Zensur und Kultur: Zwischen Weimarer Klassik und Weimarer Republik mit einem Ausblick bis heute [Reprint 2013 ed.] 9783110913057, 9783484350519

An international team of literary and social historians investigate here diverse forms of formal and informal censorship

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German Pages 249 [252] Year 1995

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Zensur und Kultur: Zwischen Weimarer Klassik und Weimarer Republik mit einem Ausblick bis heute [Reprint 2013 ed.]
 9783110913057, 9783484350519

Table of contents :
Einleitung. Zensur und Kultur: »Autoren nicht Autoritäten!«
Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhundert: Die Feiertagsfrage im Süden des alten Reichs
»Der Fall Sailer«. Zur Komplexität der katholischen Zensur im späten 18. Jahrhundert
Normenwandel auf dem Weg zur ›modernen‹ Zensur: Zwischen »Aufklärungspolizei«, Literaturkritik und politischer Repression (1789-1848)
Geschlechtszensur: Zur Literaturproduktion der deutschen Romantik
Jean Paul’s Battles with the Censors and His Freiheits-Büchlein
Control of the Visual Image in Imperial Germany
Diplomacy by Other Means: Entertainment, Censorship, and German Foreign Policy, 1871-1918
Macht und Ohnmacht des Zensurspielers Carl Sternheim
Censorship and the Campaign against Foreign Influences in Film and Theater during the Weimar Republic
NACHSPIEL DER MACHTSPIELE
Nazi Book Burning and the American Response
Vom großen Wir zum eigenen Ich. Schriftstellerisches Selbstverständnis, Kulturpolitik und Zensur im »real-existierenden Sozialismus« der DDR
Nachworte
Bibliographie
Die Autorinnen
Namenregister
Sachregister

Citation preview

STUDIEN UND TEXTE ZUR SOZIALGESCHICHTE DER LITERATUR

Herausgegeben von Wolfgang Frühwald, Georg Jäger, Dieter Langewiesche, Alberto Martino, Rainer Wohlfeil

Band 51

Zensur und Kultur Censorship and Culture Zwischen Weimarer Klassik und Weimarer Republik mit einem Ausblick bis heute From Weimar Classicism to Weimar Republic and Beyond

Herausgegeben von / Edited by John A. McCarthy & Werner von der Ohe

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1995

D e m Deutschen A k a d e m i s c h e n Austauschdienst ( D A A D ) in N e w York s o w i e d e m University Research Council an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, schulden die Herausgeber großen Dank für die großzügige Unterstützung d i e s e s Projekts. T h e editors w i s h to express their appreciation to the German A c a d e m i c E x c h a n g e Service ( D A A D ) in N e w York and the University Research Council of Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, for their generous support of this project.

Redaktion

des Bandes:

Alberto

Martino

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Zensur und Kultur : zwischen Weimarer Klassik und Weimarer Republik ; mit einem Ausblick bis heute = Censorship and culture / hrsg. von John A. McCarthy & Werner von der Ohe. - Tübingen : Niemeyer, 1995 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur ; Bd. 51 ) NE: McCarthy, John [Hrsg.]; Censorship and culture; GT ISBN 3-484-35051-2

ISSN 0174-4410

© Max Niemeyer Verlag GmbH & Co. KG, Tübingen 1995 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck und Buchbinder: Memminger Zeitung, Verlagsdruckerei GmbH, Memmingen

Inhalt

JOHN A . MCCARTHY: Einleitung. Z e n s u r und Kultur: »Autoren nicht Autoritäten!«

1

UTE DANIEL: Z e n s u r und Volkskultur im 18. Jahrhundert: Die F e i e r t a g s f r a g e im Süden des alten Reichs

14

MARK LEHMSTEDT: » D e r Fall Sailer«. Z u r Komplexität der katholischen Z e n s u r im späten 18. Jahrhundert

37

WOLFRAM SIEMANN: N o r m e n w a n d e l auf d e m W e g zur >modernen< Zensur: Zwischen »Aufklärungspolizei«, Literaturkritik und politischer Repression ( 1 7 8 9 - 1 8 4 8 )

63

BARBARA BECKER-CANTARINO: Geschlechtszensur: Z u r Literaturproduktion der deutschen Romantik

87

WULF KOEPKE: Jean P a u l ' s Battles with the Censors and His Freiheits-Büchlein

99

ROBIN LENMAN: Control of the Visual Image in Imperial G e r m a n y

. . .

Ill

GARY D. STARK: Diplomacy by Other Means: Entertainment, Censorship, and German Foreign Policy, 1 8 7 1 - 1 9 1 8

.

.

123

SIEGBERT KLEE: M a c h t und Ohnmacht des Zensurspielers Carl Sternheim

134

KLAUS PETERSEN: Censorship and the Campaign against Foreign Influences in Film and Theater during the W e i m a r Republic

149

NACHSPIEL DER MACHTSPIELE GUY STERN: Nazi Book Burning and the American Response

161

YORK-GOTHART MIX: V o m großen W i r zum eigenen Ich. Schriftstellerisches Selbstverständnis, Kulturpolitik und Zensur im »real-existierenden Sozialismus« der D D R

179

WERNER VON DER OHE: N a c h w o r t e

193

vi

Inhalt

Bibliographie

203

Die Autorinnen

221

Namenregister

223

Sachregister

233

John A. McCarthy

Einleitung Zensur und Kultur: »Autoren nicht Autoritäten!«

I.

Kulturbewußtsein

In seiner skizzenhaften Geschichte der Zensur zwischen 1721 und 1918, Der ewige Zensor (1926), erzählt der renommierte Zensurforscher Η. H. Houben eine für das Thema Zensur und Kultur vielsagende Anekdote aus dem Vormärz. Ein nicht genauer identifizierter Prager Schriftsteller sei von einem Zensor vorgeladen worden, weil er sich in einer literarischen Kritik auf Goethe und Schiller als »Autoritäten« berufen habe. Der Zensor habe an der Bezeichnung des Dichterpaars als Autoritäten Anstoß genommen, weil man sonst nur von Zivil- und Militärautoritäten zu sprechen pflege. Der Erklärung des angeklagten Schriftstellers, daß innerhalb der Literatur berühmte Klassiker oftmals als Autoritätsfiguren angesehen würden, habe der empörte Scherenmensch absolut kein Verständnis entgegengebracht. Das Gespräch habe er ohne Hoffnung auf eine Fortsetzung mit den Worten abrupt abgeschnitten: »Autoren, nicht Autoritäten!« (Houben, 1926: 135). Diese fingierte Unterredung zwischen Zensor und Autor dient vorzüglich als Fingerzeig auf das Hauptanliegen dieses Bandes: Das spannungsreiche Verhältnis zwischen Macht und Geist. Sowohl in binärer Opposition in antagonistischen Zeitaltern wie auch in harmonischem Zusammenwirken zu Zeiten der Übereinstimmung bilden die Kontrollversuche autoritärer Instanzen und die normsprengenden Impulse des sich widersetzenden Geistes wichtige Grundpfeiler jeglicher Kultur. Kunst in diesem Sinne ist als »gewordene Geschichte« aber auch als geschichtsbildend zu werten. »Eine Ästhetik des Widerstandes«, mag man mit Wolfgang Ullmann behaupten, »gibt es nicht. Wohl aber gibt es einen Widerstand der Kunst« (Ullmann, 1993: 20, 27). Unter dem Titel Zensur und Kultur zwischen Weimarer Klassik und Weimarer Republik wird eine Vielfalt von Phänomenen zur Diskussion gestellt. »Zensur« umfaßt hier nicht nur die staatlichen Maßnahmen zur Kontrolle von Schriftlichkeit und Symbolproduktion in der Hof-, Stadt-, Volks- oder Massenkultur. Es geht überhaupt um die teils subtile, teils krasse Bevormundung »kleiner« Leute von Seiten »höherer« Autoritätsinstanzen, die aus Eigeninteresse, Machtstreben, Eitelkeit, Konkurrenzneid oder aus einem sonst falsch (oder richtig) verstandenen Verantwortungsgefühl für andere agieren. Mit anderen Worten handelt es sich um die verschiedenen Arten staatlicher und privater Überwachung symbolischer Sinnstiftung und Wirklichkeitsdeutung. Dabei kann Zensur eine äußerst komplexe Angelegenheit sein. Mit »Kultur«

2

John A.

McCarthy

ist nicht bloß die Schriftkultur gemeint, das heißt die Produktion von Texten für Literatur, Theater, Publizistik und Wissenschaft, sondern jegliche Art von Symbolstiftung, also auch Feiertagspraktiken auf dem Lande und Bildproduktion in den Metropolen. Mittlerweile hat sich die Zensurgeschichte »zu einem weit gefächerten Arbeitsfeld entwickelt« (Siemann), so daß die Trennungslinie zwischen Kulturkritik und Zensur nicht mehr so klar ist. Zensur und Kultur sind - auch in demokratischen Staaten - wegen der zwangsläufigen Sozialisationsinstanzen von Schule, Kirche, Verein, Partei, Nachbarschaft, Familie usw. ineinander verflochten. Sie liegen in einem immerwährenden Streit miteinander. Mit der chronologischen Darlegung von Zensur und Kultur soll ein überregionales Bild der Kontrollinstanzen bzw. -Varianten während der kulturellen Umwälzungen in Deutschland zwischen 1787 und 1933 entstehen. Der Rahmen wird durch die beiden Umbruchphasen um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert und um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert im wesentlichen abgesteckt; letztere Phase reicht bis in die 1930er Jahre hinein. Mit seinem geistigen und politischen Symbolwert steht Weimar im Mittelpunkt des sich entfaltenden Kulturbewußtseins der Deutschen. Mangels eines Einheitsstaates versuchte sich Deutschland zunächst als eine Kulturnation, dann als eine »Demokratie des Geistes«, schließlich als eine Republik mit bewußter Anknüpfung an das klassische Erbe Weimars zu etablieren. Freilich wurde diese Entwicklung weder gradlinig noch ganz bewußt vorangetrieben. Zeitlich also reichen die hier gesammelten Studien vom aufgeklärten Absolutismus bis zur gescheiterten Demokratie. Man mag diese Sammlung also als syntagmatischen Versuch betrachten. Die Beiträge gingen zum großen Teil aus einem interdisziplinären Symposion hervor, das die Herausgeber innerhalb der Tagung der German Studies Association im September 1991 in Los Angeles organisierten. Beteiligt waren Historiker und Literaturwissenschaftler aus Europa und Nordamerika. Die überarbeiteten und erweiterten Vorträge wurden durch drei weitere Beiträge ergänzt, die die Herausgeber für die Sammlung noch gewinnen konnten, um das Bild teils zu vertiefen, teils perspektivenreicher zu gestalten. Aus Mark Lehmstedts Forschungen zu Zensurpraktiken in Bayern am Ende des 18. Jahrhunderts ergeben sich wichtige Einblicke in eine unbekannte Geschichte der Zensur während der Aufklärung. Seine aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv geschöpfte Darstellung staatlicher Kontrollversuche ergänzt das Bild der Zensurhandhabung in Württemberg, Preußen und Österreich durch neu gewonnene Erkenntnisse und zeigt die Alltagspraktiken der Zensoren in ihrer ganzen Komplexität südlich des klassischen Weimar. Zwar sprengen die Untersuchungen von Guy Stern und York-Gothart Mix den chronologischen Rahmen der Sammlung, aber dies tun sie auf sinnvolle Weise. Die Ausführungen Sterns zur amerikanischen Rezeption der Bücherverbrennung durch die Nazis erweitert die Perspektive der Zensur- und Kulturrezeption um eine internationale Dimension und setzt mit seinem Untersuchungsgegenstand zugleich einen Schlußpunkt zum Thema Zensur und Kultur gegen den Hintergrund

Einleitung.

»Autoren nicht

3

Autoritäten!«

»Weimar«. 1 Aufgrund seiner Auswertung der einschlägigen Gutachten und Protokolle im Potsdamer Archiv des Kulturministeriums der ehemaligen DDR vermag Mix aufzuspüren, wie die Zensur in einer »gescheiterten Demokratie« des Geistes, das ist in einem ideologisch absolutistischen Staat, zum Kulturinstrument eingesetzt wurde. Die archivalischen Funde zeigen auf frappierende Art, wie der Staat versucht hat, das Geistesleben in der ehemaligen DDR bis ins Kleinste zu steuern. Auf Mix' Darstellung vom »großen Wir« zum »eigenen Ich« wollten die Herausgeber ungern verzichten, zumal die Kontinuität der Methoden und Ansichten von Zensoren zwischen 1787 und 1933 in den Beschlüssen des »Zensurrats« des Mitteldeutschen Verlags eklatanten Ausdruck findet. Was für frühere Epochen oftmals als Vermutung formuliert werden muß, wurde im »ersten Bauern- und Arbeiterstaat« von führenden Persönlichkeiten gewissenhaft protokolliert. Als Ausgangspunkt nehmen wir das späte 18. Jahrhundert nicht nur wegen des Aufstiegs von Weimar als kulturellem Orientierungspunkt, sondern auch weil damals das Verlangen nach Presse- bzw. Zensurfreiheit immer drängender wurde. Letzteres mündete 1918 nach den Bemühungen des Vormärz und Wilhelminischen Reichs in die Garantie von Rede- und Pressefreiheit durch den Paragraphen 142 der Weimarer Verfassung, unterstützt vom Paragraphen 118, der verkündet: »Eine Zensur findet nicht statt« (vgl. Jelavich, 1992: 10). In den Jahren unmittelbar vor der Französischen Revolution hatte Johann Friedel folgendes Urteil über die »Zwangslage« der Autoren und selbst der Zensoren gefällt, was wohl als typisch gelten mag: Unter den Haupthindernissen, welche der Autklärung unsrer Völker entgegengesetzet waren, stand die Tyrannei der Zensur. Sie war die eigentliche Inquisition unsrer Staaten, - ihr fehlte nichts als - G e f a n g n i s s e , Folter und Scheiterhaufen. Dem Menschenfreunde blutete das Herz, wenn er sah, daß die aufblühendsten Köpfe oft schnell durch die Rute des Zensors von ihrer Bahne zurückgescheucht wurden. Selbst der Zensor erkannte die Härte und den Unfug, zu dem er besoldet war, allein er

mußte.'

Durch die Verschärfung der Zensurrestriktionen im Soge der Französischen Revolution verschärften sich ebenfalls die Proteste gegen die Beschneidung der freien Meinungsäußerung, worüber Adolf von Knigge 1795 rückblickend feststellte: »Nichts ist elender als der Rat, durch heftige Maßregeln, durch Zensuren und Verbote dem vermeintlichen Übel zu steuren [...]. Durch nichts offenbart sich so deutlich die Schwäche einer Regierung und das Bewußtsein einer schlechten Verwaltung, als durch dergleichen Vorkehrungen«. 3

1

Die Herausgeber möchten an dieser Stelle der Wayne State University Library für die Erlaubnis danken, eine leicht revidierte Fassung von Guy Sterns Vortrag neu abzudrucken.

- Johann Friedel, Briefe aus Wien, 3. Aufl. (Leipzig, 1784), zitiert nach Von deutscher

Republik,

2: 53. 3

Adolf Freiherr von Knigge, Rückblicke auf den, wenn Gott will, für Deutschland Krieg (Kopenhagen, 1795), zitiert nach Von deutscher Republik,

2: 56.

nun bald

geendigten

John A.

4

McCarthy

Angesichts der rapiden Entfaltung des Buchhandels sowie der Professionalisierung von Autor- und Leserschaft waren die Intellektuellen weitgehend einig, das beste Verhaltensprinzip sei der unbehelligte, freie Gedankenaustausch, oder laut einer damaligen Lieblingsparole: man solle leben und leben lassen. 4 Jedoch blieb die Spannung zwischen dem Verlangen von Staat und Kirche nach Kontrolle und dem Wunsch der Autoren nach Freiheit bestimmend. In seinem Altersroman Wilhelm Meisters Wanderjahre (1829) nimmt Goethe Bezug auf die kriegerische Haltung zwischen den Advokaten freier Meinungsbildung und den Vertretern der Macht: »Zensur und Pressefreiheit werden immerfort miteinander kämpfen. Zensur fordert und übt der Mächtige, Pressefreiheit verlangt der Mindere. Jener will weder in seinen Plänen noch in seiner Tätigkeit durch vorlautes widersprechendes Wesen gehindert, sondern gehorcht sein; diese wollen ihre Gründe aussprechen, den Ungehorsam zu legitimieren« (Goethe, 8: 469f). Wenn die Bücherverbrennung vom 10. Mai 1933 auch kein einschneidendes Datum in der deutschen Zensurgeschichte darstellt (sie wurde Schritt für Schritt in den Jahren der Republik schon vorbereitet und hatte ihre Präzendenzfälle), markiert das Jahr 1933 doch das (vorläufige) Ende einer hoffnungsvollen Periode. Die Massenflucht der Intelligenz, die um 1930 bereits im Gange war, nahm ab 1933 rapide zu; die Loyalitätserklärung für das NS-Regime vom 13.03.33 bildete den Auftakt zum Reichskulturkammergesetz vom 22.09.33, das eine Neuordnung des deutschen Kulturlebens zum Ziel hatte. Diese Neubestimmung wurde schließlich durch den Erlaß vom 26.11.36 direkt angesprochen (Breuer, 1982: 34-38). Die Bedeutsamkeit jenes Zeitpunktes erhellt eine Anekdote Thomas Manns, der in einem Brief an Hermann Hesse erzählt, wie ihm ein junger Anhänger Hitlers ein verkohltes Exemplar der Buddenbrooks mit dem Wunsch aus Königsberg zugeschickt habe, Mann möchte »das Werk der Zerstörung« nun vollenden. Der Aufforderung sei Thomas Mann jedoch nicht nachgekommen; er wolle lieber die schwarzen Aschen aufheben, »damit sie einmal von dem Geisteszustand des deutschen Volkes im Jahre 1932 zeugen« (zit. nach Schütz, 1990: 170f.).

4

Vgl. z.B., Franz Rudolf von Grossing, Die Kirche und der SiaM (Berlin, 1784): »Es schreibe jedermann, wie und was er will; diese ist meines Hrachtens die vernünftigste Zensurregel. Das Büchermachen ist überhaupt heutzutage zu einem förmlichen Handwerk geworden, welches ganze Klassen der Menschheit ernähret. Es gibt Verfasser von Profession, Leser von Profession, Buchdrücker und Buchhändler von Profession, und es ist meines Erachtens keine weitläufigere Zunft, als die Bücherzunft anzutreffen, weil selbst das sonst unbedeutendste Lumpenwesen in diese Zunft gehöret. Leben und leben lassen ist der richtigste Grundsatz, der in dem dermaligen Staatssysteme die meiste Aufmerksameit verdient, und jeder Fürst ist verpflichtet, alles das zu befördern, was immer die Nahrungswege seiner Untertanen vermehret« (zit. nach Von Republik,

2: 55f.).

deutscher

Einleitung. »Autoren nicht

II.

Autoritäten!«

5

Normwahrung

Siegbert Klee ist wohl beizustimmen, wenn er in einer Fußnote beiläufig bemerkt: »Staat und Z e n s u r handeln [ . . . ] weit weniger aus Einsicht als aus Vorsicht«. Bekanntlich sind Zensurbestimmungen dem Wesen nach meist konservativ, da sie den Interessen von Kirche und Staat dienen, die seit eh und j e die Regulierung der Öffentlichkeit für sich beanspruchten. Freilich sehen sich die beauftragten Zensoren bis in die jüngste Zeit häufig eher als »facilitators« einer Kulturideologie denn als Grenzschutz gegen oppositionelle Meinungen (Koonz, 1992). Schriftsteller und Künstler, die andere Wege gehen wollen, geraten in Konflikt mit den Steuerungsversuchen. Die durch diese Spannung entstandenen konträren Impulse von Geist und Macht führen zu einem aufschlußreichen Kräftespiel zwischen normwahrenden und normsprengenden Tendenzen. Diejenigen, welche die Macht innehaben, verteidigen sich gegen diejenigen, die gerne die Macht ergreifen bzw. die öffentliche Meinung beherrschen möchten. Die formelle Zensur dient dem Staat dazu, die öffentliche Meinung zu steuern, Ordnung zu bewahren und geltende Normen zu erhalten. Die informelle Zensur verfolgt ähnliche Ziele. Allerdings sind es zum Teil Ziele unterschiedlicher Interessengruppen, die nicht unbedingt mit dem Staatsinteresse zusammenfallen. Die formelle und informelle Zensur gilt vor allem Äußerungen zum öffentlichen Leben, insbesondere der Religion, der Sitten und der Politik. Der Anspruch der liberal denkenden Dichter und Künstler ist im Grunde genommen moralischer Art, weil sie die Privatinteressen des Individuums gegenüber den institutionellen Ansprüchen der bestehenden meist konservativen Ordnung vertreten. Der Zusammenprall von persönlicher Individualität und kollektiver Identität gibt Anlaß zum Zensureingriff. Daher ist die Begründung für einen Zensureingriff in der Regel moralischer Art, das heißt sie betrifft Akte der Verleumdung, Sittengefährdung und öffentlichen Störung. Da sich die moralischen Werte ständig wandeln, arten »Zensureingriffe« gelegentlich in Diskriminierungsakte aus. Damit dürfte zusammenhängen, daß es bis heute immer noch an einer »Legaldefinition« der Zensur wie auch der Meinungsfreiheit fehlt (Löffler, 1983: 59, 101; auch Schneider, 1974: 100). Die Zensur ist zu einem konstitutiven Faktor in der Entstehung und Überlieferung von Kultur geworden. »Die Geschichte der Zensur«, so bemerkt Houben lapidar, »ist eine Kulturgeschichte für sich« (1926: 6). Eine Geschichte der Zensur ist also ein Teilaspekt der Kultur- bzw. Literaturgeschichte. Demgemäß hat Dieter Breuer in einer Bestandsaufnahme der Zensurforschung für die Aufarbeitung der Zensurgeschichte durch die Literaturhistoriker plädiert (Breuer, 1988). Dennoch ist die Geschichte der Zensur nicht gleichbedeutend mit der Literatur- bzw. Kulturgeschichte. Eine Geschichte der Zensur liefert Informationen über die verstaatlichte Zensurpraxis und -theorie. Es ist relativ leicht, die staatlichen Instruktionen, die Namen der Zensoren und die speziellen Behörden auf nationaler oder regionaler Ebene in Erfahrung zu bringen. Dies gilt vor allem in Perioden, in denen sich ein Weltanschauungswechsel

6

John A.

McCarthy

gewaltsam vollzieht, und »der Groll gegen die Träger der bekämpften Weltanschauung, ihre Bücher, sich in einem Büchersturm austobte« (Bogeng, 1915: 2: 3-4). Die Kultur eines Landes existiert, wie bemerkt, in einem Spannungsfeld zwischen dem staatlichen Anspruch auf Normwahrung durch Kontrollmaßnahmen und dem individuellen Anspruch auf unbehelligte Wahrheitssuche und Persönlichkeitsentfaltung nach dem Prinzip »veritas non auctoritas facit legem«. Die Spannungen innerhalb dieses Feldes intensivierten sich mit dem Säkularisierungsprozeß, der die Aufklärung vorantrieb, und der in eine »Demokratisierung des Kunstlebens« besonders nach 1831 ausschlug (Hauser, 1978: 679; Ohles, 1992: 90). Der Gegenstand der staatlichen Zensur verlagerte sich immer mehr aus den Bereichen religiösen Dogmas und absolutistischer Politik in den Bereich der allgemeinen Sitten. »Sittenverderbnis« und »Jugendgefährdung« durch Laszivität brauchten nicht das faktische Erweisen, um straf- bzw. tilgbar zu sein. Akzeptable Verhaltensweisen allgemeinerer Art wurden stets neu bestimmt. Artikel der Glaubensreinheit oder gar öffentliches Räsonieren über politische Veränderungen waren also keineswegs die einzige Zielscheibe der Freiheitsbeschränkung, obwohl sie in der Geschichte der Zensur oft genug im Vordergrund standen. Schließlich sei betont, daß sich Zensur nicht in Repressionstätigkeiten erschöpft. Eingriffe in den Privatbereich geschahen immer häufiger, wobei die zensierenden Instanzen die Auswirkungen der Zensur nicht als Verletzung des Privaten ansahen. Nicht nur die Bücherkommission schritt steuernd ein, sondern selbst literarische Sozietäten, Verleger, politische Parteien, Kirchenvereine, ja sogar Berater, Freunde und Ehemänner übten Lenkungsversuche aus. Die Ausübung der Meinungskontrolle wurde auf nationaler und regionaler Ebene wegen divergierender Ziele und Kompetenzen der zuständigen Behörden bzw. Zensoren unterschiedlich gehandhabt, so daß die komplexe Interaktion der Zensur »von oben« (das heißt der sogenannten macrocensorship der zentralen Behörden) und »von unten« (das heißt der microcensorship regionaler bzw. einzelner Zensoren) ein besonders Kapitel in der Geschichte der Zensur darstellt, in dem es um die »innere Logik der Zensur« handelt (Ohles, 1992: 88-108). Während die Makrozensur bis ins 20. Jahrhundert in erster Linie auf publizierte Schriften - vornehmlich Bücher - zielte, war die Mikrozensur hauptsächlich präventiver Art. Immer häufiger betraf die Zensur den kleinen Mann, die marginalisierte Figur, die Frau, die nicht einmal in die Öffentlichkeit treten sollte. Dies zum Schutz der geltenden Normen gar auf Mikroebene. Die besondere Leistung jedes einzelnen Beitrags soll hier nicht vorweggenommen werden. Doch sei auf einige leitende Fragestellungen aufmerksam gemacht. So unterstreichen Wolfram Siemann und Barbara Becker-Cantarino zum einen die Akzentsetzung ausgesprochen öffentlicher Angelegenheiten und zum anderen die Anvisierung privat-menschlicher Verhältnisse. Ihre Beiträge dürfen für die übrigen Studien, in denen sowohl den »breiten Niederungen zensierter Quellenmassen« (Daniel, Stark, Lenman, Petersen, Stern) wie auch einzelnen Zensuropfern nachgegangen wird (Lehmstedt, Koepke, Klee, Mix) als repräsentativ stehen.

Einleitung. »Auroren nicht

Autoritäten!«

7

Siemann behandelt die formelle Art der Zensur, Becker-Cantarino die informelle. Siemann schöpft aus den Akten des Oberzensurkollegiums des Königreichs Württemberg, Becker-Cantarino wertet die Privatkorrespondenz der Romantiker aus. Wie Siemann liest auch sie ihre Quellen als »zensierende Gutachten«. Mit ihren verschiedenen thematischen Schwerpunkten und ungewöhnlichen Akzentsetzungen geben Siemann und Becker-Cantarino (gemeinsam mit Ute Daniels Studie zu Volkskultur und Feiertagspraktiken) Anlaß zu Vorüberlegungen zu einer Geschichte der Zensur als Kultur- und Mentalitätsgeschichte. Gemeinsamer Bezugspunkt ist der Begriff der Mündigkeit. Nicht weniger entscheidend ist der Normenhorizont der Zensoren selbst, den Siemann (wie auch Lehmstedt und Mix) zu rekonstruieren versucht.

III. Arten der Zensur Alptraum aller Künstler ist die Nichtbeachtung durch die Öffentlichkeit. Wer schreibt, will gelesen werden, wer zeichnet oder malt, will entdeckt werden. Manchmal verhilft der Staat dem Autor bzw. Künstler durch repressive Maßnahmen paradoxerweise zu diesem Ziel. Ohne die Rezeption hat der Schöpfungsakt keine eigentlichen Konsequenzen. Der Autor wünscht sich einen Leser. Totgeschwiegen zu werden, ist ein unakzeptables Los. Doch gibt es etwas noch Unerträglicheres für aufbegehrende Autoren und Künstler: nicht produzieren oder nicht selber denken zu dürfen. Auf diese Seite der Zensur, die die Selbstzensur einschließt, geht Becker-Cantarino ein. Sie bestätigt, was G.A.E. Bogeng 1915 in seinen Streifzügen eines Bücherfreundes konstatierte: daß man den Bücherstürmern - wie Bogeng die Zensoren betitelt - nicht alles zur Last legen darf, zum Beispiel das, woran sie unschuldig sind. Erklärend setzt er hinzu: »Bequemlichkeit und Dummheit haben noch öfter als Bosheit einen jetzt beklagten Bücherverlust verschuldet« (2: 19). Genauso schlimm wie die vernichteten oder verstümmelten Schriften sind jene »Bücher, die nie veröffentlicht wurden, weil sie nie vorhanden waren« (2: 21). Becker-Cantarino will für die Zeit um 1815 auf diese »Bequemlichkeit und Dummheit« aufmerksam machen, die zu Bücherverlusten geführt haben. Es ist eine perfide Art der informellen Zensurausübung: die verinnerlichte Selbstzensur, »wo Meinungsfreiheit eingeschränkt wird, ohne daß es gleich amtlicher expliziter Verbote bedürfte« (Siemann, 1990a: 5). Eben diese Selbstzensur betrachtet die Forschung allgemein als einen der bedeutendsten Bereiche der Zensur (Ziegler, 1983; Kanzog, 1984; Eisenhardt, 1988). Zwar ist die Selbstzensur in ihren Auswirkungen schwer nachzuweisen, denn sie hinterläßt in den literarischen Texten keine Spuren, wie die Eingriffe von Verlegern, Herausgebern, Kritikern oder staatlich bzw. kirchlich bestellten Zensoren. BeckerCantarino ist es aber gelungen, außertextuelle Indizien dieser aus der »Geschlechtszensur« resultierenden Selbstzensur aufzuspüren. Sie dürfte mit ihren Ausführungen den Ansatz zu einer wichtigen und nötigen Ergänzung der bisherigen Geschichte der Zensur in Deutschland bieten. Dabei ist ihr Untersuchungsgegenstand nicht mit dem

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John A.

McCarthy

von Wolfram Siemann andererorts konstatierten Phänomen der »verlegerischen Selbstzensur« gleichzusetzen (Siemann, 1990a: 5 - 6 ) . Mag zunächst die gewählte Formulierung »Geschlechtszensur«, um die es Becker-Cantarino geht, mit ihren modernen Auswirkungsformen der »Marktverdrängung« lesbischer Autorinnen, »der moralischen und künstlerischen Herabsetzung« von Frauenleistung oder der »larmoyant-sarkastischen Aneignung« weiblicher Strategien besonders für männliche Ohren überspitzt wirken, so ist doch viel Wahres an ihrer Grundthese, daß das Kriterium des Geschlechts in der Geschichte der Zensur nicht berücksichtigt worden ist. Die Männer übten tatsächlich eine innere, verborgene Zensur gegenüber weiblicher Schriftstellerei aus. Es ist eine ähnliche Art von »censorship by discrimination«, die Petersen für die Ära der Weimarer Republik konstatiert. Da die staatliche Zensur als die Überwachung herrschender Normen verstanden wird, ist die Formulierung »Geschlechtszensur« zur Beschreibung der Normwahrungstätigkeiten der Männer gut gewählt, besonders wenn die Monopolstellung der männlichen Literaten bedacht wird. Die »Bequemlichkeit und Dummheit« der Männer trug entschieden zur Ausbreitung einer speziellen Kategorie der Literatur bei, die als »Frauenliteratur« in die Literaturgeschichte eingegangen ist. Dies mag paradox erscheinen, wenn man bedenkt, daß der Gegenstand der emanzipatorischen Aufklärungsbestrebungen der Mensch schlechthin war, nicht die geschlechtsspezifische U n t e r g a t t u n g von M a n n . R o m a n t i k wie V o r m ä r z standen j a in der F o l g e der Aufklärung. Die Erfahrungen von einer Caroline oder Dorothea Schlegel oder einer Sophie Mereau, die auf Unverständnis und Widerwillen bei ihren »Männern« stießen, verraten, wie weit die Männer hinter das nicht geschlechtsspezifische, frühaufklärerische Mündigkeitsideal eines Thomasius oder Gottsched zurückfielen. Damals prophezeiten die optimistischen Frühaufklärer eine rosige Zukunft für die Frau in der Literaten- und Gelehrtenzunft. Was geschah zwischen dem beginnenden und ausgehenden 18. Jahrhundert? Zu Anfang des 18. Jahrhunderts besaß der Literat keinen erkennbaren Einflußbereich. Er mußte sich zuerst ein Publikum erschreiben und eine Sphäre öffentlichen Räsonnements gründen. Doch um 1800, so könnte man Becker-Cantarino verstehen, habe der schriftstellernde Mann die literarische Welt beherrscht und sei nicht bereit gewesen, die Macht mit der Frau zu teilen. Abgedrängt in den Bereich der »Frauenliteratur«, habe die schriftstellernde Frau eine eigene Einflußspäre geschaffen, die nun mit jener des Mannes zu rivalisieren begann. Infolge der steigenden Popularität der »Frauenliteratur« einerseits sowie des wachsenden Selbstbewußtseins der Frau andererseits haben sich die Männer in ihrer Monopolstellung gefährdet gefühlt. Allerdings sollte die These von der Spaltung der Öffentlichkeit in einen »hohen« und einen »niederen« Literaturbetrieb nicht übersehen werden, auch wenn sie etwas vereinfachend wirkt (Bürger et al., 1980). Männer wie Itzehoe, LaFontaine, Spieß und Vulpius waren an der Unterhaltungsliteratur führend beteiligt. Die »niedere« wurde wie die »hohe« Literatur von beiden Geschlechtern gelesen. »Frauenliteratur« wurde zwar von Frauen für Frauen intendiert, gewiß aber haben Männer W e r k e wie

Einleitung.

»Autoren nicht

Autoritäten!»

9

Die Geschichte des Fräuleins von Sternheim gelesen. Umgekehrt lasen Frauen Agathon oder Wilhelm Meister. Strenge Kategorien von »hoher« und »unterer« Literatur sowie Frauenliteratur scheinen angesichts der natürlichen Grenzüberschreitungen künstlich zu sein. 5 Ferner ist zu bedenken: wer wirklich schreiben wollte, hat es getan, wie etwa Therese Huber, die es verstand, ihre Meinung zu sagen, wenn sie sich auch »subversiver Kommunikationsstrategien« (Codierung, Maskierung) bedienen mußte (Becker-Cantarino). Die Frage stellt sich, inwiefern die Romantikerinnen für das allgemeine Los der aufbegehrenden intellektuellen Frau repräsentativ waren. Wie fest waren die männlichen Vorstellungen von der »gehörigen« Form weiblichen Schreibens? Zwar wollten die Männer die Frauen sich nicht in den üblichen Gattungen üben lassen, doch eroberten diese sich andere literarische Formen wie Essay, Reisebericht, Anekdote und Brief. Welches Gewicht hatte das Vorurteil für die kanonisierten Gattungen und Formen? War der Gegensatz von Autor und Autorität, das heißt zwischen schöpferischer Erneuerungsenergie und verharrender Normwahrung aufgehoben? Siegte der Geist über den Buchstaben? In dieser Hinsicht sei an die Zeilen von Robert Prutz aus dem Jahre 1842 erinnert, als man erneut mit der staatlichen Beschränkung der Freiheit zu kämpfen hatte: Nur immer frisch verboten, Nur immer konfisziert! Und ging es auch nach Noten, Ihr weckt doch nicht die Toten, Das Leben triumphiert! (Prutz, 1975: 207)

Wo war mehr Leben zu spüren: im Etablierten-Routinemäßigen, das heißt im Normalisierungsprozeß, oder in der Innovation, das heißt im Anlauf gegen die etablierten Normen? Oft konnte der Zwang, neue Strategien zu entwickeln, um zu sagen, was man eigentlich sagen will, kunstfördernder sein als die Beachtung der geltenden Normen. Konnte man eine/n Autor/in ganz totschweigen? Früher oder später kommt es zu einem Normenwandel. Ist die Kanonisierung von Kunst und

'

Zum intendierten männlichen Publikum von Sophie La Roches Die Geschichte Sternheim

des Fräuleins

von

(1771), dem ersten sogenannten »Frauenroman«, siehe den Vorbericht von dem Heraus-

geber Christoph Martin Wieland, der die Nützlichkeit des Romans für beide Geschlechter hervorhebt. Das Werk sei geeignet, so meint er, »Weisheit und Tugend - die einzigen großen Vorzüge der Menschheit, die einzigen Quellen einer wahren Glückseligkeit - unter Ihrem Geschlechte, und selbst unter dem meinigen, zu befördern« (Sophie La Roche, Die Geschichte Sternheim,

des Fräuleins

von

hrsg. von Barbara Becker-Cantarino [Stuttgart: Reclam, 1983], 10). Die Rezeption des

Romans durch Johann Heinrich Merck, J . M . R . Lenz, Goethe, Wieland und a. m. zeigt, wie geschlechtsblind die Aufnahme sein konnte. Ahnlich breit ist Adressat und Leserschaft von Wielands Agathon, Goethes Wilhelm Meister oder Jean Pauls Hesperus. Als erste Hinführung zur empirischen Leserschaft der »niederen« Literatur im 18. und 19. Jahrhundert siehe Hainer Plaul, Geschichte

der Trivialliteratur

(Hildesheim: Olms Presse, 1983), 42-57, 235-41.

Illustrierte

10

John A.

McCarthy

Literatur vielleicht selbst der Anfang vom Ende? Klassiker liest man, wenn man sie überhaupt liest, anders als die Nicht-Etablierten, als die Außenseiter. Wer sich erst einen Platz auf dem Parnassus erkämpfen muß, erlebt Dinge anders, intensiver als diejenigen, die sich auf ihren Lorbeeren ausruhen. Wie Lessings Urteil über Klopstock lautet: wir wollen lieber gelesen als bewundert werden! 6 Wolfram Siemann betrachtet die Geschichte der Zensur aus einer anderen, ebenfalls ungewöhnlichen Perspektive, indem er einen Aspekt der »okkulten Gegenaufklärung« ins Blickfeld rückt, der nicht weniger wichtig ist als die Behandlung der »unmündigen« Frauen: den Kampf gegen Aberglauben und Schwärmerei. Das Neue in seinem Untersuchungsfall ist die Tatsache, daß jeder »über Gegenstände der Religion, der Moral und der Staats-Wissenschaften [haben] nachdenken« dürfe, denn in Württemberg unter König Friedrich I. sollten die Menschen zu Staatsbürgern, nicht zu Untertanen erzogen werden. Allerdings ist der springende Punkt: Wie kann man jemandem die Meinungsfreiheit gestatten, der noch nicht mündig ist? Mit demselben Dilemma sahen sich Kant, Mendelssohn, Lessing und Wieland konfrontiert. Ihre Losungsworte waren Klarheit! Licht! Denn wo es heller wird, kann man deutlicher sehen. Je klarer man sieht, desto mehr kann man unterscheiden und kritisch auseinander halten. Zumindest Wieland wollte dieser Bewegung keine Grenzen setzen, indem er ihre Grenzen da sieht, »Wo, bei allem möglichen Lichte, nichts mehr zu sehen ist« (Wieland, 1789: 24f.). Die weitere Frage: »Wer ist berechtigt, die Menschheit aufzuklären?« könnte man mit Wieland ebenfalls mit einer Gegenfrage beantworten: »Wer kann es nicht!« (1789: 26). Laut dieser Ansicht darf jeder Aufklärungsversuche unternehmen ( = Fremdaufklärung), denn jede Bemühung um die Aufklärung anderer trägt zur eigenen Mündigkeit bei ( = Selbstaufklärung). Angesichts der komplexen Beziehung zwischen Fremd- und Selbstaufklärung wäre man folglich geneigt anzunehmen, daß man erst durch eigene Mündigkeitsversuche mündig wird. Der Fremdaufklärer könne freilich wichtige Anregungen zur Selbstaufklärung geben (vgl. Schneiders, 1974). Der württembergische Kampf gegen das okkulte Dunkel (Bibelfortdichtung, Wallfahrt, Hausierhandel, politische Eschatologie) sowie der Wiener Versuch, die Feiertagspolitik in den katholischen Ländern zu rationalisieren (Daniel), steht in dieser bewährten Tradition der »wahren« Aufklärung seit Thomasius. Zensur erscheint nun als positives Instrument der Aufklärung. Hier gehen die Positionen von Becker-Cantarino und Siemann deutlich auseinander. Um mündig zu werden, muß das Individuum immer mehr Freiraum gewinnen, doch wird dieser freie Spielraum der Gedanken immer nur von anderen gewährt. Die Frau durfte sich bis zu einem gewissen Punkt der intellektuellen Mündigkeit entwickeln. Der »gemeine Mann« sollte durch Anlei-

6

W e r wird nicht einen Klopstock loben? Doch wird ihn jeder lesen? - Nein. Wir wollen weniger erhoben, Und fleißiger gelesen sein (1753)

Einleitung.

»Autoren nicht

Autoritäten!«

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tung von abergläubischen Zwängen bzw. von unnützen Praktiken befreit werden, damit er in einen produktiven »Staatsbürger« verwandelt werden konnte. Ist das »Erziehungsprogramm« erfolgreich, sollte er wohl eines Tages jegliche Art von Bevormundung ablehnen, ebenso wie die »eigenwillige« Frau? Wenn dem Mündigwerden der Frau keine Grenzen gesetzt werden sollen, warum der Aufklärung des Volkes? Der Gedanke - j a , die Furcht vor - der allgemeinen Emanzipation ist alt, wie das Echo der Konservativen in der deutschen Presse auf die Französische Revolution zeigt. Parallelen findet man in der konservativen Reaktion gegen die progressive Bildkunst im Wilhelminischen Reich (Lenman) sowie gegen die ausländischen Einflüsse in der Kulturindustrie des frühen 20. Jahrhunderts (Stark, Petersen). Die Ausführungen von Becker-Cantarino, Daniel und Siemann machen immerhin deutlich: das Verhältnis der Zensur zum Mündigkeitsideal der Aufklärung war zwiespältig. Die staatliche Autorität erwies sich nicht nur als Konservator überlieferter Normen (siehe besonders Daniel, aber auch Lehmstedt); der aufgeklärte Autor war nicht immer Advokat neuer Wertsysteme. Die Auffassung von Sinn und Praxis der Zensur, das Verhältnis zwischen »Autor« und »Autorität«, ist keineswegs einheitlich, wie etwa die Erfahrungen des »Zensurspielers« Sternheim belegen. Die ganze Geschichte der Zensur - trotz deutlicher Fortschritte in den letzten Jahren - ist noch nicht geschrieben.

IV.

Grenzen der Zensur

Die hier gesammelten Studien wollen eine Bestandsaufnahme sein, die der Forschung neue Impulse vermittelt. Dieter Breuers Aufforderung, die Literaturgeschichte als »eine Geschichte der Versuche, Dichter zum Schweigen zu bringen, aber auch eine Geschichte der Gegenversuche der Betroffenen, sich nicht zum Schweigen bringen zu lassen«, ist in zweierlei Hinsicht schon revisionsbedürftig (Breuer, 1982: 16). Zunächst müßte die künftige Literaturgeschichtsschreibung ausgedehnt werden, um auch die Versuche zu verzeichnen, Dichterinnen (und andere marginalisierte Kunstproduzenten) zum Schweigen zu bringen und deren Gegenversuche, sich nicht zum Schweigen bringen zu lassen. In dieser Geschichtsschreibung sollte das Thema Zensur nicht mehr einzig im Hinblick auf die Produzenten von Literatur und Kunst, sondern auch hinsichtlich der Mentalität und Persönlichkeit der Zensoren behandelt werden. Längst hat die Wirkungsästhetik bewiesen, wie nützlich es ist, der reziproken Beziehung vom Werk und Urheber nachzugehen. Das Kunstwerk fungiert auch als ein Ort, wo Dialog entsteht, wo Meinungen ausgetauscht werden, wo Mündigkeit erzielt wird. Nicht ein Ort der Affirmation also, sondern des Versuchs und der Versuchung oder gar des Widerstandes. So sahen die Zensoren von gestern Bild und Buchstabe (Houben, 1926; G. Jäger, 1988b); so werden sie wohl weiterhin gesehen (vgl. Ullmann, 1993; Faktor, 1993). Darüber hinaus gibt Siemann mit seinen aufschlußreichen zehn Thesen zu einer künftigen Geschichte der Zensur wichtige Anregungen. Augenfällig sind die komple-

John A.

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McCarthy

xen »Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten zwischen Zensurnormen, Literaturgattungen, Vertriebsformen und Leserkreisen« (Siemann). Dabei dürfen weder die Bildpublizistik (siehe in diesem Band Lenman) noch die Volksreligiösität (siehe Daniel) als Teilbereiche übersehen werden. Film und Theater kämen noch hinzu (Stark, Petersen). Für jede Beschäftigung mit der Zensur auch in modernster Zeit haben die Ansichten der Intellektuellen am Ende des 18. Jahrhunderts fundamentale Bedeutung. Ein besonderer Fall ist die utopische Zukunftsvision des Gelehrten und Romanautors Lorenz Westenrieder (1748-1829), der das schwierige Geschäft der Aufklärung in Bayern betrieb. 1782 publizierte er seinen Traum in drei Nächten, dessen 12. Kapitel Erläuterungen über Denken und Schreiben in München im Jahre 2082 enthält. Grundpfeiler des Zukunftstaates seien der freie Meinungsaustausch und die Zensurfreiheit, denn nur sie garantieren die Entwicklung der Menschheit zum Besseren. Zwei Voraussetzungen, unter denen sich die Zensur erübrige, lägen in der Funktion der Schriftsteller und einer offiziel sanktionierten Literaturpolitik. Die Schriftsteller dienten in erster Linie als Katalysatoren von Kommunikation und Geschäften. Eine aufklärerische Literaturpolitik fördere die öffentliche Diskussion, damit Falsches vom Wahren getrennt werden könne. »Seine Charakteristik des 18. Jahrhunderts«, so resümiert Breuer, habe »nichts an Aktualität verloren [...]; nach 200 Jahren hat es nicht den Anschein, daß wir uns seiner Utopie angenähert hätten« (1982: 125). 1781 hat der Göttinger Historiker, August Ludwig von Schlözer (1735-1809) in seinem Briefwechsel meist historischen und politischen Inhalts auf den einen wichtigen Zweig der Zensurgeschichte aufmerksam gemacht, den die Forschung erst jetzt stärker in Augenschein nimmt: Persönlichkeit und Qualifikationen der bestellten Zensoren. Wer waren sie, und was waren die Voraussetzungen für ihr Amt? Nicht die Institution der Zensur selbst stellt Schlözer in Frage, sondern er fragt vielmehr nach dem Bildungsstand des Zensors: Allgemein betrachtet ist Censur eine herrliche Anstalt, eine fürs Publikum und den Auetor gleich große Wohltat: - vorausgesetzt, daß sich Censor gegen den Auetor, wie ein Vormund gegen seinen Mündel verhalte, folglich weit gescheuter wie sein Auetor sei. Was nun aber, wenn der Censor ein Mensch ist, mit dem man T ü r und Angel einrennen könnte? Und kann der Staat immer aus seinen Millionen die größten Männer, die allein zu Censoren taugen, herausfinden? Und könnte er sie herausfinden: ist er reich genug, sie zu bezahlen? Nimmt er aber den ersten den besten dazu: so stiftet doch wol ein schlechter Censor mehr Unheil, als hundert schlechte Auetoren, (zit. nach Lindemann, 112)

Hand in Hand mit Schlözers Erkenntnis von der Bedeutung des Normenhorizonts eines Zensors ist die ebenfalls immer noch äußerst aktuelle Forderung nach unbehelligter Rede- bzw. Zensurfreiheit, die damals zu hören war. In seinem wirksamen Essay »Das Geheimnis des Kosmopolitenordens« bekannte der Weimarer Klassiker Christoph Martin Wieland (1733-1813) noch dezidierter als der Münchener Lorenz Westenrieder:

Einleitung. »Autoren nicht Autoritäten.'«

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Ich gestehe, dall ich von der Notwendigkeit einer eignen Biicher-Censur in einem wohlpolizierten Staate, nicht sehr überzeugt bin. Warum bestellt man nicht auch besondere Aufpasser, die dahin sehen, dali Niemand sich betrinken, oder dem andern eine Ohrfeige geben, oder seine Taschenuhr mausen, oder irgend ein anderes Gebot im Dekalogus übertreten könne? Man läßt es ganz ruhig darauf ankommen, und begnügt sich, den wirklichen Übertreter zu bestrafen, wenn er nach rechtlicher Untersuchung des Verbrechens überwiesen worden ist. Warum hält man es mit den schriftstellerischen Verbrechen nicht eben so? Der Censor, dem ein criminelles Manuscript in die Hände kommt, kann und darf doch (wenige Fälle ausgenommen) nichts weiter tun als den Druck verbieten? Und dieses Verbots ungeachtet, wird es irgendwo gedruckt und als Contrebande in den Staat hinein geschwärzt werden. Wozu also die Censur? (3: 574 Anm.)

Ja, also wozu die Zensur, wenn autoritäres Denken sowieso immer wieder hinterfragt wird und werden müßte? Vielleicht hatte Heine mit seiner berühmten Antwort auf die Zensurpraxis nicht nur des Vormärz sondern aller Zeiten mit seinem Verweis auf die leichte Art, Zensurverbote zu umgehen, recht gehabt: Capitel XII - - Die Deutschen Censoren- -

Dummköpfe (Reisebittler,



2. Teil)

Inwiefern die »Autoren« den Autoritätsinstanzen erfolgreich entgegengewirkt haben und sich weiterhin behaupteten, wird dem Leser dieses Bandes selbst überlassen. Allenfalls bleibt wahr, was die Geschichte von Zensur und Kultur seit Anfang kennzeichnet: Das immerwährende Tauziehen zwischen normwahrenden und normsprengenden Kräften zwingt einen, häufig zwischen den Zeilen zu lesen. John A. McCarthy Vanderbilt University

Ute Daniel

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhundert Die Feiertagsfrage im Süden des alten Reichs

I. Die Geschichte der Eingriffe der Obrigkeiten in die Feiertagspraxis der Untertanen hat auf den ersten Blick wenig mit dem zu tun, was man Zensur nennt. Das liegt an dem Zensurbegriff, der seit dem 18. Jahrhundert in den Mittelpunkt des politischen und wissenschaftlichen Interesses gerückt ist, nämlich die staatliche Kontrolle der Produktion von Texten und Bildern in Literatur und Theater, Publizistik, Kunst und Wissenschaft - d.h. die staatliche Kontrolle desjenigen Personenkreises, der sich zu Spezialisten für die symbolische Sinnstiftung und Wirklichkeitsdeutung entwickelt, und seiner Produkte. Dieser Zensurbegriff ist mittlerweile so dominant und selbstevident, daß kaum noch bekannt ist, daß »Zensur« in der frühen Neuzeit ursprünglich eine sehr viel weiter gehende Bedeutung hatte: Zu ihr gehörte auch die Kirchenzensur, also diejenige Kontrollpraxis, die die Kirche zur Sicherung ihrer materiellen und symbolischen Herrschaft einsetzte und bis weit in die Neuzeit hinein aufrechterhielt. Die Kirchenzensur erschöpfte sich nämlich nicht in der Kontrolle der Buchproduktion; für die Mehrheit der Menschen sehr viel entscheidender war die Kirchenzensur als Kontrollinstanz der alltäglichen Lebenspraxis: Die Kirchenzensurbehörden waren örtliche Kontrollorgane, die aus Klerikern und Laien zusammengesetzt waren und für diejenigen »Delikte« zuständig waren, die nicht in die Belange der Zivil- und Strafgesetzgebung fielen: Vor diese Gremien wurden Eltern zitiert, die ihre Kinder nicht regelmäßig in die Sonntagsschule schickten, Ehefrauen, die sich weigerten, für ihren Mann zu kochen, oder Männer und Frauen, die in sexueller Unordnung lebten. D.h. dieser ältere und weiter gefaßte Zensurbegriff verweist auf eine Kontrollpraxis, die das Alltagsleben der Menschen in seiner Gesamtheit zum Gegenstand hatte. Es gibt nun allerdings durchaus Gründe dafür, diesen weiteren Zensurbegriff generell auf das Verhältnis zwischen - weltlichen und geistlichen - Obrigkeiten und Volkskultur auszudehnen. Erstens erlaubt es ein solcherart erweiterter Zensurbegriff, auch die staatlichen Kontrollversuche der gesellschaftlichen Symbolproduktion in ihrer ganzen historischen Vielfältigkeit zu zeigen; und unter der gesellschaftlichen Symbolproduktion verstehe ich in Anlehnung an die Kulturanthropologie Feste und Feiern ebenso wie Kunst und Literatur, Wissenschaft und Religion oder alltagspraktische Deutungsmuster in ihrem jeweiligen sozialen und institutionellen Kontext.

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhunderl

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Zweitens w ä r e dies von Interesse f ü r die Geschichte der Zensur als Teil einer - noch zu schreibenden - Geschichte von H e r r s c h a f t als sozialer Praxis: Sie fragt danach, welche M e n s c h e n in welchen Situationen mit der Obrigkeit als eingreifender Instanz konfrontiert wurden und wie diese Konfrontationen jeweils verlaufen sind und w a h r g e n o m m e n w u r d e n ; und dieser Frage ist, wie ich meine, für die Schicht der spezialisierten Symbolproduzenten - Schriftsteller und Künstler, Zeitungsmacher und Wissenschaftler - ebenso nachzugehen wie für »normale« M e n s c h e n . Drittens und letztens plädiere ich f ü r den erweiterten Z e n s u r b e g r i f f , weil er uns T h e m e n erschließt, deren historische Untersuchung uns helfen könnte, wieder etwas mehr Abstand von Foucault und seinen Folgen zu gewinnen: Die sehr anregenden wissenschaftsgeschichtlichen Arbeiten Michel Foucaults haben infolge einer nicht unproblematischen Ü b e r t r a g u n g ihrer Grundthesen auf die allgemeine Geschichte zu einer Hypostasierung der A u s w i r k u n g e n obrigkeitlicher Kontrolle auf die menschliche Lebenspraxis geführt, d i e meiner M e i n u n g nach dringend relativiert werden muß. Und zu dieser Relativierung könnte vielleicht die Beschäftigung mit den Bemühungen der Obrigkeiten im 18. Jahrhundert, die Feiertage zu reduzieren, einladen. Denn diese Bemühungen zeichnen sich nicht nur dadurch aus, daß sie ungeachtet ihrer Intensität - von der noch heute die zahlreichen Akten zeugen, die in ihrem Verlauf produziert worden sind - praktisch mehr oder weniger erfolglos waren; sie sind auch insofern besonders lehrreich, weil sich an ihnen die unbeabsichtigten Folgen obrigkeitlicher M a ß n a h m e n studieren lassen - und diese sind mitunter sehr viel folgenreicher und für die Analyse der jeweiligen historischen Konstellationen nicht selten auch aufschlußreicher als die beabsichtigten.

II. Als Martin Luther im Jahr 1520 heftig gegen die Vielzahl der Feiertage polemisierte und insbesondere am Kirchweihfest kritisierte, es sei nichts anderes mehr »dann rechte T a b e r n , J a h r m a r k t und Spielhofe« (Luther, 1975: 69), konnte er sich der klammheimlichen Z u s t i m m u n g vieler kirchlicher Amtsträger gewiß sein. Z w a r hätten nur wenige von ihnen seine F o r d e r u n g unterstützt, alle Festtage außer den Sonntagen abzuschaffen, doch w a r dies eine Extremposition, die auch Luther selbst nicht mehr lange vertreten sollte. Die Kritik an der Vielzahl der Feiertage und an der unchristlichen Art und W e i s e , in der die Bevölkerung sie zu begehen pflegte, war längst vor der Reformation ein T o p o s obrigkeitlicher Regulierungsversuche; und sie sollte dies bis ins 19. Jahrhundert hinein bleiben. Es gibt jedoch einen eindeutigen Kulminationspunkt der Feiertagsproblematik, und dieser liegt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts: In den meisten europäischen Staaten setzten in diesem Zeitraum »aufgeklärte« - und das hieß vor allem: besonders eingriffsfreudige - kirchliche und weltliche Obrigkeiten zum Generalangriff auf die Feiertagspraxis ihrer Untertanen an. Die Folgen w a r e n , wie nicht selten in der Geschichte der Regierungskunst, überwiegend

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ungewollter Natur: Die Bevölkerung in Stadt und Land, und zwar besonders intransigent die letztere, demonstrierte bei dieser Gelegenheit durch jahrzehntelangen Ungehorsam und handfeste Ausbrüche sozialen Protests den alteuropäischen Obrigkeiten die Beschränktheit ihrer Eingriffsmöglichkeiten; für die Durchsetzung der angeordneten Feiertagsreduktionen und des damit verbundenen Arbeitszwangs an den aufgehobenen Feiertagen fehlten in vielen Fällen die Mittel und in fast allen Fällen eine Legitimation, die die Bevölkerung akzeptiert hätte. Im Zuge der Auseinandersetzungen um die Feiertage gingen daher in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nicht nur einige Pfarramts- oder Amtsstubenfenster zu Bruch, sondern auch ein guter Teil derjenigen Hoffnungen auf Veränderungsspielräume des alten Gesellschaftssystems, aus denen sich die verstärkte Eingriffsintensität nicht nur auf dem Gebiet der Feiertagspolitik gespeist hatte. Die Gründe für die unaufhaltsame Vermehrung der Feiertage, die den Zeitgenossen spätestens seit dem 13. Jahrhundert als Problem erschien, waren ebenso vielfältig wie die Schwierigkeiten, denen sich alle gegen übersah en, die ihr von diesem Zeitraum an Einhalt gebieten wollten. Der wichtigste Hintergrund für ihre Zunahme war die Tatsache, daß die Feiertage in sozialer, spiritueller und ökonomischer Hinsicht für jeweils verschiedene Teile der alteuropäischen Gesellschaften zentrale Funktionen auf sich vereinigten: - Für diejenigen Teile der Bevölkerung, die man heute die »abhängig Beschäftigten« nennen würde - also insbesondere Dienstboten, fronpflichtige Bauern und Gesellen - , garantierten die Sonn- und Feiertage (und nur sie) ein Mindestmaß an freier Zeit; darunter ist zwar auch, aber nicht nur »Freizeit« zu verstehen, denn diese Tage dienten nicht zuletzt der Arbeit an den eigenen Sachen und für die eigene Tasche. - Im Rahmen des vorherrschenden, religiös fundierten Weltbildes stellten Feiertage nicht nur die Gelegenheit dar, mit den zuständigen spirituellen Instanzen ins Reine zu kommen - genauso wichtig war ihre eng damit verbundene Funktion der Nahrungs- und Katastrophenprophylaxe: Vor allem für die Landbevölkerung bot die Verlobung von Feiertagen für einige der auf ihre Nöte spezialisierten Heiligen und Fürbitter eine der wenigen Möglichkeiten, sich gegen schlechte Ernten, Viehseuchen und andere Katastrophen rückzuversichern. - Ein unmittelbar ökonomisches Interesse an der Einführung neuer Feiertage hatten die lokalen Kirchen und Klöster; ihre Einnahmen durch Pilgerinnen konnten beträchtlich erhöht werden, wenn etwa derjenige Märtyrer, über dessen Reliquien sie verfügten, durch einen eigenen Feiertag in der ganzen Diözese geehrt wurde. Es war diese Gemengelage unterschiedlicher Funktionen, die die Feiertagsvermehrung im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit vorantrieb. Es kam aber noch ein weiteres Moment hinzu, das diese Entwicklung nicht nur beschleunigte, sondern in ein jeder allgemeinen Regelung unzugängliches Chaos einmünden ließ: In der nachmals katholischen Kirche konnte neben dem Papst jeder Bischof neue Feiertage anordnen - eine

Zensur und Volkskultur im 18.

Jahrhundert

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Einrichtung, von der in den meisten Diözesen im Lauf der Jahrhunderte fleißiger Gebrauch gemacht wurde. Da demnach neben dem allgemein verbindlichen Minimalprogramm des römischen Festkalenders - der neben den 52 Sonntagen pro Jahr in den päpstlichen Dekretalen des 12. und 13. Jahrhunderts 41 bzw. 45 Feiertage vorschrieb - für jede Diözese ein eigener Festkalender hinzukam, addierten sich in manchen Gegenden wie beispielsweise dem Bistum Bamberg oder dem Erzbistum Köln die offiziellen Feiertage auf 50 oder mehr im Jahr, so daß im Durchschnitt jede Woche neben dem Sonntag einen weiteren Feiertag enthielt. Und zu diesen kamen schließlich noch die in den einzelnen Gegenden oder Dörfern eigenmächtig inaugurierten Feiertage, die sog. Hagelfeiertage, hinzu, die die Zahl der Feiertage noch einmal um einige, in Extremfällen um bis zu 30 vermehren konnten. Die seit dem 13. Jahrhundert in den Quellen faßbaren Bemühungen von Diözesansynoden und anderen Institutionen, die Vermehrung der Feiertage zu verlangsamen oder partiell rückgängig zu machen, dürften wohl nicht zuletzt auf die Interessenartikulation derjenigen gesellschaftlichen Gruppen zurückzuführen sein, die ökonomisch auf die Arbeitsleistung der »abhängig Beschäftigten« angewiesen waren: die Handwerksmeister und die Bauern, die durch die geltenden arbeitsrechtlichen Gepflogenheiten gehalten waren, ihre Gesellen und Dienstboten auch an denjenigen Tagen zu verköstigen und zu entlohnen, an denen diesen kirchlicherseits die Arbeit untersagt war, und die Fronherren - zu denen nicht zuletzt die Kirche selbst in ihrer Eigenschaft als Grundherr gehörte - , denen die Feiertage den Zugriff auf ihre Fronpflichtigen erschwerten. Das Problem bei der Durchsetzung derartiger Interessen war jedoch, daß den Sonn- und Feiertagen eine so eminente sakrale Funktion zukam, daß es zwar viele Gründe gab, Feiertage einzuführen und von Seiten der Obrigkeiten streng auf die Einhaltung des damit verbundenen Arbeitsverbots und auf ihre würdige Begehung zu achten, kaum jedoch Gründe, einmal bestehende Feiertage wieder abzuschaffen: Das mit den Sonn- und Feiertagen verbundene Sinnstiftungspotential war eben nicht diesseits-, sondern jenseitsbezogen, lag in der durch sie zu realisierenden Möglichkeit und Pflicht, sich den überirdischen Mächten der Daseinsgestaltung in geziemender Weise zuzuwenden bzw. diese Mächte durch zweckmäßige Rituale zu bewegen, sich der Nöte des irdischen Daseins gnädig anzunehmen. Die einzige mit diesem Wahrnehmungskontext vereinbare Feiertagspolitik der kirchlichen und weltlichen Obrigkeiten konnte also nur sein, auf die Heiligung und nötigenfalls Vermehrung von Feiertagen hinzuwirken und ihre Entheiligung durch Unsittlichkeiten und gotteslästerliches Gebaren zu bestrafen. Dementsprechend stand bei nahezu allen Bemühungen »von oben«, Feiertage zu reduzieren, das Argument im Vordergrund, die Bevölkerung mißbrauche sie zu Unzucht, Völlerei und ähnlichem gotteslästerlichen Verhalten eine Argumentation, die umgekehrt die mahnenden Obrigkeiten in ihrer Rolle als von Gott eingesetzte Hüter der göttlichen Ordnung und Erzieher der sündigen Menschen legitimierte. Wie zentral in den Augen der Untertanen gerade dieser Teil der Legitimation jeder weltlichen und kirchlichen Obrigkeit war, sollten diejenigen Regierungen zu spüren bekommen, die im 18. Jahrhundert den Ehrgeiz entwickelten,

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die Bevölkerung von der jahrhundertealten Tradition abzubringen, die einschlägigen Verordnungen und Ermahnungen - weniger, aber dafür gottgefälliger zu feiern - zu ignorieren. Angesichts der heiklen und komplexen Natur des Problems beschränkten sich die obrigkeitlichen Regulierungsbemühungen bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Regel buchstäblich auf halbe Maßnahmen: Statt sich an die schwer zu begründende und noch schwerer durchzuführende Abschaffung von Feiertagen zu wagen, zielten die meisten der einschlägigen Verordnungen darauf ab, ganze in halbe Feiertage umzuwandeln, d.h. den Charakter des Tages inklusive des damit verbundenen vorgeschriebenen Messebesuchs zu wahren, nach dem Anhören der Messe jedoch die Arbeit zu »erlauben«. Diesem Muster folgte die bekannte Feiertags-»Reduktion«, die der Vatikan infolge der Beschwerden deutscher Reichsstände auf dem Fürstentag in Regensburg 1524 erließ; ihr zufolge sollten neben den Sonntagen nur 36 Feiertage als ganze bestehen bleiben und an allen weiteren die Arbeit nach dem Messebesuch zulässig sein. Diesem Muster folgte auch noch die Bulle, die Papst Benedikt XIII. auf Ansuchen des Provinzialkonzils von Tarragona 1727 erließ und die Benedikt XIV. 1742 bis 1745 auf andere spanische Diözesen ausdehnte: Auch sie schaffte keinen einzigen Feiertag ab, sondern wandelte 17 Heiligenfeste in Halbfeiertage um. Der Effekt dieser Maßnahme hielt sich durchweg in Grenzen: Nicht zuletzt angesichts der mehrstündigen Hin- und Rückwege, die ein großer Teil der Landbevölkerung für den Besuch der Messe zurücklegen mußte, war die Neigung in Spanien und anderswo, von der Arbeitserlaubnis an diesen Tagen Gebrauch zu machen, nicht sehr ausgeprägt. Als langfristig wenig folgenreich erwiesen sich auch zwei Versuche, das Feiertagsproblem mit einem einzigen radikalen Schnitt zu lösen, nämlich die Reformation und die Bulle Universa per orbem Urbans VIII. vom 13. September 1642. Trotz der anfänglichen Radikalität reformatorischer Absichtserklärungen war die Feiertagsfrequenz von protestantischen Konfessionen wie den Lutheranern oder auch der anglikanischen Hochkirche der katholischen bald wieder zum Verwechseln ähnlich; in einigen protestantischen Territorien wie zum Beispiel Preußen waren es erst die Bemühungen der katholischen Reichsstände um eine Beschränkung der Feiertage, die Anstoß zu entsprechenden eigenen Verordnungen gaben. Die also durchaus überkonfessionelle Natur des Problems führte zu der auf den ersten Blick etwas frappierenden Situation, daß zwar einerseits katholische Befürworter einer Feiertagsreduktion immer wieder das Argument anführten, bei den Protestanten habe sich die wirtschaftlich segensreiche Folgewirkung der selteneren Feiertage bereits erwiesen, sich dann aber von ebenfalls katholischen Gegnern einer solchen Maßnahme entgegenhalten lassen mußten, in ihren Gegenden käme eine Abschaffung etwa der Apostelfeiertage nicht in Frage, solange die Lutheraner des Nachbarorts diese Feiertage beibehielten und damit gewissermaßen katholischer wären als die Katholiken. Die Bulle von 1642 wiederum, die den ersten und letzten Versuch der römischen Kurie in der Frühen Neuzeit darstellte, der völligen Unübersichtlichkeit des Festkalenders durch eine für die gesamte katholische Welt verbindliche Auflistung der

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gebotenen Feiertage Herr zu werden, scheiterte in der Durchführung genau an dem Problem, das sie beheben sollte: Angesichts der Heterogenität der auf Bistums- und Ortsebenen kirchlicherseits erlassenen Festkalender, in denen eine Reihe der durch die Bulle verbindlich gemachten Festtage bisher noch gefehlt hatten, führte diese allgemein verbindliche Anordnung von 36 überall neben den Sonntagen zu feiernden Tagen öfter zu einer Komplettierung als zu einer Verminderung der Feiertage. Allerdings dürfte sie eine gewisse prophylaktische Wirkung ausgeübt haben, da sie ohne das Recht der Bischöfe auf die Einführung neuer Feiertage formell aufzuheben - die Zahl zusätzlicher regionaler und lokaler Patronsfeste auf zwei beschränkte und die Bischöfe ermahnte, in Zukunft keine neuen Feiertage einzuführen.

III. Der Beginn des 18. Jahrhunderts bescherte ausgerechnet einer der entlegensten Regionen Europas, der alpenländischen Diözese Brixen, eines der ersten Modernisierungsexperimente am Beispiel der Feiertage, wie sie für die zweite Hälfte dieses Jahrhunderts typisch werden sollten. Zu diesem Zeitpunkt konnte auch diese Diözese bereits auf eine jahrhundertelange Tradition vergeblicher Versuche zurückblicken, die Feiertagspraxis der Bevölkerung quantitativ und qualitativ in den Griff zu bekommen. Der 1702 in sein Amt eingeführte Fürstbischof Kaspar Ignaz von Künigl entschloß sich 1707 gegen das Votum des Domkapitels, das in deutlichen Worten vor dem Skandal warnte, den diese Maßnahme bei der Bevölkerung erregen werde, in Anlehnung an die bisher in Brixen nicht umgesetzte Bulle von 1642 zu einer Neuregelung der Feiertage. Diese sah die Umwandlung von vier der bisher gebotenen in halbe Feiertage vor und ordnete auch für die hier wie anderswo nicht unerhebliche Zahl »inoffizieller« regionaler und lokaler Feiertage an, daß diese zwar nach wie vor durch Gottesdienste und andere geistliche Verrichtungen begangen, aber nicht mehr als verbindlich betrachtet werden dürften. Die Folge war der vom Domkapitel prophezeite Sturm der Entrüstung. Die Mandate wurden von den Kirchentüren abgerissen, Geistliche wurden bedroht und beschimpft; und die Entsendung einer Abordnung der Landbevölkerung nach Brixen, die den Fürstbischof um Wiedereinführung der alten Feiertagsregelungen bitten sollte, endete mit Tumulten vor der bischöflichen Hofburg und der Inhaftierung einiger Beteiligter. Der Bischof zog sofort die Konsequenzen, indem er die Umsetzung seiner Feiertagsverordnung ins Ermessen der Geistlichen stellte - was nichts anderes bedeutete als den Verzicht auf ihre Durchführung. Den Schlußstrich unter das Experiment zog die Brixener Diözesansynode von 1729, die in ihren Statuten ohne weiteren Kommentar die alte Feiertagsverordnung von 1603 nachdruckte. Der Schock dieser Erfahrung war offensichtlich so einschneidend, daß noch die Nachfolger Kaspar Ignaz von Künigls von ihm geprägt waren: Jedenfalls reagierten sie auf die seit der Jahrhundertmitte immer drängender werdenden Vorstellungen erst Maria Theresias und dann ihres

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Sohns Josephs II., in ihrem Bistum die jetzt seitens der Zentralregierung betriebenen Feiertagsreduktionen umzusetzen, unter Hinweis auf die soziale Sprengkraft derartiger Maßnahmen mit ausgesprochenem Widerwillen, so daß die Wiener Regierung dem Fürstbischof Leopold von Spaur 1773 aus diesem Grund zeitweilig die Einkünfte aus den landesfürstlichen Teilen seiner Diözese sperrte. Es blieb dem »aufgeklärten« Selbstverständnis geistlicher und weltlicher Regierungen vorbehalten, die Erfahrungen der Dolomitenregion auf erweiterter Basis zu wiederholen und breiteren Kreisen der Bevölkerung zugänglich zu machen. Am Anfang der intensivierten Feiertagspolitik der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stand eine lebhafte Diskussion innerhalb der römischen Kurie in den 1740er Jahren, die von Papst Benedikt XIV. initiiert und, als ihre Eigendynamik aus dem Ruder zu laufen drohte, durch Publikationsverbot wieder beendet wurde. An der Spitze der Kurie stand seit 1740 mit Benedikt XIV. ein gelehrter und Reformen nicht grundsätzlich abgeneigter Papst, von dem sich die reformorientierte jansenistische Fraktion des Kardinalskollegiums Maßnahmen zu einer grundlegenden Umgestaltung der katholischen Kirche erhoffte. Der Veränderungsdruck, den sie artikulierten, resultierte vor allem daraus, daß die institutionalisierte Form der katholischen Kirche gewissermaßen quer zur dynamischsten zeitgenössischen Entwicklungstendenz stand, nämlich der inneren Staatsbildung der um Konsolidierung bemühten Territorial Staaten. Die Konflikte zwischen der katholischen Hierarchie und den weltlichen Regierungen, die deren Verhältnis in den folgenden Jahrzehnten bis zum Ende des alten Reichs prägen sollten, hingen in politischer und in' ökonomischer Hinsicht eng mit diesen Staatsbildungsprozessen zusammen: Auf der politischen Ebene ging es um die Frage, inwieweit Entscheidungen des römischen Hofes unmittelbar bindend für die Territorien etwa Portugals, Spaniens oder Österreichs sein konnten, aber auch um die Konkurrenz der katholischen Kirche und der Staatsregierungen hinsichtlich der schulischen und universitären Ausbildung. Auf der ökonomischen Ebene war es das Grundproblem der Territorialstaatsbildung in Gesellschaften mit geringer wirtschaftlicher Produktivität, das in den folgenden Jahrzehnten zu den schärfsten Konflikten führte: Der unersättliche Finanzbedarf der Staaten und ihrer Nuklei, der Hofgesellschaften, führte dazu, daß bei der Suche nach neuen Steuerquellen auch vor der Besteuerung des Klerus nicht mehr Halt gemacht wurde. Der einzige gemeinsame Nenner, auf den sich die durchaus nicht homogenen Bestrebungen zu einer »Modernisierung« der katholischen Kirche bündeln ließen, war der um 1740 bereits jahrzehntelang schwelende Kampf gegen die Jesuiten, die als verlängerter Arm Roms galten und in den katholischen Territorien die Schul- und Universitätsausbildung dominierten. Von einem der »Aufklärung« nicht abgeneigten Papst erwarteten die reformorientierten Teile des Klerus demzufolge vor allem anderen eine antijesuitische Politik. Diese ließ jedoch noch bis 1773 auf sich warten, als der von der antijesuitischen Fraktion ins Pontifikat gewählte Klemens XIV. den Jesuitenorden tatsächlich nach längerem Zögern aufhob. Benedikt XIV. ließ sich weder zu dieser noch zu einer anderen Signalwirkung ausstrahlenden Maßnahme

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhundert

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b e w e g e n . Statt dessen wandte er sich dem vertrauten Problem der Feiertage zu. N a c h d e m die 1741 von ihm niedergesetzte Kommission für L i t u r g i e r e f o r m einmal mehr festgestellt hatte, daß sich die Zahl der Feiertage e n o r m v e r m e h r t habe, faßte der Papst 1742 in einem E x p o s é zu dieser F r a g e seine Sicht der D i n g e z u s a m m e n . D a s mit der V e r m e h r u n g der kirchlichen Festtage v e r b u n d e n e P r o b l e m , so f ü h r t e er wie schon viele vor ihm aus, sei zum einen, daß sie oft nicht mehr im richtigen kirchlichen Sinn begangen, sondern als Anlaß zu Ausschweifungen

mißbraucht

w ü r d e n , und zum anderen, daß das Arbeitsverbot an diesen Tagen die E r w e r b s b e d ü r f tigen in A r m u t stürze. Auch hielt er es f ü r erwiesen, daß infolgedessen die Ketzer mehr Reichtümer ansammelten als die Katholiken. Bei der anschließenden E r ö r t e r u n g der verschiedenen Möglichkeiten, dem Übelstand zu steuern, v e r w a r f er die Abschaff u n g von Feiertagen wegen des zu erwartenden Widerstands und die Verlegung von Feiertagen auf die Sonntage wegen des eigenständigen Charakters der Sonntage, d e r dadurch verwischt werde; am angemessensten erschien ihm offensichtlich die U m wandlung von ganzen in halbe Feiertage - e i n e Vorgehensweise, die er im L a u f e seines Pontifikats f ü r eine Reihe von Territorien wie beispielsweise in Spanien, Sizilien, Sardinien, die T o s k a n a und Österreich genehmigte - , doch war ihm klar, daß es mit der E f f i z i e n z dieser M a ß n a h m e nicht allzu weit her w a r . Schließlich plädierte er für die Z u s a m m e n l e g u n g m e h r e r e r Feiertage auf einen T e r m i n , wie dies etwa bei Peter und Paul und anderen Heiligen bereits der Fall w a r . Dieses E x p o s é ließ Benedikt X I V . 40 Kardinälen, Erzbischöfen und Theologen mit der Bitte um Stellungnahme vorlegen. Zu einer K a l e n d e r r e f o r m im Sinn seines Vorschlags konnte sich die Liturgiekommission nicht durchringen. Statt dessen entbrannte nun innerhalb der römischen Kurie die Diskussion p r o und kontra Feiertagsreduktion. Kardinal Quirini, d e r intransigenteste Gegner j e d e r Feiertagsreduktion - seiner Meinung nach war die F e i e r t a g s f r a g e eine F r a g e des D o g m a s und nicht nur der Disziplin - , ging im August 1748 schließlich so weit, seine Stellungnahme für die Beibehaltung des status q u o in schriftlicher F o r m dem gesamten italienischen Episkopat zukommen zu lassen. Die den päpstlichen Standpunkt stützende Gegenschrift Muratoris konnte nicht mehr gedruckt w e r d e n , da jetzt der Papst im N o v e m b e r 1748 die von ihm selbst angestoßene Debatte durch ein generelles Publikationsverbot zu diesem T h e m a - Z u w i d e r h a n d e l n d e wurden mit der Strafe der Exkommunikation bedroht - beendete. Bei dieser Gelegenheit gab er das Ergebnis seiner M e i n u n g s u m f r a g e von 1742 bekannt: 33 der angefragten kirchlichen Experten hatten sich für eine Feiertagsreduktion ausgesprochen, aber nur 15 von diesen plädierten d a f ü r , das 1642 bereits mit höchst zweifelhaften Ergebnissen eingesetzte Mittel einer allgemeinen Feiertagsordnung für die g e s a m t e katholische Kirche noch einmal zu wiederholen; die anderen 18 R e d u k t i o n s b e f ü r w o r t e r , denen der Papst sich anschloß, waren d a f ü r , Reduktionen nur jeweils auf A n f r a g e n von Bischöfen in deren Territorien zu gestatten. Es bleibt, wie es ist, lautete demnach das Votum der römischen Kurie um 1750; wie sich n u n m e h r auch anläßlich der Feiertagsfrage gezeigt hatte, demonstrierten E r ö r t e r u n g e n von etwas grundsätzlicherem Charakter die Heterogenität dessen, was

22

Ute Daniel

katholische K i r c h e hieß, in einem A u s m a ß , daß Handlungsspielräume kaum noch auszumachen waren. V i e l m e h r zeigte sich i m m e r wieder, daß derartige Erörterungen die T e n d e n z hatten, ungelöste innerkirchliche P r o b l e m e ans T a g e s l i c h t zu bringen. Im V e r l a u f der Debatten in den 1 7 4 0 e r Jahren war etwa der dann ebenfalls durch das Publikationsverbot von 1 7 4 8 wieder unter den T i s c h gekehrte Grundkonflikt zwischen dem römischen H o f und den ( E r z - ) B i s c h ö f e n deutlich g e w o r d e n , als die F r a g e auftauchte, ob B i s c h ö f e befugt seien, von sich aus die Umwandlung von ganzen in halbe F e i e r t a g e zu gestatten. W i e s schon das verstärkte Interesse des römischen H o f s an der F e i e r t a g s f r a g e unverkennbare Z ü g e einer Übersprungshandlung auf, indem das Tätigwerden a u f diesem G e b i e t quasi zum Ersatz für M a ß n a h m e n eintrat, die die - auch in der zeitgenössischen W a h r n e h m u n g - zugrundeliegenden Problemkonstellationen unmittelbar an die O b e r f l ä c h e gehoben hätten, so galt dies mindestens im gleichen M a ß für die sich nun anschließende Initiative des W i e n e r Hofs. Im Rahmen der sich um die Jahrhundertwende abzeichnenden ersten P h a s e der theresianischen

Kirchenreform-

politik, die nicht zuletzt durch die jansenistische Fraktion innerhalb der römischen K u r i e mitinspiriert war ( H e r s c h e , 1 9 7 7 : 8 7 - 9 3 ) , kam der Feiertagspolitik - neben anderen Fragen wie der K l o s t e r r e f o r m , der Besteuerung von Kirchenland und der Unterwerfung päpstlicher Bullen und Enzyklika unter eine staatliche Genehmigungspflicht - eine nicht unerhebliche R o l l e zu. S i e war eines der Mittel zum primären Z w e c k der damaligen habsburgischen Politik, nach der N i e d e r l a g e gegen Preußen im K r i e g um Schlesien den militärischen und institutionellen Staatsbildungsprozeß zu beschleunigen

-

ein Ziel, das nur über die V e r m e h r u n g der Staatseinkünfte zu

erreichen war. D i e geringe Ertragskraft der Landwirtschaft als wichtigstem Produktionssektor war nun in der T a t nicht nur in Österreich, sondern in ganz E u r o p a diejenige G r e n z e , an die alle Bemühungen vorindustrieller Staaten um Erweiterung ihrer Abschöpfungsmöglichkeiten i m m e r wieder stießen. Ihre U r s a c h e lag allerdings weit weniger im häufigen Feiern der Landbevölkerung

als in der Struktur der

ländlichen Gesellschaften selbst: D e r zeitgenössische Stand von Agrarwissenschaft und -technik bot nur begrenzte Handhabe für eine durchgreifende Produktivitätssteigerung; und vor allem waren es die Besitz- und Herrschafts verhältnisse a u f dem Land, die dazu führten,

daß in den meisten Regionen

Alteuropas eine Erhöhung

der

Arbeitsleistung und -erträge zuerst einmal dem grundbesitzenden Adel zuflössen, nicht aber der arbeitenden Bevölkerung selbst oder dem Staat (Dipper, 1 9 8 0 : 3 8 - 4 9 ) . E i n e durchgreifende Produktivitätssteigerung der Landwirtschaft hätte demnach - und dies war auch den damaligen Politikerinnen

und Politikern durchaus bewußt

(Matis,

1 9 8 1 : 2 8 8 f . ) - eine Neuorganisation der landwirtschaftlichen Herrschafts- und Besitzverhältnisse zur Voraussetzung gehabt. F ü r eine Aufkündigung des i m m e r wieder gefährdeten, aber in unterschiedlicher Ausprägung für alle größeren Territorialstaaten des 18. Jahrhunderts konstitutiven Kräftegleichgewichts zwischen Staatsregierung und grundbesitzendem Adel fehlten j e d o c h den Regierungen in Österreich und anderswo die finanziellen und institutionellen Voraussetzungen.

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhumlert

23

In dieser Situation verfiel nun M a r i a Theresia auf den A u s w e g , die landwirtschaftlichen Arbeitserträge durch E r h ö h u n g der jährlichen Arbeitszeit zu steigern und gleichzeitig die Zugriffsmöglichkeiten der Grundbesitzer auf die v e r m e h r t e Arbeitsleistung zu b e s c h r ä n k e n . Zu diesem Z w e c k beantragte sie in R o m die A b s c h a f f u n g einer Reihe von Feiertagen inklusive der mit ihnen verbundenen Pflicht des Messebesuchs und untersagte den G r u n d h e r r e n , an diesen Tagen die fronpflichtigen Bauern zum R o b o t heranzuziehen. Benedikt X I V . kam diesem Ansuchen mit d e m Indult v o m 1. September 1753 zwar insofern nach, als er d e m W i e n e r Erzbischof die G e n e h m i gung erteilte, die Zahl der gebotenen Feiertage zu reduzieren. Doch blieb er bei seiner Stellungnahme von 1742, daß die gänzliche Beseitigung von Feiertagen aus d e m Kalender w e g e n des zu befürchtenden Widerstands untunlich sei - eine Einschätzung, deren Realitätsgehalt sich sehr schnell erweisen sollte - , und ließ daher die »halben« Feiertage mit d e m Gebot des Messebesuchs bestehen. W i e gewohnt zeigte nun auch in Österreich die A b w ü r d i g u n g von Feiertagen ebenso wenig W i r k u n g wie das erneut damit verbundene Gebot, außer den offiziell gebotenen keine weiteren Festtage zu begehen. Die Bevölkerung weigerte sich, an den a b g e w ü r digten b z w . offiziell nie anerkannten lokalen Feiertagen auf die damit verbundenen sakralen Gepflogenheiten zu verzichten und statt dessen zu arbeiten. Ein Versuch M a r i a Theresias, am ersten »abgeschafften« Feiertag, dem Ostermontag

1754

-

Ostermontag und -dienstag waren ebenso wie Pfingstmontag und -dienstag den obrigkeitlichen Kürzungen zum Opfer gefallen - , ein Signal zu setzen,

indem

Bauarbeiten auf d e m W i e n e r Burgplatz fortgeführt wurden, endete mit einem Mißerfolg: Die sich an der Baustelle zusammenrottenden Menschenmassen wirkten bedrohlich genug, um die Regierung zu veranlassen, die Bauarbeiten für diesen und vorsichtshalber auch gleich noch für den folgenden T a g auszusetzen - was der lebhaftere Teil der Residenzbevölkerung anschließend durch das Demolieren m e h r e r e r G e s c h ä f t e feierte ( M ö ß n e r , 1915: 21). Ungeachtet dieses wenig ermutigenden Beginns hielt die W i e n e r Regierung unter M a r i a Theresia und später auch ihrem Sohn Joseph II. an den Feiertagsreduktionen fest und bemühte sich in den folgenden Jahrzehnten, diese in allen Gebieten der H a b s b u r g e r M o n a r c h i e durchzusetzen. Ihrem Beispiel folgten nach und nach zahlreiche weltliche und geistliche, protestantische und katholische Obrigkeiten überall dort, w o die maßgeblichen Personen sich um einen »aufgeklärten« Regierungsstil bemühten und in »konkurrierender Imitation«' den beispielgebenden größeren Territorialstaaten - neben Österreich vor allem Preußen und Frankreich - nacheiferten: Feiertagsreduktionen waren »in« - wenn auch nur bei den Obrigkeiten und keineswegs

1

Krippendorff, 1975: 79. Dies funktionierte in der Praxis wohl nicht selten so wie beim Pfälzer Kurfürsten, dessen Initiative zur Feiertagsreduktion durch Zeitungsmeldungen im F r ü h j a h r 1765 über eine entsprechende Politik der Wiener Regierung animiert wurde;

Generallandesarchiv

Karlsruhe (im folgenden: G L A ) 77/3426, B1.3ff. Für Hinweise und Kritik danke ich Jürgen Reulecke, Adelheid von Saldern und Hans Reinhard Seeliger.

24

Ute Daniel

bei ihren Untertanen, die in dieser Form zu fleißigerer Arbeit und einer stärker diesseitsorientierten Heilserwartung angehalten werden sollten. Dies mußte beispielsweise auch der protestantische Markgraf von Baden-Durlach erfahren, der 1756 unter Hinweis auf das Beispiel anderer Staaten in seinen Gebieten die Zahl der Feiertage reduziert sehen wollte. Die geistlichen Mitglieder seiner Regierung hatten ihm noch in einem ausführlichen Gutachten abgeraten. 2 Wie sie ausführten, sei die Behauptung, die Feiertage würden zu Sündentagen gemacht, zu »generell« und lasse sich genausogut auf die Sonntage anwenden: D e n n es hören an diesen Tagen ebensoviel Leute die Predigt, als viele sie nicht hören; Es erbauen sich an denselben so viel redl[iche] Seelen, als viel Gesindel ausschweift; Es arbeiten nach dem Gottesdienst auf den Dorfschaften mehr Leute, als in den Städten müßig gehen [...] Gesetzt nun, es w ü r d e n diese gemeinen Feiertage ganz abgeschafft. So w ü r d e es nicht nur ein allgemeines M u r r e n im ganzen Lande erwecken, dergleichen schon die Reduzierung der Hälfte verursacht hat: W i e aus der sonderlich dem gemeinen M a n n angeborenen, tiefeingewurzelten und in dieser Sache ganz unschuldigen Liebe zum Altertum [i.e. zum alten Herkommen U.D.] und den laut schreienden Klagen fleißiger

Dienstboten, welche die feiertäglichen] Abendstunden, weil es an Sonntagen verboten ist

und an Schafftagen von Herrschaften nicht gestattet wird, zu reparirung ihrer schadhaften Kleidung anzuwenden pflegt [sie], leicht zu schließen ist. Sondern es w ü r d e eher noch der ganze T a g , ohne Gottesdienst, von manchen Personen in Müßiggang zugebracht werden [ . . . ] Können w i r deswegen nicht einsehen, daß andere von uns entfernte Länder uns desfalls zur Richtschnur dienen sollen.

Schaue man sich in der unmittelbaren Nachbarschaft um, so fuhren die Gutachter fort, dann zeige sich, daß hier noch niemand mit einer ähnlich einschneidenden Maßnahme vorangegangen sei: W i e denn auch wirklich alle solche Veränderungen in gottesdienstlichen Dingen nicht nur mit großer Bedachtsamkeit gemacht werden müssen; Sondern es ist auch, um vieler nachgehende erfolgenden Inconvenientien willen, weit ratsamer und besser, man lasse es bei dem vorigen bleiben, weil zumalen gar keine notdringende Ursache vorhanden ist, dergleichen Veränderung vorzunehmen und zu einem solchen extremo zu schreiten.

Der Markgraf erließ jedoch 10 Tage darauf eine Verordnung, die unter Berufung auf das »Exempel anderer christlich-evangelischer Länder« 3 zahlreiche Feiertage abstellte. Die Reaktion der Untertanen folgte umgehend, und zwar nicht nur in Form vager Unwillensäußerungen, sondern auch in Gestalt von Eingaben wie etwa der eines Schultheißen u.a. Bürger aus einem Haardtdorf vom Januar 1757, in der warnend daraufhingewiesen wurde, daß man schon nach der Reduzierung der Aposteltage auf halbe Feiertage im letzten Jahr »die großen Windwirbel und das entsetzliche große Erdbeben« hatte; man brauche also mehr und nicht weniger Gottesdienste. Daran, wie Gott die Menschen letztes Jahr gestraft habe, sehe man, daß der »Untergang der Welt droht«, also solle man die Feiertage bitte wieder einführen. 4

2

G L A 74/4384: Gutachten der geistlichen Mitglieder des Kirchenrats an Markgraf von Baden-Durlach

3

G L A 74/4384: Markgraf von Baden-Durlach 22. Oktober 1756.

4

Ebd.: Eingabe vom 31. Januar 1757.

11. Oktober 1756.

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhundert

25

In d e m daraufhin eingeholten Gutachten des Kirchenrats w u r d e z w a r festgehalten, daß d i e Zeichen f ü r Gottes Zorn nicht der Abstellung von Feiertagen, sondern im Gegenteil d e r Entheiligung der Feiertage gelte, die der Grund für die Abstellung gewesen w a r . Doch überzeugte dies nur den M a r k g r a f e n , nicht aber die Bevölkerung, die mit o f f e n e m U n g e h o r s a m und anonymen Drohbriefen an die Geistlichen reagierte. Viele d e r Ortsgeistlichen kamen schließlich selber um R ü c k n a h m e d e r Feiertagsverordnung ein, weil ihre Schäfchen nicht nur renitent w u r d e n , sondern o f f e n und nachdrücklich den Verdacht äußerten, die ganze Angelegenheit sei nur ins Rollen g e k o m m e n , weil die P f a r r e r zu faul seien, um ihren feiertäglichen Predigtverpflichtungen n a c h z u k o m m e n . Ein P f a r r e r berichtete, er verkündige nicht mehr - w i e angeordnet - die abgewürdigten Feiertage a m folgenden Sonntag, weilen ich aber alle mal bei Verkündigung, daß der Feiertag auf den nächstkünftigen Sonntag verlegt sei, bei den meisten meiner Zuhörer lächerliche Gesichter wahrgenommen, ja sogar einer von den jungen Purschen [ . . . ] auf der Emporkirche so laut, o weh, gesagt, daß ichs auf der Kanzel hören könnet

D i e Trennlinie zwischen F ü r s p r e c h e r n und Gegnern der Feiertagsreduktionen verlief also quer zu den Konfessionsgrenzen durch zwei unterschiedliche Konfliktzonen: Einerseits schieden sich hier die B e f ü r w o r t e r eines eingriffsfreudigen Regierungsstils, der auf »systemimmanente« Modernisierung setzte und obrigkeitliche A n o r d n u n g e n als deren treibendes M o m e n t begriff, von Anhängern eines eher »traditionalen« Obrigkeitsverständnisses, die vor den ungewollten Folgen staatlich induzierter V e r änderungen warnten. Z u m anderen verlieh das Feiertagsproblem dem Verhältnis zwischen Obrigkeiten und Untertanen eine neue Brisanz: Die jahrhundertealte Tradition obrigkeitlicher E r m a h n u n g e n , weniger und vor allem auch gottgefälliger zu feiern, mag z w a r im großen und ganzen folgenlos geblieben sein, hatte aber dennoch - vielleicht auch gerade deswegen - die ü b e r k o m m e n e Legitimation von H e r r s c h a f t als von Gott eingesetztem Instrument der Versittlichung der Untertanen i m m e r wieder bestätigt. Diese Rolle von Obrigkeiten hatte nicht nur sinnstiftende, sondern auch eine eminent lebenspraktische Bedeutung gehabt: Indem weltliche und geistliche Regierungen aller A r t ihre Funktion der Versittlichung d e r Untertanen ausübten oder sich zumindest d a r u m bemühten, hielten sie den Zorn Gottes vom Land fern, wie er sich i m m e r w i e d e r bei gegebenen Anlässen in schlechten Ernten, Epidemien und anderen Katastrophen zu zeigen pflegte. Als nun Obrigkeiten zunehmend die T e n d e n z an den T a g legten, die Qualität ihres Regierungshandelns auch bei der Feiertagspolitik mehr an der - notfalls gewaltsamen - Durchsetzung ihrer Verordnungen zu messen als an deren prophylaktischer W i r k u n g , agierten sie außerhalb des traditionalen Legitimationsmusters von H e r r s c h a f t . G r o ß e Teile der Bevölkerung reagierten auf diesen W a n d e l , indem sie den Regierungen in Worten und in Taten das Recht auf eine derartige Politik bestritten und dieses Verhalten nun ihrerseits mit derjenigen Legiti-

5

Ebd., Bl. 123.

26

Ute Daniel

mation rechtfertigten, die das obrigkeitliche Handeln gerade hinter sich lassen wollte: In ihren Augen g e f ä h r d e t e die A b s c h a f f u n g von Feiertagen - v o r allem die d e r aus unmittelbar lebenspraktischen Beweggründen verlobten Hagelfeiertage - die F u n k tionsweise der Nahrungs- und Katastrophenprophylaxe; die logische Konsequenz dieser W a h r n e h m u n g s w e i s e w a r , daß von nun an die Regierungen f ü r v e r d o r b e n e E r n t e n , Viehseuchen und Erdbeben verantwortlich w a r e n . H i n z u k a m nun noch ein dritter Konfliktbereich, d e r vor allem in größeren katholischen Staaten wie Österreich, aber zunehmend auch in Bayern virulent wurde, als deren Regierungen sich im Z u g e der inneren Staatsbildungspolitik mit Vertretern und Institutionen d e r katholischen Kirche anzulegen begannen. W o die F e i e r t a g s f r a g e der zweiten Jahrhunderthälfte sich vor einem solchen Problemhintergrund entwickelte, schieden sich an ihr die Geister sehr viel ausgeprägter als a n d e r s w o entlang der Trennlinie zwischen staatlichen Reduktionsbefürwortern und kirchlichen Gegnern derartiger M a ß n a h m e n . Als ein Beispiel, an dem im folgenden gezeigt werden soll, w i e sich die Feiertagsproblematik in Z u g und Gegenzug, Argumenten und Gegenargumenten von der Jahrhundertmitte bis um 1770 entwickelt hat b z w . stagniert ist, soll hier das Bistum Konstanz dienen, in dessen einschlägiger K o r r e s p o n d e n z alle der genannten Konfliktbereiche ihren Niederschlag gefunden haben.

IV. D i e Auseinandersetzung zwischen Wien und Konstanz, die sich über drei Jahrzehnte hinziehen sollte, begann mit einem Schreiben der vorderösterreichischen Regierung an den Konstanzer Bischof Franz Konrad von Rodt ( 1 7 5 0 - 1 7 7 5 ) vom D e z e m b e r 1753, in dem dieser informiert w u r d e , daß vom Wiener Hof eine Bulle des Papstes f ü r das Bistum Prag e r w i r k t worden sei, in dem dort, »nach dem Exempel anderer Königreiche und Staaten«, 6 die Feiertage reduziert w u r d e n ; entsprechendes wollte man jetzt auch f ü r die vorderösterreichischen Gebiete angeordnet sehen, die auf dem Gebiet der Diözese Konstanz lagen. Der Konstanzer Bischof reagierte zurückhaltend; wie er in einem internen Papier formulierte, w ü r d e ein solches Vorgehen

möglicherweise

sowohl mit den Reichsfürsten und Ständen seines Bistums als auch mit den Untertanen, bei denen womöglich üble Impressionen erweckt w ü r d e n , P r o b l e m e bringen. E r beschloß, sich erst einmal mit seinen bischöflichen Kollegen in Verbindung zu setzen. Im Verlauf der nun ausgetauschten Kommunikationen erweiterte und präzisierte sich das Argumentationsspektrum. Der Augsburger Bischof wies im Januar 1754 die österreichische Regierung d a r a u f h i n , daß derartige Regelungen v . a . in konfessionell gemischten Gebieten problematische Folgen haben könnten, wenn etwa in einer Stadt

6

Erzbischöfliches Archiv Freiburg (im folgenden: EAF) A l / 4 4 5 : Regierung Vorderösterreichs an Bischof von Konstanz 11. Dezember 1753.

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhundert

27

wie A u g s b u r g Feiertage von Katholiken und Protestanten begangen w ü r d e n , während in den österreichischen Ortschaften vor den Stadttoren die Katholiken an diesen Tagen arbeiteten. M a n müsse bei Eingriffen in die Feiertagspraxis sehr a u f p a s s e n , daß der gemeine M a n n von der Einigkeit des katholischen Glaubens sattsam überzeugt bleibe, der widrig gesinnte aber in seinem Irrtum nicht mehr bestärkt w e r d e . 7

M a n k ö n n e auch nicht sagen, f u h r der A u g s b u r g e r Bischof fort, die Feiertage gehörten zu denjenigen D i n g e n , die als relativ unwichtige im freien E r m e s s e n der Kirche entschieden werden können; denn die Leute wüßten von ihren Eltern und Großeltern her ganz genau, daß i m m e r schon soundsoviele T a g e im Jahr gefeiert worden seien und daß es kirchliches Gebot sei, sich an solchen Tagen der Arbeit zu enthalten. Nach dieser eingebürgerten Logik, so der Bischof weiter, wäre es viel leichter, neue Feiertage e i n z u f ü h r e n , als alte abzuschaffen. E r riet dringend ab, sich auf solche E x p e r i m e n t e einzulassen. Diesen Bedenken Schloß sich die Konstanzer Diözesanspitze in einem internen M e m o r a n d u m vom F r ü h j a h r 1754 voll an. Man könne nicht zulassen, daß in gemischtkonfessionellen Gebieten die Lutheraner »nach ihrer angewohnten Scheinheiligkeit« 8 noch Aposteltage feiern, an denen die Katholiken arbeiteten - ganz davon zu schweigen, daß innerhalb der katholischen Bevölkerung selbst unterschiedliche Regelungen gelten w ü r d e n : W e n n nun aber zu besorgen ist, es dörfften sich hieran sämtliche katholischen Bistums-Kinder, welche die allgemeine Gleiche und Einigkeit als das Haupt-Merkmal der Wahrheit Unseres Heilig Glaubens von Jugend auf eingepräget wird, Ihrer einfältigen Gedenk Art stoßen, und auf allerlei dem gemeinen M a n n nicht so leicht zu benehmen seiende Gewissens- und Glaubens-Zweifel verfallen, 9

dann müsse der Bischof seine Schäflein vor solchen Anfechtungen hüten. Entsprechend formulierte nun der Konstanzer Bischof sein Antwortschreiben an die vorderösterreichische Regierung, indem er das Hauptgewicht seiner E i n w ä n d e auf das Problem der unterschiedlichen Reichs- und ritterschaftlichen Territorien in seiner Diözese legte; doch scheint dieses Schreiben nicht abgeschickt worden zu sein. Die österreichische Regierung ließ die Sache dann vorerst auf sich beruhen, bis sie gut zehn J a h r e später, 1765, anfragte, w a r u m i m m e r noch nichts geschehen sei. Zu dieser N a c h f r a g e hatte sie allen G r u n d , da die päpstliche Vollmacht f ü r die Diözese Konstanz, ganze in halbe Feiertage umzuwandeln, bereits seit Januar 1756 vorlag. Hinzu k a m , daß sich jetzt die ersten Regierungen kleinerer Territorien meldeten und dem österreichischen Beispiel zu folgen wünschten. Auf das Ansuchen St. Blasiens noch im F r ü h j a h r 1766, auch in seinen Gebieten die Feiertage zu reduzieren, v e r m e r k t e der Konstanzer Geistliche Rat zwar:

7

E A F A l / 4 4 5 : Bischof von Augsburg an die Repräsentation in Konstanz 30. Januar 1754.

8

E A F A l / 4 4 5 : Promemoria Frhr. von Deurings (ca. Februar 1754).

9

Ebd.

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Ute Daniel Die bedenklichen Folgen von dieser reduction haben sich allbereits schon an ein- und anderen Orten gezeigt, w o die gedruckten Patente von der Kirchentüre ab- und zu Stücken verrissen wurden, so daß es scheint, das gemeine Volk werde sich hinzu nicht leicht bequemen w o l l e n . 1 0

D o c h auf den verstärkten D r u c k , den die österreichische Regierung seit 1765 ausübte, um ihre v o r über 10 Jahren inaugurierte, aber in der Konstanzer wie in anderen Diözesen ihres T e r r i t o r i u m s nach wie vor b e m e r k e n s w e r t folgenlose Feiertagspolitik nun endlich durchzusetzen, reagierte der finanziell von Wien abhängige Konstanzer B i s c h o f " jetzt doch mit einem Zugeständnis. Der kaiserliche Minister, G r a f Chotek, hatte sich im Januar 1766 erneut an ihn gewandt und verlangt, die M ü ß i g g ä n g e r zur Arbeit zu zwingen, indem auch die heilige M e s s e an den abgestellten Feiertagen nicht m e h r abgehalten werden sollte, b z w . alle noch bestehenden Feiertage auf Sonntage zu verlegen. D a m i t w ä r e das Ziel erreicht, daß etwa 3 Millionen arbeitsfähiger M e n s c h e n rund 30 Arbeitstage mehr pro Jahr zur V e r f ü g u n g hätten, wie es bei den Nichtkatholiken bereits gehalten w ü r d e , die d e m z u f o l g e d e r katholischen Bevölkerung an Reichtum bereits »weit überlegen« seien. 1 2 Als Beleg für die Verhaltensweise anderer Bischöfe legte der Graf die Abschrift eines Mandats vor, das der Bischof von T o u r n a i 1751 in gleicher Sache erlassen hatte. W i e a n d e r e seiner angeschriebenen A m t s b r ü d e r auch, betrachtete der Konstanzer Bischof sich als nicht befugt, Feiertage als ganze abzuschaffen b z w . zu verlegen, fand sich j e d o c h im F e b r u a r 1766 bereit, für das Breisgau und Vorarlberg 18 Feiertage in H a l b f e i e r t a g e u m z u w a n d e l n . Als aber daraufhin die vorderösterreichische Regierung im S o m m e r desselben Jahres d a r u m ansuchte, die Feiertagsreduktion jetzt auf alle österreichischen Gebiete der Konstanzer Diözese auszudehnen, lehnte der Konstanzer Geistliche Rat dieses ab und gab seinen Protest zu Protokoll: Dergestalten nehme also die animositet derer österreichischer Dicasterien [ . . . ] überhand, daß sie sich gegen dem bischöflichen] Ordinariat ohne Scheu aufwerfen, und gleichsam demselben den Staat aus Händen zu reißen suchen, wenn nicht endlich zu verfänglichen Mitteln sollte geschritten werden.' 3

Ein Mittel verfing nun in der folgenden Zeit tatsächlich gegen die Vorstöße der Wiener R e g i e r u n g , und dies war die o f f e n k u n d i g e - von den Ortsgeistlichen geduldete oder g e f ö r d e r t e - Ablehnung der Feiertagsreglementierung durch die Untertanen. K o n n t e die Konstanzer Kurie sich auch nicht ganz verweigern - das war angesichts m e h r e r e r einschlägiger päpstlicher Verlautbarungen kaum möglich - , so konnte sie sich doch wenigstens darauf verlassen, daß die Durchschlagskraft der neuen

10

Anordnungen

EAF A l / 4 4 5 : Extrakt des Protokolls des Geistlichen Rats vom 30. April 1766.

" Da Franz Konrad von Rodt 1756 von Benedikt XIV. zum Kardinal ernannt worden war, die Konstanzer Diözese für den standesgemäßen Aufwand eines Kardinals aber nicht aufkommen konnte, ließ ihm Maria Theresia die Erträge zusätzlicher Pfründen zukommen; 1988: 410. 12

EAF A l / 4 4 5 : Graf Chotek an Bischof von Konstanz 11. Januar 1766.

13

EAF A l / 4 4 5 : Extrakt des Protokolls des Geheimen Rats vom 27. August 1766.

Kuhn,

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhundert

29

gering blieb. So entsprach sie im H e r b s t 1766 dann endlich dem W u n s c h des Wiener H o f s , die Feiertagsreduktion auch in den restlichen österreichischen Gebieten anzuordnen, in d e r Gewißheit, daß dem sicheren Veraehmen nach das Volk fast aller Orten, w o die Feiertage wirklich eingeschränkt w o r d e n , solche zu feiern fortfahre, und folglich zu vermuten stehe, es werde diese letztere reduction von gleichem Erfolg, w i e die erstere s e i n . 1 4

Angesichts dieser Einstellung war es wohl i . d . R . kein Zufall, wenn einige der einschlägigen V e r o r d n u n g e n mit so wenig N a c h d r u c k publiziert w u r d e n , daß über J a h r e hinweg die betroffenen P f a r r e r und Untertanen von deren Existenz nichts wußten bzw. ihr Nichtwissen erfolgreich vorschützen konnten, wie die österreichische Regierung mehrfach erbittert a n m e r k t e . Der W i e n e r H o f ließ j e d o c h jetzt nicht mehr locker und reagierte sehr nachdrücklich auf diese neue Rückzugslinie. Im Oktober 1767 w a n d t e sich die F r e i b u r g e r Regierung an Konstanz mit der Beschwerde, daß in allen Sprengein der gemeine Bauers-Mann an derlei Tagen [i.e. den abgestellten Feiertagen U . D . ] sich dennoch bisher noch auf die faule Haut lege, und hiermit von der einmal angenommenen Gewohnheit, die Tage zu feiern ungeachtet selbe dispensiert sind, nicht ablassen wolle. Die Ursache hievon wird hauptsächlich den Seelsorgern selbst beigelegt, weilen selbe das Volk von der Kanzel hierzu sogar aneiferten, und dabei durch zu späte Haltung des Gottesdienstes, wozu der Bauer noch alleweil unter einer Todsünd verbunden ist, an diesen Tagen die Zeit zur Arbeit mittelst Lesung der Heil[igen] Messen, um 10, und 11 U h r , vollkommen benehmen, wobei dann der Bauer und dessen Gesinde in der Kirche feiertäglich gekleidet erscheine, so daß also auf diese Art der ganze Vormittag ohne Arbeit vorbeistreiche.

E s sei geradezu, so f u h r die Freiburger Regierung fort, »als wenn gar keine Dispensation vorliege«, 1 5 und dies müsse jetzt endlich a u f h ö r e n . Die Konstanzer Kurie befand j e d o c h , eine zu f r ü h e Lesung der Messe könne dem österreichischen Klerus im Interesse der Untertanen nicht empfohlen w e r d e n . Derartige Winkelzüge dürften ihren Teil zur Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Konstanz und Wien beigetragen haben, die dazu führte, daß Franz Konrad von Rodt 1769 nicht mehr wie noch 1758 zur Papstwahl nach Rom reisen durfte. Gegen diese Hinhaltetaktik des Konstanzer Bischofs und den

ȟbertriebenen

E i f e r « , 1 6 mit dem die Geistlichen an den abgestellten Feiertagen die M e s s e lasen, k ä m p f t e die Wiener Regierung i m m e r wieder erfolglos an. Daß hinter dieser bischöflichen Hartleibigkeit j e d o c h immer noch mehr steckte als der Widerstand gegen weltliche Ü b e r g r i f f e allein, zeigte sich, als vom Jahr 1769 an die Diskussionen um die Feiertagsreduktionen in den südlichen Regionen des Reichs in eine neue Phase traten.

14

E A F A l / 4 4 5 : Extrakt des Protokolls des Geheimen Rats vom 16. Oktober 1766. E A F A l / 4 4 6 : Vorderösterreichische Regierung in Freiburg an Bischof von Konstanz 30. Oktober 1767.

16

E A F A l / 4 4 6 : Vorderösterreichische Regierung an Bischof von Konstanz 12. Juli 1769.

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Ute Daniel

V. Das Jahr 1769 markiert in zweierlei Hinsicht einen (kirchen-)politischen Wendepunkt: Im Februar starb Papst Klemens XIII., in dessen Pontifikat »aufklärerische« Forderungen jeder Art auf wenig Gegenliebe gestoßen waren; das galt für die Feiertagsreduktionen ebenso wie für das zentrale Anliegen der bourbonischen Höfe, die Aufhebung des Jesuitenordens. Im folgenden Konklave gelang es jetzt, mit Klemens XIV. einen neuen Papst durchzusetzen, der sich entsprechenden Anforderungen gegenüber aufgeschlossener zu zeigen vesprach. Klemens XIV. erfüllte die in ihn gesetzten Erwartungen, indem er am 21. Juli 1773 tatsächlich die Aufhebung des Jesuitenordens verkündete und den Anträgen auf Feiertagsverminderungen, die seit seinem Amtsantritt beim Vatikan wieder zuhauf eingingen - unter den ersten war der der Wiener Regierung, die bereits im September 1769 vorstellig wurde - , in sehr viel weitergehender Weise entsprach als seine Vorgänger. Insbesondere ließ er den Grundsatz Benedikts XIV. fallen, statt der Abschaffung ganzer Feiertage oder ihrer Verlegung auf Sonntage den behutsameren, wenn auch relativ folgenlosen Weg ihrer Umwandlung in halbe Feiertage zu gehen. Darüber hinaus brachte das Jahr 1769 mit den »Koblenzer Gravamina« einen ersten Höhepunkt des deutschen Episkopalismus, also der Bestrebungen von Teilen des deutschen Episkopats, gegenüber der römischen Politik eine größere Unabhängigkeit zu gewinnen. Als treibende Kraft wirkte in diesem Sinn vor allem der Mainzer Erzbischof Emmerich Joseph von Breidbach-Bürresheim (1763-1774), der seine Diözesen Mainz und W o r m s einem entschiedenen Modernisierungskurs unterwarf. Die Demonstration eines »aufgeklärten« Herrschaftsverständnisses gegenüber der Bevölkerung und die Proklamation der Unabhängigkeit gegenüber Rom standen gleichermaßen Pate bei dem großes Aufsehen erregenden Schritt, den der Mainzer Erzbischof 1769 in der Feiertagsfrage unternahm. In dem Bemühen, eine konzertierte Aktion des Episkopats in dieser Frage zu bewerkstelligen, schrieb er im September dieses Jahres seine bischöflichen Kollegen im Süden des Reichs an und unterbreitete ihnen den Vorschlag einer einheitlichen Feiertagsreduktion, die mit Beginn des folgenden Jahres in Kraft treten sollte. Im Gegensatz zu ihren zahllosen Vorgängerinnen sollte sie zwanzig bisher gebotene Festtage gänzlich abschaffen bzw. auf die Sonntage verlegen und darüber hinaus von den Bischöfen in eigener Verantwortung ohne ein entsprechenden päpstliches Indult durchgeführt werden. Zu einem einheitlichen Vorgehen brachten es die deutschen Bischöfe in den letzten Jahrzehnten vor der Säkularisation jedoch in dieser Frage genauso wenig wie in irgendeiner anderen. Der einzige Kollege, der mit dem Erzbischof von Mainz gemeinsam am 19. Dezember 1769 die vorgeschlagene Abschaffung von Feiertagen verkündete und zum 1. Januar 1770 in Kraft setzte, war der Erzbischof von Trier. Eine Reihe der anderen Kirchenfürsten wie der Erzbischof von Köln und die Bischöfe von Speyer, Hildesheim, Würzburg, Bamberg und Konstanz zogen es vor, erst einmal am römischen Hof die Genehmigung zu beantragen - eine Maßnahme, der sich dann

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhuwlerl

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vorsichtshalber auch M a i n z und T r i e r anschlossen, noch bevor ihre A n o r d n u n g e n veröffentlicht w u r d e n . W i e die Argumentation d e r ablehnenden Voten, die den Erzbischof von M a i n z nach seiner U m f r a g e erreichten, erkennen ließ, waren es nicht nur R e d u k t i o n s b e f ü r w o r t e r , die den langen W e g nach Rom zu schätzen wußten. Ihn bevorzugten auch diejenigen, die - wie d e r Salzburger Erzbischof oder der Bischof von Konstanz - aus prinzipiellen und/oder aus taktischen G r ü n d e n gegen derartige M a ß n a h m e n sprachen. D e r Konstanzer Bischof w a r n t e in seinem ablehnenden Antwortschreiben erneut vor der unfreiwilligen Unterminierung der eigenen

Herr-

schaftslegitimation: Es hat die leidige Erfahrung gezeigt, daß besonders seit den sogenannten Reformationszeiten dem katholischen Wesen nichts schädlicher sei als in den in die Kirchengebote oder nur Disziplin einschlagenden Dingen einzelne Verordnungen zu machen, und dadurch dem Glaubens-Gegenteil selbst den Vorwurf der nicht bestehenden Allgemeinheit in unserer Kirche an Händen zu geben. 17

Angesichts der Tatsache, daß die weltlichen Regierungen den Bischöfen den K a m p f angesagt hätten, was wohl alle Bischöfe merkten, deren Diözese das Territorium von »mächtigen weltlichen Nachbarn« berühre, bleibe als letzte Rettung des Klerus gegen diese U n t e r d r ü c k u n g nur übrig, »den Mangel der päpstlichen Einwilligung vorzuschützen«, da man sonst keinerlei G e g e n a r g u m e n t e mehr habe. D a h e r könne er, der Konstanzer Bischof, sich der M e i n u n g des Kollegen nicht anschließen. E s sollte j e d o c h d e r neue Papst selbst sein, der diese in Konstanz, Salzburg und a n d e r s w o gehegten H o f f n u n g e n zunichte machte. E r ließ unterm 7. F e b r u a r 1770 ein B r e v e an die E r z b i s c h ö f e von M a i n z , Köln und Trier sowie die Bischöfe von Speyer, Fulda und Bamberg und W ü r z b u r g gehen, in dem er neben den Sonntagen nur noch 22 F e i e r t a g e zu gebotenen erklärte, die Verlegung der abgeschafften Feiertage auf die Sonntage gestattete und das Gebot des Messebesuchs an den abgewürdigten Feiertagen a u f h o b . Jetzt kam auch außerhalb der Diözesen Mainz, W o r m s und T r i e r Bewegung in die Sache. Beflügelt durch das Beispiel von Mainz und Trier beantragte die W i e n e r Regierung im Juli 1770 die A b s c h a f f u n g einiger weiterer ganzer und der den ganzen nach wie vor so bedauerlich ähnlich sehenden halben Feiertage. Der Bischof von B a m b e r g und W ü r z b u r g entwarf nach Erhalt des päpstlichen Breves vom F e b r u a r 1770 ebenso wie dessen andere E m p f a n g e r eine Reduktionsverordnung, die er im M ä r z d e r bayerischen Staatsregierung zugehen ließ, um sich ihrer Unterstützung in der v o r h e r s e h b a r e n Auseinandersetzung vor allem mit der ländlichen Bevölkerung zu versichern. D a s wiederum inspirierte die bayerische Regierung, im Mai desselben Jahres von allen bayerischen Ordinariaten die Reduktion von Feiertagen für das g e s a m t e bayerische Territorium zu fordern. Doch nur der Bischof von A u g s b u r g , der in seiner Eigenschaft als Erzbischof von Trier bereits seine Bereitschaft zu derartigen M a ß n a h m e n demonstriert hatte, folgte dieser A u f f o r d e r u n g . Die übrigen bayerischen Bischöfe zogen es erst einmal vor, die Angelegenheit durch eine vorherige A n f r a g e

EAF Al/446: Bischof von Konstanz an Erzbischof von Mainz 19. Oktober 1769 (Konzept).

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Ute Daniel

in Rom dilatorisch zu behandeln. Auf dem Salzburger Kongreß 1770/1771, wo das bayerische Episkopat mit nicht gerade durchschlagendem Erfolg eine Art Sammlungspolitik gegenüber den staatskirchlichen Bestrebungen des Münchener Hofs diskutierte, stand am 28. September 1770 die Feiertagsfrage zwar auf der Tagesordnung. Doch konnte man sich angesichts der zahlreichen damit verbundenen Probleme, unter denen vor allem der zu erwartende Widerstand der auf ihre »Festtage und Ruhe zu sehr verspielten« (Pfeilschifter-Baumeister, 1929: 324) bayerischen Bevölkerung eine Rolle spielte, zu keiner allgemeinen Reduktion verstehen. Ein weiteres Mal war es Klemens XIV., der den Reduktionsgegnern hier wie anderswo die Argumente aus der Hand wand. Unterm 22. Juni 1771 erließ er das vom Wiener Hof erbetene Reduktionsbreve, das nun auch für Österreich die Pflicht des Messebesuchs an den seit 1754 offiziell abgestellten Feiertagen aufhob; Maria Theresia ließ das Breve am 6. Oktober in Wien publizieren und hob jetzt auch das Verbot auf, an den abgestellten Feiertagen die Untertanen zum Robot heranzuziehen. Der bayerische Kurfürst beantragte daraufhin ein entsprechendes Indult für Bayern, das er zum großen Mißvergnügen des bayerischen Episkopats am 16. Mai 1772 auch erhielt. Ab jetzt war auch die bayerische Bevölkerung vor den Segnungen der Moderne nicht mehr sicher. Und das um so mehr, als die bayerische wie auch andere weltliche und geistliche Regierungen darangingen, den Untertanen den fortschrittlichen Charakter ihrer Herrschaft dadurch zu demonstrieren, daß man die Einhaltung der neuen Verordnungen mit Druck und Gewalt zu erzwingen versuchte. In Mainz wurden nach Inkraftsetzen der Feiertagsreduktion im Januar 1770 Untertanen, die an den abgewürdigten oder offiziell nie anerkannten Hagelfeiertagen nicht arbeiteten, mit Prügel und Geldstrafen belegt; in Vorderösterreich wurden 1774 die Ortsobrigkeiten angewiesen, an den abgestellten Tagen die Häuser zu inspizieren, um nicht arbeitende Untertanen aufzuspüren und zu bestrafen; 1782 drohte eine Wiener Verordnung Gesellen, die an den aufgehobenen Feiertagen nicht arbeiten wollten, den Verlust des doppelten Taglohns an; seit 1787 konnten in Österreich Untertanen, die ihre Kirchweihfeste weiter an den traditionellen Tagen feierten, obwohl diese seit Oktober 1786 alle auf den dritten Oktobersonntag verlegt worden waren, zu öffentlichen Arbeiten bei Straßen- und Brückenbauten zwangsverpflichtet werden; und noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Verordnungen erlassen, die den bayerischen Untertanen Steuernachlässe verweigerten, wenn sie nicht nachweisen konnten, daß sie an den abgewürdigten Feiertagen gearbeitet hatten, oder die Einwohner Württembergs, die an solchen Tagen in festlicher Kleidung erwischt wurden, mit Gefängnisstrafen bedrohten. Auch die Ortsgeistlichen, die - ihrer Neigung und/oder der Erwartungshaltung ihrer Gemeinde folgend - an den ehemaligen Feiertagen zu spät oder zu feierlich die Messe abhielten, wurden unter Druck gesetzt. In der Diözese Konstanz beispielsweise, wo Bischof Maximilian Christoph von Rodt mit einiger Verspätung und erst auf den Druck sowohl des Wiener Hofs wie der Reichsstände seines Territoriums - allen voran ging hier seit Ende 1771 die geistliche Regierung von St.

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhundert

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Blasien - a m 9. Januar 1782 eine u m f a s s e n d e Feiertagsreduktion angeordnet hatte, der nun auch die bisherigen halben Feiertage zum O p f e r fielen, w u r d e n P f a r r e r 1786 mit d e m Verlust der Temporalia oder Entzug der P f r ü n d e bedroht, wenn sie der Nichtbeachtung der Feiertagsreduktionen Vorschub leisteten.

VI. In den letzten drei Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts mochte sich kaum noch eine Regierung d e m Z u g d e r Zeit entziehen. Geistliche und weltliche H e r r s c h a f t e n d e r größeren und der kleinsten Territorien kamen für ihre katholischen Untertanen beim Papst um Feiertagsdispense ein oder verfügten sie f ü r die Protestanten selbst. W ä h r e n d so das Beispiel der V o r l ä u f e r i m m e r weitere Kreise zog, mußten die Beispielgeber sich bereits überall mit den Reaktionen auf ihre Politik herumschlagen - Reaktionen, die z w a r vorausgesehen, in ihrer Heftigkeit aber wohl doch unterschätzt worden w a r e n . Ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung in Stadt und Land war w e d e r durch Einsicht noch durch Z w a n g zu den gewünschten Verhaltensänderungen zu b e w e g e n . Relativ glimpflich vollzog sich dieser Widerstand dort, w o die Untertanen bei der jahrhundertealten Tradition blieben, unbequeme obrigkeitliche Verordnungen höflich zu ignorieren, oder aber funktionale Äquivalente für den Ausfall an selbstbestimmter Zeit und sakraler Intensität schufen, indem sie an den betreffenden Tagen ins - o f t nicht weit entfernte - Nachbarterritorium auswichen oder, ein altbewährtes Hilfsmittel der Handwerksgesellen, die Praxis des »blauen Montags« weiterentwickelten. Doch äußerte sich dieser Widerstand nicht selten auch in sehr viel virulenterer F o r m : Ortsnotabein, die mit gutem Beispiel vorangingen und sich an abgestellten Feiertagen bei der Arbeit beobachten ließen, wurden die Fenster e i n g e w o r f e n ; Akte von Vandalismus an E r n t e f r ü c h t e n , die an solchen Tagen eingebracht worden w a r e n , w u r d e n gemeldet. In Kärnten zwangen D o r f b e w o h n e r i n n e n ihren P f a r r e r unter A n d r o h u n g körperlicher Gewalt zur Abhaltung des feierlichen Gottesdienstes. Und von den a u f m ü p f i g e n und spöttischen Redensarten, mit denen die Bevölkerung die ganze Sache kommentierte, müssen den Obrigkeiten auch schon längst vor der französischen Revolution die Ohren geklungen haben. Sprüche wie »Unser Sonntag hat ein Loch b e k o m m e n , das hat man mit Feiertagen ausgestopft«, 1 8 gehörten durchaus zu den zahmeren Varianten. K u r z u m : D i e E r f o l g e der einschlägigen Verordnungen hielten sich d u r c h w e g in G r e n z e n , die ungewollten Folgen jedoch keineswegs. D a s sah vor allem die Landbevölkerung allerdings genauso: Ihrer Meinung nach gehörte zu diesen Folgen nämlich alles, w a s nach obrigkeitlichen Eingriffen in ihre Feiertagspraxis alles schief ging H u n g e r s n ö t e und schlechte Witterung, Viehseuchen und Ungezieferplagen. In der

18

GLA 4384, B1.94.

Ute Daniel

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M a i n z e r Diözese klagten die E i n w o h n e r den Erzbischof 1771/72 an, durch seine Reduktionspolitik die herrschende Hungersnot verursacht zu haben; und drei Jahrzehnte später war dieses P r o b l e m noch genauso akut: N a c h d e m zu Beginn des neuen Jahrhunderts das Konstanzer Ordinariat unter Leitung des r e f o r m f r e u d i g e n Ignaz Heinrich von W e s s e n b e r g erneut auf die Abstellung der Feiertage hingewiesen hatte, meldete der D e k a n des Landkapitels Lindau im Mai 1802 19 Bedrohliches: D a s D r ä n g e n auf Feiertagsabstellung habe »eine ganz w i d r i g e Religionssensation bei dem gläubigen Volk hervorgebracht«. Die Leute erregten sich darüber, daß ihnen gerade jetzt, w o angesichts von Krieg und Entbehrung das Flehen um reiche Ernte so wichtig sei, der feiertägliche Bittgang verboten werde. Weiteres Insistieren auf derartigen Verboten w ü r d e »ein allgemeine Volksgärung unter gehässigsten Folgen« b e w i r k e n , so daß er seine Seelsorger angewiesen habe, daß, da hie und dort ein Auflauf zu befürchten sein würde, klüger geraten w ä r e , demselben einstweilen durch Nachgiebigkeit a u s z u w e i c h e n , als sich durch W i d e r s e t z e n g r o b e n M i ß h a n d lungen auszusetzen [...] Vorurteile, die (wie die abgestellten Feiertage und die willkürlichen Prozessionen, oder Bittgänge sind) ein gewisses Ansehen erreichet, sind nie von der Handweg bestürmet w o r d e n , daß sie nicht höchstwidrige Wirkungen herfurgebracht, und statt Aufklärung entweder in L ä r m ausarten, oder die Schlaueren auf ganz entgegengesetzte Lehrstücke brachten, als man ihnen beibringen wollte; wobei sie mit ihrem Sittenstand, und die Gemeinde mit ihrer Ruhe weit schlimmer führen, als vormals mit ihrem alten Wahn und Gebrauch. Turbata Religio Politiam Turbat.20

Auch aus den Reihen der Ortsgeistlichen kamen dringende Bitten um Z u r ü c k n a h m e d e r Feiertagsdispensationen, denn es »droht G e f a h r eines bedenklichen M i ß m u t s unter d e m Volke, wenn man ihm so viel auf einmal nehmen will.« 2 1 Selbst w o die L a n d b e w o h n e r ursprünglich keine P r o b l e m e mit der Feiertagsabstellung zu haben schienen, änderte sich dies, wenn lang anhaltende schlechte Wittterung die Ernte gefährdete, denn »sie wollten bemerkt haben, daß schon bei der ersten E i n f ü h r u n g dieser Verordnungen ihre F e l d f r ü c h t e durch Abfressung von W ü r m e r n 3 J a h r e hindurch gänzlich seien verderbt w o r d e n . « 2 2 Nicht nur in Konstanz plädierten angesichts dieser Sachlage viele Stimmen für ein Einlenken, um weiteren A u f r u h r zu verhüten. So hatte beispielsweise der Bischof von A u g s b u r g schon 1782 nach Konstanz berichtet, daß man hier mit den V e r s u c h e n , die Leute an den Feiertagen zur Arbeit zu bewegen, auf g r o ß e Schwierigkeiten gestoßen sei. Z w a r h a b e man gemeinsam mit der weltlichen Obrigkeit d a f ü r gesorgt, daß das ungesäumt von albernen Begriffen e i n g e n o m m e n e Volk mit scharfen Befehlen an den aufgehebten Feiertagen zur Handarbeit angestrengt worden ist, man gleichwohl aber

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E A F A l / 4 4 9 : Dekan des Landkapitels Lindau an Ordinariat Konstanz 4. Mai 1802.

20

Ebd.

21

E A F A l / 4 4 9 : P f a r r e r von Waldbertsweiler an Ordinariat Konstanz 14. Mai 1804.

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E A F A l / 4 4 9 : Pfarrer von Hilzingen an Dekanat 8. August 1805.

Zensur und Volkskultur im 18. Jahrhundert

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zu Verhütung größeren Übels mit der Exekution einzuhalten, und dem Strom auszuweichen sich allerdings bemüßigt gefunden hat. 23 Angesichts der heftigen Proteste gingen nicht nur geistliche Regierungen - 1 7 9 1 etwa nach dem Augsburger Bischof auch sein Konstanzer Kollege - dazu über, ausdrückliche oder stillschweigende Konzessionen zu machen. Auch weltliche Herrscher bekamen es mit der Angst zu tun. Der bayerische Kurfürst Karl Theodor beispielsweise, der noch 1785 die strenge Einhaltung der Feiertagsreduktion angemahnt hatte, ordnete im Jahr darauf an, niemand dürfe an den abgestellten Feiertagen zur Arbeit gezwungen und die feierlichen Messen dürften wieder gehalten werden - und ergänzte dies noch im selben Jahr durch eine Verfügung, die einer Aufhebung der Feiertagsreduktionen gleichkam: Ab jetzt sollten Geistliche, die an den aufgehobenen Feiertagen den Gottesdienst vernachlässigten oder ganz unterließen, mit Entzug der Temporalia bestraft werden. Zum Fähnlein der letzten Aufrechten, die weder klammheimlich noch offiziell dieses fehlgeschlagene Modemisierungsexperiment verabschiedeten, gehörte der Konstanzer Generalvikar Wessenberg, der im Dezember 1803 erneut die Abschaffung von Feiertagen durchsetzen wollte und damit einen der Anlässe für eine religiöse Protestbewegung schuf, die dem badischen Staat in seinen südöstlichen Gebieten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zu schaffen machte: Der Protest gegen den erneuten Angriff auf ihre Feiertagspraxis einte zum ersten Mal Vorläufer einer religiösen Sekte, die nach 1815 unter dem Namen der Salpeterer allen staatlichen Eingriffen in ihre Lebenspraxis den Kampf ansagen und damit in ganz Europa Aufsehen erregen sollte (Hansjakob, 1987: 14ff.). Wer zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf die letzten 30 Jahre intensivierter Feiertagsreduktionen zurückblickte, hatte wenig Anlaß, diese Methode obrigkeitlicher Arbeitszeitregulierung weiterzuempfehlen. Dementsprechend riet der Generalvikar der Mainzer Diözese 1802 dem neuen bayerischen Regenten auf dessen Anfrage hin nachdrücklich ab, sich auf derlei Maßnahmen zu verlegen: Die seit so vielen Jahren in Deutschland verbreitete Aufklärung hat hierinnen die Volksbegriffe noch nicht so reinigen können, daß der gemeine Mann dergleichen Neuerungen ruhig und gleichgültig ansehen werde. Obgleich die Verminderung der Feiertage schon vor mehr als 30 Jahren im Mainzer Erzbistum statt gehabt hat, obgleich nachher selbst Ihre Päpstliche Heiligkeit die Anzahl der Feiertage im Kirchenstaate vermindert haben: So hat doch dieses alles bis jetzt noch nicht, ungeachtet der von geist- und weltlicher Seite angewandten Bemühungen, eine allgemeine Beruhigung unter dem gemeinen Volke zu wege bringen können; und man hat noch vor wenigen Tagen in öffentlichen Zeitungen ruhestörende Vorfalle gelesen, die der schon so lange als Feiertag abgestellte Osterdienstag veranlasst hat [...]; der gemeine Mann, der [...] noch immer unfähig ist, das Zufallige vom Wesentlichen zu unterscheiden, [wird] diese neue Verlegung der Feiertage als einen wesentlichen Eingriff in die Religion ansehen, und dabei äußerst unruhig werden. 24

23 24

EAF Al/448: Bischof von Augsburg an Bischof von Konstanz 29. Juli 1782. GLA 77/3447, Bl. 24-28.

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Ute Daniel

VII. D a s neue J a h r h u n d e r t brachte nicht nur den zu diesem Zeitpunkt bereits unmittelbar bevorstehenden Untergang des alten Reichs, sondern in seinem weiteren Verlauf auch d i e U m w a n d l u n g und Dynamisierung der traditionalen Wirtschafts- und Sozialstruktur. D i e s e säkularen Prozesse waren es, die die F e i e r t a g s f r a g e nach und nach g e w i s s e r m a ß e n entpolitisierten, indem der Konflikt um die Verstetigung und Intensiv i e r u n g des Arbeitsalltags sich immer weniger im Verhältnis zwischen Obrigkeiten und Bevölkerung entzündete und statt dessen verlagert und anonymisiert w u r d e : D i e sogenannte Bauernbefreiung veränderte in vielen Regionen die ländlichen Herrschaftsund Besitzverhältnisse; dort konnte b z w . mußte jetzt die L a n d b e v ö l k e r u n g

ihre

Arbeitsintensität an den Vorteilen und Risiken orientieren, d i e die marktvermittelten Austauschverhältnisse mit sich brachten. Eine allgemeine Erhöhung der landwirtschaftlichen Arbeitserträge war die Folge eines verbesserten agrartechnologischen und -wissenschaftlichen Wissensstandes. Die Industrialisierung unterwarf die »freigesetzten« L o h n a r b e i t s k r ä f t e den disziplinierenden Gesetzen der Fabrikdisziplin und des Arbeitsmarkts. Und schließlich entwickelte sich in den Auseinandersetzungen zwischen Gewerkschaften und U n t e r n e h m e r n , zwischen Sozialreformern und Staatsbürokratien eine Sozialpolitik, die den abhängig Beschäftigten unter a n d e r e m auch ein gewisses Q u a n t u m lohnarbeitsfreier Zeit p r o T a g , p r o W o c h e und p r o Jahr (siehe hierzu z.B. Reulecke) bescherte. Heute, gegen E n d e des 20. Jahrhunderts, hat der soziale Grundkonflikt - wer wie lange und in welchem A u s m a ß über die Arbeitskraft anderer v e r f ü g e n d a r f - n i c h t s von seiner Brisanz verloren. Doch wird er in der Regel nicht mehr handgreiflich ausgetragen, und auch die Verursachung

ökologischer

Katastrophen hat man mittlerweile anderweitig zu lokalisieren gelernt. Auch dieser Konflikt ist inzwischen institutionalisiert und verwissenschaftlicht und seine A r e n a profanisiert: In ihr debattieren Arbeitgeber und Politiker, Mediziner und K r a n k e n v e r sicherungen über die Mittel zur Verringerung des Krankenstandes, denn eine Begründung, die außerplanmäßiges Feiern erlaubt bzw. verhindert, muß heute medizinisch formuliert sein.

Mark

Lehmstedt

Der »Fall Sailer« Zur Komplexität der katholischen Zensur im späten 18. Jahrhundert

I. Am 26. Juni 1794 beantragte der Münchener Verleger Johann Baptist Strobel beim kurfürstlichen Bücherzensurkollegium die Erteilung der Druckgenehmigung für die zweite, verbesserte und vermehrte Auflage von Johann Michael Sailers Vernunftlehre ßr Menschen wie sie sind, deren erste Ausgabe er 1785 veröffentlicht hatte. »Aufgefordert durch sehr viele sowohl in- als ausländische Freunde«, habe er sich entschlossen, »dieses gelehrte und seinem Verfasser so viele Ehre bringende Werk«, das seit mehr als drei Jahren nicht mehr lieferbar sei, erneut zu publizieren. Abweichend vom sonstigen Gebrauch könne er das Werk nicht im Manuskript zur Zensur einreichen, da »mir das Werk vom Herrn Verfasser Bogenweis, das ist, die gedruckten Bogen der ersten Auflage mit den hie und da beygefügten Verbesserungen einzeln zum Druk sind eingeschickt worden«. 1 Dennoch rechnete Strobel wohl mit keinerlei ernsthaften Komplikationen bei der Approbation, da es sich ja lediglich um eine - wenngleich überarbeitete - Neuauflage einer anerkannten wissenschaftlichen Schrift eines in ganz Deutschland geschätzten Gelehrten handelte, der zudem bereits die Druckerlaubnis des Augsburger Ordinariats besorgt hatte, in der es unmißverständlich hieß, das Werk enthalte »nihil contra catholicam fidem, vel bonos mores«, vielmehr »ad rei vero litterariae augmentum plurimum conducat, et eximiam eruditionem cum doctrinae claritate, soliditateque conjungat« (Sailer, 1795,1: a2 r ). 2 Das Münchener Bücherzensurkollegium übergab Strobels Antrag dem für das philosophische Fach zuständigen Zensor, Benedikt Stattler, der das Werk innerhalb von 14 Tagen las und am 9. Juli sein Urteil auf der Rückseite von Strobels Gesuch notierte:

1

Bayerisches Hauptstaatsarchiv München (künftig: H S T A M ) G . R . Fasz. 790 Nr. 22/3, o.pag. (26.6.1794).

2

A n m e r k u n g der Herausgeber: Für das Verständnis dieses Sachverhalts ist es nützlich, sich das wittelsbachische Bayern vor d e m Reichsdeputationshauptschluß von 1803 vorzustellen. Beispielsweise waren die Hochstifte Eichstätt, Regensburg und Augsburg ebensowenig »bayrisch« wie die schwäbischen Reichsstädte oder die geistlichen Staaten der Fürstbischöfe von Bamberg und W ü r z b u r g . Deswegen w a r z.B. ein Augsburger Imprimatur nicht geeignet, einen Buchdruck in München zu ermöglichen.

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Mark

Lehmstedt

Im dritten Hauptstücke fol.7. von d linea 6. die ganze Stelle so, daß sie nicht mehr kantisch laute, zu ändern, fol. 27. von linea 8. bis Ende des folgenden folii 28. omittatur. fol. 344. von linea 7. omittatur τ linea 14. allersequentes.

Gleichzeitig erteilte Stattler dem Bücherspediteur Schmöger den Befehl, sich umgehend in den Buchladen von Strobel zu begeben und dort alle Druckbogen der neuen Auflage von Sailers Vernunftlehre zu »obsigniren«. 4 Damit war aus dem Routinevorgang ein »Fall« geworden. Es war ein Fall unter vielen: Die für den Kurfürsten erstellte Statistik über die Tätigkeit des Münchener Bücherzensurkollegiums im Jahr 1794 verzeichnete 50 Sitzungen, bei denen von 19 Zensurräten über insgesamt 1749 Bücher und 82 Manuskripte, die sie gelesen und zensiert hatten, 663 Propositionen vorgetragen und 38 Berichte »ad manus« erstellt worden waren! 5 Der »Fall Sailer« war wohl kein besonders aufsehenerregender, wenngleich auch kein ganz alltäglicher, ein Fall allerdings, der sich durch eine außergewöhnliche Komplexität auszeichnete. Um die vielschichtigen, sich mehrfach überlagernden Entwicklungen allein dieses einen Zensurfalles und seines Umfelds nachvollziehbar zu machen, ist es notwendig, nach einer knappen Darstellung der Entstehungs- und Publikationsgeschichte der Vernunftlehre bis 1795 die je eigenen Erfahrungen mit den Zensurverhältnissen zu umreißen, die alle Beteiligten - Strobel als Verleger, Stattler als Zensor und Sailer als Autor - bis zu diesem Zeitpunkt bereits gesammelt hatten.

II. Textgenese und Verlagsgeschichte von Sailers Vernunftlehre lassen sich bis in die zweite Hälfte der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts zurückverfolgen. Bereits 1779 sprach Sailer in einem Brief davon, daß er »schon etliche Jahre an einer gemeinnützigen, natürlich leichten und gründlichen Vernunftlehre« arbeite (Lippert, 1972: 527). Doch erst Ende September 1783 näherte sich die Arbeit dem Abschluß, lediglich drei bis vier Bogen waren noch zu schreiben, allerdings glaubte Sailer, das Werk erst gegen Neujahr 1784 zum Druck geben zu können, »weil ich gedenke noch ein Paar Monate zur allergenauesten Revision über Such und Sprach zu verwenden« (Lippert, 1972: 532). Anfang November 1783 konnte Sailer dann endlich die als letztes fertiggestellte Dedikation an Johann Caspar von Lippert übersenden (Lippert, 1972: 533). Bereits im Frühjahr 1783 war davon die Rede, daß Johann Baptist Strobel in München den Verlag der Vernunftlehre übernehmen solle (Lippert, 1972: 530). Die 3

Ebd.

4

Ebd. (9.7.1794).

5

Verkürzte Fassung nach: HSTAM MInn 15805, Nr. 1.

Der »Fall Sailer«

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Verhandlungen mit dem Verleger führte Sailer allerdings nicht persönlich. Er hielt sich für »nicht klug genug und auch nicht eingefaßt genug, mit H. Strobel zu reden«, und bat daher Johann Caspar von Lippert, die geschäftlichen Dinge abzumachen. Seine »Bedingnisse«, die er Lippert übersandte, forderten an erster Stelle einen Druck »mit aller typograph. Schönheit in kleinem Octav mit kleinen Lettern auf weißem Papier mit Titelvignette«, mindestens die Hälfte der Auflage müsse auf gutem Schreibpapier abgezogen werden, als Honorar solle an Stelle einer festen Summe gezahlt werden, »was hundert Exemplare im Ladenpreis betragen«, dazu 30 Freiexemplare (Lippert, 1972: 536). Strobel akzeptierte zwar die Wünsche des Verfassers hinsichtlich der Druck- und Papierqualität sowie der Anzahl der Freiexemplare, setzte sich jedoch in der Frage des Honorars gegen den Autor durch. Dessen Forderung hätte bei einem Ladenpreis von 3 Gulden, den das Werk schließlich kostete, ein Honorar von 300 fl. bedeutet; Strobel dagegen war lediglich zur Zahlung von 100 fl. bereit, machte aber das Angebot, im Falle eines guten Verkaufs (und sofern das Werk nicht nachgedruckt werde) die restliche Summe bis zur von Sailer geforderten Höhe nachzuzahlen (Lippert, 1972: 533). Der Druck, den - wohl auf Sailers Wunsch - Deckhart in Augsburg übernahm, zog sich lange hin; begonnen im April 1784, erhielt Sailer erst am Tag vor Heiligabend die ersten fertigen Exemplare, vordatiert auf 1785, von Strobel zugesandt (Lippert, 1972: 542). Sailer war offenbar nicht nur vom wissenschaftlichen Wert, sondern auch von der guten Verkäuflichkeit seiner Vernunftlehre überzeugt, denn schon im April 1785 befürchtete er, daß Strobel das Werk »in der Stille« neudrucken, d.h. einen nichtautorisierten Doppeldruck herstellen lassen könnte, während er, Sailer, »hundert kleine theils Erläuterungen, theils Zusätze« in eine zweite, revidierte Ausgabe einarbeiten wolle (Lippert, 1972: 544). Doch es dauerte fast drei Jahre, bis - nach einer Mitteilung Sailers vom November 1787 - die erste Auflage »beinahe vergriffen« war (Schiel, 1952: 56), und weitere vier Jahre vergingen, bis 1791 erstmals wieder von einer Neuauflage gesprochen wurde (Lippert, 1972: 552); erst zu diesem Zeitpunkt waren nach Strobels Auskunft die letzten Exemplare der Erstausgabe tatsächlich verkauft. 6 Im Januar 1793 berichtete Sailer dann, daß er »gerade an der neuen Ausgabe der Vernunftlehre« arbeite, die in drei kleinen Bänden erscheinen solle (Lippert, 1972: 554). Die Umarbeitung zog sich anderthalb Jahre hin. Die Ursache für diese lange Zeitdauer sah Sailer bei Strobel, dem »entsetzlich langsame[n]« (Lippert, 1972: 555), der sehr »zögert [...], ob ich ihn gleich sehr treibe« (Lippert, 1972: 557), während Strobel seinerseits Sailer und die Eigenart seiner Arbeitsweise für die Verzögerung verantwortlich machte (nebenbei: ein bemerkenswertes Dokument für eine immer noch fehlende Sozialgeschichte des Schreibens als Arbeitsprozeß):

6

HSTAM G.R. 790 Nr. 22/3, o.pag. (26.6.1794).

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Mark

Lehmstedt

Wer Titl. Sailer kennt, [...] der wird wissen, daß selber theils wegen seinen übrigen viellen Amtsarbeiten, theils wegen seiner ihm schon eigenen Art als Schriftsteller zu arbeiten, nie ein Manuscript auf einmal zum Drucke, oder dem Verleger zur Druckbeförderung, sondern selbes nur Bogen oder Stellenweis schicket, und so mit einem Werk Jahrelang fortfährt. So ging es mit vorstehender Sailers Logik auch. Titl. Sailer benachrichtigte mir vor zwey Jahren, daß die erste Auflage von seiner Logik nunmero vergriffen, und er gesinnet sey, eine neue hin- und wieder verbesserte Auflage machen zu lassen, und mich zum Verleger wählen wolle. Er fieng, aus was Gründen weiß ich nicht, dieß Werk vom Ende, das ist zurück an zu umarbeiten, und schickte mir, so oft er einen Bogen umgearbeitet hatte zum Drucke zu; so wie ein Bogen abgedruckt war, muste ich ihm selben zur ersten Revision zuschicken; und wenn ich ihn dann wieder von ihm erhielt, und selber wieder abgezogen wurde, muste ich den Bogen erst wieder, so zu sagen zur Revision dem Titl. Exjesuiten Steiner 7 zuschicken, und erst nach dessen Aeusserung blieb er so oder nicht. So vergiengen ganze zwey Jahre, bis ich diese neue Auflage dieses überall berühmten, und so sehr in g der ersten Auflage vergriffenen Werkes zu Stande brachte.

Auf diese Art schritten Umarbeitung, Satz, Probedruck, Korrektur, erneute Revision, erneute Korrektur und Auflagendruck parallel zueinander bis zum Sommer 1794 fort, bis zu jenem Zeitpunkt also, da Strobel das Werk mit Ausnahme des noch fehlenden Titels und der Dedikation zur Zensur einreichte.

III. Johann Baptist Strobel hatte bis zum Sommer 1794 längst einschlägige Erfahrungen mit der bayerischen Zensur gemacht. Als er zu Beginn des Jahres 1778 die alteingesessene Verlagsbuchhandlung der Witwe Osten übernahm und unter eigenem Namen fortführte, herrschten in Bayern ausgesprochen moderate Zensurverhältnisse (Fichtl, 1992). Zwar hatte Kurfürst Maximilian III. Joseph 1769 ein Zensurmandat erlassen, 9 das dem Wortlaut nach zu den rigorosesten im ganzen deutschen Reich gehörte und auf eine vollständige Überwachung des Buchwesens abzielte, doch realisiert worden war es nur in wenigen Bruchstücken und selbst da inkonsequent. Das neugeschaffene Zensurkollegium bestand durchweg aus ausgewiesenen Vertretern einer gemäßigten katholischen Aufklärung, trat nur selten zusammen und beschränkte sich ganz auf die Präventivzensur der eingereichten Manuskripte. Ohne Imprimatur erschienene Bücher waren - im Widerspruch zum Zensurmandat - für das Zensurkollegium ebenso wenig existent wie Werke ausländischer Verleger, die nach Bayern gesandt oder hier von fremden Buchhändlern bzw. durch Hausierer vertrieben wurden, es sei denn, andere staatliche oder kirchliche Institutionen oder Privatpersonen führten Beschwerde; von einer Überwachung der Landesgrenzen und Kontrolle der eingehenden Bücherpakete,

7

Joseph Anton Steiner in Augsburg, der zugleich der dortige Zensor der Vernunftlehre war und das erwähnte Imprimatur des Augsburger Ordinariats erteilte.

8

Ebd. (13.7.1794).

9

Enthalten z.B. in: HSTAM MInn 15794, o.pag.

Der »Fall Sailer«

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wie sie das M a n d a t verordnet hatte, war keine Rede. 1770 erschien zwar d e r im M a n d a t anbefohlene Katalog verbotener Bücher, doch u m f a ß t e er nicht m e h r als 9 6 indizierte Schriften; eine Fortsetzung ist nie veröffentlicht und in den nächsten zwei Jahrzehnten auch nicht erstellt w o r d e n . F ü r d i e Zielrichtung der vom Zensurkollegium allein ausgeübten Präventivzensur sind einige Begründungen äußerst aufschlußreich, mit denen D r u c k g e n e h m i g u n g e n verweigert w u r d e n . So befand ein Z e n s o r 1781 über ein Manuskript, daß die Schrift z w a r nichts gegen den Staat, die Religion und die guten Sitten enthalte, »aber so schlecht [ist], daß ich das Publikum nicht damit belästigen wollte. W i r haben der fliegenden Schriften, und der vermeintl. Schriftsteller so viele, die wie W ü r m e r an den Wissenschaften nagen, daß ich ihre Zahl nicht vermehren wollte«. D e r Autor m ö g e sich »auf etwas Wesentliches, und d e m Staate Nützlichers« konzentrieren. 1 0 Noch schärfer urteilte man 1779 über ein anderes W e r k , das w i e d e r u m nichts wider Staat, Religion und Sitten enthielt, d a f ü r aber voller juristischer und sprachlicher Fehler w a r : » f ü r die N a h r u n g der M ä u s e in einem Buchgewölbe, oder f ü r Käs K r ä m e r , kann es allein nützlich seyn, und ist zu b e w u n d e r n , wie Eigenliebe einen M a n n , der Menschenverstand hat, so blenden kann, dass er sich mit seinem G e s c h m i e r e vor d e r gelehrten Welt zu erscheinen g e t r a u e « . " E n d e d e r siebziger J a h r e , kurz nach d e m Regierungsantritt von K u r f ü r s t Karl T h e o d o r ( 1 7 7 8 - 1 7 9 9 ) und zeitgleich mit Strobels G e s c h ä f t s g r ü n d u n g , begann j e d o c h eine allmähliche V e r s c h ä r f u n g der Zensurverhältnisse, die dann seit dem Beginn der Illuminatenverfolgungen 1785 zu einer bald unerträglichen Belastung w u r d e n . Kein bayerischer Verleger der Zeit ist häufiger und unangenehmer in Konflikte mit der Z e n s u r geraten als Strobel. Bereits gut zwei J a h r e nach seiner G e s c h ä f t s g r ü n d u n g stand er in d e m R u f , »das man gewöhnlich zu sagen pflegt, wer etwas lustiges, und verbothenes kaufen will, der findet es nirgendts, als beym S t r o b e l « . ' 2 Z w a n z i g J a h r e später, zu Beginn der Regierungszeit des neuen K u r f ü r s t e n Maximilian IV. Joseph, hielt Strobels einstiger Hauptautor, der inzwischen zum Direktor der Bücher-ZensurSpezial-Kommission ernannte Lorenz Westenrieder, in den Akten fest, es sei allgemein bekannt, daß »Strobl von j e h e r die Censurverordnungen wenig geachtet« habe. 1 3 In der Tat hat sich Strobel wenig um die bayerischen Zensurgesetze g e k ü m m e r t und geradezu mit Vorliebe j e n e Texte verlegt, die bestimmten staatlichen

und

kirchlichen Gruppierungen ein Dorn im Auge sein mußten. Darin h a t e r sich zumindest bis z u m Beginn der 90er J a h r e auch von den zahllosen Maßregelungen nicht hindern lassen, die ihn und seinen Verlag i m m e r wieder betrafen. E r hatte seine Buchhandlung im F r ü h j a h r 1778 kaum eingerichtet, als bei ihm bereits ein Buch beschlagnahmt

10

HSTAM G.R. Fasz. 793, Nr. 27, o.pag.

11

HSTAM G.R. Fasz. 790, Nr. 19/4, o.pag.

12

HSTAM G.L. Fasz. 2806, Nr. 1261, Bl. 348 (15.7.1780).

13

HSTAM G.R. 796, Nr. 49a, Bl. 412(29.1.1800).

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Mark Lehmstedt

wurde, 14 und das erste Geschäftsjahr beschloß er mit einer dreitägigen Haftstrafe im berüchtigten Neuen Turm sowie der Androhung des Entzugs seiner Buchhandelsgerechtigkeit. 15 Fortan verging kein Jahr, in dem nicht wenigstens einmal, oft mehrfach Strobels Buchladen, manchmal auch seine Wohnung »mit anhandnehmung des Millitairs« 16 durchsucht, die Angestellten verhört, Bücher konfisziert und verboten wurden. Mindestens noch zweimal ging Strobel hinter Gitter, 1787 für drei Tage, 17 1788 sogar für mehrere Wochen; 18 eine weitere bereits beschlossene Haftstrafe wurde in letzter Minute »aus besonderer Gnade« in einen persönlichen »ungnädigsten Verweis« des Kurfürsten umgewandelt. 19 Für den nächsten Übertretungsfall drohte ihm mehrfach wie schon 1778 der Entzug seiner bürgerlichen Buchhandelsgerechtigkeit, doch konnte man sich zu diesem äußersten Schritt nie entschließen. Bemerkenswert an Strobels Zensurmaßregelungen der 70er und 80er Jahre ist, daß sie in keinem Falle vom Bücherzensurkollegium ausgingen, das doch als einzige Instanz mit der Ausübung der Zensur beauftragt und dafür legitimiert war. Initiatoren waren vielmehr der Kurfürst selbst, verschiedene kurfürstliche Beamte bzw. Institutionen (wieder Oberstjägermeister Baron von Waldkirch, der Hofrat Franz von Paula Reisenegger, die Obere Landesregierung, die Landstände) oder auswärtige Mächte (wie der Pfalzgraf Prinz von Birkenfeld, die österreichische Gesandtschaft oder die päpstliche Nuntiatur in München); mit der Exekutive beauftragt wurden die Obere Landesregierung, das Hofoberrichteramt und der Münchener Stadtmagistrat. Statt eigentlicher Motor der Zensur zu sein, zog sich das Zensurkollegium vielmehr selbst in vielen Fällen scharfe Verweise zu, sei es, weil es Schriften für unbedenklich erklärt hatte, die anschließend Anstoß erregten, sei es, weil es gar keine Approbation erteilt hatte, da das Manuskript nicht zur Zensur vorgelegen hatte (was natürlich als Beweis für die mangelhafte Sorgfalt bei der Aufsicht über das Buchwesen galt), sei es, weil es sich mutig hinter die inkriminierten Bücher, ihre Verfasser und Strobel als Verleger stellte, wie etwa beim Verbot von Gemmingens Teutschem Hausvater, von Rottmanners Notwendigen Kennmissen des Forst- und Jagdwesens in Baiern und bei Zaupsers Ode auf die Inquisition. Viele der durch Strobel und seine Verlagsbücher ausgelösten Zensurmaßregelungen zogen weit über den unmittelbaren Anlaß hinausgehende Folgen nach sich. Das Verbot von Gemmingens Deutschem Hausvater ( 1780) führte zu einem erheblichen personellen Ausbau des Zensurkollegiums, dreizehn zusätzliche Zensurräte (darunter Montgelas,

14

HSTAM G.R. Fasz. 260, Nr. 22, o.pag.

15

HSTAM MInn 15754, Bl. 1-2 (13.11.1778).

16

HSTAM G.R. Fasz. 260, Nr. 22, o.pag. (5.2.1779).

17

HSTAM MInn 15770, Bl. 2-3 (19.7.1787).

18

HSTAM MInn 15754, Bl. 16 (23.4.1788).

19

HSTAM G.R. Fasz. 792, Nr. 25, o.pag. (12.5. und 18.5.1785).

Der »Fall

Sailer«

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Westenrieder, Eckartshausen und Zwack) sollten für eine bessere Kontrolle des Buchwesens sorgen. Die Verbote von Joseph Marius Babos Otto von Wittelsbach (1781) und Lorenz Hübners Hainz von Stain der Wilde (1782) bewirkten die Errichtung einer eigenen Theaterzensur (die aber trotzdem bis 1791 nicht ausgeübt wurde) und verbannten alle historischen (»vaterländischen«) Schauspiele von der Münchener Bühne. Das Verbot von Johann Samuel Diterichs Unterweisung zur Glückseligkeit nach der Lehre Jesu (1783) wurde zum Anlaß, sämtliche Bücheranzeigen und Rezensionen in den Münchener Zeitungen und Intelligenzblättern zu untersagen. Als Resultat der Vorgänge um Westenrieders Erdbeschreibung (1785) wurde die Zensurfreiheit der Zensoren und der Akademiemitglieder aufgehoben. Das Verbot von Babos Übersetzung des Pariser Tagebuchs (1789) zog sofort das Verbot aller die »französischen Unruhen« betreffenden Schriften nach sich. Gewissermaßen als Summe aller bisherigen Zensurfälle, als Reaktion sowohl auf die seit Mitte der 80er Jahre das gesamte literarische Leben Bayerns lähmende Illuminatenverfolgung wie auf die französische Revolution veranlaßte Kurfürst Karl Theodor 1791 eine völlige Neuorganisation des bayerischen Zensurwesens. Erstmals wurde das 1769 erlassene Zensurmandat in all seinen Teilen in Kraft gesetzt. Der neugeschaffene Posten eines Direktors des Bücherzensurkollegiums wurde mit Franz Xaver Freiherrn von Schneider, einem ausgewiesenen Juristen und Verwaltungsfachmann, besetzt, der unverzüglich eine straffe Geschäftsordnung (mit wöchentlichen Sitzungen des Zensurkollegiums und einem bald ins uferlose anwachsenden bürokratischen Apparat) einführte und weitgehend erfolgreich die schwierige Überwachung der Landesgrenzen organisierte, um die aus dem Ausland eindringenden Schriften unter Kontrolle zu bringen. Unter Schneider wurden erstmals seit 1770 wieder (handschriftliche) Kataloge der verbotenen Bücher erstellt, die schließlich drei voluminöse Foliobände füllten und mehrere Tausend Titel enthielten. Eine Vorstellung von der Intensität der Tätigkeit des Zensurkollegiums vermitteln die für die Jahre 1794 bis 1798 überlieferten, in tabellarischer Form zusammengestellten Berichte an den Kurfürsten: Innerhalb dieser fünf Jahre lasen und zensierten die Zensurräte 8365 Bücher und 491 Manuskripte; 243 meist vier- bis sechsstündige Sitzungen des Zensurkollegiums fanden statt, bei denen 3384 Propositionen vorgetragen wurden. 20 Bereits Ende 1791 war durch die Verschärfung der Zensurverhältnisse die Lage der Münchener Buchhändler und Drucker derart unerträglich geworden, daß sie sich mit einer gemeinsamen Protestschrift an Karl Theodor wandten. In ungewöhnlich freimütiger Sprache suchten sie dem Kurfürsten deutlich zu machen, daß die »Vernichtung des Buchhandels« (des »Barometer[s], welches alle Veränderungen in der Stimmung des Nationalsinnes, in der Denkart und Gemüthslage des Volkes am sichersten anzeigt) und damit der Literatur und Wissenschaften, der Aufklärung und der »Nationalbildung unausweichlich wären, würde das Zensurmandat von 1769, das damals bewußt nicht

20

Zusammengestellt nach: HSTAM H.R. 498 Nr. 1, pass, und: HSTAM MInn 15805, pass.

Mark Lehmstedt

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in K r a f t gesetzt worden sei, nicht sofort wieder aufgehoben o d e r zumindest wesentlich modifiziert w e r d e n (Goldfriedrich, 1909: 3 6 7 - 3 7 3 ) . Einen E r f o l g hatte diese Protestschrift ebenso wenig wie die später folgenden, im Gegenteil, die Bücheraufsicht w u r d e von Jahr zu Jahr strenger und - aufgrund der präzisen Organisation Schneiders

-

immer erfolgreicher.

IV. Einer d e r ersten Zensurräte, die im Z u g e der Reorganisation der Zensurverhältnisse neu ins A m t gelangten, w a r Benedikt Stattler ( 1 7 2 8 - 1 7 9 7 ) . Stattler, Mitglied des Jesuitenordens, w a r

1770 zweiter,

1773 erster P r o f e s s o r der Dogmatik an der

Universität Ingolstadt g e w o r d e n , hatte seine Professur auch nach der A u f h e b u n g des Jesuitenordens (1773) behalten, war 1775 sogar zum Prokanzler der Universität e r n a n n t w o r d e n , verlor 1781 seine Professur an seinen G e g n e r W o l f g a n g Frölich und ging 1787, indem er seine Stellung als Stadtpfarrer in Kemnath aufgab, nach M ü n c h e n , w o er 1790 zum frequentierenden geistlichen Rat und am 28. Juni 1791 zum Bücherzensurrat 2 1 ernannt wurde. H e u t e weitgehend vergessen, hatte sich Stattler als T h e o l o g e und Philosoph »nicht blos unter seinen katholischen Glaubensgenossen, sondern auch unter den Protestanten einen berühmten N a m e n gemacht (Salat, 1801: 145). Einer seiner frühesten Biographen hob unter Stattlers Leistungen besonders hervor: Er stürzte zuerst in einem großen Theile des katholischen Deutschlands das alte und verderbliche Vorurtheil, als wäre die Philosophie einzig nichts anders, als eine Vorläuferin der Theologie, mit der man sich eine Zeitlang abgebe, damit man blos zum Behuf jener syllogistisch plaudern lerne; er behandelte sie als eigne, selbständige Wissenschaft. [ . . . ] Als Theolog hat er das Verdienst, dafl er zuerst unter seinen Glaubensgenossen im südlichen Deutschlande die Philosophie mit der Theologie ernstlich in Verbindung setzte, daß er eigentlich hierinn Bahn brach und zu einer gereinigtem Theologie vorzüglich beytrug (Salat, 1801: 153, 158f).

Stattler w a r W o l f f i a n e r , dessen mathematisch-metaphysische M e t h o d e er für eine wissenschaftlich zureichende Begründung der katholischen Religion nutzbar zu machen suchte. Selbst wenn ihm die m o d e r n e Philosophiegeschichtsschreibung nur einen bescheidenen Platz unter den Philosophen der A u f k l ä r u n g zuzubilligen bereit ist und in ihm einen Eklektizisten sieht, der bestenfalls einige Detailverbesserungen an W o l f f s Philosophie anzubringen v e r m o c h t e (Miedaner, 1983: 444), ist seine Bedeutung für den zeitgenössischen katholischen Raum nicht hoch genug zu veranschlagen. Nicht zu U n r e c h t konnte Stattler im Rückblick auf seine philosophischen W e r k e schreiben: » N e u e s m u ß vieles darinn seyn, weil doch alle die so vielfach wiederholten Censuren meiner damaligen Obern (ich hatte nicht mehr denn zehn Censoren auszuhalten, unter

21

HSTAM H.R. 498 Nr. 1, o.pag.

Der »Fall Sailer«

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welchen sieben Deutsche, ein Spanier, ein Franzos, und ein Wälscher war) sich an nichts als an der Neuheit des ganzen Werkes ärgerten (Stattler. 1788, I: a4 v ). Tatsächlich hatte Stattler, bevor er 1791 selbst Zensor wurde, einschlägige Erfahrungen mit der Zensur sammeln müssen - als ihr Opfer. 1775 war Stattlers theologisch-philosophisches Hauptwerk, di e. Demonstratio cattolica, erschienen, das eine ganze Reihe kaum verhüllter febronianischer Gedanken enthielt. Den Bischöfen legte er eine unmittelbare Jurisdiktion bei, nicht bloß eine mittelbare durch den Papst; allen guten Menschen, allen wahrhaft redlichen Protestanten sprach er ohne weiteres Bedenken die Seligkeit oder den Himmel zu. »Daß er nicht wenigstens die Gelehrten unter ihnen hiervon ausnahm, fiel besonders auf; denn bekanntlich wird der Satz von dem alleinseligmachenden katholischen Glauben noch immer von so manchen [...] in aller Stärke und ohne weitere Erklärung vorgetragen! (Salat, 1801: 163.) Gegen die Demonstratio catholica publizierte 1778 Wolfgang Frölich, Kapitular des Benediktinerreichsstiftes St. Emmeran in Regensburg, eine Reflexio in sic dictam Demonstrationem catholicam Locosque theologicos Magnifici Dom. Benedicti Staffieri, 1779 und 1780 folgte eine ganze Reihe weiterer Streitschriften für und gegen Stattler, darunter - zugunsten seines Lehrers Stattler - zwei von Johann Michael Sailer. Eine besondere Schärfe gewannen die Auseinandersetzungen, als Frölich 1780 aus mehreren Stellen 54 Sätze Stattlers zusammenstellte, die er dem Papst förmlich denunzierte, nachdem er ihn wohl schon zuvor persönlich bei der Indexkongregation angezeigt hatte. Stattler, damals Prokanzler der Ingolstädter Universität, eilte nach Rom, wurde aber weder vorgelassen noch vernommen. Nur privatim erfuhr er vom Sekretär der Indexkongregation, dem Dominikaner Thomas Maria Mamachi, daß über die Anklage verhandelt werde und daß der Fürstbischof von Eichstätt, Graf Raymund Anton von Strasoldo, als Stattlers Landesherr davon in Kenntnis gesetzt worden sei. Strasoldo verwendete sich nachdrücklich für den angegriffenen Autor und schrieb, er betrachte die beabsichtigte Verurteilung Stattlers als persönlich gegen sich gerichtet, Stattler sei in Deutschland ein hochangesehener Theologe, ein Verbot der Bücher würde nur die Nachfrage nach ihnen steigern und zu einer Neuauflage in einem nichtkatholischen Verlag führen. Er, Strasoldo, habe bisher dem Dominikanerkloster in Eichstätt viele Wohltaten erwiesen, sein ferneres Verhalten gegen dasselbe werde von dem Verhalten seines alten Freundes Mamachi in der Stattlerschen Sache abhängen. Solange Strasoldo und Mamachi lebten (gest. 1781 bzw. 1792), war von einer Veröffentlichung des Beschlusses der Indexkongregation keine Rede mehr. 1781 verlor Stattler, wie erwähnt, seinen Lehrstuhl in Ingolstadt und wurde durch seinen alten Gegner Frölich ersetzt, der sich bei den Studenten jedoch derart unbeliebt machte, daß er 1790 die Universität verlassen mußte und 1791 nach Rom ging. Hier brachte er offenbar die Stattlersche Sache wieder in Fluß. Im Februar 1793 teilte die päpstliche Nuntiatur in Wien Stattler, dem nunmehrigen geistlichen und Bücherzensur-Rat, durch einen Sekretär mit, daß das Verdammungsurteil gegen ihn veröffentlicht werden würde, wenn er diesem nicht durch einen Widerruf zuvorkomme. Stattler wandte sich daraufhin an den Papst und die Indexkongregation, forderte die Bekannt-

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gäbe der beanstandeten Sätze und die Möglichkeit zu einer Stellungnahme. Er erklärte, er werde sich dem Papst unterwerfen, wenn dieser einen der Lehre seiner Demonstratio catholica widersprechenden Satz förmlich als Dogma definiere, denn er, Stattler, sei von der Übereinstimmung seiner Lehre mit dem Evangelium so fest überzeugt, daß er sie nur auf Grund einer solchen dogmatischen Definition als irrig würde anerkennen können, nicht aber aufgrund eines Dekrets der Indexkongregation! Eine Reaktion aus Rom gab es vorläufig nicht, doch blieb Stattlers Angelegenheit seit dem Frühjahr 1793 in der Schwebe (nach Authentische Aktenstücke, 1796; Salat, 1801; Reusch, 1885: 1000-1005; Reusch, 1893).

V. Wie Strobel und Stattler war schließlich auch Johann Michael Sailer im unmittelbaren Vorfeld der Veröffentlichung der zweiten Auflage seiner Vernunftlehre Objekt von Zensurverfolgungen geworden. Zwischen Ende Februar und Ende September 1793 wurde an der Hohen Schule zu Dillingen, an der Sailer als Professor theologiae pastoralis wirkte, eine Untersuchung angestellt, diebeinahe inquisitorischen Charakter trug und sich in besonderem Maße gegen Sailer persönlich sowie gegen seine Freunde Weber und Zimmer richtete. In zahlreichen, oft seitenlangen Denunziationsschriften wurde eine Fülle von Anklagen und Verdächtigungen erhoben, die den drei Beschuldigten jedoch nie zur Kenntnis gegeben wurden, so daß sie sich in ihren Erklärungen lediglich gegen solche Vorwürfe, die sie vermuteten, nicht aber gegen die tatsächlich vorgebrachten verwahren konnten. Die wichtigste Anklage gegen Sailer lautete auf Geheimbündelei. Sailer gehöre zu den Illuminaten, behauptete der Prokanzler Schmeller (Stölzle, 1910: 48). Kaum eine Anklage konnte in Süddeutschland zu jener Zeit verheerendere Konsequenzen haben als der Vorwurf des Illuminatismus. Doch obwohl sie in Bezug auf Sailer geradezu absurd war und Sailer sofort Protest dagegen einlegte, wurde im Schlußbericht der Dillinger Untersuchungskommission festgehalten, Sailers theologische Abendrepetitionen und seine Predigtübungen unter freiem Himmel (die sog. Waldpredigten) seien »an und für sich selbst schon sehr Klubmäßig (Stölzle, 1910: 54), womit an die Stelle des unterstellten Illuminatismus die noch weitaus gefährlichere Andeutung des Jakobinismus trat. Eine zweite Anklage betraf den Vorwurf, Sailer habe verbotene Bücher an die Studenten empfohlen und sei damit für die aus der Lektüre entstandenen Folgen verantwortlich. Durch alle Denunziationsschriften zieht sich die Klage, seit der Mitte der 80er Jahre sei an der Dillinger Universität »des Lesens kein Ziehl mehr und keine Maaß aller Verbothe ungeachtet (Stölzle, 1910: 60). Die schädlichen Bücher würden lediglich durch einige Professoren bekannt gemacht »und weit mehr von ihnen zur Lektur entlehnet, als angekaufet werden, auf diese Weise sei »das Lesen unter allen Leidenschaft, Zeitbedürfniß, endlich Nothwendigkeit geworden (Stölzle, 1910: 62).

Der »Fall

Sailer«

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Die Hauptschuld an der Verbreitung schädlicher und sogar verbotener Bücher treffe Sailer, der u.a. die Schriften von Lavater, Heß, Claudius, Pfenninger, Jerusalem, Zollikofer, Dietl, L.Sterne, Leß, Luther (Katechismus) sowohl in seinen Vorlesungen und Übungen zitiert und empfohlen als auch an Interessenten verliehen habe (Stölzle, 1910: 56ff). Sailer war damit nach Ansicht seiner Ankläger für die Folgen der um sich greifenden Lektüre verantwortlich, zu denen »lockerste Moralsätze und »gegen die katholische Orthodoxie anstoßende Lehren gehörten (Stölzle, 1910: 630· Sailer stritt in seiner Erwiderung den Vorwurf der Lektüre nichtorthodoxer (vor allem protestantischer) Schriftsteller nicht generell ab, betonte aber, [ . . . ] 5. dal! ich, wenn ich äußerst selten und nur geprüften und außerordentlich fleißigen Leuten eine Schrift von Protestanten geliehen hätte, [...), es in Absicht auf Sitten und Religion ein offenbar unschädliches und in aller Rücksicht nützliches Buch gewesen wäre, und ich also von den Protestanten den Gebrauch gemacht hätte, den die H. Väter Augustinus, Justinus, Ambrosius, Laktantius von den Heiden auch gemacht haben, und der in allen katholischen Gymnasien noch diese Stunde von den Heiden Cicero, Horaz, Virgil gemacht wird; daß ich 6. in meinen gedruckten Büchern äußerst selten, nur in literarischen Hinsicht, und nur in Gegenständen, worinn wir Katholische mit den Protestanten einen inkontroversen Sinn haben und übereinkommen, nicht-katholische Schriftsteller citirt habe, wie denn auch die H. Väter zu ihren Zeiten ein Ahnliches gethan [...]; daß ich 7. in allen meinen Vorlesungen vor schädlichen Büchern, Komödien, Romanen, freygeisterischen Schriften aller Art gewarnet, und wenn ich irgend ein schädlich Buch fand, oder vermuthete, selbes wegnahm»;

er besitze außerdem die »licentiam legendi libros, und es könne »hoffentlich einem Professor nicht verübelt werden [...], für seine Person den Geist seines Zeitalters zu forschen, um vor den schädlichen warnen zu können (Stölzle, 1910: 58f)· Für die angeblichen Folgen der Lektüre seien die Leser, nicht er zur Verantwortung zu ziehen. Einen dritten Komplex bildete die Klage über die Vernachlässigung der Theologie in allen ihren Teilbereichen mit alleiniger Ausnahme der - von Sailer vertretenen und von den Studenten in großer Zahl besuchten - Pastoraltheologie. Als Ursachen werden u.a. genannt: »die kanntische Philosophie, welche itz in die Theologie übertragen und den Zuhörern dadurch fast alles unverständlich gemachet wird«, sowie einmal mehr »die unmäßige Lektür deutscher Bücher, wodurch die ohnehin kurze Zeit ganz verloren werde« (Stölzle, 1910: 780· Gegen die Rezeption von Kants Werken richtete sich eine eigene, ausführliche Klageschrift (»Bedenken eines Exdekan gegen die Vorlesung der Kantischen Philosophie auf katholischen Lehrstühlen, besonders auf der bischöflichen hohen Schule zu Dillingen«), die von einem unbekannt gebliebenen auswärtigen Verfasser eingereicht wurde (Stölzle, 1910: 24). Im Ergebnis der monatelangen Dillinger Untersuchungen wurde ein neues Regulativ für die Universität entworfen und am 16. September 1793 durch den Fürstbischof von Augsburg, Clemens Wenzeslaus, bestätigt. Um der »bey den Studenten an Unserer Universität eingeschlichenen schädlichen Lektüre« Einhalt zu gebieten und »die mit der Lesefreyheit allemal verbundenen Gefahren und betrübten Folgen« zu beseitigen, enthielt es u.a. 1. ein generelles Bücherverbot, 2. die Anordnung einer durchgängigen bischöflichen Bücherzensur, 3. das Verbot der Oberdeutschen Litera-

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Mark Lehmsiedl

turzeitung, 17. die Suspendierung der Kantischen Philosophie und 20. das V e r b o t aller Lesegesellschaften unter den Studenten (Stölzle, 1910: 106-115). D i e A u s w i r k u n g e n für Sailer waren gravierend. Das verschärfte Bücherverbot machte es ihm unmöglich, sich weiterhin öffentlich f ü r die neuere deutsche, v o r allem protestantische Literatur einzusetzen. Sein Einfluß auf die Studenten w u r d e a u ß e r d e m dadurch behindert, daß niemand mehr o h n e schriftliche Erlaubnis des akademischen Präfekten Privatkollegien oder Repetitionen geben d u r f t e - dadurch w u r d e n Sailers Abendlektionen und seine sog. Waldpredigten unmöglich, die sich bei den Studenten besonderer Beliebtheit erfreut hatten. Bestimmte Vorlesungen wie die zur Antideistik d u r f t e n fortan nicht mehr von Sailer gelesen werden, sondern wurden zur Theologie gewiesen und hörten damit ganz auf. In seinen eigentlichen N o m i n a l f a c h e r n , der M o r a l - und der Pastoraltheologie, mußte Sailer e m p f i n d l i c h e Einschränkungen hinn e h m e n , und die Ethikvorlesung, die er bislang in Deutsch abgehalten hatte, sollte fortan wieder in lateinischer Sprache stattfinden. Schließlich kam zum sachlichen T r i u m p h über Sailer noch der persönliche: Sailers erbittertste Gegner wurden seine Vorgesetzten (Stölzle, 1910: 118-120). Unter diesen Umständen arbeitete Sailer an der Neufassung seiner

Vernunftlehre.

O b w o h l w e d e r er noch Strobel »das Leidensspiel in Dillingen« (Schiel, 1952: 115) erwähnten, als sie die lange Verzögerung der Umarbeitung begründeten, unterliegt es keinem Zweifel, daß diese V o r g ä n g e nicht nur für die Zeitdauer der Revision des Textes, sondern wohl auch f ü r das Ergebnis, die innere Struktur des in wesentlichen Teilen völlig neugeschriebenen W e r k e s verantwortlich waren.

VI. U n t e r allen Persönlichkeiten, die Sailers Entwicklung maßgeblich prägten, gebührt Stattler der erste Platz. Er war Sailers bedeutendster Lehrer (und dieser umgekehrt sein wichtigster Schüler), dann Mentor und Kollege an der Universität Ingolstadt. Sailers erste wissenschaftliche Schriften bewegten sich ganz in Stattlers Bahnen. Erst nachdem Stattler 1781 seine Ingolstädter Professur verloren hatte, löste sich Sailer in einem langsamen, komplizierten Prozeß von den Ansichten seines L e h r e r s . Als Scheidemittel wirkte Kants Philosophie, auf die Sailer und Stattler grundverschieden reagierten. Seinem eigenen Bekenntnis nach gelangte die Kritik der reinen Vernunft von 1781 erst sechs J a h r e später, im September 1787, in Stattlers Hände, der bis dahin noch gar nichts von Kant gehört oder gelesen hatte. Unverzüglich begann er mit der N i e d e r s c h r i f t einer Widerlegung, die 1788 unter dem Titel Anti-Kant reichen Bänden (mit einem selbständigen Anhang

in zwei u m f a n g -

gegen die Grundlegung

zur

Meta-

physik der Sitten) erschien und der bis 1796 neun weitere antikantische Bücher folgten. Stattler war von Kants Philosophie in doppelter W e i s e g e t r o f f e n . Als Philosoph stand er in strikter N a c h f o l g e der W ö l f i s c h e n Metaphysik, deren wissenschaftliche Untaug-

Der »Fall

49

Sailer«

lichkeit Kant gerade erwiesen hatte, wodurch auch Stattlers jahrelange Bemühungen um die Weiterentwicklung und Verbesserung Wolffs als unnütz und vergeblich erschienen. Stattler setzte sich, wie er überzeugt war: im Interesse der Philosophie, zur Wehr und warf Kant vor, er behaupte »kühn eine Menge Sätze, welche schon aller gesunden Vernunft geradezu widersprechen«, vor allem werfe er »das erste und zuverlässigste Kriterium aller reellen Wahrheit, nämlich das Zeugnis unseres innern Sinnes, durch einen leeren Machtspruch übern Haufen« und »raisonnirt uns alle Beweise vom Dasein unserer Seele als Substanz, des Weltalls, und eines Gottes, rein weg« (Stattler, 1788,1:a3 v ). Viel gravierender noch war, daß durch Kant auch Stattlers eigentliches Ziel als Theologe - eine wissenschaftliche, philosophisch abgesicherte Begründung der katholischen Religion - ad absurdum geführt war. Stattler sah in Kants Schriften einen wirkungsmächtigen Angriff auf zentrale Wahrheiten der Religion: »Die Absicht der Kantischen Kritik der reinen Vernunft war, sammt aller Logik und Metaphysik alle Gewißheit von den ersten Hauptwahrheiten der Religion, und folglich alle Religion selbst, rein wegzuraisonniren« (Stattler, 1788, Anhang:a2 r ). So klar und unmißverständlich Stattlers Reaktion auf Kant war, so schwierig ist es, Sailers Haltung zu bezeichnen. Mehrfach belegt ist, daß Sailer sich bereits in der Mitte der 80er Jahre intensiv mit Kants Schriften auseinandersetzte (Schiel, 1948: 85f) und sie seinen Dillinger Hörern empfahl (Schiel, 1948: 139). Sailers Dillinger Vorlesungen über Religion und Moral sollen »wesentlich auf Kantischen Grundsätzen« beruht haben (Schiel, 1948: 188). Seine schon früher entstandenen Zweifel an der Metaphysik, die durch die Kant-Lektüre noch vertieft wurden, teilte er Stattler mit und bat diesen im Vorfeld der Niederschrift des Anti-Kant um Aufklärung (Schiel, 1952: 31 f)Anders als Stattler lehnte Sailer Kant nicht einfach ab, sondern war - wie er in einem langen Brief an Heinrich Jung-Stilling von 1789 darlegte - der Auffassung, aus der Kritik der reinen praktischen

Vernunft

Vernunft könne man Nüchternheit der Vernunft, und aus der Kritik

der

Reinheit des Willens lernen und auf eine eigne Art lernen, wie man es aus

andern Büchern nicht so leicht lernen wird. Diese zwei Gaben, Nüchternheit der Vernunft und Reinheit des Willens, schätze ich mehr als alle Philosophien und ungleich mehr als alle einzelne Meinungen etc. Und dies erfüllt mich wahrhaftig mit einer Hochachtung gegen den Geist, der in den kantischen neuern Schriften weht.

Dennoch Schloß er sich Kant nicht bedingungslos an, denn aus der Philosophiegeschichte (und von Kant selbst) hatte er gelernt: Jede Meinung irgend eines großen Mannes, die tief eingreift, hat die drei Epochen zu durchwandern, die Kant die Epochen der Vernunft nennt. Zuerst ist unsre Vernunft dogmatisch - weiß alles; hernach wird sie skeptisch - weiß nichts; zuletzt wird sie kritisch - verwirft einiges, behält anderes. So denke ich, wird es mit Kants Systeme gehen. Einige werden es als ganz gut annehmen, andere als ganz irrig verwerfen, einige wenige werden die Körner ewiger Wahrheit herausheben und das übrige liegenlassen. So, scheint es mir, werden die Zeiten der Anbetung und die Zeiten der Schmach, die die kantische Philosophie bereits erfahren, eine Epoche der Sonderung gebären. Dieser Epoche der Sonderung, der Läuterung, deren ja alles Menschliche (und wär' es das Beste,) bedürftig ist, seh' ich in Demut und mit Geduld entgegen. Außer diesem Geiste der Läuterung kommt mir alles Für

Mark Lehmstedí

50

und W i d e r des kantischen Systems zweideutig vor, auch streckt der unreine Parteigeist seine Klauen hie und da nackt genug hervor.

Sailers Kant-Rezeption folgte dem klassischen Prinzip, das er in seinem Brief an Jung-Stilling auch nannte: »omnia probate, et quae bona sunt, tenete«. An einem allerdings hielt er (sein Leben lang) fest, an der Idee von Gott, die wir in uns haben, und die wahr ist und wahr bleibt, man mag übrigens das Dasein Gottes mit Leibniz demonstrieren oder mit Kant postulieren, oder lieber mit Jacobi und Hemsterhuis durch ein göttlich' Leben inne werde (Schiel, 1952: 7 2 0 -

Das erste Werk Sailers, in dem seine Auseinandersetzung mit Kant einen Niederschlag fand, war die Glückseligkeitslehre von 1787. Sie gilt als »die Nahtstelle [...], an der die katholische Moraltheologie jener Zeit, traditionell eudämonistisch ausgerichtet, auf die Ethik Kants stößt«. Sailer, so hat Barbara Jendrosch nachgewiesen, »hat als erster katholischer Moraltheologe die Herausforderung Kants angenommen und eine nicht-eudämonistische Ethik vorgelegt, wenn auch noch Spuren des Eudämonismus diesem seinem ersten Entwurf anhaften« (Jendrosch, 1971: 124-125). In welchem Grade Sailers nächstes Hauptwerk, eben seine Vernunftlehre in der überarbeiteten Fassung von 1795, tatsächlich von Kant beeinflußt ist, steht noch zu untersuchen; Fischers Arbeit ist hier wenig hilfreich, da sie nur die Ausgabe letzter Hand heranzieht, ohne die gravierenden Änderungen im Text zu berücksichtigen, die aus einem Jahrzehnte währenden Umarbeitungsprozeß resultierten (Fischer, 1953; dazu Feiereis, 1982: 244-248). Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß Sailers Arbeit an der Überarbeitung seiner Vernunftlehre wesentliche Impulse aus seiner Auseinandersetzung mit Kants Schriften erhielt. Bereits Ende 1787 schrieb er einem Freund, die erste Auflage der Vernunftlehre sei fast vergriffen, »und ich werde in der zweiten das Werk umarbeiten, Zusätze über die Kantische Philos[ophie] machen und dem Mißverstande, soviel möglich, vorbeugen« (Schiel, 1952: 56).

VII. Nach dieser langen, aber notwendigen Darstellung der Vorgeschichte ist es endlich an der Zeit, auf Strobels Antrag vom Juli 1794 zurückzukommen. Am 9. Juli hatte Stattler sein Votum notiert und die »Obsignierung« der Exemplare der Vernunftlehre befohlen. Strobel war schockiert und wandte sich am 13. Juli an das Zensurkollegium. Er wies auf Sailers eigentümliche Arbeitsweise bei der Umarbeitung des Werkes hin und betonte, daß Sailers Revision in ständiger Rücksprache mit Joseph Anton Steiner in Augsburg erfolgt sei, der dann auch das Imprimatur des Augsburger Ordinariats erteilt habe. Hätte er nicht auf Sailers Arbeitsweise Rücksicht genommen, sondern verlangt, erst das gesamte Manuskript zu erhalten, w a s w ä r e die Folge gewesen, als daß er alles einem ausländischen Buchhändler, die ihm so immer d a r u m anliegen, und er nur in der Rücksicht bey mir und Lentner drucken läftt, weil wir so lange mit ihm bekannt sind, gegeben hätte; was w ü r d e aber zu lezt aus uns Buchhändlern allhier

Der »Fall Sailer«

51

werden? Wenn wir auf diese Art die besten Auetoren verlieren sollten, was haben wir dann zum introquiren, welche Bücher können wir denen ausländischen Buchhändlern mit Abgang entgegenhandeln, wenn wir solche Männer verlieren; und ist nicht selbst das Staatsintereße dabey verbunden, da, wenn ausländische Auetoren bey uns ihre Werke auflegen, das Geld hinein, - ansonst aber hinauskömmt. D a der erste (Titel-) B o g e n noch nicht gedruckt sei, k ö n n e er das Buch auch nicht v e r k a u f e n und das W e r k liege noch ganz »unter der hohen C e n s u r Willkühr«. Könnten daher, wenn Titl. Sailers anstossend seyn sollenden Stellen, das ich nicht weiß, und das mich, so wie es gewis einige Höchstdero Censur Rathen selbst wundern wird, wirklich existiren, selbe nicht eben so gut durch Cassirung desselbigen folio, so wie im Manuscripte, ausgemerzt werden; sollten dann der Gerechtigkeit, und der geszmäßigen Billigkeit wegen, dergleichen nicht gewöhnliche, besondere, und hier obwaltende Umstände keine gnädigste Erwägung verdienen? N i c h t z u l e t z t a u s ö k o n o m i s c h e n G r ü n d e n sei e r b e r e i t , d i e i n k r i m i n i e r t e n u m d r u c k e n zu lassen, denn »der V e r l e g e r [ . . . ] wird sothane U n k o s t e n

Stellen

deßwegen

v e r s c h m e r z e n , d a m i t e r e i n e n d e r b e s t e n und b e l i e b t e s t e n A u t h o r e n n i c h t v e r l i e r t « . Strobel bat daher, i h m nach gemachter Aenderung resp. nach geschehener Umdruckung der anstössigen Stellen, wenn selbe vorhanden seyn sollen, das Imprimatur gnädigst ertheilen, die Obsignatur herabnehmen zu lassen, und gnädigst [zu] erwägen, daß die Verschlagung eines Werkes, worauf an Porto mit den hin und hergeschickten Bogen, für das Honorarium, mehr als 1000. Gulden für Papier - Druck, - so andere Kosten liegen, einem Manne wie ich, und iedem andern Buchhändler in das gewisse Verderben bringen m u s t e . " Stattler l i e ß s i c h v o n S t r o b e l s w o r t r e i c h e r B i t t s c h r i f t j e d o c h n i c h t b e e i n d r u c k e n .

Die

Exemplare blieben verschnürt,

und

die Fortsetzung des Drucks w u r d e untersagt

S t r o b e l a u f g e t r a g e n , a l l e s w e i t e r e M a n u s k r i p t v o r d e m D r u c k zur Z e n s u r e i n z u r e i chen. Lediglich die sofortige Bestrafung des Verlegers wurde vorläufig ausgesetzt.23 W e n i g e T a g e s p ä t e r t e i l t e Stattler d a n n a u c h S a i l e r m i t , daß so, wie diell Werk wirklich beschaffen ist, von hier aus demselben das Imprimatur nie werde, noch könne ertheilet werden. Wurdet Ihr euch aber entschließen, die folgenden Stellen [...; die bereits oben genannten, M . L . ] wegzulassen, oder so zu ändern, daß sie das Kantische Lehrsystem nicht mehr begünstigen, so möget Ihr euer abgeändertes vollständiges Manuscript zur fernem Censur hieher um Erhaltung Unserer gnädigsten Druckerlaubniß noch einmal einsenden. 2 4 D i e V o r g ä n g e m a c h t e n s c h n e l l d i e R u n d e u n t e r d e n b a y e r i s c h e n G e l e h r t e n und s o r g t e n für U n r u h e , a b e r a u c h für e i n e b e m e r k e n s w e r t e S o l i d a r i t ä t m i t d e m a n g e g r i f f e n e n Autor.

M a t t h i a s G a b l e r , E x j e s u i t , P h i l o s o p h und N a t u r w i s s e n s c h a f t l e r ,

seit

1782

P f a r r e r in W e m d i n g , e i n F r e u n d S a i l e r s , w a n d t e s i c h u n v e r z ü g l i c h an J o h a n n K a s p a r v o n L i p p e r t in M ü n c h e n :

22

HSTAM G.R. Fasz. 790 Nr. 22/3, o.pag. (13.7.1794).

23

Ebd. (16.7.1794).

24

Ebd. (23.7.1794).

Mark

52

Lehmstedt

Es ist gar nicht wahrscheinlich, was mir ein guter Freund als gewiße Thatsache schreibet: Stattler soll die neue umgearbeitete Sailerische Logik, ehe sie ganz gedrucket ist, als Kantisch erkläret und verboten haben. Ich habe sie zwar noch nicht ganz gelesen, ganz durchstudiret; aber das kann ich dennoch gewüi behaupten, daß in selber der tiefdenkende Sailer dem Mittelweg gehe und dem Kant wehre eher als der Antikant [d.i. Stattler, M.L.]. [...] Stattler kann nach meinen geringen Einsichten über eine Schrift, die den Mittelweg vorschlägt, kein iudex competens seyn, weil er iudex in causa propria ist. Er hat sich nun einmal gegen Kant erkläret und ein dritter, der den Kant und Antikant gelesen, genau geprüfet hat und es mit der Wahrheit gewiß aufrichtig meynet, darf doch sagen was ihm richtig und was ihm unrichtig scheinet. Stattler [...] soll doch zurückdenken, wie es ihm mit seiner Metaphysik ergangen ist. Die Censoren verwarfen sie, weil sie allem Ansehen nach glaubten, sie hätten dieser Wissenschaft ihre Grenzen bestimmet, über die niemand sich ohne Gefahr 25 Ist wohl Stattler gegen

hinauswagen soll. Nur die römischen Censoren haben ihn noch gerettet. Sailer nun nicht so ein Provinzcensor? (Lippert, 1972: 133)

Sollte es in Sailers Werk tatsächlich »falsche Sätze oder gefährliche Stellen« geben, so müsse Stattler diese dem Autor nennen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung geben, so wie er es selbst von der römischen Indexkongregation verlangt hatte. Gabler ersuchte Lippert, all seinen Einfluß geltend zu machen, daß zumindest »Sailer selbst gehöret werde, ehe man ihn verurtheilet« (Lippert, 1972: 133). Auch Sailer wandte sich an Lippert, der ja nicht zuletzt der Empfänger der Dedikation zur ersten wie zur zweiten Auflage der Vernunftlehre und insofern ebenfalls betroffen war. Lakonisch, aber umso eindrucksvoller lauteten Sailers wenige Zeilen: I. II.

Ich bin nicht kantisch, Aber freylich nicht so streng demokratisch wie unser vortrefflicher Stattler - k a n n ' s nicht seyn.

III.

und Stattler unterdrückt meine neue Vernunftlehre als kantisch.

IV.

Es geschieht mir Unrecht - von meinem Vater

V. VI. VII. VIII.

Strobl hat auch ausserordentlichen Schaden. Thun Sie, was Sie für recht finden. Lippert kann allein helfen. Ich bin ruhig. (Lippert, 1972: 555f)

Am 2. September 1794 ging beim Zensurkollegium dann Sailers an den Kurfürsten gerichtete Stellungnahme ein. Da er »Demuth« und, damit verbunden, »Respect und Unterwürfigkeit gegen die Obrigkeit« zu den »ersten Eigenschaften eines rechtschaffnen Menschen, und unter die schönsten eines Christen« zähle, sei es sein »fester, ernster Entschluß, in genauester Vollbringung der gnädigsten Willensmeynung allen meinen Freunden und Lesern ein Beyspiel der demuths- und respectvollsten Unterwürfigkeit zu geben«. Er anerkenne vollkommen den gerechte[n] Eifer des hochlöblichen Censur-Kollegiums [...], mit dem es alle Gefahren der Unordnung, die durch Schriften in das Land gebracht werden können, zu entfernen, und de[n] erhabene[n] Muth, mit dem sich das Censur-Amt, ohne Rücksicht auf Person, alle gedenkbaren

25

Ein schwerer Irrtum Gablers.

53

Der »Fall Sailer«

Frevel der Schriftstellerwelt zustrafen, und alle gefährliche Grundsätze von den Gränzen zuentfernen strebet. 2 6

Doch gerade deswegen könne er nicht umhin, seine Position zu verteidigen. In knappen Umrissen beschrieb er sodann die Grundlinien seiner Schrift - es ist die ausführlichste explizite Darstellung seines Verhältnisses zur Kantischen Philosophie, die aus jenen für Sailers Entwicklung entscheidenden Jahren überliefert ist: Es gab, solang es eine philosophische Welt giebt, dreyerley Philosophien: Eine suchte mit apodiktischer, evidenter Gewißheit aufzubauen; die andere riß, wenigst mit dem Scheine der apodiktischen Gewißheit, wieder ein, was die vorige aufgebauet hat. Eine dritte suchte sich in der Mitte zwischen Beyden zuhalten, begnügte sich mit beruhigender Gewißheit, und suchte die Wahrheit in einer kunstlosen Ordnung vorzutragen, und dem Verstand und Herzen des Menschen nahezulegen. So ist es noch diese Stunde. Die Aristotelisch-leibnitzische, oder leibnitzisch-verbesserte Philosophie bemühte sich, voll des edlen Eifers, mit apodictisch-evidenter Gewißheit aufzubauen; die Kantische bemüht sich wenigst mit dem Scheine der apodictischen evidenten Gewißheit einzureissen. Zwischen Beyden habe ich mich seit mehr als 10 Jahren bemüht, als Mensch, als Christ, als öffentlicher Lehrer, und als Schriftsteller in Mitte zuwandeln, und habe auf diesem Wege viele Jünglinge vom sittlichen Verderben, und vom Unglauben gerettet. Weil die spekulative Weltweisheit offenbar solche Tiefen hat, die schwerlich ein menschlicher Verstand j e ganz durchdringen kann, und weil eben deßwegen eine Philosophie immer die andere bis auf diese Stunde verdränget hat: so getraue ich mir nicht, die Gewißheit der allerheiligsten Religion auf die spekulative Weltweisheit zubauen, aus Furcht, es möchte mit einfallendem Grunde auch die Religion bey vielen verlieren. Weil aber Einreissen nicht aufbauen ist; und sich meine ganze Natur gegen das Einreissen sträubt, so konnte ich mich noch weniger in die Zunft der Kantianer aufnehmen lassen, und werde mich nie in diese Zunft aufnehmen lassen. Es blieb mir also nichts anders übrig, als den Mittelpfad zusuchen. Und dieser Mittelpfad ist, nach meiner Einsicht, dieser: Ich traue der gesunden gemeinen Vernunft ein Vermögen zu, uns die Freyheit und Unsterblichkeit der menschlichen Seele, und das Daseyn Gottes mit beruhigender Gewißheit überzeugend zu lehren. Deßwegen behaupte ich: I.) alle spekulative Philosophie, die nicht unter der Zensur und der Disciplin der gesunden Vernunft steht, kann nichts als Unordnung anrichten. Weil aber alle Menschenvernunft, sey sie gemein oder spekulativ, unfähig ist, uns in der grossen Angelegenheit des ewigen Heils vollkommensicher und allgemeinsicher zuführen: so lehre ich II.) alle Philosophie, nicht demäthig

und nüchtern

die sich

mit den wesentlichen uns durch Schrift, Tradition, und allgemeine

Kirche gesicherten Lehren des Christenthums vereinigt, sey nicht geschickt, die hohen Bedürfnisse der menschlichen Natur zubefriedigen, und das wahre Gut- und Wohlseyn der Menschen zufördern. Dies ist die Ursache, warum ich bey allen Anlässen stets auf die gesunde Urkunden des Christenthums, Bescheidenheit

und zugleich auf Demuth,

Willenskultur,

Vernunft,

Nüchternheit

und auf die des Geistes,

p.p. dringe. Dieß ist die Ursache, warum ich bey dieser meiner redlichsten

Gesinnung nicht nur nicht kantisch bin, sondern nicht einmal kantisch seyn kann. Dieß lehrt auch der Augenschein. Kant redet immer von vollendeter Spekulation, und ich rede nur von gesunder, gemeiner Vernunft, und von unvollendbarer Spekulation; Kant redet sehr spärlich vom Glauben an die Geschichte, und äussert gar kein Vertrauen darauf, und ich stelle den Glauben

26

H S T A M G.R. Fasz. 790 Nr. 22/3, o.pag. (präs. 2.9.1794).

54

Mark

Lehmstedt

an die Geschichte nebst der Erfahrung, als die Eine feste Basis aller Philosophie auf; Kant redet höchstens von der Moral des Christenthums, und läßt von dem positiven dogmatischen Christenthum kein einzig entscheidendes Zeugnifi einfliessen, und ich rede überall nicht nur von der N o t w e n d i g keit der ganzen christlichen Offenbarung, sondern noch darüber von der Nothwendigkeit der innera und erleuchtenden Gnade Gottes u.s.f. (...) Es widerspricht also der Inhalt und Geist meiner Schrift offenbar dem Inhalt und dem Geiste der kantischen Philosophie."

Im folgenden setzte Sailer sich dann mit den einzelnen von Stattler beanstandeten Textstellen auseinander, um »zuzeigen, daß sie sich nur auf den Mittelweg zwischen der apodictisch aufbauenden und apodictisch einreissenden Philosophie beziehen, und durchaus unschädlich seyn«. Eine der von Stattler kritisierten Stellen finde sich »schon in der ersten Auflage, ehe sich noch die kantische Philosophie bekannt gemacht hatte«, könne also wohl kaum als Beleg für seinen Kantianismus angeführt werden. Die zweite Stelle referiere nicht Kants, sondern vielmehr Basedows System und enthalte »sogar eine eigne Abfertigung

der kantischen Ideen«, auch sie sei im Kern bereits in der ersten

Auflage enthalten gewesen, »und dies Buch schrieb ich, eh ich eine Zeile von Kant gelesen hatte«. In der dritten und vierten Stelle sei überhaupt nicht der mindeste Bezug auf Kant zu finden. Daß er alles andere als ein Kantianer sei, erhelle nicht zuletzt auch aus der Tatsache, daß »die kantianische Parthey mich passim und vulgo als ihren Gegner verschreyt«. Überhaupt aber handele es sich in allen Fällen um wissenschaftliche Ansichten, die weder Staat, Sitten noch Religion tangierten und daher gar kein Gegenstand der Zensur seien, denn »in Betreff dieser [wissenschaftlichen, M . L . ] Meynungen ward bisher erlaubt, Ja oder Nein zusagen. Wenn ich also auch eine sehr unschädliche Meynung vertheidigte, so würde es mir ein hochlöbliches Censur-Kollegium nicht verargen können«. 28 Dies war ein zwar behutsam formulierter, doch unmißverständlicher Angriff auf Stattler, der seine Macht als Zensor mißbrauche, um abweichende wissenschaftliche Auffassungen zu unterdrücken, die weder den Staat, die Religion noch die guten Sitten berührten; mindestens der interne Wissenschaftsdiskurs müsse auch in Zukunft von Zensureingriffen frei bleiben. (Freilich sah Stattler ja in Kant gerade den gefährlichsten Angriff auf die Religion und handelte insofern nur konsequent.) Da Sailer nach diesen Darlegungen überzeugt war, die Nichtigkeit der Angriffe gegen sein Buch klar erwiesen zu haben, bat er den Kurfürsten, »meine Vernunftlehre entweder unbedingt in die Welt ausgehen zulassen, oder wenigst mit beygedrucktem und am Ende sub lit. A . beyliegenden Revisions-Blatte,

worinnn ich meinen Sinn

überhaupt deutlich angebe«. 29 Der Text dieses »Revisions-Blattes« lautete: Da vielleicht einige Leser einige Sätze dieses Buches unbestimmt finden, und also misdeuten könnten, so haben mich die Wahrheitsliebe, und die heilige Pflicht, Misverständnisse nach Vermögen zuhindern, getrieben, dieses Revisions-Blatt dem Werke beydrucken zulassen.

Der »Fall Sailer«

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Ich bin zur festen, lichthellen, und mit innerem Frieden und Wohlseyn versiegelten, Ueberzeugung gekommen, daß die spekulative Philosophie in Hinsicht auf moralische und religiöse Gegenstände, nur in dem Masse dem menschlichen Geschlechte unschädlich, und einzelnen Menschen heilsam werden könne, in welchem sie nüchtern, demüthig, bescheiden und lernbegierig genug ist, sich abwärts an die Zensur und die Disciplin des gemeinen, gesunden allgemeinen Menschenverstandes, und aufwärts

an den göttlichen Lehrmeister, Herrn und Erlöser des menschlichen Geschlechtes,

Jesus Christus, fest anzuschliessen. Auf diesem Weg allein ist Harmonie der forschenden Vernunft mit der gemeinen Vernunft und mit der Offenbarung

möglich.

Es wäre mir auch leicht zubeweisen, daß die meisten Irrungen der spekulativen Philosophie in den vorigen und unsern Zeiten daher gekommen waren, daß man entweder mit Brillen ohne Augen sehen, das heist, die spekulative Philosophie von dem Leitband der gemeinen, gesunden Vernunft unabhängig machen wollte, oder mit der spekulativen Philosophie auch da noch habe richten und meistern wollen, w o man sich dem höhern Lichte, (das uns in dem Christenthum angeboten und gegeben wird,) hätte demüthig ergeben sollen. W a r u m ich aber, bey stetem Treiben zur Nüchternheit und Bescheidenheit, denn doch vom System der neuesten, sogenannten kritischen Philosophie, in meiner Vernunftlehre keinen Gebrauch gemacht habe, muß ich hier noch sagen: Ich mache keinen Gebrauch von dem Systeme der kantianischen Philosophie, weil sie eine Sekte ist, und der Most noch nicht ausgegoren hat. Und der beste Wein ist nicht trinkbar, wenigst nicht gesund, bis er ausgegoren hat. Ich mache keinen Gebrauch von dem System der kantischen Philosophie, weil sie mir mehr erschütternd im Einreissen, als tröstend und befriedigend im Autbauen zuseyn scheint. Kurz mein Wunsch ist der Einzige: Es lebe die Wahrheit,

und di e Liehe, wie Paulus lehrt. 3 0

E s v e r g i n g f a s t g e n a u e i n M o n a t , b i s Startler

reagierte. Z w a r g e n e h m i g t e er d e n

V o r s c h l a g , d e m W e r k ein » R e v i s i o n s b l a t t « b e i z u d r u c k e n , d o c h mit Sailers T e x t w a r e r g a n z u n d g a r n i c h t e i n v e r s t a n d e n . S a i l e r m ü s s e ihn s o f o r m u l i e r e n , d a ß e r » d e m E n d z w e c k e der v o n uns e u c h schon a n b e f o h l e n e n W e g l a s s u n g oder U m ä n d e r u n g j e n e r 4 . a u s g e z e i c h n e t e n S t e l l e n e n t s p r e c h e n m a g « . In S a i l e r s » E n t w u r f « s e i n u r d a v o n d i e R e d e , w a r u m e r v o n K a n t s P h i l o s o p h i e k e i n e n G e b r a u c h g e m a c h t h a b e , und d i e s sei v i e l l e i c h t h i n r e i c h e n d , u m e i n e n A n g r i f f v o n S e i t e n der Kantianer a b z u w e h r e n . Wir aber erwarten von euch vielmehr eine Erklärung von solcher Art, welche hinreiche jeden Leser zu versichern, daß ihr nie des Sinnes wart, durch jene namentliche 4. Stellen auch nur einen der irrigen Hauptsätze jenes Systems positiv begünstigen, oder für wahrscheinlich angeben zu wollen: und Wir erwarten so was nach der Uns schon gemachten eigenen Erklärung von euch jetzt um so mehr, als das Kantische System in eben solchen seinen Hauptsätzen sowohl der von euch selbst so hoch geachteten gemeinen gesunden Vernunft, als selbst auch der heiligsten Lehre Jesu schnür gerad entgegen ist; anderer seits aber Wir durchaus keinen Schein übrig lassen wollen, womit man euern N a m e zur Beglaubigung so eines das ganze Christenthum verheerenden Systems wie immer mißbrauchen könnte. 3 1

30 31

Ebd., Beilage. Ebd. (1.10.1794).

Mark Lehmstedt

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U n d dann schrieb der Z e n s o r dem Autor wortwörtlich v o r , w a s dieser in s e i n e m »Revisionsblatt« zu formulieren habe: 1.) daß ob ihr schon nicht nöthig fandet in solcher eurer Vemunftlehre das Kantische System in jenen vier vorliegenden Hauptsätzen positiv zu widerlegen, ihr doch auch in keiner Stelle derselben gesinnet wäret, selbes in einem seiner eigentlichen Hauptsätze, auch nur als wahrscheinlich positiv zu begünstigen. Dann 2. l e n s ) müßet ihr euch über jene 4. Stellen namentlich erklären, daß ihr in der ersten (fol. 4.) keineswegs gesinnet wart die Lehre Kants vom Räume und von Zeit auch nur als wahrscheinlich anzugeben (denn sie ist ja gerade selbst schon der gemeinen gesunden Vernunft, und noch mehr der ganzen geoffenbarten Religion zuwider): - daß ihr in der zweyten Stelle (fol. 29. η. 2.) durchaus nicht dachtet dem Weltapostel I. Rom. 20. und Act. XIV. 16. zu widersprechen, sondern nur gegen die Theisten zu behaupten, daß die bloß natürliche Erfahrung der Sinne nicht hinreiche uns bis zu unserm letzten Ziel der allerinnigsten Vereinigung mit Gott zu führen: - Daß ihr in der dritten Stelle (fol. 7. bis fol. 9. η. 3.) keine andere, als nur eine aus der vorläufig schon erkannten Gewißheit der Wahrheitsgründe entstehende Glaubenspflicht, z.B. der Zeugnisse von göttlicher Offenbarung, keineswegs aber jene Kantische, bloß zur Stütze einer ganz untheologischen Moralität erfundene Glaubenspflicht, zu behaupten gesinnet wäret: - daß ihr in der vierten Stelle (fol. 344.) mehr nicht als die Unergründlichkeit des vollen Wesens Gottes nach der Lehre der Hl. Schrift und aller katholischen Gottesgelehrten ausdrucken wolltet. Dann aber 3. t, ' ns ) habt ihr die in dem Uns schon vorgelegten Revisionsblatte angegebenen Ursachen des von euch nicht gemachten Gebrauchs der Kantischen Philosophie ganz wegzulassen: weil eben diese vielmehr Muthmassung erregen könnten, daß ihr von dem Unbestande derselben noch ganz 32 nicht überzeuget wäret. E s klingt fast nach einem A n g e b o t zur V e r s ö h n u n g , w e n n Stattler s e i n e m L i e b l i n g s schüler w i e e i n e m auf A b w e g e geratenen Kinde abschließend schreibt: Da euer eigener Sinn in den obigen 4. Stellen nach eurer eigenen theuern Aussage kein anderer war; hergegen den Lesern gar leicht ein ganz widriger Sinn, zu euerm eigenen gewissen Nachtheile, und noch mehr zum Nachtheile der heiligsten Lehre Jesu, einleuchten möchte; so kann es euch nicht zu schwer fallen, so eine Erklärung eurer Worte dem Publikum zu machen: da ihr von je her den 33 größten Eifer für die reine Lehre des Christenthums in euern Schriften geäusert habt. A l s Stattler d i e s e Zeilen am 1. Oktober 1794 zu Papier brachte, befand sich Sailer gerade auf einer längeren R e i s e in die S c h w e i z . A m T a g seiner Rückkehr nach D i l l i n g e n , am 4. N o v e m b e r , traf ihn die Katastrophe: Direktor W a n n e r überreichte ihm ein am 2 8 . Oktober v o m A u g s b u r g e r Generalvikar Johann N e p o m u k v o n U n g e l t e r unterzeichnetes Dekret, das d i e v ö l l i g e A u f h e b u n g der Pastoraltheologie an der Universität D i l l i n g e n und die Übertragung der M o r a l p h i l o s o p h i e auf einen anderen Lehrstuhl befahl und damit Sailers sofortige Entlassung bedeutete (Stölzle, 1 9 1 0 : 1 3 0 ) . Ein Jahr nach der Dillinger Inquisition hatten Sailers G e g n e r einen v o l l e n S i e g errungen.

Ebd. Ebd.

Der »Fall Sailer«

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Sailer war tief gètroffen. Am 5. November verließ er Dillingen mit der Post und fuhr nach München, wo er bei seinem Freund Winkelhofer Quartier fand. Es spricht für Sailers beeindruckende Souveränität im Umgang mit Schicksalsschlägen, die aus tiefem Gottvertrauen resultierte, daß er, unmittelbar nach seiner Ankunft in München, am 7. November die von Stattler geforderte Neufassung des »Revisionsblattes« zur Zensur einreichte und in scheinbar gelassenem Ton um die Erteilung des Imprimatur und um die Genehmigung des ungehinderten Verkaufs nachsuchte. 34 Eine Woche später übergab Johann Baptist Strobel dann auch die noch fehlenden Teile des Manuskripts der Vernunftlehre zur Zensur. 35 Doch Stattler war unnachgiebig. Am 18. November berichtete Sailer an Lippert: »Eben komme ich von Stattler. Stattler ist ganz unüberwindlich. Morgen wird er proponiren, daß ein Bogen umgedruckt werde. Denn, sagte er, ich sey als zu junge, und die Pflicht gehe bey ihm über alle Freundschaft. Er ist entsetzlich-scharf, zermalmend« (Lippert, 1972: 558). Sailer bat Lippert, seinen Einfluß bei Schneider, dem Direktor des Zensurkollegiums, geltend zu machen, um diesen zu der Erklärung zu bewegen, man könne sich mit Sailers abgegebener Stellungnahme begnügen, weil der Vorwurf des Kantianismus dort hinreichend widerlegt wäre und jede weitere Untersuchung »alzu spekulativ« werden müsse (Lippert, 1972: 559). Stattler blieb unbeweglich und war auch durch Sailers Situation nach der fristlosen Kündigung in Dillingen zu keinem Entgegenkommen zu bewegen. »Stattler findet lauter Kant in meiner Logik, und er ist, selbst durch meine itzige Lage und durch alle meine Nachgiebigkeit, ungewinnbar. O der armen Gelehrten!«, schrieb Sailer am 22. November (Schiel, 1952: 1250· Selbst der fast allmächtige Lippert konnte wenig für Sailer tun, immerhin hat er aber offenbar verhindern können, daß die Zensur in den Text selbst eingriff, jedenfalls ist in der Folge keine Rede mehr davon, daß ein Blatt umgedruckt werden müsse. Am 26. November sandte Stattler das von Strobel am 15. November übergebene Restmanuskript und Sailers neues »Revisionsblatt« zurück und verlangte, da dieses ganze Werk confus- und nicht in gehöriger Ordnung behandelt worden ist, daß ihr [Strobel, M . L . ] das ganze Mscrpt vom Anfange bis zum Ende, und das schon gedruckte in Ordnung bringen, und vollständig anher einsenden sollet, weshalben ihr euch mit dem Author zu benehmen habt. 36

War es eine bewußte Schikane von Seiten Stattlers, der doch wußte, daß Sailer kein neues Manuskript für die überarbeitete Neuauflage der Vernunftlehre geschrieben, sondern alle Änderungen in die Druckbogen der ersten Ausgabe eingefügt bzw. Zusätze auf zahllosen einzelnen Blättern an den Verleger geschickt hatte? Strobel konnte also nichts anderes tun, als zu erklären, daß er sich außer Stande sehe, Stattlers Befehl nachzukommen. Man möge sich daher mit dem Abdruck begnügen, in dem

34

Ebd. (7.11.1794).

35

Ebd. (präs. 15.11.1794).

36

Ebd. (26.11.1794).

58

Mark Lehmstedt

das Werk ohnehin »weit deutlicher und besser im Zusammenhang beurtheilet werden kann«. 37 Durch all die unsinnigen Komplikationen geriet selbst der sonst so ausgeglichene Sailer etwas in Wallung; am 2. Dezember heißt es in einem seiner Briefe: »Stattler ist der Pater Hochbichler, will noch immer etwas kantisch Seinsollendes in meiner Logik finden. Es zieht sich die Sache hinaus, am Ende aber kommt sie doch noch« (Schiel, 1952: 126). Der Exjesuit Hochbichler/Hochbüchler begegnet 1790 in einem Brief als »ein Glied aus dem niedrigsten theologischen Pöbel, ein Mann ohne alle Kritik und Geschichte, ja sogar ohne gesunde Dogmatik« (Friemel, 1972: 38), mit ihm verglichen, ja gleichgesetzt zu werden, kann nur als äußerst scharfe Kritik Sailers an seinem sonst so sehr geschätzten Lehrer gedeutet werden. Da Stattler auf Strobels Erklärung, daß er das Manuskript selbst beim besten Willen nicht zur Zensur einreichen könne, höchstens mit dem vollständigen Verbot des Buches hätte reagieren können, was aber zweifellos zu gewaltigem Aufsehen und unabsehbaren Folgen führen mußte, hielt er sich an Sailer schadlos. Zwar erteilte er der Vernunftlehre am 10. Dezember 1794 endlich das Imprimatur, allerdings geknüpft an neue Bedingungen: Sailer sollte in seinem Revisionsblatt zwei weitere Stellen, von denen bislang noch gar keine Rede gewesen war, »erklären«. 38 Sailer, des Streits offenbar überdrüssig, formulierte nun eine dritte Fassung des »Revisionsblattes«, das von seinem eigenen ursprünglichen Text kein Wort mehr enthielt, sondern schlicht alle von Stattler buchstäblich vorgegebenen Sätze aneinanderreihte und in dieser Gestalt - für Uneingeweihte als Sailers eigene Erklärung - schließlich im Druck erschien (Sailer, 1795, I, Anhang o.pag.). Die weitere Entwicklung war von nun an reine Routinesache: Am 19. Dezember wurde Strobel die Erteilung des Imprimatur mitgeteilt, 39 im Januar 1795 wurden die »obsignierten« Ballen herausgegeben, 40 und am 6. Februar konnte der Verleger endlich die geforderten sechs Belegexemplare der Vernunftlehre übergeben mit dem Gesuch, das Werk im Münchener Mittwochsblatt anzeigen zu dürfen. 4 ' Mit der Genehmigung dieses letzten Antrags am 16. Februar schließen die Zensurakten für dieses Buch. 42

37

Ebd. (präs. 3.12.1794).

38

Ebd. (10.12.1794).

39

HSTAM H.R. 498 Nr. 3, Nr. 66 (19.12.1794).

40

HSTAM G.R. Fasz. 790 Nr. 22/3, o.pag. (7.1.1795), und HSTAM H.R. 498 Nr. 3, Nr. 93 (13.1.1795).

41

HSTAM G.R. 790. Nr. 22/3, o.pag. (6.2.1795).

42

HSTAM H.R. Fasz. 498 Nr. 3, Nr. 127 (16.2.1795).

Der »Fall Sailer«

59 Vili.

Es bleibt die Frage nach dem Resultat der Zensurmaßregelungen und den unmittelbar anschließenden Entwicklungen. Sailers Vernunftlehre war trotz aller Widerstände erschienen, zwar ein Dreivierteljahr später, als es sonst möglich gewesen wäre, aber - soweit erkennbar - ohne direkte Eingriffe in den Text. (Welchen Einfluß der Augsburger Zensor Steiner möglicherweise bereits genommen hatte, ist nicht zu entscheiden.) Das »Revisionsblatt« mit dem vom Zensor diktierten Text war schon aufgrund der völlig abweichenden stilistischen Gestalt jedem aufmerksamen Leser als fremde Zutat erkennbar, berührte keine einzige Grundaussage, geschweige denn die Tendenz des Gesamtwerkes und überließ es der Willkür des Lesers, ob er es überhaupt zur Kenntnis nahm und ob er der dort gebotenen Interpretation des Haupttextes folgen wollte oder sich lieber eigene Gedanken machte. Mit dem Erscheinen des Werkes waren Strobels gewiß nicht unbedeutende Investitionen gesichert, wenngleich die zusätzliche Verzögerung (nach der langen Dauer der Umarbeitung bei parallelem Druck) die Kosten erhöhte und die Kapitalakkumulation empfindlich behinderte. Denkbar wäre allerdings, daß wie in so vielen anderen Fällen auch hier der Ruch, Opfer von Zensurmaßregelungen geworden zu sein, den Absatz des Buches befördert und damit den Verleger entschädigt hat. Ganz ungeschoren ging Strobel allerdings aus den Vorgängen nicht hervor. Der Erteilung des Imprimatur am 10. Dezember 1794 hatte Stattler auch die folgenden Sätze hinzugefügt: Die weitere Ahndung wegen ohne Censur unternommenen Drucke bleibt der Ursachen hinweg, weil in der Dietlischen Causa nunmehro dem Strobl die Commination überhaupt gemacht worden, [...] daß im Falle er ferner etwas ohne Censur drucke, seine Gerechtigkeit ohne weiters ihm abgenommen 43 würde werden.

Dies spielte auf einen zweiten großen Zensurfall an, in den Strobel verwickelt war, die Untersuchung gegen Georg Alois Dietls Vertraute Briefe eines Geistlichen in Baiern (1786) und dessen Freundschaftliche Briefe (1790), die 1790 begonnen und ihr Ende am 24. Oktober 1794 mit einem kurfürstlichen Reskript gefunden hatte, in dem es - seinerseits im Rückbezug auf einen früheren Zensurfall - hieß: Was übrigens den Buchhändler Strobl betritt, [...] so hätte selber allerdings verdient: daß die ihm schon im Jahre 1788 gemachte Drohung, wegen Abnahme der bürgerlichen Gerechtigkeit, nunmehr wahr gemacht werden sollte.- Seine Churfürstliche Durchleucht wollen jedoch mit gedachtem Professor Strobl noch einmal gnädigste Nachsicht haben, und hiemit höchst Dero Bücher Censur Collegio auftragen, selben bey der geeigneten Stelle vorrufen, ihm sein Vergehen diesfalls verweißen, und neuerdings ad Protocollum geben zulaßen: daß wenn er sich in ähnlichem Falle noch einmal betreten ließe, der ihm angedrohete Verlust der bürgerlichen Gerechtigkeit, nach so 44 vielen fruchtloßen Ermahnungen ohne weiters wahrgemacht werden würde.

43

HSTAM G.R. 790 Nr. 22/3, o.pag. (10.12.1794).

44

HSTAM MInn 15750, Nr. 24 (24.10.1794). Dieser Befehl wurde Strobel am 17.11.1794 bekanntgegeben, vgl. HSTAM G.R. Fasz. 793 Nr. 27, o.pag.

60

Mark

Lehnstedt

Ein drittesmal in Folge wurde also die Drohung ausgesprochen, Strobel die Buchhandelskonzession zu entziehen, falls er sich künftig nicht den Zensurgesetzen unterwerfen würde. Inwiefern er die Drohung diesmal ernstnahm, ist schwer zu sagen. Es scheint, daß er sich zumindest für einige Zeit darum bemühte, keinen Anstoß mehr zu erregen, nicht zuletzt wohl, um die geplante Übernahme des äußerst lukrativen Privilegs zur Herausgabe der Münchener Intelligenzblätter nicht zu gefährden (die dann tatsächlich ab Anfang 1796 in seinem Verlag erschienen). Weniger glimpflich erging es Sailer. Nach seiner fristlosen Entlassung in Dillingen und den Zensurdrangsalen gab es in München Bestrebungen, Sailer zum kurfürstlichen Hofprediger zu ernennen. Tatsächlich genehmigte Karl Theodor im März 1795 den entsprechenden Vorschlag seines Hofbischofs. Doch wiederum war die Partei der im verborgenen operierenden Feinde stärker. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, daß Sailer ausgerechnet an dem Vorwurf scheiterte, ein »Erzstattlerianer« zu sein, denn Stattler war inzwischen »in Verachtung bei dem Kurfürsten gebracht« worden (Schiel, 1952: 132). Wenn Sailers Vermutung richtig war, daß hinter allem die päpstliche Nuntiatur in München stand (die dies natürlich leugnete) (Schiel, 1952: 133) - und daran gibt es kaum einen Zweifel - , so ist dies nur ein weiterer Beleg dafür, wie weit die Macht des Papstes tatsächlich reichte. Sailer ist auf diese Weise ein zweitesmal das Opfer seines Lehrers Stattler geworden, diesmal freilich ganz ohne dessen Zutun und sicher gegen dessen Willen. Denn am härtesten traf, unmittelbar nach Erteilung des Imprimatur für Sailers Vernunftlehre, das Schicksal Stattler, den unbeugsamen Zensor. Seit dem Frühjahr 1793 befanden sich seine eigenen Zensurauseinandersetzungen mit der römischen Indexkongregation in der Schwebe. Im Dezember 1794 nun erfuhr er aus der unmittelbaren Umgebung des Kurfürsten, die Nachricht sei eingetroffen, daß er zu Rom wegen vielfältiger Ketzereien so scharf verurteilt worden sei, daß der Kurfürst, sobald die Verdammung amtlich bekannt gemacht werde, ihn mit Schimpf und Schande aus seinem geistlichen Rate und dem Zensurkollegium entlassen müsse Stattler möge darum freiwillig abdanken. Am 3. Januar 1795 erfolgte Stattlers Abberufung als Zensurrat, auf eigenes Ersuchen, wie es in der Urkunde hieß. 45 Doch Stattler gab nicht klein bei: Am 11. Januar 1795 richtete, er ein ausführliches Verteidigungsschreiben an den Papst; am 18. März 1795 übersandte er der Indexkongregation eine ausführliche Erklärung über die beiden Sätze der Demonstratio catholica, von denen er glaubte, daß sie in Rom besonderen Anstoß erregt hätten. Im Mai 1795 erhielt er dann endlich das bislang vergeblich geforderte Verzeichnis jener Sätze, die zur Verdammung Anlaß gegeben hatten, dazu das Angebot, wenn er diese Sätze einfach widerrufe, könne von der Veröffentlichung (nicht etwa von der Aufhebung!) des Urteils Abstand genommen werden. Auf Stattlers nächstes Verteidigungsschreiben antwortete der Papst, daß die Erklärungen durchaus nicht genügten,

45

HSTAM H.R. Fasz. 499, Nr. 46 (3.1.1795).

Der »Fall Sailer«

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vielmehr die Sache noch schlimmer machten. Wenn Stattler nicht binnen dreier Monate sein Buch rückhaltlos widerrufe, werde das Indexdekret veröffentlicht werden. Erneut erging das Angebot, von der Publikation des Verbots abzusehen und Stattler damit der öffentlichen Schande zu entheben, wenn dieser selbst sein Buch als durch und durch ketzerisch und mit unendlichen Irrtümern angefüllt widerrufen und verdammen würde, worauf Stattler antwortete: Es kann nicht Demuth heißen, Sätze, die man nicht für Irrthümer hält, als solche zu bekennen, und sich selbst anzuschwärzen; j e n e Demuth hat hinlängliche Gelegenheit, sich zu üben, wenn sie die w a h r e n Mängel nur anerkennen will. U n d es w ä r e nicht recht von mir, den Nutzen, den Viele schon aus diesem Buche geschöpft haben und durch Gottes Gnade noch ferner schöpfen werden [d.h. n a c h d e m es vom Papst schon verdammt war!, M . L . ] , kleinmiithigerweise, ohne irgend eine dringende höhere und unwiderlegliche Authorität, durch mein eignes Verdammungsurtheil zu verhindern (Salat, 1801: 184f).

Am 29. April 1796 wurde dann endlich das vom Papst bestätigte Dekret der Indexkongregation veröffentlicht, worin Stattlers Demonstratio catholica unter Bezugnahme auf den am 11. Juli 1780 gefaßte Beschluß verboten und auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt wurde. Ein gutes Jahr später, am 10. Juli 1797, wurden auch noch drei weitere Bücher Stattlers (allesamt vor 1780 veröffentlicht!) auf den Index gesetzt, gemeinsam mit den - vermutlich von Stattler selbst publizierten Authentischen Actenstiicken, in denen die gesamte Auseinandersetzung mit der römischen Zensur öffentlich gemacht worden war. Sechs Wochen später, am 21. August 1797, starb Stattler an einem Schlaganfall - ohne widerrufen zu haben (nach Aktenstücke, 1796; Salat, 1801; Reusch, 1885, S. 1003-1005; Reusch, 1893). Es ist ein höchst bedenkenswerter Vorgang, daß ausgerechnet jener Autor, dem Stattler als Zensor zuletzt so hart zugesetzt hatte, den ersten Nachruf auf ihn publizierte. In dem 1798 erschienenen Bändchen Benedikt Stattlers kurzgefaßte Biographie beschrieb Johann Michael Sailer seinen einstigen Lehrer als einen selbstdenkenden und konsequenten Mann, der das »Pflugeisen seiner Vernunft ganz sonderlich zu schärfen« verstanden habe. Wohl vor dem Hintergrund seiner letzten eigenen Erfahrungen mit Stattler wie in Kenntnis von Stattlers selbstbewußter Haltung im Widerstand gegen die Indexkongregation schrieb Sailer: Stattler konnte irren, mag, besonders auch in seiner politischen, ihm etwas fremden L a u f b a h n , manchmal geirret haben, aber wenn es einmal in seiner Seele geschrieben stand: Das ist gerecht, so hielt ihn keine Menschenfurcht, keine Menschengunst, kein Großer und kein Kleiner, nichts hielt ihn zurück: Es mußte durchgesetzt werden, es mochte noch so unklug scheinen, es mochte ihm noch so viele Verdrüßlichkeiten zuziehen. Diel) ist groß, das ist edel, wenn es auch den Schein des Eigensinnes, der Unklugheit und den des Mangels an Weltkenntniß hätte, und bliebe groß und edel, wenn es auch mehr als den Schein von diesem Allem hätte (Sailer, 1841: 121).

Noch 1823 sprach Sailer, inzwischen Weihbischof von Regensburg, von Stattler, der mir als Lehrer unvergeßlich, der mir als Freund und Ratgeber, der mir als Mitbruder alles w a r , dem ich vieles, j a , laßt mich lieber frei und ohne Rückhalt reden, dem ich alles, w a s ich gegenwärtig bin und habe, nach Gott a m ersten schuldig bin und vor allem zu verdanken habe. [ . . . ] Dieser gelehrte, vortreffliche M a n n w a r durch viele Jahre, j a bis an das Ende seines Lebens, mein bester,

62

Mark Lehmstedt mein innigster Freund und Lehrer, er war mir Führer und Wegweiser in verschiedenen Vorfällen meines Lebens (Schiel, 1948: 639).

I m m a n u e l Kant übrigens, gegen dessen philosophische Revolution sich Stattlers Z e n s u r j a eigentlich gerichtet hatte, scheint von den Vorgängen um Sailer keine Kenntnis gehabt zu haben. Immerhin wußte er aber im allgemeinen, wie es um die Verbreitung seiner Philosophie in Bayern zu j e n e r Zeit stand. Von einer Reise durch M ü n c h e n berichtete ihm 1796 sein W ü r z b u r g e r Anhänger C o n r a d Stang: In München ist an keine kritische Philosophie zu denken, da Stattler hier wohnt und regiert. Doch fehlt es keineswegs an einzelnen Männern, die im geheime dieses Sistem studieren, und zu nützen suchen. Ihre Schriften sind da, wie in Oesterreich Kontrebande, besonders aber Ihr Religionswerk. O warum hat doch die Wahrheit gegen sovieles zu kämpfen, bis sie nur halb ihre Stimme geltend mache! (Kant, 1922, S. 100)

W e n i g e J a h r e später, nach dem Regierungsantritt des neuen bayerischen K u r f ü r s t e n und seines genialen Ministers Montgelas, gelangten dann auch in Bayern j e n e M ä n n e r in einflußreiche Ämter und zu Universitätsprofessuren, die Kants Philosophie »im geheime« studiert hatten. Sailer, der nie Anhänger Kants gewesen war, aber aus der Auseinandersetzung mit seinen Schriften entscheidende Anregungen empfangen hatte, o h n e die sein eigenes, originäres Schreiben und Wirken undenkbar w ä r e , entwickelte sich z u m einflußreichsten katholischen Theologen des frühen 19. Jahrhunderts. Johann Baptist Strobel schließlich findet man nach 1799 als einen der aktivsten »süddeutschen Jakobiner« (Scheel, 1980: 648f.) wieder.

Wolfram Siemann

Normenwandel auf dem Weg zur >modernen< Zensur Zwischen »Aufklärungspolizei«, Literaturkritik und politischer Repression (1789-1848)

Zensurgeschichte hat sich mittlerweile zu einem weit gefácherten Arbeitsfeld entwickelt, an dem sich Forscher verschiedenster Disziplinen beteiligen. Trotzdem ist sie lange Zeit eine Domäne des literaturhistorischen Interesses gewesen, und betrachtet man die Impulse zur Tagung der German Studies Association in Los Angeles von 1991 zu diesem Thema, so möchte man festhalten: Sie ist es immer noch. Ihre Spuren rühren im deutschsprachigen Raum in die Anfänge wissenschaftlicher Beschäftigung mit Literatur und Pressepolitik, etwa als Robert Prutz begann, sich intensiv mit der preußischen Zensurpolitik der 1840er Jahre auseinanderzusetzen.' Dieser Tradition entsprechend konzentrierte sich die Aufmerksamkeit bevorzugt auf die »literarische Zensur«. 2 Das verbreitete Bild der Zensur ist überdies stark geprägt von ihrem Schauplatz par excellence: dem Werk jener Literaten, die bereits in der Sicht der Verfolgungsbehörden unter dem Begriff des J u n g e n Deutschlands< zusammengefaßt wurden und als Opfer des sogenannten >Mettemichschen Systems< erschienen. Zensur so wahrzunehmen ist begreiflich, definierte doch der Bundesbeschluß vom 10. Dezember 1835 erstmals eine bestimmte Art der Literatur als eigenes Zensurobjekt. 3 Dabei präsentierte sich Zensur bevorzugt als Höhenkammwanderung mit Blick auf einzelne Autoren wie etwa Büchner, Nestroy und Heine, und sie erschien dabei vor allem als politisch veranlaßt. Zensur galt so als Fessel der Glaubens- und Meinungsfreiheit. Auch das hatte weit über deutsche Verhältnisse hinaus - Tradition. Und nicht zu Unrecht ist die heutige Vorstellung von Zensur noch stark durch diese Funktion geprägt, denn der lange historische Kampf gegen die Zensur wurde auf den Feldern der Politik und des Glaubens ausgetragen. Man denke an den Anspruch des englischen Parlaments auf »freedom of speech«, an die lange Revolutionsära seit Cromwell im Kampf um »freedom of the press«. 4 Berühmte Autoren wie John Milton in »Areopagitica« (1644)

' Vgl. hierzu die Darstellung zur deutschen Geschichte von Prutz (1845). '

Vgl. etwa das inzwischen nachgedruckte Standardwerk von Houben zur Verbotenen Literatur

sowie

die grundlegenden neueren Untersuchungen von Kanzog und Breuer. 3

Vgl. dazu die Untersuchung von Homberg sowie - zur Kritik und Anwendbarkeit des Begriffs

4

Vgl. hierzu Stourzh.

Junges Deutschland< - die Monographie von Köster, 1984: 164-167.

Wolfram Siemami

64

und John Locke in seinem »Letter Concerning Toleration« (1689) bevölkerten diese Arena ebenso wie spektakuläre Gerichtsprozesse, in England zum Beispiel gegen John Wilkes (1725-1797), in den späteren Vereinigten Staaten gegen John Peter Zenger (1697-1746). Die Virginia Bill of Rights (1776) und die French Declaration of Rights of Man and the Citizen (1789) postulierten Meinungs- und Gewissensfreiheit und meinten die Sphären von Politik und Religion. 5 Diese Sehweise wurde zweifellos noch bestärkt durch die Auseinandersetzung mit dem italienischen faschistischen und dem deutschen nationalsozialistischen System der ¡Propaganda und Zensur. 6 Und der jüngst zurückliegende Zusammenbruch der Meinungskontrolle in den osteuropäischen Staaten des ehemaligen »Ostblocks« eröffnete Einblicke in Zensurtechniken, welche das Politische als Triebkraft der Zensur nur noch stärker in den Vordergrund hoben. Gegenwärtig ist geradezu ein Trend zu beobachten, Zensur als politisches, stets wesensgleiches, in universaler Reichweite existierendes Phänomen zu dokumentieren. Historische Elemente liefern darin dann das erweiternde Spielmaterial. 7 Diese Verengung der Zensur auf das Politische eröffnet dem Historiker die Aufgabe, ihren unterschiedlichen Wurzeln nachzugehen. In diesem Beitrag soll dazu ein besonderer Ansatz gewählt werden, der Zensur als ein komplexes System staatlicher Steuerung analysiert. Es wird dabei nicht von vornherein ein besonderes Medium, eine spezielle Literaturgattung oder eine angeblich typische Repressionsabsicht herausgehoben werden, sondern es soll die Rekonstruktion von Normenhorizonten der Zensoren im Mittelpunkt stehen. Ein solcher >Normenhorizont< als Summe wertender Kriterien bei der Zensur im praktischen Vollzug ist nicht zu verwechseln mit der jeweiligen Zensurgesetzgebung eines Staates; diese gehörte zwar dazu, aber darüber hinaus gab es eine ganze Anzahl weiterer richtungsweisender und verpflichtender Kriterien, die bei der Auswahl unerwünschten Schrifttums zur Geltung kamen und zusammengenommen erst den Normenhorizont bildeten. Ein knapper quellenkritischer Hinweis mag das verdeutlichen. Zu Handlungsorientierungen zählten über die Gesetzgebung hinaus konkretisierende Zensurinstruktionen·, diese waren landesbezogen und vorwiegend geheim. Es ist zu unterscheiden zwischen längerwirkenden Generalanweisungen und auf den Einzelfall bezogene Vorschriften. Dennoch beklagten Zensoren oft die mangelnden Handreichungen für eine Entscheidung; sie waren im Gegenteil in der Regel darauf angewiesen, den eigentlichen Willen der staatlichen Autorität intuitiv zu erahnen oder zu interpretieren. Statt auf eine Liste

5

Die umfangreiche Publizistik zur Pressefreiheit und Zensur erörtert die noch ungedruckte Habilitationsschrift von Hellmuth, vgl. dazu auch Schlenkes viel zu wenig zur Kenntnis genommene Untersuchung zum Verhältnis von Politik und öffentlicher Meinung in England im 18. Jahrhundert.

6

Vgl. etwa die Anthologie von D r e w s und Kantorowicz von 1947 sowie das Geleitwort von Jens in der von Adler herausgegebenen Edition der Protokolle der Metternich-Agenten, l:ix-xiv.

7

Vgl. etwa die 1991 zur Zensur veranstaltete Ausstellung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, dokumentiert in dem von Raabe bearbeiteten Katalog.

Normenwandel

65

von Detailgrundsätzen bauen zu können, waren die Zensoren in beträchtlichem Maß auf ihr »Gutdünken« angewiesen, um zu ermessen, inwieweit eine Schrift dem Staat oder dem Publikum schädlich oder gefahrlich werden konnte. Bei abgewiesenen Büchern hatten sie dabei in der Regel ihre Gründe darzulegen. 8 Diese Zensurgutachten sind eine erstrangige, tief in die Praxis staatlicher Kontrolle führende Quelle, die überhaupt erst erlaubt, den tatsächlich wirksamen, nicht den legislativ proklamierten Normenhorizont zu rekonstruieren. Ferner erschließen den Wertehimmel der Zensoren zensierte Druckfahnen in der Art ihrer Streichungen, illegal publizierte Stücke zensierter Textpassagen, Korrespondenzen zwischen Zensor und Autor oder Redakteur sowie zwischen vorgesetzter Behörde und Zensor. Beschwerden, Rügen, Verweise, amtliche Strafandrohungen für lasches Verhalten und Geldbußen signalisieren gleichermaßen Reizschwellen, die bei der Zensur zu beachten und nicht ungerügt zu überschreiten waren. Der Begriff >Normenhorizont< suggeriert ein kohärentes, statisches Wertesystem. Tatsächlich aber unterlag er beständigem Wandel. Er war direkt an die staatliche Autorität gekoppelt und dadurch weit flexibler als die langfristig fixierte Zensurgesetzgebung. Den Zensoren selbst war diese Tatsache bewußt, daß die Ansichten über das, was räthlich oder nicht räthlich sey, durch den Druck zu verbreiten, sich nach Verschiedenheit der Zeiten, der Umstände und Personen oft viel schneller änderten, als sich ein constitutionelles Staats-Gesetz ändern läßt, und man es also auf dieß Weiß in der Gewalt hatte, nach solchen oft momentanen Veränderungen jener Ansichten den Bücher-Verkehr zu leiten.

Soll der so verstandene Normenhorizont der Zensoren im historischen Wandel erfaßt werden, reichen die bereits bekannten gedruckten Quellen nicht hin: Nur die unpublizierte archivalische Überlieferung hilft hier weiter. Das führt vom viel bewanderten Höhenkamm einzelner Protagonisten unter den Zensuropfern in die breiten Niederungen zensierter Quellenmassen, die zur methodischen Auswahl zwingen. Das soll hier im Rahmen einer auf einen Staat bezogenen Studie geschehen, die sich leiten lassen kann von der vollständig erhaltenen Zensurüberlieferung des Herzogtums und (ab 1806) Königreichs Württemberg. 10 Besonders der komplette Bestand des von 1808 bis 1816 tätigen Oberzensurkollegiums erlaubt hervorragende Einblicke in die Zen-

8

In dem württembergischen »Königlichen Decret betreffend die Erweiterung des Wirkungs-Kreises des Königlichen Ober-Censur-Collegiums« vom 13.1.1809 fand das »Gutdünken« sogar eine gesetzliche Fixierung! »Alles was Bücherdruk und Nachdruk, so wie die Verbreitung von gedrukten Schriften betrift, gehört einzig und ausschließlich zur Beurtheilung des Königlichen Ober-CensurCollegii, in der Wirkung, um hiezu nach seinem Gutdünken und nach Maaßgabe der gesezlichen Vorschriften die erforderliche Erlaubnis zu ertheilen, oder zu versagen«, sches Staats- und Regierungs-Blair,

Kömglich-Württembergi-

Nro. 5 (1809): 34f.

® So von berufener Seite formuliert durch das unpublizierte Gutachten des württembergischen Oberzensurkollegiums vom 28.11.1815 zur Frage, ob Pressefreiheit in Württemberg eingeführt werden solle; Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 146, Büschel 4735. 10

Erstmals gründlich bearbeitet von Fuchs.

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Siemann

surpraxis, aus der heraus eine Rekonstruktion der Normenhorizonte führt. Zugleich läßt sich damit der Zeitraum von 1789 bis 1848 umspannen und so eine Brücke zwischen Ancien Régime, Rheinbundära und den Phasen der Restauration und des Vormärz im Deutschen Bund schlagen. Der Untersuchungszeitraum umfaßt folglich eine Schlüsselphase deutscher Geschichte: In ihr bildeten sich die modernen deutschen föderativen Verwaltungsstaaten aus; es begann sich ein nationaler Buchmarkt zu entwickeln, der sich durch die literarischen Produktionsweisen und kommerziellen Vertriebstechniken dynamisierte; schließlich differenzierte sich das Lesepublikum in sozialer Hinsicht und stellte damit die Zensur vor grundlegend neuartige Probleme." Trotz der erwähnten Wandlungen des Normenhorizontes im Umgang mit >Preßfreiheit< und Zensur existierten epochal übergreifende Konstanten, welche in der Zeit vom aufgeklärten Absolutismus bis in den späten Konstitutionalismus des Wilhelminischen Reichs, ja, bis in die Gegenwart hinein, in der Rahmengesetzgebung zu Presse und Buch Verbindlichkeit bewahrten. 12 Als geradezu idealtypisch ausformuliert erscheinen sie im liberalen württembergischen Pressegesetz vom 30. Januar 1817, das bis zur Publikation des Bundespressegesetzes vom 20. September 1819 in Württemberg sämtliche Vorzensur aufhob. Der »freien Mittheilung der Gedanken und Einsichten«, der »Druck- und Lesefreiheit« setzte es in folgenden vier Bereichen Schranken: 13 1. Religion: der Lehrbegriff oder einzelne Glaubenslehren »einer im Staat anerkannten Kirche« durften nicht verächtlich oder lächerlich gemacht werden. Diese friedensstiftende staatliche Neutralität zwischen den christlichen Glaubensrichtungen war ein Erbe der Kriege und Konflikte des Konfessionszeitalters; die sonst üblicherweise hervorgehobene politische Dimension der Zensur verdeckt, wie stark bis weit ins 19. Jahrhundert hinein die Rücksicht auf die Religion noch die Zensoren bestimmte. Der Schutz der Religion war das älteste Zensurkriterium und reichte bis in die Anfange des Buchdruckes zurück. 2. Sicherheit des Staates, seiner Verfassung und Repräsentanten: das umfaßte den spezifisch politischen Bereich. 14 Polemische Erörterungen über bestehende Verfassungen, Aufrufe zur »Widersetzlichkeit gegen die Obrigkeit, zu Aufruhr und Empörung« und jede Forderung nach gewaltsamer Änderung der Verfassung mußten der Zensur weichen. Die Person des Regenten genoß besonderen Schutz

Vgl. zu diesem in der Regel als beginnende Modernisierung charakterisierten Wandel die Untersuchungen von Kiesel und Münch, von Möller, Reinhard Wittmann sowie die sozialgeschichtlich orientierten Literaturgeschichten von Grimminger und Glaser. 12

Vgl. dazu meinen Beitrag über grund- und menschenrechtliche Gehalte der Kommunikationsfreiheit in historischer Perspektive. 13 »Gesetz über die Preß-Freyheit« vom 30.1.1817, in Königlich-Württembergisches 14

Regierungs-Blatt, N r o . 6 (1817): 41^*4 Vgl. Siemann, »Der Schutz von >StaatMajestätsbeleidigung< der Zensur einen zusätzlichen politischen Akzent. Die Ehre auswärtiger Regenten und Regierungen nötigte besonders in Situationen extremer äußerer Abhängigkeit wie zur Zeit des Rheinbundes zu größten Rücksichtnahmen und konnte das gesamte Normensystem überformen. 3. Sittlichkeit: sie meinte vordringlich den Bereich der amtlich geduldeten Moral und zog als Zensurkriterium »unzüchtigen Schriften und Bildern« ihre Schranken. 4. Ehre und guter Name von Privatpersonen: sie zielte auf den Schutz des Individuums vor persönlichen Beleidigungen und Angriffen. Diese Basiskriterien der Zensur umfaßten also bereits mehr als lediglich politische Kontrolle. Für den jeweils wirksamen Normenhorizont sind sie jedoch noch viel zu undifferenziert. Eines zeigt denn dieser gesetzlich verordnete Katalog bereits augenfällig: Soziale Kriterien lassen sich aus ihm nicht ableiten.

Soziale Zensurnormen Rücksichten auf soziale Unterschiede gewannen indessen Ende des 18. Jahrhunderts an Bedeutung. Seit der Reformationszeit und den Bauernkriegen war nie ganz die Furcht geschwunden, der lesekundig gewordene »gemeine Mann< könne durch falsche Lehrmeister irregeführt und zum Aufstand gereizt werden. 15 Ein kurzer historischer Rückblick mag das verdeutlichen. Im Umkreis der Französischen Revolution von 1789 und nicht immer von ihr ausgelöst setzte in vielen deutschen Einzelstaaten eine Reorganisation und Institutionalisierung des Zensurwesens ein, in Preußen bereits 1788 durch die berüchtigten Wöllnerschen Dekrete. Rationalisierung und Konzentration der Verwaltung einerseits, wachsende Buch- und Pressepublikationen andererseits zogen auch bürokratische Verfestigungen der Zensur nach sich. Für die süddeutschen Staaten Baden, Bayern und Württemberg verbanden sich mit den Jahren 1791 und 1797 besonders einschneidende Neuerungen: Im Jahre 1791 erhielt das 1769 eingerichtete bayerische Zensurkollegium einen verwaltungsmäßigen Unterbau bis auf die Regionalebene hinab; im gleichen Jahre ordnete Württemberg sein Zensurwesen neu, und im Jahre 1797 schufen sich Württemberg und Baden ein ausdifferenziertes Kontroll system mit zentralen Zensurbehörden. Bereits die herzoglich-württembergische Zensurverordnung vom 13. Juli 1791 behandelte die Publikationen geringeren Umfangs im Gegensatz zu Büchern unter einem deutlichen sozialen Aspekt, indem sie feststellte, politische Zeitungen und Journale sowie die »fliegenden Blätter« hätten »so großen Einfluß auf die Denkungs-

Vgl. etwa den Wortlaut des bayerischen Religionsmandats von 1569, abgedruckt bei H. N e u m a n n , 1977: 89.

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Art der ungebildeten und zahlreichen Classe« der Untertanen. 16 Diese Erkenntnis, einmal ausgesprochen, hielt sich mit wachsendem Gewicht bis in die Zeiten des Deutschen Bundes, der seit den Karlsbader Beschlüssen Vorzensur - wenn die Einzelstaaten diese nicht generell vorschrieben - auf jeden Fall für Schriften mit weniger als zwanzig Druckbogen ( = 320 Oktavseiten) forderte. Mit Recht ist das als eine »Ständeklausel« bewertet worden, die es allen Gebildeten und Wohlhabenden denn Bücher waren teuer - leichter möglich machte, »an systemgefährdende Literatur heranzukommen«, 17 freilich auch an sittlich bedenkliche. Die badische und die württembergische Zensurverordnung des Jahres 1797 trug jede für sich den sozialen Zensurkriterien weit entschiedener Rechnung als die frühere Württembergs von 1791. Die badische Ordnung unterschied konsequent zwischen Gelehrten, den gebildeten Ständen und dem >VolkJugend< genannt wurde und so bereits seine Unmündigkeit attestiert bekam. Für die Publikationen kürzeren Inhalts wie Flug- und Zeitschriften, Wochenblätter, Zeitungen, Leseblätter, Lieder, aber auch Kupferstiche galt der >gemeine Mann< als besonders empfänglich. Man formulierte die Regel, die Zensoren sollten in Zweifelsfällen »bey gelehrten Schriften das Bewilligungs-Dekret, bey Volks-, Jugend- und gemeinen Lese-Schriften aber ein Versagungs-Decret ausfertigen.« 18 Man folgte dem »niemals außer Acht zu lassenden Unterschied zwischen gelehrten Abhandlungen und Volksschriften, in deren ersteren manches passirlich ist, was bei letzteren nicht nachgesehen werden kann«. 19 Auch die Aufmerksamkeit für die Vertriebswege der Literatur unterlag sozialen Rücksichten: Da dem >gemeinen Mann< besonders zugänglich, wurden der Bücher-, Bilder- und Liederverkauf auf Jahrmärkten und die Lektüre in städtischen Lesebibliotheken der Kontrolle besonderer Beamter zugewiesen. Andererseits blieben die »geschlossenen Lesegesellschaften«, die Bücher nur zum eigenen Gebrauch aufstellten, in Baden von der Zensur ausgenommen, da der Fürst »von Personen, die solche Bildung haben, um sich in dergleichen Gesellschaften zu vereinigen, sowohl die nöthige Prüfungsgabe bey dem, was sie lesen, als die billige Sorgfalt, daß ihr litterarischer Umgang nicht zum Schaden der Religion, des Staats und der Sitten ausarte, mit Grund voraussetzen« wollte. 20

16

Herzoglich-württembergische Zensurverordnung vom 13.7.1791, abgedruckt bei Fuchs, 1975: 4 1 1 - 4 1 3 , Zitat 412. 17

So Kanzog, 1984: 1007.

18

Markgräflich-badische Bücherzensurordnung vom 16.11.1797, abgedruckt bei Fuchs, 1975: 3 8 5 410, Zitat 400. 19

20

Ebd., 392. Ebd. 387.

Normenwandel

69

Die zeitlich parallel erschienene württembergische Ordnung kannte die gleiche Furcht vor »dem größeren Publikum«, vor der »Denkungs- und Handlungsart derjenigen zahlreichen Leute [...], welche ohne eigenes Nachdenken sich durch zufällige äußere Eindrücke leiten lassen«. Sie begründete ein selbständiges Zensurkollegium, weil die herkömmlichen Methoden »bei der gegenwärtigen Fruchtbarkeit der Schriftsteller nicht mehr hinreichend sind«. 21 Die Gesetzgebungen reagierten auf den epochalen Wandel, unter dem das literarische, noch weitgehend elitäre, homogene Publikum der vorrevolutionären Zeit sich sozial aufzuspalten begann. Der einsetzende »Prozeß der Demokratisierung des Lesens« schuf eine anonyme, lesende Öffentlichkeit, die aus der Sicht des Staates neuer, sozial imprägnierter Normen der Kontrolle bedurfte. 22 Auch im rheinbündischen Königreich Württemberg blieb der Sozialaspekt tragender Teil der Zensur, indem ihr besondere Aufmerksamkeit für Schriften zur Unterhaltung und Belehrung der Jugend und des >größeren Publikums< abverlangt wurden; der Blick blieb geschärft für den Unterschied zwischen Gelehrten, Staatsmännern, Volksschriftstellern und nicht unterrichteten Lesern. 23

Quantifizierende Erhebung zensierter Literatur in Württemberg 1 8 1 1 - 1 8 1 5 (gegliedert nach Zensurnormen) Nach dem Normenhorizont zu forschen provoziert eine Reihe von Fragen, welche die Tragweite und Qualität der Zensur näher bestimmen können: Wieviel Druckwerke wurden überhaupt von der Zensur betroffen? In welchen Proportionen verteilten sich die Schriften auf verschiedene Wissensbereiche? Wie hoch war der Anteil der abgewiesenen Publikationen an der gesamten literarischen Produktion des Landes? Welches Gewicht hatten die unterschiedlichen Verbotskriterien? Wieviele Manuskripte im Vergleich zu Neuauflagen und Nachdrucken wurden eingegeben? Wer reichte ein - die Buchdrucker und Verleger oder die Autoren? Ein glücklicher Quellenfund erlaubt für Württemberg in Form einer Querschnittsanalyse Antworten auf dieses Fragenbündel. Denn am 27. Juli 1811 befahl das Polizeiministerium des Königreichs dem ihm unterstellten Oberzensurkollegium, vierteljährlich von allen zur Prüfung eingereichten Manuskripten und Büchern tabellarische Verzeichnisse anzulegen. Sechzehn solcher Vierteljahresverzeichnisse für die Zeit vom 1. Oktober 1811 bis zum 30. September 1815 sind überliefert. Sie zusammengenommen ermöglichen für exakt vier Jahre eine einzigartige Überschau des

21 Württembergisches Zensurreskript vom 22.1.1797, abgedruckt bei Fuchs, 1975: 4 1 4 - 4 1 7 , Zitat 414 und 416. 22 23

Vgl. Martino und Stützel-Prüsener, 4 5 - 5 7 , Zitat 57, sowie Schenda (1976 und 1977). Vgl. Königlich Württembergische Zensurordnung vom 18.5.1808, abgedruckt bei Fuchs, 1975: 417-423

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größten Teils der literarischen Produktion eines Landes in vollständiger Abhängigkeit von staatlicher Zensurtätigkeit mit allen Konsequenzen für Autoren und Verleger. Ein besonderer Vorzug der Liste liegt darin, daß sie zugleich auch einen Blick auf die im Entstehen begriffenen, der Zensur zunächst nur im Manuskript vorliegenden Druckwerke eröffnet. Denn sie zeigt nicht die nachträglich verbotene, sondern die a priori verhinderte Literatur. Es fehlen darin lediglich Zeitungen und Zeitschriften, die in Württemberg ihre Spezialzensoren hatten, sowie die wissenschaftlichen Werke der einzigen Landesuniversität in Tübingen, deren entsprechende Fakultäten die Bücher der Hochschule selbständig prüften - alle anderen Druckwerke unterlagen der Kontrolle des von 1808 bis 1816 tätigen Oberzensurkollegiums. 24 Das Oberzensurkollegium hatte die vorgelegte Literatur in vierzehn verschiedene Wissensbereiche aufgegliedert; sie sind in der hier abgedruckten Tabelle übernommen worden. In der literarischen Produktion beherrschten danach Theologie und Pädagogik eindeutig den Markt, gefolgt von den auf Württemberg bezogenen Schriften. Auf »Württembergica« entfielen vor allem auch Werke zu Gesetzgebung, Verfassung, Statistik, Provinzialrecht, Geschichte und Geographie, soweit sie das Land betrafen. Das bedeutete: Allein die Landesbezogenheit einer Publikation zog schon eine Sonderbehandlung in der Zensur nach sich. Daraus sprach noch die alte Tradition, die >hohe Politik< als ein der Öffentlichkeit möglichst wenig zugängliches Arkanum zu behandeln. 25 >Theologie< umfaßte in der Liste Predigten, Katechismen, Konfirmandendenksprüche, Erbauungs-, Kommunions-, Meß- und Gebetbücher; ein guter Teil der >Pädagogik< enthielt gleichfalls biblische Sprüche, Geschichten, Lieder und Gebetbücher. Pädagogisches, das hieß für den praktischen Schulgebrauch Geschriebenes, fand sich andererseits in großer Zahl auch bei den Büchern unter den Rubriken >Philologie< (Sprachlehren, Wörterbücher, Aufsatzlehren), >NaturlehreMathematik< und >GeschichteSchönen Wissenschaften verbarg sich die Belletristik, unter anderem mit Werken von Seume, Kotzebue, Langbein, Goethe, Motte-Fouqué, Hebel, Wieland, Körner, Uhland und Schiller. Unter >Vermischtem< warfen die Zensoren zusammen Kalender, Briefsteller, Koch-, Gartenbücher, Rektoratsreden, Anstandsiehren, christliche Haussegen, Kirchenregister, Gymnasialprogramme, auf den Monarchen bezogene Geburtstags-, Fest- und Jubelreden, aber auch politische Lieder. Der Anteil an echten, im Manuskript eingereichten Neuerscheinungen scheint mit 374 Titeln (71 Prozent) beträchtlich; denn in der Rheinbundära herrschten für den Buchhandel denkbar ungünstige kommerzielle Bedingungen. Die Zensur trug durch die Zahl von 44 unterdrückten Titeln (8,34 Prozent) ihren Teil dazu bei. Nimmt man die Zahl der eingereichten 30 Schriften noch hinzu, die zwar nicht formell abgelehnt,

Sämtliche hier ausgewerteten ungedruckten 16 Verzeichnisse befinden sich im Staatsarchiv Ludwigsburg, D 52, Büschel 507. Die Besonderheit der Landesangelegenheiten wird gut rekonstruiert bei Klueting.

Normenwandel Wissensbereich

1.

2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14.

71 EingabeVerleger- Autor- Manu- Nachdr./ abge- nicht entinsges. eingäbe eingäbe skript Neuaufl. wiesen schieden

Theologie (davon protestant.) (davon katholisch) Jura Staatswissensch. (davon Forstwiss.) Medizin Militärwissensch. Mathematik Naturlehre Philosophie Geschichte (davon Geogr.) Schöne Wiss. Philologie Pädagogik Vermischtes Württembergica

128 (74) (54) 6 13 (12) 14 4 12 10 5 31 (6) 36 22 65 110 71

98 (59) (39) 5 11 (10) 11 3 11 9 5 25 (6) 33 18 55 83 44

25 (15) (10) 1 2 (2) 3 1 1 1

(-) 3 3 9 16 23

(4)

alle Titel

527

411

94

-

6

87 (47) (40) 6 13 (-) 11 4 10 6 4 23

41 (27) (14) -

(-) 3

13

2

(8) 1 1 (-)

(1) (1) 1 1 (1)

(5)

-

-

-

-

-

-

-

-

2

-

-

1

1

(-)

(-)

17 12 35 76 70

2 4 1 8 (2) 19 10 30 34 1

-

-

-

3 18 8

1 6 5 12

374

153

44

30

aber doch ohne Entscheid und damit ohne Druckerlaubnis geblieben waren, so erhöht sich der Anteil verhinderter Werke auf 74 Titel (14,04 Prozent). Bedenkt man, daß für 411 der 527 eingereichten Titel (78 Prozent) bereits ein Verleger oder Buchdrucker sein Wort eingelegt hatte, so läßt sich auch die gewerbliche Tragweite der Zensur (Verluste!) als erheblich einschätzen, stärker noch aber ihre Wirkung auf die Schreibfreudigkeit der Autoren. Das Oberzensurkollegium beurteilte im Rückblick sehr realistisch die Folgen seiner Arbeit, als es im November 1815 in einem Gutachten für (!) die Preßfreiheit nach englischem Muster plädierte und mit Blick auf >vaterländische< und >räsonnierende< Beiträge feststellte: »Die Furcht, einem mit noch so vieler Mühe ausgearbeiteten Manuscript am Ende vielleicht das Imprimatur versagt zu sehen, schien sehr mächtig auf die Schriftsteller einzuwirken und sie immer mehr von der Verwendung ihrer Zeit und Kräfte auf litterärische Arbeiten dieser Art abzuschrecken.« Die Sachwalter des Staates beobachteten aus ihrem täglichen Umgang mit Autoren und Verlegern, »daß die Censur vielleicht weniger durch dasjenige, was wegen ihr ungedruckt, als durch dasjenige, was wegen ihr ungeschrieben geblieben ist, nachtheilig auf die freye Geistes-Entwiklung eingewirkt habe.« 26 Die andersgerichtete Wirkung der Zensur hieß: Autoren und Verleger unterwarfen sich in erzwungener

16

Gutachten vom 28.11.1815 Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 146, Büschel 4735, Hervorhebung in der Quelle.

72

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Interessenloyalität den Erwartungen der Zensur, um ihre Druckerzeugnisse durchzubringen. Von 236 genannten Autoren (45 Prozent) teilt das Zensur-Verzeichnis den >Stand< mit. Angesichts der überwiegenden theologisch-pädagogischen Literatur wird es kaum verwundern, daß mehr als die Hälfte aus den Bereichen der Kirche und Erziehung stammte: Stadtpfarrer, Prälaten, Superintendenten, Vikare, Diakone, Garnisonsprediger machten unter den Genannten 37 Prozent aus; Schulinspektoren, Rektoren, Präzeptoren, Gymnasialprofessoren kamen auf 17 Prozent; weitere 16 Prozent entfielen auf nicht näher erläuterte Professoren und Doktoren, in Summe 70 Prozent, zu denen dann noch höhere Staatsbeamte aus Verwaltung, Universität, vom Hof, schließlich noch Advokaten und Mediziner kamen. Der neue Typ des freischaffenden Tagesschriftstellers, Literaten oder Publizisten machte sich quantitativ noch kaum bemerkbar. Angesichts dieses sozialen Spektrums der Literaturproduzenten verdienen die Zensurkriterien, die zur Ablehnung von Druckwerken führten, besondere Aufmerksamkeit. Da das Zensurverzeichnis in der Regel die Ablehnungsgründe mitteilt, lassen sich folgende Sektoren des Normenhorizonts abstrahieren: - theologische Bedenken (dreimal); - »abergläubische oder schwärmerische Tendenz« (sechsmal); - politische Tendenz (zwölfmal); - die Person des Königs (siebenmal); - Beanstandung sachlicher Richtigkeit von Teilen des Inhalts (neunmal); - Schutz des Urheberrechts gegen Nachdruck (zweimal); - Sonstiges und nicht bestimmbare Kriterien (fünfmal). Die sozialen Implikationen dieser Kriterien sollen aus der Zensurpraxis heraus nun näher betrachtet werden.

> Aufklärungspolizei < oder der Kampf gegen Aberglauben Der Absolutismus hatte ein heute nur noch wenig bekanntes Feld der Zensur hervorgebracht, als er sich in seiner Spätphase Grundsätze der Aufklärung zueigen gemacht hatte. Ludwig der XVI. von Frankreich ebenso wie der preußische Friedrich II., der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Joseph Π. oder die russische Zarin Katharina II. versuchten, Zensur und Meinungsfreiheit miteinander zu vereinbaren. Das ist der große historische Zusammenhang, in den auch der besondere hier behandelte Schauplatz hineingehört: das Königreich Württemberg unter Friedrich I. Der »dicke Friedrich« oder der »schwäbische Zar«, 27 wie er auch genannt wird,

27

Vgl. so Sauer.

Normenwandel

73

regierte von 1797 bis 1816 und war seit 1806 König von Napoleons G n a d e n . Auch Friedrich wollte aufgeklärte Politik im Lande treiben. Ein damaliger Beamter hat für diesen Aktenbestand eine w u n d e r b a r e - paradoxe - Ü b e r s c h r i f t g e f u n d e n : » A u f k l ä rungs-Policey«. 2 8 Die N o r m e n der »Aufklärungs-Policey« waren im erwähnten Zensurdekret v o m 18. M a i 1808 definiert. E s enthielt zunächst die altbekannten V o r s c h r i f t e n , denn es verbot, ganze Staaten oder deren Regenten zu beleidigen (da w a r besonders an Napoleon zu denken). V o r Beleidigungen und Angriffen geschützt w u r d e n Staatsbeamte, Privatpersonen, Stände, die Sittlichkeit und Religion. D a s N e u e hingegen war: E s d u r f t e j e d e r m a n n »über Gegenstände der Religion, der M o r a l und d e r Staats-Wissenschaften nachdenken und die Resultate seiner Untersuchungen durch den D r u c k bekannt machen«. Das Zensurgesetz bekannte sich zur » B e f ö r d e r u n g ächter A u f k l ä r u n g « , zur »aufrichtigen Wahrheitsliebe«. 2 9 Es paßt zu der aufklärerischen T e n d e n z , daß sich das Edikt besonders u m die noch »ununterrichteten Leser« sorgte. Das Edikt spiegelt beispielhaft das D i l e m m a des aufgeklärten Absolutismus wider: W i e kann man Meinungsfreiheit gestatten, w e n n die Mehrheit noch nicht reif d a f ü r ist? Hier trat die »Aufklärungs-Policey« ein. Sie sorgte, daß die Jugendlichen »zu guten nützlichen und zufriedenen Staatsbürgern erzogen« w ü r d e n , zu Staatsbürgern also - nicht zu Untertanen! Deshalb mußte auch alles vermieden werden, was »bei ununterrichteten Lesern«, beim sogenannten »gemeinen M a n n « , Mißverständnisse erzeugte und dabei Religiosität und Sittlichkeit erschütterte. König Friedrich hatte dazu ganz handfeste Vorstellungen. E r hatte ein eigenes Polizeiministerium eingerichtet, das über die Arbeit seines Oberzensurkollegiums wachte. 3 0 Seiner aufgeklärten, erzieherischen Absicht g e m ä ß ließ der König alle Literatur verbieten, welche den Aberglauben beförderte, also Literatur zu Astrologie, Chiromantie (die Kunst, aus der Hand zu lesen), M a g i e , Alchemie, Mystizismus, Spiritualismus, Magnetismus und T r a u m d e u t u n g . E r b e k ä m p f t e damit eine Geistesströmung, welche parallel neben der Aufklärung einherlief. Die K a m p f b e g r i f f e der Zeitgenossen hießen: >Aufklärung< gegen >OkkultismusIlluminaten< gegen O b s k u r a n t e n ^ 3 1 Diese irrationale Gegenströmung zur A u f k l ä r u n g ist deutlich zu unterschei-

So lautet die Kennzeichnung auf den Akten des Polizeiministeriums im Staatsarchiv Ludwigsburg, Abteilung D52. Den Zeitgenossen, besonders den Kameralisten, war mehr »Religionspolizei« geläufig; vgl. dazu Dipper zur Volksreligiosität. 29

Das Dekret ist abgedruckt bei Fuchs, 1975: 417^123.

30

Näheres zum bisher unbekannten württembergischen Polizeiministerium findet sich in meinem Beitrag über die Propaganda um Napoleon in Württemberg (1988a). Vgl. in der rückblickenden Wertung den Artikel von Carl von Rotteck, »Aberglaube«, Carl von Rotteck, Carl Welcker (Hrsg.), Staats-Lexikon, Altona, 1 (1834): 5 2 - 5 8 , sowie den Artikel von Carl Welcker, »Obscurantismus der Hierarchie und Despotie, der Orthodoxie, des Mysticismus und Pietismus; Aufklärung und Rationalismus«, Ebd. 11 (1841): 7 1 8 - 4 0 ; zum sozialgeschichtlichen Horizont der Anhänger und Kritiker der Aufklärung vgl. die erwähnte Monographie Möllers.

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den von dem rationalen politischen Konservativismus etwa eines Edmund Burke. Okkulte Gegenaufklärung in Deutschland scheint noch wenig beachtet und erforscht zu sein. 32 Ihr sozialer Hintergrund wird in der deutschen historischen Forschung den Anteil der beteiligten >Intelligenz< ignorierend - durch die Ausdrücke > Volksfrömmigkeit« und >Volkskultur< angedeutet. 33 Der Sachverhalt soll an einem spektakulären Zensurfall erläutert werden. Es war zugleich der bedeutendste im damaligen Württemberg, weil er den Umbau des Zensursystems bewirkte. Er handelt von dem pietistischen Schriftsteller, Augenarzt und Kameralisten Johann Heinrich Jung, genannt Jung-Stilling. Er ist allen Literaturhistorikern bekannt durch seine bedeutende Autobiographie, deren ersten Teil Goethe im Jahre 1777 herausgegeben hatte. 1803 ernannte ihn der badische Markgraf zum Hofrat und stattete ihn mit einer Pension aus, so daß sich Jung fortan von Karlsruhe aus ganz der religiösen Schriftstellerei hingeben konnte. 34 Einen Eklat rief er bei der württembergischen Zensur hervor durch seine 1808 erschienene »Theorie der Geisterkunde«. Er bereitete dem Zensurkollegium damit arge Zweifel: Schon allein der Titel schien auf eine abergläubische Schrift zu deuten. Die Zensoren verfaßten Gutachten vom Ausmaß wissenschaftlicher Rezensionen. 35 Sie betonten ausdrücklich, die Schrift beschäftige sich nicht mit Fragen des Staates und der Religion, sondern mit einem »Gegenstand des Volks-Glaubens, über den sogar von jeher die Meinungen der Philosophen und Religionslehrer sehr getheilt gewesen« seien. Jung fragte, ob die Geister verstorbener Personen auf die Welt der Hinterbliebenen noch einwirken könnten, und entwickelte eine Theorie über den Zustand der Seelen nach dem Tode. Philosophisch stellte dieses Thema in der Tat die Frage nach den Grenzen der menschlichen Erkenntnis. Das Thema hatte seine Vorgeschichte: die Auseinandersetzung mit den angeblich historisch bezeugten Fällen von Geistererscheinungen, mitgeteilt durch den schwedischen Naturforscher Emanuel von Swedenborg (1688-1722). 36 Selbst Immanuel Kant hatte im Jahre 1766 die Spekulationen Swedenborgs scharfsinnig kommentiert unter der Überschrift: »Träume eines Geistersehers«. Seine ersten drei Sätze offenbaren bereits, wie ein echter Aufklärer mit derlei umging: »Das Schattenreich ist das Paradies der Phantasten. Hier finden sie ein unbegrenztes Land, wo sie sich nach Belieben anbauen können. Hypochondrische Dünste, Ammenmärchen und Klosterwunder lassen es ihnen an Bauzeug nicht ermangeln.« Jung stand

32 33

Vgl. demgegenüber für andere Staaten Capp, Leventhal, W e b b , Mozzani und Devlin. Vgl. hierzu bes. den Sammelband von Schieder sowie die Spezialstudien von Hörger und Böck.

34

Die Frühzeit Jungs, namentlich seine Autobiographie sind gut erforscht, ebenso seine Beziehungen zum Pietismus; seine theologisch-spiritualistischen Spätschriften werden aber generell ignoriert, vgl. Geiger, O. Hahn und Titzmann. 35

Staatsarchiv Ludwigsburg D54/196, Das Verbot der Schrift Jungs, Theorie der Geisterkunde. Vgl. zu Swedenborg Heinrichs, Benz; in den USA tritt die Academy of the N e w Church mit wissenschaftlich zweifelhafter Traditionspflege hervor, vgl. Brock.

Normenwandel

75

in dieser Auseinandersetzung und betonte, es gehe ihm um die »wahre Aufklärung« im Gegensatz zur »oberflächlichen, rationalistischen Aufklärung«. Dieser gelehrte Disput unterschied das Werk von den üblichen Schriften des Aberglaubens. Den akademisch gebildeten Zensoren waren diese Kontroversen bekannt. Sie sahen im Verbot der Schrift durchaus »eine Beschränkung der Denkfreiheit« und beriefen sich eigens auf das Zensuredikt, das Untersuchungen über Themen der Religion, Moral und Gesetzgebung erlaube. Sie verglichen zudem Württemberg mit der Praxis in »anderen aufgeklärten Staaten«. Sie wollten die Schrift dem kritischen Urteil des Publikums überlassen. Auch suchten sie Aufsehen zu vermeiden, das ein Verbot nach sich ziehen würde; das würde »eine große Parthey« von Anhängern des Pietismus und der Schwärmerei aufregen. Die Zensoren waren freilich aufgeklärter Geistesart. Sie sorgten, die Schrift könne Schwärmerei und Aberglauben Vorschub leisten, wenn sie »beim größeren Publikum« verbreitet würde, das zur kühlen, unbefangenen Prüfung unfähig sei. Sie beobachteten an Jung einen »groben Mangel an historischer Kritik« gegenüber Swedenborg. Das breite Publikum würde sich durch diese »Schein-Beweise« zum Aberglauben verleiten lassen. Damit widersprachen sie ihrer ursprünglichen Empfehlung, das Werk der Kritik des Publikums zu überlassen. Das Gutachten muß den König in einen Wutausbruch versetzt haben, war ihm doch alles höchst zuwider, was wie Aberglaube aussah. Das dokumentiert ein Dekret, das die Ausführungen des Zensurkollegiums für »ganz und gar irrig« bezeichnete. 37 Der König erteilte einen »derben Verweis«, sprach von seinem deutlichsten Mißfallen und bezeichnete die Widersprüche im Gutachten als »klaren Unsinn«: »Pietismus und Mysticismus gehören nicht zu den im Staat aufgenommenen Confessionen, sondern sie sind vielmehr ihrer inneren Natur und Äußerung nach als verderblich für den Zweck des Staats mit dessen wahrem Interesse unvereinbar.« Er verwies zugleich auf große Gesellschaften von Geisterbeschwörern. Das Zensurkollegium begann nun auch, Jungs frühere spiritualistische Schriften zu prüfen. Nimmt man alle seine Bedenken zusammen, so warnte es vor seinem »schädlichen Einfluß auf die niederen Volksklassen«. 38 Vor allem Jungs Ankündigung eines »tausendjährigen Reiches« auf das Jahr 1836 lasse Unruhe unter der Bevölkerung 39

erwarten. Die Konsequenzen des Falls waren schwerwiegend: Die Schrift Jung-Stillings wurde kategorisch verboten, und zwar ausdrücklich bekanntgemacht im Gesetzblatt, 37 Staatsarchiv Ludwigsburg D52/373,19, Entwurf einer Dienstinstruktion für die Bücherfiskale, Dekret vom 13.1.1809. 38 Gutachten des Oberzensurkollegiums 7.3.1810, Staatsarchiv Ludwigsburg D54/203, Verbot der 39

Schrift Hades. Ein Beitrag zur Theorie der Geisrerkunde von Johann Friedrich von Maier. So im Christlichen D54/196.

Menschenfreund,

zensiert im Gutachten 6.2. 1808, Staatsarchiv Ludwigsburg

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was für eine einzelne Schrift höchst ungewöhnlich war; 40 die Polizeibehörden forschten nach den Käufern; die Buchhändler mußten deren Namen preisgeben. Über den Einzelfall hinaus aber wurde das gesamte Zensurwesen in Württemberg neu organisiert und zentralisiert. Fortan mußten an jedem Ort, wo es Buchhandlungen gab, bestimmte Buchaufseher - sogenannte »Fiskale« - systematisch über die Literatur wachen und Anstößiges sofort an das Oberzensurkollegium melden. 41 Der historische Begriff »Aberglaube« enthält ein Werturteil. Grenzfalle wie auch der Fall Jung nötigten die Zensoren, genau anzugeben, worauf es ihnen ankam. Welche Türen sich hier der weiteren Forschung öffnen, will ich mit folgenden vier Zensurfällen aus dem Bereich von Bibelfortdichtung, Wallfahrt, Hausierhandel und politischer Eschatologie andeuten. Wo die Grenze zwischen christlicher Frömmigkeit und Aberglauben lag, mußten die Zensoren häufig entscheiden. Das oblag vor allem den Geisüichen und Theologen im Kollegium. 42 Unfreiwillig wurden sie zu Hütern der reinen Lehre, wenn sie beispielsweise » Unsers Herrn Christi Kinderbuch« in die Hand bekamen und darin Wundermärchen aus der Jugendzeit Christi hinzugedichtet fanden. Der Zensor benannte das Dilemma: »Da der Glaube an Wunder nach der orthodoxen Meinung aller Confessionen nicht eo ipso Aberglaube ist, so kann man auch nicht behaupten, daß Wunder-Erzählungen als solche den schwärmerischen Aberglauben befördern«. Es widerspreche aber der Würde der Bibel, sie durch abgeschmackte Fabeln zu ergänzen. 43 Wallfahrten drohten in der Sicht der Behörde auch in den Aberglauben abzugleiten, wenn sie nicht offiziell von der Kirche gelenkt, sondern spontan von der Landbevölkerung getragen wurden. Man fürchtete die dabei mitunter vorkommenden Tumulte und Ausschreitungen. Friedrich ließ ein im Freien befindliches Marienbildnis kurzerhand in eine Kirche versetzen, damit der Geistliche es unter Kontrolle hatte. Zu dieser »wundertätigen Mutter Gottes von der roten Hecke« gab es eine in 1000 Exemplaren gedruckte Litanei; sie wurde wegen ihrer »ungebildeten religiösen Vorstellungen« verboten. 44 Das Wort »wundertätig« erregte Anstoß. Die Hauptsorge aber war, daß

40

Königlich Württembergisches Staats- und Regierungs-Blatt No. 4 (1809), 26.

41

Der Fall Jung provozierte, den Kompetenzenweg Monarch - Polizeiministerium - Oberzensurkollegium - übrige Landesbehörden exakt festzulegen. Daß Jung diese Aktionen ausgelöst hatte, war bisher nicht bekannt; vgl. Staatsarchiv Ludwigsburg D52/373,19; eine besondere Instruktion an die Fiskale wurde ausgegeben, wie sie die örtlichen Buchhandlungen regelmäßig zu überwachen hätten, abgedruckt bei Fuchs, 1975: 426-429. 42

Zusammensetzung des Oberzensurkollegiums: Vorsitzender: Geheimer und Staatsrat v. Menoth, Mitglieder: Oberstudiendirektor und Prälat v. Süskind, Oberkonsistorialrat v. Baer, Geistlicher Rat v. Werkmeister, Prof. Oslander, Leib-Medikus v. Reuß, Hofrat v. Lehr, Assessor Jäger. 43 44

Staatsarchiv Ludwigsburg D54/159: Die Confiscation einer Volksschrift, betit. Jesu Christi Kinderbuch, GutachtenVorgang Oslanderist29.5.1809. Der umfangreiche dokumentiert in Staatsarchiv Ludwigsburg D54/174 und D52/414.

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es sich um eine »unter dem Pöbel entstandene Wallfahrt« handelte, also um eine unkontrollierbare, spontane und zugleich unaufgeklärte Aktion dei »gemeinen Man45

nes«. Gerade bei der Landbevölkerung wollte man aber durch Zensur des Aberglaubens der Aufklärung zum Sieg verhelfen. Der Hausierhandel von Tür zu Tür, auf Märkten und Jahrmärkten half, abergläubische Literatur unters Volk zu bringen, wie Verzeichnisse über beschlagnahmte Literatur beweisen. Die Regierung erwog deshalb ernsthaft, den gesamten Hausierhandel zu verbieten, verzichtete dann aber darauf mit Rücksicht auf »die zahlreiche Klasse der gemeinen Landleute, in deren Hände auf diesem Wege manche nützliche, zur religiösen Erbauung und zum Unterrichte dienende Schrift gekommen ist«. 46 Hausierhandel sollte helfen als »Mittel zur Ausbildung«. Mystische Endzeitbeschwörungen konnten auch dazu dienen, politische Kritik an Napoleon so sehr zu verschlüsseln, daß die Zensoren darin nur das Werk eines »halbverrückten Autors«, »Unsinn«, »widersinniges Geschwätz«, »Albernheit« und »völlige Unverständlichkeit« erkennen konnten. Eine solche Flugschrift entwickelte ein Zwiegespräch Satans »mit seinem Sohn Apolion«. Bei der Suche nach Aberglauben entging den Zensoren, daß ihnen hier ein leicht zu entschlüsselndes Pamphlet gegen Napoleon vorlag. 47

Zensur als Bildungs-, Erziehungs- und Moralpolitik Insgesamt offenbart die Zensurpolitik im absolutistischen Württemberg eine bemerkenswerte Variante: Zensur konnte mit der Absicht zur Aufklärung und Bildung der breiten Landbevölkerung verbunden sein. Dieser Zweck lebt im ganzen 19. Jahrhundert fort, und zwar auch in anderen deutschen Staaten; er wurde aber schließlich ganz von der politischen Zensur überlagert. Es lohnt trotzdem, diese andere Zensur als Spur einer später demokratisierten Bildungs- und Kulturpolitik, 48 aber auch als Weg der Volksreligiosität in der modernen Sozialgeschichte weiter zu erforschen. 49 Diese Art der Zensur wies über die Funktion des bloßen Verhinderns hinaus, indem sie inhaltliche Vorgaben vermittelte. Die Verflechtung zwischen Zensur und Erziehungsbereich offenbarte sich gleichermaßen in der für Schulfragen zuständigen

45

46

Ebd., D54/174, Dekret an den Bücherfiskal zu Buchau 1.2.1812. Gutachten Wächter 4.5.1812, in: Staatsarchiv Ludwigsburg D54/170.

47

In: Staatsarchiv Ludwigsburg D54/156, Die Konfiskation des Flugblatts Deutung Prophezeiungen. 48

49

Vgl. Siemann, »Ideenschmuggel« (1987b), 92. Vgl. den wichtigen Sammelband von Schieder.

apokalyptischer

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leitenden württembergischen Behörde der Oberstudiendirektion: Von ihren fünf Mitgliedern gehörten zwei zugleich dem Oberzensurkollegium an, ein dritter war ehemaliger Zensor. In der Praxis kam diese Verquickung in einem besonders aufschlußreichen Fall zur Geltung, als es über zwei eingereichte Sprachlehren zu befinden galt; die Verfasser hätten ihr Werk gern für verbindlich in allen Schulen des Landes gesehen. Die gutachtende Oberstudiendirektion kritisierte die Werke nach logischen Kriterien, nach grammatikalischen Begriffen der Richtigkeit und nach pädagogischen Erwägungen. Sie wandten sich gegen jeglichen sprachlichen >PurismusHochschüler< statt >StudentenHochlehrer< statt >ProfessorenFrevelvogt< statt >FiscalZierathsmahler< statt >DekorateurFängerin< statt >Coquetteundeutsche< Reizworte innerhalb eines emotional aufgeladenen französisch-napoleonischen Kulturhintergrunds werteten. Auf Seiten der Behörde tauchten hier gehäuft die gleichen Kriterien auf wie bei der Ablehnung vergleichbarer Bücher durch das Oberzensurkollegium. Besonders hervorzuheben sind solche Bereiche, wo soziale, pädagogische und ästhetische Kriterien zusammenfielen und zu Zensurmaßnahmen führten, die jenseits der bekannten politischen Rücksichten lagen. Das war der Fall bei Bänkelliedern und Gedichten, welche oft durch bestimmte Tagesvorfalle veranlaßt waren und auf dem Weg über Landkrämer und Hausierer unter »das größere Publikum« und »die gemeinen Volks-Classen« gerieten. Ein Dekret an Zensoren und Bücherfiskale vom 4. April 1812 sprach besonders deutlich die Standesstruktur der Zensur aus: »Wenn dergleichen Piecen auch nicht an und für sich Verwerfliches gegen die Kirche, den Staat oder die guten Sitten Anstoßendes enthalten, so klebt ihnen doch nur zu oft eine solche Geistes-Armuth in ihrer Ausführung und poetischen Vollendung an, daß sie hiedurch schon von sehr nachtheiligem Einfluß auf die Volks Cultur werden.«51 Wie sehr die Absicht, die Öffentlichkeit zu kontrollieren, über die Bücherwelt hinaus auch die Anfänge einer volkstümlichen Presse erfaßte, dokumentiert das abgelehnte Gesuch eines Bibliothekars, für ein breiteres Publikum ein bildendes Wochenblatt herauszugeben. In der amtlichen, vom König gegengezeichneten Begründung wird die Grundsatzfrage aufgeworfen, welche die Grenzen obrigkeitlicher >Aufklärung< absteckte: »Überhaupt ist es noch problematisch, ob ein Staat in eben dem Verhältniß vollkommener und glücklicher werde, als man sich Mühe gibt, das

50

Dokumentiert in Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 2, Büschel 20; es handelte sich um die Sprachlehren des Professors Georg Reinbeck und des Sprachlehrers Friedrich Christoph Philipp von Steinheil.

"

Dekret betr. die Versagung des Drucks von Bänkelliedern vom 4.4.1812, in: Staatsarchiv Ludwigsburg, D 54, Büschel 10; vgl. zur Verbreitung von Liedern Fuchs, S. 270-273, 303-306, 323-325, 349-358; femer Emmrich.

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gemeine Volk auf dem theoretischen Weg zu Raisonnement und beßerer Belehrung Religion und Moral ausgenommen - zu leiten.« Der »gemeine Mann« solle auf »Glauben und Vertrauen« bauen. Besonders anfechtbar hielt man auf Seiten der Regierung, wenn sich »der Volksschriftsteller in das ganz Gemeine des Volkstons« werfe. 52 Vor allem Bücherfiskale mit ihrem engen Kontakt zu lokalen Lebensverhältnissen waren solcher als trivial angesehenen Unterhaltungsliteratur auf der Spur. Die Kriterien des Fiskals für Esslingen, eines Schulrektors, offenbaren exemplarisch die Grundzüge dieses Ausschnitts im Normenhorizont. Er hatte von dem Pseudonymen Autor Karlo Jokoso dessen 1796 in Berlin erschienenes Buch »Die himmlische Mappe« in einer Leihbibliothek aufgegriffen; daran beanstandete er die Tendenz und Gehaltlosigkeit: »eine höchst frivole und dem Zwecke des Lachen-Erregens alles aufopfernde Schrift«. Solche und noch schlimmere Bücher könnten einem gebildeten Kopf nichts anhaben; in Gefahr sah er hingegen die »viel größere Menge anderer Leser, die nicht auf der genannten Stufe stehen und als literarisch Unmündige einer Art von Vormundschaft bedürfen«. Er polemisierte gegen alle Bücher, »welche der Phantasie eine überwiegende Nahrung geben, die Sinnlichkeit, sey es auch feine, reizen, und die Tendenz zu moralischem Indifferentismus und Epikureismus haben.« 53 Solcher Fürsorge fielen Ovids Werke (»zu schmutzig«, »sittenwidrig«) zum Opfer, aber auch Pater Sebastian Sailers Schauspiel Die Erschaffung der Welt und der Sündenfall·, diese Darstellung sei »im niedrigsten schwäbischen Volkstone« verfaßt, mache einen Teil der Religion lächerlich und müsse für den Nachdruck unterdrückt werden, »besonders da sie für das Volk geschrieben ist«. 54

Zensur als Wissenschafts- und Literaturkritik Der Normenhorizont Schloß auch das Kriterium der sachlichen Richtigkeit mitgeteilter Inhalte in Büchern und die ästhetisch ansprechende Gestaltung ein. Das Oberzensurkollegium prüfte mit allem bei ihm versammelten Sachverstand Bücher zur Verwaltung, Staatswirtschaft und Statistik Württembergs und lehnte ab: ein Statistischgeographisches Handbuch des Königreichs Württemberg etwa »wegen gehäufter

52

Anbringen des Ministers Vellnagel vom 13.1.1812 an den König auf das Gesuch des Bibliothekars Rehfus hin, Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 2, Büschel 20. 53

Eingabe des Fiskals M. Reuß vom 4.4.1809, zusammen mit dem weiteren Titel Doktor Bahrdt mit der eisernen Stime, oder die deutsche Union gegen Zimmermann,

ein Schauspiel in 4 Aufzügen von

Frhn. von Knigge, 1780, tatsächlich verfaßt von August von Kotzebue, Staatsarchiv Ludwigsburg, 54

D 54, Büschel 188. Staatsarchiv Ludwigsburg, D 54, Büschel 185. - Sailers Schauspiel erschien dann 1811 im Nachdruck bei Wohler im damals noch bayerischen Ulm.

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Unrichtigkeiten«, eine Tabellarische Uebersicht der Geschäftsverteilung der Ministerien »wegen der darinn enthaltenen vielen Fehler und ganz unrichtigen Eintheilung«, ebenso eine Topographie von Ravensburg, eine Kurze Erdbeschreibung des Königreichs Württemberg »wegen der allzu vielen Irrthümer und Fehler«; das heißt: Entsprechend der Fachaufteilung nach Wissenschaftsbereichen betätigte sich das Oberzensurkollegium der obersten Rolle eines akademischen Gutachtergremiums. Dieser Anspruch mußte auf Dauer und mit anwachsender Bücherflut die Behörde zweifellos überfordern. Er dokumentiert aber eindrucksvoll den historischen Kontext: die Herkunft aus der aufgeklärt-absolutistischen Verwaltung, die nur das von ihr als vernünftig und sachlich richtig Erkannte glaubte dulden zu können. Dieses Selbstbild sachlicher Omnipotenz suggerierte den Zensoren schließlich Maßstäbe, die den amtlich publizierten Preßverordnungen kaum noch zu entnehmen waren: Sie übten sich in der Rolle der Poetologen und Literaturkritiker. Beispielsweise machten sie sich Sorgen um Qualität und Niveau des Morgenblatts für gebildete Stände, indem sie diesem Renommierblatt Cottas Zensuranekdoten aus Österreich strichen; sie seien eigentlich »nichtssagend« und nicht zu verbieten, nach Entscheid des Polizeiministers aber wegzulassen, »da es offenbar Gewinn für das Morgenblatt ist, wenn die Redaction desselben Anekdoten von so glattem Witz nicht aufnimmt und ihre Blätter damit befleckt, dem Leser aber seine Morgenstunden verdirbt.« 55 Immer wieder finden sich Belehrungen der Autoren in den Akten, trotz zugeteilter Druckgenehmigung auf die Publikation zu verzichten, wie es dem Ch. Ludwig Koerner widerfuhr, dessen Gedichte, dem Vaterlande Württemberg geweiht, den amtlichen Kommentar erhielten, »daß dem Verfasser die Bekanntmachung dieser nicht gelungenen poetischen Versuche mißrathen werden soll.« 56 Dabei machte es einen Unterschied, ob die Zensoren es mit einem so renommierten Autor wie Goethe oder einem Provinzschriftsteller zu tun hatten. Es stand zur Frage, ob die Legende Die Teufels Canzel von G. Klüber die Grenzen des Witzes, Satirischen und Aberglaubens zum Blasphemischen hin überschritten habe. Einer der Zensoren im Kollegium brachte als Argument in die Diskussion, dergleichen sei »durch den Gebrauch sanctionirt«: »Es sind falsche Münzen, die aber aller Orten Curs haben«; zum Beweis nannte er Goethes Legende: »Als noch, verkannt und sehr gering,/ Unser Herr auf der Erde ging«. Letztlich fiel bei Klüber ins Gewicht, da »der poetische Werth des Ganzen so beschaffen ist, daß das bessere Publicum nichts verliert, wenn es, wenigstens bey uns, dieß Gedicht nicht in die Hände bekommt.«

57

55

Entscheid des Polizeiministers von Taube vom 21.5.1809, Staatsarchiv Ludwigsburg, D 54, Büschel 127.

56

Imprimatur 28.5.1812, Staatsarchiv Ludwigsburg, D 52, Büschel 507.

57

Staatsarchiv Ludwigsburg, D 54, Büschel 127.

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Die Dominanz politischer Zensurnormen Den bisher analysierten differenzierten Normenhorizont der Zensoren gilt es bewußt zu halten, wenn sich das Augenmerk der Zeit nach 1815 zuwendet. Mit der Gründung des Deutschen Bundes brach für die Handhabung der Zensur eine neue Ära an. Auch für die folgende Spanne einer Generation kann sich diese Untersuchung die besondere Überlieferungslage Württembergs zunutze machen. Die Erfahrungen im alten Oberzensurkollegium waren für die Zensoren so unersprießlich gewesen, auch lebte in ihrem Bewußtsein noch so viel an politisch aufgeklärtem Impetus, daß sie sich in der Zeit des zensurpolitischen Tauwetters um 1815 dazu bekannten, nichts könne der Regierung größeres Vertrauen einbringen als »die möglichst freye Untersuchung und Mittheilung über die öffentlichen Angelegenheiten«. Sie befanden, daß es der Zensur »gleichgültig sey, ob die Ansichten des Verfassers richtig seyen oder nicht, ob sie mit den Ansichten des Gouvernements übereinstimmen oder nicht«. Zensur widerspreche »dem wahren Interesse, welches die ganze cultivirte Welt bey dem litterärischen Verkehr hat«. Sie plädierten für das englische System der Pressefreiheit, nach dem jeder auf eigene Verantwortung das, was er für richtig halte, zu drucken befugt sei. 58 Ihr Votum trug maßgeblich dazu bei, daß Württemberg kurzfristig tatsächlich die beschriebene Pressefreiheit erhielt: kodifiziert im Gesetz vom 30. Januar 1817, verankert in der Verfassung vom 25. September 1819. Durch den Zwang der Karlsbader Beschlüsse, niedergelegt im Bundesbeschluß vom 20. September 1819, hielt auch in Württemberg für alle Schriften unter zwanzig Druckbogen wieder die Zensur Einzug. Ein eigens zur Überwachung der Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Druckwerke geringeren Umfangs eingerichtetes Zensurkollegium arbeitete fortan von 1820 bis 1848, allerdings auf rationellere Weise. Wo zuvor das alte Oberzensurkollegium gewissenhaft Neuerscheinungen in seine Vierteljahresverzeichnisse eintrug, griffen bei Büchern nun polizeiliche Beschlagnahmungen und Strafverfahren Platz. 59 Der Deutsche Bund verstärkte die Aufmerksamkeit für das »Staatspolizeiliche«, das hieß für politische Zensurkriterien, als er mit Beschluß vom 26. März 1834 die Einzelstaaten verpflichtete, regelmäßig jährlich Titel der beschlagnahmten und verbotenen Schriften nach Frankfurt mitzuteilen, um so eine Synopse zu gewinnen. Ein Blick auf die von Württemberg eingereichten Verbotslisten offenbart das unzweifelhafte Gewicht politischen Schrifttums. Abgesehen von zahlreichen tagesbezogenen Flugschriften finden sich darin unter anderem die Autoren Wilhelm Weitling, Heinrich Heine, Victor Amadeus Coremans, Hartwig von Hundt-Radowsky, Jakob Venedey, Heinrich Laube, Karl Gutzkow, Friedrich Schleiermacher, Félicité de Lammenais, August Traxel, Ludolf Wienbarg, Ludwig Börne, August Schäfer, Johann Georg

58 59

Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 146, Büschel 4735. Vgl. hierzu die detaillierte Untersuchung eines württembergischen Preßprozesses bei Schielinsky.

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August Wirth, Rudolph Otto Consentius, Johann Jacoby, Robert Prutz, August Hoffmann von Fallersleben, Ludwig Walesrode, Julius Grubner, Friedrich Wilhelm Alexander Held, Max Stirner, Karl Peter Heinzen, Wilhelm Schulz, Gustav von Struve, Ferdinand Freiligrath, Karl Biedermann, Adolf Glaßbrenner, Arnold Ruge, Emil Mecklenburg, Carl Grün, Hermann Püttmann und Eduard Maria Öttinger. Viele der Genannten wird man in Houbens verdienstvollem Lexikon (1924/25) vergebens suchen. 60 Diese Listen dürfen allerdings nicht über den tatsächlichen Radius der Zensur hinwegtäuschen, denn der Deutsche Bund war vordringlich an der >staatspolizeilich< bedenklichen Literatur interessiert. In Bayern begriff man die verbotene religiöse Literatur nicht darunter und meldete sie deshalb erst gar nicht, ebenso auch nicht die erotischen Titel nach dem Muster Der Mönch und die Nonne oder Tandelmarkt der fidelsten Lieder.61 Württemberg andererseits verzeichnete auch die religiös-polemischen und in der Tragweite immerhin doch politisch gefärbten Titel, deren Zahl im Jahre 1839 schlagartig im Zusammenhang mit dem preußischen Mischehenstreit emporschnellte. Eine weitere Welle verbotenen religiösen Schrifttums folgte 1845 mit den Publikationen des Deutschkatholiken Johannes Ronge und seiner Anhänger. Durch die gesellschaftliche Breitenwirkung dieser Erweckungsliteratur erfeßte die Zensur zugleich Schichten außerhalb der bürgerlichen Intelligenz, denn sie unterdrückte nun Schriften wie das Sendschreiben eines katholischen Schuhmachers und seines Gesellen an H. J. Chownitz. Hier überschritt die Zensur auch in sozialer Hinsicht den üblichen Rahmen, den sie beispielsweise mit den Autoren des Jungen Deutschlands< im Visier hatte; diese stammten aus der unteren Mittelschicht; für sie wirkte Literatur als Mittel des sozialen Aufstiegs; sie hatten ihren »theologisch-philosophischen Themenkomplex« (Köster) durch ein Studium erworben und versuchten sich als Berufsschriftsteller auf demselben literarischen Markt. Sie standen also ihren Zensoren als konkurrierende Aufsteiger aus der gleichen Schicht gegenüber, nur daß deren Weg nicht zur freiberuflichen Intelligenz, sondern zum staatlich abgesicherten Berufsbeamtentum führte. 62 Der Normenhorizont der württembergischen Zensoren zur Zeit der Restauration und des Vormärz läßt sich durch eine weitere Gunst der Überlieferung noch näher differenzieren. Ein Mitglied des Zensurkollegiums, der Vortragende Rat im Außenministerium Friedrich Roser, hatte seine persönliche, aus der Tätigkeit als Zensor

60

Die Verbotslisten finden sich im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 65, Verz. 57, Fasz. 146; vgl. auch Houben 1924/25. 61

62

Das verrät ein speziell der württembergischen Regierung zugeleitetes bayerisches »Verzeichmß der im Jahre 1839 confiscirten und verbotenen Bücher«, das dem Bund nicht gemeldet worden war; ebd. im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. Vgl. Köster, 1984: 166; zur Sozialgeschichte der Zensoren: Siemann, »Ideenschmuggel«, 1987b.

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zwischen 1820 und 1847 erwachsene Handakte, gewissermaßen seinen amtlichen Nachlaß, dem Archiv des für ihn zuständigen Außenministeriums überlassen. Sie enthält unter anderem sämtliche in dieser Zeit an die Zensoren ergangenen Generalund Spezialinstruktionen. Die Spezialanweisungen sind besonders aufschlußreich, weil sie auf jedes erhebliche Faktum sofort mit Vorauswarnungen und Direktiven an die Zensoren reagierten. In den meisten Fällen waren sie ursprüngliche, durch das Ministerium lediglich vermittelte Willensbekundungen des Monarchen (König Wilhelm). In dieser Hinsicht hatte sich im Vergleich zur Zeit seines Vorgängers nichts geändert. In Fragen der Zensur gehörten Wille und Befehl des Fürsten zum Alltag des Zensors. Abstrahiert man die in den Spezialerlassen wirksamen Normen, treten die Abhängigkeit des Mittelstaates vom Bund und seine ängstlichen Rücksichtnahmen auf alle politisch brisanten Vorgänge in eindringlicher Weise zutage. Viele weitere außenpolitischen Anlässe führten zu unmittelbaren Direktiven an die Zensoren: die Tätigkeit der Mainzer Zentraluntersuchungskommission (seit 1819), die Revolutionen in Piémont und Griechenland (1821), der Kongreß von Verona, welcher die restaurative Intervention Frankreichs in Spanien regelte (1822), der Dekabristenaufstand in St. Petersburg (1825), die nach dem Hambacher Fest (1832) und verstärkt nach dem Frankfurter Wachensturm (1833) durchgeführten politischen Strafverfahren, Nachrichten über das Stocken der preußischen Verfassungsangelegenheit (1819), Urteile über die Verhandlungen in der bayerischen Ständeversammlung. Alle Mitteilungen über den Regenten hatte vorab der Außenminister zu genehmigen. Trotz dieser augenfälligen Dominanz des Politischen dürfen für den historischen Gesamtkontext nicht die weiteren, den Normenhorizont prägenden Zensurkriterien ignoriert werden: In den Bereich der Sittenzensur fielen wiederholte Verbote, Anzeigen von Lotterien in die Zeitungen aufzunehmen. Lotterien waren ein beliebtes Verfahren, Grundbesitz zu veräußern. Der König verschmähte sie wegen ihres »verderblichen Reizes zu gewagten Speculationen«. Eine besondere soziale Komponente erhielt die Zensur durch die Ausnahmen, welche der König zuließ, wenn es sich um den Fürsten von Montfort, den Freiherrn von Ostein-Dalberg, die österreichischen Feldmarschalleutnants Graf von Radetzky oder Graf Murray handelte. Die kommerziellen Interessen der Aristokratie setzten die moralischen Vorbehalte gegen das Lotteriewesen außer Kraft. Als gewichtiges Zensurkriterium erwies sich immer wieder die vom Staat beanspruchte überparteiliche Neutralität bei Konflikten innerhalb und zwischen den christlichen Konfessionen. Eine besondere Instruktion vom 20. März 1827 gebot im protestantischen Württemberg die Vermeidung jeglicher feindseliger oder gehässiger Anspielungen auf die katholische Religion oder auf deren Bekenner und Kirchendiener, um »unangemessene und mißliebige Diskussionen und Erörterungen zu vermeiden«. Diese Norm half später auch Angriffe der Deutschkatholiken auf ihre Mutterkirche zu unterbinden.

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Den Streit, welchen der Ästhetiker Friedrich Theodor Vischer im Jahre 1844 mit seiner Tübinger Antrittsvorlesung wegen seiner moralisch freimütigen, dem Pantheismus verpflichteten Äußerungen in den Kreisen des kirchlichen Pietismus hervorrief, mußte der Zensor nach beiden Seiten hin mildern. Im Nachlaß Rosers sind die vom Zensor bearbeiteten Druckfahnen der Zeitschrift Der Christen-Bote erhalten. Er unterdrückte die unmittelbare Nennung des Namens Vischer sowie die von ihm gebrauchten Kraftausdrücke, etwa dessen Rede von den »Pfaffen, welche die Sonntagslust des Volks verdammen«; andererseits strich Roser die Polemik des Kirchenblattes gegen Vischer, dessen Lehren angeblich in »Götzen- und Teufelsdienst« gipfelten.63 Auf Weisung König Wilhelms war den Zensoren am 26. Februar 1845 aufgegeben worden, alle Äußerungen zu verhindern, welche die »bereits bestehende gegenseitige Erbitterung der Verfechter der verschiedenen Ansichten noch vermehren und dadurch zu immer wachsender Aufregung in dieser Sachen führen könnten.« Schließlich waren die Zensoren mit einem speziellen sozialen Kriterium konfrontiert, wenn sie der Landbevölkerung besondere Aufmerksamkeit zu schenken hatten: Sie mußten darüber wachen, daß die auf dem Lande erscheinenden Blätter keine politischen Tagesneuigkeiten aufnahmen - dazu hätte es einer besonderen Konzession bedurft - und auch die unterhaltenden Artikel in den Amts- und Intelligenzblättern auf dem Lande nicht der Zensur entzogen würden. Angesichts der Hungertumulte im Jahre 1847 würden Nachrichten, die Fruchthändler oder Bäcker seien schuld an den Zuständen, »den Haß und die Erbitterung der Ärmeren oder der Ungebildeten gegen jene Stände aufreizen«. Solche Urteile seien ebenso zu unterdrücken wie Hinweise, das Verhalten der Aufrührer sei »moralisch entschuldbar«, oder Vorwürfe, die Behörden gingen in »maaßloser Härte und Strenge« vor.64 Hier warf die Revolution von 1848/49 ihre Schatten voraus. Mit der Proklamation der Pressefreiheit zur >Märzerrungenschaft< fand die Zensur kurzzeitig ein Ende. Danach lebte sie in neuen Formen wieder auf.65

Zehn Thesen zur Zusammenfassung: 1. Nach den Normenhorizonten zu forschen erschließt Zensur in methodischer Weise als komplexes System staatlicher Steuerung. 2. Die Summe der Zensurmotive und -zwecke in einer Epoche einerseits, ihr Wandel und die immanenten Akzentverlagerungen zwischen verschiedenen Zensurnormen

63

Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 51a, Büschel 2; vgl. zu dem Konflikt auch Siemann, 1987a, 329f.

64

Hauptstaatsarchiv Stuttgart, E 51a, Büschel 2; vgl. zur zugrundeliegenden Krisensituation in Württemberg: Langewiesche, 84-94. Vgl. zur nachrevolutionären Ära, speziell zur Bedeutung des Wandels von der Vorzensur zur strafrechtlichen Repression meinen Beitrag »Von der offenen zur mittelbaren Kontrolle«.

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andererseits bieten Anhaltspunkte, die jeweilige Bedeutung einzelner Zensureingriffe zu ermessen. 3. Für die Frühphase der >Modernisierung< in Deutschland zwischen Aufklärungszeitalter und Revolution von 1848/49 mischten sich in einem komplexen Pluralismus der Werte die unterschiedlichsten Zensurziele. Zensur als staatliches Instrument diente dadurch vielfaltigen Einzelzwecken, die sich im modernen Staat teilweise zu eigenen Sektoren öffentlichen Handelns verselbständigt haben. Zensur sollte: - die entstehende öffentliche Meinung< politisch kontrollieren, den Staat und seinen Regenten vor Angriffen schützen (Präventivpolizei); - den Konflikt zwischen Staat, Konfessionen und Kirchenkritikern mildern, neutralisieren oder verhindern (Religionspolitik) ; - das amtlich vorausgesetzte Niveau der literarischen Produktion im Lande sichern (.Literaturkritik); - die >unteren Stände< der Gesellschaft und die Jugend vor >schlechter< Literatur und Sitte bewahren (Bildungspolitik); - der »wahren Aufklärung« gegen Tendenzen der >Schwärmerei< und des >Aberglaubens< zum Sieg verhelfen (Kultuspolitik bzw. Propaganda)', - die wissenschaftlich vertretbaren Standards auch bei universitätsfern publizierter Fachliteratur gewährleisten (Fachkritik); - die heimische Buchproduktion vor unberechtigten Nachdrucken schützen (Gewerbe- und Urheberrechtspolitik). 4. Diesem differenzierten Normenhorizont entsprach die Verflechtung der Zensurfunktionen mit anderen staatlichen Behörden über die eigentlichen Zensurorgane hinaus, im württembergischen Fall zunächst mitdem Polizeiministerium, nach 1816 mit Innen- und Außenministerium (Bereich der allgemeinen Politik), mit der Oberstudiendirektion (Bildungspolitik) und der Universität (Wissenschaft). 5. Die Anwendung der Zensurnormen ging über bloße Verhinderungsaktionen hinaus und Schloß aktive staatliche Beeinflussungen der öffentlichen Meinung< ein, die uns später in staatlicher >Kultuspolitik< oder verengt als >Propaganda< wieder begegnen. 6. Die jeweiligen Zensurkriterien zeigten teilweise eine auffällige Nähe zu bestimmten Literaturgattungen, die auf ihre sozial eigentümlichen Leserkreise zielten. Dichtung der >Klassiker< oder literarischen Avantgarde (>Junges Deutschland^, anspruchslose Unterhaltungs-, Erbauungs- und Erziehungsliteratur, politisierende Zeitschriftenaufsätze, Erotica, Kleinformen auf >fliegenden Blättern< mußten sich in der Sicht staatlicher Zensur unterschiedliche Ansprüche gefallenlassen. 7. Weil sich in der Umbruchphase vom 18. zum 19. Jahrhundert Literatur als Ware zunehmend in einem breiteren Angebotsspektrum darbot, wurde sie abhängiger von den Vertriebsformen: Die soziale Dimension von Literatur bekundete sich mehr und mehr in den Wegen, über die sie ihre Leser erreichte; auf diese Weise gerieten neben

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den überkommenen Verlegern, Buchdruckern und Buchhandlungen nun auch Lesegesellschaften, Leihbibliotheken sowie Kolporteure auf Jahrmärkten und an den Haustüren als potentiell gefährliche Verbreiter von Gedrucktem in den Gesichtskreis der Zensoren. 8. Besondere Aufmerksamkeit für eine Sozialgeschichte der Literatur verdienen die Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten zwischen Zensurnormen, Literaturgattungen, Vertriebsformen und Leserkreisen. Das macht es notwendig, Literaturkanon und Quellenbasis zensierter Werke, seien sie gedruckt worden oder nur ungedruckt geblieben, erheblich auszuweiten und intensiver auszuschöpfen, von dem beliebten Höhenkamm jedoch Abschied zu nehmen. 9. Einen besonderen Teilbereich der Zensur bildet die bisher in diesem Zusammenhang noch wenig erforschte historische Bildpublizistik (Holz-, Kupferstiche, Lithographien, Gemälde, vor allem im Bereich der Karikatur). Ihre Erforschung wird die Kenntnis des Normenhorizonts einer Epoche beträchtlich erweitern können. 10. Die unterschiedlichen, von der historischen Zensur dabei erfaßten gesellschaftlichen Teilbereiche begründen und erfordern interdisziplinäre Forschung.

Barbara

Becker-Cantarino

Geschlechtszensur Zur Literaturproduktion der deutschen Romantik1

I.

Fichtes Diskurs über Geschlechterdifferenz und Schriftstellerei als Zensurdiskurs

1796 nahm Fichte in seinen »Grundriß des Familienrechts« einen Abschnitt über »Folgerungen auf das gegenseitige Rechtsverhältnis beider Geschlechter überhaupt im Staate« mit auf und Schloß mit einer Ermahnung: Noch ein paar Worte über die Begierde der Weiber, Schriftstellerei zu treiben, die sich unter ihnen immer weiter verbreitet. Es lassen sich nur zwei Z w e c k e der Schriftstellerei denken; entweder, neue Entdeckungen in den Wissenschaften der Prüfung der Gelehrten vorzulegen; oder der, das schon Bekannte, und Ausgemachte durch populäre Darstellungen weiter zu verbreiten. - Entdeckungen können die Weiber nicht machen [ . . . . ] Populäre Schriften für Weiber, Schriften über die weibliche Erziehung, Sittenlehren für das weibliche Geschlecht, als solches, können die Weiber am zweckmäßigsten schreiben [ . . . . ] Es versteht sich, daß die Verfasserin dann auch als Weib schreiben, und in ihrer Schrift, als Weib, nicht als ein übel verkleideter Mann erscheinen müßte. - Ich habe [...]vorausgesetzt, daß das Weib lediglich um zu nützen, und um einem entdeckten Bedürfnisse ihres Geschlechts abzuhelfen, keineswegs aber aus Ruhmsucht, und Eitelkeit für das unsere schreibe. Außer, daß in dem letzteren Falle ihre Produkte wenig literarischen Wert haben werden, w ü r d e auch d e m moralischen Wert der Verfasserin dadurch großer Abbruch geschehen. ( 3 4 8 - 4 9 )

Fichte äußert hier festumrissenene Vorstellungen davon, was eine Frau schreiben darf, und wie sie als Autorin zu erscheinen habe: nützliche, moralische, populäre Schriften für und über Frauen, nicht aber für Männer, keine wissenschaftlichen oder philosophischen Werke, und als Autorin darf sie lediglich als Erzieherin des eigenen Geschlechts fungieren. Bezeichnenderweise stehen diese Sätze in Fichtes »Grundriß des Familienrechts«, einem Anhang zu seiner Grundlage des Naturrechts, d.h. hier wird eine »natürliche«, von der Natur vorgegebene, kulturelle Ordnung beschrieben, die allen unter ihrer Geltung sozialisierten Subjekten das Miteinander-Sprechen und Miteinander-Handeln regeln soll (Becker-Cantarino, 1989: 58ff.). Fichte spricht bewußt über die literarische Tätigkeit der Frau im Kontext von Ehe und Familie, und er spricht wie selbstverständlich vom männlichen Standpunkt, und zwar dem des Ehemannes. Der instituierte Ordnungszusammenhang der Geschlechter (in dieser als

1

Die Arbeit an diesem Aufsatz ist von der Alexander von Humboldt Stiftung gefördert worden, der ich meinen Dank dafür aussprechen möchte.

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Becker-Cantarino

»natürlich« und »objektiv wissenschaftlich« gedachten Ordnung von Fichtes Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre) ist eine unreflektierte Fortsetzung der »Geschlechtsvormundschaft«, die Fichte für den Mann auch gegenüber der geistigen, literarischen Betätigung der Frau in Anspruch nahm. Fichte betont, daß der Mann »der Verwalter aller Rechte [der Frau]« ist, er darauf jedoch kein »Zwangsrecht« habe, denn das Weib [...] ist unterworfen durch ihren eignen fortdauernden notwendigen und ihre Moralität bedingenden Wunsch, unterworfen zu sein. Sie dürfte wohl ihre Freiheit zurücknehmen, wenn sie wollte·, aber gerade hier liegt es; sie kann es vernünftigerweise nicht wollen. Sie muß, da ihre Verbindung nun einmal allgemein bekannt ist, erscheinen wollen, als gänzlich unterworfen dem Manne, als in ihm gänzlich verloren [....] [Der Mann] ist der Verwalter aller ihrer Rechte; sie will, daß dieselben behauptet und ausgeübt werden, nur inwiefern er es will. Er ist ihr natürlicher Repräsentant im Staate, und in der ganzen Gesellschaft. Dies ist ihr Verhältnis zur Gesellschaft, ihr öffentliches Verhältnis. Ihre Rechte unmittelbar durch sich selbst auszuüben, kann ihr gar nicht einfallen. (341)

Fichte spricht hier von der verheirateten Frau, die das »natürliche« Verhältnis der Frau, sozusagen der Normalfall ist, während sein ganz knapper Hinweis auf die »Witwe, die Abgeschiedene und die, welche sich überhaupt nicht verheiratet hat, ohne doch unter der väterlichen Gewalt zu sein« (344), den Ausnahmefall bedeutet. Doch auch diesem Ausnahmefall, der »Ledigen«, kann Fichtes naturrechtliche Position keine öffentlichen Ämter, keine Ausbildung an Lateinschulen oder Universitäten zugestehen. (Ein öffentliches Amt setzt eine freie, unabhängige Person voraus, und diese Bedingung erfüllt, laut Fichte, nur die ledige Frau, von der aber nicht erwartet werden könne, daß sie auf ihre »natürliche« Bestimmung zur Heirat - und Unterordnung unter den Ehemann - verzichte. Eine öffentliche Erziehung zielt, so Fichte weiter, auf eine »Profession« hin, auf die Ausübung eines Berufes oder die Vermehrung des Wissens »damit die Kultur nicht still stehe«; doch gerade dieses ist es, »was die Weiber nicht brauchen können, denn sie sollen weder das erstere noch das letztere werden« [346].) Wir sehen, wie schwer sich Fichte tut, eine nicht dem Manne unterstehende Frau, eine ledige, vom Manne unabhängige Frau in der (männlich besetzten und definierten) Öffentlichkeit überhaupt zu denken. Auf diese Unfähigkeit, diesen Unwillen, eine sozial, kulturell und geistig vom Manne unabhängige Frau zu denken, trifft das Begehren der Frau zu schreiben und, wenn sie ihre Texte veröffentlichen möchte, als Autorin zu fungieren, also selbständig unter eigenem Namen mit einem geistigen Produkt an die Öffentlichkeit zu treten. Von der »Geisteskultur« gesteht Fichte der Frau nur die »Resultate« zu und »diese erhalten die Weiber in der Gesellschaft« eben durch den Mann: »Unser Umgang erspart ihnen die Mühe« (347). Fichte betont, daß der Geist von Mann und Frau »einen ganz verschiedenen Charakter habe«. Der Mann macht sich besonders durch Wissen vernünftig, er findet deutliche Begriffe durch »Räsonnement«; die Frau ist schon »von Natur vernünftig«, ihr ganzes »Gefühlssystem ist vernünftig« und durch ihre Weiblichkeit vorzüglich praktisch; keineswegs aber spekulativ. In das Innere über die Grenze ihres Gefühls hinaus eindringen kann sie nicht, und soll sie nicht. (348)

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An diese systematisch festgelegten Vorstellungen von Geschlechtsrollen und Geschlechtscharakteren schließt Fichte dann - logisch nicht ganz zwingend und im Ton leicht verärgert - sein (oben zitiertes) Urteil »über die Begierde der Weiber, Schriftstellerei zu treiben« an. Während also die Männer der Frühromantik das Originelle, Kreative, Geniale für die eigene literarische Tätigkeit forderten, danach strebten, ein »Originalgenie« zu sein, so bestanden sie gleichzeitig ganz »natürlich« darauf, ihre traditionelle, vormundschaftliche Verantwortungs- und Überwachungsfunktion gegenüber dem anderen Geschlecht ebenfalls im geistig-literarischen Bereich auszuüben: sie wollten wohl fördern und belehren, aber mehr noch überwachen und kontrollieren, eben »bevormunden«, die traditionelle Geschlechtsvormundschaft ausüben. Als also, um mit Foucault zu sprechen, die Funktion Autor »zwischen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts [...] in das Eigentumssystem unserer Gesellschaft aufgenommen wurde« (18), bestimmte der Geschlechterdiskurs die Funktion Autor/Autorin als Differenz. Foucault beschreibt das (romantische) Spiel »Autorsuche«: »Literarische« Diskurse können nur noch rezipiert werden, wenn sie mit der Funktion Autor versehen sind: jeden Poesie- oder Fiktionstext befragt man danach, woher er kommt, wer ihn geschrieben hat, zu welchem Zeitpunkt, unter welchen Umständen oder nach welchem Entwurf. Die Bedeutung, die man ihm zugesteht, und der Status oder Wert, den man ihm beimißt, hängen davon ab, wie man diese Fragen beantwortet. (19)

Aus der »Funktion Autor« grenzt Fichte die »Funktion Autorin« aus.

II.

Der Zensurdiskurs und die »weibliche Feder«

Auch wenn Fichtes Philosophie und seine Vorstellungen vom Eherecht in einzelnen Punkten kritisiert wurden, so teilten doch die Intellektuellen und Literaten seiner Zeit die Auffassung, daß die Frau vom Manne abhängig ist - auch als Schriftstellerin. Und wie Fichte waren sie sehr bemüht und besorgt, die engen Grenzen weiblicher Schriftstellerei zu befestigen und Übertretungen in die eigene Sphäre zu monieren. Sie übten teils persönliche, teils offen artikulierte Kontrollfunktion gegenüber weiblicher Schriftstellerei aus, sei es als Väter oder Ehemänner, als Freunde, als Konkurrenten, als Verleger oder Kritiker. Es war die Kontrolle einer herrschenden Gruppe, die der männlichen Intellektuellen und Literaten, gegenüber der vergleichsweise schwachen, in die publizistische Öffentlichkeit neu hinzugetretenen Gruppe der schreibenden Frauen, die auch als »schriftstellernde Damen« oder »poetische Weiber« (so Schiller) bezeichnet und durchaus als (durch das gleiche Geschlecht verbundene) Gruppe betrachtet wurden. Diese Zensur basierte auf festen Geschlechtsrollen analog zur Geschlechtsvormundschaft, die Männern eine autoritäre Kontrolle über die ihnen familial und gesellschaftlich zugeordneten Frauen ermöglichte und eben auch die »Überwachung der literarischen Produktion und Rezeption [Bücherkauf und Lesen] mittels Literatur- bzw. Kulturpolitik und Zensur [...] durch die mächtige gesellschaftliche Gruppe« ermöglichte. Diese Kontrollfunktion nenne ich »Geschlechtszensur«.

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Becker-Cantarino

In der Zensurforschung und in der Geschichte der Zensur ist bislang, soweit ich sehen kann, das Kriterium des Geschlechts nicht beachtet worden. Lediglich gibt es in Klaus Kanzogs sehr gründlichem Artikel zur »literarischen Zensur« den Begriff der Selbstzensur (1984: 1041f.), während jedoch das Hauptinteresse der Forschung immer den Zensurinstitutionen in Staat und Kirche, einer politischen oder gesellschaftlichen Gruppe und deren offiziellen Vertretern, gegolten hat, wobei besonders die Rechtsgeschichte und Publizistik im Blickfeld standen. Doch lassen sich durchaus ähnliche Rahmenbedingungen wie bei der öffentlichen, institutionalisierten Zensur für die patriarchale, private und öffentliche »Geschlechtszensur« ausmachen. Es geht auch hier um eine teils subtile, teils massive Bevormundung der literarischen Produzenten (der Autorinnen), um eine Behinderung, Verhinderung und Eingriffe in die literarische Produktion anderer, die teils aus Eigeninteresse, Machtstreben, Eitelkeit, Konkurrenzneid, aber auch aus (vermeintlichem) Verantwortungsgefühl für die Frau oder unter Berufung auf ästhetische Normen und literarische Praktiken (der eigenen Gruppe) durch die sich selbst zum Zensor ernennenden männlichen Intellektuellen und Literaten ausgeführt wird. Es ist eine Art der Überwachung der literarischen Produktion, indem aus der Optik der Zensoren die geltenden Normen moralischer und gesellschaftlicher Art gewahrt, sowie die (von den zensierenden Männern bestimmte) literarische Qualität aufrecht erhalten werden soll. Dabei gibt es auch bei der »Geschlechtszensur« einen unterschiedlich weiten Ermessensspielraum, der sich historisch und im Einzelfall durchaus sehr verschieden auswirken konnte; solange in der patriarchalen Gesellschaft der Mann die geistige Vorherrschaft über die Frau beanspruchte und ausübte, und solange bei der Produktion von Literatur vom Autor zum Verleger und im Vertrieb Männer die Schlüsselstellung innehaben, läßt sich ein Kontrollverhalten der Literaten und Intellektuellen, das eine Art von »Geschlechtszensur« ist, feststellen. Erst seit in den letzten zwei Jahrzehnten unter dem Einfluß der zweiten Frauenbewegung und der sogen. »Frauenliteratur« die Monopolstellung der männlichen Literaten ins Wanken geraten ist, ist die Geschlechtszensur anderen Formen der Literaturpolitik gewichen, etwa der Marktverdrängung (einer lesbischen Autorin wie Christa Reinig), der moralischen und künstlerischen Herabsetzung (etwa der Streit um Christa Wolfs Was bleibt) oder der larmoyant-sarkastischen Aneignung »feministischer« oder »weiblicher« Formen für den eigenen Text (etwa bei Grass in der Rättin oder Walsers Verteidigung der Kindheit). Die Norm- und Meinungskontrolle ist von der direkten Konfrontation in der Literaturkritik und im Feuilleton sowie der indirekten, intertextuellen Auseinandersetzung abgelöst worden, denn das vormundschaftliche Verhältnis hat sich zum vielschichtigen Konkurrenzspiel, zum Mit- und Gegeneinander auf der literarischen Bühne gewandelt, bei dem Machtansprüche sicherlich, und unterschwellig auch Geschlechterdifferenz und -differenzen eine Rolle spielen. Hatte Fichte 1796 in seiner Naturrechtslehre die Eingrenzung der literarisch tätigen Frauen philosophisch aus dem Geschlechtscharakter der Frau begründet, so übte Goethe in einer Rezension von 1806 eine differenzierte, ästhetische Normkontrolle aus, als er folgende Grenzziehungen für Romantexte von Frauen vornahm:

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So haben wir denn auch nicht ohne Kopfschütteln bemerken können, daß die anmutigen und liebevollen Naturen, die in dem Roman unserer Freundin Eleutherie [gemeint ist Holbergs Wilhelm Dumont, ein einfacher Roman, 1805] ihr Spiel treiben, sich als Anti-Naturphilosophen ankündigen und bei dieser Gelegenheit immer außerordentlich verdrießlich werden. »Sollte man sich mit so einem Gesichtchen von Politik unterhalten?« sagte der Herzog zu einer seiner Geliebten, indem er sie vor den Spiegel führte; und so möchte man auch zu Adelaiden dieses Romans sagen: sollte man mit so viel Liebenswürdigkeit, Gefühl und Lebenslust an Philosophie überhaupt, geschweige an Naturphilosophie denken? Das Beste dabei bleibt, daß sie selbst fühlt, wie wenig dergleichen Äußerungen einer weiblichen Feder geziemen. 2

Goethe äußert hier feste, (und im weiteren Verlauf der Rezension) präskriptive Vorstellungen über die »weibliche Feder«, die weibliche Autorschaft, wie sie übrigens in zeitgenössischen Rezensionen immer wieder ausgesprochen wurden. Das »Feld des begrifflichen und theoretischen« (Foucault, 21), aus dem heraus »die Autorin« hier definiert wird, ist ihr Geschlecht. Indem Goethe selektiv eine Reihe von Zeichen, die auf eine Differenz zwischen seiner Weiblichkeitsvorstellung und der Romanheldin verweisen, herausgreift, tadelt er in derselben Rezension auch die Heldin von Friederike Ungers Roman Bekenntnisse einer schönen Seele ( 1806)3 als »eine Männin, ein Mädchen wie es ein Mann gedacht hat« (368): die unverheiratete, vergleichsweise selbständige weibliche Romanfigur einer Gesellschafterin und Hofmeisterin ist in Goethes Augen eine »Amazone«, in der die Leserin »weder Tochter, noch Schwester, noch Geliebte, noch Gattin, noch Mutter, [...] weder die Hausfrau, noch die Schwiegermutter, noch die Großmutter« (376) sehen kann. Die Lebens- und Nützlichkeitsperspektive des Mannes wird zur ästhetischen Norm für den von einer Frau verfaßten Roman erhoben und in diesem Sinne fordert Goethe, daß schreibende Frauen ihre Manuskripte von Männern prüfen lassen: Sollten denn aber geistreiche und talentvolle Frauen nicht auch geist- und talentvolle Freunde erwerben können, denen sie ihre Manuscripte vorlegten, damit alle Unweiblichkeiten ausgelöscht würden und nichts in einem solchen Werke zurückbliebe, was dem natürlichen Gefühl, dem liebevollen Wesen, den romantischen herzerhebenden Ansichten, der anmuthvollen Darstellung und allem dem Guten, was weibliche Schriften so reichlich besitzen, sich als ein lästiges Gegengewicht anhängen dürfte. (383-84)

Mit diesem in einen gutgemeinten Rat gekleideten Hinweis auf die Überprüfung durch »geist- und talentvolle Freunde« (sprich: den männlichen Autor) schließt Goethe seine Rezension. Ziel einer solchen Textüberprüfung, die Teil einer Wahrnehmungsstrategie und -Steuerung ist und in ihrer Einseitigkeit durchaus den Charakter einer Geschlechtszensur hat, ist die soziale Kontrolle der Frau als Autorin und ihrer Texte.

- Weimarer Ausgabe, I, 40, 382.-Goethes ausführliche Rezension von drei Frauenromanen (Friederike Ungers Bekenntnisse einer schönen Seele, von ihr selbst geschrieben, 1806 und Melanie das Findelkind, 1804 sowie Holbergs Wilhelm Dumont, 1805) war 1806 in der Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung 3

erschienen.

Zur unsicheren Autorschaft des Romans vgl. das Nachwort von Susanne Zantop zu Bekenntnisse einer schönen Seele. Von ihr selbst geschrieben.

Nachdruck Hildesheim: Olms, 1991.

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Barbara Becker-Cantari no

III.

Literaturproduktion und Geschlecht

Im Geschlechterdiskurs auf die Differenz und Abhängigkeit vom Manne in der Literaturproduktion verwiesen, fühlen sich die Frauen bemüßigt, ihr Schreiben selbst an dieser Norm auszurichten, es von Männern prüfen zu lassen, eventuell unter dem Namen des Mannes zu veröffentlichen oder das begonnene Werk erst gar nicht zu Ende zu führen. So berichtet Caroline Schlegel, die selbst nur Briefe hinterlassen, aber unter eigenem Namen nichts veröffentlicht hat, über ihr Schreiben: Am Donnerstag hat Schelling einen Bericht, den ich aufgesetzt habe, [...] geschickt; unter meinem Namen hätte ich es auf keine Weise thun mögen; [....] Die Briefform, die ich ihm anfangs gegeben, hat mir Schelling gestrichen, und übrigens mich sehr zum Besten gehabt mit der großen Zärtlichkeit für das Stück und alles dasselbe Betreffende, die durchgehends hervor leuchtete, ich mußte selbst darüber lachen, welch ein weibliches Ansehen er hatte. Wir nahmen unter vielem Scherz noch die Λ

eine und die andere Spur der zarten Hände heraus.

Bei diesem dann unter Schellings Namen veröffentlichten Bericht handelte es sich um eine Besprechung der (von Goethe inszenierten) Weimarer Aufführung von August Wilhelm Schlegels Ion Anfang Januar 1802. Caroline ließ sich wie selbstverständlich das Geschriebene »korrigieren«. War ihre Arbeit so mangelhaft? Im Gegenteil: ihre vielen und seit 1871 mehrfach veröffentlichten Briefe, die immer wieder als Quelle zur kulturellen Ordnung der Romantik benutzt werden, zeigen, daß sie als Schreiberin von Privatbriefen treffsicher und plastisch beschreiben, feinfühlig und analytisch urteilen konnte. Ihre fehlende Schul- und Universitätsbildung oder eine minderwertige oder unzureichende literarische Fähigkeit können also nicht Grund gewesen sein, weshalb der Ehemann Schelling ihre sprachlichen Ausdrucksformen und Meinungsäußerung nachbessern wollte; vielmehr fühlte sich Schelling als Ehemann wie selbstverständlich zur Kontrolle und Überwachung des literarischen Produktes seiner Frau berufen, bevor es veröffentlicht wurde. Diese als »natürlich« gedachte und ausgeübte Kontrollfunktion des (Ehe)Mannes über die geistigen Produkte »seiner« Frau scheint sich mit der seit der Mitte der 1790er Jahre einsetzenden sozialen Restauration und mit dem Heranwachsen der jungen Romantikergeneration erst richtig ausgebildet zu haben. Als sich nämlich die jungen Literaten der Frühromantik gerade erst etablierten und Friedrich und August Wilhelm Schlegel das Athenäum (1797-99) planten und herausgaben, war der Umgang mit »ihren« Frauen zunächst weitaus kooperativer, da Caroline und Dorothea - neben anderen der Berliner Frühromantik wie etwa Schleiermacher - wichtige, wenn auch im Hintergrund bleibende und ungenannte Beiträgerinnen waren. Im Dezember 1797 etwa schrieb Friedrich Schlegel an Caroline:

4

Jena, 11.1.1802 an August Wilhelm Schlegel; 262. Die Rezension erschien in der Zeitung für die elegante Welt, sie mißfiel jedoch August Wilhelm Schlegel, der dann ebendort diese und andere Rezensionen angriff, Caroline vorwarf, daß sie kein Griechisch könne, nicht einmal eine schlechte Euripides-Ubersetzung gelesen habe und deshalb sein Stück nicht beurteilen könne.

Geschlechtszensur

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Schreiben Sie mir doch ja, alles was Sie für sich [für das Athenäum] zu thun denken, auch noch ehe Sie fixiert sind. Ich rathe Ihnen dann, so guth ichs weiß. Rathen auch Sie mir, und überlegen Sie alles, was ich von meinen Arbeiten und Projekten dafür schreibe, recht kritisch und gründlich. Besonders aber das, was Wilh[elm] thun kann und will, befördern Sie durch Ihre Theilnahme. Wenn er meinen Vorschlag wegen der neuesten lyrischen Gedichte des Meisters eingeht: so können Sie ihm gewiß sehr viel dazu helfen. - Lassen Sie sich weder Wilhelms Treiben noch Ihre Arbeitsscheu den Gedanken verleiden, selbst Beyträge zu geben. Wenn Sie dieß aber auch nicht gleich können oder wollen, so bleibt Ihnen doch sehr viel übrig - durch Theilnahme und Rath unsern Eifer zu verdoppeln und zu berichtigen. - I c h habe immer geglaubt, Ihre Naturform - denn ich glaube, jeder Mensch von Kraft und Geist hat seine eigentümliche - wäre die Rhapsodie [...] Seyn Sie also vorsichtig bey der Wahl der Form, und bedenken Sie daß Briefe und Rezensionen Formen sind, die Sie ganz in der Gewalt haben [....] Was sich aus Ihren Briefen drucken ließe, ist viel zu rein, schön und weich, als daß ich es in Fragm[ente] gleichsam zerbrochen, und durch die bloße Aushebung kokett gemacht sehn möchte. Dagegen denke ich, es würde mir nicht unmöglich seyn, aus Ihren Briefen Eine große philosophische Rhapsodie zu -diaskeuasieren. 5 Sollten Sie jemals einen Roman schreiben: so müßte vielleicht ein andrer den Plan machen, und wenn nicht das Ganze aus Briefen bestehn sollte, auch alles darin schreiben, was nicht [in] Briefen wäre.- 6 In d i e s e m langen und ausführlichen Brief, v o n d e m ich nur e i n e kurze Stelle zitiert habe, n i m m t Friedrich S c h l e g e l eine g e s c h i c k t e Positionsabgrenzung d e s literarischen Terrains vor; einmal wirbt er um die Mitarbeit seiner unkonventionellen, begabten S c h w ä g e r i n ( w i e auch um ihre w e i b l i c h e Gunst), die er e b e n s o besitzen, Z w e c k e n dienstbar m a c h e n , w i e lenken und eingrenzen möchte.

seinen

»Diaskeuasieren«

(bearbeiten) m ö c h t e er ihre literarische Produktion, n o c h e h e sie »fixiert« ist, s i e soll helfen, Anteil n e h m e n , beraten, nicht aber letztendlich entscheiden o d e r gar bestimmen. D a b e i grenzt Friedrich S c h l e g e l aber auch die literarischen K o m p e t e n z e n g e n a u ab. E r selbst sichert sich d i e (favorisierte) feste F o r m d e s Fragments, w e i s t ihr d i e unsystematische,

fließende,

f o r m l o s e Rhapsodie ( » R h a p s o d i e n dichtet man, strömt

man a u s « heißt e s in e i n e r literarischen

Notiz Friedrich Schlegels)

und

das

N i c h t - W e r k d e s Briefes zu. W e d e r Carolines autobiographischer Briefroman (unter männlicher A u f s i c h t und F o r m g e b u n g ) noch Friedrichs » g r o ß e p h i l o s o p h i s c h e sodie«

Rhap-

aus Carolines Briefen wurden realisiert. Caroline blieb bei der geistigen

Z u a r b e i t , las K o r r e k t u r e n , s c h r i e b M a n u s k r i p t e ab, l i e f e r t e I d e e n , B r i e f m a t e r i a l und E x z e r p t e (für den S c h w a g e r Friedrich und den E h e m a n n A u g u s t W i l h e l m S c h l e g e l , dann für Schelling) und ließ ihre Theaterkritiken, R e z e n s i o n e n und Ü b e r setzungen (aus d e m Französischen und Italienischen) v o n Schelling für d i e Publikation

' Griech. »bearbeiten«; Diaskeuast war ein Bearbeiter Homers. 6

F. Schlegel an Caroline Schlegel, 12.12.1797; Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe, 3. Abt., Bd. 24, S. 60; die vollständige Ausgabe aller erreichbaren Briefe von und an Friedrich und Dorothea Schlegel für die Jahre 1788-1799 erlaubt jetzt einen differenzierten Einblick in die Literaturproduktion im Umkreis des Athenäum.

7

Erst 1817 enthüllte ein Prof. Schütz in der Zeitung für die elegante Welt ihre Identität; Schindel II, 32^17.

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umarbeiten (nur während ihrer Münchner Zeit 1806 bis 1809 erschienen einige anonym).8 Caroline war seit ihrer Mainzer Zeit bei Forster (1792-93) politisch kompromittiert, wie auch Friedrich Schlegel durch sein Verhältnis zu Dorothea, einer verheirateten, älteren, jüdischen Frau und der Veröffentlichung der Lucinde (1799) moralisch kompromittiert war: beide hatten z. B. Aufenthaltsverbot in Carolines Heimatstadt Göttingen. Carolines Lage verbot es ihr, als Ehefrau, wie Fichte warnte, »durch ihren schriftstellerischen Ruhm eine von ihrem Gatten unabhängige Selbständigkeit, die das eheliche Verhältnis notwendig entkräftet, und zu lösen droht« zu riskieren, denn, so Fichte weiter, »wird [die Autorin] getadelt, so empfindet sie den Tadel als eine ihrem Geschlechte zugefügte Beleidigung, und ihre, und ihres Gatten Tage werden verbittert« (349). Wie die meisten Frauen, die zwischen 1790 und 1820 enge persönliche Beziehungen zu einem prominenten Literaten oder Intellektuellen hatten, unterlag Caroline als Frau der privaten und öffentlichen »Geschlechtsvormundschaft« und als schreibende Frau - und sie wurde immer als Frau gedacht - d e r »Geschlechtszensur«. Diese drängte die Autorinnen auch in die anonyme oder pseudonyme Veröffentlichungspraxis. Während noch die ältere Generation der Sophie La Roche (1730-1807) oder Anna Louisa Karsch (1722-1791) bewußt als professionelle Autorinnen - aber auch als z. T. belächelte »Ausnahmen« - hervortraten und sich damit ihren Lebensunterhalt im Falle der Karsch verdienten, oder eine lebenswichtige Einnahmequelle im Falle der Witwe La Roche eröffneten, veröffentlichten fast alle Frauen um 1800 ihre Werke anonym oder chiffriert, unter einem (männlichen) Herausgeber oder einem Pseudonym. Die jüngeren Autorinnen von Romanen wie etwa Caroline Auguste Fischer (Gustavs Verirrtingen, 1801; Vierzehn Tage in Paris, 1801; Die Honigmonate, 1802; Der Günstling, 1808; Margarethe, 1812) oder Benedictine Naubert (die in ihren seit 1785 erscheinenden zumeist historischen Romanen sogar ihrem Verleger gegenüber lange Zeit ihre Anonymität bewahrte)9 publizierten ihre Werke, ohne ihren bürgerlichen Namen zu nennen, um einen größeren Spielraum für ihre Fiktionen zu haben (Nauberts historische Romane wurden für die eines Mannes gehalten und verkauften sich ausgesprochen gut) und um ihren guten Ruf als bürgerliche Frauen nicht aufs Spiel zu setzen, da besonders von den männlichen Literaten Werk und Person der Autor/n gleichgesetzt und unterschiedslos aus der Perspektive »natürlicher Weiblichkeit« beurteilt und damit der sozialen Kontrolle durch das Patriarchat unterstellt wurden. Karoline von Günderrode benutzte die (nur von literarischen Insidern entschlüsselten) Pseudonyme »Tian« und »Jon«, Dorothea Schlegel veröffentlichte ihren einzigen Roman Florentin (1801) unter Friedrich Schlegels Namen als

8

Sara Friedrichsmeyer betont den dialogischen, nicht-hierarchischen Gestus in ihren Brieftexten und ihr Bestreben, die an sie herangetragenen Erwartungen eines Frauenlebens zu erfüllen; wie die zahlreichen Biographen und die Literaturgeschichte verlegt Christa Bürger die Bedeutung Carolines als Schriftstellerin in ihre Briefe (81 f . ) .

9

Erst 1817 enthüllte ein Prof. Schütz in der Zeitung 32-47.

für die elegante

Welt ihre Identität; Schindel II,

Geschlechtszensur

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Herausgeber. Mit der Konstituierung der bürgerlichen Öffentlichkeit als »Männerbund« mit dem »Kitt der Brüderlichkeit« (Reinhart Koselleck) gegen Ende des Jahrhunderts, gab es, so resümiert Claudia Honegger, in den Männerzirkeln und -bünden so etwas wie »eine genuine politische >Männerbewegung< mit dem Ziel, den Einfluß der Frauen und Damen auf Staat und Gesellschaft einzudämmen« (Honegger, 53); im literarischen Diskurs wurde die »Geschlechtszensur« verstärkt und mit der Romantik instituiert, da mit der Progression der Alphabetisierung, der Herausbildung eines großen, weiblichen Lesepublikums bürgerlicher Frauen, nun auch diese Frauen schreiben und publizieren wollen, und auf den (seit 1750 erst richtig sich entfaltenden) Markt der schönen Literatur drängen. Die Selbstdarstellung der Autorin und die Rechtfertigung ihrer schriftstellersichen Tätigkeit wurde von der »Geschlechtszensur« geprägt, die sich durch subversive Anpassung nach außen hin unterlief. So schrieb Therese Huber 1810 ihrem Vater, als sie selbst immerhin schon 56 Jahre alt, zweimal verwitwet und eine erfolgreiche Berufsschriftstellerin war, und konstruierte dieses Bild ihrer Schriftstellerei: Ich schrieb, um meinem Mann die Mittel zu erleichtem, Weib und Kinder zu ernähren, und nie erfuhr es bis zu Hubers Tod [1804] ein Mensch, daß ich die Feder ansetzte! - nur Zeitungsartikel übersetzen, mußte man mich für fähig halten, weil diese von meiner Hand in die Druckerei kamen. So verdiente ich wohl die Hälfte unseres Einkommens indem ich mit dem Kinde an der Brust, neben der Wiege und in den Nachtstunden w o alles schlief, meinen Kopf dadurch erhellte, daß ich die heftigen Gefühle meines Herzens, und den Flug meiner Fantasie in deutliche Bilder einschränkte, und an den Faden einer Erzählung anreihte [ . . . . ] Huber schrieb dann meine unförmlichen Brouillons [Konzepte] ins Reine, feilte, malte aus und beschnitt.

Mit diesem Konstrukt ihrer Autorschaft rechtfertigt sich Therese Huber hier vor ihrem Vater, dem Göttinger Altphilologen Christian Gottlob Heyne, der ihr wegen ihrer Publikationen Vorwürfe gemacht hatte; erst 1811 gab Therese Huber ihre Anonymität auf, obwohl sie schon seit Hubers Tod (1804) in ihren schriftstellerischen Arbeiten ganz auf sich selbst gestellt war, um damit sich und ihre vier (sechs?) Kinder aus zwei Ehen zu versorgen. Dem Vater, später den eigenen Kindern und allen Bekannten gegenüber betonte sie jedoch immer wieder, daß ihre »Weiblichkeit« nicht unter der Schriftstellerei leide, sie immer nur unter Anleitung und Redaktion von Huber und nur aus Geldnot geschrieben habe. Die »Geschlechtszensur« verlangte eine solche Selbstdarstellung.

IV.

»Geschlechtszensur« als Kontrollfunktion der Texte und als Verdrängungsmoment der Autorin

Die »Geschlechtszensur« verlangte deutliche Zugeständnisse in der literarischen Fiktion, besonders in den als Repräsentation des gelebten Lebens verstandenen

10

Hs in SUB Göttingen, Nachlaß Therese Huber, Β 926; ich danke Magdalene Heuser, die die Therese Forster-Huber Briefausgabe vorbereitet, für die freundliche Uberprüfung.

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Barbara

Becker-Cantarino

Romantexten. In ihrem ersten, erfolgreichen Roman Die Familie Seidorf(1796-97) nahm Therese Huber das Erzählschema des Familienromans, der die »natürliche« Ordnung der Geschlechter stützen sollte, um hinter der Darstellung des Vaters Seidorf, des brüderlichen Freundes Roger und des gewissenlosen, aristokratischen Liebhabers Saras Verweigerung der Ehe zu thematisieren, die sie allerdings mit der unweiblichen, soldatischen Revolutionskämpferin motivieren mußte; oder sie verlegte in ihrer Polennovelle Klosterberuf (1807) und den auf eigenen Erlebnissen in Wilna beruhenden Fragmenten über einen Theil von Polen. Aus Briefen einer Engländerin, im Jahr 1789 geschrieben (1793)" die politische Problematik der Polenaufstände in mythologische, historische Erzählferne. Therese Huber entwickelte in ihren Werken subversive Kommunikationsstrategien durch Codierung und Maskierung, und sie verharmloste nach außen hin ihre schriftstellerische Tätigkeit (»eine meiner dicksten Sünden«, »mein Gewäsch« 1811), 12 um die »Geschlechtszensur« zu entkräften. Ihre etwa 60 Romane und Erzählungen, die zahlreichen Zeitschriftenbeiträge, ihre Redaktionsarbeit (von 1816 bis 1823) für Cottas Morgenblatt ßr die gebildeten Stände und für andere Werke des derzeit bedeutendsten, schöngeistigen Verlags bezeugen ihre Leistungsfähigkeit als Autorin, die allerdings von den Romantikern ebenso wie von Schiller oder Goethe als »Brotschreiberin« (sprich: selbständige und politisch andersdenkende Konkurrentin) von der Kunstproduktion ausgegrenzt wurde. Auch in der sich anbahnenden Liebesbeziehung zwischen Sophie Mereau und Clemens Brentano geht es, zunächst noch unterschwellig, um die Kontrollfunktion des Dichters über die literarische Produktion der Frau. Als Sophie seine Aufdringlichkeiten zurückgewiesen hatte und auch die von ihm übersandten Gedichte nicht in den von ihr herausgegebenen Göttinger Musenalmanach von 1803 aufgenommen hatte, tadelte Clemens in einem langen, ironischen Brief: Es ist für ein Weib sehr gefährlich

zu (lichten, noch gefährlicher

einen Musenalmanach

herauszu-

geben, unter mehreren Dissertationen, die ich auf dem Tapete habe, wäre dies eine, die Sie besonders interessieren könnte, die andern würden davon handeln, inwiefern kann ein Weib ein Kaffeehaus ohne ihrer Ehre zu schaden, halten oder frequentieren, inwiefern sind weibliche Bediente zur Bildung

' 1 Die Fragmente Teutschlands

erschienen zuerst anonym in der von Huber herausgegebenen Zeitschrift Flora. Töchtern gewidmet,

Tübingen 1793; vgl. mein »Therese Forster-Huber und Polen«,

in: Daß eine Nation die ander verstehen möge. Festschriftfür

Marian Szyrocki

1988, 53-66 und »Therese Huber« in: Out of Line/Ausgefallen. Nineteenth-Century

German

Women

Writers.

Chloe, 7, Amsterdam

The Problem of Marginality

in

Amsterdamer Beiträge zur deutschen Literatur,

Amsterdam 1990, 235-53. 12

In einem Brief vom 7.12.1811 an Karl August Böttiger; nach Walter, 51. - Vater Heyne korrespondierte mit seinem Schwiegersohn, Thereses zweitem Ehemann Huber, über den »lächerlichen, unweiblichen Drang« Thereses zur Autorschaft und über ihre politische Einstellung (M. Heuser, »Jakobinerin, Demokratin und Revolutionär«, in: Sklavin oder Bürgerin? Revolution 146).

und neue Weiblichkeit

¡760-1830.

Französische

Hg. V. Schmidt-Unsenhoff, Marburg: Jonas, 1989,

Geschlechtszensur

97

der Studenten auf Akademien notwendig, inwiefern darf ein gesittetes Weib Kutschiren, reiten etc. (Lebe der Liebe, 104).

Brentanos mokanter, spielerischer, aber auch verärgerter Ton und sein Pochen auf die männliche Vorrangstellung vereitelten einen Dialog, eine sachliche Auseinandersetzung über literarische Fragen. Da Brentano finanziell gut versorgt und an Brotneid nicht zu denken hatte, war er eher darüber verärgert, daß ausgerechnet eine Frau es gewagt hatte, seine Arbeiten zurückzuweisen: »Daß Sie mit meinen schwachen poetischen Versuchen nicht ganz unzufrieden sind, soll mir eine Anspornung sein, meine Verse künftiger, noch artiger vornen anzufangen und hinten zu endigen, wie auch zu reimen [...]« (102), so schrieb er pikiert und machte dann seinem Unmut über weibliche Schriftstellerei Luft. Eine Frau war eben nicht zur Kritik an den literarischen Produkten von Männern befugt. Zwar antwortete Sophie Mereau 1803 noch ganz selbstbewußt auf Brentanos seitenlange, beleidigende Kritik: Was Sie mir über die weiblichen Schriftsteller, und insbesondere, über meine geringen Versuche, sagen, hat mich recht ergriffen, ja erbaut. Gewiß ziemt es sich eigentlich gar nicht für unser Geschlecht und nur die außerordentliche Großmut der Männer hat solange gelassen zusehen können. Ich würde recht zittern wegen einiger Arbeiten, die leider schon unter der Presse sind, wenn ich nicht in dem Gedanken an ihre Unbedeutsamkeit und Unschädlichkeit einigen Trost fände. Aber für die Zukunft werde ich wenigstens mit Versemachen meine Zeit nicht mehr verschwenden, und wenn ich mich ja genötigt sehen sollte, zu schreiben, so gute, moralische Kochbücher zu verfertigen suchen. Und wer weiß, ob ich Ihr gelehrtes Werk, auf dessen Erscheinung Sie mich gütigst aufmerksam gemacht haben, mich nicht ganz und gar bestimmt, die Feder auf immer mit der Nadel zu vertauschen. (116)

Nachdem Sophie Mereau im November 1803 Brentano heiratete, veröffentlichte sie (außer Übersetzungen) keine selbständigen Werke mehr. Ähnlich verhielt sich Dorothea Schlegel, die nach ihrem Roman Florentin (1801) und einigen selbständigen Arbeiten für Friedrichs Zeitschrift Europa noch einige größere Übersetzungen anfertigte, ab 1807 bis zu ihrem Tode 1832 aber keine schriftstellerischen Arbeiten mehr unternahm. Bettina von Arnim fing erst nach dem Tod Achims ernsthaft mit ihren schriftstellerischen Arbeiten an; auch ihre Veröffentlichungen kritisierte Bruder Clemens, der sie indiskret und unweiblich fand. Bei den verheirateten Romantikerinnen bewirkte die »Geschlechtszensur« eine Kunsthemmung, die sie zum Verstummen brachte. Es ging jedoch um die Kontrollfunktion der neuen, schönen Literatur, um das Schöpfungs- und Beurteilungsprivileg und -monopol der sich etablierenden Autoren als Künstler. So war Friedrich Schlegel empört, daß Caroline in einem nicht von ihrem Ehemann August Wilhelm abgesegneten Brief an seiner Schriftstellerei Kritik geübt hatte und beschwerte sich bei Bruder August Wilhelm: Deine Frau hat mir einen sehr heftigen und beleidigten Brief über das Athenäum geschrieben, den Du wohl nicht gesehen hast vor seiner Absendung. Die zwey ganzen Tage, die mir der unnütze Verdruß verderbt hat, können durch Nachtwachen und Anstrengung ersetzt werden [....] Aber der frohe Muth, die gute Laune ist fort. Caroline meynt, meine Fragmente wären oft zu lang. Das ist freylich eine von den Bemerkungen worauf einem die Antwort in der Kehle stecken bleibt. (1798; Caroline, II, 449)

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Barbara Becker-Cantari no

Kritik von Frauen an ihrer eigenen literarischen Produktion verbaten sich die Autoren, denn sie selbst setzten den Standard, waren die Kritiker und Kunstrichter ihrer Literatur; der von Frauen geschriebenen Literatur gegenüber fungierten sie jedoch ganz selbstverständlich als Vormünder, Richter und Zensoren und betonten, schon seit Wieland die Herausgabe von La Roches Geschichte des Fräulein von Sternheims (1771) betreut und an ein weibliches Lesepublikum verwiesen hatte, daß Frauen für Frauen erbauliche, moralische, die »natürlichen« Geschlechtsrollen stützende »Frauenliteratur« schreiben sollten.

V.

»Geschlechtszensur« und Patriarchat

Die »Geschlechtszensur«, mit der die Literaten und Intellektuellen die literarischen Aktivitäten der Frauen, und.besonders der eigenen, überwachten und lenkten, wirkte sich kunsthemmend für die meisten Romantikerinnen aus. Die geistige Vormundschaft, die die Literaten und Intellektuellen gegenüber allen Frauen beanspruchten, ließen bei der literarischen Produktion die vielfach auch gesuchte Hilfe in eine Geschlechtszensur übergehen: die Betonung von Weiblichkeit und die begrenzenden Anweisungen für die »weibliche Feder« führten in das Ghetto der Frauenliteratur; der gänzlich von männlichen Verlegern, Redakteuren und Autoren beherrschte Buchmarkt blieb weiterhin günstig für eine solche »Geschlechtszensur«, mit der die eigene Autorität, Machtposition und wirtschaftliche Stellung der spätestens seit der Romantik professionalisierten Autoren gestärkt werden konnte. Die »Geschlechtszensur« gehört in den Machtdiskurs des Patriarchats (Walby), in die um 1800 sich festigende Ordnung der Geschlechter als Differenz. Sie hat ihre Tradition in der patriarchalen »Ordnung der Geschlechter«, im christlichen Hausvater-Modell, auf das ja auch Fichte zurückgriff und das er zum »Naturrecht« säkularisierte. In der durch Luther wirksam gewordenen Neuregelung der Ehe und des Haushalts, fungierte der Hausvater auch als Hauspriester. Er sollte stellvertretend für den Pfarrer regelmäßig für Familie und Gesinde aus dem Evangelium vorlesen; er wurde auch für die religiöse Erziehung, und damit den moralisch-geistigen Horizont der Ehefrau (und Kinder) verantwortlich gemacht. Der Gestus dieses vormundschaftlichen Lesens, Erziehens und der moralischen Verantwortung, aber auch Bestimmung und Reglementierung, die, wie wir aus unzähligen biographischen Berichten wissen, streng, pflichtbewußt und autoritär von den Hausvätern ausgeführt wurde, findet seine »natürliche« Variante in der »Geschlechtszensur«, als mit der Literaturproduktion der Romantik die Professionalisierung der »schönen Literatur« sich durchsetzte und Frauen im Akt des Schreibens und mit dem Anspruch auf Autorschaft sich aus der geistig untergeordneten Stellung der Ehefrau als Hausmutter sich dieser patriarchalen Autorität des Ehemannes als Hausvaters entzogen.

WulfKoepke

Jean Paul's Battles with the Censors and His Freiheits-Büchlein

Jean Paul's first publications were satires. Although he shied away from personal satire, defined as »Pasquill,« satires still have to be topical and have to have bite. Gottlieb Wilhelm Rabener, one of Jean Paul's well-meaning and very moderate predecessors in the field, finally gave up writing satires, in spite of his immense popularity; censorship and the narrow-minded attitude of the reading public made any free speech impossible, he complained. ' Jean Paul, who tried to follow in the footsteps of Jonathan Swift, would have been criticized even more severely, had not his complex irony and convoluted style made his satires inaccessible to average readers. There is a definite connection between the lack of readers' response, the ever more complex and self-conscious irony, and the awareness of censorship. While part of the reasons for his complicated style was his irrepressible love of witticisms, it is also obvious that he filled his texts with many topical allusions that were supposed to be clear enough for the readers, but too ambiguous for the censors. 2 It is needless to speculate, but in a more open and unrestrained society, Jean Paul would most likely have given great humoristic/satirical sketches of the ills of contemporary society. Goethe hit the nail on the head, when he lamented in an epigram: »Richter in London, was wär' er geworden!« But Richter in Hof, 3 he continued, is reduced merely to amusing his audience. This is not quite fair, but the psychological condition of Jean Paul's writing

1

Cf. on these issues my Erfolglosigkeit. Zum FrühwerkJean 93-100.

2

On 9 November 1807, Jean Paul wrote to Cotta in connection with censorship problems: »Was können denn meine Scherze schaden, die unter Tausenden nur so Wenige verstehen?« (3. Abt., 5:175f.) To which point he added a footnote (in the letter!): »und die auf alle Zeiten passen? Dazu kommt noch, daß ich ja in Ihrem Staate nicht lebe und also unmöglich auf einen unbekannten anspielen kann« (176). He thus turned the point around, saying that most readers did not understand him anyway (he was convinced that that was true for the women!), and that his satires were general and not meant for specific places or conditions. The fact is, he did not really mean the first point, and there are numerous instances where his general statements were applied to specific conditions. He was generally closer to reality than we think now. Jean Paul's letters are quoted according to Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, edited by Eduard Berend, 3. Abteilung, by volume and page numbers.

3

Jean Paul Richter, genannt Jean Paul.

Pauls (München: Fink, 1977), especially

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WulfKoepke

is not only the small-town atmosphere and its pettiness, but also the awareness that he was always testing the limits of the censors' tolerance. Censorship of books was much more lenient than that of periodicals. Although Richter was always concerned where his books would be printed, because that is where they were censored as well, and kept reiterating that if certain passages were rejected, he would rather retract the entire text, he avoided major clashes and conflicts until 1804. 4 This is remarkable since even when he had switched from satires to narrative texts and had become very popular through his novel Hesperus, he kept on inserting satires and topical essays and many allusions into the fabric of these texts. Until around 1807, Jean Paul did not write much for journals, but when he became a regular contributor to periodicals like Cotta's Morgenblatt, censorship became a constant topic in his correspondence. Also with the French occupation or at least surveillance of most of Germany, censorship became a major problem for German cultural life, and that would remain so for most of the nineteenth century. Before the police state of the French occupation and the Metternich era, however, there seemed to be a short period where freedom of the press was in sight. Censorship, usually handled by the universities, shifted from the theologians to the Philosophische Fakultät, and liberal-minded professors intervened only when the state, especially the ruler, was directly attacked. That this attitude could also lead to some grotesque situations, is clear from Jean Paul's major clash with the censors, in 1804, over the dedication of his Vorschule der Ästhetik. While the episode in itself was ridiculously insignificant, and is justly forgotten, it became the occasion for one of the most determined and meaningful attacks on the idea of censorship as such, that is, Jean Paul's Freiheits-Büchlein. It is therefore justified to recall the comical circumstances. Jean Paul had had a witty correspondence with Emil August, Prince of Sachsen-Gotha (1772-1822) who, in April 1804, succeeded his father as Duke of Sachsen-Gotha, one of the small dukedoms in Thuringia. Emil August was one of the less gifted imitators of Jean Paul, and his witticisms were often so complicated as to obscure the meaning of his sentences. He flaunted his liberalism, especially before he became the ruler, and he craved to be accepted into the brotherhood of men of letters. At the same time, he remained very sensitive and touchy about criticism, and later became rather unpredictable and very

4

With one notable exception. For the »Komische Anhang« of the first volume of Titan, Jean Paul had included a »Leichenrede auf einen scheerauischen Fürstenmagen.« The censor in Berlin deleted considerable parts from the text, so that Jean Paul took it out of Tiiim, and was immediately able to publish it in the Neujahrs Taschenbuch von Weimar auf das Jahr 1801, a fact he still triumphantly underscores in his Freiheits-Büchlein (870), adding: »Niemand nahm Anstoß am Spaß; folglich war nur Herr v.L. der einzige Anstoß, der zu meiden gewesen.«

5

Heidemarie Bade, Jean Paul's politische Schriften, Tübingen: Niemeyer, 1974, touches on the issues on pp. 38-41 and 127f., the last two bibliographies, Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft V (1970): 185-219, and XIX (1984): 137-205, do not contain any references. Bade lists previous literature.

Jean Paul 's Bailles with the Censors

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arbitrary in his decisions on human lives, as Jean Paul was to learn in 1810 when he tried to help a minor official in Gotha. 6 In 1804, Jean Paul still expected a better attitude from the prince and duke. So he asked Emil August, if he would allow Jean Paul to dedicate the Vorschule der Ästhetik, his treatise on literary theory, to him. The form of the dedication was a little confusing; Jean Paul wanted the dedication to consist of his letter demanding the permission to dedicate the work to the duke. The duke responded favorably, but in kind. Some correspondence was needed to ascertain the bare fact of his permission. When the manuscript with this dedication went to the Philosophische Fakultät of the university of Jena, the professors did not immediately get the point, i.e., that the letter asking for permission to dedicate the work to the duke was the dedication itself. The censor asked for clarification to make sure that the permission of the duke had been obtained. Sachsen-Gotha was after all one of the states overseeing the university, and although less powerful than Sachsen-Weimar, it had good reason to avoid trouble; the Jena professors were aware of these diplomatic subtleties. But when Jean Paul presented the documentation including the duke's letters (no models of clarity, to be sure), the censor(s) still decided against permission to print the dedication. While being afraid to offend anybody, especially a duke from the neighboring sovereign state, they in fact offended Jean Paul who did what he had already threatened: he used the power of his pen by publishing the documentation in a separate book, followed by an »Abhandlung von der Preßfreiheit.« After Friedrich Perthes in Hamburg declined, Jean Paul offered it to Cotta who published it in 1805, apparently without any interference from censors. 7 Jean Paul had lived in Thuringia himself, first in Meiningen, then in Coburg, but in 1804 he moved to Bayreuth, lucky enough not to have chosen Gotha. Bayreuth had been Prussian for a while, but would soon become part of Bavaria, yet a remote part, without the presence of princes and rulers. Although the small duchies of Thuringia prided themselves on their liberal attitudes, and Carl August of Sachsen-Gotha was indeed a very open-minded person, the timidity of the professors in Jena still reflects the basic fear of offending anybody inherent in such a system. There are numerous incidents suggesting that even in Gotha the sense of humor was very limited when

6

Cf. Jean Paul's letter to the duke, 10 June 1810, 3. Abt., 6:108f. The duke in his reply sent the letter back saying, he was not quite sure it was genuine, since students in Göttingen wrote fake letters to celebrities; the duke also complained about passages in Jean Paul's Levana and Dämmerungen für Deutschland, especially where Jean Paul had said that too much poetic imagination was dangerous for a ruler and a statesman. This rejection ended their correspondence.

7

It took a major diplomatic effort on Jean Paul's part, first, to make the duke agree to the project, and then, second, to delete sentences from the duke's letters to Jean Paul that were to be published which, in Jean Paul'sjudgment, could cause some scandal, cf. Jean Paul's letters from 22 September 1804 (5:4) 18 October 1804 (5:70; 13 November 1804 (5:11); 13 December 1804 (5:15-17); 14 March 1805 (5:30), 13 May 1805 (5:43), plus the commentaries. One of the sentences Jean Paul wanted deleted was a snide remark about the Jena professors and their dean, Voigt.

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certain persons or institutions were made the object of a joke, let alone serious criticism. Thus in 1805, Cotta published Jean Paul's Freiheits-Büchlein, with one of his customary long subtitles, »Oder dessen verbotene Zueignung an den regierenden Herzog August von Sachsen-Gotha, dessen Briefwechsel mit ihm, und die Abhandlung über die Preßfreiheit.« Accordingly, the book consists of three parts: the dedication, the correspondence between the duke and Jean Paul plus the verdict of the professors, and then, as part 3 a »Dissertatiuncula Pro Loco.« Since he was dealing with academics, he was writing his essay on freedom of the press, meaning freedom of publishing in general, in the form of a mock-dissertation, underscoring the logical and scholarly nature of his arguments, and making fun of the seriousness of the professors in this matter. He divided his mock-dissertation into thirteen sections (»Abschnitte«) leading up to the concluding definition of a censor which is a good piece of satirical power: Censorship is ridiculous, because it is impossible. In other words: Jean Paul fights back, and the style as well as the arguments of this mock-dissertation have considerable bite. Without ever becoming personal, Jean Paul reduces the academic censors to laughable relics from a dark age. It is worth following his line of arguments more in detail. The author begins by stating: the number of censors is not too large, on the contrary. It should be increased to about 300,000, which was then the current estimate of how many readers there were in Germany. So in order to give the 300,000 censors a chance to censor the books, at least 3,000 copies of them needed to be printed and sent out. 3,000 copies was then a typical first edition of a novel, other texts had first editions of 1,500 or 2,000 copies. Since scholarship has paid little attention to the Freiheits-Büchlein,8 we need to enter into some of the finer points and ironies. Jean Paul's pseudo-scholarly approach distinguishes »Denk-, Schreib-, Druck- und Lesefreiheit« (831). 9 Jean Paul, living in a happier age, thinks that »Denk-Freiheit« and »Schreib-Freiheit« are granted anyway, except in some prisons. You can think and write down whatever you please, but the question is, will your thoughts be printed, and will readers be allowed to read them? Jean Paul advances a powerful argument. By preventing the real existence of a book, a censor makes a judgement not for the day and for contemporary society, but possibly for all future times. A book, Jean Paul maintains, belongs to humanity and to all times, not to its accidental place and moment of birth. It should have the chance to have an impact on time, not just the present moment: »Ein Buch gehört der Menschheit an

8

Heidemarie Bade, Jean Paul's politische Schriften, Tübingen: Niemeyer, 1974, touches on the issues on pp. 38-41 and 127f., the last two bibliographies, Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft V (1970): 185-219, and XIX (1984): 137-205, do not contain any references. Bade lists previous literature.

® The page numbers refer to the edition Jean Paul Sämtliche Werke, München: Carl Hanser, Abteilung II, vol. 2 (1976): 809-876. Previous edition in vol. 12, Sämtliche Werke, historisch-kritische Ausgabe, with a very informative introduction by Eduard Berend.

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und der ganzen Zeit, nicht einem zufälligen Geburtsort und Geburtsjahr; es wird wie die moralische Handlung zwar in der Zeit, aber nicht für sie, sondern für die Ewigkeit geboren« (832). A book is a moral deed meant for eternity, and it cannot be judged and condemned from a very limited perspective. Herder liked the image of seeds that would grow in time, but Jean Paul concludes his section with the metaphor of the light beam: »Folglich gehe der zeitliche Mensch fromm zu jedem Lichtstrahl, der hie und da aus der hohlen Wolkendecke auf seine Erde und Erdenstelle fahrt, und spanne unter dem Gewölke nicht vollends den Sonnenschirm der Zensur auf« (834). Truth is not readily accessible for us humans, we may get a glimpse of it, like a sun ray reaching us between cloud covers, and we should not make it impossible to receive such occasional beams of light. There are only three subjects for censorship, Jean Paul states, continuing his definitions and classifications, Wissenschaft, also called philosophy, Kunst, i.e., the creative arts and literature, and Geschichte, history, meaning accounts of actual facts. Censorship may be directed against the subject matter, but also against style, i.e., the manner of treating particular subjects (834). Philosophie deals with either Moral, Regierungsform, or Landes-Religion (834). Generally speaking, there is either only one truth, and the censor himself should hand it out (how prophetic Jean Paul was, seen from our vantage point at the end of the twentieth century!), or else truth will be arrived at in a free discourse of philosophers. But should the truth be communicated to the common people, das Volk? Das Volk, counters Jean Paul, does not read treatises, but gets the truth from Sunday sermons, so it would be crucial to know what the preachers preach (and what the teachers teach). This leads Jean Paul into an impassioned plea for Lern- and Lehrfreiheit at the universities, which would become the crucial point of the upcoming university reform. Freedom and censorship are both indivisible, this is the unspoken and very subversive premise of Jean Paul's arguments. Censorship has to be absolute and static; if one censor is contradicted by another, the institution crumbles. On the other side of the coin, freedom knows no limits. A specific doctrine can only be limited by another, competing one, not by artificial limits set up to restrain its influence. In any event: would der Staat not be better off if young men developed their Bildungstrieb (841) which Jean Paul was about to define and describe in his book on education, Levana, 1806 - instead of stifling their minds even before they got bogged down in the routine of bureaucracy? Jean Paul sees no reason to limit discussion in matters of the state, of Regierungsform. He is at this point not talking about criticism of specific political measures, but about a debate on constitutional affairs in general. Jean Paul's main point is that the more debate on such matters, the better for the state, and that revolutions arise exactly from the absence of such debate, not from subversive ideas generated by it (the French Revolution included). Jean Paul cannot do without some subversive thoughts: who says, he argues, that books have any impact at all? And the more books are published, the less they are taken seriously. Wouldn't it be great if books had such impact, so

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that beneficial books could really change humanity and the course of history? If that is not the case, why expect such power from harmful books? And which books are harmful anyway? In his Ideen, Herder had argued that war was the primary reason· for tyranny and for the separation of social classes. Most monarchies, founded on the conquest of other territories, could maintain themselves only as military powers. Jean Paul continues along this line and declares that war is the real reason for censorship. And, with a direct allusion to Napoleon's recent coronation and continued warfare, he says: »Sie kommt mit dem Kriege. Der Krieg ist, wie man an Frankreich sieht, der Kaiser-Schnitt der Menschheit; er entbindet gewaltsam die Geister; folglich mag in ihm eine fliehende Diktatur - da er selber die schlimmste ist - gebieten, auch den Büchern« (847). Entbinden may mean both »give birth« and »loosen.« Thus the violence of war may arouse violence of minds that would need control. Censorship, however, could possibly be justified for a time, »die selbst zu verbieten wäre« (848), as Jean Paul was going to argue a few years later in the section Kriegserklärung gegen den Krieg in his Dämmerungen fir Deutschland (1809). At this point, the reader should know what to expect. Jean Paul reiterates that in any event, neither the top, i.e., the rulers and aristocracy, nor the bottom of the social ladder, das Volk, are reading anyway, only the Mittelstand. While it is dangerous to give sudden liberties to a people used to regulation and censorship - a gradual easing of restrictions would be preferable - there can be no danger in the free flow of words as such. This is also true for the religious sphere. Jean Paul, like Herder, draws a fundamental difference between religion as such and views about religion, i.e., dogmatic opinions of the churches. There is only one human religion (848), but many opinions about religious matters; and no amount of writings has ever truly influenced the true believers. In any event, the state should stay out of this sphere and not allow specific churches to usurp state authority. It is in keeping with the style of the mock-dissertation that Jean Paul touches on aspects not normally discussed in this connection. He argues against any restrictions in the area of manner or style. Why should quiet scientific debate on a certain subject be allowed, and not polemical or satirical texts? He also uses strong words in condemning any restrictions against the communication of art, especially restrictions on the basis of declaring works of art as »unsittlich« (852). No true art can be immoral, Jean Paul declares, however shocking its style or content may be. This is a bold statement by an author who thought that Goethe's Roman Elegies bordered on pornography. Jean Paul is very much aware that not everything pretending to be artistic is true art, and that there are restrictions imposed by the customs and taste of society; but he pleads to err on the side of tolerance, on the principle that true art cannot be immoral and should be above restrictions.' When he reaches the section Geschichte, which paradoxically means here »current events,« that which is printed in newspapers, he can justifiably say: »Jetzt kommen wir erst ins innere Reich und Afrika der Zensur« (854). »Inner Africa,« then a truly

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unknown continent, was synonymous with an unknown realm, the mysterious center of things. Here was indeed the real problem. Ever since the 1770s when journalists were trying to publish more information about current affairs in German states, the complaints were heard that it was impossible to get any hard news. In his Deutsche Chronik, Schubart kept repeating how much easier it was to have news about other countries, and that journals were not even allowed to praise their own country. Jean Paul, however, argues that, unlike Venice, German states have come to allow at least such praise. Especially in the next section, »Zensur der Hof-Zensuren« (857ff.), Jean Paul becomes really eloquent in proving the absurdity of trying to keep public affairs a secret. While he does not want debate on the person of the ruler, he definitely wants »dessen Finanz-, Kriegs- und Regierungs-Operationen« (857) discussed and analyzed. Why should we be allowed to talk freely about the United States of America, but not about neighboring monarchies? Since German writers and journalists worked under such severe restrictions, and this may indeed apply to Jean Paul himself as well, they either are too timid and flattering in their descriptions of matters of state, history, and local affairs, or too biting and personal. One needs the habit of liberty to talk freely in an honest and dignified way. The thirteenth and last section, »Definition eines Zensors« (868-875), begins with the argument along the customary schema of quis, quid, ubi, cur, quomodo, etc. that a person who would be able to fulfill the true requirements of the office of a censor is impossible to find. Censorship is not feasible for the lack of suitable persons. There is one kind of censorship that Jean Paul advocates, however, and that is »Selber-Zensieren« (872). 10 Jean Paul does not mean self-censorship in the more restrictive and negative meaning, as it is mostly used today, but simply a self-critical attitude and careful attention to one's texts. Jean Paul always insisted on his professionalism, and made sure that everything he wrote, including personal letters, was carefully crafted and thought out. Thus his demand is none other than to replace censorship with public reviewing and criticism, which would force writers to be even more careful in crafting their texts. This vision of the free interchange of ideas through books and periodicals without any intervention by the state or church is a logical consequence of the principles of Aufklärung, but it goes beyond what most German Auflclärer demanded, since it also included das Volk. Freedom of ideas is indivisible; no partial Aufklärung, no partial censorship is possible. Limits are only established by the fact that most people don't read, and therefore deprive themselves of an access to different and new views on religion, nature, or society. The form of Jean Paul's dissertatiuncula is crucial: he

Jean Paul also speaks of »Selber-Rezensieren.« On the meaning of »selber« or »selbst,« cf. my article »Zusammensetzungen mit' selbst' bei Jean Paul,« Jahrbuch der Jean-Paul-Gesellschaft 8 (1973): 100-121. Jean Paul speaks of careful workmanship and critique of one's own texts, not of censoring one's own thoughts.

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stresses that he is dealing with a general truth, with the principle, not with political considerations of how much this is feasible in the real world. But it is obvious that he has real hopes that censorship, obsolete as it is, will soon be a thing of the past. It is more than a mere compliment when he addresses the rulers of his day and says: »Ihr Fürsten, setzet in diesem Jahrhundert fort, was ihr so schön im Nachsommer des vorigen angefangen, nämlich die große Freilassung der freigebornen Gedanken! Ihr selber gewannt schon geistig durch Geister« (872f.). For Jean Paul in 1805, after the great achievements of the eighteenth century and with many hopeful signs for the nineteenth, the vision of freedom of opinion, speech, and printing was real. Some more good will from enlightened rulers, and it could be done. Jean Paul was disabused from this illusion as soon as, in the wake of the Prussian defeat at the hands of the French (1806-1807), a very partisan war of words began which brought a determined response that shifted the censorship from well-meaning, if sometimes biased and timid, professors to police and similar government officials intent upon stamping out unwelcome ideas of any sort. Censorship was now designed to ferret out and destroy any »revolutionary« or »subversive« ideas, not just to protect the sacred persons of rulers, the sacred authorities, or to maintain decorum. Censorship now examined the minds of people and stamped out everything that might possibly promote political opposition. Censorship now became political in the modern sense. Jean Paul saw this coming. Although he felt very uneasy and out of place in this new nationalistic and very partisan environment, he continued to speak out for reason, dignity, and freedom - to no avail, of course. In his short Friedens-Predigt an Deutschland, Jean Paul inserted this statement as part of the section on »Politische Freiheit«: »Zur politischen Freiheit gehört die Preß-Freiheit. Auch hier wird der Krieg, der sich mit Preß-, Zeitungs-, Brief- und Postzwang verteidigen muß, diese Not-Maßregeln ebensowenig in den Frieden hinüberziehen als seine übrigen Lasten« (5:892)." If it is dangerous to talk loudly under an avalanche, because the sound might set the snow in motion, is it necessarily dangerous to speak freely elsewhere? If reports on the general malaise of the state are outlawed, maybe the only report will be of its sudden death. In other words: if censorship is justified during wartime, there is no reason for it in peace time. The thrust of Jean Paul's entire Friedenspredigt is that it does not really matter who the new rulers are, whom Napoleon established in Germany, as long as they grant freedom and govern right, and allow for the moral reconstruction that Jean Paul, along with the majority of concerned intellectuals, found necessary. The Germans had suffered from moral as well as political decay; they don't need a national state to remain »Germans« and to reform their lifestyle, especially that of the upper classes.

Citations are from the Friedenspredigt and Dämmerungen, Werke (Erste Abteilung) vol. 5 (München: Carl Hanser, 1963). On Jean Paul's general uneasiness in this situation, cf. my forthcoming article »Gentle Ideas and Brutal Facts. Jean Paul's Dilemma after 1807,« Crisis anil Culture in Post-Enlightenment Germany, Festschrift for Peter Heller, edited by Hans Schulte and David Richards.

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As a reminder, Jean Paul repeats his previous argument: censorship is useless, unless you make it total which he, however, still considers impossible: »Übrigens ist jetzt zu viel politisches Licht vorhanden, als daß ein Fürst nicht lieber das ganze zuließe, und er hat in Rücksicht des Vorteils nur die Wahl zwischen gänzlicher (obwohl unmöglicher) Sultans- und Mönchsverfinsterung, oder zwischen Friedrichs des Zweiten Aufhellungs-Freiheit« (5:892) A mere »Mittel-Licht« would be worse than the extremes and equally impossible. In his day-to-day dealings with publishers, especially with Cotta, Jean Paul could see that censorship was now entering deeper and deeper into the writing process. He still maintained his position that he would rather retract entire texts before allowing passages to be cut from them, but sometimes financial considerations interfered with those noble principles, especially during the hard economic times after 1807. When an entire piece for the Morgenblatt was rejected for the first time, Jean Paul took it in stride and wrote to Cotta on 6 April 1807 about his »Beichte des Teufels bei einem Staatsmann«: »Dem Zensor der Teufels Beichte nehm' ichs gar nicht übel, daß er diesen vom Beichtstuhl abgewiesen. In meinen >vermischten WerkchenDie HoseVerbrennt michdecadent< authors,« and a brochure, available free to visitors, reminded readers that »Fascists utilized the complete arsenal of censorship - exile, imprisonment, and murder - as well as the banning and burning of books.« The Library of Congress, through the exhibit mounted by the historian Stephen Goodell and myself, placed itself in the direct line of succession of its gallant predecessors. Also, there remains, despite all the news of horrors far more detestable, a continuous preoccupation with the book burning by Jewish-Americans. In the past, Jewish newspapers would carry commemorative articles such as the following in the

38 39

40

See Saturday Review,

1943.

F. Goldstein, 1933a; see also Goldstein, 1933b. For the exhibition catalog, see Zeisel, 1984.

Nazi Book

Burning

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Jewish Advocate in which the exile scholar Harry Zohn took stock twenty-five years after the event: »The literary bonfires of the Nazis [...] immeasurably enriched the intellectual life of the countries of the Free World where Germany's step-children had found a haven« (Zohn, 1958). Today the Holocaust Memorial Center in West Bloomfield, Michigan, the first fully operational Center in the United States, displays a scene from the book burning, in miniature, in one of its showcases. And especially now in 1993, fifty-five odd years after the night of the synagogue burning, Jewish spiritual leaders often link the burning of books and of the houses of worship. There is likely an added reason for doing so. The Jewish people suffered book burning twice, once when the books of their co-religionists were thrown on the pyres in 1933 and again, when the book, the Holy Torah, went up in flames with the edifices that housed them. That linkage is reflected in the words of Rabbi Israel Herbert Levinthal in 1934. Upon the opening of the Library of Burnt Books in Brooklyn at the Jewish Center, an occasion at which Albert Einstein also spoke, the rabbi said: W e are privileged in that we are inaugurating in this building tonight a library of all those books that were burned and that now are banned in Germany. I am reminded of a beautiful thought imparted by our ancient Rabbis. When God gave the Torah at Sinai - at the very moment, there came down f r o m the heavens Sefer Vesayof - >a book and a sword< - bound one against the other, - as if wrestling to see which would be victorious! And a Heavenly Voice was heard to say: »Choose one or the other! If you choose the book, life will be yours; sword, death must be yours!« This simple legend tells in clearest fashion the struggle of civilization. It was the Book versus the Sword; it was Mind versus Brutal Force. It is not an accident - it could not be o t h e r w i s e - t h a t the first act committed by the Nazis after they came to power was to b u m books. It was the old struggle again - the Sayof, the Sword against the Sefer, the Book. 4 1

These words also echo those of Rabbi Meir of Rothenburg 700 years earlier, written after 24 carloads of Talmud scrolls were burnt in Paris: Ask: Thou art consumed in fire, how fare they that mourn for thee... Thou who are dismayed and grieved at the burning of thy parchment scrolls....

This elegy, repeated annually at the Jewish holiday of Tisha B'Av, gives yet another reason why Jews, the people of the Book, and of books, and often of burnt books, have developed a great sensitivity and long memories about the violation of books. A final hypothesis may be distilled from the above-quoted works by American fiction writers. Bradbury, Saroyan and others compare, even equate, the burning of books with the burning of human beings. Their metaphors and metonyms suggest that the human race may have converted books or the essence of books anthropomorphically into human beings. The veneration historically accorded books, customs such as putting a book beneath a sleeper's pillow to assure transfer of knowledge, animistic

41

Quoted in »Library of Burned Books Inaugurated Here,« 16 Dec. 1934: 139.

Guy Stent

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tales such as Jonathan Swift's The Battle of the Books: all these argue for the prevalence of a deep-seated mythic view that books are living beings. That atavistic belief was succinctly expressed by Milton: »Books are not absolutely dead things, but do contain a potency of life in them to be as active as that soul was whose progeny they are [....]« The horror of decent people at their burning may stem from that shared belief - as may the delight that Yahoos seem to take in their destruction. Ever since the Nazi book burning decent people in the aggregate - politicians, journalists, librarians, Jewish Americans among them - have to this day focussed on the event, often as a historical analogue to past and present-day events. One of the most dramatic, if not widely heralded confrontations, took place in 1945 and 1946; its course is traceable through the dusty archives of the American Library Association at the University of Illinois. During those early post-war years General McCloy had ordered the confiscation of Nazi literature, both fiction and non-fiction, and its burning by the Military Police. Many U.S. newspapers carried the event; newsreels, some of them now in the National Archives, recorded it. Soon a controversy arose, after the American Library Association had protested about this action to General McCloy, as a parallel to the Nazi book burning. McCloy, supported by various editorial writers, justified it. Writings, their argument ran, that had helped to unleash so much suffering and killing, must be purged. The counter-argument was best stated by a letter of Senator Owen Brewster of Maine, then a member of the Special Committee on the National Defense Program. On June 20, 1946, he wrote to the Head Librarian of the Bangor Public Library: I entirely agree with you as to the policy of burning books. Milton said about all there was to say on the subject several hundred years ago. My own ancestor Elder William Brewster came to Plymouth to escape being hung in England for publishing a book in Holland on his ideas of the proper way to worship God. This may disqualify me as an impartial judge of the situation and explains my prejudice against burning books as well as hanging publishers. Cordially yours, Owen Brewster U.S. Senator

The controversy points to an abiding dilemma. It is relatively easy to condemn the occasional erratic book burnings of German books in the U.S., for example in North Dakota during World War I. But the issues during World War II became much more complex, because of the perniciousness of Nazi writings. Ultimately, though, one must endorse, unequivocally, the freedom of publishing, at least in my belief. The Nazi book burning continues to be invoked. When, for example, censorship threatened the bookstores and libraries of a small city in southern California, both the Los Angeles Times and the local newspaper, through editorials and letters to the editor, drew analogies to the Nazi book burning as a warning. Columns or news stories in the Detroit Free Press and the St. Louis Post-Dispatch and an interview on station

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emwm ov books m WA&TtMff William Sharp's cartoon was circulated by the Book-of-the-Month Club at the 10th anniversary of the Nazi book burnings. (Princeton Library)

1

I

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Guy Stern

KMOX in St. Louis followed my own addresses on the subject. Finally, critical studies of American journalism and censorship, such as John Hohenberg's Free Press, Free People: The Best Cause, routinely include references or parallels to the acts of thought suppression in Nazi Germany. And when Salmon Rushdie's Satanic Verses were burnt in Pakistan, all of the above-named groups invoked the Nazi book burning. An additional and challenging reminder comes from a well-known American illustrator. Preparing the catalogue cover in 1984 for the New York Public Library's Exhibit on Censorship, Paul Warchol pictured a sea of flames lapping at the American Constitution. Will it prove to be fire resistant, he appears to ask. The illustration provides no clue. The answer, Paul Warchol implies, is up to the beholder. Perhaps that is, as a message to the future, the most important American response to the Nazi book burning.

York-Gothart Mix

Vom großen Wir zum eigenen Ich Schriftstellerisches Selbstverständnis, Kulturpolitik und Zensur im »real-existierenden Sozialismus« der DDR 1

Mauern schützen zwar, versperren aber die Sicht. (Günter de Bruyn)

I.

»Unser höchstes Freiheitsgefühl besteht in der Parteidisziplin«

1953, vier Jahre nachdem Hanns Eisler im Bund mit Johannes R. Becher die Nationalhymne der DDR (»Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt [...]«) geschaffen hatte, scheiterte er mit dem Projekt einer »Faust-Oper« 2 an den Maximen einer Kulturpolitik, die von gläubigen Ideologen zur unanfechtbaren Norm erhoben worden war. Eislers Libretto, das 1952 im Aufbau-Verlag erschien, und dem Ernst Fischer »bescheinigte, >die deutsche Nationaloper< werden zu können«, 3 provozierte unmittelbar nach seiner Publikation den Widerspruch der prominentesten Apologeten des dominierenden stalinistischen Neoklasszismus. Hans Richter, Alexander Abusch, Wilhelm Girnus, Heinz Kamnitzer und Becher sorgten mit ihrem entschiedenen, ideologisch motivierten Einspruch für die Ablehnung dieses Werkes. Angesichts solcher Erfahrungen schrieb Eisler am 30.10.1953 an das ZK der SED: Genossen, viele meiner Werke liegen in der Schreibtischlade, darunter mehr als fünfhundert Lieder, Kantaten, Orchester- und Kammermusiken. Ich fühlte, daß keinerlei Bereitschaft bestand, diese Werke, die in einem immerhin kampferfullten Leben von drei Jahrzehnten entstanden sind, zu akzeptieren, die Werke von mir aufführten oder rezensierten, wurden als Vertreter einer überholten Kunstrichtung behandelt. Ihr müßt verstehen, Genossen, daß das Gesamtwerk eines Künstlers mannigfaltig ist und daß jeder Musiker neben Werken, die sofort verstanden werden, auch komplizierte produzieren muß, um die Kunst vorwärts zu bringen. Wahrscheinlich gehört es zum Wesen des künstlerischen Menschen, mit großer Empfindlichkeit auf äußere Umstände zu reagieren.

1

Der Anmerkungsapparat wurden den Vorstellungen der Herausgeber gemäß eingerichtet und erheblich gekürzt. Weiterführende Quellen- und Literaturhinweise sind einem Forschungsbericht zum gleichen Thema zu entnehmen, den der Verfasser demnächst im Internationalen Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur veröffentlichen wird.

2

Wichner & Wiesner, 1991: 49.

3

Wichner & Wiesner, 1991:49-50.

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York-Goihart Mix

Ihr werdet es für Schwäche halten, aber ich brauche eine Atmosphäre des Wohlwollens, des Vertrauens und der freundlichen Kritik, um künstlerisch arbeitsfähig zu werden. Selbstverständlich ist Kritik notwendig, um die Kunst an den gesellschaftlichen Forderungen zu prüfen - aber nicht Kritik, die jeden Enthusiasmus bricht, das Ansehen des Künstlers herabsetzt und sein menschliches Bewußtsein untergräbt. Nach der >Faustusneuere richtigere politische Geist< weder von den Höfen mit kenntnisloser Ungläubigkeit noch von den >tiefsten Ständen voll Druck und Nacht< zu erwarten, sondern vom Mittelstande (Jean Paul, 1975: 1082).

Werner von der Ohe

198

Hier werden Sichtweisen von Zensur deutlich, die eine Generation vor 1848 den Ort von Legitimationsleistungen beim Bürgertum lokalisieren, jedenfalls solange wie bei den tiefsten Ständen noch Druck und Nacht herrschen. So ist auch die nicht nur satirische Bemerkung zu interpretieren, die gegenwärtige Zahl der Zensoren müsse stark vermehrt werden: alle Leser sollten Zensoren sein. Würde an diesen Band die Hoffnung auf eine lückenlose Behandlung der Zensurfrage im 19. Jahrhundert gestellt, dann muß die Zäsur enttäuschen, die nach Wulf Koepke's Beitrag entsteht. Die Auseinandersetzungen zwischen den Zensurbehörden und beispielsweise Heinrich Heine, Karl Marx, Karl Gutzkow und Gerhart Hauptmann sind von der Forschung seit H.H. Houben (1925) ausreichend dargestellt worden. Gleichwohl sollte erwähnt werden, daß die Frage der Legitimierbarkeit von Macht durch die beiden bisher analysierten Gegenspieler des Staates, das aus >Druck und Nacht< allmählich heraustretende Volk und das sich ebenfalls bewußt werdende (bürgerliche) Ich, für die Zensurinstanzen immer prekärer wurde. War die Zensur zu Beginn des Jahrhunderts eine Minderheiten ausgrenzende Institution, so wuchs sie sich während dieses Jahrhunderts zu einer Mehrheiten disziplinierenden Einrichtung aus. Vollends wurde die Politeia-Hoffnung zunichte gemacht, durch präventive oder reaktive Zensur »das Bestehende« zu konservieren. Daß Bildung keineswegs nur >Beruhigungsmittel< sein mußte, zeigt Robin Lenman in seinem Beitrag. Bei Gesamtauflagenstärken von etwa 700 000 hatte die reprographische Industrie gegen Jahrhundertende allein bei den illustrierten Periodika ein Lesepublikum, welches in Wort und Bild meinungsbildend wirkte. Der Unterschied von Druck und Aufführung, Bild und bewegten Bildern (Film) für die Zensur verweist auf die von den Verantwortlichen wohl befürchtete Störung des >LandfriedensbegangenNestbeschmutzungen< jeder, auch politischer Art. Insofern vereint sein Fall so gut wie alle Zensurpraktiken, die Robin Lenman analysiert. Für die Erörterung des Zusammenhangs zwischen zu legitimierender Macht und Zensur ergibt sich der Befund grundsätzlicher Grenzen von Legitimität. Als anarchischer Schriftsteller will Panizza niemanden und nichts legitimieren. Alle Normsetzungs- und Normsanktionierungsinstanzen werden in ihrer Daseinsberechtigung geleugnet - so treten dem Autor Macht und Zensur als grundsätzliche Gewalt gegenüber. Gary D. Stark untersucht Zensur als Mittel und als Zweck der Außenpolitik des Kaiserreichs. Im Kontext eines Rechtsrahmens, in dem Staaten sich (noch) als Quelle allen Rechts bestimmen wollten, hatten die Konferenzen von Berlin (1885) und Den Haag (1899, 1907) ersten Versuche zur Etablierung von Völkerrecht (sie!) gegolten. Zensur als Mittel der Außenpolitik meint hier die Unterbindung oder Gängelung von Aufführungen im Theater oder Zirkus, die den Interessen des Reichs schaden könnten. Dies konnte auf Eigenitiative oder als Reaktion auf Interventionen seitens des Diplomatischen Korps geschehen. Zensur als Zweck der Außenpolitik bezeichnet eine nicht immer beabsichtigte, aber wohl begrüßte Wirkung von Zensurpraxis: der Staat reklamiert unter Verweis auf nationale Sicherheitsinteressen eine eigene Legitimationsquelle und rechtfertigt so die Einschränkung von Unterhaltungs- und Kunstproduktionen und die Ausübung von Pressefreiheit durch die Medien. Nicht ohne eigene Schadenfreude beobachtet Gary D. Stark schließlich, wie sich die Regierung eines Staates durch die Übernahme der Zensorrolle in ein kaum entwirrbares Dilemma verstrickt: Zensur als Handlung und Zensur als Unterlassung. Jede nicht zensierte, von irgendeinem ausländischen Staat aber als herabwürdigend eingestufte Aufführung oder Publikation nimmt nämlich den Charakter einer durch Zensurunterlassung von der Regierung gebilligten Äußerung an. Jedenfalls gewinnen das Ausland und dessen Repräsentanten eine eigene, innenpolitisch bedeutsame Rolle. Nicht länger ist es bloß Refugium für Verbannte oder >Verschwundene< (Panizza). Siegbert Klee's Beitrag erweitert den Zensurbegriff auf andere Weise. Bereits in Jean Paul hatten wir einen Zensurspieler kennengelernt. Carl Sternheim spielt mit unterschiedlicher Virtuosität auf dem Instrument, welches Zensur und die zunehmend Zensur ersetzende Kritik auf der Tastatur hat. Wer der These einer immer weiteren Verselbständigung von Staat und Gesellschaft, von Staat und (Kultur-) Markt beipflichtet, wird daran erinnert, wie die Kritik als Marktregulator den Zensurinstanzen Gründe für deren Wirken liefern kann. Andererseits ist auch opportunistische Satire kennzeichnend für Sternheim, der wie Paul Schippel satisfaktionsfähig werden und bleiben möchte. Insofern verdient Klee's Verweis auf Sternheim's Biographie Beachtung, weil die Schwebe zwischen Bürgersatiriker und Satyr des Bürgertums gewollt ist, also der Autor nicht den Satyr bloß darstellt, sondern sich dies auch leisten will. Kontrovers wird wohl der Befund Klee's aufgenommen werden, man könne von einem unverhüllten Übergang von der moralischen zur politischen Zensur sprechen, so als ob Politik und Moral selbst analytisch einfach zu unterscheidende Begriffe

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Werner von der Ohe

wären. Auch bei Carl Sternheim lohnte sich die Frage, welche Teilbereiche der Moralzensur zugunsten anderer Teilbereiche im Modernisierungsprozeß aufgegeben worden sind, und wer dabei jeweils Hauptakteur war. Dieser Frage geht Klaus Petersen auf dreierlei Weise nach. Zum einen richtet sich sein Augenmerk auf vorstaatliche politische Zensurbemühungen in der Zeit nach der russischen Oktoberrevolution und nach dem Ersten Weltkrieg. Erstmals hatte man nach Einführung des allgemeinen Wahlrechts auch für Frauen eine Volksherrschaft als »gesatzte Ordnung« etablieren können. Daß man dazu oft buchstäblich >außer Stande< war, trug zur verworrenen Legitimationssuche bei. Hier ortet Petersen die vorstaatlichen Strömungen bei Kirchen, Parteien, Reichswehr und Vereinigungen zum Schutz der öffentlichen Moral. Zensur wird hier vom Staat nicht ausgeübt, sondern der Staat duldet oder befördert ein Lizensierungsverfahren, in dessen Einlösung durch >richtige< Gremienbesetzung Zensur stattfindet. Zum anderen beschreibt Petersen den Entfaltungsprozeß der Unterhaltungsindustrie. Hier taucht die >Kampfform der Konkurrenz< (Georg Simmel) auf, bei der nicht auszuschließen ist, daß sich Öffentliche Moral und die »Reinheit deutscher Kultur< neben >normalem< Chauvinismus als Marktbedrohungs- und Marktsicherungsstrategien dechiffrieren lassen. Zensur kann hier als nicht-monetäre Subventionierung der eigenen - schütteren - Unterhaltungsleistungen gewertet werden. Eine dritte Weise, Moral, Politik und Zensur in ihrem Verhältnis zueinander in der Weimarer Republik auszuleuchten, wird mit dem zeitgenössischen Begriff des Kulturbolschewismus bezeichnet. Hier erscheint erneut Zensur als Gesundheitspolizei, die den Volkskörper vor fremden Eindringlingen zu schützen habe. Insofern sei Kulturbolschewismus als gefährliche Steigerungsform von Bolschewismus zu werten, weil dieser >unter die Haut< in Kopf und Herz vorzudringen imstande sei. Die Agitation des Bühnenvolksbundes belegt diese Infiltrationssorge. Auch zeigt sie, daß der Nationalsozialismus keineswegs antisemitische und anti-entartete Kulturkampfformen initiieren mußte. Diese sozio-kulturelle Infrastruktur war bereits bestens aufgebaut während der Weimarer Republik. Film- und Theateraufführungen konnten durch Lizensierung und andere Maßnahmen zensiert werden. Aber noch gab es Verleger und Importeure von Büchern, die vermeintlich zersetzend am Volkskörper ihre schädliche Wirkung entfalten konnten. Guy Stern geht auf die Bücherverbrennungen während des Nationalsozialismus ein und beschreibt die Reaktionen der amerikanischen Öffentlichkeit. Trotz der bereits erwähnten weitreichenden > Vorbereitungen für die Bücherverbrennungen während der Weimarer Republik ist der entscheidende Unterschied nach dem 30.1.1933 darin zu sehen, daß durch alle Schmähreden und atavistische Verbrennungen hindurch nunmehr ein perverses charisma veritatis hervortritt. Die Bücher- und Bilderverbrenner gebärden sich, als ob ihnen dazu ein >Amt< verliehen worden wäre, wobei die Verleihung konstitutiv für ihr Charisma wird (vgl. dazu Schmitt, 1917: 103). Sie setzen und vollstrecken >Rechtopferespannungsreiche Verhältnis von Macht und G e i s t s dem nachzuspüren Anliegen dieses Bandes ist, auf katastrophale und eben auch menschenmögliche Weise auf. Auch für die Analyse der Zensur gilt Kurt Schumachers Satz: »Demokratie ist eine Sache des guten Gedächtnisses«. Auf die amerikanische und die Weltöffentlichkeit bezogen verweist Guy Stern schließlich auf Salmon Rushdie's »Satanische Verse« als mahnende Herausforderung. Mit York-Gothart M i x ' s Beitrag endet dieser Band. Die Herausgeber haben ausführlich darüber diskutiert, ob der thematische Rahmen diesen Beitrag noch einschließt. Die rechtfertigenden Gründe überwogen, weil es Mix gelingt, durch erstmals zugängliche Archivmaterialien Anregungen für eine erst noch zu schreibende Zensurgeschichte der D D R zu geben. Darüber hinaus geht er auf funktionale Äquivalente von institutionalisierter Zensur wie etwa die Parteidisziplin ein, die für die Zensurgeschichtsschreibung insgesamt fruchtbar sein sollte. Wenn, so war j a Piatons Politela zu entnehmen, ein >gutes Gemeinwesen< einmal erfolgreich eingerichtet ist, dann erübrigt sich Zensur, dann unterziehen sich Autoren auch bereitwillig der Rezensurierung, dann kann - gleichsam am Vorabend einer solchen erfolgreichen Einrichtung - eine bevormundende Zensur als Selbstzensur dargeboten werden, die der Heimkehr des verlorenen Sohnes ähnelt. Diesen noch euphorisch oder naiv anmutenden Zensurerscheinungen schlossen sich dann freilich Maßnahmen an, die von der Verweigerung der Druckgenehmigung durch Verweis auf Papiermangel bis hin zur Zwangsexilierung reichten. Daß trotz dieses Zensuralltags dann dennoch eher eine pragmatische Willkür als ideologische Eindeutigkeit geherrscht haben soll, kann freilich kaum beruhigen. Ob Hephaistos kommt?

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Sofern Autorinnen und Autoren dieses Bandes Archivmaterial herangezogen haben, ist die Bezeichnung des Archivs und die Stellnummer jeweils in Fußnoten angegeben. Folgende Archive wurden konsultiert: Berlin: Landesarchiv Bremen: Staatsarchiv Darmstadt: Staatsarchiv Hamburg: Staatsarchiv Karlsruhe: Generallandesarchiv Ludwigsburg: Staatsarchiv Merseburg: Zentrales Staatsarchiv München: Bayerisches Hauptstaatsarchiv New York: Archive of Leo Baeck Institute Potsdam: Bundesarchiv, Abteilung Potsdam (früher: Zentrales Staatsarchiv Potsdam) Stuttgart: Hauptstaatsarchiv

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Die Autorinnen

Prof. Dr. Barbara Becker-Cantarino, Department of German, The Ohio State University, Columbus OH 43210, USA Dr. habil. Ute Daniel, FB 1: Sozialwissenschaften-Philosophie-Theologie-neuere u. neueste Geschichte, Gesamthochschule/Universität Siegen, D-57074 Siegen Mr. Siegbert Klee, Department of Germanics, University of Pennsylvania, Philadelphia PA 19104-6305, USA Prof. Dr. Wulf Koepke, Department of Modern Languages, Texas A & M University, College Station TX 77843-4238, USA Dr. Mark Lehmstedt, Schliemannstraße 12, D-10437 Berlin Prof. Dr. Robin Lenman, Department of History, University of Warwick, Coventry, CV4 7AL, Great Britain Prof. Dr. John A. McCarthy, Department of Germanic and Slavic Languages, Vanderbilt University, Nashville TN 37235, USA Dr. habil. York-Gothart Mix, Jutastraße 9, D-80636 München Prof. Dr. Werner von der Ohe, DAAD Professor (Sociology), University of Pennsylvania, Philadelphia PA 19104-6305, USA Prof. Dr. Klaus Petersen, Department of Germanic Studies, University of British Columbia, Vancouver BC, Canada V6T 1Z1 Prof. Dr. Wolfram Siemann, Institut für neuere Geschichte, Universität Trier, D-54286 Trier Prof. Dr. Gary Stark, Dean, College of Arts and Letters, The University of Central Arkansas, Conway AR 72035, USA Prof. Dr. Guy Stern, Department of German and Slavic Languages, Wayne State University, Detroit MI 48202, USA

Namenregister

Abraham, Paul 150 Abusch, Alexander 179, 183 Achenbach, Sigrid 117,203 Adams, Larry L. 166, 203 Adler, Hans 64, 203 Agde, Günter 190, 203 Allen, Ann Taylor 112,203 Ambrosius 47 Anderson, Sherwood 164 Anz, Thomas 208 Apitz, Bruno 208 Aretin, Karl Otmar, Frhr. von 203 Arnim, Achim 97 Arnim, Bettina von 97 Arnold, Heinz Ludwig 204 Aufricht, Ernst Joseph 168 Augustinus 47 Babo, Joseph Marius 43 Bade, Heidemarie 102, 203 Badstübner, Rolf 181,203 Baer, von, württ. Zensor 76 Bahr, Ehrhard 218 Baker, Josephine 150 Baldwin, Faith 164 Baluschek, Hans 116, 120, 205 Banzenberg, Johann Friedrich 195, 204 Bartelt, Franke 209 Barth, Mathias 163

Bender, Carol 167, 204 Benedikt XIV., Papst 20-21, 23, 28, 30, 209 Benêt, Stephen V. 161, 163, 167-168, 170, 204 Benjamin, Walter 174 Benz, Ernst 74, 204 Berend, Eduard 99, 102, 110, 215 Berger, Manfred 188, 204 Berthold, Werner 166, 204 Bettelheim-Gabillon, Helene 127, 204 Biedermann, Karl 82 Biermann, Wolf 188-189 Billetta, Rudolf 145, 204 Birkenfeld, Pfalzgraf Prinz von 42 Bismarck, Otto, Fürst von 125-128, 130 Blackboum, David 121, 204 Blanning, T . C . W . 204 Bloch, Ernest 171 Boas, Franz 166 Bochenek, A.J. 161 Bock, Stephan 181-182, 204 Bodenstedt, Friedrich von 125 Böck, Robert 74, 204 Böcldin, Arnold 116 Börne, Ludwig 81, 110, 169 Böthig, Peter 1 8 9 , 2 0 5 , 2 0 7 , 2 1 8 Böttiger, Karl August 96 Bogeng, G.A.E. 6 - 7 , 204 Bonaparte, Napoleon 72-73, 77, 129, 217 Botond, Anneliese 207

Bartlett, John 133, 204

Bradbury, Ray 172, 175, 205

Bartsch, Kurt 189 Bartusch, Hagen 192 Basedow 54

Bräunig, Werner 186 Braubach, Max 205 Braun, Volker 192 Brecht, Bertolt 166, 181-182, 186, 205 Bredel, Willi 185-186 Bredow, Wilfried von 113, 205 Brentano, Clemens 96-97, 208 Breuer, Dieter 4-5, 11-12, 63, 135, 140, 142, 205 Brewster, Owen 176 Brewster, William 176 Breidbach-Bürresheim, Emmerich Joseph von 30

Bauer, Arnold 170, 204 Bayros, Franz von 119 Becher, Johannes R. 179-186, 190, 192, 204, 207, 213-214 Beck, Emily Morison 204 Becker, Jurek 189 Becker-Cantarino, Barbara 6-11, 87, 197, 204, 221 Bellamy, Ralph 168

224 Brock, Erland J. 74, 205 Bröhan, M. 120, 205 Brönner, W. 118,205 Brown, Heywood 165, 205 Bruyn, Günter de 179, 187-188, 190-192, 205, 208 Büchner, Georg 63 Biilow, von, Kanzeler 126 Bürger, Christa 8, 94, 205 Bürger, Peter 205 Bullen, R.J. 205, 207, 212 Burkhard, Marianne 206 Busch, Rüdiger 195, 205 Busch, Wilhelm 111 Campes, Joachim Heinrich 78 Canby, Henry Seidel 165, 205 Capell, Peter 168 Capp, Bernard 74, 205 Cassirer, Paul 137, 139 Cato 194 Chaplin, Charlie 150 Chotek, Graf 28 Christ, Günter 205 Christ, Richard 112,205 Chruschtschow, Nikita 184 Cibulka, Hanns 192 Cicero 47 Claudius, Mathias 47 Cocalis, Susan 206 Colby, Bainbridge 172 Consentius, Rudolph Otto 82 Conze, Werner 209 Coremans, Victor Amadeus 81 Corinth, Lovis 116 Cornelius, Peter 111, 117-118 Cotta, Johann Friedrich 80, 96, 99-102, 107-108, 110, 216 Coward, Noel 150 Cromwell, Oliver 63 Currie, Eva 168 Cwojdrak, Günter 182 Czempiel, Emst-Otto 128, 206 Czymmek, G. 117, 206 Daller, Balthasar 121 Daniel, Ute 6-7, 10-12, 14, 196, 221 Deckhart 39 Dedner, Burghard 144, 206

Namenregister Defregger, Franz 115 Deiritz, Karl 135-136, 141-143, 147, 206 Destro, Alberto 209 Deuerlein, Ernst 181, 206 Deurings, Frhr. von 27 Devlin, Judith 74, 206 Diebold, Bernhard 135, 206 Dietl, Georg Alois 47, 59 Dietzel, Ulrich 209 Diogenes 193 Dipper, Christof 22, 73, 206 Diterich, Johann Samuel 43 Dix 113 Dos Passos, John 165 Drescher, Angela 186, 206 Drews, Richard 64, 206 Dreyer, A. 111,206 Dreyfus 128-129,206 Dürer, Albrecht 121 Dürr, Volker 209 Duft, Heinz 187, 206 Durieux, Tilla 138-139, 143, 148, 206 Duty, Helga 192 Dworkin, Robert 169 Eberle, Matthias 117,203 Eckartshausen, Karl von 43 Eckert, Brita 166, 204 Eibe, Riedel 217 Eichhorn, Alfred 183, 206 Einstein, Albert 174-175 Eisenhardt, Ulrich 7, 206 Eisenhower, Dwight D. 171-172, 207 Eisentraut, Engelhard 207 Eisler, Hanns 179-180, 185, 190, 192 Eksteins, M. 122, 207 Elisabeth, Kaiserin 127 Emil August, Prinz 100-101 Emmrich, Brigitte 78, 207 Emrich, Wilhelm 135-136, 145-146, 217 Endler, Adolf 189, 192 Endres, F.C. 112,207 Ernst, Morris L. 132,207 Esterhazy 128 Evans, R. 212 Faktor, Jan 11,207 Fallersleben, August Hoffmann von 82 Feiereis, Konrad 50, 207

Namenregister Ferdinand II., Kaiser 126 Feuchtwanger, Lion 185 Fichte, Johann Gottlieb 87-90, 94, 98 Fichtl, Wilhelm 40, 207 Filier, Louis 207 Fischer, Caroline Auguste 94 Fischer, Ernst 179 Fischer, Fritz 123, 207 Fischer, Gerard 50, 207 Fischer, Louis 166 Fletcher, Ifan Kyrie 173, 207 Foucault, Michel 1 5 , 8 9 , 9 1 , 2 0 7 Fowell, Frank 132, 207 Franke 186 Franz Josef, Kaiser 127, 130 Freiligrath, Ferdinand 82 Freud, Sigmund 174 Frick 157 Friedel, Johann 3 Friedrich II., der Große 72, 117 Friedrichsmeyer, Sara 94, 207 Friemel, Franz Georg 58, 207 Frölich, Wolfgang 4 4 ^ 5 Fromm, Bella 168-169, 207 Fry, Varían 168 Fuchs, Karlheinz 65, 68-69, 73, 76, 78, 207 Fuckas, Marion 192 Gabler, Matthias 51-52 Gabriel-Robinet, Louis 132, 207 Gallas, Helga 207 Galsworthy, John 150 Gansei, Carsten 180-185, 190, 207 Gebhardt, Eduard von 117 Gebhardt, Heinz 111-112,207-208 Geier, Fritz 208 Geiger, Max 74, 208 Geiger, Willi 119 Gemmingen, Otto H. von 42 Georg, Manfred 168 Gersdorff, Dagmar von 208 Gide, André 167 Gilbert 132 Girnus, Wilhelm 179 Gladenap, Polizeizensor 131 Glaser, Horst Albert 66, 208, 213 Glaser, Hubert 207 Glaßbrenner, Adolf 82 Goebbels, Joseph 157, 163, 174

225 Göschen, Georg Joachim 108 Goethe, Johann Wolfgang von 1, 4, 9, 70, 74, 80, 90-92, 96, 99, 104, 208 Goetz, Theo 168 Goldfriedrich, Johann 44, 208 Goldstein, Fanny 174, 208 Goldstein, Robert J. 113-114, 129, 132, 208 Goodell, Stephen 161, 174 Goodman, Katherine R. 207 Göpfert, Herbert G. 205-206, 208, 211, 217 Gorki, Maxim 150 Gottsched, Johann Christoph 8 Graf, Oskar Maria 166, 169, 206, 208, 214 Grass, Günter 90 Grass, Nikolaus 208 Gregor-Dellin, Martin 186, 208, 213 Greiner, Ulrich 189, 208 Grimminger, Rolf 66, 208 Gross 113 Gross, Marianne 215 Grossing, Franz Rudolf von 4 Grosz, George 167, 208, 214 Grotewohl, Otto 183 Groth, Joachim-Rüdiger 188-189,208 Grubner, Julius 82 Grün, Carl 82 Grünberg, Karl 185 Günderrode, Karoline von 94 Günther, Eberhard 192 Gulbransson, Olaf 112 Gumpert, Martin 170, 208 Günther, Eberhard 216 Gutenberg, Johannes 111 Gutzkow, Karl 81, 198 Haarmann, Hermann 217 Hafner, Frank 191,208 Hahn, Barbara 208 Hahn, Otto W. 74, 208 Hahn, Ulla 209 Haight, Anne Lyon 201, 209 Haimerl, Irmtraud 141,209 Hall, A. 114,209 Hansjakob, Heinrich 35, 209 Harms 127 Harms, Kathy 209 Hasek, Jaroslav 150 Hauptmann, Elisabeth 205 Hauptmann, Gerhart 116, 140, 198

226

Namenregister

Hauschild, Jan-Christoph 209 Hausen, Karin 209 Hauser, Arnold 6, 209 Hayes, Helen 168 Hayes, Peter 209 Hebel, Johann Peter 70 Hegel, Eduard 209 Heiduczek, Werner 192 Hein, Christoph 188, 192, 209, 213 Heine, Heinrich 63, 81, 118, 131, 161, 167, 174, 193-194, 198, 201, 209 Heine, Thomas Theodor 112, 114 Heinemann, Gustav W. 214 Heinrichs, Michael 74, 209 Heinzen, Karl Peter 82 Held, Friedrich Wilhelm Alexander 82 Heller, Peter 106,211 Hellmuth, Eckhart 64, 209 Hellwig, Albert 150, 209 Hemingway, Ernest 165 Hemsterhuis, Francois 50 Henniger, Heiner 209 Hephaistos 193

Hofer, Karin von 207 Hoffmann, Detlef 112, 210 Hoffmann, Volker 210 Hofmiller, Dr., Gymnasialprofessor 147 Hohenberg, John 178 Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig Κ. V. Fürst zu 119,210 Holbein, Hans d.J. 121 Holberg 91 Hollaender, Felix 139 Homer 193 Honecker, Erich 188-189 Honegger, Claudia 95, 210 Horaz 47 Houben, Heinrich Hubert 1, 5, 11, 63, 82, 198, 210 Huber, Therese 95-96 Huder, Walter 217 Hübner, Lorenz 43 Hugo, Victor 167 Hundt-Radowsky, Hartwig von 81 Hus, Jan 121

Herder, Johann Gottfried 103-104 Hermand, Jost 209 Hermann 112 Hermans, J. 209 Hermlin, Stephan 180-181, 185, 209 Herrmann, G. 209 Herrnstadt, Rudolf 182-183, 209 Hersche, Peter 22, 209 Hertling, Georg von 120 Herzfelde, Wieland 185 Heß 47 Hesse, Herman 4 Heuser, Magdalene 95-96, 207 Heydte, von der, bayr. Polizeipräsident 115 Heym, Stefan 181-183, 189, 209 Heyne, Christian Gottlob 95-96 Hindenburg, von, Feldmarschall 130, 157 Hirth, Georg 112, 118-119, 207, 210, 216 Hitler, Adolf 148, 164, 166, 170, 172, 174 Hochbichler (Hochbüchler), Pater 58 Hoche, D. 153, 210 Hoeben, Heinrich Hubert 1, 198 Hoeft, Brigitte 183, 210 Homberg, Walter 63, 210 Höpcke, Klaus 191-192 Hörger, Hermann 74, 210

Ihering, Herbert 145, 150-151, 210 Itzehoe, Johann Gottwerth Müller von 8 Jacobi, Fritz 50 Jacoby, Johann 82 Jäger, Georg 11, 210 Jäger, Manfred 180-181, 183, 188-190, 210 Jäger, württ. Zensor 76 Jagow, Traugott von 138-139, 143 Jakobs, Karl Heinz 189 Janke, Walter 183, 206, 210 Jefferson, Thomas 163 Jegensdorf, Lothar 187-188, 210 Jelavich, Peter 3, 114, 210 Jendrosch, Barbara 50, 210 Jens, Walter 64, 206 Jentsch, Bernd 212 Jerusalem, Johan F. 47 Jeszenszky, S. 118 Jokoso, Karlo 79 Joseph II., Kaiser 20, 23, 72, 203, 208 Jütte, Robert 210 Jung, Johann Heinrich siehe Jung-Stilling, Johann Heinrich Jung-Stilling, Johann Heinrich 49-50, 74-76, 208, 211, 218

Namenregister Junker, Almut 112, 210 Just, Gustav 183, 211 Justinus 47 Kaes, Anton 114,211 Kaiser, Georg 134-135, 140 Kaiser, Erwin 168 Kamnitzer, Heinz 179 Kampf, Arthur von 116, 120 Kant, Hermann 189, 211 Kant, Immanuel 10, 50-57, 62, 74, 196, 204, 207, 211, 217 Kantorowicz, Alfred 64, 167, 169, 206, 211 Kanzog, Klaus 7, 63, 68, 90, 136-137, 147,

211 Karasek, Erika 215 Karasek, Hellmuth 138, 211 Karl Theodor, Kurffirst 41, 43, 60, 217 Karsch, Anna Louisa 94 Katharina II., Zarin 72 Kaufhold, Enno 112,211 Kaufmann, Janet 172,211 Keaton, Buster 150 Keil, Ernst 111 Keller, Helen 163 Kellner, K.A. Heinrich 211 Kerr, Alfred 139 Kersten, Kurt 169, 208 Kesten, Hermann 216 Kiesel, Helmuth 66,211 Killy, Walther 218 Kindler, Helmut 206 Kircher, Hartmut 214 Kirchner, Ernst Ludwig 119, 216 Kisch, Egon Erwin 167 Klee, Felix 211 Klee, Paul 112, 117, 211 Klee, Siegbert 5-6, 134, 199, 221 Klein, Alfred 186,211 Klein, Viola 211 Klemens XIII., Papst 30 Klemens XIV., Papst 20, 30, 32 Klinger, Max 116,119,216 Klopstock, Friedrich Gottlieb 10 Klüber, G. 80 Klueting, Harm 70, 211 Klussmann, Paul Gerhard 181,211 Knigge, Adolf Frhr. von 3, 79 Knorr, Thomas 120

227 Knowles, Dorothy 132,211 Knust, Herbert 208 Koch, Ernestine 112, 211 Koepke, Wulf 6, 99, 197-198, 211, 221 Koemer, Ch. Ludwig 80 Körner, Theodor 70 Köster, Peter 195,211 Köster, Udo 63, 82, 212 Kollwitz, Käthe 116, 119-120, 214 Koonz, Claudia 5, 212 Kopka, Fritz-Jochen 189, 212 Koselleck, Reinhart 95, 212 Kotzebue, August von 70, 79, 109 Krämer, Theodor 171, 212 Krauss, Marita 216 Krenek 150, 157-158 Kreutzer, Hans Joachim 214 Krippendorff, Ekkehart 23, 212 Krull, Heinrich 145 Künigl, Kaspar Ignaz von 19 Kuhn, Elmar 28, 212 Kunze 189 Kutscher, Artur 128, 212 Lackner, Bede Karl 217 La Fontaine, August H. 8 La Guardia, Fiorello 164 Laktantius 47 Lammenais, Félicité de 81 Lamprecht, Helmut 213 Lang-Brumann, Thusnelda 156 Langbehn, Julius 118 Langbein 70 Lange, Arno 191-192 Langen, Albert 112,211 Langewiesche, Dieter 84, 212 Laqueur, Walter 123, 152, 212 La Roche, Sophie 9, 94, 98 Laube, Heinrich 81 Laurence, Harvey W. 164, 212 Lavater, Johann C. 47 Leach, Henry 166 Lehar, Franz 150, 158 Lehmann, Hartmut 210, 212 Lehmann, Reinhard 192 Lehmstedt, Mark 2, 6 - 7 , 11, 37, 196, 221 Lehr, von, württ. Zensor 76 Leibniz, Gottfried Wilhelm 50 Leiss, Ludwig 120, 212

228 Lenman,Robin 6,11-12, 111, 113-114, 119-121, 125, 198-199, 212, 221 Lentner 50 Lenya, Lotte 168 Lenz, J.M.R. 9 Leß, Gottfried 47 Lessing, Gotthold Ephraim 10 Leventhal, Herbert 74, 212 Levinthal, Israel Herbert 175 Lewis, Sinclair 164-165, 168 Liebermann, Max 116-117, 120-121, 203 Liersch, Werner 216 Lindemann, Margot 12, 212 Lindey, Alexander 132, 207 Linke, Manfred 137, 212 Linneborn, Johannes 212 Lippert, Johann Caspar von 38-39, 51-52, 57, 212 Lippmann, Walter 166, 203 List, Emanuel 168 List, Friedrich 216 Litzmann, Berthold 127, 213 Locke, John 64 Löffler, Martin 5, 213 Loest, Erich 181, 189 Loewy, Ernst 213 London,Jack 164, 174 Ludington, Flora B. 174, 213 Ludwig II., von Bayern 127 Ludwig XVI., König von Frankreich 72 Lücke, Detlev 189, 213 Lüthi, Kurt 213 Lukács, Georg 184, 213 Lunatscharsky, Anatolij 150 Luschnat, David 170, 213 Luther, Martin 15, 47, 98, 213 MacLeish, Archibald 161 Mai, Paul 207, 216 Maier, Johann Friedrich von 75 Makart, Hans 115-116 Mamachi, Thomas Maria 45 Mampel, Siegfried 187-188, 213 Mandelstam 148 Mann, Heinrich 167 Mann, Klaus 148, 213, 216 Mann, Thomas 4, 169, 174, 213 Marchwitza, Hans 180, 185-186 Marcuse, Ludwig 144, 213

Namenregister Maria Theresia, Kaiserin 19, 23, 28, 32, 203 Martini, Fritz 218 Martino, Alberto 69, 213 Marx, Karl 174, 198 Maske, Luise 143, 146 Maske, Theobald 145-146 Massary, Fritzi 150 Matis, Herbert 22, 213 Matz, Elsa 153, 155-156 Mauser, Helmtrud 190-191 Max I. Joseph, König 207 Maximilian IV. Joseph, Kurfürst 41 Mayer, Goetz 170 McCarthy, John A. 1, 194, 221 McCarthy, Joseph 171 McCloy, General 176 Mecklenburg, Emil 82 Mehring, Walter 168-169, 213 Meir, Rabbi 175 Mendelssohn, Moses 10 Menger, Rudolf 126 Menoth, von, württ. Zensor 76 Menzel, Adolph von 111, 117, 218 Merck, Johann Heinrich 9 Mereau, Sophie 96-97, 208 Merwald, Renate 213 Metrokies 193 Metze, Klaus-Rüdiger 185, 213 Meyer, Michael 134, 136, 138, 142, 213 Meyerhold 150 Michael, Klaus 189, 205, 207, 218 Miedaner, Michael 44, 213 Mierendorff, Marta 170 Milton, John 63, 167 Mix, York-Gothart 2-3, 6-7, 179, 201, 221 Moller, Horst 66, 73, 213 Mößner, Johann 23, 213 Mommsen, Theodor 119 Montfort, Fürst von 83 Montgelas, Maximilian Joseph, Graf von 42, 62 Motte-Fouqué 70 Mozzani, Éloïse 74, 213 Miihr, Alfred 214 Müller, Heiner 181,211 Müller, Karl A. von 210 Müller, Reinhard 213 Müller, Sabine 214 Müller-Seidel, Walter 210 Münch, Paul 66, 211

Namenregister Mühr, Alfred 127 Mumm, Reinhard 155 Munch, Eduard 119 Muratori, Lodovico Α. 21 Murray, Graf 83 Musil, Robert 195, 214 Nagel, Otto 116, 214 Napoleon siehe Bonaparte, Napoleon Naubert, Benedictine 94 Nestroy, Johann Nepomuk 63 Neumann, Alfred 170, 214 Neumann, Helmut 67, 214 Neumann, Robert 169, 214 Neutsch, Erik 186 Nietzsche, Friedrich 145 Niewyk, Donald L. 157, 214 Nikolaus II., Zar 123 O'Brien, Bürgermeister 164 Oetinger, F.C. 204 Ottinger, Eduard Maria 82 Ohe, Werner von der 193, 221 Ohles, Frederik 6, 214 O'Neill, Eugene 150 Ortloff, Ingeborg 204 Osiander, Prof., württ. Zensor 76 Ostein-Dalberg, Frhr. von 83 Otto, Ulla 137, 214 Ovid 79 Palmer, Frank 132, 207 Panizza, Oskar 198-199, 214 Paret, Peter 117, 130, 214 Pastor, Ludwig, Frhr. von 214 Paul, Bruno 112 Paul, Jean 9, 99-110, 197, 199, 203, 205, 211, 213-215 Paul-Merritt, Carol 163, 173, 214 Paula Reisenegger, Franz von 42 Paulsen, Wolfgang 204 Paulus, Apostel 55 Perthes, Friedrich 101 Peters, Ursula 112,214 Petersen, Klaus 6, 8, 11-12, 149, 200, 221 Pfeilschifter-Baumeister, G. 32, 214 Pfenninger, Johan K. 47 Philip II. 170

229 Piloty, Karl 117 Pirandello, Luigi 150 Platon 193-194,201 Platschek, Hans 167,214 Plaul, Hainer 9 , 2 1 4 Plügge, Walter 151 Poche, Klaus 189 Polonsky, A.B. 205 Posa, Marquis 170 Prinz, Friedrich 216 Prutz, Robert 9, 63, 82, 214 Püttmann, Hermann 82 Quirini, Kardinal 21 Raabe, Paul 64, 214 Rabener, Gottlieb Wilhelm 99 Raddatz, Fritz J. 183,189, 214 Radetzky, Graf von 83 Redlin, J. 112,215 Rehfus 79 Reich-Ranicki, Marcel 190-191, 215 Reinbeck, Georg 78 Reinecke, Stefan 189, 213 Reinhardt, Andreas 183, 206 Reinhardt, Max 138, 140, 143, 215 Reinig, Christa 90 Remarque, Erich Maria 166, 174 Renn, Ludwig 185-186 Reulecke, Jürgen 23, 215 Reusch, Franz Heinrich 46, 61, 215 Reuß, von, württ. Zensor 76 Reuß, M., württ. Fiskal 79 Richards, David 106,211 Richter, Hans 179 Richter, Jean Paul siehe Paul, Jean Richter, Karl 210 Richter, Ludwig 111 Ritter, Joachim 216 Rockwell, John 171, 215 Rodgers, Edith Cooperrider 215 Rodt, Franz Konrad von 26, 28-29 Rodt, Maximilian Christoph von 32 Rösch, Adolf 215 Rolland, Romain 167 Ronge, Johannes 82 Roosevelt, Franklin D. 167 Rosenberg, Adolph 117

230 Rosenberg, Alfred 154 Roser, Friedrich 82, 84 Rostand, Edmond ISO Rotteck, Carl von 73 Rottmanner, Simeon 42 Rühle, Günther 134, 137, 215 Rüther, Günther 208 Ruge, Arnold 82 Rushdie, Salmon 178, 201 Saalpater 109 Sahl, Hans 171, 215 Sailer, Johann Michael 37-40, 45-62, 196, 207, 210, 215-217 Sailer, Sebastian 79 Salat, Jakob 44-46, 61, 215 Saldem, Adelheid von 23 Sand 109 Sander, Hans-Dietrich 188-189, 215 Sanger, Margaret 166, 174 Saroyan, William 172, 175, 215 Sauer, Paul 72, 215 Scarron 146-148 Schäfer, August 81 Scheel, Heinrich 62, 215 Schelling, Caroline siehe Schlegel-Schelling, Caroline Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 92-93 Schenda, Rudolf 69, 215 Schieder, Wolfgang 74, 77, 206, 216-217 Schiefler, G. 119,216 Schiel, Hubert 39, 48-50, 57-58, 60, 62, 216 Schielinsky, Arthur 81, 216 Schildkraut, Josef 168 Schiller, Friedrich 1, 70, 96, 168, 170 Schindler, Alexander M. 171 Schippel, Paul 199 Schlegel, August Wilhelm 92-93, 97 Schlegel, Dorothea 92-94, 97 Schlegel, Friedrich 92-94, 97, 108 Schlegel-Schelling, Caroline 92-94, 97, 207, 216 Schleiermacher, Friedrich 81, 92 Schlenke, Manfred 64, 216 Schlesinger, Klaus 189 Schlichtegroll, Friedrich 215 Schlösser, Manfred 208 Schlözer, August Ludwig von 12 Schmeller, Prokanzler 46 Schmid, Max 216

Namenregister Schmidt, Erich 216 Schmidt-Linsenhoff, V. 96 Schmitt, Carl 200, 216 Schmöger 38 Schmoll, J.A. 216 Schnabel, Stephan 168 Schneider, Franz 5, 216 Schneider, Franz Xaver, Freiherr von 43—44, 57 Schneider, Rolf 189 Schneiders, Werner 10, 216 Schnütgen, Alexander 216 Schoch, R. 117,216 Schoenberaer, Franz 169, 216 Schönert, Jörg 136, 141, 209-210, 213, 216-217 Schönewerk, Klaus-Dieter 191, 216 Scholz, Franz 216 Schreiber, Georg 155-156 Schubart, Christian Daniel Friedrich 105 Schubbe, Elimar 182-183, 216 Schubert, Dieter 189 Schütz, Hans J. 4, 216 Schulte, Hans 106, 211 Schulte-Sasse, Jochen 205 Schulz, Wilhelm 82 Schulze-Olden, Wolfgang 125, 129, 216 Schumacher, Kurt 201 Schuster, Peter-Klaus 116,216 Schütz, Professor 94 Schwaer, Diözesanmissionar 155, 216 Schwaiger, Georg 207, 216 Schwartländer, Johannes 217 Sebald, Winfried Georg 141, 144, 216 Seeliger, Hans Reinhard 23 Seghers, Anna 185 Segieth, C. 112,216 Seiffert, Hans Werner 218 Semjonow, Wladimir Semjonowitsch 180 Seume 70 Seyppel, Joachim 189 Shaw, George Bernard 150 Siebenhaar, Klaus 217 Siebert, Ilse 204 Siemann, Wolfram 2, 6-8, 10-12, 63, 66, 77, 82, 84, 196, 216-217, 221 Simmel, Georg 200 Sinclair, Upton 164 Skladanowsky, Max 112 Slevogt, Max 116, 119-120 Soden-Fraunhofen, von, bayr. Innenminister 115

Namenregister Sommer, Dietrich 186 Spahn, Martin 155 Spalek, John 204 Spaur, Leopold von 20 Spencer, Herbert 195 Sperber, Johannes 217 Speyer, Wolfgang 193 Spezer, Wolfgang 217 Spieß, Christian H. 8 Stade, Martin 189 Stalin, Josef 209 Stang, Conrad 62 Stanislawski 150 Staritz, Dietrich 181, 217 Stark, Gary D. 6, 11-12, 113-114, 120, 123, 138, 199, 217, 221 Stattler, Benedikt 37-38,44-46, 48-52, 57, 203, 213, 215-217 Steiner, Joseph Anton 40, 50 Steiner, Viktor 59 Steinheil, Friedrich Christoph Philipp von 78 Stephens, John 132, 217 Stem, Guy 2-3, 6, 161, 169, 195, 200-201, 214, 217, 221 Sternburg, Wilhelm von 185, 213, 217 Sterne, L. 47 Sternheim, Carl 9, 11, 134-148, 199-200, 204, 206, 209, 211-213, 216-217 Stieg, Margaret F. 113, 119-120, 149, 217 Stirner, Max 82 Stoecker, Adolf 119 Stölzle, Remigius 4 6 ^ 8 , 56, 217 Stourzh, Gerald 63, 217 Strandmann, H. Pogge von 205 Strasoldo, Raymund Anton, Graf von 45 Strelka, Joseph 204 Streller, Siegfried 213 Strobel, Johann Baptist 37-42, 46, 48, 50-51 Struve, Gustav von 82 Stuck, Franz 116 Stützel-Prüsener, Marlies 69, 213 Stulz-Hermstadt, Nadja 182, 209 Süskind, von, württ. Zensor 76 Sullivan 132 Swedenborg, Emanuel von 204-205, 209 Swift, Jonathan 99, 167, 176 Szinyei-Merse, Pol 118 Tagwercher, Brigitte 141, 217

231 Tairow 150 Taube, von, württ. Polizeiminister 80 Tauber, Richard 150 Tennyson, Alfred Lord 167 Tetzner, Gerti 192 Theophrastos 193 Thomasius, Christian 8, 10 Thompson, Dorothy 165 Tiller Girls 150 Timm, Regine 111,218 Titzmann, Michael 74, 218 Toller, Ernst 169, 218 Traxel, August 81 Trenkwalder, Alois 218 Treue, Wolfgang 154, 156, 218 Trumpener, Ulrich 131, 218 Trunz, Eric 208 Turek, Ludwig 185-186 Twain, Mark 167 Uhde, Fritz von 117-118, 120 Uhland, Ludwig 70 Uhse, Bodo 185-186 Ulbricht, Walter 180, 182-183, 185, 190, 204, 208 Ullmann, Wolfgang 1, 11, 218 Ungelter, Johann Nepomuk von 56 Unger, Friederike 91 Unruh, Fritz von 168 Urban VIII., Papst 18 Uthmann, Jörg von 183, 218 Vellnagel, württ. Minister 79 Venedey, Jakob 81 Viktor Emmanuel III., König 130 Vinnen 118 Virchow, Rudolf 119 Virgil 47 Vischer, Friedrich Theodor 84 Vogel, Julius 216 Vollmar, Georg von 121 Vulpius, Christian A. 8 Wächter, württ. Zensor 77 Walby, Sylvia 218 Waldkirch, Baron von 42 Waldstein, Edith 207 Walesrode, Ludwig 82 Walser, Martin 90

Namenregister

232 Walter, Eva 96, 218 Walther, Joachim 189, 218 Walther, Klaus 216 Wanner 56 Warchol, Paul 178 Webb, James 7 4 , 2 1 8 Weber 46, 111 Weber, Helene 155 Weber, Hermann 181, 218 Weber, J.J. I l i Weber, L. 118-119,218 Wedekind, Frank 114, 128, 134-135, 212-213 Weidenfeld, Werner 217 Weill, Kurt 168 Weiskopf, Franz Cari 185-186 Weitling, Wilhelm 81 Welch, D. 113, 218 Welcker, Cari 73 Wells, H.G. 167 Wendler, Wolfgang 206 Wenzeslaus, Clemens, Fürstbischof 47 Werfel, Franz 140 Werkmeister, von, württ. Zensor 76 Werner, Anton von 119,129-130 Wesener, Hans-Jürgen 181 Wessenberg, Ignaz Heinrich von 34-35 Westenrieder, Lorenz 12, 41, 43 Weyrauch, Erdmann 205-206, 208, 211, 217 Whitman, Walt 167 Wicclair, Walter 170 Wichner, Ernest 179-181, 185-186 , 218 Widmer, Joseph 215 Wieland, Christoph Martin 9-10, 12, 70, 98, 218 Wienbarg, Ludolf 81 Wiesner, Herbert 179-181, 185-186, 218 Wigand, Georg 111 Wilde, Oscar 150 Wildenbruch, Emst von 126-129, 204, 209, 213 Wilhelm II., Deutscher Kaiser 114-115, 117, 119, 123, 127, 129

Wilke, K. 111,218 Wilkes, John 64 Wilkie, WendeU 168 Willoweit, Dietmar 217 Wilson, Woodrow 130 Windfuhr, Manfred 209 Windthorst, Ludwig 121 Winkelhofer, Sebastian 57 Wirth, Johann Georg August 82 Wissensbereiche 71 With, C.B. 117,218 Witte, Bernd 219 Wittelsbach, Otto von 43 Wittman, Reinhard 66, 219 Wittstock, Uwe 189-191, 205, 219 Woermann, K. 118,219 Wohler 79 Wolf, Christa 90, 186, 206, 208, 212 Wolf, Friedrich 184-185, 213 Wolff, Bernhard 158, 219 Wolff, Christian 44 Wulf, Joseph 219

Zaisser, Wilhelm 182 Zantop, Susanne 91 Zaupser, Andreas 42 Zehm, Günter 191 Zeisel, William 174, 219 Zenger, John Peter 64 Ziegler, Edda 7, 219 Zimmer 46 Ziirunermann, Hartmut 215, 217 Zohn, Harry 175,219 Zola, Emile 116 Zollikofer, Georg J. 47 Zurek, Rolf 113,205 Zwack 43 Zweig, Arnold 185-186, 213, 217 Zweig, Stefan 170

Sachregister

Aberglauben 72-73, 75-77, 85, 195 und Schwärmerei 10, 72 Aberglaubensliteratur, Formen der 73 Absolutismus 72 aufgeklärter 66, 73 Ästhetik, konservative 115 Asthetisierung der Realität 145 Allgem. Konferenz der Deutschen Moral-Vereinigungen 119 altdeutsch 118 Amerikanismus 151 Amt für Literatur und Verlagswesen (DDR) 180 Analphabetentum 132 Ancien Régime 66 Anspielungen (allusions) 100 Anthropomorphismus (Buch=Mensch) 175 Antideistik 48 Antimodernismus 122 Antisemitismus 117-119, 125, 155, 157,200 Arbeiterklasse, Milieu 117 Arbeitszeitverkürzung 132, 181 Aristokratie 83 Arkanum 70 Assimilation 141 Atheisten 119 Atlantic Monthly (Zeitschrift) 169 Aufbau-Verlag 179, 185 Aufführungsverbot 198 generelles 140-141 Aufklärung 6, 8, 10, 15, 20, 30, 35, 43^44, 72, 77-78, 105, 167, 196 Beförderung echter 73-74, 85 Dialektik der 195 Fremdaufklärung 10 katholische 40 Selbstaufldärung 10 vs. Okkultismus 73 Aufklärungspolizei 63, 72-73 Aufsichtsgremien (indexing boards) der Filmzensur 149 der Kontrolle von Druckerzeugnissen 149

Außenpolitik Primat 133 Rechtfertigung für staatliche Eingriffe 124 und Zensur 123, 133 Authentizität, subjektive 186 Autor 38, 41, 56, 69, 196 als Funktion 89 freier Schriftsteller (free-lance writer) 110 freischaffender Tagesschriftsteller 72 Professionalisierung 98 Provokation der Zensur 140 Provokation des Publikums 140 Reaktion der Zensur 136, 141 schmähende Herabwürdigung (derogation) 163 Autorin als Funktion 89 siehe auch Feminismus, Frauen, Frauenliteratur, Geschlechtszensur, Mündigkeit, Patriarchat Bänkellieder 78 Bauernbefreiung 36 Bayerische Volkspartei (BVP) 156 Berlin, Kaiserpanorama 112 Berliner Eispalast 130 Berliner Illustrierte Zeitung 111 Berliner Kongreß 125 Berliner Nationaltheater 125 Berliner Zeitung 182 Berufsschriftsteller 82 Beschlagnahmungen, polizeiliche 81 Bevormundung siehe Mündigkeit Bewilligungs-Dekret 68 Bibelfortdichtung 76 Bibliocaust 164, 168, 174, 201 Bibliothek, Herzog August 64 Bibliothekare 174 Bilderverbrennung 163 Bildpublizistik 86 Bildungspolitik 85 Blasphemie 80, 119, 198

234 Blaue Blusen 151 blauer Montag 33 Briefe 93 Privatbriefe 92 Brotschreiberin 96 Brücke, Die 119 Brutalität 125 Buchdrucker 69 handler, ausländische 50 handelsgerechtigkeit 42 handlung 76 käufer 76 markt, nationaler 66 wesen, Überwachung 40 Bücher als Lebewesen (Atavismus) 176 beschlagnahmte 41 Empfehlung verbotener 46 Genehmigung des ungehinderten Verkaufs 57 ketzerische 61 konfiszierte 42 undeutsche 166 verbotene 42 verbotene, Index 61 verbotene, Katalog 41 Vergewaltigung der 172 Bücheranzeigen 43 flut 80 verbot steigert Nachfrage 45, 59 verbot, generelles 47 zensur 100 zensur, bischöfliche 47 Zensurkollegium 37, 42 zensurrat 44 Bücherverbrennung 161, 163-176, 178,200 atavistische 200 der Nazis 2, 161, 165 eigene 171 und Brutalisierung 165 und die US-Reaktion 161, 164, 173, 178 von Naziliteratur 176 Bühnenvolksbund 156-157, 200 Bürgertum 198 Bürokratisierung, allumfassende 132 DDR 179 Dedikation 52

Sachregister Demokratie 201 Demokratisierung des Lesens 69 Denunziationsschriften 46 Deutsche Freiheitsbibliothek, Paris 167 Deutsche Schauspielerunion (German Actors Union) 151, 157 Deutsche Volkspartei (DVP) 154-156 Deutscher Bund 81-82 Deutsches Theater, Berlin 126, 140 Deutsches Theater, München 157 Deutschnationale siehe Nationale Deutsche Volkspartei (NDVP) Deutschtum 118 Dillingen Dillinger Inquisition 56 Hohe Schule zu 46 Universität 56 Diplomatie 123 diplomatisches Korps 124 Doktrinäre 184 Dreikaiserabkommen 125 30-jähriger Krieg 126, 128 Dresdner Gallerie 118 Dreyfus Affäre 128 Druck nichtautorisierter Doppeldruck 39 Druckerlaubnis 71 fahnen 65 genehmigung 41, 201 genehmigung, Verweigerung der 188 Düsseldorf Kunstmuseum 120 Stadtmuseum 163 Dürerzeit 118 Dynamik, politische 146 Emanzipation 11 des Individuums 143 Endzeitbeschwörung, mystische 77 Epikureismus 79 Epochen der Vernunft dogmatisch, skeptisch, kritisch 49 Erlösung, säkulare 190 Erotik 115, 119 explizite 116 1. Weltkrieg 112, 122, 125, 176, 200 Erweckungsliteratur 82 Eschatologie, politische 76

Sachregister Eudämonismus 50 Exilanten 168-169, 190 Zwangsexilierung 189, 201 Exilschauspieler 168 Expressionisten 122 Fahrenheit 451 (Buchtitel) 172 Fall Wedekind 134 Fanatiker (true believers) 104 Farbillustrationen 112 Faschismus 168, 174, 181 febronianische Gedanken 45 Feiertage 15, 196 Hagel feiertage 17 und Sonntage, sakrale Funktion 17 Vielzahl der 15 Feiertagsabstellung 34 dispense 33-34 frage 14, 21-22, 26, 30, 36 frequenz 18 Ordnung 21 Politik 16-17, 20, 22, 25, 28 praxis 14-15, 19, 27, 33, 35 problem 15, 18, 25 reduktion 16, 18, 20-21, 23, 25, 28-30, 32-33, 35 regelungen 19 reglementierung 28 Vermehrung 15-16 Verminderungen 30 Verordnung 19, 25 Feminismus 122 siehe auch Autorin, Frauen, Frauenliteratur, Geschlechtszensur, Mündigkeit, Patriarchat Festnahme der 5 Vokale (arresting the five vowels) 109 Feuilleton 90 Filme 112-114, 198 ausländische 152-153, 156-157 Importquoten 152 Spionagefilme 130 subversiver Einfluß 152 Filmzensur 149 Gremium 156 siehe auch Zensur fin-de-siècle 116 Fiskale 76, 79 Fliegende Blätter (Zeitschrift) 111, 113

235 fliegende Blätter 67, 85 siehe auch Pamphlet fliegender Gerichtsstand 114 Folgen der Lektüre 47 Frankfurt am Main 157 Frankophobie, kulturelle 118 Französische Revolution 3, 11, 33, 43, 67, 103, 116 französischer Impressionismus 118 Frauen als Lesepublikum 99 siehe auch Autorin, Frauenliteratur, Geschlechtszensur, Mündigkeit, Patriarchat Frauenliteratur 8, 90, 98 als Ghetto 98 Freiheit Aufhellungs-Freiheit 107 Denkfreiheit 102, 197 der bildlichen Darstellung 121 Druckfreiheit 66, 102 Gewissensfreiheit 64 Glaubensfreiheit und Zensur 63 Kommunikationsfreiheit 66 Lehrfreiheit 103 Lernfreiheit 103 Lesefreiheit 66, 102 Meinungsfreiheit 64, 72-73 Meinungsfreiheit und Zensur 63 Meinungsfreiheit, Definition 5 Pressefreiheit (freedom of the press) 3-4, 63, 65, 81, 99-101, 106, 109, 197, 199 Publikationsfreiheit 176 Redefreiheit (freedom of speech) 3, 63, 99, 165, 195 Schreibfreiheit 102, 195 Zensurfreiheit 109 Zensurfreiheit der Zensoren und der Akademiemitglieder 43 Freiheitsgefühl 179, 183 Freizeit 16, 132 Freizeitindustrie 132 Fremdenfeindlichkeit (xenophobia), kulturelle 122 French Declaration of Rights of Man and the Citizen 64 Freudenfeuer (Bücherautodafé/bonfire) 163, 166,173-175 Gartenlaube 111

236 Geheimbündelei 46 Gehirnwäsche 168 Geist und Macht 5, 194 Geisterkunde 74 Geistes-Armuth 78 Gemälde (paintings & quality illustrations) 111 gemeiner Mann 67-68, 73, 77, 79 Geschichte von Herrschaft 15 siehe auch Sozialgeschichte, Zensurgeschichte Geschlechtsrolle 89 Geschlechtsvormundschaft siehe Mündigkeit Geschlechtszensur 7, 87, 90-91, 94-95, 97-98 Definition 89-90 siehe auch Autorin, Feminismus, Frauen, Frauenliteratur, Mündigkeit, Patriarchat Gestapo (Geheime Staatspolizei) 171 Gewalteneinheit 187 Gewerbe- und Urheberrechtspolitik 85 Götzen- und Teufelsdienst 84 Gotteslästerungsparagraphen 147 grandes machines 115 Gründerzeit 112, 121 Gutachtergremium, akademisches 80 Gutdünken 65 Haftstrafe 42 Hamburg, Kunsthalle 112 Hausierer 40, 78 Hausierhandel 76-77 Heilige Thora 175 Herrschaftsanspruch 189 Historienmaler 117 Hollywood-Müll 156 Holocaust 201 Holocaust der Bücher siehe Bibliocaust Honorar 39 Hungertumulte 84 Ideenschmuggel 82 Illuminaten 46 vs. Obskuranten 73 Illuminatenverfolgung 41, 43 Illuminatismus 46 Imitation, konkurrierende 23 Imprimatur 37, 40, 50-51, 57-58, 71, 163

Sachregister Index der verbotenen Bücher 61 Indexdekret 61 kongregation 45, 52 kongregation, römische 60 Indifferentismus, moralischer 79 Individualisten, radikale 144, 148 Industrialisierung 36 städtische 132 Infiltration, ausländische 155 Informationszugang, freier 173 Ingolstadt, Universität 44, 48 Inquisition 169, 173, 200 inquisitorische Untersuchung 46 Intellektualität, ausländische 155 Intellektuelle 89 männliche 90 Intelligenzblätter 84 Interessenloyalität, erzwungene 72 Internationale Arbeiterhilfe Deutschlands (IAH) 151 Ironie 99 iudex competens 52 iudex in causa propria 52 Jagow-Affäre 139 Jakobinismus 46 Jena, Universität 101 Jesuiten 20, 30 Juden 119, 132, 156, 163 als Volk des Buches 175 jüdische Herkunft 141 jüdisches Volk 175 Jugend (Zeitschrift) 112-114,116 Jugendgefährdung 6, 120 Jugendschutz 119 Jugendstil 115-116 Junges Deutschland 63, 82, 85 Kaiserreich 111, 113, 115, 123, 133 Kanonisierung von Kunst und Literatur 9 kantische(-s) Lehrsystem 51 Philosophie 47^18 Karikatur 86, 131-132 Karlsbader Beschlüsse 68, 81 Katholiken 132 Kirchenreformpolitik 22 Kirchenzensur

Sachregister siehe Zensur Koblenzer Gravamina 30 kollektives Gedächtnis 167 Kolporteure auf Jahrmärkten 86 Kommunikationsstrategien Codierung und Maskierung 96 subversive 9 siehe auch Massenkommunikation Kommunisten 163 Kompetenzenweg 76 Kongreßbibliothek (Library of Congress) 161, 165, 174 Konsensdefizit 194 Konservativismus dynastischer 117 politischer 74 Konstitutionalismus 66 Kontrabande 62 Kontrollausweitung des Staates über Gesinnung und Körper 132 Kontrolle 40 Kontroll funktion 97 Konversion 193 Konzentrationslager 172 Korrekturen, ideologische 186 Korruption 125 Kritik als Steigbügelhalter der Zensur 137 Beurteilungsmonopol 97 Beurteilungsprivileg 97 Fachkritik 85 Theaterkritik 146 und Zensur 135, 137, 140, 142, 145, 147, 191 vorauseilende vs. nachträgliche Legitimierung von Zensur 135 siehe auch Literaturkritik Kritiker 89 Künstler jüdische und ausländische 156 krypto-politische Aufgabe 117 nationalistischer 129 patriotischer 129 Kultur als Alibi gegen Demokratisierung 121 als Markt 137 Definition 1 Geisteskultur 88 Kulturbewußtsein 1 Massenkultur 122

237 Reinheit der deutschen 150 säkulare 121 visuelle 112 Volkskultur 14, 74 Kulturbolschewismus 155, 157, 200 feinde 155 invasion 156 kämpf 121 politik 179, 182, 188 politik als unanfechtbare Norm 179 Kunst als moralische Absicht 117 Aufgabe der 117 Klapsmühlenkunst 122 Negerkunst 122 und soziale Realität 116 wahre 117, 144 Kunsthemmung 97 Sammlungen, Plünderung von 173 kynische Schule 193 Landbevölkerung 77, 84 Landkrämer 78 Legitimation 25, 42, lß6, 194-196 Legitimitätsdefizit 194 von Feiertagsreduktion 16-17 von Herrschaft 25, 31 von Zensur 144 vorauseilende vs. nachträgliche Legitimierung von Zensur 135 vs. Legalität von Zensur 142 Leihbibliothek 79, 86 Leipziger Illustrierte Zeitung 111 Lenbachhaus, München 116 Leo Baeck Institute, New York 167 lèse-majesté siehe Majestätsbeleidigung Lesegesellschaften 48, 86 geschlossene 68 Lesen vormundschaftliches 98 Lesepublikum 66, 195, 198 Leser Durchschnittsleser 99 Leserurteil, geschmacklos & subversiv 113 LexHeinze 119-121 Liberale 163

238 licentiam legendi libros 47 Lichtspielhäuser 113 Lieder, politische 70 literarische Formen 9 Literaten 89 Literatur a priori verhinderte 70 als Ware 85 fortschrittliche 180 Funktionalisierung der 190 jüdische 154 marxistische 154 pazifistische 154 undeutsche 154-155 Vertriebswege der 68 Literaturbetrieb als Markt 197 kritik 63, 85 , 90 politik 12 Produktion 87, 89, 92 Produzenten 72 rezeption 89 Lithographie 111 Lizensierungsverfahren 200 Macht und Geist 5, 194 Machtsicherung, geschlechtsbezogene 197 Machtstrategie 197 macrocensorship 6 Mächte, auswärtige 42 Mainzer Zentraluntersuchungskommission 83 Majestätsbeleidigung (lèse-majesté) 67, 114, 198 Markt als Regelinstrument 122 Marktverdrängung 90 Marktzwänge 120 Massenkommunikation, intensivierte 132 Maßregelung, literarästhetische 182 Medien 199 Meinungsfreiheit siehe Freiheit Meinungskampf 181 Meinungskontrolle 6, 64 Metropoltheater Berlin 123 Metternichsches System 63 microcensorship 6 Militärspionage 128 Militärbehörde 140 Mischehenstreit 82 Mittelstand 104, 121, 197

Sachregister Moderne 195 Segnungen der 32 Modernisierung 85 Entwicklungspfad 122 systemimmanente 25 Mündigkeit 10-11, 195 Bevormundung der Autorinnen 90 geistige Vormundschaft 98 Geschlechtsvormundschaft 89, 94 intellektuelle 10 theoretische Bevormundung 182 Unmündigkeit 68 Unmündigkeit, literarische 79 Vormünder 98 vormundschaftliches Lesen 98 Museen, Plünderung von 173 Mystizismus 75 Mythologie 117 Nachdruck 79 Nacktheit 115, 119 naturalistische 116 Napoleonische Kriege 126 Nation, gesunde deutsche 154 Nationale Deutsche Volkspartei (NDVP) 155— 156 nationale Sicherheit 130 Nationalismus liberaler 117, 121 protestantischer 118 tschechischer 126 Nationalsozialismus 167, 169, 200 NS-Regime 4 Nationalsozialisten siehe Nationalsozialismus, Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), Nazis Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 157-158 Naturalisten 116-117, 120, 122 Naturrecht 197 Nazis 158, 161, 166 siehe auch Bücherverbrennung, Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) Nestbeschmutzung 199 Neue Pinakothek, München 117 Neue Weg, Der 151, 157 Neues Theater Berlin 126 New York Times (Zeitung) 164-165 Newsweek (Zeitschrift) 164

239

Sachregister Normen 90, 179 geltende 9 Norm- und Meinungskontrolle 90 Normenhorizont 64-65, 69, 79, 82, 196 wandel 63 Normwahrung 5 Nuntiatur, päpstliche 42, 60 Oberstudiendirektion 78 Obsignatur 38, 51, 58 Obskuranten vs. Illuminaten 73 Obszönitätsurteil als sekundäre Provokation 138 öffentliche Herabwürdigung 187 Öffentliche Meinung 85, 195 wird gewichtiger 132 öffentliche Moral 150 Beförderung 149 Öffentliche Ordnung, Störung 123 Öffentlichkeit 88, 110 Kommunikationskanäle 149 Kontrolle der 78 Spaltung der 8 Österreich-Ungarn, Kaiser- und Königreich 126 Okkulte Gegenaufklärung 74 Oktoberrevolution, russische 200 Operette 132 Originalgenie 89 Pädagogik, als Wissensbereich 70 Palast Theater 128 Palinodie siehe Widerruf Pamphlet 77 siehe auch fliegende Blätter Pantheismus 84 Panzerschiff Potemkin 153, 158 Papiermangel 201 Papiermenge 188 Paradies, zukünftiges 191 Parteidisziplin 179, 183, 201 Parteigeist 50 Patriarchat 94, 98 als Gesellschaft 90 als Machtdiskurs 98 siehe auch Autorin, Feminismus, Frauen, Frauenliteratur, Geschlechtszensur, Mündigkeit Pazifismus 122, 163

PEN Club in USA 165-166 und Redefreiheit 165 Pietismus 74-75, 84 plein-airisme 118 Oberflächlichkeit vs. Wesenheit 118 Pornographie 104, 113-114, 120 Anspielungen 198 Präventivpolizei 85 Presse liberale 123 linke 123 Tages- und Wochenpresse 195 volkstümliche 78 Witzblatt-Presse 131 Pressefreiheit siehe Freiheit Privatbereich 6 Profanisierung 36 Propaganda 85, 151 puritanische 154 und Zensur 64 Prostitution 116 Provokation 129 primäre 142 sekundäre 142 Pseudonym 79 Veröffentlichungspraxis 94 Publikationsverbot 21 Publikum 146 elitäre 69 siehe auch Lesepublikum Rehabilitierung, posthume 134 Reich, Tausendjähriges 75 Reichsgewerbeordnung 120 Reichslichtspielgesetz (Film Act of 1920) 152 Reichspressegesetz von 1874 114 Reichsstrafgesetzbuch (R.S.G.B.) 114, 119-120 Reizschwellen 65 Religion als Zensurkriterium 66 staatliche Neutralität 66 Volksreligiosität 77 Religionspolitik 85 Repression absichtliche 64 politische 63 reprographische Industrie 111

240 Restauration 66 Revisionsblatt 54-57, 59 Rezensionen 43, 93 Rezensurierung 185 Rhapsodie 93 Rheinbundära 66, 70 Richter 98 Roman 93 Romantik 87 , 95, 98 Frühromantik 89, 92 kulturelle Ordnung 92 Rumfordische Armenküchen 197 Ruskin-Whistler Debatte 118 Russisches Agitprop 150 Säkularisation 30 Prozeß der 36 Prozesse 6 Sakrileg 188 Salome-Modemanie 116 Salon 112,116-118 Salzburger Kongreß 32 Satire 80, 99, 107, 109, 139, 145 illustrierte 111 opportunistische 199 Spottnummer (skit) 131 Schikane, bewußte 57 School and Society (Zeitschrift) 167 Schriftsteller siehe Autor, Autorin schriftstellerisches Selbstverständnis 179 Schriftstellerverband der DDR 188 Schutz der Familie 113 Selbstmord 116 Selbstzensur 7, 90, 105, 137, 147, 180, 184, 186, 189, 193-194, 201 Selbstdisziplinierung der Autoren 189 ultima ratio der opportunen 186 verlegerische 8 verordnete Selbstkorrektur 186 Sezession 112 Sezessionsbewegung 115-116, 118-120 Berliner 119 17. Juni 1953 180-182 Simplicissimus (Zeitschrift) 112-115, 120, 122 Sittenzensur siehe Zensurkriterien sittliches Verderben 6, 53 Sonntagspredigten 103

Sachregister Sozialdemokratie 113, 117, 121-122 Sozialgeschichte der Literatur 86 des Schreibens 39 Sozialismus 179 Sozialisten 114-115, 119, 121, 163 Sozialistengesetze (Anti-Socialist Law) 114 Sozialpolitik 36 Spiritualismus 75 Staat, Theorie des 195 Staatsbildung Politik, innere 26 Prozeß der 20, 22 territoriale 20 Staatsbürger vs. Untertanen 73 staatsfeindliche Hetze 187 Staatsinteresse 51 Ständeklausel 68 Strafverfahren 81 politische 83 Sturm, Der (Zeitschrift) 115 Sultans- und Mönchsverfinsterung 107 Symbolproduktion, gesellschaftliche 14 Synagogenverbrennung 175 Technologiewandel 195 Tendenzen jüdische 156 undeutsche 118, 156 Theater als Gegenöffentlichkeit zum Obrigkeitsstaat 138 Lizenzvergabe 150 Theater des Westens 127 Theaterstücke 132 subversiver Einfluß 152 Theaterzensur 43 geschlossene Vorstellung 138, 157 Theaterzensurbeirat 134 und Filmzensur, ausländische Einflüsse 149 siehe auch Aufführungsverbot, Zensur Theologie als Wissensbereich 70 Time (Zeitschrift) 164-165 Todesstrafe gegen die Literatur 170 Toleranz 104 Trivialliteratur 190 Tübingen, Landesuniversität 70 Türkei 131

Sachregister

241

Überwachung der Landesgrenzen 43 ultramontan (streng päpstlich gesinnt) 121 ungesetzliche Verbindungsaufhahme 187 Unmündigkeit siehe Mündigkeit Unsittlichkeitsvorwurf 134 Unterhaltung (entertainment) 123 Massenunterhaltung 132 Unterhaltungsindustrie 150, 200 Untertanen vs. Staatsbürger 73 Verbotslisten 81 Verdammungsurteil 45 Verdrängung, Koalition der 146 Verkehrsnetzverdichtung 132 Verlag, nichtkatholischer 45 Verlagslizenzen 180 Verleger 69, 89, 196 ausländische 40 Strobel als 38 Verleumdungs- und Ehrenrührigkeitsgesetze des Reichs (libel laws) Versagungs-Decret 68 Vertriebsformen 85 Virginia Bill of Rights Volk (common people) Volksbühne 156 Volksfremde 155 Volksfrömmigkeit 74 Volksreligiosität 77 Volksschriftsteller 69, Vormärz im Deutschen Vormundschaft 79 siehe Mündigkeit

124

64 103, 105, 154

79 Bund 66

Wahlrecht allgemeines 200 für alle (Männer) 132 Waldpredigten 46, 48 Walhalla Theater, Berlin 126 Wallfahrt 76 weibliche Schriftstellerei 87, 89 weibliche Feder 8 9 , 9 1 , 9 8 Weimar 2 Weimarer Republik 149 Westveröffentlichung, unerlaubte 189 Widerruf (Palinodie) 45, 60, 193 wilhelminische(-s) Gesellschaft 135, 144-145, 148

Zeitalter 111, 113, 116, 122, 139 Zensurepoche 134, 141 Willkür, pragmatische 189 Wissensbereiche 71 Wissenschaftsdiskurs, interner 54 Witzblatt-Presse 131 Wolff, Christian Metaphysik 48 Philosophie 44 Wolffianer 44 Wöllnersche Dekrete 67 World Telegram 165 Württemberg 196 zensierte Literatur 69 Zeitschriftenzensur 100 Zeitungen Münchner 43 politische 67 Zelot (Glaubenseiferer), religiöser 172 Zensor 4 1 , 4 5 , 5 6 , 5 9 , 6 1 , 9 0 , 9 8 - 1 0 0 , 102, 107, 127, 131-132, 134, 152, 163, 181, 191, 193, 196 als Literaturkritiker 80 Definition 105 gegen Zensur 131 Korrespondenz mit Autoren 65 Normenhorizont 64, 196 Persönlichkeit u. Qualifikationen 12, 194 Provinzzensor 52 Spezialzensoren 70 Stattler als 38 Toleranzgrenze des Zensors 100 Unter- und Oberzensor 109 Zensur 57, 63, 82, 89, 99, 102, 106, 115, 125, 135-136, 139, 141, 145-146, 168, 171, 183, 186, 188, 194 ästhetische 108 als Absatzbeförderung 45, 59 als Bildungspolitik 77 als Deichbaumetapher 196 als Einsicht oder Vorsicht 144 als Erziehungspolitik 77 als Gegengift 195 als Gesundheitspolizei 195, 200 als Institution 133 als institutionalisierte Entrüstung 142 als Mittel der Außenpolitik 83, 108, 133, 199 als Moralpolitik 77

242 als Reaktion auf Reizwörter 134 als Reinigungsversuch der Volksbegriffe 196 als System staatlicher Steuerung 64 als Wissenschafts- und Literaturkritik 79 auf Jahrmärkten 68 aufklärerische 193 bei Museumsankäufen 120 Bürokratisierung 106 Definition 1, 5, 14, 63 durch Diskriminierung 8, 154 erreicht das Gegenteil des Beabsichtigten (selfdefeating) 110 Filmzensur 120 Gedankenzensur 109 Grenzen der 11 Haßliebe zur Zensur 148 in Baden 114 in Bayern 40, 114 in Berlin 110 in Film und Theater 149 in Jena 108 in Osterreich 110 in Oldenburg 114 in Sachsen 108, 114 in städtischen Lesebibliotheken 68 in Württemberg 110, 114 inhaltliche Vorgaben 77 innenpolitische 108 institutionalisierte 90 Interpretation durch Kontextuierung 146 katholische 37, 108, 196 Kirchenzensur 14, 196 Legalität vs. Legitimität 142 literarische 63 literarisches Moment 136 moderne 63 moralische und religiöse 149 muß sie sich legitimieren? 144 nach Inhalt (subject matter) 103 nach Stil (style) 103 politische 106 präventive 4 0 ^ t l , 114, 140 Pressezensur 187 prinzipielles Dilemma 132 rabiate 185 Reaktion des Autors 136,141 Rezensurierung 201 selektive 110 sozial-selektive 105,110

Sachregister Staatszensur 149 Theaterzensur 120 und Disciplin der gesunden Vernunft 53 und Disciplin des gesunden Menschenverstandes 55 und Kritik 135, 137, 140, 142, 145, 191 und Kunstkritik 147 und Meinungsfreiheit 72 und Pressefreiheit 4 und Progaganda 64 und Schadenfreude 130 und Volkskultur 14 von oben 6 von unten 6 Vorzensur 66, 68 Wandel von der moralischen zur politischen 148, 199 wen schützt sie? 142 Zeitschriften vs. Bücher 100 siehe auch Außenpolitik, Bücher, Filmzensur, Geschlechtszensur, Selbstzensur, Theaterzensur Zensurakten 58 anekdote 80 arsenal 174 arten 7 diskurs 87, 89 drangsale 60 eingriff als Präventivmaßnahme 146 freiheit der Akademiemitglieder 43 freiheit der Zensoren 43 gesetzgebung 64 gründe 104 gründe, grober Unfug 114 gründe, Krieg 106 gutachten 65 institution 90 Instruktionen 64 mandat 40, 43 maßregelungen 42 objekt 63 opfer 65 politik 77 Praktiken 199 praxis 65 praxis, Willkür 138 regel 4 schicksal 135

Sachregister spieler 139, 199 techniken 64 Unterlassung 199 urteile, als Indikatoren von Rezeptionsmustern 134 Verhältnisse, Verschärfung 41 wesen, Institutionalisierung 67 Zensurgeschichte 2 , 5 , 7 - 8 , 10-12, 15, 63,90, 136 als Werksgeschichte eines zensierten Autors 136, 138 von der Inquisition bis zu modernen Diktaturen 169 Zensurierungsstelle 192 Zensurkollegium 54 bayerisches 67 Ober- 7, 65, 69-71 Zensurkriterien 83 Basiskriterien 66-67 Ehre von Privatpersonen 67 politische 81

243 Religion 66 Sicherheit des Staates 66 Sittlichkeit 67, 83, 134, 138 soziale 68 Unterschied zwischen Volksschriften und gelehrten Abhandlungen 68 Zensumormen 69 politische 81 soziale 67 Wandel der 63 Zentralisierung 76 Zentralismus, demokratischer 187 Zentrum (Z) (Catholic Centre) 119, 155-156 Zirkus Schumann 123,131 Zirkusnummer 133 Zivilisation 173, 175 Zulassung zum Druck 188 Zwangsexilierung 189 2. Weltkrieg 176 Zweites Reich 122