geschäfts gegen den früheren Inhaber rechtskräftig fesigestellt worden sind. § 780. (666.) In den Fällen des § 726 Abs. 1 und -er §§ 727—729 darf die vollstreckbare Ausfertigung nur auf Anordnung des Vorsitzenden er­

teilt werden. Vor der Entscheidung kann der Schuldner gehört werden. Die Anordnung ist in der Vollstrecknngsklausel ;u erwähnen. I. Nach §419 BGB. können die Gläubiger eines Schuldners, der Vertragsmäßig sein Vermögen an einen anderen überträgt, ihre zur Zeit des Bertragsschlusses bestehenden Ansprüche auch gegen den Übernehmer geltend machen; doch beschränkt sich

Abs. i.

dessen Haftung auf den übcrnomnienen Vermögensbestand und die vertraglich er­ worbenen Rechte. Wegen dieser beschränkten Rechtsnachfolge würde die vollstreckbare Ausfertigung eines gegen den früheren Bermögensinhaber ergangenen Urteils gegen den Übernehmer nach § 727 nur insoweit erteilt werden können, als das Urteil einen dinglichen Anspruch oder eine mit dem Besitz einer Sache verknüpfte persönliche Verbindlichkeit zum Gegenstände hätte. Im Interesse der Gläubiger des Vermögens läßt Abs. 1 aber zu, daß die Erteilung unbeschränkt und allgemein erfolgen darf, un­ beschadet des in § 419 BGB. bestimmten Haftungsumfanges (vgl. Mot. zu § 665 b). II. Nach § 25 Abs. 1, 2 HGB. haftet derjenige, der ein vertraglich erworbenes Handelsgeschäft unter bisheriger Firma fortführt, für die Geschäftsschulden des früheren Inhabers, sofern nicht eine abweichende Vereinbarung der Vertragsschließenden ins Handelsregister eingetragen und bekannt gemacht oder den Gläubigern mitgeteilt ist. Auch hier läßt im Interesse der Gläubiger der Abs. 2 nach, daß bezüglich des wegen einer Geschäftsschuld gegen den früheren Inhaber ergangenen Urteils die Voll­ streckungsklausel gegen den Erwerber nach Maßgabe des § 727 erteilt wird.

§ 730. Für die in den Fällen der §§ 726 Abs. 1, 727—729 zu erteilende vollstreckbare Ausfertigung sieht § 730 im Verfahren gewisse Abweichungen von ß 724 vor. I Die Erteilung darf nur auf Anordnung des Vorsitzenden (Amtsrichters) erfolgen. Diese Funktion besteht wesentlich in der Feststellung, ob die be­ sonderen Voraussetzungen obiger Fälle vorliegen, indem man es angesichts der recht­ lichen Komplikation solcher Fälle nicht für ratsam erachtet hat, dem Gerichtsschreiber diese Prüfung zu überlassen (vgl. Prot. 347, 564, vgl. RG. IW. 02 S. 325). II Ob der Vorsitzende zunächst noch den Schuldner hören will, was schriftlich oder durch protokollarische Vernehmung geschehen kann, bleibt nach Abs. 2 seinem Er­ messen überlassen. III. Nach außen hin betätigt sich der Vorsitzende unmittelbar nicht. Der Gerichtsschreiber hat dessen Anordnung einzuholen und gemäß derselben den Be­ scheid an den Antragsteller zu erlassen. Versagt der Vorsitzende die vollstreckbare Aus­ fertigung, so ist der Antrag vom Gerichtsschreiber abzulehnen; andrenfalls hat dieser dem Anträge stattzugeben, in der Vollstreckungsklausel aber die Anordnung des Vor­ sitzenden zn erwähnen. Infolgedessen bildet nur dieser Bescheid den Gegenstand der Anfechtung. Dem Gläubiger steht gegen die Ablehnung seines Antrages die Be­ schwerde aus §§ 576, 577 Abs. 4, dem Schuldner gegen die Erteilung der voll­ streckbaren Ausfertigung die Erhebung von Einwendungen gemäß §§ 732, 768

Er.

verfahren In zz 726—729.

E i.

w r.

«b>. s.

612

YIU. Buch. Zwangsvollstreckung §§ 731, 732.

8 731. (667.) Kann der nach dem 8 726 Abs. 1 und den 88 727—729 erforderliche Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nicht geführt werden, so hat der Gläubiger bei dem pro;eßgericht erster Lnstan; ans dem Urteil auf Erteilung der Vollstreckungsklausel Llage ;u erheben. 8 732. (668.) Über Einwendungen des Schuldners, welche die Zulässigkeit der Vollstrecknngsklausel betreffen, entscheidet das Gericht, von dessen Gerichts­ schreiber die Vollstreckungsklausel erteilt ist. Die Cntschelliung kann ohne vor­ gängige mündliche Verhandlung erfolgen. Das Gericht kann vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung er­ lassen ; es kann insbesondere anordnen, daß die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung einstweilen einrustellen oder nur gegen Sicherheitsleistung fortzusetzen sei. zu (vgl. RG. 20 S. 376, Planck I 8 36 Note 30, Hellmann 8 127 zu I, 1, die Kommentare, a. M. Brettner Busch 3 S. 334).

Klagt auf Bollstr.. «taufei.

8 731.

I Falls der Gläubiger den nach 88 726—729 erforderlichen Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nicht führen kann, verweist § 781 ihn aus den Weg der Klage (bzw. Widerklage, vgl. RG. Gruchot 33 S. 1202). Diese ist gemischter Natur. Sachlich bildet sie eine Fortsetzung des früheren Verfahrens zwecks der Geltendmachung, daß das darin ergangene Urteil nunmehr unbedingt oder für oder wider den Rechtsnachfolger wirksam sei. Formell leitet sie einen selbständigen Rechtsstreit ein (vgl. Prot. 351). II. Daraus lassen sich für das Verfahren folgende Gesichtspunkte entnehmen. Dasselbe ist allemal das ordentliche. Zuständig ist das frühere Prozeßgericht 1. In­ stanz, und zwar gemäß 8 802 ausschließlich. Der Anspruch stellt sich als prozeßrechtlicher dar und geht auf Erteilung der Vollstreckungsklausel. Die Erfordernisse der 88 726—729 sind sachlich zu begründen, ohne Beschränkung der Beweisführung. Bei einer Klage gegen die allgemeinen Rechtsnachfolger des Schuldners ist zu er­ wägen, ob nach Zivilrecht alle Rechtsnachfolger beklagt werden müssen oder nicht (vgl. RG. 28 S. 399). Die Verteidigung des oder der Beklagten kann sich lediglich gegen das Vorhandensein der obigen Erfordernisse richten, aber auch Einwendungen gegen den zuerkannten Anspruch selbst (8 767) erheben, weil dadurch dessen Grundlage hin­ fällig werden würde (vgl. RG. 1 S. 425, 8 S. 415, 11 S. 434, 34 S. 350; a. M. Rintelen Busch 9 S. 205). Dazu gehört auch die Einwendung gemäß 8 781 (OLG. Celle Busch 37 S. 282 und Seuffert zu 8 731). Das Urteil kann auf Abweisung der Klage oder auf Erteilung der Vollstreckungsklausel gehen, und letzterenfalls hat der Gerichtsschreiber, sofern ihm die Rechtskraft oder die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils nachgewiesen wird, die Klausel zu erteilen. III. Vgl. außerhalb der ZPO. u. a. für Feststellungen und Zwangsvergleiche im Konkurse die 88 164, 194 KO., für Vorschuß- und Nachschußberechnungen im Genoffenschaftskonkurse den 8 106 G. v. 20. 5. 98.

Elmven8 732. tungen gegen Kiel’ I- Abs. 1 gewährt dem Schuldner, gegen den die Vollstreckungsklausel sich richtet, „JI j’ für die Erhebung von Einwendungen gegen deren Zulässigkeit einen verein­ fachten Rechtsbehelf, vorausgesetzt natürlich, daß nicht bereits nach 8 731 über Er­ teilung der Klausel erkannt ist. Die Einwendungen können die allgemeinen oder die besonderen Ersorderniffe der Vollstreckbarkeit betreffen, während Einwendungen, welche

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen § 733.

613

§ 733. (669.) Gme weitere vollstreckbare Ausfertigung darf derselben Partei, sofern nicht die Mrst erteilte Ausfertigung surückgegeben wird, nur ans Anordnung des Vorsitzenden erteilt werden. Vor der Entscheidung kann der Schuldner gehört werden. Der Gerichtsschreiber hat von der Erteilung der weiteren Ausfertigung, wenn die Entscheidung, durch welche dieselbe angeordnet wir-, nicht verkündet ist, den Gegner in Kenntnis ;u sehen. Die weitere Ausfertigung ist als solche unter Erwähnung der Entscheidung ausdrücklich ;n be;eichnen. die Ausführung der Vollstreckung oder den zu vollstreckenden Anspruch selbst berühren, in §§ 766, 767 ihre prozessuale Regelung finden.

Obiger Rechtsbehelf, neben dem übrigens nach § 768 betreffs der materiellen Erfordernisse aus §§ 726—729 auch noch die Klage freisteht (vgl. RG. IW. 84 S. 173), ist, wie die Begr. es ausdrückt (S. 407), „nach Art einerBeschwerde" gestaltet, so daß § 576 Platz greift. Zuständig ist das Gericht, deffen Gerichtsschreiber die Vollstreckungsklausel erteilt hat. Mündliche Verhandlung steht im gerichtlichen Ermeffen. Die Entscheidung ergeht durch Beschluß, der, da es sich erst um Vorbereitung der Vollstreckung handelt, der einfachen Beschwerde (vgl. RG. 31 S. 312) unterliegt. Die Entscheidung bringt die Prozessualen Einwendungen des Schuldners endgültig, unter Ausschließung einer späteren Klage, zur Erledigung, und dieser kann sie, falls sie ihm günstig ist, gemäß § 775 verwerten.

II. Die Entscheidung hat keine aufschiebende Wirkung. Indes darf das Gericht vor der Entscheidung eine einstweilige Anordnung auf bedingte oder unbe­ dingte Einstellung oder bedingte Fortsetzung (nicht auf Aufhebung) der Vollstreckung erlaffen (vgl. § 572 Abs. 3, Peters Gruchot 29 S. 352, Boß ziv. Arch. 71 S. 227).

§ 733.

«bs. r.

Weitere Vollstreck-

Eine weitere (d. h. nochmalige) vollstreckbare Ausfertigung kann für den b-re Au«. Gläubiger aus mehrfachen Gründen, namentlich zur Vollstreckung gegen verschiedene ” eung"

Schuldner, an verschiedenen Orten oder in verschiedene Vermögensteile deS Schuldners oder wegen Verlustes der ersten Klausel erforderlich werden. Ihre Erteilung ist sach­ lich nicht beschränkt, jedoch formell zur Verhinderung mißbräuchlicher Verwertung der weiteren Bollstreckungsklausel gewissen Beschränkungen unterworfen. a) Nach Abs. 1 soll eine weitere vollstreckbare Ausfertigung, falls nicht die erste w. i-«. zurückgegeben wird, nur auf Anordnung des Vorsitzenden (Amtsrichters) erteilt werden. b) Dieser kann (Abs. 2) vor der Entscheidung den Schuldner hören, was in bedenklichen Fällen allemal angezeigt sein wird und in beliebiger Form geschehen kann. Die Entscheidung des Vorsitzenden bleibt ein Internum des Gerichts; die Be­ scheidung des Antragstellers steht gemäß § 730 dem Gerichtsschreiber zu, der allerdings an die Entscheidung des Vorsitzenden gebunden ist. c) Nach Abs. 3, 4 hat der Gerichtsschreiber die weitere vollstreckbare Ausfertigung als solche zu bezeichnen und darin die Entscheidung des Vorsitzenden zu erwähnen, auch, sofern diese nicht verkündet ist (§ 329), von der Erteilung der Klausel dem Schuldner formlos Mitteilung zu machen (vgl. Begr. 405). Der Schuldner, gegen den eine weitere Vollstreckungsklausel erteilt ist, kann nach Empfang der Mit­ teilung laut ß 732 die Entscheidung des Gerichts einholen, eventuell Beschwerde er­ heben (vgl. RG. 31 S. 312, Möller Busch 5 S. 297).

614

Vm. Buch.

Zwangsvollstreckung §§ 734—736.

§ 734. (670.) Vor -er Aushändigung einer vollstreckbaren Ausfertigung ist auf -er Urschrift des Urteils ;u bemerken, für welche Partei und zu welcher Zeit die Ausfertigung erteilt ist. § 735. Zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins genügt ein gegen den Verein ergangenes Urteil. § 736. Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist rin gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich. Aus» fertigungS. notiz.

Soudersille zu g ?27.

§ 734.

Dem Gerichtsschreiber ist eine fortlaufende Kontrolle der erteilten Vollstreckungs­ klauseln in der Art auferlegt, daß er vor Aushändigung einer jeden auf der Urteils­ urschrift (§ 315) zu notieren hat, für welche Partei und wem die Ausfertigung erteilt ist. 88

735-749.

Die 88 735—749 (Nov. v. 98) enthalten, (vgl. Mot. zu 8 670a—p) eine Reihe von Vornote. Vorschriften, die für gewisse Rechtsverhältnisse deren besonderer Natur entsprechend, die Regeln der §§ 727, 730—732 über die Voraussetzungen und Maßgaben, unter denen die ZwBollstreckung zulässig und die vollstr. Ausfertigung von Urteilen zu er­ teilen ist, ausgcstalten. Es handelt sich dabei um Rechtsverhältnisse mit teils ge­ meinsamer, teils verschiedener Beteiligung mehrerer, bei denen es sich nicht ohne weiteres versteht, inwieweit und inwiefern ein gegen einzelne oder die Gesamtheit ergehendes Urteil gegen die anderen oder gegen die Gesamtheit zur Voll­ streckung gebracht werden darf. Ni»t rechtsWgcr Dnein.

8 735. Planck DIZ. 1900 S. 80.

Nach § 50 Abs. 2 ZPO. hat ein sonst nicht rechtsfähiger Verein (vgl. 88 21 ff. BGB) als Beklagter im Zivilprozeß die Stellung eines rechtsfähigen Ver­ eins. In Konsequenz dieses aus wirtschaftlichen Rücksichten hervorgegangenen Rechts­ satzes bestimmt der 8 735, daß für die ZwBollstreckung in das Vermögen eines solchen Vereins ein gegen diesen ergangenes Urteil genügt. Dadurch wird Erwirkung eines Vollstreckungstitels gegen die einzelnen Vereinsmitglieder entbehrlich. Gelelllchast nach BGB.

8 736.

Laut 88 718, 719 BGB. kann bei einer nach 8 705 dort eingegangenen Ge­ sellschaft (anders bei der offenen Handelsgesellschaft, 8 124 Abs. 2 HGB.) ein Gesellschafter nicht über seinen Anteil an dm einzelnen Vermögensstücken der Gesell­ schaft verfügen, auch die Gesellschaft als solche nicht verklagt werden. Mit Rücksicht hierauf verordnet der 8 736, daß zur Vollstreckung in das Vermögen einer solchen Gesellschaft ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich sein soll, wobei übrigens nach 88 710, 714 BGB. die Klage der Regel nach nur gegen den geschäftsführenden Gesellschafter zu richten sein wird. Die Tragweite der Vorschrift ist nicht beschränkt. Diese trifft daher die Zwangs­ vollstreckung nicht nur wegen eigentlicher Gesellschaftsschulden, sondern auch wegen jeder Verbindlichkeit, für welche die Gesellschafter rechtsgeschäftlich oder gesetzlich, wie namentlich aus unerlaubten Handlungen, als Gesamtschuldner zu hasten haben (vgl. Mot. zu § 670b).

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen §§ 737, 738.

615

§ 737. Lei dem Nießbrauch an einem Vermögen ist wegen der vor der LesteUung des Nießbrauchs entstandenen Verbindlichkeiten des Lestellers die Zwangsvollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände ohne Rücksicht auf den Nießbrauch piläsfrg, wenn der Lesteller ;u der Leistung und Ler Nießbraucher;ur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist. Das gleiche gllt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Nachlaß­ verbindlichkeiten.

§ 738. Äst die Gestellung des Nießbrauchs an einem Vermögen nach Ler rechtskräftigen Feststellung einer Schuld des Lestellers erfolgt, so finden auf die Erteilung einer in Ansehung der dem Nießbrauch unterliegenden Gegen­ stände vollstreckbaren Ausfertigung -es Urteils gegen den Nießbraucher die Vor­ schriften der §§ 727, 730—732 entsprechende Anwendung. Das gleiche gilt bei dem Nießbrauch an einer Erbschaft für die Erteilung -einer vollstreöckaren Ausfertigung des gegen den Erblasser ergangenen Urteils.

§§ 737,' 738

Nießbrauch an Ber-

Die §§ 737, 738 regeln die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in den Nieß- sonwte. brauch an einem Vermögen oder einer Erbschaft wegen solcher Verbindlichkeiten, die vor der Begründung des Nießbrauchs an den Besteller, bzw. den Nachlaß ent­ standen sind. Sie gehen materiellrechtlich davon aus, daß nach §§ 1085, 1089 BGB. die Gläubiger der Forderungen ihre Befriedigung aus dem zum Nießbrauche bestellten Vermögen ohne Rücksicht auf den Nießbrauch verlangen dürfen und der Nieß­ braucher dieselbe dulden muß. Auf dieser Grundlage sind daher auch die prozeßrechttichen Voraussetzungen der fraglichen ZwBollstreckung bestimmt. I. Nach § 737 ist regelmäßige Voraussetzung, daß wegen der Verbindlichkeit § 737. der Besteller des Nießbrauchs bzw. der Nachlaß zur Leistung und zugleich der Nießbraucher zur Duldung der Vollstreckung verurteilt wird. Der Gläubiger kann diese Verurteilung durch getrennte oder verbundene Klage herbeiführen, wobei letzterenfalls die §§ 36 Nr. 3, 62 anwendbar werden können. Übrigens sieht § 794 Abs. 2 von der Verurteilung des Nießbrauchers zur Duldung ab, sofern er die sofortige Zwangsvollstreckung in den Nießbrauch mittels einer Urkunde gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 5 bewilligt hat. II. Nur für den Fall, daß vor der Begründung des Nießbrauchs bereits die § 73g. rechtskräftige Feststellung der Verbindlichkeit gegen den Besteller erfolgt, soll -nach § 738 die Voraussetzung aus § 737 außer Anwendung bleiben und ohne weiteres «ine vollstr. Ausfertigung des Feststellungsurteils gegen den Nießbraucher gemäß der Regel der §§ 727, 730—732 erteilt werden.

§§ 739—745.

Eheliches Güterrecht.

Für den Güterstand von Eheleuten sind im BGB. verschiedene Formen Bornote, festgesetzt, nämlich als gesetzliche Form die Verwaltung und Nutznießung deS Mannes am eingebrachten Gute der Frau (Buch IV 6 zu I), als vertrags­ mäßige Form die allgemeine Gütergemeinschaft, die Errungenschafts­ gemeinschaft und die Fahrnisgemeinschaft (Buch IV Tit. 6 zu II). In Ansehung der Rechtsverhältnisse, die mit diesen Güter standsformen zusammenhängen, ist nun in den §§ 739—745 die Zulässigkeit der ZwVollstreckung geregelt.

VIII. Buch.

616

Zwangsvollstreckung §§ 739, 740.

H 739. Lei dem Güterstande der Verwaltung und Nutznießung, der Er­ rungen sch astsgemein schäft oder der Fahrnisgemeinschaft ist die Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut der Ehefrau nur zulässig, wenn die Ehefrau ;u der Leistung und der Ehemann ;ur Duldung der Zwangsvollstreckung in das einge­ brachte Gut verurteilt ist. § 740. Lei dem Güterstande der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Er­ rungenschaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschaft ist ;ur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut ein gegen den Ehemann ergangenes Urteil erforderlich undgenügend. ZwangsVollstreckung gebrachtes

Zwanasvollstreckung in Gesamt­ gut.

8 739. Bei dem Güterstande der Verwaltung und Nutznießung, der Errungen­ schaftsgemeinschaft oder der Fahrnisgemeinschaft kommen, falls ein. Gläubiger der Frau die Vollstreckung in deren eingebrachtes Gut (§§ 1363, 1520, 1550 BGB.) erwirken will, naturgemäß beide Eheleute in Betracht, die Frau als Eigentümerin, der Mann als Nießbraucher des Eingebrachten. Nach §§ 1411, 1525, 1550 a. a. O. kann der Gläubiger sich ohne Rücksicht auf das Verwaltungs­ und Nutznießungsrecht des Mannes an das Eingebrachte halten, und nach §§ 1375, 1525 Abs. 2, 1550 Abs. 2 a. a. O. ist der Mann in Prozessen betreffend das Ein­ gebrachte zur Vertretung der Frau nicht befugt. Damit ergibt sich eine ähnliche Rechtslage, wie im Falle des § 737; und deshalb bestimmt § 739, daß die Voll­ streckung in das Eingebrachte nur dann zulässig sein soll, wenn die Frau zur Leistung, der Mann zur Duldung der Vollstreckung verurteilt ist. Die gegen den Mann gerichtete Klage ist keine Feststellungsklage, wie der gesetzliche Inhalt des zu erhebenden Anspruchs beweist. — Werden beide Eheleute gleichzeitig verklagt, so sind sie nicht notwendige Streitgenossen (§ 62). Die Klage könnte auch gegen jeden Ehegatten gesondert erhoben werden, und die Rechtskraft des in dem einen Prozeß ergehenden Urteils würde dann nicht für den anderen gelten (RG. 59 S. 234, IW. 05 S. 49). Anders Geib ziv. Arch. 94 S. 317 ff. und das. 97 S. 161 ff., Rechtsschutzbegehren und Anspruchsbetätigung S. 148 ff. und die Kommentare von Seuffert und Struckmann-Koch. Das auf Duldung lautende Urteil berechtigt in seinem Bereich zur Anwendung aller sonst zulässigen Vollstreckungsmittel (vgl. RG. IW. 09 S. 321). Die Vorschrift zieht nach ihrer Tendenz (vgl. Mot. zu § 670 e) und nach dem Grundsatz der Analogie zugleich die Anwendung der §§ 738 Abs. 1 und 794 Abs. 2 nach sich, was für letztere Bestimmung noch besonders vorgesehen ist.

§ 740. Seuffert Gruchot 43 S. 139; Falkmann DIZ. 1900 Nr. 4, gegen ihn Planck dort Nr. 11.

Beim Güterstande der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschafts- und der Fahrnisgemeinschaft (BGB. Buch IV Tit. 6 zu II) können die Gläubiger des Mannes und unter gewissen Maßgaben auch die der Frau ihre Befriedigung aus dem Gesamtgut suchen, und der Mann ist zur Verwaltung, insbe­ sondere zur Prozeßführung hinsichts des Gesamtguts in eigenem Namen befugt (BGB. §§ 1443, 1459, 1519, 1530, 1549 ff.). Diesem Rechtsstande entspricht es, daß der § 740 zur Vollstreckung in das Gesamtgut in allen Fällen eine gegen den Mann ausgesprochene Verurteilung als erforderlich, aber auch genügend hinstellt. Damit werden, wie naturgemäß und in den Mot. zu § 670f besonders bemerkt ist, die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nicht berührt. Dies-

§ 741. {Betreibt die Ehefrau selbständig ein Crwerbggeschäst, so ist;ur Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut und in das Gesamtgut ein gegen die Ehefrau ergangenes Urteil genügend, es sei denn, daß M Zeit des Eintritts der Rechtshängigkeit der Einspruch des Ehemanns gegen den {Betrieb des Crwerbsgeschästs oder der Widerruf feiner Ginwillignng pt dem {Betrieb im Güter­ rechtsregister eingetragen war. § 742.

Äst der Güterstand der Verwaltung und Nutznießung, der Er-

rungenschaftsgemeinschast oder der Fahrnisgemeinschaft erst eingetreten, nach­ dem ritt von der Ehefrau oder gegen sie geführter Rechtsstreit rechtshängig ge­ worden ist, so finden auf die Erteilung einer in Ansehung des eingebrachten Gutes der Ehefrau vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils für oder gegen den Ehemann die Vorschriften der §§ 727, 730—732 entsprechende Anwendung. Das gleiche gilt für die Erteilung einer in Ansehung des Gesamtguts vollgilt namentlich für den Fall, daß eine zum Gesamtgute gehörige Sache im Besitz der Frau oder ein dazu gehöriges Recht auf deren Namen grundbuchmäßig eingetragen ist; denn dann wird der Gläubiger der Gesamtgutsverbindlichkeit erst noch gegen die Frau eine besondere Klage auf Herausgabe der Sache oder auf Umschreibung des Rechts (vgl. §§ 809, 846—848) zu erheben haben.

§ 741. Wenn die Frau ein selbständiges Erwerbsgeschäft mit Einwilligung, bzw. mit Wisien und ohne Einspruch des Mannes betreibt, so kann sie nach dem BGB. auch ohne ehemännliche Zustimmung mit Rechtswirksamkeit bezüglich ihres ein­ gebrachten Gutes Rechtsgeschäfte vornehmen und Prozesse führen, die der Geschäfts­ betrieb mit sich bringt; und ein etwaiger Einspruch oder Widerruf der Ein­ willigung seitens des Mannes wird Dritten gegenüber, die mit der Frau gutgläubig kontrahiert haben, nur durch Eintragung in das Güterrechtsregister wirksam. Diese Rechtslage gilt für das Eingebrachte der Fran sowohl bei dem Güterstande der Ver­ waltung und Nutznießung, als entsprechend bei dem der Errungenschafts- und Fahrnis­ gemeinschaft, aber selbst für das Gesamtgut bei den drei Formen der Gütergemein­ schaft (vgl. BGB. 88 1405 Abs. 1—3, 1525 Abs. 2 und 1550 Abs. 2, bzw. §8 1452, 1519 und 1549). Mit Rücksicht hieraus hält nun die Nov. v. 98 dafür (vgl. Mot. zu § 670 g), daß gegenüber einer Frau, die ein selbständiges Erwerbsgeschäft betreibt, int allgemeinen Berkehrsinteresse die ZwVollstreckung in das eingebrachte Gut der Frau wie in das Gesamtgut für alle Gläubiger der Frau ohne Unterschied des Schuldgrundes erleichtert werden müsse, derart, daß sie ihre Ansprüche nicht zuvor noch dem Manne gegenüber zur Feststellung zu bringen brauchten. Deshalb ist in § 741 bestimmt, daß dazu ein gegen die Frau ergangenes Urteil ausreichen soll. Eine Ausnahme ist nur für den Fall gemacht, daß bei Erhebung der Klage wider die Frau der Mann bereits die Eintragung feines Einspruchs gegen den Geschäftsbetrieb der Frau oder des Wider­ rufs feiner Einwilligung ins Güterrechtsregister erwirkt hatte, indem es dann bei den Vorschriften der §8 737, 738 verbleiben soll.

Der § 741 berührt naturgemäß nicht das Recht des Mannes, das gegen seine Frau erlassene Urteil als ihm gegenüber unwirksam anzusechten. Steht ihm ein solches Anfechtungsrecht zu, so kann er dasselbe nach der ergänzenden Vorschrift des § 774 gegen die gemäß § 741 in das Frauengut oder in das Gesamtgut nachgesuchte Vollstreckung mittels der Widerspruchsklage aus § 771 geltend machen.

Erwerbsgeschüft derTrau,

VIII. Buch.

618

Zwangsvollstreckung § 743.

streckbaren Ausfertigung, wenn die allgemeine Gütergemeinschaft oder die Fahr­ nisgemeinschaft erst eingetreten ist, nachdem ein von der Ehefrau oder gegen ste geführter Rechtsstreit rechtshängig geworden ist. § 743. Rach der Beendigung der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Er­ rungen schaftsgemein schäft oder der Fahrnisgemeinschast ist vor der Auseinander­ setzung die Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut nur zulässig, weun beide Ehe­ gatten ;u der Leistung oder der eine Ehegatte ;u der Leistung und der andere ;ur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt fmd. 8 742.

VollstreckareAusfert. wider Ehe-

Avs. 1. Nach §§ 1407 Nr. 1, 1525 Abs. 2 BGB. bedarf die Frau, die mit ihrem Proz. der' Manne in dem Güterstande der Verwaltung und Nutznießung oder der Errungen$rsllL schafts- oder Fahrnisgemeinschaft lebt, ^ur Fortsetzung eines bei der Eheschließung bereits rechtshängigen Prozesses nicht der Zustimmung des Mannes. In einem solchen Prozesse, der von ihr oder gegen sie vor Eintritt eines jener Güterrechtsstände rechts­ hängig gemacht ist, hat das zu ihren Ungunsten ergehende Urteil auch dem Manne gegenüber Wirksamkeit, und dasselbe muß von einem zu ihren Gunsten ergangenen Urteil angesichts der Rechtsstellung des Mannes (§§ 1380, 1525, 1550 BGB.) gelten. Mit Rücksicht auf diesen Rechtsstand schreibt Abs. 1 vor, daß eine in Ansehung des eingebrachten Gutes der Frau vollstr. Urteilsausfertigung ohne weiteres für oder gegen den Mann unter entsprechender Maßgabe der §§ 727, 730—732 erteilt werden kann.

Abs. 2. Bei dem Güterstande der allgemeinen Gütergemeinschaft oder der Fahrnisgemein­ schaft gestaltet sich nach dem BGB. (§§ 1443, 1454, 1549) unter denselben Voraus­ setzungen, wie zu Abs. 1, die materielle Rechtslage betreffs des Gesamtgutes in gleicher Weise. Deshalb ist in Abs. 2 auch für dieses die entsprechende Anwendung der §§ 727, 730—732 vorgesehen. Bezüglich der Errungenschaftsgemeinschaft ist eine solche Folge nicht mitgezogen, weil bei dieser zufolge der §§ 1530—1534 BGB. das Gesamtgut für die vor Ein­ tritt des fraglichen Güterstandes entstandenen Verbindlichkeiten der Frau nicht haftet (vgl. Mot. zu § 670 g).

Nach Be-

§§ 743. 744

Gür.-Sem.

Die Beendigung der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Errungenschafts- und der Fahrnisgemeinschaft wird nach Maßgabe der §§ 1468—1470, 1542 und 1549 BGB. herbeigeführt. Nach der Beendigung und bis zur Auseinandersetzung steht die Verwaltung des Gesamtgutes beiden Eheleuten gemeinschaftlich zu (§§ 1472, 1546, 1549 a. a. D.). Mit Rücksicht hierauf treffen die §§ 743, 744 für die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in das Gesamt gut, insoweit es sich um die Zwischen­ zeit von Beendigung der Gemeinschaft bis zur Auseinandersetzung handelt, folgende Bestimmungen:

§ 743. Nach § 743 ist die Vollstreckung in das Gesamtgut grundsätzlich nur dann zu­ lässig, wenn beide Eheleute zur Leistung, oder der eine zur Leistung, der andere zur Duldung der Vollstreckung verurteilt sind. Im letzteren Falle hängt die Frage, welcher Gatte auf Leistung und welcher auf Duldung zu verklagen, davon ab, welcher von ihnen für die Gesamtgutsverbindlichkeit persönlich verhaftet ist und welcher nicht (vgl. Mot. zu § 670 i, k).

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen §§ 744—747.

619

§ 744. Ist Lie Beendigung der allgemeinen Gütergemeinschaft, der Crrungenschastsgemeinschast oder der Fahrnisgemeinschast nach der Beendigung eines Rechtsstreits des Ehemanns eingetreten, so finden auf die Erteilung einer in Ansehung des Gesamtguts vollstreckbaren Ausfertigung des Urteils gegen die Ehefrau die Vorschriften der §§ 727, 730—732 entsprechende Anwendung. § 745. Im Falle der fortgesetzten Gütergemeinschaft ist ;ur Zwangsvoll­ streckung in das Gesamtgut ein gegen den überlebenden Ehegatten ergangenes Urteil erforderlich und genügend. Aach der Beendigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft finden die Vor­ schriften der §§ 743, 744 mit der Maßgabe Anwendung, daß an die Stelle des Ehemanns der überlebende Ehegatte, an die Stelle der Ehefrau die anteilsbe­ rechtigten Abkömmlinge treten.

§ «46. Zur Zwangsvollstreckung in das der elterlichen Autznießung unter­ liegende Vermögen des Kindes ist ein gegen das Kind ergangenes Urteil geuügend. § 747. Zur Zwangsvollkreckung in einen Aachlaß ist, wenn mehrere Erben vorhanden find, bis ;ur Teilung ein gegen alle Erben ergangenes Urteil er­ forderlich. § 744 Der § 744 sieht jedoch eine Ausnahme für den Fall vor, daß ein wegen einer Gesamtgutsverbindlichkeit gegen den Mann geführter Prozeß bereits vor Beendi­ gung der Gütergemeinschaft rechtskräftig entschieden ist. In solchem Falle soll, mit Rücksicht auf §§ 1443, 1519 Abs. 2, 1549 BGB., eine hinsichts des Ge­ samtguts vollstreckbare Ausfertigung des Urteils auch gegen die Frau ohne weiteres unter entsprechender Maßgabe der §§ 727, 730—732 erteilt werden.

§ 745.

Fortgesetzte Äüt.'Gem.

Planck DIZ. 1900 S. 80.

Nach §§ 1487, 1557 BGB. können die allgemeine Gütergemeinschaft und die Fahrnisgemeinschaft nach dem Tode eines Gatten zwischen dem über­ lebenden und den gemeinschaftlichen Abkömmlingen fortgesetzt werden, und dann nehmen hinsichts des Gesamtgutes ersterer die Rechtsstellung des Ehemannes, letztere die der Iran ein. Bei der Errungenschaftsgemeinschaft ist eine Fortsetzung nicht vorgesehen.

§ 746 Planck DIZ. 1900 S. 80.

Gläubiger eines unter elterlicher Gewalt stehenden Kindes können sich wegen ihrer Ansprüche an das Vermögen des Kindes ohne Rücksicht auf die elterliche Nutznießung daran halten (BGB. §§ 1649, 1659, 1686). Nach Auffassung der Nov. v. 98 (Mot. zu § 670 m) bedarf dieses Nutzungsrecht eines besonderen Schutzes nicht, weil das demselben unterliegende Kindesvermögen für Ansprüche obiger Art allgemein haftet und das Kind in Prozeffen aus eine gesetzliche Vertretung angewiesen ist (§ 1628 a. a. £).). Uebereinstimmend hiermit werden die Eltern nicht als „Dritte" im Sinne des § 809 angesehen.

Kindesvermögen.

620

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung §§ 748, 749.

§ 748. Unterliegt ein Nachlaß der Verwaltung eines Testamentsvollstreckers, so ist zur Zwangsvollstreckung in den Nachlaß ein gegen den Testamentsvoll­ strecker ergangenes Urteil erforderlich und genügend. Steht dem Testamentsvollstrecker nur die Verwaltung einzelner Nachlaß­ gegenstände zu, so ist die Zwangsvollstreckung in diese Gegenstände nur zulässig, wenn der Erbe zu der Leistung, der Testamentsvollstrecker zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt ist. Zur Zwangsvollstreckung wegen eines Pstichtteilsanspruchs ist im Falle des Abs. 1 wie im Falle des Abs. 2 ein sowohl gegen den Erben als gegen den Testamentsvollstrecker ergangenes Urteil erforderlich. § 749. Auf die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines für oder gegen den Erblasser ergangenen Urteils für oder gegen den TestamentsUngeteilter Nachlaß.

Nachlaß mit Testaments­

vollstrecker.

Abs.

i.

Abs. 2.

Abs. 3.

§ 747. Nach § 2033 Abs. 2 BGB. steht den Miterben keine Verfügung über ihren Anteil an den einzelnen Nachlaßgegenständen zu. Mit Rücksicht hierauf ist in § 747 verordnet, daß zur ZwVollstreckung in einen Nachlaß, zu dem mehrere Erben vorhanden sind, bis zur Teilung ein gegen alle Erben ergangenes Urteil erforder­ lich ist. Eine Klage gegen nur einzelne Miterben ist nicht unzulässig (RG. 68 S. 222. Anders Gaupp-Stein).

§ 748. Planck DIZ. 1900 S. 80.

Nach dem BGB. ist der ernannte Testamentsvollstrecker gesetzlich befugtz den Nachlaß zu verwalten und über die Nachlaßgegenstände zu verfügen (§ 2205); doch kann der Erblasser diese Befugnis auf einzelne Nachlaßgegenstände beschränken (§ 2208). Soweit die Verwaltung des Testamentsvollstreckers reicht, steht dem Erben keine Verfügung zu (§ 2211); dieses Recht kann nur der Testamentsvollstrecker geltend machen (§ 2212). Dagegen dürfen Ansprüche an den Nachlaß sowohl gegen den Erben, als gegen den Testamentsvollstrecker gerichtlich erhoben werden, es sei denn, daß dem letzteren nicht die Nachlaßverwaltung zusteht, oder daß es sich um einen Pflichtteilsanspruch handelt, in welchen Fällen die gerichtliche Geltendmachung nur dem Erben gegenüber erfolgen darf (§ 2213). Mit Bezug auf diesen materiellen Rechtsstand regelt § 748 die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung in den Nachlaß dahin: 1. Nach Abs. 1 soll zur Vollstreckung in den Nachlaß, sofern solcher der Ver­ waltung des Testamentsvollstreckers unterliegt, ein gegen diesen erwirktes Urteil ge­ nügen (RG. 56 S. 330 ^Folgerung aus dieser Bestimmung für das Vollstreckungs­ urteil des § 1042]). 2. Nach Abs. 2 ist, sofern dem Testamentsvollstrecker nur die Verwaltung, einzelner Nachlaßgegenstände zusteht, zur Vollstreckung in diese erforderlich, daß eine Verurteilung sowohl des Erben zur Leistung, als des Testamentsvollstreckers zur Duldung der Vollstreckung herbeigeführt wird (vgl. Wote zu § 737). 3. Nach Abs. 3 ist aber, sofern die Zwangsvollstreckung wegen eines Pflicht­ teilanspruches in den Nachlaß oder in einzelne Nachlaßgegenstände erfolgen soll (§ 2213 Abs. 1 S. 3 BGB), allemal ohne Rücksicht darauf, inwieweit die Ver­ waltung dem Testamentsvollstrecker zusteht, Voraussetzung, daß, entsprechend dem Falle des Abs. 2, der Erbe zur Leistung des Pflichtteils und zugleich der Testaments­ vollstrecker zur Duldung der Vollstreckung verurteilt ist.

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen § 760.

621

Vollstrecker finden die Vorschriften der §§ 727, 730 —732 entsprechende Anwen­ dung.

Äuf Grund einer solchen Ausfertigung ist die Zwangsvollstreckung nur

in die der Verwaltung des Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlaßgegen-

stände rulässig. § 750. (671.)

Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn die

Personen, für und gegen welche sie stattfinden soll, in dem Urteil oder in der

demselben beigefügten Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sind und das Urteil bereits xugestellt ist oder gleichseitig zugestellt wird.

Handelt es sich um die Vollstreckung eines Urteils, dessen vollstreckbare Ansfertignng nach § 726 Abs. 1 erteilt worden ist, oder soll ein Urteil, welches

nach den §§ 727—729, 738, 742, 744, dem § 745 Abs. 2 und dem § 749 für oder gegen eine der dort bexeichneten Personen wirksam ist, für oder gegen eine dieser

Personen vollstreckt werden, so muß außer dem pi vollstreckenden Urteil auch

die demselben beigefügte Vollstreckungsklausel und, sofern die Vollstreckungs­ klausel auf Grund öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunden erteilt ist, auch eine Abschrift dieser Urkunden vor Veginn der Zwangsvollstrecknng ;nge-

stellt sein oder gleichseitig mit Deginn derselben zugestellt werden. § 749.

Urteile für oder gegen 1. Ist der Erblasser selbst noch zur Leistung einer persönlichen Verbind- @r6ianer lichleit verurteilt, so kann das Urteil zwar nicht ohne weiteres in die der Verwaltung '

eines Testamentsvollstreckers unterliegenden Nachlaßgegenstände zur Vollstreckung ge­ bracht werden, da das Verfügungsrecht des letzteren aus § 2211 BGB. entgegen­ stehen würde; aber das Gesetz sieht nach Lage der Sache davon ab, dem Gläubiger erst noch die Klageerhebung gegen den Testamentsvollstrecker aufzubürden, und be­ stimmt, daß die Vollstreckung auf Grund einer gegen letzteren gemäß §§ 727, 730—732 erteilten vollstreckbaren Ausfertigung des wider den Erblasser erlassenen Urteils erfolgen darf, selbstverständlich, soweit das Berwaltungsrecht des Testamentsvollstreckers reicht. 2. Derselbe Rechtssatz ist aber für den Fall, daß das bei Lebzeiten des Erb­ lassers ergangene Urteil zu dessen Gunsten lautet, mit Rücksicht auf die zu §§ 748, 327 dargelegte gesamte Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers auch aktiv vorge­ sehen, dergestalt, daß die vollstreckbare Ausfertigung jenes Urteils auch für den letzteren erteilt werden darf.

88 750—753.

Beginn der Vollstreckung.

Falkmann S. 149ff.; Guttmann Busch 29 S. 394.

I. Nachdem in §8 704—749 die Zulässigkeit und die Vorbereitung der Zwangs- Bornote. Vollstreckung geregelt ist, bestimmen die §§ 750—752 die Voraussetzungen, unter denen die Vollstreckung beginnen darf. Als Beginn gilt die erste Handlung, die der Vollstreckungsbeamte (8 753) oder das bei der Vollstreckung mitwirkende Gericht (§ 764) zum Zwecke der Zwangshilfe vornimmt. n. Die Vorschriften der §§ 750—752 sind für alle Vollstreckungsarten, für die Schuld titel der Urteile direkt, für andere Schuldtitel nach 88 795, 801, 928, 936 ZPO. (vgl. §§ 164, 194, 206 KO.) entsprechend maßgebend. Sie sind zwingender Natur, was aus ihrer Faffung („darf nur") und aus der Beteiligung der öffentlichen Rechtsordnung sich ergibt. Demzufolge bleibt eine

VIII. Buch.

622

Zwangsvollstreckung § 751.

§ 751. (672.) M die Geltendmachung des Anspruchs von dem Eintritt eines Lalendertages abhängig, so darf die Zwangsvollstreckung nur beginnen, wenn der Kalendertag abgelaufen ist. Hängt die Vollstreckung von einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheits­ leistung ab, so darf der iöeginn der Zwangsvollstreckung nur erfolgen, wenn unter Verletzung der §§ 750—752 begonnene Vollstreckung rechtsunwirksam und gewährt kein gültiges Pfandrecht. Nur dem Schuldner gegenüber kann eine Heilung dieses Mangels durch Nachholung des verabsäumten Erfordernisses in Frage kommen. Folgerecht unterliegt die Beobachtung jener Vorschriften der Amtsprüfung (vgl. RG. 6 S. 388, 8 S. 429, 11 S. 402, 20 S. 433, 32 S. 292, Gruchot 31 S. 846 und IW. 88 S. 424 und 93 S. 199 [enger in RG. 25 S. 371], Rassow Gruchot 33 S. 147). In betreff der Rückwirkung, welche die §§ 750-752 auf abweichende Vor­ schriften früherer Landesgesetze üben, vgl. § 14 Nr. 4 EGzZPO.

§ 750. Allg.Voraussetzungen.

Abs. 1. I Die Personen, für und gegen welche vollstreckt werden soll, müssen sich mit dem in der vollstreckbaren Ausfertigung bezeichneten Gläubiger und Schuldner decken. Dieses Erfordernis hängt mit dem Zwecke der vollstreckbaren Ausfertigung (§§ 724 ff.) zusammen. Die Vollstreckung für oder wider andere Personen ist abzu­ lehnen und, wenn sie dennoch erfolgt, wirkungslos (vgl. RG. 10 S. 275, Gruchot 34 S. 1169 und IW. 91 S. 199, BayObLG. SeuffA. 46 Nr. 296, Falkmann Gruchot 35 S. 491). II Außerdem muß die Zustellung des zu vollstreckenden Schuldtitels an den Schuldner bereits erfolgt sein oder gleichzeitig erfolgen. Die Erledigung dieses Erfordernisses hat den Vollstreckungsakt zu eröffnen und, falls die Vollstreckung durch das Gericht geschieht, dem Einschreiten desselben voranzugehen (vgl. RG. 25 S. 370). Ausnahmen enthalten die §§ 845, 9293, 936, 798. Die Vorschrift bezweckt, den Schuldner rechtzeitig zur Prüfung des Schuldtitels und zur Abwendung der Voll­ streckung instand zu setzen, gewissermaßen als Ersatz für das in früheren Prozeß­ rechten vorgeschriebene Befriedigungsgebot (vgl. Begr. 410). Daraus ist aber nicht zu folgern, daß die Zustellung allemal an den Schuldner selbst erfolgen muß. Dem steht die allgemeine Regel der §§ 176 ff. entgegen, wonach die Zustellung, falls der Schuldner einen Prozeßbevollmächtigten hat, an diesen geschehen muß (vgl. OLG. Dresden Busch 7 S. 109, RGSt. 16 S. 275, Busch 8 S. 518, Falkmann 150). Hat der Schuldner seinerseits bereits an den Gläubiger zugestellt, so ist dem § 750 genügt, da der Schuldner damit systemgemäß zugleich an sich selbst zugestellt hat (vgl. Planck § 72 C 1, die Kommentare). Auch erfordert das Gesetz nur die einmalige Zustellung des Schuldütels, so daß solche bei Wiederholung der Voll­ streckung sich erübrigt (vgl. RG. IW. 90 S. 372). — Für Gewerbestreitigkeiten vgl. den § 57 Abs. 4 G. v. 29. 9. 01.

Urteile aus §§ 726

Abi. i usw.

Uhs. 2. Der Absatz 2 betrifft den Beginn der Vollstreckung aus solchen Urteilen, deren vollstreckbare Ausfertigung gemäß § 7 2 6 Abs. 1 erteilt ist, oder die nach §§ 727—729, 738, 742, 744, 745 Abs. 2, 749 aktiv oder passiv wirksam sind. Für diese Fälle ist folgerecht bestimmt, daß neben der vollstreckbaren Ausferti­ gung des Urteils (Abs. 1) auch die der Vollstreckungsklausel zugrunde liegenden öffentlichen oder öffentlich beglaubigten Urkunden zuzustellen sind.

-re Sicherheitsleistung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachgewiesen und eine Abschrift dieser Urkunde bereits rugestellt ist oder gleich-

;eitig rugestellt wird.

§ 752. (673.) Gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Militärperson darf die öwangsvollstreckung erst beginnen, nachdem von derselben die vorgesetzte Militärbehörde Anreize erhalten hat. Dem Gläubiger ist auf Verlangen der Empfang der Anreize von der Militärbehörde r« bescheinigen.

§ 753. (674.) Die Zwangsvollstreckung erfolgt, soweit sie nicht den Ge­ richten rngewiesen ist, durch Gerichtsoollrieher, welche dieselbe im Auftrage der Gläubigers px bewirken haben. Der Gläubiger kann wegen Erteilung des Auftrags ;ur Zwangsvollstreckung die Mitwirkung des Gerichts schreib ers in Anspruch nehmen. Der von dem Gerichts schreiber beauftragte Gerichtsoollrieher gilt als von dem Gläubiger beauftragt.

§ 751. Abweichend von der Regel des § 726 erfordert § 751 für den Beginn der Bollstreckung bei Ansprüchen, deren Geltendmachung von dem Eintritt eines Kalender­ tages (Abs. 1) oder von einer Sicherheitsleistung seitens des Gläubigers (Abs. 2) abhängt, nur, daß der Kalendertag abgelaufen, bzw. die Sicherheitsleistung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden nachgewiesen und eine Abschrift derselben dem Schuldner zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird. Die Prüfung dieses Nachweises fällt somit erst dem Bollstreckungsorgane zu, während die vollstreck­ bare Ausfertigung ohne Rücksicht darauf, ob die erwähnten Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung schon eingetreten sind, zu erteilen ist. Der Grund der Abweichung liegt in der Einfachheit der Prüfung.

§ 752.

Kalendertag Sicherheit-» iciftung.

Militär» Personen.

I. Bei einer Vollstreckung gegen eine Militärperson des aktiven Heeres Mb( ,,2 oder der a ktiven Marine will das Gesetz zu gleicher Zeit das militärische Dienst­ interesse und die Unabhängigkeit der Zivilvollstreckung wahren, und erfordert deshalb eine zuvorige Anzeige an die Militärbehörde von der bevorstehenden Voll­ streckung (vgl. Prot. 353, 377 ff., 565). Die Anzeige kann vom Gläubiger, dem darüber eine Empfangsbescheinigung zur Aushändigung an das Vollstreckungsorgan zu erteilen ist, aber auch von diesem selbst ausgehen. Nach bescheinigter oder amtlich bewirkter Anzeige darf die Vollstreckung beginnen (vgl. §§ 790, 912). II. Die Militärpersonen des aktiven Heeres ergeben sich aus § 38 A, B RMilG. v. 2. 5. 74 (RGBl. 55), die der aktiven Marine aus § 13 BG. v. 9. 11. 67 (BGBl. 134). Vgl. das Verzeichnis in der Anlage zum G. v. 3. 8. 78, betr. die Revision des Servistarifs (RGBl. 244). Die im Sinne des § 752 zuständigen Militärbehörden sind im PrJMBl. von 80 S. 156 (ZBlfdDR. von 80 Nr. 26) zusammengestellt. §ö 753.

I Nach § 753 Abs. 1, 2 erfolgt die Zwangsvollstreckung, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen ist (§ 764), durch Gerichtsvollzieher, welche dieselbe im Auftrage des Gläubigers, der zur Beauftragung die Vermittlung des Ge­ richtsschreibers in Anspruch nehmen kann (§ 166), zu bewirken haben.

Bollstr. durchBerich«.

II. a) In dieser Vorschrift tritt die Doppelstellung des Gerichtsvollziehers, nämlich trie öffentlichrechtliche als Staatsbeamter und die privatrechtliche als Beauftragter des Gläubigers, hervor. Daß das Gesetz nicht bloß die Be­ amtenstellung des Gerichtsvollziehers zugrunde gelegt wissen will, ergibt schon die Entstehungsgeschichte des § 753, indem sowohl dessen Begründung als die Verhandlungen der RIK. in Anknüpfung an die Gesetzgebung derjenigen deutschen Staaten, die das Institut der Gerichtsvollzieher bereits kannten, von jener Doppelstellung ausgegangen sind (vgl. Begr. 388, 411, Prot. 353). Den gleichen Standpunkt nimmt das GVG. ein, da es in § 155 die Gerichtsvollzieher als mit Zustellungen, Ladungen und Voll­ streckungen zu betrauende Beamte hinstellt, was offenbar den Sinn hat, daß der Staat in den Gerichtsvollziehern ein gerichtliches Hilfsorgan bestellt hat, dem die Parteien Aufträge zur Ausführung obiger Rechtsakte erteilen können. Die ZPO. selbst chat in mehrfachen Vorschriften das privatrechtliche Auftragsverhältnis zwischen Gläubiger und Gerichtsvollzieher zur Ausgestaltung gezogen; so in §§ 166, 755 betreffs der Erteilung des Auftrages, und in §§ 754-756, 815, 819, 826, 847 betreffs der Ver­ tretung bei der Vollstreckung, indem der Gerichtsvollzieher durch die Pfändung un­ mittelbar für den Gläubiger ein Pfandrecht erwirbt, auch Zahlungen und andere Leistungen für Rechnung desselben rechtswirksam in Empfang nehmen und quittieren kann. Zudem bestimmen die §§ 4 ff. GerVollzGebO., daß der Gläubiger aus dem Auftrage dem Gerichtsvollzieher für dessen Gebühren und Auslagen haftet.

b) Danach wird dem Gläubiger gegenüber der Gerichtsvollzieher zur Vor­ nahme der Vollstreckung auf Grund und nach Maßgabe seines Auftrages ermächtigt, ist aber bei deren Ausführung kraft Gesetzes zur Beobachtung seiner Amtsinstruktion verpflichtet. Zufolge des Auftrages gilt er als befugt, die zur Erfüllung der urteils­ mäßigen Leistung auf feiten des Gläubigers an sich erforderlichen Handlungen, also den Empfang der Leistung und die Befreiung des Schuldners, nicht aber weitergehende Handlungen rechtsverbindlich zu bewirken. Für Schaden, den er hierbei durch Auf­ tragsverletzung Amtsversehen dem Gläubiger verursacht, macht er sich diesem haftbar, ohne daß sein Beamtenvorrecht ihn schützt (vgl. RGPl. 16 S. 346 und IW. 01 S. 783 jBGB. §§ 611, 675, 839]).

c) Dem Schuldner und Dritten steht er lediglich als Beamter gegenüber, und ist daher für Versehen nach Maßgabe seiner Amtsinstruktion haftbar. Diese Auf­ fassung ist jetzt in Praxis und Doktrin überwiegend (vgl. RGPl. v. 10. 6. 96 in RG. 16 S. 396, RG- 9 S. 361, 17 S. 392, 20 S. 389, sowie Gruchot 31 S. 1166 und IW. 92 S. 158, Wach § 25 Note 28, Schultze, Priv. R. u. Proz. IS. 50, Seuffert Busch 8 S. 190, Jastrow ziv. Arch. 68 S. 358, Kühne Gruchot 23 S. 504, Wester­ burg dort S. 878, v. Glasenapp dort 24 S. 291, Hahn dort 31 S. 330, v. Welck dort 36 S. 497, Falkmann 168; a. M. Planck § 33 zu II, Voß Gruchot 23 S. 240 und ziv. Arch. 66 S. 183, Nessel Gruchot 28 S. 97, Hellmann in den BlfRAnw. 53 S. 273, Bunsen, Zwangsvollstreckung § 26, v. Schrutka-Rechtenstamm Grünhut 13 S. 567, 16 S. 673). d) Soweit die Gerichtsvollzieher als Beamte fungieren, haben sie in selbstän­ diger Verantwortlichkeit auf Grundlage ihrer Amtsinstruktion zu handeln. Über diese ist im allgemeinen auf oas GVG. §§ 155, 156, im besonderen auf die Ge­ schäftsanweisung der einzelnen Bundesstaaten zu verweisen. Ihre Tätigkeit als Voll­ streckungsbeamte unterliegt der Beschwerde an das Vollstreckungsgericht gemäß § 766. Schadensersatzansprüche, die wegen Überschreitung ihrer Amtsbefugnisse oder wegen pflichtwidriger Unterlassung von Amtshandlungen gegen sie erhoben werden, unterfallen der ausschließlichen Zuständigkeit der Landgerichte (GVG. § 70, PrAG. dazu § 39 und zum FreiwGG. Art. 130 V; vgl. RG. 17 S. 332, Gruchot 31 S. 1166 und IW. 88 S. 65, 91 S. 89).

§ 754. (675.) Zn dem schriftlichen oder mündlichen Auftrage pir Zwangs­ vollstreckung in Verbindung mit der Übergabe -er vollstreckbaren Ausfertigung

liegt die Leaustragung des Gerichtsvolljiehers, die Zahlungen oder sonstigen Leistungen in Empfang ;u nehmen, über das Empfangene wirksam zu quittieren und dem Schuldner, wenn dieser seiner Verbindlichkeit genügt hat, die voll­ streckbare Ausfertigung aus;uliefern. 8 755. (676.) Dem Schuldner und Dritten gegenüber wird der Eerichtsvollsieher ;ur Vornahme der Zwangsvollstreckung und der im § 754 bezeichneten Handlungen durch den Desttz der vollstreckbaren Ausfertigung erniächtigt. Der Mangel oder die Deschränkung des Auftrags kann diesen Personen gegenüber von dem Gläubiger nicht geltend gemacht werden. § 754.

Befugnisse des Gerichts

Die Befugniffe des Gerichtsvollziehers aus dem Auftrage des Gläubigers sind woM«? denjenigen des Prozeßbevollmächtigten (§§ 81—83) nachgebildet. 1. Zur Legitimation des Gerichtsvollziehers dem Gläubiger gegenüber ist ein formloser Auftrag, der daher auch stillschweigend erfolgen kann (vgl. RG. in Zeitschr. f. GerBollz. 91 S. 45), und die Übergabe der vollstr. Ausfertigung er­ forderlich. 2. Durch den Auftrag erlangt der Gerichtsvollzieher die zur normalen Abwick­ lung der Beitreibung für den Gläubiger erforderlichen Befugnisse, dazu die besondere Vollmacht, für letzteren die Urteilsleistung in Empfang zu nehmen, darüber zu quittieren und nach der Erfüllung dem Schuldner den Schuldtitel auszuliefern. Diesen Voll­ machtsumfang erachtet das Gesetz (vgl. Begr. 412, Prot. 353) für nötig, um dem Schuldner einen legitimierten Empfänger der Leistung gegenüberzustellen, und es be­ seitigt gewisse Befürchtungen, die im Jnteresie des Gläubigers gehegt werden möchten, mit der Erwägung, daß der Gläubiger die Auswahl des Gerichtsvollziehers habe und der Leistung an letzteren durch seine oder eines Bevollmächtigten Anwesenheit bei der Vollstreckung Vorbeugen könne. Danach erstreckt sich die Vollmacht auf weitergehende Befugniffe, wie z. B. Annahme einer anderweiten Ersüllungsart, Vergleich, Erlaß, Aufrechnung, Substitution, nicht. Der Auftrag erlischt einerseits dadurch, daß der Gläubiger den Auftrag wider­ ruft oder die vollstreckbare Ausfertigung sich zurückgeben läßt, andrerseits dadurch, daß der Gerichtsvollzieher kündigt und der Gläubiger die Kündigung annimmt. Ob ein Erlöschen der einen oder anderen Art vorliegt, ist wesentlich Tatfrage (vgl. RG. in Zeitschr. f. GerBollz. 91 S. 45).

8 755.

Legitimation bei iMeriditl*

I. Dem Schuldner und Dritten gegenüber wird der Gerichtsvollzieher zur Vornahme der Vollstreckung mit den in § 754 anfgezählten Befugnissen durch den bloßen Besitz der vollstr. Ausfertigung legitimiert. Legt er denselben die vollstreckbare Ausfertigung vor, so brauchen sie nicht zu prüfen, ob er in deren Besitz durch Über­ gabe unter Bollstreckungsauftrag des Gläubigers gelangt ist, und sie dürfen an ihn ohne weiteres mit dem Erfolge der Schuldbefreiung leisten (vgl. RG. 14 S. 81). Die Leistung gilt als dem Gläubiger erworben, und bleibt daher auf deffen Gefahr in Händen des Beamten. n. Der Gläubiger kann sich hierbei nur durch seine oder seines Prozeß­ bevollmächtigten Zuziehung sichern. Richt aber kann er das Ergebnis der Vollstreckung obigen Personen gegenüber durch die Behauptung in Frage stellen, daß der Beamte von ihm keinen oder nur beschränkten Auftrag gehabt habe, außer wenn zugleich Arg« meinte, ZPO. 6. Aufl.

40

VIII. Buch. Zwangsvollstreckung §§ 756, 757.

626

§ 756. Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nicht beginnen, bevor er dem Schuldner die diesem gebührende Leistung in einer den Verzug der Annahme begründenden Weise angeboten hat, sofern nicht der Leweis, dast der Schuldner befriedigt oder im Verzüge der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zu­ gestellt wird. § 757. (677.) Der Gerichtsvollzieher hat nach Empfang -er Leistungen dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung nebst einer Quittung auszuliefern, bei teilweiser Leistung diese auf -er vollstreckbaren Ausfertigung zu bemerken und dem Schuldner Quittung zu erteilen. Das Recht des Schuldners, nachträglich eine Quittung des Gläubigers selbst zu fordern, wird durch diese Bestimmungen nicht berührt. list des Schuldners oder der Dritten behauptet wird. Vollstreckungshandlungen, die über die gesetzlichen Befugnisse des Gerichtsvollziehers hinausgehen, machen den Gläubiger gegen den Schuldner oder gegen Dritte nicht haftbar (vgl. RG. Gruchot 30 S. 1170). Dagegen ist es dem Schuldner und Dritten, da der § 755 nur ihre Siche­ rung bezweckt (vgl. Begr. 412), nicht verwehrt, dem Gerichtsvollzieher gegenüber den Mangel oder die Beschränktheit des Auftrages geltend zu machen, nötigenfalls im Wege der Beschwerde (§ 766).

8 ^56.

Leistungen Zug um Zug.

Neumann IW. 1901 S. 740; Cohen dort S. 789.

Nach dem § 726 Abs. 2 der Nov. v. 98 soll, wenn die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner abhängt, zur Erteilung der Vollstr. Ausfertigung der Beweis, daß der Schuldner befriedigt oder im Annahmeverzuge sei, nicht erfordert werden, vielmehr die Prüfung dieser Tatsache erst bei Beginn der Vollstreckung, also durch das Vollstreckungsorgan erfolgen. Mit Bezug hierauf darf nach § 756 der Gerichtsvollzieher eine derartige Voll­ streckung erst dann beginnen, a) wenn unmittelbar zuvor der Gläubiger ihn in den Stand gesetzt, dem Schuldner die fragliche Leistung anzubieten, dieser dann aber nicht auch seine Leistung angeboten und dadurch sich in Annahmeverzug gesetzt hat (vgl. § 298 BGB.), b) oder wenn der Gläubiger dem Gerichtsvollzieher den Beweis jener Tatsache in öffentlich-urkundlicher Form bereits geführt hat oder gleichzeitig führt, auch eine Abschrift der Urkunden dem Schuldner bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird.

Auslieferung der vollste. Aurs. nebst

8 757.

Zur Sicherung des Schuldners legt der § 756 dem Gerichtsvollzieher die beTOM9 sondere Amtspflicht auf, sobald die beizutreibende Leistung an ihn erfolgt ist, dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung nebst Quittung auszuliefern. Mit letzterer erlangt der Schuldner eine im Sinne des § 415 öffentliche Beurkundung der Leistung. Bei teilweiser Leistung hat der Gerichtsvollzieher nur Quittung zu erteilen, die Teilleistung auf dem Schuldtitel zu notieren, diesen aber zurückzuhalten. Das gleiche muß bei jeder ferneren Teilzahlung geschehen. Erst nach der Vollleistung darf I.

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen §§ 758—760.

627

§ 758. (678.) Der Gerichtsvollzieher ist befugt, die Wohnung und die Behältnisse des Schuldners yx durchsuchen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert. Er ist besagt, die verschlossenen Haustüren, Zimmertüren und Behältnisse öffnen ;u lassen. Er ist, wenn er Widerstand findet, zur Anwendung von Gewalt befugt und kann ;u diesem Zwecke die Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nach­ suchen. Zft militärische Hilfe erforderlich, so hat er fich an das Vollstrecknngs-

gericht zu wenden. § 759. (679.) Wird bei einer Vollstreckungshandlung Widerstand geleistet oder ist bei einer in der Wohnung des Schuldners erfolgenden Vollstreckungs­ handlung weder der Schuldner noch eine zur Familie desselben gehörige oder in dieser Familie dienende erwachsene Person gegenwärtig, so hat der Gerichts­ vollzieher zwei erwachsene Personen oder einen Gemeinde- oder Polizeibeamten als Zeugen zuzuziehen. § 760. (680.) Jeder Person, welche bei dem Vollstreckungsverfahren be­ teiligt ist, muss auf Begehren Einsicht der Akten des Gerichtsvollziehers gestattet und Abschrift einzelner Aktenstücke erteilt werden. auch der Schuldtitel ausgeliefcrt werden. Aus dieser Bestimmung wird zu folgern sein, daß, wenn die Judikatleistung durch Teilleistungen mehrerer Schuldner erfüllt wird, jeder von diesen nur Anspruch auf Quittung, keiner aber, auch der letztleistende nicht, für sich Anspruch auf Auslieferung der vollstreckbaren Ausfertigung hat (vgl. WO. Art. 39, BGB. §§ 420 ff., RG. 4 S. 58). II Ein etwaiger privatrechtlicher Anspruch des Schuldners aus Quittung gegen den Gläubiger selbst (vgl. BGB. §§ 368, 369) wird durch Abs. 2 gewahrt.

§ 758.

Abi. r.

Durchsuchnngö- u.

I. Nach Abs. 1 und 2 ist der Gerichtsvollzieher befugt, die W o h n u n g und B e - ®eroau«d)t. hältnisse des Schuldners, soweit nötig, zu durchsuchen und öffnen zu lassen. Abs. i. 2. Der Begriff der Wohnung ist im weitesten Sinne zu nehmen. Daher bleibt außer Betracht, ob sie eine dauernde oder vorübergehende (z. B. im Gasthof) ist und Familien- oder Privatwohnräume, Geschäfts- oder Wirtschaftsräume enthält. Unter Behältnissen sind Räume und Gelasse zur Verwahrung von Sachen innerhalb der Wohnung im weitesten Sinne zu verstehen. Danach wird auch die Durchsuchung der Person des Schuldners gestattet sein (vgl. RGSt. 16 S. 218). Ob die Wohnung oder die Behältnisse dem Schuldner gehören, hat der Gerichtsvollzieher nach den gewöhnlichen Lebensverhältnissen zu ermessen. n. Der Abs. 3 ermächtigt den Gerichtsvollzieher, falls er bei der Vollstreckung Abs. s. irgenwie Widerstand findet (vgl. RGSt. 7 S. 371), Gewalt anzuwenden und dazu polizeiliche oder militärische Hilfe, letztere unter Vermittlung des Vollstreckungs­ gerichts (§ 764), in Anspruch zu nehmen (vgl. StGB. § 113).

§ 759.

Zuziehung hon Zeuge».

8 760.

Gewährung der Akten-

§ 759 enthält zwingendes Recht.

0

Nach § 760 hat der Gerichtsvollzieher jedem, der beim Bollstreckungsverfahren beteiligt ist, auf Antrag Einsicht seiner Akten zu gewähren und Abschriften 40»

rin|14t

VIII. Buch.

628

Zwangsvollstreckung §§ 761, 762.

§ 761. (681.) Bur Nachtzeit (§ 188 Abs. 1), sowie an Sonntagen und allgemeinen Feiertagen darf eine Vollstreckungstfandiung nur mit Erlaubnis des Amtsrichters erfolgen, in dessen Ne;irke die Handlung vorgenommen werden soll. Die Verfügung, durch welche die Erlaubnis erteilt wird, ist bei der Bwangsvollstreckung vor;u;eigen. § 762. (682.) Der Gerichtsvollzieher hat über jede Vollstreckungshandlung ein Protokoll autzunehmen. Das Protokoll muß enthalten: 1. Ort und Beil der Aufnahme; 2. den Gegenstand -er Vollstreckungshandlung unter kurzer Erwähnung der wesentlichen Vorgänge; 3. die Namen der Personen, mit welchen verhandelt ist; daraus $u erteilen. Die Vorschrift ist dem § 299 nachgebildet. Als beteiligt wird außer den Urteilsparteien jede Person gelten, die ein rechtliches Interesse an der Voll­ streckung hat, namentlich Rechtsnachfolger der Parteien, Klageberechtigte im Sinne der §§ 771, 805, Drittschuldner (§ 829), dritte Verwahrer von Sachen (§ 886), erst­ und nachpfändende Gläubiger im Fall des § 826. Der § 760 setzt stillschweigend voraus, daß der Gerichtsvollzieher Akten führt. Die Art der Führung ist der reglementarischen Bestimmung der Landesjustizver­ waltungen überlassen. Hat der Gerichtsvollzieher die Akten an das Vollstreckungs­ gericht abgeliefert (z. B. im Falle des § 827), so liegt diesem die Gestattung der Einsicht und die Erteilung von Abschriften ob, was durch die allgemeine Fassung des Gesetzes zum Ausdruck gebracht ist. Bollstr. bei Nacht, an Soiln- und Festtagen.

Bollstr.Protokoll. Abs. 1.

§ 761.

I.

Vollstreckungen zur Nachtzeit, wie an Sonn- und allgemeinen Feier­ tagen soll der Gerichtsvollzieher nur mit Erlaubnis des Amtsrichters, in dessen Bezirk zu vollstrecken ist, vornehmen (Abs. 1). Da es sich um ein zum Schutze der persönlichen Freiheit bestimmtes Gesetz (vgl. Prot. 358, StPO. § 8) handelt, ist eine zuwiderlaufende Vollstreckung ohne rechtliche Wirksamkeit und auf Anrufen des Schuldners (§ 766) vom Vollstreckungsgerichte aufzuheben. Wegen des Begriffes der Nachtzeit und der allg. Feiertage s. den § 188 und die Note dazu. Die Erteilung der Erlaubnis steht im Ermessen des Amtsrichters; sie wird bei dringender Veranlassung, z. B. bei Gefahr heimlicher Beiseiteschaffung von Ver­ mögensstücken, bei Erzwingung einer Unterlassung oder bei Fluchtverdacht, sich recht­ fertigen. II. Nach Abs. 2 ist die richterliche Erlaubnis bei der Vollstreckung vor­ zuzeigen. Diese Vorschrift hat nur instruktionelle Bedeutung; ihre Verletzung macht die Vollstreckung nicht unwirksam, sondern berechtigt nur den Schuldner zum Widerstande gegen die Vollstreckung und setzt den Gerichtsvollzieher disziplinarischer Ahndung aus (StGB. § 113).

§ 762. I Nach Abs. 1 hat der Gerichtsvollzieher über jede Bollstreckungshandlung ein Protokoll aufzunehmen. Hierbei kommen nur Akte der eigentlichen Zwangshilfe in Betracht, nicht die bei der Vollstreckung mitunter, wie nach §§ 829, 840, 845, 857, vorgesehenen Zustellungen, für welche der § 190 gilt. Wie die letztere Vorschrift, enthält der § 762 keine wesentliche Formvorschrift, sondern nur

4. Lie Unterschrift dieser Personen und die Bemerkung, -aß die Unter­ zeichnung nach vorgängiger Vorlesung oder Vorlegung zur Durchsicht

und nach vorgängiger Genehmigung erfolgt fei; 5. die Unterschrift des Gerichtsvollziehers. Hat einem der unter Ur. 4 bezeichneten Erfordernisse nicht genügt werden können, so ist -er Grund anzugeben. § 763. (683.) Die Aufforderungen und sonstigen Mitteilungen, welche zu den Vollstreckungshandlungen gehören, sind von dem Gerichtsvollzieher mündlich zu erlassen und vollständig in das Protokoll aufzunehmen. Laun die mündliche Ausführung nicht erfolgen, so hat der Gerichtsvoll­ zieher eine Abschrift -es Protokolls unter entsprechender Anwendung der §§ 172, 181—186 zuzustellen oder, wenn demjenigen, an welchen die Aufforderung oder Mitteilung zu richten ist, am Orte der Zwangsvollstreckung nicht zugestellt werden kann, durch die Post zu übersenden. Die Befolgung dieser Vorschrift muß zum Protokolle bemerkt werden. Eine öffentliche Zustellung findet nicht statt. § 764. (684.) Die den Gerichten zugewiesene Anordnung von Vollstreckungshandlungen und Mitwirkung bei solchen gehört zur Zuständigkeit der Amtsgerichte als Vollstreckungsgerichte. eine Dienstvorschrift für den Gerichtsvollzieher im Interesse zuverlässiger Konstatierung der Bollstreckungsakte und zur Beschaffung öffentlicher Beweisurkunden für die Be­ teiligten. Deshalb ist ein anderer oder ein ergänzender Beweis über die Akte nicht ausgeschloflen. Nur bei der Anschlußpfändung greift eine Ausnahme Platz (§ 826). II. Die Jnhaltserfordernisse des Protokolls sind, wie die zwingende an. 2, s. Fassung des Abs. 2 ergibt, für die Eigenschaft des Protokolls als öffentlicher Beweis­ urkunde wesentlich. Mängel des Protokolls unterliegen betreffs ihrer Rückwirkung auf die Beweiskraft der Urkunde der freien Würdigung des Richters (vgl. Begr. 152). Bei Nr. 2 können die in § 763 bezeichneten Aufforderungen und Mitteilungen, bei Nr. 3, 4 die nach § 759 zuzuziehenden Zeugen, bei Nr. 4 auch der Abs. 3 in Betracht kommen.

§ 763.

Mi.teilungen,

I. Für die bei Vollstreckungen vorkommenden Mitteilungen und Aufforde- Aussordrrungen (vgl. die §§ 808 Abs. 3, 826 Abs. 3, 840, 845, 885) erstrebt das Gesetz möglichste Vereinfachung, ohne daß die dem Schuldner zukommende Rücksicht verletzt würde (Begr. 412). Demgemäß soll der Gerichtsvollzieher Mitteilungen und Aufforderungen gegenüber «bi. 1,2. anwesenden Beteiligten mündlich (Abs. 1), gegenüber abwesenden und am Bollstreckungsort erreichbaren Beteiligten durch Zustellung einer Protokollabfchrift unter entsprechender Anwendung der §§ 172,181—186, sonst mittels formloser Über­ sendung der Protokollabschrift durch die Post (Abschr. 2) bewirken. In all diesen Fällen muß die Erledigung zu Protokoll konstatiert werden. Ist der Aufenthalt der Beteiligten unbekannt, so hat der Gerichtsvollzieher nichts zu veranlaffen, da der Gesetzgeber von der öffentlichen Zustellung ihrer Weitläufigkeit halber abgesehen hat (vgl. Begr. 412). n. Die Vorschriften des § 763 find für die Rechtswirksamkeit der Boll­ streckungshandlungen nicht wesentlich, sollen vielmehr nur die strafrechtliche Haftbarkeit deS Schuldners sichern (vgl. RG. in Zeitschr. f. GerVollz. 88 S. 58).

VIII. Buch.

630

Zwangsvollstreckung § 765.

Ais Vollstreckungsgericht ist, sofern nicht das Gesetz ein anderes Amts­ gericht bezeichnet, dasjenige Amtsgericht anzusehen, in desten Lezirke das Voll­ streckungsverfahren stattfmden soll oder stattgefunden hat. Die Entscheidungen des Vollstreckungsgerichts können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. § 765. Hängt die Vollstreckung von einer Bug um Bng zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht eine Vollstreckungsmastregel nur anordnen, wenn der beweis, dast der Schuldner befriedigt oder im Verzüge der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunden bereits Voll­ streckung^ gerichte.

§ 764. Abs. 1, 3. I. Den Gerichten ist, wie sich aus einer Reihe von Vorschriften ergibt, bei der Zwangsvollstreckung eine mehrfache Tätigkeit auferlegt; namentlich a) eine gewisse Mitwirkung bei den Vollstreckungshandlungen der Gerichts­ vollzieher, wie in den Fällen der §§ 758 Abs. 3, 789—792, 873, 885 Abs. 4, 899, 908, 912, b) die selbständige Anordnung von Vollstreckungshandlungen, wie die Vollstreckung wegen Geldforderungen in Forderungen und andere Vermögensrechte und in das unbewegliche Vermögen (§§ 828—863, 864—871), auch die Vollstreckung zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen (§§ 883 ff.), wozu nach § 15 Nr. 3 EGzZPO. landesgesetzlich noch die Vollstreckungen wegen Geldforderungen gegen den Fiskus und öffentliche Korporationen treten.

c)

die Entscheidung auf Anrufen Beteiligter nach § 766.

n. Diese Tätigkeit ist sachlich den Amtsgerichten unter der Bezeichnung als Vollstreckungsgerichte, und nur in einzelnen Fällen (§§ 791, 887—891) dem Prozeßgericht 1. Instanz zugewiesen. Das Verhältnis zwischen Vollstreckungs- und Prozeßgericht kennzeichnet sich durch folgendes: Im allgemeinen liegt dem Vollstreckungsgericht die formale (verwaltende), dem Prozeßgericht die materielle (rechtsprechende) Tätigkeit bei der Zwangsvollstreckung ob. Als Prozeßgericht kann immer nur ein Gericht, als Vollstreckungsgericht eine Mehrheit von Gerichten in Frage kom.men (Abs. 2). Die Entscheidungen des Voll­ streckungsgerichts können nach Abs. 3 ohne mündliche Verhandlung erfolgen und ergehen in Beschlußform, während die Entscheidungen des Prozeßgerichts meist (vgl. §§ 767, 768, 771, 805) ein ordentliches Prozeßverfahren voraussetzen; und dies hat die Folge, daß im Zwangsvollstreckungsverfahren gewöhnlich der Anwaltszwang fortfällt und gegen die Beschlüsse der Vollstreckungsgerichte die sofortige Beschwerde stattfindet (§ 793).

Abs 2. Örtlich zuständig ist das Realforum, d. h. abgesehen von Sondervorschriften, dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirke das Vollstreckungsverfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat. Mithin ist eine Sache da, wo sie sich befindet, zu pfänden. Handelt es sich um Sachen in verschiedenen Amtsgerichtsbezirken, so ist bezüglich jeder Sache das betreffende Amtsgericht zuständig. Für das Amtsgericht, in dessen Bezirk ein Vollstreckungsverfahren begonnen („stattgefunden") hat, dauert die Zuständigkeit bis zur Beendigung fort, sofern nicht die gepfändete Sache inzwischen durch Wegzug des Schuldners, durch Beseitigung oder sonstwie in einen anderen Amtsgerichtsbezirk gelangt ist (vgl. RG. 12 S. 372 und IW. 85 S. 262, OLG. Dresden SeuffA. 46 S. 121).

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen g 766.

631

zugestellt ist. Der Zustellung bedarf es nicht, wenn bereits der Gerichtsvollzieher die Zwangsvollstreckung nach § 756 begonnen hatte und der Dew eis Lurch das Protokoll des Gerichtsvochiehers geführt wird. § 766. (685.) Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche

die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das bei derselben vom Gerichtsvochieher ;u beobachtende Verfahren betreffen, entscheidet das Vollstreckungs­ gericht. Dasselbe ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen. Dem Vollstreckungsgerichte steht auch die Entscheidung zu, wenn ein Ge­ richtsvollzieher sich weigert, einen Vollstreckungsaustrag zu übernehmen oder eine Vollstrecknngshandlung dem Auftrage gemäß auszuführen, oder wenn in An­ sehung der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Losten Erinnerungen erhoben werden.

§ 765.

Bei Leistungen

Für das Verfahren des Vollstreckungsgerichts bei Leistungen Zug um Zug sieht der Zug um Ang. § 765 der Nvv. v. 98 eine Ergänzung zu § 756 vor. Es handelt sich dabei um die Voraus­ setzungen, unter denen die Vollstreckung beginnen, also eine VollstrMaßregel an­ geordnet werden darf. Der § 756, der bei derartiger Vollstreckung durch Gerichts­ vollzieher dem Gläubiger es ermöglichen will, unmittelbar zuvor seine Leistung durch den Gerichtsvollzieher dem Schuldner anbieten zu lassen, ist naturgemäß bei gericht­ licher Anordnung von Vollstreckungsmaßregeln unanwendbar. Darum verlangt § 765, daß dem Vollstreckungsgcricht vor der Anordnung der Beweis, daß der Schuldner be­ friedigt oder in Annahmeverzug sei, in öffentlicher Beurkundung geführt wird, und daß eine Abschrift der Urkunden dem Schuldner bereits zugestellt ist. Bon dieser Zu­ stellung wird nur dann abgesehen, wenn schon früher der Gerichtsvollzieher ausweislich seines Protokolls die Vollstreckung gemäß § 756 begonnen hatte.

§ 766.

Anträge, Einwen*

Neidieck Busch 18 S. 369; Falkmann S. 372 ff.

mnNnA

Der § 766 regelt das gerichtliche Verfahren bei solchen Rechtsbehelfen, zu denen $,ffercnäcndie Ausführung der Vollstreckung den Beteiligten Anlaß gibt, und weist die Entscheidung über dieselben mit Rücksicht darauf, daß es sich dabei wesentlich um for­ male, administrative Punkte handelt, den Bollstreckungsgerichten zu (vgl. RG. 35 S. 378).

I. Abs. 1. Der Abs. 1 überweist dem VollstGericht Anträge, Einwendungen und Er­ innerungen betreffs der Art der Vollstreckung oder des dabei vom Gerichtsvollzieher zu beobachtenden Verfahrens. Hierbei kommen nach der allgemeinen Fassung deS Gesetzes nicht nur Voll­ streckungen durch Gerichtsvollzieher, sondern auch solche, die durch das Bollstreckungs­ gericht geleitet werden, in Betracht. Daher findet letzterenfalls eine Beschwerde auS § 793 erst statt, wenn das Vollstreckungsgericht gemäß § 766 eine Entscheidung ab­ gegeben hat, es sei denn, daß diese auf Grund vorgängiger Verhandlung oder An­ hörung beider Teile erfolgt ist (vgl. RG. 16 S. 319, 18 S. 433, Gruchot 28 S. 1164, IW. 89 S. 515, 92 S. 161). Unter den Beteiligten müssen alle irgendwie rechtlich Interessierten verstanden werden, somit Gläubiger, Schuldner und Dritte (vgl. RG. 34 S. 380).

Vin. Buch. Zwangsvollstreckung § 767.

632

8 767. (686.) Einwendungen, welche den durch das Urteil feftgestellten Anspruch selbst betreffen, sind von dem Schuldner im Wege der Llage bei dem proxesigericht erster Instanz geltend zu machen. Dieselben sind nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf Lenen sie beruhen, erst nach dem Schluffe derjenigen mündlichen Verhandlung, in welcher CinDie im Gesetze bezeichneten Rechtsbehelfe schließen solche materieller Natur, wie sie nach §§ 767, 768, 771, 805 in Frage stehen, aus und wollen nur die ver­ schiedenen Richtungen kennzeichnen, nach denen eine Entscheidung des Bollstreckungs­ gerichts angerufen werden kann. Es kann sich dabei um Einleitung, Ausführung oder Aufhebung der Vollstreckung, um sachliche wie formale Erforderniffe derselben, um Differenzen zwischen Parteien, zwischen Partei und Dritten, zwischen Partei bzw. Dritten und Gerichtsvollzieher, insbesondere für den Gläubiger um Erinnerungen wegen Verzögerung, Hemmung, auftragswidriger Erledigung oder Aufhebung der Voll­ streckung, für den Schuldner um Erinnerungen gegen Art, Umfang, Beginn oder Fort­ setzung der Vollstreckung (vgl. RG. 16 S. 319, 23 S. 366, 25 S. 371, 29 S. 76, IW. 03 S. 50), für Dritte um Erinnerungen wegen ihrer Behandlung als Schuldner oder wegen Verstoßes gegen § 809 handeln (vgl. RG. 26 S. 399, Gruchot 38 S. 179, IW. 87 S. 113 und 93 S. 350, SeuffA. 37 Nr. 80, 41 Nr. 158, BayObLG. SeuffA. 38 S. 249). Bei der Art und Weise der Vollstreckung ist nicht an Exekutionsgrade, die die ZPO nicht kennt, sondern an die durch den Inhalt der Bollstreckungsklausel oder durch Gesetz gebotenen Normen der Vollstreckung (z. B. die Frage der Pfändbarkeit einer Forderung, vgl. IW. 03 S. 50), bei dem Verfahren des Gerichtsvoll­ ziehers an gesetzliche wie reglementarische Instruktionen desselben gedacht (vgl. RG. 16 S. 320).

IL Abs. 2. In Abs. 2 sind gewisse Differenzen zwischen Gerichtsvollzieher und Parteien, die mit in den Bereich der Vollstreckung fallen, noch besonders hervor­ gehoben. Die Weigerung des Gerichtsvollziehers, einen Vollstreckungsauftrag zu über­ nehmen oder erteiltermaßen auszuführen, berührt das Jntereffe des Gläubigers in er­ heblichster Weise (vgl. die §§ 155, 156 GBG., den § 18 GerBollzGebO.). Er­ innerungen gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers können vom Gläubiger oder vom Schuldner ausgehen und die eigenen Kosten des Beamten oder die sonstigen Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788) betreffen (vgl. GerBollzGebO. § 22, GKG. § 4).

HI. Verfahren. a) Für die Gehörgebung in den Fällen des § 766 ist der § 764 Abs. 2 maß­ gebend. Gegen eine ungünstige Entscheidung steht dem Beteiligten die Beschwerde gemäß § 793 offen. Eine günstige Entscheidung ist nach §§ 775 ff. zu verwerten. In allen Fällen hat der Gerichtsvollzieher der Entscheidung dienstlich zu gehorchen (vgl. RG. IW. 84 S. 299, 90 S. 275). Dem BollstrGericht ist die Befugnis bei­ gelegt, vor der Entscheidung eine der in § 732 Abs. 2 bezeichneten einstweiligen An­ ordnungen zu treffen. b) Neben dem formalen Rechtsbehelf aus § 766 erscheint der Weg derKlageerhebung für Parteien und Dritte unzulässig (vgl. RG. Gruchot 28 S. 1164, 30 S. 739, a. M. Jastrow ziv. Arch. 68 S. 378). Dagegen sind Dritte nicht be­ hindert, materielle Ansprüche (vgl. §§ 771, 805, 809) auch noch hinterher durch Klage geltend zu machen (vgl. RG. 14 S. 362 und Gruchot 26 S. 1181, BayObLG. SeuffA. 38 S. 249, die Kommentare; a. M. Francke Busch 5 S. 205, Nessel Gruchot 28 S. 131, und dagegen Koffka Bödikers Mag. f. D. R. 7 S. 207).

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen § 767.

633

Wendungen in Gemäßheit der Bestimmungen dieses Gesetzes spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden sind und durch Einspruch nicht mehr geltend gemacht werden können. Der Schuldner muß in der von ihm pi erhebenden Älage alle Einwendungen

geltend machen, welche er yxt Zeit der Erhebung der Älage geltend ;u machen imstande war.

88 767-770. David Busch 20 S. 415, 431; Falkmann, ZwangSvollstr. S. 384 ff.

düngen des Schuldners.

Die 88 767—770 regel» die Voraussetzungen, unter denen der Schuldner EinWendungen gegen den zur Vollstreckung stehenden Anspruch selbst vorbringen kann, und das Verfahren dabei. Es behandeln der § 767 die Regel, der 8 768 Sonder­ fälle, die 88 769, 770 den Fortgang der Vollstreckung.

$ernote

§ 767.

sicjci.

I. Abs. 1. 8 767 betrifft die sog. Bollstreckungsgegenklage (Kohler ziv. Arch. 80 S. 141 ff.).

1. Daß die Vollstreckung schon begonnen hat, erscheint nach dem Wortlaut des Gesetzes und nach der Natur der Sache nicht erforderlich (vgl. RG. 33 S. 395, IW. 95 S. 517 szu § 707]). Wohl aber darf sie noch nicht beendet sein, d. h. zur Befriedigung des Gläubigers geführt haben, da dann für eine» Widerspruch gegen den Anspruch kein Raum ist. Die Frage, inwieweit der Schuldner bei Versäumung der Einwendungen aus ß 767 das Geleistete noch kondizieren darf, bleibt dabei offen (BGB. 88 813, 814, vgl. RG. 8 S. 270, SeuffA. 44 S. 376). 2. Daß die Einwendungen sich gegen den Urteilsanspruch richten müssen, steht im Gegensatz zu Einwendungen gegen das Urteil als solches (vgl. RG. 35 S. 398, 36 S. 251 (Simulation]) oder dessen Vollstreckung. Es kommen alle zivilrechtlich möglichen Einwendungen in Betracht. Sie können dem vom Gläubiger geltend ge­ machten Inhalt der Verurteilung in subjektiver oder objektiver Richtung, mit Bezug auf Gegenstand oder Modalitäten der urteilsmäßigen Leistung (Zeit, Ort, Wahl, Bor-, Gegen- und Nachleistung, Sicherheit) entgegentreten und eine noch offenstehende Fest­ stellung des Anspruches erstreben (vgl. RG. IW. 87 S. 18, 89 S. 306, 90 S. 412, 91 S. 148). Sie können aber auch der vom Gläubiger begehrten Erfüllung der Leistung widersprechen, weil dieselbe noch nicht oder nicht wie gefordert begehrt werden könne, wie dies z. B. für den Einwand der Stundung oder die exceptio inventarii oder excussionis realis (PrALR. I, 20 § 46) angenommen ist (vgl. RG. 25 S. 362), oder weil der Anspruch ganz oder zum Teil, objektiv oder subjektiv erloschen sei, also der Einwand der Zahlung oder sonstigen Leistung (vgl. mit Bezug auf § 887 RG. 21 S. 379, 23 S. 366, 26 S. 394), des Erlasses, des Vergleichs, der Hinter­ legung (vgl. RG. IW. 92 S. 397), der Hingabe an Zahlungsstatt, der Novation, der Kompensation, der Verjährung, der Kompetenz (vgl. Begr. 410, RG. 33 S. 379) zutreffe. Praktisch zielen die Einwendungen in der Regel auf Unzulässigkeit, Ein­ stellung oder Aufhebung der Vollstreckung, also auf Herstellung des früheren Zustandes ab. Unter Umständen kann aber auch die Erstattung des schon Geleisteten oder die Zusprechung des hinterlegten Erlöses oder Streitgegenstandes in Frage kommen. Die Feststellungsklage des § 256 würde das Nichtbestehen des Anspruchs zum GegenUande haben und somit die Zwangsvollstreckung aus dem int § 767 vorausgesetzten strteil noch nicht hindern. Eine Konkurrenz der Klagen aus den angeführten 88 er»

scheint daher an sich denkbar (so RG. SeuffA. 59 Nr. 43, IW. 03 S. 398. Dagegen Falkmann 384, Geib, Rechtschutzbegehren und Anspruchsbetätigung S. 121 ff.). Indessen führt wohl die Vergleichung beider §§ zu dem Ergebnis, daß § 767 dort wo seine Voraussetzungen zutreffen, allein anwendbar ist. Zeitliche Lchranle.

H. Abs. 2. Abs. 2 setzt voraus, daß die Einwendungen erst nach Schluß der mündl. Ver­ handlung, in der Einwendungen systemgemäß spätestens geltend zu machen waren, entstanden und durch Einspruch nicht mehr geltend zu machen sind. Diese zeit­ lichen Beschränkungen sollen einer etwaigen Prozeßverschleppung Vorbeugen (vgl. RG. IW 02 S. 531 ^Aufrechnung)).

1 Nur die verspätete Entstehungszeit, nicht die verspätete Kenntnis der Einwendungen kommt in Betracht (vgl. Begr. 409). Soll die Klage zugleich auf Restitution gehen, so müssen noch die Voraussetzungen des § 580 hinzntreten (vgl. Begr. 409). Das Moment der Entstehung weist auf den Rechtsgrund der Ein­ wendungen zurück. Was gegebenen Falles hierzu gehört, ergibt das materielle Recht (vgl. RG. 64 S. 22, IW. 04 S. 96 (Aufrechnung)). Für die Verspätung ist systemgemäß (§ 278) die dem Urteil voraufgehende mündl. Verhandlung erster oder zweiter Instanz, bei Vorbehaltsurteilen (§§ 541, 599) erst die Schlußverhandlung im Nachverfahren entscheidend. Ob das Urteil bedingt ist, bleibt laut §§ 460 Abs. 2, 462 Abs. 2 ohne Einfluß (vgl. RG. 17 S. 341, 21 S. 439). Ist das Urteil auf Grund eines vorbereitenden Verfahrens erlassen, so muß der aus § 354 Abs. 2 sich ergebende präklusivische Zeitpunkt berücksichtigt werden. Für ein Revisionsurteil ist nach § 561 die Schlußverhandlung der Berufungsinstanz maßgebend. Danach bleiben dem Schuldner alle Einwendungen gewahrt, die erst in der Zwischenzeit zwischen der letzten Gelegenheit zum Tatvorbringen und der Erlassung des zur Vollstreckung stehenden Urteils entstanden sind (vgl. RG. 36 S- 205, Kon­ diktion). Für gewisse Einwendungen, wie die der beschränkten Haftung in den Fällen der §§ 780—786, der Kompetenz, der Rcalexknssion oder des zweifelhaften Urteils­ inhalts entbehrt Abs. 2 überhaupt wesentlicher Bedeutung, weil sie ihrer Natur nach erst aus Anlaß der Vollstreckung erwachsen können (vgl. RG. 25 S. 362, 30 S. 199, IW. 89 S. 306). 2 . Weiter ist erforderlich, daß, wenn das vollstreckbare Urteil auf B e r s ä u m n i s er­ gangen, bei Erhebung der Einwendungen die Einspruchsfrist bereits verstrichen ist, nicht aber, daß die Einwendungen durch den Einspruch nicht hätten geltend gemacht werden können (vgl. Prot. 360; übereinstimmend Gaupp-Stein, Bem. III d; anders RG. 40 S. 352, 55 S. 187, an letzterer Stelle unter Hinweis auf die geringe prak­ tische Tragweite der Bestimmung, falls das „können" auf den Zeitpunkt der Klage­ erhebung bezogen würde). Nach dem Entw. (§ 635 Abs. 2) sollte, was von dem Einspruch gilt, auch für die Berufung gelten; die RIK. hat dies gestrichen (Prot. 360). Danach hat bei noch laufender Berufungsfrist der Schuldner die Wahl, ob er die neuen Einwendungen durch Berufung oder durch Klage nach § 767 verfolgen will. Verfahren.

HL Abs. 1, 3. a) Laut Abs. 1 hat die Geltendmachung der Einwendungen, sofern nicht schon ein anderes anhängiges Verfahren (z. B. aus §§ 723, 731) Gelegenheit dazu gibt, im Wege der Klage bei dem Prozeßgericht 1. Instanz zu erfolgen (vgl. RG. 45 S. 344) Das Gesetz geht davon aus, daß die Einwendungen bei ihrer materiellen Natur sich nicht durch -Beschwerde, sondern nur durch ordentlichen Rechtsspruch er­ ledigen lassen (vgl. Begr. 408, RG. Gruchot 39 S. 1162). Die Parteirolle des Klägers fällt dem Schuldner zu; den Klagegrund bilden seine Einwendungen gegen den Judikatanspruch, den Klageanspruch das Verlangen nach Einstellung oder Auf­ hebung der Vollstreckung (vgl. Note I). Danach bilden für die Frage einer etwaigen

§ 768. (687.) Die Bestimmungen -re § 767 Abs. 1,3 finden entsprechende Anwendung, wenn in den Fällen des § 726 Abs. 1, der §§ 727—729, 738, 742, 744, des § 745 Abs. 2 und des § 749 der Schuldner dm bei der Erteilung der Vollstrecknngsklausel als bewiesen angenommenen Eintritt der Voraussetzung für die Erteilung der Vollstreckungsklausel bestreitet, unbesckadet der Befugnis des Schuldners, in diesen Fällen Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstrecknngsklausel in Gemasitzeit des § 732 ;u erheben. Klageänderung (§§ 264, 268, 527) die Einwendungen des Schuldners das maßgebende Moment (vgl. Begr. 408). Der ausschließliche (§ 802) Gerichtsstand des früheren Prozeßgerichts beruht darauf, daß der neue Rechtsstreit, wenngleich formell selb­ ständig, doch sachlich nur eine Fortsetzung des früheren bildet und widersprechende Entscheidungen verhütet werden sollen (Begr. 408). Damit ist auch den Kammern für Handelssachen die Zuständigkeit gewahrt (vgl. RG. 33 S. 356, Mugdan Busch 21 S. 410). Der inländische Richter, welcher über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem ausländischen Urteil zu entscheiden hat, ist auch zuständig für die ge­ mäß § 767 erhobenen Einwendungen (RG. 13 S. 349, IW. 04 S. 39). b) Eine Besonderheit ist, daß nach Abs. 3 der Schuldner in der Klage alle ihm zu Gebote stehenden Einwendungen geltend machen muß. Diese Vor­ schrift soll die Energie der Vollstreckung etwaigen Verschleppungsversuchen des Schuldners gegenüber sichern (Begr. a. a. O.). Maßgebend ist dabei der Gesichtspunkt, inwieweit die Einwendungen zur Zeit der Klageerhebung schon entstanden und dem Schuldner in substantiierter Weise bekannt waren. Bei verspäteter Geltendmachung kann der Gläubiger demselben mit Erfolg die Einrede der Präklusion entgegensetzen. Aber auch im Falle des Abs. 3 wird, trotz seines entgegenstehenden Wortlautes, § 264 anwend­ bar sein (RG. 55 S. 103). Von dem Gebote der Liquidität der Einwendungen ist mit Rücksicht auf die freie Stellung, welche der Richter bezüglich der Hemmung der Vollstreckung hat, abge­ sehen worden (vgl. Begr. 409); es genügt der Nachweis, daß die Einwendungen im Sinne des Abs. 2 zulässig sind. Die Verhandlung wird sich als Fortsetzung des früheren Prozesses auf Gmndlage des zur Vollstreckung stehenden Urteils zu ent­ wickeln haben.

§ 768.

I. Der § 768 verordnet die entsprechende Anwendung des § 767 auf solche Fälle, in denen die Vollstreckungklausel von dem Nachweise des Eintritts ge­ wisser Voraussetzungen bedingt wird, das Gericht diesen Nachweis für geführt erachtet und deshalb die Vollstreckungsklausel erteilt hat, der Schuldner aber den Nachweis bestreitet und deshalb die Klausel für unzulässig erklärt wisien will. Als Fälle dieser Art waren in dem alten § 687 solche der §§ 664, 665 bezeichnet; die Nov. v. 98 hat dieselben mit Rücksicht auf die in § 768 ange­ zogenen neuen Vorschriften erheblich erweitert. II. In diesen Fällen kann der Schuldner seine Einwendungen gegen die Zulässig­ keit der Bollstreckungsklausel schon gemäß § 732, also durch Beschwerde, geltend machen. Der § 768 eröffnet ihm aber auch den Weg der Klage entsprechend § 767. Der erstere Weg wird nur be» klarer Sachlage zum Ziele führen; der Schuldner kann aber gleichzeitig ober hinterher den letzteren Weg beschreiten. Bei diesem werden nur materielle Einwendungen berücksichtigt, die eine Fortsetzung des früheren Rechtsstreits erheischen und deshalb beim früheren Prozeßgericht 1. Instanz kumuliert anzubringen sind. Für Abs. 2 des § 767 ist hier kein Raum, da es sich immer um neuentstandene

SondcrfLlle.

636

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung § 769.

§ 769. (688.) Das prozeßgericht kann auf Antrag anordnen, daß bis zur Ertaßung des Urteils über die in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Licherheitsteistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und daß die erfolgten VollstreckungsMaßregeln gegen Sicherheitsleistung austuheben seien. Die tatsächlichen Be­ hauptungen, welche den Antrag begründen, smd glaubhaft zu machen. In dringenden Fällen kann das Vollstreckungsgericht eine solche Anordnung erlassen, unter Deftimmung einer Frist, innerhalb welcher die Entscheidung des Prozeßgerichts beizubringen sei. Vach fruchttosem Ablaufe der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt. Die Entscheidung über diese Anträge kann ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Einwendungen handelt. Die Klage ist auf Einstellung oder Beseitigung der Voll­ streckung zu richten (vgl. RG. 50 S. 365, 370).

Aortgang der Voll­ streckung.

§§ 769, 770. Mugdan Gruchot 39 S. 363.

Die Erhebung der in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen hat, wie aus §§ 769, 770 erhellt, auf den Fortgang der Vollstreckung an sich keinen Einfluß. Es bedarf daher zur Herbeiführung ihrer Hemmung besonderer gerichtlicher An­ ordnung. Diese ist in §§ 769, 770 in doppelter Gestalt und Wirkung zugelassen: nämlich nach § 769 als provisorische vor der Entscheidung über die Einwen­ dungen und nach § 770 als definitive in dieser Entscheidung. Für beide Arten ist dem Richter grundsätzlich eine den Fällen der §§ 707, 719 entsprechend freie Stellung eingeräumt (vgl. Begr. 409). In keinem Falle ist aber die Anordnung als einstweilige Verfügung im Sinne der §§ 935 ff. anzusehen (vgl. RG. 30 S. 394, IW. 01 S- 514, Peters Gruchot 29 S. 334, 653, Voß ziv. Arch. 71 S. 227). Provisorische Anordnung.

§ 769. In § 769 handelt es sich um Anordnungen, die aus Nebenanträge bei oder vor der Klageerhebung aus §§ 767, 768 den Fortgang der Vollstreckung einstweilen regeln (vgl. RG. Gruchot 39 S. 1156, 1160). I Nach Abs. 1 ist für solche Anträge das Prozeßgericht zuständig, d. h. die jeweilige Instanz desselben (vgl. RG. 33 S. 389). Ist die Klage noch nicht erhoben, so kann das dafür anzugehende Prozeßgericht eine Anordnung unter dem Beding er­ lassen, daß vor deren Vollziehung der Nachweis der Klageerhebung zu erbringen sei (vgl. RG. 10 S. 315, 33 S. 385). In dringenden Fällen kann der Antrag aber (Abs. 2) beim Vollstreckungsgericht angebracht werden. Die antragsbegründenden Tatsachen bedürfen der Glaubhaftmachung (Abs. 1). II. Für die Entscheidung ist (Abs. 3) vorgängige mündl. Verhandlung entbehrlich. Darüber, inwiefern der Vollstreckung Fortgang zu geben, steht dem Ge­ richt (Abs. 1) ein freieres Ermessen als in den Fällen der §§ 707, 719, 732 zu, indem namentlich von dem Erfordernis eines unwiederbringlichen Nachteils für die Einstellung ohne Sicherheitsleistung abgesehen ist. Das Gesetz erwartet vom Richter eine billige Ausgleichung der Interessen beider Parteien (vgl. Begr. 410, RG. 10 S. 316, IW. 01 S. 538).

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen §§ 770, 771.

637

§ 770. (689.) Das prozeßgericht kann in dem Urteile, durch welches über die Mnwendnngen entschieden wird, die in dem vorstehenden Paragraphen be­ zeichneten Anordnungen erlassen oder die bereits erlassenen Anordnungen auf­ heben, abändern oder bestätigen. In Detreff der Anfechtung einer solchen Ent­ scheidung finden die Vorschriften des § 718 entsprechende Anwendung. § 771. (690.) Dehauptet ein Dritter, daß ihm an dem Gegenstände der Zwangsvollstreckung ein die Veräußemng hinderndes Recht ;ustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gerichte geltend ;u machen, in dessen Legrke die Zwangsvollstreckung erfolgt. Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Ltreitgenossen anzusehen. Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der beJm Falle des Abs. 2 kann das Vollstreckungsgericht neben der Anordnung eine Frist zur Beibringung einer die Anordnung aufrecht erhaltenden Entscheidung des Prozeßgerichts bestimmen. Legt der Schuldner solche dem Gerichtsvollzieher oder dem Gericht nicht bis zum Fristablauf vor, so wird ohne weiteres die Vollstreckung sort< gesetzt (§ 775). Im Falle des Abs. 1 bleibt die Anordnung bis zur Erlassung des Urteils über die Einwendungen in Kraft (§ 770). Dabei hat das Gesetz regelmäßig das Urteil der gleichen Instanz im Auge, weil die Anordnung eben nur eine provisorische sein soll. Ist jedoch im Jnstanzurteile keine definitive Anordnung getroffen, so dauert das Provisorium weiter fort, bis im Urteile höherer Instanz eine definitive Anordnung oder Entscheidung über die Einwendungen ergeht. Die Entscheidungsform bildet allemal der Beschluß. Im Gegensatze zu §§ 707, 719 ist dessen Anfechtung nicht ausgeschlossen; es findet daher gemäß § 793 sofortige Beschwerde statt. Die Ausführung der getroffenen Anordnung ist nach § 775 Dir. 2 zu erwirken. Wegen der Kosten vgl. RG. 50 S. 356.

§ 770

Definitive Anordnung.

In dem über die Einwendungen des Schuldners ergehenden Jnstanzurteile kann nach § 770 zugleich über den Fortgang der Vollstreckung entschieden werden. Von einer allgemeinen vorläufigen Vollstreckbarkeit solcher Urteile ist Abstand genommen (vgl. Begr. 410). Es steht im sachdienlichen, durch Parteianträge nicht gebundenen Ermessen des Gerichts, welche bezüglichen Anordnungen es treffen will. Immerhin wird vorausgesetzt, daß die Anordnung sich in wesentlicher Überein­ stimmung mit der Entscheidung der Hauptsache verhalten werde (vgl. Begr. 410). War ein Provisorium nicht getroffen, so kann das Gericht eine der in § 769 be­ zeichneten Anordnungen beliebig erlassen. War ein Provisorium getroffen, so kann dasselbe aufgehoben, bestätigt oder abgeändert werden, womit es von selbst außer Kraft tritt. Die erkannte Anordnung bildet nach dem Grundsätze des § 714 einen Teil der Hauptentscheidung, und ist daher als solche nach Maßgabe des § 718 anfechtbar. Ihre Vollziehung hat der Schuldner nach § 775 Nr. 1 zu betreiben.

771.

Interventtoii Dritter durch

Wach, Feststellungsanspruch S. 21; Olshausen, die Einsprüche Dritter in der Exek.-^M^e Instanz (1874); Botz Gruchot 23 S. 232 und 25 S. 349, ziv. Arch. 66 S. 161, 71 S. 232, 76 S. 284, 79 S. 295 und 83 Heft 3, auch in JheringS Jahrb. 23 S. 43; Kühne Gruchot

VIII. Buch.

638

Zwangsvollstreckung § 771.

reits erfolgten Vollstreckungsmalzregeln finden die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechende Anwendung. Die Aufhebung einer Vollstreckungsmastregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig. 23 S. 497; Westerburg dort 23 S. 870; v. Glasenapp dort 24 S. 245; Francke Busch 6 S. 208, 29 S. 86; Nessel Gruchot 28 S. 83; Kahn ziv. Arch. 70 S. 409; Bunsen, Zwangsvollstreckung S. 59 und Mcckl. Zeiischr. 3 S. 274; v. Schrulka-Rechten stamm Grün Hut 13 S. 298, Dogm. Gesch. und Dogmatik der Frelgebung fremder Sachen im ZwBollstBerf., T. I (1888, 1889, besprochen Busch 14 S. 161 von Schmidt), T. II (1893, besprochen Gruchor 38 S. 194, Busch 19 S. 326, KritBJSchr. 36 S. 201), auch Busch 18 S. 65; Frommhold, die Widerspruchsklage in der ZwBollst. (1890, 1891, besprochen Busch 17 S. 401 von Schmidt); Staub IW. 1888 S. 201, 265, 295, 301 und 1889 S. 127, 359; Frantz, Abh. zur Lehre v. d. Exek.-Jntervention (1889); Frey StichsA. 10 S. 456; E. Goldmann Gruchot 50 S. 812; Francke Busch 38 S. 361; Pretsch ziv. Arch. 99 S. 445. Voraus­ setzungen.

Abs. 1. Der Abs. 1 verweist einen Dritten, der einer Zwangsvollstreckung unter der Behauptung widersprechen will, daß ihm an dem Gegenstände ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, auf den Weg der Klage beim Vollstreckungsgericht. I. a) Zunächst wird vorausgesetzt, daß eine Vollstreckung begonnen und noch nicht beendet ist (vgl. v. Schrutka Rechtenstamm Busch 18 S. 65), in dem Sinne, daß die vorgenommenen Vollstreckungshandlungen noch nicht abgewickelt sind. Dies wird zutreffen: für die Vollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche Sachen (§§ 808—827) so lange, als das gepfändete Geld oder der Erlös gepfändeter Sachen gemäß §§ 815, 819, 827 (872) noch nicht als an den Gläubiger gezahlt zu gelten hat (vgl. RG. 22 S. 267, Falkmann 124, Nessel Gruchot 28 S. 89, Hellmann § 130, die Kommentare); bei der Vollstreckung in Forderungen usw. (§§ 828—863) so lange, als die gepfändete Forderung oder der gepfändete Anspruch dem Gläubiger noch nicht überwiesen oder bei sonstiger Verwertung demselben der Erlös noch nicht gezahlt ist; bei der Vollstreckung in unbewegliches Vermögen (§§ 864—871) so lange, als das Verfahren noch nicht als beendet anzusehen ist; bei der Vollstreckung zur Er­ wirkung der Herausgabe von Sachen so lange, als der Gläubiger noch nicht gemäß §§ 883—886 deren Übergabe erlangt hat oder in deren Besitz eingewiesen ist. — Wird die Vollstreckung erst nach der Klageerhebung beendet, so kann dies den Dritten zur Änderung der Klage nach § 268 Nr. 3 berechtigen. Nach beendeter

Vollstreckung ist naturgemäß für die Intervention kein Raum mehr. Inwieweit dann dem Dritten noch ein Bereicherungsanspruch gegen den Gläubiger bleibt, ist nach dem BGB. zu beurteilen (vgl. BGB. §§ 813, 814, RG. 13 S. 183, OLG. Dresden ziv. Arch. 68 S. 412, Kahn dort 70 S. 438, Nessel Gruchot 28 S. 89, Staub IW. 88 S. 201, Voß ziv. Arch. 79 S. 295, Planck II § 179 zu ID). b) Dritter kann jeder sein, der nicht Gläubiger, Schuldner oder deren Rechts­ nachfolger, und gegen den nicht der Schuldtitel nach §§ 727 ff. wirksam ist (vgl. RG. 4 S. 111, 18 S. 394, 30 S. 386 (Fideikommißanwärtcrj, 42 S. 343 und SeuffA. 36 Nr. 169). c) Voraussetzung ist irgendwelcher Zugriff in einen Vermögensgegenstand des Schuldners, so daß auch die Arrestpfändung hierher gehört (vgl. RG. 4 S. 111, 18 S. 375, Gruchot 33 S. 913, IW. 90 S. 274, 01 S. 403 (Forderungen)). II. a) Die Voraussetzung, daß dem Dritten an dem Vollstreckungsgegenftande ein deffen Veräußerung hinderndes Recht zustehe, hat zu einer lebhaften Meinungs­ verschiedenheit Anlaß gegeben. Nach der einen Ansicht (vgl. Olshausen, Westerburg, Kahn, Frommhold) soll es sich dabei um einen rein privatrechtlichen Schutzbehelf eines Eigentümers oder dinglich Berechtigten gegen die durch den Zugriff des Gläubigers bewirkte Störung ihrer Rechte handeln. Die andere Ansicht (vgl. Wach, Boß, Bunsen,

v. Schrutka-Rechtenstamm, Schmidt) erblickt in der Widerspruchsklage einen im Prozeß­ recht geschaffenen Anspruch auf Beseitigung prozessualer Zwangsmaßregeln. Die Widerspruchsklage gründet sich auf ein die Veräußerung des Vollstreckungs­ gegenstandes hinderndes Recht des Dritten. Diesen Gegenstand bildet eine Sache oder ein Recht, das dem Schuldner durch staatliche Organe ohne zuvorige maßgebende Feststellung, ob der Gegenstand des Zugriffes rechtlich zum Vermögen des Schuldners gehört, gepfändet oder abgenommen wird (§§ 808, 809). Die Pfändung gewährt dem Gläubiger ein dem Faustpfandrechte gleiches Pfandrecht (§ 804), dessen Inhalt darin besteht, daß die Pfandsache verwertet und aus dem Erlöse die Geldforderung des Gläubigers gedeckt wird (§§ 815 ff.). Die erfolgreiche Durchführung dieses Rechts hängt naturgemäß davon ab, daß der Pfandgegenstand zur Zeit der Pfändung zu dem veräußerlichen Vermögen des Schuldners gehört (vgl. Goldmann a. a. O.). Diese Voraussetzung ist für den als Generalexekution sich darstellenden Fall des Konkurses des Schuldners in §§ 1, 41 KO. besonders vorgesehen. Daraus folgt, daß der Dritte, der die Vollstreckung als einen Eingriff in feine Rechtssphäre ansieht, in der Lage sein muß, die bei jeder Vollstreckung obwaltende Voraussetzung, daß deren Gegen­ stand der freien Veräußerung des Schuldners untersteht, durch den Nachweis zu be­ seitigen, daß ihm daran ein diese Berechtigung ausschließendes Recht zustche. Es handelt sich hier sonach wesentlich um das Verhältnis der dem Schuldner und dem Dritten an dem Bollstreckungsgegenstande zustehenden Veräußerungsrechte, und der Gläubiger ist nur insofern beteiligt, als er aus dem Rechte des Schuldners seine Befriedigung sucht. Das Ziel des widersprechenden Dritten bildet die Aushebung der im Interesse des Gläubigers begonnenen Zwangsvollstreckung. Das Ergebnis dieser Betrachtung ist: Anlaß und Zweck der Widerspruchsklage ist ein prozeßrechtlicher, inso­ fern sie durch die zur Befriedigung des Gläubigers prozessualisch zugelaffene Voll­ streckung in einen als solchen vorausgesetzten Vermögcnsgegenstand des Schuldners her­ vorgerufen wird und die Beseitigung dieses prozeffualen Aktes erstrebt. Ihren Grund bildet allerdings die aus dem materiellen Rechte zu beantwortende Behauptung, daß der Bollstreckungsgegenstand zufolge eines enkgegenstehenden Rechts des Klägers nicht zu dem veräußerungsfähigrn Vermögen des Schuldners gehöre. Sonach stellt sich die Klage als ein im Prozeßrechte zugelassener Schutzbehelf des Dritten gegen den Bollstreckungsgläubiger, beruhend auf dem das Vermögen des Dritten ver­ letzenden Zugriffe des Gläubigers, dar (vgl. Planck II § 179). b) Daraus ergibt sich für die Begründung der Klage der Gesichtspunktals wesentlich, ob dem Dritten an dem Bollstreckungsgegenstande ein dessen Verwertung für Rechnung des Schuldens und zur Deckung des Gläubigers aus­ schließendes Recht zusteht. 1. Soweit es sich hierbei um die ZwVollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche Sachen handelt, ist aus der Vorschrift des § 805, wonach ein Dritter, der sich nicht im Besitze der Sache befindet, auf Grund eines Pfand- oder Vorzugs­ rechtes nur einen Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung aus dem Erlöse geltend machen kann, zu schließen, daß das in § 771 vorausgesetzte Recht mit dem Besitze des Bollstreckungsgegenstandes verbunden sein muß. Der Besitz ist hier als Gegen­ satz zum Gewahrsam zu nehmen. Zur Zulassung der Vollstreckung reicht der Gewahr­ sam des Schuldners an dem Bollstreckungsgegenstande aus (§ 809); aber zur Be­ gründung der Klage aus § 771 ist ein Recht des Dritten zum Besitze des Gegenstandes erforderlich. Steht dem Schuldner ein solches Besitzrecht zu, so muß die Widerspruchs­ klage für den Dritten ein besseres Besitzrecht begründen. Aus diesem Rechtssatze ergibt sich zunächst, daß zur Substantiierung der Widerspruchsklage ein bloß persönlicher Anspruch des Dritten an den Schuldner aus Übergabe des noch diesem gehörigen

Bollstreckungsgegenstandes nicht genügt (vgl. RG. 18 S. 366, Planck II § 179 II). Welche Besitzrechte nun aber als die Veräußerung des Bollstreckungsgegenstandes

640

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung § 771.

hindernde anzusehen sind, ergibt das materielle Recht. Hauptsächlich werden dabei petitorische dingliche Rechte in Betracht kommen, so daß es sich um Geltend­ machung des Eigentums, des eigentumsähnlichen (publizianischen, vollständigen, vom BGB. als Eigenbesitz [§ 872] bezeichneten) Besitzrechts, eines dinglichen Gebrauchs-, Nutzungs- oder Pfandrechts handeln wird. Soweit auch dem bloßen Gewahrsam Besitzschutz gewährt wird (vgl. BGB. § 860), dürfte dieser, falls der Dritte sich nicht etwa zur Herausgabe bereit erklärt hat (§ 809), mit zu berücksichtigen sein (vgl. aus der Praxis RG. 14 S. 365, 17 S. 373, 18 S. 366, 394, 26 S. 101, 34 S. 424, 362, 55 S. 207 ^Widerspruch des Hypothekgläubigers gegen Pfändung von Zubehörstücken], IW. 91 S. 424, 426, Zeitschr. f. GerVollz. 90 S. 170). Für das Pfandrecht vgl. Emmerich, Pfandrechtskonkurrenzen, 09, S. 7 ff. 2. Die Frage, ob obligatorische Rechtsverhältnisse zur Begründung der Klage geeignet sind, wird insoweit zu bejahen sein, als der Schuldner den Voll­ streckungsgegenstand auf Grund eines solchen Rechtsverhältnisses als einen dem Dritten gehörigen ohne Veränßerungsbefugnis inne hat, wie beim Mandat, Depositum, Kommodat oder Mietsverträge. Aber dies beruht nur darauf, daß in solchen Fällen dem Dritten ein besseres Besitzrecht als dem Schuldner zur Seite steht, und in dieses Recht ein Eingriff im Interesse des Gläubigers erfolgt ist (vgl. auch RG. 18 S. 366). Eine Bestätigung hierfür gewährt der in § 41 KO. aus­ gesprochene Grundsatz, daß sich die Ansprüche auf Aussonderung eines dem Gemein­ schuldner nicht gehörigen Gegenstandes aus der Konkursmasse auf Grund eines ding­ lichen oder persönlichen Rechts nach den außerhalb des Konkursverfahrens geltenden Gesetzen bestimmen sollen. Es erscheint die Annahme nahe liegend, daß der Dritte einen Gegenstand, den er im Konkurse zur Aussonderung aus dem zur Befriedigung der Konkursgläubiger dienenden Vermögen des Gemeinschuldners (Konkursmasse, § 1 KO., vgl. RG. 36 S. 125) bringen darf, außerhalb des Konkurses dem der Zwangs­ vollstreckung unterworfenen Vermögen des Einzelschuldners zu entziehen berechtigt ist. c) Die Vorschrift des § 41 KO. führt zugleich zu objektiver Erweiterung des obigen Ergebnisses. Denn sie bezieht sich, wie der allgemeine Ausdruck „Gegen­ stand" ergibt (vgl. Mot. zur KO. 188, Prot. 87), nicht bloß auf körperliche bewegliche Sachen, sondern auf alle individuell bestimmten Vermögensstücke, also auch auf un­ körperliche Sachen und Rechte. Folgerecht darf auch der § 771 auf die ZwVollstreckung in andere Vermögensgegenstände, als bewegliche Sachen, erstreckt werdm. Dahin gehört namentlich der Fall, daß der Gläubiger ein Forderungsrecht oder ein sonstiges Vermögensrecht des Schuldners pfänden läßt, und ein Dritter als früherer Erwerber des Anspruchs oder Rechts Widerspruch erhebt (vgl. RG. 4 S. 111, 12 S. 380, 43 S. 403, 49 S. 357, Gruchot 29 S. 1141; a. M. Vierhaus Busch 5 S. 119). Auch das im Konkurse dem Konkursverwalter und das außerhalb des Konkurses einem dritten Gläubiger zustehende Anfechtungsrecht kann prozessualisch im Wege des § 771 geltend gemacht werden (vgl. RG. 18 S. 394, 30 S. 394, Gruchot 38 S. 182, IW. 90 S. 68, 93 S. 77, 78, SeuffA. 36 Nr. 169; vgl. Seuffert Busch 20 S. 80; a. M. Planck II § 179 zu II A 2). d) Daß das Recht des Dritten ein ausschließliches ist, wird nicht erfordert. Auch im Fall eines bloßen Mitbesitzes des Dritten greift die Veräußerung des gemeinschaftlichen Gegenstandes in dessen Recht ein. Dies muß für Gemeinschaften aller Art gelten; naturgemäß allemal unter der Voraussetzung, daß der Widersprechende ein Dritter, d. h. der Schuldtitel nicht zugleich gegen ihn wirksam ist (vgl. RG. IW. 90- S. 9, OLG. Jena SeuffA. 40 Nr. 79). Verfahren. Äbs 1—3. Klage. I Für die Jnterventionsklage kommen noch folgende prozessuale Gesichtspunkte in Betracht: a) Zuständig ist nach Abs. 1 das Gericht, in bessert Bezirk die Vollstreckung

§ 772. Solange ein Veräußerungsverbot der in den §§ 135, 136 des Mrgerlichen Gesetzbuchs be;eichneten Ärt besteht, soll -er Gegenstand, auf welchen es sich besieht, wegen eines persönlichen Anspruchs oder auf Grund eines infolge erfolgt ist (vgl. RT. 35 S. 405); somit in den Fällen, in denen die Pfändung durch das Gericht erfolgt, wie bei Forderungen und anderen Vermögensrechten, das hierfür zuständige Gericht (vgl. RG. 12 S. 379, 65 S. 378 und Gruchot 27 S. 1120), welches auch zuständig bleibt, nachdem der Betrag der gepfändeten Forderung hinter­ legt ist (RG. 67 S. 310). Dieser Gerichtsstand ist nach § 802 ein ausschließlicher, -so daß die Anwendung des § 36 Nr. 3 versagt (vgl. RG. 31 S. 380). b) Die Parteirolle des Beklagten fällt zunächst dem Gläubiger zu, in dessen Jntereste die Vollstreckung betrieben wird. Der Schuldner wird dabei nur insofern berührt, als er aus eigenem Interesse das Recht des Dritten etwa leugnet; und daher wird von diesem Gesichtspunkte aus der Dritte zu prüfen haben, ob er auch gegen den Schuldner klagen soll. Daß, falls er gegen beide Beteiligte Nagt, diese als Streitgenossen anzusehen sind, hat Abs. 2 besonders ausgesprochen; doch ist die Streitgenossenschast keine notwendige (vgl. RG. IW. 87 S. 113). c) Die Klage hat zum Gegenstände den Widerspruch des Dritten gegen die im Interesse des Gläubigers erfolgte Vollstreckung, zum Grunde das die Veräußerung des Vollstreckungsgegenstandes hindernde Recht des Dritten. Sie wird im Anträge je nach den Umständen darauf gehen, die Vollstreckung für unzulässig zu erklären, auszuhebrn, einzustellen oder zu beschränken (§ 775 Nr. 1), jedoch, falls die Beseiti­ gung des Eingriffes unmittelbar nicht mehr ausführbar ist, wie bei Hinterlegung des gepfändeten Geldes, des Erlöses versteigerter Sachen oder des Streitgegenstandes, auch darauf, das Hinterlegte dem Kläger zuzusprechen oder dem Beklagten abzusprechen (vgl. RG. 10 S. 393, 19 S. 299, IW. 90 S. 333). Soweit dem Bestreiten des klägerischen Rechts von feiten des Schuldners entgegengetreten werden soll, wird auch dieser Punkt im Klageantrage zu berücksichtigen sein. Für eine Konkurrenz der Klage mit der Hauptintervention (§ 64) ist kein Raum, weil diese einen unter Dritten anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand voraussetzt, während bei jener es sich um eine Vollstreckung in das Vermögen des Schuldners zur Befriedigung des Gläubigers handelt. d) Im Kostenpunkt herrscht Streit, ob der Gläubiger, falls ihm vor der Klageerhebung der Widerspruch des Dritten weder durch diesen, noch durch den Ge­ richtsvollzieher kundgegeben ist, er aber im ersten Verhandlungstermine den Anspruch anerkennt, sich mit Erfolg auf § 93 berufen kann. M. E. wird es darauf ankommen, ob sein Zugriff in das Vermögen des Schuldners schon ein zur Klage Anlaß gebendes Verhalten darstellt; und für die Bejahung dieser Frage spricht, daß die Vollstreckung zwar lediglich nach dem Vermögensanscheine des Schuldners erfolgen darf, der Gläubiger sich aber dabei der Gefahr aussetzt, durch die Vollstreckung in fremde Ver­ mögensrechte einzugreisen (vgl. RG. IW. 02 S. 23, Nessel Gruchot 28 S. 86, Hahn dort 31 S. 351, Waldstein dort 35 S. 624, Meyer Busch 7 S. 293, Schulze dort S. 543, Falkmann 129, Staub IW. 89 S. 359, die Kommentare). Bei dieser Rechtslage empfiehlt es fich für den Dritten, seinen Widerspruch schleunigst dem Ge­ richtsvollzieher oder dem Gläubiger anzuzeigen. II. Die von dem Widersprechenden etwa bestellte Sicherheit ist nicht gemäß Fortgang d-z §§ 302 Abs. 4, 600 Abs. 2, 717 Abs. 2, 945 zu behandeln (vgl. IW. 06 S. 89). «»'-»r-n«.

88 778-774.

Sonders Lüe der Inter-

Die von der Nov. v. 98 eingefügten 88 772—774 sehen die Anwendung der Widerspruchsklage aus § 771 aus Vollstreckungen, deren Wirksamkeit wegen besonderer zivilrechtlicher Verhältnisse der Anfechtung unterliegt, vor. Reincke, ZPO. 6. Anfl.

41

6cn,i0n-

642

VIII. Buch. Zwangsvollstreckung §§ 773, 774.

des Verbots unwirksamen Rechts nicht im Wege der Zwangsvollstreckung ver­ äußert oder überwiesen werden. Äuf Grund des Veräußerungsverbots Kanu nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erhoben werden. § 773. Ein Gegenstand, der ;u einer Vorerbschaft gehört, soll nicht im Wege der Zwangsvollstreckung veräußert oder überwiesen werden, wenn die Veräußerung oder die Überweisung im Falle des Eintritts der Nacherbfolge nach

§ 2115 des Bürgerlichen Gesetzbuchs dem Vacherben gegenüber unwirksam ist. Der Vacherbe kann nach Maßgabe des § 771 Widerspruch erheben. § 774. Findet nach § 741 die Zwangsvollstreckung in das eingebrachte Gut der Ehefrau oder in das Gesamtgut statt, so kann der Ehemann nach MaßBeräußerungs-verbot.

Nacherbschaft.

§ 772. Nach §§ 135, 136 BGB. hat ein nur auf den Schutz bestimmter Personen abzielendes gesetzliches, sowie ein von einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungs­ behörde erlassenes Veräutzerungsverbot die Folge, daß eine über den Verbotsgegenstand­ getroffene Verfügung, sei sie durch Rechtsgeschäst oder im Zwangswege (Zwangsvoll­ streckung oder Arrest) getätigt, den durch das Verbot geschützten Personen gegenüber unwirksam bleibt. Im Bereiche der Zwangsvollstreckung äußert diese Folge sich darin, daß einer Veräußerung von Sachen oder einer Überweisung von Rechten, die dem Verbot unterliegen, zugunsten der Geschützten die Rechtswirkung insoweit abgeht, als sie wegen eines persönlichen Anspruchs oder auf Grund eines infolge des Verbots un­ wirksamen Rechtstitels erfolgt ist. Mit Rücksicht hierauf bestimmt § 772 vorweg, daß, solange ein Veräußerungs­ verbot im Sinne der §§ 135, 136 BGB. besteht, der Verbotsgegenstand wegen eines persönlichen Anspruchs oder auf Grund eines infolge des Verbots unwirksamen Rechts der Zwangsveräußerung oder Zwangsüberweisung überhaupt ent­ zogen sein soll. Diese als Ordnungsvorschrift für das gemeine Wohl gedachte Be­ stimmung beruht auf der Erwägung, daß eine solche Veräußerung bei der Unsicherheit des dadurch vermittelten Erwerbes (vgl. § 135 Abs 1, 2 BGB.) weder im Interesse des Schuldners, noch in dem des öffentlichen Verkehres liege (vgl. Mot. zu § 690 a). Weiter ist aber für den Fall, daß trotzdem eine solche Zwangsveräußerung oder Überweisung erfolgt, dem durch das Verbot Geschützten das Recht eingeräumt, dagegen die Widerspruchsklage aus § 771 zu erheben.

§ 773. Nach § 2115 BGB. ist eine im Wege der Zwangsvollstreckung (oder der Arrest­ vollziehung) erfolgende Verfügung über einen zu einer Vorerbschaft gehörigen Gegen­ stand im Falle des Eintritts der Nacherbfolge (§ 2106) dem Nacherben gegenüber insoweit unwirksam, als sie dessen Recht vereiteln oder beeinträchtigen würde, während sie unbeschränkt wirksam ist, sofern es sich um den Anspruch eines Nachlabgläubigers oder um ein an dem vorerbschaftlichen Gegenstände bestehendes und ev. dem Nacherben gegenüber wirksames Recht handelt. Die Nov. v. 98 (vgl. Mot. zu § 690 b) hat nun erwogen, daß, soweit nach § 2115 a. a. O. eine Verfügung obiger Art unwirksam sein würde, die Zwangsveräußerung oder Überweisung eines zur Vorerbschaft gehörigen Gegenstandes aus der für § 772 maßgebend gewesenen Rücksicht dem allgemeinen Verkehrsinteresse nicht förderlich sein würde. Deshalb ist auch hier verordnet, daß eine solche Zwangsveräußerung oder Über­ weisung insoweit überhaupt unzulässig sein soll, und, falls sie dennoch erfolgt,, der Nacherbe ihr mit der Klage aus § 771 widersprechen darf.

gäbe des § 771 Widerspruch erheben, wenn das gegen die Ehefrau ergangene Urteil in Ansehung des eingebrachten Gutes oder des Gesamtguts ihm gegen­ über unwirksam ist. § 775. (691.) Die Zwangsvollstreckung ist empistellen oder px beschränken: 1. wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus welcher sich ergibt, daß das ;u vollstreckende Urteil oder dessen vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben, oder daß die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder deren Einstellung angeordnet ist; 2. wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus welcher sich ergibt, daß die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist; 3. wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus welcher fich ergibt, -aß die zur Abwendung der Vollstreckung nachgelassene Sicherheits­ leistung oder Hinterlegung erfolgt ist; 4. wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte privatnrkunde vorgelegt wird, ans welcher fich ergibt, daß der Gläubiger nach Erlassung des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat; 5. wenn ein Postschein vorgelegt wird, aus welchem fich ergibt, daß nach Erlassung des Urteils die zur Desriedigung des Gläubigers erforderliche Summe zur Auszahlung an den letzteren bei der Post eingezahlt ist.

8 774. Ehemann im 3 Fall de» Nach § 741 ZPO. ist, sofern die Ehefrau selbständig ein ErwerbsgeschäsL § 7418VD* treibt, zur Vollstreckung in ihr eingebrachtes Gut oder in das Gesamtgut der Eheleute ein gegen die Frau ergangenes Urteil ausreichend, falls nicht bereits bei Eintritt der Rechtshängigkeit der Ehemann seinen Einspruch gegen den Betrieb seiner Frau oder den Widerruf seiner Einwilligung zu dem Betriebe im Güterrechtsregister hat ein­ tragen lassen. Für den Fall, daß nach § 741 eine Vollstreckung in das Eingebrachte der Frau oder in das Gesamtgut stattfindet, verordnet nun der § 774, daß der Mann, sofern er das gegen seine Frau ergangene Urteil auf Grund seiner ehelichen Güterrechte für unwirksam erachtet, der Vollstreckung im Wege der Widerspruchsklage aus § 771 entgegentreten kann.

88 77S, 776. Der § 775 bestimmt unter Nr. 1—5 eine Reihe von Umständen, die auf den ^wBollst" Fortgang der begonnenen Bollstreckung einwirken sollen. Diese Umstände sind teils solche, die auf dem Willen des Gläubigers (Nr. 4), teils solche, die auf einer Handlung des Schuldners (Nr. 3, 5), teils solche, die auf gerichtlicher Entschei­ dung (Nr. 1, 2) beruhen Die in §§ 775, 776 bestimmten Einwirkungen bestehen einerseits in Ein­ stellung oder Beschränkung der Vollstreckung (§ 775), andrerseits in einstweiliger Auf­ rechterhaltung oder in Aufhebung der erfolgten Vollstreckungsmaßregeln (§ 776). Die­ selben sind nicht nur für das zivilprozessuale Interesse der Beteiligten, sondern auch für das Verhalten der Bollstreckungsorgane maßgebend. Bezüglich des letzteren bietet ein etwa nötiges Korrektiv die Erinnerung aus § 766, in den Fällen des § 775 Nr. 4, 5 auch wohl die Widerspruchsklage aus § 771.

644

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung § 776.

Einstellung bj$to. Äe*

§ 775.

^ZwBoüstr^'

I Der Begriff von Einstellung und Beschränkung der ZwBollstreckung ist zu §§ 707 ff. erörtert. Die Einstellung kann auf bestimmte oder unbestimmte Zeit erfolgen. Die Beschränkung bezieht sich auf den Umfang der Vollstreckung, fei es in quantitativer oder qualitativer Hinsicht. Für die Voraussetzungen dieser Maßregeln kommen neben § 775 noch die §§ 14, 48, 49, 127 KO., wonach die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Schuldners die Einstellung der Vollstreckung in dasselbe nach sich zieht, soweit diese nicht zur Realisierung von Aus- oder Absonderungsrechten dient, sowie die §§ 28—34, 75—77, 86 JmmobilZwVersteigG. v. 20. 5. 98 in Betracht. Über den so bestimmten Umfang hinaus steht den Vollstreckungsorganen die Befugnis zur Ein­ stellung oder Beschränkung der Vollstreckung nicht zu (vgl. RG. 9 S. 316 und IW. 87 S. 313). II Im einzelnen ist folgendes zu bemerken:

Nr. i, 2.

ä) In der Gruppe Nr. 1, 2, bei welcher der Hemmungsgrund in einer vom Schuldner dem Bollstreckungsorgane vorzulegenden, die bisherige Rechtslage abändernden gerichtlichen Entscheidung besteht, handelt es sich

in Nr. 1 um vollstreckbare definitive Entscheidungen, also (vgl. §§ 704, 732, 767, 768, 771, 717) um rechtskräftige oder für vorläufig vollstreckbar erklärte Ur­ teile, für deren Beibringung eine Ausfertigung ohne Vollstreckungsklausel genügt (vgl. RG. 32 S. 421). Indessen umfaßt der Ausdruck „Entscheidung" auch Beschlüsse, so daß auch auf diese Nr. 1 anwendbar erscheint (vgl. RG. IW. 08 S. 559).

Die Nr. 2 betrifft provisorische Entscheidungen, also Beschlüsse (vgl. 88 707, 719, 732, 766, 769, 771 Abs. 3). Das Erfordernis der Vollstreckbarkeit erübrigt sich, weil solche Entscheidungen nur durch die der Suspensivwirkung entbehrende so­ fortige Beschwerde anfechtbar find (vgl. 88 793, 572, 577, Prot. 366). Sie müssen dem Bollstreckungsorgan in Ausfertigung vorgelegt werden. Nr. 3.

Nr. 4, s.

b) Die Nr. 3 bezieht sich auf den Fall, wo der Schuldner, dem die Abwen­ dung der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterleguna nach­ gelassen ist (vgl. 88 707, 713, 719, 732 Abs. 2, 769, 771 Abs. 3), dem Gericht die Erfüllung dieser Bedingung durch Vorlegung einer öffentlichen Urkunde nachweist. c) Die Gruppe der Nr. 4, 5 betrifft Fälle, wo nach Lage der vorzulegenden Urkunden eine direkte Hemmung der ZwVollstreckung durch das Vollstreckungsorgan dem Interesse beider Teile mehr entsprechend erscheint, als die zuvorige Einholung einer gerichtlichen Entscheidung (vgl. Begr. 414).

Die Nr. 4 setzt voraus, daß der Schuldner eine volle oder teilweise Be­ friedigung oder Fristgewährung des Gläubigers nach Erlassung des Schuldtitels durch öffentliche Urkunde oder unverdächtige Privaturkunde des Gläubigers nachweift. Geht die Stundung auf bestimmte Zeit, so ist nach deren Ablauf ohne weiteres die Vollstreckung fortzusetzen, während es andernfalls eines erneuten Auf­ oder Antrags des Gläubigers bedarf. Die Nr. 5 hat die Voraussetzung, daß der Schuldner durch Beibringung des Po st sch eins nachweist, daß die zur Befriedigung des Gläubigers nach dem Schuld­ titel erforderliche (vgl. RG. 49 S. 399) Summe bei der Post inzwischen eingezahlt ist. Bloße Geldbriefe oder deklarierte Wertsendungen finden keine Berücksichtigung.

HI. Anlangend das Verfahren, hat der Gerichtsvollzieher über jede vorge­ nommene Einstellung oder Beschränkung gemäß 88 762, 763 ein Protokoll aufzu­ nehmen und dem Gläubiger Mitteilung zu machen. Wenn der Gläubiger die Fort< setzung der Vollstreckung verlangt, weil die Hemmung zu Unrecht erfolgt oder in­ zwischen durch Fristablauf erledigt fei, der Gerichtsvollzieher aber solche verweigert,

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen §§ 776, 777.

645

§ 776. (692.) Ln den Fällen -es § 775 Ar. 1, 3 sind zugleich die bereits erfolgten Vollstreckungsmaßregeln aufzuheben. Än den Fällen der Ihr. 4, 5 bleiben diese Maßregeln einstweilen bestehen; dasselbe gilt in den Fällen der Nr. 2, sofern nicht durch die betreffende Entscheidung auch die Aufhebung der bisherigen Vollstreckungehandlungen angeordnet ist. § 777. Hat der Gläubiger eine bewegliche Sache des Schuldners im Hesitz, in Ansehung deren ihm ein Pfandrecht oder ein Zurückbehaltungsrecht für seine Forderung zusteht, so kann der Schuldner der Zwangsvollstreckung in sein übriges vermögen nach § 766 widersprechen, soweit die Forderung durch den Wert der Sache gedeckt ist. Steht dem Gläubiger ein solches Recht in An­ sehung der Sache auch für eine andere Forderung zu, so ist der Widerspruch nur zulässig, wenn auch diese Forderung durch den Wert der Sache gedeckt ist. so muß ersterer die Entscheidung des BollstrGerichts anrufen (§ 766, vgl. RG. IW. 94 S. 427). In den Fällen Nr. 1—3 ist die Fortsetzung der Vollstreckung naturgemäß nur dann statthaft, wenn eine die Hemmung wieder aushebende gerichtliche Entscheidung vorgelegt wird.

§ 776

Aufdebuilg der Bollstr.-

I. In den Fällen des § 775 läßt § 776 eine Mitaushebung der bereits Ma»re,rln. erfolgten Vollstreckungsmaßregeln, die die Vollstreckung völlig beseitigen würde, nur teil­ weise zu. Zu Nr. 1, 3 gebietet sie sich naturgemäß, weil dann der Vollstreckung die Grundlage entzogen ist. Zu Nr. 2 wird erfordert, daß sie in der vorgelegten Ent­ scheidung besonders angeordnet ist. Zu Nr. 4, 5 sollen die bewirkten Bollstreckungs­ maßregeln zum Schutz des Gläubigers einstweilen bestehen bleiben bis zu endgültiger Erledigung des Falles. Diese wird dann herbeigeführt dadurch, daß der Gläubiger von der Vollstreckung absieht oder der Schuldner eine die Aufhebung anordnende ge­ richtliche Entscheidung vorlegt. II. Für die JmmobilZwBersteig. vgl. §§ 28, 29, 77, 86 G. v. 20. 5. 98.

I. Der Gläubiger, dem für seine Forderung ein Pfandrecht oder ein Zurück- NMj. behaltungSrecht an einer beweglichen Sache des Schuldners zusteht (vgl. Deck»", »er 88 1205, 273, 1000ff. BGB., 88 369ff. HGB.), ist an sich nicht behindert, auch ®llub*aer!L in das sonstige Vermögen des Schuldners die Zwangsvollstreckung zu betreiben. Immerhin erachtet es die Nov. v. 98, entsprechend dem Zwecke der Pfandbestellung und des Zurückbehaltungsrechts und im Anschluß an frühere Landesgesetze (vgl. z. B. den 8 46, I, 20 PrALR), für billig, einem Zugriffe des Gläubigers in das sonstige Vermögen des Schuldners insoweit eine Schranke zu setzen, als er durch den Wert der Pfandsache gedeckt erscheint (vgl. Mot. zu 8 692a). Demnach gewährt der 8 777 dem Schuldner das Recht, einem solchen Zugriffe im Wege der Erinnerung (8 766) zu widersprechen. Der Rechtsbehelf ist also beim Bollstreckungsgericht anzu­ bringen, erfordert den Nachweis des Widerspruchsgrundes, und wird auf Aufhebung des sonstigen Zugriffes zu richten sein. n. Für diesen Rechtsbehelf ist aber in dem Falle, daß das Pfand- oder Zurück­ behaltungsrecht an der Sache dem Gläubiger auch noch wegen einer anderen Forderung zusteht, im Hinblick auf den Rechtssatz des 8 772 Abs. 2 BGB. (vgl. Mot. a. a. O.) noch die weitere Voraussetzung bestimmt, daß dann auch die andere

646

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung §§ 778, 779.

§ 778. Solange der Erbe die Erbschaft nicht angenommen hat, ist eine Vwangsvollstreckvng wegen eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlaß richtet, nur in den Nachlaß zulässig. Wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben ist eine Zwangsvollstreckung in den Nachlaß vor der Annahme der Erbschaft nicht zulässig.

§ 779. (693.) Eine Zwangsvollstreckung, welche zur Zeit des Todes des Schuldners gegen diesen bereits begonnen hatte, wird in den Nachlaß desselben fortgesetzt. Hst bei einer Vollstreckungshandlung die Zuziehung -es Schuldners nötig, so hat, wenn die Erbschaft noch nicht angenommen oder wenn der Erbe unbe­ kannt oder es ungewiß ist, ob er die Erbschaft angenommen hat, das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers dem Erben einen einstweiligen besonderen Vertreter zu bestellen. Die Destellung hat zu unterbleiben, wenn ein Nachlaßpfleger bestellt ist oder wenn die Verwaltung -es Nachlasses einem Testamentsvollstrecker Ersteht. Forderung durch den Wert der Sache gedeckt wird. Der Gläubiger wird dem Rechtsbehelse des Schuldners mit dem Fehlen dieser Voraussetzung begegnen dürfen.

§ 778.

Erblchasts-

annaijme.

Nach § 195g BGB. darf ein Anspruch an den Nachlaß gegen den Erben nicht

vor dessen Erbschastsannahmc gerichtlich geltend gemacht werden. Zur Durchführung dieser Schutzbestimmung für den Erben bestimmt bereits § 239 Abs. 5, daß der Erbe vor der Erbschaftsannahme nicht verpflichtet sein soll, einen von seinem Erblaffer anhängig gemachten Prozeß fortzusetzen. In § 778 ist mit Bezug auf die Zwangsvollstreckung weiter verordnet, 1. nach Abs. 1, daß wegen eines Anspruchs an den Nachlaß solange der Erbe die Erbschaft noch nicht angenommen hat, die Vollstreckung nur in den Nach­ laß zulässig, 2. nach Abs. 2, daß wegen eigener Verbindlichkeiten des Erben vor diesem Zeitpunkt die Vollstreckung in den Nachlaß nicht zulässig sein soll. Auf welchem Wege diese Schutzbehelfe von den Beteiligten zur Geltung zu bringen sind, ist in § 778 nicht besonders bestimmt. Nach dessen Stellung und da es sich nicht um Einwendungen aus 88 767 oder 771 handelt, wird eine Erinnerung oder ein Widerspruch aus 8 766 angezeigt sein.

r°i> der Schuldners.

Bornote.

88

779-785.

Die 88 779—785 betreffen die Frage, inwiefern der eintretende Tod des Schuldners die Zulässigkeit oder den Fortgang der Zwangsvollstreckung wegen der Schuldleistung beeinflußt. Hierbei kommen folgende Fälle in Betracht:

1. Gegen den Schuldner war ein vollstreckbarer Schuldtitel noch nicht er­ gangen. Dann ist naturgemäß eine Vollstreckung in seinen Nachlaß nicht zulässig, vielmehr der Gläubiger in der Lage, auf Grund der 88 239 ff. erst gegen den Erben einen vollstreckbaren Schuldtitel zu erwirken (vgl. Begr. 415). 2. Gegen den Schuldner war ein vollstreckbarer Schuldtitel bereits erlassen. War dann a) die Vollstreckung gegen ihn noch nicht begonnen, so ist sie auf Grund jenes Schuldtitels nicht zulässig, vielmehr der Fall der 88 727 ff. gegeben und eine

vollstreckbare Ausfertigung des Schuldtitels gegen seinen Rechtsnachfolger (Erben) zu erwirken. b) War die Vollstreckung gegen den Schuldner bereits begonnen, so soll sie nach § 779 in seinen Nachlaß fortgesetzt werden. In den Fällen zu 1, 2 können dem Gläubiger für die Vollstreckung gegen den Erben oder in den Nachlaß insofern Schwierigkeiten erwachsen, als der Erbe noch unbekannt oder die Annahme der Erbschaft durch ihn ungewiß, der Nachlaß auch ohne «nderweite Vertretung (Pfleger, Testamentsvollstrecker) ist. Für beide Fälle hatten die alten §§ 693 Abs. 2, 694 dem Gläubiger ein Aushilfsmittel zur Erwirkung eines Vertreters an die Hand gegeben; die Nov. v 98 hat auf Grundlage des BGB. in dem «inen § 779 beide Fälle vorgesehen, und daher den alten § 694 gestrichen (vgl. Mot. zu §§ 693, 694).

3 Gegen den Erben des Schuldners ist ein vollstreckbarer Schuldtitel er­ gangen, was dadurch, daß der gegen den Schuldner anhängige Prozeß nach dessen Tode gegen den Erben zur Aufnahme gebracht (§§ 239 ff.) oder sogleich der Erbe verklagt ist, herbeigeführt werden kann. Hier entsteht die Frage, in welcher Art der Erbe die ihm nach bürgerlichem Recht zukommende beschränkte Haftung für Nachlaß­ verbindlichkeiten für sich wahren und geltend machen kann. Diese Frage war in den alten §§ 695 (Wahrung), 696 (Geltendmachung) geregelt. Die Nov. v. 98 hat im Hinblick auf das BGB. eine Neuregelung vorgenommcn, und zwar für die Wahrung der beschränkten Haftung in § 780, für deren Geltendmachung in §§ 781—785 (Vgl. Mot. zu ß 696). § 779. I Nach Abs. 1 soll eine Vollstreckung, die auf Grund eines gegen den Schuldner Je 16ft ergangenen vollstreckbaren Schuldtitels gegen diesen bereits begonnen hat, in seinen Nachlaß fortgesetzt werden. a) Der Beginn der Vollstreckung (vgl. Abschn. 2, 3) setzt bei Mobilien die Pfändung (8 808), bei Forderungen und anderen Vermögensrechten die Erlassung des Pfändungsbeschlusses (88 828, 857, vgl. RG. 12 S. 381, 25 S. 370 und Gruchot 34 S. 765), bei der Vorpfändung (8 845) die Benachrichtigung des Schuldners, bei der Jmmobiliarvollstreckung deren Anordnung (8 15 ZwVollstrG. v. 20. 5. 98), bei der Vollstreckung wegen Herausgabe von Sachen die Besitzentsetzung des Schuldners (88 883—885) oder die Pfändung des Anspruchs auf Herausgabe (8 886), bei der Erzwingung von Handlungen die Erlassung der ersten Entscheidung (88 887—890) voraus, während bloße Borbereitungsakte (88 724, 754 ff.) außer Betracht bleiben. b) Die Fortsetzung der Vollstreckung in den Nachlaß hat die Bedeutung, daß solche ohne neue Vollstreckungsklausel und unabhängig von der Rechtslage des Nach­ lasses erfolgen darf (vgl. Begr. 415, RG. Gruchot 34 S. 766). Für die Ausführung der Fortsetzung kommt es darauf an, den Nachlaß erkennbar zu machen. Soweit hierzu nicht bei Lebzeiten des Schuldners erfolgte Vollstreckungsmaßregeln oder äußere Merkmale (urkundliche oder andere) der Vermögensstücke ausreichen, kann der Gläubiger die Offenlegung erzwingen (8 888).

II. Bei der fortgesetzten Vollstreckung können Fälle eintreten, wo gesetzlich der Schuldner zugezogen werden muß (vgl. 88 808 Abs. 3, 826 Abs. 3, 843, 875, 885 Abs. 2). Ist dann der Nachlaß ohne Vertretung, so entsteht ein Hemmnis für die Fortsetzung. Für solche Fälle will Abs. 2 Aushilfe gewähren, indem auf Antrag des Gläubigers das Vollstreckungsgericht dem Nachlasse oder dem Erben einen einst­ weiligen besonderen Vertreter bestellen soll, dessen Rechtsstellung derjenigen des nach 8 57 zu bestellenden Vertreters wesentlich entsprechen und bis zum Bor-

^ortketzun

,

w>f. r.

YUL Buch.

648

Zwangsvollstreckung § 780.

§ 780. (695.) Der als Erbe Les Schuldners verurteilte Geklagte kanrr die Leschränkung seiner Haftung nur geltend machen, wenn sie ihm im ArteUe vorbehalten ist. Der Vorbehalt ist nicht erforderlich, wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurteilt wir- oder wenn das Vrteil über eine Vachlaßverbindlichkeit gegerr einen Nachlaßverwalter oder einen anderen Nachlaßpfleger oder gegen einen Testamentsvollstrecker, dem die Verwaltung -es Nachlasses xusteht, erlassen wird. handensein eines legitimierten Erben oder eines eigentlichen Nachlaßpflegers wirksam bleiben wird (vgl. Begr. 415, RG. Gruchot 34 S. 765). a) Als Fälle der Bertretungslosigkeit bezeichnete der alte § 693 die der ruhenden Erbschaft und der Unbekanntheit des Erben oder seines Aufenthalts. Nach dem BGB. (vgl. §§ 1922, 1923, 1936, 1942, 1958) gibt es eine ruhende Erb­ schaft nicht mehr; vielmehr geht diese mit dem Tode des Erblassers auf den be­ rufenen Erben über, unter der Maßgabe, daß sie von diesem binnen bestimmter Frist ausgeschlagen, auch ein Anspruch an den Nachlaß gegen den Erben vor der Erbschafts­ annahme nicht gerichtlich geltend gemacht werden darf. Mit Rücksicht hierauf hat dw Nov. v. 98 in Abs. 2 zunächst den Fall der ruhenden Erbschaft durch den Fall ersetzt, daß die Erbschaft noch nicht angenommen oder die Annahme doch ungewiß ist, sodann von dem Falle, daß des Erben Aufenthalt unbekannt ist, abgesehen, weil durch dieVorschriften des BGB. über die Abwesenheitspflegschaft (§§ 1911 ff.) ausreichend ge­ holfen werden könne (vgl. Mot. zu § 693). b) Abs. 2 soll jedoch außer Anwendung bleiben, sofern ein Nachlaßpflegeo bestellt oder ein Testamentsvollstrecker mit der Nachlaßverwaltung betraut ist. Dies beruht darauf, daß diesen Personen nach dem BGB. (§§ 1960 ff., 2213) die Vertretung des Erben gegen die Nachlaßgläubiger zustcht, in obigen Fällen also ein Aushilfsbedürfnis nicht vorliegt. c) Angesichts vorstehender Bestimmungen des BGB. hat die Nov. v. 98 auch den alten § 694, wonach, falls der Tod des Schuldners vor Beginn der Vollstreckung, eingetreten und der Nachlaß dann ohne Vertretung war, vom Nachlaßgericht ein Kurator bestellt werden sollte, für entbehrlich erachtet (vgl. Mot. zu § 694). Wahrung d«r belchrinNen Haftung der

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-

§ 780.

Abs 1. I. Der § 780 (nebst den §§ 781—785) setzt voraus, daß erst gegen den Erben des Schuldners ein vollstreckbarer Schuldtitel, wozu auch ein Vollstreckungsbefehl (§ 700, vgl. RG. Gruchot 29 S. 1135) oder ein Vollstreckungsurteil (§§ 722, 1042> gehört, erwirkt ist (vgl. § 305). Ferner wird vorausgesetzt, daß für den Erben eine beschränkte Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten besteht. Bei den alten §§ 695, 696 war von einer solchen Haftung aus Grund der landesgesetzlichen Rechtswohltat des Inventarsausgegangen. Mit dem Inkrafttreten des BGB. fiel diese Grundlage hinweg. Ob nach dem BGB. der Erbe für die Nachlaßverbindlichkeiten von vornherein beschränkt haftet oder nicht, ist vom Standpunkt des bürgerlichen Rechts aus sehr bestritten (vgl. ins­ besondere für die Verneinung Planck DIZ. 4 S. 365, Böhm Gruchot 42 S. 460, Jäger, Haftung der Erben S. 1, Strohal, Erbrecht (2. Aufl.) § 72, für die Be­ jahung Goldmann Gruchot 43 S. 428, Eccius dort S. 602, Seuffert Busch 22 S. 498 ff., Binder, Rechtsstellung des Erben II S. 52). Für die ZPO. bedarf eskeiner Erörterung dieser Streitfrage. Denn die ZPO. geht jedenfalls davon aus(vgl. Mot. der Nov. v. 98 zu § 695), daß die auf den Nachlaß beschränkte Haftung des Erben nicht von vornherein durch die Errichtung eines Nachlaßinventars bedingt

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen § 781.

64-

§ 781. (696.) Lei der Zwangsvollstreckung gegen Len Grben des Schuldner» bleibt die Leschränkung der Haftung unberücksichtigt, bis auf Grund derselben gegen die Zwangsvollstreckung von dem Grben Ginwendungen erhoben werden. ist, vielmehr von selbst derart eintritt, daß es Sache des Erben ist, sie mittels Ein­ rede gegen jeden Nachlaßgläubiger geltend zu machen (vgl. BGB. §§ 1994, 1967 —1992, Gaupp-Stein Note I).

n. Von dieser Grundlage aus bestimmt nun der Abs. 1 prozessual, daß der als Erbe des Schuldners verurteilte Beklagte seine beschränkte Haftung nur dann zur Geltung bringen kann, wenn sie ihm im Urteile Vorbehalten ist. Hierbei handelt es sich (vgl. Begr. 416) nicht bloß um die Art der Vollstreckung, sondern zugleich um den Umfang der Leistung, also um die Hauptsache. Deshalb muß der Schuldner schon bei deren Verhandlung den Punkt einwenden. Versäumt er bit8r so steht ihm später die Rechtskraft des seine unbeschränkte Verurteilung aussprechenden Urteils entgegen (hierzu RG. 59 S. 301, wo angenommen ist, daß nicht ohne den Vorbehalt im Urteil, besonders nicht im Wege des § 767, die beschränkte Haftung geltend zu machen sei; anders früher nach der Preuß. AGO. I, 24 § 19 nebst V. v. 4. 3. 34 § 2).. Der Vorbehalt im Urteil braucht nur ein allgemeiner zu sein, wie aus Fassung und Zweck des Gesetzes sich ergibt. Deshalb hat der Erbe nur den gesetz­ lichen Anspruch auf die beschränkte Hasmng überhaupt zu begründen, das Gericht nur dessen Rechtmäßigkeit zu prüfen; weitere Erörterungen, insbesondere solche über die Wirkungen dieser Haftung, wären zweckwidrig (vgl. Begr. 416, RG. 8 S. 273). Streitigkeiten darüber, ob die Beschränkung der Haftung endgültig feststehe oder end­ gültig verloren gegangen sei, brauchen in diesem Verfahren, wo es nur des allgemeinen Vorbehalts bedarf, nicht erledigt zu werden, können vielmehr dem im Falle des § 781 zu erlassenden Urteil Vorbehalten bleiben (so Gaupp-Stein, a. M. Falkmann S. 205). Ist im Urteile der Vorbehalt übergangen oder abgelehnt, so kann der Erbe im Rechts­ mittelwege, ersterenfalls, da ein Teil der Hauptsache in Frage steht, auch wohl auf Grund des § 321 Abhilfe suchen (vgl. Warmuth Busch 9 S. 256, die Kommentare). Eben deshalb kann die Entscheidung über den Vorbehalt auch auf die Entscheidung über die Prozeßkosten zurückwirken (vgl. RG. IW. 94 S. 375). Abs. 2.

Nach Abs. 2 ist jedoch der Vorbehalt entbehrlich: a) wenn der Fiskus als gesetzlicher Erbe verurteilt ist. Dies beruht darauf, daß der Fiskus nach § 1942 BGB. die ihm gesetzlich an­ gefallene Erbschaft nicht ausschlagen darf, daher des Schutzes gegen etwaige Nachteile aus der Nachlaßüberschuldung nicht bedarf (vgl. Mot. zu § 695, auch § 2011 BGB ). b) wenn das Urteil betreffs der Nachlaßverbindlichkeit gegen einen Nachlaßverwalter, einen anderen Nachlaßpfleger oder einen zur Nachlaßverwaltung befugten Testamentsvollstrecker ergeht. Dem liegt die Rechtsstellung der vorbezeichneten Nachlaßverwalter zugrunde, denen auch eine Jnventarfrist nicht bestimmt werden darf und ein Verzicht auf die beschränkte Haftung des Erben nicht zusteht (vgl. Mot. zu § 695).

88 781-785. Warmuth Busch 9 S. 247; Boas Gruchot 80 S. 265.

Die §§ 781—785 regeln die Art und Weise, in der der mit Vorbehalt der be­ schränkten Haftung verurteilte Erbe bei der Zwangsvollstreckung diesen Vorbehalt zur Geltung bringen kann.

Geltend­ machung ber beschränkten Haftung.

650

VIII. Buch. Zwangsvollstreckung §§ 782, 783.

§ 782. Der ffirbe kann auf Grund -er ihm nach den 88 2014, 2015 des ^ärgerlichen Gesetzbuchs ;ustehenden Einreden nur verlangen, daß die Zwangs­ vollstreckung für die Dauer der dort bestimmten Fristen auf solche Maßregeln beschränkt wird, die zur Vollziehung eines Arrestes zulässig smd. Wird vor dem Ablaufe der Frist die Eröffnung des Nachlaßkonkurses beantragt, so ist auf Antrag die Deschränkung der Zwangsvollstreckung auch nach dem Ablaufe der Frist aufrecht zu erhalten, bis über die Eröffnung des üonkursverfahrens rechts­ kräftig entschieden ist. § 783. In Ansehung der Nachlaßgegenstände kann der Erbe die Be­ schränkung der Zwangsvollstreckung nach § 782 auch gegenüber den Gläubigern Einstweilige Nichlberück-

sichugung.

eilt, ivendungen.

§ 781. Nach dem wesentlich den alten § 696 Abs. 1 wiedergebenden § 781 soll bei der Zwangsvollstreckung gegen den Erben des Schuldners die diesem gewahrte Beschränkung der Haftung so lange unberücksichtigt bleiben, bis er diese gegen die Vollstreckung einwendet(8 782). Das hat den Sinn, daß der Gläubiger einstweilen schlecht­ hin, d. h. ohne daß ihm der (häufig mißliche) Nachweis der Zugehörigkeit der Voll­ streckungsobjekte zum Nachlasie angesonnen wird, vollstrecken lassen darf. Erst wenn der Zugriff sein eigenes Vermögen getroffen hat, kommt der Erbe in die Lage, die Beschränkung seiner Haftung auf den Nachlaß einzuwenden (vgl. Begr. 417).

88 782—784. Betreffs der Frage, in welcher Art die Erhebung der Einwendungen aus dem Vorbehalt gemäß 8 ?81 auf die Zwangsvollstreckung zurückwirke, bestimmte der alte § 696 Abs. 2, daß diese Wirkung sich nach dem bürgerlichen Rechte bestimme. Die Nov. v. 98 sieht die Frage teils durch die 88 2014, 2015 BGB., teils durch die sich an solche anschließenden 88 782—784 ZPO. als geregelt an (vgl. Mot. zu 8 696).

8 782. Nach 88 2014 — 2016 BGB. stehen dem Erben zur Geltendmachung seiner beschränkten Haftung für die Nachlaßverbindlichkeiten mehrere ausschiebende Einreden zu. a) Er kann die Berichtigung der Verbindlichkeit für die ersten drei Monate nach der Erbschaftsännahme verweigern, vorausgesetzt, daß er nicht inzwischen ein Inventar errichtet hat. b) War der Antrag auf das Aufgebot der Nachlaßgläubiger von ihm binnen einem Jahre nach der Erbschaftsannahme gestellt und zugelaffen, so kann er bis zur Beendigung des Aufgebots die gleiche Weigerung ausüben. Die Nov. zur ZPO. v. 98 hat nun, nachdem sie in 8 305 schon bestimmt, daß durch die Geltendmachung der Einreden aus 88 2014, 2015 BGB. eine Verurteilung des Erben unter Vorbehalt seiner beschränkten Haftung nicht ausgeschloffen wird, in 8 782 für die Zwangsvollstreckung verordnet: 1. in Satz 1, daß auf Verlangen des Erben während der Fristen aus 88 2014, 2015 BGB. die Vollstreckung auf Maßregeln zur Sicherung des Gläubigers, also zur Arrestvollziehung beschränkt, 2. in Satz 2, daß aber, sofern vor dem Fristenablaufe die Eröffnung des N a ch laßkonkurses beantragt wird (KO. 8 214), auf Antrag des Erben oder des Nachlaßverwalters die Beschränkung zu 1 über die Fristen hinaus bis zur rechts­ kräftigen Entscheidung über die Konkurseröffnung erweitert werden soll.

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen §§ 784, 785.

651

verlangen, die nicht Nachlaßgläubiger sind, es sei denn, daß er für die Nachlaß­ verbindlichkeiten unbeschränkt haftet. § 784. Ist eine Nachlaßverwaltung angeordnet oder der Nachlaßkonkurs eröffnet, so kann der Crbe verlangen, daß Maßregeln der Zwangsvollstreckung, die ;u Gunsten eines Aachlaßgläubigers in sein nicht pim Nachlasse gehörendes Vermögen erfolgt sind, aufgehoben werden, es sei denn, daß er für die Nachlaß­ verbindlichkeiten unbeschränkt haftet. Lm Falle der Nachlaßverwaltung steht dem Nachlaßverwalter das gleiche Recht gegenüber Maßregeln der Zwangsvollstreckung ;u, die gl Gunsten eines anderen Gläubigers als eines Aachlaßgläubigers in den Nachlaß erfolgt sind. § 785. Die Erledigung der auf Grund der §§ 781—784 erhobenen Ein­ wendungen erfolgt nach den Bestimmungen -er §§ 767, 769, 770.

§ 783. Mit den Einreden aus §§ 2014, 2015 BGB. soll dem Erben Zeit zu unge­ störter Inventarisierung des Nachlasses und zur Überlegung, ob er seinen Anspruch auf beschränkte Haftung geltend machen will, verschafft werden. Nach der Nov. v. 98 (vgl. Mot. zu § 696 b) ist zur vollständigen Durchführung dieser Absicht aber er­ forderlich, daß das dem Erben nach § 782 eingeräumte Recht, den Nachlaßgläubigern gegenüber die Einschränkung der Zwangsvollstreckung auf die Nachlaßgegenstände zu verlangen, ihm auch seinen persönlichen Gläubigern gegenüber gewährt werde. Dem trägt der § 783 Rechnung; naturgemäß unter der Voraussetzung (vgl. § 2016 Abs. 1 BGB.), daß er nicht unbeschränkt für die Nachlaßverbindlichkeiten haftet.

§ 784.

Persönlicher Gläubiger des Erben.

Nachlaß. Verwaltung

Nach BGB. §§ 1975—2013 hastet der Erbe, sofern eine Nachlaßverwaltung Konkurs, angeordnet oder der Nachlaßkonkurs eröffnet ist, für die Nachlaßverbindlichkeiten grundsätzlich nur mit dem Nachlasse. Angesichts dieses Rechtsstandes soll der Erbe nach Abs. 1 prozessual befugt sein, Abs. i. die Aushebung von Bollstreckungsmaßregeln, die zugunsten von Nachlaßgläubigern in sein nicht zum Nachlasse gehöriges Vermögen erfolgt sind, zu begehren, natur­ gemäß unter der Voraussetzung des § 783. Umgekehrt soll nach Abs. 2 im Fall einer Nachlaßverwaltung der Nachlaß- Abs.r. Verwalter die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln verlangen dürfen, die zu­ gunsten von Nichtnachlaßgläubigern in den Nachlaß erfolgt sind (vgl. BGB. § 1984 Abs. 2). Diese Vorschriften beruhen auf der Abwägung der gegenseitigen Interessen der Erben und der Nachlabgläubiger. Für den Fall des Nachlaßkonkurses erübrigte sich eine dem Abs. 2 entsprechende Bestimmung mit Rücksicht auf den neuen § 221 KO.

§ 785.

Verlahrrn über die Tin-

Nach dem alten § 696 Abs. 3 sollte die prozessuale Erledigung der Einwendungen des nur beschränkt haftenden Erben gemäß §§ 686, 688, 689 erfolgen. Der neue § 785 bestimmt, daß die Erledigung der nach §§ 781—784 von den darin bezeichneten Berechtigten erhobenen Einwendungen nach Maßgabe der §§ 767, 769, 770 bewirkt werden soll; er sieht also die Einwendungen als solche gegen den An­ spruch selbst an. Demgemäß haben die Berechtigten die Einwendungen durch Klage gemäß §§ 767, 770 zur Entscheidung zu bringen und eilige Anordnungen betreffs

wen»un,e».

652

vni. Buch.

Zwangsvollstreckung §§ 786, 787.

8 786. Die Bestimmungen -es § 780 Äbs. 1 und -er §§ 781—785 finden auf die nach § 1489 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eintretende beschränkte Haftung, -ie Bestimmungen des § 780 Äbs. 1 und der §§ 781, 785 finden auf die nach dm §§ 419, 1480, 1504, 2187 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eintretende be­ schränkte Haftung entsprechende Anwendung. 8 787. Loll durch die Lwangsvollstreckung ein Recht an einem Grund­ stücke, das von dem bisherigen Eigentümer nach § 928 des Bürgerlichen Gesetz­ buchs aufgegeben und von dem Äneignnngsberechtigten noch nicht erworben worden ist, geltend gemacht werden, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag einen Vertreter;u bestellen, dem bis zur Eintragung eines neuen Eigentümers Lie Wahmehmung -er sich aus -em Eigentum ergebenden Rechte und Ver­ pflichtungen im Zwangsvollstreckungsverfahren obliegt. der Einstellung, Fortsetzung oder Aushebung der Zwangsvollstreckung durch Nebenanträge nach Maßgabe des § 769 zu erwirken. Andere Fille beschränkter »aftung.

§ 786. Der § 786 sieht die entsprechende Anwendung der §§ 780 Abs. 1 und 781 — 785, betreffend die Wahrung und Geltendmachung der beschränkten Haftung des Erben auf gewiffe Fälle vor, in denen nach BGB. eine beschränkte Haftung anderer Verpflichteten stattfindet. Es handelt sich um folgende Fälle:

I. Der überlebende Ehemann haftet nach § 1489 BGB. bei der fort­ gesetzten Gütergemeinschaft für deren Gesamtgutsverbindlichkeitm persönlich, jedoch, soweit diese Haftung nur infolge der Gütergemeinschaft eintritt, auch nur nach Art der Haftung des Erben für die Nachlaßverbindlichkeiten. Daher sollen die §§ 780 Abs. 1, 781—785 dann auch für den überlebenden Ehemann maßgebend sein. n. Weiter sieht das BGB. eine beschränkte Haftung vor: a) nach § 419 für den vertragsmäßigen Übernehmer eines Vermögens, indem dieser den Gläubigern des Übertragenden nur mit dem übernommenen Ver­ mögen und mit den ihm aus dem Vertrage zustehenden Rechten haften und, falls er auf diese beschränkte Hastung sich beruft, den für die Haftung des Erben gegebenem Regeln der §§ 1990, 1991 BGB. unterliegen soll; b) nach § 1480 für Ehegatten bei Beendigung der allgemeinen Gütergemeinschaft hinsichts der persönlichen Haftung für die Gesamtgutsverbind­ lichkeiten, indem für den Fall, daß diese Haftung sich lediglich darauf gründet, daß die Gesamtgutsverbindlichkeiten nicht vor der Teilung des Gesamtguts berichtigt sind, der gleiche Rechtsstand wie zu a gelten soll; c) nach §§ 1498, 1504 für die anteilsberechtigten Abkömmlinge bei Be­ endigung der fortgesetzten Gütergemeinschaft hinsichts der persönlichen Haf­ tung für die Gesamtgutsverbindlichkeiten und im Verhältnisse zueinander, indem auch hier für den Fall, daß die Haftung für die Gesamtgutsverbindlichkeiten nur darauf be­ ruht, daß letztere nicht vor der Teilung berichtigt sind, dasselbe wie zu a gelten soll; d) endlich nach § 2187 für den Vermächtnisnehmer hinsichts der Persön­ lichen Haftung für die ihn beschwerenden Vermächtnisse oder Auflagen, indem er gemäß § 1992 entsprechend dem Erben haften soll, falls er sein Recht geltend macht, die Erfüllung über das, was er aus seinem Vermächtnis empfängt, hinaus zu verweigern. Für diese Fälle zu a—d bestimmt nun § 786, daß auf deren prozessuale Geltend­ machung die §§ 780 Abs. 1, 781, 1785 entsprechende Anwendung finden sollen. Für die §§ 782—784 würde naturgemäß kein Raum sein (vgl. Mot. zu § 696 e).

Erster Abschnitt.

Allgemeine Bestimmungen § 788.

653

S 788. (697.) Die Losten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notivendig waren (§ 91), dem Schuldner jur Last; sie find jugieich mit dem jur Zwangsvollstreckung stehenden Ansprüche beijntreiben. Als Kosten der Zwangs­ vollstreckung gelten auch die Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils. Die Losten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner ju erstatten, wenn das Urteil, aus welchem dieselbe erfolgt ist, aufgehoben wird.

8 787. In § 58 ZPO. ist bestimmt, daß, falls an einem Grundstücke, das nach 8 928 BGB. von dem bisherigen Eigentümer aufgegeben und von einem der gesetzlichen An­ eignungsberechtigten (8 928 a. a. O., Art. 129 EG. dazu) noch nicht erworben ist, ein Recht durch Klage geltend gemacht werden soll, auf Antrag ein Vertreter für das Grundstück zur einstweiligen Wahrnehmung der Rechte und Verpflich­ tungen aus dem Eigentum zu bestellen ist. In Ergänzung dieser Vorschrift verordnet nun 8 787, daß eine solche Bestellung auch dann stattfinden soll, wenn die Geltendmachung eines Rechts an dem Grundstück durch Zwangsvollstreckung zu bewirken ist; nur ist die Bestellung hier system­ gemäß dem Bollstreckungsgericht übertragen. Die Mot. zu 8 696f bemerken noch, was nach dem Verhältnis zwischen Sondervorschrift und Regel sich von selbst versteht, daß auf den Fall des 8 787 der Grundsatz des 8 17 JmmobilZwBersteigG., wonach für die Anordnung der Zwangsversteigerung die Eintragung des Schuldners im Grundbuch vorausgesetzt wird, keine Anwendung finden kann.

§ 788. I. Rach Abs. 1 sollen die Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß der Regel des 8 91 dem Schuldner zur Last fallen und mit dem Hauptanspruche zugleich beigetrieben werden. a) Als Voll st reckungskosten haben alle Kosten zu gelten, die mit der Vorbe­ reitung und Durchführung der Vollstreckung aus einem bestimmten Schuldtitel unmittel­ bar Zusammenhängen; danach auch die für Erwirkung der Bollstreckungsklausel, nicht aber die vorher oder für besondere Prozesie inmitten der Vollstreckung, z. B. nach 88 767, 769, 771—773, 785, 786, 787, 805, entstandenen Kosten (vgl. RG. Gruchot 38 S. 501, IW. 93 S. 561). Dabei kann es sich um Gebühren und Auslagen von Gerichten, Gerichtsvollziehern oder Rechtsanwälten, wie um eigene Auslagen der Par­ teien handeln. b) Die Kostenlast ist auch hier (vgl. 88 803, 818) unter den Grundsatz des 8 91, also der Notwendigkeit gestellt, da das Gesetz davon ausgeht, daß der zur Hauptsache verurteilte Schuldner, wenn er es zur Vollstreckung kommen läßt, sich auch für die durch diese erwachsenen Kosten haftbar macht. Neben 8 91 können je nach Lage des Falles die 88 92 ff. anwendbar werden (vgl. RG. IW. 86 S. 272). Über die Notwendigkeit entscheidet das Ermessen des Gerichts, wohl wesentlich von dem Gesichtspunkte aus, daß der Gläubiger nicht in unnützer Weise die Bollstreckungs­ maßregeln häufen darf, andererseits ihm eine unzutreffende Berechnung des Erfolges einer Bollstreckungsmaßregel oder eine Fristerteilung nicht zur Last gelegt werden kann. Ist eine Bollstreckungsmaßregel unstatthaft, so fallen deren Kosten dem Gläubiger zur Last (vgl. RG. 7 S. 376, 22 S. 169, 324, IW. 82 S. 235, Kammergericht SeuffA. 37 S. 484 und Busch 14 S. 329, OLG. Jena SeuffA. 42 S. 83). Bei der Kostenlast handelt es sich hier, wie nach 8 91, um Tragung und Erstattung.

ErgLnzung des § 58.

Kosten der Oiwvu|ii.

654

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung §§ 789, 790.

§ 789. (698.) Wird ;um Zwecke der Vollstreckung das Einschreiten einer Behörde erforderlich- so hat das Gericht die Behörde um ihr Einschreiten;u ersuchen. § 790. (699.) Soll die Zwangsvollstreckung gegen eine dem aktiven Heere oder der aktiven Marine angehörende Person des Soldatenstandes in Lasernen und anderen militärischen Dienstgebäuden oder auf Lriegsfahr;eugen erfolgen, so hat auf Antrag -es Gläubigers das Vollftreckungsgericht die zuständige Militärbehörde um die Zwangsvollstreckung ;u ersuchen. Die gepfändeten Gegenstände stnd einem von dem Gläubiger pi beauf­ tragenden Gerichtsvollzieher zu übergeben.

Abs.

2.

Ersuchen von Behörden.

Im allgemeinen.

c) Die Beitreibung ist vereinfacht. Es bedarf dazu nicht erst eines neuen vollstreckbaren Titels; vielmehr werden die Kosten auf Grund des alten Schuldtitels über die Hauptsache mit beigetrieben, wodurch der Gläubiger wegen aller Kosten gedeckt und das Verfahren auf einmal zum Abschluß gebracht werden kann (Begr. 417). Zu den laufenden dürfen auch früher nicht einziehbar gewesene Vollstreckungskosten ge­ schlagen werden. Die Kosten sind vom Gläuviger oder Gerichtsvollzieher zu berechnen, und die Berechnung ist dem Schuldner mitzuteilen (vgl. § 699). Streitigkeiten im Kostenpunkte sind, soweit der Gerichtsvollzieher und eine Partei in Betracht kommen, im Wege des § 766, soweit es sich um das Verhältnis zwischen den Parteien handelt, gemäß §§ 766 oder 767 zum Austrage zu bringen. — Wenn der § 788 auch er­ sichtlich auf Konzentration der Kostenausgleichung abzielt, so schließt er doch nicht aus, daß der Gläubiger Vollstreckungskosten, deren Mitbeitreibung verab­ säumt ist, nachträglich besonders beitreiben läßt oder zur Festsetzung stellt, wobei aller­ dings die unnütz erwachsenen Mehrkosten ihm zur Last fallen müssen (vgl. RG. Gruchot 30 S. 1168, IW. 86 S. 272, 87 S. 205, 90 S. 157, Kammergericht Zeitschr. f. GV. 90 S. 84, OLG. Jena SeuffA. 39 S. 371, OLG. Naumburg Zeitschr. f. GV. 90 S. 61; a. M. v. Bruchhausen Busch 12 S. 251). II. Falls der Schuldtitel, aus welchem die Bollstreckungskosten beigetrieben sind, hinterher ganz oder teilweise aufgehoben wird, bestimmt aber Abs. 2 im An­ schluß an § 717, daß der Schuldner alsdann gegen den Gläubiger die Erstattung der mitbeigetriebenen Vollstreckungskosten erwirken kann (vgl. RG.21 S. 381, 22 S.169 und IW. 89 S. 236).

§§ 789—79L § 789. Wird zwecks der Vollstreckung das Einschreiten einer Behörde erforderlich, so soll nach § 789 diese vom Gericht darum ersucht werden. Anlaß zur Requisition kann die Vornahme, Einstellung, Beschränkung oder Auf­ hebung einer Vollstreckung geben. Das Ersuchen hat von dem zuständigen Gericht auszugehen, welches das Vollstreckungs- oder das Prozeßgericht sein kann (§§ 790, 791). Der Gerichtsvollzieher ist zu dem Ersuchen nicht ermächtigt (vgl. Begr. 417). Wenn das Gesetz nicht von einem Anträge auf Ersuchen spricht, so beruht dies teils auf der Offizialnatur des Verfahrens, teils darauf, daß die RIK. die Fassung des Entwurfs „auf Antrag des Gläubigers" für zu eng erachtete und jedem Beteiligten, auch dem Gerichtsvollzieher, ein Antragsrecht zugestehen wollte (vgl. Prot. 367).

Militäriscke Zw.VollsU.

8 790. 9 Der § 790 verdankt, nach dem Vorgänge der Preuß. KabO. v. 4. 1. 33, seine Entstehung der Rücksicht auf die militärische Disziplin, und gilt deshalb für alle

Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen §§ 791, 792.

655

§ 791. (700.) Zoll die Zwangsvollstreckung in einem ausländischen Ltaate erfolgen, dessen Behörden im Wege der Rechtshilfe die Arteile deutscher Gerichte vollstrecken, so hat auf Antrag des Gläubigers das pro;eßgericht erster Änstan; die zuständige Gehörde des Auslandes um die Zwangsvollstreckung pi ersuchen. Laun die Vollstreckung durch einen Reichskonsul erfolgen, so ist das Er­ suchen an diesen pi richten. § 792. Bedarf der Gläubiger ptm Zwecke der Zwangsvollstreckung eines Erbscheins oder einer anderen Arkunde, die dem Schuldner auf Antrag von einer Behörde, einem Beamten oder einem Rotor ;u erteilen ist, so kann er die Erteilung an Stelle -es Schuldners verlangen. Vollstreckungen, die gegen soldatische Angehörige des aktiven Heeres oder der aktiven Marine, sowie in militärischen Dienstgebäuden oder auf Kriegs­ fahrzeugen stattfinden sollen. Der Begriff dieser Personen ergibt sich aus der Note zu § 752, der Begriff der Kriegsfahrzeuge aus § 902 StGB. Eine solche Vollstreckung hat durch Ersuchen der zuständigen Militärbehörde zu erfolgen. Welche Behörde dies ist, ergibt sich ebenfalls aus der Note zu § 752. Das Ersuchen ist dnrch das Vollstreckungsgericht zu stellen. Die ersuchte Militär­ behörde vollstreckt mit gleicher Wirkung wie die Zivilorgane; eine Pfändung ihrerseits verschafft namentlich dem Gläubiger das Pfandrecht aus § 804. Nach Abs. 2 bleibt jedoch die Verwertung der gepfändeten Sachen dem Zivilorgane überlassen.

Abs. i.

Abi. r.

§ 791.

Vollstr. im Auslande-

I Der Abs. 1 behandelt den Fall, daß die Vollstreckung in einem ausländischen Staate erfolgen soll, dessen Behörden Rechtshilfe gewähren. Auf solche Staaten, die entweder nur durch besondere Vollstreckungsbeamte vollstrecken lassen oder nicht in verbürgter Reziprozität zum Deutschen Reich oder zu dem gerade, in Frage kommenden Bundesstaate stehen, findet der § 791 keine Anwendung; es muß ersterenfalls dem Gläubiger überlassen bleiben, die Vollstreckung unmittelbar bei den ausländischen Vollstreckungsorganen zu betreiben, während letzterenfalls das etwa be­ antragte Ersuchen vom Gericht abzulehnen ist. Was zur verbürgerten Gegenseitigkeit gehört, und mit welchen ausländischen Staaten solche zur Zeit besteht, darüber vgl. den § 328 Nr. 5. Das Ersuchen hat auf Antrag des Gläubigers vom Prozeßgericht 1. Instanz auszugehen. II Ist die Vollstreckung durch einen Reichskonsul (oder einen Bollstreckungsbeamten in Deutschen Schutzgebieten) zulässig, so soll (vgl. § 363) an diesen das Ersuchen gerichtet werden (Abs. 2).

ybf L

§ 792.

Le-itimat.-Urkunde»».

Der Gläubiger bedarf behufs der Zwangsvollstreckung mannigfach solcher Ur­ kunden, welche die Legitimation des Schuldners betreffen, und welche dieser von Behörden, Beamten oder Notaren sich erwirken müßte; so namentlich Urkunden, durch die ein Rechts- oder Verpflichtungstitel des Schuldners unter Lebenden oder von Todes wegen an beweglichen oder unbeweglichen Sachen nachgewiesen werden soll. Schon das preuß. G. v. 13. 7. 83, §§ 6, 14 gab dem Gläubiger das Recht, zur Ein­ tragung einer Zwangshypothek auf Grundstücke des Schuldners oder zur Einleitung der Zwangsversteigerung an Stelle des Schuldners Ausfertigung solcher Urkunden bei Gerichten und Notaren zu erwirken. Auch die jetzige Reichsgesetzgebung bietet mehrfachen Anlaß, dem Gläubiger die Erlangung von Legitimationsurkunden an Stelle des Schuldners zu erleichtern; so, wenn der Gläubiger bezüglich eines noch.

Abs. e,

em neuen Verfahren beteiligt sind (vgl. RG. 26 S. 420), und kann nur insoweit Erfolg haben, als jene Grundlage zum Nachteile des Widersprechenden verletzt ist. Die Anordnung eines anderweiten Verteilungsverfahrens kann wiederholt nötig werden. VersLumnl« »te Slägtte.

§ 881. Für den Fall, daß der klagende Gläubiger im Sinne des § 330 säumig ist, droht § 881 den besonderen Rechtsnachteil an, daß der Widerspruch als zurück­ genommen gelten soll. Mit Eintritt dieses Präjudizes wird dem Widersprüche die Rechtswirkung entzogen; der Gläubiger gilt als dem Teilungsplane zustimmend und geht der Kondiktion verlustig (§§ 877, 878 Abs. 2).

Erledigung der ander-

§ 882.

:”eteiiun$tr‘ Bon dem im Berteilungsstreit ergehenden Urteile erhält das Verteilungsgericht un#’ amtlich keine Kenntnis. Deshalb muß ihm Inhalt und Rechtskraft desselben, von der

Partei, die am Fortgange des Verfahrens interessiert ist, nachgewiesen werden. Als­ dann hat es nach § 882 von Amts wegen weitere Anordnung zu treffen, die sich durch den Inhalt des Urteils bestimmt. Ist darin die Auszahlung einer bestimmten Streitmasse verfügt, so muß diese ausgeführt werden. Sind alle erhobenen Wider­ sprüche für unbegründet oder zurückgenommen erklärt, so ist der ursprüngliche Teilungs­ plan zu erledigen. Ist im Urteil ein anderweites Verteilungsverfahren angeordnet, so muß dieses in Gang gesetzt werden.

3. Abschnitt. ImangsvoUstrrckung zur Erwirkung -er Herausgabe von Sachen «nd zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen. Sotnote.

I. Der Abschn. 2 betrifft die ZwBeitreibung von Geldforderungen, also von Ansprüchen, die durch Hingabe fungibler Wertmittel erfüllt werden, und konnte deshalb als BollstreckungSmaßregel, soweit der zur Deckung des Gläubigers erforder­ liche Geldbetrag beim Schuldner nicht vorgefunden würde, die Beschlagnahme und Umsetzung anderer Bermögensstücke in Geld vorsehen. In Abschn. 3 wird die Zw.Beitreibung betreffend Ansprüche auf Herausgabe von Sachen oder auf Be-

Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen usw. $ 683.

737

daß er die Lache nicht besitze, auch nicht wisse, wo die Lache sich befinde. Das Gericht Kann eine -er Lage der Lache entsprechende Änderung der vorstehenden Gidesnorm beschließen. Wirkung von Handlungen geregelt. Bei diesen bildet die Herausgabe der Sache oder die Leistung der Handlungen den VollstrGegenstand selbst; es handelt sich um «ine individuelle Leistung, für die im Verkehr ein gleichwertiges Vermögens­ objekt nicht besteht. Deshalb tritt an das Gesetz die Frage heran, inwieweit die Vollstreckung auf Erzwingung der wirklichen Erfüllung zu richten sei. Die APO. hat, der Entwicklung des gemeinen Prozeßrechts (vgl. Wetzell § 50 Note 90) folgend und mit Rücksicht darauf, daß die Verweisung des Gläubigers auf den Jntereffeanspruch wegen möglicher Insolvenz des Schuldners oder schwieriger Nachweisung des Jntereffes mißlich sei, grundsätzlich jene Erzwingung ins Auge gefaßt (vgl. Begr. 441), und demzufolge bestimmt, daß herauszugebende Sachen dem Schuldner zwangsweise weggenommen oder bei dem dritten Inhaber gepfändet werden (§§ 883-886), daß bei Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen der Maß­ stab der direkten Erzwingbarkeit darin gesucht werden soll, daß dieselben nicht lediglich vom Willen des Schuldners abhängen und durch einen Dritten vorgenommen werden können (§§ 887, 888). II. Voraussetzung ist dabei allemal, daß der vollstreckbare Schuld titel selbst auf Herausgabe körperlicher Sachen oder auf Leistung von Handlungen lautet. Soweit ein solcher Schuldtitel vorliegt kann die Vollstreckung nach Maßgabe dieses Abschnittes nicht mehr durch Berufung auf abweichende Landesgesetze beseitigt werden (EG. § 14). Zu dergleichen Schuldtiteln gehört insbesondere auch die einst­ weilige Verfügung, §§ 935ff., da sie, abweichend vom Arrest, auf Sicherung einer Jndividualleistung geht.

88

883—886.

Herausgabe von Sachen.

In §8 883—886 ist die ZwBollstreckung zur Erwirkung der Heraus­ gabe körperlicher Sachen geregelt. Dabei kommt in Betracht, ob die heraus­ zugebenden Sachen in Gewahrsam des Schuldners selbst (ZZ 883—885) oder in Gewahrsam eines Dritten (8 886) sein sollen. Gemeinsam ist beiden Gruppen, daß sie sich auf bewegliche und unbewegliche Sachen beziehen, sowie, daß sie die Individualisierung der Sachen im Schuldtitel voraussetzen.

8 883. Abs. 1. 1. Der 8 883 setzt einen auf Herausgabe individueller beweglicher Sachen lautenden Schuldtitel voraus.. Die Herausgabe kann sich auf Über- oder Rückgabe, auf Gewährung zu Eigen­ tum, Besitz oder Gewahrsam, auf persönliche oder dingliche Rechte (RG. 58 S. 161) richten, andrerseits eine oder mehrere bestimmte Sachen, eine bestimmte Sachgesamtheit (z. B. eine bestimmte Bibliothek) oder eine gewisse Quantität bestimmter Sachen (z. B. 5 Sack von da und da lagerndem Roggen) betreffen (vgl. Preuß. GeschAnwfGerBollz. § 79). Als Sachen kommen auch Personen, soweit solche zivilrechtlich der Herausgabe unterliegen, namentlich Kinder und andere unselbständige Personen, in Betracht. Dies ist zwar nicht besonders im Gesetz ausgedrückt, entspricht aber der bezeugten Absicht des Gesetzgebers (vgl. Prot. 414, preuß. GeschAnw. 8 81, württemb. Dienstanw. 8 98, Reincke, ZPO. 6. Nufl.

47

Individuelle Sachen.

VIII. Buch.

738

Zwangsvollstreckung.

3. Abschnitt § 884.

§ 884. (770.) Hat der Schuldner eine bestimmte Quantität vertretbarer" Sachen oder Wertpapiere ;u leisten, so findet die Vorschrift des § 883 Abs. 1 entsprechende Anwendung. Wach I § 22 Note 14, Planck II § 190 zu I, die Kommentare außer v. WilmowskiLevy und Endemann, IW. 04 S. 557, OLG. Frankfurt und Hamburg SeuffA. 46 S. 237 [a. A. OLG. Darmstadt und Stuttgart SeuffA. 38 S. 252 u. 371]). Allemal muß die Sache in Gewahrsam des Schuldners sich befinden (vgl. § 886). Von dem Anspruch auf Herausgabe ist derjenige, welcher sich auf Vorlegung einer Urkunde oder andern Sache richtet, zu unterscheiden (Petersen N. 3, Gaupp-Stein» Anm. 3). 2. Die Vollstreckung selbst ist im Parteibetriebe durch einen Gerichtsvollzieher zu bewirken (vgl. Preuß GeschAnw. § 79). Dieser hat nach allgemeinen Vorschriften (vgl. §§ 758 ff.) die herauszugebende Sache beim Schuldner aufzusuchen, demselben, erforderlichenfalls nach Ausscheidung aus einer Mehrheit oder Gesamtheit, wegzunehmen und dem Gläubiger zu übergeben. Die Übergabe (bzw. Übersendung) ist zur Vermeidung von Weiterungen möglichst im An­ schluß an die Wegnahme zu bewirken; eine einstweilige Verwahrung darf nur im Notfall erfolgen, jedoch keinesfalls beim Schuldner, selbst nicht, wenn dieser die Identi­ tät der weggenommenen mit der herauszugebenden Sache bestreitet, in welchem Fall er vielmehr auf den Weg der Erinnerung oder der Klage zu verweisen ist (§§ 766, 767). Rechtlich erlangt der Gläubiger Besitz oder Gewahrsam der Sache schon durch deren Wegnahme, da der Gerichtsvollzieher als sein Stellvertreter handelt. Wird von ihm die Nichtidentität der weggenommenen mit der herauszugebenden Sache behauptet^ so muß er gemäß § 766 Abhilfe suchen.

Abs. 2, 3. Bei Fruchtlosigkeit der Vollstreckung darf der Gläubiger den Offen­ barungseid vom Schuldner fordern. a) Das Verfahren hierbei richtet sich nach den Regeln der §§ 899ff. Der erforderliche Antrag bei Gericht ist an keine Form gebunden, muß aber die fruchtlose Vollstreckung durch Vorlegung einer beglaubigten Abschrift des Protokolls oder einer Bescheinigung des Gerichtsvollziehers nachweisen. Demgegenüber darf der Gläubiger nicht auf Geltendmachung des Interesses verwiesen werden. b) Die Eidesformel aus Abs. 2 erfordert nicht besonders das Versprechen, die Sache bei späterer Auffindung anzuzeigen, auch nicht die Versicherung, daß die Sache nicht beiseite geschafft sei. Der Gesetzgeber erachtet diese Punkte als schon in der Formel liegend, zumal der Richter den Schuldner in angemessener Weise zu belehren habe (vgl. Begr. 441, § 480). Nach Abs. 3 sind sachgemäße Änderungen der Formel zugelassen (vgl. § 426). Die erfolgte Eidesleistung schließt eine nochmalige Vollstreckung und Eidesforderung (vgl. Begr. 445) bei besonderer tatsächlicher Be­ gründung nicht aus. c) Anlangend die Frage, ob das Recht auf den Offenbarungseid mit Leistung, des Interesses erlischt, wollte der Entw. solche bejahen (vgl. Begr. 441); aber die RIK. lehnte dies ab, weil die Jnteresseleistung den Rückgriff auf den ursprüng­ lichen Anspruch wegen Herausgabe nicht, unbedingt ausschließe (vgl. Prot. 412). Hier­ nach wird es auf die Umstände des Falles ankommen. Vertretbare Sachen.

§ 884. I. Der § 884 betrifft die ZwVollstreckung aus einem auf Leistung einer be­ stimmten Quantität vertretbarer Sachen lautenden Schuldtitel.

Eine bezüg-

Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen usw. § 885.

739

§ 885. (771.) Hat der Schuldner eine unbewegliche Sache oder ein be­ wohntes Schiff heraus;ugeben, pi überlassen oder zu räumen, so hat der Ge­ richtsvollzieher den Schuldner aus dem Gesche zu setzen und den Gläubiger m den Besch einzuweisen. Bewegliche Sachen, welche nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, werden von dem Gerichtsvollzieher weggeschafft, und dem Schuldner oder, wenn Lieser abwesend ist, einem Bevollmächtigten desselben oder einer zur Familie liche Vorschrift fehlte im Entwürfe da dieser Anstand nahm, dem Gerichtsvollzieher die Prüfung zu überlassen, ob nur der Gattung nach bezeichnete Sachen sich beim Schuldner vorfänden. Von der RIK. wurde jedoch, nach dem Vorgänge verschiedener deutscher Prozeßrechte, der § 884 und im Zusammenhänge mit demselben der § 887 (früher 773) Abs. 3 eingefügt (vgl. Prot 561, 572, 604). Zum Unterschiede von §§ 883 hat sich hier die Herausgabe auf eine bestimmte Quantität vertretbarer Sachen zu richten. Vertretbar (vgl. §§ 592, 688) sind nach § 91 BGB- solche Sachen, die im gewöhnlichen Verkehre nur nach Maß, Ge­ wicht oder Zahl bestimmt werden, übrigens eine gewisse Individualisierung innerhalb der Gattung zulassen. Mit der Herausgabe kann noch eine andere Verkehrsleistung, z. B. eine Versendung, verknüpft sein (vgl. RG. 36 S. 369). — Ob die Sache sich bereits zur Zeit, als der Bollstrecknngslitel erlassen wurde, im Gewahrsam des Schuld­ ners besand, ist ohne Belang. Deshalb schließt der § 884 auch die Realisierung von Anschaffungs- und Lieferungsverpflichtungen, und zwar in Gestalt direkten Erfüllungszwanges ein. Für nicht vertretbare Gattungssachen bleibt freilich nur die Klage auf das Interesse übrig, da der § 887 auf Leistung von Sachen nicht anwendbar ist (Abs. 3). Als Beispiele für § 884 führt § 79 der Preuß. GeschAnw. f. GerBollz. die Herausgabe der dem Schuldner gehörigen fünfjährigen Fuchsstute mit Stern, der in dessen Scheune lagernden 5 Sack Roggen, von 1893er Trabener Moselwein, von Wertpapieren der im Schuldtitel bezeichneten Art an. II. Auf das Verfahren soll der § 883 Abs. 1 entsprechende Anwendung finden. Danach hat der zu beauftragende Gerichtsvollzieher nach Sachen der geschuldeten Gattung beim Schuldner zu suchen, die geschuldete Quantität demselben wegzunehmen und dein Gläubiger zu übergeben (vgl. Preuß. GeschAnw. § 79). Hegt er Zweifel, ob eine vorgefundene oder vom Gläubiger oder Schuldner bezeichnete Sache dem Schuld­ titel entspricht, so kann er nach § 144 Sachverständige zuziehen, deren Gebühren mit auf die Kostenrechnung kommen. Bestreitet der Schuldner die Urteilsmäßigkeit der weggenommenen Sache, so steht ihm der Rechtsbehelf aus § 766, unter Umständen auch der aus § 767 offen. Der die Urteilsmäßigkeit bestreitende Gläubiger kann Ab­ hilfe gemäß § 766 oder durch erneute Zwangsvollstreckung suchen, gegen welche der Schuldner dann die Tilgungseinrede durch Klage aus § 767 erheben kann. Fällt die Vollstreckung fruchtlos aus, so bleibt dem Gläubiger, da die Abs. 2, 3 des § 883 nicht für anwendbar erklärt sind, nur die Klage auf das Interesse übrig.

§ 885. °

«ru.dstückk, Schiffe.

Linkelmann Busch 14 S. 336.

I. a) Der § 885 betrifft die ZwBollstreckung aus einem zur Herausgabe, Überlassung oder Räumung von unbeweglichen Sache« oder von be­ wohnten Schiffen verurteilenden Schuldtitel. Da eS sich allemal um den eigentlichen Sachbesitz handelt, kommen als unbeweg­ liche Sachen nur Grundstücke und solche Teile oder Zubehörungen derselben, die nach 47*

etf.

l

740

VHL Buch.

Zwangsvollstreckung.

3. Abschnitt § 886.

des Schuldners gehörigen oder in dieser Familie dienenden erwachsenen Person übergeben oder ;ur Verfügung gestellt. Äst weder der Schuldner noch eine der bezeichneten Personen anwesend, so hat der Gerichtevollsteher die Lachen auf Losten des Schuldners in das pfandlokal ;u schaffen oder anderweit in Verwahrung zu bringen. Verzögert der Schuldner die Abforderung, so kann das Vollstreckungsgericht den Verkauf der Sachen und die Hinterlegung des Erlöses anordnen.

§ 886. (772.) Befindet sich eine herauszugebende Lache im Gewahrsam eines Dritten, so ist dem Gläubiger auf dessen Antrag der Anspruch des Schuldners auf Herausgabe der Sache nach den Vorschriften zn überweism, welche die Pfändung und Überweisung einer Geldforderung betreffen. bürgerlichem Recht einen selbständigen Sachbesitz zulasten, wie insbesondere einzelne Stockwerke, Abteilungen oder Räume von Häusern oder die Schiffsmühlen, in Betracht. Die Art des Besitzes ist ohne Belang. Es macht daher keinen Unterschied, ob Eigen­ tums- oder sonstiger Besitz oder bloßer Gewahrsam zu erledigen oder zu beschaffen ist. Zu derartigen Vollstreckungsfällen gehört namentlich die Ex- oder Immission von Pächtern, Mietern oder Nutznießern.

b) Das Verfahren besteht darin, daß der zu beauftragende Gerichtsvollzieher den Schuldner aus dem Besitz setzt und den Gläubiger in den Besitz ein­ weist. Somit hat er den Gläubiger oder einen von diesem zu bestellenden Bevoll­ mächtigten zuzuziehen. Zubehörstücke (BGB. §§ 97, 98), die der Schuldner mit herauszugeben hat, werden dem Gläubiger bei der Besitzeinweisung mit der Hauptsache zugleich übergeben (vgl. Preuß. GeschAnw. § 80 Nr. 3, 4). «es.i-4.

Sacheir in ®sMnerl.m

n. Wie mit beweglichen Sachen, die der Schuldtitel nicht betrifft, namentlich mit dem Mobiliar von Pächtern oder Mietern, zu verfahren, ist in Abs. 2—4 vorgesehen (vgl. RG. IW. 94 S. 200). Nach Abs. 2 sind die fraglichen Sachen dem anwesenden Schuldner oder deffen Vertreter zur Verfügung zu stellen. Was dann aus den Sachen wird, bleibt dem Schuldner überlasten; äußerstenfalls muß die Polizei einschreiten. Bei Abwesenheit des Schuldners oder eines Vertreters des­ selben müssen die Sachen, entsprechend dem Falle des § 808, so lange verwahrt bleiben, bis der Schuldner sie abholt (Abs. 3). Wird die Abholung verzögert, so darf das Gericht, um die Angelegenheit zu Ende zu bringen, den Verkauf der Sachen und die Hinterlegung des Erlöses anordnen (Abs. 4). Ob eine Verzögerung vorliegt, ist nach den Umständen zu beurteilen. Die Anordnung kann von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten geschehen (vgl. Prot. der 164. Sitzung S. 10). Der Antrag wird naturgemäß regelmäßig vom Gerichtsvollzieher ausgehen (vgl. preuß. GeschAnw. § 80 Nr. 5, 6). Der Verkauf erfolgt mangels besonderer Bestimmung des Gerichts wie bei Veräußerung von Pfandsachen (§§ 814 ff.). Den Beteiligten bleibt überlassen, ihre Ansprüche auf den hinterlegten Erlös geltend zu machen. Äußerstenfalls ist dieser zum Aufgebot zu stellen.

8 886. I. Der § 886 betrifft die Fälle, wo der Schuldtitel auf Herausgabe einer in Gewahrsam eines Dritten (z. B. eines Pächters, Verwahrers oder Nutznießers) befindlichen Sache lautet. Es kommen daher nur die Fälle aus §§ 883 und 885 (Herausgabe beweglicher oder unbeweglicher Sachen), nicht auch der Fall aus § 884 (Leistung einer Quantität vertretbarer Sachen), bei dem es auf de» Gewahrsam des Schuldners überhaupt nicht ankommt, und ebenso nicht die Fälle, wo der Schuldtitel

Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen usw. § 887.

741

§ 887. (773.) Erfüllt der Schuldner die Verpflichtung nicht, eine Handlung vorrunehmen, deren Vornahme durch einen Dritten erfolgen Kann, so ist der Gläubiger von dem pro;eßgericht erster Lnstan; auf Antrag px ermächtigen, auf Losten des Schuldners die Handlung vornehmen pt lasten. Der Gläubiger Kann zugleich beantragen, den Schuldner ptr Vorauszahlung der Losten pt verurteilen, welche durch die Vornahme der Handlung entstehen werden, unbeschadet des Rechts auf eine Aachforderung, wenn die Vornahme -er Handlung einen größeren Lostenaufwand verursacht. Auf die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe oder Leistung von Lachen finden die vorstehenden Destimmnngen keine Anwendung. direkt gegen den Dritten geht (§§ 727 ff.) oder dieser zur Herausgabe bereit ist (§ 809), in Betracht. n. Im Verfahren ist naturgemäß ein direkter Zwang gegen den Dritten ausgeschlossen, somit der Gläubiger darauf angewiesen, den etwaigen Anspruch seines Schuldners an den Dritten auf Herausgabe für sich Pfänden zu lasten. Nach dem alten § 772 sollte ihm auf seinen Antrag dieser Anspruch nach den Vorschriften über Pfändung von Geldforderungen (§§ 829—845) überwiesen werden, womit offen­ bar die Überweisung nach vorgängiger oder gleichzeitiger Pfändung gemeint war. Die Nov. v. 98 hat dies durch die neue Fastung klargestellt. Die Überweisung darf der Natur der Sache nach nur zur Einziehung erfolgen.

88

887—889.

Erwirkung positiver Handlungen des Schuldners.

Die 88 887—889 regeln das Verfahren zur zwangsweisen Erwirkung positiver Handlungen schuldnerischerseits. Sie gehen dabei von dem Gedanken aus, daß zur Erwirkung derartiger Handlungen, mögen diese vertretbarer (§ 887) oder nicht vertretbarer Natur sein (§§ 888, 889), nur ein mittelbarer Zwang zu­ lässig ist. Sie erleiden übrigens eine Beschränkung mit Bezug auf daS Verfahren vor den Gewerbegerichten, den Kaufmannsgerichten und den Innungs-Schiedsgerichten, indem hier (§ 51 GewGG, 8 16 KaufmGG. und 88 Ola, 100c GO) schon im Urteile sür den Fall, daß die zu leistende Handlung nicht ftistgemäß erfolgt, die Ver­ urteilung zur Zahlung einer Entschädigung ausgesprochen werden soll.

Bornote,

8 887.

Bertretbare Handlungen.

I. a) Der § 887 betrifft den Fall, daß nach dem Schuldtitel der Schuldner dem Hb[.,, z. Gläubiger eine positive vertretbare Handlung, die nicht in der Herausgabe oder Leistung von Sachen (88 883—886) besteht (Abs. 3, vgl. RG. 36 S. 369), zu leisten hat. Die zu leistende Handlung muß zum Zwecke der Vollstreckung nach Art und Umfang bestimmt sein, da sonst zunächst eine Ergänzung des Schuldtitels im Wege des § 767 herbeizuführen ist (vgl. RG. 13 S. 340, IW. 96 S. 372, RG. 58 S. 160 (Fall, daß der Schuldtitel auf vollständige Lieferung der Einrichtung einer Dampfwäscherei geht), RG. 60 S. 120 (Bei Jmmissionsprozessen hat der Gläubiger die Maßregel zu bezeichnen, deren zwangsweise Durchführung er verlangt), a. M. Kreß IW. 09 S. 5). Zur Vertretbarkeit der Handlung ist erforderlich, daß diese ohne Beeinträchtigung ihres wirtschaftlichen Wertes durch einen Dritten (wenn auch nicht jeden) sich ausführen läßt. Ist dies Erfordernis im konkreten Falle zweifelhaft, so darf der Richter nach § 144 ein sachverständiges Gutachten einholen. Die Handlung kann den verschiedensten Gebieten des wirtschaftlichen Lebens angehören,

742

Abi.r.

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung.

3. Abschnitt § 887.

ohne daß es von Belang ist, ob sie eine gewisse technische oder gewerbliche Sachlunde erfordert, sofern es nur Sachkundige gibt. Aus der Rechtsprechung vgl. RG. 15 S. 313, 26 S. 392 (gewerbliche Arbeiten), 18 S. 435, 21 S. 377, 23 S. 365, 27 S. 382, 31 S. 412, 37 S. 406 (Rechnungslegung), Gruchot 33 S. 126, IW. 93 S. 561, 94 S. 315, 455, 00 S. 552, 01 S. 366 (rechtliche Handlungen, Auf­ lassungen sRG. 53 S. 80, 55 S. 60], Liberation, Löschung), 96 S. 659 (Ein­ willigung Dritter). Für die Abgabe von Willenserklärungen kommen die Vorschriften der §§ 894 ff. mit in Betracht (vgl. die Note dazu). b) In obigem Falle läßt § 887 einen unmittelbaren Zwang gegen den Schuldner nicht zu (vgl. Begr. 442), und gibt dem Gläubiger nur die Befugnis, die Handlung durch einen Dritten auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lasten (Abs. 1). Hierzu hat er beim Prozeßgericht 1. Instanz (vgl. RG. IW. 99 S. 74) eine Ermächtigung nachzusuchen. Die Zuständigkeit beruht auf dem Gedanken, daß es sich gewissermaßen um eine Nachtragsentscheidung zu dem Schuldtttel handelt (vgl. RG. 18 S. 360, 34 S. 174); und deshalb wird auch im Falle des § 794 Nr. 2 das Amtsgericht des Bergleichsschlusses, nicht das Vollstrelkungsgericht für zuständig gelten müssen. — Der Antrag unterliegt, wenn das Prozeßgericht ein Landgericht ist, dem Formzwange (§ 78, vgl. RG. IW. 93 S. 501), und ist durch Vorlegung des vollstreckbaren Schuldtitels, durch den Nachweis, daß derselbe dem Schuldner bereits zugestellt ist (vgl. RG. Zeitschr. f. GB. 91 S. 184), und durch die Darlegung, daß das Verhalten des Schuldners Anlaß zur Zwangsvollstreckung bietet (vgl. RG. 23 S. 366, 37 S. 406), zu begründen. — Das Gericht kann ohne mündliche Ver­ handlung, aber nicht ohne Anhörung des Schuldners entscheiden (§ 891). Der Be­ schluß hat die Ermächtigung des Gläubigers, auf Kosten des Schuldners die urteils­ mäßige Handlung vornehmen zu lassen, auszusprechen, wenn auch mit Beschränkung auf eine Frist (vgl. RG. 53 S. 232). II Anlangend die erforderlichen Kosten, kann der Gläubiger, der solche nicht selber vorstrrcken will, gleichzeitig mit obigem Anträge oder hinterher beantragen, den Schuldner zu ihrer Bor auszahlung an ihn zu verurteilen (Abs. 2). Der Kostenbetrag braucht nicht substantiiert zu werden; denn die Ermittlung ist Sache des Gerichts (§ 287). Das Verfahren richtet sich auch hier nach § 891. Durch den Be­ schluß erlangt der Gläubiger einen vollstreckbaren Titel im Sinne des § 794 Nr. 3, so daß er den festgesetzten Betrag jederzeit als Geldsorderung nach Abschn. 2 beitreiben lassen kann. Hat er die Kosten selbst verauslagt, so kann er hinterher auf Grund der §§ 788, 789 deren Erstattung gegen den Schuldner erwirken (vgl. RG. 18 S. 360, Gruchot 30 S. 1170). III. Zu Abs. 1, 2 bleibt noch folgendes zu bemerken: a) Gegen die Beschlüsse aus diesen Vorschriften steht dem Schuldner systemgemäß ein zwiefacher Rechtsbehelf zu, nämlich, sofern er sich nur durch die Art und Weise der Vollstreckung beschwert fühlt, die Beschwerde aus § 793, sofern er Einwendungen gegen den vollstreckbaren Anspruch selbst erheben will, die Klage aus § 767 (vgl. RG. 21 S. 379, 23 S. 364, 26 S. 394, 27 S. 385, 32 S. 379). b) Der Gläubiger kann auf Grund der Ermächtigung mit einem Dritten wegen Vornahme der Handlung kontrahieren. Diese geschieht für Rechnung des Schuldners; der Gläubiger gilt als besten Vertreter und hat besten Jntereffe möglichst zu wahren, namentlich aus angemeffene Ausführung und Vergütung Bedacht zu nehmen. Reicht hierzu der festgesetzte Kostenbetrag nicht aus, so kann er den sehlenden Betrag durch erneuten Antrag zur Festsetzung bringen und einziehen lasten. Wird vom Schuldner oder von sonst jemandem der Ausführung der Handlung durch den Dritten Widerstand entgegengesetzt, so kann der Gläubiger (§ 892) einen Gerichtsvollzieher zu Hilfe nehmen. — Der Schuldner darf hinterher vom Gläubiger Rechenschaft über die Ausführung der Handlung, Erstattung des erübrigten oder sachwidrig verausgabten

Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen usw. § 888.

743

§ 888. (774.) Gann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen -werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem pro;eßgericht erster Lnstan; pi erkennen, daß der Schuldner yir Vornahme der Handlung durch Geldstrafen bis pim Gesamtbeträge von fünfzehnhundert Mark oder durch Haft anzuhalten sei. Diese Bestimmung kommt im Falle der Verurteilung zur Eingehung einer Ehe, im Falle der Verurteilung zur Herstellung des ehelichen Lebens und im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstverträge nicht zur Anwendung. Kostenbetrages und Ersatz des ihm durch rechtswidrige Erledigung der Handlung er­ wachsenen Schadens fordern (vgl. RG. IW. 87 S. 206). c) Naturgemäß kann sich eine Wiederholung der Vollstreckung erforder­ lich machen. Auch für diese greifen die Vorschriften des § 887 Platz (vgl. RG. 26 S. 394).

§ 888. Slbs. 1. I Der § 888 setzt voraus, daß im Schuldtitel dem Schuldner eine positive, nicht vertretbare, ausschließlich von seinem Willen abhängende Handlung auferlegt ist. Nichtvertretbar ist eine Handlung, die nur der Schuldner persönlich vor­ nehmen kann. Ob dieses Erfordernis vorlicgt, ist Sache der konkreten Beurteilung. Vor allem muß die Handlung im Schuldtitcl bestimmt bezeichnet sein (vgl. RG. 9 S. 397, Gruchot 43 S. 683, und dazu Rassow dort) Im übrigen wird es darauf onkommen, ob der Schuldner zur Zeit der Vollstreckung (vgl. RG. 8 S. 336, IW. 97 S. 209), körperlich, geistig, wirtschaftlich und rechtlich in der Lage ist, die Hand­ lung zu leisten. Wird die Handlung nur durch das Zusammenwirken mehrerer Schuldner ermöglicht, so bleibt die Anwendung des § 888 den einzelnen Schuldnern gegenüber ausgeschlossen (vgl. RG. 24 S. 378). Dies muß auch gelten, sobald die Handlung besondere, beim Schuldner nicht ohne weiteres vorauszusetzende Fähigkeiten erfordert (vgl. Begr. 443, RG. IW. 94 S. 428, 97 S. 464). Sofern die Vor­ nahme der Handlung Geldmittel beansprucht, muß, da der Abs. 2 des § 887 nicht übernommen ist, der Gläubiger die Geldmittel, falls er solche nicht selbst vorstrecken will, auf dem regelmäßigen Wege beitreiben lassen (vgl. Begr. 443, RG. 13 S. 341). — Als nichtvertretbare Handlungen stellen sich u. a. dar (vgl. Begr. 443): persönliche Verpflichtungen, die zivilrechtlich unter direkten Zwang gestellt sind (z. B. nach § 29 Seemanns-Ordnung v. 27. 12. 72); die Leistung des zivilrechtlich gebotenen Offen# darungseides (vgl. den § 889 ZPO.); die Verpflichtung zur Auskunftserteilung, Rechnungs-, Inventar- oder Bilanzlegung, zur Vollmachtsausstellung und zur Schaffung eines gewöhnlichen Geistesprodukts (vgl. RG. 7 S. 358, 8 S. 336, 10 S. 178, 13 S. 341, 39 S. 420, Gruchot 27 S. 1126, IW. 84 S. 9, 88 S. 136, KammerBericht Busch 17 S. 496). An der ausschließlichen Abhängigkeit der Handlung von dem Willen des Schuldners fehlt es, sofern die Handlung auch nur teilweise durch anderweitige Faktoren beding! wird. Auch diese Frage unterliegt konkreter Beurteilung. II. Für die Vollstreckung in obigen Fällen läßt §888 nur einen mittelbaren Zwang durch gerichtlich anzuordnende Geldstrafen oder Haft zu. Dazu ist ein Antrag des Gläubigers beim Prozeßgericht 1. Instanz (vgl. RG. 34 S. 408) erforderlich. Für Zuständigkeit, Form und Begründung des An­ trages gilt das zu § 887 Bemerkte. — Das Gericht hat nach ß 891 den Schuldner

Richt, vertretbare Handlungen.

VIII. Buch. Zwangsvollstreckung. 3. Abschnitt §§ 888 a, 889.

744

§ 888a. Ist im Falle des § 510b der Beklagte zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt, so ist die Zwangsvollstreckung auf Grund der Vorschriften der §§ 887, 888 ausgeschlossen. § 889. M her Schuldner auf Grund der Vorschriften des bürgerlichen Rechts pir Leistung eines Offenbarungseides verurteilt, so erfolgt die Eides­ leistung vor dem prozeßgericht erster Instanz. Äuf die Abnahme des Eides finden die Vorschriften der §§ 478—484 Anwendung. Erscheint der Schuldner in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine nicht zu hören (vgl. RG. IW. 92 S. 371) und, falls es den Antrag für begründet hält^ durch Beschluß zu erkennen, daß der Schuldner zur Vornahme der Handlung, durch Geldstrafe oder Haft anzuhalten sei. Die Strafe kann nicht schon inr Urteil ausgesprochen werden (vgl. RG. IW. 09 S. 28). Der Beschluß ist dem Gläubiger zum weiteren Betriebe auszureichen; wegen der Zustellung vgl. RG. Gruchot 37 S. 426. Geldstrafe und Haft bilden hier, wie die Natur der Sache ergibt und die Begr. ausdrücklich hervorhebt (S. 444), nicht eigentliche Strafen, sondern nur gerichtliche Zwangsmittel. Die Wahl zwischen beiden Zwangsmitteln unb die Vollstreckung des gewählten Mittels kommt deshalb, was freilich bestritten ist, dem. Gericht zu (so RG. 53 S. 180, H. Meyer Busch 21 S. 336, die meisten Kommen-^ tare; zum Teil a. M. Planck H § 191 zu II, Seuffert, v. Wilmowski-Levy, Hell­ mann § 142). Die Geldstrafe fällt aus gleichem Grunde dem Fiskus zu, unterliegt nicht der Umwandlung in Haft gemäß §§ 28, 29 StGB. (vgl. RG. 7 S. 358), und kann bis zum Gesamtbeträge von 1500 Mk. vollstreckt werden. Dagegen braucht die Haft nicht in bestimmter Höhe erkannt zu werden; sie wird daraufhin bis zum gesetzlichen Maximum von 6 Monaten (§ 914), auf Antrag des betreibenden Gläubigers nach Maßgabe der §§ 904 ff. vollstreckt (wegen Ausländer vgl. den Art. 24 des Haager Abkommens über den Zivilprozeß v. 17. 7. 05. Ist zunächst auf Geldstrafe erkannt, so kann später noch auf Haft erkannt werden (vgl. RG. 7 S. 358). Dem Schuldner steht gegen die erkannten Zwangsmaßregeln, je nachdem er sich bloß über die Art und Weise der Vollstreckung beschwert fühlt oder gegen den Anspruch selbst Einwendungen erheben will, die Beschwerde aus § 793 oder die Klage aus § 767 offen.

Abs. 2. I. Nach dem alten Abs. 2 sollte die Vorschrift des Abs. 1 a) int Falle der Ver­ urteilung zur Eingehung einer Ehe überhaupt nicht, b) im Falle der Verurteilung zur Herstellung des ehelichen Lebens nur insoweit, als landesgesetzlich die Erzwingung dieser Handlung zulässig, Anwendung finden (EGzZPO. § 16 Nr. 6). Nach der Nov. v. 98 ist diese Rechtslage zum Teil geändert. Die Ausnahme zu a. ist, soweit der Rechtsgrund des Verlöbnisses in Betracht kommt, entbehrlich geworden, weil das BGB. (§ 1297) aus demselben eine Klage aus Eingehung der Ehe über­ haupt versagt, jedoch angesichts der Möglichkeit, daß ausländische auf Eingehung der Ehe lautende Urteile im Jnlande zur Vollstreckung kommen möchten (vgl. §§ 723, 328), aufrecht erhalten. Zu b ist der landesgesetzliche Vorbehalt mit der einheitlichen Regelung des Eherechts im BGB., namentlich mit der Bestimmung des § 1567 Abs. 2 Nr. 1 gegenstandslos geworden und daher gestrichen. II. Auf Anregung des Reichstages ist aber noch eine dritte Ausnahme für den Fall der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrage vor­ gesehen. Das Gesetz geht davon aus, daß eine Erzwingung solcher Leistung den heutigen sozialpolitischen Rechtsgrundsätzen (früher anders z. B. nach der Preuß. GesindeO. §§ 51, 167) widerstreiten würde (vgl. Mot. zu § 774, KommissBer. 219).

§

888 a ist durch die Nov. v. 09 eingefügt.

Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen usw. § 890.

745

oder verweigert er Lie Eidesleistung, so ist nach § 888 zu verfahren. Ast der Schuldner zur Erzwingung der Eidesleistung in Hast genommen, so finden die Vorschriften des § 902 Anwendung. § 890. (775.) Handelt der Schuldner der Verpflichtung zuwider, eine Handlung zn unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er wegen einer zeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozeßgericht erster Instanz zu einer Geldstrafe bis zu fünfzehnhundert Mark oder zur Strafe der Haft bis zu sechs Monaten zu verurteilen. Das Maß der Gesamtstrafe darf zwei Jahre Haft nicht übersteigen. Der Verurteilung muß eine Strafandrohung vorausgehen, welche, wenn fie

§ 889.

Nicht-

I. Abs. 1. a) Der § 889 betrifft den Fall, daß der Schuldner durch den Schuldtitel zur taruneie,bLeistung des Offenbarungseides auf Grund des bürgerlichen Rechts verurteilt ist. Er schließt daher die Fälle der §§ 807, 883 ZPO., in denen es sich um einen prozestualen Lffenbarungseid des Schuldners handelt, aus (vgl. EGzZPO. § 16 Nr. 2). Das BGB. sieht eine eidliche Offenbarungspflicht u. a. in den §§ 259, 260, 261, 2006, 2028, 2057 vor (im früheren Preuß. Recht vgl. I, 9 §§ 440, 441 ALR., I, 22 §§ 28, 29 AGO.). Der § 889 behandelt eigentlich nur einen Sonder­ fall des § 888, d. h. der Erzwingung einer positiven nicht vertretbaren Handlung. b) Die Abnahme des obigen Offenbarungseides soll vor dem Prozcßgericht 1. Instanz, als dem Gericht, welches den Eid festgesetzt hat und daher die maßgebenden Berhältniffe am besten übersehen kann (vgl. Mot. zu § 774 a), und nach den Regelvorschriften der §§ 478—484 erfolgen, jedoch unter Vorbehalt des Abs. 2.

n

Abs. 2.

Falls nämlich der Schuldner in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine nicht erscheint oder den Eid verweigert, soll gegen ihn nach § 888 verfahren, er mithin auf Antrag des Gläubigers durch Geldstrafe oder Haft zur Eidesleistung an­ gehalten werden; aber, sofern er in Haft genommen ist, mit der Maßgabe, daß die Vorschriften des § 962 Anwendung finden, wodurch ihm Gelegenheit gegeben wird, sich jederzeit durch Leistung des Eides von der Haft frei zu machen.

III. Zu § 889 ist noch folgendes zu bemerken: Die Formel des Offenbarungseides unterliegt an sich der Festsetzung des Prozeßgerichts, da fie einen Bestandteil des Urteils bildet. Entsteht darüber im Bollstreckungsverfahren Streit, so muß solcher, falls sich nicht der Klagebehelf aus § 767 als notwendig erweist, durch Beschluß des Prozeßgerichts 1. Instanz entschieden werden (vgl. RG. 34 S. 406). Wenn der Schuldner sich ohne Prozeß zur Leistung eines ihm nach dem BGB. obliegenden Offenbarungseides erbietet, so kommen für deffen Abnahme die Vor­ schriften des § 261 BGB. in Verbindung mit §§ 15 Nr. 1, 79 FreiwGG. zur An­ wendung. § 890. H. Meyer Busch 15 S. 477.

I. Der § 890 setzt einen während seiner verschiedenen Bollstreckungsstadien fortbestehenden (vgl. RG. 43 S. 396) Schuldtitel voraus, durch den der Schuldner ver­ urteilt ist, dem Gläubiger gegenüber eine Handlung zu unterlassen (Verbot) oder zu dulden (Gebot). Die Duldung kommt zwar schon im Falle des § 773 in Betracht, aber nur gegenüber der Ausführung der urteilsmäßigen Handlung durch

Unterlassungen, Duldungen»

«bi. i.

746

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung.

3. Abschnitt § 890.

in Lem die Verpflichtung aussprechenden Urteile nicht enthalten ist, auf Antrag von dem prozeßgericht erster Instanz erlassen wird. Auch kann der Schuldner auf Antrag des Gläubigers zur Gestellung einer Sicherheit für den durch fernere Zuwiderhandlung entstehenden Schaden auf bestimmte Zeit verurteilt werden.

«b,. r.

w i.

«inen Dritten. Der § 890 betrifft wesentlich Fälle, in denen es sich um Duldung mit Bezug auf dauernde Rechtsverhältnisse handelt (vgl. RG. 15 S. 343, Gruchot 36 S. 893, Bolze 9 Nr 820"). Der Gegenstand der Unterlassung oder Duldung muß systcmgemäß im Schuldtitel allemal bestimmt bezeichnet sein (vgl. den § 23 G. gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7. 6. 09). II In obigen Fällen soll die Vollstreckung nur durch mittelbaren Zwang, näm­ lich durch gerichtliche Ahndung des Zuwiderhandelns (Abs. 1, 2) und durch Verurteilung zur Sicherheitsbestellung (Abs. 3), stattfinden. 1. Der gerichtlichen Ahndung muß allemal (vgl. RG. 43 S. 406 (gegen juristische Personen), IW. 98 S. 142) eine Strafandrohung vorausgehen. Ist diese bereits im Schuldtitel ausgesprochen (z. B. in der Formel „zur Vermeidung einer fiskalischen Strafe von usw."), so genügt das. Sonst hat der Gläubiger durch Antrag beim Prozeßgericht 1. Instanz einen bezüglichen Beschluß zu erwirken. Für die Zuständigkeit, Form und Begründung des Antrages gilt das zu § 887 Bemerkte. Die Androhung braucht nicht auf eine bestimmte Strafe zu lauten; sie soll nur als Abschreckungsmittel dienen. Das Gesetz sagt dem Schuldner die Strafgrenzen; die spätere Strafzumeffung hängt erst noch von Natur und Umfang der Zuwiderhandlung ab; und entgegengesetztenfalls müßte bei veränderten Umständen die Strafandrohung nochmals erfolgen. Sonach genügt eine einmalige allgemeine Strafandrohung, etwa unter Hinweis auf § 890 (vgl. § 377 Nr. 3). Ihre Erlassung kann ohne An­ hörung des Schuldners erfolgen (§ 891). Der Beschluß ist dem Gläubiger zum Weiterbetriebe auszureichen. Er dient nicht erst zur Vorbereitung der Zwangsvoll­ streckung, sondern bildet bereits eine Vollstreckungsmaßregel selbst, weshalb er den Nachweis der für den Vollstreckungsbeginn in §§ 750, 751 bestimmten Erfordernisse voraussetzt und andrerseits der Beschwerde aus § 793 unterliegt (vgl. RGPl. v. 20. 12. 98, RG. 42 S. 419, früher 20 S. 385, 37 S. 409). Leistet der Schuldner Widerstand gegen Vornahme der zu duldenden Handlung, so kann der Gläubiger staat­ liche Hilfe in Anspruch nehmen (§ 892). 2. Handelt nach Zustellung der Strafandrohung der Schuldner der Verpflichtung zuwider, so kann der Gläubiger dessen Verurteilung zu Strafebei demselben Gericht beantragen. Der Antrag, für dessen Form das zu § 887 Bemerkte gilt, ist durch Anführung von Tatsachen und Beweismitteln für die angebliche Zuwider­ handlung zu begründen und auf Strafverurteilung des Schuldners zu richten. Das Gericht muß den Schuldner hören (§ 891). Die Verurteilung erfolgt allemal durch Beschluß. Sie muß eine bestimmte Geld- oder Haftstrafe je nach der Beschaffen­ heit der Zuwiderhandlung aussprechen. Im Falle einer Realkonkurrenz, also wenn mehrere selbständige Zuwiderhandlungen gleichzeitig zur Aburteilung vorliegen, kommen in Ansehung der Haststrafe die §§ 74, 79 StGB, zur Anwendung, mit der Maß­ gabe, daß die Gesamtstrafe 2 Jahre Haft nicht übersteigen darf, während bei der Geld­ strafe (allein oder neben Haft) für jeden Konkurrenzfall auf den vollen Betrag zu er­ kennen ist (§ 78 StGB., vgl. RG. 36 S. 418). Begeht nach erfolgter Strasverurteilung der Schuldner eine neue Zuwiderhandlung, so muß der Gläubiger durch neuen Antrag eine neue Verurteilung herbeisühren. Die Strafen aus § 890 dienen zwar als Prozeffuale Zwangsmittel, enthalten aber immerhin zugleich eine im öffentlichen Jntereffe erfolgende Ahndung (vgl. Begr. 444, Prot. 416, RG. 36 S. 418, 38 S. 424, 43 S. 406), und unterliegen

Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen usw. §§ 891, 892.

747

8 891. (776.) Die in Gemäßheit der §§ 887—890 ju erlassenden Ent­ scheidungen Können ohne vorgängige mündliche Verhandlung erfolgen. Vor der Entscheidung ist der Schuldner |u hören. 8 892. (777.) Leistet der Schuldner Widerstand gegen die Vornahme einer -Handlung, welche er nach den Bestimmungen der §§ 887,890 zu dulden hat, so Kann der Gläubiger zur Beseitigung des Widerstandes einen Gerichtsvollzieher zuziehen, welcher nach den Bestimmungen des § 758 Äbs. 3 und des § 759 zu verfahren hat. deshalb der Vollstreckung von Amts wegen nach strafrechtlichen Regeln, so daß hier die Umwandlung der Geldstrafe in Haft nach § 28 StGB, zulässig erscheint. Die Vollstreckung der Haftstrase erfolgt nach §§ 904 ff.

3. Zur Verstärkung des Zwanges ist in Abs. 3 die Verurteilung des Schuldners zur Sicherheitsbestellung für den durch fern ere Zuwiderhandlung ent­ stehenden Schaden vorgesehen (vgl. Kleinfeller Busch 30 S. 544). Vorausgesetzt wird, daß bereits eine Strasverurteilung erfolgt ist. Die Ver­ urteilung gemäß Abs. 3 kann zugleich mit oder nach dem Anträge auf erneute Straf­ verurteilung nachgesucht werden, wobei die Gefahr wiederholter Zuwiderhandlung und künftigen Schadens darzulegen sein wird. Vor der Entscheidung muß der Schuldner gehört werden (§ 891). Die Verurteilung ergeht in Beschlußform. Die Sicher­ heit ist nach § 109 zu leisten, haftet aber nur dem Gläubiger für künftigen Schaden, nicht auch dem Fiskus für etwa rückständige Geldstrafen. Der S ch a d e n, der auch bic Kosten umfaßt, kann vom Gläubiger als Jnteresscforderung (§ 893) geltend ge­ macht werden (vgl. RG. IW. 86 S. 316). 4. Gegen die obigen Zwangsmittel steht dem Schuldner je nach den Umständen die Beschwerde aus § 794 oder die Klage aus § 767 offen.

§§ 891, 892.

«M.».

Anhörung, Widerstand des Schuldners. § 891.

Für die Entscheidungen aus §§ 887—890 erfordert § 891 nicht mündliche Verhandlung, wohl aber Anhörung des Schuldners. Dabei ist erwogen, daß diese Entscheidungen zwar ihre unabänderliche Grundlage in dem zu vollstreckenden Urteile finden, immerhin aber dabei noch nicht verhandelte Tatsachen in Betracht kommen können (Begr. 445). Sonach steht die Anordnung mündlicher Verhandlung im Ermessen des Gerichts, für welches die Umstände des Falles, namentlich die -Kompliziertheit der Sachlage maßgebend sein werden. Eventuell hat das Gericht den Schuldner ohne Präjudizstellung aufzufordern, sich über den ihm abschriftlich mitzuteilendm Antrag des Gläubigers binnen bestimmter Frist schriftlich oder zum Protokoll des Gerichtsschreibers zu äußern Erklärt er sich nicht, so hat das Gericht nach Lage der Sache zu entscheiden. Erklärt er sich, so hat das Gericht zu ermessen, ob sogleich zu entscheiden oder noch der Gläubiger zu hören oder nachträglich mündliche Ver­ handlung anzuordnen ist. Fm Falle mündlicher Verhandlung sind die Parteien von Amts wegen zu laden. Da die Verhandlung nicht obligatorisch ist, bleibt ein Ber-säumnisverfahren ausgeschlossen; es wird nach Lage der Akten entschieden. Sonst greift das gewöhnliche Verfahren Platz. Der Gläubiger wird auch seinen Antrag in der Verhandlung ergänzen dürfen (vgl. RG. 5 S 364). Dem Gericht steht freie Beweis­ würdigung zu. Bor den Landgerichten waltet Anwaltszwang ob. Die Entscheidung ergeht allemal in Beschlußform; die Erlassung eines Urteils ist nicht zulässig (vgl. RG. 18 S. 360, IW. 88 S. 408 und 90 S. 49, BayObLG.

Anhörung.

748

VIII. Buch.

Zwangsvollstreckung.

3. Abschnitt §§ 893, 894.

8 893. (778.) Darch die Bestimmungen dieses Abschnitts wird das Recht des Gläubigers nicht berührt, die Leistung des Äntereste ;u verlangen. Den Anspruch auf Leistung -es Interesse hat der Dlävbiger im Wege 6er Llage bei dem proxestgericht erster Änstan; geltend ;u machen. 8 894. (779.) Ist der Schuldner ;ur Abgabe einer Willenserklärung ver­ urteilt, so gilt die Erklärung als abgegeben, sobald das Urteil die Rechtskraft erlangt hat. Ist die Willenserklämng von einer Gegenleistung abhängig ge­ macht, so tritt Liese Wirkung ein, sobald nach den Bestimmungen -er §§ 726, 730 eine vollstreckbare Ausfertigung des rechtskräftigen Urteils erteilt ist. Die Vorschrift des ersten Absatzes kommt im Falle der Verurteilung ;ur Eingehung einer Che nicht pir Anwendung. SeuffA. 41 S. 381, Meyer Busch 15 S. 490; a. M. Sprenger ziv. Arch. 81 S. 262). Forderung de-Jnteresie. ।

«bi. 2.

8 893. I. Der spricht den v2/tUllU|Uy Grundsatz uU? aus,f daß dieses1. . henten des Aufgebots. Behufs ihrer Ausführung hat das Gericht an den Aussteller des Papiers, wie an die darin und sonstwie vom Antragsteller bezeichneten Zahl­ stellen, unter Mitteilung von der Einleitung des Aufgebotsverfahrens, das Verbot zu erlassen, an den Inhaber des Papiers eine Leistung zu bewirken und insbesondere neue Zins-, Renten- oder Gewinnanteilscheine, bzw. einen Erneuerung-schein (Talon) anszugeben. Auch soll das Verbot in derselben Weise wie das Aufgebot (8 1009) öffentlich bekannt gemacht werden. 2. In Abs. 2 ist die Wirksamkeit des an den Aussteller erlassenen Verbots Abs. 2. auch auf solche Zahlungsstellen ausgedehnt, die nicht in dem aufgebotenen Papiere bezeichnet sind, indem das Gesetz davon ausgeht, daß es Sache des Ausstellers sei, dieselben seinerseits rechtzeitig zu benachrichtigen. 3. Eine dem Verbot zuwiderlaufendeLeistung entbehrt dem Antragsteller .an.r. gegenüber der Rechtswirkung; doch wird die Einlösung der vor dem Verbot ausge­ gebenen Zins-, Renten- und Gewinnanteilscheine davon nicht berührt (Abs. 2). Diese Vorschriften entsprechen den 88 135, 136, 803 BGB. n. Für den Fall, daß der Aufgebotstermin nach Lage des Falles auf mehr als § 1020. ein Jahr hinausgeschoben werden müßte, ist nach 8 1015 Satz 2 die sofortige Ein-

814

IX. Buch.

Aufgebotsverfahren § 1022.

§ 1022. Wird Las in Verlust gekommene Papier dem Gerichte vorgelegt oder wird das Aufgebotsoerfahren in anderer Weise ohne Erlassung eines Ausschlußurteils erledigt, so ist die Zahlungssperre von Amts wegen aufzuheben. Vas gleiche gilt, wenn die Zahlungs sperre vor -er Einleitung des AufgebotsVerfahrens angeordnet worden ist und die Einleitung nicht binnen sechs Monaten nach der Beseitigung des ihr entgegenstehenden Hindernisses beantragt wird. Ist das Aufgebot oder die Zahlungssperre öffentlich bekamt gemacht worden, so ist die Erledigung des Verfahrens oder die Aufhebung der Zahlungssperre von Amts wegen durch den Deutschen Reichsan;eiger bekannt;u machen. Im Falle der Vorlegung des Papiers ist die Zahlungssperre erst auftuheben, nachdem dem Antragsteller Lie Einsicht nach Maßgabe des § 1016 ge­ stattet worden ist. Gegen den Beschluß, Lurch welchen die Zahlungssperre aufgehoben wird, findet sofortige Leschwerde statt. leitung deS Aufgebotsverfahrens unzulässig. Dann soll aber, falls nur die sonstigen Aufgebotsvoraussetzungen gegeben sind, nach § 1020 die Zahlungssperre, damit sie rechtzeitig wirkm kann, auf Antrag des Extrahenten schon vor Einleitung des Verfahrens erlassen werden; und zwar nach Maßgabe des § 947 Abs. 1, während die öffentliche Bekanntmachung des Verbots nach § 948 zu erfolgen hat. § 1021.

HL a) Nach § 1021 soll das Zeugnis, von dessen Beibringung im Falle des § 1010 zum Schutze gutgläubiger Erwerber von Jnhaberpapieren die Erlassung des Ausschlußurteils abhängig gemacht ist, sich für den Fall erübrigen, daß die Zahlungssperre erlassen wird, bevor seit dem glaubhaft gemachten Verluste des Papiers neue Zins-, Renten- oder Gewinnanteilscheine ausgegeben sind. Dann wird es näm­ lich dem etwaigen Besitzer des Jnhaberpapiers durch das Verbot aus § 1019 unmög­ lich gemacht, neue Scheine durch Vorlegung des Papiers bei der Emissionsstelle zu erlangen; wohl aber kann er sich solche derart verschaffen, daß er das Wertpapier dem Gericht vorlegt und damit nach Maßgabe des § 1022 Abs. 2 die Aufhebung der Zahlungssperre erwirkt. Unterläßt er diesen loyalen Weg, so setzt er sich dem Verdacht eines nichtgutgläubigen Erwerbes aus. Angesichts dieser Rechtslage hält die ZPO. das in § 1010 Abs. 2 vorgesehene Schutzmittel für entbehrlich (vgl. Mot. zu § 850 c). b) Darüber, wie im Falle des § 1021 der Aufgebotstermin zu bestimmen ist, erachtet die Rov. v. 98 eine Sondervorschrift für nicht geboten. In diesem Falle können infolge der Zahlungssperre für das aufzubietende Papier neue Scheine nicht mehr ausgegeben werden. Nach § 1010 Abs. 1 ist für die Ansetzung des Aufgebots­ termins der Zeitpunkt, wo der erste der neuen Scheine fällig wird, die für andere gleichartige Papiere, namentlich von derselben Serie, ausgegeben werden, entscheidend. Danach ergibt sich von selbst, daß der Aufgebotstermin nicht früher bestimmt werden kann, als zu dem Zeitpunkt, wo bezüglich des zum Aufgebot stehenden Papiers die Fälligkeit des ersten von neuen Scheinen eingetreten wäre, sofern die Ausgabe solcher noch hätte stattfinden dürfen (vgl. Mot. zu § 850 c).

§ 1022.

IV. Der § 1022 bestimmt die Voraussetzungen und Maßgaben, unter denen die Zahlungssperre von Amts wegen aufzuheben ist.

1. Im Falle des § 1019 wird vorausgesetzt, daß das in Verlust gekommene Papier dem Gericht vorgelegt (§ 1016), oder das Aufgebotsverfahren sonstwie (z. B. durch Zurücknahme des Aufgebotsantrages, durch Ausbleiben des Extrahenten im Aufgebotstermine, § 954) ohne Ausschlußurteil erledigt wird (Abs. 1), wobei

IX. Buch.

Aufgebolsversahren §§ 1023, 1024.

815

§ 1023. Gezweckt das Äufgebotsverfahren die Lraftloserklärung einer Urkunde der im § 808 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Ärt, so finden die Vorschriften des § 1006, des § 1009 Abs. 3, Les § 1017 Abs. 2 Latz 2 und der 88 1019—1022 entsprechende Anwendung. Die Landesgesetze können über -re Veröffentlichung des Anfgebots und der im 8 1017 Abs. 2, 3 und in den 88 1019, 1020, 1022 vorgeschriebenen Bekanntmachungen sowie über die Auf­ gebotsfrist abweichende Vorschriften erlassen.

§ 1024. Bei Aufgeboten, welche auf Grund der 88 887, 927, 1104, 1112, 1162, 1170, 1171, 1269 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie auf Grund des § 765 des Handelsgesetzbuchs und des § 110 des Gesetzes, betreffend die prioatrechtlichen Verhältnisse -er Binnenschiffahrt, ergehen, können die Landesgesetze die -Art der Veröffentlichung -es Aufgebots und des Ausschlußurteils sowie die Aufgebotsfrist anders bestimmen, als in den 88 948,950,956 vorgeschrieben ist. Bei Aufgeboten, welche auf Grund des 8 1162 des Bürgerlichen Defetzersterenfalls zunächst noch dem Extrahenten Einsicht vom Papier (§ 1016) gestattet werden soll (Abs. 2). 2. Im Falle des 8 1020 ist Erfordernis, daß bei vorgängiger Zahlungssperre die hinausgeschobene Einleitung des Aufgebotsverfahrens vom Extrahenten nicht binnen sechs Monaten nach Beseitigung des Hindernisses (8 1015) beantragt wird (Abs. 1). 3. Außerdem soll, sofern das Aufgebot oder die Zahlungssperre öffentlich bekannt gemacht ist (8 1019 Abs. 1), zur Sicherung des Verkehrs auch die Er­ ledigung des Aufgebots oder die Aufhebung der Zahlungssperre von Amts wegen im D. RAnzeiger bekannt gemacht werden (Abs. 1). Vgl. Sets, des preußischen Justizministers betr. die Bekanntmachung der Erledigung des Aufgebots von Jnhaberpapieren, v. 24. 7. 08 (JMBl 272). 4. Der Aufhebungsbeschluß unterliegt, entsprechend dem Arrestfalle (8 934 Abs. 4), der sofortigen Beschwerde des Extrahenten (Abs. 3).

8 1023. Das BGB. läßt in § 808 daS Aufgebot der sog. Legitimationspapiere zu, d. h. solcher Schuldurkunden, in denen der Gläubiger benannt ist, die aber mit der Bestimmung ausgegeben werden, daß die Leistung an jeden Inhaber erfolgen kann, wie dies z. B. bei Sparkafsenbüchern zutrifft. Für das bezügliche AufgebotsVerfahren greifen im allgemeinen die Vorschriften des 8 1003 Platz; doch sind in 8 1023 gewisse Besonderheiten vorgesehen. a) Zunächst (Satz 1) sollen gewisse Vorschriften über das Aufgebot von Jn­ haberpapieren, nämlich die 88 1006 (Bestimmung des zuständigen Gerichts durch Landesjustizverwaltung oder Landesgesetz), 1009 Abs. 3 und 1017 Abs. 2 Satz 2 (Bekanntmachung des Aufgebots und des Ausschlußurteils durch anderweite Blätter), sowie die 88 1019—1022 (Zahlungssperre), entsprechende Anwendung finden. b) Sodann ist es (Satz 2) mit Rücksicht auf die Bedeutung solcher Papiere im Verkehr (vgl. Mot. zu 8 850e) der Landesgesetzgebung überlassen, über die Berösfentlichung des Aufgebots und der Bekanntmachungen (88 1017 Abs. 2, 3, 1019, 1020, 1022), sowie über die Aufgebotsfrist Abweichendes zu bestimmen. Daneben besteht übrigens nach Art. 102 Abs. 2 EGzBGB. die Befugnis der Landesgesetzgebung, für das Aufgebot von Legitimationspapieren überhaupt ein anderes Verfahren als das Aufgebot zu verordnen. Vgl. für Preußen das AGzZPO. v. 6: 10. 99 8 7.

Leaiti. manonSPapiere.

816

X. Buch.

Schiedsrichterliches Verfahren § 1025.

buchs ergehen, können -ie Lanbesgesehe Lie Art der Veröffentlichung des Auf­ gebots, des Ausschlußurteils und des im § 1017 Abs. 3 bezeichneten Urteils sowie die Aufgebotsfrift auch anders bestimmen, als in den §§ 1009,1014,1015, 1017 vorgeschrieben ist.

Zehntes Buch.

Schiedsrictztertiches 'Zlerfahren. § 1025. (851.) Die Vereinbarung, daß die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit durch einen oder mehrere Schiedsrichter erfolgen solle, hat insoweit rechtliche Wirkung, als die Parteien berechtigt smd, über den Gegenstand des Streits einen Vergleich zn schließen. 8 1024.

Landesrecht!. Borbehalt.

ab| i

Abi. 2.

I Bei verschiedenen Aufgeboten, die nach dem BGB. §§ 887, 927, 1104, 1112, 1162, 1170, 1171, 1269, nach dem HGB. § 765 und nach dem BinnenschifffahrtsG. v. 20. 5. 98 § 110 zulässig sind, behält § 1024 in Abs. 1 der Landes-gesetzgebung die Befugnis vor, die Veröffentlichungsart für das Aufgebot und das Ausschlußurteil, sowie die Aufgebotsfrist abweichend von §§ 948, 950, 956 zu be­ stimmen. — Vgl. für Preußen das AGzZPO. v. 6. 10. 99 § 8. n. Bei dem nach § 1162 BGB. zulässigen Aufgebot ermächtigt Abs. 2 die Landesgesetzgebung, die Beröffentlichungsart für das Aufgebot, das Ausschluß­ urteil und das Anfechtungsurteil im Falle des § 1017 Abs. 3, sowie die Aufgebots­ frist in Abweichung von §§ 1009, 1014, 1015, 1017 zu regeln. — Vgl. für Preußen das oben bezeichnete AGzZPO. § 9. Die Vorbehalte in § 1024 beruhen auf der Verschiedenheit der Verhältniffe in den einzelnen Bundesstaaten (vgl. Mot. zu § 850 g). Für Preußen ist noch auf die 88 10, 11 AGzZPO., in denen das Verfahren bei landesgesetzlichen und nach Art. 29 § 11 AGzBGB. stattfindenden Aufgeboten geregelt ist, hinzuweism.

X. Luch.

Schiedsrichterliches Verfahren.

Kohler Gruchot 21 S. 316, 490; Daubenspeck, die Schiedsgerichte zur Regulierung der Bergschäden (1883); Mayer, die schiedsrichterliche Rechtsentscheidung (1888); Lindheim, Schiedsgericht (3. Ausl.); Hayum, der Schiedsvertrag (1892); Neubauer Busch 18 S. 506, 21 S. 322; Altenrath, Grundlage und Wirtung de- Schiedsspruchs (1907). B-rnoie.

I Den in den Büchern I—IX geregelten Verfahren ist es gemeinsam, daß zur Gewährung des Rechtsschutzes staatlicheOrgane angerufen werden, dieParteien aber Herren des Rechtsstreits bleiben. Die letztere Rechtsstellung erfährt im X. Buch eine Erweiterung insofern, als den Parteien die Berechtigung eingeräumt ist, rechtSgeschäftlich, d. h. aus Grund einer Vereinbarung, einer letztwilligen oder sonstigen Verfügung, einen Rechtsstreit vor Privatrichtern (Schiedsrichtern) zur Ent­ scheidung zu bringen (8 1025, vgl. RG. IW. 95 S. 296). Es ist nicht notwendig, daß ein Rechtsverhältnis in seiner Gesamtheit der Entscheidung des Schiedsgerichts unterbreitet werde. Für die Gültigkeit des Spruches kommt es darauf an, ob dieser dem Inhalt des Schiedsvertrages entspricht (RG. 62 S. 354, auch IW. 06 S. 176).

816

X. Buch.

Schiedsrichterliches Verfahren § 1025.

buchs ergehen, können -ie Lanbesgesehe Lie Art der Veröffentlichung des Auf­ gebots, des Ausschlußurteils und des im § 1017 Abs. 3 bezeichneten Urteils sowie die Aufgebotsfrift auch anders bestimmen, als in den §§ 1009,1014,1015, 1017 vorgeschrieben ist.

Zehntes Buch.

Schiedsrictztertiches 'Zlerfahren. § 1025. (851.) Die Vereinbarung, daß die Entscheidung einer Rechtsstreitigkeit durch einen oder mehrere Schiedsrichter erfolgen solle, hat insoweit rechtliche Wirkung, als die Parteien berechtigt smd, über den Gegenstand des Streits einen Vergleich zn schließen. 8 1024.

Landesrecht!. Borbehalt.

ab| i

Abi. 2.

I Bei verschiedenen Aufgeboten, die nach dem BGB. §§ 887, 927, 1104, 1112, 1162, 1170, 1171, 1269, nach dem HGB. § 765 und nach dem BinnenschifffahrtsG. v. 20. 5. 98 § 110 zulässig sind, behält § 1024 in Abs. 1 der Landes-gesetzgebung die Befugnis vor, die Veröffentlichungsart für das Aufgebot und das Ausschlußurteil, sowie die Aufgebotsfrist abweichend von §§ 948, 950, 956 zu be­ stimmen. — Vgl. für Preußen das AGzZPO. v. 6. 10. 99 § 8. n. Bei dem nach § 1162 BGB. zulässigen Aufgebot ermächtigt Abs. 2 die Landesgesetzgebung, die Beröffentlichungsart für das Aufgebot, das Ausschluß­ urteil und das Anfechtungsurteil im Falle des § 1017 Abs. 3, sowie die Aufgebots­ frist in Abweichung von §§ 1009, 1014, 1015, 1017 zu regeln. — Vgl. für Preußen das oben bezeichnete AGzZPO. § 9. Die Vorbehalte in § 1024 beruhen auf der Verschiedenheit der Verhältniffe in den einzelnen Bundesstaaten (vgl. Mot. zu § 850 g). Für Preußen ist noch auf die 88 10, 11 AGzZPO., in denen das Verfahren bei landesgesetzlichen und nach Art. 29 § 11 AGzBGB. stattfindenden Aufgeboten geregelt ist, hinzuweism.

X. Luch.

Schiedsrichterliches Verfahren.

Kohler Gruchot 21 S. 316, 490; Daubenspeck, die Schiedsgerichte zur Regulierung der Bergschäden (1883); Mayer, die schiedsrichterliche Rechtsentscheidung (1888); Lindheim, Schiedsgericht (3. Ausl.); Hayum, der Schiedsvertrag (1892); Neubauer Busch 18 S. 506, 21 S. 322; Altenrath, Grundlage und Wirtung de- Schiedsspruchs (1907). B-rnoie.

I Den in den Büchern I—IX geregelten Verfahren ist es gemeinsam, daß zur Gewährung des Rechtsschutzes staatlicheOrgane angerufen werden, dieParteien aber Herren des Rechtsstreits bleiben. Die letztere Rechtsstellung erfährt im X. Buch eine Erweiterung insofern, als den Parteien die Berechtigung eingeräumt ist, rechtSgeschäftlich, d. h. aus Grund einer Vereinbarung, einer letztwilligen oder sonstigen Verfügung, einen Rechtsstreit vor Privatrichtern (Schiedsrichtern) zur Ent­ scheidung zu bringen (8 1025, vgl. RG. IW. 95 S. 296). Es ist nicht notwendig, daß ein Rechtsverhältnis in seiner Gesamtheit der Entscheidung des Schiedsgerichts unterbreitet werde. Für die Gültigkeit des Spruches kommt es darauf an, ob dieser dem Inhalt des Schiedsvertrages entspricht (RG. 62 S. 354, auch IW. 06 S. 176).

II. a) Das schiedsrichterliche Verfahren würde nach obiger Grundlage der zivilprozeffualen Regelung nur in betreff der formalen Frage unterfallen, inwie­ weit und in welcher Form der schiedsrichterlichen Entscheidung die staatliche Zwangshilfe (Vollstreckung) zu gewähren sei. Die ZPO. ist aber weiter gegangen. Ausgehend von der Erwägung (vgl. Begr. 471), daß von dem Verfahren die materiell­ rechtlichen Fragen der Zulässigkeit, des Zustandekommens und der Wirkung des Schiedsspruches nicht zu trennen seien, hat sie diese Punkte mit zur Regelung gezogen und unter gewiffe Normativbestimmungen nach dem Borbilde der §§ 722, 723 gestellt (vgl. RG. IW. 88 S. 330). Dieser weitere Standpunkt der ZPO. soll den Bedürsniffen des heutigen Verkehrslebens gerecht werden (vgl. Begr. 471). b) Demzufolge stellt sich das schiedsrichterliche Verfahren als ein solches dar, das auf Grund eines Rechtsgeschäfts die Entscheidung eines zivilprozessualen Rechtsstreits (§ 3 EG.) durch private Schiedsgerichte (arbitri) zum Gegenstände hat (vgl. RG. 33 S. 265, Neubauer Busch 21 S. 322). Unter dasselbe fällt somit nicht das Verfahren vor staatlichen Schieds­ gerichten, wie nach GewO. §§ 974, 97 a®, Kranken-BersichG. v. 15. 6. 83 § 53, UnfallversichG. v. 6. 7. 84 § 46, Jnvalidenversicherungsgesetz v. 13. 7. 99 § 103, GewGerG. v. 29. 9. 01, UrhebG. v. 19. 6. 01 § 49. Ebensowenig das landes­ gesetzliche Verfahren vor staatlichen Schiedsmännern zum Vergleiche von Rechtsstreitigkeiten (vgl. Preuß. SchiedsmO. v. 29. 3. 79). Endlich nicht die nur auf Feststellung von Tatsachen gerichtete Tätigkeit vou Arbitratoren (vgl. RG. 6 S. 201, 10 S. 130, 24 S. 411, IW. 91 S. 415, Gruchot 30 S. 1024, 39 S. 695).

§§ 1025-1027

Sdiieb». vertrüge.

Als rechtswirksame Grundlage des schiedsrichterlichen Verfahrens erfordert die ZPO. entweder einen Schiedsvertrag (Kompromiß, § 1025) oder eine auto­ nome Verfügung (§ 1048). Bei dem Schiedsvertrage formulieren die §§ 1025—1027 gewisse Voraussetzungen in bezug auf Bergleichsberechtigung der Parteien, Gegenstand der Vereinbarung und Form derselben. DaS Ver­ fahren ist besonders geregelt, untersteht also nicht den sonstigen Vorschriften der ZPO. (Anwendung auf die Streitverkündigung RG. 55 S. 14). Der Schiedsvertrag ist, wenn nicht aus seinem Inhalt ein anderes hervorgeht, auch für den Zessionar einer Partei wirksam (RG. 56 S. 183). Bezüglich der Rechtswirksamkeit der vor dem Inkrafttreten der ZPO. geschloffenen Verträge vgl. den § 18 EG. v. 30. 1. 77, sowie aus der Rechtsprechung RG. 15 S. 357, SeuffA. 38 Nr. 158, Gruchot 27 S. 1053, IW. 88 S. 330, 90 S. 204, Wallmann 7 S. 93.

«omote.

§ 1025.

Beraleichsderechtigung.

Der § 1025 macht die rechtliche Wirksamkeit des SchiedsvertrageS zunächst da­ von abhängig, daß die Parteien berechtigt sind, über den Streitgegenstand einen Vergleich zu schließen. Der Schiedsspruch hat nur da seine Stelle, wo auch ein gerichtliches Urteil möglich wäre (RG. 67 S. 73). Weiter hängt die Gültigkeit des Schiedsvertrages von der Gültigkeit des Hauptgeschäftes ab (IW. 04 S. 414). Diesen Erfordernissen liegt die Verwandtschaft des Schiedsvertrages mit dem Ver­ gleich zugrunde (vgl. Begr. 471). Das BGB. hat den Schiedsvertrag nicht besonders behandelt (vgl. Mot. II S. 657); den Vergleich stellt es in § 779 als einen Vertrag hin, durch den ein Streit oder eine Ungewißheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Daraus ergibt sich, daß die Parteien Rtincke, ZPO.

«. Aufl.

52

X. Buch.

818

Schiedsrichterliches Verfahren §§ 1026, 1027.

8 1026.

(852.) Gin Zchiedsoertrag über künftige Nechtsstreitigkeiten Kat keine rechtliche Wirkung, wenn er nicht auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die aus demselben entspringenden Rechtsstreitigkeiten sich bezieht. 8 1027. (853.) Ist nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts ein mündlich geschlossener Zchiedsoertrag gültig, so kann jede Partei die Errichtung einer schriftlichen Urkunde über den Vertrag verlangen. des SchiedsvertragS über den Streitgegenstand durch gegenseitiges Nachgeben hinsichts des Entscheidungsorgans, d. h. durch Verzicht auf Staatsrichter und durch Anrufung von Privatrichtern, zu verfügen berechtigt sein muffen. Es darf sich nicht um Rechts­ verhältnisse handeln, die nach bürgerlichem Recht ans sittlichen oder anderen Gründen des Gemeinwohles der rechtsgeschüftlichen Regelung entzogen (wie z. B. Ehe- und Entmündigungssachen), oder bei denen die Parteien oder bereit Vertreter zum Ber­ gleichsabschlusse nicht legitimiert sind, wobei namentlich gesetzliche Vertreter und Be­ vollmächtigte der Parteien in Betracht kommen. Die Prozeßvollmacht ermächtigt nach § 81 zum Vergleichsabschluß, aber nur im Rahmen des Prozesses; deshalb wird es zum Abschluß eines Schiedsvertrages besonderer Vollmacht bedürfen. Gegenstand.

8 1026.

I Über schwebende Rechtsstreitigkeiten kann ein Schiedsvertrag unbeschränkt geschlossen werden. Für künftige Rechtsstreitigkeiten erfordert § 1026, in Ent­ scheidung einer Streitfrage des früheren deutschen Prozesses (vgl. Windscheid II § 416 Note 14ff., ROHG. 2 S. 159), daß der Schiedsvertrag sich auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die daraus entspringenden Streitigkeiten bezieht. Diese Vorschrift beruht wohl auf der Erwägung, daß andernfalls die Identität des späteren Rechts­ streites mit dem im Vertrage gemeinten nicht festzustellen sein möchte, und sichert dem Schiedsvertrage namentlich für solche Rechtsverhältnisse, die auf längere Wirksam­ keit berechnet sind, wie bei Gesellschafts- oder Genossenschaftsstatuten oder ähnlichen Rechtsgeschäften, Anwendung. Vgl. § 28 BörsG. v. 26. 6. 96 (in der Fassung der Bekanntmachung des Reichskanzlers v. 27. 5. 08, RGBl. 215). II Sonstige objektive Beschränkungen sieht das Gesetz nicht vor. Daher kann der Schiedsvertrag den Bestand, die Erfüllung oder die Aushebung eines Rechts­ verhältnisses, einen Feststellungs- oder einen Leistungsanspruch betreffen, andrerseits bestimmen, wieviel Instanzen für die schiedsrichterliche Entscheidung zulässig sein sollen. Der bezügliche Inhalt des Vertrages ist im Streitfälle durch Auslegung des rechtsgeschüftlichen Willens der Parteien festzustellen (vgl. BGB. § 133, RG. 24 S. 411, 27 S. 378, 29 S. 391, Grnchot 27 S. 1053, IW. 92 S. 162). Sonn.

§ 1027. Für die Form des Schiedsvertrages läßt § 1027 das bürgerliche Recht maß­ gebend fein. Während früher manche Landesrechte unbedingt oder unter Umständen Schriftform erforderten, wie das PrALR. in § 131 I, 5 (vgl. OHG. 17 S. 248), der code de proced. civ. in Art. 1005 und das BayrAGzZPO. in Art. 12, sieht das BGB. grundsätzlich von einer Form ab (§§ 779, 782), was zur Folge hat, daß auch eine stillschweigende Vereinbarung gültig ist (vgl. RG. Gruchot 27 S. 1056). Wo formfreie Schiedsverträge nach bürgerlichem Recht zulässig sind, spricht indes § 1027, im Hinblick auf das Interesse, das die Beteiligten, namentlich nach §§ 1037, 1041 an der Beurkundung haben können (vgl. Begr. 473), jeder Partei die Be­ rechtigung zu, von der anderen die Errichtung einer schriftlichen Vertragsurkunde als formalen Anerkenntnisses des Vertrages zu verlangen. Die Erfüllung dieses

X. Buch. Schiedsrichterliches Verfahren §§ 1028—1031.

819

§ 1028. (854.) Äst in dem Schiedsvertrag eine Bestimmung über Lie Er­ nennung der Schiedsrichter nicht enthalten, so wird von jeder Partei ein Schiedsrichter ernannt. § 1029. (855.) Steht beiden Parteien die Ernennung von Schiedsrichtern ;u, so hat die betreibende Partei dem Gegner den Schiedsrichter schriftlich mit der Aufforderung ;u bezeichnen, binnen einer einwöchigen Frist seinerseits ein gleiches zu tun. Nach fruchtlosem Abläufe der Frist wird auf Antrag der betreibenden Partei der Schiedsrichter von dem zuständigen Gericht ernannt. § 1030. (856.) Eine Partei ist an die durch ste erfolgte Ernennung eines Schiedsrichters dem Gegner gegenüber gebunden, sobald derselbe die Anzeige von der Ernennung erhalten hat. § 1031. (857.) Wenn ein nicht in dem Schiedsvertrag ernannter Schieds­ richter stirbt oder aus einem anderen Grunde wegfällt oder die Übernahme

oder die Ausführung des Schiedrichteramts verweigert, so hat die Partei, welche ihn ernannt hat, auf Aufforderung des Gegners binnen einer einwöchigen Frist einen anderen Schiedsrichter zn bestellen. Nach fruchtlosem Ablaufe der Frist wird auf Antrag der betreibenden Partei der Schiedsrichter von dem zu­ ständigen Gericht ernannt. Rechts ist im Streitfälle durch Klage und Zwangsvollstreckung beim zuständigen Staatsgericht zu erwirken.

88 1028—1031.

Ernennung von Schieds­ richtern.

I a) Nach 8 1028 sind die Parteien berechtigt, im Schiedsvertrage über die Ernennung der Schiedsrichter Bestimmung zu treffen. Sie können die § 1028. Ernennungsweise beliebig vereinbaren, namentlich die Ernennung ihnen beiden oder einem von ihnen Vorbehalten oder einem Dritten übertragen; und ebenso find sie in bezug auf die Personen der Schiedsrichter nicht beschränkt (vgl. RG. 26 S. 371, IW. 88 S. 330, 92 S. 96). b) Für den Fall, daß es an vertraglicher Bestimmung fehlt, ergänzt 8 1028 den Mangel im mutmaßlichen Sinne der Parteien dahin, daß jeder Partei die Er­ nennung eines Schiedsrichters zustehen soll (vgl. Neubauer Busch 21 S. 322). II. Der Schiedsvertrag begründet nach dem Grundsätze von Treu und Glauben § 1029. die Verpflichtung der Beteiligten, das vertragsmäßige Zustandekommen des Schieds­ gerichts, in erster Linie die Ernennung der Schiedsrichter nicht zu hindern. Hierüber Verhalten sich die 88 1029, 1030; und zwar auf Grundlage des Regel­ falles, daß das Ernennungsrecht beiden Teilen zukommt (vgl. RG. 33 S. 267). Ist nur ein Teil berechtigt, so folgt aus der Natur der Sache, daß dieser im Streitfälle von dem anderen Teil im Prozeßwege zur Ausführung der Ernennung angehalten werden muß. a) Der Zustellung eines Schriftsatzes mit einem dem Abs. 1 entsprechenden Inhalt ms. i. bedarf es nicht; doch ist es im Hinblick auf Abs. 2 ratsam, sich einen urkundlichen Nachweis zu sichern. b) Bleibt die Gegenpartei bis zum Fristablaufe mit der Bezeichnung säumig, si&f. r. so wird nach Abs. 2 auf Antrag der betreibenden Partei der Schiedsrichter durch das zuständigeGericht ernannt. Daraus läßt sich entnehmen, daß die säumige Partei des Ernennungsrechts verlustig geht (vgl. RG. 45 S. 382, streitig). Für den An­ trag der betreibenden Partei ist 8 1045 maßgebend. Dabei dürfen beide Teile dem

§ 1032. (858.) Gin Schiedsrichter kann aus denselben Gründen und unter denselben Voraussetzungen abgeletznt werden, welche ptr Ablehnung eines Richters berechtigen. Die Ablehnung kann außerdem erfolgen, wenn ein nidjt in dem Schieds­ vertrag ernannter Schiedsrichter die Erfüllmig seiner Pflichten ungebührlich ver;ögert. Frauen, Mindersährige, Taube, Stumme und Personen, welchen die bürger­ lichen Ehrenrechte aberkannt fmd, können abgelehnt werden. Gericht Kandidaten Vorschlägen, ohne daß dieses dadurch gebunden wird. Der Be­ schluß muß sogleich die Schiedsrichter ernennen und darf die Ernennung nicht bis nach Eintritt der Rechtskraft Vorbehalten (vgl. RG. Gruchot 34 S. 1184). Die geschehene Ernennung kann nach § 1045 angefochten werden, so daß der höhere Richter eine anderweite Auswahl treffen darf. § 1030. III. Nach § 1030 tritt die Bindung einer Partei dem Gegner gegenüber in bezug auf die ihrerseits erfolgte Ernennung eines Schiedsrichters mit dem Zeitpunkt ein, wo dem Gegner die Ernennungsanzeige zugeht. Sonach ist ein Widerruf der Er­ nennung noch von Wirkung, der gleichzeitig mit der Anzeige an den Gegner gelangt. § 1031. IV. a) Wenn ein nicht im Schiedsvertrage ernannter Schiedsrichter weg falt, so knüpft § 1031 daran nicht die Folge, daß der Schiedsvertrag erlischt, vielmehr nur die Folge, daß ein Ersatzrichter zu ernennen ist. Anders liegt die Sache im Falle des § 1033, wonach der Wegfall eines im Schiedsvertrage er­ nannten Schiedsrichters den Vertrag selbst entkräften soll. Das Gesetz nimmt nämlich an, der mutmaßliche Wille der Parteien gehe im letzteren Falle dahin, daß der Schieds­ spruch lediglich durch die ernannten Schiedsrichter erfolgen, im ersteren Falle dahin, daß ein bloßes Hindernis in der Person der Schiedsrichter noch keinen Grund zur Aushebung des Schiedsvertrages abgeben solle (vgl. Begr. 474). Danach ist § 1031 im Sinne möglichster Aufrechterhaltung des Schiedsvertrags anzuwende». Er kann wiederholt wirksam werden. Zudem läßt er sich nach seiner allgemeinen Faffung auf alle Ernennungssälle außerhalb des Schiedsvertrages beziehen, auch auf die ge­ richtliche Ernennung, da solche ebm nur in Ergänzung des Parteiwillens erfolgt (vgl. RG. IW. 88 S. 17 und 89 S. 326). Die im § 1031 bezeichneten Wegfallsgründe sind teils zufällige, teils im Willen des Ernannten liegende. Als erstere können Tod, Krankheit oder Ablehnung (§ 1032), als letztere eine Weigerung des Ernannten, den Auftrag anzunehmen oder auszuführen, in Betracht kommen. Eine Verpflichtung zur Annahme oder Ausführung ließe sich nur aus einem privatrechtlichen Titel herleiten. Dann könnte auf Abgabe des Spruches geklagt werden (IW. 05 S. 54). b) Der Ersatz des weggesallenen Schiedsrichters liegt der Partei ob, die den­ selben ernannt hatte. Das Verfahren dabei ist dem aus §§ 1029, 1030 nachgebildet: die Partei ist vom Gegner binnen einwöchiger Frist zur Ernennung eines anderen Schiedsrichters aufzufordern, und nach fruchtlosem Fristverlauf kann der Gegner die Ernennung beim zuständigen Gericht erwirken. Ablehnung. (6 42).

§ 1032.

OM.i.

I a) Die ZPO. hat eine Ausschließung gewisser Schiedsrichter kraft Ge­ setzes (§ 41) nicht für erforderlich erachtet, erblickt vielmehr eine genügende Wahrung des öffentlichen Interesses in dem nach § 1032 den Parteien eingeräumten Ab­ lehnungsrechte (§ 42, vgl. Begr. 474). Danach erscheint die Befähigung zum Schiedsrichteramt an sich unbeschränkt, sowohl für physische als für juristische Personen, namentlich Behörden einschließlich der

Staatsgerichte (vgl. Begr. 475, RG. 13 S. 407). Ob und durch welche Vertreter den Behörden die Übernahme jenes Amtes gestattet ist, bestimmt sich nach dem Ber­ fassungsrechte des Reiches oder des betreffenden Bundesstaates (vgl. sür das Reichs­ gericht dessen Geschäftsordnung v. 5. 4. 80 und 8. 7. 86, § 14, ZBlsdDR. v. 86 S. 300), für das Preuß. Verwaltungsrecht die Entsch. des früheren Obertribunals 51 S. 355 und 78 S. 128. Ein Kompromiß auf ein Staatsgericht, dem die gesetzliche Zuständigkeit fehlt, läßt sich vielleicht als Prorogation auslegen. Eine Partei selbst kann naturgemäß nicht Schiedsrichter sein (vgl. ROHG. 21 S. 84, StrArch. 64 S. 55); wohl aber erscheint eine statutarische Vereinbarung nicht unstatthaft, wonach in Prozessen zwischen der Statutsperson und einem Mitgliede die Entscheidung durch ein anderes Mitglied erfolgen soll (vgl. RG. 51 S. 392). b) Die Ablehnung darf nach Abs. 1 aus denselben Gründen und unter den­ selben Voraussetzungen, wie Staatsrichtern gegenüber, erfolgen; also aus den Gründen der §§ 41, 42 und unter den Voraussetzungen der §§ 42 Abs. 3, 43, 44 Abs. 4. Sonach steht das Ablehnungsrecht in jedem Falle beiden Parteien zu (§ 42); aber es kann von einer Partei gegen einen Schiedsrichter, bei dem sie sich in Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt (§ 43), nur noch unter der Glaub­ haftmachung ausgeübt werden, daß der Ablehnungsgrund erst später entstanden oder ihr bekannt geworden (§ 44) ist, und es muß gegen den von ihr selbst im Schieds­ vertrage oder später ernannten Schiedsrichter Wegfällen, falls sie zur Ernrnnungszcit den Ablehnungsgrund bereits kannte. Die Annahme (vgl. v. Wilmowski-Levy Note 1), daß sie einen von ihr selbst ernannten Schiedsrichter überhaupt nicht ablehnen dürfe, läßt sich wohl aus § 1032 nicht rechtfertigen und würde mit dem Prinzipe des § 42 Abs. 3 in Widerspruch treten (vgl. RG. IW. 96 S. 283). n. Dazu treten nach Abs. 2, 3 noch zwei Ablehnungsgründe. Dies sind at>f. 2,3. die Fälle, a) daß ein nicht im Schiedsvertrage ernannter Schiedsrichter die Er­ füllung seiner Pflichten ungebührlich verzögert. Die Säumnis eines im Schieds­ vertrage ernannten Schiedsrichters führt nach § 1033 die Aushebung des Vertrages herbei. Von Verzögerung kann naturgemäß nur nach erfolgter Annahme des Auf­ trages die Rede sein. Ob eine ungebührliche Zögerung vorliegt, ist Tatfrage. b) daß Personen int Sinne des Abs. 3, die auch zum Staatsrichteramt un­ fähig sein würden (vgl. GBG. § 2; PrAG. dazu §§ 1—6), zu Schiedsrichtern ernannt sind. Eine Bestrafung ohne Aberkennung der Ehrenrechte (vgl. StrGB. §§ 33, 34) kann immerhin zur Ablehnung nach Abs. 1 berechtigen (vgl. OLG. Ham­ burg SeuffA. 40 S. 252). Als Ausnahmevorschrist ist der Abs. 3 nicht ausdehnend zu deuten. III. Für das Ablehnungsverfahren muß, da die §§ 44ff. nicht ohne B-rs-h«». weiteres anwendbar erscheinen, auf die zerstreute» Vorschriften der §§ 1037, 1041, 1042, 1045 und 1046 zurückgegangen werden. Danach hat das Schiedsgericht, vor dem ein Schiedsrichter abgelehnt wird, die Wahl, ob es das Verfahren bis zum Austrage der Ablehnung (§ 1045) aussetzen oder bis zum Schiedssprüche fortführen will (§ 1037). Die ablehnende Partei darf ihr Recht durch Ablehnungsgesuch (§ 1045) oder, falls der Schiedsspruch schon ergangen ist, durch Klage auf Aufhebung desselben (§ 1041) oder durch Einrede gegen die gegnerische Klage auf Erlaß des Vollstreckungsurteils (§ 1042 Abs. 2) geltend machen. Der Gegenpartei steht es frei, der Ablehnung mit einer Klage auf Fest­ stellung der Unzulässigkeit einer solchen zuvorzukommen. Die Entscheidung über alle diese Rechtsbehelfe erging früher im Prozeßwege (vgl. RG. 13 S. 351); nach dem § 1045 erfolgt sie jetzt durch Beschluß. — Daneben läßt sich eine Erledigung der Ab­ lehnung ohne Entscheidung denken, namentlich durch Vereinbarung der Parteien oder durch freiwilligen Rücktritt des abgelehnten Schiedsrichters (§ 1033), worüber sich

822

X. Buch.

Schiedsrichterliches Verfahren §§ 1033, 1034.

§ 1033. (859.) Der Schiedsvertrag tritt außer Grast, sofern nicht für den betreffenden Fall durch eine Vereinbarung der Parteien Vorsorge getroffen ist: 1. wenn bestimmte Personen in dem Vertrage zu Schiedsrichtern ernannt fmd und ein Schiedsrichter stirbt oder aus einem anderen Grunde weg­ fällt oder die Übernahme des Schiedsrichteramts verweigert oder von

dem mit ihm geschloffenen Vertrage ^urücktritt oder die Erfüllung seiner Pflichten ungebührlich verzögert; 2. wenn die Schiedsrichter den Parteien anreigen, daß unter ihnen Stimmen­ gleichheit stch ergeben habe. § 1034. (860.) Die Schiedsrichter haben vor Erlaffung des Schiedsspruchs die Parteien pt hören und das dem Streite ;u Grunde liegende Sachverhältnis ;u ermitteln, soweit ste die Ermittlung für erforderlich erachten. Ln Ermangelung einer Vereinbarung der Parteien über das Verfahren

wird dasselbe von den Schiedsrichtern nach freiem Ermessen bestimmt. die Parteien einen urkundlichen Nachweis zu sichern haben werden. Führt die Ab­ lehnung zum Weg falle des Abgelehnten, so kommt entweder § 1031 oder 1033 zur Anwendung.

Erlöschen deZ Schiede» »ertragtä.

§ 1033.

I a) Der Schiedsvertrag soll, sofern dann nicht anderweit Borsorge ge­ troffen ist, außer Kraft treten: 1 . Wenn darin oder in einem Zusatze (vgl. RG. IW. 92 S. 96) bestimmte Personen zu Schiedsrichtern ernannt sind und auch nur eine derselben wegfällt. Der Grund dieser Vorschrift ist bereits zu § 1031 dargelegt. Von den im Gesetze bezeichneten Einzelfällen beziehen sich die drei ersten (Tod, sonstiger Wegfall, Weige­ rung) auf den § 1031, der letzte (Verzögerung) auf den § 1032 Abs. 2, der mittlere (Rücktritt) auf den Fall eines receptum. Bei Weigerung und Rücktritt kommt es nur auf das Vorliegen der bezüglichen Handlung, nicht auf deren Berechtigung an. Als Rücktritt kann auch die Weigerung, den gefällten Schiedsspruch zu unterzeichnen, gelten (vgl. RG. 18 S. 369 und IW. 93 @. 200). 2 Wenn die Schiedsrichter, gleichviel ob sie im Schiedsvertrag oder später er­ nannt sind, den Parteien anzeigen, daß unter ihnen Stimmengleichheit sich ergeben habe. Aus dieser Vorschrift folgt stillschweigend, daß den Schiedsrichtern mangels bezüglicher Parteivereinbarung die Befugnis zur Erwählung eines Obmannes nicht zusteht (vgl. RG. IW. 92 S. 96). Die Nr. 2 trifft alle Fälle, in denen eine absolute Stimmenmehrheit (§ 1038) nicht zu erzielen ist. b) Entsteht über das Erlöschen des Schiedsvertrages Streit, so muß solcher vor den Staatsgerichten gemäß § 1045 ausgetragen werden. II Neben § 1033 sind Tod und Konkurs einer Partei als Erlöschungsgründe für den Schiedsvertrag nicht vorgesehen (vgl. Begr. 475, RG. 62 S. 24). Doch steht es den Parteien frei, das Gegenteil zu vereinbaren. Ein Anerkenntnis des streitigen Anspruchs erledigt den Schiedsvertrag nicht von selbst. Vielmehr hat das Schiedsgericht unter Berücksichtigung dieser Tatsache den Spruch abzugeben (vgl. RG. IW. 91 S. 272).

88 1034—1037. Bornole.

Verfahren bis zum Schiedssprüche.

In der Erwägung, daß es den Parteien beim Schiedssprüche nur auf eine güt­ liche Vermittlung ihres Streites nach gewiffenhafter Überzeugung der Schiedsrichter

§ 1035. (861.) Dit Schiedsrichter können Beugen und Sachverständige vernehmen, weiche freiwillig vor ihnen erscheinen. Bur Beeidigung eines Beugen oder eines Sachverständigen und zur Ab­ nahme eines Parteieides sind die Schiedsrichter nicht befugt. ankomme (vgl. Begr. 476, 477), bindet die ZPO. die Schiedsrichter nicht durch die Vorschriften des Zivilrechts und des Zivilprozesies. Sie überläßt vielmehr das Verfahren vor und bei Erlassung des Schiedsspruches grundsätzlich der freien Bestimmung des Schiedsgerichts mit Ausnahme gewiffer Punkte (§§ 1034ff.). Ebenso räumt sie für die Sachentscheidung dem Schiedsgericht freies Ermessen ein (§ 1041 Nr. 2), dergestalt, daß es nicht an die Regeln des materiellen Rechts gebunden ist, sondern nach der Billigkeit entscheiden darf. Deshalb ist auch bei Schieds­ richtern eine besondere Sachkunde betreffs der konkreten Streitfrage nicht vorauszusetzen (vgl. RG. 26 S. 371, 29 S. 389 und IW. 91 S. 272). Immerhin kommt es darauf an, daß von den Parteien nicht Abweichendes vereinbart ist. Dies kann auf prozessualem und auf materiellem Gebiet geschehen, wie die Vorschriften der §§ 1034, 1038 und 1041 erkennen lassen, so daß den Schieds­ richtern auch das Verfahren der ZPO. ganz oder teilweise vorgeschrieben werden darf. Hieran sind diese dann gebunden. Als Korrektiv gegen Verletzung dieser Rechtsstellung stehen den Parteien nur die Rechtsbehelfe aus §§ 1041, 1042 Abs. 2 offen. Eine auf Zulässigkeit der ordentlichen Rechtsmittel gerichtete Parteivereinbarung würde an sich nichtig sein, aber auch die Ungültigkeit des ganzen Schiedsvertrages herbeiführen können (vgl. Begr. 476, RG. 13 S. 430, 17 S. 434).

§ 1034.

Gehörgebunz, ErNach § 1034 Abs. 1 haben die Schiedsrichter vor Erlassung des Schiedsspruchs mi,tlunaf,|L a) den Parteien rechtliches Gehör zu geben, ab|"L b) den streitigen Sachverhalt zu ermitteln, soweit sie die Ermittlung für er­ forderlich halten.

Zu a handelt es sich um eine unerläßliche Grundform jedes Prozeffes, deren Verletzung daher nach § 1041 Nr. 4 die Aufhebung des Schiedsvertrages nach sich zieht. Die Anhörung muß in jedem Falle den Parteien Gelegenheit bieten, den Streitstoff dem Schiedsgericht vorzutragen (§§ 280 ff); sonst steht deren Form, im Mangel bezüglicher Parteivereinbarung (Abs. 2), im Ermessen des Schiedsgerichts, so daß dieses eine Aufforderung zu schriftlicher Erklärung oder eine Ladung zu münd­ licher Verhandlung veranlassen kann. Zwangsmaßregeln liegen dabei außer Befugnis der Schiedsrichter als Privat­ richter; sie können weder Arreste oder einstweilige Verfügungen anordnen, noch Rechts­ nachteile androhen, noch Bersäumnisurteile erlassen, noch die vorläufige Vollstreckbar­ keit aussprechen (§ 1036). Die Säumnis der Parteien kann auf die Tatüberzeugung des Schiedsgerichts Einfluß üben, ist aber sonst ohne Belang (vgl. RG. 23 S. 434, 29 S. 389, Gruchot 31 S. 451, IW. 88 S. 409).

Zu b hat das Schiedsgericht frei zu ermessen, über welches Parteivorbringen Ermittlungen anzustellen sind, ohne daß das Ermessen den Bestand des Schiedsver­ trages berührt (§§ 1036, 1041). Soweit es aber eine Ermittlung als erforderlich hinstellt, muß es solche auch veranlassen, um eine sichere Tatgrundlage zu gewinnen; jedoch kann es dies, mangels bezüglicher Parteivereinbarung, in beliebiger Form, also auch durch Beweisbeschluß tun (§ 359), nur mit den aus §§ 1035, 1036 sich er­ gebenden Schranken.

$itf. 2.

K 1036. (862.) Eine von den Schiedsrichtern für erforderlich erachtete richterliche Handlung, zu deren Vornahme dieselben nicht befugt sind, ist auf Antrag einer Partei, sofern der Antrag für rulässig erachtet wird, von dem zuständigen Gerichte vorzunehmen. Dem Gerichte, welches die Vernehmung oder Beeidigung eines Zeugen oder eines Sachverständigen angeordnet hat, stehen auch die Entscheidungen zu, welche im Falle der Verweigerung des Zeugnisses oder -es Gutachtens erforderlich werden. § 1037. (863.) Die Schiedsrichter können das Verfahren fortsetzen und den Schiedsspruch erlassen, auch wenn die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens behauptet, insbesondere wenn geltend gemacht wird, dasi ein rechts­ gültiger Schiedsvertrag nicht bestehe, daß der Schiedsvertrag sich auf den zn entscheidenden Streit nicht beziehe oder daß ein Schiedsrichter zn den schieds­ richterlichen Verrichtungen nicht befugt sei. Lchranlcn.

§§ 1035—1037.

Die in §§ 1035, 1036 dem Schiedsgericht gezogenen Schranken beruhen darauf, daß es sich um Akte handelt, die allein dem Hoheitsrecht des Staats zukommen. § 1035. I. Nach § 1035 darf das Schiedsgericht Zeugen und Sachverständige ver­ nehmen, aber nur freiwillig erscheinende und ohne Beeidigung, so daß eine förmliche Ladung und eine Beeidigung ohne Rechtswirkung ist. Die Vernehmung trägt einen rein informatorischen Charakter. Auch die Abnahme von Parteieiden steht dem Schiedsgericht nicht zu. § 1036. II. a) Für alle richterlichen Akte, die vom Schiedsgericht erfordert werden, aber «bl. i. ihm nicht zustehen, verweist § 1036 die Parteien darauf, deren Erledigung bei den zuständigen Staatsgerichten zu erwirken. Dies muß auch für andere, als die in §§ 1035, 1036 Abs. 2 bezeichneten Handlungen gelten; so für öffentliche und Zu­ stellungen im Auslande, für Vorlegung von Urkunden, Augenscheinseinnahme, Schristvergleichung usw. b) Dar Einschreiten der Staatsgerichte setzt (§ 1036 Abs. 1) voraus, daß die Handlungen zulässig sind, und dies macht eine Vorentscheidung des angegangenen Staatsgerichts hierüber erforderlich. Eine Regelung dieses Verfahrens war früher im Gesetze zu vermissen. Manche Schriftsteller nahmen an, daß es sich um eine urteilsähnliche Entscheidung gemäß § 128 handle, solche daher vorgängige mündliche Verhandlung erfordere, als Endurteil zu erlassen und durch die gewöhnlichen Rechtsmittel anfechtbar sei. Andere erblickten in der Entscheidung einen Rechtshilfeakt, erheischten deshalb für sie nur fakultative münd­ liche Verhandlung und Beschlußsorm, und ließen die Anfechtung im Beschwerdewege zu. Noch andere konstruierten einen prozessualen Zwischenstreit, setzten obligatorische mündliche Verhandlung voraus, und wollten die Entscheidung in Form eines unan­ fechtbarm Beschlusses ergehen lassen. Die N ov. v. 98 geht aber ersichtlich davon aus, daß ein eigenartiger, nämlich inmitten des schiedsrichterlichen Verfahrens auf Erwirkung einer staatsgerichtlichen prozessualen Anordnung (vgl. GKG. § 34 Nr. 2) gerichteter Akt in Frage steht. Die Zuständigkeit, über die bisher Streit herrschte, ist von der Nov. v. 98 in § 1045 geregelt. Der zu stellende Antrag (§ 1036) richtet sich formell nach den Vorschriften der §§ 78, 79 und ist durch Vorlegung des schiedsrichterlichen Beweisbeschluffes zu begründen. Mündliche Verhandlung ist nach § 1045 nicht geboten, daher dem Ermessen des Gerichts überlassen; doch muß der Gegner gehört werden. Dementsprechend ergeht die Entscheidung des Gerichts durch Beschluß.

X. Buch.

Schiedsrichterliches Verfahren § 1038.

825

§ 1038. (864.) M der Zchiedsspruch von mehreren Schiedsrichtern ;u er­ lassen, so ist die absolute Mehrheit der Stimmen entscheidend, sofern nicht der Schiedsvertrag ein anderes bestimmt. Gegen Zurückweisung des Antrages findet Beschwerde statt (§ 1045). Ist der An­ trag zulässig, so wird die Vornahme der erforderlichen Handlung vor dem Beschluß­ gericht selbst oder vor einem beauftragten oder ersuchten Richter angeordnet und im Amisbetriebe erledigt. Daß dabei dem Gericht gegen Zeugen und Sachver­ ständige die Zwangsbefugnisse aus §§ 380, 387, 402 zustehen, ist, obwohl selbstverständlich, in § 1036 noch besonders vorgesehen. Handelt es sich um Ab­ nahme von Parteieiden, so ist lediglich protokollarisch zu konstatieren, ob der Schwurpflichtige erschienen ist und den Eid geleistet hat. — Die Akten über die vorgenommene richterliche Handlung bleiben dem Gericht. Den Parteien steht es aber frei, Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften daraus sich erteilen zu lassen.

Abs. 2.

III. a) Der § 1037 setzt voraus, daß vor dem Schiedsgericht von einer Partei z 1037. die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens eingewendet wird. Es handelt sich dabei nicht um Prozedurverstöße des Schiedsgerichts, sondern um die Unzulässigkeit der schiedsrichterlichen Entscheidung überhaupt (§ 1025), also um die Antastung der Grundlage des Verfahrens. Ties ergeben die Begr. (S. 479), der Wortlaut und die Beispiele des § 1037, sowie die Gegenüberstellung jener Punkte in §§ 1041 und 1046 (vgl. RG. 13 S. 350). Insbesondere kann geltend gemacht werden, daß der Schiedsvertrag überhaupt nicht oder doch formell oder materiell unwirksanl geschlossen oder hinterher erloschen sei, oder daß von den ernannten Schieds­ richtern einer oder mehrere zu diesem Amte wegen mangelnder oder unwirksamer Er­ nennung oder wegen erfolgreicher Ablehnung nicht befugt seien. b) Für solche Fälle ist eine gesetzliche Hemmung des Verfahrens nicht vorgesehen, vielmehr es dem Ermessen des Schiedsgerichts überlasien, ob das Verfahren auf Grund der Einwendung auszusetzen oder trotz derselben bis zum Schiedssprüche sortzusetzen sei. Der Gesetzgeber hat erwogen, daß, wenngleich das Schiedsgericht zur Entscheidung über die Einwendung nicht berufen sei, doch einer etwaigen Berschleppungsabsicht der Parteien vorgebeugt werden müsse, und daß auch die Fortsetzung des schiedsrichterlichen Verfahrens der einredenden Partei nicht schaden könne, da ihr gegen den etwa erlassenen Schiedsspruch die Rechtsbehelfe der §§ 1041, 1042 Abs. 2 zu­ ständen (Begr. 478). Bei dem Ermessen wird das Schiedsgericht sich von den Umständen leiten lassen und die Aussetzung insbesondere dann anordnen, wenn die Zulässigkeit des Ver­ fahrens bedenklich oder eine baldige gerichtliche Entscheidung darüber zu erwarten ist. Die Aussetzung hat durch Beschluß zu erfolgen, während die Fortsetzung auch still­ schweigend geschehen kann (vgl. RG. 13 S. 349, IW. 91 S. 132, 92 S. 219).

88 1038, 1039.

Schieds­ spruch.

Für das Verfahren bei Fällung und Erlassung des Schiedsspruches sind in §§ 1038, 1039 gewisse Vorschriften gegeben, deren Nichtbeachtung jedoch nach §§ 1033, 1041 unter ungleiche Rechtsfolgen gestellt ist.

8 1038. Für das Zustandekommen des Schiedsspruchs ist bei Mitwirkung mehrerer Schiedsrichter nach dem Gesetz die absolute Mehrheit der Stimmen entscheidend (vgl GVG. § 198); die Parteien können jedoch eine relative (mindere oder größere) Mehrheit, ja selbst die Einhelligkeit der Stimmen vorschreiben.

Fällung.

X. Buch.

826

Schiedsrichterliches Verfahren §§ 1039, 1040.

§ 1039. (865.) Der Schiedsspruch ist unter Angabe des Tages der Ab­ fassung von den Schiedsrichtern ?u unterschreiben, den Parteien in einer von den Schiedsrichtern unterschriebemn Ausfertigung zupistellen und unter Bei­ fügung -er Deurkundung der Zustellung auf der Gerichtsschreiberei des zu­ ständigen Gerichts niederrulegen. § 1040. (866.) Der Schiedsspruch hat unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Arteils. Die Nichterzielung der notwendigen Mehrheit hat nach § 1033 Nr. 2 die Folge, daß der Schiedsvertrag außer Kraft tritt.

§ 1039.

Grlafiung.

I

Bei Erlassung des Schiedsspruches kommt es der ZPO. wesentlich darauf an, dessen Authentizität zu sichern und die Beendigung des Verfahrens zu konstatieren (Begr. 478, vgl. RG. IW. 96 S. 659). Diesem Zwecke dienen folgende Vorschriften in § 1039: a) Zur Perfektion des Schiedsspruches ist schriftliche Abfassung (mit Gründen, § 10416) und Unterschreibung durch sämtliche Schiedsrichter erforder­ lich. Die Unterschrift von Schreibensunfähigen wird sich durch Beglaubigung ihrer Handzeichen ergänzen lassen. Solange es an der Gesamtunterzeichnung fehlt, liegt noch kein Schiedsspruch vor. Dessen Verkündung ist nicht unzulässig, aber wirkungslos. b) Ebenso wesentlich ist die Zustellung einer Ausfertigung an jede Partei (vgl. RG. 38 S. 394). Die Ausfertigung wird durch Abschrift des vollen Schieds­ spruches mit Ausfertigungsklausel gebildet, und von ihrer Unterschreibung gilt dasselbe, wie von der Urschrift. Die Zustellung erfolgt nicht im Parteibetriebe, sondern auf Betreiben des Schiedsgerichts, welches dabei nach § 1034 Abs. 2 an die Regeln der §§ 166 ff. nicht gebunden ist (vgl. RG. Gruchot 37 S. 767). Endlich ist die Urschrift des Schiedsspruches nebst den Zustellungsurkunden vom Schiedsgericht auf der Gerichtsschreiberei des zuständigen Gerichts (§ 1046) zur Verwahrung niederzulegen. Dies kann jederzeit (vgl. RG. Gruchot 39 S. 157 und 1178, IW. 95 S. 225), schriftlich oder mündlich, auch durch einen von mehreren Schiedsrichtern geschehen (vgl. RG. 49 S. 409, 51 S. 406). n. Obige Erfordernisse bilden, weil im Interesse der öffentlichen Rechtsordnung vorgeschrieben, die für die Erlaffung des Vollstreckungsurteils (§ 1042) zwingende Grundlage, und ihr Fehlen begründet die Aufhebungsklage (§ 1041, vgl. RG. 68 S. 184). Sie können daher nicht durch Parteivereinbarung geändert oder be­ seitigt werden, und unterfallen der Amtsberücksichtigung (vgl. RG. 5 S. 397, 13 S. 431, 18 S. 370, 23 S. 432, 37 S. 412, Gruchot 30 S. 1187, 31 S. 451, 32 S. 434, IW. 88 S. 119, 89 S. 84, 169, 170). III Inhaltlich ist im Schiedsspruch über Hauptsache und Kosten des Verfahrens zu erkennen. Ein Schiedsspruch, der sich inhaltlich darauf beschränkt, die Erlaffung eines solchen abzulehnen, entbehrt der Wirkung aus § 1040 (vgl. RG. 52 S. 283). Zur Herbeiführung der Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs muß aber noch erst ein staatliches Vollstreckungsurteil erwirkt werden (§ 1042). Betreffs des Kosten­ punkts vgl. RG. Gruchot 30 S. 1189, Delius dort 39 S. 381, Cohn dort 40 S. 584. Wirkung des Schiedripruchr.

8 °

1040.

Der § 1040 legt dem Schiedssprüche die Wirkung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils bei (vgl. IW. 07 S. 748 sUnzulässigkeit eines Schieds­ vertrages, welcher die Unterwerfung unter den Schiedsspruch in das Belieben der

(867.) Die Aufhebung -es Schiedsspruchs kann beantragt werden: wenn das Verfahren impiläflig war; wenn der Schiedsspruch eine Partei pr einer Handlung verurteilt, deren Vornahme verboten ist; 3. wenn die Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die pro;eßführung ausdrücklich oder still­ schweigend genehmigt hat; 4. wenn der Partei in dem Verfahren das rechtliche Gehör nicht ge­ währt war; 5. wenn der Schiedsspruch nicht mit Gründen versehen ist; 6. wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter welchen in den Fällen der Mr. 1—6 des § 580 die Vestitntionsklage stattfindet. Die Aufhebung des Schiedsspruchs findet aus den unter Mr. 4,5 erwähnten Gründen nicht statt, wenn die Parteien ein anderes vereinbart haben. § 1041.

1. 2.

Parteien stellt)). Dies gilt jedoch subjektiv nur für die Parteien selbst. Die private Natur des Verfahrens läßt eine Erstreckung der Rechtskraft auf Dritte nicht zu. Übrigens beginnt letztere naturgemäß mit der Zustellung an die Parteien (§ 1039). Einer weiteren Beschränkung unterliegt objektiv der Umfang der Rechtskraft. In formeller Hinsicht (8 705) bedarf der Schiedsspruch, um einen zulässigen Voll­ streckungstitel abzugeben, erst noch der Erwirkung eines diese Folge aussprechenden staatsgerichtlichen (Vollstreckungs-Mrteils (§ 1042). Nur materiell erledigt er den Rechtsstreit und erzeugt die Einrede der rechtskräftig entschiedenen Sache. Seine Be­ seitigung ist nur im Wege der Klage aus § 1041 oder der Einrede aus § 1042 zu­ lässig, eine Anfechtung durch die Rechtsmittel des staatsgerichtlichen Prozesses schlechthin ausgeschlossen; eine entgegenstehende Parteivereinbarnng bleibt wirkungslos (vgl. RG. 17 S. 435). Wohl aber steht den Parteien nach dem Grundsätze des § 1034 Abs. 2 die Vereinbarung eines mehrfachen Jnstanzenzuges im schiedsrichterlichen Ver­ fahren selbst frei.

88 1041—1044.

Rechtsbehelfe für und wider den Schiedsspruch.

Die Wirkung des Schiedsspruches zeigt sich nach 88 1040, 1042 darin, daß er die materiell rechtskräftige Entscheidung des Rechtsstreits und die Grundlage für eine die formelle Rechtskraft zulassende Entscheidung des Staatsgerichts abgibt. Mit Bezug auf diese Wirkung werden den Parteien in den 88 1041—1044 mehrere Rechtsbehelfe für und wider den Schiedsspruch eröffnet: nämlich 1. in 88 1041, 1043, 1044 eine Klage auf Aufhebung des Schiedsspruches, 2. in 8 1042 eine Klage auf Erlaffung des Vollstreckungsurteils (Abs. 1) und ein gegen diese Klage gerichteter, in der Tendenz mit 8 1041 überein­ stimmender Einwand (Abs. 2). Als Schiedsspruch gilt nur eine den Streit erledigende Entscheidung, nicht eine dem § 303 entsprechende (RG. 69 S. 52).

Kornett,

8 1041.

Klage wegen Qlinbtbunü

I. Die Klage aus 8 1041 ist der Nichtigkeits- und Restitutionsklagede« Schievs(88 579, 580) nachgebildet, nur daß die Klagegründe noch erweitert sind. Eine analoge Ausdehnung der letzteren verbietet sich angesichts des Ausnahmecharakters der Mb ’ *L

Klage.

828

X. Buch.

Schiedsrichterliches Verfahren § 1042.

8 1042. (868.) Aus Lem Schiedssprüche findet die Zwangsvollstrelilnng nur statt, wem: ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist. Die Nr. 1 betrifft die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens. Ob hierunter neben der Unstatthaftigkeit des Verfahrens überhaupt auch die Ver­ letzung wesentlicher Prozedurvorschriften in dem Verfahren zu verstehen, ist streitig. Für die Beschränkung spricht der Wortlaut der Nr. 1 in Verbindung mit § 1037 und der Umstand, daß in den Nr. 2—5 Prozedurverstöße behandelt sind; die Praxis indes (vgl. RG. 24 S. 397, 404) leitet aus der Entstehungsgeschichte der Nr. 1 die Ausdehnung auf Verletzung wesentlicher und von den Parteien ausdrücklich vereinbarter Prozedurnormen her (vgl. auch Wach I § 7 VIII 2 b, Hellmann § 179 c, die Kommentare). Im übrigen sind aus der reichhaltigen Praxis folgende Spruchfälle hervorzuheben: RG. 8 S. 379 (Erstreckung des Schiedsspruchs auf nicht vereinbarte Fragen), 13 S. 350 (Entscheidung über Voraussetzungen des schiedsrichterlichen Verfahrens), 27 S. 381 (Schiedsgerichtsklausel bei Differenzgeschäft), 38 S. 394 (Neuverhandlung nach nicht zugestelltem Schiedssprüche), 38 S. 410 (Uneinigkeit der Schiedsrichter), 41 S. 396 (Fortsetzung des schiedsrichterlichen Verfahrens nach Aufhebung des er­ lassenen Schiedsspruchs), 43 S. 408 (Voraussetzung, daß der Differenzeinwand schon im schiedsgerichtl. Verfahren erhoben wird), 44 S. 391 (Ablehnungsrecht), IW. 92 S. 273 (Mehrheit trennbarer Streitpunkte). Nr. 2. Die Nr. 2 betrifft den Fall, daß int Schiedsspruch eine Partei zu einer ver­ botenen Handlung verurteilt ist. Hierunter ist nicht nur eine straf- oder zivil­ rechtlich verbotene, sondern auch eine prozessualisch nicht erzwingbare zu verstehen, da die Nr. 2 ersichtlich dem alten § 661 Nr. 2 nachgebildet und die in der RIK. mit diesem vorgenommene redaktionelle Änderung nur aus Versehen nicht auf § 1041 übertragen ist (vgl. Begr. 479, RG. 26 S. 376, 57 S. 334 und IW. 86 S. 113; a. M. v. Wilmowski-Lcvy). Nr. 3. Die Nr. 3 hat, entsprechend den §§ 551 Nr. 5 und 579 Nr. 4, den Fall der nichtgesetzmäßigen Parteivertretung im Auge (vgl. §§ 51, 56, 80, 88). Dir. 4, s. Die Nr. 4, 5 betreffen Verstöße gegen die in §§ 1034 und 551 Nr. 7 be­ stimmten Prozedurregeln. Ob die dem Schiedssprüche beigegebenen Gründe voll­ ständig oder richtig sind, bleibt außer Betracht; aber ein Entscheidungsgrund muß überhaupt erkennbar sein (vgl. RG. 8 S. 342, 23 S. 436, 35 S. 422, 47 S. 425 (Mangel an Gründen und Gehörgebungs, IW. 96 S. 601, Gruchot 40 S. 845, SeuffA. 39 Nr. 76, OLG. Hamburg und Jena SeuffA. S. 383 und 44 S. 126). Nr. e. Die Nr. 6 überträgt die Restitutio ns grün de des § 580 Nr. 1—6. Die Nr. 7 dort ist naturgemäß ausgeschloffen, weil sie, entgegen dem § 1040, eine materielle Nachprüfung des Schiedsspruches voraussetzen würde (vgl. RG. 8 S. 342 und Gruchot 37 S. 767). Nr.

i.

Abi. 2.

- Lcrsahren.

II. Die Klagegründe Nr. 4, 5 dürfen nach Abs. 2 durch Vereinbarung ausgeschlossen werden, was auch von einseitigem Verzichte gelten muß (vgl. RG. IW. 96 S. 337). Bezüglich der übrigen Rechtsgründe ist eine solche Vereinbarung wirkungslos. III. Eine Präklusivfrist ist für die Klage aus § 1041 (anders im Falle des § 1044) nicht vorgesehen. Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 1045. Das Verfahren folgt, da die §§ 588ff. nicht übertragen sind, dem ordentlichen Prozesse. Mit der Klage kann eine solche aus anderweite Entscheidung des Rechtsstreits gehäuft werden, sofern mit Aufhebung des Schiedsspruchs die Wirkung des Schiedsvertrages überhaupt erlischt. Die Abweisung der Aushebungsklage schließt deren Wiederholung auS einem neuen Grunde nicht aus (vgl. RG. 23 S. 432, Gruchot 30 S. 1188, IW. 88 S. 409, 89 S. 527).

X. Buch.

Schiedsrichterliches Verfahren § 1042.

829

Das Vollstreckungsurteil ist nicht ;u ertasten, wenn ein Grund vortiegt, ans weichem die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt werden kann.

I . Nach Abs. 1 erlangt der Schiedsspruch formelle Rechtskraft, d. h. Voll- Ur,eiL streckbarkeit (§ 722), nur dann, wenn deren Zulässigkeit durch Urteil eines Staats- «bi i. gerichts (Vollstreckungsurteil) ausgesprochen ist. Die Klage auf Erlassung des Bollstreckungsurteils ist bei dem nach § 1046 zu­ ständigen Gericht zu erheben, als Judikatsklage zu begründen und im ordentlichen Prozesse zu verhandeln. Das ergehende Vollstreckungsurteil wird systemgemäß (§ 704) mit der Rechtskraft oder durch vorläufige Vollstreckbarkeitserklärung vollstreckbar (vgl. RG. IW. 86 S. 196); es dient außerdem zur Erwirkung eines vollstreckbaren Kostentitels (vgl. RG. 19 S. 408), wie zur Bestätigung und Sicherung des Schieds­ spruches (vgl. RG. 16 S. 420, 46 S. 419 (Teil des Schiedsspruchs), IW. 95 S. 225, 96 S. 685). Ein Bollstreckungsurteil muß auch wegen der Kosten des schiedsgerichtlichen Ver­ fahrens ergehen, deren Betrag vom Schiedsgericht frstzusetzen ist (RG. 59 S. 149). II a) Daß der Schiedsspruch formell perfekt sein muß, und in dieser Beziehung der Amtsberücksichtigung unterliegt, ist schon in Note II zu § 1039 erörtert (vgl. RG. 5 S. 397, 30 S. 369, IW. 89 S. 170).

«6[. 2.

b) Aber auch materiell unterliegt nach Abs. 2 der Schiedsspruch einer ge­ wissen Nachprüfung. Denn er bildet zwar (§ 1040) int allgemeinen die Grundlage für das Vollflreckungsurteil; aber dieses soll nach § 1042 Abs. 2 nicht erlassen werden, wenn ein Grund zur Aufhebung des Schiedsspruchs gemäß § 1041 vorliegt. Zur Anwendung dieses Verbots wird Anlaß, sofern der Beklagte im Wege der Einrede einen Aushebungsgrund geltend macht. Hat er schon die Aufhebungsklage (§ 1041) erhoben, so kann er diesen Umstand als prozeßhindernde Einrede nach § 274 Nr. 4 verwerten (vgl. RG. 40 S. 401 [res judicata]). Er muß aber alle ihm zu Gebote stehenden Aushebungsgründe vorbringen, da durch das rechtskräftige Vollstreckungsurteil die nachträgliche Erhebung anderweiter Gründe, abgesehen von § 1043, abgeschnitten wird. — Ob der Abs. 2 auch von Amts wegen zu berücksichtigen ist, kann nach der Fassung des Gesetzes und der Analogie des § 723 Abs. 2 mit Bezug auf einzelne Aufhebungsgründe fraglich sein. Bei dem Grunde Nr. 2 (Verurteilung zur Vornahme einer verbotenen Handlung) ist man über die Bejahung der Frage einig, da es sich dabei um eine die Rechtsordnung wahrende Norm handelt. Betreffs der übrigen Gründe trifft dieser Gesichtspunkt wohl nur bei Nr. 1 zu, nicht bei Nr. 3—6, insofern für Nr. 3—5 der Parteiverzicht in § 1041 Abs. 2 besonders zugelassen ist (vgl. RG. Gruchot 30 S. 1191, die Kommentare). Die Versagung des Vollstreckungsurteils steht der Wirkung nach der Aufhebung des Schiedsspruches gleich (vgl. RG. SeuffA. 46 S. 253). III. Der § 1042 unterscheidet nicht, ob der Schiedsspruch im In- oder int eimunbif S. 18, Wach § 8 IV, Planck § 7 V, Hauser, Deutsche Gerichtsverfassung (79) S. 62, Hüppner ziv. Arch. 69 S. 434, die Kommentare; aus der Rechtsprechung RG. 5 S. 38, 6 S. 206, 10 S. 306, 11 S. 70, 12 S. 62, 126, 283, 13 S. 156, 17 S. 181, 245, 19 S. 70, 21 S. 102, 22 S. 288, 23 S. 344, 25 S. 330, 27 S. 178, 28 S. 15, 32 S. 347. b) Als ordentliche Gerichte erkennt der § 12 GVG. nebst § 8 EG. dazu die Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte, etwaige Oberste Landesgerichte und das Reichsgericht an. Als besondere Gerichte sind die in § 14 GVG. bezeichneten (zu Nr. 4 vgl. GewGerG. v. 29. 9. 01 und G. betr. die Kaufmannsgerichte v. 6. 7. 04) und die nach § 5 EGzGBG. in Betracht kommenden Gerichte, und zwar als Aus­ nahmegerichte für gewisse Sachen, zugelassen. Anlangend die für die Konsulargerichtsbezirke und die Deutschen Schutzbezirke eingesetzten Gerichte, ist davon auszugehen, daß das GVG. und die übrigen RJG. nach § 1 nur für den Umfang des Deutschen Reichs gelten, und daß , zu diesem jene Bezirke mangels Vereinigung mit demselben nicht gehören. Darum müssen ihre Rechtsverhältnisse für sich beurteilt werden. Immerhin ist in ihrem Be­ reiche die entsprechende Anwendung der RJGesetze vorgesehen; und deshalb lassen sich die in ihnen eingesetzten regelmäßigen Gerichte als ordentliche, wenn auch nur für sie, ansehen. Vgl. Vierhaus Busch 14 S. 206; Wach § 29 I; G. Meyer, staatsrechtliche Stellung der deutschen Schutzgebiete [88] S. 195; die Kommentare. 3 Die Regel des Abs. 1 ist für die darin bezeichneten Zivilprozeffe zwingend; doch ergeben sich gewisse Ausnahmen aus §§ 11, 15 EG. und aus einzelnen Be­ stimmungen der ZPO. (vgl. §§ 801, 871, 1006, 1023, 1024). II. Das Verfahren vor besonderen Gerichten ist an sich der ZPO. nicht «bs.s. unterworfen, und daher der reichs- oder landesgesetzlichen Regelung überlassen. Diese darf dann auch die Anwendung der ZPO. vorsehcn, wie z. B. für das Verfahren vor den Gewerbegrrichten das amtsgerichtliche Verfahren der ZPO. für entsprechend an­ wendbar sein soll. Andrerseits kann nach § 3 EGzGVG. die Landesgesetzgebung für die besonderen Gerichten vorbehaltenen Zivilprozesse die Gerichtsbarkeit den ordentlichen Gerichten übertragen. Tut sie dies, so steht ihr nach dem vorliegenden Abs. 2 frei, dasselbe abweichend von der ZPO. zu regeln (vgl. preuß. AGzZPO. v. 6. 10. 99 §§ 4 ff.), und ebenso nach. § 3 Abs. 1 EGzBGB., die Zuständigkeit abweichend zu normieren.

§ 4.

Rechtsweg für offentl.

Eine reichsgesetzliche Feststellung der Grenzen zwischen Justiz und Verwaltung ist, wie schon zu ß 3 erörtert, bei Beratung der RJGesetze nicht erzielt. Deshalb ist

Korpo. T ' '

unter deren Herrschaft auch die Regelung des Rechtsweges grundsätzlich der Landes­ gesetzgebung verblieben, und nur einzelne Schranken sind derselben durch §§ 9, 13, 17 GVG. nebst § 11 EG. dazu, wie durch §§ 4, 5 des vorliegenden EG. gezogen. Bon letzteren zielt der § 4 darauf ab, der Landesgesetzgebung die Ausschließung, nicht etwa irgendwelche Beschränkung (RG. 55 S. 61) des Rechtsweges zur Be­ günstigung des Fiskus (Reichs- oder Landesfiskus) oder anderer öffentlicher Korporationen abzuschneiden. Dabei wird es wesentlich darauf ankommen, ob 53*

836

Eins.-Ges. zur Zivilprozeßordnung § S.

§ 5. In Ansehung Ler Landesherren und der Mitglieder der landes­ herrlichen Familien sowie der Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohen;ollem finden die Bestimmungen der Zivilprozeßordnung nur insoweit Anwendung, als nicht besondere Vorschriften der Hausverfassungen oder der Landesgesetze ab­ weichende Bestimmungen enthalten. Für vernlögensrechtliche Ansprüche Dritter darf jedoch die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht von der Einwilligung des Landesherrn abhängig gemacht werden. Das gleiche gilt in Ansehung der Mitglieder des vormaligen Hannoverschen Königshauses, des vormaligen Lurhessischen und des vormaligen Herzoglich Nassauischen Fürstenhauses. eine landesgesetztich bestimmte Ausschließung lediglich in Rücksicht auf die fiskalische Parteistellung und ohne objektive Gründe (nach Gegenstand oder Art des Anspruchs) erfolgt ist. Die Entscheidung steht nach § 17 GVG. den Gerichten zu. Praktisch kehrt sich der tz 4 wesentlich gegen gewisse französisch-rechtliche ^Bestimmungen der Reichslande (vgl. Prot. zum GVG. 469 ff., zur ZPO. 749 und von der 173. Sitzung S. 23 ff.; StenReichstagsBer. von 76 (2. LegPer. 4. Sess.) S. 389; RG. ZivS. 17 S. 416, Strass. 15 S. 323). Borbrhalt für Landes«

§ 5.

»emn. 86f. i.

I Abs. 1 trifft, entsprechend den 88 219 Abs. 2, 375 Abs. 2, 479 Abs. 2, 482 Abs. 3 ZPO., eine für das ganze Reich gültige Sondervorschrift bezüglich des zivilprozesfualen Verfahrens zugunsten der deutschen Landesherren, ihrer Familien und der Fürstlichen Familie Hohenzollern (vgl. preuß. G. V. 12. 3. 50 laut Akzessionsvertrag v. 7. 12. 49, GS. 289). — Danach (vgl. § 5 EGzGVG.) sollen auf diese Fürstlichkeiten die Bestimmungen der ZPO. nur insoweit Anwendung finden, als nicht dir Hausverfassungen oder Landesgesetze Abweichendes bestimmen. Unter bett Landesgesetzen sind nach § 12 Rechtsnormen jeder Art, mithin auch das Privatfürsten- und das Gewohnheits­ recht, zu verstehen (vgl. RG. 12 S. 428, 41 S. 387). Dergleichen Abweichungen gelten, obschon sie auf reichsrechtlichem Vorbehalt zugunsten der landesherrlichen Autonomie und des Landesgesetzes beruhen, doch naturgemäß nicht über den betreffenden Bundesstaat hinaus (vgl. Motive zum GVG. 184, die Kommentare, Planck § 12 I1, auch RG. 12 S. 428; a. M. Wach § 24 III und Eccius Gruchot 30 S. 460). Dabei ist aber die Beschränkung vorgesehen, daß die Zulässigkeit des Rechts­ weges für vermögensrechtliche Ansprüche (ZPO. § 21) Dritter an die privilegierten fürstlichen Personen nicht von der landesherrlichen Einwilligung abhängig gemacht werden darf. Diese Schranke ist dadurch veranlaßt, daß nach der bisherigen Gesetzgebung einzelner Bundesstaaten der Rechtsweg für Klagen gegen den Landes­ herrn eingeengt war (vgl. Begr. zum GVG. 210). Künftig kommt derartigen Haus­ oder landesgesetzlichen Einschränkungen des Rechtsweges nur noch insoweit Geltung zu, als es sich um Vermögensansprüche der fürstlichen Personen untereinander handelt. Übrigens sind letztere, sofern sie dem Rechtswege unterliegen, damit noch nicht unbe­ dingt den ordentlichen Gerichten und dem Verfahren der ZPO. unterworfen; vielmehr kommt eS auch hierfür auf die Haus- und Landesgesetze an (vgl. RG. 12 S. 428, preuß. AGzZPO. v. 6. 10. 99 §§ 2, 4). Für den Deutschen Kaiser bedurfte es einer Sondervorschrift im Sinne des Abs. 1 nicht, weil die Kaiserwürde ein Zubehör der danach schon privilegierten Krone Preußen ist (RBerf. Art. 11). n. In dem Abs. 2 ist Abs. 1 auf die Mitglieder der vormaligen Fürstenhäuser

»es. 2.

Eins.-Bes. zur Zivilprozeßordnung. § 6.

837

Mit Zustimmung des Gundesrats kann durch Kaiserliche Verordnung bestimmt werden: 1. daß die Verletzung von Gesehen, obgleich deren Geltungsbereich stch über den Äe;irk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revision nicht begründe; 2. daß die Verletzung von Gesehen, obgleich deren Geltungsbereich sich 8 6.

nicht über den Lestrk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt, die Revision begründe. Die auf Grund der vorstehenden Destimmungen erlaßenen Verordnungm sind dem Reichstage bei dessen nächstem Zusammentreten gut Genehmigung vorzulegen. Dieselben treten, soweit der Reichstag die Genehmigung versagt, für die am Tage -es Reichstagsbeschlusses noch nicht anhängigen Prozesse außer Grast. Die genehmigten Verordnungen können tntr durch Reichsgesetz geändert oder

aufgehoben werden.

a) Verordnung, betreffend die Begründung der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Vom 28. September 1879. (RGBl. S. 299). * § 1. Die Revision kann vorbehaltlich der besonderen Bestimmungen dieser Verordnung auf die Verletzung anderer Gesetze als derjenigen des gemeinen oder französischen Rechts nur gestützt werden, wenn dieselben über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus für den ganzen Umfang mindestens zweier deutscher Bundesstaaten oder zweier Provinzen Preußens oder einer preußischen Provinz und eines anderen Bundesstaats Geltung erlangt haben. g 2. Verletzung der Gesetze des gemeinen Rechts und der Gesetze des französischen Rechts, soweit letztere in anderen deutschen Ländern außer Elsaß-Lothringen Geltung er­ langt haben, begründet die Revision, auch wenn der Geltungsbereich der einzelnen Be­ stimmung sich nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt. | 8. Die Revision kann nicht gestützt werden auf die Verletzung von Gesetzen des Lehnrechts.

ß 4 Die Revision kann nicht gestützt werden auf die Verletzung der französischen Gesetze über das Enregistrement, den Stempel, die Hypotheken-, Transkriptions- und Ge­ richtsschreibereigebühren, sowie ähnliche Gefälle, welche durch die EnregistrementsVer­ waltung zu erheben sind. g 5. (Preußen.) Die Revision kann auf die Verletzung derjenigen in der Mark Brandenburg geltenden Gesetze, welche durch das Publikationspatent vom 5. Februar 1794 als Vorschriften der bisherigen subsidiarischen Rechte aufrecht erhalten sind, nicht gestützt werden. von Hannover, Kurhessen und Nassau ausgedehnt, was dem Art. 57 EGzBGB., dem § 5 EGzGBG. und den §§ 219, 375, 479, 482 ZPO. entspricht, durch G. v. 25. 3. 04 auch auf das Herzoglich Holsteinische Fürstenhaus. § 6 mit Zusätzen.

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I. Der Grundsatz des § 549 ZPO , wonach eine Verletzung von Landesgesetzen die Revision nur dann begründen soll, wenn deren Geltungsbereich über den Bezirl Ko­ des Berufungsgerichts hinausreicht, würde bei strenger Durchführung praktischen Schwierigkeiten begegnen, insbesondere gegenüber solchen Landesrechten, deren geschicht­ liche Entwicklung den Umfang ihres Geltungsbereichs zweifelhaft macht. Deshalb läßt 8 6 eine Modifizierung des 8 549 durch die Reichsgesetzgebung in nachstehender Richtung zu. a) Sachlich sieht Abs. 1 in Nr. 1 eine Einschränkung, in Nr. 2 eine Er- «t>f. l Weiterung der Revisibilität vor. Die Nr. 1 betrifft gewiffe Landes-, Provinzial- und Statutar-Rechte, deren Geltungsbereich sich über den Bezirk eines ObLandGerichts hinaus erstreckt. Die Nr. 2 beruht darauf, daß bei einzelnen, an sich nur in einem ObLandGerBezirke geltenden Landesrechten doch die Zugehörigkeit zu einem todteren Rechte fraglich sein kann (Begr. 320 ff.). Übrigens waren die gesetzgebenden Faktoren

838

Einf^Ges. zur Zivilprozeßordnung § 6.

| 6. (Bayern.) Soweit über die Revision vom Königlich bayerischen obersten Landes­ gerichte zu entscheiden ist, findet die Bestimmung des § 1 nicht Anwendung. Auf die Verletzung von Gesetzen 1. des Koburger Landrechts, 2. des Rechts des Bistums Fulda, 3. des Gräflich Erbachschen Landrechts, 4. des Rechts der Grafschaft Solms, ö. des Rechts des Fürstentums Löwenstein kann die Revision nicht gestützt werden. 8 7. (Baden.) Die Revision wird begründet durch Verletzung des badischen Land­ rechts, einschließlich der Zusatzartikel, der beiden Einführungsedikte vom 3. Februar und 22. Dezember 1809 und der unter XVIII des ersteren Einführungsedikts neben dem Land­ recht aufrecht erhaltenen Vorschriften des bürgerlichen Rechts, sowie durch Verletzung derjenigen gesetzlichen Vorschriften, welche bestimmte Vor­ schriften der vorgedachten Gesetze ausdrücklich erläutern, ausdehnen, beschränken, aufheben oder ersetzen, endlich, soweit nicht schon die vorstehenden Bestimmungen Anwendung finden, durch Verletzung folgender Großherzoglich badischer Gesetze: 1. des Gesetzes vom 6. März 1845, betreffend die privatrechtlichen Folgen von Ver­ brechen, 2. der Artikel 2, 3, 5—8 des Gesetzes vom 6. August 1862, betreffend die Einführung des Deutschen Handelsgesetzbuchs, 3. des Gesetzes vom 9. Dezember 1875 zum Vollzug des Reichs-Personenstandsgesetzes, 4. der Artikel 3, 4, 6—11, 84, 92 des Gesetzes vom 25. August 1876, betreffend die Benutzung und Instandhaltung der Gewässer, 5. des Gesetzes vom 6. Februar 1879, betreffend die Verwaltung der freiwilligen Ge­ richtsbarkeit und des Notariats. Die vorstehenden Bestimmungen finden nicht Anwendung, soweit die bezeichneten Gesetze am 1. Oktober 1879 außer Kraft getreten sind. 8 8. (Hessen.) Die Revision wird begründet durch Verletzung der folgenden Groß­ herzoglich hessischen Gesetze: 1. der Verordnung vom 28. August 1827, die vormundschaftlichen Verhältnisse in der Provinz Rheinhessen betreffend; 2. der Artikel 9 11 des Gesetzes vom 17. September 1841, betreffend Einführung des Strafgesetzbuchs und des § 9 des Gesetzes vom 30. September 1870, betreffend Ein­ führung des Reichs-Strafgesetzbuchs; 3. des Gesetzes vorn 6. Juni 1849, betreffend die Vereinfachung des Verfahrens bei der Eröffnung von Erbschaften, Teilungen, Versteigerungen, Rangordnnngs- und Distributionssachen in Rheinhessen. 8 9. (Oldenburg.) Die Revision wird begründet durch Verletzung der folgenden Großherzoglich oldenburgischen Gesetze: 1 . des revidierten Staatsgrundgesetzes vom 22. November 1852; 2 . des revidierten Zivilstaatsdienergesetzes vom 28. März 1867; 3 . des für das Herzogtum Oldenburg erlassenen Gesetzes vom 3. April 1876, betreffend Eigentumserwerb an Grundstücken und deren dingliche Belastung, sowie der für dasselbe Gebiet erlassenen Grundbuchordnung von demselben Tage. 8 10. (Braunschweig.) Die Revision wird begründet durch Verletzung des Herzog­ lich braunschweigischen Gesetzes vom 8. März 1878, betreffend den Eigentumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten und der Grundbuchordnung von demselben Tage. 8 11. (Hamburg.) Die Revision wird begründet durch Verletzung der §§ 30, 41 und 54 des hamburgischen Einführungsgesetzes zum Deutschen Handelsgesetzbuche vom 22. Dezember 1865. 8 12. (Elsaß-Lothringen.) Die Revision wird begründet durch Verletzung der nach­ folgenden in Elsaß-Lothringen geltenden Gesetze: 1. des Gesetzes vom 14. Juli 1819 über Aufhebung des droit d’aubaine (bulletin des lois VII. sörie Nr. 6986);

Abs. r.

darüber einig, daß die Nr. 1 keinesfalls das gemeine Recht, daS PrALR. und das französische Recht berühren dürfe (Prot. 625 ff., 751 ff.). d) Formell sind solche Modifikattonen nur im Wege der Reichsgesetz­ gebung zulässig. Die Anordnung kann zwar durch Kaiserliche Verordnung mit Zu­ stimmung des Bundesrats erfolgen, bedarf aber der Genehmigung des nächst zufammentretenden Reichstags und tritt, soweit sie nicht genehmigt wird, mit dem Tage

2. des Gesetzes vom 29. April 1845 über Bewässerungen (bulletin des lois IX. Serie Nr. 11951); 3. des Gesetzes vom 11. Juni 1847 über die Bewässerungen (bulletin des lois IX. sSrie Nr. 13645); 4. des Gesetzes vom 10. Juni 1854 sur le libre ecoulement des eaux provenant du drainage (bulletin des lois XL särie Nr. 1555); 5. des Gesetzes vom 23. März 1855 über die Transkription (bulletin des lois XL sörie Nr. 2474); 6. des Berggesetzes vom 16. Dezember 1873 (Gesetzblatt für Elsaß-Lothringen 8. 397). K 13. Gesetz im Sinne dieser Verordnung ist jede Rechtnorm. H) Gesetz, betreffend die Begründung der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Vom 15. März 1881.

(RGBl. S. 38.)

K 1. Den Landesgesetzen, deren Verletzung zufolge der §§ 7—12 der Verordnung vom 28. September 1879 (Reichs-Gesetzbl. 8. 299) die Revision in bürgerlichen Rechts­ streitigkeiten begründet, treten hinzu: 1. das Königlich württembergische Berggesetz vom 7. Oktober 1874 (Regierungsblatt für das Königreich Württemberg 8. 265); 2. das Großherzoglich hessische Berggesetz vom 28. Januar 1876 (Regierungsblatt 8. 73); 3. das Herzoglich braunschweigische Berggesetz vom 15. April 1876 (Gesetz- und Ver­ ordnungs-Sammi. S. 109); 4. das Herzoglich sachsen-meiningensche Berggesetz vom 17. April 1868 (Sammlung der landesherrlichen Verordnungen 8. 49); 5. das Herzoglich sachsen-altenburgische Berggesetz vom 18. April 1872 (Gesetz-Sammi. 8. 29); 6. das Herzoglich sachsen-koburg-gothaische Berggesetz für das Herzogtum Gotha vom 16. August 1868 (Gesetz-Sammi, für das Herzogtum Gotha 8. 975); 7. das Herzoglich anhaitische Berggesetz vom 30. April 1875 (Gesetz-Sammi. Bd. 7 S. 167); 8. das Fürstlich waldeckische Gesetz, die Einführung des preußischen allgemeinen Berggesetzes vom 24. Juni 1865 betreffend, vom 1. Januar 1869 (Regierungs­ blätter 8. 3); 9. das für das Fürstentum Reuß jüngerer Linie erlassene Berggesetz vom 9. Oktober 1870 (Gesetz-Sammi. Bd. XVI 8. 199); ferner: 10. die Großherzoglich oldenburgischen Gesetze für das Fürstentum Lübeck, betreffend den Eigentumserwerb an Grundstücken und deren dingliche Belastung, vom 28. Januar 1879, und betreffend die Grundbuchordnung von demselben Tage (Ge­ setzbl. für das Fürstentum Lübeck Bd. 17, 8. 87, 107); 11. die Herzoglich sachsen-koburg-gothaischen Gesetze, betreffend den Eigentumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Ge­ rechtigkeiten, vom 1. März 1877, und betreffend die Grundbuchordnung, von dem­ selben Tage (Gesetzbl. für das Herzogtum Gotha 8. 9, 23; Gesetzbl. für das Herzog­ tum Koburg 8. 15, 35); endlich: 12. die §§ 29, 30. 33, 40 und 46 des bremischen Einführungsgesetzes zum deutschen Handelsgesetzbuch vom 6. Juni 1864 (Gesetzbl. 8. 43) und der § 21 des bremischen Gesetzes, betreffend die Abänderung des vorgedachten Einführungsgesetzes, vom 4. Juni 1879 (Gesetzbl. 8. 183). H 2. Die vorstehende Bestimmung findet in den zur Zeit des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Sachen keine Anwendung. des bezüglichen definitiven Reichstagsbeschluffes (vgl. Prot. 752) außer Kraft, während sie, soweit genehmigt, nur durch Reichsgesetz geändert oder aufgehoben werden kann. H. In Erledigung des § 6 sind nach obigen Zusätzen erlassen: a) die Kaiserliche Verordnung v. 28. 9. 79, vom Reichstag in der Sitzung v. 10. 4. 80 mit Ausnahme des § 3 genehmigt (Bek. des RKanzlerS v. 11. 4. 80, RGBl. 102), b—d) die RGesetze v. 15. 3. 81, 24. 6. 86, 30. 3. 93. Die Verordnung zu a (vgl. dazu Eccius Gruchot 24 S. 20; Fels, Revisions­ und Sonderrecht 1880; Neuling, Revisible und nicht revisible Rechtsnormen 1880), regelt

Zustr-.

Eins.-Ges. zur Zivilprozeßordnung § 6.

840

c) Gesetz, betreffend die Begründung der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten» Vom 24. Juni 1886. (RGBl. 8. 207.) Den Landesgesetzen, deren Verletzung ungeachtet ihres beschränkten Geltungsbereichs zufolge der Verordnung vom 28. September 1879 (RGBL 8. 299) und des Gesetzes vom 15. März 1881 (RGBl. 8. 38) die Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten begründet, treten hinzu: 1. die Königl. preußische Verordnung, betreffend die Erhebung der Stempelsteuer in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, vom 7. August 1867 (GS. 8. 1277); 2. Artikel 2 des Königlich preußischen Gesetzes, betreffend das Sportel-, Stempel- und. Taxwesen in den hohenzollerschen Landen, vom 22. Juni 1875 (GS. 8. 235). d) Gesetz, betreffend die Begründung der Revision in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Vom 30. März 1893. (RGBl. 8. 139.) l. Den Landesgesetzen, deren Verletzung ungeachtet ihres beschränkten Geltungss zufolge der Verordnung vom 28. September 1879 (RGBl. 8. 299), sowie der Gesetze v. 15. März 1881 (RGBl. 8. 38) und v. 24. Juni 1886 (RGBl. S. 207) die Revision in bürger­ lichen Rechtsstreitigkeiten begründet, treten hinzu: I. Die nachbezeichneten Großherzoglich oldenburgischen Gesetze für das Fürstentum Birkenfeld : 1. das Gesetz über den Eigentumserwerb und die dingliche Belastung der Grund­ stücke und Bergwerke v. 23. Mai 1891 und das Gesetz, betreffend die Grund­ buchordnung, von demselben Tage (Gesetzbl. für das Fürstentum Birkenfeld Bd. 13 S. 61 u. 78), 2. das Berggesetz v. 18. März 1891 (Gesetzbl. für das Fürstentum Birkenfeld Bd. 13 S. 167); II. Die nachbezeichneten Gesetze für Elsaß-Lothringen: 1. das Gesetz, betr. die Haftbarkeit des Mieters oder Pächters für Brandschäden^ v. 7. März 1881 (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen 8. 11), 2. das Gesetz, betr. die Haftung der Brand Versicherungsgelder für die Ansprüche bevorrechteter Gläubiger, v. 4. Juli 1881 (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen 8. 91) mit Ausnahme des § 5 dieses Gesetzes, 3. das Gesetz, betr. Grundeigentum und Hypothekenwesen, sowie die Notariats­ gebühren, v. 24. Juli 1889 (Gesetzbl. für Elsaß-Lothringen 8. 69) mit Ausnahme des 4. Abschnitts dieses Gesetzes, 4. das Gesetz, betr. die Einrichtung von Grundbüchern, v. 22. Juni 1891 (Ge­ setzbl. für Elsaß-Lothringen 8. 41). § 2. Die vorstehende Bestimmung findet in den zur Zeit des Inkrafttretens diesesGesetzes anhängigen Sachen keine Anwendung.

S

in § 1 die Revisibilität des Landesrechts mit Bezug auf dessen Geltungsbereich grund­ sätzlich. 8 2 gestattet die Revision bezüglich des gemeinen und französischen Rechts ohne Rücksicht auf den Geltungsbereich der verletzten Rechtsnorm. Die §§ 4—12 sehen teils Erweiterungen, teils Einschränkungen jenes Grundsatzes hinsichts gewisser Landesgesetze französischen Ursprungs, Preußens, Bayerns, Badens, Hessens, Olden­ burgs, Braunschweigs, Hamburgs und Elsaß-Lothringens vor. Die Gesetze zu b—d lassen die Revision für gewisse an sich dem Erfordernisse deS 8 649 nicht entsprechende Landesgesetze zu. Vgl. hierzu die Note zu 8 549.

«b.

roetftungen oberste geeichte,

88

7-9.

Nach 8 8 EGjGVG. können Bundesstaaten mit mehreren Oberlandesgerichteir die Verhandlung und Entscheidung der sonst zur Zuständigkeit des Reichsgerichts ge­ hörenden Revision und Beschwerde einem Obersten Landesgerichte gesetzlich zuweisen. Bon diesem Vorbehalt hat nur Bayern Gebrauch gemacht sbayr. AGzGVG. Art. 42). Die vorliegenden 88 7—9. von denen 8 7 den 88 17. 18 G. v. 12. 6. 6» über die Errichtung deS ROHG. entspricht, treffen nun Bestimmung darüber, inwie­ weit obige Vorschriften auf das Verfahren nach der ZPO. zurückwirken. Und zwar geschieht dies in 88 7- 8 für die Rechtsmittel der Revision und Beschwerde.

Einf.-Ges. zur Zivilprozeßordnung § 7.

841

§ 7. M in einem Lundesstaat auf Grund der Bestimmung des Cinführungegesetzes ;nm Gerichtsverfastungsgesehe § 8 für bürgerliche Nechtsstreitigkeiten ein oberstes Landesgericht errichtet, so wird das Rechtsmittel der Reoiston bei diesem Gerichte eingelegt. Die Einlegung erfolgt durch Einreichung der Revistonsschrift. Eine Abschrift derselben ist der Gegenpartei von Amts wegen Mustellen. Das oberste Landesgericht entscheidet ohne vorgängige mündliche Verhand­ lung endgültig über die Zuständigkeit für die Verhandlung und Entscheidung der Revision. Erklärt es sich für ^»ständig, so ist der Termin ;ur mündlichen Verhandlung von Amts wegen ;u bestimmen und den Parteien bekannt ;u machen. Erklärt es sich dagegen für unzuständig, weil das Reichsgericht zu­ ständig sei, so sind dem letzteren die Prozeßakten zu übersenden. Die Entscheidung des obersten Landesgerichts über die Zuständigkeit ist auch für das Reichsgericht bindend. Der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Reichsgericht ist von Amts wegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen. Die Fristbestimmungen in § 555 der Zivilprozeßordnung bemessen sich nach dem Zeitpunkte der Dekanntmachnng des Termins zur mündlichen Verhandlung an den Revisionsbeklagten. Die vorstehenden Deftimmungen finden auf das Rechtsmittel der Deschwerde entsprechende Anwendung. in 8 9 für die Bestimmung des zuständigen Gerichts. Mit diesen Sondervorschriften soll sachlichen Kompetenzkonflikten zwischen Reichsgericht und Obersten Landesgerichten vorgebeugt werden.

8 7.

«bs. 1-4.

I a) Die Einlegung der Revision (vgl. Bürck IW. 00 S. 801) erfolgt «euwonnach Abs. 1 beim Obersten Landesgerichte durch Einreichung einer Revisionsschrift (vgl. 8 8), die abschriftlich der Gegenpartei von Amts wegen zuzustellen ist. Eine Einlegung beim Reichsgericht oder durch Zustellung der Revisionsschrift im Parteibetriebe bleibt wirkungslos. Dies muß übrigens auch von dem Anträge auf Wiedereinsetzung gegen die versäumte Revisionsfrist gelten, da dieser nach 8 236 mit der Revisionsschrist zu verbinden ist. Der Gesetzestext, welcher nicht geändert ist, zitiert — jetzt unzutreffend — die alten 88 517, 519.

b) Laut Abs. 2 ist nach Eingang der Revisionsschrift vom Obersten Landes­ gericht eine Vorentscheidung darüber zu treffen, ob die Verhandlung und Ent­ scheidung der Revision (8 8 EGzGBG.) vor ihm selbst oder vor dem Reichsgericht erfolgen soll. Die Vorentscheidung ergeht in beratender Sitzung auf Grund der Prozeß­ akten; und zwar nach der Natur des Prozeffes (vgl. Prot. 635) und bei Häufung von Ansprüchen, die teils dem Obersten Landesgericht, teils dem Reichsgericht unter­ stehen, nach dem höheren Werte (Prot. 635, 636, vgl. G. v. 12. 6. 69 8 14). Die Entscheidung wird in Form eines Bcschluffes erlaffen, der von Amts wegen den Parteien zuzustellen ist (kostenftei, GKG. 8 478). Sie ist endgültig und bindet das Oberste Landesgericht, das Reichsgericht und alle anderen Gerichte. c) Erklärt das Oberste Landesgericht sich selbst für zuständig, so hat eS nach Abs. 2 von Amts wegen den Verhandlungstermin zu bestimmen und den Parteien

842

Einf.-Ges, zur Zivilprozeßordnung §§ 8, 9.

8 8. Der Gestellung eines bei dem obersten Landesgericht oder bei dem Reichsgerichte xugelassenen Rechtsanwalts bedarf es erst, nachdem das oberste Landesgericht über die Zuständigkeit Entscheidung getroffen hat. Für die dieser Entscheidung vorgängigen Handlungen können die Parteien sich auch durch jeden bei einem Land- oder Oberlandesgerichte Mgelaffenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Die Zustellung der Abschrift der Revisionsschrift an den Revistonsbeklagten und die DekMntmachung des Termins pir mündlichen Verhandlung an die Parteien erfolgt, in Gemäßheit des § 179 der Zivilprozeßordnung. 8 9. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts erfolgt, falls es sich um die Zuständigkeit solcher Gerichte handelt, welche verschiedenen Bundesstaaten angehören und nicht im Bezirk eines gemeinschaftlichen Oberlandesgerichts ihren Sitz haben, durch das Reichsgericht auch dann, wenn in einem dieser Bundes­ staaten ein oberstes Landesgericht für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten errichtet ist. bekannt zu machen, was zweckmäßigerweise gleichzeitig mit Zustellung der Vorent­ scheidung geschehen wird. Erklärt es das Reichsgericht für zuständig, so über­ sendet es diesem die Akten, dem dann die gleiche Amtspflicht obliegt. d) In beiden Fällen sollen (Abs. 4) die Fristen der §§ 555, 556 Satz 3 nach dem Zeitpunkt der Bekanntmachung des Verhandlungstermins an den Revisions­ beklagten bemesse» werden. Dabei ist zu bemerken, daß die Nov. v. 98 den alten § 519 (betreffend die Rrvisionsbeantwortung) gestrichen und den alten § 517 (betreffend die Einlassungssrist) durch Bezugnahme auf § 262 modifiziert hat. «bi. r. IL Die Vorschriften der Abs. 1—4 sollen nach Abs. 5 auf die Beschwerde Skschwerde. entsprechende Anwendung finden. Danach kann die Einlegung der Beschwerde gegen ein Oberlandesgericht entweder bei diesem oder beim obersten Landesgericht erfolgen (vgl. §§ 569, 577). Das letztere hat die Vorentscheidung über die Zuständigkeit zu treffen und je nach derselben die Beschwerde selbst zu erledigen oder dem Reichsgericht zur Erledigung zu übersenden. Pro»eibevoll-nichtig»-.

8 8. a) Als Prozeßbevollmächtigter müßte nach § 78 Abs. 1 zunächst ein beim Obersten Landesgericht zugelaffener und eventuell ein beim Reichsgericht zu­ gelassener Rechtsanwalt bestellt werden. Zur Vereinfachung sieht Abs. 1 von ersterer Bestellung ab; die Einlegung des Rechtsmittels kann durch einen bei einem beliebigen deutschen Kollegialgericht 1. oder 2. Instanz zugelassenen Rechtsanwalt erfolgen, und eS bedarf der Bestellung eines beim Obersten Landesgericht, bzw. beim Reichsgericht zugelaffenen Anwalts erst zur Verhandlung des Rechtsmittels (vgl. RG. 28 S. 431). Durch die Nov. v. 05 ist hieran nichts geändert (RG. 65 S. 131). b) Zur Behebung eines Zweifels darüber, an welchen Prozeßbevollmächtigten das Oberste Landesgericht die erforderlichen Amtszustellungen (8 7 Abs. 1—4) zu bewirken hat, ist in Abs. 2 bestimmt, daß dafür der § 179 ZPO. maßgebend sein soll, an dessen Stelle jetzt § 210a der Nov. v. 09 getreten ist.

6 36 8$O.

§ 9. Nach § 36 ZPO. erfolgt die Bestimmung des zuständigen Gerichts, sofern die konkurrierenden Gerichte den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte an­ gehören, durch das Gericht höchster Instanz, d. h. nach dem GBG. durch das Reichs­ gericht. Hierbei beläßt eS der ß 9 auch für den Fall, daß einer der beteiligten Bundes-

8 10. Die Bestimmungen der Zivilproxetzordnung über Las Verfahren in Entmündigungssachen finden auf die Bestellung eines Beistandes für einen Geistesschwachen oder für einen Verschwender, insofern diese Bestellung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts erforderlich ist, entsprechende An­ wendung.

$ 11. Die Landesgesehe können bei Aufgeboten, deren Zulässigkeit tmf landesgesehlichen Vorschriften beruht, die Anwendung der Bestimmungen Ler Zivilprozeßordnung über Las Aufgebotsverfahren ausschließen ober diese Be­ stimmungen dnrch andere Vorschriften ersetzen. 8 12. Gesetz im Linne der Zivllpro;eßordnung und dieses Gesetzes ist sede Rechtsnorm. 8 13. Die projeßrechtlichen Vorschriften der Reichsgesetze werden durch die Ziollprojeßordmlng nicht berührt. Aufgehoben werden: 1. § 2 des Gesetzes, betreffen- die Aufhebung Ler Lchuldhast, vom 29. Mai 1868; 2. Artikel 34-36, 37 Latz.2, 39, 77, 78, 79 Abs. 2, 488, 494, 889 Les Handelsgesetzbuchs; 3. § 6 des Gesetzes, betreffend die Verbindlichkeit ;um Schadensersätze für floaten ein Oberstes Landesgericht hat. Dieses ist daher nur dann zuständig, wenn lediglich Gerichte des gedachten Bundesstaats konkurrieren.

§ 10.

Ent» mündiaungs»ersahre».

§ 10 ist gegenstandslos geworden, seit durch EGzBGB. Art. 55, verbunden mit Art. 211, die beschränkte Entmündigung des französischen Rechts beseitigt ist.

§ 11.

HufgebcH. verfahren.

Wie in der Vornote zu Buch IX ZPO. erwähnt, war für das Aufgebotsverfahren, abgesehen von dem Aufgebot indoffabler Urkunden (§§837—850), ursprünglich der Landes­ gesetzgebung ein weiter Spielraum offen gelassen; und daran knüpfte § 11 EG. noch den Vorbehalt, daß die Landesgesetzgebung in den von ihr zugelaffenen Aufgebotsfällen auch das Aufgebptsverfahren der ZPO., soweit nicht § 849 entgegenstehe, ausschließen oder durch ein anderes ersetzen dürfe. Die N ov. v. 98 hat die Wirksamkeit des § 11 erheblich eingeschränkt. Für die wichtigsten der bis dahin auf Landesgesetz beruhenden Aufgebotsfälle ist das Verfahren nunmehr reichsgesetzlich geregelt; und dies gilt nicht bloß für das Aufgebot von Ur­ kunden (§§ 1003—1024), sondern auch für eine Reihe anderer Aufgebote (§§ 960 —1002). Mr einzelne Vorbehalte für die Landesgesetzgebung sind noch in §§ 1006 Abs. 3,1009 Abs. 3,1023, 1024 Abs. 2 (außerdem in Art. 101, 102,177 EGzBGB.) aufrecht erhalten. Sachlich ist § 11 nicht verändert. Für die Gerichtsverfassung kommt dabei § 3 Ms. 3 EGzGBG. in Betracht (vgl. das Preuß. AGzZPO. v. 6. 10. 99 §§ 7—11).

§ 12.

..

Der § 12 bringt den Begriff deS Gesetzes für das EG. in Übereinstimmung mit § 550 ZPO. (und Art. 3, 218 EGzBGB.).

Besetze». begriff.

Einf.-Ges. zur Zivilprozeßordnung § 13.

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die Lei dem LelrieLe von Eisenbahnen, Gergwerken usw. herbeigeführten Tötungen und Äörperverietzungen, vom 7. Juni 1871; 4. § 14 des Gesetzes über das Postwesen des Deutschen Reichs vom 28. Oktober 1871, insoweit »diese Vorschrift die Unterbrechung der Versährung an die Anmeldung der Klage knüpft; 5. § 144 Abs. 4 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältniffe -er Reichsbeamten, vom 31. Mär; 1873; 6. § 78 Abs. 3 des Gesetzes über iöeurkundung des Personenstandes und die Eheschließung vom 6. Februar 1875. Der Artikel 80 der Wechselordnung wird dahin abgeändert, -aß die Versährnng auch nach Maßgabe der §§ 207, 281, 500 Abs. 2, 510 Abs. 2 der Zivil­ prozeßordnung unterbrochen wird. Ln den Fällen der §§ 379, 388, 437 des Handelsgesetzbuchs ist das im § 486der Zivilprozeßordnung bezeichnete Amtsgericht zuständig; auf die Ernennung, Deeidigung und Vernehmung der Sachverständigen finden die Vorschriften der Zivilprozeßordnung in dem achten Titel des ersten Abschnitts des zweiten Guchs entsprechende Anwendung. §§ 13-17.

Verhältnis der ZPO. zu bestehenden Prozeßnormen.

Vornote.

Die §§ 13—15 regeln das Verhältnis der ZPO. zu den bisherigen (d. h. am 1. 10. 79 in Geltung gewesenen) Prozeßgesetzen. Hierbei kommen nach § 13 die Reichsgesetze, nach §§ 14, 15 die Landesgesetze in Betracht; überall aber nur im Rahmen des § 3 EG., d. h. soweit es sich um das Verfahren vor ordent­ lichen Gerichten handelt (§ 14). Auf bürgerlich-rechtliche Vorschriften übt die ZPO. als Prozeßgesetz natur­ gemäß keine Rückwirkung (vgl. RG. 1 S. 446). Bürgerlichrechtliche und prozeßrecht­ liche Gesetze unterscheiden sich grundsätzlich darin, daß erstere das für die Entschei­ dung maßgebende Recht, letztere das die Entscheidung vorbereitende und zur Existenz bringende Verfahren regeln. Die Zugehörigkeit zu der einen oder anderen Gesetzesart hängt nicht von der Bezeichnung, sondern von dem Inhalt der Rechtsquelle ab, und läßt sich bei der vielfachen Verquickung beider Gesetzesarten häufig nicht sicher fest­ stellen (vgl. Wach I § 9). Mit Rücksicht hierauf haben die §§ 13—17 für einige schwierig abgrenzbare Vorschriften besondere Bestimmung getroffen. Wo trotzdem noch Zweifel bestehen bleiben, muß obiger Grundsatz aushelsen.

Reichsgetetzliche Prozetznormen.

§ 13.

Grundsatz.

Ausnahmen.

Abs. T. Nach Abs. 1 sollen bestehende reichsgesetzliche Prozeßnormen durch die ZPO. nicht berührt werden. Durch diese Regel will der Gesetzgeber (vgl. Begr. 484) die richtige Anwendung der Reichsgesetze insofern sichern, als der Richter der intrikaten Prüfung überhoben wird, ob die bisherigen Normen mit der ZPO. über­ einstimmen oder nicht oder eine verschleierte Zivilrechtsnorm enthalten. — Eine Zu­ sammenstellung der danach aufrecht erhaltenen Reichsprozeßnormen ist bei der Schwierig­ keit der Arbeit vom Gesetzgeber unterlassen.

Abs. 2. Der Abs. 2 sieht einige Ausnahmen von obiger Regel vor, die auf ver­ schiedenen Gesichtspunkten beruhen.

Einf.-Ges. zur Zivilprozeßordnung § 14.

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8 14. Die prozeßrechtlichen Vorschriften der Landesgesehe treten für alle ^bürgerlichen Vechtsstreitigkeiten, deren Entscheidung in Gemäßheit des § 3 nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung zu erfolgen hat, außer Lraft, soweit «icht in der Zivilprozeßordnung auf sie verwiesen oder soweit nicht bestimmt ist, daß sie nicht berührt werden. Äußer Grast treten insbesondere: 1. die Vorschriften über die bindende Grast des strafgerichtlichen Urteils für den Zivilrichter; Nach Nr. 1 ist der § 2 SchuldhaftG. v. 29. 5. 68 aufgehoben, weil er durch § 918 (früher § 798) ZPO. ersetzt ist. Die in Nr. 2 angeführten Artikel des alten HGB. enthielten Regeln über die Beweiskraft von Büchern und Urkunden, welche mit dem Grundsatz deS § 286 ZPO. nicht vereinbar waren. Nach Nr. 3 ist der § 6 HaftpflichtG. v. 7. 6. 71 (freie Beweiswürdigung) mit Rücksicht auf §§ 286, 287 ZPO. und auf den in 8 6 bestimmten Vorbehalt für ge­ wisse landesgesetzliche Beweisregeln (vgl. Begr. 485) aufgehoben. Nach Nr. 4 ist § 14 PostG. v. 28. 10. 71 (Unterbrechung der Verjährung von Regreßansprüchen gegen die Post) aufgehoben, weil er durch § 267 ZPO. verdrängt ist. Die Nr. 5 hat den § 144 Abs. 4 ReichsbeamtenG. v. 31. 3. 73 aus der gleichen Erwägung wie zu Nr. 3 beseitigt (vgl. Prot. 640 ff.). In Nr. 6 ist der § 78 Abs. 3 PersonenstandsG. v. 6. 2. 75 in Beseitigung des darin enthaltenen bayerischen Reservats, betreffend das Verfahren in Ehesachen, auf­ gehoben (vgl. Prot. 640 ff.).

Abs. 3.

Nr. i.

Nr. s.

Nr. s.

Nr. 4. Nr.».

Nr. e.

Änderung

a) Nach Art. 80 WO. sollte die Wechselverjährung nur durch Sloge# w®d.‘ 60 behändigung, der ausnahmsweise die Streitverkündung gleichgestellt ist (vgl. RG. 10 S. 293, 24 S. 209), unterbrochen werden. Diese Vorschrift war mit den in Abs. 3 bezeichneten alten Bestimmungen der ZPO., die jetzt die §§ 207, 281, 500 Abs. 2, 510c Abs. 2 bilden, nicht mehr vereinbar. Deshalb wurde sie nach Maßgabe derselben abgeändert (vgl. Begr. 486). Jetzt ist Art. 80 WO. durch Art. 8 Nr. 2 EGzHGB. überhaupt aufgehoben.

b) Ob auch durch Zustellung des Zahlungsbefehls (§ 693) die Wechsel­ verjährung unterbrochen werde, war bisher wegen der Nichtheranziehung des alten 8 633 in § 13 streitig; doch wurde die Frage überwiegend bejaht (vgl. RG. 17 S. 282, 24 S. 196, eingeschränkter 14 S. 31). Nach § 209 BGB. ist jetzt die Unterbrechung der Verjährung durch Zustellung des Zahlungsbefehls und durch Streit­ verkündung besonders vorgesehen.

Abs. 4. 1

Der Abs. 4 sollte die in ihm aufgeführten Artikel des alten HGB.» die den prozeffualen Zweck der Beweissicherung verfolgten, aber von den hierauf bezüglichen Vorschriften der ZPO. mehrfach abwichen, mit diesen wenigstens im Rahmen der darin bezeichneten Punkte in Einklang bringen (Begr. 485, Prot. 641). Hierzu sind jetzt folgende Änderungen zu verzeichnen: In dem HBG. sind obige Artikel durch die §§ 379, 388, 437 ersetzt. Der in Abs. 4 betreffs der Zuständigkeit herangezogene § 448 ZPO. bildet jetzt den § 486. Soweit in den obigen Artikeln des alten HGB. Bestimmungen über die Feststellung des Zustandes von verkauften Waren, Kommissions- und Frachtgütern enthalten waren, haben solche in dem neuen HGB. keine Aufnahme gefunden; vielmehr bietet der § 488 neuen Abs. 1 ZPO. Ersatz.

Art. 3 IS, SSL, 407 A®y

Einf.-Ges. zur Zivilprozeßordnung § 14.

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die Vorschriften, welche in Ansehung gewisser Rechtsverhältnisse einzelne Arten von Leweismitteln ausschließen oder nur unter Leschränkungen püassen; 3. die Vorschriften, nach welchen unter bestimmten Voraussetzungen eine Tatsache als mehr oder minder wahrscheinlich anMehmen ist; 4. die Vorschriften über die Lewilligung von Moratorien, über die Rrteilsfristen und über Lie Lefugnisse des Gerichts, dem Schuldner bei der Verurteilung Zahlungsfristen ;u gewähren; 5. die Vorschriften, nach welchen eine Vebenforderung als aberkmmt gilt, wenn über dieselbe nicht entschieden ist. 2.

Lande«§ tOevliche grt.r -| Prozeß* 1. nonnen. j Nach H 14 die land es g esetzlich en Prozeßvorschriften für alle Srundsatz. ^QU| § 3 nach den Normen der ZPO. zu entscheidenden bürgerlichen Rechtsstreitig­

keiten außer Kraft treten. Betreffs des Begriffs der Prozeß Vorschriften ist auf die Vornote zu §§ 13 —17 zu verweisen. Zu denselben müssen naturgemäß (vgl. ZPO. § 1) auch die zivilprozessualen Vorschriften des GBG. gerechnet werden. Aus zahlreichen Bestim­ mungen der ZPO. tritt deren prozessuale oder zivilrechtliche Natur klar hervor; immerhin gibt es andere, die Zweifel in dieser Beziehung übrig laffen, namentlich da, wo materielle Wirkungen prozeffualer Handlungen und Rechtsgeschäfte in Frage kommen. Für einige Fälle dieser Art sieht Abs. 2 besondere Bestimmung vor (vgl. RG. Gruchot 31 S. 407). Der Grundsatz des § 14 entspricht dem aus Art. 2 der Reichsverfassung sich ergebenden Verhältnisse des Landesrechts zum Reichsrecht. Er hat die Wirkung, daß landesrechtliche Prozeßnormen, die am 1.10. 79 bestanden, aufgehoben sind und neue künftig rechtswirksam nicht mehr erlaffen werden dürfen (vgl. Art. 218 EGzBGB.). II. Von vorstehender Regel sieht aber Abs. 1 zwei Ausnahmen vor, näm­ lich für landesgesetzliche Prozeßnormen, auf welche die ZPO. verweist, oder bezüg­ lich deren bestimmt ist, daß sie unberührt bleiben sollen. Dergleichen Verweisungen kommen in der ZPO. zahlreich vor. Fälle der Nichtberührung enthält der § 15 EG, und sie haben die Wirkung, daß insoweit für bestehende und künftige Landesgesetze freier Raum bleibt (vgl. Begr. 486, RG. 7 S. 348, 399). Besondere sine"

Nr. i.

Abs. 2. Die in Abs. 2 mit Rücksicht auf ihren zweifelhaften prozeßrechtlichen Charakter besonders vorgesehenen Aufhebungsfälle sind folgende: Die Nr. 1 betrifft die Bindung des Zivilrichters durch strafgerichtliche Urteile. Eine solche Bindung widerstreitet dem Grundsätze der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO ). Demzufolge hat die Tatfeststellung des Strafrichters für den Zivil­ richter nur den Wert eines Überzeugungsgrundes. Freilich ist zu erwarten, daß ein Auseinandergehen beider Richter selten erfolgt; eine Erwartung, die auch die Grund­ lage des § 581 ZPO. bildet (vgl. Begr. 338). Übrigens wird es sich mehr um verurteilende, als um freisprechende Strafurteile handeln, da den letzteren gegenüber das Vorbringen neuer Beweise weniger in Frage kommen dürfte (vgl. RG. IW. 87 S. 3 sZivilschadensklage über strafrechtlich erkannte Buße hinaus)). — Außer An­ wendung muß die Nr. 1 bleiben, sofern festzustellen ist, ob eine Bestrafung (nicht eine Straftat) erfolgt ist, wie z. B. bisher nach § 704, II, 1 PrALR. (vgl. RG. IW. 85 S. 73, RG. 13 S. 199) und jetzt nach gewissen Bestimmungen der sozialpolitischen

Einf.-